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Full text of "Historische geographie von Mitteleuropa"

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Historische 


Mitteleuropa 


Konrad  Kretschner 


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HANDBUCH  . 

DER 

Mittelalterlichen  und 
Neueren  Geschichte. 


HERAUSGEGEBEN  VON 

G.  v.  Below,       UND        F.  Meinecke, 

PROFE880R  AN  DER  UNIVERSITÄT  TÜBINGEN.         PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  6TRAS8BÜRO. 


Abteilung  iv: 

HILFSWISSENSCHAFTEN  UND  ALTERTÜMER. 

K.  Kretschmer. 

HISTOEISCHE  GEOGRAPHIE  VON  MITTELEUROPA. 


MÜNCHEN  UND  BERLIN. 
DRUCK  UND  VERLAG  VON  R,  OLDENBOURG. 

1904. 


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Historische  Geographie 


VON 


Mitteleuropa. 


VON 


PROF.  D*  KON  RAD  Kretschmer, 

PRTVATDOZBNT  AN  DER  ÜNIVBR8ITÄT  BERLIN  UND  LEHRER  DER  GEOGRAPHIE 

AN  DER  KÖNIG L.  KRIEGSAKADEMIE 


MÜNCHEN  und  BERLIN. 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  R.  OLDENBOURG. 

1904. 


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Vorwort. 


Ein  Handbuch  hat  die  Aufgabe,  über  den  gegenwärtigen  Stand 
der  Forschung  auf  dem  Gebiete  einer  Disziplin  zu  unterrichten,  das  ein- 
schlägige Material  kurz  zu  skizzieren  und  die  literarischen  Hilfsmittel 
namhaft  zu  machen,  die  dem  Leser  eine  Antwort  auch  auf  weitere  Fragen 
seiner  Wissenschaft  geben.  Es  hat  nun  seine  Schwierigkeiten,  ein  Hand- 
buch der  historischen  Geographie  in  dem  zeitlichen  und  räumlichen 
Umfange  wie  das  vorliegende  zu  liefern,  und  zwar  aus  dem  einfachen 
Grunde,  weil  eine  systematische  Behandlung  unter  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Realien  bisher  noch  niemals  auch  nur  für  einzelne  Land- 
schaften versucht  worden  ist.  Die  Vorarbeiten  zu  einem  solchen  Buch 
sind  sehr  beschränkte  und  das  Material,  welches  zur  Aushilfe  dienen 
mufs,  setzt  sich  aus  sehr  verschiedenartig  geformten  Bausteinen  zu- 
sammen. 

Es  war  für  den  Verfasser  um  so  schwieriger,  den  richtigen  Stand- 
punkt zu  gewinnen,  als  er  einerseits  den  Historikern  genügen  mufste 
—  denn  als  Teil  eines  historischen  Handbuchs  erscheint  das  Ganze  — , 
und  als  er  anderseits  seinen  geographischen  Fachgenossen  genügen 
wollte.  Die  Interessenkreise  beider  decken  sich  aber  nicht  vollkommen, 
und  die  kritischen  Bedenken  werden  sich  voraussichtlich  gegen  Inhalt 
und  Umfang  des  aufgenommenen  Materiales  richten,  somit  aber  auch 
sehr  verschieden  ausfallen. 

Was  den  Inhalt  im  einzelnen  betrifft,  so  war  es  vor  allem  erforder- 
lieh ,  in  der  Auswahl  des  überreichen  Stoffes  Mafs  zu  halten ,  und 
schwierig,  allen  Paragraphen  eine  gleichmäfsig  abgewogene  Ausführlich- 


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VI 


Vorwort. 


keit  zu  geben.  So  manches,  was  der  Beachtung  wert  schien,  mufste 
gestrichen  werden.  Eine  Städtekunde,  in  welcher  auch  die  topographische 
Entwickelung  der  gröfseren  Städte  behandelt  werden  sollte,  war  zum 
Teil  schon  fertiggestellt,  mufste  aber  schliefslich  fortbleiben,  um  den 
vereinbarten  Umfang  des  Buches  nicht  zu  überschreiten.  —  Nicht  ohne 
Absicht  hat  auch  die  physische  Geographie  eine  ausführliche  Darstellung 
erfahren,  denn  ein  Historiker,  der  z.  B.  über  die  Kulturtätigkeit  der 
preufsischen  Könige  in  den  Bruch-  und  Luchgebieten  der  Mark  Branden- 
burg forscht,  sollte  füglich  auch  eine  Vorstellung  von  der  natürlichen 
Entstehung  und  dem  Zusammenhang  dieser  Bruchstreifen  in  ihren  Be- 
ziehungen zu  den  Urstromtälern  der  Eiszeit  haben.  Die  physisch -geo- 
graphischen Abschnitte  haben  hier  einen  belehrenden  Zweck,  ohne  dafs 
sie  den  Historiker  zu  einer  produktiven  Tätigkeit  auf  diesem  ihm  durch- 
aus fernliegenden  Gebiete  anregen  sollen.  Dies  gilt  auch  hinsichtlich 
der  Literaturangaben ;  es  sind  hierfür  gerade  solche  Werke,  Zeitschriften - 
artikel,  Vorträge  u.  dgl.  bevorzugt  worden,  die  einen  Gesamtüberblick 
Über  die  einschlägigen  Probleme  geben.  —  Bei  der  Auswahl  der  Lite- 
ratur der  politisch-  und  kulturgeographischen  Teile  des  Buches  mufste 
auch  sehr  streng  gesichtet  werden.  Es  konnten  nicht  sämtliche  Quellen- 
und  Urkundensammlungen  aller  Landschaften,  Provinzen,  Territorien 
und  Städte  aufgenommen  werden,  und  hoch  eingeschätzte  historische 
Werke  sind  nicht  erwähnt  worden,  einmal,  weil  sie  nicht  alle  geogra- 
phisch beachtenswerte  Bemerkungen  enthalten,  und  dann,  weil  hier 
nicht  ein  historisches  Literaturrepertorium  geliefert  werden  soll.  Im 
übrigen  mufs  auf  die  anderen  Werke  dieser  Handbuchsammlung  ver- 
wiesen werden. 

Dafs  das  Buch  nicht  ohne  Fehler  ist,  weifs  niemand  besser  als  der 
Verfasser  selbst,  und  es  ist  aufser  Zweifel,  dafs,  wer  sich  an  die  Suche 
macht,  mancherlei  Mängel  und  Irrtümer  wird  entdecken  können.  Das 
weitschichtige  Riesenmaterial,  zuweilen  aus  den  entlegensten  Winkeln 
zusammengelesen,  gibt  unendlich  oft  Gelegenheit  zum  Straucheln.  Der 
Verfasser  darf  deshalb  wohl  auf  einige  Nachsicht  rechnen,  ohne  das 
Verlangen  zu  stellen,  dafs  ihm  alles  entschuldigt  werde.  Ich  erwarte 
keine  schonende,  aber  billige  Kritik. 

Karten  konnten  dem  Handbuch  leider  nicht  beigegeben  werden. 
Es  darf  aber  vorausgesetzt  werden,  dafs  jeder  Benutzer  eines  solchen, 
lediglich  wissenschaftlichen  Interessen  dienenden  Buches  auch  im  Be- 
sitz eines  historischen  Atlas  ist,  —  und  zur  notdürftigen  Orientierung 
reicht  schliefslich  schon  ein  kleiner  Schulatlas  aus.    Sehr  viel  mehr 


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Vorwort. 


VII 


hätten  die  dem  Format  dieses  Buches  angepafsten  Karten  bei  dem 
dadurch  nötig  gewordenen  kleinen  Kartenmafsstabe  ja  auch  nicht  bieten 
können. 

Zum  Schlufs  komme  ich  der  angenehmen  Pflicht  nach,  allen  den 
Herren,  die  mich  während  der  Abfassung  und  Drucklegung  durch  Mit- 
teilungen verschiedener  Art,  Berichtigungen  und  Ergänzungen  des  Textes 
unterstützt  haben ,  meinen  aufrichtigsten  Dank  auch  öffentlich  aus- 
zusprechen. 

Charlottenburg,  15.  Februar  1904. 


K.  Kretschmer. 


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Inhalt. 

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• 

Seit« 

1 

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....  488 

....  496 

XL  Politische  GeoKraphio  um  da«  Jahr  1650   

....  506 

....  638 

651 

...  612 

: 


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Einleitung. 


1.  Historische  Geographie.  Die  historische  Geographie  behandelt 
die  Erdoberfläche  in  ihren  Beziehungen  zur  Kulturwelt  des  Menschen  im 
Verlauf  der  geschichtlichen  Entwickelung.  Sie  untersucht  einerseits,  in 
wieweit  die  Kultur  der  Völker  in  Abhängigkeit  von  der  Natur  ihres 
Landes  steht,  und  anderseits,  wie  diese  Völker  die  Herrschaft  über  den 
Boden  sich  politisch  und  wirtschaftlich  angeeignet  und  den  Einflufs  der 
Xaturumgebung  vermöge  ihrer  Kultur  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
überwunden  haben.  Da  die  Kultur  aus  primitiven  Anfängen  zu  immer 
höheren  Stufen  sich  fortentwickelt  hat,  so  ist  es  Aufgabe  der  historischen 
Geographie,  die  angedeuteten  Wechselbeziehungen  zwischen  Land  und 
Volk  in  den  einzelnen  Perioden  der  Geschichte  nach  ihrem  ursächlichen 
Zusammenhango  zu  ergründen. 

Auf  die  Frage  nach  dem  Inhalt  der  historischen  Geographie  wird 
der  Historiker  eine  andere  Antwort  geben  als  der  Geograph.  Aber  auch 
unter  den  Geographen  selbst  herrscht  keineswegs  Übereinstimmung  in 
der  Definition.  Viele  begreifen  unter  historischer  Geographie  die  Ge- 
schichte der  Erdkunde,  andere  wieder  erklären  sie  mit  mehr  Berech- 
tigung als  die  »Geographie  der  Geschichte c.  Ich  möchte  diese  Auslegung 
gerade  vermieden  wissen,  weil  durch  sie  die  Auffassung  bestärkt  werden 
kann,  dafs  die  historische  Geographie  nur  eine  Hilfswissenschaft  der 
Geschichte  sei.  In  der  Form,  wie  sie  der  Historiker  fafst,  ist  sie  für 
ihn  allerdings  nur  eine  Hilfswissenschaft.  Sie  schliefst  sich  aber  dadurch 
zu  einer  selbständigen  Disziplin  ab,  dafs  sie  aus  einem  eigenen  Gesichts- 
punkt heraus  den  Menschen  in  seiner  historischen  Entwickelung  mit  dem 
Schauplatz  seiner  Tätigkeit  in  Verbindung  bringt.  Zur  näheren  Begrün- 
dung dessen  müssen  wir  uns  zunächst  über  das  Wesen  der  Geographie 
klar  sein  und  über  die  Betrachtungsweise,  die  sie  dem  Gegenstand  ihrer 
Forschung  angedeihen  läfst.  —  Man  hat  die  Geographie  kurz  als  die 
Wissenschaft  oder  Kunde  von  der  Erdoberfläche  bezeichnet.  Aber  nicht 
nur  die  Lithosphäre  und  Hydrosphäre,  welche  die  Oberfläche  des  Erdballes 
bilden,  sondern  auch  die  übrigen  Gegenstände  und  Phänomene  auf  ihr 

Kretschmer,  Historische  Geographie.  1 


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Einleitung. 


werden  mit  in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen.  Die  Form  der  Behand- 
lung ist  eine  zweifache:  eine  mehr  äufserlich  beschreibende  und  eine  gene- 
tisch entwickelnde ;  die  eine  wird  der  anderen  notwendigerweise  voraus- 
gehen müssen.  Die  beschreibende  Geographie  hält  sich  an  das  gegebene 
Tatsachenmaterial;  sie  beschreibt  Land  und  Wasser  sowie  die  Erscheinungen 
des  Jjuftreiches  und  das  Auftreten  der  Organismen  (Tiere  und  Pflanzen) 
in  ihrer  räumlichen  Anordnung.  Die  andere  sucht  die  Ursachen  dieser 
Verteilung,  die  Herausbildung  der  Erdoberfläche  u.  dgl.  zu  ergründen, 
mit  anderen  Worten:  sie  erforscht  den  kausalen  Zusammenhang.  Hier- 
nach wäre  die  Geographie  eine  rein  naturwissenschaftliche  Disziplin 
(Physische  Geographie). 

Als  das  erhabenste  Objekt  der  Forschung  gilt  aber  der  Mensch, 
der  die  Herrschaft  über  die  Erdoberfläche  sich  angeeignet  hat,  und  es 
war  naheliegend,  auch  ihn  in  seinem  Walten  auf  der  Erde  vom  geo- 
graphischen Gesichtspunkt  aus  zu  betrachten  (Anthropogeographie). 
Seit  alters  hat  man  ihm  innerhalb  der  Geographie  eine  hervorragende 
Berücksichtigung  zu  teil  werden  lassen  und  ihn  oft  genug  in  den  Mittel- 
punkt der  Betrachtung  gerückt.  Er  kann  selbstverständlich  nicht  den 
alleinigen  Inhalt  der  Geographie  ausmachen  wollen,  schon  deshalb  nicht, 
weil  seine  Verbreitung  auf  der  Erde  eine  beschränkte  ist.  Während  die 
physische  Erdkunde  es  mit  Problemen  zu  tun  hat,  deren  Lösung  in  der 
Auffindung  unabänderlicher  Naturgesetze  besteht,  hat  die  Geographie 
des  Menschen  Aufgaben  zu  erfüllen,  die  durch  das  Eingreifen  eines 
höchst  eigenartigen  Faktors  sich  sehr  viel  komplizierter  gestalten  und 
sich  nicht  so  einfach  durch  das  Schema  eines  blind  waltenden  Gesetzes 
erledigen  lassen.  Natur  und  Kultur  bilden  polare  Gegensätze,  die 
ineinandergreifen  und  sich  gegenseitig  durchdringen.  Die  Natur  ist 
stärker  als  die  Kultur;  gleichwohl  vermag  diese  die  Naturgewalten  in 
bestimmte  Bahnen  zu  leiten,  sie  in  ihrer  Wirkung  abzuschwächen  oder 
auch  sich  dienstbar  zu  machen.  Der  Mensch  ist  eben  nicht  wie  Tier 
und  Pflanze  ein  stumpf  dahin  vegetierender  Organismus,  der,  unter  dem 
Eindruck  der  Naturgewalten  stehend,  sich  den  gegebenen  Verhältnissen 
der  geographischen  Lokalität  in  jedem  einzelnen  Falle  anzupassen  hätte, 
sondern  vermittelst  seiner  Intelligenz,  Erfahrung  und  Energie  weifs  er 
oft  den  Einflufs  der  Naturgewalten  zu  durchkreuzen  und  sie  umgekehrt 
in  Abhängigkeit  von  sich  zu  bringen.  Die  somit  ganz  anders  gearteten 
Aufgaben  der  Anthropogeographie  bedingen  es,  dafs  die  Definition  der 
physischen  Geographie  nicht  ohne  weiteres  auch  auf  jene  sich  anwenden 
läfst.  Eine  nähere  Begriffsbestimmung  der  Geographie  schlechthin  ohne 
Rücksichtnahme  auf  diese  Doppelseitigkeit  der  Aufgaben  und  ihre  in 
der  Natur  des  Stoffes  begründete  Verschiedenheit  ist  unmöglich,  —  es 
sei  denn,  dafs  man  die  ganze  Geographie  des  Menschen  als  nicht  in  das 
Gebiet  der  eigentlichen  <  leographie  gehörig  unter  irgend  einem  Schein- 
grund sich  keck  vom  Halse  schüttelt.  Sobald  aber  der  Mensch 
mit  in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen  wird,  muls  er 
auch  historisch  gefafst  werden.  Ein  und  derselbe  Erdfleck  kann 
einem  und  demselben  Volke  anderthalb  Jahrtausende  lang  als  Aufenthalts- 


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1.  Historische  Geographie.  3 

ort  gedient  haben.  Trotzdem  die  natürlichen  Anlagen  jener  Örtlichkeit, 
wie  geographische  Lage,  Boden,  Klima  etc.,  die  gleichen  geblieben  sind, 
können  sie  jeweilig  eine  verschiedene  Wirkung  auf  das  in  Frage  kom- 
mende Volk  ausgeübt  haben.  Der  Grad  der  Kultur  und  mit  ihr  die 
Fähigkeit,  die  nachteiligen  Einflüsse  zu  überwinden  und  die  vorteilhaften 
Gegebenheiten  auszunutzen  und  in  ihrem  Werte  zu  steigern,  sind  hierfür 
bestimmend.  Trotz  aller  Emanzipation  des  Kulturmenschen  vom  heimat- 
liehen Boden  ist  doch  hinwiederum  seine  Anpassung  an  ihn  eine  so 
durchgreifende,  dafs  auch  bei  höchster  Kultur  eine  geographische  Beein- 
flussung dieser  Art  immer  vorhanden  sein  wird.  Der  Einflufs  wird  aber 
♦•in  verschiedener  sein,  da  noch  ein  anderes  Moment  teils  fördernd,  teils 
hemmend  miteinwirken  kann,  nämlich  die  jeweilige  politische  Situation. 
Ein  Beispiel  wird  dies  am  besten  zeigen.  Die  Verkehrsverhältnisse  eines 
Landes  sind  von  verschiedenen  geographischen  Umständen  abhängig,  also 
von  der  geographischen  Lage,  der  orographischen  und  hydrographischen 
Entwicklung  des  Landes  u.  a.  mehr.  Es  wird  auf  Grund  umfassender 
wirtschaftlicher  Erhebungen  gezeigt,  wie  grofse  Ströme  heute  Verkehrs- 
und Transportwege  ersten  Ranges  sein  müssen.  Dennoch  sehen  wir,  dafs 
in  früheren  Jahrhunderten  dieselben  grofsen  Ströme  ihre  hervorragende 
Redeutung  in  verkehrsgeographischer  Beziehung  gar  nicht  hervorkehren 
konnten,  weil  ihre  Uferlandschaften  infolge  der  territorialen  Zersplitterung 
in  den  Händen  zahlreicher  kleiner  und  grofser  Machthaber  waren,  von 
denen  jeder  seinen  Zoll  von  dem  passierenden  Schiffe  forderte;  der  Güter- 
verkehr war  daher  erschwert  und  teilweise  ganz  ausgeschlossen.  Um 
daher  zu  einer  richtigen  Abschätzung  des  Einflusses  geographischer  Fak- 
turen auf  das  Kulturleben  des  Menschen  zu  gelangen,  bedarf  es  einer 
ständigen  Berücksichtigung  des  historisch-politischen  Hintergrundes.  Wie 
dw  Gruppierungen  der  staatlichen  Gebilde,  der  Territorien  in  ihrer  gegen- 
^itigen  Abgrenzung  für  eine  solche  Betrachtung  notwendigerweise  Be- 
achtung finden  müssen,  so  nicht  minder  die  grofsen  historischen  Ereig- 
nisse, wie  Völkerwanderungen,  verheerende  Kriege,  Revolutionen,  welche 
lammend  und  abschwächend  auf  die  durch  geographische  Momente 
bedingte  Kultureutwickelung  eingewirkt  haben. 

Für  die  Betrachtung  der  historisch -geographischen  Verhältnisse 
^ines  Landes  ist  es  daher  erforderlich,  geeignete  zeitliche  Ruhe- 
punkte (Termine)  auszuwählen,  die  kurz  vor  oder  kurz  nach  grofsen 
Ereignissen  und  politischen  Veränderungen  liegen.  Die  historische  Geo- 
graphie hat  eben  nicht  Entwickelungsprozesse  zu  schildern,  sondern  be- 
gehende Zustände  eines  Landes  oder  Staates,  die  sie  allerdings  aus 
dem  Entwickelungsprozefs  zu  begreifen  strebt.  Sie  liefert  eine  Beschrei- 
bung des  Landes  in  allen  seinen  Beziehungen  zur  Bewohnerschaft  für 
*inen  gauz  bestimmten, Zeitpunkt.  Während  die  Geschichte  die  politischen 
und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegen- 
wart verfolgt,  gibt  die  Geographie  einen  Querschnitt  durch  alle  diese 
Verhältnisse  für  gewisse  Zeitpunkte.  Unter  dieser  Voraussetzung  läfst 
sieh  eine  historische  Geographie  ganzer  Epochen  (des  Mittelalters  und 
der  Neuzeit)  methodisch  nur  so  behandeln,  dafs  die  politisch-geographi- 


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4 


Einleitung. 


sehen  und  wirtschafts-geographischen  Verhältnisse  möglichst  zahlreicher 
Termine  geschildert  und  in  ihrem  ursächlichen  Zusammenhange  unter- 
sucht werden.  Die  Anzahl  der  gewählten  Zeitpunkte  ist  anhängig  von 
der  Beschaffenheit  des  vorhandenen  Quellenmaterials,  welches  für  die 
Neuzeit  begreiflicherweise  reichlicher  fliefst  als  für  das  Mittelalter.  In 
dem  vorliegenden  Buche  ist  diese  Behandlungsweise  für  Mitteleuropa 
systematisch  durchgeführt  worden.  Die  Geographie  des  Altertums  ist 
nur  in  Umrissen  gegeben,  soweit  es  für  den  Anschlufs  an  die  mittel- 
alterliche Zeit  erforderlich  war.  Für  Mittelalter  und  Neuzeit  wurden  die 
Jahre  1000,  1375,  1550,  1650  und  1770  gewählt. 

Eine  historische  Geographie  in  der  vorher  angedeuteten  Weise  läfet  sieh 
nur  für  die  geschichtliehen  Völker  durchführen,  also  solche,  welche  geschicht- 
liche Aufzeichnungen  hinterlassen  haben.  Vielfach  wird  der  Begriff  histo- 
rische Geographie  aber  weiter  gefafst,  indem  man  ihn  auch  auf  die  sog. 
geschieh tslosen  Völker  ausdehnt  mit  der  durehaus  berechtigten  Begründung,  dafs 
die  Geschichte  der  Menschheit  nicht  erst  mit  dem  Gebrauch  der  Schrift  und 
der  dadurch  ermöglichten  Überlieferung  der  Geschehnisse  beginnt.  Zur  Lösung 
der  einschlägigen  Probleme  tritt  die  Geographie  in  Beziehungen  zu  anderen 
Wissenschaften,  besonders  zur  Völkerkunde  und  Urgeschichte.  Inhalt  und 
Methode  dieses  Zweiges  der  historischen  Geographie  sind  daher  ganz  anders 
geartet.    Vgl.  hierüber  Ratzel,  Anthropog.  I,  29  ff. 

Die  Geographie  des  Menschen  wird  nach  dem  Vorgänge  Ratzels  jetzt 
allgemein :  A  n  t  h  r  o  p  o  g  e  o  g  r  a  p  h  i  e  genannt,  eine  Bezeichnung,  an  der  zuweilen 
Anstofs  genommen  wird,  weil  sie  den  Eindruck  hervorruft,  als  ziehe  sie  nur 
das  rein  biologische  Moment,  ähnlich  wie  bei  der  Tier-  und  Pflanzengeographie 
in  den  Kreis  der  Betrachtung.  Vielmehr  rückt  sie  gerade  das  Kulturmoment  in 
den  Mittelpunkt  ihrer  Forschung;  sie  sucht  die  Beziehungen  zu  ergründen, 
die  zwischen  der  Kultur  des  Menschen  und  der  Eigenart  seines  Wohnortes 
bestehen.  Die  historische  Geographie  in  dem  oben  dargelegten  Sinne  sucht 
dieselben  Fragen  nur  für  bestimmte  Zeitpunkte  der  Vergangenheit  zu  lösen. 
Sie  bildet  somit  einen  Teil  der  ganzen  Anthropogeographie,  gleichsam  eine 
spezielle  Anthropogeographie  im  Gegensatz  zur  allgemeinen,  wie  sie  Ratzel  in 
seinen  Werken  behandelt  hat.  —  J.  Wimmer  hat  die  Bezeichnung  historische 
Landschaftskunde  einführen  wollen,  eine  Bezeichnung,  die  wohl  gelegentlieh 
Verwendung  finden  mag,  alter  den  Begriff  der  historischen  Geographie  nicht 
vollständig  umfafst. 

Über  Methode,  Inhalt  und  Aufgaben  der  historischen  Geographie  vgl. 
Ratzel,  Anthropogeographie  (»der  Grundzüge  der  Anwendung  der  Erdkunde 
auf  die  Geschichte,  Stuttg.  1882,  1.  Bd.,  besonders  in  den  einleitenden  Kapiteln 
(auch  in  2.  Aufl.  WM)).  Oberhummer,  Die  Aufgaben  der  historischen  Geo- 
graphie, in  Verb.  d.  IX.  Deutsch.  Geographentages,  Wien  1891,  p.  237 — 251. 
Kr  et  schmer,  Die  Beziehungen  zwischen  Geographie  und  Geschichte,  in  Verh. 
d.  VII.  intern at  Geogr.  Kongresses,  Berlin  1901,  II,  923-  9.50  (abgedruckt  in 
Geogr.  Zeitechr.  1899,  V,  605  ff.)  Wimm  er,  Historisehe  Landschaftskunde, 
Innsbruck  1885.  Wagner,  Lehrbuch  der  Geographie,  t).  Aufl.  1894,  p.  27—30; 
sowie  seine  Berichte  über  die  geogr.  Methodologie,  im  Geogr.  Jahrbuch,  ver- 
schiedene Jahrgänge.  Hettner,  Die  Entwickelung  der  Geogr.  im  19.  Jahrb., 
in  Geogr.  Zeitsehr.  1898,  IV,  319;  mit  seinen  Ausführungen  über  die  historische 
Geographie  bin  ich  nicht  völlig  einverstanden,  besonders  mit  dem  Schlufssatz 
nicht.  Richter,  Die  Grenzen  der  Geographie,  Rektoratsrede,  Graz  1899, 
p.  10  ff.;  hierzu  vgl.  Hettner,  Neue  Äußerungen  über  Wesen  und  Aufgaben 
d.  Geogr.,  in  (ieogr.  Zeitschr.  1900,  VI,  576. 

Karl  Ritter  gilt  mit  Recht  als  der  Begründer  der  wissenschaftlichen 
Geographie  des  XIX.  Jahrhunderts.     Er  sah  es  als  seine  Hauptaufgabe  an, 


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1.  Historische  Geographie. 


5 


die  Erde  im  Zusammenhang  mit  dem  Menschen  zu  schildern,  nach  seiner  Ver- 
breitung, seiner  sozialen,  moralischen  und  wirtschaftlichen  Kultur,  soweit  sie 
durch  geographische  Momente  bedingt  ist.  Der  Titel  seines  19-bändigen  Werkes 
»Die  Erdkunde  im  Verhältnis  zur  Natur  und  zur  Geschichte  des  Menschen  oder 
allgemeine  vergleichende  Erdkunde  als  sichere  Grundlage  des  Studiums  und 
Unterrichtes  in  physikalischen  und  historischen  Wissensehaften«  deutet  in 
kurzen  Worten  das  vorgezeichnete  Ziel  nach  Inhalt  und  Umfang  an.  Es  mag 
sonderbar  erscheinen,  dafs  man  den  Klassiker  der  Geographie  gegen  Vorwürfe 
und  Angriffe  noch  verteidigen  mufs.  Ritter  hatte  schon  bei  Lebzeiten  manchen 
Angriff  erfahren.  Gewils  Ist  auch,  dafs  seine  Arbeiten  viel  Angriffspunkte 
bieten,  dafs  der  von  ihm  vorgezeichnete  Weg  geographischer  Betrachtungsweise 
von  ihm  selbst  nicht  immer  beschritten  worden  ist.  Man  mufs  bei  ihm 
stets  unterscheiden  zwischen  dem ,  was  er  gewollt ,  und  dem ,  was  er  aus- 
geführt hat.  Aber  in  dem,  was  er  gewollt,  in  den  Zielen  und  den  Gesichts- 
punkten, die  er  gegeben,  hat  er  gerade  grundlegend  gewirkt.  Das  abfällige 
Urteil  über  Ritter  hat  in  neuerer  Zeit  immer  schroffere  Formen  angenommen. 
Die  Entwicklung,  welche  die  physische  Geographie  in  den  letzten  Jahrzehnten 
genommen  hat,  läfst  sich  freilich  nicht  auf  Ritter  als  ihren  eigentlichen  Begründer 
zurückführen.  Aber  es  ist  falsch,  wenn  man  ihm  Nichtbeachtung  der  geogra- 
phischen Probleme  vorwerfen  wollte.  Ein  Rück  in  seine  Vorlesungen  über 
»Allgemeine  Erdkunde»  zeigt,  welche  Bedeutung  er  selbst  der  ent wickelungs- 
geschichtlichen Erkenntnis  der  Erdoberfläche  beigemessen  hat.  Wenn  er  sich 
auch  in  der  weiteren  Ausgestaltung  und  Vertiefung  der  Geophysik  nicht 
betätigt  hat  und  seinem  ganzen  Studiengange  nach  nicht  betätigen  konnte,  so 
wufste  er  doch  die  Ergebnisse  der  geologischen  und  meteorologischen  Forschung 
im  Rahmen  einer  geographischen  Betrachtungsweise  mit  kritischem  Takte  zu 
behandeln.  Man  beachte  nur  einige  der  dort  vorgezeichneten  Kapitelüber- 
schriften: Genesis  der  Plateau-  und  Gebirgsbildung  —  Die  Gebirgsbildung  nach 
ihrer  Entstehung  —  Die  Bildung  der  germanisch-sarmatischen  Niederung  — 
Die  Entstehung  der  pontisch-kaspischen  Einsenkung.  In  diesen  Abschnitten 
behandelt  er  vom  damaligen  Standpunkt  aus  rein  geomornhologische  Fragen. 
Mit  allem  Nachdruck  weist  er  auf  die  Notwendigkeit  hin,  den  »Kausal- 
zusammenhang der  Erscheinungen«  zu  ergründen,  »wodurch  erst  jede 
einzelne  derselben  als  notwendig  und  für  jede  Lokaütät  räumlich  bedingt 
hervortreten  kann«.  Er  ist  daher  auch  ein  heftiger  Gegner  der  Kompendien- 
geographie, wie  er  sie  nennt,  die  für  ihn  nur  »ein  in  Schachteln  abgeteiltes 
scholastisches  Fachwerk«  ist.  »Die  Tatsachen  werden  wie  die  bunten  Flicklappen 
eines  Teppichs  aneinander  gereiht,  bald  so,  bald  so,  als  könnte  ein  jedes  als  abgeris- 
senes Stück  für  sich  bestehen.  Nur  ihre  Sonderung  tritt  hervor,  ihr  Zusammenhang 
nicht.«  Ritter  hat  auf  die  Erforschung  der  Beziehungen,  die  zwischen  der  Erde 
und  dem  Menschen  bestehen,  immer  das  Hauptgewicht  gelegt,  ohne  damit 
zum  Ausdruck  bringen  zu  wollen,  dafs  nur  sie  allein  den  wahren  und  einzigen 
Inhalt  der  Erdkunde  ausmachen  solle.  Jedenfalls  haben  diese  Beziehungen 
auch  vor  ihm  schon  immer  im  Vordergrund  der  geographischen  Betrachtung 
gestanden  und  über  zwei  Jahrtausende  lang  den  wesentlichen,  wenn  auch 
niemals  ganz  ausschließlichen  Inhalt  der  Geographie  ausgemacht.  Man  sollte 
auch  aus  diesem  Grunde,  bei  der  Definition  unserer  Disziplin  alle  früheren 
Inhaltsbestimmungen,  die  doch  schon  eine  historische  Berechtigung  sich 
erworben  haben,  nicht  ohne  weiteres  und  geflissentlich  übersehen.  Man  erkenne 
den  Dualismus  in  der  Geographie  lieber  freimütig  an,  als  dafs  man  sie  ganz 
einseitig  zu  einer  spezifischen  Erdphysik  stempelt  und  sie  als  die  allein  selig 
machende  Form  unserer  Wissensehaft  anpreist. 

Ritter  hatte  s.  Z.  der  Geographie  noch  nicht  den  Umfang  gegeben, 
den  sie  heutzutage  einnimmt.  Er  war  noch  von  der  Bewältigung  des  Materialcs 
vollauf  in  Anspruch  genommen;  die  Vielseitigkeit  des  Stoffes  und  die  Fülle 
der  sich  darbietenden  Aufgaben  liefsen  ihm  zur  Ausführung  nur  einiger 
weniger  Zeit.    Es  Ist  aber  begreiflich,  dafs  bei  der  neuen  Fundamentierung 


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6  Einleitung. 

einer  Wissenschaft  nicht  sogleich  über  alle  noch  möglichen  Ausgestaltungen 
Dispositionen  getroffen  werden  konnten ;  ähnlich  wie  der  Baumeister  einer 
grofsen  Kathedrale,  an  der  mehrere  Jahrhunderte  gebaut  wird,  auch  den  nach- 
folgenden Generationen  die  Einführung  neuer  Motive  noch  freigelassen  hat. 
Die  Wissenschaft  ist  fortgescliritten  und  über  Ritter  hinausgegangen.  Wir 
können  an  seine  Forschungen  nicht  mehr  unmittelbar  anknüpfen  wollen,  ebenso- 
wenig wie  an  diejenigen  Alexander  von  Humboldts.  Beide  sind  für  uns  schon 
historisch  geworden.  Nicht  an  der  Hand,  aber  im  Sinne  Ritters  können  wir 
heute  weiter  arbeiten  —  und  im  Sinne  Ritters  ist  auch  das  vorliegende  Hand- 
buch gesehrieben  worden.  Zutreffend  charakterisiert  Paul  Lehmann  in  seinem 
neuesten  Werk  die  schiefe  Auffassung,  die  über  Ritter  Platz  gegriffen  hat : 
»Karl  Ritter  wird  heute  von  vielen  ehrend  genannt,  von  wenigen  gelesen  und 
nur  von  der  geringen  Zahl  derjenigen,  die  das  Werk  seines  Lebens  in  seiner 
historischen  Bedeutung  und  zugleich  (he  Tiefe  seiner  edlen  Mannesseele  zu 
würdigen  wissen,  geehrt  und  geliebt.  Man  liest  Ritter  heute  nicht  mehr,  um 
Geographie  zu  lernen,  und  der  Rittersche  Standpunkt  gilt  vielen  Jüngern  der 
mixlernen  Geographie  als  veraltet.  Das  ist  nur  richtig,  wenn  damit  (mifs- 
bräuchlich !)  eine  Methode  bezeichnet  wird,  die  ohne  Rücksicht  auf  che  Fort- 
sehritte von  Kartographie,  Geologie  und  Klimatologie  ein  unzulängliches  geogra- 
phisches Material  nach  einigen  Leitideen  Ritters  zu  ordnen  sucht.  Von 

den  Fortschritten  der  Geologie  seit  zwei  Menschenaltern  nicht  Notiz  zu  nehmen, 
ist  gewifs  nicht  im  Sinne  Ritters,  der  diese  Fortschritte  sicher  mit  Begeisterung 
aufgenommen  und  in  seinem  Sinne  zur  Vertiefung  seiner  Geographie  verwandt 
hätte.«  Der  Umstand,  dafs  die  moderne  Geographie  augenblicklieh  mehr  nach 
der  physischen  Seite  gravitiert,  und  dafs  man  sie  zu  einer  rein  naturwissen- 
schaftlichen Disziplin  machen  will,  hat  eine  Verkleinerung  Karl  Ritters  zu  Gunsten 
Humboldts  zur  Folge  gehabt. 

Die  historisch-geographische  Betrachtungsweise  wiegt  in  allen  Schriften 
Ritters  vor.  Gelegentlieh  berührt  er  auch  die  Aufgaben  und  den  Inhalt  der 
historischen  Geographie  im  engeren  Sinne,  wenn  er  in  den  Vorlesungen  über 
allgemeine  Knikunde  bemerkt:  »Gewöhnlich  bearbeitet  man  auch  die  Geographie 
nur  für  eine  gewisse  Zeit:  für  die  Gegenwart  oder  Vergangenheit.  So  redet 
man  von  alter  Geographie,  Geographie  des  Mittelalters  und  der  neuen  Zeit. 
Wir  suchen  die  dauernden  Verhältnisse  auf  und  verfolgen  ihre  Entwickelung 
durch  alle  Zeiten,  von  Herodot  bis  auf  die  unsrigen.  So  finden  wir  auf,  was 
sich  durch  allen  Zeitenwandel  hindurch  in  dem  Erdorganismus  als  gesetzmäfsig 
bewährt  hat,  und  erhalten  die  vergleichende  Geographie.  Durch  sie  wird  ein- 
leuchtend, wie  das  Heute  aus  der  Vergangenheit  entstanden  ist«.  Sein  grofses 
bändereiches  Werk  bietet  eine  Fülle  von  Beispielen,  durch  welche  die  in  vor- 
hergehenden Worten  dargelegte  Betrachtungsweise  illustriert  wird.  Ohne 
seinen  oft  mehr  geistreichen  teleologischen  Ideen,  die  den  philosophischen  und 
theosophischen  Anschauungen  der  damaligen  Zeit  entsprachen,  das  Wort  reden 
zu  wollen  —  es  sei  hierfür  auf  Ratzels  treffliche,  gerecht  abwägende  Darstellung 
dieser  Frage  verwiesen  —  müssen  wir  doch  an  der  Überzeugung  festhalten, 
dafs  der  Grundgedanke  Karl  Ritters  noch  heute  zu  Recht  besteht. 

Vgl.  Ratzel,  Anthropogcographie  1,  besonders  p.  45—56,  wo  der  Ver- 
fasser K.  Ritter  in  seiner  Bedeutung  für  die  historische  Geographie  darstellt. 
Ferner  Ratzel,  Artikel  »Ritter«  in  der  Allgem.  deutschen  Biographie.  Marthe, 
Was  bedeutet  K.  Ritter  für  die  Geographie?  Berlin  1880.  Kramer,  Karl 
Ritter,  2  Bände.  Halle  1864.  1870.  Wimmer.  Historische  Landschaf tskunde 
p.  8;  2'J3  ff.,  über  Ritters  historische  Richtung  p.  303  IT.  Wisotzki,  Zeit- 
strömungen in  der  Geographie,  Leipzig  1897.  P.  Lehmann,  Länder-  und 
Völkerkunde,  s.  a.,  I,  3  ff. 

2.  Einteilung.  Nach  den  Aufgaben,  welche  die  historische  Geo- 
graphie zu  erfüllen  hat,  wird  auch  ihre  systematische  Einteilung  sich 
zu  richten  haben.    Sie  gliedert  sich  in  drei  Teile: 


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2.  Einteilung.    3.  Physische  Geographie.  7 

A.  Physische  Geographie, 

B.  Politische  Geographie, 

C.  Kulturgeographie. 

Diese  drei  Teile,  welche  der  Natur  des  Stoffes  nach  sich  gegen- 
seitig auszuschüefsen  scheinen,  stehen  dennoch  in  bald  engeren,  bald 
weiteren  Beziehungen  zueinander.  Wie  sich  diese  Beziehungen  äufsern, 
soll  im  nachstehenden  gezeigt  werden. 

3.  Physische  Geographie.  Um  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
Menschheit  und  Erdoberfläche  folgerichtig  entwickeln  zu  können,  mufs 
eine  Betrachtung  der  physischen  Verhältnisse  der  in  Frage  kommenden 
geographischen  Lokalität  notwendigerweise  vorausgehen.  Diese  Betrach- 
tungen erstrecken  sich  auf:  die  geographische  Lage  des  Landes,  seine 
Beziehungen  zu  den  Nachbargebieten  (Land  und  Meer),  seine  Gestaltung 
in  vertikaler  Richtung,  die  geographische  Beschaffenheit  des  Grund  und 
Bodens  selbst,  die  für  das  wirtschaftliche  Leben  von  mafsgebender  Be- 
deutung ist,  ferner  auf  die  klimatischen  Verhältnisse,  welche  im  Verein 
mit  der  Bodennatur  auch  für  Flora  und  Fauna  bestimmend  sind. 

Soweit  die  physische  Erdkunde  für  die  historische  Geographie  von 
Bedeutung  ist,  hat  sie  zunächst  einen  mehr  beschreibenden  Charakter, 
ohne  dafs  sie  sich  deshalb  nur  auf  ein  trockenes  Herzählen  geographischer 
Einzeltatsachen  beschränken  soll.  Im  Gegenteil,  sie  hat  auch  die  Ent- 
wiekelungsgesehichte  der  Erdoberfläche  zu  berücksichtigen,'  insofern  diese 
Entwicklung  sich  ja  nicht  allein  in  der  geologischen  Vergangenheit  ab- 
gespielt hat,  sondern  noch  in  die  historischo  Zeit  hineinreicht,  schliefs- 
lich  bis  zur  Gegenwart.  Hierzu  gehören  die  Veränderungen  an  Küsten- 
linien, wo  das  Meer  gewaltige  Eingriffe  in  das  Land  getan  hat,  der 
Bewohnerschaft  den  Boden  unter  den  Füfsen  entzog  und  diese  zu  Wan- 
derungen zwang,  die  von  folgenreicher  Bedeutung  in  der  politischen 
Geschichte  wurden.  Umgekehrt  haben  Alluvialanschwemmungen  den 
Landkörper  an  der  Aufsenseite  vergröfsert,  und  blühende  Hafenstädte 
sind  zu  einfachen  Landstädten  herabgesunken,  kilometerweit  vom 
Strande  entfernt.  Selbst  im  Binnenlande  sind  tiefgreifende  Veränderungen 
und  Beeinflussungen  zu  beobachten,  wie  natürliche  Flufsverlegungen  mit 
ihren  Folgen  für  das  Siedelungswesen,  Flufsüberschwemmungen,  Seen- 
stauungen, und  anderseits  Seenabnahme  durch  alluviale  Zuschüttung, 
ferner  Berg-  und  Gletscherstürze,  vulkanische  Erscheinungen  und  seis- 
mische Katastrophen  in  ihren  verheerenden  Wirkungen.  —  Die  physische 
Erdkunde  im  Rahmen  einer  historischen  Geographie  hat  somit  einmal 
eine  Schilderung  der  natürlichen  Verhältnisse  eines  Landes  zu  geben  und 
ferner  die  Veränderungen  der  Erdoberfläche  und  sonstigen  zeitwoise  auf- 
tretenden Erscheinungen  innerhalb  der  geschichtlichen  Zeit  festzustellen. 

Auf  diesem  Gebiete  liegen  bereits  einige  Vorarbeiten  vor.  Einen  ersten 
Versuch  bildet  das  Werk  von  K.  von  Hoff,  Geschichte  der  durch  Über- 
lieferung nachgewiesenen  natürlichen  Veränderungen  der  Erdoberfläche,  5  Bde., 
Gotha  1822—1834,  fortgesetzt  von  Berghaus,  Berlin  1840—1841;  es  enthält  ein.- 
Gesamtdarstellung  der  historisch  nachweisbaren  Vulkanauabrüche,  Erdbeben, 
Küsten  Veränderungen  etc.    Das  dort  gesammelte  Quellenmaterial  liefse  sich 


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8  Einleitung. 

heute  beträchtlich  vermehren.  Auch  für  einige  Länder  liegen  bereite  Spezial- 
arbeiter! vor;  so  z.  B.  das  klaasisch  zu  nennende  Werk  von  Neu  mann  und 
Partsch,  Physikalische  Geographie  von  Griechenland  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  das  Altertum,  Breslau  1885.  Nissen,  Italische  Landeskunde, 
Berlin  1883.  Houtrouw,  Ostfricsland,  1889—1891.  Desgleichen  sind  auch 
einige  Küstenstriche  (der  Nord-  und  Ostsee  z.  B.)  und  einige  Flufsstrecken 
(Elbe,  Oder,  Rhein  u.  a.)  nach  ihren  natürlichen  Veränderungen  hin  mono- 
graphisch behandelt  worden.  Über  Witterungserscheinungen  mit  ihren  Folgen, 
wie  Überschwemmungen,  Dürren,  Hungersnöte,  ferner  über  Erdbeben  liegen 
wenigstens  einige  Anfänge  vor.  Das  Wichtigste  aus  der  Literatur  wird  unten 
namhaft  gemacht. 

Zu  den  Aufgaben  der  historischen  Geographie  gehört  auch  die  Fest- 
stellung der  Nomenklatur  geographisch  er  Objekte.  Welche  ver- 
schiedenen Namen  haben  Gebirge,  Täler,  Flüsse,  Seen,  Meere  u.  s.  w.  im  Ver- 
lauf der  Geschiente  getragen,  wie  und  wann  sind  hierbei  Veränderungen  ein- 
getreten? Mit  Hilfe  der  historischen  Quellen,  der  Urkunden  u.  a.  läfst  sich 
die  Abwandlung  der  Namen  noch  hinreichend  feststellen.  Auch  da,  wo  nicht 
ein  völlig  neuer  Name  für  das  fragliche  Objekt  auftritt,  sondern  der  Name 
seit  ältesten  Zeiten  beibehalten  worden  ist,  ist  die  Feststellung  der  ver- 
schiedenen Varianten  von  Wichtigkeit.  Für  das  deutsche  Mittelalter  hat 
H.  Oesterley  ein  »historisch-geographisches  Wörterbuch«  (Gotha  1883)  ge- 
liefert (leider  sind  die  Urkunden  von  ihm  nicht  berücksichtigt  worden).  — 
Dafs  auch  die  Herkunft  der  Namen  und  ihre  etymologische  Bedeutung  für  die 
Fragen  der  älteren  Völkergeschichte  von  Wichtigkeit  ist,  wird  im  Abschnitt 
über  Hilfswissenschaft  berührt  werden. 

4.  Politische  Geographie.  Die  räumliche  Entwickelung  eines 
Staates  lernen  wir  aus  seiner  politischen  Geschichte  kennen.  Der  Geo- 
graph hat  Zustände  zu  schildern  und  die  Ursachen  dieser  Zustände 
hinsichtlich  ihrer  räumlichen  Anordnung  zu  ermitteln,  indem  er  dio 
vorangehende  Zeit  berücksichtigt,  die  den  fraglichen  Zustand  geschaffen 
hat.  So  sucht  der  Geomorphologe  die  ftufsere  Form  eines  Gebirges  aus 
seinem  inneren  Mechanismus  und  seiner  Geschichte  zu  begreifen;  er 
unterrichtet  sich  über  die  stratigraphischen  Verhältnisse  und  das  relative 
Alter  der  Schichten,  die  Störungen,  die  sie  durch  Faltungen  oder  Verwer- 
fungen erfahren  haben  u.  s.  w.,  kurz  —  er  stellt  rein  geologische  Spezial- 
untersuchungen an,  um  erst  ganz  zuletzt  zu  einer  geographischen  Erkennt- 
nis zu  gelangen.  Nicht  anders  verfährt  der  historische  Geograph,  der  «lie 
einzelnen  Staaten  nach  ihren  Grenzen  und  die  weitere  Gliederung  und 
Zusammensetzung  der  Staaten  aus  Territorien,  Provinzen  u.  a.  feststellt. 
Will  er  das  Deutsche  Reich  in  seiner  gegenwärtigen  Begrenzung  und  seiner 
Gliederung  in  Einzelstaaten,  die  selbst  wieder  aus  mehreren,  vielfach  zer- 
streut liegenden  Parzellen  zusammengesetzt  sind,  nicht  als  schlechthin 
gegeben  hinnehmen,  so  mufs  er  zum  Verständnis  dieser  eigenartigen 
politischen  Teilung  auf  die  historische  Entwickelung  zurückgreifen.  Dies 
führt  ihn  natürlich  in  die  Geschichtswissenschaft  hinein,  ebenso  wie  bei 
oben  gedachtem  Fall  der  Geomorphologe  sich  ganz  und  gar  in  der  geo- 
logischen Wissenschaft  verliert.  Wer  bei  der  Definition  der  Geographie 
letzteres  für  zulässig,  ja  durchaus  geboten  hält,  sollte  billigerweise  auch 
die  historische  Geographie  als  ^Geographie*  bestehen  lassen  und  sie 
nicht  ohne  weiteres  als  ein  Teilgebiet  der  Geschichtswissenschaft  erklären, 
mit  der  der  Faehgeograph  nichts  zu  schaffen  habe. 


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4.  Politische  Geographie. 


9 


Die  Aufgabe,  welche  die  politische  Geographie  zu  erfüllen  hat,  ist 
eine  doppelte.  Sie  stellt  einmal  die  räumlichen  Verhältnisse  der  Staaten 
in  den  verschiedenen  Perioden  der  Geschichte  dar,  und  sie  ermittelt 
ferner  das  Zustandekommen  solcher  Verhältnisse.  So  stellt  sich  uns 
Deutschland  im  Mittelalter  in  einer  territorialen  Zersplitterung  dar,  die 
ihresgleichen  nicht  hat.  Eine  historischo  Karte  bietet  uns  ein  bunt- 
scheckiges, mosaikartig  zusammengesetztes  Bild.  Die  Länder  wurden  in 
jenen  Zeiten  als  persönlicher  Besitz  des  Dynasten  betrachtet;  er  vererbt 
sie,  wie  jedes  andere  Besitzobjekt,  auf  seine  Nachkommen,  die  je  nach 
der  Zahl  sich  in  das  Land  teilen  und  es  ihrerseits  auf  dieselbe  Weise 
weiter  zersplittern.  Starben  dann  einige  Linien  eines  Hauses  aus,  so 
fanden  Aufteilungen  ihrer  Hinterlassenschaft  unter  die  übrigen  noch 
vorhandenen  Nachkommen  statt,  so  dafs  die  einzelnen  Landsplitter  sich 
wieder  zu  gröfseren  Territorien  zusammenschliefsen  konnten.  Nicht 
selten  trat  dann  auch  eine  vollständige  Vereinigung  des  ehemaligen 
Landbesitzes  in  einer  Hand  wieder  ein.  Noch  verwickelter  wurden  die 
Verhältnisse  dadurch,  dafs  auch  den  Töchtern  Teilstücke  der  Territorien 
als  Heiratsgut  mitgegeben  wurden,  und  solche  Stücke  wurden  dann  anderen 
Territorien  angeschlossen.  Aber  auch  auf  andere  Weise  als  durch  Erbschaft 
und  Teilung  fanden  Veränderungen  der  Besitzverhältnisse  statt  und  zwar 
teils  auf  friedlichem  Wege  (durch  Kauf,  Verpfändung,  Austausch,  Ver- 
träge), teils  auf  gewaltsamem  (durch  Eroberungen  und  Haubkriege).  Wie 
die  Anordnung  der  Territorien,  Staaten  u.  s.  w.  zu  verschiedenen  Zeiten 
gewesen,  und  durch  welche  Umstände  sie  sich  so  gestaltet  haben,  das  zu 
ermitteln  ist  die  Aufgabe  der  politischen  Geographie,  und  sie  kann  dieser 
Aufgabe  nur  gerecht  werden,  indem  sie  den  gesamten  historischen  Ap- 
parat mitheranzieht.  Die  Abgrenzung  der  Landgebiete  gegeneinander, 
die  im  weiteren  auch  für  die  kartographische  Darstellung  von  Bedeutung 
ist,  macht  häufig  besondere  Schwierigkeiten  und  hat  zu  lebhaften  Aus- 
einandersetzungen geführt  (z.  B.  wegen  der  Gau-  und  Diöcesangrenzen). 
Indessen,  die  grofse  Stabilität  der  Grenzen  in  Sonderheit  bei  den  klein- 
sten Besitzstandsverhältnissen,  wie  den  Ortsgemarkungen,  läfst  in  Er- 
mangelung ausführlicher  Grenzbeschreibungen  den  Verlauf  mittelbar 
noch  erschliefsen.  Die  Grundkarteu  suchen  gerade  für  solche  Zwecke 
eine  zuverlässige  Unterlage  zu  schafFen. 

Wenn  gegen  die  historische  Geographie  der  Vorwurf  erhoben  wurde,  dafs 
sie  kein  eigentlich  geographisches  Arbeitsfeld  bilde,  so  hatte  man  hierbei 
immer  nur  die  politische  Geographie  und  Topographie  im  Auge.  Man  ver- 
mifstc  bei  ihr  die  spezifisch  geographische  Auffassung  und  Methode,  man  ver- 
miete das  kausale  Moment,  die  Wechselbeziehungen  der  Erscheinungen  unter- 
einander in  Abhängigkeit  von  der  räumlichen  Anordnung.  Denn  politische 
Grenzen  sind  zum  weitaus  gröfsten  Teil  unabhängig  von  Naturverhältnissen, 
wie  Gebirgen,  Flüssen  und  Wäldern,  oder  jedenfalls  nur  in  ältesten  Zeiten 
wurden  markante  Naturgrenzen  dieser  Art.  die  allerdings  für  damalige  Ver- 
hältnisse wirkliche  Barrieren  und  umständlich  zu  bewältigende  Hindernisse 
bilden  konnten,  als  willkommene  Grenzzonen  angenommen.  Es  ist  aber  nicht 
richtig,  stets  nur  auf  das  Kausalitätsprinzip  zu  pochen.  Neben  der  analytischen 
Behandlungsform  der  Geographie  gibt  es  auch  eine  beschreibende.  Schon  die 
Feststellung  der  räumlichen  Gruppierung  der  Staaten,  ihrer  gegenseitigen  Be- 


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10  Einleitung. 

eine  geographische  Arbeitsleistung,  wenn  auch  das  Material  ein  historisches  ist 
und  nach  historischer  Methode  bearbeitet  werden  mufs.  Auch  bedenke  man, 
dafs  nicht  jeder  Satz  und  Gedanke,  welchen  der  physische  Geograph  forum- 
grcnzung  und  schliefslich  auch  die  graphische  Darstellung  auf  einer  Karte  ist 
liert,  vom  Schlagwort  Kausalität  getragen  wird.  Nur  zu  häufig  ergeht  er  sieh 
mit  behaglicher  Breite  in  Gebieten  seiner  Hilfs-  und  Nachbardisziplinen.  Aber 
dies  ist  durchaus  erklärlich,  denn  der  Gegenstand  der  Nachbardisziplin  bildet 
auch  einen  wesentlichen  Bestandteil  der  Geographie  selbst.  Alle  Versuche, 
zwischen  Geomorphologie  und  Geologie  eine  Grenze  zu  ziehen,  müssen  auf 
Haarspalterei  hinauslaufen.  Denn  die  gegenwärtige  Beschaffenheit  der  Erd- 
oberfläche, welche  der  Geograph  als  seine  eigenste  Domäne  in  Anspruch  nimmt, 
erklärt  sich  nur  aus  der  geologischen  Vorgeschichte,  —  sie  ist  also  nur  das 
letzte  Stadium  jener  Entwicklung,  welche  der  Fachgeologe  an  der  I,ithosphäre 
des  Erdkörpers  verfolgt.  Und  in  der  Tat  sind  es  Geologen  gewesen,  die  so 
viele  Fragen  der  Geomorphologie  (wie  z.  B.  die  Glacialgeologie  der  Nord- 
deutschen Tiefebene)  erst  in  Flufs  gebracht  haben  und  die  auch  heute  noch 
die  tätigsten  und  kompetentesten  Bearbeiter  jener  sind.  Andere  Gebiete,  wie 
die  Tier-  und  Pflanzengeographie,  hat  man  schon  lange  den  Systematikern 
dieser  Wissenschaften  überlassen  müssen  und  sich  mit  einer  Notifizierung  ihrer 
Ergebnisse  begnügt.  Siegln.  Günther  hat  (he  Geographie  einmal  nicht  un- 
richtig als  eine  Sammelwissenschalt  bezeichnet,  Sie  ist  damit  in  ihrer  Be- 
deutung durchaus  nicht  herabgewürdigt;  denn  Aufgabe  des  Geographen  ist  es 
gerade,  alle  tlie  verschiedenen  Erscheinungen  auf  der  Erde,  ob  sie  nun  der 
organischen  oder  anorganischen  Natur  oder  der  Kulturwelt  des  Menschen  an- 
gehören, mit  Rücksicht  auf  ihre  räumliche  Verteilung  und  Anordnung  syn- 
optisch zu  betrachten.  Die  Nachbarwissensehaften  liefern  ihm  hierfür  das  vor- 
gearbeitete Material.  Und  wenn  auch  tlie  Vertreter  dieser  Nachbargebiete  oft 
genug  die  Arbeiten  nach  dem  geographischen  Gesichtspunkt  hin  selbst  er- 
ledigen und  hierzu  durch  die  Betrachtungsweise  ihres  Gegenstandes  auch  schon 
von  selbst  geführt  werden,  so  war  es  doch  wünschenswert,  dafs  eine  Arbeits- 
teilung eingetreten  ist;  denn  jene  Vertreter  pflegen  den  geographischen  Gesichts- 
punkt nicht  immer  so  pointierend  und  ausschließlich  hervorzuheben,  wie  es 
für  eine  länderkundliche  Darstellung  nötig  ist. 

Genau  dieselbe  Arbeitsteilung  ist  aber  auch  für  das  Gebiet  der  histori- 
schen Geographie  wünschenswert.  Denn  dafs  diese  Arbeiten  nicht  immer  vom 
Historiker  ausgeführt  werden,  beweist  die  einfache  Tatsache,  dafs  bis  heutigen 
Tages  noch  keine  Geographie  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  geschrieben 
worden  ist  oder  nur  Anfänge  zu  einer  solchen  vorliegen.  Die  Historiker  selbst 
bezeichnen  sie  als  ein  Desideratum.  Weit  mehr  Bearbeiter  hat  die  Geographie 
des  Altertums  gefunden,  zumal  hier  neben  Philologen  und  Archäologen  auch 
Fachgeographen  mitgewirkt  haben.  —  Nach  einer  Seite  aber  ist  die  Tätig- 
keit der  Historiker  schon  eine  sehr  umfassende  und  fruchtbare  gewesen,  näm- 
lich hinsichtlich  der  kartographischen  Darstellung.  Hier  liegt  uns  schon  eine 
Reihe  trefflicher  Atlanten  vor.  Neuerdings  beginnt  man  die  Studien  nach 
dieser  Richtung  zu  vertiefen,  vor  allem  sucht  man  eine  gesichertere  Grundlage 
zu  gewinnen.  Auch  sind  gröfsere  Unternehmungen  schon  ins  Leben  gerufen, 
zum  Teil  sogar  zur  Ausführung  gelangt,  wie  der  »Geschichtliche  Atlas  der 
Hheinprovinz«.  der  die  territorialen  Verhältnisse  am  Ende  des  XVIH.  Jahr- 
hunderts illustriert.  Das  Grundkartenunternehmen  sucht  für  die  verschiedensten 
historisch-geographischen  Arbeiten  eine  zuverlässige  Unterlage  zu  gewähren.  — 
Leider  sind  die  meisten  historischen  Atlanten  höchstens  mit  einigen  Begleit- 
worten versehen  worden;  ein  eigentlicher  Kommentar  oder  gar  ein  quellen- 
mäfsiger  Nachweis  fehlt.  Und  wenn  die  Begleitworte  zuweilen  auch  etwas 
reichlicher  ausgefallen  sind,  so  tragen  sie  doch  mehr  den  Charakter  eines 
historischen  Abrisses  mit  geographischen  Überschriften.  —  Was  die  Benennung 
»Politische  Geographie«  anbelangt,  so  gibt  sie  nach  dem  oben  Dargelegten  die 
ihr  zufallenden  Aufgaben  wohl  hinreichend  deutlich  zu  erkennen.    Es  sei  je- 


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4.  Politische  Geographie.  11 

doch  bemerkt,  dafs  F.  Ratzel  in  einem  gleichnamigen  Werk  (Leipzig- 
München  1897)  diese  Bezeichnung  für  eine  mehr  allgemein  gehaltene  Betrach- 
tung der  durch  geographische  Faktoren  bedingten  Entwicklung  eines  Staate- 
Organismus  verwendet.  Auch  H.  Wagner  (Lehrbuch  p.  29)  hat  den  Inhalt  der 
politischen  Geographie  dahin  definiert,  dafs  sie  »die  jeweiligen  Besitzverhältnisse 
der  menschlichen  Staaten  und  deren  Gliederung«  zu  behandeln  habe. 

Literatur.  Eine  eigentliche  Vorarbeit,  welche  das  Mittelalter  und  die 
Neuzeit  umfafst,  fehlt,  denn  als  eine  solche  sind  die  nachfolgenden  Werke 
mit  freilich  viel  versprechendem  Titel  nicht  anzusehen.  Als  ein  erstmaliger 
Versuch  mag  hier  ein  älteres  Werk  genannt  werden  von  Chr.  Juncker,  An- 
leitung zu  der  Geographie  der  mitlern  Zeiten,  in  welcher  zuvörderst  von  der 
Cultur  der  Historiae  medii  aeui,  sodann  aber  von  der  Geographia  medii  aeui, 
in  specie  Teutschlandes  .  .  .  gehandelt,  Jena  1712.  Kneisel,  Leitfaden  der 
historischen  Geographie,  3  Hefte  1874 — 1879  (ein  kurz  gehaltenes  Schulbuch). 
E.  A.  Freeman,  Historical  geography  of  Europe,  2  Bde.,  2.  Aufl.  1881  (gibt 
nur  allgemeine  Umrisse).  Desgleichen  Pape,  Die  Gcbietsentwickelung  «1er 
Einzelstaaten  Deutschlands,  Minden  1890.  Ahrens,  Abrifs  einer  geogr.  und 
genealogischen  Geschichte  sämtlicher  Staaten  alter  und  neuer  Zeit,  Reval  1858. 
Schlag,  Geschiehtlich-geograph.  Übersicht  über  die  Staaten  des  Deutschen 
Reiches  nach  Abschlufs  des  westfäl.  Friedens  1648,  Progr.  Gvmnas.  Siegen  1895. 
Fragment  ist  geblieben  das  Werk  von  F.  H.  Müller,  Die  deutschen  Stämme 
und  ihre  Fürsten,  5  Teile,  Berlin  1840 — 184b\  von  denen  Teil  4  und  5  den 
Anfang  zu  einer  histor.  Geographie  enthalten,  unter  dem  Sondertitel:  Historisch- 
geographische  Darstellung  von  Deutschland  im  Mittelalter,  vornehmlich  während 
der  Zeit  des  X.  Jahrb.;  doch  sind  nur  Rätien ,  Burgund,  Alamannien  und 
Elsafs  zur  Behandlung  gekommen.  Fragment  ist  auch  H.  Leo,  Die  Terri- 
torien des  Deutschen  Reiches  im  Mittelalter  seit  dem  XIII.  Jahrb.,  2  Bde., 
Halle  1805 — 18(37 ;  behandelt  nur  die  westdeutschen  Länder  (Burgund,  Ala- 
mannien, Franken  ,  Hessen  ,  Lothringen  ,  Thüringen  ,  Baiern-Tirol) ;  sehr  aus- 
führlich, leider  ohne  Quellenangaben.  Das  Buch  ist  wegen  der  unübersicht- 
lichen Darstellung  schwer  zu  benutzen,  zumal  auch  dm  nicht  einmal  streng 
alphabetisch  gehaltene  (!)  Register  oft  versagt. 

Historische  Atlanten.  Hier  ist  für  die  Geographie  des  Mittelalters 
und  der  Neuzeit  an  erster  Stelle  zu  nennen:  K.  von  Spruner  und  Th. 
Mencke.  Handatlas  für  die  Geschichte  des  Mittelalters  und  der  neueren  Zeit, 
3.  Aufl.  Gotha  1880,  90  Karten  mit  370  Nebenkarten,  ein  Werk,  das  jetzt  in 
vielen  Einzelheiten  wohl  veraltet,  aber  die  Grundlage  vieler  späteren  Atlanten 
geworden  ist.  H.Kiepert  und  C.  Wolf,  Historischer  Schulatlas  zur  alten, 
mittleren  und  neueren  Geschichte  in  36  Karten,  5.  Aufl.  1890.  G.  Droysen, 
Allgemeiner  Historiseher  Handatlas  in  96  Karten  mit  erläuterndem  Text,  aus- 
geführt- unter  Leitung  von  R.  Andree,  1886.  Zahlreich  sind  die  kleineren 
Schulatlanten  von  C.  Wolf  in  19  Karten,  von  C.  E.  Rothe  in  30  Blättern, 
von  F.  W.  Putzger,  von  K.  Keppel  in  27  Karten,  der  sog.  kleine 
Spruner  in  23  Karten,  A.  Schulz,  Taschenatlas  z.  mittl.  u.  neu.  Gesch.  in 
24  Karten,  (Gotha,  Perthes)  u.  v.  a.  Abgesehen  von  den  allgemeinen  Atlanten 
sind  auch  für  einzelne  Staaten  und  Provinzen  Spezialatlanten  geschaffen  worden, 
und  unübersehbar  ist  die  Zahl  von  einzelnen  Spezialkarten,  die  teils  gesondert 
erschienen  sind,  teils  in  Monographien  und  Zeitschriften  vorliegen.  Auf  Einzel- 
heiten wird  gehörigen  Ortes  hingewiesen  werden. 

Historische  Grundknrleii.  Der  Tübinger  Rechtsgelehrte  Friedrich  von 
Thudichum  hat  bereits  im  Anfang  der  80er  Jahre  auf  die  Notwendigkeit 
hingewiesen,  kartographische  Hilfsmittel  zu  schaffen,  welche  die  Eintragung 
historisch-politischer,  statistischer,  kirchlicher,  rechts-  und  wirtschaftsgeschicht- 
licher Verhältnisse  ermöglichen.  Er  brachte  die  Herstellung  sog.  Grund- 
karten in  Vorschlag,  welche  aufser  den  Flufsläufen,  den  Ortszeichen  und 
einzelnen  Namen  nur  noch  die  Geinarkungsgrenzen  enthalten.    Diese  letzteren 


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12  Einleitung. 

sind  «las  wesentliche  Charakteristikum  solcher  Grundkarten,  weshalb  sie  auch 
als  Gemarkungskarten  schlechthin  bezeichnet  worden  sind.  Seine  erstmalige 
Anregung  hatte  auf  den  deutschen  Historikertagen  allgemeinen  Anklang 
gefunden,  und  gegenwärtig  sind  mehrere  Geschichtsvereine  teils  mit,  teils  ohne 
staatliche  Unterstützungen  emsig  bei  der  Arbeit,  solche  Karten  nach  gemein- 
samen Prinzipien  herzustellen.  Für  die  Länder  Mitteleuropas  (Deutsches  Reich, 
Österreich,  Schweiz,  Belgien,  Holland)  wird  die  Bearbeitung  von  Gemarkungs- 
karten im  Mafsstab  1:100000  beabsichtigt,  nach  deren  Fertigstellung  und 
praktischer  Nutzanwendung  auch  an  die  Ausführung  von  Karten  in  kleinerem 
Mafsstab  (1:500000,  1:1500000),  geschritten  werden  soll.  Als  Grundlage  dient 
die  Generalstabskarte  1:100000.  Je  zwei  nordsüdlich  untereinander  liegende 
Sektionen  derselben  sind  zu  einer  Doppelsektion  vereinigt.  Ihr  Inhalt  beschränkt 
sich  1.  auf  die  hydrographische  Situation  (Küsten,  Flüsse,  Seen);  2.  die  gegen- 
wärtigen Ortschaften,  die  durch  Signaturen  als  Städte  □,  Flecken  und  Dörfer  O 
und  als  Einzelhöfe,  Burgen,  Klöster  etc.  -f~  gekennzeichnet  werden ,  und  3.  die 
Grenzen  der  Ortsfluren,  die  Gemarkungen.  Man  hat  den  Inhalt  des  Karten 
bildes  nicht  ohne  Absicht  eingeschränkt  ,  um  möglichst  viel  Raum  zur  Ein- 
tragung historischer  Tatsachen  zu  lassen.  Eben  deshalb  sind  die  Terminver- 
hältnisse,  Staats-  und  Provinzgrenzen,  Eisenbahnen,  Strafsen,  Wege,  Brücken 
fortgelassen  worden.  Es  ist  in  diesen  Karten  nunmehr  eine  kartographische 
Unterlage  geschaffen,  welche  für  die  verschiedensten  wissenschaftlichen  Zwecke 
nutzbar  gemacht  werden  kann ,  und  zwar  nicht  nur  für  rein  historische, 
sondern  auch  statistische,  wirtschaftliche,  geographische  und  naturwissenschaft- 
liche Fragen.  Durch  Anwendung  von  Farbentönen  (Flächenkolorit,  Umrän- 
derung, Schraffierung)  lassen  sich  die  fraglichen  Tatsachen  und  Erscheinungen 
in  ihrer  räumlichen  Anordnung  übersichtlich  darstellen.  Die  Gemarkungen 
der  Städte,  Landgemeinden,  der  selbständigen  Güter,  der  fiskalischen  Be- 
sitzungen etc.  sind  das  Wesentliche  an  diesen  Grundkarten.  Weil  gerade  die 
Generalstabskarten  die  Flurgrenzen  nicht  enthalten,  hat  sich  die  Herstellung 
solcher  Grundkarten  als  nötig  erwiesen.  Die  Prämisse  hierfür  ist  die,  dafs  die 
Gemarkungen  im  Lauf  der  Geschichte  keine  nennenswerten  Veränderungen 
erfahren  haben.  »Diese  Gemarkungen,  wie  sie  heute  bestehen,  sind  im  allge- 
meinen uralt,  vor  500  und  1000  Jahren  genau  dieselben  wie  jetzt,  aus  dem 
einfachen  Grund,  weil  sie  mit  Eigentum  und  Gemeinderecht  aufs  engste 
zusammenhängen   und  diese  stets  zähe  verteidigt  werden«  (Thudichum). 

Sie  bieten  daher  für  die  Feststellung  der  poliTweli-geographischen  Ver- 
hältnisse früherer  Jahrhunderte  eine  willkommene  Stütze  ;  denn  in  den  Urkunden 
über  die  Abgrenzungen,  Teilungen,  Zusammenlegungen  von  Territorien,  Graf 
schatten  u.  a.  werden  meist  nur  die  zugehörigen  Orte  namhaft  gemacht,  höchst 
selten  aber  der  wirkliche  Verlauf  der  Grenze;  und  letzten-  dann  meist  so.  dafs 
sieh  nach  den  dürftigen  Andeutungen  ihr  Verlauf  in  allen  Einzelheiten  karto- 
graphisch «loch  nicht  wiedergeben  liefse.  Unter  Zugrundelegung  der  Ortstluren 
lassen  sich  aber  die  Grenzen  der  Gaue,  Herrschaften,  Grafschaften,  Territorien 
verschiedener  Art,  der  Landesteilungen,  Gerichtsbezirke.  Amter,  wie  auch  der 
kirchliehen  Verbände,  der  Arehidiakonate  und  Diöcesen  mit  genügender  Zuver- 
lässigkeit ermitteln. 

Gleichwohl  ist  diese  Zuverlässigkeit  keine  unbedingte,  und  es  haben  sich 
Stimmen  erhoben,  welche  vor  einer  Überschätzung  des  Wertes  solcher  Grund- 
karten warnen  und  sie  für  die  Zustände  früherer  Jahrhunderte  für  unbrauchbar 
halten  (G.  Seeliger).  Denn  Ortsllurgrenzcn  haben  sieh  nachweisbar  oftmals 
verändert,  Schon  die  Melioration  bruchartiger  Gebiete,  die  Aufteilung  von 
Wüstungen  unter  die  benachbarten  Ortschaften,  die  Einbeziehung  ganzer  Dorf 
tluren  in  städtische  Gemarkungen  riefen  Veränderungen  hervor.  Solche  Fälle 
lassen  sich  ja  wohl  nachweisen,  aber  die  Stabilität  des  weitaus  gröfsten  Teiles 
«ler  Gemarkungen  ist  hierdurch  nicht  von  Grund  aus  erschüttert. 

F.  von  Thudichum,  Historisch  statistische  Grundkarten,  Denkschrift. 
Tübingen  \H\)-2.   Ferner  die  weiteren  Ausführungen  in  Betreff  der  methodischen 


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4.  Politische  Geographie. 


13 


Behandlung  des  Materials  und  der  Organisierung  des  ganzen  Grundkarten- 
wesens auf  den  Hauptversammlungen  der  deutschen  Geschichtsvereine,  im 
Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins  der  dt.  Gesch.-  und  Altertumsvereine, 
seit  1891  (Jahrg.  39)  ff.  Ermisch,  Erläuterungen  zur  hist.statist.  Grund- 
karte f.  Deutsehland,  im  Mafsst.  1:100000,  hrgb.  von  der  Kgl.  Sachs.  Kom- 
mission f.  Gesch.,  Lpz.  1899.  Zeppelin,  Die  hist.-stat.  Grundkarten  in 
Schriften  d.  Vor.  f.  Gesch.  d.  Bodensces  26  (1897),  53—63.  Lamprecht, 
Zur  Organisation  der  Grundkartenforschung;  R.  Kötzschke,  Die  Technik 
der  Grundkarteneinzeichnung,  in  »Deutsche  Geschichteblätter«,  hrgb.  von  A. 
Tille,  Heft  2,  5,  Gotha  1900.  Ders.,  Die  Zentralstelle  für  Grundkarten  zu 
Leipzig,  ihre  Einrichtungen  und  Aufgaben,  im  Korrespondenzbl.  d.  Gesamtver. 
d.  dt.  Gesch.  und  Altertumsvereine,  1902,  p.  125  ff.  Im  gegnerischen  Sinne 
G.  See  liger,  Die  historischen  Grundkarten,  kritische  Betrachtungen,  Beilage 
zur  Allgem.  Ztg.  1900  Nr.  52,  53.  Hierauf  T  h  U  dich  um ,  ibid.  Nr.  74.  S  e  e  1  i  g  e  r , 
ibid.  Nr.  123.  Zuletzt  Seeliger,  Probleme  der  historischen  Kartographie  und 
Topographie,  Historische  Vierteljahrsschrift  1903,  S.  285  ff. 

Als  ein  Beweis  für  die  Brauchbarkeit  solcher  Grundkarten  ist  hier  der 
»Geschichtliche  Atlas  der  Rheinprovinz«  zu  nennen,  welcher  die  politisch- 
geographischen  Verhältnisse  des  Jahres  1789  darstellt.  Der  Mafsstab  ist  für  die 
Übcnrichteblätter  1:500000,  für  die  Spezialblätter  1:130000;  stellenweise  ist 
man  bis  zu  1:25000  gegangen.  Die  Gebiete  sind  meist  in  Flächenkolorit 
gegeben.  Vgl.  hierzu  \V.  Fabricius,  Erläuterungen  zum  Geschichtlichen 
Atlas  der  Rheinprovinz ,  2  Bde.,  die  Karte  von  1789,  Bonn  1898,  besonders 
die  Einleitung.  Ein  ähnliches  Unternehmen  ist  der  im  Geographischen  Institut 
zu  Graz  bearbeitete  >  Historische  Atlas  der  österreichischen  Alpenländer«,  von 
welchem  eine  Probe  bereite  veröffentlicht  ist.  Die  Aufteilung  der  einzelnen 
Provinzen  jener  Alpenländer  in  die  Landgerichtsbezirke  bildet  hier  an 
Stelle  der  Flurgrenzen  die  Grundlage  für  die  kartographische  Darstellung.  Die 
Aufteilung  der  alten  Grafschaftegerichte  hat  in  einzelnen  Fällen  bereits  im 

XIV.  Jahrh.,  in  gröfserer  Ausdehnung  aber  erst  im  XV.  Jahrb.  begonnen. 
*Die  Gemarkuugen  dieser  Teil-Landgerichte  erhielten  sich,  abgesehen  von  wenig 
bedeutenden  Grenzrektitikationen,  bis  1849.  Beweis  hierfür  sind  die  vorhandenen 
gleichlautenden  Grenzbeschreibungen  aus  verschiedenen  Zeiträumen  für  ein  und 
denselben  Landgerichtsbezirk.  Die  Karte  der  122  Landgerichte  Steiermark» 
für  das  Jahr  1848  gibt  somit  zugleich  ein  Bild  von  der  erwähnten  Aufteilung 
und  damit  auch  ein  solches  von  der  gerichtlichen  Einteilung  des  Landes  im 

XV.  Jahrhundert  und  früher,  und  Bchliefslich  auch  ein  Bild  der  ehemaligen 
Grafschaften  als  begrenzter  Territorien,  aus  denen  im  Laufe  der  Zeiten  zunächst 
die  landesfürstlichen  und  durch  Zersplitterung  dieser  die  patrimonialen  Land- 
gerichte sich  entwickelten.«  A.  Meli,  Der  Comitatus  Liupoldi  und  dessen 
Aufteilung  in  die  Landgerichte  des  XIX.  Jahrb.,  Text  und  Kartenprobe  zum 
historischen  Atlas  der  österreichischen  Alpenländer,  in  Mitt.  d.  Inst.  f.  österr. 
Geschiclisforschung  XXI,  Heft  3  (1900).  Beigegeben  ist  eine  Karte  jenes  Comi- 
tates  im  Mafsstab  1:200000  mit  Terrainwiedergabe.  Der  Komitat  Liupolds 
wurde  in  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrb.  aufgeteilt  in  neun  Gerichtsbezirke, 
deren  Gesamtheit  dem  Un fange  der  ehemaligen  Grafschaft  entspricht.  —  Für 
Österreich  ist  die  Herstellung  eigentlicher  Grundkarten  überflüssig,  da  Über- 
sichtsblätter der  Katastralgemeinden  1:115200  vorhanden  sind.  Vgl.  Richter, 
Ober  die  histor. -Statist.  Grundkarten  nach  von  Thudichum  und  ihre  Herstellung 
f.  Österr.,  6.  Bericht  der  histor.  Landeskommiss.  f.  Steiermark  p.  18  f. 

5.  KulturgeogTaphle.  Im  Gegensatz  zur  politischen  oder  Staaten- 
geschichte behandelt  die  Kulturgeschichte  die  Völker  nach  ihrer  geistigen 
und  materiellen  Entwickelung  hin.  Die  Kulturgeographie  hat  dement- 
sprechend den  Einflufs  nachzuweisen,  welchen  die  natürlichen  Verhält- 
nisse der  Länder  auf  die  Völker  jeweilig  ausgeübt  haben.    Dieser  Ein- 


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14 


Einleitung. 


flufs  äufsert  sich  in  hervorragendem  Mafse  zunächst  im  wirtschaftlichen 
Lehen.  Auch  auf  geistigem  und  sittlichem  Gebiete  tritt  er  hervor,  wenn 
auch  weniger  greifbar.  Erinnert  sei  nur  beispielsweise  an  das  Volk  der 
Friesen,  welche  im  harten  Kampfe  ums  Dasein  ihren  heimatlichen  Boden 
dem  Meere  mit  seltener  Hartnäckigkeit  und  Ausdauer  abgerungen  haben. 
Es  war  nur  zu  natürlich,  dafs  ein  solcher  Kampf  manche  Spuren  im 
Temperament  und  Charakter  des  Volkes  zurücklassen  mufsto  und  jene 
eiserne  Energie  und  Entschlossenheit  im  Handeln,  jene  Geistesgegenwart 
und  Kaltblütigkeit  bei  nahender  Gefahr,  aber  auch  jenes  Freiheit»-  und 
Unabhängigkeitsgefühl  zeitigte,  welches  die  Friesen  jahrhundertelang  zu 
behaupten  wufsten.  Weit  mehr  aber  ist  die  materielle  Kultur  eines 
Volkes  von  geographischen  Verhältnissen  abhängig;  doch  wird  diese 
Abhängigkeit,  wie  schon  oben  näher  dargelegt,  bei  einem  Naturvolk  sich 
viel  tiefgreifender  und  unmittelbarer  bemerkbar  machen  als  bei  einem 
Kulturvolke,  welches  die  ungünstigen  Einflüsse  der  geographischen  Lo- 
kalitat einzuschränken  oder  ganz  aufzuheben  vermocht  hat.  Nicht  allen 
Faktoren  kann  es  sich  freilich  entziehen  wollen,  so  z.  B.  dem  Klima 
nicht,  mit  «lern  es  sich  in  irgend  einer  Weise  abzufinden  hat,  ob  es  nun 
ein  tropisches  oder  arktisches  ist.  Aber  bei  aller  Fähigkeit,  den  durch 
geographische  Momente  bedingten  Einflufs  zu  überwinden,  läfst  der 
Kulturmensch  ihn  in  um  so  stärkerem  Mafse  auf  sich  einwirken,  sobald 
er  seinen  Existenzbedingungen  förderlich  ist.  Die  Behandlungsform  der 
Kulturgeographie  ist  aus  unseren  modernen  länderkundlichen  Darstel- 
lungen ersichtlich.  Es  wird  nach  einer  ausführlichen  Betrachtung  der 
physischen  Verhältnisse  eines  Landes  gezeigt,  wie  die  Gebiete  für  Acker- 
bau und  Viehzucht  sich  verteilen,  wie  Klima,  Höhenlage  und  geognostische 
Beschaffenheit  des  Bodens  das  landwirtschaftliche  Leben  fördern  oder 
erschweren,  ja  stellenweise  ganz  ausschliefsen,  wie  ferner  die  Boden- 
schätze des  Erdinneren  hier  und  dort  eine  rege  GeWerbetätigkeit  hervor- 
gerufen haben,  wie  diese  Umstände  vereint  auf  die  Verteilung  der  Be- 
völkerungsdichte einwirken  und  sie  bestimmen,  wie  Handel  und  Verkehr 
abhängig  sind  von  geographischer  Lage,  Oberflächengestalt  und  Wasser- 
strafsen,  wie  ferner  die  Siedelungen  nach  Form  und  Gröfse  in  Beziehung 
zu  den  genannten  Monienten  stehen,  mit  einem  Wort,  es  wird  gezeigt, 
wie  das  ganze  heutige  Kulturleben  eines  Volkes  im  Boden  wurzelt.  Bei 
der  Darstellung  wird  natürlich  der  gegenwärtige  Zustand  aller  dieser 
Verhältnisse  zu  Grunde  gelegt;  ja,  es  wird  dem  Herausgeber  zum  Vor- 
wurf gemacht,  falls  er  nicht  die  neuesten  statistischen  Tabellen,  nicht 
die  letzten  wirtschaftlichen  Erhebungen  benutzt  haben  sollte.  Vom 
wissenschaftlichen  Standpunkt  ist  aber  kein  Grund  abzusehen,  dafs 
immer  nur  der  jeweilig  letzte  Zustand,  in  welchem  ein  Staat  uns  heute 
erscheint,  ein  geographisches  Interesse  beanspruchen  soll.  Wenn  wir 
beute  untersuchen,  welche  Wechselbeziehungen  zwischen  dem  Menschen 
und  der  Natur  bestehen,  wie  also  die  inneren  Bodenschätze  und  im 
Anschlufs  hieran  das  Montanwesen  bestimmend  für  die  Siedelungen, 
Bevölkerungsdichte,  Handel  und  Verkehr  an  vielen  Orten  werden  können, 
so  mufs  es  dasselbe  wissenschaftliche  Interesse  für  uns  haben,  zu  unter- 


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5.  Kulturgeographic. 


15 


suchen,  wie  die  Verhältnisse  in  einem  früheren  Zeitpunkt  der  Geschichte 
sich  dort  gestaltet  haben.  Es  zeigt  sich  da,  dafs  an  der  in  Frage  kom- 
menden Stelle  des  Landes  der  Bergbau  gar  nicht  betrieben  wurde,  dafs 
vielleicht  die  Erzadern  oder  Kohlenflöze  an  jener  Stelle  überhaupt  noch 
nicht  entdeckt  waren,  dafs  dafür  aber  an  anderen  Stellen  des  Landes 
das  Montanwesen  blühte,  an  Stellen,  die  heutzutage  hinsichtlich  ihrer 
Produktion  für  erschöpft  gelten  müssen,  wo  also  der  vorhin  erwähnte 
Einflufs  auf  das  wirtschaftliche  Leben  sich  nicht  mehr  geltend  machen 
kann.  Beachtung  verdient  auch  die  Waldbedeckung,  die  nachweisbar 
sehr  erhebliche  Wandelungen  durchgemacht  hat,  die  nach  ihrem  mehr 
oder  weniger  dichten  Bestände  sowie  auch  nach  ihren  vorwiegenden 
Holzarten  (Laub-  und  Nadelwald)  die  Maßnahmen  der  Bevölkerung  oft- 
mals beeinflufst  hat.  Überdies  hat  hier  der  Mensch  durch  seinen  Ein- 
griff mehrfach  Veränderungen  herbeigeführt,  indem  er  andere  Holzarten 
einführte,  die  die  älteren  verdrängten  oder  einschränkten  und  damit  dem 
ganzen  Landschaftsbilde  einen  anderen  Charakter  gaben,  oder  indem  er 
den  Wald  ganz  vernichtete  und  damit  auch  den  Boden  in  seinem  Bestände 
veränderte,  wie  die  Verkarstung  vieler  Gebiete  zeigt.  —  Der  historische 
Geograph  hat  daher  von  dem  Lande  ein  Bild  zu  entwerfen  für  ver- 
schiedene Zeitpunkte  der  Geschichte  und  hat  dieses  Bild  auszuführen 
nicht  nur  nach  der  politisch  -  geographischen  Seite  hin,  sondern  auch 
nach  der  kulturgeographischen.  Es  erwachsen  also  bei  einer  derartig 
gefafsten  Darstellung  dem  Forscher  dieselben  Aufgaben,  welche  man 
heute  an  eine  Länderkunde  stellt. 

Im  vorliegenden  Buch  ist  auch  der  Kulturgeographie  die  gebührende;  Be- 
rücksichtigung zu  teil  geworden.  Allerdings  hat  es  seine  Schwierigkeiten,  alle 
die  verschiedenen  Kategorien  für  die  einzelnen  Zeitpunkte  gleichinäfsig  zu  be- 
handeln, zumal  die  nötigen  Vorarbeiten  vielfach  fehlen.  Aber  es  ist  sehliefs- 
lieh  Sache  eines  Handbuches,  neben  den  Fortschritten  auch  auf  die  Lücken 
unserer  Forschung  hinzuweisen. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  des  Gegenstandes,  wie  sie  im  nach- 
folgenden versucht  ist,  existiert  natürlich  nicht.  Wir  sind  zunächst  auf  die 
allgemeinen  wirtschaftegeschichtlichen  Arbeiten  angewiesen,  die  aber  auch  nur 
einige  Perioden,  besonders  das  Mittelalter,  umfassen:  von  Inama-Sternegg, 
Deutsche  Wirtschaftsgeschichte,  I  (bis  zum  Schlufs  der  Karolingerperiode) 
Lpz.  1879;  n  (im  X  —  XII.  Jahrb.)  1891;  III  (in  den  letzten  Jahrhh.  des  Ma.) 
1899—1901.  Oers.,  »Wirtschaft«,  in  Pauls  Grundriß*  der  germanischen  Philo- 
logie2, in,  1—50.  La mp recht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  Mittelalter, 
3  Bde.  1885—1886.  Auch  seine  Deutsche  Geschichte,  Berlin  1894  ff.,  bietet 
einiges  hierzu,  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwaldes  und  der 
angrenzenden  I  Landschaften,  I,  Strafsbg.  1892. 

über  den  Inhalt  der  historischen  Kulturgeographie  und  ihrer  Abteilungen 
im  einzelnen  gibt  die  Behandlung  dieses  Gegenstandes  in  diesem  Buche  nähere 
Auskunft.  Hier  mögen  einige  Bemerkungen  mit  Angabe  der  wichtigsten 
Literatur  geniigen. 

Siedelungen.  Die  Aufgaben  der  Siedelungsgeugraphie  sind  mannig- 
faltiger Art.  Sie  hat  neben  den  grofsen  Siedelungen  (Städten)  auch  die  Klein- 
siedelungen, wie  Dörfer,  Einzelhöfe,  Burgen,  Pfalzen  etc.,  zu  berücksichtigen, 
welche  in  ihrer  Gesamtheit  das  ganze  Siedelungswescn  eines  Landes  charakteri- 
sieren. Neben  der  Lige  der  Siedelungen  sind,  soweit  das  Material  es  ermög- 
licht, auch  andere  Fragen  zu  erörtern,  wie  die  Dichte  der  Besied elung,  dir 


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IG 


Einleitung. 


Gröfse  der  Orte  und  ihr  jeweiliger  Zustand  in  den  einzelnen  Perioden.  Eine 
eingehende  Würdigung  haben  neuerdings  auch  die  Formen  der  Siedelungen 
gefunden  und  zwar  sowohl  der  Dörfer,  als  auch  der  Städte  in  ihrer  topo- 
graphischen Entwickelung.  —  E.  Th.  Gaupp,  Die  german.  Ansiedelungen  und 
Landteilungen  in  den  Provinzen  des  römischen  Westreiches  in  ihrer  völkerrecht- 
lichen Eigentümlichkeit  und  mit  Rücksicht  auf  verwandte  Erscheinungen  der 
alten  Welt  und  des  spateren  Mittelalters,  Breslau  1844.  W.  Arnold,  An- 
siedelungen und  Wanderungen  deutscher  Stämme  zumeist  nach  hessischen  Orts- 
namen, Marburg  1875.  A.  Meitzen,  Siedelung  und  Agrarwesen  der  West- 
germanen und  Ostgermanen,  der  Kelten,  Römer,  Finnen  und  Slaven,  3  Bde. 
mit  Atlas,  1895.  (Hierzu  die  Kritik  von  Henning,  Ztschr.  für  deutsches 
Altertum.  Anzeiger  Band  43,  1899.)  Ders. ,  Beobachtungen  über  Besiedelung, 
Hausbau  und  landwirtschaftl.  Kultur,  in  der  Anleitung  z.  dt.  Land-  und  Volks- 
forschung, 1899,  p.  481  ff.  J.  Fritz,  Deutsche  Stadtanlagcn,  Progr.  Lyceum 
Strafsburg  1894.  O.  Schlüter,  Uber  den  Grundrifs  der  Städte,  Z.  Ges.  Ekde. 
XXXIV,  (1899)  p.  446— 462.  Hahn,  Die  Städte  der  Norddeutschen  Tiefebene 
in  ihrer  Beziehung  zur  Bodengestaltung,  Stuttgart  1885.  G.  von  Below,  Dan 
ältere  deutsche  Städtewesen  und  Bürgertum,  Bielefeld  1898.  Auch  die  zahl- 
reichen Untersuchungen  über  Verfassungsgeschichte  der  Städte  im  allgemeinen, 
wie  einzelner  Städte  im  besonderen  sind  hierfür  heranzuziehen,  da  in  ihnen 
auch  topographische  Fragen  mehrfach  erörtert  worden  sind. 

Landwirtschaft.  Mit  der  Besiedelung  eines  Gebietes  steht  die  Urbar- 
machung in  engstem  Zusammenhang.  Gerade  in  Mitteleuropa  läfst  sich  die 
ostwärts  fortschreitende  Kolonisation,  die  allmähliche  Ausdehnung  des  land- 
wirtschaftlichen Betriebes  in  den  einzelnen  Stadien  verfolgen.  Nicht  nur  die 
Waldrodungen ,  sondern  auch  Entwässerung  von  sumpfigen  Flufsauen ,  Ge- 
winnung von  Marschland  durch  Eindeichungen  etc.  vom  frühen  Mittelalter  bis 
zur  Gegenwart  haben  die  für  landwirtschaftliche  Zwecke  nutzbar  gemachten 
Arealflächen  vermehrt.  Die  Qualität  des  Bodens  nach  seiner  chemisch-physi- 
kalischen Beschaffenheit  hat  im  weiteren  auch  die  vorteilhafte  Benutzung  des- 
selben für  die  Produktion  verschiedener  Nahrungs-  und  Industriepllanzen  oder 
schliefslich  als  Weideland  begünstigt  und  damit  einen  anderen  Zweig  der  Land- 
wirtschaft, die  Viehzucht,  befördert  —  Anton.  Gesch.  der  Teutschen  Land- 
wirtschaft von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  Ende  des  XV.  Jh.,  3  Tie.,  Görlitz 
1799 — 1802.  Langethal,  Gesch.  d.  teutschen  Landwirtseh.,  4  Bücher,  Jena 
1845— 185ü.  Hennings,  Ober  die  agrarische  Verfassung  der  alten  Deutschen, 
1869.  G.  Haussen.  Agrar-lustorische  Abhandlungen/  2  Tie.,  1880,  1884. 
Mi  eh  eisen  und  N  cd  derieh,  Geschichte  der  deutschen  Landwirtschaft, 
4.  Aufl.  Berlin  1902  (auf  Grundlage  von  Langethals  Buch),  v.  d.  Goltz, 
Geschichte  der  deutschen  Landwirtschaft,  I.  Bd.,  Stuttg.  1902. 

Wald.  Der  Boden  Mitteleuropa«  war  in  der  Vorzeit  zum  weitaus 
gröfsten  Teil  mit  Wahl  und  zwar  dichtem  Urwald  bestanden.  Mit  dem  Vor- 
dringen der  Kultur,  dem  Anwachsen  der  Bevölkerungsmasse,  die  eine  expan- 
sive Ausnutzung  des  Bodens  erheischte,  wurden  die  ersten  Breschen  in  ihn 
gelegt  und  er  somit  in  seiner  anfänglichen  Ausbreitung  eingeschränkt  (Rode- 
periode).  Erst  mit  der  Erkenntnis  der  weitreichenden  wirtschaftliehen  Be- 
deutung des  Waldes  begann  eine  wirkliche  Pflege,  ein  Aufhören  mit  den 
Rodungen  und  schliefslich  ein  ausdrückliches  Verbot.  Um  den  an  vielen 
Orten  angerichteten  Schaden  wieder  gut  zu  machen,  schritt  man  auch  zu  einer 
Wiederbewaldung  einzelner  Landstriche.  Es  war  unausbleiblich,  dafs  durch 
das  Eingreifen  des  Menschen  Veränderungen  im  Waldbestande  und  in  der 
Verbreitung  gewisser  Baumgattungen  eintraten,  und  dafs  z.  B.  die  geographische 
Verbreitung  von  I^aub-  und  Nadelwald  eine  gänzliche  Umwandlung  erfuhr.  — 
E.  von  Berg,  Gesch.  der  deutschen  Wälder  bis  zum  Schlufs  des  Mittelalters, 
Dresden  1871.  Roth,  Gesch.  des  Forst-  und  Jagdwesens  in  Deutsehland, 
Berlin  1879.  Schwappach,  Handb.  der  Forst-  und  Jagdgesch.  Deutschlands, 
Berlin  18*5— 18K8.    Bernhardt,  Gesch.  des  Waldeigentums.  1872. 


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5.  Kulturgeographie.  17 

Bergiba u.  Für  die  wirtschaftliche  Entwicklung""  einiger  Landschaften 
bildet  der  Bergbau  ein  wichtiges  Moment,  welches  mittelbar  auch  wieder  das 
Siedelungswesen  beeintiufst  und  wie  heute,  so  auch  schon  im  Mittelalter  eine 
Bewegung  in  der  Bevölkerungsmasse  hervorgerufen  hat.  Es  ist  hier  die  Auf- 
galn\  die  Ausbreitung  des  Bergbaues  und  Salinenbetriebes  in  den  einzelnen 
Perioden  nachzuweisen  und  die  jeweilige  Bedeutung  und  Höhe  der  Produktion 
zu  kennzeichnen.  —  Gmelin,  Beitrage  zur  Gesch.  des  teutschen  Bergbaues, 
Halle  1783.  Mosch,  Zur  Geschichte  des  Bergbaues  in  Deutschland,  Liegnitz 
1829.    von  Festenberg- Packisch,  Der  deutsche  Bergbau,  Berlin  1886. 

Verkehr.  Handels-  und  Verkehrswege,  seien  es  nun  Land-  oder  Wasser- 
strafsen,  sind  von  den  natürlichen  Gegebenheiten  abhängig.  Die  Bodenkon- 
figuration und  die  hydrographischen  Verhältnisse  (Flüsse,  Meere)  haben  die 
Richtung  solcher  Verkehrslinien  vorzugsweise  bestimmt.  Freilich  ist  hierbei 
auch  die  geographische  Lage  der  durch  Handel  und  Verkehr  miteinander  in 
Beziehung  gesetzten  Örtlichkeiten  zu  berücksichtigen ;  Wichtigkeit  und  Be- 
deutung dieser  Beziehungen  waren  zeitweise  sehr  verschiedene,  und  entsprechend 
änderte  sich  die  Bedeutung  einzelner  Hauptverkehrslinien.  Nicht  immer  aber 
konnte  sich  der  Verkehr  die  Vorteile  der  topographischen  Situation  zu  nutze 
machen.  Die  mangelnde  Sicherheit  einiger  Strafsen,  Zolli »lackereien  und  dgl.  m. 
schreckten  von  der  Benutzung  günstig  gelegener  natürlicher  Strafsen  zurück, 
und  der  Verkehr  wurde  auf  Umwege  und  über  weniger  günstiges  Terrain  ab- 
gelenkt. Welche  Umstände  immer  mafsgebend  gewesen  sind,  ist  von  Fall  zu 
Fall  zu  untersuchen.  —  W.  Götz,  Die  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welt- 
handels. Stuttgart  1888.  E.  Gasner,  Zum  deutschen  Strafsen wesen  von  den 
ältesten  Zeiten  bis  zur  Mitte  des  XVII.  Jh.,  Leipzig  1889.  Heller,  Die  Han- 
delswege Inner-Deutschlands  im  XVI. — XVIII.  Jh..  Dresden  1884.  Falke, 
Gesch.  d.  deutschen  Handels,  2  Bde.,  1859;  sowie  die  Darstellungen  der  Han- 
delsgeschichte  einzelner  Länder  und  Städte. 

6.  Hilfswissenschaften.  Jede  Wissenschaft  stellt  sich  in  den  Mittel- 
punkt und  betrachtet  die  übrigen  rings  um  sich  her  als  ihre  Hilfs- 
disziplinen, die  sie  zur  Lösung  ihrer  Probleme  heranzieht.  Unter  diesen 
Hilfswissenschaften  finden  sich  vielfach  solche,  die,  als  selbständige  Dis- 
ziplinen gefafst,  einen  viel  gröfseren  Umfang  und  eine  weit  bedeutsamere 
Stellung  einnehmen  als  jene  gerade,  die  sich  selbst  als  Hauptdisziplin 
fühlt.  Überdies  ist  zu  berücksichtigen,  dafs  jede  Einzelwissenschaft  ihren 
Nachbardisziplinen  eine  verschiedene  Wichtigkeit  und  Bedeutung  in  Bezug 
auf  sich  beilegen  wird,  mit  anderen  Worten,  die  einen  stehen  ihr  näher 
als  die  anderen.  Für  die  historische  Geographie  bildet  die  Geschichts- 
wissenschaft keine  eigentliche  Hilfsdisziplin  mehr;  sie  sind  beide  dem 
Stoff  sowie  der  methodischen  Verarbeitung  dieses  Stoffes  nach  so  eng 
miteinander  verbunden,  dafs  eine  prinzipielle  Trennung  zwischen  ihnen 
ebenso  schwierig  ist  als  zwischen  Geologie  und  Geomorphologie.  Zu 
den  Hilfswissenschaften  der  historischen  Geographie  wird  man  daher 
auch  alle  jene  rechnen  können,  die  es  für  die  reine  Geschichte  sind. 
Zu  ihnen  gehören  die  Realdisziplinen,  welche  die  Quellenkunde  zum 
Gegenstande  haben,  wie  Epigraphik,  Paläographie,  Diplomatik,  Sphra- 
gistik,  Numismatik  u.  a.  Gleichwohl  werden  sie  hier  doch  nur  als 
Hilfswissenschaften  zweiter  Ordnung  zu  betrachten  sein.  Die  politische 
Geschichte  und  Wirtschaftsgeschichte  werden  wir,  wie  bemerkt,  hiervon 
ausschliefsen  müssen,  da  sie  mit  der  politischen  Geographie  und  Kultur- 
geographie aufs  engste  verbunden  sind.    Dagegen  bilden  Ethnographie, 

KretftChmer,  Historische  Oojrraphlc.  2 


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18 


Einleitung. 


Volkskunde,  Sprachwissenschaft,  Genealogie,  Heraldik  und  Verfassungs- 
geschiehte  die  für  die  historischo  Geographie  wichtigsten  Hilfswissen 
schaften,  wenn  auch  nicht  immer  in  ihrem  ganzen  Umfange. 

1.  Historische  Ethnographie,  Volkskunde.  Die  genaue 
Kenntnis  der  verschiedenen  nationalen  Elemente,  die  den  Boden  eines 
Landes  im  Besitz  gehabt  haben  oder  noch  haben,  ist  für  den  Geographen 
von  wesentlicher  Bedeutung.  Ihre  ethnische  Stellung  innerhall»  der 
Völkerwelt,  ihre  Herkunft  und  ehemaligen  Sitze,  ihre  Klassifizierung  in 
Sonderstämme,  ihre  Wanderungen  und  sonstigen  Erlebnisse  gehören 
mehr  in  das  Gebiet  der  reinen  Geschichte,  der  vergleichenden  Sprach 
Wissenschaft  und  der  Anthropologie  und  Urgeschichte.  Kelten,  Rötner, 
Germanen,  Slaven,  Litauer  haben  den  Boden  Mittoleuropas  abwechselnd 
inne  gehabt  und  finden  sich  zum  Teil  heute  noch  auf  ihm  vor.  Wie  ihr 
Kulturgrad  ehedem  ein  sehr  verschiedener  war,  so  ist  auch  ihre  geo- 
graplüsche  Verbreitung  und  Verteilung  jeweilig  eine  wechselnde  gewesen 
Die  Kenntnis  der  schwankenden  Ausbreitung  ist  für  den  historische]] 
Geographen  insofern  von  Bedeutung,  als  sie  ihm  in  Verbindung  mit 
gewissen  volkskundlichen  Fragen  einen  Aufschlufs  über  die  kultur- 
geographischen  Verbältnisse  gibt.  Die  Römer  z.  B.,  die  in  Westdeutsch- 
land Fufs  fafsten,  legten  den  Grund  zu  einer  blühenden  Kultur,  schuf« 
ein  ausgedehntes  Verkehrsnetz,  bauten  die  unbedeutenden  Dorfschaften 
und  Weiler  keltischen  Ursprungs  zu  ganzen  Städten  aus,  kurz,  sk 
machten  aus  dem  Lande  etwas  ganz  anderes  als  die  Germanen,  die  den- 
selben Boden  occupierten,  aber  noch  nicht  allseitig  zur  Ruhe  gekommen 
waren,  noch  in  einer  Art  Völkerschiebung  sich  befanden,  und  wenn  - 
auch  den  Ackerbau  kannten,  so  ihn  doch  in  primitiver  Form  noch 
betrieben.  Ahnliche  Gegensätze  in  kulturgeographischer  Beziehung  zeigen 
sich  späterhin  zwischen  Germanen  und  Slaven,  Gegensätze,  die  in  den 
verschiedenen  Siedelungsformen,  den  Hausanlagen,  der  Bewirtschaftung 
des  Bodens  u.  dgl.  zum  Ausdruck  kommen.  Die  Feststellung  der  ethni 
sehen  Verhältnisse  bildet  somit  die  notwendige  Voraussetzung  für  kultur- 
geographische Betrachtungen. 

Zeufs,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstiimme,  München  1837.  Müllen- 
hoff,  Deutsche  Altertumskunde,  4  Bde.,  1890  ff.  Bremer,  Ethnographie  der 
german.  Stämme,  in  Pauls  (irundrifs  d.  gorman.  Piniol.,  2.  AuH.  III,  735  ff. 
Much,  Deutsche  Stammsitze,  Halle  1892.  Schaf arik,  Slavisehc  Altertümer, 
1844,  2  Bde.  Krek,  Einleitung  in  die  slavisehc  Literaturgeschichte,  Graz  1887. 
Tetzner,  Die  Slaven  in  Deutschland,  Braunschweig  1902.  Czörnig,  Ethno- 
graphie der  österreichischen  Monarc  hie,  3  Bde.,  Wien  1855 — 1857.  E.  H.  Meyer, 
Deutsche  Volkskunde,  Strasburg  189K.  Weise,  Die  deutseben  Volksstämnu 
und  Landschaften,  Lpz.  1900.  Ha  n s  M  ey  e  r,  Das  deutsche  Volkstum,  Lpz.  1899. 
Andree,  Braunschweigische  Volkskunde,  189(5.  Credner,  Deecke,  Co- 
hen u.  a..  Zur  Ld.-  u.  Volkskde.  von  Vorpommern  und  Rügen,  Greifswald  1900. 
W'uttke,  Sächsische  Volkskunde,  Lpz.  i900.  Hauffen,  Einführung  in  die 
deutsch  höhmische  Volkskde.,  Prag  1896  f.  Beit  räge  zur  nordwestdeutschen 
Volks*  und  Landeskunde,  hergb.  vom  Naturwiss.  Verein  Bremen  1897.  Ferner 
eine  Reihe  von  Spezialabhandlungen  in  den  Forschungen  zur  deutsehen  Landes 
und  Volkskunde,  hergb,  von  Kirchhoff.  H.  Henning,  Das  deutsche  Haus 
Strasburg  1882.  Mcitzen,  Das  deutsche  Haus,  1882.  Lasius,  Das  friesisch« 
Bauernhaus,  Strasburg  1885.    Henning,  Die  deutschen  Haustypen,  Straf? 


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6.  Hilfnwiasenschaflen. 


19 


bürg  1886.  Lutsch,  Neuere  Veröffentlichungen  über  das  Bauernhaus  in 
Deutseliland,  Österreich-Ungarn  und  in  der  Schweiz,  Berlin  1897.  Rhu  mm, 
Der  heutige  Stand  der  dt.  Hausforschung,  im  Globus  71  (1897)  p.  169  ff.,  183  ff.. 
206  ff.  —  Den  Einflufs  der  geographischen  Situation  auf  die  geistige  Kultur 
der  Völker,  wie  er  in  gewissen  Sagen,  Märchen  und  Legenden,  sehliefslich  auch 
in  Sitten  und  Bräuchen  zum  Ausdruck  kommt,  will  J.  Wimmer  (ITistor.  Land- 
schaftskde, p.  4)  auch  als  eine  der  Aufgaben  der  historischen  Geographie  be- 
trachtet wissen.  Im  vorliegenden  Buche  konnte  auf  diese  an  sich  hochinter- 
essanten Fragen  nicht  eingegangen  werden.  Reichhaltige  Literatur  hierzu 
bietet  U.  Jahn,  Volkstümliches  in  Glaube  und  Brauch,  Sage  und  Märchen, 
in  der  Anleitung  z.  deutschen  Land-  u.  Volksforschung,  hergb.  von  Kirchhoff, 
Stuttg.  1889,  p.  435— 480.  Mogk,  Sitte,  in  Pauls  Grundrifs  d.  german.  Piniol., 
III.  493—530. 

• 

2.  Sprachwissenschaft.  Die  Feststellung  der  Nomenklatur  geo- 
graphischer Objekte  im  Verlauf  der  Geschichte  gehört  mit  zu  den  Auf- 
gaben der  historischen  Geographie.  Die  Namen  sind  nicht  blofs  äufser- 
liche  Unterscheidungsmerkmale,  sie  nehmen  oft  genug  auf  Wesen  und 
Inhalt  des  Objektes  selbst  Bezug,  und  die  Feststellung  dieser  Tatsache, 
die  Ermittelung  der  Grundbedeutung  (Etymologie)  und  des  Ursprunges 
der  Namen  kann  mittelbar  von  weitreichender  Bedeutung  für  viele 
Fragen  sein.  Die  geographische  Onomatologie,  die  Lehre  von  der  histo- 
rischen Entwickelung  geographischer  Namen  hat  sich  zu  einer  kleinen 
Spezialdisziplin  herausgebildet.  Ihre  Bearbeitung  setzt  in  erster  Reihe 
sprachwissenschaftliche  (grammatische)  Kenntnisse  in  der  betreffenden 
Sprache  voraus,  sodann  auch  rein  historische.  Der  Stadtname  Münster 
geht  auf  das  monasterium  des  heiligen  Liudger  zurück,  jener  von  Karls- 
ruhe auf  das  Jagdschlofs  Markgraf  Karl  Wilhelms  von  Baden-Durlach. 
Etymologische  Schwierigkeiten  liegen  liier  nicht  vor,  die  Geschichte  gibt 
uns  hinreichende  Auskunft;  —  oder  auch  nicht,  wie  bei  dem  Namen 
des  schon  bei  Tacitus  auftretenden  Teutoburger  Waldes,  der  augenschein- 
lich auf  eine  Teutoburg  zurückführt,  über  deren  Existenz  und  Lage  wir 
sonst  nichts  wissen,  oder  wie  bei  dem  Ortsnamen  Wernigerode,  der  als 
die  Rodung  eines  Werniger,  Werner  o.  ä.  sich  erklärt,  ohne  dafs  wir 
aber  über  seine  Persönlichkeit  nähere  Nachrichten  besitzen.  Di*'  grofse 
Mehrzahl  geographischer  Namen  ist  aber  nicht  so  durchsichtig  und 
durch  historisches  Tatsachenmaterial  zu  erklären,  weil  das  Grundwort 
eine  Veränderung  erlitten  hat,  zuweilen  derartig,  dafs  man  im  Zweifel 
ist,  aus  welcher  Sprache  man  den  Namen  herleiten  soll.  So  ist  die 
Donau  aus  dem  Lateinischen,  Germanischen,  Slavischen  und  Keltischen 
erklärt  worden ;  man  ist  jetzt  zu  der  Erkenntnis  gekommen,  dafs  wir  es 
mit  einer  keltischen  Namenbildung  zu  tun  haben.  Die  Feststellung 
solcher  Tatsachen  ist  aber  von  entscheidender  Wichtigkeit  für  viele 
Fragen  der  Völkergeschichte.  Die  geographische  Verbreitung  der  Kelten 
und  der  Slaven  in  Mitteleuropa  hat  sich  in  Ermangelung  anderweitiger 
Quellen  zum  gröfsten  Teil  nur  aus  der  Verbreitung  keltischer  und  sla- 
vischer  Namen  erschliefsen  lassen.  Gröfste  Vorsicht  ist  allerdings  bei 
solchen  Schlufsfolgerungen  geboten,  besonders  wo  es  sich  um  lokal 
beschränkt  auftretende  Namenbildungen  einer  und  derselben  Sprache 
handelt;    so   haben   sich    die    deutschen    Ortsnanienendungen  ingen. 


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20 


Einleitung. 


-heim,  -leben  u.  a.  nicht  immer  als  ein  zuverlässiges  Kriterium  für  die 
Verbreitung  der  deutschen  Stämme  ergeben.  Hierüber  wird  unten  in 
dem  Abschnitt  über  Ortsnamenkunde  Ausführlicheres  zu  bringen  sein.  — 
Auf  keinem  Gebiet  hat  der  Dilettantismus  so  viel  Unheil  gestiftet  und 
dio  wissenschaftliche  Arbeit  erschwert  als  gerade  auf  dem  der  geographi- 
schen Namenkunde.  Das  Ubereinstimmen  eines  geographischen  Namens 
mit  1—2  Buchstaben  irgend  eines  anderen  Wortes  der  Sprache  genügte 
manchem  schon,  und  falls  der  sachliche  Inhalt  des  Wortes  sich  dem 
Namen  nicht  anpassen  wollte,  mufste  eine  lebhafte  Phantasie  nachhelfen. 
Hierbei  übersahen  viele,  dafs  auch  die  ehemalige  Fassung  der  Namen 
zu  berücksichtigen  ist.  Einen  Namen  wie  Bodensee  kann  man  nicht 
erklären,  wenn  man  nicht  weifs,  dafs  der  See  nach  einer  kaiserlichen 
Pfalz  im  Mittelalter  Bodmansee  geheifsen  hat. 

Schmidtkonz,  Ortskunde  und  Ortsnamenforsehung  im  Dienste  der 
Sprachwissenschaft,  1.  Teil,  Halle  1895.  Egli,  Geschichte  der  geographischen 
Namenkunde,  Lpz.  1886.  Ders. ,  Nomina  geographica,  2.  Aufl.,  Lpz.  1893  (ent- 
hält in  lexikalischer  Anordnimg  die  wichtigeren  Namen  aller  Ländergebiete 
der  Erde).  Förstemaiwi,  Altdeutsches  Namenbuch,  Nordhausen  1872.  BdH: 
Die  Ortsnamen.  Umlauft,  Geographisches  Namenbuch  von  Österreich-Ungarn, 
Wien  1886.  Eglis  Referate  über  geogr.  Namen  im  Geograph.  Jahrbuch  von 
H.  Wagner.  —  Die  spezielle  Literatur  wird  im  Abschnitt  über  Ortsnamenkunde 
gegeben  werden. 

3.  Genealogie,  Heraldik.  Für  dio  politische  Geographie  Mittel- 
europas ist  die  Kenntnis  der  Stammbäume  fürstlicher  Häuser  unbedingt 
erforderlich,  wenn  man  einen  Einblick  in  die  Zersplitterung  einzelner 
Territorien  und  ihre  erneute  Zusammenfügung  gewinnen  will.  Für  die 
Anfänge  einiger  Dynastenhäuser  ist  die  Aufstellung  von  Stammtafeln 
wegen  Mangels  an  Quellen  oftmals  mit  grofsen  Schwierigkeiten  verbunden, 
die  noch  dadurch  erhöht  werden,  dafs  gewisse  Namen  in  solchen  Fami- 
lien sich  unausgesetzt  in  Haupt-  und  Nebenlinien  wiederholen.  Die 
genealogischen  Tabellen  weichen  daher  oft  recht  erheblich  voneinander 
ab;  besonders  gilt  dies  von  der  Numerierung  der  Persönlichkeiten  mit 
gleichen  Namen  in  einer  Familie.  Noch  umständlicher  wird  es,  wenn 
die  Zählung  in  den  abgetrennten  Nebenlinien  abermals  mit  I  beginnt, 
oder  bei  Standeserhöhungen  von  Fürsten  zu  Herzögen  dies  bei  der  her- 
zoglichen Linie  gewöhnlich  der  Fall  ist,  wo  neben  der  neuen  Zahl  häufig 
die  fortlaufende  noch  gesetzt  wird.  —  Auch  die  Heraldik  (Wappen- 
kunde) wird  für  die  stückweise  Zusammensetzung  der  Territorien  oft  mit 
Erfolg  heranzuziehen  sein.  Die  Landesherren  pflegten  bei  der  Neu- 
erwerbung eines  Territoriums  das  Wappen  desselben  in  das  ihrige  mit 
aufzunehmen.  Die  zusammengesetzten  Wappenschilder  einiger  Häuser 
wie  der  Markgrafen  von  Brandenburg  -  Onolzbach  und  Brandenburg- 
Kulmbach,  der  Grafen  zu  Stolberg  u.  a.  sind  gleichsam  geograplüsche 
Übersichtsblätter,  welche  alle  die  Teilstücke  ihres  Landbesitzes  symbolisch 
wiedergeben.  Freilich  ist  hierbei  Kritik  geboten,  da  mit  der  Einfügung 
eines  neuen  Wappens  nicht  immer  zugleich  der  Erwerb  eines  Terri- 
toriunis mit  verbunden  war.  Bei  Erbsehaftsstreitigkeiten  pflegten  die 
beteiligten  Parteien  das  Wappen  des  Streitobjektes  aus  lauter  Trotz  den 


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r 


6.  Hilfswissenschaften.  21 

ihrigen  einzuverleiben,  oder  aber  bei  gütlichen  Vereinbarungen  wurde 
die  Führung  des  Wappens  der  anderen  Partei  unter  Verzicht  auf  das 
Streitobjekt  gleichwohl  gestattet,  um  ein  Anrecht  für  spätere  Fälle  zu 
dokumentieren.  Die  Heranziehung  dieser  Wappenschilder  für  geographi- 
sche Zwecke  ist  daher  nur  unter  gewissenhafter  Interpretation  der  ein- 
zelnen Wappenfelder  in  Verbindung  mit  den  geschichtlichen  Vorgängen 
zulässig. 

B.  Rose,  Artikel  »Genealogie«  in  Ersen  und  fi ruhers  Encyklopädie, 
H?53.  Bd.  57  p.  336 — 378.  K.  von  Behr,  Genealogie  der  in  Europa  regieren- 
den Fürstenhäuser,  2.  Aufl.,  Lpz.  1870,  4°.  Hopf,  Historisch-genealogischer 
Atlas,  2  Bde.  1858  ff.  Fol.«  Grote,  Stammtafeln  Lpz.  1877,8°.  Cohn,  Stamm- 
tafeln zur  Geschichte  der  deutschen  Staaten  und  der  Niederlande,  Braunschweig 
1871.  Fol.0  (ist  eine  neue  Bearbeitung  des  Werkes  von  Voigtei,  Genealog. 
Tabellen  z.  Erläuterung  d.  europ.  Staaten  geschieh  te ,  Halle  1811).  Örtel,  Genea- 
logische Tafeln  zur  europ.  Staatengeschichte  des  XIX.  Jahrh.,  1877.  M.  von 
Gränewaldt,  Historische  Stammtaf  ein  1889.  Lorenz,  Genealogisches  Hand- 
buch der  europäischen  Staatengeschichte,  2.  Aufl.,  Berlin  1895,  8°.  Von  Spezial- 
wvrken  sind  zu  nennen:  von  Chrismar,  Genealogie  des  Gesamthauses  Baden 
vom  XVI.  Jahrh.  bis  heute,  Gotha  1892,  8°.  Grotefend,  Stammtafeln  der 
«chlesischen  Fürsten  bis  zum  Jahre  174U,  Breslau  1875,  4°  (in  2.  Aufl.  1889). 

von  BüIoav,  Stammtafeln  des  pomniersch-rügenschen  Fürstenhause  und 
Meiner  Nebenlinien ,  Stettin  1870,  4°.  Hofmeister,  Das  Haus  Wettin  von 
seinem  Ursprünge  bis  zur  neuesten  Zeit  in  allen  seinen  Haupt  und  Nebenlinien, 
Lpz.  1889,  Fol.o.  Graf  Stillfried.  Stammtafeln  des  Gesamthauses  Hohen - 
zollem,  Berlin  1869,  Fol.o. 

Das  Siebma cli ersehe  Wappenbuch  zuerst  1604  herausgegeben 
und  später  wiederholt.  Neueste  und  zwar  gänzlich  veränderte  Ausgabe  von 
Hefner,  Seyler,  G  ritzner  u.a.,  Nürnberg  185(>fT.,  4°.  W.  Trier,  Einleitung  zu 
der Wapen-Kunst,  Lpz.  1744  (mit  142  Kupferstiehen).  O.  T.  von  Hef  ner,  Hand- 
bach der  theoretischen  und  praktischen  Heraldik,  I,  München  1861.  Ders. , 
Neoea  Wappenbuch,  München  1862 ff.  Hentzmann,  Numismatisches  Wappen- 
It-xikon  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  1876.  Tyrot'f,  Wappenbuch  der 
österreichischen  Monarchie,  39  Bde.,  Nürnberg  1831— 1872.  Wappcnbueh  der 
Preufsischen  Monarchie,  35  Bde.,  1844—1872.  Wappenbuch  des  Kgr.  Württem- 
berg. 3  Bde.,  1833  ff.  Wappenbuch  der  sächsischen  Staaten,  14  Bde.,  1852—1871. 

4.  Verfassungsgesehichte.  Auch  sie  kommt  für  den  Geo- 
graphen als  Hilfswissenschaft  in  Frage,  soweit  es  sich  für  ihn  darum 
handelt,  die  Einteilung  des  Landes  nach  Gauen.  Territorien,  Staaten  etc. 
in  Verbindung  mit  der  verschiedenartigen  politischen  Stellung  dieser 
Teilgebiete,  ilu-en  Abhängigkeitsverhältnissen,  ihren  Einrichtungen  in 
<ler  Verwaltung  zu  verstehen.  Gauverfassung,  Lehnswesen,  Immunität, 
UrKlesherrlichkeit,  Landeshoheit,  Reichsritterschaft,  Herrschaft,  Graf- 
schaft, Pfalzgrafschaft,  Landgrafschaft.  Burggrafschaft,  Vogtei,  Kurfürsten- 
tum etc.,  ferner  gewisse  Fragen  der  Stadtverfassungen,  der  wirtschaft- 
lichen Verwaltung,  Regalien  und  Privilegien  verschiedener  Art  —  sind 
bei  Erörterung  historisch -geographischer  Verhältnisse  allenthalben  mit 
zu  berühren.  Auch  die  Rechtsgeschichte,  insonderheit  aber  die  Rechts- 
quellen, wie  z.  B.  die  altdeutschen  Volksrechte,  bieten  wichtiges  Material 
für  wirtschaftsgeographisehe  Erscheinungen. 

Ein  grundlegendes  Werk  ist  G.  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgesehichte, 
8  Bde.,  z.  T.  in  2.  u.  3.  Autlage.  Eichhorn,  Deutsche  Staat»  und  Rechts- 
schichte,  4  Bde.,  1843—1844.    v.  Daniels,  Handb.  der  Deutschen  Reichs- 


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22 


Einleitung. 


und  Staaten-Hechtsgeschichte,  4  Bde.,  1859—1863.  Schröder,  Lehrb.  der 
deutschen  Rechtsgeschichte,  4.  Aufl.,  Lpz.  1902.  Brunner,  Deutsche  Rechts- 
geschichte, Lpz.  1887 — 1892.  Ficker,  Vom  Rcichsfürstenstande,  L,  Innsbruck 
1861.  Die  genannten  Werke  geben  weitere  Nachweise  über  die  ungemein 
reichhaltige  Spezialliteratur. 

Allgemeine  Bibliographie.  Es  dürfte  sich  empfehlen,  an  dieser  Stelle 
auch  auf  die  wichtigeren  Literaturverzeichnisse  und  Kepertorien  hinzuweisen. 
Von  seiten  der  Geographen  sind  geliefert  worden: 

Engel  mann,  Bibliotheca  geographica,  1858  (die  Literatur  von  1750 — 1850 
enthaltend).  Reg i strande  der  geogr.-statistisehen  Abteilung  des  Grofsen 
Generalstabs,  Berlin  1 — 13  (1867— 1883).  Kon  er,  Repertorium  über  die  von 
1800— 1850  in  Journalen  auf  d.  Gebiet  d.  Geogr.  erschienenen  Aufsätze,  Berlin 
1854.  —  Literaturberichte  in  Petermanns  Mitteilungen  seit  1853,  in 
erweiterter  Form  seit  1885  von  A.  Supan  herausgegeben.  —  Literat urbe richte 
in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  f.  Erdkunde  zu  Berlin,  seit  1853; 
diese  sind  jetzt  ersetzt  durch  O.  Basehin,  Bibliotheca  geographica,  1895  ff 
(Bd.  1  enthält  Jahrgang  1891—1892,  II  und  ff.  je  einen  Jahrgang).  —  Geo- 
graphisches Jahrbuch,  hergb.  von  Behm,  später  von  Wagner,  (seit  1866). 
—  Von  seiten  der  Historiker:  Bibliotheca  historieo-geographica  oder  syste- 
matisch geordnete  Übersieht  der  in  Deutschland  und  dem  Ausland  auf  dem 
Gebiete  der  gesamten  Geschichte  und  Geographie  erschienenen  Bücher,  seit 
1853;  nur  Bibliotheca  historica  seit  1862,  hergb.  von  Zuchold,  bezw.  G.  Schmidt, 
Müldener,  Ehrenfeuchter,  Maslow.  —  Weigels  Systematisches  Verzeichnis 
der  Hauptwerke  der  deutschen  Literatur  aus  den  Gebieten  der  Geschichte 
und  Geographie  von  1820 — 1882.  Geschichte  nebst  Hilfswissenschaften 
bearb.  von  G.  Seyler,  Lpz.  1897.  —  Dahlmann- Waitz-Steindorff, 
Quellenkunde  der  deutsehen  Geschichte,  6.  Auflage,  Göttingen  1894.  —  Jahres- 
berichte der  Geschichtswissenschaft,  im  Auftrag  der  histor.  Ges.  zu 
Berlin  hergb.  von  verschiedenen  Gelehrten,  Literatur  seit  1876  enthaltend.  — 
Historische  Zeitschrift,  hergb.  von  Sybel ,  Lehmann,  Meinecke  mit 
Rezensionen  und  Literaturberichten,  seit  1859.  —  Historisches  Jahrbuch, 
hergb.  von  der  Görresgesellschaft,  seit  1880.  —  Mitteilungen  aus  der  histo- 
rischen Literatur,  hergb.  von  der  histor.  Ges.  zu  Berlin  von  Fofs  und  Hirsch, 
seit  1873.  —  Deutsche  Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft, 
hergb.  von  Quidde,  1889—1895;  neue  Folge  von  Seeliger  I,  1896—1897;  II, 
1897—1898  mit  Monatsblätt.  Historische  Vierteljahrsschrift,  hergb. 
von  Seeliger,  seit  1898. 

A.  Pott  hast.  Bibliotheca  historica  medii  aevi.  Wegweiser  durch  die 
Geschichtswerke  des  europäischen  Mittelalters  Ins  1500,  2  Bde.,  Berlin  1896; 
enthält  als  Anhang  des  zweiten  Bandes  ein  chronologisch  und  geographisch 
geordnetes  Verzeichnis  der  Quellen  über  die  einzelnen  Länder  und  Städte, 
über  welche  die  Artikel  des  Werkes  Auskunft  geben.  —  H.  Oesterley,  Weg- 
weiser durch  die  Literatur  der  Urkunden-sammlungen,  2  Bde.,  1885  f.,  enthält 
ein  Verzeichnis  der  veröffentlichten  Urk. -Sammlungen  und  archivaliscben 
Materialien  nach  Ländern,  Städten  und  Klöstern  geordnet. 

Von  speziellen  Literaturverzeichnissen,  welche  die  Landes-  und  Volks- 
kunde Mitteleuropas  (»der  nur  einzelner  liinder,  Provinzen  u.  s.  w.  betreffen, 
seien  genannt:  P.E.Richter,  Bibliotheca  geographica  Germaniae.  Literatur 
der  Land-  und  Volkskde,  des  Deutschen  Reiches,  bearb.  im  Auftrag  der  Zentral- 
Kommission  f.  wiss.  Landeskde.  von  Deutschland,  Lpz.  1896.  —  Kirchhoff 
und  H  asser  t,  Berieht  über  die  neuer»'  Literatur  zur  deutschen  Landeskde. 
Bd.  I  enthält  die  Lit.  von  1896—1899,  Berlin  1901.  F.  Hahn,  Der  gegen- 
wärtige Stand  der  landeskundlichen  Forschung  in  Deutschland  und  einigen 
Nachbargebieten,  in  Geograph.  Zeitschr.  III  (1897)  p.  35  ff.,  147  ff.,  228  ff.  Rtuien: 
Kienitz  und  Wagner,  Lit.  der  Land-  und  Volkskunde  des  < irofsherzgt. 
Baden,  Karlsruhe  1901.    Raiern:  Beiträge  zur  Landeskunde  Bayerns.  Lite- 


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6.  HilfHwissenBchaften. 


23 


raturverzeichnis  über  die  Karten,  forstwirtschaftl.  Verhältnisse,  sanitären  Verh. 
und  Urgeschichte,  in  Jahresber.  d.  geogr.  Ges.  München,  Heft  8,  1882 — 1883, 
München  1884.  Gruber,  Zusammenstellung  der  über  Bayern  erschienenen 
geogr.  Lit,  in  Jahresb.  d.  geogr.  Ges.  zu  München,  von  Heft  10  an  (188G  ff.). 
Braunschtceig :  Verzeichnis  der  auf  die  Landeskde.  des  Herzogt.  Braunschweig 
bezügl.  Lit.,  in  Jahresber.  4,  6,  7,  des  Ver.  f.  Naturwiss.  zu  Braunschweig  1887  ff. 
Hessen:  Ackermann,  Bibliotheca  Hassiaea,  Repertorium  der  landeskdl.  Lit. 
f.  d.  Regierungsbezirk  Kassel,  1884  mit  mehreren  Nachträgen  1886,  1887,  1891, 
1892,  1894,  1895,  1896,  1897,  1899.  Lippe:  Weerth  und  Anemüller, 
Bibliotheca  Lippiaca,  Detmold  1881.  Lübeck:  Friedrich,  Zusammenstellung 
der  che  Landeskde.  des  Lübeckischen  Stadtgebietes  betreff.  Lit.,  in  Mitt.  d.  geogr. 
Ges.  zu  Lübeck,  Heft  7,  1885.  D  e  rs.  Lit.  zur  Land«  und  Volkskde.  d.  Lübeck. 
Staatsgebietes  für  1885—1892  mit  Nachträgen,  ibid.  2.  Reihe,  H.  5,  6,  1893. 
Mecklenburg:  Bach  mann,  d.  landeskundl.  Lit,  über  d.  Grofsherzogtümer  Meck- 
lenburg, Güstrow  1889.  Ostfriesland:  Buchenau,  Literatur  über  die  ostfrie- 
sischen Liseln,  in  Abhdl.  d.  naturw.  Ver.  Bremen.  IV,  1883.  Pommern:  landes- 
kundl. Literatur  von  Vorpommern  und  Rügen,  Sep.-Abdr.  aus  dem  I.  Jb.  d. 
geogr.  Ges.  Greifswald  1882—1883.  Prei{/'sen:  Landeskundl.  Literatur  der  Pro- 
vinzen Ost-  und  Westpreufsen ,  hergb.  von  d.  geogr.  Ges.  Königsberg,  1892. 
Ren/s:  Auerbach,  Bibliotheca  Ruthenea.  Die  Lit.  z.  Landeskde.  u.  Gesch.  d. 
Fürstent.  Reufs  j.  L.,  Sep.-Abdr.  a.  d.  32.-35.  Jb.  d.  Ges.  v.  Freund,  d.  Naturw. 
in  Gera,  1892.  Rheinprovinz:  Keyfser,  Zur  geschieht!,  und  landeskundl.  Biblio- 
graphie der  Rheinprov. ,  Köln  1891.  Katalog  d.  Stadtbibliothek  in  Köln. 
Abt,  Rh.  Gesch.  u.  Landeskde.  d.  Rheinpr.  bearb.  von  F.  Ritter,  Bd.  I,  1894. 
Sachsen:  Richter,  Lit.  d.  Landes-  u.  Volkskde.  d.  Königr.  Sachsen,  Dresden 
1889,  mit  Nachträgen  1892—1894.  Prot;.  Sachseti:  Literatlirberichte  im  Archiv 
f.  Landes-  u.  Volkskde.  d.  Prov.  Sachsen,  seit  1893.  Schlesien:  Bartsch,  Lit. 
d.  Landes-  und  Volkskde.  d.  Prov.  Schlesien,  Breslau  1892  ff.,  7  Hefte,  voll- 
ständig. Schleswig-Holstein:  Literaturbericht  für  Schlesw.-Holstein  1892,  Schrift- 
d.  naturw.  Ver.  f.  Schl.-H.,  X,  1893.  Thüringen:  Die  landeskundl.  Literatur  f. 
Nordthüringen,  den  Harz  u.  den  provinzialsäehs.  wie  anhaltischen  Anteil  an 
der  Nordd.  Tiefebene,  Halle  1884  (Mitt.  Ver.  f.  Erdkde.).  Westfalen :  W  e  d  d  i  g  e  n , 
Handbuch  der  h  ist  or. -geogr.  Literatur  Westfalens,  Bd.  I,  1891.  Württemberg: 
Württemberg.  Jahrbücher  f.  vaterländ.  Gesch.,  Geographie,  Statistik  und  Topo- 
graphie, 1826 — 1872,  hergb.  vom  Kgl.  Statist. -Topograph.  Bureau,  mit  Lit.-Ver- 
zeichnissen.  —  Jahrbücher  für  Statistik  u.  Landeskde.,  1863  ff.,  hergb.  vom  Kgl. 
Statist. -Topogr.,  Bureau.  —  übersieht  über  die  Lit.  der  Württemberg,  und  hohen- 
zollerschen  Landeskde. ,  hergb.  vom  Württemb.  Ver.  f.  Handelsgeogr.,  Stutt- 
gart 1888.  Österreich:  Neue  Literatur  über  Böhmen.  1891  ff.,  Literar. 
Beilage  zu  den  Mitt.  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen,  Bd.  30  ff. 
Hantschel,  Repertorium  der  landeskundl.  Literatur  für  das  Gebiet  des  nord- 
böhmischen  Exkursionsklubs,  in  Mitt,  desselben  Bd.  12.  242  ff.,  14,  251  ff.,  15, 
354  ff.  Commenda,  Materialien  zur  landeskundl.  Bibliographie  Oberöster- 
reichs, Linz  1891.  Haas,  Bibliographie  zur  Landeskde.  von  Niederösterreich, 
in  Blätter  d.  Ver.  f.  Ldkde.  v.  Niederösterr. ,  seit  1884.  Prinzinger,  Ver- 
zeichnis der  wichtigeren  Quellen  z.  Landeskde.  des  Herzogtums  Salzburg,  in 
Mitt.  d.  Ges.  f.  Salzburg.  Ldkde.  Bd.  24,  25  (1884— 1885).  Sc  hl  ossär,  Biblio- 
theca historico -geographica  stiriaca;  die  Literat,  der  Steiermark,  Graz  1886. 
Schweiz:  Bibliographie  der  schweizerischen  Landeskunde.  Unter  Mitwirkung 
der  hohen  Bundesbehörden  etc.  Hergb.  von  der  Zentralkommission  für 
schweizerische  Landeskunde;  im  Erscheinen  begriffen.  Niederlande:  Alge- 
meene  Aardrijkskundige  Bibliographie  van  Nederlande,  3  Bde. 

Ortslexika.  Für  historisch-geographische  Zwecke  liegt  nur  das  schon 
genannte  von  H.  Oesterley  (Iiistor. -geogr.  Wörterbuch  des  deutschen  Mittel- 
alters, 1883)  vor.  Zahlreich  sind  dagegen  die  Ortsnamenverzeichnis.se  für  die 
Gegenwart.  K.  Ritter,  Geogr. -statistisches  Lexikon  (in  vielen  Aullagen). 
H.  Rudolph,  Vollständiges  Ortslexikon  von  Deutschland  sowie  der  unter 


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Einleitung. 


Österreichs  und  Preufsens  Botmäfsigkeit  stehenden  nichtdeutschen  Länder,  1870  ff. 
G.  Neumann,  Geogr.  Lexikon  des  Deutschen  Reiches,  1883.  0.  Brunkow, 
Die  Wohnplätze  des  Deutschen  Reiches,  8  Bde.,  1880—1885.  Auch  »Das  Reichs- 
postgebiet«, ein  topographisch-statistisches,  von  Postbehörden  bearbeitetes  Hand- 
tuch, ist  brauchbar.  —  Aufserdem  liegen  für  jeden  einzelnen  Staat  Mitteleuropas, 
wie  auch  für  jede  Provinz  ein  oder  mehrere  Ortsverzeichnisse  vor,  von  deren 
Herzählung  hier  Abstand  genommen  werden  mufs.  Im  allgemeinen  vgl.  hierzu 
M.  V  a  n  c  s  a ,  Historische  Topographie  mit  besonderer  Berücksichtigung  Nieder- 
österreichs, in  Deutsche  Geschichtsblätter  LH  (1901—1902),  98  ff.,  129  ff.,  wo 
auch  Deutschland  berücksichtigt  wird. 


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J 


t 


I.  Physische  Geographie. 


7.  Europa.  Bei  einem  Blick  auf  eine  physische  Karte  von  Europa 
drängt  sich  dem  Beschauer  die  merkwürdig  ungleiche  Gliederung  im 
Grundrifs  und  Aufrifs  des  ganzen  Kontinentes  wohl  zunächst  auf.  Eine 
Linie  vom  Nordkap  bis  zum  südöstlichen  Vorsprung  des  Karpathenwalles 
mit  schwacher  Ausbiegung  nach  Westen  teilt  ihn  in  zwei  annähernd 
gleiche  Hälften,  die  voller  Gegensätze  sind.  Der  horizontalen  Gestal- 
tung nach  zeigt  die  östliche  Hälfte  eine  auffallende  Geschlossenheit  mit 
geringen  Beziehungen  zum  Meere,  während  die  westliche,  gerade  durch 
Buchten  zerrissen  und  dadurch  in  mehrere,  eigenartig  individualisierte 
Landabschnitte  zerteilt,  den  Einflüssen  des  Meeres  gegenüber  weit  auf 
geschlossener  ist.  Die  bei  Europa  stets  hervorgehobene  starke  Küsten- 
gliederung Kommt  zum  weitaus  gröfsten  Teil  nur  in  seiner  westlichen 
Hälfte  zum  Ausdruck.  Dieselben  Gegensätze  treten  im  vertikalen 
Aufbau  hervor.  Ist  Osteuropa  ein  Flachland,  in  dessen  Innern  die 
höchsten  Erhebungen  kaum  ein  Drittel  der  Höhe  des  Brockens  erreichen, 
so  zeigt  Westeuropa  bei  seinen  verhältnismäßig  beschränkten  Raum- 
Verhältnissen  eine  grofse  Mannigfaltigkeit  in  den  Erhebungsformen.  Das 
über  die  Schneegrenze  sich  erhebende,  gletschertragende  Hochgebirge, 
die  Hochebene,  das  Mittelgebirge  und  Hügelland,  die  Tiefebene  und 
Schliefelich  auch  die  Landsenke  bis  unter  den  Meeresspiegel  sind  hier 
in  allen  Abstufungen  mehrfach  miteinander  abwechselnd  auf  engstem 
Räume  vertreten.  Mit  diesor  Oberflächengestaltung  steht  auch  die 
geologische  Entwicklung  in  engsten  Beziehungen.  Während  in 
Osteuropa  die  sedimentären  Gesteine  fast  horizontal  liegen,  keine 
nennenswerte  Schichtenstörung  zeigen,  infolgedessen  auch  kein  jung- 
eruptives  Gestein  in  der  weiten  Fläche  zwischen  den  Karpathen  und 
Ural  zum  Durchbruch  gekommen  ist,  hat  Westeuropa  eine  äufserst 
wechselreiche,  stürmische  Vergangenheit  gehabt  ;  da  sind  die  Schicht- 
gesteine in  Falten  zusammengeprefst,  zerdrückt,  überkippt,  überschoben 
und  zu  alpinen  Höhen  aufgetürmt  worden;  Brüche  und  Verwerfungen 
haben  Horste,  Grabenversenkungen  und  Mulden  geschaffen,  das  vul- 
kanische Material  ist  an  den  Bruchspalten  emporgestiegen  und  hat  Kegel- 


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20 


L  Physische  (Jco^raplüc. 


berge  und  ganze  Gebirge  erzeugt.  Wasser,  Schnee  und  Eis  haben  dann 
an  der  Zerstörung  und  Abtragung  der  Gebirge  gearbeitet,  zeitweise 
sanken  sie  auch  wieder  unter  den  Meeresspiegel  und  wurden  so  von  der 
Brandungswelle  zu  einem  Gebirgsstuinpf  abradiert,  um  nach  abermaligem 
Emportauchen  aus  dem  Meere  von  den  Atmosphärilien  von  neuem  an- 
geschnitten und  modelliert  zu  werden.  Dem  gesamten  Aufbau  des  Kon- 
tinentes entsprechen  auch  die  hydrographischen  Verhältnisse.  Ost- 
europa mit  seinen  grofsen  Flachlandräumen  hat  weit  mehr  die  Ent 
Wickelung  grol'ser  Ströme  ermöglicht  als  das  keineswegs  wasserarme 
Westeuropa,  in  welchem  aber  als  Folge  der  starken  Zergliederung  nicht 
immer  der  genügende  Raum  zur  Herausbildung  grofser  Flufssysteme 
vorhanden  war.  Von  den  elf  grofsen  Strömen  Europas  von  mehr  als 
1000  km  Länge  entfallen  bezeichnenderweise  nur  vier  auf  die  westliche 
Hälfte  (Donau,  Rhein,  Elbe,  Weichsel).  Nicht  minder  spiegelt  sich  in 
den  klimatischen  Verhältnissen  der  Gegensatz  wieder.  Überwiegt  in 
Osteuropa  der  kontinentale  Typus  mit  kalten  Wintern  und  heifsen 
Sommern,  mit  mäfsigen  Niederschlägen,  die  in  der  Richtung  nach  SO. 
immer  geringer  werden,  so  herrscht  in  Westeuropa  mehr  der  ozeanische 
Charakter  des  Klimas  vor,  der  in  den  atlantischen  Küstenstaaten  am 
extremsten  zum  Ausdruck  kommt. 

Dafs  diese  Gegensätze  mittelbar  auch  im  Völkerleben  stets 
hervortraten,  zeigt  die  Geschichte.  Der  flache  Osten  hat  in  dieser  Be- 
ziehung stets  nivellierend  gewirkt;  grofse  geschlossene  Reiche  haben  sich 
dort  entwickeln  und  lange  Zeit  bestehen  können.  Hingegen  hat  der 
Weston  in  seiner  gliedorreichen  Gestaltung  einen  entsprechenden  Ein- 
flufs  auf  die  Staatenbildung  gehabt  und  teilend  und  isolierend  gewirkt. 
Jede  Halbinsel  und  Insel  mutete  die  Entwickelung  von  gesonderten 
Staaten  begünstigen,  und  in  Gebirgsgegenden  vollends  macht  sich  diese 
Absonderung  im  kleinen  Stile  bemerkbar;  jedes  Gebirgstal  hat  hier 
besondere  Eigenheiten  im  Dialekt,  in  Sitte,  Brauch,  Lebensanschauung 
und  Tracht  der  Bewohnerschaft  herausgebildet.  Wenn  heutigen  Tages 
der  ganze  Osten  Europas  von  Finnland  bis  zum  Kaspischen  Meere 
unter  einem  Scepter  vereinigt  ist,  so  teilen  sich  nicht  weniger  als  zwanzig 
selbständige  Staaten  in  dio  eine  Westhälfte. 

S.  Mitteleuropa  selbst  nun  nimmt  vermöge  seiner  geographischen 
Lage  eine  vermittelnde  Stellung  zwischen  dem  Westen  und  dem  Osten 
des  Kontinentes  ein.  Es  gehört  augenscheinlich  noch  zur  westlichen 
Hälfte  und  zeigt  auch  vorwiegend  die  oben  angedeuteten  Charakteristika; 
doch  reicht  vom  osteuropäischen  Flachland  ein  breiter  Ausläufer  ohne 
Unterbrechung,  nach  Westen  allmählich  schmaler  werdend,  bis  zum 
englischen  Kanal  hinüber.  Südlich  schliefst  sich  an  diesen  Tieflands- 
streifen die  breite  Zone  der  deutschen  Mittelgebirge  an,  ein  reich  ge- 
gliedertes Bergland  ohne  jede  Symmetrie  in  der  Gcsamtentwickelung 
und  Entwässerung.  Als  dritte,  oberste  Höhenstufe  folgen  weiterhin  dio 
in  zahlreiche  Parallelketten  und  Stöcke  zerteilten  Alpen,  die  trotzdem 
die  engere  Geschlossenheit  hervortreten  lassen   und   ein  einheitliches 


8.  Mitteleuropa. 


27 


System  bilden.  Vom  gletschertragenden  Hochgebirge  bis  zur  Flach- 
küste der  Nord-  und  Ostsee,  vom  Fels  zum  Meer  dacht  sich  somit  der 
Boden  Mitteleuropas  in  südnördlicher  Richtung  ab,  und  die  drei  ge- 
nannten geographischen  Provinzen  sind  trotz  ihres  grundverschiedenen 
Charakters  hierdurch  in  engere  Beziehungen  zueinander  gebracht.  — 
Auch  das  Klima  von  Mitteleuropa  ist  in  dem  weiten  Gebiet  ziemlich 
gleichartig  veranlagt.  Es  bildet  den  Übergang  von  dem  Seeklima  der 
atlantischen  Küstenländer  zum  osteuropäischen  Kontinentalklima,  und 
es  unterscheidet  sich  von  diesen  immerhin  so  bedeutend,  dafs  es  die 
Abgrenzung  einer  besonderen  Klimaprovinz  gerechtfertigt  hat.  Aller- 
dings ist  diese  Grenze  nicht  an  allen  Stellen  scharf  zu  ziehen,  und  was 
vom  Klima  im  besondern,  gilt  vom  Begriff:  Mitteleuropa  im  allgemeinen. 
—  Im  Norden  bildet  die  Küste  und  im  Süden  die  Alpen  eine  leidliche 
Grenze.  Doch  schon  bei  den  Alpen  wird  man  im  Zweifel  sein,  wenn 
es  sich  imi  Angabe  einer  einzelnen  Grenzlinie  handelt;  weniger  zwar 
bei  den  Mittelalpen,  wo  die  südlichste  Hauptkette  zugleich  die  Wasser- 
scheide bildet,  desto  mehr  bei  den  Ostalpen,  welche  fächerförmig  aus- 
einanderstreben und  eine  charakteristische  wasserscheidende  Linie  ganz 
vermissen  lassen.  —  Gegen  Westen  und  Osten  mangelt  eine  natürliche 
Grenze  vollends.  Hier  wird  dem  subjektiven  Ermessen  immer  ein  weiter 
Spielraum  gelassen  sein.  Selbst  bei  Behandlung  rein  physischer  Ver- 
hältnisse hat  oft  genug  die  gegenwärtige  politische  Grenze  als  Notbehelf 
herhalten  müssen.  Politische  und  ebenso  ethnische  Grenzen  haben  sich 
aber  im  Laufe  der  Geschichte  beträchtlich  und  .wiederholentlich  ver- 
schoben, und  eine  historisch -geographische  Untersuchung,  die  unter 
anderen  gerade  die  Feststellung  solcher  Veränderungen  im  einzelnen 
zum  Zweck  hat,  wird  von  einer  bestimmten  Grenzlinie  völlig  absehen 
können.  Im  Mittelpunkt  unserer  Betrachtung  steht,  kurz  gesagt:  das 
germanische  Mitteleuropa  mit  einigen  fremd völkerlichen  Enklaven. 
Ziehen  wir  die  heutigen  Staatengebilde  lediglich  zur  Orientierung  heran, 
so  gehören  hierzu  das  Deutsche  Reich ,  das  österreichische  Kronland 
(mit  Ausschlufs  von  Galizien  und  Dalmatien),  die  deutsche  Schweiz,  die 
Niederlande,  Belgien  und  Dänemark. 

Eine  monographische  Darstellung  der  physischen  Geographie  von  Mittel- 
europa ist  nicht  vorhanden.  Doch  liegt  uns  als  Ersatz  hierfür  eine  Reihe  treff- 
licher, z.  T.  sehr  umfangreicher  Werke  vor,  die  ganz  Europa  zum  Gegenstand 
haben.  Zunächst  seien  K.  Ritters  Vorlesungen  über  Europa  (hergb.  von 
Daniel,  Berlin  1803)  genannt,  ein  ideenreiches,  noch  immer  sehr  beachtenswertes 
Buch.  Ferner  E.  Reclus,  Nouvclle  geographie  universelle,  Paris  1875—1880, 
(Bd.  3  enthält:  Europe  centrale).  Kirch  hoff,  Länderkunde  von  Europa, 
Prag-Leipzig  1880—181)3,  für  welche  A.  Penck  das  Deutsche  Reich  bearbeitet 
hat,  A.  Supan  Österreich-Ungarn,  Kg  Ii  die  Schweiz.  Penck  die  Nieder- 
lande und  Belgien.  Eine  zusammenfassende  Darstellung  lieferte  W.  Sievers, 
Europa,  eine  allgemeine  Landeskunde  (der  physische  Teil  von  A.  Philipp, 
son,  der  anthropogeographisehe  von  L.  Neu  mann},  Lpz.  1894.  Von  geogr- 
Lehr-  und  Handbüchern  ist  besonders  Guthe- Wagner,  Lehrb.  der  Geo- 
graphie, Bd.  II,  5.  AuH.  1883.  hervorzuheben.  Im  übrigen  sind  wir  auf  die 
Einzeldarstellungen  der  mitteleuropäischen  Länder  angewiesen;  so  für  Deutsch- 
land: Kutzen ,  Das  deutsche  Land,  3.  AuH.,  Breslau  1880.  v  o n  C  o  1 1 a ,  Deutsch- 
lands Boden,  2.  Aufl.,  Lpz.  1858.  von  Dechen,  Die  nutzbaren  Mineralien  und 


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28 


I.  Physische  Geographie 


Gebirgsarten  im  Deutschen  Reich,  Berlin  1873.  Lcpsius,  Geologie  von 
Deutschland ,  Stuttg.  1889.  D  e  1  i  tsch ,  Deutschianas  Oberflächenformen, 
Breslau  1880.  J.  Müller,  Der  Oberflächenbau  Deutschlands,  München  1900. 
Fr.  Ratzel,  Deutschland,  Einführung  in  die  Heimatkunde,  Lpz.  1898.  Auch 
die  »Anleitung  z.  deutschen  Landes-  und  Volksforsehungt,  hergb.  von  Kirch- 
hoff, Stuttg.  1889,  sei  hier  genannt  Für  die  Schweiz:  Studer,  Geologie  der 
Schweiz,  Bern,  1851  ff.  Heer,  Urwelt  d.  Schweiz,  Zürich  1879.  —  Für  Öster- 
reich: von  Hauer,  Die  Geologie  und  ihre  Anwendung  auf  die  österr.-ungarische 
Monarchie,  1877.  Götz,  Das  Donaugebiet,  1882.  —  Für  die  Niederlande: 
Blink,  Nederland  en  zijne  bewoners,  Amsterdam  1892,  3  Tie.  Wunder- 
lich, Aardrijkskunde  van  Nederland,  Zutfen  1885.  Staring,  De  Bodem  van 
Nederland,  2  Bde.,  Haarlem  1856.  —  Für  Belgien:  Patria  belgica;  Encyclopedie 
nationale,  hergb.  v.  Bemmel,  3  Bde.,  Brüssel  1875.  Mourlon,  Geologie  de  la 
Belgique,  Brüssel  1880  f.  —  Für  Dänemark:  Baggesen,  Der  dänische  Stint, 
2  Bde.,  1845  f.  Erslev,  Geogr.  Beschreibung  des  dänischen  Staates,  Schles- 
wig 1853. 

9.  Orographie  und  Hydrographie.  Wie  zuvor  angedeutet,  setzt 
sieb  Mitteleuropa  aus  drei  ihrer  Höhenlage  nach  sehr  verschiedenen 
geographischen  Provinzen  zusammen,  den  Alpen,  den  deutschen 
Mittelgebirgen  und  dem  germanischen  Tieflande,  die  im  all- 
gemeinen von  S.  nach  N.  sich  abstufen.  Diese  stufenweise  Erniedrigung 
ist  aber  keine  gleichmäfsige,  wie  schon  die  Entwässerung  im  grofsen 
Ganzen  erkennen  läfst.  Die  Alpen  mit  ihren  beträchtlichen  Nieder- 
schlagsmengen sind  das  Ursprungsgebiet  zahlreicher  gröfserer  und 
kleinerer  Flüsse,  von  denen  aber  nur  einer,  der  Rhein,  alle  Stufen  durch 
fliefst  und  als  einziger  Alpenflufs  das  nördliche  Meer  erreicht.  Alle 
übrigen  nördlichen  Abflüsse  werden  nach  kurzer  Laufentwickelung  schon 
von  der  Donau  aufgefangen,  die  in  westöstlicher  Richtung  und  gemes- 
sener Entfernung  vom  Alpenrande  entlang  fliefst,  um  schiiefslich  ihr 
ganzes  Stromgebiet  nach  einem  südeuropäischen  Meere  zu  entwässern. 
Die  Alpen  sind  somit  als  Quellgebiet  für  das  ganze  übrige  Mitteleuropa 
bedeutungslos ;  vielmehr  erzeugen  die  deutschen  Mittelgebirge  selbst  eine 
Anzahl  z.  T.  recht  stattlicher  Flüsse,  die,  der  allgemeinen  Abdachung 
folgend,  ausnahmelos  den  beiden  nördlichen  Randmeeren  zuströmen. 

Wie  das  hydrographische  Netz  keine  Regelmäfsigkeit  zeigt,  so  ist 
auch  das  Relief  des  Bodens  ein  buntes,  den  orographischen  Formen 
nach  äufserst  mannigfaltiges  zu  nennen.  Die  tektonische  Entwickelung 
und  geognostische  Zusammensetzung  geben  uns  hierüber  hinreichend 
Aufschlufs.  Das  Hochgebirge  der  Alpen  bildet  den  südlichen  Abschlufs 
Mitteleuropas.  Ihnen  ist  im  N.  ein  flaches  Vorland  angegliedert,  welches 
wegen  seiner  absoluten  Höhe  als  Hochebene  bezeichnet  wird  und  sich 
aus  der  Schweizerischen  und  Oberdeutschen  Hochebene  zusammensetzt. 
Nördlich  der  Donaulinie  wird  das  Bodenrelief  schon  mannigfaltiger;  es 
bildet  zwei  grofse  Beckenlandschaften,  das  SW. -Deutsche  Becken  und 
das  Böhmische  Becken.  In  dem  erstgenannten  ist  die  Oberrheinische 
Tiefebene  «1er  am  tiefsten  gelegene  Abschnitt.  Sie  wird  in  ihrem  süd- 
lichen Teil  von  zwei  wallartigen ,  ziemlich  gleichmäl'sig  gebauten  Ge- 
birgszügen, den  Vogesen  und  dem  Schwarzwald,  eng  eingeschlossen. 
Weiter  nördlich  aber  ladet  die  Beckenlandschaft,  wie  schon  das  Flufs- 


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9.  Orographie  und  Hydrographie.  29 

System  zeigt,  nach  beiden  Seiten  aus.  Im  W.  bildet  die  Haardt  mit 
dem  Pfälzer  Bergland  bis  zur  Nahe  hin  den  Abschlufs  der  Oberrheini- 
schen Ebene  und  hinter  jener  schliefst  sich  das  Lothringische  Stufenland 
an ;  im  O.  ist  es  eine  terrassenförmig  aufsteigende  Landschaft,  das 
Schwäbisch- Fränkische  Stufenland,  welches  durch  Neckar,  Main  und  ihre 
Nebenflüsse  zum  Rhein  entwässert  wird. 

Eine  gröfsere  Symmetrie  in  der  Gesamtanlage  zeigt  das  Böhmische 
Bocken,  welches  in  Gestalt  eines  Rhombus  auf  drei  Seiten  von  grofsen 
Gebirgswällen,  Böhmerwald  mit  Fichtelgebirge,  Erzgebirge  und  Sudeten, 
bestimmt  abgegrenzt  ist,  während  den  südöstlichen  Abschlufs  der  Böh- 
misch-Mährische Höhenrücken  bildet.  Die  Moldau-Elbelinie  ist  die 
mediane  Entwässerungsader,  welcher  die  Flüsse  von  den  Randhöhen 
zustreben.  Jenseits  des  Mährischen  Höhenrückens  folgt  ein  drittes  etwas 
kleineres  Becken,  das  der  March,  welches  mit  seinem  Flufs  dem  Donau- 
system angehört.  —  Während  die  nördlichen  böhmischen  Randgebirge 
nach  aufsen  zu  einem  niedrigen  Berg-  und  Hügellande  sich  schnell 
abflachen,  ist  dem  SW. -Deutschen  Becken  ein  reich  gegliedertes  Mittel- 
gebirge nördlich  vorgelagert,  dessen  einzelne  Abschnitte  einen  engeren 
Zusammenhang  untereinander  vermissen  lassen  und  eine  sehr  verschieden- 
artige orographische  Gestaltung  zeigen.  Ihm  gehören  die  Ardennen 
und  das  Rheinische  Schiefergebirge  an,  ferner  das  Hessische  und  Weser- 
bergland, der  Thüringer  Wald,  der  Harz  und  zwischen  beiden  die  Thü- 
ringer Mulde.  Im  westlichen  Abschnitt  durchfurchen  Maas  und  Rhein 
im  Verein  mit  ihren  Nebenflüssen  die  Plateauflächen  in  oft  recht  steil- 
wandigen Tälern;  im  O.  sind  es  die  Weser  und  einzelne  Zuflüsse  zur 
Elbe,  die  sich  zwischen  den  Gebirgsgruppen  hindurch  den  Weg  bahnen. 

Das  nördliche  Drittel  Mitteleuropas  umfafst  das  Germanische  Tief- 
land, welches  bei  aller  Gleichförmigkeit  doch  in  seinen  einzelnen  Teil- 
gebieten charakteristische  Unterschiede  hervortreten  läfst.  Gegenüber 
der  fast  durchgehends  flachen  westlichen  Hälfte  der  Ebene,  die  im 
Küstenbereiche  sogar  bis  unter  Meeresspiegelhöhe  sich  senkt,  zeigt  die 
östliche  nicht  unbeträchtliche  Bodenundulationen ,  wie  die  südlichen 
Grenzrücken  von  der  Lüneburger  Heide,  über  den  Fläming  bis  zur 
oberschlesischen  Platte  streichend,  und  den  Baltischen  Höhenrücken  mit 
seinem  Seenreichtum.  Ein  schmaler  Ausläufer  dieses  Rückens,  der  sich 
schliefslich  zum  Flachlande  erniedrigt,  ist  die  Jütische  Halbinsel,  die 
die  beiden  Randmeere  Nordsee  und  Ostseo  voneinander  scheidet. 

Es  fehlt  heute  an  einer  zusammenfassenden  Bezeichnung  der  gesamten 
deutschen  Mittel  gel  >irgc.  Die  Alten  nannten  sie  den  Here  vnisehen  Wald. 
Silva  Hercynia,  Caesar  bell.  gall.  VI,  24,  25.  Mela  III,  3.  Pün.  XVI,  i\.  Saltus 
Hercynius,  Liv.  V,  34.  Hin  IV,  80,  v100.  X,  132.  Tacit.  Germ.  28,  30.  'Eoxvyiu 
r/.ij,  Suidas  s.  v.  yoTfiu.  '/ujxiVio»'  ogog,  Schul.  Apoll  IV.  4(">0.  '/fpxrr/oc  dgi  ftog, 
Strabu  IV,  207.  Orcynia,  Eratusthenes  bei  Caes.  VI,  24.  Die  Silva  Hercynia  ist 
nach  antiker  Auffassung  auf  keinen  einzelnen  Gebirgszug  zu  beziehen;  auch 
der  Harz,  den  man  wegen  der  Namensähnlichkeit  gern  als  identisch  mit  Her- 
cynia hinzustellen  suchte,  kann  höchstens  als  ein  Teil  derselben,  nicht  aber 
als  diese  aussehliefslich  gelten.  Dafs  der  Hercynische  Wald  ein  Kollektiv- 
begriff für  die  ganze  Mittclgebirgszone  ist,  deutet  Caesar  schon  an.  Nach 
seiner  Angabe  (VI,  25)  erstrecke  er  sich  vom  Gebiet  der  Helvetier,  Nemeter 


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30 


L  Physische  Geographie. 


und  Rauraker  bis  7.11  dein  dor  Datier  und  Anarter,  mit  anderen  Worten  vom 
Sehwarzwald  bis  zu  den  Karpathen.  Ein  Fufsgänger  durehwandere  ihn  in  der 
Breite  in  9  Tagen;  dagegen  rinde  man  keinen  Germanen,  der,  wenn  er  auch 
60  Tage  fortgelaufen  sei,  sagen  könne,  er  sei  an  das  Ende  gekommen  oder 
habe  etwas  davon  gehört.  Naeh  Tacitus  (Genn.  c.  28,  30)  und  Strabos  Dar- 
stellung würde  der  Anfang  der  Hercynia  erst  nördlich  der  Mainlinie  zu  suchen 
sein.  Hierüber  vgl.  Kirchhof!,  Thüringen  doch  Hermundurenland  p.  5.  Nach 
Vellejus  II,  108  ist  aber  das  Markomannenland  (Böhmen)  ganz  vom  Herey- 
nischen  Walde  umgürtet.  —  Der  Name  keltisch:  Erkunüt,  Hercynia.  genn.  Fer- 
fftinjo,  ahd.  Fergumui  geht  auf  eine  gemeinsame  Grundform  percunia  =  Höhe 
zurück.  Der  deutsche  Name  zeigt  die  Wirkung  der  Lautverschiebung,  der 
keltische  den  urkeltischen  Wegfall  von  idg.  p.  (Much). 

10.  Alpen.  Den  südlichen  Abschlufs  Mitteleuropas  bilden  die 
Alpen,  die  zugleich  auch  als  eine  bedeutsame  Grenze  in  physischer, 
klimatischer  und  ethnischer  Beziehung  von  jeher  betrachtet  worden  sind. 
Dennoch  bilden  sie  keine  absolute  Gronze;  schon  die  eigenartige  oro- 
graphische  Gliederung  in  eine  Anzahl  von  abgeschlossenen  Massiven 
und  parallelen  Ketten,  das  Fehlen  eines  zusammenhängenden  und  ganz 
entschieden  dominierenden  Hauptgebirgsrückens,  der  als  eigentliches 
Rückgrat  des  ganzen  Systems  angesehen  werden  könnte,  lassen  eine 
scharfe  Trennungslinie  nicht  hervortreten.  Allerdings  sind  die  Alpen 
eines  der  Hauptquellgebiete  Europas;  gleichwohl  inachen  sie  nur  auf 
eine  kurze  Strecke  hin  einen  Teil  der  Hauptwasserscheide  des  Kon- 
tinentes aus,  durch  wolche  dieser  in  eine  atlantische  und  mediterran- 
kaspische  Abdachung  zerlegt  wird.  Auch  fallen  die  Wasserscheiden  der 
alpinen  Stromgebiete  nicht  immer  mit  den  höchsten  Erhebungslinien 
zusammen,  sondern  sind  vielfach  einfache  Tal  Wasserscheiden,  bei  denen 
eine  mäfsig  hohe  Bodenwelle  die  Gebiete  trennt.  In  klimatischer  Hin- 
sicht spielen  sie  freilich  eine  bedeutsamere  Rolle  und  zwar  als  Wind- 
und  Wetterscheide,  aber  die  Bedeutung  als  solche  ist  dem  Charakter  der 
einzelnen  Gebirgsabschnitte  entsprechend  eine  sehr  verschiedene.  Ein 
Übergang  über  den  Gotthard  oder  Brenner  bringt  uns  aus  der  mittel- 
europäischen Kliinaprovinz  in  die  mediterrane  hinüber,  so  dafs  wir  den 
Gegensatz  zwischen  Temperatur  und  Wetter  der  beiden  Gebirgsseiten 
unmittelbar  verspüren  können.  In  den  Ostalpen  hingegen  ist  eine  so 
scharfe  Trennungslinie  nicht  vorhanden.  Die  zahlreichen,  an  Höhe 
wenig  verschiedenen  Parallelketten,  ferner  die  nach  O.  hin  geöffnete 
Lage  der  östlichen  Alpentäler,  wodurch  diese  mehr  den  Einflüssen  des 
kontinentalen  Osteuropas  ausgesetzt  sind,  schaffen  hier  ganz  andere  Ver- 
hältnisse; erst  am  Fufse  des  Triester  Karstes,  also  hart  an  der  Küste, 
in  Triest  treffen  wir  den  Typus  des  eigentlichen  Mittelmeerklimas  an. 
Als  ethnische  Grenze  können  die  Alpen  auch  nur  bedingtermafsen  an- 
gesehen werden,  wenn  man  sich  auch  gewöhnt  hat,  sie  im  allgemeinen 
als  Scheide  zwischen  deutscher  und  welscher  Zunge,  zwischen  germani- 
schen und  romanischen  Völkern  und  Staaten  zu  betrachten.  Doch  trifft 
dies  nur  für  die  Mittelalpen  zu,  und  überdies  hat  die  Grenze  zwischen 
Germanen,  Romanen  und  Slaven  im  Laufe  der  Geschichte  wiederholt 
geschwankt.  Wie  also  die  Alpen  in  keiner  Beziehung  eine  scharfe  Tren- 
nungslinie bilden,  so  sind  sie  noch  weniger  als  ein  Übergangs-  und  Aus- 


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10  Alpen.  31 

gleichsgebiet  zwischen  den  charakteristischen  Erscheinungen  der  Länder 
nördlich  und  südlich  von  ihnen  anzusehen,  —  im  Gegenteil,  sie  weisen 
viel  eigenartige  Züge  auf,  besonders  auch  in  biologischer  Beziehung,  sie 
haben  in  den  höheren  Gebieten  eine  eigene  Flora  und  Fauna  entwickelt, 
und  auch  die  Bewohnerschaft  unterscheidet  sich  in  ihren  Lebens-  und 
Erwerbsverhältnissen,  in  ihrer  Siedelungs-  und  Bauweise  von  jener  der 
Niederung.  Mit  einem  Wort,  die  Alpen  bilden  im  grofson  Ganzen  eine 
selbständige  geograplrische  Provinz,  die  in  ihrer  nördlichen  Abdachung 
mehr  Beziehungen  zu  Mitteleuropa,  in  ihrer  südlichen  mehr  zu  Italien 
erkennen  läfst. 

Als  ein  breiter  und  bei  aller'Gliederung  doch  eng  geschlossener 
Gebirgswall  ziehen  sie  vom  Ligurischen  Meere  an  in  anfangs  mehr  nörd- 
licher Richtung  375  km  nordwärts,  um  dann  etwa  in  der  Gegend  des 
Montblanc-Massives  nach  O.  umzulenken  und  750  km  weit  bis  zu  den 
Pannonischen  Ebenen  zu  streichen.  Sie  nehmen  in  dieser  Richtung  an 
mittlerer  Kamm-  und  Gipfelhöhe  mehr  und  mehr  ab,  dagegen  verbreitert 
sich  die  Gebirgszone  zusehends,  ihre  zahlreichen  Parallelketten  laufen 
im  O.  fächerförmig  auseinander.  Obwohl  sie  sich  auf  einer  Karte  ziem- 
lich scharf  gegen  ihre  Umgebung  abheben,  so  treten  sie  doch  an  einigen 
wenigen  Stellen  an  benachbarte  Erhebungssysteme  so  eng  heran  und 
gehen  in  diese  auch  teilweise  über,  dafs  eine  scharfe  Abgrenzung  schwer 
möglich  ist.  Dies  gilt  besonders  im  S.  gegen  den  Apennin,  im  NO. 
gegen  die  Karpathen  und  im  SO.  gegen  den  Karst  und  die  Züge  der 
Balkanhalbinsel  hin.  Weit  einfacher  läfst  sich  der  Nord-  und  Südrand 
der  Alpen  bestimmen,  da  hier  der  Gegensatz  zwischen  Gebirgsland  und 
Flachland  scharf  hervortritt.  Im  N  schliefsen  die  Schweizerische  und 
Oberdeutsche  Hochebene,  im  S.  die  Lombardisch-Yenetianische  Tiefebene 
die  alpine  Gebirgszone  ab. 

Der  Name  der  Alpen  wird  schon  von  Herodot  IV,  49  angedeutet,  der 
mit  Alpis  aber  einen  Donauzuflufs  bezeichnet.   Eingebürgert  als  Gebirgsname  hat 
er  sich  erst  seit  dem  Ende  des  III.  vorchristlichen  Jahrhunderts.  Etymologisch 
läfst  sich  der  Name  nur  aus  dem  Keltischen  erklären.    Die  Alten  wollten  ihn 
aus  dem  Lateinischen  ableiten  und  brachten  ihn  mit  albus  in  Zusammenhang 
wegen  der  weifs  schimmernden  Schnee-  und  Gletscherfelder ;  nomen  Alpinm,  sagt 
Festus  ep.  4,  a  candore  niv'mm  vocitobtm.    Doch  waren  auch  schon  die  alten 
Grammatiker  auf  die  allein  richtige  Etymologie  aus  dem  Keltischen  verfallen; 
so  Servius  ad  Vergib  Georg.  3,  474,  Aen.  10,  13:  (.iallorum  lingua  alti  montes 
Alpes  vocantur.   Noch  heute  bedeutet  im  Kymrischen  alp  =  hoch,  Berg.  Nissen 
hält  den  Namen  für  liguriseh.    Im  Altertum  kommt  sowohl  der  Plural  Alpes, 
als  der  Singular  Alpis  vor.    Beide  sind  derartig  nebeneinander  im  Gebrauch 
gewesen,  dafs  der  erstere  als  Gesamtname  für  das  ganze  Gebirge  oder  einzelne 
Teile  desselben,  der  letztere  dagegen  für  die  Pässe  verwendet  wird.    Erst  im 
Mittelalter  bildet  sieh  die  Bezeichnung  »die  Alp  -  im  Sinne  von  Bergmatte, 
Alm  aus.    Einzelne  Forscher,  wie  Studer  und  Saussure,  haben  diesen  Gebrauch 
für  den  ursprünglichen  erklärt;  doch  findet  er  sieh  bei  den  Alten  noch  nicht 
vor.    Anderseits  wird  der  Möglichkeit  Raum  gegeben,  dafs  einzelne  Alpenketten 
von  den  anwohnenden  Völkern  mit  besonderen  Namen  belegt  worden  waren. 
So  ist  auch  der  Name  Tauern  alten  Ursprungs  und  vermutlich  keltischer  Ab 
stammung.   Vgl.  Cluver,  V-indelieia  et  Noricum  p.  5.    Auch  der  Volksname  der 
Taurisker  steht  wohl  mit  ihm  in  Zusammenhang.    Cber  die  Kenntnis  des  Ge- 
birges bei  den  Alten  s.  Nissen.  Italische  Landeskunde,  Berlin  1883,  p.  136  ff. 


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32  I-  Physische  Geographie. 

Partsch,  Artik.  Alpes  in  Pauly-Wissowas  Rcal-Encyklopädie  d.  klass.  Altert.  I, 
1599  ff. 

Die  Gesamtlänge  der  Alpen  beläuft  sieh  auf  etwa  1100  km,  ihre  Breite 
sehwankt  zwisehen  150  und  300  km.  Der  Fläehenraum  wird  sehr  verschieden 
abgeschätzt,  je  nach  der  Ausdehnung  und  Umgrenzung  des  Alpengebirges. 
Unter  Zugrundelegung  der  Klödensehen  Zahl  würde  er  sieh  mit  Aussehlufs  des 
Karstes  auf  etwa  175818  cjkm  belaufen;  Lcipoldt  berechnete  ihn  zu  191 950  qkm. 
Den  vertikalen  Dimensionen  nach  haben  die  Alpen  eine  mittlere  Massen- 
erhebung von  ea.  1400  m ;  in  den  Mittelalpen  beträgt  die  Kammhöhe  der  Haupt- 
rücken nicht  unter  2600  m,  ihre  Gipfelpunkte  schwanken  zwischen  4810  m 
( Montblanc)  und  2600  m;  in  den  Ostalpen  geht  die  Kammhöhe  bis  zu  2000  m 
hinab  und  die  Kulminationspunkte  von  4000  bis  zu  1600  m.  Die  Basis,  auf 
welcher  sieh  diese  gewaltige  Gebirgsmasse  erhebt,  ist  ihrer  Höhe  nach  sehr 
verschiedenartig,  da  die  Alpen  nach  N.  zu  einer  Hochebene,  nach  S.  zu  einer 
Tieflandsniederung  abfallen.  Hieraus  erklärt  sich  auch  der  verschiedene  Ein- 
druck, welchen  die  Alpen  von  beiden  Seiten  hervorrufen,  denn  der  Nordfuls 
des  Gebirges  liegt  in  ca.  500—600  m,  der  Südfufs  im  westlichen  Teile  allerdings 
noch  300— -500  m,  im  östlichen  aber  vom  I.ago  Maggiore  an  zwischen  100—200  m 
Höhe.  —  Auf  Grund  der  Höhenverhältnisse  und  gewisser  charakteristischer  Er- 
srheinungen,  wie  sie  besonders  in  der  Pflanzenwelt  hervortreten,  teilt  man  die 
Alpen  ein  in  3  Zonen :  1.  die  Bergregion  »1er  Voralpen,  die  man  bis  zur  durch- 
schnittlichen Grenze  des  Baumwuchses  rechnet  ;  2.  die  eigentliche  Alpenregion 
mit  ihren  Bergmatten  und  3.  die  Schneeregion  der  Hochalpen,  wo  Schnee  und 
Gletscher  vorherrschen,  aber  das  tierische  und  pflanzliche  Leben  noch  keines- 
wegs ganz  erstorben  ist. 

Schaubach,  Die  deutschen  Alpen,  Jena  1865—1871,  5  Bde.,  2.  Aufl. 
Frey,  Die  Alpen  im  Lichte  verschiedener  Zeitalter,  Berlin  1877;  Vortrag  in 
Virehow-Holtzendorffs  Sammlung  II.  274.  Ferner  Umlauft,  Die  Alpen,  Hand- 
buch, Wien  1887.  Sieger.  Die  Alpen,  Lpz.  1900.  Auch  Wagner,  Lehr- 
buch d.  Geogr.  II,  461—514.  Ratzel.  Dir  Alpen  inmitten  der  gesehiehtl. 
Bewegungen,  Z.  «1.  Dt,  u.  Osterr.  Alp.-Ver.  27  (1896),  62—88.  Über  die  Be- 
grenzung: Emmerich  in  dem  genannten  Werk  von  Schaubach  I,  46  ff. 
K.  Neumann.  Die  Grenzen  der  Alpen,  in  Z.  d.  Dt.  u.  Österr.  Alp.-Ver.  XIII 
(1882),  189 -  229.  Umlauft,  1.  c.  21—34.  Kroll i  c  k ,  Grenzen  und  Gliederung 
der  Alpen,  Progr.  Berlin,  1893.  —  Über  die  Kartographie  der  Alpen  vgl.  die 
Ausführungen  in  der  Z.  d.  Alpenvereins  1884,  56  ff.  1892,  393  ff.  1894,  75  ff. 
1895,  327  ff.  Penek  in  der  Geogr.  Ztschr.  1899,  58  ff.  631.  1900,  325,  366  ff. 
Einen  historischen  Abrifs  der  Eutwickelung  der  alpinen  Kartographie  von  der 
ältesten  Zeit  bis  zum  XVIII.  Jahrb.  gibt  Oberhummer  in  der  Z.  d.  Alp.-Ver. 
1901 :  Die  Entstehung  der  Alpenkarten,  mit  Faksimiles. 

11.  Gliederung  der  Alpen.  In  der  Mitte  des  langgestreckten  Alpen- 
walles zieht  eine  vorwiegend  aus  Urgesteinen  gebildete  Längszone  hin. 
Granit,  Gncifs  und  kristallinische  Schiefer  setzen  sie  zusammen;  man 
bezeichnet  sie  als  die  Zentralalpen.  Im  N.  und  S.  schliefsen  sich 
ihnen  zwei  in  der  Längsrichtung  entsprechend  angeordnete  Zonen  von 
sedimentären  Gesteinen  an,  die  vorwiegend  aus  Kalksteinen  gebildet, 
kurz  als  dio  nördlichen  und  südlichen  Kalkalpen  bezeichnet  werden. 
Diese  Anordnung  zeigt  aber  nicht  überall  symmetrische  Kegelmäfsigkeit. 
Vielmehr  treffen  wir  innerhalb  der  zentralen  Zone  auch  jüngere  Sedi- 
mentärgesteine  in  grofseo  Komplexen  an,  wie  überhaupt  die  geogn ostische 
Mannigfaltigkeit  der  Alpen  eine  ungemein  grofse  ist.  Das  seltsame 
Ineinandergreifen  der  Gesteine  verschiedenen  Alters,  die  eigenartige 
Lagerung  der  Schichtgesteine,  die  oftmals  in  umgekehrter  Altersfolge 


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11.  Gliederung  der  Alpen. 


33 


auftreten,  wobei  also  die  älteren  Gesteine  die  jüngeren  überlagern,  läfst 
sich  nur  durch  den  tektonischen  Aufbau  des  ganzen  Gebirges  erklären. 
Eine  so  gewaltige  Massenerhebung  wie  die  Alpen  weist  von  vornherein 
auf  eine  starke  Störung  innerhalb  der  Erdkruste  hin.    Die  ehemals  auf 
den)  Boden   des  Urmeeres   horizontal   abgesetzten   Schichten  wurden 
durch  die  infolge  allmählicher  Abkühlung  des  Erdkörpers  hervorgerufene 
Zusammenschrumpfung  (Kontraktion)  ihrer  Rinde  in  Form  von  Falten 
aneinander  geschoben,  ihre  anfängliche  Arealausbreitung  also  auf  einen 
kleineren  Raum  zusammengedrängt.    Der  weiter  wirkende  Druck  prefste 
<iie  Falten  immer  dichter  aneinander,  so  dafs  die  beiderseitigen  Flügel 
-lerselben  sich  senkrecht  stellten,  schliefslich  auch  infolge  des  ungleich- 
mäßigen Druckes  überkippten  und  sich  wieder  horizontal  legten.  Die 
Druikrichtung  war  bei  den  Alpen  eine  mehr  von  S.  nach  N.  gerichtete, 
infolgedessen  die  südliche  Seite  der  Alpen    die  steilere  ist.  Dieser 
gewaltige  Störungsprozefs  im  inneren  Erdgefüge  begünstigte  das  Hervor- 
treten vulkanischer  Massen,  und  besonders  in  der  südlichen  Alpenzone 
treffen  wir  weite  Verbreitungsgebiete  der  jungeruptiven  Gesteine  (Basalt, 
Trachyt)  an.    Wie  stark  der  Gebirgsdruck  war,  läfst  sich  daraus  ent- 
nehmen, dafs  die  südliche  Kalkzone  westlich  des  Lago  Maggiore  ganz 
fehlt,  weil  sie  bis  unter  das  Niveau  der  heutigen  Lombardischen  Tief- 
ebene heruntergeprefst  worden  ist.  Der  Gebirgsdruck  hatte  aber  zunächst 

rdie  rohen  Gesteinsfalten  hervorgebracht;  die  weitere  Umgestaltung 
ganzen  Massenanschwellung  in  ein  reich  gegliedertes  Bergland  lag 
vielmehr  dem  Wasser  und  teilweise  auch  dem  Gletschereis  ob.  Das  der 
Atmosphäre  entstammende  Wasser  flofs  von  dieser  Anschwellung  ab  und 
vertiefte  die  Rinnen  vermöge  der  Erosion  zu  mehr  oder  weniger  engen 
und  breiten  Tälern.  Ganze  Gebirgsketten  sind  durch  die  Erosion  zer- 
schnitten und  zerstückelt  worden,  tiefe  Durchbruchstäler  führen  durch 
sie  hindurch,  während  anderseits  auch  mehr  mit  dem  Faltenparallelismus 
übereinstimmende  Längstäler  (oberer  Rhone,  Vorderrhein,  Inn,  Salzach, 
Enns,  Drau  etc.)  eine  entsprechende  Längsgliederung  hervorgerufen 
haben.  Neben  der  erodierenden  Kraft  des  Wassers  hat  besonders  die 
Denudation  an  der  Modellierung  des  Gebirgswalles  mitgewirkt,  d.  h.  die 
zerstörende  Tätigkeit  der  Atmosphärilien ;  insonderheit  die  chemisch 
und  mechanisch  zersetzende  Fähigkeit  des  Wassers,  die  oft  beträchtlichen 
Temperaturgegensätze,  Spaltenfrost  und  dgl.  lassen  die  Oberfläche  der 
Filsen  massive  verwittern  und  in  Schutt-  und  Geröllmassen  auflösen. 
Das  spülende  Wasser  schafft  sie  zu  Tal,  wo  sie  durch  den  Flufs  weiter 
transportiert  werden.  Durch  diese  Abtragung  der  oberflächlichen  Gesteins- 
schichten irn  Verlauf  der  letzten  geologischen  Zeit  haben  die  Alpen  eine 
beträchtliche  Einbufse  an  Volumen  und  damit  auch  an  absoluter  Hohe 
ihrer  Kämme  und  Gipfel  erfahren  müssen. 

Die  Einteilung  des  gesamten  Alpengebietes  in  einzelne  verschieden 
benannte  Gruppen  stützt  sich  auf  die  von  der  Natur  schon  vorgezeichnete 
Gliederung.  Einer  allgemeinen  Anerkennung  hat  sich  bisher  noch  kein 
Kinteilungsschema  recht  zu  erfreuen  gehabt.  Die  einen  gingen  hierbei 
mehr  von  orographischen,  die  anderen  mehr  von  geologischen  Gesichts- 

Kretichmer,  Historische  Geographie.  3 


34 


L  Physische  Geographie. 


punkten  aus  oder  suchten  beide  zu  verschmelzen.  Die  Schwierigkeit 
liegt  eben  darin,  dafs  die  orographische  Form  und  Gliederung  des 
Gebirges  in  Verbindung  mit  den  auf  den  Karten  hervortretenden  breiten 
und  tiefsten  Taleinschnitten  sich  mit  den  geologischen  Verhältnissen 
nicht  vereinbaren  läfst.  Der  ganze  östliche  Flügel  der  Alpen  vom  Mont- 
blanc-Massiv an,  —  mit  dem  wir  uns  hier,  soweit  er  Mitteleuropa  betrifft, 
allein  zu  beschäftigen  haben,  —  wird  durch  zwei  freilich  nicht  immer 
symmetrisch  entwickelte  Tallinien  in  drei  Parallelzonen  geschieden.  Die 
nördliche  Linie,  die  also  die  Grenze  zwischen  den  Zentralalpen 
und  den  nördl.  Alpen  ist,  beginnt  beim  Genfer  See,  zieht  dann 
das  Rhonetal  aufwärts  über  die  Furka  in  das  kurze  Urserental  und 
weiter  über  den  Oberalppafs  in  das  Tal  des  Vorderrheins,  den  Rhein 
abwärts  bis  Feldkirch,  von  hier  östlich  über  den  Arlberg  und  das 
Stanzertal  nach  Landeck,  den  Inn  abwärts  bis  zur  Mündung  des  Ziller, 
diesen  aufwärts  bis  Zell  am  Ziller,  östlich  über  den  Gerlossattel  in  das 
Tal  der  oberen  Salzach  bis  St.  Johann  im  Pongau,  über  den  Sattel  von 
Wagrein  hinnüber  zur  Enns  bis  Reifling,  von  hier  die  steirische  Salza 
aufwärts  und  hinüber  zur  Schwarzau  und  diese  abwärts  bis  Wiener 
Neustadt.  Die  südliche  Linie ,  welche  die  Grenze  zwischen  den 
Zentralalpen  und  den  südl.  Alpen  bildet,  beginnt  erst  am 
Lago  Maggioro  aus  dem  oben  angedeuteten  Grunde,  läuft  über  den 
Luganer  zum  Corner  See,  das  Addatal  aufwärts  bis  zum  Stilfser  Joch, 
von  hier  in  das  Etschtal  bis  Bozen,  den  Eisack  aufwärts  bis  Brixen  und 
weiterhin  östlich  durch  das  Tal  der  Rienz  und  Drau  (Pustertal)  bis 
Marburg  abwärts.  Diese  beiden  Teilungslinien  stimmen  freilich  mit  den 
geologischen  Grenzen  zwischen  den  Zentral-  und  Kalkalpen  nicht 
durchgehends  überein.  — 

Neben  der  Längsteilung  war  aber  auch  von  jeher  eine  Querteilung 
üblich  in  West-,  Mittel-  und  Ostalpen,  und  zwar  verläuft  die  Grenze 
zwischen  West-  und  Mittelalpen  vom  Genfer  See  den  Rhone 
aufwärts  bis  zum  Rhoneknie  bei  Martigny,  von  hier  über  den  Grofsen 
St.  Bernhard  in  das  Tal  der  Dora  Baltea.  Die  Grenze  zwischen  Mittel- 
und  Ostalpen  wird  durch  die  Tallinie  des  Inn  bis  aufwärts  nach  Innsbruck 
gegeben,  südlieh  durch  das  Wipptal  über  den  Bronner  in  das  Eisack- 
und  Etschtal  bis  Verona.  —  Neuordings  hat  besonders  in  geologischen 
Kreisen  eine  Zweiteilung  der  Alpen  in  West-  und  Ostalpen  Platz  gegriffen, 
bei  der  die  Trennungslinie  vom  Bodensee,  das  Rheintal  aufwärts  über  den 
Splügenpafs  zum  Comersoo  geht.  Trotz  der  angemessenen  geologischen 
Gründe,  welche  für  die  Zweiteilung  geltend  gemacht  werden,  hat  die 
bisher  übliche  Dreiteilung,  schon  wegon  der  grofsen  Länge  des  Alpen- 
zuges und  wegen  der  durch  die  anders  geartete  Richtung  hervorgerufenen 
Sonderstellung  der  französisch -italienischen  Alpenzone  noch  keinesfalls 
ihre  Berechtigung  eingebüfst. 

Auf  Grund  der  angegebenen  Dreiteilung  in  der  Längs-  und  Breiten- 
richtung zerfällt  das  Alpenland  in  acht  Territorien  (denn  die  innere 
Kalkzone  der  Westalpen  fohlt),  die  nun  im  weiteren  sich  in  einzelne 
Massive,  Ketten  und  Gebirgsstöcke  zergliedern.    Auch  hier  gehen  die 


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11.  Gliederung  der  Alpen. 


35 


Ansichten  über  die  Einteilung  weit  auseinander,  je  nachdem  mehr  die 
orographischen  oder  geologischen  Verhältnisse  berücksichtigt  werden; 
selbst  die  bisher  gebräuchliche  Nomenklatur  hat  sich  mancherlei  Ände- 
rungen gefallen  lassen  müssen. 

Über  die  Gebirgsbildung  der  Alpen  vgl.  Heer,  Die  Urwelt  der  Schweiz, 
Zürich  1879.  2.  Aufl.  Suess,  DieEntstehung  der  Alpen,  Wien  1875.  Ders., 
Antlitz  der  Erde,  1885—1888.  Fraas,  Seenerie  der  Alpen,  Lpz.  1892.  Noe, 
Geologische  Kurte  der  Alpen,  Wien  1890,  mit  Text.  —  Speziell  über  che  Ein- 
teilung vgl.  einen  Aufsatz:  Die  neueren  Versuche  einer  Einteilung  der  Alpen, 
im  Ausland,  1883,  p.  1030  ff.  Studer,  Orographie  der  Schweizer  Alpen,  in 
Peterm.  Mitt.  1869,  p.  241—247.  Hierauf  von  So n klar,  Die  Einteilung  der 
Schweizer  u.  Deutschen  Alpen,  Peterm.  Mitt.  1870.  p.  31  ff.  Matz,  D.  orograph. 
Einteilung  des  Alpensystems  nach  K.  von  Sonklar,  Wien  1875.  v.  Mo  isiso  vics, 
Über  die  Grenze  von  Ost-  und  Westalpen ,  Z.  d.  Dt.  u.  Österr.  Alpenver.  lVr 
(1873),  7—19.  Gegen  ihn  Sonklar,  ibid.  VI,  235  ff.,  der  an  der  Teilungs- 
linie Rhein,  Feldkirch,  Landeck,  Reschenscheideck ,  Etsch  festhält.  Böhm, 
Einteilung  der  Ostalpen,  Wien  1887.  Czech,  Heiträge  zu  e.  naturgemäfsen 
Einteilung  der  Alpen,  Progr.  Rcalgymn.  Düsseldorf,  1883.  Umlauft,  Hdb. 
p.  35  ff.  führt  die  einzelnen  Systme  mit  weiterer  Literatur  auf. 

Bei  der  nachfolgenden  Besc  hreibung  der  Alpen  und  ihrer  einzelnen  Glieder 
ist  von  einem  engeren  Anschlufs  an  ein  bestimmtes  Einteilungsschema  abgesehen 
worden,  weil  hier  nur  die  Mittel-  und  Westalpen  zur  Behandlung  kommen  und 
auch  diese  nur  in  ihrer  gröfseren  nördlichen  Hälfte. 

Das  Tal  des  oberen  Rhone  ist  zu  beiden  Seiten  von  gewaltigen  Massiven 
eingeschlossen.  Im  S.  sind  es  die  Penninischen  Alpen ,  Alpes  Poenime 
(weniger  gut  Penninae),  die  so  nach  dem  auf  der  Pafshöhe  des  St.  Bernhard 
verehrten  Juppiter  Poeninus  benannt  wurden ,  wie  Inschriftenfunde  bezeugen. 
Noch  ün  Mittelalter  hatte  sich  hier  die  Bezeichnung  mons  Jovis  erhalten.  Dafs 
sich  in  ihnen  mit  che  höchsten  Berge  der  Alpen  (Monte  Rosa  4638  m)  belinden, 
war  den  früheren  Jahrhunderten  unbekannt,  wie  denn  überhaupt  die  Nomen- 
klatur der  Gebirgsgruppen  im  Altertum  und  Mittelalter  noch  sehr  dürftig  und 
einzelne  Berge  nur  höchst  selten  sich  benannt  finden.  Eine  ältere  Beschreibung 
gibt  Jos.  Simler,  Vallesiae  et  Alpium  descriptio,  Lugd.  Bat.  1633.  Der 
Name  Monte  Rosa  ist  hinsichtlich  seine  r  Entstehung  noch  unklar.  Dafs  er 
seine  Bezeichnung  von  der  rosigen  Färbung  bei  Abendbeleuchtung  haben  könnte, 
ist  mir  nicht  so  gänzlich  unwahrscheinlich,  wogegen  die  Ableitung  vom  kelt. 
ros  =  Vorgebirge  von  vornherein  falsch  ist,  da  der  Name  nicht  in  so  frühe 
Zeit  zurückreicht.  Den  nördlichen  Absehlufs  des  Rhonetales  bilden  die  Berner 
Alpen,  die  vom  Rhoneknie  bis  zur  oberen  Aar  reichen,  mit  dem  Finsteraarhorn 
4275  m.  der  Jungfrau  4167  m  und  gewaltigen  Firnfehlern  und  Gletschern.  Das 
Rhonetal  selbst  heifst  im  Altertum  Vallis  Poenina  (CIL.  XII,  118),  im  Mittelalter 
Vallesia,  um  und  heute  noch  Wallis.  Über  die  Form  Vallesia  vgl.  jedoch 
Gatschet,  Ortsnamen-Forsch,  p.  189.  Der  als  AbHufs  des  Rhonegletschers 
entstehende  Flufs  durehfiiefst  das  122  km  lange  Tal  bis  Martignv  (Octodurus) 
und  wendet  sich  rechtwinklig  nach  NW.  zum  Genfer  See.  Der  Name  ist 
keltisch;  im  Latein.:  PJiodanus  fl.,  entstanden  aus  rho  —  Flufs  und  dan  = 
rasch.  So  auch  Zeufs,  Gram.  celt.  13,  Glück,  Die  b.  Caesar  vork.  ON.  p.  148. 
Später  noch  Rhodan  und  Rotten,  auch  Rhotten;  letzteres  1495  1497  bei 
C.  Fürst,  Quell.  Sc  hweizer  Gesch.  6,52.    Vgl.  Egli,  Nom.  geogr.  p.  776. 

Der  Genfer  See,  der  gröfste  Randsee  der  Alpen  (578  ejkm),  wird  von 
dem  Rhone  durchflössen,  der  am  oberen  Ende  sein  Delta  in  ihn  vorschiebt  und 
einen  grofsen  Teil  des  ehemaligen  Seebeckens  in  ein  Flachland  verwandelt  hat. 
Er  liegt  375  in  über  dem  Meere  und  erreicht  Tiefen  bis  zu  334  m.  Im  Altertum 
hiefs  er  Locus  Ijemannus  (Caesar,  Mela,  Plin.),  -/«/lai'ij  (Strabo  Ptolem.),  im 
Itin.  Anton.  Lansoniits  laats.  auf  der  Tab.  Peuting.  Losanaisis  L.  Im  Mittel- 
alter noch  ähnlich  Lac  Losannete  nach  dem  Bischofssitze  Lausanne ;  im  frühen 

3* 


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I.  Physisch©  Geographie. 


Mittelalter  auch  Rodani  nuire  bei  Prudent.  Trecens.  Ann.  SS.  I,  434.  Bei  Genf 
verläfst  der  Rhoncfiufs,  der  beim  Geogr.  Rav.  deshalb  auch  Rodanus  Lausonensüi 
(242,6)  genannt  wird,  den  See,  um  dann  weiterhin  durch  die  Jurazüge  durch- 
zubrechen. Der  bedeutendste  wissenschaftliche  Erforscher  des  Sees  ist  gegen- 
wärtig Forel,  Le  lac  Leman,  2.  Aufl.,  Genf  1886;  Le  Leman,  monographie 
limnologique,  1892,  3  Bde. 

Das  Berner  Oberland  wird  im  0.  und  N.  von  der  Aar  umzogen.  Der 
uns  nicht  bezeugte  antike  Name  kann  nur  Arura  gewesen  sein;  inschriftlich 
wird  von  nautae  Aruranci  (Aarschiffer)  und  einer  reg(io)  Arure(nsis)  gemeldet, 
cf.  Mommsen,  Inscr.  Helvet.  182,  216.  Im  Mittelalter  heilst  er  gelegentlich 
Ataris  (v.  Wilibrordi),  auch  Arola,  meist  Ära.  Der  im  Aargletscher  in  der  Nähe 
des  Grimscl passes  entspringende  Flufs  durchfliefst  das  sog.  Haslital  und  dann 
zwei  Seen,  den  Bri enzer  See  (30  qkm,  565  m  über  d.  M.  bis  262  m  tief) 
und  Thun  er  See  (48  qkm,  560  m  üb.  M.,  217  m  tief).  Beide  Seen  waren 
ehemals  ein  zusammenhängendes  Wasserbecken,  welches  erst  durch  das  alluviale 
>Bödeli*  bei  Interlaken  in  zwei  getrennt  wurde.  Noch  bis  ins  XV.  Jh.  führten 
beide  auch  den  gemeinsamen  Namen  Wendelsee  fStretlinger  Chron.  10;  18  f.), 
aus  einem  älteren  Locus  Vandalicus  angeblich  gebildet.  Dem  Berner  Alpenstock 
sind  gegen  N.  hin  die  Fr  ei  burger  Alpen  vorgelagert,  die  im  S.  durch  das 
Tal  der  Simme  teilweise  abgegrenzt  sind.  Das  Simmental  hiefs  eigentlich 
Sibental  (XIII.  Jh.)  nach  den  sieben  Quellbrunnen  am  Seehorn;  anders  Gatschet 
im  Arch.  h.  V.  Bern  9,  373,  der  es  mit  einer  sejiiana  vattis  in  Zusammenhang 
bringt.  —  Ein  anderer  Flufs,  die  Saane,  von  den  Diablcrets  herabkommend, 
durchbricht  den  westlichen  Teil  der  Freiburger  Alpen.  Der  Name  erscheint 
als  Sanona  schon  für  1089  bezeugt  (Canon,  grata  episc.  Lausann.,  SS.  24,  799). 
Der  Flufs  durchfliefst  ebenso  wie  die  Aar  im  weiteren  die  Schweizer  Hoch- 
ebene und  vereinigt  sich  dann  mit  ihr.  Von  der  Aar  bis  zum  Vierwaldstütter 
See  reichen  die  Emmentaler  Alpen,  durchflössen  von  der  Emme  {Emma 
1261  genannt),  die  in  die  Aar  mündet.  Wie  die  Freiburger  Alpen,  so  fallen 
auch  diese  mit  ihren  nördlichen  Randpartien  zu  einem  niedrigen  Berg-  und 
Hügellande  ab.  Im  S.  bietet  der  Brünigpafs  (1037  m)  einen  Ubergang  vom 
Bricnzer  See  durch  das  Tal  der  Sarner  Aa  zum  Vierwaldstütter  See.  In  diesen 
fällt  der  östliche  Vorsprung  der  Emmentaler  Alpen  ab,  der  Pilatus  (2133  m), 
dessen  alter  Name  bis  ins  XVI.  Jahrb.  Frakmunt  —  Brochenberg  (aus  mons  fractots 
entstanden)  ist.  cf.  Gatschet,  Forsch.  32.  Er  erscheint  zuerst  1387  (Fracmont); 
der  Name  Pilatus  dagegen  erst  in  Schillings  Chronik  (XVI.  Jh.).  Erst  die  Pilatus- 
legende, nach  der  der  römische  Landpfleger  sieh  angeblich  in  einen  kleinen 
See  auf  jenem  Berge  gestürzt  hätte,  hatte  den  modernen  Namen  seit  dem 
XVIII  Jh.  zur  aussehlicfslichen  Geltung  gebracht.  Näheres  bei  Runge,  in 
Mitt.  Zürich,  AG.  XII.  157  ff.  Egli.  Nom.  g.  p.  723.  —  Den  Raum  vom  Haslital 
bis  zur  Reufs  und  dem  Vierwaldstütter  See  erfüllen  die  Urner  und  Engel  - 
b e  rge  r  A 1  p  e  n  mit  dem  vergletscherten  Dammastoek  (3633  m)  am  Göschenental, 
und  jenseits  der  Reufs  folgt  die  Tödikette,  (der  gleichnamige  Kulminations- 
punkt 3623  m)  mit  der  Calanda  bis  an  das  stumpfe  Rheinknie  bei  Chur  reichend 
und  im  N.  durch  den  Walensee  und  die  Linth  abgeschlossen.  Sie  stellt  einen 
geschlossenen,  gletsehertragenden  Gebirgszug  dar,  der  nach  S.  steil  zum  Vorder- 
rheintal abfällt,  Jenseits  der  Linth  und  des  Klausenpasses  sehliefsen  sich  die 
Schwyzer  Alpen  an,  die  sich  Iiis  an  den  Vierwaldstütter  und  Züricher  See 
erstrecken,  hier  in  ein  niederes  Bergland  auslaufend,  während  im  S.  der  Glürniseh 
(2916  m)  noch  ein  Gletscherstock  ist. 

Zwischen  den  letztgenannten  Gruppen  liegen  das  Tal  der  Reufs  und  der 
Vierwaldstütter  See  tief  eingebettet.  Der  Name  Reufs  erscheint  als  Riusa 
urkundlich  schon  840  und  dann  in  vielen  Varianten  Rusa,  Ruese,  Ruisa,  Ruess, 
Ruczze.  Sie  entspringt  in  drei  Quellbächen  am  Gotthard  und  der  Furka;  nach 
Passierung  der  engen  Schöllenenschlucht  hat  sie  bei  Gösehenen  die  Höhe  von 
1063  m  erreicht,  und  steigt  das  nordwärts  gerichtete  und  sich  mehr  und  mehr 
erweiternde  Tal  abwärts  bis  zum  See,  dessen  oberes  Ende  sie  in  einen  Flach- 


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11.  Gliederung  der  Alpen. 


37 


landboden  bis  Flüelen  verwandelt  hat.  —  Der  Vier  w  a  1  d  s  t  ä  1 1  e  r  See  (115  qkm, 
437  m  üb.  M.,  bis  214  m  tief)  ist  durch  die  in  den  See  vorspringenden  Massive 
in  eine  Anzahl  Becken  geteilt,  die  meist  nach  den  beiliegenden  Ortschaften 
benannt  werden.  Man  hat  ihn  in  seiner  zerrissenen  Gestalt  mit  einem  Kreuz 
verglichen,  dessen  unterer  Schaft  geknickt  ist.  Mit  seinem  oberen  Ende  ragt 
er  noch  in  die  Zentralalpen  hinein,  während  sonst  seine  Umgebung  von  Kalk 
und  Molasse  gebildet  ist.  Im  O.  fällt  der  aus  Nagelrluhe  aufgebaute  Rigi 
(1856  in  )  in  ihn  steil  ab  (der  Name  zuerst  1384  im  Plural :  die  RigXnen).  Der 
Name  des  Sees  erseheint  im  VIII.  Jh.  im  Stiftsbrief  der  Propstei  Luzern 
als  magnus  locus;  bei  C.  Fürst,  in  Quell,  z.  Scheiz.  Gesch.  6,  33  f.;  1495  als 
Lucerner  See;  bei  Scb.  Münster  1543  als  Locus  Helvetiats,  quem  hodie  Lucernensem 
vocant;  der  heutige  Name  zum  erstenmal  1547  in  Stumpfs  Chronik  p.  191 
als  Vier  Waldstet  See,  dann  bei  Tschudi  (Schweizerkarte  1560)  der  vier  Wald- 
stettensee, aueh  latinisiert  Quatuor  regionum  s.  oppidontm  locus.  Doch  wird  noch 
lange  Zeit  daneben  die  ältere  Benennung  verwendet,  die  aueh  bei  den  Franzosen 
noch  üblieh  ist  ,  Lac  de  Lucerne.  Die  moderne  Benennung  hat  sieh  erst  im 
XIX.  Jh.  vollständig  eingebürgert.  —  In  der  Tallinie  nördlich  von  Brunnen 
liegt  der  kleine  Low  erzer  See,  dessen  westliches  Ende  durch  den  Goldauer 
Bergsturz  ausgefüllt  worden  ist,  und  weiterhin  der  Zuger  See  (38  qkm,  417  m 
üb.  M.,  198  m  tief),  berüchtigt  durch  seine  Uferabrutsehungen.  Sein  Abllufs 
ist  die  Lorze,  die  in  die  Reufs  geht.  Unweit  davon  der  Ägerisee  nach 
dem  gleichnamigen  Ort  benannt;  an)  Bergabhange  Morgarten  ward  1315  die 
entscheidende  Schlacht  geschlagen.  Auch  der  Walen-  und  Züricher  See  liegen 
in  einer  schon  bei  Sargans  am  Rhein  beginnenden  breiten  Talfurche,  die  in 
nordwestlicher  Richtung  die  untere  Aar  erreicht  und  das  alte  Rheintal  darstellt, 
welches  jetzt  bei  Sargans  durch  einen  6  m  hohen  Geröllhügel,  die  Burtschär, 
abgeschlossen  ist.  Der  Walensee  (23  qkm,  423  m  üb.  M.,  151  m  tief)  ist 
der  »See  der  Welschen«;  beim  Eindringen  der  Alemannen  rnufe  die  Sprach- 
grenze durch  das  Südende  des  Sees  gegangen  sein.  Der  Ort  am  Ostende  heifst 
schon  im  XI.  Jh.  de  ripa  Walahastad;  deshalb  wird  er  späterhin  auch 
Walenstadtcr  See  genannt.  In  Urkunden  heifst  er  auch  Lacus  Rivanus,  rätorom. 
Lac  Rivaun.  Riva  war  ehedem  die  romanische  Bezeichnung  für  den  Ort  Walen- 
stadt. In  das  westliche  Ende  des  Sees  mündet  die  Linth  ein,  die  von  ihm 
bis  zum  Züricher  See  ein  sumpfiges  Alluvialland  durchHofs,  welches  1807 — 1822 
trocken  gelegt  worden  ist.  Der  Züricher  See  oder  Zürichsee  (88  qkin,  409  m 
üb.  M.,  bis  143  m  tief),  der  Lacus  Turicensis  oder  Turicinus  hat  bei  nur  4,5  km 
Breite  che  beträchtliche  Länge  von  44  km.  Am  nördlichen  Ende  entquillt 
ihm-  die  Limmat  (Lindimacus,  Lindmag,  Limmag  (XV.  Jh.),  die  sich  bei  Brugg 
mit  der  Aar  vereinigt.  Vom  Zürich-  und  Walensee  bis  zum  Rhein  und  Bodensee 
erstrecken  sich  die  St.  Gallen  er  und  Appenzeller  Alpen,  die  im  SO 
ihre  gröfsten  Höhen  haben  und  durch  die  interessanten  Pressungen  und 
Faltungen  der  Kreideschichten  ausgezeichnet  sind.  Das  sog.  Toggenburger 
Tal  der  Thür  (Dura  1076,  Tut),  die  in  den  Rhein  geht,  reicht  weit  nach 
SO.  hinein.  Südlich  von  ihm  erheben  sich  hart  über  dem  Walensee  die  sieben 
Churfirsten  (die  Firstlinien,  welche  den  Churgau  abgrenzen),  im  N.  che  nach 
S.  steil  abstürzende  Gruppe  des  Hohen  Säntis  (2504  m).  Der  Aufsenbezirk  dieser 
Alpengruppe  dacht  sich  schnell  zu  einem  niederen  Berglande  ab. 

An  die  Penninisehen  Alpen,  die  im  W.  durch  den  Groben  St,  Bernhard 
(2427  m),  im  O.  durch  den  Simplonpafs  (2010  m)  abgeschlossen  werden, 
schliessen  sich  östlich  die  Lepon tischen  Alpen  an,  vom  Simplon  bis  zun» 
Bemhardinpafs  und  Hinterrhein  reichend.  L'nter  diesem  Namen  treten  sie  im 
Altertum  noch  nicht  auf;  vielmehr  scheint  der  ganze  westliche  Teil  bis  zum 
Gotthard  noch  den  Penninischen  Alpen  zugerechnet  worden  zu  sein,  und  der 
östliche  den  Rätischen  Alpen.  Die  Täler  der  Tocc  und  des  Ticino  bringen 
eine  Dreiteilung  in  Tessiner  Alpen,  Gotthard  •  Gruppe  und  Adula -Alpen  zu 
wege.  Der  Gotthard  selbst,  der  auf  den  Karten  stets  als  bedeutender  Knoten- 
punkt zusammentreffender  Gebirgsmassive  und  -ketten  auftritt  und  auch  hydro- 


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38 


I.  Physische  Geographie. 


graphisch  als  solcher  sich  darstellt  ,  ist  kein  einzelner  Berg,  sondern  ein  von 
hohen  (tipfein  umgebenes  Hochplateau,  über  welches  die  Pafsstrafse  in  2114  in 
führt.  Den  Alten  war  dies**  Strafse  noch  unbekannt.  Der  Name  wird  auf 
den  hl.  Godehard  zurückgeführt,  der  1038  als  Bischof  von  Hildesheim  starb. 
Im  XIV.  Jh.  wurde  von  Dissentis  aus  eine  dem  hl.  Godehard  geweihte 
Kapelle  mit  Hospiz  auf  der  I'afshöhe  gebaut.  Der  von  Strabo  und  Ptolemäus 
genannte  Adulas  (/idovXug),  auf  welchem  der  Rhein  und  die  Adda  entspringen 
sollten,  ist  oft  fälschlich  auf  den  Gotthard  bezogen  worden.  Man  ist  jetzt  all- 
gemein der  Ansicht,  dafs  vielmehr  die  Quelle  des  Hinterrheins,  das  sog.  Rhein 
Waldhorn  (3398  m),  unter  ihm  zu  verstehen  sei  (Partsch,  1.  c.  1603).  In  den 
Lepontisehen  Alpen  hat  auch  der  Rhein  seinen  Ursprung;  von  seinen  beiden 
Oberläufen  entspringt  der  Vorderrhein  in  der  Nähe  des  Oberalppasses  im 
Tornasee,  der  Hinterrhein  am  Rheinwaldhorn;  letzterer  mufs  oberhalb  ThusL-i 
sich  durch  den  engen  Felsspalt  der  Via  mala  zwängen.  Bei  Chur  wendet  sich 
der  Rhein  nach  K.  und  nimmt  bald  darauf  von  rechts  den  Landquart 
(Langarus)  auf.  Unterhalb  der  Einmündung  dieses  Flusses  passiert  der  Rhein 
die  Enge  zwischen  dem  Fläschenberg  rechts  und  dem  Schollberg  links,  wo 
die  Churfirsten  und  das  Rätikon  einander  nahetreten  und  das  Tal  früher 
geschlossen  war,  so  dafs  der  Strom  über  Sargans  nach  NW*,  sich  wenden  mufste 
(s.  oben).  Im  weiteren  durchliefst  der  Rhein  das  sich  verbreiternde  Tal  bl< 
zum  Bodensee,  in  den  er  sein  Delta  im  Lauf  der  historischen  Zeit  immer  mehr 
vorgeschoben  hat. 

Der  Bodensee  (539  qkm,  398  m  üb.  M.,  bis  140  m  tief)  führte  bei  den 
Alten  verschiedene  Namen.  Strabo  VIII,  193  beschreibt  ihn  wohl,  nennt  ihn 
aber  nicht.  Pomponius  Mcla  III,  2  spricht  von  zwei  Seen,  welche  der  Rhein 
durchfliefst,  Locus  Venctus  et  Acronns;  man  kann  nur  annehmen,  dafs  er  hier 
einzelne  Teile  des  Sees  noch  unterschieden  habe,  etwa  den  heutigen  Ober-  un<i 
Untersee.  Plinius  IX,  63  nennt  ihn  zuerst  Imcus  Brigontinus  nach  Brigantium 
(Brcgenz).  Sehr  ausführlich  schildert  ihn  Ammian.  Marcell.  XV,  4:  Locus  Bri- 
gantine. Der  Name  Bodensee  ist  mittelalterlichen  Ursprungs  und  stammt  von 
der  kaiserlichen  Pfalz  Bodman,  die  am  nord westlichen  Ende  des  Sees  lag.  In 
latinisierter  Form  erscheint  er  als  Locus  Potamicus  und  Podamicus,  Bodamicn*. 
auch  Bodmersee  und  Bodemsee,  was  schliefslich  in  Bodensee  volksetymologisch 
umgewandelt  wurde.  Daneben  führte  der  See  vereinzelt  noch  andere  Namen, 
wie  Locus  Constontiensis  (XII.  Jh.),  bei  den  Franzosen  noch  heute  Lac  de  Con- 
stonce,  und  Locus  Augietisis  (seit  1155)  nach  der  Insel  Reichenau.  Am  westlichen 
Ende  läuft  der  See  in  den  schmalen  überlinger  See  mit  der  Insel  Mainau  aus 
und  hinter  Konstanz  in  den  Unteren  oder  Zeller  See  mit  der  Insel  Reichenau; 
letzterer  spaltet  sich  nochmals  in  zwei  Zipfel,  aus  dem  südlichen  liiefst  der 
Rhein  ab,  der  nördliche  ist  aber  auch  eine  (ehemalige)  Ausmündungsstelle  des 
Rheins  gewesen.  Der  Wasserstand  des  Sees  ist  ein  schwankender,  da  er  zur 
Zeit  der  Schneeschmelze  über  3  m  ansteigt. 

Die  Rätischen  Alpen  {Alpes  Roeticoe.  Horat.  od.  4,  4,  17.  Tac.  G.  1) 
schliefsen  sich  als  Teil  der  zentralen  Alpenzone  an  die  Lepontisehen  an;  sie 
erfüllen  den  Raum  vom  Arlhergpafs  im  N.  bis  ostwärts  zum  Oberetschtal 
und  Stilfscr  Joch  und  südlieh  Iiis  zur  Adda.  Das  grofse  Längstal  des  Inn 
(Engadin)  teilt  sie  in  die  Nord-  und  Südrätischen  Alpen;  den  letzteren  gehört 
das  gewaltige  Massiv  der  Bernina -Gruppe  an  (4052  m).  Im  N.  schliefst  ein 
zusammenhängender  Gebirgsgrat  das  Inntal  ab  (Albuin-  und  Silvretta-Gruppt  ' 
der  jedoch  zahlreiche  Ubergänge  bietet,  den  Splügen  2117  m),  Septimer  (2311  m). 
Julierpars  (2280  m),  Albulapafs  (2313  m)  und  Flüelapafs  (2405  m).  Zwei  Aus 
läufer  des  Massivs  reichen  bis  an  den  Rhein  nach  N.  vor,  die  Plessur-Alpen, 
die  auf  das  Rheinknie  bei  ('hur  stofsen,  und  das  Rätikon  zwischen  der  Land- 
quart  und  dem  III.  Die  Verwall- Gruppe  folgt  jenseits  des  Illtales  bis  zum 
Arlhergpafs.  Das  Tal  des  oberen  Inn,  das  Engadin  vallis  Ematina),  hat  eine 
Länge  von  92  km  und  reicht  vom  Malojopafs  bis  Martinsbruck.  Jenseits  des 
Passes  (1856  m)  läfst  sich  die  Furche  im  Tal  der  Maira,  dem  sog.  BergelJ,  Bn 


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11.  Gliederung  der  Alpen. 


39 


gaglia  (in  Urk.  K.  Heinrichs  II.  Praegallia),  bis  nach  Chiavenna  verfolgen.  — 
Die  Ötztaler  Alpen  sind  allseitig  von  Flufslinien  umzogen;  im  N.  ist  es  der 
Inn,  im  W.  u.  S.  die  Etsch,  im  O.  der  Eisack.  Das  Reschenscheideck  (1494  m) 
im  W.  bietet  einen  Übergang  aus  dem  oberen  Etechtal  (Vintschgau)  nach  dem 
Inn  hinüber  nach  Finstermünz.  Der  Brennerpafs  bildet  entsprechend  im  O. 
den  Abschlufs  dieser  Alpengrunpe  und  führt  vom  Wipptal,  welches  bei  Inns- 
bruck das  Inntal  erreicht,  nach  dem  Eisacktal  in  nur  1362  m  Höhe  hinüber. 
Seinen  Namen  hat  er  sehr  wahrscheinlich  von  dem  Volke  der  Breonen,  Brcuni, 
das  in  der  Siegesinschrift  bei  Plinius  auftritt ;  vgl.  Kiepert,  Lehrb.  p.  368.  Die 
Ötztaler  Gruppe  stellt  eine  gewaltige  Massenerhebung  aar;  3080  qkm  von  ihnen 
hegen  über  1900  m  hoch,  etwa  758  qkm  sind  von  Schnee  und  Eis  bedeckt  und 
über  300  Gletscher  werden  gezählt,  östlich  des  ötztales  wird  noch  die  Stubaier 
Gruppe  mit  dem  gleichnamigen  Tal  unterschieden,  sowie  südlich  von  ihr  die 
Sanitaler  Gruppe,  die  im  S.  von  Eisack  und  Etsch  umzogen  und  gegen  die 
eigentlichen  Ötztaler  Alpen  durch  das  Passeiertal  (bei  Meran  endigend)  ge- 
schieden ist.  —  Getrennt  von  den  Ötztaler  Alpen  durch  die  Etsch  steigen  im  S. 
die  Ortler  Alpen  auf  (3902  m),  ein  mit  60  Gletschern  bedeckter  Gebirgsstoek. 
Im  NW.  führt  die  Strafse  über  das  Stilfserjoch  (Giogo  di  Stelvio  oder  Ferdinands- 
höhe, 2757  m)  aus  dem  Etschtal  in  das  Val  Tellina  der  Adda  hinüber.  Die 
Etsch  entspringt  am  Heschenscheideck,  lliefst  durch  den  Reschensee  und  steigt 
über  mehrere  Talböden  abwärts  bis  Glums,  wo  sie  östlich  in  das  breite,  ebene 
und  stellenweise  sumpfige  Längstal  einlenkt.  Ihr  alter  Name  ist  Athesis  (bei 
Strabo  IV,  207  l^Ttjofrog),  im  Ital.  Adige.  Auch  der  Talname  Vintschgau  (bis 
Meran)  geht  auf  einen  antiken  Volksnamen,  den  der  Venostes,  zurück.  Die  Form 
Vinsgowe  tritt  im  XI.  Jh.  auf.  Doch  schon  vorher  wurde  es  als  Venusta  vallis 
bezeichnet  (Liutprand  Antapod.  SS  3,  334).  Bei  Bozen  nimmt  die  Etsch  den 
Eisack  (Isargus  t)  auf. 

Dem  zuletzt  behandelten  Teilstück  der  Zentralalpen  ist  im  N.  eine  Zone 
vorgelagert,  die  aus  mesozoischen  Gesteinen  (Trias,  Jura,  Kreide)  und  nach  dem 
äufseren  Rande  hin  aus  Tertiärgesteinen  (besonders  Flvseh)  gebildet  ist.  Sie 
erfüllen  den  Raum  vom  Rhein  und  Bodensee  bis  an  den  Inn,  der  sie  im  O. 
und  teilweise  im  S.  abschliefst.  Den  Höhenverhältnissen  nach  sind  sie  schon 
weit  niedriger  und  gehören  den  Mittel-  und  Voralpen  an.  Man  unterscheidet 
in  ihnen  die  Vorarlberger  Alpen  mit  dem  Bregenzer  Wald  und  die 
Algäuer  Alpen,  die  östlich  bis  an  den  Lech  reichen.  Die  vielen,  bald 
längeren,  bald  kürzeren  Kettenstücke  östlich  des  Lechtales  werden  beim 
Mangel  eines  besonderen  Namens  als  N  ord tirolische  und  Bairische 
Kalkalpen  zusammengefafst,  Die  Parseyer  Spitze  zwischen  Lech-  und  Stan- 
y.ertal  erreicht  noch  3038  m  Höhe,  die  Zugspitze  2960  m.  Zahlreich  sind  die 
Flüsse,  die  in  dieser  Alpenzone  ihren  Ursprung  nehmen  und  nieist  der  Donau 
angehören.  Zu  diesen  gehört  1.  die  III  er,  die  in  den  Algäuer  Alpen  mit 
drei  Quellbächen  entspringt  und  bei  Immenstadt  in  die  Bairische  Hochebene 
tritt.  Von  den  Alten  wird  der  Flufs  noch  nicht  genannt,  Als  Ilara  und  Hilara 
erscheint  er  im  X.  Jh.,  auch  Ilaris;  2.  der  Lech,  y/txi'ug  bei  Ptolem.  II,  12; 
lat,  Licus  (Venant,  Fortun.),  in  der  Form  Lecha  schon  bei  Paul.  Diacon.,  im 
VIII.  Jh.  Lech.  Der  Flufs  lliefst  durch  drei  Talstufen  und  verläfst  bei  Füssen 
die  Alpen.  Der  Name  darf  sicher  als  keltisch  angesehen  werden ;  er  kehrt  auch 
in  dem  Volksnamen  der  Licatii  wieder,  die  in  seinem  Gebiete  weiter  unterhalb 
wohnten.  Der  linksseitige  Nebenllufs  des  Lechs  ist  die  Wert  ach,  Virdo  bei 
Paul.  Diac.,  Wertaha;  3.  die  Isar,  Isara,  Isura.  wird  erst  im  Mittelalter  genannt. 
Sie  entspringt  am  Stalter  Anger  südlich  der  Karwendelkette,  windet  sich  durch 
die  Seharnitzenge  und  fliefst  an  Mittenwald  vorüber;  bei  Tölz  (658  m)  verläfst 
sie  das  Gebirge.  Ihr  linker  Nebenflufs  ist  die  Loisach,  Liubisaha,  Luosnrh, 
Liubasa,  Leicsach,  die  im  W.  von  der  Zugspitze  entspringt.  Sie  durchfliefst  den 
Kochelsee ;  •  doch  ist  ihr  heute  ein  kanalisierter  gerader  Weg  durch  die  unge- 
heuere Moorfläche  nördlich  des  Sees  geschaffen  worden.  Südlich  von  diesem 
liegt^der  Walchensee  (790  m),  der  durch  die  Jachenau  einen  kurzen  Abflufs 


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I.  Physische  Geographie. 


nach  der  Isar  hat.  Von  rechte  geht  der  Isar  die  Ache  zu,  die  dem  blauen 
Achensee  (932  m,  6,8  qkm,  132  m  tief)  entquillt;  4.  der  Inn,  einer  der  be- 
deutenderen Alpentiüsse,  lat.  Aenus,  Älvoq  Ptol.  2,  11,  5,  im  Mittelalter  auch 
in  den  Formen  Enus  (v.  Sever.  3,  3),  Inus,  Hinus,  Itmus  (Ann.  Mettens.),  Oenus. 
(Jen  Ist  die  Thätoromanische  Form.  Nachdem  er  das  Engadin  bis  Martinsbruck 
durchflössen  imd  die  Enge  bei  Finstermünz  passiert  hat,  setzt  er  seinen  Lauf 
im  breiten  Längstal  fort,  bis  Zirl  das  Oberinntal,  bis  Kufstein  das  Unterinntal 
bildend.  Von  hier  an  bricht  er  wieder  durch  ein  Quertal  und  wendet  sich  der 
Bairischen  Hochebene  zu.  Von  W.  her  geht  ihm  die  Mangfall  (Manicvalt)  zu, 
die  den  Abflufs  des  Tegernsees  (726  m  üb.  M.,  72  m  tief)  bildet;  weiter 
östlich  der  kleinere  Schliersee  (Slierseo),  778  m  üb.  M.,  54  ra  tief,  dessen 
Abflufs  zur  Mangfall  geht. 

Die  zentrale  Zone  der  Ostalpen  beginnt  beim  Ii rennersattel  und  zieht 
zwischen  den  grofsen  Längstallinien  ostwärts.  Ihr  gehören  die  Zill  er  taler 
Alpen  an,  meist  aus  Urgesteinen  bestehend,  mit  dem  gleichnamigen  Tal  auf 
der  Nordseite  (Cilaristal  schon  im  XI.  Jh.,  und  der  Flufs  entsprechend  Cylaren, 
Cilarn),  ferner  die  Hohen  Tauern  (1143  sab  Thuro  monte,  1224  Thür,  Thttor, 
1198  Duro  monte),  ein  stattlicher  Hochalpenzug  mit  vielen  Schneefeldern  und 
Gletschern  (Keese  genannt)  und  besonders  Wasserfällen ;  die  Haupterhebungen 
sind  der  Grofsvenediger  (3673  m),  über  dessen  Namen  verschiedene  Ansichten 
herrschen,  und  der  Grofsglockner  (3797  m),  der  höchste  Berg  der  Ost- 
alpen, von  riesigen  Gletscher f eklem  umgeben.  Das  Isel-  und  Mölltal,  die  sich 
im  S.  nach  dem  Drautal  öffnen,  gliedern  einzelne  Ausläufer  der  Tauern  ab: 
die  Antholzer  Alpen,  Defferegger  Alpen,  den  Schober  und  Kreuzeck.  Im  Osten 
des  Grofsen  Arls  und  Malteintales  bringt  das  obere  Tal  der  Mur  eine  Spaltung 
der  zentralen  Zone  zuwege.  Den  nördlichen  Zweig  bilden  die  Niederen 
Tauern,  die  bis  zum  PaltenLiesingtal  reichen,  ohne  Schnee-  und  Gletscher- 
felder sind  und  tiefere  Kammeinschnitte  als  bequeme  Cbergangsstrafsen  zeigen. 
Der  südliche  Zweig  zwischen  dem  Mur-  und  Drautal  wird  unter  der  Bezeich- 
nung der  Kärntneriscli-Ste irischen  Alpen  zusammengefafst ,  welche 
von  Flufstälern  durchfurcht  in  ihrer  orographLschen  Gesamtgestaltung  mit  den 
oft  meridional  verlaufenden  Ketten  (Seetaler  Alpen,  Saualpe,  Koralpe  etc.) 
von  der  alpinen  Streichrichtung  abweichen.  Die  Mur  durchfielet  bis  Bruck 
das  Längstal.  Ihr  Name  tritt  auf  der  Peutingersehen  Karte  als  Stationsname 
in  Murio  schon  auf;  im  Mittelalter  in  verschiedenen  Varianten  als  Mttora, 
Muera,  Mura,  Mner.  Dir  Quelltal,  der  Murwinkel,  setzt  sich  im  Lungau  fort. 
Bis  Judenburg  ist  das  Tal  meist  sehr  eng;  erst  hier  erweitert  es  sich  zu  dem 
breiten,  fruchtbaren  Eichfeld,  doch  unterhalb  Knittelfeld  wird  es  wieder  enger. 
Bei  Bruck  biegt  sie  in  südlicher  Richtung  in  das  Quertal  ein,  welches  von  Graz 
an  sich  beträchtlich  erweitert, 

Die  Teilungslinie  zwischen  der  zentralen  Zone  und  der  südlichen  Kalk- 
zone bildet  das  Iiingstal  der  Rienz  und  der  Drau.  Das  Toblacher  Fehl  bildet 
zwischen  beiden  Systemen  eine  Talwasserscheide.  Die  Rienz  geht  westlich  der 
Etsch  zu,  die  sie  bei  Brixen  erreicht,  Die  Drau  Hiefst  östlich  und  verläfst  bei 
Marburg  das  Gebirge.  Das  Rienztal  und  Drautal  bis  Lienz  wird  als  Pustertal 
zusammengefafst;  im  Mittelalter  Vallis  Pustrism,  in  den  Ann.  Stadens.  (SS.  16, 
338)  Pmterdal,  wird  etymologisch  mit  slav.  pust  =  wüst,  öde  in  Zusammen- 
hang gebracht,  entsprechend  einem  urkundlichen  Zeugnis  von  770:  ab  antiquo 
tempore  inanem  atqne  inhabibihihm  esse  cognovimns.  —  Die  Drau  heifst  schon  bei 
den  Alten  Draus  (Plin.  IU,  147),  bei  Strabo  (VIT.  314)  Jgufiog,  bei  Ptolemäus 
{IL  15.  1)  Juoog,  beim  Geogr.  Raven.  (IV,  19)  Dravis,  im  Mittelalter  Dravns 
(Paul.  Üiac.),  Tra,  Trabtis,  Traha,  Drau,  Droiva.  Sie  entspringt  am  Innichener 
Eck  und  durchfliegt  zunächst  das  Pustertal.  Von  der  Einmündung  des  Deffer- 
cggentales  bei  Lienz  bis  zu  jener  des  Mölltales  bei  Sachsenburg  weicht  sie  von 
ihrer  Ursprünglichen  Richtung  ab.  Bis  hierhin  wird  ihr  Tal  als  OberdrautsJ  be- 
zeichnet, weiterhin  bis  Villach  Unterdrautal,  bis  zur  Einmündung  «1er  Gurk 
Rosental.  bis  rnterdrauburg  Jauntal  (im  Mittelalt,:  Pagus  Juna).   Die  Drau  hat 


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11.  Gliederung  der  Alpen. 


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ein  sehr  stark  fliefsendes  Wasser  und  wird  erst  bei  Villach  leidlich  schiffbar. 
Von  ihren  linksseitigen  Nebenflüssen  ist  die  Möll  zu  nennen  (slow  Bjela),  die 
durch  die  Vorberge  der  Hohen  Tauern  sich  windet,  die  Lieser,  zu  welcher 
der  langgestreckte  Millstätter  See  (580  m  üb.  M..  277  m  tief)  ablliefst.  Im  Tal- 
zuge des  Tiebeibaches  liegt  der  Ossiacher  See  (488  m  üb.  M.,  46  in  tief),  weiter- 
hin der  Wörther  See  (439  ni  üb.  M.,  44  qkm,  65  in  tief),  nach  «1er  im  IX.  Jh. 
gegründeten  Kirche  Maria-Wörth  benannt;  er  steht  durch  einen  natürlichen 
und  künstlichen  Wasserarm  bei  Klagenfurt  mit  der  Glan,  in  Verbindung.  Das 
stark  gewundene  Tal  der  Gurk  hegt  in  den  Stangalpen.  Der  Name  hat  noch 
nicht  aus  dem  Slavischen  erklärt  werden  können.  Von  Althofen  an  durch- 
fliefst  sie  das  Krappfeld,  ihr  rechter  Nebenflufs  die  Glan  unterhalb  St.  Veit  das 
Zollfeld  (schon  im  VIII.  Jh.  so  genannt).  Ein  breites  Tal  zwischen  Saualpe 
und  Koralpe  durchfliefst  auch  die  Lavant  (im  IX.  Jh.  lAtbanta,  auch  Lavint, 
Lavende),  die  bei  Lavamünd  in  die  Drau  fallt,  Von  Unterdrauburg  an  fliefst 
die  Drau  im  mäfsigen  Wechsel  der  Richtung  bis  Marburg,  zur  Rechten  einge- 
fafst  von  den  Abdachungen  des  granitisehen  Bacher  Gebirges  mit  seinen 
reichen  Weinorten,  zur  Linken  vom  flachen  Molasserücken  des  Pofsruck, 
an  welchen  sich  im  N.  bis  zur  Mur  hinüber  die  Windischen  Büheln  mit 
ihren  fruchtbaren  Gehängen  angliedern. 

Südlich  an  die  Drau  schliefst  sich  die  südliche  Kalkzone  der  Ost« 
alpen,  die  sieh  vom  Eisaek-Etsehtal  reich  gegliedert  nach  Osten  zieht,  Ihr 
westliches  Glied  bilden  die  in  viele  Stöcke  aufgelösten  südtirolischen  Dolomit- 
alpen, deren  westlicher  Abschnitt  eine  sehr  bunte  geognostische  Zusammen- 
setzung zeigt,  da  neben  Porphyr  (bei  Predazzo,  im  Fassatal,  Seifseralp)  auch 
Granit  (Cima  d'Asta),  rote  und  schwarze  Sandsteine,  Konglomerate  u.  a.  ver- 
treten sind.  Die  östliche  Hälfte  setzt  ganz  triassiseher  Dolomit  zusammen  mit 
seinen  seltsam  zerrissenen  Bergformen  und  Schluchten.  Stattliehe  Täler  durch 
furchen  che  Massive,  wie  das  Grödnertal  zum  Eisack,  die  Badia  (Abteital)  zur 
Rienz,  das  Ampezzotal  südöstlich  zur  l*iave.  Weiterhin  folgen  die  Karni- 
schen Alpen  (Alpes  Carnicae),  die  durch  das  Gailtal  in  die  Gailtaler  Alpen 
mit  dem  Dobratsch  (21 67  m)  am  östlichen  Ende  und  die  Südkarnischen  Aloen 
geschieden  werden.  Ober  letztere  führt  der  wichtige  Pontebbapafs  oder  Pafs 
von  Malborghet  von  Villach  nach  Chiusaforte  in  das  Tal  der  Fella.  Das  Iiingstal 
der  Gail  (Vallis  Julia,  ital.  Valle  güia,  slav.  Prsile)  heilst  am  oberen  Ende  bis 
Mauthen  Lessachtal  und  ist  dort  tief  eingeschnitten,  dann  verbreitert  es  sich ; 
unterhalb  Villach  mündet  der  Flufs  in  die  Drau.  In  der  Streichrichtung  der 
Südkarnischen  Alpen  liegen  die  Kara wanken,  bei  Ptolem.  II,  14,1  o  Kugov- 
t'tyxug  und  HI,  1,1  Kugovoadiog  versehrieben,  obwohl  letzteres  auch  die  alte 
Bezeichnung  für  Karst  sein  könnte.  Sie  sind,  das  Drautal  im  S.  begleitend, 
ein  langer,  öder  Kalkrücken  von  sehr  geringer  Breite  Sie  bilden  die  Grenze 
zwischen  Kärnten  und  Krain  und  die  Wasserscheide  zwischen  Drau  und  Save. 
Der  Loiblpafs  (1370  m).  von  Klagenfurt  nach  Neumarkt  in  das  Feistritztal 
führend,  verbindet  beide  Seiten  des  Gebirgszuges.  Etwas  südlicher  erhebt  sieh 
ein  auch  geognostisch  selbständiger  Gebirgsstoek  die  Sanntaler  oder 
Steiner  Alpen,  auch  Sulzbacher  Alpen  genannt,  mit  dem  Grintouz  (2559  in) 
auf  der  Grenze  von  Kärnten,  Krain  und  Tirol.  —  Den  südlichsten  Abschnitt 
von  wirklich  alpinem  Charakter  noch  bilden  die  Julisehen  Alpen,  Alpes 
Jnliae  (Tacit.  bist,  in,  H;  Ammian.  21,  9  u.  ö.),  meist  aus  Kalk  zusammen- 
gesetzt. Der  höchste  Punkt  ist  der  Triglav  oder  Terglou  (2864  m).  Von  Tarvis 
führt  südlich  die  Strafse  über  den  Predilpafs  (1162  m)  in  das  Tal  des  Isonzo 
nach  Flitseh.  In  dieser  Gebirgsgmppe  entspringt  auch  die  Save  oder  Sau 
in  zwei  Quellflüssen,  der  Wurzener  Save  und  der  Wocheiner  Save,  beide  aus 
den  gleichnamigen  Seen  hervorgehend.  Der  Name  des  Flusses  Sanis  und  Saus 
erscheint  mehrfach  bei  Plinius,  Justin  32,3,  als  2uog  bei  Strabo  IV,  207,  VH, 
314,  2aovo$  bei  Ptol.  II,  16,  1  u.  ö.  Im  Mittelalter  treten  dann  die  Formen  Saica, 
Sowa  und  Samts  auf.  Sie  durchströmt  die  weiten  Ebenen  von  Krainburg  und 
Laibach  und  nimmt  mehrere  Nebenflüsse  in  sich  auf:  von  links  her  die  Sann 


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42  I.  Physische  Geographie. 

i 

von  den  Sanntaler  Alpen,  bei  Cilli  scharf  nach  S.  umbiegend  zur  Save,  von 
rechte  her  die  Laibach  und  die  Gurk.  Der  Name  der  ersteren  lautete  im 
Mittelalter  auch  Libnitza.    Man  hält  ihn  trotz  der  deutschen  Umformung  für 

slaviseh. 

Die  nördliche  Kalkzone  der  Alpen  beginnt  beim  Inn  und  dem  Zillerbach, 
und  zwar  mit  den  Kitzbühl  er  Alpen,  die  östlich  bis  zur  Saalach  und  dem 
Zellersee  reichen  und  nördlich  bis  an  die  Bairische  Hochebene.  Während  im 
südlichen  Teil  ein  durchgehender  wasserscheidender  Gebirgsrücken  hervortritt, 
ist  der  nördliche  in  eine  Anzahl  gröfserer  und  kleinerer  Gebirgsstöcke  von 
mäfsiger  Ausdehnung  zergliedert.  Unter  diesen  sind  nach  dem  Inntal  zu  das 
Kaisergebirge  mit  dem  Hinteren  Kaiser  (1996  in),  südlich  von  ihm  dem  Vorderen 
Kaiser  (2375  m),  sowie  die  Hohe  Salve  die  bedeutendsten.  Das  Grofsachental 
vom  Thurnpafs  an  durchzieht  in  südnördlicher  Richtung  diese  Alpengruppe 
bis  zum  Chiemsee.  Östlich  der  Saalach  erfüllen  das  stumpfe  Flufsknie  der 
Salzach  die  Salzburger  Alpen  mit  ihren  grofsartigen  Kalkplateaus,  wie  das 
Steinerne  Meer,  das  Ewig-Schneefeld  mit  seinen  Gletschern,  der  Watzmann 
(2740  m),  Hochkalter  (2629  m).  Nördlich  vom  Steinernen  Meer  liegt  tief  ein- 
gesenkt der  Königssee  oder  Bartholomäussee  (603  m  üb.  M.,  6,5  qkm,  215  m 
tief);  er  erscheint  als  Chunigessee  schon  1133.  Doch  kann  diese  Form  unrichtig 
überliefert  sein ;  hierüber  s.  Egli,  Nom.  geogr.  p.  500.  Auf  dem  Übergange 
vom  oberen  Saalachtal  nach  dem  der  Salzach  liegt  der  kleine  Zeller  See  (740  m 
üb.  Meer,  73  m  tief).  Das  grofse  Längstal  der  Salzach  bis  Taxenbach  bildet 
den  Pinzgau,  dessen  Talsohle  stark  versumpft  ist  und  zugleich  auch  wegen 
des  rauhen  Klimas  benachteiligt  ist.  Der  Name  des  Pinzgaues  wird  mit  Bison- 
tiutn  und  der  alten  Völkerschaft  der  Ambisontier  in  Zusammenhang  gebracht. 
Im  Mittelalter  lautete  er  Pinuzgouua,  Phinzgowe  u.  ä.  Bei  St.  Johann  biegt  die 
Salzach  in  die  nördliche  Richtung  ein;  ihr  Tal  und  das  ihrer  Nebenbäche 
bildet  hier  den  Pongau  (Pongowe),  während  der  Flufs  bei  Holling  in  den 
Salzachgau  tritt.  Zwischen  dem  Hagen-  und  Tänncngebirge  verengt  sich  ihr 
Tal  sehr  bedeutend ;  der  Flufs  windet  sich  durch  den  Pafs  Lueg,  der  wegen 
seiner  Enge  leicht  gesperrt  werden  konnte.  Weiter  unterhalb  passiert  er  die 
sog.  Öfen,  Schluchten,  erfüllt  von  grofsen  Felsblöcken.  Dann  wird  das  Tal  bis 
nach  Salzburg  hin  sehr  viel  breiter. 

Die  Oberösterreichischen  Alpen  erfüllen  den  Raum  von  der 
Salzach  bis  zur  Enns.  Sie  sind  im  grofsen  ganzen  aus  Triaskalk  zusammen- 
gesetzt, während  im  S.  ein  Streifen  des  Übergangsgebirges,  im  N.  eine  Zone 
neogener  Sandsteine  entlang  zieht.  In  orographischer  Beziehung  tritt  in  ihnen 
weniger  der  kettenartige  als  vielmehr  der  gebirgsstockartige  Typus  hervor. 
Eine  hochalpine  Natur  mit  einigen  wenigen  Gletschern  und  grofsen  Karren- 
feldern ist  nur  im  südlichen  Teile  anzutreffen.  Die  mittlere  Partie  im  Gebiete 
des  Traun flusses  birgt  die  grofsen  Salzlager,  welche  diesem  Teil  auch  den 
Sondernamen  Salzkammergut  eingetragen  haben.  Am  südlichen  Rande  erhebt 
sich  das  gewaltige  Hochplateau  des  Dachsteins,  der  nach  S.  steil  zum  Enns- 
gebiet  und  ebenso  nach  N.  zum  Hallstättcr  See  abfällt.  Seine  Maximal- 
erhebung erreicht  2996  m.  Er  bildet  «lie  Grenze  von  Ol  »erÖsterreich,  Salzburg 
und  Steiermark;  seine  wissenschaftliche  Erforschung  verdanken  wir  Friedr. 
Siniony.  Westlich  bis  zur  Salzach  gebt  das  Tänncngebirge  (Raucheck  2428  in), 
im  N.  der  Dachsteingruppe  folgen  das  Ischler  Gebirge  (Ganisfeld  2024  m), 
der  Kücken  des  Schafberges  (der  österreichische  Rigi,  1780  m),  das  Höllen- 
gebirge. Die  östliche  Hälfte  der  Gruppe  bilden:  Totes  Gebirge,  Sengsen-Ge- 
birge,  Pyrgas  und  Buchsteingruppe,  letztere  am  Knie  der  Enns.  Auch  hier 
herrschen  überall  die  Kalkstöcke  vor  mit  ihren  öden,  meist  vegetationslosen 
Plateauflächen. 

Die  Traun  (Druim,  Trum)  entspringt  am  Südabhang  des  Toten  Ge- 
birges und  bildet  schon  im  Oberlauf  den  AbHufs  kleinerer  S^'en,  des  Töplitz-, 
Gründl-  und  Altausseer  Sees.  Sie  durchliefst  im  weiteren  den  Hallstättcr 
See    492  in  üb.  M.,  8,8  qkm,  125  m  tief),  von  schroffen  Bergmassen  uni- 


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11.  Gliederung  der  Alpen. 


43 


schlössen.  Am  südwestlichen  Ende  bei  Lahn  wurde  1846  ein  prähistorisches 
Gräberfeld  aufgedeckt,  welches  neben  bronzenen  auch  bereits  eiserne  Gerät- 
schaften aufwies  (sog.  Hallstatt-Periode).  Bei  Ischl  nimmt  die  Traun  den  gleich- 
namigen Flufs  auf,  der  dem  Abersee  oder  St.  Wolfgangsee  entquillt;  im 
VIII.  Jh.  Abria  locus,  Aparinesseo,  Apirinesseo,  IX.  Jh.  Bald  darauf  tritt  sie  in 
den  malerischen  Traunsee  (Trunseo),  422  m  üb.  M.,  24  qkm,  191  m  tief.  Nach 
ihrem  Austritt  bei  Gmunden  verläfst  sie  die  Gebirgszone  und  wendet  sich  nord- 
östlich der  Donau  zu.  Bei  Lambach  nimmt  sie  die  Ager  in  sich  auf,  die  ihrer- 
seits den  Abflufs  mehrerer  Seen  bildet,  des  Fuschlsees  und  Zeller  Sees,  dann 
des  Mondsees  (476  m  üb.  M.,  68  m  tief),  Lunnelacus,  Maninseo,  Mansee,  Monen- 
sett'ensis,  unzweifelhaft  nach  seiner  Gestalt  so  genannt.  Die  Seeache  verbindet 
ihn  mit  dem  Atter-  oder  Kammersee  (Atarseo,  Aterse);  der  zweite  Name 
nach  dem  Schlosse  Kammer  am  Nordende.  —  Nordlich  von  diesem  Seengebiet 
liegt  ausserhalb  des  Gebirges  ein  niedriges,  waldreiches  Bergland,  der  Hausruck 
(Husruke  XII.  Jh.,  Hnsrugkun,  Husrnggin),  welcher  im  Göblberg  in  790  in  kul- 
miniert. Die  Enns  umzieht  die  Oberösterreichischen  Alpen  im  S.  und  O.  Ihr 
Name  tritt,  in  späteren  Inschriften  auf  als  Anisus,  Anasus,  im  Mittelalter  Anesas, 
Ans.  Enesis.  Ihr  langgestrecktes  Längstal  ist  verhältnismäfsig  breit  und  stellen- 
weise sumpfig.  Oberhalb  Hieflau  verengt  sich  das  Tal  zu  dem  sog.  Gesäuse ;  bei 
dem  genannten  Ort  wendet  sich  der  Flufs  in  meist  engem  Durchbruchstal  nördlich. 
Bei  Steyr  nimmt  er  den  gleichnamigen  Flufs  (Stirn)  von  links  her  in  sich  auf. 

Die  Nordsteirischen  Alpen  liegen  in  der  Fluchtlinie  der  Niederen 
Tauern,  von  denen  sie  das  Palten-Liesingtal  mit  der  Walder  Höhe  als  Tal- 
wasserscheide abtrennt.  Enns  und  steirische  Salza  im  N.,  Mur  und  Mürz  im  S. 
bilden  die  weiteren  Absehlufslinien.  Die  Hochschwab-Gruppe  (2278  m)  mit 
ihren  Plateaufläehen  zeigt  wieder  den  echten  Typus  der  Kalkalpenlandsehaft ; 
ebenso  weiter  östlich  die  Veitsch-Alpe  (1982  m).  Von  Hieflau  a.  d.  Enns  führt 
eine  wichtige  Strafse  über  den  Prebühl  oder  Eisenerzer  Tauern  (1227  in)  nach 
Iveoben  an  (he  Mur. 

Die  Niederösterreichischen  Alpen  östlich  der  Enns  und  nördlich 
der  Salza,  oberen  Mürz  und  des  Semmering  bilden  bis  zur  Donau  den  nord- 
östlichen Ausläufer  des  Alpengebirges.  Sie  erreichen  in  ihren  plateauartigen 
Bergstöcken  noch  beträchtliche  Höhen  (Student  1531  m,  Schnee-Alpe  190-1  m, 
Rax-Alpe  2009  m).  Von  letzterer  durch  das  Höllental  des  Schwarzallüfsehens 
geschieden,  steigt  der  vielbesuchte  Schneeberg  auf  (2075  m).  Nach  N.  erniedrigt 
sich  das  Gebirge  mehr  und  mehr;  das  letzte  Glied  bildet  der  aus  Kalk  und 
Sandstein  zusammengesetzte  breite  Rücken  des  Wiener  Waldes  (Möns  Cetius, 
Ptol.  II,  13,1  CIL  p.  683  0,  der  mit  dem  Leopoldsberg  oberhalb  Wien  ;449  m 
hoch)  an  der  Donau  endigt,  Den  östlichen  Abschlufs  der  (Jcbirgszone  bildet 
das  Wiener  Becken.  —  Eine  Reihe  kleiner  Flüsse  entwässert  das  reichgegliederte 
Bergland  der  Niederösterr.  Alpen  zur  Donau,  so  die  Ybbs  oder  Ips  {Ipsa,  Ibis«, 
Ipisa),  die  Erlaf  (Erlaßt,  Erhuh).  die  Pielach  (Pila  auch  Bielahn,  Pielaha),  die 
Traisen  (Triesmu,  Treisimu  X.  Jh.,  Treisma,  im  Niebelungenliede  Treisen),  der 
Tullnerbach  (Tallinn).  Nach  O  hin  und  ebenfalls  zur  Donau  gehen  die  Wien. 
Liesing  (Lieznicha),  Schwechat  (Snechant,  Suehhent),  Triesting  ( Trisfnicha),  ein 
Nebenrlufs  der  vorigen,  Piesting  (Biesnuha,  Pistnirha),  Leitha  (Litaha,  Litach) 
mit  ihren  Oberläufen  Schwarza  und  Fitten. 

Südlich  des  Semmering  und  östlich  der  Mur  setzt  sich  die  Zone  der 
Zentralalpen ,  die  wir  oben  bis  zur  Mur  verfolgt  hatten,  als  Steirische 
Niederalpen  fort,  Sie  sinken  nach  O.  hin  immer  mehr  zum  einfachen 
Hügelland  herab.  Der  Hochlantech  1722  m  in  der  Nähe  der  Mur  ist  der 
höchste;  der  Röthelstein  südwestlieh  von  ihm  1231m.  Im  NO.  erreicht  die 
Wechsel-Gruppe  mit  1738  m  die  gröfste  Höhe;  ihr  ist  im  N.  die  Semmering- 
Gruppe  vorgelagert  mit  dem  gleichnamigen  Pafs  (980  m);  wie  der  Wechsel 
bildet  sie  die  niederösterreiehisch-steirisehe  Grenze.  —  Wasserreiche  Flüsse 
nehmen  in  dieser  Alpengruppe  ihren  Ursprung:  die  Raab  (Halm,  Arrobo,  Hrabn) 
mit  der  Lafnitz  (Labenza,  Lavenata)  und  diese  mit  der  Feistritz. 


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44 


1.  Physische  (ieographie. 


12.  AlpenTOrland.  Zwischen  den  Alpen  einerseits  und  dem  Schweizer 
Jura,  Schwäbischen  Jura  und  Böhmerwald  anderseits  befindet  sich 
eine  langgezogene  Einsenkung,  die  mit  Rücksicht  auf  die  rings  umge- 
benden Berglandschaften  als  solche  bezeichnet  werden  mufs,  während 
sie  ihrer  absoluten  Höhe  nach  vielmehr  eine  Hochebene  ist  und  auch 
so  genannt  wird.  Sie  erstreckt  sich  vom  Genfer  See  bis  an  die  Donau 
bei  Wien  und  ahmt  so  im  allgemeinen  die  schwache  Krümmung  des 
Alpenbogens  nach ;  ihre  Breite  schwillt  von  W.  nach  0.  zuerst  allmählich 
an,  um  dann  wieder  abzunehmen.  Ihrer  Entwässerung  nach  gehört  sie 
teils  dem  Rhein-,  teils  dem  Donausystem  an.  Der  Bodensee,  der  sich 
quer  über  die  Hochebene  legt,  sowie  die  Salzach-  und  Inntalfurche 
gliedern  sie  in  drei  Abschnitte :  die  Schweizerische  Hochebene,  die  Ober- 
deutsche Hochebene  und  das  Osterreichische  Alpenvorland.  In  geogno- 
stischer  Beziehung  setzt  sie  sich  aus  relativ  jugendlichen  Gesteinsschichten 
zusammen,  da  hier  bis  weit  in  die  Tertiärzeit  lünein  noch  das  Meer 
flutete. 

Die  Schweizerische  Hochebene  ist  muldenförmig  zwischen 
Alpen  und  Jura  eingesenkt  und  hat  eine  durchschnittliche  Breite  von 
nur  30  km.  Sie  ist  keineswegs,  wie  man  dem  Namen  nach  annehmen 
sollte,  eine  Ebene,  sondern  von  einem  reich  gegliederten,  anmutigen 
Hügellande  durchsetzt,  welches  die  fruchtbarsten  und  zugleich  auch  am 
dichtesten  besiedelten  Gebiete  der  Schweiz  bildet.  Während  im  NW. 
die  Mauer  des  Jura  steil  abbricht  und  die  Hochebene  scharf  abgrenzt, 
flacht  sich  auf  der  anderen  Seite  das  Alpenland  sehr  viel  allmählicher  ab. 
Die  tiefsten  Stellen  der  ganzen  Einsenkung  ziehen  sich  daher  am  nord- 
westlichen Rande  entlang;  sie  sind  zum  Teil  von  langgestreckten  Seen 
eingenommen,  wie  dem  Neuenburger,  Murten-  imd  Biel  er  See,  und  haben 
weiterhin  eine  Sammelrinne  geschaffen,  die  Aar,  welche  auch  die  übrigen 
Gewässer  dieses  Alpenabschnittes  in  sich  aufnimmt. 

Die  Oberdeutsche  oder  Schwäbisch-Bairische  Hoch- 
ebene hat  der  vorhergonannten  gegenüber  eine  weit  gröfsere  Breite, 
die  bei  Regensburg  bis  auf  140  km  ansteigt.  Ihre  mittlere  Höhe  beträgt 
etwa  500  m.  Der  flache  Bogen  der  Donau  bildet  im  allgemeinen  die 
nördliche  Grenze.  Trotz  der  äufseren  Gleichförmigkeit  trägt  sie  doch 
strichweise  ein  verschiedenes  Gepräge.  Die  südliehe,  dem  Fufs  der 
Alpen  entlang  streichende  Zone  hat  in  jüngster  geologischer  Zeit  noch 
ganz  unter  dem  Einflufs  der  Alpen  gestanden;  denn  die  mächtige  Eis- 
decke, die  das  Alpengebirge  einhüllte,  schob  sich  auch  auf  die  Hoch- 
ebene ein  Stück  vor  und  hat  die  bemerkenswertesten  Spuren  ihrer  ehe- 
maligen Existenz  hinterlassen.  Die  am  weitesten  nach  N.  reichenden 
Moränenzüge  geben  die  Ausdehnung  der  Vereisung  an,  die  besonders 
in  den  Talzügen  der  Donauzuflüsse  sich  bemerkbar  macht.  Ohne  ihre 
Grenze  hier  im  einzelnen  genau  zu  bestimmen,  sei  nur  bemerkt,  dafs 
die  erste  Vereisung  etwa  bis  zur  geographischen  Breite  von  München 
reichte.  Für  diese  Zone  sind  die  beckenartigen  Senken  charakteristisch, 
die  teils  mit  Wasser  ausgefüllt  als  Seen  auftreten,  teils  bereits  in  Mooro 
übergegangen  sind  oder  auf  dem  Ubergangsstadium  von  einem  zum  an- 


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12.  Alpenvorland. 


45 


deren  sich  befinden.  Der  Ammersee,  der  Würm-  oder  Starnberger  See 
und  der  Chiemsee  sind  die  gröfsten.  Die  Moore  oder  Möser  (Plural, 
von  Moos)  des  Moränengebietes  (das  Wilhelmsdorfer,  Wurzacher,  Mur- 
nauer,  Schlehdorfer,  Rosenheimer  Moos)  sind  durchgehends  sog.  Hoch- 
moore, die  aus  atmosphärischem  Wasser  entstehen  und  in  lehmbedeckten 
Mulden  ruhen.  Wie  hinsichtlich  der  Beschaffenheit  des  Wassers,  so 
unterscheiden  sie  sich  auch  den  in  ihnen  auftretenden  Pflanzengattungen 
nach  von  den  Wiesenmooren.  Beachtenswert  ist  ferner,  dafs  jene  Seen 
sich  alle  innerhalb  der  Moränenlinie  halten,  also  mit  der  ehemaligen 
Vereisung  in  einem  ursächlichen  Zusammenhange  stehen  müssen.  An 
die  Moränenzone  schliefst  sich  weiterhin  jene  der  Schotterflächen  an, 
die  von  den  Gletscherschmelzwassern  aufgeschüttet  worden  sind,  im 
ganzen  wenig  Unebenheiten  zeigen,  aber  im  oberen  südlichen  Teil  ein 
bedeutendes  Gefälle  haben.  Die  deshalb  tief  eingeschnittenen  Flufstäler 
verbreitern  sich  unterhalb  mehr  und  mehr  und  gehen  schliefslich  in 
ganz  flache  Talbecken  mit  geringem  Gefälle  über.  Auch  hier  tritt  die 
Moorbildung  in  verstärktem  Mafse  auf.  Sie  ist  aber  im  Gegensatz  zu 
den  Moränenmooren  wesentlich  auf  das  Hervortreten  des  Grundwassers 
zurückzuführen,  welches  in  den  höheren,  südlichen  Schottorgebieten  ein- 
sickert, in  der  Tiefe  aber  auf  die  stark  undurchlässige  Schicht  der  ter- 
tiären Süfswassermolasse  stöfst  und  an  deren  Oberfläche  latent  in  der 
Erde  weiterfliefst.  Dieses  Wasser  tritt  in  den  Mooren  als  den  tiefsten 
Stellen  wieder  zu  Tage.  Sie  werden  deshalb  auch  Quellraoore  oder  Tal- 
moore genannt  (Penck).  Das  Dachauer  und  Erdingor  Moos  nördlich  von 
München  sind  die  ausgedehntesten.  An  diese  Zone  der  Schotterflächen 
schliefst  sich  nördlich  das  tertiäre  Hügelland  an,  welches  durch  dio 
Unterläufe  der  Alpenflüsse  tief  durchfurcht  ist.  Der  vordere  Rand  dieser 
Hochlandsplatte  bricht  steil  nach  dem  Donautal  zu  ab  und  überragt 
dieses  nicht  unbeträchtlich ;  der  relative  Höhenunterschied  nimmt  donau- 
abwärts  von  80  bis  auf  250  m  bei  Passau  zu.  Indessen  steigt  «lieser 
Rand  nicht  unmittelbar  über  dem  Donauspiegel  auf,  sondern  entfernt 
sich  oft  bedeutend  von  ihm  und  läfst  somit  Raum  für  die  grofsen  Moor- 
flächen, die  den  Hauptstrom  begleiten. 

Das  Österreichische  Alpenvorland  jenseits  der  Salzach  hat 
eine  mittlere  Höhe  von  480  m.  Diese  verhältnismäfsig  hohe  Mittelzahl 
wird  durch  die  800  m  Höhe  erreichende  Anschwellung  des  Hausruck 
bewirkt.  Das  Vorland,  welches  die  Donau  im  Norden  abschliefst,  ist  nur 
etwa  15  km  breit  und  verjüngt  sich  nach  O.  hin  immer  mehr  in  dem 
Mafse,  als  die  Alpen  selbst  sich  der  Donau  nähern.  Die  entsprechend 
kurzen  Unterläufe  der  Alpenflüsse  (Traun,  Enns,  Ybbs  [Ips],  Erfat  und 
Traisen)  durchqueren  es  und  haben  es  in  eine  Anzahl  von  Höhenzügen 
zergliedert. 

Auf  der  Schweizerischen  Hochebene  stehen  die  genannten  drei  Sren  durch 
Flüsse  miteinander  in  Verbindimg  und  werden  gemeinsam  nach  der  Aar  hin 
entwässert.  Der  Neuen  bürg  er  See,  Lac  de  NeufchAtel  (39  km  lang,  240  qkm, 
153  m  tief),  hatte  vormals  einen  etwas  höheren  Wasserstand,  der  nach  Regu- 
lierung der  Juraflüsse  auf  432,7  m  gebracht  worden  ist,  Am  oberen  Ende  liegt 
Yverdun,  das  alte  Eburodunum,  nach  welchem  der  See  im  Mittelalter  Locus 


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4G 


L  Physische  Geographie. 


Elmrodunensis  genannt  wurde.  Bei  jenem  Ort  mündet  die  Thiele  mit  der  Orbe 
ein,  um  unteren  Ende  die  Broye,  die  den  Murtensee  durchrliefst.  Die  Thiele 
oder  in  deutscher  Umformung  Zihl  führt  vom  Neuenburger  nach  dem  Biel  er 
See  hinüber,  den  sie  am  unteren  Ende  nach  der  Aare  hin  verläfst.  Die  ge- 
waltige Zufuhr  von  Wassernnissen,  die  besonders  durch  die  allerdings  nur  kurzen 
Jurazuflüsse  herbeigeführt  wurden,  die  Geschiebeablagerungen  der  Aare,  die 
rückstauend  wirkten ,  hatten  das  sog.  Seeland  durchfeuchtet  und  teilweise  in 
einen  Sumpf  verwandelt,  während  es  zur  Römerzeit  noch  ein  fruchtbares  Gebiet 
gewesen  zu  sein  scheint.  Bei  jedem  Hochwasser  wurde  es  weithin  überschwemmt. 
Schon  am  Ende  des  XVII.  Jahrhunderte  hatte  man  den  Versuch  gemacht,  das 
Wasser  aus  dem  ewigen  Sumpf  herauszuziehen  und  einen  dauernden  Abrlufs 
zu  schaffen.  Erst  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderte  aber  wurde  das 
En t wasser ungs werk  im  grofsen  Stile  durchgeführt;  der  von  La  Nicca  entworfene 
Plan  zielte  auf  eine  Senkung  der  Seespiegel  höhen  ab.  Durch  Kanalanlagen 
(Niedau — Büren,  Aarberg — Hageneck)  und  Flufskorrektionen  gelang  endlich  das 
Riesenwerk  der  Enteumpfung,  wodurch  an  16000  ha  gewonnen  wurden.  Der 
Murtensee  ist  von  434  auf  433  m  gesenkt  worden,  der  Neuenburger  See  von 
433,7  auf  432,7,  der  Bieler  See  von  432,5  auf  432  m.  Vgl.  Schneider,  Das 
Seeland  der  Westeehweiz  und  die  Korrektionen  seiner  Gewässer,  Bern  1881. 

Ein  zweites  kleineres  Seengebiet  findet  sich  innerhalb  des  Hügellandes 
zwischen  Aare  und  Reufs:  der  Sempacher  See  (14  qkm,  507  m  üb.  M.),  Bald- 
egger  See  (5  qkm)  und  llallwiler  See  10  qkm,  452  m  üb.  M.).  Ersterer  wird 
durch  die  Suhr,  letztere  beiden  durch  die  Aa  nach  der  Aare  entwässert,  über 
die  Aare  selbst  vergl.  oben  p.  36. 

Die  Oberdeutsche  Hochebene  wird  von  Flüssen  durchzogen ,  die  in  der 
westlichen  Hälfte  bis  zum  Lech  eine  mehr  südnördliche  Richtung  innehalten, 
während  sie  in  der  östlichen  Hälfte  etwas  regelloser  fliefsen,  im  allgemeinen 
aber  eine  nordöstliche  Richtung  hervortreten  lassen.  Die  grösseren  Flüsse  ent- 
springen ausnahmclos  in  den  Alpen,  wo  sie  oben  bereite  Erwähnung  gefunden 
haben,  während  die  kleineren  innerhalb  der  Hochebene  selbst  ihren  Ursprung 
haben.  Westlich  der  111er  gehört  der  südliche  Teil  mit  den  beiden  Aachflüfsehcn, 
dem  Schüssen  und  dem  Argen,  noch  dem  Rheingebiet  an.  Die  orographisch 
wenig  hervortretende  Bodenschwelle  gegen  das  Donaugebiet  bildet  einen  Teil 
der  Hauptwasserscheide  Europas,  über  die  unterirdische  Verbindung  beider 
Flufssvsteme  vgl.  unten  den  Abschnitt  über  die  Donau.  Iiier,  Lech,  Isar  und 
Inn  sind  in  den  unteren  Strecken,  wo  sie  in  breiten,  flachen  Talböden  fliefsen, 
von  vielen  Nebenrinnsalen  und  Altwassern  begleitet.  Lech  und  Wertach  haben 
«•innerhalb  der  Hochebene  das  gröfste  Gefälle;  zwischen  ihnen  liegt  bis  nach 
Augsburg  reichend  das  Lechfeld,  ein  mit  Kalkgcröllen  erfüllter  I^andstrieh 
stellenweise  mit  Torfmooren  und  einigen  fruchtbareren  Lehminscln  durchsetzt 
—  Ein  linksseitiger  Nebenfluls  der  Isar  ist  die  Ammer  (Ambra),  die  den  gleich- 
namigen See,  Ambriuc  locus  durchfliefst  (46  qkm,  540m  üb.  M.,  82  m  tief).  Un- 
weit südöstlich  von  ihm  liegt  der  Würm-  oder  Starnberger  See  (48  qkm, 
583  m  üb.  M.,  245  m  tief).  Er  wird  von  der  Würm  durchflössen,  die  dem 
Dachauer  Moos  sich  zuwendet,  durch  Kanäle  aber  schon  vorher  mit  der  Isar 
unterhalb  München  direkt  in  Verbindung  gesetzt  ist. 

Der  gröfste  ist  der  Chiemsee,  das  Bairische  Meer  genannt  (192  qkm, 
503  m  üb.  M.,  89  m  tief)  mit  flachen  Ufern.  Er  mute  ehedem  eine  weit  grö  teere 
Ausdehnung  gehabt  haben,  auch  nach  der  Gebirgsseite  im  S.,  wo  die  alte 
Römerstrafse  im  Bogen  herumführte,  während  sich  jetzt  die  Eisenbahn  etwas 
nördlicher  hält.  Er  hat  seinen  Namen  nach  dem  am  Ostufer  gelegenen  Chie- 
ming und  wird  so  schon  seit  dem  VIII.  Jh.  genannt:  Chiminsaeo,  Chiminsct. 
Kit'inse,  Chemikern;  auch  der  zugehörige  Gau  Chiminegowe  heifst  nach  ihm. 
Sein  Zutlufs  im  S.  ist  der  aus  dem  Leukental  hervorgehende  Achen,  sein  Ab- 
flute die  Alz.  die  in  den  Inn  mündet.  In  der  südwestlichen  Ecke  liegen  zwei 
Inselchen :  Herrenwörth  (Herrenchiemsee)  mit  einer  im  VIH.  Jh.  gegründeten 


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13.  Dunau. 


47 


Benediktinerabtei  (—1803)  und  Frauen  Wörth  (Frauenchiemsee)  mit  ehemaliger 
Benediktinerinnenabtei. 

Walther,  Topische  Geographie  von  Bayern,  München  1844.  Penck, 
Vergletscherung  der  Deutschen  Alpen,  Lpz.  1882.  Gruber,  Das  Münchener 
Becken,  in  Forsch,  z.  dt.  Ixlkde.  1  (1885),  wo  u.  a.  besonders  die  Moorbil- 
dungen behandelt  werden ;  die  Literatur  über  sie  gibt  er  im  Jahresber.  d.  Geogr. 
Ges.  München  1884.    Penck,  Deutsches  Reich  p.  135  ff. 

18.  Donau.  Im  Gegensatz  zu  den  übrigen  grofsen  mitteleuropäischen 
Strömen,  die  im  allgemeinen  in  nördlicher  Richtung  der  Nord-  und 
Ostsee  zustreben  und  das  Binnenland  dem  Meere  und  dem  Weltverkehr 
erschliefsen ,  bildet  die  Donau  als  einziger  Flufs  dieser  Art  die  grofse 
Diagonale  durch  den  Rumpf  des  Kontinents.  Sie  führt  allerdings  nicht 
in  das  offene  Weltmeer,  sie  hat  aber  in  der  Geschichte  als  Naturstrafse 
zwischen  Westeuropa  und  Halbasien  oftmals  eine  grofse  Rolle  gespielt 
und  die  friedlichen  wie  feindlichen  Beziehungen  zwischen  West  und  Ost 
vermittelt.  Die  vielerlei  Hindernisse,  die  das  Strombett  solbst  und  das 
Tal  bieten,  haben  sie  freilich  niemals  zu  einer  Verkehrsstrafse  ersten 
Ranges  gedeihen  lassen;  es  ist  jedoch  hierbei  zu  berücksichtigen,  dafs 
das  ganze  untere  Donauland  jahrhundertelang  im  türkischen  Macht- 
bereiche gelegen  hat.  Der  Levantehandel  umging  es  daher  und  wählte 
allen  natürlichen  Gegebenheiten  zum  Trotz  die  umständlich  zu  passieren- 
den Alpenstrafsen. 

Die  Donau  ist  sowohl  der  Länge  als  auch  dem  Stromgebiet  nach 
nächst  der  Wolga  der  zweitgröfste  Strom  Europas.  Der  gewaltige  2860  km 
lange  Strom,  der  ein  Gebiet  von  817000  qkm  entwässert,  durchfliefst 
wie  kein  zweiter  europäischer  Flufs  die  verschiedenartigsten  geographischen 
Provinzen,  und  sein  Tal  zeigt  daher  oine  ebenso  mannigfaltige  Beschaffen- 
heit. Bald  strömt  er  im  tischgleichen  Flachland  dahin  und  hat  kaum 
die  Kraft,  seine  Sedimente  mit  fortzuschleppen,  bald  wieder  zwängt  er 
sich  durch  ein  enges  Gebirgstor  hindurch ,  wo  die  Bergwände  steil  aus 
dem  Wasser  aufsteigen.  Die  beiden  Quellbäche  Brege  und  Brigach 
liegen  am  Abhänge  des  Sehwarzwaldes  und  vereinigen  sich  bei  Donau- 
eschingen, wo  sie  durch  einen  dritten  Quellbach  noch  verstärkt 
werden.  Der  vereinigteFlufs  durchbricht  dann  den  .Jurazug  in  einem 
malerischen  Tal  bis  unterhalb  Sigmaringen,  um  von  Scheer  an  in  ein 
etwas  breiteres  Talbecken  einzugehen.  Von  Ulm  an ,  wo  er  eine  Höhe 
von  466  m  üb.  M.  hat,  wird  das  Tal  immer  breiter,  grofse  Moor- 
flächen, das  sog.  Donauried ,  begleiten  ihn  dann  auf  beiden  Seiten. 
Erst  unterhalb  der  Lechmündung  bei  Xeuburg  tritt  eine  Verengerung 
des  Talbettes  ein ,  worauf  dann  wieder  das  weite  Tal  hecken  von  Ingol- 
stadt folgt,  wo  der  Strom  viele  Nebenrinnsale  zeigt  und  zur  Rechten 
das  Donaumoos  streift.  Bei  Kelheim,  wo  die  Altmühl  mündet,  stellt 
sich  die  zweite  Verengerung  des  Tales  ein.  die  fast  bis  zur  Ein- 
mündung der  Naab  den  Flufs  begleitet.  Bei  Regensburg  (340  m)  hat 
die  Donau  ihren  nördlichsten  Punkt  erreicht  und  wendet  sich  von 
hier  südöstlich  auf  Passau  (287  m)  zu;  sie  durchströmt  ein  weites  Tal. 
welches  im  Gegensatz  zu  den  voraufgehenden  sumpfigen  Talbecken 
durch  grofse  Fruchtbarkeit  ausgezeichnet  ist  und  den  sog.  Dungaboden 


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48 


L  Physische  Geographie. 


oder  Dunkelboden  (auch  Donaugauboden)  bildet,  in  dessen  Mitte  Straubing 
gelegen  ist.  Sie  begrenzt  im  weiteren  den  Südrand  des  Bairischen 
Waldes.  Da  bei  Peitling  auch  von  S.  her  die  Bairische  Hochebene  in 
beträchtlicher  relativer  Höhe  an  sie  herantritt,  so  wird  ihr  Talboden 
von  neuem  stark  eingeengt,  und  dies  nimmt  flufsabwärts  noch  mehr  zu. 
Bei  Passau  mündet  überdies  der  Inn  ein,  so  dafs  auch  ihre  Wasserfülle 
entsprechend  verstärkt  wird  und  die  Flufsspiegelbreite  auf  200  m  ansteigt. 
Auch  unterhalb  Passau  bis  Aschach  fliefst  sie  in  engem  Talbett  von 
liohem  malerischen  Reiz,  dem  Rhein  vergleichbar.  Auf  österreichischem 
Gebiet  wiederholen  sich  die  Talweiten  und  Talengen  mehrmals  hinter- 
einander, denn  der  Strom  hat  hier  die  herüberreichenden  Massive  des 
Böhmerwaldes  durchbrechen  müssen.  Er  tritt  bei  Aschach  in  das 
Becken  von  Eferding,  wo  er  sich  wieder  stark  zerteilt.  Nach  Passieren 
eines  Granitriegels  erreicht  er  das  langgestreckte  Becken  von  Linz  und 
Enns  mit  abermaligen  Flufsteilungen  besonders  unterhalb  der  Traun  und 
der  Enns.  Bei  Grein  beginnt  dann  ein  sehr  langes  Durchbruchstal, 
welches  wegen  seiner  Gefährlichkeit  in  früherer  Zeit  auch  ein  empfind- 
liches Hindernis  für  die  Schiffahrt  gebildet  hat.  Stromschnellen,  der 
»Schwall  und  der  Strudel«  stellen  sich  hier  ein.  Eine  andere  Schnelle,  der 
»Wirbel«,  ist  seit  1861  durch  Sprengungen  gänzlich  beseitigt  worden.  Die 
Talengen  halten  an,  nur  einmal  unterbrochen  durch  das  kleine  Becken 
von  Ips.  Bei  Krems  tritt  dann  wieder  eine  beträchtliche  Erweiterung 
des  Tales  ein,  das  sog.  Tullnerbecken.  wo  der  Strom  wie  im  Flachlande 
fliefst  und  sich  mehrfach  verzweigt,  so  dafs  ein  ausgebildetes  System  von 
Nebenrinnsalen  geschaffen  wird ,  an  dem  auch  die  hier  einmündenden 
kleineren  Flüsse  mitbeteiligt  sind.  Die  letzte  Enge  folgt  dann  zwischen 
Kor-  und  Klosterneuburg,  wo  der  Strom  zur  Rechten  die  letzten  Aus- 
läufer der  Alpen  berührt  und  in  die  grofse  Tieflandsmulde  von  Wien 
eintritt.  Sie  bildet  eine  lange,  hin  und  wieder  auch  von  Hügeln  durch- 
setzte Einsenkung,  die  nach  beiden  Seiten  hin  flügelartig  ausladet.  Der 
Abschnitt  nördlich  der  Donau  bildet  das  von  der  unteren  March  durch- 
flossene  fruchtbare  Marchfeld,  während  der  südliche  Abschnitt  zwischen 
den  Alpen  und  dem  Leithagebirge  bis  über  Wiener- Neustadt  hinaus- 
reicht und  in  seinem  südlichsten  Teile  das  Neustädter  Steinfold  bildet. 
Die  aus  den  Alpen  hervorgehenden  Flüfschen  Schwechat,  Triesting, 
Piesting  und  Leitha  lenken  sämtlich  nach  N.  ein  und  durchfliefsen  den 
südlichen  Abschnitt  der  Länge  nach.  Die  Donau  flofs  hier  in  einem 
sehr  unbestimmten,  infolge  der  Überschwemmungen  sich  häufig  ver- 
änderndem Bett  und  gefährdete  ihre  Umgebung,  nicht  zum  wenigsten 
auch  die  Hauptstadt.  Die  Flufskorrektion  hat  diesem  Übelstande  abge- 
holfen. Durch  die  Enge  von  Theben  oberhalb  Prefsburg  zwischen  den 
Kleinen  Karpathen  und  dem  Leithagebirge  verläfst  die  Donau  das 
Wiener  Becken  und  tritt  in  die  Kleine  ungarische  Tiefebene  ein.  Sie 
hat  hier  an  der  Porta  Hungarica  eine  Breite  von  290  m  und  eine  Tiefe 
bis  zu  6  m  erreicht. 

Die  Griechen  lernten  die  Donau  im  VII.  vorchristlichen  Jahrh.  kennen  und 
nannten  sie  nach  der  thrakisthrii  Bezeichnung  Istros  (irsTQo;),  ein  Name,  den 


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13.  Donau.  49 


auch  die  Römer  als  Ister,  Hitter  beibehielten.  Bei  Stephanos  und  Eustathios 
wird  auch  noch  von  einem  älteren  Namen  Maroa?  berichtet,  für  den  skythi- 
schcr  Ursprung  vermutet  wird.  Der  Name  Danuvius  wird  uns  zuerst  bei  Caesar 
(bell.  gall.  VI.  25)  erwähnt,  dann  bei  Sallust  (Hißtor.  fragm.  III,  79).  Letzterer 
scheint  Danuvius  und  Hister  schon  als  Namen  eines  und  desselben  Flusses  ge- 
kannt und  jenen  für  den  Oberlauf,  diese«  für  den  Unterlauf  verwendet  zu 
haben,  was  später  allgemein  üblich  wurde.  Über  den  Grenzpunkt  beider  Namen 
innerhalb  der  Stromstrecke  gingen  die  Ansichten  der  Alten  auseinander.  Nach 
Plinius  IV,  79  wurde  der  Flufs  bis  zur  illyrischen  Grenze  Danuvius  genannt, 
was  mit  Appian  (lllyr.  22),  der  den  Trennungspunkt  am  Einflufs  der  Savc  in 
die  Donau  ansetzt,  sich  vereinbaren  läfst.  StraDo  VII,  305  sucht  ihn  bei  den 
Katarakten  (am  eisernen  Tor),  Itolemäus  III,  10,  1  bei  der  untermösisehen 
Stadt  Axiupolis  und  andere  wieder  an  anderen  Stellen.  Indessen  schon  Plinius 
und  noch  mehr  die  Späteren  gebrauchen  Danuvius  und  Hister  unterschiedslos 
für  den  ganzen  Flufs.  Auf  den  Inschriften  lautet  die  Form  fast  ausnahmelos 
Danuvius.  während  die  Handschriften  meist  Danubius  haben,  was  durch  die 
griechische  Form  Juvavßmq  mit  befördert  sein  mag.  Dafs  der  Name  keltischer 
Abkunft  ist,  gilt  jetzt  allgemein  als  sicher.  Vgl.  im  übrigen  den  sehr  ausführ- 
lichen Artikel  Danuvius  von  Brandis  in  Wissowas  Realencyklopädie  IV  (1901). 
Müllenhoff  DA.  II,  362  ff.  Im  Mittelalter  werden  die  lateinischen  Namens- 
formen verwendet.  Im  Nibelungenlied  heifst  der  Flufs  Tuonowe,  im  XVI.  und 
XVII.  Jh.  sind  Formen  wie  Tutuiw,  Dunatc,  Donato  häufig. 

Die  Wasserscheide  zwischen  Donau  und  Rhein  ist  eine  wenig  hervor- 
tretende Bodenschwelle,  die  durch  Moränenzüge  markiert  ist.  Es  darf  jetzt  als 
erwiesen  angesehen  werden,  dafs  zwischen  dem  oberen  Donaulauf  und  dem 
Rheinsystem  eine  unterirdische  Verbindung  existiert.  Zwischen  Immendingen 
imd  Möhringen  verliert  die  Donau  in  den  Kalken  des  Weifsen  Jura  viel  Wasser, 
welches  12  km  entfernt  in  der  Aachquelle  bei  Aach  im  Hegau  wieder  hervor- 
tritt. Diese  Tatsache  ist  bereits  1719  vom  Prälaten  Brenninger  erkannt  worden. 
Auch  sonst  macht  sich  die  Tendenz  bemerkbar,  dafs  die  obere  Donau  einen 
Anschlufs  an  den  Rhein  sucht;  so  verlängert  der  Krottenbach,  ein  Nebenflufs 
der  Wertach,  sein  Tal  rückwärts  und  ist  nur  noch  5  km  von  der  Donau  ent- 
fernt, so  dafs  er  sie  unterhalb  Donaueschingen  dereinst  zu  sich  ablenken  kann. 
Über  »Die  Talgeschichte  der  obersten  Donau«  handelt-Penck  in  den  Schriften 
des  Ver.  f.  Gesch.  des  Bodensees  und  Umgebung,  28.  Heft,  117—130.  Den  Be- 
weis für  die  hydrographischen  Beziehungen  zwischen  Donau  und  Aachquelle 
erbrachte  A.  Knop,  im  Neuen  Jahrb.  f.  Mineral.  1878,  p.  350.  Endrifs, 
Die  Versink img  der  oberen  Donau  zu  rheinischem  Flufsgebiete,  Stuttg.  1900. 
Sieger,  Zur  Talgeschichte  des  ober.  Donaugebietes,  Petcrm.  Mitt.  1901,  p.  57  f. 

Von  Ulm  an  ist  die  Donau  von  Mooren  begleitet,  die  besonders  auf  der 
rechten  Seite  stark  vertreten  sind ;  oberhalb  der  Lechmündung  ist  es  das  Donau- 
ried, weiter  unterhalb  gegenüber  von  Neuburg  und  Ingolstadt  das  Donaumoos. 
Sie  sind  in  erster  Reihe  auf  die  Durchnetzung  des  Talbodens  mit  rückgestautem 
und  durchgesickertem  Flufswasser  zurückzuführen,  femer  auf  die  hier  sich 
öffnenden  Quellen  und  die  Überschwemmungen,  die  bei  dem  geringen  Gefälle 
sehr  leicht  eintreten.  Eine  Austrocknung  und  Kultivierung  des  Donaumooses 
hatte  schon  Ende  des  XVIII.  Jh.  begonnen ;  einige  Kolonien  haben  dort  auch 
Fufs  fassen  können.  'Schrank,  Naturhistor.  u.  Ökonom.  Briefe  über  das  Donau- 
moor,  Mannheim  1795.  Are t in,  Aktenmäfsige  Donaumoorkulturgeschichte, 
1795.  Stengel,  Die  Austrocknung  des  Donaumoores,  1792.  Pechmann, 
Gesch.  d.  Austrocknung  u.  d.  Kultur  des  Donaumoores  in  Baiern,  1832, 
mit  Karte. 

Bei  Ulm  beginnt  die  Schiffbarkeit  für  Fahrzeuge  von  200  Tonnen,  bei 
Regensburg  bis  900  Tonnen;  bei  Passau  ist  sie  für  gröfsere  Dampfer  schon  ge- 
eignet. Für  den  Verkehr  stellten  sich  Schwierigkeiten  besonders  in  den  Durch- 
bruchstälern ein,  wo  Felsenriegel  die  Passage  sperrten ;  aber  nicht  geringer 
waren  die  Hindernisse  in  den  flachen  Talbecken,  in  denen  der  sedimentreiche 

Kretuchmer,  Historische  Oeofrraphie.  4 


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50 


I.  Physische  Geographie. 


Flufs  seinen  Lauf  nach  Überschwemmungen  mehrmals  geändert  hat.  Uni- 
fassende Korrektionen  wurden  deshalb  bei  Wien  vorgenommen.  Ein  Norrnal- 
bett  von  285  m  Breite  ist  von  Nufsdorf  fast  geradlinig  geführt  worden,  so  dafs 
hierdurch  die  nach  N.  gerichteten  Bogenlinien  des  natürlichen  Flufslaufes  ab- 
gekürzt werden  konnten  und  die  Donau  ein  Stück  näher  an  Wien  heran- 
gebracht worden  ist. 

Peters,  Die  Donau  und  ihr  Gebiet,  eine  geologische  Studie,  Lpz.  1875. 
Götz,  Das  Donaugebiet,  Stuttgart  1882  (berücksichtigt  besondere  die  Verkehrs- 
geographie). Lorenz- Li bu mau,  Die  Donau,  ihre  Strömungen  u.  Ablage- 
rungen, Wien  1890.    Penck,  Die  Donau,  1891. 

14.  Oberrheinische  Tiefebene.  Die  Herausbildung  jener  35  km 
breiten  und  300  km  langen  Senke  von  Basel  bis  Bingen ,  welche  der 
Rhein  ihrer  ganzen  Länge  nach  durchfurcht,  steht  in  ursächlichem 
Zusammenhang  mit  den  sie  beiderseitig  einschliefsenden  Gebirgsflanken 
und  Terrassenlandschaften.  Sie  ist  das  Ergebnis  einer  während  der 
Tertiärzeit  erfolgten,  grabenartigen  Versenkung.  Die  symmetrische  Anord- 
nung der  geologischen  Formationen  zu  beiden  Seiten  und  die  gesamte 
orographische  Gliederung  berechtigen  zu  jener  Schlufsfolgerung.  Die 
Unterlage  des  Ganzen,  das  aus  Gneis  und  Granit  bestehende  Grund- 
gebirge, tritt  an  den  Steilabhängon  der  Randgebirgo  nach  der  Rheinebene 
zu  noch  unverhüllt  zu  Tage  und  bildet  hier  auch  die  Maximalerhebungen, 
die  in  runden  Kuppen  aufragen.  Dies  gilt  besonders  von  den  beiden 
südlichen  Gebirgswällen ,  Vogesen  und  Schwarzwald.  Eine  lange  an- 
dauernde Abtragung  des  Gebirges  durch  die  Atmosphärilien  (Denudation) 
hat  die  ehedem  darüber  gelagerten  mächtigen  Schichten  der  Trias  und 
des  Jura  zum  Teil  beseitigt,  so  dafs  das  Grundgebirge  entweder  selbst 
hervortritt,  oder  nur  noch  die  Sandsteindecken  der  älteren  Trias  auf- 
lagern. Als  die  Einsenkung  zwischen  den  links-  und  rechtsrheinischen 
Gebirgssystemen  erfolgt  war,  da  trat  in  der  mittleren  Tertiärzeit  (Oligozän) 
das  Meer  in  die  Furche  der  heutigen  Rheinniederung  ein ;  aber  die  von 
den  Randgebirgen  herabgeführten  Sedimente  (eben  jene  jurassischen  und 
triassischon  Schichten)  füllten  die  Senke  allmählich  aus,  und  seit  der 
frühen  Diluvialzeit  wirkte  in  derselben  Weise  auch  der  Rhein  mit,  der 
damals  sich  seinen  Weg  durch  den  Jura  unterhalb  des  Bodensees  gebahnt 
hatte.  Als  sich  in  der  späteren  Diluvialzeit  eine  Steppenlandschaft  daselbst 
entwickelte,  häufte  der  Wind  auf  den  tonigen  und  sandigen  Schichten 
Sanddünen  auf,  während  dio  feineren  staubähnlichen .  Verwehungen  als 
fruchtbarer  Löfs  an  den  Randgebirgen  bis  über  350  m  hinauf  sich 
ablagerten.  —  Der  Boden  der  heutigen  Rheinischen  Tiefebene  ist  eine 
durchaus  flache  Niederung,  die  nur  im  südlichen  Teil  eine  Unterbrechung 
erfährt  durch  den  aus  vulkanischen  Massen  aufgebauton  Kaiserstuhl  und 
die  anschliefsende  Hügelzone  des  Tuniberges. 

Der  Rhein  verläfst  den  Bodensee,  den  er  als  Läuterungsbecken  benutzt 
hat,  als  klarer  Bergstrom  und  durchbricht  die  vorgelagerten  Juiakalkmassen. 
Unterhalb  Schaphausen  windet  er  sich  in  tiefer  Sehlucht  durch  sie  hindurch 
und  steigt  über  eine  Stufe  von  24  m  Höhe  abwärts  (Rheinfall).  Unterhalb  der 
Aarmündung  treten  Verengungen  des  Talbettes  mit  Strudel  und  Stromschnellen 
häutiger  auf;  besonders  bei  Grofs-  und  Klein  Laufenberg  zeigt  sich  ein  sehr 
beträchtliches  Gefälle. 


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IB.  Linksrheinische  llandgebirjre. 


51 


Sobald  tler  Strom  bei  Basel  die  Tiefebene  betritt,  ändert  sich  auch  der 
Charakter  seines  Tales.  Er  ist  zunächst  noch  immer  das  wilde  Bergwasser, 
schon  infolge  des  nicht  unbeträchtlichen  Gefälles  bis  zur  Einmündung  der  III; 
aber  die  Uferränder  sind  meist  flach  und  der  Flnfs  spaltet  sich  in  zahllose 
Arme,  die  innerhalb  des  heute  vorgezeichneten  Normalbettes  liegen.  Inmitten 
der  Teil-  und  Nebenarme  liegt  das  Hauptbett  des  Stromes,  welches  bei  Alt- 
Breisach  sehon  die  Breite  von  186  m  hei  Niedrigwasser  hat.  Von  der  lllmün 
dung  an  treten  diese  Flufszerteilungen  etwas  zurück;  der  Strom  bildete  statt 
deren  grofse  Serpentinen,  die  durch  die  moderne  Stromregulierung  erheblich 
abgekürzt  worden  sind.  Veränderungen  des  Hauptstrombettes  im  Laufe  der 
geschichtlichen  Zeit  sind  natürlich  zahlreich  gewesen,  und  auch  die  Siedelungen 
wurden  hierdurch  beeinflufst.  indem  einzelne  insular  umschlossen  wurden  und 
der  anfängliche  Teilarm  sich  zum  Hauptarm  entwickelte,  wodurch  auch  Ort- 
schaften auf  ganz  natürlichem  Weg  von  der  einen  Uferseite  auf  die  andere 
verlegt  wurden.  Auch  sonst  fanden  Veränderungen  im  System  der  Neben- 
flüsse statt,  indem  diese  häufig  kurz  vor  ihrer  Einmündung  in  den  Rhein  eines 
der  Altwasser  des  Stromes  benutzten  und  damit  ihren  eigenen  Lauf  nicht  un- 
erheblich verlängerten,  wie  dies  beim  Zorn-  und  Modern* üfschen  U.  v.  a.  zu 
beobachten  ist.  Alle  diese  natürlichen  Flufsverlegungen  sind  auch  für  die  poli- 
tische Geographie  von  Bedeutung  geworden,  und  die  Abgrenzung  der  Terri- 
torien war  durch  sie  sehr  wesentlich  becmtlufst  und  Austausch  von  Gebiets- 
teilen zuweilen  die  Folge  (s.  später  in  den  einschlägigen  Abschnitten  der  poli- 
tischen Geographie).  —  Das  Gefälle  des  Rheins  auf  dieser  Strecke  wird  durch 
folgende  Ilöhenzahlen  charakterisiert:  Konstanz  395  m,  bei  Basel  241  m,  Kehl 
133  m,  Mannheim  87  m.  Mainz  80,7  m,  Bingen  77  m.  Die  Nebenflüsse  haben 
alle  ihren  Ursprung  in  den  einschliefsenden  Randerhebungen  und  Terrassen- 
landschaften.  Nur  die  III  (IUa,  YUa)  macht  hiervon  eine  Ausnahme ;  sie  ent- 
springt bei  Pfirt  auf  dem  Schweizer  Jura  und  sammelt  auf  ihrer  linken  Seite 
die  verschiedenen  Vogesenbäche  in  ihrer  Ader.  Nach  205  km  langem  Lauf 
mündet  sie  15  km  unterhalb  Strafsburg  in  den  Rhein. 

Lepsius,  Die  Oberrheinische  Tiefebene  und  ihre  Randgebirge,  Stuttg. 
1885.  —  Der  Rh  ein  ström  und  seine  wichtigsten  Nebenflüsse  von  den  Quellen 
bis  zum  Austritt  des  Stromes  aus  «lern  Deutschen  Reich.  Eine  hydrographische, 
wasserwirtsehaftl.  und  wasserrechtliche  Darstellung  mit  vorzugsweise  eingehender 
Behandlung  des  deutsehen  Stromgebietes.  Im  Auftrag  der  Reichskonmiission 
zur  Untersuchung  der  Rheinstromverhältnisse  hergb.  vom  Zentralbureau  f. 
Meteorol.  und  Hydrographie  im  Grofsh erzogt,  Baden,  mit  Karten,  Berlin  1889. 
Beyerhaus,  Der  Rhein  von  Strafsburg  bis  zur  holländischen  Grenze  in  tech- 
nischer und  wirtschaftlicher  Beziehung,  Koblenz  1902. 

15.  Linksrheinische  Kandgeblrge.  Die  Vogesen  und  die  Hardt 
bilden  den  westlichen  Abschlufs  der  Oberrheinischen  Tiefebene.  Sie 
kehren  ihr  die  steile  östliche  Seite  zu,  während  sie  nach  W.  hin  sich 
allmählicher  nach  dem  lothringischen  Hochlande  zu  abdachen.  Ihre 
tektonisebe  Herausbildung  ist  auf  denselben  geologischen  Akt  zurück- 
zuführen; sie  sind  ein  einheitlich  entwickeltes  Horstgebirge,  welches 
in  der  Senke  bei  Zabern  (zwischen  Pfalzburg  und  Lützelburg)  eine  keines- 
wegs sehr  tiefgreifende  Trennung  zwischen  den  höheren  Randgebirgen 
im  N.  und  im  S.  erfährt.  Trotzdem  sind  beide  Gebirge  geognostisch 
wie  orograplüsch  verschieden  beanlagt.  Die  Vogesen  setzen  sich  aus 
drei  parallel  verlaufenden  Zügen  zusammen,  die  etwa  je  10  km  von 
einander  entfernt  sind.  Der  mittlere  Höhenzug  (Hauptkamm)  mit  einer 
Durchschnittshöhe  von  1100  m  beginnt  im  S.  bei  der  Lücke  von  Beifort 
mit  der  Planche  des  belles  filles  und  zieht  über  den   1254  m  hohen 

4" 


52 


I.  Physische  Geographie. 


Elsasser  Beleben  (Ballon  (VAlsace),  den  Hohneck  (1366  m)  und  weiterhin 
das  Hochfeld  (1095  m)  bis  zum  Tal  der  Breusch.  Diesem  Zug  ist  im 
O.  ein  zweiter  vorgelagert,  der  noch  gröfsere  Höhen  erreicht,  aber  durch 
die  auf  der  mittleren  Kette  entspringenden  Flüfschen  unterbrochen  ist. 
Ihm  gehört  auch  der  höchste  Berg  der  Vogesen,  der  Sulzer  Belchen 
(1426  m)  an,  und  er  reicht  nördlich  bis  zum  Mennelstein,  wo  er  am 
Breusch tal  ebenfalls  seinen  Abschlufs  findet.  Der  dritte,  westliche  Zug 
hat  die  gröfste  Längenerstreckung;  er  beginnt  in  dem  Flufsbogen  der 
Moselotte  und  streicht  nordwärts  über  den  Dornum  (1010  m)  bis  zur 
Zaberner  Steige,  die  bis  zu  404  m  absinkt,  läfst  sich  aber  noch  darüber 
hinaus  bis  in  die  Hardt  verfolgen.  Er  ist  fast  ausschliefslich  aus  Sand- 
stein zusammengesetzt,  im  Gegensatz  zu  den  beiden  anderen  Kämmeu, 
die  der  kristallinen  Formation  angehören.  Die  obere  Breusch  fliefst 
in  der  Furche  zwischen  der  mittleren  und  der  westlichen  Kette.  Die 
Wasserscheide,  die  von  S  an  sich  in  der  mittleren  Kette  hält,  wird  im 
Quellgebiet  der  Breusch  nach  der  westlichen  Kette  hinübergelenkt. 
Die  Senke  von  Saales  zwischen  beiden  bildet  den  Übergang. 

Jenseits  der  Einsattelung,  welche  das  Zorntal  bildet,  und  welche 
bis  nach  Lützelstoin  reicht,  erhebt  sich  der  Boden  zum  Plateau  von 
Bitsch,  welches  schon  einen  Teil  der  Hardt  bildet.  Während  die  Vogesen 
noch  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit  in  geognostischer  Beziehung  hervor 
treten  lassen ,  ist  die  Hardt  ausschliefslich  ein  Sandsteingebirge  (Bunt- 
sandstein) zu  nennen.  Auch  bei  ihr  liegt  die  Haupthöhenlinie  hart  am 
östlichen  Rand  nach  dem  Rheintal  und  läfst  sich  bis  nach  Dürkheim 
verfolgen.  Die  Maximalerhebung  ist  der  Kalmit  mit  681  m.  Die  Lauter 
bei  Weifsenburg,  die  Queich  bei  Landau  und  der  Speierbach  bei  Neustadt 
brechen  quer  durch  den  Randzug  durch  und  haben  die  Sandsteinschichten 
bis  auf  das  Grundgebirge  erodiert.  Auch  in  der  Hardt  ist  ein  zweiter 
Parallelzug  in  15  km  Entfernung  mit  Höhen  bis  über  600  m  nachzuweisen, 
und  schliefslich  ein  dritter,  der  als  die  direkte  Fortsetzung  des  westlichen 
Vogesenkammes  anzusehen  ist.  Er  stellt  freilich  nur  eine  mäfsige 
Erhebung  dar,  da  er  an  seinem  nördlichen  Ende  in  der  Sickinger  Höhe 
zwischen  Kaiserslautern  und  Landstuhl  nur  475  m  im  Maximum  erreicht. 
Beim  Volk  heifst  er  die  Frankenweide.  Die  Wasserscheide  zwischen 
Nahe  und  Saar  einerseits  und  den  Rheinflüi'schen  nach  0.  anderseits 
liegt  zum  gröfsten  Teil  in  der  mittleren  Höhenzone.  Der  Nordrand  der 
Hardt  wird  durch  die  Linie  von  Göllheim  über  Kaiserslautern,  Homburg 
nach  Saarbrücken  dargestellt.  Sie  verläuft  von  Kaiserslautern  an  in 
dem  30  km  langen  Tale  des  sog.  Landstuhler  Bruchs.  Er  schliefst  den 
westlichen  plateauartdgen  Teil  der  Hardtlandschaft,  den  Pfälzer  Westrich, 
ab;  er  bildet  aber  auch  eine  geologische  Grenze  zwischen  der  Trias  im 
SO.  und  dem  Karbon-  und  Dyasgebiet  im  NW. 

Das  Pfälzer  Bergland  mit  seinen  zahlreichen  Steinkohlenflözen 
umfafst  das  letztere.  Es  reicht  nördlich  bis  an  die  Nahe  heran.  Eine 
markante  Erhebungslinie  fehlt  ihm  gänzlich,  im  Gegenteil  gröfsere 
Erhebungen  treten  immer  nur  gruppenweise  auf  und  unter  ihnen  als 
höchste  der  687  m  hohe,  aus  Porphyr  bestehende  Donnersberg  (Dors- 


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16.  Lothringisches  Stufenland.  53 

berg)  mit  seinen  schönen  Buchen-  und  Eichenwäldern.  Der  aus  Gebilden 
der  Steinkohlenperiode  zusammengesetzte,  von  Saarbrücken  nach  St. 
Ingbert  nordöstlich  streichende  Streifen  legt  Zeugnis  von  der  in  früher 
geologischer  Zeit  üppig  wuchernden  Vegetation  ab,  die  in  Verbindung 
mit  Geröllmassen  die  tiefe  Depression  zwischen  dem  Rheinischen  Schiefer- 
gebirge und  der  süddeutschen  Bodenschwelle  in  der  Karbonzeit  ausgefüllt 
hat.   Jene  Pflanzenschichten  liefern  heute  die  produktive  Steinkohle. 

Die  Vogesen  treten  unter  diesem  Namen  schon  im  Altertum  auf.  Bei 
Caesar,  b.  g.  IV,  10  wird  der  Vosegus  mons  genannt,  eine  Form,  die  uns  auch 
inschriftlich  so  überliefert  ißt;  desgleichen  die  Nebenform  Yosagua  (Plin.,  Tab. 
Peutinger.,  Gregor  Tur.  X,  10).  Doch  schon  im  XII.  Jh.  tritt  die  Umstellung 
von  g  und  s  auf,  statt  Vosegus  auch  Vogesus  und  Yogasus  (Vita  Theogeri,  SS. 
XII.  466).  Die  letztgenannten  Formen  traten  zwar  stete  zurück,  bis  sie  im 
XVII  Jh.  aus  schlechten  Handschriften  wieder  in  Aufnahme  gebracht  wurden. 
Sie  haben  sich  in  der  deutschen  Form  Vogesen  noch  erhalten,  während  die 
französische  Vosges  richtig  gebildet  ist.  Die  eigentlich  urdeutschc  Form  ist 
Wasgau,  Wasgenwald,  welches  sich  aus  Vosagus  über  verschiedene  Mittcl- 
fonnen  fortentwickelt  hat :  Wasegus  (VIII.  Jh.),  Wasacus,  Wasichen  (XIV.  Jh.),  Waz- 
g>mc,  Wassgaw  (XV.  Jh.).  —  Die  Hardt,  auch  Haardt,  Hard  geschrieben,  ist  als 
Sandsteinplateau  für  die  Landwirtschaft  nicht  von  grofser  Bedeutung.  Buchen- 
und  Eichenwälder  nehmen  weit  über  die  Hälfte  des  Landes  ein.  Sie  trägt 
daher  heute  ihren  Namen  noch  mit  Recht;  er  bedeutet  nichts  anderes  als 
»Wald«  schlechthin  und  ist  somit  gleichbedeutend  mit  Harz.  —  Die  Täler  der 
Vogesen  haben  nach  der  Rheinseite  zu  alle  eine  kurze  Entwickelung  bei  recht 
bedeutendem  Gefälle.  Die  Quellen  liegen  in  nächster  Nähe  des  Kammes  und 
die  obersten  Talenden  sind  mehrfach  durch  kleine  Seen  ausgezeichnet;  die 
gröfsten  von  ihnen  (von  Retournemer,  Longemer,  Gerardmer)  liegen  auf  der 
französischen  Seite  der  Vogesen.  Das  Gletseherphänom  war  auch  in  ihnen 
ehemals  vertreten  und  hat  beachtenswerte  Spuren  hinterlassen.  Die  III,  die 
dem  Fufs  des  Gebirges  in  einiger  Entfernung  entlang  läuft,  fängt  die  Abflüsse 
des  Gebirges  auf,  um  sie  dem  Rhein  zuzuführen.  Es  sind  dies  1.  die  Doli  er 
i(Mruna)  (Chron.  Ebersh.)  aus  dem  Tal  von  Mafismünster;  2.  die  Thür,  am 
Rheinkopf  entspringend,  aus  dem  St.  Amarintal;  sie  teilt  sich  in  der  Niederung 
in  zwei  Arme,  von  denen  der  eine  bei  Ensisheim  in  die  Dl  mündet,  der  andere 
aber  seinen  Lauf  ein  beträchtliches  Stück  bis  über  Colmar  hinaus  fortsetzt; 
3.  die  Fecht,  am  Hoheneck  entspringend,  durchzieht  das  Münstertal;  4.  die 
heb  er  (Lebrath)  aus  dem  gleichnamigen  Tal  (Lehvria  vallis,  Leherachtal)  \  5.  die 
Bre usch  (Hrusca),  am  Climont  entspringend  (franz.  Bruche),  liierst  durch  das 
breiteste  Tal  der  Vogesen  und  mündet  nach  71  km  langem  Lauf  oberhalb 
^trafsburg  in  die  III.  —  Die  nächstfolgenden  Flüsse  gehen  dann  selbständig 
in  den  Rhein;  so  6.  die  Moder  (Matra)  mit  dem  Zornbach  (Sorna);  7.  die 
Sauer  (Sura);  8.  die  Lauter  (Lutra,  Hlutraha.  Lufcrata);  9.  die  Queich,  am 
Bechkopf  entspringend,  fliefst  durch  das  Annweilertal  und  mündet  bei  Germers- 
heim;  10.  der  Speierbach,  ebendort  entspringend,  mündet  bei  Speier.  Weiter 
nördlich  folgen  eine  Reihe  von  Rächen,  die  noch  geringere  Bedeutung  haben ; 

T.  entquellen  sie  dem  niedrigen  Hügellande  des  Alzeyer  Gaues,  welches  in 
den  stumpfen  Winkel  des  Rheinknies  bei  Mainz  hineinreicht.  —  Die  Flüsse  . 
des  Pfälzer  Berglandes  gehen  fast  ausnahmelos  der  Nahe  zu,  bezw.  deren 
Kebenrlufs,  der  Glan  (Glane).  —  G.  Bleicher,  Les  Vosges,  le  sol  et  les  habi- 
tants,  Paris  1890. 

16.  Lothringisches  Stufenland.  Hinter  den  beiderseitigen  rheini- 
schen Randgebirgen  schlielsen  sich  zwei  Stufenlandschaften  an.  die  die 
gleiche  Aufeinanderfolge  der  geologischen  Formationen  (Trias,  Jura  mit 
ihren  Unterabteilungen)  zeigen.    In  dem  westlichen  Stufenlande,  wo  die 


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54 


I.  Physische  Geographie. 


Schichten  sanft  nach  W.  einfallen,  treten  sie  orographisch  nicht  immer 
so  markant  hervor  als  in  Schwaben  und  Franken.  —  An  das  links- 
rheinische Randgebirge  (die  nördlichen  Vogesen  und  ihre  weitere  Fort- 
setzung) schliefst  sich  eine  leicht  gewellte  Muschelkalkebene  an,  die  loth- 
ringische Seenplatte  mit  250  m  mittlerer  Erhebung.  Wie  der  Name 
schon  besagt,  ist  sie  mit  zahlreichen  grolsen  und  kleinen  Seen  bedeckt, 
die  dort  zu  Lande  Weiher  oder  Teiche  genannt  werden.  In  einiger 
Entfernung  westlich  zieht  die  Grenze  der  Juraformation,  die  äufserlich 
sich  nur  in  unbedeutenden  Hügellinien  zu  erkennen  gibt;  sie  verläuft 
von  Nancy  in  einem  schwachgekrümmten  Bogen  nördlich  bis  etwa  nach 
Diedenhofcn,  wo  sie  wieder  auf  die  linke  Moselseite  übertritt  und  nach 
Luxemburg  hineinzieht.  Weit  mehr  hebt  sich  ein  zweiter  Höhenrand 
heraus,  der  von  Metz  an  das  linke  Moseltal  begleitet  und  bis  unterhalb 
Diodenhofen  streicht;  es  ist  die  wegen  ihrer  reichen  Eisenerzvorkomm- 
nisse seit  alters  bekannte  Oolithplatte.  Überall  haben  wir  es  aber  mit 
nur  geringfügigen  absoluten  Erhebungen  zu  tun,  die  einmal  bei  St.  Avold 
bis  zu  421  m  ansteigen. 

Das  lothringische  Hochland  gehört,  soweit  es  für  uns  in  Frage  kommt, 
ganz  der  Mosel  und  ihren  Nebenflüssen  an.  Ihr  Oberlauf  liegt  in  der  franzö- 
sischen Lorraine.  Nach  Aufnahme  der  Meurthe  (Murta)  nimmt  ihr  Tal 
weiter  unterhalb  eine  gröfsere  Breite  an.  Von  ihren  linken  Zuflüssen  sei  die 
Orne  (Oma)  genannt,  welche  gerade  die  wirtschaftlich  wichtige  Eisenstufe 
durchzieht,  und  die  Sauer  (Sarai  Ihr  rechter  Nebenflufs,  die  Saar  (Sarra. 
Saora,  Saron),  hat  eine  gröfscre  Entwickelung  als  alle  übrigen.  Sie  entspringt 
am  Mt.  Donon  in  den  Vogesen  und  entwässert  fast  die  ganze  Muschelkalkplatte. 
Ihr  sind  tributär  die  Albe,  die  Nied  und  die  Blies  (lilesa).  Unterhalb  Merzig 
tritt  die  Saar  in  das  Rheinische  Schiefergebirge  ein.  Bei  Metz  mündet  die 
Seille  ein,  Salto,  d,  h.  der  Salzflufs,  der  aus  einem  historisch  berühmten  Salz- 
gebiet der  Keu perstufe  kommt,  wo  ChateauSalins,  Vic,  Moyenvic,  Marsal  schon 
in  alter  Zeit  wichtige  Salinenorte  gewesen  sind.  Das  Land  ist  überhaupt  nicht 
wasserarm ;  das  beweisen  auch  die  vielen  Seen ,  besonders  westlich  der  Saar, 
die  zumeist  freilich,  sehr  flach  sind :  der  Gondersingenerwcihcr,  Stockweiher, 
Linderweiher  und  im  Gebiet  der  oberen  Nied  der  Bischteich  und  Mutschteich. 

17.  Rechtsrheinische  Randgebirge.  Die  orographische  Gestaltung 
und  die  geognostische  Anordnung  ist  in  den  Randerhebungen  der  öst- 
lichen Rheintalseite  die  gleicht?  wie  auf  der  westlichen.  Auch  hier  zwei 
horstgebirgsartige  Anschwellungen,  Schwarzwald  und  Odenwald, 
beide  getrennt  durch  eine  Senke,  den  Kraichgau;  auch  hier  die  südliche 
Erhebung  die  bedeutender  entwickelt«  mit  beträchtlichen  Gipfelhöhen, 
auch  hier  der  Steilabfall  nach  der  Rheintalseite  schrofFer  als  nach  den 
Hochflächen  im  O.  Desgleichen  tritt  das  Grundgebirge  im  Schwarzwald 
wie  im  Odenwald  im  westlichen  Teile  zu  Tage,  während  die  Sand- 
steine der  Trias  mantelartig  um  jenes  sich  ansehliofsen. 

Der  Schwarzwald  streicht  in  nordnord-östlicher  Richtung  vom 
Quertal  des  Rheins  im  S.  bis  nördlich  zur  Murg,  die  teilweise  auch  den  öst- 
lichen Abschlufss  bildet.  Im  S.  hat  er  seine  gröfste  Breitenentwickelung 
von  fiO  km,  während  er  sich  nach  N.  um  die  Hälfte  verjüngt,  Meist  wird 
hierbei  aber  das  östlich  der  Murg  gelegene  Plateau  bis  zur  Nagold  und 
zum  oberen  Neckar  mit  zu  seinem  Gebiet  gerechnet,    Die  Gesamtent- 


17.  Rechterheinische  Randgebirge. 


wickolung  ist  bei  ihm  aber  eine  andere  als  bei  den  Vogesen;  während 
bei  diesen  ein  scharf  vorgezeichneter  Kamm  hervortritt,  besteht  der 
Schwarzwald  aus  breiten,  plateauartigen  Rücken.  Quer  durch  das  Massiv 
verlaufende  Tallinien  teilen  ihn  in  drei  Abschnitte.  Das  Höllental  des 
Dreisamflusses  und  jenseits  der  Wasserscheide  das  Wutachtal  schliefsen 
den  südlichen  Teil  ab,  dessen  Haupterhebung  der  Feldberg  (1493  m)  ist, 
nächst  der  Schneekoppe  der  höchste  Berg  in  den  deutschen  Mittel- 
gebirgen. Von  ihm  gehen  breitrückige  Kämme  aus,  die  durch  die  nach 
S.  und  SO.  führenden  Täler  geschieden  werden.  Am  höchsten  sind  auch 
hier  die  dicht  über  dem  Rheintal  aufsteigenden  Randteile,  unter  ihnen 
der  Blauen  (1167  m),  der  Schwarzwälder  Belchen  (1415)  und  Erzkasten 
(1286  m).  —  Jenseits  der  Höllentallinie  folgt  der  zweite  Abschnitt,  der 
bis  zum  Kinzigtal  reicht.  Der  wasserscheidende  Hauptrücken  zieht 
geschlossen  nördlich  bis  nach  Hausach.  Die  nach  dem  Rhein  fliefsende 
Elz  mit  der  Wilden  Gutach  gliedert  die  westlich  sich  anschließenden 
Rücken  mit  bedeutenderen  Gipfelhöhen  (Kandel  1243  m)  als  jene  des 
Hauptkammes  ab.  Doch  erniedrigt  sich  das  Ganze  nach  N.  mehr  und 
mehr;  auch  im  O.  des  Hauptkammes  (östlich  des  Gutachtales)  orreicht 
die  Maximalerhebung  in  der  Benzebene  nicht  mehr  1000  m.  —  Nörd- 
lich der  Kinzigtallinie  schliefst  sich  der  untere  Schwarzwald  an,  dessen 
Kammlinie  schon  schärfer  ausgeprägt  ist;  in  der  Hornisgrinde  erreicht 
sie  noch  1164  m.  Überall  aber  sind  die  Schwarzwaldkämme  leicht  zu 
überschreiten,  und  zahlreiche  Strafsen  führen  über  das  Gebirge.  Fast 
die  ganze  Entwässerung  findet  nach  dem  Rhein  hin  statt,  da  auch  die 
nach  O.  abfliefsenden  Gewässer  ihm  zugehören;  nur  im  O.  gehören 
die  beiden  Quellbäche  Brigach  und  Brege  dem  Donausystem  an. 

Jenseits  der  Einsenkung  des  Kraichgaues  erhebt  sich  der  Oden- 
wald. Die  Begrenzung  desselben  ist  nicht  überall  scharf  vorgezeichnet; 
im  S.  reicht  er  noch  ein  Stück  über  den  Neckar  hinaus,  im  0.  geht 
er  fast  unvermittelt  in  das  schwäbische  Stufenland  über.  Die  Linie  vom 
Neckarknie  bis  Wertheim  an  der  Taubermündung  gibt  ungefähr  die 
Ostgrenze  an.  Die  zum  Rhein  gehende  Weschnitz  und  zum  Main 
gehende  Gersprenz  trennen  den  kleineren  nordwestlichen,  aus  kristallinen 
Gesteinen  bestehenden  Teil  des  Odenwaldes  von  dem  südöstlichen,  aus 
Buntsandsteiu  bestehenden  ab.  Jener  bildet  den  >  Vorderen «,  dieser  den 
»Hinteren«  Wald.  Im  ersteren  finden  sich  am  westlichen  Rande  gröfsere 
Höhen,  die  im  Malchen  519  m  erreichen,  jedoch  liegen  die  gröfsten 
Erhebungen  der  kristallinen  Zone  etwas  mehr  nach  dem  Innern 
zurückgezogen:  die  Seidenbucher  Höhe  598  m  und  die  Neunkircher 
Höhe  591  m.  Der  östliche  Teil  geht  in  ein  einförmiges,  leicht  gewelltes 
Sandsteinplateau  über.  Das  Mümlingstal  und  der  Itterbach  bringen 
in  ihm  nochmals  eine  Teilung  hervor;  auf  dem  östlichen  Sandstein- 
rücken  steigt  die  Basaltkuppe  des  Katzenbuckels  zu  628  m  auf,  als  höchster 
Punkt  des  Odenwaldes;  dem  westlichen  gehört  südlich  des  Neckars  der 
Königstuhl  bei  Heidolberg  (567  m),  sowie  der  Hardsberg  582  m  an. 

Auch  der  Spessart  mufs  den  rheinischen  Randgebirgen  zugerechnet 
werden,  wenn  auch  der  westliche  Futs  nicht  in  der  gleichen  Fluchtlinie 
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56  L  Physische  Geographie. 

mit  Oden-  und  Schwarzwald  gelegen  ist.  Im  geognostischer  Beziehung 
zeigt  er  dieselbe  Anordnung  der  Formationen  wie  der  Odenwald;  im 
nordwestlichen  Abschnitt  zwischen  Aschaffenburg  und  Gelnhausen,  dem 
sog.  Vorderspessart,  treten  Gneise  und  Gümmerschiefer  mit  paläo- 
zoischen G esteinen  auf,  während  der  übrige  Teil  von  der  Sandsteindecke 
überlagert  wird  und  den  sog.  II  och  Spessart  umfafst.  Letzterer  bildet 
ein  400  m  hohes  Plateau,  das  nach  allen  Seiten,  auch  nach  dem  Vorder- 
spessart hin,  wie  nach  dem  Main-  und  dem  Sinntal  mit  steilen  Gehängen 
abfällt ;  es  ist  im  Gegensatz  zu  jenem  mit  den  herrlichsten  Laubwaldungen 
geschmückt.  Eine  höhere  Schwelle  läfst  sich  auf  ihm  von  Miltenberg 
nördlich  über  den  Geyersberg  (587  m)  und  die  Eselshöhe  (534  in)  ver- 
folgen. Sie  wird  unterbrochen  durch  eine  Einsattelung,  die  das  AscharT- 
und  Lohrtal  miteinander  verbindet.  Weiter  nördlich  nach  Kinzig  und 
Sinn  hin  dacht  sich  das  Plateau  allmählich  zum  Orber  Reisig  ab. 

Der  alte  Name  des  Sch warz waldes  war  Abnoba  (Plin.  IV,  79;  Tacit. 
G.  c.  1  ;  Ptol.  II,  11,  5,  6;  Avien.,  Descr.  orb.  437);  er  wird  als  Quellgebiet  der 
Donau  angegeben.  Auch  inschriftlich  ist  uns  der  Name  mehrfaeh  bezeugt,  da 
eine  Diana  Abnoba  im  Gebirge  verehrt  wurde ;  cf.  Brambach,  C.  inscr.  Rhenan. 
1626,  1654,  1683.  Bei  Ammian  XXI,  8  und  der  Tabula  Peuting.  begegnet  uns 
auch  der  Name  Marciana  silva,  den  man  mit  dem  Markomannennamen  in  Ver- 
bindung gebracht  hat  ;  vgl.  Much,  Deutsche  Stammsitze  p.  4.  —  Die  Bezeich- 
nung »Schwarzwald«  reicht  aber  schon  bis  in  das  Mittelalter  (IX.  und  X.  Jh.» 
hinauf.  .Vis  Nigra  silva  erscheint  er  in  Gerhards  Vita  Oudalrici  (SS.  IV,  401 
u.  ö.),  während  nebenbei  auch  der  ältere  Name  Marciana  siiva  selbst  noch  im 
XI.  Jh.  kursiert. 

Der  Schwarzwald  geht  nach  O.  in  Plateauflächen  über,  die  zum  schwäbi- 
schen Stufenlande  hinüberleiten.  Der  östliche  Fufs  des  Gebirges  hegt  deshalb 
beträchtlich  höher  (Freudenstadt  730  m,  Villingen  706  m)  als  der  westliche  in 
der  Rheinebene  (Offenburg  164  m,  Freiburg  '298  m).  Das  ganze  Gebirge  ist 
sehr  wasserreich.  Neben  Mooren  besonders  auf  den  breiten  Plateaurücken  treten 
kleine,  tiefeingesenkte  Seen  auf  (Schluchsee.  Titisee  858  in  östl.  des  Feldberges, 
der  Mummelsee  an  der  Hornisgrmde).  Sie  scheinen  noch  die  Folgen  der  ehe- 
maligen Vergletscherung  zu  sein,  die  dort  freilich  keine  allgemeine  war  und 
eine  gröfsere  Entwickelung  nur  nach  S.  zum  Rheintal  erfahren  hatte.  Die 
Taler  des  Gebirges  sind  alle  sehr  langgestreckt;  besonders  von  W.  her  reichen 
sie  weit  hinein  und  drängen  in  den  beiden  nördlichen  Abschnitten  die  Wasser- 
scheide ganz  an  den  östlichen  Rand,  während  im  südlichen  Abschnitt  eine  teil- 
weise zentrale  Entwässerung  hervortritt.  Nach  S.  zum  Rhein  wendet  sich  die 
Wutach,  deren  Oberlauf  auch  Gutach  heifst ;  sie  entspringt  im  Feldsee  (Feld- 
berg) und  durehfliefst  den  Titisee;  sie  mündet  oberhalb  der  Aare  in  den 
Rhein  und  empfängt  aus  dem  Schwarzwald  selbst  noch  eine  Reihe  von  rechts- 
seitigen Nebenflüssen.  Die  Alb  (Alba),  die  Wehra  (Werrakt,  Wem)  und 
Wiese  [Helsen  alle  in  tiefeingeschnittenen  Tälern;  das  der  letzteren  zeigt  im 
untersten  Teil  eine  breite  Talmulde,  che  sich  nördlich  um  den  Dinkclbeig 
herumzieht.  Nach  W.  geht  die  Dreisam  (Treisam),  bis  Falkensteig  das  enge 
Höllental  durchfiiefsend,  dann  den  breiten  Talboden  bis  Freiburg,  wo  sie  in 
die  Ebene  tritt,  die  hier  als  Freiburger  Tieflandsbucht  einen  viereckigen  Em 
schnitt  in  das  Gebirgsmassiv  bildet,  Sie  mündet  in  die  Elz,  die  ebenfalls  dem 
Gebirge  entquillt.  Um  den  Abfiufs  des  Wassers  bei  Überschwemmungen  zu 
fördern,  ist  der  Dreisamkanal  angelegt  worden  und  1842  der  Leopoldskanal. 
Am  wichtigsten  von  allen  Flüssen  ist  die  Kinzig  (Kyntz).  die  das  Gebirge 
diagonal  durchzieht  und  mehrere  Nebenflüsse  (Schiltach,  Gutach)  in  sich  auf- 
nimmt. Bei  Offenburg  tritt  sie  in  die  Niederung  und  mündet  nach  112  km 
langein  Laufe  bei  Kehl.    Endlich  die  langgestreckte  Murg  (Murga,  Murge), 


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18.  Schwäbisch-fränkischen  Stufenland.  57 

die  am  Kniebis  entspringt  und  viel  zur  Holzflöfserei  benutzt  wird.  Sie  hat 
ein  Behr  tief  eingeschnittenes  Tal. 

Der  Odenwald  erscheint  im  Mittelalter  als  Odamoald,  Odonowald  (Ein- 
hard), Ottenewalt  und  sogar  Ottoim  silva  (Ann.  Fuld.),  Ottemcald.  Bald  bringt 
man  den  Namen  mit  Wodan,  Odin  in  Verbindung,  bald  mit  einem  Fürsten 
namens  Otto,  oder  man  definiert  ihn  als  »öden  Wald*  (Zeufs,  Förstemann}. 
—  Im  W.  bricht  der  Odenwald  an  der  Bergstrafse  schroff  ab,  ebenso  im  N. 
in  der  Breite  von  Darmstadt.  Die  Wasserscheide  verläuft  in  ihm  nicht  über- 
einstimmend mit  der  tektonischen  Richtungslinie,  sondern  geht  quer  NW.  -SO. 
über  ihn  weg.  Nach  S.  wendet  sieh  die  Weschnitz  (Wizgoz)  zum  Rhein, 
nach  N.  die  Gersprenz  (Oaspenza,  Gaspentia)  und  die  Mümling  (Mimüingttm, 
Minimingaha)  zum  Main.  —  Der  Malchen  erscheint  schon  in  Urk.  Heinrichs  II., 
1012,  latinisiert  auch  Möns  Malscus,  Mit  Melibocus  hat  der  Name  nichts  zu 
tun.  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  1,  177  ff.  Der  Spessart,  innerhalb  der  vier- 
eckigen Mainschleife  gelegen  und  im  N.  durch  die  Kinzig  und  Sinn  begrenzt, 
hiefs  im  Mittelalter  allgemein  Spechteshart  =  Spechtswald.  Ihm  entquellen 
nur  sehr  kleine  Flüfschen. 

Aufser  der  schon  genannten  Arbeit  von  R.  Lepsius,  Die  Oberrhein. 
Tiefebene,  vgl.  noch  Penck,  Schwarzwald  und  Wasgau,  Jahresber.  d.  geogr.  Ges., 
München  1884.  Partsch,  Die  Gletscher  der  Vorzeit  in  den  Karpathen  und 
Mittelgebirgen  Deutschlands,  Breslau  1882,  115  ff.  Neumann,  Orometrie  des 
Schwarz waldes,  Wien  1886.  Ders.,  Die  Dichte  des  Flufsnetzes  im  Sehwarz- 
walde, Lpz.  1900  (Gerlands  Beitr.  z.  Geophys.  IV,  3).  Steinmann,  Die  Spuren 
der  letzten  Eiszeit  im  Schwarzw.,  Progr.  Üniv.  Freiburg  1896.  —  Beiträge  zur 
Hydrographie  d.  Grofshzgt.  Baden  (mehrere  Hefte).  Volk,  Der  Odenwald 
und  seine  Nachbargebiete,  mit  2  Kart,,  Stuttg.  1900.  Behlen.  Der  Spessart, 
Leipzig  1823—1827. 

18.  Schwäbisch  •  fränkisches  Stufenland.  Der  wdito  Raum,  der  um- 
schlossen wird  vom  Odenwald, Spessart,  Rhön,  Thüringer  Wald  im  N.,  von  der 
Naab  und  Donau  im  O.  und  S.  sowie  vom  Schwarzwald  im  W.,  wird  unter 
obengenanntem  Namen  begriffen.  Wie  letzterer  besagt,  haben  wir  es  liier  mit 
einer  terrassenförmigen  Aufeinanderfolge  von  Plateauflächen  zu  tun.  Es 
treten  im  ganzen  drei  Stufen  flächen  hervor,  die  freilich  nicht  völlig  eben 
sind,  sondern  stellenweise  in  ein  leicht  gewelltes  Berg-  und  Hügelland  sich 
aufgelöst  haben.  Die  Gruppierung  der  geologischen  Formationen  stimmt 
hier  mit  der  orographischen  Gestaltung  annähernd  überein.  Die  erste 
Stufenfläche  hebt  sich  mit  ihrem  Terrassenabhang  sehr  bestimmt  gegen 
die  zweite  tiefer  liegende  Fläche  ab;  sie  wird  vom  Fränkischen  und 
Schwäbischen  Jura  gebildet,  der  aus  den  gleichnamigen  Schichtgesteinen 
sich  zusammensetzt.  Diese  Formation  beginnt  im  Anschlufs  an  den 
Schweizer  Jura  bereits  am  Rhein,  kurz  nachdem  er  den  Bodensee  ver- 
lassen hat  und  sich  durch  die  Jurakalksehichten  einen  Weg  bahnt  (Rhein- 
fall bei  Schaphausen) ;  sie  zieht  nordöstlich  aufwärts  über  die  Donau  und 
hält  sich  mit  geringen  Ausnahmen  dann  nördlich  von  ihr  bis  Regens- 
burg, wo  sie  nördlich  einlenkt  und  das  Regnitzbecken  im  O.  umziehend 
bis  in  den  Bogen  des  Mainflusses  hinaufreicht.  Dieses  breite  Juraband 
bildet  den  östlichen  Abschlufs  der  beiden  anderen  schwäbisch  -  fränki- 
schen Terrassenstufen,  die  aus  Triasgesteinen  (Keuper  und  Muschelkalk) 
bestehen  und  entsprechend  die  zweite  und  dritte  Stufenfläche  (die  Keuper- 
und  Muschelkalkstufe)  bilden.  Der  Terrassenabfall  der  zweiten  Stufe 
beginnt  jenseits  des  Mains  in  den  Hafsbergen   und  setzt  sich  südlich 


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58 


I.  Physische  Geographie. 


von  ihm  in  dem  Steigerwald  und  der  Frankenhöhe  fort  bis  zur  Jagst. 
Von  hier  an  ist  er  nicht  mehr  deutlich  ausgeprägt,  ebenso  wie  auch  die 
Stufenfläche  selbst  sich  in  einzelne  Berg-  und  Hügellandschaften  (Löwen- 
steiner Berge,  Mainhardter  Wald,  Murrhardt- Wald ,  Welzheimer  Wald, 
Limpurger  Berge  sowie  westlich  des  Neckars  die  Filder  und  das  Schön- 
buch) aufgelöst  hat.  Einzelne  Teilstücke,  wie  der  Heuchelberg  und  Strom- 
berg (335  m)  südwestlich  von  Heilbronn,  sind  sogar  gänzlich  von  der 
Stufenfläche  losgetrennt.  Die  unterste  Terrasse  bildet  die  Muschelkalk- 
platte, die  im  S.  an  der  Wutachmündung  (in  den  Rhein)  beginnt,  östlich 
am  Schwarzwald  entlang  ziehend  die  fruchtbaren  Gebiete  der  Baar  und 
des  Gäus  im  oberen  Neckar- ,  Enz-  und  Nagoldlande  bildet  und  bis 
an  den  westlichen  Stufenabfall  des  Kraichgaues  nach  der  Rheintalniede- 
rung hin  sich  verfolgen  läfst,  Von  hier  aus  streicht  die  Fläche  nord- 
östlich über  den  Neckar  als  sog.  Bauland  bis  zur  Tauber  und  südlich 
von  diesem  als  Hohenloher  und  Haller  Ebene  im  Kocher-  und  Jagst- 
gebiet;  sie  geht  dann  weiter  nach  NO.  über  den  Main  fort,  im  O.  durch 
Steigerwald  und  Hafsberge  begrenzt  bis  zur  Wasserscheide  von  Main- 
und  Werragebiet  hinauf. 

Die  Entwässerung  des  Ganzen  ist  durch  die  stufenförmige  Anord- 
nung mitbedingt.  Die  Flüfschen  der  obersten  Stufenfläche,  also  des 
Schwäbischen  und  Fränkischen  Jura,  gehen  der  Donaulinie  zu,  die  der 
beiden  unteren  Flächen  dem  Rhein,  für  welchen  (abgesehen  von  den 
kleinen  Flüssen  des  Kraichgaues)  der  Neckar  und  der  Main  die  Sammel- 
adern bilden.  Jedoch  finden  zwei  Flüsse  der  zweiten  Stufenfläche  ihren 
Abflufs  nach  der  Donau :  die  Wörnitz,  die  den  in  den  Jura  eingesenkten 
Kessel  des  Ries  durchfliegt,  und  die  Altniühl,  die  bei  ihrem  Durchbruch 
durch  die  hohe  Juraschranke  ein  früheres  Donautal  benutzt. 

Der  im  Altertum  (bei  Caesar,  Strabo,  Ptolemäus)  auftretende  Name  des 
Jura  galt  ausschließlich  dein  französisch-schweizerischen  Gebirgszuge.  Erst  in 
der  Neuzeit  ist  er  auf  den  deutschen  Teil  bezogen  worden.  In  seinen  einzelnen 
Teilen  führte  er,  wie  auch  heute  beim  Volke,  besondere  Namen.  Den  west- 
lichsten und  zugleich  auch  höchsten  Abschnitt  des  Schwäbischen  Jura  bildet 
der  Heuberg  (1010  m).  an  den  sich  östlich  die  Rauhe  Alb  schliefst.  Dieser 
Name  der  Alb  wird  als  gleichlautend  mit  den  Alpen  über  der  Donau<|Uelle 
gelegen  schon  von  Ptolemäus  II,  11,  5  verzeichnet.  Bei  Vopiscus  in  der  Vita 
rJrobi  c.  13  tritt  er  als  Jugum  alba  auf.  Man  hat  ihn  wie  auch  den  Alpennamen 
mit  albus  =  weifs  in  Zusammenhang  gebracht;  doch  scheint  mir  hier  ebenfalls 
keltischer  EinHufs  zu  Grunde  zu  liegen.  Die  Rauhe  Alb  führt  in  ihren  ein- 
zelnen Abschnitten  noch  besondere  Namen,  wie  Münsinger  Hardt,  Hochsträfs 
zwischen  Ehingen  und  Ulm  und  ostlich  von  Geislingen  bis  zum  Ries:  Aalbuch 
und  Härtfeld.  —  Das  Ries  ist  eine  rundliche  Einsenkung,  deren  Boden  mit 
jüngeren  Sediment-  und  vulkanischen  Gesteinen  erfüllt  ist,  Der  Name  steht  in 
Zusammenhang  mit  dem  antiken  Raetin.  Jenseits  dieses  Einbruches  setzt  der 
Fränkische  Jura  fort,  der  nördlich  vom  Ries  im  Hesselberge  (*>80  m)  seine 
gröfste  Höhe  hat,  am  anderen  Ende  am  Main  bis  zu  541  m  im  Staffelberge 
absinkt.  —  Beide  Jurastufen  haben  vielerlei  Züge  gemeinsam;  der  Stufenabfall 
ist  bei  beiden  schroff,  oft  mit  steil  abfallenden  Wänden.  Kleine  Bäche  haben 
den  vorderen  Steilrand  tief  zerfurcht  und  zuweilen  auch  einzelne  Plateaustücke 
losgelöst,  wie  den  Hohenzollern  (857  m),  die  Achahn  (704  m),  den  Hohen- 
staufen (681  m)  bei  Göggingen  und  viele  andere.  Während  die  Taleinschnitte 
mit  ihrer  üppigen  Vegetation  viel  Lieblichkeit  und   Anmut  zeigen,  sind  die 


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18.  Schwäbisch-fränkisches  Stufenland. 


59 


Hochflächen  öde  und  steinicht  und  wegen  des  durchlässigen  Kalkes  auch  wasser- 
arm, so  dafs  die  Dorfschaften  durch  künstliche  Leitungen  von  der  Niederung 
aus  mit  Wasser  versehen  werden  mufsten.  Ausgezeichnet  sind  die  Juraland- 
schaften ferner  durch  grofsartige  Höhlenbildungen  (Nebelhöhle  bei  Oberhausen, 
Karlshöhle  bei  Erpfingen,  und  im  Frank.  Jura  die  Muggendorfer  und  Gailen- 
reuther  Höhle,  die  Sophienhöhle  bei  Rabenstein).  Schwab,  Die  Schwäbische 
Alb,  Stuttgart  1878.  Frölich,  Die  Schwab.  Alb,  Stuttg.  1872.  vonEhmann, 
Die  Versorgung  der  wasserarmen  Alb,  Stuttg.  1881.  Monninger,  Das  Ries 
und  seine  Umgebung,  Nördlingen  1893.    Gruber,  Das  Ries,  Stuttg.  1899^_ 

Die  Flüsse  der  fränkischen  Jurastufe  gehen  zur  Naab,~~die  oberhalb 
Regensburg  die  Donau  erreicht.  Nur  die  Schwarze  I^aber  mündet  selbständig 
in  den  Hauptstrom.  Die  Altmühl,  Alemona,  Alcmana  im  VIII.  Jh„  später  er- 
scheint statt  des  c  ein  t;  im  Xn.  Jh.  Altmula,  im  XV.  .Jh.  Alknil,  Der  Name 
ist  vermutlich  keltischen  Ursprungs  und  erst  von  den  Germanen  umgewandelt 
worden.  Sie  entspringt  hart  am  Rande  der  Frankenhöhe  und  durchbricht  öst- 
lich vom  Hesselberg  die  Jurastufe  in  einem  gewundenen  Tal  mit  steilen  Seiten- 
gehängen, um  nach  165  km  langem  Lauf  bei  Kehlheim  einzumünden.  Die 
ebendaselbst  entspringende  Wörnitz  fliefst  durch  den  Rieskessel  und  dann 
durch  ein  Erosionstal  (vermutlich  den  Abflufs  des  alten  Seebeckens)  bis  Donau- 
wörth. Weit  unbedeutender  sind  die  Flüfschen,  die  vom  Schwäbischen  Jura 
der  Donau  zueilen.  Von  den  Flüssen  der  unteren  Stufenflächen  ist  als  Haupt- 
entwässerungsader  des  südlichen  Abschnittes  der  Neckar  zu  nennen,  lat.  Nicer 
bei  späteren  Schriftstellern  (Ammian  28,  2,  2;  Auson.  Mos.  423)  und  Niger 
(Vopiscus,  Vita  Prob.  c.  13).  Ahd.  Xekir,  Neker,  STccchar,  Nechara,  Xeccarus.  Er 
entspringt  bei  Schwenningen  in  700  m  Höhe  und  durehfliefst  die  Muschelkalk« 
und  Keuperlandschaft ;  sein  12416  qkm  grofses  Stromgebiet  umfafst  das  ganze 
Land  nördlich  des  Schwäb.  Jura.  Im  Unterlauf  durchbricht  er  den  südlichsten 
Teil  des  Odenwaldes  in  dem  malerischen  Tal  von  Heidelberg  und  mündet  dann 
bei  Mannheim  in  den  Rhein  nach  einem  400  km  langen  und  die  Hauptrichtung 
mehrfach  wechselnden  Lauf.  Aus  den  kurzen  Talscharten  des  Schwäb.  Jura 
gehen  ihm  kleine  Flüsse  zu.  unter  denen  die  Fils  (an  welcher  die  bequemste 
Strafse,  die  Geislinger  Steige,  nach  dem  Plateau  hinaufführt)  und  die  Rems 
(Remse,  Remeshe)  die  wichtigsten  sind.  Ferner  die  annähernd  parallel  laufenden 
Nebenflüsse  Kocher  (Cochara)  und  Jagst  (Jagen),  die  in  sehr  gewundenem 
Lauf  die  Keuperstufe  durchfliefsen  und  unterhalb  Heilbronn  gesondert  in  den 
Neckar  münden.  Von  den  linksseitigen  Flüssen  ist  die  Enz  mit  der  Nagold 
(Xagtdta)  der  gröfste.  In  der  Rheinniederung  hat  der  Neckar  mancherlei  Ver- 
änderungen erfahren.  Vgl.  Stromberger,  Der  angebliehe  Neckararm  von 
Heidelberg  zum  Rhein,  Westdt.  Zeitschr.  1886,  258—264. 

Der  Main,  lat.  Moenns,  im  deutschen  Mittelalter  Main,  ist  sicher  ein 
keltischer  Name.  Andere  Varianten  sind  Moyn,  Mohin.  Mogin  und  latinisirt 
Mogus,  Mogonus.  Von  seinen  beiden  Quellflüssen  entspringt  der  weifse  Main 
(Witzmain)  auf  einer  moorigen  Wiese  am  Ochsenkopf  (Fichtelgebirge),  der  Rote 
Main  (Mogus  ruf m)  am  Ostrand  des  Fränk.  Jura  südlich  von  Rayreuth.  Unter- 
halb Kulmbach  vereinigen  sie  sich  beide.  Der  Main  ist  der  einzig«'  Flufs,  der 
alle  drei  Stufenflächen  durehfliefst.  Nach  Aufnahme  der  Rodach  (Radalm) 
wendet  er  sich  durch  das  Durchbruchstal  bei  Lichtenfels  südlieh  und  erreicht 
die  zweite  Stufenfläche  von  Ramberg,  wo  ihm  von  N.  die  Hz  vom  Thüringer 
Walde  und  die  Baunach  von  den  Hafsbergen,  sowie  von  S.  die  Rednitz  zugehen. 
Zwischen  Steigerwald  und  Hafsbergen  durchbricht  er  den  nächsten  Stufenabfall 
in  einem  tiefen  Tale  und  erreicht  somit  die  unterste;  Stufenfläche  von  Schwein- 
furt und  Würzburg,  wo  er  in  einem  eigenartig  gewundenen  Lauf  dahinströmt. 
Hier  nimmt  er  die  Fränkische  Saale  mit  der  Sinn  und  von  S.  her  die 
Tauber  (Tuhere.  Tubara,  Dubir)  auf.  Er  umzieht  den  Spessart  und  drängt 
sich  durch  ein  tiefes  Durchbruchstal  zwischen  ihm  und  dem  Odenwald  zur 
Oberrheinischen  Tiefebene,  wo  er  noch  die  Kinzig  (Kinrilwn,  Kinciclui)  und 
N  i  d  d  a  auf  nimmt.  Die  Gesamtlänge  beträgt  495  km.  über  200  m  breit  ergiefst 


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T.  Physische  Geographie. 


er  sieh  bei  Mainz  in  den  Rhein,  dem  er  ein  Drittel  seiner  Wasserfälle  zuführt, 
obwohl  er  selbst  einen  ziemlich  ungleiehmäfsigen  Wasserstand  hat.  Von  seinen 
Nebenflüssen  verdient  die  Rednitz  Beachtung,  deren  Name  auch  Regnitz 
lautet  und  beim  Volk  allgemein  so  (Regnez,  Retinez)  heifst.  Die  alten  Namens- 
formen haben  aber  stets  den  Dentallaut,  im  VIII.  Jh.  Rndantiu,  RaUinza,  Ratenza, 
Radianta,  Radincza,  Rüdnitz  (XV.  Jh.).  Die  Einführung  des  g  ist  gelehrten 
Ursprungs  und  geht  auf  den  Humanisten  Konrad  Celtes  von  Ingolstadt  zurück, 
der  neben  dem  latinisierten  Prgmsits  (Pegnitz)  entsprechend  ein  Regnesus  schuf. 
Rednitz  und  Regnitz  herrschen  seitdem  auch  auf  den  Karten  vor,  indem  man 
jenen  Namen  auf  den  Oberlauf,  diesen  auf  den  Unterlauf  bezog.  Vgl.  hierüber 
Ebrard  im  Anz.  f.  Kunde  d.  Vom.  1864  n.  9—12  und  Egli,  Nom.  p.  765  f.  — 
Die  beiden  Quelläufe  sind  die  Fränkische  Rezat  (ReÜtratenza,  VIII.  Jh., 
Rezet,  XVI.  Jh.),  dicht  neben  der  Altmühl  entspringend,  und  die  kleinere 
Schwäbische  Rezat  südlich  von  Weifsenburg.  —  Ulrici,  Das  Maingebiet 
in  seiner  natürlichen  Beschaffenheit,  Kassel  1885.  vonTein;  Das  Maingebiet. 
Berlin  1901.    Seidl,  Das  Regnitztal  (von  Fürth  bis  Bamberg),  Erlangen  1901. 

19.  Rheinisches  Schiefergebirge.  Wie  schon  der  Name  besagt,  ist 
es  die  geognostisch  gleichartige  Beschaffenheit  dieses  Berglandes  zu  beiden 
Seiten  des  Rheins,  welche  es  den  Nachbargebieten  gegenüber  heraus- 
hebt, In  einer  Länge  von  etwa  300  km  und  einer  mittleren  Breite  von 
150  km  streicht  es  einem  Trapez  vergleichbar  in  nordöstlicher  Richtung 
quer  über  den  Rhein  fort,  der  hier  auf  der  Strecke  von  Bingen  bis 
Bonn  die  Teilungslinie  zwischen  den  beiden  Hälften  bildet.  AVährend 
die  südliche  kleinere  (irundlinie  des  Trapezes  von  Merzig  an  der  Saar 
bis  Friedberg  am  Ostende  des  Taunus  ziemlich  geschlossen  ist,  zeigt  die 
nördliche  eine  grofse  dreieckige  Lücke,  die  Bonner  Tieflandsbucht,  die 
im  Anschlufs  an  den  Rhein  die  Trennung  der  beiden  Flügel  des  Ge- 
birges vervollständigt.  Von  einem  Gebirge  kann  man  eigentlich  kaum 
sprechen,  da  es  mehr  den  Charakter  einer  Plateaufläche  hat,  die  durch 
Grabenbrüche  und  erodierte  Taleinschnitte  stellenweise  einige  Abwech- 
selung bietet.  Bei  einer  mittleren  Höhe  von  500  rn  erreicht  es  nur  an 
wenigen  Stellen  Maximalhöhen  von  über  800  m,  und  besonders  ist  der 
südliche  Rand  erhöht  (Gr.  Feldberg  880  in).  Die  Hauptmasse  des  ganzen 
Berglandes  setzt  sich  aus  Schichtgesteinen  der  Devonformation  zusammen ; 
nur  im  Hohen  Venn  tritt  die  granitische  und  stellenweise  in  den  Ar- 
dennen  die  silurische  Unterlage  hervor.  Als  ein  Teilstück  der  ehema- 
ligen mitteleuropäischen  Alpen  der  Karbonzeit  zeigt  es  heute  keine 
alpinen  Höhen  mehr,  weil  es  bald  nachher  zu  einem  Abrasionsplateau 
abgetragen  wurde;  noch  in  der  Trias-  und  Jurazeit  lag  es  unter  dem 
Meeresspiegel,  wie  es  die  im  Mosellande  bei  Trier  erhaltenen  Gesteine 
dieser  Formationen  bezeugen,  während  diese  sonst  von  dem  Plateau  in- 
folge der  lange  anhaltenden  Denudation  abgetragen  worden  sind.  Die 
plateauartige  Erhebung  des  (.tanzen,  wie  es  sich  uns  heute  darstellt,  trat 
erst  in  der  späteren  Tertiärzeit  ein,  als  sich  gleichzeitig  die  süddeutschen 
Beckenlandschaften  senkten,  so  dafs  die  damals  zu  oberst  lagernden 
Schichten  des  Miocäns  sich  um  etwa  400  m  vertikal  gegeneinander  ver- 
schoben. Auch  im  Inneren  des  Plateaus  traten  beckenartige  Einsen- 
dungen ein,  das  Becken  von  Trier,  von  Neuwied  und  Limburg,  die  heute 
von  der  unteren  Mosel  und  Lahn  durchzogen  werden.    Als  eine  Folgt) 


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19.  Rheinisches  Schiefergebirge.  Ol 

dieser  Brüche  und  Störungen  ist  das  Auftreten  vulkanischer  Kegel  und 
Lavafelder  und  anderer  vulkanischer  Nebenerscheinungen  anzusehen, 
wie  sie  die  Eifel,  der  Westerwald  und  das  Siebengebirge  zeigen.  Im 
übrigen  wurde  die  Plateaufläche  lediglich  durch  die  Flüsse  modelliert, 
die  sich  zu  betrachtlicher  Tiefe  einschnitten.  Der  Rhein  ist  auf  der 
Strecke,  wo  er  das  Schiefergebirge  durchbricht,  ein  Erosionstal  dieser 
Art,  welches  das  aus  dem  sich  senkenden  süddeutschen  Becken  ab- 
fliefsende  Wasser  in  die  aufsteigende  Scholle  des  Schiefergebirges  ein- 
schnitt. Im  Verein  mit  seinen  Nebenflüssen  teilt  er  das  Ganze  in  meh- 
rere Abschnitte:  der  rechtsrheinische  Teil  umfafst  den  Taunus,  Wester- 
wald, das  Süderland  mit  dem  Kellerwald  und  dem  Haarstrang,  der  links- 
rheinische: den  Hundsrück,  die  Eifel,  das  Hohe  Venn  und  die  weit 
nach  Belgien  bis  zur  Sambre  und  Maas  reichenden  Ardennen. 

Der  rechtsrheinische  Teil  des  Schiefergebirges  wird  im  S.  bestimmt 
abgeschlossen  durch  den  Taunus,  der  nach  S.  hin  zur  Rhein-  und  Main- 
niederung steil  abfällt,  während  er  nach  N.  zur  Lahn  sich  mäfsig  abdacht. 
Sein  System  erfüllt  den  Raum  vom  Rhein  bis  östlich  zur  Wetterau.  Das  ganze 
Mittelalter  hindurch  bis  in  die  Neuzeit  wurde  er  kurz  *die  Höhe«  genannt, 
eine  Bezeichnung,  die  in  Ortsnamen  wie  Homburg  und  Hausen  vor  der  Höhe 
sich  noch  erhalten  hat.  Erst  vor  300  Jahren  kam  durch  gelehrte  Studien  der 
antike  Name  Möns  Taunus  wieder  in  Aufnahme  (Mela,  III,  3,  30;  Tacit.  Ann.  I, 
56;  XH,  28).  Letzterer  hängt  ohne  Zweifel  mit  dem  keltischen  Dun,  Dann  = 
Höhe  zusammen.  Bis  zum  XVI.  Jh.  hiefs  auch  ein  Teil  des  Berglandes 
zwischen  der  Weil  und  Ems  in  den  Urkunden  noch  der  Duneberg.  Die 
Senke  von  Idstein  (im  Kamm  346  m)  teilt  ihn  in  zwei  Hälften ;  in  der  östlichen 
liegt  hart  an  der  äufseren  Randhtihe  der  Grofse  Feldberg  880  m,  der  die  mittlere 
Kammhöhe  von  486  m  nicht  unbeträchtlich  überragt.  Auch  die  westliche  Hälfte 
hat  immer  noch  Höhen  von  600  m  und  mehr;  sie  senkt  sieh  mäfsig  als  Rhein- 
gaugebirge nach  W.  ab  zum  Rhein,  an  welchem  sie  mit  dem  Niederwald  bei 
Rüdesheim  steil  abbricht.  Die  hart  am  Südrande  gelegene  Wasserscheide  bedingt 
es,  dafs  die  Entwässerung  des  Taunussystems  vorzugsweise  nach  N.  zur  Lahn 
.stattfindet.  Durch  seine  Mineralquellen  war  der  Taunus  seit  der  Römerzeit 
bekannt;  noch  heute  zählt  man  einige  40.  Sievers,  Zur  Kenntnis  des  Taunus, 
Stuttgart  1891. 

Von  dem  Flufsviereck  Lahn — Rhein — Sieg  umzogen  schliefst  sich  nördlich 
der  Westerwald  an.  Unter  diesem  Namen  Wesderewaltle,  }\ 'estenvoldc  erscheint 
er  urkundlieh  schon  1047.  Als  ein  von  der  Braimkohlenformation  besonders 
im  östlichen  Teile  bedecktes  Schiefernlateau  zeigt  er  Erhebungen,  tüe  trotz 
ihrer  absoluten  Höhe  (Saalberg  oder  Salzburger  Kopf,  654  m,  Fuchskauten, 
657  m),  kaum  70  m,  die  nächste  Umgebung  überragen,  so  dafs  das  Ganze  nur 
eine  mäfsig  gewellte  Hochebene  bildet.  Im  NC),  erhebt  sich  die  Kalteiche  zu 
572  m.  Als  das  Siegener  I>and  mit  dem  Nassauischen  noch  zusammenhing, 
bildete  sie  die  natürliche  Grenze  innerhalb  der  Ottonischen  Besitzungen;  noch 
in  Urkunden  des  XVI.  Jh.  werden  sie  in  das  Land  diesseits  und  jenseits 
der  Kalteiche  geteilt.  (Vogel,  Beschr.  v.  Nassau,  1843,  p.  17).  Zahlreich  sind 
die  Basalt-  und  Traehytdurchbrüche  im  mittleren  und  westlichen  Teil.  Land- 
schaftlich bietet  der  Westerwald  wenig  Reiz ;  auch  klimatisch  ist  er  nicht  günstig 
beanlagt  und  gehört  mit  zu  den  niederschlagreichsten  Gegenden  Deutschlands. 
—  Der  nordwestlichen  Ecke  des  Westerwaldcs  hart  am  Rhein  ist  das  Sieben- 
gebirge  angegliedert,  so  genannt,  weil  es  aus  sieben  gröfseren  Kegelbergen 
besteht.  Es  ist  ganz  aus  Basalt  und  Traehyt  aufgebaut,  der  seit  frühen  Zeiten 
als  Bruchstein  für  den  Bau  von  Häusern  und  Kirchen  in  der  Nachbarschaft 
verwendet  worden  ist, 


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62  I.  Physische  Geographie. 

Zwischen  Sieg  und  Ruhr  liegt  das  Süder-  oder  Sauerland;  jenes  ist 
die  niederdeutsche,  dieses  die  hochdeutsche  Form.  Es  ist  im  wesentlichen 
der  südliche  Teil  von  Westfalen  im  Gegensatz  zum  nördlichen,  der  die  Münster- 
sehe Tieflandsbucht  erfüllt.  Auch  hier  sind  es  meist  nur  die  Flüsse  gewesen, 
die  die  Hoehlandsfliiche  modelliert  haben ;  nur  wenige  breite  Bergrücken  ragen 
über  sie  hinaus.  Das  Rothaargebirge,  welches  vom  Ederkopf  (645  m)  bogen- 
förmig nach  N.  zum  Kahle  Attenberg  (830  m)  streicht,  bildet  die  orientierende 
Wasserscheide  zwischen  Weser-  und  Rheinsystem  Auch  sonst  sind  einige 
Erhebungen  durch  Namen  unterschieden ,  wie  das  Ebbegebirge  bei  Meinerts- 
hagen  mit  der  Nordhelle  666  m,  das  Lennegebirge,  der  Homert  südlich  von 
Arnsberg.  Einen  östlichen  Ausläufer  des  Sauerlandes  bildet  der  durch  die 
Eder  abgetrennte  Kellerwald,  der  seiner  geognostischen  Zusammensetzung  nach 
aber  dem  Schiefergebirge  zugerechnet  werden  muls.  Nach  N.  hin  verflacht 
sich  letzteres  mehr  und  mehr.  Jenseits  der  Ruhr  ist  eine  nur  noch  schmale 
Rodenschwelle  von  200  m  mittlerer  Höhe  vorhanden,  deren  östlicher  Teil,  die 
II  aar  (auch  Haarstrang),  bis  zu  377  m  als  höchstem  Punkt  aufsteigt. 

Die  beiden  Enden  des  Rothaargebirges  bilden  auch  bemerkenswerte  Strom- 
quellenzentren;  am  südlichen  Ende  entspringen  Eder,  Lahn  und  Sieg,  am  nörd- 
lichen Orke  (zur  Eder),  Lenne  und  Ruhr.  Die  Lahn,  im  VIII.  Jh.  Loyana, 
Logantüta,  dann  Lanus  (Gottfr.  Viterb.),  entspringt  am  Jagdberg  und  fliefst,  mehr- 
fach die  Hauptrichtung  ihres  Laufes  wechselnd,  durch  die  Senke  von  Limburg 
zwischen  Taunus  und  Westerwald,  von  denen  sie  beiderseits  kleinere  Flüsse 
empfängt.  Nach  218  km  langem  Laufe  mündet  sie  oberhalb  Coblenz.  Die 
Sieg  (Siga),  am  Ederkopf  entspringend,  131km  lang,  geht  in  zahlreichen  Win- 
dungen zwischen  Westerwald  und  Sauerland  zum  Rhein  unterhalb  Bonn.  Ihr 
an  Kupfer-  und  Eisenerzen  reiches  Tal  war  in  frühen  Zeiten  schon  Sitz  des 
Bergbaues  gewesen.  Die  Ruhr,  Rura  (VIII.  Jh.),  Jiurinna,  geht  vom  Winter- 
bergplateau aus  zuerst  nördlich,  lenkt  dann  aber  westlich  ein  und  erreicht 
232  km  lang  bei  Ruhrort  den  Rhein.  Ein  gröfserer  Nebenfiufs  ist  die  Lenne 
(Lume,  Laie).  Unterhalb  Ruhrort  empfängt  der  Rhein  noch  die  kleine  Emscher 
(Embiscara).  Vgl.  Spiels,  Das  Lahntal,  Ems  1866.  Horn,  Das  Siegtal  in 
seiner  historischen  und  sozialen  Beziehung,  Bonn  1854.  Natorp,  Ruhr  und 
Lenne,  Iserlohn  1880.  Friedemann,  Die  urkundlichen  Formen  des  Flu  fs- 
namens  Lidin,  Archiv  f.  hess.  Gesch.  VI,  419 — 448. 

Der  linksrheinische  Teil  des  Schiefergebirges  beginnt  im  S.  mit  dem 
Hundsrück  oder  Hunsrück,  im  Mittelalter  Hundesmgge ,  Hu ntsrneck ,  auch 
wörtlich  übersatzt  Cmiinm  Uryus.  Er  erfüllt  den  Raum  zwischen  Saar,  Mosel, 
Rhein  und  Nahe,  und  stellt  ein  einförmiges  Tonschicferplateau  von  600  m  Höbe 
dar,  welches  in  der  Mitte  von  einem  Quarzitrüeken  durchzogen  ist.  Letzterer 
besteht  aus  einzelnen  gesonderten  Teilen ;  im  W.  ist  es  der  Hochwald  mit  dem 
Erbeskopf  (816  m  l,  im  weiteren  der  Idarwald  (Sylva  Jeder,  VII.  Jh.,  hier,  1315) 
und  zwischen  Simmer  und  Rhein  der  Soonwald  (1105  genannt  Annal.  Hildesh.), 
nach  Trith.  Cliron.  Hirsaug.  Opp.  2,  610:  ntmm  quod  Turnus  nominatur  a  S/mm- 
heinicu.sibus,  Trerireusibus  antem  rf  Moseffanis  Hydorus.  Das  besonders  von  Laub- 
waldungen  erfüllte  Bergland  ist  wenig  fruchtbar,  und  während  der  Südfufs  des 
Taunus  in  der  warmen,  weinreichen  Rheintalniederung  liegt,  geht  der  Huns- 
rück in  das  hochgelegene  Pfälzer  Bergland  über.  —  F.  Meyer,  Zur  Kenntnis 
des  Hundsrücks,  Stuttg.  1898.  Bach,  Geogr.  Übersicht  des  Hunsrücks  im 
weiteren  Sinne,  Kreuznach  1896. 

Den  weiten  Raum  von  Mosel  und  Rhein  nördlich  hinauf  bis  zur  Maas 
und  Sambre  erfüllt  ein  Plateau  vom  gleichartigem  Aussehen,  dessen  östliche 
und  westliche  Hälfte  als  Eifel  und  Anleimen  unterschieden  werden.  Im  Alter- 
tum scheint  der  Ardennenname  eine  gröfsere  Ausdehnung  gehabt  zu  haben. 
Aus  Caesar,  b.  g.  V,  3  und  VI,  29,  ergibt  sich,  dafs  der  Ardennenwald  aufser 
den  heutigen  Antennen  noch  die  Kifel  und  wahrscheinlich  auch  den  Hunsrück 
mit  umfafst  hat.  Seit  dem  Anfang  des  zweiten  Jahrtausends  macht  sich  eine 
engere  Fassung  des  Namens   und   Beschränkung   auf   die   westliche  Hälft*? 


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19.  Rheinisches  Schiefergebirjzc. 


63 


bemerkbar,  wobei  der  Begriff  des  Waldes,  der  sonst  an  jenem  Namen  haftete, 
verloren  ging,  und  zu  einer  Gaubezeichnung  wurde.  Vgl.  hierüber  Lamprecht 
IAV.  I,  93  —  95.  Bei  den  Alten  hiefc  der  Wald  Arduenm  (Tacit,  ann.  III,  -42, 
Caesar  1.  c.,  Strabo  IV,  194),  im  frühen  Mittelalter  tritt  urkundlich  (770)  die 
Form  Ardintia  auf  und  Ardentui  (966).  Die  Eifel  geht  ohne  scharfe  Grenze 
nach  \V.  in  das  Ardennenplateau  über.  Die  Linie  Lüttich — Trier  kann  als 
Notbehelf  für  die  Abgrenzung  beider  Namensgebiete  gelten.  Der  Name  Eifel 
tritt  zuerst  adjektivisch  auf:  in  jHtffo  effinse  (762),  efflinse  (772)  eifflinse  (845). 
Dag  Substantiv  Eifln  erscheint  zuerst  8:H8,  Eiffila  1051,  Eiflia  1141 

Die  Roer-Kyll-Linie  teilt  das  Eifelplateau  in  zwei  Hälften ;  die  östliche 
umfafst  die  Hohe  Eifel  und  die  Vordere  Eifel,  die  westliche  die  Schneipfel 
und  das  Hohe  Venn.    Im  östlichen  Abschnitt,  dessen  mittlere  Höhe  600  m 
beträgt  und  nach  S.  zu  bis  auf  300  m  sich  senkt,  ist  das  Landschaftsbild 
durch  das  Auftreten  vulkanischer  Kegelberge  und  verschiedener  anderer  vulka- 
nischer Erscheinungen  charakterisiert.    Hierzu  gehören  die  Maare.  Es  sind 
die«  keine  eigentlichen  Kraterseen,  sondern  nur  Einsturztrichter,  d.  h.  in  der 
Entwicklung  zurückgebliebene  Vulkane,  die  von  Aschen-  und  Schlackenwällen 
umrahmt  sind,  ohne  dafs  es  aber  zu  höheren  Anhäufungen  gekommen  wäre. 
Ein  typisches  Beispiel  ist  hier  der  bekannte  Laach  er  See  (3,3  qkm),  273  m 
über  dem  Meere  gelegen  mit  einer  Maximaltiefe  von  51  m.    Das  Schalken- 
mehrener  Maar  ist  32  m  tief,  das  Weinfelder  Maar  102  m,  das  Pulvermaar 
95  m.   Neben  den  Maaren  treten  in  grofser  Menge  auch  basaltische  Vulkan- 
kegel auf,  bei  denen  der  Eruptionsprozefs  sich  forgesetzt  hat  und  deren  Isolierte 
Kuppen  das  ganze  Landschaftsbild  beherrschen ;  der  höchste  unter  ihnen  ist 
die  Hohe  Acht  (760  m).    Die  ganze  Umgebung  des  Laacher  Sees  mit  ihren 
Schlacken-  und  Lavenfeldern  (Steinbrüche  bei  Niedermendig)  zeigt  noch  andere 
vulkanische  Nebenerscheinungen ,  wie  Mofetten ,  die  Kohlensäure  ausstofsen, 
und  kohlensaure  Quellen ,  mehrere  hundert,  an  Zahl.  —  Eine  zweite  Vulkan- 
linie läfst  sich  von  Bertrich  an  der  Üfs  nordwestlich  über  Daun  bis  nach 
Hillesheim  verfolgen,  auf  der  Maare  und  erloschene  Vulkane  mit  Schlacken 
und  Laven  in  dichter  Folge  auftreten.  —  Nördlich  der  Linie  von  Prüm  über 
Birgel  nach  Aremberg  ist  der  Vulkanismus  nicht  mehr  anzutreffen.   Das  Devon- 
plateau  ist  sehr  einförmig  gestaltet;  in  der  Schneifel  trifft  man  die  wildesten 
und  ödesten  Partien  an.    Überdies  ist  das  Land  von  Hochmooren  durchsetzt, 
nid  steigt  in  nordwestlicher  Richtung  allmählich  an  (Losheimer  Wald  700  m). 
—  Im  NW.  der  Roer  bildet  das  Hohe  Venn  seiner  anders  gearteten  geogno- 
^tWhen  Beschaffenheit  wegen  einen  besonderen  Abschnitt.  Orographiseh  liebt 
*  sich  vom  Eifel-  und  Ardennenplateau  nicht  scharf  ab.  Es  besteht  aus  einem 
;rranitischen  Rücken,  der  von  den  ältesten  paläozoischen  Schichten  umhüllt  ist. 
I'if  Botrange  erreicht  695  m.    Sümpfe  und  Torfmoore  bedecken  den  weitaus 
grofcten  Teil.    Sie  herrschen  aber  auch  auf  dem  ganzen  übrigen  Grauwaeken- 
><  hieferplateau  vor.    Wo  der  Wald  verschwunden  ist,  ist  der  Boden  in  ein 
Heideland  übergegangen.  Dresse  1,  GreognOBtisch-geologische  Skizze  der  Laacher 
' ulkangegend ,  Münster   1H7 1.    Röbbelen,   Die  Bewaldung  und  sonstigen 
Meliorationen  der  Eifel  im  Regierungsbezirk  Trier,  1876.  Dronke,  Bilder  aus 
der  Eifel,  Stnttg.  1894.    Dronke,  Die  Eifel,  hrgb.  von  Cüppers,  Köln  1899. 

Die  Ardennen  in  der  heutigen  Begrenzung  des  Namens  bilden  die 
unmittelbare  Fortsetzung  der  Eifel  und  des  Venns  und  reichen  nordwestlich 
ti-  zur  Sambre  und  der  Maas  (von  Namur  bis  Lüttich).  Beide  Flüsse  stellen 
tdne  rein  äufserliche,  keineswegs  sehr  tiefgreifende  Grenzlinie  gegen  das  mittel- 
Mgisehe  Hügelland  dar.  Nach  Westen  zum  tiebiet  der  Scheide  verdacht  sich 
das  Plateau  aUmählich.  Das  ca.  400  m  hohe  Plateau  ist  von  Flüssen  mit  Steil- 
räudigen  Tälern  tief  durchfurcht.  Während  diese  Täler  vorzüglich  der  Boden- 
kultur und  der  Besiedelang  dienen,  sind  die  Hochflächen  selbst  entweder  von 
Caldern  oder  Heidemooren  erfüllt,  sog.  Fttt/iies.  Die  Haufes  Fatjues  sind  als 
hochliegende  Moore  gleichbedeutend  mit  Hohes  Venne  In  der  Nähe  von 
letzterem  liegt  auch  der  höchste  Punkt  des  Ardennenplateau*  hart  an  der 


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64 


I.  Physische  Geographie. 


Grenze,  die  Baracke  Michel ,  672  m.  Die  hochliegenden  (Teile  Jder  Ardennen 
erfüllen  die  südöstliche  Ecke  von  Belgien  und  Luxemburg.  Die  nordwestlich 
zu  ihnen  befindlichen  Partien  bis  zur  Sambre-Maas  bilden  eine  um  mehr  als 
100  m  niedrigere  Stufe.  Überall  herrschen  hier  paläozoische  Gesteine  vor, 
während  der  nördliche  Rand  von  einem  Streifen  der  produktiven  Steinkohlen- 
formation umsäumt  wird,  die  bis  in  deutsches  Gebiet  hinüberreicht  und  in 
den  beiden  Kohlenmulden  der  Inde  und  Würm  bei  Aachen  nochmals  hervor- 
tritt. Während  das  höhere  Ardennenplateau  mit  einem  aus  den  Schiefern 
hervorgegangenen  Lehm  bedeckt  ist,  ist  die  niedere  Stufe  von  Sand  und 
Kalksteinen  erfüllt.  —  Förster,  Chorographie  der  Ardennen,  Aachen  1882. 
Houzeau,  Essai  d'une  geographie  physiquc  de  la  Belgique,  Bruxellcs  1854. 
Penck,  Das  Königreich  Belgien,  1889,  p.  513  ff.,  532  ff.;  vgl.  die  Literatur 
oben  p.  28. 

Von  den  Flüssen  des  linksrheinischen  Teiles  des  Schiefergebirges  sind 
Maas  und  Mosel  die  gröfsten,  von  denen  jene  in  ihrem  Mittellauf  die  Ardennen- 

Blatte  durchsägt,  während  diese  innerhalb  des  Gebirges  ihren  Unterlauf  bildet. 
>ie  Maas  (Mosa,  frz.  Meuse),  deren  Quelle  auf  dem  Plateau  von  Langres  tiefer 
liegt  als  die  Ardennen,  schneidet  schon  auf  französischem  Boden  von  Mezieres 
an  ein  tiefes  stark  gewundenes  Erosionstal  in  die  Hochfläche  ein,  dessen 
relative  Höhenunterschiede  zwischen  Plateau  und  Flufsspiegel  anfangs  300  m 
betragen  und  nach  N.  durch  Belgien  bis  auf  120  m  abnehmen.  Bei  Namur 
(76  m)  vereinigt  sie  sich  mit  der  Sambre  (Sambra)  und  lenkt  in  deren  Richtung 
ein.  Aber  auch  ihre  Nebenflüsse  fliefsen  in  tiefen  Spalten,  und  einer  derselben, 
der  Semoy  (SemonisJ,  ist  durch  seine  zahlreichen  Windungen  ausgezeichnet, 
wie  sie  kein  zweiter  Flufs  besitzt.  Vor  Lüttich  mündet  die  Ourthe  (Vrta) 
ein.  Auf  dem  Eifelplateau  entspringt  auch  die  Roer  (Rum),  die  die  Maas  aber 
erst  im  niederländischen  Tiefland  erreicht. 

Die  Wasserscheide  zwischen  Maas-  und  Rheinsystem  läuft  diagonal  in 
NO. -SW.- Richtung  über  die  Eifel.  Teils  gehen  die  Flüsse  direkt  in  den 
Rhein,  wie  die  Erft  (Amapa.  Arlephe,  Arlafe).  die  Ahr  (Ära)  und  die  Nette 
(Xitissa),  teils  werden  sie  von  der  Mosel  aufgefangen.  Letztere  beschreibt 
unterhalb  Trier  jene  grofsen  Serpentinen,  die  sie  erst  in  junger  geologischer 
Zeit  (spätere  Tertiärzeit)  in  das  Plateau  eingeschnitten  hat,  während  ein  alter, 
höher  gelegener  Mosellauf  sich  von  Schweich  über  Hetzerath  bis  Mülheim  hat 
nachweisen  lassen.  Von  den  linksseitigen  Moselzuflüssen  aus  der  Eifel  sind 
zu  nennen:  die  Sauer  (Sunt),  beute  die  deutsch-luxemburgische  Grenze  bildend, 
mit  der  Our  (Urvei)  und  Prüm  (Prumia),  ferner  die  Kyll,  Kill  (Kylia),  die 
Salm  (Salmona),  Lieser  (Lesum),  Uefs  und  Eitz. 

Das  Tal  des  grofsen  Rheinstromes  selbst,  der  das  Schiefergebirge  an 
seiner  relativ  schmälsten  Stelle  durchquert,  steht  in  schroffem  Gegensatz  zu 
jenem  oberhalb  Bingen.  Es  ist  ein  typisches  Erosionstal.  welches  der  Strom 
in  die  zur  Tertiär-  und  Diluvialzeit  sich  hebende  Scholle  von  oben  nach  unten 
allmählich  eingeschnitten  hat.  Die  Spuren  seines  ehemaligen  Laufes  lassen 
sich  an  den  Talseiten  noch  nachweisen.  Die  Erosionstätigkeit  des  Flusses 
reicht  bis  in  die  jüngste  Zeit  hinab,  und  erst  der  Mensch  ist  es  gewesen,  der 
an  einzelnen  Punkten  die  letzten  noch  vorhandenen  Flufsbänke  künstlich  be- 
seitigt hat.  Innerhalb  der  historischen  Zeit  ist  der  Rhein  eine  sehr  beschwer- 
liche Wasserstrafse  gewesen.  Sogleich  beim  Eintritt  in  das  Rheinische  Schiefer- 
gebirge bildete  das  Binger  Loch  ein  Hindernis  für  den  Verkehr,  da  vor  300  Jah- 
ren hier  ein  Fall  von  6 — 7  Fufs  Höbe  noch  vorhanden  gewesen  sein  soll.  Doch 
schon  im  XI.  Jh.  hatte  man  Anstalten  zur  Beseitigung  der  Felsen  gemacht. 
Der  durchgehende  Flufsverkehr  war  hier  immer  gehemmt  gewesen.  Grofse 
Schiffe  mufsten  in  Bacharach  und  Lorch  aus-  und  umgeladen  werden.  Auch 
bei  St.  Goar  war  das  Gefälle  mehrere  Fufs  grofs.  Im  XV.  Jh.  machten  die 
rheinischen  Kurfürsten  gemeinschaftlich  Anstalten,  die  Passage  zu  öffnen,  und 
Ende  des  XVI.  Jh.  wurden  die  ersten  Pulversprengungen  vorgenommen. 
Eine  wesentliche  Besserung  trat  erst  ein,  als  die  preufsische  Regierung  1828 


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20.  Hessisches  Bcrgland.  65 

die  Sache  in  die  Hand  nahm  und  in  den  Jahren  1830 — 1832  das  Binger  Loci» 
für  den  Schiffsverkehr  praktikabler  machte.  Vgl.  hierüber  Quetsch,  Gesch. 
des  Verkehrswesens  am  Mittelrhein .  Freiburg  1891 ,  p.  3 — 9.  Während  der 
Strom  von  Bingen  bis  Koblenz  in  einem  oft  recht  steilwandigen  Tal  (so  z.  B. 
am  Loreleyfelsen,  wo  der  Flufs  eine  Tiefe  von  30  m  hat)  dahinfliefst,  erweitert 
sich  das  Tal  an  der  Einflufsstclle  von  Mosel  und  Lahn  bei  Koblenz  zu  dem 
kleinen  Becken  von  Neuwied,  einem  ehemaligen  Seebecken,  in  welchem  der 
Strom  sich  mehrmals  spaltet.  Unterhalb  Coblenz  verengt  sich  das  Tal  aber- 
mals und  der  Flufs  tritt  in  den  zweiten  Abschnitt  der  Erosionsfurche  ein ;  auch 
hier  treten  vereinzelt  noch  Felsriegel  auf,  doch  waren  die  Hindernisse  niemals 
so  empfindlich  gewesen  als  weiter  oberhalb.  Nach  Passierung  des  Sieben- 
gebirges tritt  der  Strom  in  die  Bonner  Tief landsbucht  ein,  und  hiermit 
ändert  sieh  nochmals  die  Natur  seines  Bettes.  Er  besehreibt  von  hier  an  grofse 
Windungen,  wie  jeder  Tieflandsstrom,  und  hat  im  Laufe  der  jüngsten  geolo- 
gischen Vergangenheit  und  noch  in  historischer  Zeit  seinen  Lauf  mehrfach  ge- 
ändert. Er  zeigt  das  Bestreben,  die  grofsen  Windungen  mehr  und  mehr  ab- 
zukürzen, und  der  Mensch  hat  diese  natürliche  Stromzusammenziehung  noch 
beschleunigt.  »Seit  der  Römerzeit  wurde  der  Rhein  von  seinen  Seiten-  und 
Querannen  durch  Deichbautcn  abgeschnitten.  Im  XVIII.  Jh.  grub  man  geradlinige 
Kanäle  statt  der  scharfen,  in  der  Querrichtung  weit  ausholenden  Krümmungen. 
Heute  erstrebt  die  Strombau  Verwaltung  die  möglichste  Gradlegung  des  Flusses 
durch  Absteinungen,  Buhnen  und  Leitwerke.«  (Chambalu).  Im  einzelnen  vgl. 
besonders  das  p.  51  genannte  offizielle  Werk  über  den  Rheinstrom;  ferner 
Chambalu,  Die  Stromveränderungen  des  Niederrheins  seit  der  vorrömischen 
Zeit,  Köln  1892. 

20.  Hessisches  Bergland.  Das  Stromgebiet  der  oberen  Weser  und 
ihrer  Oberläufe  ist  von  einem  reichgegliederten  Bergland  erfüllt.  Die 
orographisehe  Oestaltung  ist  eine  äuiserst  mannigfaltige;  ohne  jede  Ord- 
nung sind  die  kuppen-  und  plateauförmigen  Erhebungen  zusammen- 
gedrängt. Da  der  gröfste  Teil  des  Berglandes  dem  hessischen  Lande 
angehört,  so  hat  man  sich  gewöhnt,  es  nach  diesem  zu  benennen.  Wegen 
der  beträchtlichen  Zerstückelung  des  (ianzen  tritt  eine  scharfe  Grenze 
gegen  die  benachbarten  Landschaften  nicht  hervor.  Im  W.  hebt  sich 
«bis  Bergland  gegen  das  Rheinische  Schiefergebirge  geognostisch  und 
orograj »bisch  noch  am  meisten  ab.  Im  S.  bilden  die  Kinzig,  Sinn  und 
Fränkische  Saale,  im  O.  die  Werra  und  Leine  nur  eine  notdürftige 
Grenze;  im  N.  aber  mangelt,  eine  solche  gänzlich;  die  Abgrenzung  mit 
der  geographischen  Breite  von  Ilolzminden  ist  eine  willkürliche.  —  In 
geologischer  Beziehung  zeigen  alle  Teile  des  Hessischen  Berglandes  eine 
gewisse  Zusammengehörigkeit,  denn  die  wesentliche  und  vorherrschende 
Unterlage  des  (ianzen  ist  der  Buntsandstein  (Trias),  der  zuweilen  auch 
noch  Bruchstücke  jüngeren  Ursprungs  (Muschelkalk,  Keuper)  aufweist. 
Bruchlinien  in  bald  mehr  meridionaler,  bald  nordwestlicher  Richtung 
durchsetzten  die  ganze  Platte  und  haben  sie  in  ein  wellen  förmiges  Land 
/.erlegt,  und  noch  wechselroichor  gestaltete  sieh  die  Oberlläche  dadurch, 
dafs  auch  vulkanische  Massen,  besonders  Basalte  und  Phonolithe,  durch- 
gebrochen sind  und  sich  kuppenartig  aufgehäuft  oder  deckenförmig  aus- 
gebreitet haben.  Die  beiden  südlichen  Ilaupterbebungen,  der  Yogels- 
berg  und  die  Rhön,  zeigen  solche  vulkanischen  Überhöhungen  und 
Decken  in  ausgedehntem  Meise.  Nördlich  der  Rhön,  da,  wo  Fulda  und 
Werra  im  Mittellaufe   einander  nahetreten.  liegt  der  Se Illings  wald ; 

Kreis  rhiner,  lli«tori*(  he  (ieuifriiphie.  5 


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I.  Physische  Geographie. 

auf  der  Flufshalbinsel  bis  Münden  weiterhin  der  Ringgau,  das  ►Stol- 
zinger Gebirge  (495  in),  der  Eisberg  (583  m),  der  H  o  he  Meissner 
(749  m)  und  der  Kaufunger  Wald  mit  dem  Bilstein  (640  m).  —  Auf 
der  linken  Seite  der  Fulda  wiegen  die  Erhebungen  weniger  vor;  viel- 
mehr treten  hier  hügelige  zusammenhängende  Niederungen  auf,  die  im 
S.  mit  der  Wetterau  beginnen  und  sieh  östlich  der  Laim  und  des  Rhei- 
nischen .Schiefergebirges  nach  X.  weiterverfolgen  lassen.  Neben  den 
Senken  zeigen  sieh  aber  aufser  dem  Yogelsbcrge  auch  noch  gröfsere 
Bodenanschwellungen,  wie  das  K  nüllgofyirge  zwischen  Schwalm  und 
Fulda  und  der  Habichtswald  bei  Kassel.  Das  Hessische  Bergland 
setzt  sich  zu  beiden  Seiten  der  Weser  fort,  walderfüllte  Plateaus  und 
Rücken  bildend,  die  nicht  mehr  eigentlich  als  Gebirge  bezeichnet  werden 
können;  so  auf  der  rechten  Seite  der  Weser  der  Bramwald  und  der 
Solling  und  auf  der  linken  der  Roinhardswald  mit  dem  Gahrenberg 
(4ö4  m).  In  den  mannigfachen  Vertiefungen  zwischen  allen  diesen  Boden- 
anschwellungen sind  tertiäre  Schichten  anzutreffen,  die  durch  ihre  Braun- 
kohlenablagerungen wirtschaftlich  von  Bedeutung  geworden  sind.  —  In 
hydrographischer  Beziehung  gehört  das  Hessische  Bergland  zum  weitaus 
gröfsten  Teil  dem  Wesergebict  an,  deren  beide  Oberläufe,  die  Fulda 
ganz,  die  Werra  teilweise  in  Hessen  liegen.  Nur  die  südlichen  Rand- 
gebiete des  Yogelsbcrges  und  der  Röhn  werden  zum  Main  hin  ent- 
wässert. 

Der  Vogelsberg,  ahd.  Fiujahsberc,  stellt  eine  alte  Vulkanruine  dar,  deren 
Unterlage  aus  Buntsandstein  besteht.  Eine  Basaltdecke  von  flachkonischer  Ge- 
stalt mit  sehr  geringer  mittlerer  Böschung  bildet  die  Oberfläche  des  46  km  im 
Durchmesser  messenden  Kegels.  Seine  Gestalt  tritt  auch  in  der  Entwässerung 
hervor;  die  Quellbäche  haben  ihn  oft  in  tiefen  Schluchten  zerfurcht  und  tliefsen 
radial  von  ihm  ab.  Nach  NW.  wendet  sich  die  Ohm  (Amena)  zur  Lahn,  nach 
N.  die  Schwalm  (Sulmanafai)  zur  Edcr,  nach  0.  die  Altfell  und  Lüder  (Lnoihra) 
zur  Fulda,  nach  S.  der  Salzbach  und  die  Bracht  (Brachtaha)  zur  Kinzig  und 
im  W.  schliefslich  die  Nidda  mit  der  Nidder  und  Wetter  (Wrteraha)  zum  Main. 
Die  höchsten  Teile  des  Vogelsbcrges  bilden  eine  waldige  Hochfläche,  deren 
Maximalerhebung  der  Taufstein  772  m  erreicht.  —  Westlich  vom  Vogclsberg 
folgt  eine  imkerst  fruchtbare  Niederung  bis  zum  Taunus  reichend,  die 
Wetterau  (Wethreiba)  von  c.  800  qkm  Oröfse,  die  bis  in  die  Mainniederung 
hinabgeht. 

Vom  Vogelsberg  leitet  eine  inäfsig  hohe  Bodenschwelle,  der  Landrücken 
(373  in),  der  Kinzig-  und  Fuldagebiet  voneinander  scheidet,  zur  Rhön  hinüber. 
Die  Rhön  (Rome,  Ronaho)  bildet  mit  andren  Berglandschaften  des  Fulda-  und 
Werralandes  einen  Teil  der  sog.  Bucouia,  Duchoitia  des  früheren  Mittelalters 
f  Fredegar;  Gregor  Tur.  II,  40;  Brief  des  Bonifaz  in  JatTe  bibl.  IL  319),  eine 
Benennung,  die  neben  Caesars  Hnanis  gestellt  worden  ist.  Auch  die  Rhön  ist 
ein  vulkanisches  Gebirge  mit  triassiseher  Unterlage  wie  der  Vogelsberg,  nur 
dafs  hier  die  Basalte  in  einzelnen  Kuppen  und  Rücken  die  Schichtgesteine 
überragen  und  nicht  deckenförmig  abacnlieJsen.  Die  höchsten  Höhen  ragen  . 
völlig  kahl  und  baumlos  auf  und  sind  mit  moorigen  Bildungen  und  Heiden 
verseilen.  Von  diesem  Charakter  ist  besonders  die  Hohe  oder  Lange  Rhön, 
in  welche  das  Tal  der  Ulster  von  Norden  her  hereinreicht.  Ihr  höchster  Punkt 
ist  die  Wasserkuppe,  1)52  m.  Nördlich  von  ihr  liegt  die  Vordere  Rhön,  die 
durch  das  L'lstertal  in  zwei  Teile  geschieden  ist.  von  denen  sich  der  westliche 
durch  seine  dichtgedrängten  Basalt-  und  Phonolithkegel  auszeichnet;  ihr  süd- 
lichster Kegel  ist  die  Milseburg  (83H  in),  ihr  nördlichster  der  Soisherg  (627  m). 


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21.  YWorberylund.  G7 

Wie  «Iii*  Vordere  Rhön  .schon  ein  freundlicheres  Landschaftebild  zeigt,  schöne 
Waldungen  hat  und  den  Feldbau  gestattet,  so  trägt  auch  die  Südliche  Rhön 
ein  ähnliches  Gepräge.  Durch  das  Tal  der  Sinn  wird  sie  in  zwei  Hauptrücken 
geteilt,  die  beide  einen  gleich  hohen  Kulminationspunkt  haben  (930  in),  die 
Danunersfeldkuppe  und  den  Kreuzberg.  Von  der  Rhön  gehen  die  Flüsse 
radial  nach  allen  Richtungen  aus;  der  nordliche  Abschnitt  wird  nach  der  Fulda 
und  Werra  ent wässert,  der  südliche  nach  der  Sinn  und  Fränkischen  Saale. 
Barth,  Das  Rhöngebirge,  Fulda  1871.  Scheid twciler,  Die  Rhön  und  ihre 
wirtschaftlichen  Verhältnisse.  Frankf.  1887. 

Von  den  übrigen  Berglandschaften  ist  der  Hohe  Meifsner  der  bekannteste, 
ein  langgestreckter,  plateauartiger  Berg  mit  grofsen  Wiesenflächen,  auch  Moor- 
und  Seenbildungen.  Der  Solling,  Solinger  Wald  bildet  den  nördlichen  Abschlufs 
der  Buntsandsteinformation.  Als  Soliyo,  Solge  erscheint  er  schon  im  XIII.  Jh., 
ferner  Sollingus,  Stdlinyswald  (XV.  Jh.). 

Den  Hauptstrom  des  Hessischen  Berglandes  bildet  die  Weser  mit  ihren 
Quelläufen  Werra  und  Fulda.  Die  2(59  km  lange  Werra  entspringt  im  Thüringer 
Walde,  die  180  km  lange  Fulda  auf  der  Wasserkuppe  in  der  Rhön.  Die  Fulda 
wird  frühzeitig  schon  genannt:  Vahle  (V.  Jh.),  Vtdtaha,  Widda  und  Fulda 
(VIII.  Jh.).  Die  Namen  Werra  und  Wesi  r  sind  gleichbedeutend.  Formen 
wie  Wirrahl,  WeraJia  treten  im  VIII.  Jh.  auf,  Werra  im  XI.  Jh.  Daneben 
auch  Formen  wie  Wiseraha,  l'isera,  Visora.  Nach  ihrer  Vereinigung  bei  Münden 
bilden  sie  die  Weser,  die  bei  den  Alten  (Mela,  Plin.,  Tacitus,  Vellej.  Paterc.) 
allgemein  Visurtjix,  Ohaoi'^yi^  (Ptol.),  Btaov$yt$  tStrabo)  heifst.  Im  Mittelalter 
wird  auch  sie  Wisara  genannt,  und  im  übrigen  herrschen  dieselben  Namen- 
forrnen,  die  schon  die  Werra  führt.  Adam  von  Bremen  läfst  zuerst  eine 
Scheidung  von  Weser  und  Werra  hervortreten:  Wisara,  qui  nunc  Wissula  vel 
Wtrraha  mincapatar.  Ein  gröberer  Nebenflufs  der  Fulda  ist  die  Ed  er,  die 
schon  den  Alten  bekannt  war.  Tacitus  (Annal.  I,  56)  erwähnt  sie  als 
Adrana.  Unter  diesem  Namen  tritt  sie  auch  im  Mittelalter  verschiedentlich 
auf:  Atlama,  Adema.  Ethriua,  Ederna. 

Landau.  Das  Kurfürstentum  Hessen,  Kassel  1812.  Wagner.  Statist.- 
topogr.-histor.  Beschreibung  des  ( irofsherzogt.  Hessen,  Darmstadt  1H29 — 1831. 
Jäschke,  Das  Meifsnerland,  Stuttg.  1888.  Küster,  Die  deutschen  Bunt- 
sandsteingebiete, Stuttg. 

•21.  Weserbergland.  Die  Hessiseho  Senke,  die  iin  S.  mit  der  Wet- 
terau  beginnt  und  sich  nordwärts  Bis  zur  Weser  zieht,  findet  in  dem 
Weserbergland  gleichsam  eine  Fortsetzung,  nur  dafs  sie  aus  der  anfangs 
mehr  meridionalen  Richtung  innerhall)  Hessens  nunmehr  in  eine  nord- 
westliehe einlenkt.  Der  hügelige  Boden  dieser  Fortsetzung  liegt  schon  etwas 
tiefer  als  jener  der  Hessischen  Senke.  Während  diese  aber  in  ihrer  Richtung 
mehr  Beziehungen  zum  oberrheinischen  System  erkennen  läfst,  wird  man 
den  weiteren  Verlauf  der  Einsenkung  wegen  ihrer  NW. -Richtung  zum 
herevnisehen  System  stellen  müssen,  welches  den  gröfsten  Teil  der 
(Jebirgszüge  Mitteldeutschlands  beherrscht,  Es  sind  im  wesentlichen 
zwei  schmale  Gebirgsrücken,  die  in  einer  Entfernung  von  30 — 40  km 
nebeneinander  hinstreichen;  der  nördliche  wird  durch  den  Süntel,  das 
Weser-  und  Wiehengebirge  gebildet  und  der  südliche  durch  den  Teuto- 
burger Wald.  Das  zwischen  beiden  Rücken  liegende  Land  ist  von 
kleineren  Höhenzügen  erfüllt,  die  trotz  aller  Cnregolrnäfsigkoit  die  gleiche 
nordwestliche  Stretchrichtung  erkennen  lassen.  Auch  der  Ilauptfluls,  die 
Weser,  zeigt  sich  bis  zu  einem  gewissen  (trade  hiervon  abhängig.  Sie 
macht  anfangs  Miene,  die  ganze  Senke  zu  durchfliegen,  biegt  dann  aber 

5' 


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68 


I.  Physische  Urographie. 


scharf  nach  N.  um  und  flickt  sogar  ein  Stück  nach  0.  zurück,  um  dann 
in  einer  tiefen  Scharte  zwischen  Wiehen-  und  Wesergebirge  durch- 
brechend, in  die  Tieflandsniederung  einzutreten.  —  Der  Teutoburger 
Wald  erscheint  als  die  Fortsetzung  der  meridional  streichenden  Egge. 
Er  steigt  wallartig,  aus  zwei  bis  drei  der  Trias-  und  Kreideformation 
angehörigen  Parallelketten  bestehend,  auf  einer  relativ  niedrigen  Basis 
auf,  besonders  im  S.,  wo  die  heideartige  Niederung,  die  Senne  sich  findet. 
Sie  macht  einen  Teil  der  Münsterschen  Tieflandsbucht  aus,  welche  sich 
keilförmig  in  das  deutsche  Mittelgebirge  hineinschiebt  und  in  deren 
Winkelpunkt  Paderborn  gelegen  ist.  Teutoburger  Wald,  Egge  und  Rhei- 
nisches Schiefergebirge  schliefsen  die  Bucht  ab.  Der  abgestumpfte  Winkel 
an  der  Egge  wird  von  einer  mäfsigen  Hochfläche  noch  erfüllt,  die  man 
als  Paderborner  Plateau  bezeichnet  hat, 

Etwas  mannigfaltiger  gestalten  sich  die  orographisehen  Verhält 
nisse  weiter  östlich  in  dem  Bergland,  welches  zu  beiden  Seiten  der 
Leine  sich  hinzieht.  Es  setzt  sich  aus  einer  ganzen  Folge  von  mäfsig 
hohen  Bergzügen  zusammen,  die  alle  nur  kurz  entwickelt  sind.  Zwischen 
der  Weser  und  der  Leine  sind  es  der  ilils  (400  m)  und  der  Ith  (381  m), 
ferner  nördlich  von  diesen  der  Osterwald  (388  m),  der  Nesselberg 
(398  m)  und  der  Deister  (416  m)  südwestlich  von  Hannover;  westlieh 
von  diesem  die  Bückeberge.  Zwischen  Leine  und  Innerste  ziehen  sich 
südlieh  von  Hildesheim  in  mehreren  Parallelketten  die  Hildesheimer 
Berge  hin;  in  nächster  Nähe  der  Leine  die  Siebenberge  (420m), 
der  Ahrensberg  (371  m)  und  der  Heberberg  (315  m).  Die  Leine 
selbst,  die  dem  oberen  Eichsfeld  entquillt,  fliefst  in  einem  grabenartigen 
meridionalen  Bruch. 

Der  Teutoburger  Wald  erscheint  unter  diesem  Namen  schon  bei 
Taeitus  (Anna!  1,60):  Sallus  l'eutoburgieusis.  Man  hat  aber  Bedenken  erhoben, 
ob  unter  diesem  Saltus  der  heutig«;  gleichnamige  Gebirgszug  zu  verstehen  sei. 
Die  viel  erörterte  Frage  nach  der  Örtlichkeit  der  Varusschlacht  steht  mit  der 
Lage  des  Teutoburger  Waldes  in  engsten  Beziehungen.  Vgl.  Mommsen.  Die 
Örtlichkeit  der  Varusschlacht  (Berlin  1885),  der  den  Kampfplatz  in  das  Venner 
Moor  nördlich  von  Osnabrück  verlegt,  wonach  der  Satins  Trat,  dann  das 
Wiehengebirge  sein  müfste.  —  Im  Mittelalter  heifst  der  Gebirgszug  meist  Os- 
Hing;  bei  Einhard  :  maus,  qui  Osmw/i  diritnr.  Auch  Formen,  wie  Osiieijtji  und 
Uwmnge  u.  a.,  treten  auf.  Der  Teutoburger  Wald  mit  seinen  drei  Parallel- 
kämmen  bildet  einen  geschlossenen  Kücken,  der  nur  zweimal  eine  Unter« 
brechung  zeigt  :  die  Dörensehlueht  bei  Detmold  und  die  Lücke  bei  Bielefeld. 
Der  Parallelismus  der  Kette  ist  in  der  ganzen  geologischen  Entwickcluug  schon 
begründet.  Das  Münsterland  und  die  Osnabrücker  Senke  (Keupcri  stellen  zwei 
eingesunkene  Schollen  dar.  deren  äufsere  Ränder  aulgebogen  und  gegeneinander 


gesteinen,  die  im  S.  am  Rande  des  Rheinischen  Schiel'ergehirgcs  die  gefalteten 
und  abradierten  Karbongesteine  teilweise  überlagern.  I  ber  die  einzelnen 
Flüsse,  Leine,  Weser,  Innerste  etc.,  s.  das  weiter  unten  Bemerkte.  In  der  Osna- 
brücker Tietlandsbucht  Hülst  nach  W.  die  Hase  zur  Ems  ab,  nach  O.  die  Eiße 
zur  Werre  und  diese  zur  W  eser.  Da,  wo  Hase  und  Klse  westlich  von  Melle 
dicht  aneinander  treten,  ist  eine  Bifurkation  von  der  lla.se  zur  Else  hinüber 
zu  beobachten.  Doch  hat  sich  nic  ht  feststellen  lassen,  ob  nie  auf  natürlichem 
Wege  entstanden  ist. 

(int  he,  Die  Lande  Braunschweig  und  Hannover,  1867. 


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22.  Das  Harzer  Vorland  bis  östlich  zur  Elbe.  —  23.  Harz. 


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22.  Das  Harzer  Vorland  bis  Ostlich  zur  Elbe.  Nördlich  vorn  Harz 
streicht  eine  Reihe  mäfsig  hoher  Bergrücken  mit  vorherrschend  nord- 
westlicher Richtung  hin,  den  Übergang  zum  Norddeutschen  Tieflande 
bildend.  Das  sonst  meist  leicht  gewellte  Hügelland  tritt  am  nördlichen 
Harzrande  in  Gestalt  schmaler,  mauerartiger  Sandsteinrücken  mit  steilen 
Wänden  auf  (Teufelsmauer,  Regenstein  bei  Blankenburg,  Gegenstein  bei 
Ballenstedt).  Weiterhin  werden  die  Bodenwellen  flacher  ansteigend, 
wenn  sie  auch  bis  über  300  m  sich  noch  erheben. 

Der  aus  hartem  Muschelkalk  bestehende  Iluy  (311  m)  nördlich  von 
Halberstadt  und  der  südöstlich  von  Braunschweig  gelegene  wasserarme  Elm 
(344  m),  Eime,  Säcbs.  Weltchr.  (D.  Chron.  2,  160).  ferner  die  aus  Buntsandstein 
bestehende  Asse  bei  Wolfenbüttel  mit  schönem  Buchenwald.  Zwischen  Elm 
und  Huy  zieht  eine  sumpfige  Furche  von  Hornburg  a.  Ilse  östlich  nach  Oschers- 
leben  und  die  Bode  ein  Stück  abwärts,  das  Grofsc  Bruch,  dessen  Ent- 
wässerung schon  im  XVI.  Jh.  in  Angriff  genommen  und  schon  damals  durch 
den  Schiffgraben  kanalisiert  wurde.  Des  Bruches  tut  schon  Heinrich  von 
Herford  (XIV.  Jh.)  Erwähnung;  Chron.  ed.  Potth.  p.  74:  yalus  in  Wagghersleve, 
qni  dividit  nemora  Elmonem  et  Hnyonem. 

28.  Harz.  Inselgleich  steigt  der  Harz  als  ein  plateauförmiges  Massen- 
gebirge am  Rande  der  mitteldeutschen  Gebirgssch welle  empor.  Die  quer 
durch  das  ganze  Massiv  über  den  Brocken  laufende  Wasserscheide  zwi- 
schen Weser  und  Elbe  teilt  ihn  in  den  kleineren  nordwestlichen  Ober- 
harz und  den  gröfseren  Unterharz.  Jener  wird  charakterisiert  durch 
das  mit  künstlichen  Seen  erfüllte  Plateau  von  Klausthal  (600  m)  und  das 
kleinere  von  Tälern  durchfurchte  Massiv  von  St.  Andreasberg,  welche 
beide  durch  den  langen,  breitrückigen  Zug  des  Bruch-  und  Ackerberges 
geschieden  sind,  während  der  Unterharz  die  Plateaus  von  Elbingerodo 
und  Harzgerode  umfafst  (470  m).  Das  fast  ganz  aus  Devon-  und  Karbon- 
gesteinen  bestehende  und  nur  an  den  äufsersten  Rändern  aus  jüngeren 
Schichtgesteinen  zusammengesetzte  Gebirge  ist  (abgesehen  von  zahl- 
reichen Diabas-  und  Porphyritvorkommnissen)  an  zwei  Stellen  von  Granit- 
massen durchbrochen,  deren  eine  der  Rammberg  (Viktorshöhe  575  m) 
bildet,  «he  andere  der  kuppenförmige  Brocken  (1141  m).  Aus  der  näheron 
und  weiteren,  mit  Sümpfen  und  Torfmooren  durchsetzten  Umgebung 
des  Brockens  und  Brockenfeldes  geht  die  Mohrzahl  aller  Harzflüsso  her- 
vor; unter  ihnen  die  Bode,  die,  den  ganzen  Unterharz  durchfliefsend, 
beim  Austritt  aus  dem  Gebirge  den  Granit  des  Rammberges  in  einer 
tiefen  Schlucht  (Bodekessel)  durchbricht. 

Das  IJlateaugebirge  hat  die  Form  eines  Kreisabschnittes,  dessen  Sehne 
durch  den  nördlichen  Rand  gebildet  wird.  Von  NO.  nach  SO.  senkt  es  sich 
von  600  bis  zu  400  m  ab.  In  dieser  Richtung  beträgt  die  Länge  etwa  100  km 
bei  einer  Breite  von  30  km  und  einer  Arealfläche  von  2030  ukm.  Während 
der  Südrand  des  Gebirges  eine  mittlere  Höhe  von  250  m  hat,  liegt  der  Nord- 
rand nach  der  Norddeutschen  Tiefebene  zu  in  etwa  210  m.  —  Der  Name  des 
Harzes  hat,  wie  oben  bemerkt,  mit  der  alten  Hercynia  nichts  zu  schaffen. 
Die  von  Caesar  (b.  gall.  VI,  10)  als  Grenze  zwischen  Sueben  und  Cheruskern 
genannte  Barenls  silva  ist  öfters  auf  den  Harz  bezogen  worden,  doch  läfst  sich 
die  Ausbreitung  des  Cheruskervolkes  hiermit  nicht  in  Einklang  bringen;  vgl. 
auch  Möllenhoff.  DA.  IV,  439  f.  Hingegen  wird  man  unter  dem  Mrt\fßoxot' 
ögng  bei  Ptolemäus  II,  11,  5  nur  den  Harz  verstehen  können.    Der  jetzt  noch 


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70  I.  Physische  < Jeographie 

gebräuchliche  Name  erscheint  erst  am  Ende  des  VIII.  Jh.:  silm  quae  voeafnr 
Htterte,  im  IX.  Jh.  /Wz.  //n»7,  hei  Helmold,  Chron.  Slav.  1,26:  Moides  Hartici; 
er  bedeutet  nichts  anderes  als  Waldgebirge«. 

Die  Teilwigslinie  zwischen  Ober-  und  rnterharz  wird  sehr  verschieden 
angesetzt.  Die  Wasserseheide  zwischen  Ilse  und  llolzemme,  dann  der  Brocken, 
das  Brockenfeld  und  weiterhin  die  Scheide  zwischen  dem  Oderllüfschen  einer- 
seits und  Bode  und  Wieda  anderseits  möchte  ich  als  Teilungslinie  in  Vorschlag 
bringen,  zumal  sie  auch  eine  Scheide  zwischen  Weser-  und  Elbesystem  ist. 
Von  den  wenigen,  die  Plateaulliiehc  sonst  nur  mäfsig  überragenden  Hachen 
Kuppen  hat  der  weithin  sichtbare  Brocken  von  jeher  die  Aufmerksamkeit 
auf  sieh  gezogen.  (  her  die  Baumgrenze  aufragend,  den  atmosphärischen 
Einflüssen  besonders  ausgesetzt,  zeigt  er  eine  rauhe,  verwitterte,  mit  Granit- 
blöcken bedeckte  Oberfläche  von  alpiner  Wildheit.  Während  der  Name  Harz 
schon  im  VIII.  Jh.  belegt  ist.  tritt  seine  höchste  Spitze  erst  im  XV.  Jh.  mit 
einem  eigenen  Namen  auf.  Ed.  Jacobs,  der  eifrige  Harzforscher,  hat  über  den 
Berg  eingehende  Untersuchungen  angestellt.  Schon  1460  wird  er  genannt: 
Moides  tir<nkensberg  in  einer  Abhandlung  d>-  Soxohuhi  origine  (Harz-Z.  1878.  434). 
Eine  Urkunde  des  Grafen  Heinrich  zu  Stolberg  W  ernigerode  von  1490  Jan.  VI 
führt  dreifsig  Bergnamen  auf.  unter  ihnen  den  Bmckenberg.  Doch  wird  hier- 
unter nicht  der  Berg  im  engeren  Sinne,  sondern  sein  Gebiet  im  weiteren  be- 
griffen. 1495  wird  er  urkundlich  als  Möns  mptm  (=  zerbrochener  Berg)  auf- 
geführt, eine  Bezeichnung,  die  mit  seiner  OberflächenbesehaiTcnheit  im  Zu- 
sammenhange steht,  den  Massen  von  Trümmern  und  Kelsblöcken;  daher  auch 
Blocksberg  genannt.  Andere  leiteten  den  Namen  von  Bruch  =  Sumpf  ab;  so  auch 
Pröhle.  de  Brneteri  nominibns.  Werniger.  1855.  Falsch  gelehrte,  mit  dem  Hexen- 
wesen  in  Verbindung  stehende  Namen  sind  M»ns  Bmetems,  Procains  (15T0), 
Proekelsberg  (HjOO  u.  a.  Jacobs  bringt  die  Namensform  Brackenberg  in  Ver- 
bindung mit  Bracken  =  abgestandene,  zu  Nutzholz  untaugliche  Bäume  Griinri, 
WB.  289).  Auf  einer  Karte  des  XVI.  Jh.  heilst  er  Unnenberg.  Vgl.  Jacobs 
in  der  Harz-Z.  1870,  p.  36  ff.  —  Eine  gewisse  Berühmtheit  hatte  er  in  der 
deutschen  Sage  als  Tummelplatz  von  Hexen  und  Unholden,  die  besonders  in 
der  Walpurgisnacht  (1.  Mai)  hier  ihr  Wesen  treiben  sollten.  Diese  Auffassung 
des  Blocksberges  als  Hexenberg  beginnt  erst  um  die  Mitte  des  XVI.  Jh. 
Gewöhnlich  wird  der  Botaniker  Job.  Thal  (1572)  als  erster  Broekenbestciger 
bezeichnet.  Doch  scheint  Tilem.  Stoltz,  latinisiert  Stella  (gest.  1590)  den  Brocken 
zu  kartographischen  Zwecken  schon  um  1560  aufgesucht  zu  haben  i  Harz-Z.  1896, 
307  IT.).  Auf  seinem  Gipfel  befindet  sich  jetzt  eine  meteorologische  Station 
(mittlere  Julitemperatur  -f-  10.7°  (',  Januartemperatur  --5,4°,  jährliche  Regen- 
höhe 170cm).  Vgl.  auch  Afsmann.  Der  Brocken,  in  Mittlgn.  Ver.  f.  Ekde.. 
Halle  1883.  p.  1  —  1»;.  Nehse,  Der  Brocken  u.  seine  Merkwürdigkeiten.  1840. 
Jacobs.  Der  Br.  u.  s.  Gebiet,  in  d.  Harz  Z.  1870.  p.  1—69,  seine  Bedeutung 
für  die  Volksvorstellung  als  Geisterberg.  ebend.  p.  755— 898;  1871.  p.  114—156. 
Jacobs.  Brockenfragen,  Harz-Z.  1878.  433  IT.  Der.-..  Die  erste  bekannte  um 
die  Mitte  des  XVI.  Jh.  zu  wiss.  Zwecken  ausgeführte  Brockenbesteigung, 
Harz-Z.  1896.  307  ff.  Hevse,  Zur  Gesch.  der  Brockenreisen,  5.  Aull,  mit 
Literatur,  1891. 

Im  Westen  des  Brockens  liegt  das  Brockenfeld,  eine  sumpfige  Hoch- 
fläche, die  das  Ursprungsgebiet  mehrerer  Flüsse  ist  (810  m),  der  Ecker.  Radau, 
Oder  und  Bode.  Auf  »lein  Brocken  selbst  entspringt  die  Ilse,  weiter  östlich 
die  Holtenime;  auf  «lern  Bruchberg  die  Oker  (Trokare.  I'ita  Bernward.  c.  7)  und 
an  der  Südseite  die  Sieber;  auf  dem  Klausthaler  I'lateau  die  Innerste  (Indistra). 
Die  Bode  (so  schon  Urk.  Otto  I.  DD,  n.  299;  liada  fl.  Widuk.  II,  14)  durch- 
fliefst  den  Unterharz  in  vielen  Windungen.  Sie  berührt  Rübeland  mit  den  be- 
rühmten Tropfsteinhöhlen.  Die  Baumannshöhle  ist  nicht  nach  einem  Berg- 
mann dieses  Kamens  genannt,  «1er  167<>  sie  entdeckt  haben  soll  ;  vielmehr  wird 
sie  schon  in  C.  Gesners  Her.  fossil.,  lapidnin  .  .  lifter  von  1565  genannt:  snbter- 
''""""''•'  "'"""«  mdmin,  j  I  Bauman nshol  appellani    I    Heyse  in  der  Harz-Z 


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24.  Thflniigiwlie»  Hecken.  71 

1870,  711  ff.  Die  tiefe  Schlucht  des  Bodekessels  wird  an  der  Südseite  vom 
Hexentanznlatz,  an  der  Nordseite  von  der  Rofstrappe  eingefafst.  Erste  Er- 
wähnung oer  letzteren  in  einem  Kopialbueh  des  Archivs  zu  Magdeburg  von 
1644:  Iio/strappfe.  Vgl.  K.  Palm,  Über  die  Rofstrap  pensage,  Harz-Z.  1875. 
189—497.  Ein  rechtsseitiger  Nebenfluß  der  Bode  ist  die  Selke  (Seficha),  die 
sich  aber  erst  außerhalb  des  Harzes  mit  jener  vereinigt. 

Die  früheste  kartographische  Erwähnung  des  Harzes  findet  siel»  auf  einer 
Ptolemiiuskarte  von  1518:  pke-aria-silua  (Harz-Z.  189G,  p.  311),  dann  folgt  Sei». 
Münsters  Hartzwald  1544,  Stumpfs  Sehweizerchronik  1548,  auf  der  der  Harz 
in  Form  einer  Baumgruppe  dargestellt  ist.  Die  erste,  nähen'  Einzelheiten  ent- 
haltende Karte  des  Harzes  aus  dem  XVI.  Jh.  ist  als  Manuskript  erhalten  ge- 
blieben und  von  Jacobs  in  der  Harz-Z.  1870  mit  ausführlichem  Kommentar 
p.  70 — 111  veröffentlicht  worden.  —  Leicher,  Orometrie  des  Harzgebirges, 
Halle  1886.  von  Groddeek,  Abrifs  der  Geognosie  des  II..  1883.  Lang, 
Bildung  des  Harzgeb.,  1896.    Günther,  Der  Harz,  1885. 

24.  Thüringisches  Becken.  Zwischen  dem  Harz  und  dem  Thü- 
ringer Walde  ist  eine  ausgedehnte,  von  Höhenzügen  durchsetzte  Mulde 
eingesenkt  von  kaum  300  m  mittlerer  Erhebung.  Sie  wird  wegen  dieser 
allerdings  nicht  sehr  beträchtlichen  Höhe  oft  als  Thüringische  Hoch- 
fläche bezeichnet  oder  mit  Rücksicht  auf  die  allmähliche  Erniedrigung 
nach  O.  hin  bis  auf  100  m  weniger  zutreffend  auch  als  Thüringisches 
Terrassenland.  Das  Städteviereck  Osterode  am  Harz,  Witzenhausen  an 
der  Weser,  Naumburg  und  Saalfeld  gibt  den  ungefähren  Umfang  des 
Beekens  an.  Seine  tektonische  Bildung,  welche  mit  dem  NW.  —  SO. 
streichenden,  horstartigen  Aufragungen  des  Harzes  und  Thüringer  Waldes 
in  ursächlichem  Zusammenhange  steht,  hat  auch  im  weiteren  die  oro- 
graphische  Gestaltung  des  Beckenbodens  bedingt;  denn  zahlreiche  Berg- 
und  Hügelzüge  zeigen  die  gleiche  oder  wenigstens  ähnliche  Richtung. 
Das  Innere  des  Beckens  ist  vorzugsweise  von  Gesteinen  der  Trias  er- 
füllt, unter  welchen  besonders  die  Muschelkalkstufen  sich  orographisch 
herausheben.  Eine  ganze  Folge  solcher  Stufen  mit  oft  recht  steilen 
Abhängen  umzieht  in  einiger  Entfernung  vom  Südrande  des  Harzes  und 
vom  Xordrande  des  Thüringer  Waldes  das  Ellipsoid  des  ganzen  Beckens. 
Der  westliche  Teil  des  letzteren  stellt  ein  500  m  hohes,  rauhes  und  un- 
fruchtbares Hochland  dar,  das  Eichsfeld  zu  beiden  Seiten  der  oberen 
Leine.  Der  Teil  nördlich  der  Leine  bildet  das  Untere,  jener  südlich  von 
ihr  das  Obere  Eichsfeld.  Von  ihm  geht  der  nördliche  Ilöhenrand  des 
thüringischen  Zentralbeckens  aus,  der  bogenförmig  mit  einigen  Unter- 
brechungen als  Dün  (Maximalerhebung 517m),  Hainleite  (460  m),  Schmücke 
(385  m)  und  Finne  (3ß0  m)  bis  an  die  Ilm  streicht.  Entsj »rechend  zieht 
der  Südrand  allerdings  weniger  kontinuierlich  als  Hamich  (455  m),  Krähn- 
berg (448  tu),  Seeberg,  Reinsberge  südlich  von  Arnstadt,  Singerberg 
(582  m)  hin.  Zwischen  dem  Nordrand  und  dem  Harz  findet  sich  eine 
breite  Senke,  die  der  Länge  nach  von  der  Helme  entwässert  wird,  die 
sog.  Goldene  Aue.  In  ihr  erhebt  sich  fast  isoliert  der  Kyffhäuser 
(455  m),  der  als  ein  Teilstück  des  alten  ( h-undgehirges  aus  kristallini- 
schen Schiefern  und  Granit  mit  einer  Decke  des  Rotliegenden  besteht. 
Als  ein  Gegenstück  zu  ihm  kann  zwischen  dem  Südrand  und  dem 
Thüringer  Walde  der  sagenumwobene  Hörseiborg  (487  m)  angesehen 


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72  I.  Physische  Geographie. 

werden.  —  Der  innere  Teil  der  zentralen  Mulde  ist  durch  weitere  kleine 
Höhenzüge  in  mehrere  Teilbecken  abermals  zerlegt,  die  durch  Flüfschen 
nach  verschiedenen  Richtungen  hin  entwässert  werden.  Überhaupt  ist 
die  hydrographische  Entwiekelung  beachtenswert,  die  von  der  orographi- 
schen  Gestaltung  nur  teilweise  abhängig  ist.  Die  Flüsse  haben  die  Rand- 
höhen mehrfach  in  engen  Taltoren  durchbrochen,  durch  welche  sie  in 
die  Mulde  eintreten,  bezw.  sie  verlassen.  Der  westliche  kleinere  Teil 
gehört  noch  dem  Wesersystem  an,  der  übrige  dem  Elbsystem;  Unstrut 
und  Saale  sind  hier  die  wichtigsten  Flüsse. 

Auf  dem  Eichsfeld,  welches  den  alten  Gaunamen  Eichesveit,  Aikesfelt, 
Eichisfeld  noch  bewahrt  hat,  entspringt  die  Leine  (Lagina,  LeinUis),  die  anfangs 
die  Richtung  auf  die  Werra  inne  hält,  dann  aber  nördlich  in  die  Senke  von 
Göttingen  einlenkt.  Bei  Northeim  geht  ihr  vom  Unteren  Eiehsfeld  die  Ruhme 
(Bume)  mit  dem  Oderflüfschen  vom  Harz  zu.  —  Die  nordöstliche  Seite  des 
Thüringer  Waldes  wird  durch  kleinere  Bäche  entwässert,  die  in  der  Hörsei 
[Horssil,  Hersel)  vereinigt  werden,  die  ihrerseits  vom  Thüringer  Hügelland  her 
die  Nesse  in  sich  aufnimmt. 

Als  der  Hauptttufs  des  inneren  Thüringens  ist  die  Unstrut  anzusehen, 
deren  Name  in  zahlreichen  Varianten  auftritt:  Unstrada,  Unstrola,  Unstrode, 
Unstred,  Unstruoht,  Oncstrod  u.  a.  Nach  MüllenhofT,  DA  II,  215  hängt  der 
Name  mit  mhd.  strtiot  =  Sumpf  zusammen.  Andere  Etymologien  vgl.  bei 
Egli  s.  v.  Der  189  km  lange  Flufs  hat  innerhalb  der  Mühlhauser  und  Sommer 
daer  Mulde  recht  flache  Ufer  bei  geringem  Gefälle;  jedoch  zwischen  beiden 
Mulden,  da,  wo  er  unterhalb  Nägelstedt  durch  die  Muschelkalkstufen  bricht, 
verengt  sich  das  Tal.  Ebenso  ist  das  Tal  bei  dem  Durchbruch  zwischen  Hain- 
leite und  Schmücke  in  der  Enge  von  Sachsenburg  gestaltet.  Von  Artern  an 
fliefst  sie  aufserhalb  der  Zentralmulde,  anfangs  in  einem  breiten  Tal,  dem 
Unstrud-ried,  von  Mcmleben  an  in  einem  Durchbruchstal,  bis  sie  in  der  Gegend 
von  Naumburg  die  Saale  erreicht.  Mit  ihrem  weitverzweigten  System  von 
Nebenflüssen  beherrscht  sie  fast  den  ganzen  Raum  zwischen  Harz'  und  Thü- 
ringer Wald.  Vgl.  P.  Venediger,  Die  Unstrut,  ein  landeskundlicher  Versuch, 
Dissert.,  Halle  1887.  A.  Kirchhoff.  Die  geschieht!.  Stellung  des  Unstruttales. 
Verb.  Ges.  Ekde.  Berlin  1890,  424.  — •  Dir  einziger  gröfserer  Neben  flufs  vom 
Thüringer  Walde  ist  die  wasser-  und  fischreiche  Gera  mit  der  Apfelstädt. 
Von  links  empfängt  sie  die  Helbe  und  die  Wipper,  deren  Quellen  unweit 
jener  der  Leine  liegt,  und  endlich  die  Helme  (Ilelmana)  mit  der  Zorge. 

Den  östlichen  Abschnitt  des  Thüringer  Hügellandes  durchströmt  die 
Saale.  Sie  ist  der  einzige  Nebenflufs  der  Elbe,  der  mit  Namen  uns  aus  «lern 
Altertum  bekannt  geworden  ist,  Strabo  VII.  291 ;  — «X«c  nnxuftbc..  Aus  Andeu- 
tungen bei  Tacitus  (Germ.  c.  41)  und  Ptolemäus  geht  hervor,  dafs  sie  die 
Saale,  die  sie  nicht  nennen,  als  den  Oberlauf  der  Elbe  auffassen.  Erst  Dio 
Cassius  (55,1)  ist  über  die  wahre  Elbequelle  (in  den  Vandalisehen  Bergen) 
unterrichtet.  Hierüber  vgl.  KirehhotT,  Thür,  doch  Hermundurenland  p.  15—28. 
Im  Mittelalter  ist  der  Name  Sala  allgemein,  der  nichts  anderes  als  Salzflufs< 
bedeutet,  Ihre  Quelle  liegt  im  Fiebtelgebirge  am  Groden  Waldstein.  Unter- 
halb Hof  durchbricht  sie  die  mächtigen  Ablagerungen  in  niäanderförmigem 
und  sehr  engem  Tale.  Bei  Saalfeld  tritt  sie  aus  dem  Schiefergebirge,  von  wo 
an  ihr  Mittellauf  bis  Weifsenfeis  gerechnet  werden  kann.  Nach  einem  364  km 
langen  Laufe  mündet  sie  südöstlich  von  Barby  in  die  Elbe.  Ule,  Zur  Hydrographie 
der  Saale,  Stuttg.  1896.  Hertzberg,  Die  histor.  Bedeutung  des  Saaletales, 
Halle  1894.  Von  links  her  empfängt  sie  bei  Grofsheringen  vom  Thür.  Walde 
die  Ilm  <llmena),  bei  Naumburg  die  Unstrut  (s.  o  ),  bei  Bernburg  die  Wipper 
(Wippera)  und  bei  Nienburg  die  Bode  (s.  beim  Harz).  Auf  der  rechten  Seite 
geht  ihr  neben  kleineren  Flüssen,  wie  Orla,  Roda  und  Wethau,  nur  ein 
gröfser.  r  und  wasserreicher  Nebenflufa  zu:  die  Weifse  Elster  (Elstra.  Elstref, 


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25.  Thürinßcr  Wald.  73 

Elistra,  Alstra,  Heüiestra),  die  auf  dem  Elstergebirge  entspringt  und  das  Vogtländische 
Hügelland  in  einem  anmutigen,  malerischen  Tal  durchfliegt.  Hinter  Zeitz 
tritt  sie  in  die  Leipziger  Tieflandsbucht;  .sie  vereinigt  sich  hier  mit  der  Pleüse 
und  teilt  sich,  sich  nach  W.  wendend,  in  zwei  Arme,  Elster  und  Luppe,  die,  die 
Aue  durchfliefsend,  getrennt  in  die  Saale  münden. 

Neben  den  Flüssen  verdienen  auch  die  stehenden  Wasseransammlungen 
Beachtung.  Von  diesen  ist  freilich  der  gröfste  Teil  im  Lauf  der  letzten  Jahr- 
hundertc verschwunden.  So:  der  Schwansee  im  Weimarischen  seit  1793 
trocken  gelegt,  jetzt  von  Wiesen  und  Laubwald  erfüllt;  die  Weifsenseer 
Seen  (Locus  albus),  zwischen  denen  die  Stadt  Weifsensee  lag;  beide,  Ober-  und 
Untersee,  sind  seit  1704  trocken  gelegt,  der  Grofse  Brembach  er  oder 
Brautsee,  1795  und  1822  beseitigt.  Auf  Karten  des  XVIII.  Jh.  finden 
sich  noch  andere  Seen  in  einiger  Anzahl  verzeichnet.  Vgl.  Reischel,  Die 
orohydrographischen  Verhältnisse  des  Thüringer  Zentralbeckens,  in  Mittlgn. 
Ver.  Ekde.,  Halle  1884,  mit  Karte.  E.  Schmid,  Die  hydrographischen  Ver- 
hältnisse Thüringens,  Mitt.  Geogr.  Ges.  zu  Jena  I  (1882). 

Eine  eigenartige  Erscheinung  bildeten  ferner  die  beiden  M an sf eider 
Seen:  der  SüJfec  See  und  der  Salzige  See,  die  beide  infolge  unterirdischer 
Zuflüsse  salzhaltig  waren,  nur  dafs  der  Süfse  See  in  früheren  Zeiten  einen 
geringeren  Salzgehalt  hatte.  Die  mittlere  Tiefe  beider  betrug  etwa  7  m,  das 
Areal  des  Salzigen  Sees  8,8  qkm,  des  Süfsen  2,6  qkm.  Doch  sind  die  Seen 
in  früheren  Jahrhunderten  gröfser  gewesen.  Im  J.  1892  begannen  die  See- 
spiegel beider  zusehends  zu  sinken ;  der  Salzige  See  fiel  um  2  m  bei  einem 
Wasserverlust  von  15000000  cbm  und  einer  Arealverkleinerung  von  2  qkm. 
Unterirdische  Durchbrüche  in  die  Schächte  des  Mansfelder  Bergbaues  scheinen 
die  Hauptursache  gewesen  zu  sein.  Deshalb  wurde  der  Salzige  See  1894  aus- 
gepumpt und  trocken  gelegt.  Vgl.  W.  Ule,  Die  Mansfelder  Seen,  Dissert., 
Halle  1888.  Ders.,  Die  M.  Seen  und  die  Vorgänge  an  denselben  im  J.  1892, 
Eisleben  1893. 

25.  Thüringer  Wald.  Zwischen  Thüringen  und  Franken  streicht 
in  nordwest-südöstlicher  Richtung  ein  Gebirgszug,  der  die  WTasserscheide 
zwischen  Weser-,  Elbe-  und  Rheinsvstem  bildet.  Während  der  nürd- 
liehe  Teil  als  ein  verhältnismäßig  schmaler  Rücken  sich  gegen  das  nie- 
drige Hügelgelände  zu  beiden  Seiten  bestimmt  abhebt,  verbreitert  sich 
der  südliche  Teil  plateauartig  und  tritt  auch  gegen  sein  Vorland  in  einen 
weniger  scharfen  Gegensatz.  Während  ferner  das  nördliche  Ende  durch 
die  Werra  einen  bestimmten  Abschlufs  hat,  geht  das  südliche  und  süd- 
östliche ohne  scharfe  Trennungslinio  in  das  Fichtelgebirge  und  Vogt- 
ländische Bergland  über.  Die  Grenze  an  dieser  Stelle  ist  daher  von 
Geographen  und  Geologen  immer  sehr  verschiedenartig  angesetzt  worden. 
Die  Orte  Hof,  Münchberg,  Stammbach,  Marktschorgast,  also  ungefähr 
die  sie  berührende  Eisenbahnlinie,  bilden  die  beste  Grenze  gegen  das 
Fichtelgebirge.  Nicht  weniger  unbestimmt  ist  die  Benennung  des  ganzen 
Gebirgszuges  gewesen.  Bald  wird  auf  ihn  der  Name  Thüringer  Wald 
im  weitesten  Sinne  bezogen,  bald  begreift  man  unter  diesem  nur  den 
gröfseren  nördlichen  Teil,  während  der  südliche  als  Frankenwald  be- 
zeichnet wird.  Aber  auch  hier  ist  man  wieder  über  die  Abgrenzung 
beider  Namensprovinzen  im  Zweifol.  Als  solche  dürfte  sich  am  meisten 
die  Haslach-Loquitztallinie  (also  der  Verlauf  der  Probstzellabahn  etwa) 
eignen.  —  In  tektonischer  Beziehung  stellt  sich  der  Thüringer  Wald  als 
eine  horstartige  Scholle  zwischen  den  eingesenkten  Mulden  zu  beiden 
Seiten  dar.    Gcoguostisch  zeigt  er  eine  grofse  Mannigfaltigkeit.  Eine 


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74  1  PhyMiHche  ( üeographie. 

Linie  von  Amt  Gohren  an  der  Ilm  in  SSW. -Richtung  über  das  Gebirge 
gezogen  trennt  den  nordwestlieben  Teil  ab,  dessen  Hauptmasse  der  per« 
mischen  Formation  des  Rotliegenden  angehört,  aber  von  Gneisen,  Granit, 
Porphyr,  Mclaphyr  und  anderen  Eruptivgesteinen  in  bunter  Folge  durch- 
brochen ist.  Ostlich  jener  Linie  kommen  wir  in  die  Gebiete  des  kam- 
brischen  Scbiefersystems,  welches  von  einem  breiten  Streifen  sibirisch- 
devonischer  Gesteine  (von  Saalfeld  über  Gräfenthal  nach  Steinbach  rei- 
chend) abgeschlossen  ist.  Jenseits  dieses  Striches  herrscht,  auch  den 
Frankenwald  grösstenteils  mitumfassend,  der  Kulm  (Karbon)  vor.  Charak- 
teristisch ist  ferner  das  Zeehstoinband,  welches  in  wechselnder  Breite  (an 
der  Südseite  auch  stellenweise  ganz  fehlend)  den  Fufs  des  Gebirges  um- 
zieht. Produktive  Steinkohlen  finden  sich  im  Rotliegenden  bei  Mane- 
bach. Kleinschmalkalden,  Crock  und  Stockheim. 

Kin  gemeinsamer  Name  scheint  für  den  Thüringer  und  FrankenwaM 
im  Altertum  nicht  existiert  zu  haben.  Die  bei  Caesar  (b.  gall.  VI,  10)  genannte 
Silva  liacrnis  kann,  wie  bemerkt,  nicht  der  Thüringer  Wald  gewesen  sein.  Weit 
eher  liefse  sieh  «las  Waldgebirge  Semanm  il'tjiuinig  rkrt).  das  Ptolemällfi  aller 
dings  ohne  nähere  Lagebestimmung  nennt,  auf  ihn  beziehen.  Kirchhofe  (Thü- 
ringen d.  Herniundurenld.  p.  25),  der  den  Semanus  auf  das  Erzgebirge  beschränkt, 
hat  wahrscheinlich  zu  machen  gewufst,  dafs  die  von  Ptolemällfi  genannten 
^nrdTjTu  ootj  vielmehr  auf  den  Thüringer  Wald  zu  beziehen  sind,  währen' i 
Möllenhoff  Haupt,  Z.  f.  dt.  Altert.  VII,  256)  diesen  Namen  dem  Erzgebirge 
zugesprochen  hat.  Eine  jeden  Zweifel  aussehliefsende  Gewifsheit  wird  bei  der 
Mangelhaftigkeit  der  Quellen  sich  schwerlieh  erzielen  lassen.  —  Im  Mittel- 
alter tritt  ein  anderer  Name  auf:  Luvio  silva,  Louvia ,  Leihe.  Leube,  Ix>ybe, 
auch  Louha.  Doch  bleibt  es  fraglich,  ob  er  auf  den  ganzen  Gebirgszug  bezogen 
wurde,  da  er  meist  nur  für  die  nördlichen  und  mittleren  Teile  desselben  sieh 
verwendet  findet.  Der  anfänglieh  für  slaviseh  gehaltene  Name  wird  jetzt  all- 
gemein aus  dem  Deutschen  erklärt.  Kirchhof!  deutet  ihn  schlechthin  als  Lander- 
hohe  .  Auch  lokal  beschränkt  tritt  er  heute  noch  auf:  als  »Snhler  Leube 
zwischen  Suhl,  Oberhof  und  Zella.  Ein  ebenso  hohes  Alter  kommt  aber  auch 
der  Bezeichnung  Thüringer  Wald  zu.  Als  Sa! Im  Thurimjiae  erscheint  er  bereits 
bei  Adam  von  Bremen  (I,  7),  der  auf  ihm  die  Saale  entspringen  läfst.  Der 
Ausdruck  Frankenwald  findet  sieh  zuerst  in  der  deutschen  Übersetzung  der 
Legenda  Bonifatii  (Meneke,  Script,  rer.  germ.  I,  859).  wo  er  für  den  Thüringer 
Wald  allgemein  gebraucht  wird.  Im  übrigen  vgl.  A.  Kirch  hoff.  Der  Name 
des  Thüringer  Waldes  im  Altertum  und  Mittelalter.  Mittlgn.  GeogT. 'Ges.,  Jena 
18*4.  p.  18  IT.  Ders.,  Thüringen  doch  Hermundurenland,  Lpz.  1882,  p.  2  ff.. 
23  fT.    Hegel,  Thüringen  (llandb.)  I,  27  ff. 

Die  orograpische  Gestaltung  ist  in  den  einzelnen  Abschnitten  eine  sehr 
verschiedene.  Der  nordliche  Teil  bis  zur  Ilaslach-Loquitzlinie  zerfällt  in  drei 
Abschnitte,  von  denen  der  südliche  das  Schiefergebirge  mit  ausgesprochenem 
I'lateaucharakter  bildet,  während  der  nordliche  durch  den  Nesselbergsattel 
nördlich  von  Tambach  nochmals  geteilt  wird.  Der  nördlichste  Abschnitt  ist 
verhältnismäfsig  der  niedrigste  mit  G09  m  mittlerer  Kanimhöhe.  In  ihm  erreicht 
der  Inselsberg  allerdings  noch  91»!  m ,  dann  aber  sinkt  der  Kamm  allmählich 
ab,  und  die  Schlufserhebnng  im  äufsersten  NW.,  der  Grofse  Eiehelberg  bei 
Hörschel,  hat  niir  noch  320  m  Höhe.  Die  Kaminhöhe  des  mittleren  Teiles 
beträgt  841  m.  In  ihm  finden  sich  die  Maximalerhebungen  des  ganzen  Systems: 
der  Beerberg  983  m  und  der  Schneekopf  969  m  und  mehrere  andere,  die 
sämtlich  vulkanischen  Ursprungs  sind.  Auch  ist  der  mittlere  Teil  durch  kleine 
Seitenkämme  ausgezeichnet,  von  denen  einer  im  Kickelhahn  bei  Ilmenau  in 
8(')2  m  gipfelt.  Auf  beiden  Seiten  hat  »las  tliefsende  Wasser  den  Gebirgs 
körper  angeschnitten    und   malerische,   oft   recht  steilwandige  Erosionstäler 


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26.  Böhmerwald  und  Fichteljrebirge.  75 

geschaffen.  Bei  der  Schmalheit  des  ganzen  Gebirgszuges  haben  die  Täler 
höchstens  12  km  Länge,  infolgedessen  aber  auch,  besonders  im  oberen  Teil, 
ein  sehr  bedeutendes  Gefälle  bis  zum  Fufs  des  Gebirges.  Der  letztere  liegt  an 
der  NO. -Seite  in  386  m  mittlerer  Meereshöhe,  auf  der  SW.-Scite  aber  in  4U1  m. 

Der  Frankenwald  stellt  ein  ausgedehntes  Tonsehieferplateau  dar, 
welches  eine  eintonnige,  mäfsig  gewellte  Oberfläche  bildet,  in  welche  sich  die 
Flüfscheu  Ködel,  Kremnitz.  Tcuschnitz,  Hafslach,  Ölsnitz  und  Tettau  ein- 
geschnitten halien.  Hierdurch  ist  das  Ganze  in  eine  Reihe  von  Plateaurücken 
zergliedert  worden  mit  einer  mittleren  Höhe  von  600  in  und  Maximalerhebungen 
wie  dem  Döbraberge  bei  Hof  von  790  in,  dem  Spitzberg  731  m,  Wetzstein 
815  m.  Nördlich  von  Hof  kann  die  Saale  als  Abschlufslinie  des  Thüringer 
Wahles  angesehen  werden;  aber  auch  noch  östlich  von  ihr  setzt  sich  das 
Schiefergebirge  fort.  Es  wird  bis  zur  Zwickauer  Mulde  etwa  unter  dem  Namen 
des  Vogtländischen  Berglandes  zusammengefaßt ,  welches  unterhalb 
(iera  in  die  thüringisch-sächsische  Tieflandsbucht  übergeht.  Die  Elster  durch- 
zieht es  in  der  Mitte  von  S.  nach  N.  Der  östliche  Teil,  also  östlich  der  Elster, 
wird  auch  als  Osterländisches  Hügelland  bezeichnet.  Beide  Teile  bilden 
ein  reich  gegliedertes  Gelände,  durchfurcht  von  den  kleineren  Zuflüssen  der 
Saale.  Elster  und  Mulde. 

Regel,  Thüringen,  ein  geogr.  Handbuch,  Jena  1896,  I,  24—50. 
Pro. sc  hol  dt,  Der  Thüringer  Wald  und  seine  nächste  Umgebung,  Stuttgart 
1891.  Stange.  Orometrie  des  Thüringer  Waldes,  Halle  1885.  Fiedler,  Ver- 
gleich orometr.  Methoden  im  Anschlufs  an  ihre  Anwendung  auf  den  Thüringer 
wald,  Dissert.,  Halle  1890.  von  Hoff  und  Jacobs,  Der  Thüringer  Wald, 
2  Bde.,  Gotha  1«07,  1812.  II.  Credner.  Übersieht  der  geognost.  Verhältnisse 
Thüringens  imd  des  Harzes,  Gotha  1843.  Spicfs,  Physikalische  Topographie 
von  Thüringen,  Weimar  1875.  Güm bei,  Geognost.  Besehreibung  des  Fichtel- 
gebirges und  Frankenwaldes,  mit  Atlas,  Gotha  1879. 

26.  Böhmerwald  und  Fiehtelgebirge.  Das  obere  Donaubecken 
wird  im  N.  teilweise  durch  den  Böhmerwald  abgeschlossen.  Ein  230  km 
langer  Wall  zieht  er  von  der  Senke  von  Eger  südöstlich  bis  zur  Donau 
bei  Linz,  zugleich  die  wasserscheidende  Linie  zwischen  Elbe  und  Donau 
bildend.  Er  setzt  sich  aus  einer  Reihe  parallel  verlaufender  Bergzüge 
zusammen,  die  auf  einem  plateauartigen  Sockel  aufsitzen.  Die  Senke 
bei  Furth  teilt  ihn  in  zwei  Abschnitte,  von  denen  der  nördliche  den 
Oberpfälzer  Wald  bildet  (böhm.  Cesky  Les),  der  beim  Tillenberge 
(939  in)  südlich  von  Eger  beginnt  und  bis  zum  Tscherkow  (1037  m) 
reicht,  Jenseits  der  Further  Einrenkung  von  500  m  Höhe,  einer  wich- 
tigen Durchgangstralse  von  Bayern  nach  Böhmen,  streicht  das  Wahl- 
gebirge in  etwas  veränderter  Richtung  und  einer  stattlichen  Breiten- 
entwickelung weiter  (böhm.  Surnava).  Das  obere  Tal  des  Regens  scheidet 
es  in  zwei  parallel  gerichtete  Massive,  von  denen  das  dem  Donautal 
zunächst  liegende  den  Vorderen  oder  Bairischen  Wald  bildet  (Drei- 
tannenriegel 1216  m),  das  andere  nordöstlich  zu  ihm  den  Hinteren 
Wald  umfafst,  in  welchem  sich  zugleich  die  Maximalerhebungen  (Arber 
1457  m,  Rachel  1447  m,  Lüsen  1369  in)  befinden.  Nach  der  böhmischen 
Seite  geht  das  Gebirge  in  ein  reichgegliedertes  Bergland  über,  welches 
von  den  Zuflüssen  der  Moldau  entwässert  wird ;  letztere  bildet  im  Ober 
laufe  zum  Teil  den  östlichen  Abschlufs.  Das  vorzüglich  aus  kristallini- 
schen Schiefern,  besonders  Gneisen,  bestehende  Gebirge  mit  granitischen 
Durchbrüchen  zeigt  überall  sanft  gewellte  Formen,  breite  Rücken  mit 
flach  eingesenkten  Tälern. 


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76  !•  Physische  Geographie. 

Durch  die  Naab-Wondreb-Ebene  ist  vom  Böhmerwald  das  Ficht  el- 
gobirge  abgetrennt.  Wo<i;en  seiner  zentralen  Lage  innerhalb  der  deut- 
schen Mittelgebirge  wurde  ihm  stets  eine  besondere  Wichtigkeit  beigelegt, 
zumal  drei  andere  Gebirge  in  der  Nachbarschaft  von  ihm  auszugehen 
scheinen  und  sein  Wasser  drei  großen  europäischen  Strömen  zufliefst, 
Das  ganze  Massiv,  ebenfalls  aus  kristallinischen  Schiefern  und  Granit 
bestehend,  stellt  ein  Gebirgsviereck  dar  mit  einer  muldenförmigen  Ver- 
tiefung in  der  Mitte,  die  das  oben»  Stromgebiet  der  Eger  ausmacht; 
letztere  gewinnt  einen  Ausgang  durch  die  relativ  niedrige  Ostseite  des 
Vierecks.  Während  die  Nordseite  im  Grofsen  Waldstein  bis  zu  880  m 
sich  erhebt,  liegen  die  Kulminationspunkte  an  der  Westseite:  der  Schnee- 
berg (1051  m)  und  der  Ochsenkopf  (1023  m).  In  der  Einsenkung  zwischen 
beiden,  der  Seelohe,  liegt  der  schon  von  Torfmooren  erfüllte  Fichtelsee 
(779  in),  liier  entspringt  auch  der  Weifse  Main  und  nicht  allzufern  die 
Fichtelnab,  während  am  Nordfufs  des  Waldsteins  die  Saale  ihren  Ur- 
sprung hat, 

Der  Böhmerwald  wird  von  den  Alten  als  Gabreta  silva  aufgeführt  (Strabo  VII, 
202,  Ptoleni.  II,  10),  ohne  Zweifel  ein  keltischer  Name.  Er  #ing  aber  unter, 
denn  im  Mittelalter  führte  das  Gebirg«'  ganz  andere  Namen.  Sehr  selten  ist  die 
Bezeichnung  Hircanus  saltus  (Einhard.  Ann.  a.  803,  805).  Gewöhnlich  heifst 
er  Nordwald,  lat.  Aquüonaris  silva.  Später  tritt  die  Benennung  Böhmer 
Wald,  Saltus  Bohemicus  auf,  die  im  XV.  Jh.  aber  schon  die  allgemeine  ist. 

Der  Böhmer  Wald  trägt  seinen  Namen  heute  noch  mit  Recht.  Dichte 
Waldungen,  die  im  Hinteren  Walde  rrwaldcharakter  annehmen,  decken  seine 
Abhänge,  und  nur  die  höchsten  Spitzen  reichen  bis  über  die  Baumgrenze 
hinaus,  die  hier  in  1200  in  Höhe  gelegen  ist.  Bei  den  nicht  unbeträchtlichen 
Niederschlägen  treten  auch  Moorbildungen  in  grofser  Zahl  auf,  die  ihr  dunkles 
Wasser  an  die  Flüsse  abgeben.  Der  grölste  von  ihnen  ist  der  Hegen,  der  in 
der  I^ängsfurche  zwischen  Vorderem  und  Hinterem  Wald  entspringt.  Kurz 
oberhalb  des  Regens  mündet  die  Naab  in  die  Donau,  im  Mittelalter  Naba, 
Napa.  Ein  nach  NW.  streichender  Ausläufer  des  Gebirges  geht  über  die  Naab 
noch  fort  und  teilt  ihr  Gebiet  in  ein  oberes  und  unteres  Naabbecken.  — 
Gümbel,  Geognostisehe  Beschreibung  des  ostbairischen  Grenzgebirges,  Gotha 
1868.    W enzig  und  Krejci,  Der  Böhmerwald,  18«50. 

Das  Fichtelfjebirge  scheint  in  den  ältesten  Zeiten  noch  keinen  Sonder- 
namen gehabt  zu  haben.  Den  im  Chronicon  des  Cosmas  aufgeführten  Namen 
Tugost  pflegt  man  auf  jenes  zu  beziehen.  Der  deutsche  Name  weist  schon 
auf  seine  Bewaldung  hin.  Wald  und  Sumpf  herrschen  vor.  Die  Agrikultur 
ist  beschränkt.  Das  Röslautal  ist  noch  das  am  meisten  begünstigte.  —  Goldfufs 
und  Bi  sc  hoff,  Physikalisch  statistische  Beschreibung  des  Fichtelgebirges. 
Münnich,  Das  Fichtelgebirge,  Dresden  1859.  Nüehter,  Das  Fichtelgebirge 
in  seiner  Bedeutung  für  den  mitteleuropäischen  Verkehr,  Leipzig  181)9. 

27.  Erzgebirge  und  Lausitzer  Platte.  Die  Böhmische  Mulde  wird 
im  NW.  durch  einen  hohen,  steil  abfallenden  Wall  abgeschlossen,  der 
vom  Fichtelgebirge  bis  zu  der  von  der  Görlitzer  Neifse  durchzogenen 
Lausitzer  Bucht  sich  erstreckt,  Er  wirkt  zugleich  als  Wasserscheide  für 
die  sächsische  und  böhmische  Seite;  doch  wird  sie  an  einer  Stelle  unter- 
brochen durch  das  Tal  der  Elbe,  die  den  Wall  in  voller  Breite  durch- 
quert und  die  nach  beiden  Seiten  abfliefsenden  Gewässer  desselben  in 
ihrer  Ader  vereinigt.    Infolge  der  geognostischen  Verschiedenartigkeit 


27.  Erzgebirge  und  Lausitzer  Platte. 


77 


kann  der  Wall  nicht  als  ein  einheitliches  Ganzes  angesehen  werden,  und 
er  führt  auch  in  seinen  einzelnen  Teilen  besondere  Namen. 

Der  140  km  lange  Zug  des  Erzgebirges  reicht  vom  Elstergebirge 
im  W.  bis  zu  einer  etwa  20  km  westlich  der  Elbe  gezogenen  Linie.  Es 
stellt  eine  schief  gestellte  massive,  aus  Gneisen  und  Glimmerschiefern 
gebildete  Scholle  dar,  die  nach  dem  Egertal  T>00  m  tief  steil  abstürzt, 
während  sie  sich  nach  N.  hin  mit  dem  Charakter  eines  Plateaus  lang- 
sam abdacht.  Der  nördliche  Fufs  des  Gebirges  läfst  sich  daher  nicht 
scharf  bestimmen.  Die  ziemlich  hohe  Kammlinie  liegt  im  W.  in  800 
bis  stellenweise  1000  m  Höhe,  senkt  sich  aber  nach  0.  bis  auf  600  tu 
ab.  Die  höchsten  Spitzen,  der  Keilberg  (1 238  m)  und  Fichtelberg  (1213  m), 
ragen  daher  nur  wenig  über  die  Kammlinie  auf.  In  die  nördliche  Ab- 
dachung haben  sich  die  Freiberger  Mulde,  die  Flöha,  Zschoppau  und 
die  Zwiekauer  Mulde  in  tiefen  Erosionstälern  eingeschnitten.  Der  An- 
schlufs  des  Erzgebirges  an  das  Fichtelgebirge  ist  kein  unmittelbarer; 
liier  schiebt  sich  noch  ein  kleineres  Bergland,  das  oben  genannte  Vogt- 
ländische Bergland  oder  Elstergebirge,  ein,  auf  welchem  die  Weifso  Elster 
entspringt,  die  im  weiteren  das  Vorland  durchHiefst  und  die  in  das  Thü- 
ringische und  Sächsische  Hügelland  einschneidende  Tieflandsbucht  von 
Iz-ipzig.  Das  nördliche  Vorland  des  Erzgebirges  stellt  nun  aber  nicht 
blofs  eine  einfache  Abdachung  dar,  sondern  dem  westlichen  Teile  ist 
noch  eine  mäfsig  hohe  Bodcnschwelle  vorgelagert,  welche  in  Ermange- 
lung eines  besonderen  Namens  als  Sächsisches  Mittelgebirge  zusammen- 
gefaßt wird.  Im  Verein  mit  dem  Hauptrüeken  des  Erzgebirges  wird 
hierdurch  eine  flache  Mulde  geschaffen.  Sie  ist  freilich  so  flach  und 
das  vorgelagerte  Hügelland  relativ  so  wenig  hoch,  dafs  es  auf  die  hydro- 
graphischen Verhältnisse  nicht  den  geringsten  Einflufs  ausgeübt  hat. 
Im  Gegenteil,  alle  die  vorher  genannten  Flüsse  durchqueren  es  in  voller 
Breite  und  vereinigen  sich  aufserhalb  desselben  zu  einer  einzigen  Wasser- 
ader, der  Mulde,  die  in  das  Tiefland  eintritt  und  unterhalb  Dessau  in  die 
Ell  »<•  mündet.  Auch  geologisch  ist  das  Erzgebirge  überaus  einfach  ge- 
staltet. Als  Gebirge  in  der  gegenwärtigen  Gestalt  ist  es  relativ  junger 
Entstehung.  Es  kann  sich  erst  in  der  späteren  Tertiärzeit  gehoben 
haben,  nachdem  die  Braunkohlenschichten,  die  im  N.  und  S.  des  Ge 
btrges  auftreten,  sich  gebildet  hatten,  und  da  dies  in  der  Oligozänperiode 
stattfand,  so  kann  auch  erst  nach  dieser,  wenn  auch  unmittelbar  danach, 
'üe  Hebung  erfolgt  sein.  Das  Erzgebirge  ist  wesentlich  auf  einen  Bruch 
Aea  Gneismassives  zurückzuführen,  wobei  die  nördliche  Scholle  sich 
hob  und  die  südliche,  das  nördliche  Böhmen,  sich  senkte. 

Östlich  schliefst  sieh  an  den  Zug  des  Erzgebirges  eine  ganz  anders 
wartete  Berglandschaft,  die  schon  in  geognostischer  Beziehung  in  einen 
scharfen  Gegensatz  zu  jenem  tritt:  das  Elbsandsteingebirge  oder 
die  Sächsische  Schweiz.  Es  ist  quer  über  die  Elbe  gelagert.  Der 
Sandstein,  der  der  Kreidefonnation  angehört,  liegt  in  grofser  Mächtigkeit 
dein  hier  eingesunkenen  Grundgebirge  auf.  Er  ist  zwischen  Erzgebirge 
lind  Lausitzer  Platte  geradezu  eingeklemmt.  Die  Sandsteinschichten 
li'-gen  nahezu  horizontal  und  /.eigen  nur  eine  schwache  Neigung  nach 


I.  Physische  Geographie, 


NW.,  nach  welcher  sich  auch  die  ganze  400  m  hohe  Platte  abdacht, 
während  sie  nach  S.  ebenso  steil  abbricht  wie  das  Erzgebirge.  Was 
dieses  Sandsteingebiet  aber  besonders  auszeichnet,  sind  die  eigenartigen 
Erosionserscheinungen  und  Verwitterungsprozesse.  Die  Elbe  hat  ein 
grofses  canonartiges  Tal  eingeschnitten  und  in  Verbindung  mit  zahl- 
reichen Seitenbächen  die  ganze  Sandsteinplatte  in  grofse  und  kleine 
Plateauabschnitto  zersägt,  Von  nahezu  senkrechten  Wänden  sind  die 
Nebentäler,  die  die  schattigen  »Gründe«  bilden,  eingefafst.  Die  senk- 
recht fortgeschrittene  Erosion,  welche  aufser  den  Plateaus  auch  kleinere 
Partien  (Türme,  Säulen,  Nadeln)  herausmodellierte,  verbunden  mit  der 
an  und  für  sich  schon  horizontalen  Schichtung  des  Gesteins,  erzeugte 
jene  annähernd  würfelartig  abgeteilten  Formen,  weshalb  man  das  Gestein 
auch  als  Quadersandstein  bezeichnet  hat. 

Wie  das  Elbsandsteingebirge  gegen  das  Erzgebirge,  so  tritt  es  auch 
gegen  die  östlich  sich  anschliefsende  Lausitz  er  Platte  in  einen  be- 
stimmten Gegensatz,  weil  sie  wieder  ein  Teilstück  des  Grundgebirges 
bildet  und  vorherrschend  aus  Granit  besteht.  Sie  ist  ebenfalls  die  nach 
N.  einfallende  Hochfläche  mit  aufgesetzten  Höhen;  sie  greift  auch  weit 
nach  W.  aus  und  tritt  mit  ihren  westlichsten  Ausläufern  also  nördlich 
um  das  Sandsteingebirge  herum  bis  an  die  Elbe  unterhalb  Dresden. 
Diese  Lausitzer  Platte  wurde  vorzüglich  dadurch  herausgebildet,  dafs  im 
W.  wie  im  O.  Einsenkungen  entstanden,  im  W.  das  Elbetal,  im  O.  die 
Lausitzer  Bucht.  Sie  senkt  sich  von  460  m  nach  N.  Ins  zu  etwa  100  m 
ab.  Ihr  Hauptflufs  ist  die  Spree,  die  auf  ihr  ihren  Ursprung  nimmt. 
Die  Platte  ist  überdies  von  einzelnen  Kuppen  überragt,  die  östlich  des 
Spreetales  aus  Basalt  bestehen  (Kottmarberg  i)83  m  bei  Herrnhut,  Landos- 
krone  429  m  bei  Görlitz).  —  Weiter  südlich  aber  mit  Überschreitung  der 
deutsch-österreichischen  Grenze  kommen  wir  wieder  in  die  Kreide- 
formation, der  auch  die  Sächsische  Schweiz  angehört;  daher  trifft  man 
hier  dasselbe  Landschaftsbild  mit  den  eigentümlichen  Zerklüftungen  an 
wie  dort.  Auch  Basalt-  und  Phonolithkegel  regen  über  die  Sandstein- 
platten auf.  Diese  über  die  Lausitzer  Platte  aufragende  Berglandschaft 
wird  als  Lau  sitz  er  Gebirge  zusammengefafst.  Ihm  gehören  die 
Hohe  Lausche  (791  m)  und  der  Oybin  an.  Zu  ihm  wird  aber  auch  der 
breite,  sanft  gewellte  Schieferrücken  des  Jeschkenberges  (1010  m) 
südwestlich  von  Reichenberg  in  Böhmen  gerechnet,  der  steil  gegen  die 
Kreidelandsehaft  abfällt 

Die  antik»-  Nomenklatur  der  östlichen  Hälfte  der  deutschon  Mittelgebirge 
ist  nicht  sichergestellt;  aber  die  mangelhaften  Kenntnisse  dieser  Gegenden 
seitens  der  Alten  mögen  hieran  z.  T.  die  Schuld  tragen.  Aus  den  topographischen 
Angaben  des  Ptolemüus  sucht  Kirchhof!  zu  erweisen,  dafs  die  von  ihm  auf- 
geführte Ifytiuvofg  PJLjj  sich  nur  auf  das  Erzgebirge  beziehen  könne,  während 
der  Sudctennanie  dem  Thüringer  W  alde  angehört  (ähnlich  schon  J.  G.  Worbs 
in  den  Sohlet».  Prov.-Blätt.  35,  17  ftV.  Die  Humanisten  des  XVI.  Jh.  bezogen 
•  len  Namen  Sudeten  auf  «las  Erzgebirge;  so:  <i.  Agricola  1530,  Sei».  Münster 
1543,  L  Peccenstein  IGok.  während  andere  wie  Melanchthon  und  Cureus  ihn 
schon  auf  das  schlesische  Grenzgebirge  bezogen.  Auch  K.  Miillenhoff,  der 
keltisches  Sttdeta  als  Thermengebirge  definierte,  entschied  sich  für  das  Krz- 
gehirge  mit  Bezugnahme  auf  die  heifson  Quellen  am  südliehen  Rande.  Der 


28.  Sudeten.  79 

mittelalterliche  Name  Tür  letzteres  war  Miriquidni  (bei  Thielmar  VI,  8).  Man 
hat  den  Namen  aus  dem  Gennanischen  erklärt  und  gleichbedeutend  mit  »Schwarz- 
gehalten.  Auch  Fergunna,  Virgunna,  gut.  Fairguni,  welches  mit  Herrynia 
identisch  ist  (vgl.  p.  MO)  wird  auf  das  Erzgebirge  im  engeren  bezogen  (Chiron. 
Moissiac.  in  MG.  Script.  I,  »08).  S.  Rüge  Der  Name  des  Erzgebirges,  im  Jb. 
des  Erzgeb.- Ver.,  Chemnitz  1881H  siebt  in  diesen  Bezeichnungen  Namen  ein- 
zelner Teile  des  Gebirges.  Im  XVI.  Jh.  wurden  unter  dem  Namen  des  Böhmer* 
wuldes  auch  das  Erzgebirge  sowie  überhaupt  alle  Ibindgebirge  Böhmens  mit 
einbegriffen ;  aber  damals  sehen  tritt  zugleich  auch  der  Name  Erzgebirge  auf 
und  zwar  in  der  Pluralform  die  Erzgebirge«,  worunter  aber  wohl  mehr  die 
dem  Bergbau  unterstellten  Gegenden  verstunden  wurden.  Im  Singular  als  »das 
Erzgebirge«  erseheint  der  Name  zuerst  bei  Ch.  Juncker,  Geogr.  der  mitlern 
Zeiten,  1712,  p.  151.    Vgl.  Egli,  Nom.  geogr.  p.  294. 

Das  Erzgebirge  ist  durch  eine  Verschiebung  und  Hebung  der  Scholle 
entstanden,  aber  dennoch  läfst  das  geschichtete  Grundgebirge  eine  alte  Faltung 
erkennen.  Da  das  Gebirge  nach  der  Heining  noeh  mit  linderen  sedimentären 
Gesteinen  (Silur,  Karbon,  Tertiär),  die  jetzt  nur  in  eingeklemmten  Mulden  auf- 
treten, bedeckt  war,  SO  inufs  eine  Periode  der  Denudation  gefolgt  sein,  welche 
das  Gebirge  bis  auf  die  heutigen  Höhen  Verhältnisse  abgetragen  hat.  Die  her- 
vorragend wirtschaftliche  Bedeutung  des  Erzgebirges  in  der  Geschichte  knüpft 
sieh  an  die  dort  vorhandenen  Sehätze  des  Erdinnern  (besonders  Silber  und 
Zinn);  in  neuerer  Zeit  sind  die  in  «1er  Mulde  zwischen  Erzgebirge  und  Sächs. 
Mittelgebirge  eingesenkten  Steinkohlenflöze  bei  Zwickau,  Chemnitz  und  im 
Plauenschen  Grunde  bei  Dresden  von  Bedeutung  geworden.  —  Von  den  Flüssen 
ist  der  bedeutendste  die  Mulde  (Milla,  Mihla.  Mulda,  Mlidava),  deren  linker 
Oberlauf  die  Zwickauer  Mulde  (128  km  lang)  bei  Sehöneek  im  Vogtland  ent- 
springt; letztere  nimmt  noch  einige  kleinere  Gewässer,  Sehwarzwasser  und 
Chemnitz,  in  sich  auf.  Der  rechte  Oberlauf  ist  die  Freiberger  Mulde  (102  km  lang), 
bei  Graupen  in  Böhmen  entspringend,  die  unterhalb  Colditz  mit  der  anderen 
sieh  vereinigt.  Ihr  linker  Nebentlufs  ist  die  Zschoppau  mit  der  Flöha.  Alle 
diese  Flüsse  haben  ach  mit  ihren  Oberläufen  tief  in  das  I'rgebirge  eingeschnitten 
und  malerische  Täler  gebildet.  —  Burgkhardt,  Das  Erzgebirge,  orometriseb- 
anthropogeographisehe  Studie,  Stuttgart  1888.  von  S ü  f s m i Ich  - H örnig. 
Da»  Erzgebirge  in  d.  Vorzeit,  Vergangenheit  und  Gegenwart,  Annaberg  1881). 
Sehurtz,  Die  Pässe  des  Erzgebirges,  Leipzig  1891.  Grohmann,  Das  Ober- 
erzgebirge in  Sage  und  Geschiente,  Annaberg  1892. 

Das  Elbsandsteingebirge  hiefs  früher  kurz  das  Meifsner  Oberland.  Erst 
der  Pfarrer  Willi.  Götzinger  in  Neustadt  verglich  in  seiner  Schrift  :  Gesch.  u 
Beschrbg.  des  chursächs.  A.  Hohnstein  <  178ij  p.  11  das  romantische  Bergland 
mit  der  Schweiz:  »Alle  Schweizer,  welche  die  hiesige  Gegend  besucht  haben, 
versichern,  dafs  sie  mit  den  schweizerischen  Gegenden  sehr  viel  Ähnlichkeit 
habe.«  Einige  Jahre  darauf  folgten  Engelhardt  17',M  und  Pfarrer  Nicolai  in 
Lohmen  IHOl  in  der  Benennung  nach;  sie  hat  sieh  wesentlich  literarisch  ein- 
gebürgert. Jahrb.  d.  Gesch.  d.  V.  f.  Sächs.  Böhm.  Schweiz  III,  1<>.  —  Im  übrigen 
vgl.  Hettncr.  Gebirgsbau  und  OberHäehengestaltung  der  Sachs.  Schweiz, 
Stuttg.  1887.    Gautsch.  Älteste  Gesch.  der  Sachs.  Schweiz.  Dresden  18*0. 

28.  Sudeten.  Unter  diesem  Namen  fafst  man  den  2f>0  km  langen 
Gebirgswall  zusammen,  der  von  der  durch  die  Görlitzer  Neifse  durchströmten 
Lausitzer  Bucht  in  vorherrschend  südöstlicher  Richtung  bis  zur  oberen 
Oder  streicht.  Wir  haben  in  ihm  ein  Bruchgebirge  zu  sehen,  welches, 
in  seinen  höheren  Teilen  aus  archaischen  und  paläozoischen  Gesteinen 
bestehend,  der  jüngeren,  auflagernden  Gesteine  infolge  der  Denudation 
heute  meist  beraubt  ist,  während  gerade  die  eingesunkenen  Schollen- 
stücke diese  jüngeren  Schichten  erhalten  haben.    Unter  den  gröTseren 


80  T-  Physische  Geographie. 

Höhen,  die  im  Mittel  bis  zu  1400  m  hinaufreichen,  ist  die  höchste  Er- 
hebung des  ganzen  nördlichen  Deutschlands  die  Schneekoppe  mit  1605  m 
zu  verzeichnen,  so  dafs  ein  Teil  des  Gebirgszuges  sogar  über  die  Baum- 
grenze (1300  m)  hinaufgeht  und  alpine  Verhältnisse  schon  hervortreten 
läfst.  Das  Tal  der  Glatzer  Neifse,  die  den  Gebirgskessel  entwässert, 
kann  bedingtermafsen  als  Teilungslinie  zwischen  einer  westlichen  und 
östlichen  Hälfte  angesetzt  werden.  Die  Westsudeten  lassen  mehrfach 
Längstäler  zwischen  parallel  streichenden  Gebirgsgliedern  hervortreten, 
aus  welchen  Flüfschen  nach  X.  und  S.  durchbrechen.  Ihro  stattlichen 
Kämme  bestellen  aus  Gneis  und  Granit;  in  den  Komplexen  der  Schicht- 
gesteine ist  die  NW. -Richtung  vorherrschend.  Dies  gilt  besonders  im 
Gegensatz  zu  den  östlichen  Sudeten,  in  welchen  nordöstliches  Streichen 
im  alten  Grundgebirge  auftritt;  auch  orographisch  zeigen  sie  mehr  Ge- 
schlossenheit als  jene. 

Den  westlichsten  Teil  bildet  das  breitrückige  Isergebirge  mit  dem 
nördlich  parallel  vorgelagerten  Hohen  Iserkamm  (Tafelfichte  1123,  Hinter- 
berg 1126  m),  zwischen  denen  die  Iser  in  zwei  Quelläufen  ihren  Ursprung 
nimmt,  während  nördlich  vom  Iserkamm  ein  zweites  Längstal  den  Queifs  er- 
zeugt der  die  nördlichste  Parallelkette  durchbricht  und  weiterhin  dem  Bober 
zueilt, 

Staffel  förmig  hinter  den  Iserkamm  zurücktretend,  schliefst  sieh  die  im- 
posante Kette  des  Kiesengebirges  an,  aus  zwei  I'arallelkämmen  zusammen- 
gesetzt, von  denen  der  nördliche  den  Riesenkamm  (Granit)  bildet  mit  ansehn- 
lichen Erhebungen  (Hohes  Rad  150!»  m,  Grofse  Sturmhaube  1424  m.  Kleine 
Sturmhaube  1440  m).  Im  Verein  mit  dem  südlichen  böhmischen  Kamm 
(Glimmerschiefer)  wird  ein  Iiingstal  gebildet,  in  welchem  Elbe  und  Weifswasser 
entspringen,  die  gemeinsam  den  südl.  Kamm  durchbrechen;  er  wird  dadurch  in 
den  (westl.)  Krkonos  und  den  (östl.)  Ziegenrücken  geteilt.  Der  augenscheinlich 
slavische  Name  Krkonos  wird  zuerst  154:5  bei  Sei».  Münster:  Kerkenqß  genannt 
und  bei  Schwenckfeldt ;  Horkomis.  Mit  dem  Volk  der  Korkontier  (Ptol.)  darf 
er  nicht  zusammengebracht  werden.  Der  Ziegenrücken  schliefst  sich  im  O.  mit 
dem  Riesenkamm  an  die  sumpfige  Hochfläche  des  Koppenplanes  (1420  m)  an. 
den  weiterhin  der  Glinunerschielerkegel  der  Schneekoppe  überragt.  Der  baum- 
lose Kamm  trägt  die  Züge  einer  wilden  Hoehgebirgsnatur  und  läfst  an  seinen 
Abhängen  die  Spuren  einer  ehemaligen  Vereisung  erkennen,  die  unabhängig 
vom  nordischen  Gletscher,  der  auch  bis  an  den  Nordrand  der  Sudeten  heran- 
reichte, vielmehr  im  (iebirge  selbst  ihren  Ursprung  hatte  und  besonders  auf 
der  Südseite  entwickelt  war.  Am  Nordabhang  liegen  halbkesselförmige  Höh- 
lungen in  dem  Massiv  mit  der  Öffnung  nach  N.  (die  beiden  Schneegruben  und 
der  Grofse  und  Kleine  Teich),  die  augenscheinlich  die  Firnmulden  der  einstigen 
Gletscher  waren. 

Bei  Ptolemäus.  II,  11.  5  wird  der  Sudeten  wall  \  lantßüiqytoy  oqo$  ge- 
nannt, indem  er  unter  den  Sudeten  vielmehr  den  Thüringer  Wald  versteht 
(s.  p.  74,  78).  Er  läfst  die  Elbe  am  Ostende  des  letztgenannten  entspringen. 
Während  Dio  Cassius  55,  1  schon  sehr  viel  richtiger  die  Vandalischen  Berge 
hierfür  angibt.  Ct.  Möllenhoff,  DA.  IV,  47«,  484.  In  der  Zeit  des  Humanismus 
wurde  durch  das  Studium  des  Ptolemäus  auch  der  Name  Asriburgiiis  mons 
wieder  bekannt  (Willib.  Pirckheimer).  doch  war  es  in  eben  jener  Zeit,  dafs 
der  Name  Sudeten  fälschlich  auf  das  Pöhmisch-Schlesisehe  <  Irenzgebirge  über- 
tragen wurde  (Phil.  Melanchthon  1558  in  der  Vorrede  zu  Trotzendorfs  Catechesis 
BeholaeGoltpergen>is  und  Joach.  Cureus,  (ient.  Sil.  Ann  1571).  Cf,  Egli.  Nomina 
geogr.  p.  886.  Much.  Amußorgyiov  ogog,  in  Z.  f.  d.  Altert.  XXXIII  (1881*). 
Der  Name  Ricsengebirge  ist  gleichfalls  schon  für  das  XVI.  Jh.  belegt,  bei  G. 
Agricola  151«  als  Kiseherg  und  auf  Martin  Helwigs  Karte  von  Schlesien  1561. 


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29.  Böhmen  und  Mähren. 


81 


Der  Name  scheint  von  der  Schneekoppe  seinen  Ausgang  genommen  zu  haben. 
Ob  er  als  Sitz  der  Riesen  (Rübezahl)  zu  deuten  ist  oder,  wie  schon  Kaspar 
Sehwenekfeldt  1600  wollte,  wegen  seiner  riesenhaften  Höhe  so  genannt  worden 
ist,  läfst  sich  nicht  entscheiden;  vgl.  Egli  p.  778. 

Durch  das  Riesengebirge  und  einen  nordöstlichen  Ausläufer,  den  Landes- 
huter  Kamm,  wird  im  Verein  mit  dem  nordlich  vorgelagerten  Katzbach- 
gebirge eine  Depression  gebildet,  das  Hirschberger  Tal,  welches  der  Bober 
durchthefst. 

Östlich  des  Riesengebirges  zeigen  die  Sudeten  eine  tiefere  Einsenkung, 
die  Landeshuter  Pforte,  aus  welcher  der  Bober  hervorgeht.  Der  wasserscheidende 
Hauptrücken  zwischen  ihm  und  der  Aupa  macht  sich  hier  weniger  bemerkbar. 
Weit  mehr  tritt  das  reicher  gegliederte  Waldenburger  Bergland  hervor; 
es  setzt  sich  aus  mehreren  Formationen  zusammen,  die  vom  Kulm  an  sich 
hufeisenförmig  (an  Alter  nach  innen  abnehmend)  aneinanderschliefsen  und  auch 
in  der  orograj »bischen  Gestaltung  entsprechend  zum  Ausdruck  kommen.  Die 
oroduktive  Kohlenformation,  die  bei  Waldenburg  ihre  gröfste  Entwicklung 
hat,  bildet  wirtschaftlich  das  wichtigste  Glied  derselben.  In  diese  nach  SO.  ge- 
öffnete Mulde  greift  das  Kreidesandsteingebirge  der  Heuscheuer  hinein, 
eine  wenig  fruchtbare,  stark  bewaldete  Platte.  Den  nördlichen  Aufsenrand  der 
Gebirgszone  bilden  das  Eulengebirge  und  Reichensteiner  Gebirge, 
beide  aus  Gneismassen  bestehend,  die  durch  das  tiefe  und  enge  Durchbruchs- 
tal der  Xeifse  bei  Warta  getrennt  sind.  Sie  schliefsen  im  N.  den  teilweise  zu 
den  Ostsudeten  gehörenden  Glatzer  Gebirgskessel  ab,  der  im  0.  durch  das 
G 1  a  t  z  e  r  G  e  b  i  r  g  e  (Schneeberg  1424  m),  im  S.  durch  das  H  a  b  e  1  s  c  h  w  e  r  d  t  e  r 
Gebirge  begrenzt  ist.  Diesem  geht,  durch  das  Tal  der  Adler  (Erlitz)  getrennt, 
ein  Gneisrüeken,  das  Adlergebirge  (1114m),  parallel.  —  Von  der  Stelle, 
wo  Reichensteiner  und  Glatzer  Gebirge  zusammentreffen,  führt  nach  SO.  weiter 
bis  zur  Oppaquelle  das  Alt vatergebirge  (auch  Sudeten  im  engeren  Sinne 
genannt),  mit  breitem,  aus  Gneis  und  kristallinischen  Schiefern  bestehendem 
Rücken  (Glaserberg  1524,  Rote  Berg  1333),  dessen  südöstliches  Ende  die  Hoch- 
flächen des  Altvaters  (1490  in)  bilden.  Nach  S.  bildet  die  Hohe  Heide,  mit 
dürrem  Graswuchs  bestanden,  einen  Ausläufer  des  Hochlandsrückens,  während  nach 
N.  ein  1000  m  hoher  Ast  das  Tal  der  Biele  im  Osten  einschliefst.  Als  letztes 
(ilied  der  Ostsudeten  folgt  das  Mähris  ein-  Gesenke,  ein  aus  paläozoischen 
Schichten  aufgebautes  welliges  Hochland  mit  wenigen  Hachen  Erhebungen. 
Am  SO.-Rande  fällt  das  Odergebirge  (G80  m),  wo  die  Oder  ihren  Ursprung 
nimmt  (634  m  »beim  schönen  Ort«),  steil  ab.  Der  Name  Gesenke  wurde  all- 
gemein mit  slav.  jesenik,  Esche  in  Verbindung  gebracht.  R.  Fox  (Das  Ge- 
senke, in  Festschr.  des  geogr.  Seminars  d.  Univ.  Breslau  zum  XIII.  Geogr. -Tng, 
1901,  p.  188)  hat  vielmehr  nachgewiesen,  dafs  die  kleine,  rings  von  ansehnlichen 
Waldbergen  überhöhte  Talweitung,  in  der  das  Städtchen  Würbenthal  an  die 
Oppa  sich  anschmiegt,  im  ursprünglichen  Sinne  »das  Gesenke  <  ist.  Von  ihr 
ging  der  Name  zunächst  auf  den  Strafsenzug  über,  der  sie  durchquerte.  Dann 
wurde  er  für  die  ganze  Landschaft  zu  seinen  Seiten  gebraucht,  und  wurde  er 
allgemein  für  das  Altvatergebirge,  bis  er  in  neuester  Zeit  für  den  ganzen  Ost- 
flügel der  Sudeten  vom  Altvater  bis  zur  Mährischen  Pforte  üblich  wurde. 

Partsch,  Schlesien,  1896,  I,  52  ff.  Koristka,  I).  Iser-  und  Riesen- 
Gebirge,  Archiv  f.  Landesdurchforschung  v.  Böhmen  II,  1,  Prag  1877.  Partsch, 
Die  Vergletscherung  des  Riesengchirgcs  zur  Eiszeit,  Stuttg.  1894  (Forsch,  d. 
Land-Vkde.  VIII).  Fox,  Die  Sudeten  passe,  Stuttg.  1900.  J.  Kutzen,  Die 
Grafseh.  Glatz,  1873.  Berger.  I).  Ostsudeten.  Jb.  Staatsrealsch.  Jägerndorf 
1694.  Camerl  ander,  D.  Quellgebiet  der  Oder,  Mitt.  geogr.  Ges.  Wien,  1892' 
1—33.   P.  Lehmann,  Das  Altvatergebirge,  in  Z.  Ges.  f.  E.,  Berlin  1882,  202  fT 

29.  Böhmen  und  Mähren.  Boide  Landschaften  haben  geschicht- 
lich oft  genug  in  engeren  Beziehungen  zueinander  gestanden,  und  das 
Fehlen  einer  scharfen  Scheidelinie  in  Gestalt  einer  hoben  Gebirgskette 

Krettobmer,  Historische  Oeourophio  fi 


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82 


I.  Physische  Geographie. 


hat  dies  von  jeher  begünstigt.  Trotzdem  bestehen  in  physischer  Bezie- 
hung durchgreifende  Unterschiede  zwischen  beiden,  und  besonders  treten 
sie  in  den  hydrographischen  Verhältnissen  hervor.  Böhmen  gehört  mit 
seiner  SN.-Abdachung  zum  Elbesystem,  Mähren  ist  in  entgegengesetzter 
Richtung  geneigt  und  bildet  mit  der  March  einen  Teil  des  Donausysteras. 
—  Während  das  Böhmerland  in  seiner  geometrischen  Regelmäßigkeit 
auf  drei  Seiten  von  hohen  wasserscheidenden  Gebirgslinien  umgeben  ist, 
bildet  die  vierte  südöstliche  Seite  gegen  Mähren  eine  mäfsig  hohe  Schwelle. 
Es  stellt  sich  also  das  Ganze  als  eine  flach  eingesenkte,  muldenartige 
Vertiefung  mit  nördlicher  Abdachung  dar,  ohne  dafs  aber  eine  aus- 
gesprochen terrassenförmige  Abstufung  in  dieser  Richtung  deutlich  her- 
vorträte. Das  gesamte  Land  besteht  einschliefslich  seiner  Umwallung 
aus  altkristallinischen  Gesteinen ;  nur  das  nördliche  Böhmen  (also  südlich 
des  Erzgebirges  und  der  Sudeten)  ist  ein  grofses  Senkungsfeld,  in  welchem 
Kreidesandsteine  und  tertiäre  Süfswasserablagerungen  sich  vorfinden. 
Die  Dislokationen  im  nördlichen  Böhmen  haben  das  Auftreten  vulkani- 
scher Erscheinungen  begünstigt  und  besonders  im  NW.,  im  Gebiet  des 
Egerflusses,  wo  lange  Zeit  ein  tertiärer  Süfswassersee  gestanden  hatte. 
Die  Duppauer  Berge  östlich  von  Karlsbad  und  das  Böhmische  Mittelgebirge, 
welches  die  Elbe  durchquert,  sind  vulkanischer  Herkunft;  aber  auch 
Mineralquellen,  Säuerlinge,  Mofetten  weisen  auf  die  Kräfte  des  Erdinnern 
hin;  sie  haben  die  weltberühmten  böhmischen  Bäder  geschaffen.  Das 
altkristallinische  Grundgebirge,  welches  die  ganze  südliche  Hälfte  und 
die  Randlandschaften  umfafst,  ist  in  den  zentralen  Partien  Böhmens 
stellenweise  von  älteren  paläozoischen  Gesteinen  überlagert,  besonders 
silurischen  und  karbonischen  (letztere  in  der  weiteren  Umgebung  von 
Pilsen).  —  Das  südliche  Böhmen,  welches  durch  die  obere  Moldau  vom 
Böhmerwald  getrennt  ist,  ist  ein  von  Wäldern  und  Mooren  bedecktes 
Gneisplateau,  das  im  Kubany  noch  1362  m  und  im  Plansker  Walde 
1084  m  erreicht.  Zu  beiden  Seiten  der  Moldau  dehnen  sich  zwei  flache 
Einsenkungen  aus,  in  deren  Mitte  Budweis  (384  m)  und  Wittingau  ge- 
legen sind.  Auch  sie  waren  in  der  Tertiärzeit  mit  Wasser  gefüllt,  während 
sie  gegenwärtig  noch  reich  an  Mooren,  vorzüglich  aber  an  Seen  sind. 
Jenseits  der  Luschnitz  steigt  das  Land  wieder  zu  einem  Granit plateau 
von  550  m  mittlerer  Höhe  an,  welches  den  südlichen  Abschnitt  des 
Böhmisch-Mährischen  Höhenrückens  ausmacht,  während  weiter  nördlich 
das  Plateau  wieder  aus  Gneis  besteht  und  nordwärts  bis  über  die  Sazawa 
hinausreicht.  In  dem  Lande  westlich  der  Moldau  bildet  die  gröfste  Er- 
hebung die  Brda  (Brdywald),  ein  nach  NO.  ziehender  langer  Rücken, 
der  im  Tockberg  853  m  erreicht.  Das  Karlsbader  Gebirge  und  der 
Kaiserwald  südlich  der  oberen  Eger  sind  vorwiegend  granitischer  Natur; 
letzterer  erhebt  sich  im  Judenhauberg  sogar  bis  zu  987  m. 

Das  Mährische  Becken  ist  von  dem  Böhmischen  durch  die 
genannte  plateauartige  Bodenschwelle  von  ca.  b'OO  m  Höhe  getrennt,  ein 
Hochland  von  einförmigem  Aussehen  ohne  jeden  äufseren  Reiz  (höchster 
Punkt  der  Jaworieberg,  835  in).  Die  Entwässerung  der  nach  Mähren 
gerichteten  Abdachung  findet  nach  SO.  hin  zur  Thaya  statt,  die  das 


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29.  Böhmen  und  Mähren.  83 

weitverzweigte  System  von  Abflüssen  in  ihrer  Ader  vereinigt  der  March 
zuführt.  Nur  der  Kampflufs  lenkt  südlich  nach  der  Donau  ein.  Gerade 
in  der  Nähe  der  Donau  erreichen  die  Ausläufer  des  Hochlandes  noch 
beträchtliche  Höhen  (Paulstein  1060  m).  Der  Mährische  Höhenrücken 
streicht  mit  seinen  Ausläufern  bis  an  die  von  der  March  durchflossene 
Olmützer  Senke  heran ;  er  bildet  hier  überall  das  von  Flüfschen  tief  zer- 
furchte Hochland.  Die  Mähr.  Sazawa  und  obere  March  trennen  es  von 
dorn  Sudetensystem  ab.  —  Den  östlichen  Abschlufs  des  Beckens  bilden 
die  Ausläufer  der  Karpathen :  das  Jablunkagebirge  der  West-Beskiden, 
das  Javornikgebirge,  das  Weifse  Gebirge  und  die  Kleinen  Karpathen, 
deren  durchlaufende  Kammlinie  die  östliche  Wasserscheide  für  das  March- 
land bildet.  Die  bis  an  die  mittlere  March  heranreichende  karpathische 
Abdachung  hat  am  äufseren  Rande  recht  bedeutende  Höhen  noch  auf- 
zuweisen (Gr.  Javornik  919  m  bei  Frankstadt,  Javornik  Kelsky  865  m, 
Holstein  736  m,  Kamonec  673  m,  Zalostina  618  m).  Auch  das  Mars- 
gebirge, welches  <juor  über  die  Talfurche  der  March  hinwegreicht,  wird 
noch  als  Zubehör  der  Karpathen  aufgefafst ;  seine  südwestliche  Fortsetzung 
bis  fast  zur  Thaya  ist  der  Steinitzer  Wald.  Hierdurch  wird  das  March- 
tal in  ein  oberes  und  unteres  Becken  zerlegt,  die  beide  äufserst  frucht- 
bare, teilweise  mit  Löfs  bedeckte  Landschaften  bilden.  Das  untere  Becken 
wird  im  W.  durch  die  letzten  terrassenförnügen  Ausläufer  des  Böhmisch- 
Mährischen  Höhenrückens  eingefafst.  Das  Polauer  Gebirge  hart  an  der 
unteren  Thaya  und  südlich  das  Leifser  Gebirge  bilden  den  Abschlufs; 
weiter  nach  W.  zurückgezogen,  zwischen  Kamp  und  Thaya,  streicht  der 
granitische  Mauhartsberg  (536  m)  hin. 

Das  Böhmische  Becken  wird  von  der  Elbe  entwässert,  die  es  am  Nord- 
rande schon  als  stattlicher  Strom  verläfst.  Soweit  Böhmen  hier  in  Frage  kommt, 
ist  sie  aber  keineswegs  der  längste  Flufs ;  sie  wird  in  dieser  Beziehung  von  der 
Moldau  übertroffen,  die  auch  ein  .doppelt  so  ^rofses  Stromgebiet  hat  als  die 
Elbe  bis  zur  Zusaimnenflnfsstelle  bei  Melnik.  Sehen  wir  von  der  Nomenklatur 
der  Flüsse  ab,  so  besitzt  die  Böhmische  Mulde  ein  sehr  svmmetrisch  entwickeltes 
Flufssystem.  Die  mediane  Entwässerungsader  ist  die  Moldau  und  im  weiteren 
die  Elbe,  die  der  Hauptabdachung  des  Landes  folgen,  während  ihr  von  beiden 
Seiten  gleichwertige  Nebenflüsse  zugehen.  Die  Elbe,  die  in  der  Längsfurehc 
des  Riese  ngebirges  entspringt  (1350  m)  und  den  südlichen  Parallelkamm  durch- 
bricht, verläfst  bei  Hohenelbe  das  (»ebirge  und  wendet  sich  nach  anfangs  mehr- 
fachem Wechsel  der  Richtung  nach  N.  zu.  Auch  nach  Aufnahme  der  Moldau  be- 
schreibt sie  noch  frrofse  Windungen,  bevor  sie  in  das  Elbsandsteingebirge  ein- 
tritt, wo  ihre  Breite  130  m  beträgt.  Ihr  Name  ist  sehr  wahrscheinlich  deutschen 
Frsprungs.  Im  Lateinischen :  Albis  ( Mela,  Plin.,  Tacitus.  so  auch  noch  im 
Mittelalter)  und  ebenso  im  Griechischen  "Alßiq  (Strabo.  Ptol.,  Dio  Cass.).  über 
die  Kenntnisse  der  Alten  von  den  Quellverhältnissen  der  Elbe  s.  das  unten 
bei  der  Thüringer  Saale  Bemerkte.  Im  Mittelalter  erscheint  ihr  Name  in 
einigen  20  Varianten :  Alhia,  Ehe,  Heitba,  Alpin,  Ahm,  Helfria,  Alfrins  u.  a. ;  bei 
den  Slaven :  Labe. 

Die  Moldau,  der  Hauptflurs  Böhmens,  wird  von  den  Alten  noch  nicht 
aufgeführt;  später  erst  treten  die  verschiedenen  slavischen  Formen  auf:  Wltawa, 
Wlitava  (Cosmas),  Waldaha,  Vulta,  Wultawa,  Multawa.  Sie  entspringt  in  zwei 
Quellflüfsehcn,  der  Warmen  und  der  Kalten  Moldau,  auf  dem  Böhmerwalde,  an 
dessen  üstfufs  sie  anfangs  entlangfliefst,  unterhalb  Ilohenfurth  aber  scharf  nach 
N.  einlenkt.    Von  Budweis  ab  ist  sie  schiffbar.    Ihre  Gesamtlänge  beträgt 

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84  I  Physische  Geographie. 

405  km,  ihr  Stromgebiet  28280  qkm.  Ihre  linksseitigen  Nebenflüsse  sind  die 
Woltawa,  die  Beraun,  deren  drei  grofse  Oberläufe  Mies,  Radbusa  und 
Angel  bei  Pilsen  sieh  zu  einem  Flufs  vereinigeil,  und  Eger,  Agara,  Agra,  böhui. 
Chuh.  Letztere,  vom  Fichtelgebirge  herabkommend,  durehniefst  nacheinander 
drei  Talbeeken,  dasjenige  von  Eger  (440  m),  von  Falkenau  (380  m)  und  von 
Saaz  (.'500  m).  Von  den  rechtsseitigen  Nebenflüssen  folgen  die  Maltsch  und 
Luschnitz  im  allgemeinen  der  nördlichen  Abdachung.  Die  Sazawa,  die  einen 
Teil  des  Mährischen  Höhenrückens  entwässert,  bildet  in  der  Richtimg  ein 
Gegenstück  zur  Reraun.  —  Die  March,  der  IlauptHufs  Mährens,  entspringt 
am  Schneeberg  im  Glatzer  Gebirge.  Ihr  Name  Maraha,  Morava,  Marchia  ist  auch 
auf  das  Land  übergegangen.  Von  links  geht  ihr  die  auf  den  Karpathen  ent- 
springende Beczwa  zu,  die  bis  nahe  an  die  obere  Oder  heranreicht.  Weit  l>e- 
deutender  aber  ist  der  rechtsseitige  Nebenrlufs,  die  Thaya,  mit  ihren  vielen 
Oberläufen  und  Zuflüssen  vom  Mährischen  Höhenrücken,  der  Zwittawa, 
Schwarzawa,  Oslawa,  Iglawa,  die  alle  selbst  wieder  zahlreiche  Nebenflüsse  haben. 

Über  Rohmen  und  Mähren  vgl.  Supan,  Österreich-Ungarn ,  in  Kirch- 
hoffs  liinderkundc  von  Europa  I,  2,  p.  104  ff.,  158  ff.,  aufserdem  die  ein- 
schlägigen Teile  des  Sammelwerkes:  »Die  Österr.-Ungar.  Monarchie  in  Wort 
und  Bild«,  Auch  das  Archiv  f.  d.  naturwiss.  I^andesdurchforsehung  von 
Böhmen  (seit  1868)  und  das  Jahrbuch  d.  Geolog.  Reichsanstalt  bietet  viele 
allerdings  sehr  ins  Detail  eingehende  Artikel. 

Korist ka,  Die  Markgrafschaft  Mähren  und  das  Herzogtum  Schlesien 
Wien  1860.    Trampler,  Heimatskunde  der  Markgsch.  Mähren,  Wien  1877. 

30.  Das  Oermanische  Tiefland.  Zu  der  orographisch  reich  ge- 
gliederten mitteldeutschen  Gebirgszone  bildet  das  an  Arealgröfse  ihr 
fast  gleichkommende  Germanische  Tiefland  einen  auffallenden  Gegen 
satz.  Der  Ausdruck  »Tiefland«  charakterisiert  zur  Genüge  das  Höhen- 
verhältnis dieses  Länderabschnittes  gegenüber  der  vorher  betrachteten 
Zone,  und  er  ist  vollauf  berechtigt,  wenn  auch  einige  wenige  Punkte 
über  die  zulässige  Tieflandsgrenze  hinausgehen.  Weit  eher  wäre  die 
Bezeichnung  >  Germanisches  Flachlands  oder  >.  Tiefebene«  zu  beanstanden, 
doch  wird  auch  hier  zugegeben  werden  müssen,  dafs  den  gröfseren  und 
kleineren  Bodenanschwellungen  gegenüber  die  oft  bis  zur  Einförmigkeit 
sich  steigernde  Flachheit  des  Landes  weitaus  vorwiegt  und  als  charak- 
teristischer Grundzug  in  der  Benennung  zum  Ausdruck  kommen  darf. 
Dieses  Tiefland  bildet  die  unmittelbare  Fortsetzung  des  Osteuropäischen. 
Von  O.  nach  W.  bis  zum  Weserberglande  hin  verjüngt  es  sich  der 
Breite  nach  allmählich ;  weiterhin  greift  es  aber  um  dieses  herum  und 
gewinnt  nochmals  eine  gröfsere  Ausdehnung,  indem  es  den  Kaum  zwischen 
dem  Rheinischen  Schiefergebirge  und  der  belgisch-holländischen  Küste 
einnimmt.  —  Bei  aller  Gleichförmigkeit  des  Tieflandes  im  grofsen  ganzen 
macht  sich  dennoch  zwischen  der  West-  und  Osthälfte  ein  grofser  L'uter- 
schied  bemerkbar.  Die  östliche  Hälfte  von  der  Lüneburger  Heide  an 
läfst  deutlich  zwei  langgestreckte  Bodenschwellen  hervortreten,  von  denen 
die  eine  als  »Baltischer  Höhenrücken«  die  Küsten  der  Ostsee  von 
Jütland  bis  Ostpreufsen  umzieht,  während  die  andere,  nach  dem  Vor- 
gang Pencks  als  >  Südliche  Grenz  rücken  bezeichnet,  von  der 
Lüneburger  Heide  (in  gleicher  Richtung  wie  jener)  bis  zur  Oberschlesi- 
schen  Platte  sich  verfolgen  läfst.  Zwischen  beiden  liegt  die  Zone  der 
grofsen  Diluvialtäler  mit  ihrem  eigenartig  entwickelten  Flufssystem. 


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30.  Das  Germanische  Tiefland.  85 

Cberdies  zeichnet  sich  die  östliche  Hälfte,  besonders  aber  der  Baltische 
Höhenrücken,  durch  einen  ungewöhnlichen  Reichtum  an  Seen  aus.  Ganz 
anders  ist  die  westliche  Hälfte  beschaffen,  die  jede  Gliederung  ver- 
missen läfst.  Höhensch  wellen  fehlen  gänzlich  oder  sind  nur  unter- 
geordnet. Das  gleichmäfsig  flache  Land  senkt  sich  mälsig  nach  der 
Küste  hin,  ja  liegt  stellenweise,  wie  in  den  Niederlanden  und  Ostfries- 
land, in  grofser  Ausdehnung  erheblich  unter  dem  Meeresspiegel.  Im 
Innern  wechseln  sterile  Sandstriche  mit  weiten  Moorflächen  ab,  im  Bereich 
der  Küste  hat  sich  unter  der  Mitwirkung  von  Ebbe  und  Flut  ein  schwerer, 
fruchtbarer  Alluvialboden  angesetzt.  Geest,  Marsch  und  Moor  beherr- 
schen ganz  und  gar  das  Landschaftsbild  der  westlichen  Hälfte. 

Die  eigenartige  Beschaffenheit  des  Germanischen  Tieflandes  —  die  massen- 
haft»- Anhäufung  von  Sanden,  Granden,  Ton  und  Lehm,  das  Vorhandensein 
zahlreicher  streifenförmig  angeordneter  Schuttanhäufungen ,  das  Vorkommen 
erratischer  Biesenblöcke  u.  a.  in.    —  findet  ihre  Erklärung  in  den  Vorgängen 
der  jüngsten  geologischen  Vergangenheit.    Während  man  bis  1875  alle  diese 
Erscheinungen  durch  die  sog.  Drifttheorie  Ch.  Lyells  erklären  zu  können 
meinte,  nach  welcher  ein  grofses  Diluvialmeer  von  Skandinavien  bis  nach 
Mitteleuropa  hinüberreiehte ,  führten  die  neueren  Forschungen,  zu  welchen 
Torell  den  Anstofs  gegeben  hatte,  zur  Annahme  der  Glacialtheorie.  Ein 
gewaltiger,  flach  ausgebreiteter  Gletscher  schob  sich  von  »Skandinavien  und  der 
Ostsee  nach  S.  über  Mitteleuropa  vor  und  reichte  zur  Zeit  seiner  gröfsten  Aus- 
dehnung im  allgemeinen  bis  zum  Nordrand  der  deutschen  Mittelgebirge.  Die 
Existenz  eines  solchen  Gletschers  wird  erwiesen  durch  die  Wirkungen,  che  er 
auf  seine  Unterlage  ausübte.    Hierzu  gehören   die  Gletscherschrammen-  und 
-schliffe,  die  der  Eisstrom  in  das  anstehende  Gestein  einritzte,  und  ferner  die 
Beschaffenheit  der  aufgelagerten  Schuttn lassen  selbst  sowie  das  Material  der- 
H-lben.  welches  zum  gröfsten  Teil  auf  skandinavische  Provenienz  zurückweist. 
IHe  sog.  Eiszeit  war  aber  für  Mitteleuropa  kein  einheitlicher  Vorgang;  sie 
Mit  sich  vielmehr  aus  drei  energischen  Vorstöfsen  des  Eises  nach  S.  zusammen, 
die  durch  zwei  In terglacial Zeiten  mit  wärmerem  Klima  und  einer  ent- 
«{•rechenden  Fauna  getrennt  waren.   Die  erste  älteste  Eiszeit  ist  unserer  Beobach- 
tung nur  durch  Bohrungen  zugänglich,  die  zweite,  die  Haupteiszeit,  erreichte 
die  gröfste  Ausdehnung,  die  dritte  ist  alter  die  wichtigste,  da  sie  die  gegen- 
wärtige Oberflächenbeschaffenheit  wesentlich  hervorgerufen  hat.    Als  eine  Folge 
d»T  transportierenden  Tätigkeit  des  Eises  gelten  die  Moränen,  die  hier  als 
tfnmdmor&nen  und  Endmoränen  auftreten,  während  Oberfläehenmoränen  (d.  h. 
Blockmassen,  die.  im  Hochgebirge  losgelöst,  auf  dem  Kücken  des  Gletschers 
fortgetragen  werden),  gefehlt  zu  haben  scheinen.   Die  Grund m oräne  ist  fläehen- 
haft  ausgebreitet  und  setzt  sich  aus  dem  durch  das  Eis  zerriebenen  Gesteins- 
*'hutt  zusammen,  sog.  Geschiebemergei  oder  Block  1  ehm.     Die  Endmoränen 
bilden   wallartige   Aufhäufungen    desselben  Materials     und     entstanden,  als 
der  Gletscher  hei  seinem  Abschmelzen  und  Rückzüge  aus  dem  Tieflande  eine 
Zeitlang    stationär   blieb;    dies    gilt    im   (ngensatz   zu   jenen  Endmoränen, 
welche  die  Maximalausdehnung,  d.  h.  die  äufserste  (irenze  der  Vereisungen, 
darstellen.     Die  Grundmoräne  tritt  in  verschiedener  Form  auf;  bald   ist  sie 
völlig  flach,  wie  auf  den  I'lateautlächen  um  Berlin,  bald  ist  sie  leicht  gewellt, 
nie  auf  dem  Baltischen  Höhenrücken,  und  findet  sich  meist  hinter  den  End- 
moränen vor.    Die  Schmelzwasser  des  Gletschers  haben  den  Moränenschotter 
häutig  durchwasehen,  die  feineren  sandigen  Bestandteile  herausgespült  und  vor 
dem  Moränenwall  flach  abgelagert.     Infolgedessen  bilden   die  Endmoränen 
hautig  Scheidelinien  zwischen  den   fruchtbaren   eigentlichen  Grundmoräuen- 
Lvhiefen  und  den  bei  ihrer  Entstehung  vom  Eise  schon  befreiten  sandigen  und 
deshalb  sterilen  Endmoränenlandsehaften,  den  sog.  Sandr«. 


86 


L  Physische  Geographie. 


Die  Periode  des  Abschmelzen«  dieser  gewaltigen ,   auf  einige  tausend 
Meter  Mächtigkeit  geschätzten  Eisdecke  ist  für  die  weitere  Entwicklung  der 
Oberfläche,  besonders  die  Herausbildung  des  gegenwärtigen  Flufsnetzes,  von 
Bedeutung  gewesen.    Der  Gletscher  schmolz  nicht  kontinuierlich  gleichmäßig 
ab,  sondern  Perioden  eines  schnelleren  Abschmelzens  haben  mit  Perioden  des 
Stillstandes  abgewechselt.   Letztere  werden  gerade  durch  den  Verlauf  der  End 
moränenzüge  angedeutet.    Das  Schmelzwasser  sammelte  sich  in  einer  langen, 
seenartig  sich  hinziehenden  Furche  vor  dem  Rande  des  Gletschers  und  Hofe 
nach  der  Nordsee  zu  ab,  wo  es  in  der  (legend  der  unteren  Elbe  einmündete. 
Mit  dem  etappen  mäßigen  Rückzüge  des  Eises  trat  nun  jedesmal  auch  eine 
Verlegung  der  llaupteammelrinne  der  Schmelzwasser  ein ;  sie  folgte  dem  Gletscher, 
während  die  älteren  Rinnen  keine  Wasserzufuhr  erhielten,  zu  toten  Flufstälern 
wurden.    Diese  sog.  Urstromtäler  lassen  sich  im  Verein  mit  den  End- 
moränenzügen noch  heute  nachweisen;  denn  sie  bilden  entweder  trockene 
breite  Talfurchcn,  oder  sie  sind  von  Flüssen  durchzogen,  die  sich  in  zahlreiche 
Arme  zerteilen,  ia  stellenweise  durch  sumpfiges  Land  (Bruch,  Luch)  noch  fließen. 
Man  unterscheidet  vier  Stromtäler  dieser  Art,  die  sich  auf  jeder  Karte  verfolgen 
lassen:  I.  Das  Breslau-Magdeburger  Tal,  bestehend  aus  dem  Tal  der  Malapane 
in  Oberschlesien,  weiterhin  der  Oder  über  Breslau  bis  zur  unteren  Katzbach; 
von  hier  westlich  quer  über  che  Oberläufe  von  Bober,  Neifse  und  Spree  nach 
der  Schwarzen  Elster  und  Elbe  hinüber.  IL  Das  Glogau-Baruther  Tal,  von  der 
Bartsch  zur  Oder  überGlogau,  dann  zum  Spreewald  führend  und  über  Baruth- 
Luckenwalde  am  Nordrande  des  Fläming  entlang  zur  Elbe  unterhalb  Magdeburg 
und  die  Elbe  abwärt«  bis  zum  Meere.    III.  Das  Warschau-Berliner  Tal,  schon 
in  Polen  beginnend,  mit  dem  unteren  Bug,  die  Weichsel  und  deren  linksseitigen 
Nebenfluß,  die  Bzura,  bildend,  hinüber  nach  der  mittleren  Warthe,  durch  da> 
Obrabruch  zur  Oder  bis  oberhalb  Frankfurt,  weiterhin  die  untere  Spree  über 
Berlin  zum  Havelluch  und  dann  zur  Elbe.  Bei  einem  weiteren  Rückgange  des 
Eises,  welches  sieh  schließlich,  wie  die  Endmoränenzüge  zeigen,  ganz  auf  den 
Baltischen  Höhenrücken  zurückgezogen  hatte,  entwickelte  sich  südlich  von 
diesem   IV.  das  Thorn-Eberswalder  Tal,  vom  Narew-Bug  an,  die  Weichsel 
abwärts  über  Thorn  und  Bromberg,  die  ganze  Netze  entlang  zur  Warthe,  durch 
das    Oderbruch,   auf  der  Linie  des  Finowkanals    durch  das  Rhinluch  und 
ebenfalls  zur  unteren  Elbe,  wo  die  vorher  genannten  Strome  einlenkten.  Al> 
ein  V.  kleineres  Tal  ist  von  Keilhack  das  Pommersehe  Urstromtal  ermittelt 
worden,  auf  dem  Höhenrücken  selbst  befindlich,  welches  bei  Karthaus  westlich 
von  Danzig  beginnt  und  westlich  bis  zum  Haff  der  Oder  und  auf  der  poin 
merisch-mecklenburgischen  Grenze  entlang  zum  Meere  führte,  welches  damals 
aber  noch  vom  Gletscher  eingenommen  war.  der  das  Schmelzwasser  weiter 
westlich  zu  fließen  zwang  bis  zur  heutigen  Lübecker  Bucht,  von  wo  es  durch 
die  Stecknitz  südlich  nach  der  Elbe  abllofs.  Innerhalb  dieser  von  150  m  Höhe 
sich  absenkenden  Tallinie  wurde  dos  Wasser  durch  Hodenschwellen  zu  Seen 
aufgestaut;  einer  dieser  Seen  ist  der  Oderhaff-Stausee,  der,  wie  die  horizontal 
geschichteten  Terrassen,  beweisen,  eine  Hohe  von  25  m  über  dem  jetzigen  Ost- 
seespiegel gehaltt  haben  mufs  und  den  weiten  Raum  von  Gollnow  westlich  bi» 
zur  mecklenburgischen  Grenze  erfüllte.    Erst  bei  völligem  Rückzüge  des  Eise« 
senkte  sich  auch  der  Seespiegel  und  das  Haff  verkleinerte  sich  bis  zur  gegen 
wältigen  Gestalt 

Noch  ist  zu  bemerken,  dafs  bei  dem  Rückwärtsweichen  der  Haupttäler 
das  Wasser  der  alten  Täler  zum  neuen  hinüberflofs  und  hierbei  alte  Schmelz 
rinnen  benutzte,  die  also  im  allgemeinen  <|iier  zur  Richtung  der  Haupttäler 
verliefen  und  teils  subglaeial.  teils  e.xtraglaeial  entstanden  sein  mögen.  Die>e 
Abflüsse  haben  che  heutigen  Ströme  beibehalten.  Die  Oder  setzt  sich  somit 
in  ihrem  eigenartigen  zickzackförnügen  Verlauf  aus  Strecken  der  Haupttäler 
und  Verbindungstäler  zusammen.  Das  Oderbruch,  welches  gleichfalls  ein  Stausee 
war,  floß  so  lange  nach  W.  nach  dem  Rhin  hinüber,  bis  der  Haffsee  sieh 
bildet  hatte,  der  mit  seinem  damaligen  Spiegel  immerhin  um   15  m  tiefer 


31.  Rhein  und  Maaa  im  Unterlauf. 


87 


lag  als  der  Boden  des  Haupttales  hei  Eberswalde.  Daher  suchte  das  Wasser 
de?  Oilerbruchsees  ganz  natürlich  den  bequemeren  Abflufs  zum  Haffsee  auf, 
und  es  entwickelte  sich  so  die  Strecke  von  Oderberg  bis  Stettin.  Ähuiich  war 
der  Vorgang,  als  die  Weichsel  bei  Fordon  nach  N.  einlenkte. 

Dam  es,  Die  Glacialbildungen  der  Norddeutschen  Tiefebene,  in  Sammig. 
geni.-verständi.  wiss.  Vorträge  XX,  Heft  479.  Wahnschaffe,  Die  Ursachen 
der  Oberflächengestaltung  des  norddeutschen  Flachlandes,  Stuttg.  1891.  Unter 
demselben  Titel  sein  Vortrag  in  Verh.  d.  Ges.  f.  Ekde,  Berlin  1901,  p.  116—124. 
Der*.,  Ausbildung  und  Gliederung  der  Glacialbildungen  des  norddeutschen 
Flachlandes,  Vortrag  in  Verh.  des  VII.  Geogr.-Kongresses,  Berlin,  p.  289 — 298. 
Keilhack,  Tal-  und  Seebildung  im  Gebiet  des  Baltischen  Höhenrückens, 
mit  instruktiver  Karte,  Verh.  d.  Ges.  f.  Ekde,  Berlin  1899,  129—139.  Geinitz, 
Die  geographischen  Veränderungen  des  südwestlichen  Ostseegebietes  seit  der 
(juartären  Abschmelzperiode,  in  Petermanns  Mitt.  1903,  p.  25  ff.,  mit  Karte. 
Penck,  Das  Deutsche  Reich,  p.  471  ff.,  499  ff.  Für  die  westliche  Hälfte  westl. 
der  Weser  Martin,  Diluvialstudien,  in  den  Jbb.  d.  Naturw.  Vcr.  Osnabrück, 
seit  1893. 

31.  Rhein  und  Maas  im  Unterlauf.  Durch  die  mehrfachen  Ver- 
zweigungen beider  Ströme,  die  in  den  Niederlanden  sich  einander  nähern 
und  schliefslich  vereinigen,  entsteht  ein  kompliziertes  Netz  von  Wasser- 
adern. Die  fragliche  Zugehörigkeit  jedes  einzelnen  Flufsstückes  zu 
diesem  oder  jenem  Strom  wird  durch  die  vielfach  wechselnden  Namen 
noch  erschwert.  Das  ganze  System  hat  in  geschichtlicher  Zeit  infolge 
natürlicher  Strom  Verlegungen,  noch  mehr  aber  durch  künstliche  Mafs- 
nahmen  (Kanäle,  Deiche)  eine  durchgreifende  Veränderung  erfahren.  Die 
heutige  Situation  ist  folgende :  Der  Rhein  teilt  sich  zuerst  bei  Pannerden ; 
den  linken  Arm  bildet  die  Waal,  den  rechten  der  Pannerdensche 
Kanal,  der  nordwestlich  zum  Niederrhein  führt.  Oberhalb  Arnheim 
teilt  sich  dieser  nochmals,  indem  die  Geldernsche  Yssel  nördlich 
zur  Zuidersee  fliefst,  der  wasserreichere  Niederrhein  nach  W.  um- 
lenkt. Weiterhin  zweigt  sieh  bei  Wijk  bij  Duurstede  die  ehemalige 
Hauptwasserader  (Krummer  und  Alter  Rhein)  nach  NW.  ab,  die  jetzt 
aber  bei  genanntem  Ort  geschlossen  gehalten  wird.  Der  gegenwärtige 
Hauptarm  führt  vielmehr  westlich  weiter,  als  Lek  an  Rotterdam  vor- 
über und  als  sog.  Neue  Maas  in  das  Meer.  —  Die  Waal,  von  Pannerden 
aus  an  Nijmegen  (Nimwegen)  vorüberfliefsend,  nähert  sich  weiterhin  auf 
einen  halben  Kilometer  der  Maas,  ohne  dafs  sie  hier  aber  schon  zu- 
sanimenfliefsen ;  nur  ein  Uberlafs  (Traverse)  führt  zeitweise  einen  Teil 
der  Waal  bei  besonders  hohem  Wasserstande  nach  der  Maas  hinüber. 
Ok*rhalb  Gorinchem  strömen  sie  beide  zusammen;  der  vereinigte  Strom 
helfet  Merwede.  Auch  dieser  teilt  sich  wieder;  als  sog.  Unter-Mcrwede 
geht  er  nach  Dordrecht.  und  von  hier  aus  tritt  er  durch  den  Noord 
mit  dem  Lek  und  durch  die  Alte  Maas  mit  der  Neuen  Maas  in  Ver- 
bindung. Der  andere  Teilungsarm,  die  Neue  Merwede,  geht  nach 
SW.  hin,  spaltet  sich  in  eine  Unzahl  von  grol'sen  und  kleinen  Wasser- 
adern, den  sog.  Biesboseh  oder  Bergsches  Feld,  um  endlich  in 
das  breite  Wasser  des  Hollandseh  Diep  einzumünden. 

Die  Alten  geben  uns  bereits  einig«'  Nachrichten  über  die  Natur  de.s  Unter- 
rheine und  sprechen  bald  von  zwei,  bald  von  drei  Mündungsarmen.  Caesar,  b.  g. 


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gg  I.  Physische  Geographie. 

IV,  10;  Tacit,.  Ann.  II,  6;  Pomponius  Mela  III,  2;  Plinius  IV,  101;  Strabo  IV, 
193;  Ptolem.  II,  9,  1.  Die  Mehrzahl,  auch  die  Dichter  nehmen  zwei  Mündungen 
an:  Rfienus  bicornis  oder  bißdus.  Von  den  Teilarmen  wird  die  Waal  schon  ge- 
nannt; bei  Caesar  Vacalus,  Tacit.  VaJiaJis,  später  Vachalis.  Sie  fliefst  nach 
Tac.  1.  c.  mit  der  Maas,  Mosa,  zusammen.  Mcla  beschreibt  den  Abflufs  der 
Yssel  nach  dem  Locus  Flevo.  Der  Verbindungsmann  zwischen  Niederrhein  und 
Yssel  soll  von  Drusus  als  Kanal  angelegt  worden  sein  (Tac.,  Ann.  II,  8 ;  Sueton. 
Claud.  1),  Fossa  Drusiam.  Doch  vermutet  H.  Blink,  dafs  hier  nur  eine  Ver- 
besserung eines  natürlichen  älteren,  aber  bereits  versandeten  Rheinarn  ics  vor- 
gelegen hat.  —  Die  natürlichen  und  künstlichen  Veränderungen  bei  dem  Fort 
Sehenkenschans  oberhalb  Pannerden  sind  ziemlich  klargestellt.  Noch  vor  dem 
Fort  zweigte  sich  im  Anfange  unserer  Zeitrechnung  die  Waal  nach  links  ab, 
während  der  alte  Rheinarm  im  Bogen  nach  N.  ging.  Das  Fort  lag  am  süd- 
östlichen Ende  der  von  beiden  Flüssen  gebildeten  schmalen  Landzunge.  Später- 
hin versandete  das  obere  Knde  des  Rheinarmes,  und  um  die  Waal  zu  entlasten, 
wurde  um  1710  der  Pannerdensche  Kanal  angelegt,  so  dafs  hiermit  die  Teilung 
von  Rhein  und  Waal  ein  Stück  abwärts  verlegt  war.  —  Kurz  oberhalb  dieser 
Stelle  beschrieb  die  alte  Waal  noch  eine  grolse  Kurve,  die  sich  nach  N.  hin 
vermöge  der  Erosion  vergröfscrte,  welche  aber  1774  durch  den  Bylandschen 
Kanal  geradlinig  abgeschnitten  wurde.  Man  hat  nicht  ohne  Grund  vermutet, 
dafs  auch  auf  der  Linie  der  Eem,  die  in  die  Zuiderzee  geht,  ein  Rheinarm 
(wie  die  Yssel)  sieh  nach  N.  abzweigte,  der  in  historischer  Zeit  aber  nicht  mehr 
existierte.  Kaiser  Friedrich  I.  verlieh  1165  dem  Bistum  Utrecht  das  Recht,  in 
dieser  Richtung  einen  Kanal  zu  graben,  der  indessen  nicht  hergestellt  worden  ist. 

Bei  Wijk  bij  Duurstede  geht  der  Krumme  Rhein  ab,  der  im  Altertum 
eine  Hauptflüfsader  war,  beim  heutigen  Utrecht  sich  teilte,  teils  :ils  Vecht  zur 
Zuidersee  ging,  teils  als  Alter  Rhein  bei  Katwijk  durch  die  Düne  ins  Meer 
führte.  Vor  dem  XII.  Jh.  war  er  bei  Wijk  zugedämmt;  auch  heute  ist  er  kein 
durchlaufender  Flufs  mehr,  sondern  durch  Schleusen  in  Abschnitte  geteilt.  Die 
Lek,  schon  779  als  Lochia  erwähnt,  scheint  damals  nur  ein  kleinerer  Abflufs 
gewesen  zu  sein.  Näheres  s.  bei  II.  Blink,  Der  Rhein  in  den  Niederlanden, 
in  Forsch,  deutsch.  L- Volkskde.  1889,  IV,  92— 1<>3.  mit  Kartenskizzen  und 
weiterer  Literatur.  Ders. ,  Nederland  en  zijne  bewoners,  Amsterd.  1892.  L 
Acker  Stratingh,  Aloude  Staat  der  Nederlanden,  I.  Lorie,  Beschou- 
wingen  over  het  diluvium,  in  Tijdschr.  Ned.  Aardr.  Gen.  1887. 

S2.  Emsgebiet.  Die  Ems  ist  einer  von  den  wenigen  gröfseren 
Flüssen,  die  ausscbliefslich  dem  Tiefland  angehören,  denn  schon  die 
Quelle  liegt  hart  am  südlichen  Rande  des  Teutoburger  Waldes.  Von 
hier  aus  schleicht  der  Flufs  in  zahlreichen  Windungen  dem  Meere  zu 
und  er  hat  bei  der  Flachheit  des  umgebenden  Landes  auch  seinen  Lauf 
mehrfach  gewechselt,  wie  die  vielen  Altwasser  neben  dem  Ilauptstroni 
zeigen.  Innerhalb  seines  Tales  lassen  sich  drei  Abschnitte  unterscheiden, 
die  etwa  durch  die  Städte  Rheine  und  Rhede  getrennt  werden.  Im 
ersten  Abschnitt  bis  Rheine  durchfielst  die  Ems  die  Münstersche  Tief- 
landsbucht, ein  äufserst  fruchtbares  Land  mit  fettem  Kleiboden  und 
prächtigen  Eiehenbe'stünden.  Bei  der  genannten  Stadt  durchbricht  sie 
den  letzten  hügelartigen  Ausläufer  des  Teutoburger  Waldes  und  tritt  in 
den  zweiten  Abschnitt  ihres  Talgebietes  ein.  welches  ein  ganz  anderes 
Gepräge  trägt,  Ode,  sterile  Sandwellen  und  Dünenzüge  begleiten  den 
Flufs,  während  hinter  jenem  die  Moorflächen  liegen.  Auch  das  Vege- 
tationsbild ändert  sich;  dürftige  Föhrcnwaldungen  treten  vereinzelt  auf, 
während  in  alten  Zeiten  der  Wald  weit  und  breit  das  Land  bedeckte. 
Seine  rücksichtslose  Vernichtung  gab  das  Land  dem  Flugsand«'  schutzlos 


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32.  Emsgehict. 


89 


preis  und  verwandelte  es  in  eine  Sand  wüste.  Auch  das  Flufsbett  selbst 
litt  unter  den  Sandverweh ungen,  und  die  Schiffe  konnten  nur  mit  mäfsiger 
Ladung  bis  Meppen  aufwärts  gelangen.  Erst  das  letzte  Jahrhundert  hat 
hierin  Abhilfe  geschaffen.  Bei  Rhede  tritt  der  Flufs  in  das  Gebiet  der 
fruchtbaren  Marschen  ein.  denn  Ebbe  und  Flut  machen  sich  bis  hierher 
aufwärts  bemerkbar,  und  damit  wurde  auch  die  Anlage  von  Deichen 
notwendig.  Ehe  er  in  dieser  Weise  durch  genügend  feste  Dämme  ein- 
geengt war,  war  er  in  der  untersten  Laufstrecke  tiefgreifenden  Verän- 
derungen und  das  umgebende  Marschland  furchtbaren  Verheerungen 
ausgesetzt,  wie  an  anderer  Stelle  gezeigt  werden  soll.  —  Im  Gegensatz 
7Ai  dem  Flufstal  der  Ems  zeigt  das  weitere  Stromgebiet  dieses  Flusses 
einen  anderen  Charakter,  denn  in  ihm  herrschen  neben  einigen  sandigen 
Bodenwellen  die  Moorlandschaften  vor,  die  sonst  nirgends  in  nächster 
Nähe  des  Hauptflusses  seil  »st  auftreten.  Sie  bedecken  viele  Tausende 
von  Quadratkilometern  das  Land,  und  eine  grofse  Anzahl  von  Neben- 
flüssen nehmen  in  ihnen  ihren  Ursprung.  Scharf  vorgezeichnete  Wasser- 
scheiden sind  nirgends  zu  finden ;  die  mäfsig  hohe  Schwelle  des  Hümm- 
ling wird  fast  ganz  von  den  Emszuflüssen  umschlossen,  und  auch  nach 
der  Weser  hinüber  mangelt  es  wegen  der  Moore  an  Seheidelinien  fast 
ganz.  Das  Flußgebiet  der  Leda,  die  bei  Leer  in  die  Ems  mündet,  ist 
zum  gröfsten  Teil  von  Mooren  erfüllt.  Auch  der  untere  westöstlich 
gerichtete  Lauf  der  Hase  von  Quakenbrück  bis  zur  Mündung  bei  Meppen 
ist  von  Mooren  umgeben,  während  ihr  meridional  gerichteter  Oberlauf 
vom  Teutoburger  Walde  einen  ganz  anderen  Charakter  hat.  Bei 
Bramsche  durchbricht  sie  die  Ausläuter  des  Wiehengebirges.  Auch  west- 
lich der  Hase  treten  kleine  Hügellandschaften  auf,  wie  die  tertiären  An- 
kumer  Bergo  zwischen  Fürstenau  und  Bersenbrück  und  jene  bei  Freren. 

Die  Ems  war  den  Alton  aus  eigener  Anschauung  bekannt  und  spielte 
schon  in  den  Kriegszügen  des  Germanieus  eine  Rolle.  Die  Namensformen 
lauten  sehr  verschieden,  bei  Mela  III.  30  Amissis,  bei  Plinius  IV.  100  Amteis, 
bei  Tacitus,  Ann.  I.  f>0.  Ämteia,  bei  Ptolemäus  II,  11.1  y/ftiamg.  Im  Mittelalter 
heilst  sie  Emtea,  so  bei  Adam  von  Bremen  (I,  2),  der  sie  im  Patherburner  Wald 
(=  Teutohurg.  W.)  entspringen  läfst  (doch  scheint  diese  Mitteilung  interpoliert 
zu  sein).  Emisa  et  Hase  in  pago  Agrutingon  werden  in  einer  Urkunde  Ottos  I. 
946  Mai  30  genannt.  Auch  Formen  wie  Antaste,  Emese,  Emtsa  treten  auf.  — 
Eine  nähere  Untersuchung  über  die  Laufänderungen  des  Flusses  existiert  z.  Z. 
noch  nicht.  .Jedenfalls  müssen  sie  zwischen  Rheine  und  Rhede  sehr  bedeutend 
gewesen  sein.  So  hatte  der  Flufs  bei  langen  einen  anderen  Lauf  als  jetzt. 
Er  flofs  durch  die  Bauernschaft  Ilohendarme.  so  dafs  die  Fläche,  wo  jetzt  das 
Bauerngut  Möddel  liegt,  am  linken  Ffer  sich  befand.  Eine  Überschwemmung 
von  154(5  brachte  diese  Änderung  hervor,  so  dafs  sie  ihren  Lauf  mehr  westlich 
nahm  und  sich  von  der  Stadt  entfernte.  Vgl.  Möller.  Gesch.  d.  Grafsch. 
Lingen,  p.  3  f.  Die  Gesamtlänge  des  Flusses  beträgt  330  km.  bei  Emden 
mündet  er  1800  in  breit  und  teilt  sieh  in  zwei  Anne,  Oster-  und  Westerems, 
zwischen  denen  die  Insel  Borkum  liegt. 

Der  Hümmling  besteht  aus  vier  (lachen  Erhebungen,  die  durch 
Flüfsehen  und  Moorstreifen  voneinander  getrennt  sind.  Der  südliche  Abhang 
i.^t  mit  diluvialen  Geschieben  und  erratischen  blocken  bedeckt.  Früher  war 
der  nur  60  m  erreichende  Ilügelzug  mit  Laubholzwaldungen  bedeckt  und  ein 
lohnendes  Jagdgebiet.  In  ihm  entspringt  in  einem  moorigen  Talzug  die  Ohe, 
der  Oberlauf  der  Sater  Ems,  die  das  Saterland  durchzieht  und  in  die  Leda 


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90 


I.  Physische  Geographie. 


mündet;  s.  über  das  Land  unten  bei  Oldenburg.  Der  Name,  schon  im  Mittel- 
alter Humtneling,  Hnmelinge  lautend,  wird  sehr  verschieden  gedeutet.  Kohl, 
Nordwestdeutsche  Skizzen  II,  235  ff. 

Von  den  grofsen  Moorllächen,  die  fast  durchgehends  Hochmoore  sind, 
finden  sich  westlich  der  Ems  auf  der  deutsch-holländischen  Grenze  das  Bour- 
tanger  Moor  und  südlich  von  diesem  der  Twist  (zusammen  an  1600  qkm  um- 
fassend); im  SW.  von  Lingen  die  Engdener  Wüste.  Östlich  der  Ems  das  Ost- 
friesische Hochmoor  (700  qkm)  südöstl.  von  Aurich;  im  Gebiete  der  Leda  das 
Lengener  Moor,  Saterlandsmoor  und  Lange  Moor,  durch  welches  der  Hunte- 
Emskanal  heute  führt.  In  die  südlichen  Ausläufer  des  Hümmling  hinein- 
reichend die  Dose  mit  dem  Meppener  Schiefsplatz.  Über  das  Emsgebiet  vgl. 
Gut  he,  Die  Lande  Braunschweig  und  Hannover,  p.  175  ff.,  und  die  unten 
p.  110  genannte  Literatur. 

33.  Wesergebiet  im  norddeutschen  Tiefland.  Oberhalb  Minden 
verläfst  die  Weser  durch  ein  Taltor,  welches  links  der  Jakobsberg,  rechts 
der  Wittekindsberg  bildet,  das  Weserbergland;  von  hier  gehört  sie  aus- 
sehlielslich  dem  Tieflande  an.  Ihr  nach  beiden  Seiten  ausgreifendes 
Stromgebiet  ist  zwischen  jenes  der  Ems  und  Elbe  eingeschaltet,  von 
ihnen  aber  nicht  immer  durch  markante  Wasserschcidelinien  getrennt, 
Selbst  in  der  Lüneburger  Heide,  die  hier  «lie  beträchtlichste  Boden- 
schwelle bildet,  sind  die  Elbe-  und  Weserzuflüsse  durch  sumpfige  Niede- 
rungen einander  nahe  gebracht.  Von  Minden  an,  wo  ihr  Wasserspiegel 
40  m  üb.  M.  liegt,  hält  sie  im  allgemeinen  eine  nordnordöstliche  Rich- 
tung bis  7.ur  Einmündung  der  Aller  inne.  Sie  fliefst  in  der  flachen 
Talfurche  in  grofsen  Windungen  dahin  und  mufs  im  Laufe  der  histori- 
schen Zeit  ihr  Bett  mehrfach  verändert  haben,  wie  dies  an  einzelnen 
Stellen,  z.  B.  unterhalb  Nienburg,  schon  erwiesen  ist.  Das  linke  Ufer 
ist  das  flachere,  von  Stolzenau  an  mit  Marscherde  bedeckt,  während  auf 
dem  rechten  Ufer  von  Nienburg  an  Flulsdünen  den  Strom  begleiten. 
Sie  nimmt  auf  dieser  oberen  Strecke  nur  kleinere  Flüsse  in  sich  auf, 
die  in  den  grofsen  Moorgebieten  zu  beiden  Seiten  ihren  Ursprung  neh- 
men. Ihr  bedeutendster  rechtsseitiger  Nebenflufs  ist  die  Aller,  die  in 
ihrer  Tallinie  die  Abflüsse  der  Lüneburger  Heide,  jene  des  Oberbarzes 
und  der  Leine  vereinigt.  Unterhalb  Verden  erreicht  sie  «lie  Weser  in 
einem  marschigen  Flachlande,  welches  beide  Flüsse  erzeugt  haben. 
Von  hier  an  hält  die  Weser  die  Richtung  der  Aller  inne  bis  nach 
Bremen  hin.  Beide  Flüsse  sind  schon  oberhalb  ihrer  Vereinigung  teil- 
weise durch  Deiche  eingeschlossen.  Im  weiteren  begleitet  ein  Dünenzug 
die  Weser  auf  ihrer  rei  hten  Seite  bis  nach  Bremen  hinein.  Flufsverlegungen 
sind  hier  überall  nachzuweisen.  Die  sog.  Alte  Aller  zog  sich  über 
Langwedel  dicht  am  Bande  der  Geest  bis  nach  Achim  hin;  ein  anderer 
Ann  ging  von  Achim  aus  durch  das  Oytener  Moor  nördlich  zur  Wümme. 
Auch  im  Bremer  Gebiet  selbst  sind  mehrere  alte  Weserläufe  nachzuweisen, 
auf  der  rechten  Seite  im  Holler-  und  Blocklande,  wie  auf  der  linken 
Seite,  dem  Vielando.  Hier  sind  es  Ochtum  und  Oller  bis  zur  Hunte- 
mündung.  welche  die  alten  Tallinien  darstellen. 

Die  unterste  Laufstrecke  von  Bremen  an  hat  in  der  historischen 
Zeit  die  gröfsten  Veränderungen  erfahren.     Die  Weser  bildete  hier  im 


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33.  Wesorgobiet  im  norddeutschen  Tiefland.  91 

früheren  Mittelalter  ein  grolses  Delta,  welches  bis  zum  heutigen  Jade- 
busen hinübergriff  (über  dieses  vgl.  unten).  Heute  hat  sie  ein  ge- 
schlossenes, mit  vielen  Sandwerdern  durchsetztes  Bett,  welches  auch 
grofson  Seeschiffen  den  Zugang  bis  Bremen  gestattet.  Bis  zum  Jahre 
1864  hatte  man  es  dahin  gebracht,  dal's  die  Flutwelle  bis  zu  0,76  m 
Höhe  nach  Bremen  aufwärts  lief.  1883—1886  wurde  die  lange  Bucht, 
die  die  Weser  unterhalb  der  Stadt  bildete,  durch  Geradelegung  des 
Bettes  verkürzt  und  der  Flut  ein  bequemerer  Zugang  geschaffen,  so  dafs 
Schiffe  mit  3  m  Tiefgang  schon  hinaufgelangen  konnten.  Die  plan- 
mäfsige  Korrektion  der  ganzen  Unterweser  begann  erst  im  Jahre  1886 
nach  den  Vorschlägen  von  Franzius.  Der  Flufsschlauch  wurde  vertieft, 
alle  Hindernisse»  beseitigt,  um  die  Flutwelle  möglichst  uneingeschränkt 
wirken  zu  lassen,  die  durch  Inseln  abgezweigten  Nebenarme  teilweise 
ausgefüllt  und  am  oberen  Ende  geschlossen,  so  dal's  Schiffe  mit  f>,5  m 
Tiefgang  nunmehr  Bremen  zu  erreichen  vermögen. 

Das  Stromgebiet  der  Weser  mit  ihren  beiden  Überläufen  umfafst  48  230  qkm, 
die  Stromlänge  von  Münden  an  beträgt  49ti  km,  von  Minden  an  innerhalb  des 
Tieflandes  293  km.  Die  durchschnittliche  Fluthöhe  beträgt  bei  Bremen  jetzt 
0,9t>  m,  bei  Vegesack  1,89  m;  die  Breite  des  Stromes  bei  Münden  94  in,  bei 
Minden  180,  bei  Bremen  (Kaiserbrücke)  129  m,  bei  Brake  8f>0  m. 

Ein  grofser  Teil  ihres  Stromgebietes  im  Tieflande  ist  von  Mooren  ein- 
genommen, die  teils  als  Hochmoore  oder  Cberwassermoore,  teils  als  Wicsenmoore 
auftreten.  Die  erste  Gattung,  die  Hoch  in  o  o  r  e  oder  Moostorf-Heidemoore,  sind 
die  verbreiterten.  Sie  sind  e  rfüllt  von  Spagnuinarten  (Torfmoosen^,  Wollgräsern 
(Eriphorum)  und  heidekrautartigen  Gewächsen.  Sie  zeigen  nach  unten  hin 
eine  Schichtung,  indem  die  unteren  Lagen  eine  feste,  kompakte,  mit  Holz- 
resten versehene,  dunkle  Masse  bilden,  während  die  oberen  Lagen  locker,  hell- 
gefärbt  und  faserig  sind.  Die  zentralen  Teile  der  Moordecke  liegen  merklich 
höher  als  ihre  Umgebung,  weshalb  sie  Hochmoore  genannt  werden.  Sie  bilden 
eine  einförmige,  öde  Landschaft;  eine  Kiefer  oder  Birke  unterbricht  hier  und 
da  die  Monotonie.  In  unzählichen  Lachen  und  Rinnsalen  steht  das  braune 
Moorwasser.  Die  andere  Gattung  bilden  die  Grünlands-,  Wiesen-  oder 
Niederungsmoore.  Sie  linden  sich  in  den  Niederungen,  in  den  Uber- 
sehwemmungsterrains  der  Flüsse,  die  zu  Versumpfungen  neigen,  und  sind  aus 
Gräsern,  Halbgräsern  und  Sumpfpflanzen  (ohne  '1  orfnioose)  gebildet  und  reich 
an  Stickstoff  und  Kalk.  An  der  Oberfläche  verwachsen  sie  zu  einer  aus  ver- 
torftem  Wurzelgerleeht  gebildeten  Decke,  die  sich  mit  dem  Grundwasserspiegel 
hebt  und  senkt  mitsamt  den  Bäumen,  die  auf  ihr  stehen.  Bei  hohem  \\  asser- 
stände  seitens  des  austretenden  Flusses  und  bei  Stürmen  reifsen  sich  grofse 
Stücke  aus  der  Moordecke  los  und  treiben  abwärts,  wo  sie  sich  bei  fallendem 
Wasser  niedersetzen.  Am  südlichen  Ufer  der  Hamme  nordöstlich  von  Bremen 
befindet  sieh  das  vielgenannte  *  schwimmende  Land  von  Waakhausen  t  mit 
seinen  Eichen  und  Tannen,  Erlen  und  Birken,  seinen  Ackern  und  Gärten, 
die  auf  einer  Moordecke  ruhen;  nur  die  Häuser  stehen  auf  festen  Sandwurten. 
Tacke,  Die  nordwestdeutschen  Moore,  ihre  Nutzbarmachung  und  Volkswirt 
schaftliche  Bedeutung,  Yerhandl.  Geogr.  Tages  Bremen  1895,  p.  119ff.  Saalfeld, 
Die  norddeutschen  und  niederländischen  Moor«',  Ausland  1882,  p.  4«>7.  Dcrs. , 
Die  Hoc  hmoore  auf  dem  früheren  Weserdelta,  Z.  (u-s.  f.  Ekde.,  Berlin  1881, 
p.  1(51.  All mers,  Marschenbuch,  p.  74 — 99;  letzterer  unterscheidet  noch  der 
Lage  nach  zwischen  Hochmooren  auf  der  Geest,  Randmooren  zwischen  Geest 
und  Marsch  und  Marschmooren,  die  sich  sporadisch  auf  dem  Marschboden 
finden.  Kohlenberg.  Das  schwimmende  Land  von  Waakhausen,  Globus 
74.  p.  21  fT.  Denkschrift.  Der  gegenwärtige  Stand  der  Moorkultur  und  Moor- 
besiedelung  in  Preufsen,  Berlin  1899.  —  Von  gröfseren  Moorlandschaften  sind 


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92 


I.  Physische  Geographie. 


zu  nennen  das  Wittingsmoor  und  Grofse  Moor  zu  beiden  Seiten  der  Aue, 
die  oberhalb  Nienburg  von  links  her  die  W  eser  erreicht.  Rechts  der  Weser 
das  Tote  Moor,  an  welches  sich  das  Steinhuder  Meer  anschließt  mit  nur 
3  m  Tiefe  bei  32  qkni  Flächeninhalt.  Es  wird  urkundlich  zuerst  1228  als 
Maar  bezeichnet.  Es  war  früher  etwas  grofser,  wie  Pfahlbaiireste  zeigen.  Am 
südwestlichen  Ende  die  im  XVIII.  Jh.  künstlich  hergestellte  Insel  mit  dem 
ehemaligen  Fort  Wilhelmstein.    Halbfafs,  Das  Steinhude!  Meer. 

Die  Aller  (Älara)  hält  auf  ihrem  162  km  langen  Lauf  im  allgemeinen 
die  gleiche  nordwestliche  Richtung  bis  zur  Einmündung  in  die  Weser  unterhalb 
Verden  inne.  Oberhalb  Gifhorn  treten  von  X.  das  Westerbecker  Moor  mit 
vielen  Moorkolonien,  von  S.  das  Barnbruch  an  den  Flufs  heran.  Bei  Ahlden 
zieht  sich  links  vom  Flufs  von  der  Mündung  der  Leine  an  eine  dünne  Wasser- 
skier, die  Alte  Leine,  entlang,  die  ehemals  ein  Allerbett  gewesen  zu  sein  scheint. 
Über  die  Leine  und  die  HarzzuHüsse  s.  p.  70,  72.  Die  auf  der  rechten  Seite  von 
der  Lüneburger  Heide  einmündenden  Flüsse  sind  meist  von  Mooren  eingefafst. 

Im  NO.  von  Bremen  finden  sich  nochmals  ausgedehnte  Moorgebiete  mit 
Wiesenmoorcharakter,  die  sich  fast  ohne  rnterbrechung  bis  über  Bremervörde 
ausdehnen.  Die  Wümme  oder  Wümme  (urkundlich  Winterte,  W'emma)  umzieht 
den  südlichen  Rand  dieser  Moorlandschaft.  Nach  ihrer  Vereinigung  mit  der 
Hamme  heifst  sie  Lesum  (Lesmona;  ein  kaiserlicher  Hof  Lieshnunde  lag  daselbst. 
1002  genannt).  Sie  begrenzt  im  N.  das  bremische  Holler-,  Block-  und  Werder- 
land, welches  durch  Deiche  geschützt  ist,  da  der  gröfste  Teil  mehr  als  1  m 
unter  Null  des  Bremer  Brücken pegels  liegt.  Die  tiefsten  Partien  gehen  bis 
—  1,1»  m  hinab.  Auch  das  Vieland  links  der  Weser  liegt  im  NW.  bis  zu  1  m 
unter  Null. 

Die  Ochtum  (Othmtnda  1158,  (khmunde)  fliefst  zum  Teil  in  einem  alten 
Weserbett;  ihre  Mündung  ist  zweimal  künstlich  verlegt  worden.  Auch  der 
Ollen  gehörte  wohl  ehemals  dem  Haiintstrom  an;  er  mündet  in  die  Hunte, 
die  den  letzten  gröfseren  linksseitigen  Nebenllufs  der  Weser  bildet.  Sie  nimmt 
im  Weserberglande  ihren  Ursprung  und  durchliefst  bald  darauf  den  Dümmer- 
see oder  richtiger  Dümmer,  entstanden  aus  diup  =  tief  und  meri  =  Meer; 
die  älteste  Form  ist  Diummeri,  I tarnen.  Er  ist  fast  ganz  von  Mooren  umgeben 
und  von  Schilfinseln  erfüllt.  Nördlich  schliefst  sich  das  Diepholzer  Moor  an 
(mit  den  interessanten  Funden  von  alten  Moorbrücken  oder  Bohlwegen \  Die 
Abflüsse  des  Dümmer  durchziehen  es  teilweise;  unter  ihnen  die  Alte  Hunte, 
der  ehemals  alleinige  AbHufs.  Zur  Entwässerung  des  Moores  wurden  Kanäle 
gezogen;  so  die  Lohne  im  J.  1587  und  1888,  dann  die  (irawiede  und  der 
Omptedasclie  Kanal.  Bei  Oldenburg  verläfst  die  Hunte  (Hanta,  Adam  I.  13) 
die  meridionale  Richtung  und  wendet  sich  durch  das  Marschland  östlich  der 
Weser  zu.  Auch  östlich  dieses  Stromes  bis  nach  Hadcln  hinauf  sind  allent- 
halben grofse  Moorstrecken  zu  finden.  Adam  von  Bremen  I,  13  gibt  für 
mehrere  die  alten  Namen,  die  sich  freilich  jetzt  schwer  indentitizieren  lassen. 

('her  die  Weser  und  ihr  tiebiet  im  allgemeinen  vgl.  Guthe,  Die  Lande 
Braunschweig  und  Hannover,  p.  132  ff.  Hahn.  Topographischer  Führer  durch 
das  nordwestl.  Deutschland,  Lpz.  1895,  p.  151  tT.,  155  ff.  etc.  Freuden  thal, 
Heidefahrten  11,  178  ff  Buchenau,  Die  freie  Hansestadt  Bremen  und  ihr 
Gebiet,  3.  Aufl.  1900,  p.  «J  ff.,  28  ff.,  43  ff.  Franziiis,  Die  Unterweser  von 
Bremen  bis  Bremerhaven,  Petermanns  Mittlgn.  18K),  294  ff.,  mit  Karte.  Büeking, 
die  l'nterweser  und  ihre  Korrektion,  Verhandl.  d.  Dt.  Geographentages  Bremen 
1895.  p.  110 — 118.  Franzius  und  Büeking.  Die  Korrektion  der  l'nterweser, 
Lpz.  1895,  mit  Atlas.  Keller.  Weser  und  Ems.  ihn-  Stromgebiete  und  ihre 
wichtigsten  Nebenflüsse.  Eine  hydrographische,  wasserwirtschaftliche  und  recht- 
lieb«-  Darstellung.  4  Bde..  Berlin  1901. 

34.  Lüneburger  Heide.  Zwischen  Elbe  und  Aller  dehnt  sich  die 
hügelige  Fläche  der  Lüneburger  Heide  aus,  ein  steriler  Landstrich 
von  sandiger  Beschaffenheit,   meist  mit  Heidekraut  und  Gras  bedeckt. 


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35.  Elbe  im  norddeutschen  Tiefland. 


93 


von  Birken-  und  Fohrenbeständen  unterbrochen  und  in  früherer  Zeit  sehr 
viel  dichter  bewachsen.  Südlich  des  Wilseder  Berges,  der  höchsten  Er- 
hebung der  Heide  (171  m),  liegt  die  sog.  Kaubkammer,  aus  deren  weiterer 
Umgebung  eine  grofse  Anzahl  von  Flüssen  wie  aus  einem  Quellonzentrum 
nach  allen  Seiten  hin  abttiefst.  Auch  sumpfige  Strecken  finden  sich,  und 
besonders  die  zur  Aller  gehenden  Flüsse  sind  im  Unterlaufe  von  solchen 
'  eingefafst. 

Im  Mittelalter  hiefs  sie  Maget neide;  C'hron.  episc.  Verdens.,  Leibniz 
SS.  2,  216.  Im  Sachsenspiegel  (Buch  II,  Artikel  61)  (XIII.  Jh.)  gehört  sie  zu 
den  königl.  Bannforsten.  Trotz  der  Einförmigkeit  und  Öde  hat  die  wild* 
romantische  Natur  der  Heide  ihren  eigenartigen  Keiz  und  deshalb  auch  ihre 
Verteidiger  und  Lobredner  gefunden;  vgl.  Engelhardt,  Zur  Ehrenrettung 
der  L.  Heide,  1879.  —  Meyer,  Prov.  Hannover,  p.  1300.  Die  Kaubkammer 
(Rovkamer) ,  eine  der  bedeutendsten  Nadelholzwaldungen,  war  zu  den  Zeiten 
der  Billunger  eine  *Sunderwaldung<,  ein  aus  den  Markwaldungen  abgesonderter 
Wahlbezirk.  Im  Sächsischen  wurde  schon  im  XI 1.  Jh.  ein  solcher  Forst  als 
Camera  bezeichnet.  Vgl.  Freud enthal,  Heidefahrten,  III,  69.  —  Aus  der 
allgemeinen  Sand-  und  Geröllbedeckung  ragen  am  NO.-Kand  Muschelkalk  und 
Gips  hervor,  so  besonders  im  Kalkberge  und  Zeltberge  von  Lüneburg.  Die 
ausgehöhlten  Gipslager  haben  innerhalb  der  Stadt  zu  bedenklichen  Erdfällen 
geführt  im  J.  1013,  1566,  1787;  cf.  Guthe,  Lande  Br.  u.  H,  p.  80;  Jahres- 
hefte naturw.  Ver.  Lüneburg,  1,  99;  8,  112;  Hahn,  Führer,  p.  109  f. 

Zum  Elbsystem  gehören:  die  Oste  (Ostu),  Adam  1,  13;  die  Este 
(Eschede);  Seeve  (Sefe);  Luhe;  zur  Aller  geht  die  Örze;  zur  Weser  die 
Wümme  (Wemma,  Adam  1,  13;  M'ttmmene,  XIV.  Jh. ;  s.  vor.  Seite). 

35.  Elbe  im  norddeutschen  Tiefland.  Bei  dem  Dorfe  Kreinitz 
unterhalb  Riesa  hat  die  Elbe  die  Höhen  des  sächsischen  Mittelgebirges 
durchbrochen  und  tritt  in  das  Tiefland  ein,  welches  sie  bis  Cuxhaven 
in  einer  Gesamtlänge  von  733  km  durchströmt.  Ihre  Wasserspiegelhöhe 
beträgt  bei  dem  genannten  Dorfe  83  m  üb.  M.,  bei  Magdeburg  36  m, 
bei  Werben  22  m  und  bei  Hamburg  1,4  m.  Innerhalb  der  historischen 
Zeit  hat  sie  in  ihrem  breiten,  flachen  Tal  mancherlei  Veränderungen 
erlitten;  von  ihrem  ehemaligen  Laufe  zeugen  noch  heute  die  alten  Tal- 
furchen, die  teils  trocken  liegen  oder,  mit  Wassertümpeln  und  langge- 
streckten Seen  durchsetzt,  die  sogen.  »Alten  Elben«  bilden,  teils  von 
ihren  Nebenflüssen  benutzt  werden.  Wie  alle  Ströme  des  Tieflandes 
beschreibt  sie  grofse  Windungen,  die  auf  natürlichein  wie  auch  künst- 
lichem Wege  Abkürzungen  erfahren  haben.  Auf  der  42  km  langen 
Strecke  von  Kreinitz  bis  Protseh  verlängert  sie  ihren  Lauf  um  nahezu 
das  Doppelte  (H2  km),  und  mehrfach  sind  Durchstiche  bei  Mühlberg, 
Kranichau,  Prettin  und  Pretsch  nötig  geworden.  Bei  Pretsch  tritt  sie 
dann  in  das  grofse  sog.  Breslauer  Diluvialtal  ein;  sie  strömt  hier  im 
grofsen  Ganzen  von  Osten  nach  Westen  in  «1er  Richtung,  welche  ihr 
rechtsseitiger  Xebenflufs,  die  Schwarze  Elster,  inne  hat,  die  von  Lieben- 
werda  an  auch  ein  alter  Elbelauf  zu  sein  scheint.  Bei  Aken,  welches 
annähernd  gleichweit  zwischen  der  Mulde-  und  Saalemündung  gelegen 
ist.  schlägt  die  Elbe  die  nordwestliche  Richtung  ein,  zunächst  bis  Magde- 
burg, wo  sie  nordöstlich  einlenkt.  Auf  dieser  Strecke  sind  zahlreiche 
Flufsverlegungen   zu   beobachten.     Vor  dem    X.  Jh.   war  der  heutige 


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94  L  Physische  Geographie. 

Hauptarm  von  Dörnberg  an  nicht  vorhanden.  Schönebeck  lag  damals 
nicht  an  der  Elbe,  sondern  an  einem  Bach.  Der  Flufs  strömte  in  dem 
noch  erkennbaren  Tal  bei  Plötzky  vorüber.  Im  XI.  Jh.  nnifs  dann 
der  Schönebecker  Arm  sich  ausgebildet  haben,  der  auch  damals  schon 
schiffbar  gewesen  zu  sein  scheint.  Auch  nördlich  von  Magdeburg  existierte 
neben  dem  östlichen,  am  Rande  des  Plateaus  entlang  ziehenden,  heutigen 
Hauptstrom  ein  westlicher  Arm,  der  von  der  Magdeburger  Neustadt 
gegen  Rotensee  und  Wolmirstedt  verlief,  wo  die  Ohre  einmündete.  Noch 
im  XII.  Jh.  bildete  der  Wolmirstedter  Strom  den  eigentlichen  Schiffahrts- 
weg. Dieser  liefs  in  seiner  Bedeutung  aber  allmählich  nach,  und  im 
XIV.  Jh.  zog  die  ganze  Wassermasse  nach  dem  östlichen  Bett  hinüber. 
In  dem  alten  Flufstal  zieht  als  ein  dünner  Wasserfaden  heute  die  Alte 
Elbe  hin,  die  bei  Wolmirstedt  die  Ohre  erreicht,  und  letztere  benutzt  von 
hier  an  das  ehemalige  Bett  der  Elbe.  Als  die  westliche  Elbe  noch  der 
Ilauntstrom  war,  bildete  sie  die  Grenze  der  Brandenburger  Diöcese,  die 
nach  Verlegung  des  Bettes  somit  auf  das  linkselbische  Gebiet  hinüber- 
griff. —  Bei  Magdeburg  war  die  Elbe  bis  1780  noch  in  drei  Arme  ge- 
spalten, von  welchen  heute  der  mittlere,  die  sog.  Mittel-,  auch  Faule 
und  Zollelbe  genannt,  am  oberen  Ende  geschlossen  ist.  Der  westliche, 
die  Stadt  bespülende  Arm  ist  die  eigentliche  Stromelbe,  der  östliche 
die  alte  Elbe. 

Im  Westen  berührt  dio  Elbe  eine  äufserst  fruchtbare  Landschaft, 
die  Magdeburger  Börde,  ein  welliges  Hügelland.  Sie  ist  mit  einer 
bis  zu  1  m  mächtigen  Schicht  von  schwarzer  Dammerde  bedeckt,  unter 
welcher  ein  gelber  kalkhaltiger  Löfs  liegt.  Diese  Schichten  beginnen  im 
Süden  bei  Barby  und  reichen  nördlich  bis  fast  an  das  Ohretal  heran; 
für  Weizen  und  Zuckerrüben  bieten  sie  die  günstigsten  Wachstunis- 
bedingungen dar. 

Von  der  Mündung  der  Ohre  bei  Rogätz  tritt  der  Strom  in  einen 
anderen  Abschnitt  seines  Tales  ein.  Die  Verlängerung  seines  nordöst- 
lichen Laufes  zielt  auf  die  untere  Havel,  speziell  die  Rathenower  Gegend 
hin.  In  der  Tat  hatte  die  Elbe  nach  dem  Abschmelzen  des  Diluvial- 
gletschers ihren  Weg  nach  dorthin  genommen,  da  der  Durchgang  bei 
Arneburg  ihr  noch  versperrt  war,  und  drei  gröfsere  Talzüge  lassen  sich 
nach  der  Havel  hinüber  noch  erkennen.  Ein  Kriterium  für  die  ehe- 
malige Ausdehnung  der  Elbwasser  bildet  der  ihnen  eigentümliche  Elb- 
schlick, ein  toniges  Gebilde,  frei  von  kohlensaurem  Kalk,  von  blaugrauer 
Farbe,  den  der  Flufs  überall,  wo  er  hingelangte,  abgesetzt  hat.  Bis 
40  km  östlich  des  heutigen  Laufes  ist  er  erkennbar.  Jetzt  ist  der  Strom 
westlich  von  Genthin  und  Burg  durch  Deiche  abgeschlossen,  aber  noch 
im  XVI.  Jh.  hat  er  oftmals  seine  ehemaligen  Strafsen  aufgesucht  und 
die  Umgebung  von  Rathenow  überschwemmt.  In  aufsergewöhnlichen 
Fidlen  geschah  dies  auch  später  noch.  Im  Jahre  1653  fuhr  man  bei 
einer  Elbüberschwemmung  mit  Kühnen  in  der  Stadt  umher,  ebenso  am 
Karfreitag  1709, 

Bei  Arneburg  bricht  die  Elbe  durch  ein  Erosionstal.  welches  sie 
selbst  geschaffen  hat,  und  nach  Verlassen  desselben  bei  Osterholz  tritt 


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35.  Elbe  im  norddeutschen  Tiefland.  95 

sie  in  die  Wische  ein.  Diese  ist  eine  ca.  270  qkm  grofse  Niederung 
auf  der  linken  Flufsseite,  wo  das  Berliner  und  Eberswalder  Diluvialtal 
rieh  vereinigten.  Sie  war  schon  vorhanden,  ehe  die  Elbe  durchbrach, 
wurde  dann  aber  bei  der  Flachheit  des  Terrains  von  ihr,  die  hier  ihre 
Ton-  und  Schlickmassen  absetzte,  unausgesetzt  überschwemmt.  Der 
fruchtbare  Boden  hat  schon  in  früher  Zeit  zur  Bebauung  ancrelockt,  und 

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um  ihn  vor  Überschwemmungen  zu  schützen,  hatten  die  Uferbewohner 
des  XII.  Jh.  Deiche  angelegt,  wie  uns  Helmold  in  seiner  Slavenchronik 
berichtet.  Auch  auf  der  Linie  der  Uchte  und  Biese-Aland,  die  bei 
Schnackenburg  mündet,  also  am  westlichen  Rande  der  Wische,  ist  die 
Elbe  ehemals  geflossen. 

Von  der  Havelmündung  an  schlägt  sie  wieder  die  nordwestliche 
Richtung  ein.  Anfangs  noch  grofse  Windungen  bildend,  fliefst  sie  dann 
in  mäfsigem  Wechsel  der  Richtung.  Unterhalb  Dannenberg  streift  sie 
die  steil  abfallenden  Ausläufer  der  Lüneburger  Heide  und  ein  Stück 
weiter  unterhalb  bei  Lauenburg  die  von  rechts  herantretenden  Abfälle 
des  Mecklenburger  Plateaus.  In  der  (Jegend  von  Bleckede  beginnen  die 
Marschgebiete,  zunächst  nur  auf  der  linken  Uferseite  sich  ausbreitend, 
•iann  aber  in  Vierlanden  auch  das  rechte  Uferland  umfassend.  Uberhalb 
Hamburg  teilt  sich  der  Flufs  in  zwei  Hauptarme,  Norder-  und  Süder- 
Elbe,  deren  Zweigarme  das  Marschland  in  mehrere  gröfsere  und  kleinere 
Inseln  auflösen;  bei  Blankenese  hat  sie  ihr  Wasser  wieder  in  einem  Arm 
vereinigt.  Von  Hamburg  an  tritt  das  Geestplateau  hart  an  den  Flufs 
heran;  unterhalb  Schulau  ist  der  Strom  aber  auf  beiden  Seiten  von 
Marschland  einges  chlossen.  Das  Astuarium  verbreitert  sich  abwärts  und 
ist  von  zahlreichen  Sandwerdern  durchsetzt.  Bei  Brunsbüttel  hat  es 
7  km  Breite  und  schwillt  dann  zu  einer  weiten  Bucht  an,  die  bei  Cux- 
haven 15  km  beträgt. 

Die  Gesamtlänge  der  Elbe  beträgt  1165  km,  ihr  Stromgebiet  143  327  qkm. 
Ihre  schiffbare  Strecke  beginnt  bei  Melnik  in  Böhmen,  also  842  km  oberhalb 
«ler  Mündung,  während  der  Seeverkehr  bis  Hamburg  hinauf  möglich  ist.  Die 
Flut  steigt  bis  über  Hamburg  hinaus  nach  Geesthacht,  also  1C5  km  aufwärts; 
bei  Hamburg  erreicht  sie  1,8  m  Höhe,  bei  Cuxhaven  3  m. 

Der  gröfste  Teil  des  Elblaufes  in  der  Norddeutschen  Tiefebene  gehört 
j'ner  diluvialen  Sammelrinne  am  Schlufs  der  Eiszeit  an,  die  man  als  Breslau- 
Magdeburger  Tal  bezeichnet  hat  (a.  oben  p.  8G).    Ein  von  Fr.  Hoffmann  an- 
genommener ehemaliger  Abtlufs  durch  das  Tal  der  Ohre  bei  Wohnirstedt  naeh 
n*.  ist  wegen  der  mäfeigen  Breite  des  Ohretales  (400  m)  nicht  wahrscheinlich.  — 
Uber  die  Entstellung  des  Löfs  der  Magdeburger  Börde  gehen  die  Ansichten 
weit  auseinander.    Nach  der  Richthofenschen  Theorie  sei  der  Löfs  eine  fein- 
erdige  äolische,  d.  h.  durch  Winde  herbeigeführte  Ablagerung  in  kontinentalen 
Gebieten,  während  andere  speziell  mit  Rücksicht  auf  die  Börde  einen  lluviatilen 
Ursprung  annehmen.    Über  diese  Frage  orientiert  kurz  Wahnschaffe,  Die 
I'rsachen  der  Oberflächengestaltung  der  Norddt.  Tiefebene,  18!»  1,  p.  130  ff.,  mit 
weiteren  Literaturangaben.  —  Die  Veränderungen  des  Elblaufes  in  historischer 
Zeit  stehen  mit  den  Überschwemmungen  im  Zusammenhang.    Als  eine  Folge 
von  diesen  ist  auch  der  (»benerwähnte  zeitweilige  Abtlufs  der  Elbe  durch  das 
alte  Tal  über  Genthin  nach  der  Havel  hinüber  zu  erklären.    Er  war  im  J.  15*56 
zu  beobachten  und  dann  6  Wochen  lang  im  J.  1595  vom  12.  Febr.  bis  4.  Mär/; 
bei  letzterem  stand  das  Wasser  bei  Havelberg  22'  6"  über  Null  des  dortigen 
iVgels.     Vgl.  hierzu  Wagner,   Denkwürdigkeiten   der   kurmärkischen  Stadt 


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96  I  Physische  Geographie. 

Rathenow.  Berlin  1803.  Ein  Verzeichnis  sämtlicher  grösseren  Elbüberschwcm- 
miingen  seit  «lern  X.  Jh.  gibt  Berghaus,  Landbuch  der  Mark  Brandenburg, 
1854.  I,  322  f. 

Über  die  Elbe  im  Tiefland  im  allgemeinen  vgl.  V arges,  Der  Lauf  der 
Elbe  im  norddeutschen  Flachlande,  L  Teil,  Progr.  Gvmn.  Ruhrort  1891. 
Maenfs,  Die  Elbe  bei  Magdeburg,  Mittlgn.  d.  Ver.  f.  Erdkde.,  Halle  1885,  1—10. 
Ders. ,  Zur  Gesch.  der  Elbe  bei  Magdeburg,  Geschichtbl.  f.  Stadt  und  Land 
Magdeburg.  32  (1897).  297  ff.  Keilhack,  über  alte  Elbläufe  zwischen  Magde- 
burg u.  Havelberg.  Jahrb.  d.  Preufs.  geolog.  Landesanstalt,  1887.  236— 252. 
Wich  mann,  Die  Entwicklung  der  Elbe  zwischen  Geesthacht  und  Blankenese, 
Z.  f.  wiss.  Geogr.  II.  24  —  38.  Die  Elbinseln  haben  sich  in  geschichtlicher  Zeit 
auch  sehr  oft  verändert;  ein  wichtiges  Hilfsmittel  ist  Melchior  Loriehs 
Karte  vom  J.  1568,  mit  Erläuterungen  herausgegeben  von  Lappenberg. 

Unter  den  Nebenflüssen,  die  ihr  innerhalb  der  Tiefebene  zugehen,  hat 
die  Havel  mit  der  Spree  das  gröfste  Stromgebiet.  Die  Havel  (Habola,  Havele, 
Halte,  auch  Labola,  Albola)  entspringt  auf  der  Mecklenburgischen  Seenplatte  im 
Dambecker  See  in  68  m  üb.  M.  Unterhalb  Oranienburg  bildet  sie  mehrfach 
grolse,  langgestreckte  Seen,  die  mit  normalen  Flufsstrecken  abwechseln  bis 
Pritzerbe.  Bis  zu  dieser  Stelle  hat  sie  die  Richtung  ihres  Laufes  zweimal  ver- 
ändert und  wendet  sich  nach  N.  und  NW.,  um  unterhall)  Havelberg  in  die 
Elbe  zu  münden.  Auf  drei  Seiten  umschliefst  sie  das  Havelland,  welches  im 
N.  durch  den  Rhin  begrenzt  wird  und  eine  2530  ([km  grofse  Fläche  bildet. 
Von  den  alten  Diluvialtälern  durchzogen,  bat  es  einen  sumpfigen  Boden  (Havel- 
luch und  Rhinluch)  neben  sonst  sandigen  Flächen  und  Wiesen.  Doch  haben 
die  Entwässerungen  des  XVIII.  Jh.  einen  grofsen  Teil  des  Landes  der  Kultur 
zugänglich  gemacht.  Der  Flufs  ist  356  km  lang  und  hat  in  der  Spree  mit 
365  km  einen  noch  längeren  Nebenfluß?.  Die  Spree  (Spretra,  Sprevia;  im 
Wendischen  kurz  Reka,  d.  h.  Flufs)  entspringt  in  der  Oberlausitz  in  mehreren 
Quellen.  Nachdem  sie  sich  hinter  Bautzen  in  zwei  Anne  geteilt  und  bei 
Spreewitz  diese  wieder  vereinigt  hat,  bildet  sie  unterhalb  Kottbus  den  Spree- 
wald, ein  grofses  Bruch,  welches  durch  den  Pafs  von  Lübben  in  einen  oberen 
und  unteren  Spreewald  geschieden  wird.  Die  Spree  teilt  sich  hier  in  unzählige 
Wasseradern,  die  oft  sumpfige,  aber  mit  Erlengehölzen  betleckte  Inseln  um- 
schliefsen.  Bei  Schiepzig  sind  alle  Teilarme  wieder  vereinigt.  Weiterhin  ändert 
sie  mehrmals  ihre  Richtung  und  durchHiefst  verschiedene  Seen  (Schwielug-, 
Müggelsee).  Bei  Spandau  mündet  sie  in  die  Havel.  —  Zum  Gebiet  der  Havel 
und  der  Spree  gehören  z.  T.  noch  jene  sandigen  Bodenwellen,  die  in  einiger 
Entfernung  von  den  mitteldeutschen  Gebirgen  diesen  parallel  ziehen.  Sie  bilden 
••in  allerdings  nur  schwaches  Gegenstück  zum  Baltischen  Höhenrücken,  zeigen 
aber  wie  er  die  Spuren  der  ehemaligen  Vereisung.  Dieser  Rücken  beginnt  mit 
der  Lüneburger  Heide,  setzt  sich  zwischen  Elbe  und  Aller  weiter  fort  unter 
besonderen  Namen,  Göhrde  Drawehn  (142  m),  Hellberge  (160  m  bei  Gardelegen). 
Die  Jeetze.  Biese  mit  Uchte  und  die  Ohre  entspringen  auf  dieser  Höhen 
schwelle.  Jenseits  der  Elbe  bildet  der  Fläming  die  Fortsetzung,  der  im  Hagel- 
berg  bei  Beizig  200  in  erreicht,  mit  sandigem,  wenig  fruchtbarem  Boden.  Von 
ihm  gehen  die  Plane  und  die  Nuthe  mit  der  Nieplitz  nördlich  zur  Havel, 
während  kürzere  Flüfschen  zur  Elbe  und  Schwarzen  Elster  nach  S.  führen. 
Vgl.  Schöne.  Der  Fläming,  Leipzig  1898.  Ks  schliefsen  sich  die  Nieder- 
lausitzer  Berge  an,  die  über  Spremberg  nach  Sorau  streichen,  wo  sie  im  Rücken- 
berg 220  m  Höhe  haben.  Sie  stellen  aber  keine  zusammenhängende  Schwelle 
dar,  die  Spree  und  Neifse  gehen  quer  durch  sie  hindurch.  Jenseits  des  Bober 
folgen  die  Dalkauer  Berge  bei  Glogau,  wo  sie  am  Südrande  des  Odertides  aber- 
mals 220  m  erreichen,  und  jenseits  der  Oder  taucht  der  Rücken  im  Katzen 
gebirge  bei  Trebnitz  auf. 

• 

36.  Oder.  Gegenüber  dem  Rhein  und  der  Elbe  zeigt  das  Strom- 
gebiet der  Oder  eine  sehr  viel  einfachere  orographische  Gestaltung.  Von 


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30.  Oder. 


97 


ihrem  Ursprung  an,  dem  »schönen  Ort«  auf  dem  Odergebirge  (634  m), 
hat  sie  nirgends  beträchtliche  Gebirgsschwellen  zu  durchschneiden,  wie 
dies  bei  den  erstgenannten  Flüssen  der  Fall  ist.  Im  Oberlaufe  bietet 
ihr  die  breite  Senke  zwischen  den  Sudeten  und  Karpathen,  die  sog. 
Mährische  Pforte,  einen  bequemen  Durchgang  nach  N.  hin.  In  mehr- 
fachem, recht  auffallendem  Wechsel  der  Richtung  durchströmt  sie  dann 
das  norddeutsche  Tiefland,  innerhalb  dessen  wir  trotz  der  geringfügigen 
physischen  Verschiedenheit  drei  Abschnitte  in  ihrem  Laufe  annehmen 
können.  Der  erste  bildet  die  langgestreckte  Mulde  der  sehlesischen 
Tieflandsbucht,  wo  dem  Hauptstrome  von  beiden  Seiten  zahlreiche  Heinere 
Flüsse  zugehen,  die  teils  im  Sudetenwall  ihren  Ursprung  haben,  teils 
der  oberschlesischen  Platte  und  dem  an  sie  sich  anschliefsenden  süd- 
lichen Landrücken  (s.  o.  96)  entquellen.  Unterhalb  der  Katzbach  durch- 
bricht sie  den  T^andrücken  und  tritt  in  den  zweiten  Abschnitt  ihres 
Stromgebietes,  der  einen  Teil  der  grofsen  diluvialen  Talzüge  bildet. 
Letztere  haben  auf  die  Richtung  und  Beschaffenheit  des  Strombettes 
der  Oder  und  ihrer  Nebenflüsse  einen  bestimmenden  Einflufs  gehabt 
(9.  0.).  Innerhalb  dieses  Abschnittes  empfängt  sie  auf  der  linken  Seite 
von  den  Sudeten  noch  zwei  wasserreiche  Nebenflüsse,  den  Bober  mit 
dem  Queis  und  die  Görlitzer  Neifse.  Neben  der  Bartsch  und  der  Obra, 
die  in  den  bruchartigen  Niederungen  der  alton  Schmelzrinnen  entlang- 
fliefsen,  ist  unter  den  rechtsseitigen  Nebenflüssen  die  Warthe  mit  der 
Netze  nach  Länge,  Stromgebiet  und  Wasserfülle  der  bedeutendste.  Von 
ihrer  Einmündung  in  den  Ilauptstrom  an  bildet  dieser  das  Oderbruch. 
In  rechtem  Winkel  biegt  er  nach  NNO.  um;  als  dritten  Abschnitt  seines 
Laufes  kann  man  die  breite  Furche  durch  den  Baltischen  Höhenrücken 
ansehen.  Der  Strom  teilt  sich  zuletzt  in  mehrere  Arme,  die  alle  in  eine 
seeartige  Erweiterung  zusammenflielsen.  Nachdem  diese  sich  noch 
einmal  stark  verengt  hat,  tritt  sie  in  das  Papenwasser  des  HatTs  ein. 
Bis  zu  diesem  Punkt,  der  noch  7  cm  über  NN.  liegt,  kann  man  «las 
Stromgebiet  ausdehnen;  das  Haff  selbst  gehört  nicht  mehr  hierzu. 

Die  Oder  wird  in  älteren  lateinischen  Quellen  gar  nicht  und  nur  einige- 
mal von  I*tolemäus  (II,  11,  3,  7)  Ormdora  genannt.  Aulser  ihrer  Mündung 
macht  er  noch  die  des  Suebus  (— vtßn~)  namhaft,  und  Müllenhof f  (DA.  II, 
209)  vermutet,  dafs  beide  die  Mündungen  eines  und  desselben  Flusses  seien, 
dessen  eigentlicher  Name  Vmdua  gewesen  wäre.  Ähnlich  C.  Müller  in  der  edit. 
PtoL  p.  250,  der  Svtjßog  in  -ry-o?  =  Swine  zu  emendieren  geneigt  ist.  —  Im 
Mittelalter  heilst  der  Strom  Odai/ra,  Qdoyra  in  den  Ann.  Fuldens.  a.  792,  Adora 
Widuk.  I.  27,  Oddora  Adam  IV,  13.  —  Die  etymologische  Bedeutung  ist  noch 
fraglich.  Müllenhoff  1.  c.  hält  den  Namen  für  germanisch  und  läl'st  Viadua 
nach  und  nach  in  Odora,  Odra  übergehen;  die  Form  Viadnis  ist  gelehrten 
Ursprungs.  XV'.,  XVI.  Jh.  Bremer  Pauls  (Jrundrifs  d.  germ.  Phil.  III,  77Ü) 
hält  ihn  für  keltisch;  doch  seheint  mir  für  Odra  slavischer  Ursprung  mcht 
gänzlich  ausgeschlossen;  es  wäre  dann  allerdings  Oder  von  Viaduo  zu  trennen. 
Jettmar  bringt  ihn  mit  slav.  uoda  =  Wasser  in  Zusammenhang. 

Der  Strom  hat  eine  Länge  von  860  km  und  schliefst  ein  Gebiet  von 
11801 1  qkm  ein ;  von  diesen  gehören  75.1)%  dem  Tieflande  an.  Vgl.  im  allgemeinen 
über  den  Flufs  Part  sc  Ii,  Schlesien  I,  173 — 204;  über  die  märkische  Strecke 
Berghaus,  Landbuch  der  Mark  Brandenburg  III,  1  ff.  Ferner  die  amtliche 
Publikation:  Der  Oderstrom,  sein  Stromgebiet  und  seine  wichtigsten  Neben- 

Kret  Schmer,  Historische  «ieoKTaphie.  7 


98 


I.  Physische  Geographie. 


Müsse.  3  Bde.  mit  Atlas.  Berlin  1890.  Die  geographischen  Einzelheiten  dieses 
Werkes  bearbeitete  Penek.  Der  Oderstrom,  in  Hettners  Geogr.  Z.  V.  III  IT,  84  IT. 

Den  bedeutendsten  Eintlufs  auf  den  Verlauf  und  die  Beschaffenheit  des 
Flufsbettes,  wie  auf  das  wirtschaftliche  Leben  der  Anwohner  haben  von  jeher 
die  (  berseh  wemmungen  gehabt.  Teils  treten  sie  im  Frühjahr  auf  (besonders 
März)  als  Folge  der  Schneeschmelze  und  des  Eisganges,  teils  im  Sommer,  wo 
sie  als  Folge  anhaltender  Hegengüsse  weit  grüfser  und  gefahrbringender  sind. 
Bevor  der  Strom  reguliert  war,  haben  Flufsverlegungen  mit  und  ohne  Zutun 
des  Mensehen  sehr  leicht  eintreten  können.  Schon  innerhalb  der  sehles.  Bucht 
lassen  die  zahlreichen  Altwasser  und  Terrainfurchen  seinen  ehemaligen  Ver- 
lauf ahnen  Einzelne  Nebenflüsse  in  Schlesien,  die  dem  llauptstrom  mehrere 
Kilometer  parallel  Hiefsen,  ehe  sie  in  ihn  einmünden,  bezeugen,  dafs  sie  nur 
alte  Stromrinnen  desselben  benutzen.    Ursprünglich  tlofs  die  Oldau  bei  dem 


Breslau  erreicht.  Auch  die  Weida  benutzt  einen  alten  Oderurin.  Im  Mittel- 
alter bis  zum  XVI.  Jh.  hielt  sich  die  Oder  kurz  vor  Breslau  mehr  auf  der 
rechten  Talseite,  wo  sie  in  grofsen  Serpentinen  dahinzog.  Aber  auch  Durch- 
brüchc  nach  der  linken  Talseite  hinüber  müssen  schon  vor  dem  X.  Jh.  vor 
banden  gewesen  sein.  Der  Hauptarm  eines  solchen  Durehbruches  mufs  in 
nordsüdlicher  Richtung  am  östlichen  Ende  des  heutigen  Breslau  in  der  Gegend 
der  Marienstrafse  die  jetzige  Oder  rechtsseitig  erreicht  haben.  Kurz  vor  dieser 
Einmündungsstelle  zweigte  sich  nach  W.  ein  Seitenarm  ab,  der  am  Vincenz 
kloster  vorbei! liefsend  nach  dem  XI.  Jh.  erst  entstanden  ist  und  nach  S. 
umlenkend  gegenüber  der  Clareninsel  den  Hauptstrom  erreichte.  Als  der 
kürzere  suchte  dieser  sich  zum  wasserreichen  Hauptarm  zu  entwickeln;  schon 
im  XIV.  Jh.  war  er  zur  Schiffahrt  geeignet  zum  grofsen  Ärger  des  Breslauer 
Stadtrates,  der  1425  die  Vincenzoder  durch  einen  Damm  zu  schliefsen  ver- 
suchte. Da  der  Hauptstrom  sich  immer  entschiedener  von  der  Stadt  abzuwenden 
drohte,  so  schritt  man  1492  zu  einem  Durchstich,  der  oberhalb  der  Stadt 
mehrere  Windungen  der  alten  Oder  abkürzend  diese  an  jener  Mündung  an 
der  Marienstrafse  erreichen  sollte,  indessen  ohne  Erfolg.  1531-15"»;")  wurde 
ein  neuer  Durchstich  etwas  südlicher  von  jenem  versucht,  der  mittelbar  zur 
Bildung  des  heutigen  Oderbettc«  geführt  hat.  Auch  unterhalb  Breslaus  fanden 
natürliche  und  künstliche  Flufsverlegungen  statt,  Näheres  hierüber  s.  bei  R.  Leon- 
hard. Der  Stromlauf  der  mittleren  Oder,  Dissert  Breslau  189:1  mit  4  Karten. 
Ders  .  Die  Entwicklung  der  Stromlage  der  Oder  bei  Breslau,  in  >  Breslau«,  Fest- 
gabe für  den  XIII.  Deutsch.  Geographentug  1901.  II.  Wendt,  Die  Breslauer 
Stadt-  und  Hospitalgüter,  Breslau  1899.  Für  die  obere  Oderstrecke  E.  Lösch 
mann.  Beiträge  z  Hydrographie  der  oberen  Oder,  Dissert.  Brcsl  1892. 

Die  Nebenflüsse  stehen  auf  dieser  Strecke  hinter  dem  Hauptstrom  weit 
zurück;  durch  Sommerregen  können  auch  sie  freilich  oft  gefährlich  anschwellen. 
Schiffbar  ist  nur  die  Glatzer  Neifse  von  Löwen  ab.  Von  den  linksseitigen 
Flüssen  seien  genannt:  die  Oppa  (l'pa  flitr.  1031,  Oppau  1059,  Oppau-  1377), 
Zinna,  Hotzenplotz  {Vzaldaze  1107,  Ozohloya  1201),  Glatzer  Neifse 
(Kita  981,  Nina),  Oh  lau,  Lohe  (Slenze  noch  1202,  Zlenze  1208,  vgl.  unten 
über  den  Namen  Schlesien,  Lau  (!j  1248),  Weistritz  (aus  einer  Urkd.  von 
1277  geht  hervor,  dafs  der  FluTs,  der  jetzt  Weistritz  oder  Schweidnitzer  Wasser 
genannt  wird,  damals  noch  einem  rechten  Zutlufs  l'eilau  (Pilavai  hatte;  cf. 
Grünhagen.  Lelms-  u.  Be>itzurkd.  I.  485),  Katzbach.  Rechtsseitige  Neben- 
flüsse: Klodnitz,  Malapane  (Malpuden-  1442  ,  Stober  (Stobrava  1321) 
W  cid  a  (  Viriaia). 

Nachdem  die  Oder  den  Landrücken  durchbrochen  hat,  tritt  sie  wieder 
in  die  Niederung,  um  sich  mit  der  Bartsch  zu  vereinigen.  Bei  der  Flachheit 
des  Terrains  war  dieses  Flufsstüek  immer  starken  (  berschwemmungen  ausgesetzt, 
die  in  dem  sehmalen  Flufshalbinsellande  dann  grofse  Seen  schulen  iso  1851). 
Ein  älterer  Oderlauf  ging  am  südliehen  Rand«'  jener  Niederung  entlang  und 
vereinigte  sieh  erst  bei  Glogau  mit  der  Bartsch. 


86.  Oder. 


99 


Unterhalb  der  Obramündung  zeigen  sich  auf  der  linken  Seite  viele  Strom- 
schlingen  und  Altwasser,  die  erst  in  Iiistoriseher  Zeit  durch  den  geradlinigen 
Lauf  abgekürzt  sind.  Denn  die  noch  heute  auf  das  rechte  Ufer  hinüber- 
greifenden Landstücke,  die  zur  Mark  Brandenburg  gehören ,  lassen  sieh  nur 
dadurch  erklären,  dafs  der  Hauptstrom  früher  als  Grenze  zwischen  Branden- 
burg und  Schlesien  einen  entsprechenden  Lauf  hatte.  Wo  die  Neifse  sich  mit 
der  Oder  vereinigt,  lag  schon  im  XIII.  Jh.  die  Burg  Schidlow  und  zwar  damals 
auf  dem  linken  Ufer,  gehörte  somit  zur  Niederlausitz.  Neifse  und  Oder  ver- 
einigten sich  erst  beträchtlich  unterhalb  des  Ortes.  Vermutlich  im  XIV.  Jh. 
(1359)  trat  die  Stromvcrlegung  ein.  Beide  Flüsse  vereinigten  sich  unmittelbar 
südlich  von  Schidlow,  so  dafs  dieses  nunmehr  auf  dem  rechten  Ufer  lag.  Von 
dem  alten  Oderlauf  sind  noch  einige  WasM'rstreeken  und  Seetümpel  vorhanden. 
Die  rechtlichen  Verhältnisse  der  <  Mersch iffahrt  führten  später  zu  Streitigkeiten 
zwischen  Kurbrandenburg  und  -Sachsen,  weil  Schidlow  bei  der  Lausitz  verblieb. 
Noch  Friedrich  d.  Gr.  machte  es  im  Dresdener  Frieden  1745  zu  einer  der 
Friedensbedingungen,  dafs  der  rechtsseitig  gewordene  Landstrich  mit  Schidlow 
an  Preufsen  fallen  sollte.  Cf.  Berghaus.  Landbuch  d.  M.  Brandenburg.  HI, 
3t>.  Die  Karte  des  Deutsch.  Reiches  von  Vogel,  Bl.  15  läfst  die  oben  angegebenen 
Flufsläufc  meist  schon  genügend  erkennen.  —  Bis  Frankfurt  sind  in  der  hier 
sehr  breiten  <  )derniederung  auch  viele  alte  Flufsläufc  noch  zu  erkennen.  Kurz 
vor  der  Stadt  treten  die  Talränder  etwas  näher  aneinander,  um  sich  unterhalb 
der  Stadt  wieder  zu  entfernen  und  die  Lebuser  Niederung  einzuschließen. 

Bei  Küstrin  empfängt  die  Oder  ihren  bedeutendsten  NebenHufs.  die 
Warthe  (Vurta,  VarUi,  schon  im  XIII.  Jh.  Warthe).  Bis  1786  ergofs  sich  die 
Warthe  ziemlich  rechtwinklig  in  die  Oder;  damals  wurde  sie  durch  einen 
Kanal  östlich  von  der  Festung  geleitet ,  so  dafs  die  Oder  nach  Erweiterung 
des  Kanals  diese  Richtung  inne  hielt  und  1813 — 1816  die  ursprüngliche  Warthe- 
mündung  durch  eine  Sperrbuhne  geschlossen  werden  konnte,  die  sie  freilich 
bei  Hochfluten  zuweilen  überstieg.  Berghaus  III,  34.  Die  Warthe,  die  bei  Kro- 
molow  in  Russ.  Polen  entspringt,  bat  eine  Gesamtlänge  von  715  km,  von  denen 
350,4  preußisch  sind.  Bei  «lein  beträchtlichen  Stromgebiet  von  44  650  qkm  hat 
sie  entsprechend  lange  Nebenflüsse,  wie  die  Netze,  Prosna  und  Obra.  Durch 
den  Umstand,  dafs  sie  ebenso  wie  die  Zuflüsse  zum  Teil  die  grofsen  diluvialen 
Talzüge  benutzt,  zeigt  sie  dieselben  Eigenheiten  wie  die  Oder,  besonders  die 
mehrfachen  Biegungen  ans  der  SN.-  in  die  WO. -Richtung.  Bei  der  Obra  ist 
das  Wassernetz  besonders  kompliziert.  In  ihrem  Oberlauf  liegt  das  Obrabruch, 
welches  teils  nach  0.  zur  mittleren  Warthe  oberhalb  Bosen  entwässert  wird, 
teils  nach  W.  zur  Faulen  Obra  (Obrzycko)  unmittelbar  in  die  Oder,  teils 
durch  die  Nördl.  Obra  zur  unteren  Warthe  bei  Schwerin.  Zwei  Kanäle,  der 
Nord-  und  Südkanal,  haben  die  Entwässerung  des  Bruches  nach  allen  drei 
Seiten  hin  sehr  gefördert.  Bei  Hoch  Wasserständen  wird  das  Wasser  allerdings 
zurückgestaut,  und  1854  flofs  ein  Teil  des  Oderwassers  durch  die  Faule  Obra 
in  das  Bruch  rückwärts  und  teilweise  durch  die  Nördliche  Obra  zur  Warthe. 
Cf.  Pcnck  1.  c.  8ti.  —  Unteres  Warthe-  und  Netzebruch  gehören  genetisch 
zusammen.  Im  Mittelalter  wurde  auch  das  Flufstück  von  Zantoch— Küstrin 
Netze  genannt  und  die  Warthe  war  ihr  Nebenflufs.  Tertim  (fluvius)  Wartha, . .  . 
circa  Castrum  Santnk  Jlnvio  Notes  mix  tun,  et  ipsius  vocabulum  appellatione  propria 
amissa  sortitus,  Jlumen  Odram  circa  oppidum  Czorsztyix  inyriilitur  (Dingos.).  Die 
Netze,  von  den  Polen  Notes,  in  alten  Nachrichten  Notesza,  Nezza.  auch  Xcthe 
und  Küthe  genannt,  teilte  sich  bei  der  Stadt  und  ehemaligen  Festung  Driesen 
in  zwei  Anne,  die  Kleine  oder  Alte  Netze  und  die  Grofse  Netze.  Beide 
vereinigten  sich  unterhalb  wieder.  Das  Bruch  bei  Driesen  wurde  1(551  etwas 
verbessert,  und  späterhin  besonders  durch  Friedr.  d.  Gr.  1763—1767.  Berghaus 
III,  103  f.,  156. 

Bei  Küstrin  beginnt  das  Oderbruch,  das  sich  56  km  bis  Oderberg 
ausdehnt,  in  welchem  die  Oder  mehrfach  ihren  Lauf  gewechselt  hat.  Bei  Alt« 
Oüstebie<e  am  Ostrande  des  Bruchtales  ging  die  Alte  Oder  im  Bogen  quer  nach 

7* 


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1 


100  I.  Physische  Geographie. 

der  linken  Seite  hinüber  und  um  den  halbinselartigen  V Ursprung  des  östlichen 
Plateau randes  nach  O.  herum.  Von  Alt  Güstebiese  aus  legte  Friedrieh  II.  die 
Neue  Oder  an.  die  dureh  einen  Durehstich  durch  jene  Halbinsel  zwischen  Neu- 
Glietzen  und  Hohensaten  geradlinig  geleitet  wurde  (1747—1753).  Die  Alte 
Oder  versandete  seitdem  und  wurde  1832  bei  Alt-Güstcbiese  durch  einen  Dänin» 
abgesperrt.  Auch  weiter  unterhalb  erhielt  der  alte  gekrümmte  Lauf  zwischen 
Lunow  und  Bellinchcn  171)0/91  durch  Durchstiche  eine  gerade  Kichtunp. 
Berghaus  III.  2.  Christiani.  Das  Oderbruch,  Freienw.  1872.  Hilliges, 
Das  Oderbruch,  1874. 

Bei  (iarz  teilt  sich  die  Oder  in  zwei  parallel  nebeneinander  herlaufende 
Arme,  von  denen  der  östliche,  die  Heglitz,  in  den  Dammschen  See  mündet, 
während  die  eigentliche  Oder  auf  der  westlichen  Seite  des  Sees  weiterfliegt, 
um  sich  mit  dem  AbHufs  desselben  weiterhin  zu  vereinigen. 

Neben  den  obengenannten  empfängt  die  Oder  an  linksseitigen  Neben- 
flüssen noch  den  Bober,  slav.  Pobcr,  Bobart-,  Hobir.  d.  h.  der  Bieber;  Thietinar 
VI,  19,  übersetzt  wörtlich  Castor.  Sein  NebenHufs  ist  der  Queis,  (Jnism.  — 
Ferner  die  Görlitzer  Neifse,  Xice,  Nissa.  Innerhalb  der  Mark  ist  dann 
kein  gröfserer  Nebenlauf  mehr  zu  verzeichnen.  Erst  im  untersten  Flufsgebiet 
gehen  dem  Hauptstrom  aus  dem  Bereiche  des  Baltischen  Höhenrückens  von 
links  her  die  Randow,  der  Landgraben  genannt,  zu  und  von  rechts  her  die 
Ihna  unterhalb  des  Dammschen  Sees. 

Ein  Verzeichnis  der  bemerkenswertesten  Oderüberschwemnningen  gibt 
Berghaus  III,  27.  Aufser  jener  von  1359,  die  als  >Grofse  Flut  bezeichnet 
wird,  sind  aus  den  letzten  Jahrhunderten  die  Fluten  von  1736,  1785,  1814, 
1838  und  1854  sehr  verheerend  gewesen.  Über  die  letztere  handelt"  ausführlich 
Bergbaus  III,  119—144. 

37.  Weichsel.  Dieser  Strom  greift  nur  teilweise  in  das  hier  be- 
handelte Gebiet  hinein.  In  seinem  mittleren  Laufe  bildet  er  mehr  nur 
die  Grenze,  während  sein  Unterlauf  innerhall)  des  Baltischen  Höhen 
rückens  liegt.  Er  gehört  bis  auf  die  kurze  Strecke  im  Oberlauf  fa>t 
ganz  dem  Tieflande  an.  Bei  Krakau  in  210  in  Höbe  hat  er  eine  Breite 
von  80  m ,  ist  aber  nur  für  kleinere  Fahrzeuge  schiffbar.  Von  Sando- 
mierz  bis  Pulawy  steigt  sie  auf  400—750  m ;  das  Tal  ist  hier  verhältnis- 
mäfsig  eng.  Von  W.  her  treten  die  Ausläufer  der  polnischen  Platte 
dicht  an  den  Strom  heran;  die  Platte  entwickelt  sich  in  den  zentralen 
Partien  zu  einem  Berglande,  der  Lvsa  (iura  (Kahles  Gebirge)  und  erreich' 
hier  im  Hl.  Kreuzberg  611  m.  Trotz  seines  Namens  ist  das  Bergland 
von  dichten  Waldungen  eingenommen.  Weiter  westlich  zwischen  der 
Pilica  und  der  Warthe  erhebt  sich  die  Platte  nochmals  zu  Höhen  von 
400m  und  zieht  sich  südlich  bis  zur  Weichsel  hin;  sie  ist  stellenweise 
von  anmutigen,  malerischen  Berglandschaften  erfüllt,  besonders  nördlich 
von  Krakau.  wro  sie  den  Namen  der  Polnischen  Schweiz  führt.  Diese 
südpolnischen  Höhenzüge  kontrastieren  mit  dem  meist  von  diluvialen 
Gebilden  erfüllten  polnischen  Flachlande,  denn  sie  setzen  sich  aus 
jurassischen  und  triassischen  Gesteinen  (besonders  Kalkgesteinen)  zu- 
sammen. Jenes  Flachland  ist  durch  seinen  grofsen  Wasserreichtum 
ausgezeichnet,  der  nicht  blofs  in  den  Flüssen,  als  besonders  in  den 
Sumpfbildungen  zum  Ausdruck  kommt,  —  Bei  Ifordon  tritt  die  Woichsel 
in  das  Durchbruchstal  durch  den  Baltischen  Höhenrücken;  die  Breite 
des  Tales  schwankt  hier  zwischen  2,/2  und  12  km;  es  ist  zu  beiden 
Seiten  von  steilen  Bändern  eingefafst.    Bei  Pieckel  hat  sie  den  Kücken 


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38.  Haitischer  Höhenrücken.  101 

durchsägt  und  biMet  ein  grofses  Delta,  um  mit  mehreren  Mündungen 

teils  direkt  in  die  Danziger  Bucht,  teils  in  das  Frische  Haff  zu  rliefsen. 

Die  Weichsel  wird  von  den  Alten  vielfach  genannt:  Yistula  (Mcla,  Plin., 
Silin.),  Otiata/Xu  (Ptol.);  im  Mittelalter  Yistula,  Visula  liehen  der  polnischen 
Form  Wisla,  Wizla.  Ihre  Gesamtlänge  heträgt  1050  km .  ihr  Stromgebiet 
l'.»1406  qkm.  Ihre  Uferränder  sind  da,  wo  sie  durch  die  polnische  Platte  bricht, 
nieist  steilwandig;  weiter  unterhalb  werden  sie  stellenweise  etwas  flacher.  Bei 
Nowo-tieorgiewsk  erscheint  an  seinem  rechten  Ufer  wieder  ein  hoher  Talrand. 
Das  Tal  selbst  ist  hier  auch  sehr  breit,  und  der  Strom  bildet  viele  Sandinseln. 
Oberhalb  Tborn  hat  er  eine  Breite  von  850  in.  Ein  grofser  (  beistand  sind  die 
l'bersehwemmungen.  die  dreimal  im  Jahre  einzutreten  j »Hegen:  im  ersten  Drittel 
lies  März.  Ende  Juni  und  Ende  Juli.  Die  Eisdecke  pflegt  durchschnittlich  von 
Mitte  Dezember  bis  Mitte  Februar  zu  stehen.  Die  Schiffahrt  hat  mit  vielen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  da  jedes  Hochwasser  bedeutende  Veränderungen 
im  Flufsbett  hervorruft.  Die  steilen  Uferränder  werden  vom  Flurs  unterspült 
und  weggerissen,  und  dieses  Material  lagert  sich  an  irgend  einer  Stelle  im 
Flusse  ab  und  verändert  das  Fahrwasser.  Die  Strecke  unterball»  Iwangorod  ist 
besonders  den  Überschwemmungen  ausgesetzt  ;  sie  ist  hier  auch  von  vielen  Alt- 
wassern begleitet.  Die  Nebenflüsse  Piliea,  Wjeprz,  Narcw  mit  Bug  haben  je 
nach  der  Terrainformation  einen  gleichen  Charakter  wie  der  llauptstroin.  Alles 
Nähere  s.  bei  Keelus,  Geographie  universelle,  Paris  1880,  Bd.  \\38tiff.  Sar- 
maticus.  Von  der  Weichsel  zum  Dnjcpr,  Hannover  1886,  S.  5  ff.,  13  IT. 

38.  Baltischer  Höhen  rücken.    Rings  um  das  südliche  Becken  der 
Ostsee  und  stellenweise  mit  einem  Steilrand  an  das  Gestade  selbst  heran- 
tretend, zieht  ein  plateauartiger  Höhenrücken  von  »1er  Jütischen  Halb- 
insel bis  nach  Ostpreufsen  und  Rufsland  hinein.    Diese  etwa  1200  km 
lang»«   Bodenschwelle  zeigt   in   ihrer  Längsrichtung  freilich   keine  Go- 
.vchlossenheit;  vielmehr  bringen  die  von  Lübeck  nach  Lauenburg  hin- 
überziehend»1 Senke,  dann  »las  untere  Oder*  und  Weichseltal  ein»' Teilung 
in  vier  Abschnitt»'  hervor.    Der  auffallende  Reichtum  an  Seen  in  allen 
nur  möglichen  Gestalten  und  Gröfsenv»Thältnissen  hat  die  Bezeichnung 
dieser  vier  Abschnitte  als  Seenplatten  gerechtfertigt.    Man  unterscheidet 
hiernach  (mit  Ausschluß  Jütlands.  dessen  Erhebungen  zu  geringfügig 
sind):  die  Seideswig-liolsteinsche,  die  Mecklenburgisch«  •,  die  INunmersche 
und  Prcufsische  Seenplatte.    Bei  aller  Verschiedenheit  im  einzelnen  ist 
den  vier  Teilen  »loch  ein  gemeinsamer  Grundzug  aufgeprägt,  der  darin 
besteht,  »lafs  sie  alle  »lie  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  ehemals 
vereist«'!1  Landschaften   z»'ig»'n.     Hierzu  gehört   vor  allem  »lie  Gruml- 
mornne  »les  Diluvialgletschers,  »lie  gerade  hier  in   grofser  Mächtigkeit 
entwickelt  ist  und  für  »lie  ganze  Oberrläehengestaltung  des  Höhenrückens 
bestimmend  gewesen  ist.    Indessen  ist  dieser  Rücken  nicht  ganz  und 
gar  ein  Produkt  des  Gletschers,  vielmehr  macht  »las  innere  Grundgerüst 
einen  Teil  des  anstehenden  Bodens  aus,  der  nur  an  seiner  Oberfläche 
von  jenen  Gebilden  »lei    Eiszeit  (Geschiebemergel,  -lehnt,  und  -sanden) 
bedeckt  ist.    Doch  sind  wir  über  die  Natur  »h-s  Gnunlgebirges  unter- 
richtet, da  vereinzelt  noch  <1<t  anstehende  Fels  aus  tl»»n  Gerollen  hervor- 
schaut un»l  »lein  Alter  nach  bis  auf  die  Zechsteint'ormation  zurückgeht. 
Auch  die  S«'»'ii  stehen  ohne  Zweifel  mit  dem  Glacialphatiomen  in  Zu- 
sammenhang, da  sie  zumeist  in  das  locker«-  AufschüttungMuaterial  der 
Eiszeit  eingesenkt  sind.    Indessen  sind  «Ii«'  Seen,  «lie  bald  langgestreckt 


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102 


J.  Physische  Geographie. 


in  Talmulden  liegen.  Imld  wieder  von  stattlicher  Breite*  und  lappenartig 
zerteilt  sind,  nicht  alle  auf  ein  und  dieselbe  Weise  entstanden.  An 
ihrer  Bildung  haben  verschiedene  Faktoren  mitgewirkt,  die  sich  nur 
aus  einer  eingehenden  geologischen  Untersuchung  ihrer  nächsten  Um- 
gebung von  Fall  ZU  Fall  ergeben. 

Die  Schleswig-h olst  einsehe  Platte  weist  nur  in  ihrer  südlichen 
Hälfte  einen  gröfseren  Seenreichtiun  auf.  Der  Plöner  See  (bei  Adam  II,  151»: 
Sla<f nu in  Colsc  ist  der  gröfste.  Die  Platte,  die  eine  Neigung  nach  VV.  hat,  hat 
in  der  Nähe  der  Ostsee  ihre  gröbsten  Erhebungen  (Bungsberg  in  Wagrien  164  na, 
Pielsberg  128  in,  Hüttener  Berg,  südöstlich  von  Schleswig  106  in).  Die  allgemeine 
Abdachung  wird  auch  durch  die  Entwässerung  charakterisiert,  denn  fast  alle 
Flüsse  gehen  nach  \V.  zur  Nordsee;  unter  ihnen  ist  «Ii*-  Eider  (Egdora),  die  im 
Oberlauf  mehrere  Seen  durchfiiefst,  der  gröfste.  (teschiebelchm  und  t»>n  er- 
füllen vorzüglich  die  östliche  Hälfte  «1er  Platte  und  sind  auch  auf  den  frucht- 
baren Inseln  Alsen  und  Fehmarn  vertreten,  wogegen  der  (icschichesand  und 
Heidesand  den  Landrücken  nach  \V.  zu  bedeckt  hält  und  im  Gegensatz  zu 
den  alluvialen  Marschbildungen  die  diluviale  (ieest  ausmacht. 

Jenseits  des  ElbeTravekanals  schliefst  sich  die  Mecklenburgische 
Seenplatte  an.  die  im  Helpter  Berg  östlich  von  Neubrandenburg  179  m  er- 
reicht, aber  auch  sonst  noch  mehrere  Punkte  von  über  100  m  aufweist.  Die 
Seen  sind  hier  noch  zahlreicher  ZU  linden  und  von  beträchtlicher  Gröüse. 
Viele  von  ihnen  stehen  durch  Flufsstreckcn  untereinander  im  Zusammenhang, 
so  daTs  hierdurch  auch  die  Entwässerung  eine  sehr  komplizierte  wird.  Die 
Eide  t Eideue)  durchfiiefst  die  Müritz,  den  gröfsten  See  Mecklenburgs  (133  qkm, 
21  m  tief),  dann  den  Kölpinsee  1«;  im,  Fleesensee  19  in)  und  Planer  See  (24  m). 
Bei  Eldena  teilt  sie  sich  in  die  Neue  Eide,  die  bei  Dömitz  in  die  Elbe  Hiefst, 
und  die  Alte  Eide,  che  mit  der  Lücknitz  oberhalb  Dömitz  den  Ilauptstrom  er- 
reicht. Die  Stecknitz  Delvenau  (Dtlvunda)  Hiefst  in  der  obengenannten  Senke 
ebenfalls  zur  Elbe  oberhalb  Lauenburg.  Der  Schweriner  See  (37  m  üb.  M., 
43  in  tief  hat  durch  die  teilweise  kanalisierte  Stör  einen  Abflute  zur  Eide. 
Die  Warnow  mit  der  Mildenitz  führt  ebenfalls  das  Wasser  zahlreicher  kleinerer 
Seen  zur  Ostsee.  Die  Hecknitz  geht  in  den  Kibnitzcr  See.  Die  Peene  (Panis. 
Pranis  durchfliegt  den  .Malchiner  und  Kunmierower  See  und  mündet  mit  der 
Trebel  vereinigt  in  das  Oderhaff.  Das  (icsamtareal  aller  Seen  beläuft  sich  in 
Mecklenburg  auf  etwa  770  «jkm.  Die  BodenbeschafTenhcit  ist  die  gleiche  wie 
vorher.  Schwerer  Lehmboden  wechselt  mit  Heide-  und  Sandboden ;  auch  Torf- 
moore sind  vertreten. 

Weiterhin  bildet  die  Pommersehe  Seenplatte  die  Fortsetzung;  sie  hat. 
jener  gegenüber  eine  mehr  nordöstliche  Richtung  und  reicht  mit  ihren  Aus* 
laufern  bis  an  die  Danziger  Bucht  heran.  Sie  steigt  nach  <>.  auch  allmählich 
an  und  erreicht  im  Tufmbcrg  bei  Danzig  die  gröfste  Höbe  des  ganzen  haitischen 
Höhenkrunzes  mit  331  in;  wegen  seiner  dominierenden  Höhe  wird  jener  Berg 
im  \'<i|ksinunde  der  -  ponuneix  he  (  liimborasso  genannt.  Auch  hier  entwässern 
die  Flüsse  gewöhnlich  mehrere  Seen;  so  die  Plöne  den  Plönesec  und  Madüsee 
zur  Oder,  die  [bna  den  Enzigsee.  Stubbensee  und  Krcmmincr  See ;  nach  mehr- 
fachem Wechsel  der  Richtung  mündet  sie  in  den  I  hunnischen  See.  Nicht  un- 
bedeutenil  sind  die  Küstenl|ü-se,  wie  die  l'ega.  I'ersante.  Wipper,  Stolpe,  Lu- 
pow  und  I.eha.  Auch  nach  S.  zur  Netze  geben  ziemlich  lange  Flüsse,  wie  die 
Drage,  die  den  Dratzigsce  und  (Smfsen  Lübbesee  sowie  mehrere  kleinere  durch- 
Hiefst.  und  die  Küddow  mit  der  Plietnitz  uml  Pilow.  von  denen  jeder  wieder 
ein  Seengebiet  entwässert;  und  das  gleiche  «jilt  von  der  Brahe.  Das  Schwarz- 
wasser  Führt  zur  Weichsel,  Das  Diluviallaud  ist  vielfach  windig  und  wenig 
fruchtlmr.  wie  die  Tucheier  Heide  mit  ihren  Kieferngehölzeu. 

Das  breite  Tal  der  unteren  Weichsel  scheidet  von  der  Pommerschen  die 
P     u  I- i  >  e  h  e  Seenpatte  ab.  die  die  mittlere  gröfste  Höhe  wohl  hat.  Drei 


39.  XordseeküHto.  103 

grölsere  Erhebungen  lassen  sich  auf  dein  l'lateau  erkennen:  die  Kemadorfer 
Hohen  i313  in)  südlieh  von  Osterode,  der  Voigtsdorfer  Berg  (221  Hl)  mit  Um- 
gebung zwisehen  Alle  und  Masurisehen  Seen  und  die  Hohen  im  Osten  dieser 
Seen  mit  dem  Scesker  Berg  (309  m),  Woitowosberg  (283  m)  und  den  Goldaper 
Bergen  (272  in ":.  Die  Fülle  von  Seen  erreicht  hier  ihr  Maximum,  und  da  sie 
wir  auf  den  anderen  Seenplatten  durch  gemeinsame  AI  »Müsse  in  Gruppen  ver- 
einigt sind,  so  ist  auch  die  Wasserseheide  eine  komplizierte,  zumal  auch  ab* 
Hufslose  Strecken  hier  wie  dort  sieh  in  gröfserer  Krstre» kung  nachweisen 
lassen.  Die  Masurisehen  Seen,  der  Spirdingsce  (118  qkni),  der  Lüwentinsee 
und  di  r  .Mauersee  (105  qkm),  die  in  einer  Senkung  des  Landrücken*  116  m 
hoch  liegen,  stehen  durch  z.  T.  künstliche  Kanallinien  in  Verbindung.  Die 
Wasserscheide  ist  dadurch  bei  ihnen  ganz  aufgehoben,  denn  sie  halten  durch 
die  Angerap  eine  Entwässerung  nach  N.  zum  Pregel  und  durch  die  Pissck  nach 
S.  zum  Narew-Weichsel.  Von  den  Flüssen,  die  (tan)  Ostseegebiete  angehören, 
ist  der  bedeutendste,  weil  auch  schiffbare,  der  Pregel  (l'rojore,  Ptegora),  der  zwei 
Oberläufe  hat,  die  Angerap  (Wangrapia)  und  Inster  (Instirf.  Weiterbin  nimmt 
er  die  Alle  in  sich  auf  und  zweigt  bei  Taniau  die  Dehne  zum  Kurischen  Haff 
ab.  Er  teilt  sich  in  zwei  Arme,  Alter  und  Neuer  l'regel,  die  sich  bei  Königs- 
berg wieder  vereinigen.  Zum  Frischen  Haff  geht  die  1 'assarge  (f'osseryeh  Der 
Westen  und  Süden  gehört  zum  Weichselgebiet.  Die  Drewenz  Druentia,  Dry- 
uanza,  Drawza  u.  ä.)  entspringt  auf  dein  Osteroder  l'lateau  und  geht  direkt 
zur  Weichsel.   Lyek,  l'issek,  Omuleff  und  Neide  gehen  nach  S.  zum  Narew. 

Wahnschaffe.  Die  Bedeutung  des  Haltischen  Höhenrückens  für  die 
Eiszeit.  Verhdl.  des  8.  Geographentages,  Berlin  1889,  134  ff.  von  Maack.  Das 
urgeschichtl.  Schleswig  Holstein.  Z.  t.  Ekde..  Berlin.  NF.  VI  II  (1860).  —  Die 
Eitler  in  ältester  geschichtlicher  Zeit,  in  Aus  allen  Weltteilen  26  1K95'.  595  ff.. 
641  ff.  Geinitz.  Der  Boden  Mecklenburgs.  Stuttg.  1885.  Ders..  Die  mecklen- 
burgischen Höhenrücken  <  ( ieschiebestreifen )  und  ihre  Beziehungen  zur  Eiszeit, 
Stuttg.  1886  Ders.,  Die  Seen,  Moore  und  Flüsse  Mecklenburgs.  Güstrow  1886. 
Boll,  Abrifs  der  Mecklenbg.  Landeskunde,  Wismar  1861.  Ders.,  Zur  ( leognosie 
Mecklenburgs,  Arch.  Vcr.  d.  Freunde  d.  Naturgesch,  in  Meckl.,  1865.  Geinitz, 
Geologischer  Führer  durch  Mecklenburg,  Berlin  1899.  Keil  hack,  Iber  die 
L:ige  der  Wasserscheide  auf  der  baltischen  Seenplatte,  Petermanns  Mitt.  1891, 
S.  38,  mit  Karte  besonders  Pommern  betreffend).  Ders.,  Tal-  und  Seenbildung 
im  Gebiet  fies  Bali  Höhenrückens.  Festschr.  d.  Geogr.  Kongresses.  Berlin  1899. 
Töppen.  Histor.  komparative  Geogr.  von  Preufsen,  Gotha  185s. 

39.  Nordseeküste.  Die  Veränderungen,  welche  die  Landoberfläche 
erleidet,  gehen  da  am  schnellsten  vor  »ich,  wo  sie  mit  «lern  Meere  in 
Berührung  kommt,  also  an  der  Küste.  Der  EinHufs  des  Meeres  ist  ein 
verschiedener,  je  nach  den  Beziehungen,  die  es  zum  Weltmeer  hat.  Dabei- 
ist die  physische  Beschaffenheit  und  Geschichte  der  Ostseeküste  eine 
wesentlich  andere  als  jene  der  Xordseeküste,  die  den  grofson  ozeani- 
schen Erscheinungen,  wie  Ebbe  und  Flut,  noch  ausgesetzt  ist  und  wegen 
ihrer  offenen  Lage  auch  weit  gefährlichere  »Sturmfluten  erlebt  hat. 
Als  die  Nordsee  noch  ein  Meerbusen  war,  der  zwischen  Dover  und 
Calais  noch  keine  freie  Verbindung  mit  dem  Ozean  hatte,  entstand  an 
der  südlichen  und  östlichen  Küste  dieses  Busens  eine  Dünenkette,  welche 
von  der  jetzigen  belgischen  Küste  bis  nach  Jütland  hineinreichte.  Nach 
dem  Durchbruche  jenes  Landisthmus  war  auch  die  Düne  den  heftigeren 
Angriffen  des  Meeres  ausgesetzt,  zumal  überdies  das  ganze  Litoral  eine 
Senkung  erfuhr;  sie  wurde  im  Laufe  der  Zeit  systematisch  zertrümmert 
und  das  hinter  den  Dünen  liegende  Land  teilweise  überschwemmt.  Hier 
hatte  sieh  aus  den  Scblammablagerungen  der  KlÜsse  unter  Einwirkung 


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104  £  Physische  Geographie. 

des  Meereswassers  der  fruchtbare  Marschhoden  gebildet,  der  in  wech- 
selnder Breite  und  Ausdehnung  von  den  Niederlanden  an  die  Küste  bis 
in  die  Jütische  Halbinsel  begleitet  und  an  den  Unterläufen  der  Flüsse 
sich  rindet,  wo  Ebbe  und  Flut  sich  noch  bemerkbar  machten.  Die 
Marsch  wird  binnenwärts  abgeschlossen  durch  die  Geest,  die  dem  dilu- 
vialen Festlandskörper  angehört  und  gegenüber  dem  fruchtbaren,  schweren 
Kleiboden  der  Marsch  sandige  und  heidige,  öde  Flächen  bildet.  Sie 
liegt  im  allgemeinen  höher  und  ist  teilweise  hügelig,  während  die  Marsch 
als  angeschwemmter  Hoden  in  annähernd  gleicher  Höhe  mit  dem  Meeres- 
spiegel liegt  und  Mach  wie  ein  lisch  ist,  Sehr  häufig  liegt  zwischen 
Marsch  und  Geest  noch  ein  Moorstrich,  wie  Moore  auch  auf  der  Geest- 
ftäche  und  stellenweise  innerhalb  der  Marsch  auftreten.  Vor  den 
Marschen,  aber  noch  innerhalb  der  Düneninselreihe,  wo  diese  erhalten 
ist.  liegen  die  Watten,  jenes  eigentümliche  Mittelding  zwischen  Land 
und  See.  welches  bei  jedem  Ebbe-  und  Flutwechsel  zeitweise  als  Land 
hervortritt  oder  vom  Wasser  überspült  wird.  In  der  Geschichte  der 
Nordseeküste  spielen  die  Sturmfluten  eine  grofse  Rolle,  denn  sie  haben 
zur  Veränderung  der  Küstenlinie  stets  am  meisten  beigetragen.  Nur 
durch  das  Eingreifen  des  Menschen,  der  in  dem  fruchtbaren  Marsch- 
lande sich  ansiedelte  und  seinen  Besitz  durch  Deiche  zu  schützen 
suchte,  ist  dem  Meere  jetzt  eine  Schranke  gezogen,  die  sich  kaum 
wesentlich  verändert . 

Der  fruchtbare  Marschboden,  die  sog.  Kleierde  setzt  sich  aus  den  von 
den  Flüssen  niitge führten  Alluvialprodukten  zusammen,  die  im  Bereiche  der 
Flußmündungen  zum  Niederschlag  kommen.  Besonders  der  (hergang  von 
Flut  zur  Ebbe  und  umgekehrt,  veranlafst  einen  kurzen  Stillstand  der  Wasser- 
bewegung, die  sog.  Stauzeiten,  während  deren  die  sonst  von  der  Flutsströmung 
mitgerissenen  Schliekbestandteile  nunmehr  sich  niederschlagen  können.  Die 
Verbindung  des  sütsen  Flurswassers  mit  dem  salzigen  Meerwasser  bewirkt  auch 
chemische  Ausscheidungen  und  ganz  besonders  trägt  das  Altsterben  zahlloser 
mikroskopischer  Tierchen  und  Pflanzen,  wenn  diese  in  die  Brack wasserzone 
kommen,  zu  einer  vorteilhaften  Düngung  des  Bodens  bei.  Wo  die  Flut  in 
den  Flüssen  nicht  mehr  aufwärtssteigen  «kann,  da  sind  die  Alluvionen.  die  auch 
oft  Marschen  genannt  werden,  wegen  des  Fehlens  des  natürlichen  Dunges 
von  geringerer  Güte. 

Wo  nicht  mehr  die  natürliche  Düne  das  festländische  Marschland  deckt, 
mußte  ein  künstlicher  Damm  oder  Deich  angelegt  werden.  In  Holland  ist 
die  Düne  auf  grofse  Strecken  hin  noch  erhalten,  nicht  dagegen  in  Deutschland, 
wo  sie  in  Inseln  zerteilt  ist  und  nur  auf  der  Halbinsel  Eidelstedt  noch  in 
Verbindung  mit  dem  Festlande  steht,  auch  nicht  ohne  Zutun  des  Menschen. 
Kin  nachhaltiger  Schutz  des  Marschlandes  war  nur  dadurch  möglich,  da  Ts  der 
Deich  kontinuierlich  der  Küste  entlang  und  »  inen  Teil  der  größeren  Fluß- 
mündungen aufwärts  geführt  wurde.  Da  die  Deiche  früher  nicht  die  Festig' 
keit  hatten  wie  heutzutage,  so  brach  die  Flut  wiederholentlieh  durch  und  über- 
schwemmte das  Marschland;  doch  setzte  das  Meer  in  Zeiten  der  Ruhe  an 
solchen  Stellen  langsam  wieder  neuen  Schlick  ab.  Wenn  die  Aufschliekung 
weit  genug  vorgeschritten  war.  konnte  mit  der  Neueindeichung  stückweise 
begonnen  werden.  Diese  fachartig  eingedeichten  Landgebiete  sind  die  Polder, 
auch  Kooge  genannt.  Unter  Groden  versteht  man  die  aufserhalb  des 
schützenden  Deiches  belegenen  und  daher  den  Fluten  zunächst  ausgesetzten 
Marschstreifen,  die  che  Gewalt  der  Wellen  brechen  und  aus  diesem  Grunde 
nicht  gern  eingedeicht  werden.  Die  Watten  reichen  weiter  in  die  See  hinein; 


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40.  Xordsecküstc  in  Itelpion  und  «Ion  Niederlanden. 


105 


ihre  oberste  Bodenschicht  ist  gleichfalls  Kleierde.  Durchzogen  sind  sie  von 
Wasser  rinnen,  sog.  Balgen  oder  Tiefs,  die  auch  bei  Niedrigwasser  nicht  wasser- 
frei werden,  ('her  die  Moorbildungen  vgl.  das  oben  S.  1)1  Gesagte.  Haas, 
Deutsche  Nordseeküste,  Bielefeld  1900.  Arends,  Phys.  Gesch.  der  Nordsee- 
küste und  deren  Veränderungen  durch  Sturmfluten.  Eilker.  Die  Sturmfluten 
der  Nordsee,  Emden  1876.  AI  Im  eis,  Marschenbuch,  3.  Aufl..  Oldenbg.  1891. 
Senft,  Die  Humus-,  Marsch-,  Torf-  und  Limonitcnbildungen  als  Erzeugungs- 
mittel neuer  Erdrindenlager.  Leipzig  18G9.  Weitere  Literatur  geben  die  folgenden 
Abschnitte. 

40.  Nordseekilste  in  Belgien  und  den  Niederlanden.  Während 
östlich  der  Ems  das  unter  dem  Einflufs  des  Meeres  stehende  Gebiet  von 
der  Küste  bis  zum  Geestrande  einen  vorhältnismäfsig  nur  sehmalen 
Strich  umfafst,  greift  das  dem  Küstenbereiche  angehörige  Land  westlich 
dor  Ems  viel  weiter  binnenwärts  hinein.  Schon  das  vielverzweigte 
Mündungsgebiet  von  Scheide,  Maas  und  Rhein  und  dann  die  Ziüderzee 
leiten  das  Salzwasser  viel  tiefer  in  das  Festland.  Aber  auch  das  zwischen 
ihnen  liegende  Land  ist  nicht  blofs  ein  Produkt  des  Meeres,  sondern  es 
würde  bei  seiner  geringen  Höhenlage,  da  ein  beträchtliches  Areal 
.sogar  unter  dem  Meeresspiegel  liegt,  noch  den  Boden  eines  Meeres  bilden, 
wenn  es  nicht  durch  natürliche  und  künstliche  Dämme  geschützt  würde. 
Trotz  der  grofsen  Zerstörungen  seitens  des  Meeres  im  Laufe  der  geschicht- 
lichen Zeit  ist  von  der  alten  Dünenkette  dennoch  ein  beträchtliches  und 
zusammenhängendes  Stück  erhalten  geblieben  und  zwar  deshalb,  weil 
hier  das  Küstenland  nur  teilweise  in  Inseln  aufgelöst  worden  ist.  Auf 
der  Strecke  von  der  französisch-belgischen  Grenze  bis  zur  Woster-Schelde 
und  von  der  Maasmündung  bis  zur  Nordspitze  von  Nordholland  (bei 
Hehler)  ist  die  Düne  bis  auf  kleine  Unterbrechungen  noch  durchgehends 
erhalten  bis  zu  Höben  von  60  m  und  einer  Breitenentwickelung  von 
200—  2000  m.  Im  übrigen  läfst  sie  sich  nur  stückweise  auf  den  zee- 
ländischen  und  westfriesischen  Inseln  vorfolgen.  —  An  die  Dünen  schliefst 
.sich  nach  aufsen  hin  ein  seichtes  Meer,  nach  innen  ein  fruchtbares 
Marschland,  welches  sich  stellenweise  bis  auf  40  km  von  der  Küste  an 
gerechnet  ausdehnt.  Auch  hier  ist  künstlich  nachgeholfen  worden,  indem 
man  durch  Anlage  von  Poldern  neues  Marschland  dem  Meere  abgewann, 
so  dafs  es  jetzt  über  die  Hälfte  des  niederländischen  Gebietes  ausmacht 
und  im  Belgischen  etwa  ein  Dreifsigstol.  —  Die  Marschgebiete  werden 
binnenwärts  durch  die  Geest  abgeschlossen,  die  in  den  Niederlanden  in 
drei  Abschnitten  auftritt:  im  Osten  in  den  Provinzen  Drenthe,  Overysscl 
und  Gelderland,  ferner  zwischen  Rhein  und  Ijssel  als  Veluwe  und  fast 
die  ganzen  südlichen  Niederlande  südlich  der  Maas  umfassend.  An 
letzteres  Gebiet  schliefst  sich  in  Belgien  die  Campine  (Kempenland)  von 
durchaus  ähnlichem  Charakter  an.  Weiter  westlich  reicht  »las  Marsch- 
land bis  au  das  mittelbelgische  Hügelland  heran,  und  lezteres  ist  durch 
eine  rationelle  Kultur  in  ein  reiches  Fruchtland  verwandelt  worden. 

Die  Herausbildung  der  Landoberfläche  der  Niederlande  und  des  nord- 
westliehen Belgiens  reicht  in  die  jüngste  geologische  Vergangenheit  hinein, 
vom  Diluvium  an.  Die  ( Jcestllächen  sind  teils  ein  Produkt  der  Flüsse  Rhein. 
Maas  und  ihrer  Zuflüsse,  die  enorme  Mengen  von  Geröllmassen  ablagerten,  und 
teils  des  nordischen  Gletschers,  der  seine  nieist  sandige,  stellenweise  lehmige 


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100  I-  Physische  Geographie. 

Grundmoräno  auf  ihnen  zurückgelassen  hat.  Vor  diesen  Geestfläehen,  zwischen 
welchen  auch  nach  der  Eiszeit  Rhein,  Maas  und  Scheide  ihre  Fluten  der  Nord- 
see zuwälzten,  haute  sich  eine  Nehrung  mit  Dünenbildung  auf,  die  einen  Teil 
des  Meeres  als  Haff  abschloß*.  Da  die  Nehrung  aber  auch  schon  damals  Lücken 
gehabt  haben  mufs.  so  konnte  in  dem  ruhigeren  Haffwasser  das  Meer  in  Ver- 
bindung mit  den  einmündenden  Flüssen  seine  schlammigen  Bestandteile  nieder 
schlagen  und  ein  fruchtbares  Marschland  aufbauen.  Aber  die  Flüsse  über- 
fluteten auch  teilweise  wieder  das,  was  sie  selbst  geschaffen  hatten,  da  sie  ihr 
Ilett  erhöhten  und  seitlich  durchbrachen.  Die  so  wieder  teilweise  unter  Wasser 
gesetzten  (iebiete  konnten  dann  in  ein  Sumpfstadiuni  übergehen  und.  erfüllt 
von  einer  üppig  wuchernden  Sumpfvegetation,  schliefslich  Torfmoore  (Grün- 
landsmoore) bilden. 

Der  weitere  Kntwickclungsprozefs  knüpfte  sich  dann  an  die  Eingriffe, 
die  das  Meer  in  das  Land  machte,  und  jene  Maßnahmen,  die  der  Mensch  hin- 
wiederum gegen  das  Meer  traf;  er  vollzieht  sieh  also  teilweise  schon  in  histo- 
riseher  Zeit.  Die,  Alten  geben  uns  über  die  damalige  Situation  die  ersten, 
wenn  auch  noch  dürftigen  Nachrichten.  Im  südlichen  Küstenbereiche  erwähnt 
schon  Caesar  mehrfach  die  zusammenhängenden  Sumpflandschaftcn  und  die 
bei  der  Flut  sich  bildenden  Inseln  (bell.  gall.  III,  28;  VI.  31);  im  nördlichen 
Teil  befand  sieb  nach  Mela  III,  2,  8  ein  Hinnensee,  der  LaatS  Flcro,  mit  einer 
Insel.  In  ihn  mufs  schon  damals  ein  Rheinarm  gegangen  sein,  die  heutige 
Hasel  (Yssel).  Dies  geht  auch  aus  Plinius  IV,  101  hervor,  der  ein  osthtm  ilw 
Rheins  Fleriim  nennt.  Sicherlich  bildete  dieser  See  einen  Teil  der  heutigen 
Zuiderzee.  die  weiter  nördlich  einen  Abtlufs  nach  der  Küste  hatte;  der  heutige 
Vliestrom  zwischen  Vlieland  und  Terschclling  weist  darauf  noch  hin.  —  Die  weitere 
Umgestaltung  des  Flevosces  in  die  heutige  Zuiderzee  Hilst  rieh  im  grofsen 
Ganzen  wenn  auch  nicht  in  allen  Einzelheiten  nachweisen.  Die  Insel  l'rek 
wird  bereits  9»>8  in  einer  Urkunde  Ottos  I.  als  zum  sächsischen  (lau  Salon 
gehörig  genannt  (La  com  biet  I  p.  b'8) ;  es  ist  dies  für  die  Ausdehnung  des 
damaligen  Sees  beachtenswert.  Die  ersten  Eingriffe  erfolgten  natürlich  von 
der  Küste  aus.  Die  Dünenkette  wurde  zerrissen.  Ein  grofscr  Teil  des  Landes 
südlich  der  Inseln  Texel  (Teocla),  Wieringen  (Wironnt.  Vlieland,  Terschclling  und 
Ameland  wurde  1170  vom  Meere  verschlungen.  Texel  und  Vlieland  hatten 
noch  Iiis  1237  zusammengehangen,  Terschclling  und  Ameland  (Amhfn  bis  zum 
Jahre  1410.  In  den  Jahren  1250  und  1287  fand  der  äufsere  Abschnitt  der 
Zuiderzee  nördlich  von  Stavoren  abermalige  Erweiterungen.  Trotzdem  der 
Zugang  zu  dem  inneren  Hecken  der  Zee  noch  sehr  eng  war.  wurde  kuiz  vor- 
her die  Fläche  zwischen  Enkhuizen  und  Stavoren  bis  Kämpen  ebenfalls  vom 
Meere  überflutet  1237).  Di«'  endgültige  Öffnung  jener  Eng«'  zwischen  den 
genannten  Orten  fand  erst  durch  eine  Flut  im  Jahre  1305  statt.  —  Die  Zuider 
zee  hieb  im  Mittelalter  Almert;.  Bei  Willibald,  Vita  Bonif.  c.  35:  sUit/num,  qn»<l 
liiif/nn  cnnim  (Fresonunn  iliritur  Aelmere;  c.  38:  fretum  Arfmerr.  In  der  Vita 
(iregor.  ep.  Traj.  c.  1  A«*ta  SS.  Aug.  25):  Lacus  Almari.  In  der  Vita  Frederiei 
ep.  Traj.  e.  5  Acta  SS.  Juli  IV,  46*»):  Alechmere  Jlurius  (!).  Hei  Dudo  von 
St.  (Juentin  Ilist.  Xordmann  II.  74  :  Flttriits  Almcra.  Unter  der  Bezeichnung 
Stuler-sre  begegnet  hc  zuerst  im  XIII.  Jh.  in  einer  Urkunde  des  Königs  Magnus 
von  Schweden  1172.  Vgl.  von  Richthofen.  Unters,  über  fries.  Rechtsgesch. 
1882.  1,  364.  —  Die  einschlicl'slich  der  Watten  heute  5250  <|km  grofse  Zuider- 
zee hat  eine  Tiefe  von  nur  3.5  m  (im  Maximum  Gm).  Daher  ist  schon  mehr 
fach  das  Projekt  einer  Trockenlegung  der  Zee  zur  Sprache  gebracht  worden. 
Vgl  de  Waal.  de  Zuiderzee,  Amsterdam  18S3.  Feld  ei  s.  de  Zuiderzee.  hare 
astluiting  en  drooglcgging,  Leiden  1&12. 

An  der  Küste  von  Friesland  und  (ironingen  waren  gleichfalls  Verände- 
rungen vor  sich  gegangen.  Ameland,  Schiermonikoog  und  Rottum  deuten 
den  Verlauf  der  alten  Dünenküste  an.  Doch  seheint  hier  schon  früh- 
zeitig die  Middelzee  als  Bucht  existiert  zu  haben  und  weiter  östlich  der  Deu- 
bach oder  Lauwerzee.    Bereits  in  der  Lex  Frisionum.  die  spätestens  im  IX.  Jh. 


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40.  Xordsceknste  in  Belgien  und  den  Niederlanden.  107 

entstunden  ist,  wird  der  Lau  buch  als  Einteilungsabschnitt  von  Friesland  genannt 
(s.  unten).  Im  XIII.  Jh.  inufs  die  Lauwerzee  noch  «  ine  Erweiterung  erfahren 
haben.  Weither  von  diesen  Einschnitten  der  Portus  Manarmanis  des  Ptolemäus 
(II.  11.  1)  sein  mag,  wird  sich  schwerlich  entscheiden  lassen. 

Sowohl  Friesland  als  auch  das  sog.  Nordholland  waren  selbst  noch  von 
sahireichen  Seen  gröfscren  und  ^kleineren  UmFangs  bedeckt,  die  erst  durch 
die  Kunst  des  Menschen  beseitigt  worden  sind.  In  Nordholland  werden  genannt: 
de  Waard,  Schermer,  Beemster,  Stemmer,  Wormcr,  Purmer  und  der  Meerbusen 
Ij  (Y).  Alle  diese  Wasserflächen  standen  untereinander  und  mit  der  Zuiderzee 
in  Verbindung.  Hierzu  gehörte  auch  das  Ilariemer  Meer,  welches  ehemals  aus 
vier  kleineren  Seen  bestand.  Jm  Laufe  von  drei  Jahrhunderten  waren  sie 
infolge  Wasser/.unabmc  zu  einem  einzigen  See  von  IHM  «|km  (iröfse  zusammen- 
gezogen worden;  in  den  Jahren  1840  185.'}  wurde  er  künstlich  trocken  gelegt. 
Vgl.  P  Bockel,  Gesehiedenis  van  het  Harleramemieer.  Amsterdam  1808.  Oers., 
Het  Harlemmcrmeer,  Amst.  1872.  Später  ist  auch  der  Meerbusen  Ij  trocken 
gelegt  worden,  der  sieh  bis  an  die  Dünen  bei  Bevcrwijk  ausdehnte  1865—1876); 
um  Amsterdam  den  Zugang  zum  Meer  zu  ermöglichen,  wurde  der  Nordseekanal, 
der  mitten  durch  das  I  j  führt,  gleichzeitig  angelegt  7 — 8  m  tief'.  Auch  an  der 
äufseren  Küste  nach  der  Zuiderzee  hin  fanden  durch  Anlage  von  Poldern  Trocken- 
legungen statt,  so  am  nördlichen  Ende  von  Nordholland.  wo  der  ehemalige  Meer- 
busen Zijpe  schon  im  XVI.  Jh.  geschlossen  wurde.  —  Nicht  geringer  waren 
die  Veränderungen  in  Zecland,  zumal  hier  drei  Strome  einmündeten,  die  eine 
viel  bedeutendere  Gliederung  in  der  Küstenlinie  zur  Folge  hatten.  Schon  im 
VUL  und  IX.  Jh.  haben  hier  gröl'sere  Inselländer  bestanden,  wie  Sraldut  h. 
Schouwen),  Bewianda  und  Walncra  (Walcheren),  letztere  von  Alkuin  Vita  Wili- 
brordi)  genannt.  Die  Scheide  hatte  im  frühen  Mittelalter  nur  eine  Mündung, 
die  heutige  Oosterschelde.  Die  Wcsterschelde  ist  erst  aus  «lern  Hont  hervor- 
gegangen, der  seit  dem  IX.  Jh.  und  besonders  durch  die  Fluten  von  1274 
und  1288  immer  tiefer  in  das  Land  schnitt.  Sie  ist  jetzt  die  eigentliche  Mündung, 
da  die  beide  Astuarien  trennende  Insel  Heveland  am  binnenwärts  liegenden 
östlichen  Ende  mit  dem  Festland  1867  durch  den  Eisenhahndamm  künstlieh 
verbunden  worden  ist.  Die  meisten  Inseln  Zeclands  waren  aber  früher  weit  mehr 
zerstückelt  und  sind  erst  durch  Einpolderungen  zu  geschlossenen  Inselkörpern 
wieder  vereinigt  worden. 

Gegenüber  den  durch  Sturmfluten  katastrophenartig  hereinbrechenden 
Veränderungen  der  Küstenlinie  ist  eine  säkulare  Veränderung  der  gesaunten 
Dünenküste  zu  beobachten,  und  zwar  besonders  auf  der  Strecke  von  Nord- 
holland bis  Helgien.  Die  Dünen  mit  ihren  lockeren  Sandmassen  wurden  durch 
den  vorherrschenden  Westwind  landeinwärts  getrieben,  und  das  Meer  folgte 
in  derselben  Richtung  nach,  so  da  Ts  eine  allmähliche  Verlegung  der  Strand- 
linie von  W.  nach  O.  eintrat.  Die  von  Menschenhand  geschaffenen  Anlagen 
geben  liierfür  einen  guten  Mafstab  ab.  Gelände  aus  der  Kömerzeit  wurden 
von  der  Düne  überweht  und  traten  auf  der  Seeseite  der  Düne  wieder  hervor; 
da  das  Meer  aber  gleichzeitig  vorschritt,  so  rückten  sie  allmählich  unter  den 
Wasserspiegel  und  verschwanden  dann  gänzlich.  Das  sog.  Haus  te  Hritten 
nordwestlich  von  Katwijk.  aus  römischer  Zeit  stammend,  war  1604  vom  Meere 
erreicht  worden  und  wurde  in  seinen  Resten  17f>2  zum  letztenmal  gesehen. 
Ein  anderes  Gebäude,  der  alte  Caljaart  .  Calloturm,  liegt  von  der  Katwijkcr 
Kirche  172  Stunden  entfernt.  Im  Jahre  1617  und  170f>  entdeckte  man  im 
Meere  an  der  Küste  bei  Domburg  einen  Tempel  mit  den  Nehelenniasteinen, 
und  1618  fand  man  an  der  Küste  von  Goeree  die  Reste  einer  alten  Stadt. 
Seit  der  Römerzeit  läfst  sich  eine  Verlegung  der  Küste  um  A  km  feststellen. 
Heispiele  dieser  Art  liefsen  sich  noch  in  grofser  Zahl  anführen. 

Die  Hauptschwierigkeit  für  die  Bewohnerschaft  war  immer  die  Entwässe- 
rung des  hinter  den  Dünen  nnd  Deichen  gelegenen  Marschlandes,  zumal  dieses 
z.  t.  unter  dem  Meeresspiegel  liegt  In  den  Niederlanden  liegen  allein  25%  des 
Landes  unter  Normal  Null;  einzelne  Stellen  gehen  bis  zu  "»  m  abwarte.  Ein  natür 


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10K  1.  Physische  Geographie. 

liclus  Gefällt-  ist  nicht  vorhanden,  und  nur  künstlieh  kann  das  Wasser  durch 
Pumpwerke  entfernt  werden,  indem  es  in  einen  höher  liegenden  Kanal  gehohen 
wird.  Solche  1  lehewerke  wurden  allgemein  durch  Windmühlen  betrieben  und 
lassen  sich  seit  der  Mitte  des  XV.  Jh.  nachweisen.  Hin  äufserst  kompliziertes 
Netz  von  Entwässerungskanülen  umfafst  die  Niederungen.  Es  leitet  das 
Wasser  im  westlichen  Holland  nach  der  Zuiderzee  oder  direkt  zum  Meer  je 
nach  iler  Windrichtung,  die  an  der  einen  oder  anderen  Küste  jeweilig  einen 
Wasserstau  hervorruft. 

St a ring,  de  hodein  van  Nederland,t2  Bde.,  Harlem  18"»6  ff.  Ders, 
Voormals  en  tlians.  /wolle  1878.  van  den'  Bergh,  Middel-Nedcrl.  Geogra- 
]>hie.  1872.  Beckman.  de  strijd  um  het  hestaan.  Zutphen  1887.  Wunderlich, 
Aardrykskunde  van  Nederland,  Zutfen  188;"».  Penek,  Das  Kgr.  der  Nieder- 
lande, in  Kirchhoffs  Länderkde.  von  Europa  I.  T.,  2.  Bd.  Ferner  Nasse, 
Entwässerung  von  Hynland  und  Woerden,  in  Petermanns  Mitt  1884,  S.  9. 
Auch  Wenzclburger  und  Blok  in  ihren  niederländischen  Geschichten  enthalten 
einiges. 

Die  Entwässerung  des  westlichen  Belgiens  findet  vorzüglich  durch  die 
Scheide  statt  Nur  wenige  kleinere  Flüsse  irehen  direkt  zur  Küste,  wie  die 
Yser  (Eseraj.  Die  Scheide  (Caesar  VI,  33,  Plin.  IV.  !»8.  Tal».  Penting. 
Scaldis;  heim  Geogr.  Kav.  Scahlea;  franz.  l'Esantti  lliefst  durch  den  Hennegau 
und  Ostllandern.  nimmt  hei  Gent  die  Lvs  (Lein,  Legia,  LisiaJ  auf,  auf  der 
rechten  Seite  hei  Dendermonde  die  Dender  Temeraj  und  bei  Rupelmonde 
die  Rüpel,  die  aus  der  Dyle  fThüia)  und  der  Net  he  (Sitha,  Nutta)  sowie 
der  Den  n  er  mit  der  Gcctc  iGathia,  Jetta)  entsteht.  Das  grofse  Stromgebiet 
der  Scheide  umfafst  in  Belgien  an  14 1160  ijkm.  Bis  zur  Kupelmündung  ^nacht 
sich  Ehhe  und  Flut  l>emerkhar.  ("her  den  alten  Scheldelauf  vgl.  van  Raemdonck, 
Recherehes  pour  servir  ä  1  histoirc  du  cours  de  FEscaut,  in  Bull.  soc.  beige  de 
geogr.  II  (1878  . 

Die  Maas  t  Mos«  ,  die  ebenso  wie  jene  im  französischen  Lande  entspringt, 
hat  in  mäanderreichem  Lauf  bis  Namur  die  Ardennenplatte  durchschnitten 
;S.  Ii4)  und  wendef  sich  nach  Aufnahme  der  ebenso  stark  gewundenen  Samhre 
(Sambraj  nach  O  .  auf  der  Grenze  des  mittelbelgischen  Hügellandes  und  Hoch- 
belgiens entlangflicfscnd  bis  Lüttich.  Im  Unterlauf  verwächst  sie  dann  ganz 
mit  dem  Stromgebiet  des  Rheines. 

41.  Nordseekiiste  zwischen  Ems  und  Elbe.  Die  in  Inseln  auf- 
gelüste Dünenküste  hat  seit  dem  Altertum  nachweisbar  erhebliche  Ver- 
änderungen erfahren.  Die  Römer  hatten  von  diesen  Gegenden  bereits 
nähere  Kenntnisse,  da  Drusus  und  später  Germanicus  die  Mündung  der 
Ems  aufgesucht  hatten.  Die  Zertrümmerung  der  vor  ihr  liegenden  Insel 
im  Mittelalter  öffnete  aber  den  Sturmfluten  eine  weite  Strafse  in  das 
Landesinnere;  hinzu  kam  die  Uneinigkeit  der  Bewohnerschaft,  so  dafs 
grofse  Flächen  des  Landes  vom  Meere  verschlungen  worden  sind.  Der 
Dollartbusen  der  Ems  ist  wesentlich  ein  Erzeugnis  des  XV.  .Jh.  Aber 
wie  bei  ihm,  so  wurde  auch  bei  der  im  XIV.  Jh.  erweiterten  Leybucht 
östlich  der  Ems  ein  grofser  'Feil  Landes  durch  Eindeichungen  dem  Meere 
wieder  abgerungen.  —  Im  Weser-  und  Jadelande  lagen  die  Verhält- 
nisse etwas  anders,  da  der  Raum  zwischen  Jade  und  Weser  ehemals  ein 
grol'ses  Delta  der  letzteren  war,  aus  mehreren  Inseln  gebildet,  die  durch 
künstliche  Ausfüllung  der  trennenden  Fluisarme  bereits  im  XVI.  Jh.  in 
«'inen  Landkomplex  vereinigt  waren.  Doch  auch  hier  ist  die  ehemals 
ganz  anders  gestaltete  Küstenlinie  durch  die  Fluten  unzähligemal  mehr 
oder  weniger  verändert  worden,  bis  die  Deichbauten  der  neueren  Zeit 
ihr  dauernden  Bestand  gegeben  haben. 


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41.  Nordseeküste  zwischen  Eiijb  und  Elbe. 


109 


Plinius  (IV,  97)  nennt  unter  den  Küsteninseln  eine  liurcana  oder  Fabatia 
=  Bohneninsel  nach  den  wildwachsenden  Bohnen  daselbst;  auch  Strabo  VII,  2'.K> 
nennt  sie  Bvg/afig.  Über  die  Gestalt  der  Insel  sind  wir  durch  mittelalterliche 
Nachrichten  unterrichtet.  Dem  h.  Liudger,  dem  späteren  ersten  Bischof  von 
Münster,  waren  fünf  Gaue  im  Emslande  von  Karl  d.  G.  zugewiesen  worden, 
unter  ihnen  eine  insula,  quae  dicitur  Bant  (Altfr.  v.  Liudg.  SS.  11.410).  Auch 
Adam  von  Bremen  (I,  3  schol.  4)  nennt  sie  noch.  Sic  umfafstc  die  heutigen  • 
Inseln  Borkum,  Juist,  Norderney  und  zwei  jetzt  verschwundene  Inselchen  Bant 
und  Buise.  Die  Insel  Burcana  des  Plinius  ist  die  Insel  Bant.  Im  Jahre  139* 
werden  uns  zum  ersten  Male  die  Teilinseln  Borkyn,  Just,  Burse  und  Oesterende  « 
genannt  ;  Oesterende  ist  Norderney,  welches  also  den  östlichsten  Vorsprung  vom 
ehemaligen  Bant  bildete.  Ks  iniifs  letztere  also  bereits  zertrümmert  gewesen 
sein,  und  zwar  kann  dies  nur  die  furchtbare  Marcellusflut  von  1362  zustande 
gebracht  haben.  Damals  entstand  auch  die  Osterems  zwischen  Borkum  und 
Juist.    Cf.  Bartels,  Die  Insel  Bant,  Emder  Jahrb.  II.  31—42. 

Borkum  (Borkmt.  1227,  liorkyn,  Borchmer  Eylant  1621)  wird  als  selb- 
ständige Insel  seit  1398  erst  wieder  am  Ende  des  XVI.  Jh  genannt.  Trotz 
der  vielfachen  Zerstörungen  besonders  an  der  Westseite  noch  immer  die  gröfste 
der  ostfriesischen  Inseln,  besteht  sie  aus  dem  heutigen  Badeort  innerhalb  des 
hufeisenförmig  gestalteten  Dünenkranzes  und  dem  kleineren  diesem  ähnlichen 
sog.  Ostlande.  Houtrouw.  Ostfriesland  1889,  I,  522.  K.  Herquet,  Insel 
Borkum  in  kulturgesch.  Hinsieht,  Emden  1886,  mit  Karte  von  1713.  —  Bant, 
auf  welches  der  Name  der  einst  ausgedehnteren  Insel  beschränkt  worden  war, 
lag  südöstlich  in  der  Nähe  der  heutigen  Bantsbalge  und  war  Ende  des  XVI.  Jh. 
noch  bewohnt.  Heute  ist  es  verseh wunden,  ebenso  wie  die  Insel  Buise  U398 
Burse)  im  SW.  von  Norderney.  1590  war  sie  schon  unbewohnt.  Houtrouw  I, 
524;  II,  301.  —  Juist  (Just)  war  vor  der  Zertrümmerung  von  Bant  wohl  nur 
ein  einzelner  Ort  auf  ihr.  Die  Fluten  von  1643  und  1651  nahmen  die  Insel 
hart  mit.  desgleichen  1715,  so  dafs  die  Kirche  weiter  östlich  verlegt  werden 
ruufste.  Die  Weihnaehtsrlut  von  1717,  bei  der  20  Wohnhäuser  fortgespült 
wurden,  vernichtete  auch  die  Kirche,  so  dafs  diese  abermals  weiter  östlich  ge- 
ruckt wurde;  und  dasselbe  war  1779  der  Fall,  wo  Dorf  und  Kirche  die  Stelle 
einnahmen,  die  sie  heute  noch  haben.  Scherz,  Nordsecinsel  Juist,  Norden 
o.  J.,  p.  20,  155.  Houtrouw  II,  247  ff.  —  Norderney,  der  östlichste  Teil 
vom  alten  Bant,  1398  Oesterende  genannt.  1549  heilst  sie  Norder- Ney e-Oog 
(oog  =  Insel,  nicht  Auge);  bei  Emmius,  XVI.  Jh.:  Norderncia.  Auch  bei  ihr 
ist  das  Westende  besonders  der  Zerstörung  ausgesetzt.  Das  Dorf  daselbst  be- 
stand in  der  Mitte  des  XVIII.  Jh.  erst  aus  93  Häusern.  Herquet,  Gesch. 
d.  Ins.  Norderney,  im  Emder  Jb.  IX,  1,  1—58.  Houtrouw  1,  298.  —  Bal- 
trum. 1398  Baltring,  die  kleinste  und  unfruchtbarste  von  allen.  —  Langeoog, 
1398  Langoch.  1406  I>angeoge  =  Lange  Insel.  Das  Dorf  am  Westende  war 
durch  die  Flut  1686  sehr  bedroht  und  1699  an  das  Ostende  mitsamt  der 
Kirche  verlegt  worden.  Doch  die  Fluten  von  1717  und  1721  zerstörten  alles. 
Schliefslich  fanden  sich  nur  noch  vier  Familien  dort ;  bis  1741  kamen  12  neue 
hinzu.  —  Spiekeroog,  1398  Spiekerooch,  hatte  durch  Fluten  weniger  ge- 
litten. Cf.  Houtrouw  II,  302  IT..  41<>  IT..  407  f.  —  Wangeroog,  die  östlichste 
der  friesischen  Inseln,  sogenannt  nach  dem  Gau  Wanga  auf  dem  gegenüberliegenden 
Festland«-.  Infolge  Versandung  seitens  der  Düne  mufste  der  Ort  verlegt  werden. 
Die  beiden  Kirchtürme  dienten  als  Schiffer/eichen  besonders  für  die  nach 
Bremen  fahrenden  Schiffe,  gingen  aber  im  XVI.  Jh.  zu  Grunde.  Johann  XVI. 
von  Oldenburg  baute  um  1600  den  viereckigen  Leuchtturm.  K  <«  h  1  i .  Beschreibg. 
v.  Oldenburg  II,  371  ff. 

Weit  bedeutsamere  Veränderungen  hatten  sich  an  der  Festlandsküste  voll- 
zogen;  besonders  hatte  die  Einsmündung  durch  Bildung  des  Dollarts  eine 
andere  Gestalt  angenommen.  Bis  zum  Jahre  1277  war  dieser  noch  festes  Land, 
an  der  Seite  der  Ems  durch  einen  Deich  abgeschlossen.  Auch  der  Flu fs  selbst 
hatte  einen  wesentlich  anderen  Verlauf,  indem  er  kurz  vor  seiner  Mündung 


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110 


1.  Hiyu'iBclie  Geographie. 


-einen  nach  N.  gerichteten  Bogen  beschrieb  und  die  Stadt  Emden  berührte. 
Die  dadurch  gebildete  Flulshalbinsel  lief  in  die  Rheiderländer  Nesse  aus;  das 
Land  Büdlich  war  von  den  kleineren  Flüssen  Aha  und  Tjamnie  durchzogen.  Da 
brach  zurrst  1277  dir  Flut  bei  .lansum  mit  furchtbarer  Gewalt  durch  den  Deich. 
Xeue  Fluten  folgten  1280  und  1287.  Jedoch  der  Anfang  zur  Bildung  des 
eigentlichen  Dollarts  fällt  erst  in  das  Ende  des  XIV.  Jh.  Der  Einbruch  von 
1377  legte  den  Grund  hierzu,  da  an  32  Orte  westlich  der  unteren  Aha  damals 
zu  («runde  gingen.  Die  Bildung  der  Osterems  13(J8  hatte  den  Fluten  einen 
breiteren  Zugang  geöffnet  und  ihnen  che  Zerstörungsarbeit  erleichtert.  Trotz 
der  vielen  blutigen  Fehden  suchten  die  Friesen  aber  nach  Möglichkeit  dem 
l'nheil  durch  Deichbauten  vorzubeugen,  und  es  wäre  vielleicht  gelungen,  wenn 
nicht  die  brutale  Rachsucht  eines  friesischen  Parteiführers,  Koppe  J arges, 
diese  Bestrebungen  zunichte  gemacht  und.  um  seinen  Feinden  zu  schaden, 
durch  Abbrennen  der  Siele  am  Emsufer  das  Land  unter  Wasser  gesetzt  hätte 
(1414).  Das  Land  war  nunmehr  den  Fluten  preisgegeben.  Bis  1418  hatte  sieh 
der  Dollart  bis  zum  Zusammenrlufs  von  Aha  und  Tjamnie  erweitert.  1423  und 
1428  brechen  neue  Fluten  herein,  doch  gelingt  es  1452.  durch  einen  Deich  von 
Rbeide  bis  Finserwoldc  dem  Wasser  eine  Schranke  zu  setzen,  wie  auch  an  der 
<  >stseite  ein  solcher  angelegt  wird.  Indessen  die  Flut  vom  29.  September  15U9  durch- 
bricht den  Deich  von  1452,  und  es  bilden  sich  neu«',  tief  in  das  Land  greifende 
Meerbusen.  Auch  die  Hheider  Nesse,  die  zwischen  Torum  und  Wilguni  mit 
dem  Festlande  bei  Pogum  noch  zusammengehangen  hatte,  ging  1509  bis  auf 
die  nunmehrige  Insel  Nesse  zu  Grunde,  und  die  Ems  gewann  so  eine  gerade 
Strafst'  nach  Westen.  Die  Stadt  Emden  war  durch  die  allmählich  zunehmende 
Versandung  des  ausgeschalteten  Bogenstüekes  der  Ems  in  Gefahr,  vom  Meere 
ganz  abgeschlossen  zu  werden.  1708  mufste  nach  W.  ein  freies  Fahrwasser 
geschaffen  werden.  1*47  wurde  der  ganze  Bezirk  von  Borssum  nach  Larrelt 
eingedeicht  und  nur  eine  geradlinige  kanalartige  Durchfahrt  freigelassen.  Sehr 
bald  nach  der  Bildung  des  Dollarts  in  seinem  weitesten  Umfange  hatte  man 
mit  der  erneuten  Eindeichung  begonnen  und  schrittweise  den  verlorenen  Boden 
wieder  zurückerobert.  Schon  im  XVI.  Jh.  begann  man  mit  den  Arbeiten  am 
südwestlichen  Ende  des  Busens;  1545,  1597,  1626.  1665,  1701  wurde  durch 
Anlage  von  Poldern  der  Dollart  an  dieser  Stelle  sehr  erheblich  eingeschränkt. 
Desgleichen  im  S.  1636.  1696,  1740  und  im  (>.,  wo  auch  schon  im  XYX  Jh. 
der  Anfang  gemacht  war;  16<>5,  1C82,  1707.  1752,  1796  und  noch  187»'.  wurden 
Polder  angelegt  und  dem  Dollart  die  heutige  Gestalt  gegeben. 

A remis.  Erdbeschreibung  von  Ostfriesland.  1824.    Vgl.  besonders  die 
wichtigen  Arbeiten  von  Bartels,  Fbo  Eniraius,  Möhlmann  und  die  Ent 
stehung  des  Dollart.  in  Jb.  d.  Gesch.  f.  Kunst  u.  vaterl.  Altertümer  zu  Emden  I 
1872  .  1 — 26,  mit  Karte.    Ders. ,  Fragmente  z.  Gesch.  des  Dollart.  Emder 
Jb.  2.  1.  1-48.    Ders..  Ostfriesld.  in  d.  Römerzeit,  ib.  2.  2,  1— 18.  Ders., 
Drusus.  Tiberius  u.  Gernianikus  an  der  Niederems,  ib.  3.  2,  1 — 20,  mit  Karte 
vom  damaligen  Friesld,    Ders..  Ubbo  Emmius  und  die  Karte  von  Ostfr..  ib., 
4.  Ii  1  —  1.5.    Ders.,  Besehreibg.  der  ostfries.  Inseln  von  1650,  ib.  4,  1.  35—42. 
Stratingh   cn   Vcnema,    de   Dollard,   Groningen  1855.     de  Vries  u. 
Pocken,   Ostfriesld..   Emden   1881,  hinter  S.  346:   Karte  des  alten  Pollart 
Landes,  S.  44«»— 45<'i:  Verzeichnis  aller  Karten  von  Ostfr.  seit  1540.  Hou 
trouw.  Ostfriesland.  1889—1891.  besonders  1.  281  IT.,  eine  Topographie  des 
versunkenen  Landes  I,  289 — 301. 

Auch  das  Küstengebiet  Östlich  der  Emsmündung  hatte  schwere  Einbufse 
erlitten,  nachdem  die  grofse  Insel  Bant  einmal  zerstört  war.  Wann  der  vier 
eckige  .Meereseinschnitt,  die  Lcyhucht.  entstanden,  ist  unbekannt.  Die  Mar 
ccllusrtut  von  13G2  scheint  sie  erweitert  zu  haben.  Durch  die  Dionysusilut 
vom  9.  Oktober  1373  erhielt  sie  ihre  grofste  Ausdehnung  nordwärts  bis  Norden 
und  südlich  bis  Osteel.  Das  reiche,  Mühende  \Wsteel  versank  in  den  Fluten. 
Durch  erneute  Eindeichungen  {1498.  1547.  UU>4,  1677,  1678,  1715,  1769,  1789 
wurde  ein  gmfser  Teil  des  Landes  vom  Meere  zurückerobert. 


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41.  XordscekOste  zwischen  Kinn  und  Elbe.  1 1 1 

Westlich  d»-s  Jcverlandes  gegenüber  Wangeroog  schnitt  ehemals  »  ine  tiefe 
Blicht  ins  Land,  die  IIa  rieh  ueht.  (  her  die  Zeit  und  Art  ihrer  Entstehung 
.schweigen  die  Quellen.  Sie  inufs  sehr  wahrscheinlich  schon  im  XII.  Jh.  siel» 
gebildet  haben  und  durch  die  Marcellustlut  von  1219  vergrüfsert  worden  sein. 
Da  sie  /.wischen  Ostfriesland  und  Oldenburg  gelegen  war,  so  wurden  späterhin 
die  Einpoldcrungcn  von  beiden  Seiten  in  Angriff  genommen.  Seit  dem  XV.  Jh. 
wird  von  solchen  gemeldet.  Ungeachtet  wiederholter  Zerstörungen  durch  Sturm- 
fluten (1570,  162»),  1717,  1725}  gelang  es  bis  1804  und  1809  die  ganze  Haifa- 
bucht  in  festes  Land  zu  verwandeln,  so  dafs  heute  an  der  äufscren  Küsten- 
linie keine  Andeutung  ihrer  einstigen  Existenz  sich  mehr  findet.  Aulser  Arcnds 
vgl.  II  out  rnu  w  IT,  400  ff. 

Das  Jade- Wesergebiet  hatte  in  früherer  Zeit  ein  ganz  anderes  Aussehen. 
Die  Weser  verzweigte  sich  von  Elsfleth  an  in  mehrere  Arme,  die  ebensoviel 
Inseln  zwischen  sich  einschlössen.  Der  westliche  Deltaarn)  ging  von  Elsfleth 
als  sog.  Liene  nach  W.  und  X.,  in  die  heutige  Jade  einlenkend  und  weiter- 
hin durch  den  jetzigen  Jadebusen,  der  damals  noch  Land  war.  ins  Meer 
führend.  Um  15Ü0  war  sie  zugedämmt  worden.  VAn  anderer  Arm.  das  Lock - 
fleth.  verliefe  bei  Brake  die  Weser,  um  weiter  nördlich  bei  Ovelgönne  sich  zu 
teilen  und  teils  direkt  durch  die  Dornebbe  zur  Jade,  teils  über  Esenshamm 
hinaus  bei  Seefeld  in  den  Jadebusen  zu  münden.  Die  Zufüllung  begann  1531. 
Ein  dritter  breiter  und  schiffbarer  Arm  war  die  licet»',  zwischen  Stad-  und 
Butjadingerland  hindurch  die  Verbindung  zwischen  Weser  und  Jade  bildend. 
Um  145t)  wurde  mit  der  Beseitigung  dieses  Annes  schon  begonnen.  Dies  war 
die  Situation  in  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jh.  Doch  die  Sturmfluten  der 
voraufgehenden  Zeit  müssen  erhebliche  Veränderungen  der  Strandlinien  hervor- 
gerufen haben.  Wie  »liest:  im  einzelnen  gestaltet  waren,  läfst  sich  nicht  mehr 
feststellen.  Die  heutige  Jade,  damals  also  ein  Wescrann,  scheint  ein»'  weiter»' 
Fortsetzung  nach  N.  gehabt  zu  haben,  über  die  Wirkung»'!!  der  frühesten 
Fluten  i  U>66,  1144,  1164)  ist  uns  wenig  Sicheres  übermittelt.  Allgemein  wir»l 
der  Flut  vom  17.  November  1218  der  bedeutsamste  Einflufs  auf  die  Gestaltung  der 
Küste  zugeschrieben,  da  sie  den  Jadehusen  erst  geschaffen  haben  soll.  Mehrere 
Rüstringer  Kirchspiele  und  das  fragwürdige  Kloster  Jadelch  seien  damals  zu 
(»runde  gegangen.  Dies«-  Mitteilung  der  Hamelmannschen  Chronik  hat  neuer- 
»lengs  O.Tenge  (Der  Jeversche  Deichband,  Olilenbg.  1884)  mit  guten  Gründen 
angefochten  und  g«'z»'igt,  dafs  damals  nicht  alles  Land  untergegangen  sein  kann. 
Auch  spätere  Fluten  haben  noch  gröfsere  Zerstörungen  des  Landes  durch  Deich- 
bräche  hervorgerufen,  so  1230,  1242,  1257,  1262.  1266,  1277,  ferner  im  XIV.  Jh. 
1313,  1361,  1373.  1377,  im  XV.  Jh.  1421,  1424.  1428.  Die  Fluten  von  1509 
und  besonders  die  sog.  Antoni-  oder  Eisflut  vom  17.  Januar  1511  sollen  «len  west- 
lichen Teil  des  Jadehusens  südlich  von  Jever  erheblich  erweitert  haben,  wenn 
auch  hier  seitens  der  Chronisten  die  angebliche  Zerstörung  »les  Landes  über- 
trieben wird.  Die  Made  (  westlich  vom  heutigen  Wilhelmshaven)  seheint  »Jamals 
als  Balg«'  die  südöstliche  Ecke  des  Jeverlandes  insular  abgetrennt  zu  haben. 
<1f.  Tenge  I.  c.  im  1.  Kapitel  mit  interessanter  Kartenskizze  vom  Jahr»'  1599 
auf  Taf.  I.  (irofses  Unheil  richteten  ferner  die  AllerheiligenHut  1.  Nov.  1570 
an,  1578.  1592,  1597.  Im  XVII.  Jh.  wir»l  von  13  groben  Fluten  berichtet. 
Das  XVII l.  Jh.  war  durch  »lie  furchtbare  Weihnachtsflut  24.  Dez.  1717  und 
die  Neujahrsflut  von  1721.  31.  Dez.  den  Küstenbewohnern  verhängnisvoll  g»'- 
worden.  Unablässig  war  man  aber  bemüht,  durch  Deichhauten  den  erlittenen 
Verlust  wieder  auszugleichen.  Im  übrigen  vgl.  Kohli.  Beschreibung  d.  Herzogt. 
Oldenburg.  1824.  I,  59  ff.  und  »Ii»-  Geschichte  »1er  Deiche  »  benda,  I,  156  tf. 
O.  Tenge  1.  c.  behandelt  speziell  die  Jeverländischen  Deiche.  Böse,  Das 
Grofsherzogt.  Oldenburg,  1863,  S.  152  ff.,  240  tf.  IL  Saalfeld,  Die  Hoch- 
moore auf  dem  früheren  Weserdelta,  mit  Kart»'  der  Wesermündung  nach 
Lasius  um  1511,  in  Z.  d.  Ges.  f.Ekde,  Berlin  XVI  1881).  0.  Hagena,  Jever- 
land bis  zum  Jahre  1500,  Oldenburg  1901. 


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112 


I.  Physische  Geographie. 


42.  Xordseeküste  von  Schleswig -Holstein.    Nicht  weniger  ver- 
heerend und  umgestaltend  als  an  der  Küstenstrecke  zwischen  Ems  und  Elbe 
haben  die  Meeresfluten  an  der  schleswig-holsteinschen  Küste  gewirkt.  Am 
härtesten  sind  hier  in  historischer  Zeit  die  nord friesische  Küste  und  die  ihr 
vorgelagerte  Inselwelt  heimgesucht  worden.    Von  der  alten  Dünenkette 
sind  heute  nur  noch  im  nördlichen  Abschnitt  einige  wenige  Reste  insular 
erhalten,  wie  Fand,  Romö  und  Sylt,  dann  erst  wieder  am  Westrand  der 
Halbinsel  Eiderstedt,  während  südlich  von  ihr  vor  der  ditmarsischen 
Küste  keine  Spur  mehr  zu  erkennen  ist.   Mit  Ausnahme  von  Eiderstedt, 
welches  heute  als  Teil  des  Festlandskörpers  bis  an  die  alte  Dünenküste 
sich  seewärts  vorschiebt,   sind   hinter  der  teilweise  erhaltenen  Düne 
nur  einige  kleine  Klecken  von  Marschland  als  Inseln  erhalten  geblieben. 
Wie  Eidelstedt  selbst  schon  nur  aus  eingedeichtem  Marschland  besteht, 
sind  auch  die  beiden  gröfseren  Inseln  l'ellworm  und  Nordstrand  künstlich 
erhaltene  Teilstücke  des  ehemaligen  Marschbodens.    Nördlich  von  ihnen 
liegen  die  ähnlich  beschaffenen  Inseln  der  Halligen,  echte  Watteninseln, 
die  gegenwärtig  nur  zum  Teil  eingedeicht  sind.    Die  Besiedelung  war 
hier  nur  auf  künstlichen  Hügeln,  den  Wurten,  zu  ermöglichen.  Alle 
Halligen  sind  von  einem  Netz  von  Gräben  durchschnitten,  sog.  Prielen, 
die  oft  weit  in  das  Inselland  hineinreichen  und  es  oft  von  einem  Ufer 
bis  zum  anderen  durchschneiden.    Da  die  Fluten  diese  Einschnitte  be- 
ständig vergröfsern,  so  können  solche  Inseln  auch  in  mehrere  zerteilt 
werden,  falls  nicht  Abhilfe  geschaffen  wird.    Im  ganzen  zählt  man  heute 
noch  zehn  selbständige  Halliginseln:  Oland,  Langenel's-Nordmarsch,  Gröde 
mit  Apelland,  Habel,  Hamburger  Hallig,  Xordstrandisch-Moor,  Hooge, 
Norderoog,  Süderoog  und  Südfall.     Die  jetzt  eifrig  betriebenen  Ein- 
deichungen dieser  Inseln  sollen  sie  vor  weiterer  Zerstörung  schützen. 
Nördlich  von  den  Halligen  liegen  Föhr  und  Amrum.    Führ  ist  zu  drei 
Fünftel  ein  Marschland,  der  übrige  südwestliche  Teil  dagegen  Geest. 
Den  äufseren  mit  Dünen  besetzten  Inselrand  bilden  Amrum,  Sylt,  Romö, 
Fanö  bis  zum  Blaavands  link  «1er  jütischen  Küste.    Sie  schliefsen  alle 
einen  diluvialen  Kern  ein,  auf  Sylt  treten  an  den  Steilgehängen  der 
Klüts  sogar  tertiäre  Schichten  noch  zu  Tage.  —  Die  dahinterliegende 
Festlandsküste   selbst   ist  heute   fast  durchgehends  nur  eingedeichtes 
Marschland,  sowohl  südlich  als  nördlich  der  Halbinsel  Eiderstedt;  nur 
nördlich  von  Husum  tritt  auf  ein  kurzes  Stück  die  Geest  hart  an  den 
Strand  heran. 

Di«-  Entwickelung  dieser  ganzen  Küstenstrecke  gehört  der  historischen 
Zeit  an.  Die  Sturmfluten  einerseits  und  die  Kunst  des  Menschen  anderseits 
hal>en  ihr  das  heutige  Aussehen  gegeben.  An  der  Hand  der  Quellen  können 
wir  die  Veränderungen  in  den  früheren  Jahrhunderten  leidlich  verfolgen;  doch 
geht  die  sichere  t'berlieferung  nicht  über  das  Jahr  1362  hinaus.  Die  Wirkungen 
der  Fluten  des  XII.  und  XIII.  Jh.  beruhen  auf  Vermutungen.  Falsche  Vor 
Stellungen  von  den  topographischen  Verhältnissen  der  Küsten  im  XIII.  Jh. 
wurden  durch  die  Karte  Johannes  Mejers  von  1652  hervorgerufen,  die  Kaspar 
Dankwerth  seiner  Landesbeschreibung  von  Schleswig-Holstein  (Husum  1652> 
einverleibt  hat.  Die  Karte  gibt  ein  Bild  von  dem  angeblichen  Aussehen  von 
Nordfriesland  um  das  Jahr  1210,  welches  lange  Zeit  als  authentische  Quelle  an- 
gesehen wurde:  doch  scheint  Mejer  nur  Karten  des  XVI.  Jh.  besessen  und 


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42.  NTordnoekü«te  von  Schleswig-Holstein . 


113 


alles  übrige  aus  freier  Phantasie  Beschaffen  zu  haben.  Die  Frage  nach  der  Zu- 
verlässigkeit dieser  Karte  hat  zu  lebhaften  Erörterungen  geführt. 

Was  sieh  mu  h  den  kritischen  Untersuchungen  über  die  Topographie  von 
Nordfriesland  im  Anfang  des  XIII.  Jh.  als  gesichert  annehmen  läfst,  ist  folgendes: 
In  dem  Winkel,  welchen  die  schleswigsehe  Küste  und  das  heutige  Kiderstedt 
bilden,  lag  ein  grofses  Inselland  Nordstrand.  In  seinem  südlichen  Teile  waren 
die  jetzigen  Inseln  Pelhvorm  und  Nordstrand  (im  engeren  Sinne)  noch  ein 
geschlossen,  tiesgleichen  weiter  nördlich  die  Hamburger  Hallig  und  Nord 
strandischmoor.  Die  übrigen  Halligen  existierten  schon  damals  als  Inseln  von 
allerdings  weit  größerem  Umfange,  waren  jedoch  nicht  zu  einem  einheitlichen 
Inselkörper  zusammengeschlossen.  Nach  dem  Krdbuch  Waldemars  II.  (XIII.  Jh.) 
werden  auch  Fanö.  Roinö.  Sylt,  Führ,  Amrum  und  einige  andere  schon  als 
Inseln  bezeichnet.  Die  jetzige  Halbinsel  Kiderstedt  war  damals  in  vier  Inseln 
aufgelöst  und  bildete  ein  Delta  der  Eider.  Der  Hauptarm  der  Kider  ging  nach 
dem  Zusanimenflurs  mit  der  Treene  nicht  blofs  südlich  an  Tönning  vorüber  wie 
heute,  sondern  zweigte  sich  auch  naeh  N.  ab,  um  dann  nach  VY.  als  Höver 
umzulenken.  Dadurch  war  Kiderstedt  eine  Insel,  aber  auch  Nordstrand  war 
im  S.  von  Kiderstedt  getrennt.  (Vgl.  hierzu  die  Kartenskizze  von  Hansen  in 
Petermanns  Mittlgn.  1893,  Tu  f.  XII).  Die  Sturmfluten  haben  nun  tiefgreifende 
Veränderungen  hervorgerufen.  Ober  ihre  Anzahl  und  ihre  Wirkungen  sind 
wir  aber  nur  unzureichend  unterrichtet,  auch  die  Jahrzahlen  sind  nicht  immer 
zuverlässig  überliefert.  Gröfsere  Fluten  von  verheerender  Wirkung  an  der 
sehleswigschen  Küste  sollen  die  von  1117,  1164,  1216,  1300  und  1354  gewesen 
sein.  Am  bedeutsamsten  war  die  sog.  Marcellusflut  am  16.  Januar  1362,  welche 
besonders  auf  die  Inseln  umgestaltend  gewirkt  hat.  Die  Inseln  waren  damals 
schon  sämtlich  mit  Deichen  versehen,  die  den  Anforderungen  freilich  nicht 
entsprachen;  daher  die  furchtbaren  Katastrophen  und  Verluste  an  Menschen- 
leben, wenn  auch  die  Zahl  der  letzteren  von  den  Chronisten  meist  zu  hoch 
angegeben  wird.  Die  Insel  Nordstrand  erfuhr  damals  eine  wesentliche  Änderung 
in  ihrer  äufseren  Gestalt  Schon  vor  1358  mufs  ein  Teil  der  südöstlichen  Ecke 
der  Insel  durch  die  Hever  losgetrennt  worden  sein;  es  war  die  sog.  Lundenberg- 
harde.  die  späterhin  teilweise  an  Kiderstedt  angedeicht  worden  ist.  Weit  be- 
trächtlicher aber  waren  die  Eingriffe  des  Meeres  in  die  Südhälfte  von  Nordstrand, 
wo  1362  eine  tiefe  Bucht  geschaffen  wurde,  welche  der  Insel  die  charakteristische 
Hufeisengestalt  für  drei  Jahrhundertc  (bis  1634)  verliehen  hat.  Auch  die  Hal- 
ligen im  N.  und  NW.  von  Nordstrand  erlitten  empfindliche  Einbufse,  die  meisten 
Kirchen  waren  mit  den  Dörfern  zerstört  worden;  die  Festlandsküste  selbst 
war  ebenso  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden.  Eiderstcdt,  welches  in  frühesten 
Zeiten  aus  einzelnen  Inseln  bestanden  hat,  war  im  I>aufe  der  Zeit  durch  Deiche 
zu  einer  Insel  vereinigt  worden;  diese  Insel  scheint  1362  nicht  so  schwer  ge- 
litten zu  haben  als  die  übrigen  Gestade.  —  In  der  nachfolgenden  Zeit  suchte 
man  durch  Anlagen  von  neuen  Kögen,  wie  die  durch  Deiche  fachartig  ab- 
geschlossenen Landkomplexe  genannt  werden,  den  Verlust  an  einigen  Stellen 
wieder  auszugleichen.  Aber  neue  Sturmfluten  vernichteten  auch  teilweise  wieder 
das  Werk.  Durch  die  AllerheiligenHut  vom  1.  November  1436  wurde  Pelhvorm 
vom  Nordstrand  losgerissen  und  ist  erst  1551  durch  Anlage  des  neuen  Kooges 
mit  ihm  wieder  verbunden  worden.  Verheerend  war  ferner  die  grofse  Flut 
vom  2.  November  1532,  ferner  jene  vom  21.  August  1573.  bei  der  Pelhvorm  und  Nord- 
strand besonders  litten,  vom  23.  Januar  1610  und  vom  26.  Februar  1625.  Auch 
Eiderstedt  war  von  ihnen  nicht  verschont  geblieben;  letzteres  hatte  durch  die 
Deichverbindung  mit  der  Insel  Westerhever  im  äufsersten  Westen  seit  1437 
«'inen  Zuwachs  erfahren,  aber  es  war  zunächst  doch  immer  noch  Inselland, 
bis  im  Jahre  1489  die  Norder-Eider  geschlossen  wurde  und  Eidelstedt  erst  von 
diesem  Zeitpunkt  an  eine  Halbinsel  bildete. 

Entscheidend  für  die  gegenwärtige  Gestaltung  der  Inselwelt  wurde  die 
Sturmflut  in  der  Nacht  vom  11.  zum  12.  Oktober  1634,  wenn  auch  nicht  die 
höchste,  so  doch  die  furchtbarste,  die  jene  Gegenden  heimgesucht  hat.  Das 

Kretachmcr,  Historische  (JfOKraphie.  8 


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114 


I.  Phymsche  Geographie. 


\\';i^er  drang  in  Gebiete,  wo  es  sonst  nie  hingekommen  war;  6408  Menschen 
gingen  auf  Nordstrand  zu  Grunde,  fast  alle  Deiche  waren  gebrochen.  Pellworm 
UXld  Nordstrand,  auf  welches  dieser  Name  nun  beschränkt  blieb,  sind  seit  jener 
Zeit  durch  weite  Mecresllächen  geschieden;  im  übrigen  sind  von  der  ehemals  so 
grofsen  Insel  nur  die  Hamburger  Hallig  und  Nordstrandisehmoor  als  dürftige- 
Reststücke  geldieben.  Das  meiste  blieb  verloren ;  Pellworm  war  teilweise  noch 
bewohnt  und  wurde  neu  eingedeicht;  nach  Nordstrand  wurden  1654  hollän- 
dische und  brabantisehe  Kolonisten  berufen,  die  neue  Köge  anlegten.  Die 
I/'idenszeit  war  für  diese  (legenden  aber  noch  nicht  vorüber,  und  dafs  die 
nachfolgenden  Fluten  immer  wieder  sei  furchtbar  wirken  konnten,  ist  nur  auf 
die  mangelhafte  Eindeiehungsmethode  zurückzuführen.  Die  Flut  vom  25.  De- 
zember 1717  stieg  noch  höher  als  die  von  1634,  hat  aber  trotzdem  weniger  zerstörend 
gewirkt.  Weitere  Fluten  folgten  1751,  1756,  1791,  1792.  Die  letzte  grofse  Flut 
trat  in  der  Nacht  vom  3.  zum  4.  Februar  1825  ein;  sie  war  aber  durch  die  Ver- 
besserung  des  Deichwesens  in  ihrer  Wirkung  schon  stark  «'ingeschränkt  worden. 

An  der  ditmarsisehen  Küste  südlich  von  Eidelstedt  sind  die  vorher- 
genannten Fluten  natürlich  auch  niebt  spurlos  vorübergegangen.  Jene  von 
1634  hat  verheerend  genug  gewirkt  und  über  300  Menschenleben  und  viel  Vieh 
gefordert;  die  Flut  von  1717  kostete  468  Menschen  das  Leben,  an  6530  Stück  Vieh 
kamen  um  und  1067  Häuser  wurden  fortgerissen.  Aber  von  grofsen  Land 
Veränderungen  ist  liier,  wie  auch  südlicher  in  den  Elbmarsehen  sonst  nicht  die 
Hede.  Nur  bei  Imsum  ist  ein  kleines  Stück  Landes  verloren  gegangen.  Die 
Deiche  sind  von  der  Festlandsküste  systematisch  vorgeschoben  worden.  Kleine, 
flache  Inselchen  bildeten  sich  zur  Flutzeit,  wenn  das  mit  Sedimenten  erfüllte 
Flufswasscr  sich  momentan  an  der  entgegenwirkenden  Flutwelle  staute.  Solche 
Inselchen  wurden  die  Stützpunkte  für  weitere  Kooganlagen.  Der  sog.  Dicksand 
entstand  als  natürliche  Insel  im  XVI.  Jh.,  1818  wurde  ein  Stück  eingedeicht, 
das  1825  aber  durch  die  Flut  wieder  vernichtet  wurde.  1854  wurde  dann  der 
Frederik  VII. -Koog  angelegt,  der  heute  noch  den  domartigen  Vorsprung  in  der 
Küstenlinie  bildet. 

Geerz.  Gesch.  der  geographischen  Vermessungen  und  Landkarten  Nord- 
albingiens,  Berlin  1859  (tritt  noch  für  die  Mejersche  Karte  ein).  Ders. . 
Iiistor.  Karte  des  westlichen  Schleswig-Holstein.  2  Bll.  1*86.  1888.  Jensen, 
Kirchliche  Statistik  des  Herzogtums  Schleswig.  Flensburg  1840.  Schmidt. 
Om  Meyers  Kort  ovcr  Nordfrisland.  in  Annaler  for  Nordisk  Oldkyndighed  og 
Historie,  Kopenhagen  1851.  Lau ri »Isen,  Kartogrufen  Johannes  Mejer,  in 
Historisk  Tidsskrift  VI.  Jensen.  Landverlust  und  Landgewinn  an  der  schles- 
wigsehen Küste,  Globus  1895,  S.  181  187.  Hansen.  Küstenveränderungen 
im  südwestliehen  Schleswig,  Petermanns  Mittlgn.  1893.  177  fT.  mit  Karten.  Ders., 
Zur  Gesch.  der  Zersplitterung  Nordstrands.  Globus  1896.  290  —  293.  Ders., 
Beiträge  z.  Gesch.  u.  Geogr.  Nordfrieslands  im  Mittelalter,  ebenda  1894.  mit 
Karte.  Der  eifrigste  Vorkämpfer  für  die  Erhaltung  der  Halligen  war  der  leider 
so  früh  verstorbene  Eugen  Träger.  Sein  Much:  Die  Halligen  der  Nordsee, 
Stuttg.  1892,' gab  den  Anstois,  dafs  die  preußische  Regierung  sich  der  Frage 
annahm  und  der  Landtag  V/A  Mill.  Mark  für  den  ersten  Anfang  bewilligte. 
Durch  Verbindungsdämme  mit  dem  Festlande  soll  die  Ansehliekung  befördert 
und  eine  gänzliche  Umgestaltung  des  Wattenmeeres  herbeigeführt  werden. 
Träger,  Die  Kettung  der  Halligen  und  die  Zukunft  der  schlesw.-holst.  Nord 
seewatten.  Stuttg.  1900.  —  Für  die  Küstenstrecke  südlich  von  Eidelstedt: 
Eckermann,  Zur  Geschichte  der  Eindeichungen  in  Norderdithmarsehen, 
Z.  f.  schlesw.-holst.  Gesch.  1882,  XII,  1  ff.  Chalybaeus,  Gesch.  Dithmar- 
sehens,  Kiel  18S8.  Hart  mann,  Die  alten  dithmarscher  Wurthen,  Manie 
1883.  (ieerz.  Iiistor.  Karte  von  Dithmarschen,  Berlin  1886.  Hansen,  Die 
Besiedelung  der  Marsch  zwischen  Elb-  und  Eidermündung,  Petermanns  Mittlgn. 
1891,  105  IT.,  mit  drei  Kartenskizzen.  Detlefsen,  Gesch.  der  holsteinsehen 
Elbmarschen,  Glückstadt  1*91,  behandelt  sehr  ausführlich  die  Wüster  Marsch, 
Kremper  Marsch  und  Haseldorfer  Marsch. 


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43.  Helgoland 


115 


Über  einzelne  Inseln  sei  noch  folgendes  bemerkt :  Sylt  besteht  aus  »lern 
35  km  langen  Dünenstreifen,  an  den  sieh  binnenwärts  ein  Stüek  Heide-  und 
Marsehland  anlehnt;  Flächeninhalt  102  qkm.  Ehemals  hat  Sylt,  ebenso  wie 
Amrum,  weiter  nach  W.  hinausgereieht.  Urkundlich  erscheint  es  bereits  1141 
als  Insel,  dann  im  Erdbuch  Waldemars  11.  als  Syld.  Hansen,  Die  nord- 
friesische Insel  Sylt,  Lpz.  1859.  Jensen,  Die  nordfriesischen  Inseln  Sylt,  Föhr, 
Amrum  und  die  Halligen  vormals  und  jetzt,  Hamburg  1891.  —  Von  ihr  dureh 
das  Fartrapptief  geschieden  ist  Amrum  i  Amitrum),  welches  äufserlich  ge- 
drungener ist,  mit  einer  Dünenkette,  die  nördlich  und  südlich  in  Dünenhalb- 
inseln ausläuft.  Föhr  (FSSr)  mit  starken  Deichen  besonders  im  W.  versehen; 
82  qkm  grofs.  Nerong.  Föhr  früher  und  jetzt,  Wyk  1885.  Pellworm  und 
Nordstrand  existieren  als  gesonderte  Inseln  erst  seit  1031;  sie  bestehen  ganz 
aus  Kögen.  Vgl.  Eck  ermann,  Die  Eindeichung  auf  Nordstrand  und  Pell- 
worm, in  Z.  f.  schlesw. -holst.  Geschichte  1895,  119—160  mit  Karte), 

43.  Helgoland  ist  kein  Teilstück  der  alten  Dünenküste  mehr, 
sondern  ein  vereinzelter,  bis  zu  56  m  aufragender  Buntsandsteinfelsen ; 
er  bildet  das  sog.  Oberland,  während  das  Unterland  ein  flaches,  sandiges 
Vorland  ist,  ebenso  wie  die  1200  m  östlich  gelegene  Düne  .  Auch  hier 
haben  die  Sturmfluten  Veränderungen  hervorgerufen.  Im  XVII.  Jh. 
bestanden  die  Felsinsel,  die  Düne  und  die  Weifsklippe.  Zwischen  Fels- 
insel und  Düne  befand  sich  ein  schmales  Verbindungsland,  der  Stein- 
wall welcher,  von  Hochfluten  überspült,  in  der  Neujahrsnacht  1720  bis 
1721  gänzlich  zerstört  wurde.  Auch  die  Weilsklippe,  früher  am  Nord- 
ende der  Düne  verschwand  am  1.  November  1711  vollständig.  Helgo- 
land hatte  bis  1721  eine  Richtungsachse  von  W.  nach  <).,  während  die  Fels-, 
insel  jetzt  von  NW.  nach  SO.  gerichtet  ist.  Die  Düne  besteht  aus  losen 
Sandanhäufungen  auf  dem  Felsgrund  der  abgetragenen  Kreidekalkriffe 
und  hat  durch  Wind  und  Fluten  immer  starke  Veränderungen  erlitten. 

Die  Römer  hatten  von  Helgoland  noch  keine  Kenntnis.  Die  älteste  Nach 
rieht  über  die  Insel  für  die  Zeit  um  7<i()  findet  sich  bei  Alkuin,  Vita  Wili 
brordi  I,  10:  insula,  quae  a  quodmn  den  sno  Fosite  ah  atcolis  terrae  Fositeslaiui 
appelltititr.  Ebenso  bei  Altfrid,  Vita  Liudgeri  I,  19:  Fosrtesland.  Liudger  besuchte 
die  Insel  um  785  auf  Aufforderung  Karls  d.  (Jr.  Die  erst«-  ausführliche  Bc- 
schreibung  lieferte  Adam  von  Bremen  IV,  3,  der  sie  Farria  iuxula  nennt  und 
sie  durch  einen  bekehrten  Seeräuber,  Eilbert,  der  dortselbst  ein  Kloster  gründete, 
wieder  entdeckt  sein  läfst.  Kr  schildert  sie  als  sehr  fruchtbar,  reich  an  Vögeln 
und  Vieh,  von  schroffen  Klippen  umschlossen,  mit  einer  Süfswasserquclle,  aber 
ohne  einen  einzigen  Raum.  Sie  stand  im  Rufe  der  Heiligkeit  und  wurde  des- 
halb »Heiligland«  genannt.  Der  Name  tritt  später  in  verschiedenen  Varianten 
auf:  Hnelgliathud  1231,  Hilgheland  1356,  Helgelant  1430,  Hillige  latult  1470, 
HMchlant  1578  u.  ä.  Aus  der  englischen  Form  Heligoland  entstand  unser 
Helgoland. 

Viel  erörtert  worden  ist  die  Frage  nach  »1er  ehemaligen  Gröfse  der  Insel, 
die  nach  Adam  1.  c.  8  Meilen  lang  und  4  Meilen  breit  gewesen  wäre,  während 
die  Hauptinsel  heute  nur  1,7  km  Länge  und  ein  Areal  von  0,55  qkm  hat.  Die 
schon  erwähnte  Karte  von  Job.  Mejer  zu  Danckwerths  Beschreibung  von 
Schleswig  Holstein  1«>52)  stellt  die  drei  Stadien  des  Verminderungsprozesses 
für  die  Jahre  800,  1300  und  1*149  dar.  Sie  hat  sich,  obwohl  lange  als  geschicht- 
liche Urkunde  geschätzt,  als  haltloses  Phantasiegebilde  erwiesen.  Gegen  die 
irrige  Auffassung  von  der  früheren  Gröfse  der  Insel  sehrieben  Lappenberg, 
("her  den  ehemaligen  Umfang  und  die  alte  Geschichte  Helgolands,  1830. 
Wichel,  Die  Insel  Helgoland.  Untersuchungen  über  deren  (iröfse  in  Vorzeit 
und  Gegenwart  vom  Standpunkt  der  Geschichte  und  Geologie,  Hambg.  1848. 

8» 


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116  I.  Physische  Ueo^uphie. 

Auch  La uri (Isen  (Geogr.  Tidskrift,  Kopenhagen  1887,  III,  50)  wies  nach 
Entdeckung  zweier  weiterer  Karten  Mejers  das  Willkürliche  der  Karte  von  ll'i52 
nach.  Hierüber  E.  Tittel.  Die  natürlichen  Veränderungen  Helgoland*  und 
die  Quellen  über  dieselben,  Lpz.  1894,  31—50. 

Die  fortschreitende  Küstenzerstörung  ist  nach  Wichel  eine  verhaltnis- 
mäfsig  langsame;  sie  beträgt  in  100  Jahren  etwa  10  Fufs.  Die  Zerstörung  seitens 
der  Brandungswelle  ist  keine  so  wirksame  mehr,  da  sie  durch  den  breiten 
RifTgürtel  tn  ihrer  Gewalt  gemindert  wird.  Am  empfindlichsten  wirkt  die  Ver- 
witterung durch  Spaltenfrost  im  Winter.  —  Ober  die  Wirkung  der  Sturmlluten 
haben  wir  aus  der  Zeit  bis  zum  XVII.  Jh.  keine  Nachrichten.  Für  Helgoland 
waren  besonders  schwer  die  Fluten  von  1702.  1707,  1717.  1721  (!).  1825.  1894. 
Vgl.  Tittel  1.  u.  103  f..  135. 

44.  Mimische  Halbinsel  (Jütland).  Sie  kann  als  der  letzte  Aus- 
läufer des  Baltischen  Höhenrückens  gelten,  der  freilich  wegen  seiner 
inäfsigen  Erhebung  hier  nicht  mehr  jene  Benennung  rechtfertigt.  Denn 
der  höchste  Be-  'es,  der  Ejer  Bavnohöj,  steigt  nur  bis  zu 

172  m  auf  ur  >jerg  in  der  Nähe  von  jenem  zu  157  m. 

Der  breite  *  s  Wasserscheide  die  Halbinsel  durchzieht, 

bildet  ein  i         tu  ateau ;  er  ist  erfüllt  von  Moorheiden,  und 

eino  Reil  n  Flüfschen  entquellen  ihm.  Die  auflagernde  Diluvial- 
decke der  1  zeit,  unter  welcher  nur  an  einigen  wenigen  Stellen  der 
Kreidekalk  ht.  vorsieht,  hat  je  nach  ihrer  Zusammensetzung  der  Land- 
schaft ein  verschiedenartiges  Aussehen  verliehen.  Das  östliche  Drittel 
der  Halbinsel  vom  Lijmfjord  an  ist  ähnlich  wie  die  benachbarten  grofsen 
Inseln  von  einem  fruchtbaren  Geschiebelehm  bedeckt,  während  alles 
übrige  Gesehiebesand  erfüllt,  der  auf  der  ganzen  Westküste  von  Kap 
Skagen  an  in  die  Flugsandformution  übergeht.  Fast  kontinuierlich 
zusammenhängende  Dünenwalle  lassen  sich  bis  über  Blaavandshuk  hinaus 
verfolgen.  Unter  dem  Heidesand  des  Innern  findet  sich  eine  stark  eisen- 
haltige Sandsteinbildung,  der  Ahl.  An  der  Westküste  ist  es  auch  ver- 
einzelt zu  Marschbildungen  gekommen.  —  Grofse  Flüsse  sind  dem 
Lande  freilich  nicht  beschieden,  was  eine  Folge  der  geringen  Areal- 
ausdehnung und  des  Mangels  an  Gebirgen  ist ;  die  gröfsten  sind  die 
teilweise  befahrbare  Guden-Aa  (150  km  lang),  die  aus  einem  kleinen 
Seengebiet  kommt  und  im  O.  in  den  Itandersf  jord  mündet,  und  die 
Königsau  (Konge-Aa),  die  stets  die  Grenzscheide  zwischen  Nord  -lütland 
und  Schleswig  gebildet  hat.  Nicht  unbeträchtlich  sind  auch  die  Moore, 
wie  nördlich  vom  Lijmfjord  das  grofse  wilde  Moor,  Store  Vildmose 
(169  qkra),  ferner  das  Lindenborg- Vildmose  (55  qkm)  südlich  vom  Lijm- 
fjord an  der  Küste  des  Kattegat  und  mehrere  andere,  die  besonders 
zahlreich  im  westlichen  Küstenbereiche  auftreten.  Auch  Landseen  sind 
in  einiger  Zahl  vertreten,  so  westlich  von  Aarhnus  der  Mossee.  Julsee, 
Skanderborgsee  als  die  gröfsten.  Eigenartig  ist  die  Küstenlinie,  die 
besonders  im  W.,  in  die  Flachsee  auslaufend,  für  gröfsere  Schiffe  unnahbar 
ist,  trotz  der  grofsen,  durch  Nehrungen  abgeschlossenen  Buchten.  Etwas 
besser  liegen  die  Verhältnisse  an  der  Ostküste,  wo  Fjorde  (Föhrdon)  und 
Vigs  mit  günstigeren  Tiefenverbältnissen  die  Annäherung  gestatten. 

Die  Halbinsel   hiefs   bei   den   Alten   ('hersonesus   Chnbrim.  Xtgaortjaof 
Ki;ißoixit  (Ptol.  II,  11,  2,  7,  16),  nach  dem  gleichnamigen  germanischen  Volks- 


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44.  Dänische  Halbinsel  '.lütlan«ll  117 

stamme.  Sie  läuft  im  X.  in  »las  Skagenshorn  aus,  dessen  äußerste  Spitze 
GrcneD  genannt  wird.  Ks  ist  «las  Promontorium  ('imbrorum  (Monum.  Ancyranuin, 
PI  in.  IV,  97)  excurrens  in  marin  lonye  paeniitsnlam  efßcit,  qnac  Tastris  appellatur. 
Ks  setzt  sieh  seewärts  als  ein  gefährliches  Riff  fort  und  ist  den  Schiffern  durch 
einen  Leuchtturm  signiert,  der  hereits  von  König  Friedrich  II.  im  Jahre  1564 
aus  Stein  erbaut  worden  ist.  V her  den  Namen  Jütland  vgl.  unten  Dänemark. 
-  Die  Halbinsel  zeigt  in  ihrer  nördlichen  Hälfte  und  besonders  an  der  West- 
seite ziemlieh  glatt  vorlaufende  Küstenlinien,  doch  greifen  fjordartige  Einschnitte 
mehrfach  weit  in  den  Landkörper  hinein.  Am  bemerkenswertesten  von  allen 
ist  der  Lijmfjord,  so  genannt  nach  dem  Kreidegestein  (dän.  Liimsteen)  an 
seinen  l'fern.  Er  verläuft,  100  km  lang,  «juer  durch  den  nördlichen  Teil  der 
Halbinsel  von  einer  Küste  zur  anderen,  wodurch  das  nördlichste  Stück  der- 
selben  insular  abgegliedert  ist.  Am  östlichen  Ende  ist  er  etwas  schmaler,  im 
westlichen  Teil  aber  bildet  er  ein  weitverzweigtes,  seeartig  sich  verbreiterndes 
Gewässer.  Ursprünglich  war  er  am  westlichen  Ende  geschlossen;  erst  die 
Sturmflut  vom  3.  Februar  1825  schul  hier  den  Aggerkanal,  indem  das  Meer 
die  Harboöre  Tange  an  mehreren  Stellen  durchbrach.  Ein  Stück  weiter  süd- 
lich ist  18(i3  auf  dieselbe  Weise  der  Rönkanal  entstanden.  Das  hinter  der 
Tange  (Nehrung)  gelegene,  ausgedehnte  Gewässer,  Nisum- Rredning,  verengt 
sich  nach  dem  östlich  sich  anschließenden  Recken  zum  sog.  Oddesund. 
Adam  von  Bremen  (11,3;  IV,  1:  bringt  den  Namen  Oltinsuml,  Oäinsand  in  Zu- 
sammenhang mit  König  Otto  1.  (gemeint  ist  Otto  IL),  der  auf  einem  Rachezug 
gegen  die  Dänen  *bis  zum  äußersten  Meere  von  Wendila«  gekommen  wäre, 
welches  seitdem  nach  Ott«»  benannt  worden  sei.  Da  es  Jütland  und  Nord- 
mannien  (Norwegen)  scheiden  soll,  so  könnte  es  danach  nur  das  Skagerrak  und 
Kattegat  sein.  Doch  scheint  der  Ottensund  mit  jener  Verengung  des  Lijm- 
fjordes  gleichgestellt  werden  zu  müssen.  Ob  er  nach  König  Otto  in  Wahr- 
heit benannt  worden  ist,  scheint  fraglich.  Otide  heißt  im  Dänischen  die  »Land- 
zunge«, und  zwei  solcher  flachen  Landvorsprünge  schließen  jenen  Sund  eng 
ein  (vgl.  auch  Nordsee). 

An  der  Westküste  finden  sich  südlich  der  Lijmfjordmündung  noch  andere 
flache  Strandsecn,  die  als  Fjorde  bezeichnet  werden,  aber  flache  Ufer  hallen: 
Nissumfjord,  Ring  Kjobingfjord.  Einen  anderen  Charakter  haben  die  Fjorde 
an  der  Ostküste,  bei  denen  mehr  die  Natur  der  Föhrdcn  Schleswigs  hervortritt. 
Es  sind  dieselben  Einschnitte,  die  nach  innen  hin  sieh  verjüngen.  Von  dieser 
Art  ist  das  Ostende  des  Lijmfjord «-s  selbst,  dann  weiter  südlieh  der  Mariager- 
fjord. Randersfjord.  Horsenst'jord,  Vejlefjord  und  Koldingfjord. 

Die  Dünenbildung  ist  an  der  Westküste  entwickelt,  Wo  der  Wind  meh- 
rere Dünenwälle  hintereinander  aufgetürmt  hat,  die  bis  zu  Höhen  von  35  m 
aufsteigen.  Die  Dünenzone  erreicht  oft  beträchtliche  Breiten,  bis  zu  10  km. 
Fälle  von  Überflutungen  werden  auch  von  dieser  Küste  berichtet,  und  das  Land 
muß  ehedem  weiter  westlich  sich  erstreckt  haben,  wie  die  vor  dem  Strand«; 
befindlichen  Riffe  zeigen.  Aber  die  Übergriffe  d«'s  Meeres  scheinen  hier  niemals 
von  solchen  Katastrophen  begleitet  gewesen  zu  sein  wie  weiter  südwärts  an 
der  schleswigschcn  Küste.  Auf  Letalere  müssen  auch  jene  Flutbericht«'  der 
Alten  zurückgeführt  werden,  «Ii«*  «  inen  Teil  der  Kimbern  zur  Auswanderung 
veranlaßt  hätten  (Strahn  VII,  292  f.;  Fl»>rus  III,  3,  1).  MüllenhofT  zweifelt  die 
Tatsächlichkeit  dieser  Berichte  mit  nicht  überzeugenden  (Jründen  an;  vgl.  hier- 
über J.  F.  Mareks,  in  Bonner  Jahrb.  NCV,  35  ff. 

Das  Innere  »ler  Jütischen  Halbinsel  schildert  Adam  von  Bremen  (IV,  1)  nach 
den  damaligen  Zuständen:  Das  Land  ist  unfruchtbar;  aufser  den  dem  Flusse 
naheliegenden  Länder«M«n  erseheint  fast  alles  wie  «ine  Wüst«-;  <s  ist  «-in  Land 
«ler  Salzwüste  und  weiten  Einöde.  Ferner,  wahren«!  »las  ganze  lieblet  Ger- 
maniens von  tiefen  Wählern  starrt,  ist  doch  Jütland  schreckenerregender  als 
alle  übrigen;  denn  zu  Land«'  Hiebt  man  «'s  wegen  «les  Mangels  an  Fehlfrüchten, 
zur  See  aber  wegen  der  Überfälle  «ler  Seeräuber.    Kaum  an  einigen  Orh'ii 


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118 


1.  Physische  Geographie. 


findet  man  es  bebaut,  kaum  ist  es  für  Menschenwohnungen  geeignet.  Wo  aber 
die  Anne  des  Meeres  hineinreiehen,  da  hat  es  sehr  grofse  Städt»«. * 

Baggesen,  Der  Dänische  Staat.  1845,1,  19  IT. ;  11,95—123.  Trap,  Sta- 
tist ik-topographisk  Bescrivelse  af  Kongeriget  Danmark,  2.  Aufl.  1872—1879, 
6  Tie.  Erslev,  Jylland,  Studier  og  Skildringcr,  Kopenhagen  1886.  Hahn, 
Dänemark,  in  Kirchhofts  Lünderkde.  v.  Europa,  11,  1,  283  ff.  Aueh  die  Geo- 
grafisk  Tidskrift  (seit  1877)  enthält  viele  einschlägige  Artikel. 

45.  Dänische  Inseln.  Zwischen  der  Jütischen  Halbinsel  und  Schweden 
liegt  ein  Inselarchipel,  welcher  Nordsee  und  Ostsee  voneinander  trennt. 
Die  beiden  gröfsten  Inseln,  Fünen  und  Seeland,  liegen  zwischen  den 
beiderseitigen  Festlandsküsten  so,  dafs  drei  Durchgangspforten,  die  beiden 
Belte  und  der  Oresund,  geschaffen  werden.  Der  mittlere  sog.  Grofse 
Belt  mit  ltf — ;M3  km  Breite  teilt  die  Inseln  in  zwei  Gruppen.  Die  west- 
liche bildet  die  Fünensche  Gruppe  mit  der  gleichnamigen  Hauptinsel 
sowie  drei  kleineren  Inseln  südlich  von  jener,  Langeland,  Aerö  und  Taa- 
singe;  die  östliche  ist  die  seeländische  Gruppe  mit  Laaland,  Falster  und 
Müen.  Ihrer  ganzen  Beschaffenheit  nach  bilden  sie  ein  Gegenstück  zu 
Jütland ;  sie  sind  durchgehends  Flachlandinseln.  Nur  an  wenigen  Stellen 
ragt  die  zu  unterst  liegende  Kalkformation  über  die  Diluvialdecke  her- 
vor, und  wo  sie  das  Meer  bespült,  da  tritt  sie  in  Gestalt  steil  abfallender 
Klippen  (Klinte)  auf,  wie  der  als  Aussichtspunkt  bekannte  Möensklint 
am  östlichen  Vorsprung  dieser  Insel  (141  in)  und  der  Stevnsklint  un- 
mittelbar nördlich  auf  Seeland.  —  Von  den  Inseln  sind  Falster  und  Laa- 
land die  niedrigsten  ,  jene  erhebt  sich  im  Maximum  nur  bis  zu  87  in, 
diese  zu  25  m.  Die  Insel  Möen  besitzt  noch  den  höchsten  Punkt,  dann 
folgt  Fünen  mit  dem  Bavnehöj  (131  m)  und  Seeland  mit  dem  Gvlden- 
löves  Ilöj  (126  m). 

Seeland  ist  die  gröfste  Insel  (6915  qkm);  bei  Adam  IV,  5,  (5:  Seland, 
wo  sieh  die  erste  Besehreibung  der  Insel  und  ihrer  Bewohnerschaft  findet.  Von 
X.  reichen  in  die  Insel  der  geräumige  Isefjord  und  der  schmale  Roskildefjord 
hinein.  Ihre  grofse  Fruchtbarkeit  wird  in  den  ältesten  Zeiten  schon  hervor- 
gehoben. Im  O.  liegt  das  Inselchen  Ainager,  auf  der  «'ine  Vorstadt  von  Kopen- 
hagen liegt.  —  Möen,  bei  Adam  IV,  Iii  Moyland.  Falster  {  Falstra,  Adam 
IV,  16)  174  i|km,  ist  von  der  vorhergehenden  durch  den  Masnedsund  ge- 
schieden. Sie  hat  einen  fetten  Lehmboden.  Nach  S.  läuft  sie  spitz  in  die 
Gjedser-Odde  aus.  Laaland  (Latmid.  Adam),  1157  qkm,  mit  cbenlalls  frucht 
barem  Boden  und  grofse n  Waldungen.  Im  Innern  der  Maribosee.  —  Fünen 
(Fune,  Adam  IV,  4;  auch  Finnin!,  dän.  Fyen,  2942  qkm.  Im  N.  und  <>.  finden 
sich  grofse  f  ruchtbare  Ebenen,  die  »Sletten«,  Der  <  Mensefjord  reicht  von  Nord- 
osten her  hinein.  Am  nordwestlichen  Ende  reicht  sie  dicht  an  Jütland  heran, 
hier  durch  den  Kleinen  Belt  (625  m  breit  an  der  schmälsten  Stelle)  geschieden. 
—  Langland  (Adam  IV,  18),  Langeland,  früher  Lafvind,  ein  langer  Land- 
streifen in  NNO.  Richtung,  durchzogen  von  kleinen  isolierten  Hügeln.  —  Taa- 
singe  (auch  Thorsenge,  Thorsinge,  Taaftfandia,  insula  Taa-iur/is  gehörte  dem 
Stammhause  der  Thorsenge.  Zwischen  Seeland  und  dem  Festland  li<gt 

Sani  so,  schon  von  Adam  IV,  10  Sumse  genannt.  Kerner  zwischen  Seeland 
und  Fünen  im  Belt  das  Inselehen  Sprogö,  Sprvga  im  Scholion  107  zu  Adam 
IV.  4,  eine  Räuberhöhle,  ein  (icgenstand  grofsen  Schreckens  für  alle  Hinüber- 
fahrenden«. —  Im  Kuttegut  liegen  noch  die  Inseln  Anholt  (20  qkm),  eine 
fluche  Sundinsel,  und  weiter  nördlich  La esö.  C.  Müller  hält  sie  wohl  nur  auf 
Grund  der  Nainensähnlichkeit  für  die  bei  Ptolemäus  II,  11,  16  genannten 
iitsidae  Alociae  (,4h>xiw).  —  Literatur  s.  unter  Jütland. 


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-IG.  OHtHceküstc.    47.  OHt.seeküste  von  Schleswig-Holstein. 


46.  OstseekUstc.    Die  ganz  anders  gearteten  Kiistenverhiiltnis.se 
der  Ostsee  sind  bedingt  durch  die  natürlichen  Umstände  dieses  Binnen- 
meeres, und  sie  stehen  in  engsten  Beziehungen  mit  der  ganzen  Ent- 
vickelung  der  Beckenform  desselben.    Als  der  grolse  Diluvialgletscher 
auf  seinem   endgültigen  Rückzüge  begriffen   das  Gebiet   «1er  heutigen 
Ostsee  wieder  frei  liefs,  trat  fast  gleichzeitig  mit  diesem  Vorgange  eine 
beträchtliche  Senkung  des  nordlichen  Beckens  ein.  d.  h.  nördlich  einer 
Linie,  die  man  von  Schonen  nach  Bornholm  hinüberziehen  kann.  Die 
südwestlich  dieser  Linie  gelegenen  Gebiete  müssen,  nach  verschiedenen 
Anzeichen  zu  schliefsen,  noch  festländische  Verhältnisse  gezeigt  haben. 
Jenes  Nördliche  Eismeer- Becken  aber  stand  damals  durch  die  schwedische 
Senke  über  dem  Wetter-  und  Wenersee  mit  der  Nordsee   und  wahr- 
scheinlich über  den  Ladoga-  und  Onegasee  auch  mit  dem  Weifsen  Meere 
in  Verbindung.     Hieraul  erfolgte  wieder  eine  Hebung  der  Küsten- 
länder mitsamt  dem  Becken.    Die  beiden  genannten  Verbindnngskanäle 
zum  offenen  Meere  schlössen  sich,  das  Becken  wurde  somit  zum  Binnen- 
see, in   welchem   statt  der  Salzseefauna  eine  Brackwasser-  und  Süfs- 
wassersecfauna  sich  herausbildete,  und  da  die  I  rebung  jenes  Binnensees 
im  X.  gröfser  war,  so  wurde  das  Wasser  nach  S.  zu   abgedrängt  und 
überflutete  die  südwestlich  der  Linie  Schonen-  Bornholm  gelegenen  fest- 
ländischen Teile  des  Ostseebeckens.    Damals  trat  «lieser  westliche  Teil 
der  Ostsee  auch  in  Verbindung  mit  der  Nordsee,  indem  das  abfliegende 
Wasser  des  Binnenmeeres  die  Tiefenrinnen  der  beiden  Belte  und  des 
Sundes  schuf.    Es  folgte  nun  eine  abermalige  Senkung  des  Beckens 
und  seiner  Randteile,  die  ein  Hineinströmen  des  Nordseewassers  bewirkte 
und  zwar  durch  eben  jene  Belte  und  den  Sund,  nur  dafs  in  ihnen  sich 
das  Wasser  in  entgegengesetzter  Richtung  als  vorher  bewegte.   Die  Ost- 
see kam  hierdurch  wieder  in  das  Brackwasserstadium,  aber  die  allmäh- 
liche Verringerung  der  Tiefen  Verhältnisse  jener  Verbindungsstrafsen  führte 
von  neuem  zu  einer  Aussülsung  des  Binnenmeeres,  denn  der  Salzgehalt 
desselben  ist  heute  sehr  gering.  —  Unter  dem  Einflufs  der  mehrmaligen 
Osrillationen  haben  sich  die  Küstenlinien  mit  ihren  Förden,  Haffen  und 
Wieken  im  grofsen  Ganzen  herausgebildet.    Ihre  Entwickelung  im  ein- 
zelnen ist  freilich  ein  Werk  des  fortwährend  bewegten  Meeres,  welches 
durch  Brandungswellen  und  Sturmfluten  die  Küsten  teilweise  zerstörte, 
die  losgerissenen  Bestandteile  vermittelst  von  Strömungen  an  anderen 
Stellen  wieder  ablagerte  und  jene  glattgestrichenen  Strandlinien  schuf, 
an  denen  der  Wind  überdies  den  ausgeworfenen  Sand  zu  Dünen  auf- 
gehäuft hat. 

Über  die  Natur  des  Ostseebeckens  vgl.  weiter  unten,  vmi  Etzel,  Die 
Ostsee  und  ihre  Küstenländer,  Leipzig  1871.  Ackermann,  Beiträge  zur  physi- 
kalischen Geographie  der  Ostsee,  Haniburg  1883.  R.  Credner.  Über  die 
Kntstehung  der  Ostsee,  in  Geogr.  Zeitsehr.  I  (1895),  537  55t».  G.  W  egener, 
Deutsche  Ostseeküste,  Bielefeld  1900.  Suefs,  Antlitz  «ler  Erde  II,  503  IT. 
Baenseh,  Die  Sturmflut  vom  12. — 13.  Nov.  1872  an  den  Ostseeküsten  (loa 
l>reufsisehen  Staates,  Berlin  1875,  fol.  mit  10  Tafeln. 

47.  Ostseeküste  von  Schleswig-Holstein.  Der  Gegensatz  in  der 
natürlichen  Beschaffenheit  der  Nord-  und  Ostseeküste  lä Ist  sich  an  den 


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120 


I.  Physische  <ieo^ni]ihie. 


beiderseitig  n  Küsten  von  Schleswig-Holstein  wohl  am  besten  vergleichs- 
weise betrachten  ein  Gegensatz,  der  nicht  blofs  in  den  physischen 
Verhältnissen  der  Küstenlinien,  sondern  auch  in  anthropogeographischer 
Beziehung  zum  Ausdruck  kommt  weit  mehr  als  in  Jütland,  welches 
im  0.  eben  noch  nicht  von  der  Ostsee  bespült  wird.  Schleswig-Holstein 
stellt  den  nördlichen  Ausläufer  des  Baltischen  Höhenrückens  dar.  Wäh- 
rend der  westliche  Rand  von  einem  Wattenmeer  mit  periodisch  wech- 
selndem Wasserstand  umsäumt  ist.  wird  der  östliche  durch  tiefeingreifende 
Meeresbuchten  gegliedert,  die  in  ihrer  Art  für  Holstein  charakteristisch 
sind  und  in  dieser  Form  an  der  üstseeküste  sonst  nicht  auftreten.  Diese 
Buchten  sind  die  sog.  Führ  den  oder  Förden,  eine  Bezeichnung,  die 
natürlich  mit  Fjord  zusammenhängt,  wenn  sie  auch  in  der  Gesamt- 
anlage und  Entstehung  wesentlich  verschieden  von  diesem  sind.  Wir 
haben  in  den  Förden  nichts  anderes  als  untergesunkene  Flufstäler  zu 
sehen,  indem  die  Randpartien  des  Landes  bei  der  letzten  Senkung  bis 
unter  den  Spiegel  des  Meeres  rückten.  Diese  Talzüge  haben  schon  vor 
der  Vereisung  bestanden,  sind  aber  erst  durch  das  Fis  an  ihren  Ufer- 
rändern modifiziert  worden.  Denn  bei  der  letzten  Vereisung  drang  das 
Kis  von  < ).  nach  W.  in  jene  vorgezeichneten  Talrinnen  ein  und  rief 
infolge  der  starken  Pressungen  Aufstauchungen  des  lockeren  Ufermate- 
rials hervor,  so  dafs  das  meist  stumpf  abschiefsende  Hude  einer  Förde 
von  einem  hohen,  oft  recht  steilen  Rande  umgeben  ist,  Auch  Ver- 
legungen von  Flüssen  mögen  hierdurch  bewirkt  worden  sein,  wie  sich 
dies  bei  der  lüder  hat  wahrscheinlich  machen  lassen,  die  ehedem  in 
die  Ostsee  flofs.  Im  ganzen  sind  es  acht  Förden  von  freilich  sehr 
verschiedenen  ( iröfseii Verhältnissen;  sie  grenzen  zugleich  miteinander 
kompakte  Randteile  des  Landes  ab,  die  nicht  immer  als  eigentliche 
Halbinseln  bezeichnet  werden  können.  Der  fette,  tonige  Boden  hat  auf 
ihnen  ein  fruchtbares  Ackerland  geschaffen,  und  die  meist  auch  als 
Häfen  und  Zugangsstraisen  trefflich  geeigneten  Förden  haben  der  Bevöl- 
kerung weitere  Vorteile  gesichert. 

Die  Heilsminder  Bucht  ist  die  kleine  ( ircuxförde  zwischen  Deutschland 
und*  Dänemark.  Die  Haderslebener  Förde  zeigt  ihr  gegenüber  ganz  andere 
Dimensionen,  da  sie  an  14  km  weit  in  «las  Land  hineinreicht,  im  Innern  (hinter 
Hadersleben  «  in«'  Erweiterung  zeigt,  nach  der  See  hin  aber  sich  schlauchartig 
verengt.  Sie  begrenzt  im  N.  die  Halbinsel  Nefs.  der  im  0.  die  Insel  Aarö  vor- 
gelagert ist.  Weiterhin  folgt  die  kleine  fjjenncrhucht  mit  der  vorliegenden 
Insel  Barsö.  Im  Verein  mit  der  Apenrader  Förde  sehliefst  sie  die  halbkreis- 
förmige Halbinsel  Loit  ab.  Die  Apenrader  Förde  stellt  den  anderen  Typus 
solcher  Buchten  dar;  sie  zeigt  keine  flufsähnüehcn  Verengungen,  sondern  bildet 
einen  weiten  (iolt.  der  im  Hintergrunde  stumpf  altschliefst.  Die  Insel  Alsen 
{Alf sc,  Helmold  II.  13',  31*2  <|km  grofs.  ist  so  dicht  an  das  Festland  gerückt, 
dafs  an  der  schmälsten  Stelle  der  nur  250  m  breite  Alscnsunri  eine  äulserliche 
Trennung  hervorruft.  Wir  haben  in  flieser  Insel  ein  Teilstück  des  ehemaligen 
Festlandes  zu  erkennen,  welches  infolge  einer  durchgreifenden  Förrienbildung 
eben  jenes  Bundes  vom  Festland  gänzlich  losgelöst  worden  ist.  Die  Insel  ist 
auf  ihrer  W  estseite  selbst  wieder  durch  Förden  tief  zerfurcht.  Der  gegenüber- 
liegende Teil  bildet  die  Halbinsel  Sundewitt  und  ihre  südliche  Fortsetzung 
Broacker.  Letztere  liegt  am  Ausgange  der  Flensburger  Forde.  Diese  setzt  sieh 
aus  zwei  Al*chnitten  zusammen,  von  denen  der  äufsere  eine  südöstliche  Rieh 


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48.  OxtoeekÜRte  von  Mecklenburg.  J21 

tung  zeigt,  < l«*r  innere  eine  nordöstliche  hat;  die  Sandhalbinsel  Holms  scheidet 
beide  voneinander.  Das  Nübel-Noer  ist  ein  nördlichem  Seitengewässcr  der  Förde. 
Zwischen  ihr  und  der  Schlei  liegt  die  Landschaft  Angeln  ( Angele»  ..  Die  Sehlei 
ähnelt  in  ihrer  Art  wieder  mehr  der  Hadcrslebcner  Förde.  Sir  zeigt  sehr 
starke,  fiulsartige  Verengungen  hei  Missunde,  Arnis  und  Kappeln  und  erweitert 
sieh  erst  am  Knde  wieder  zu  einem  hreiteren  See.  Sie  reieht  auf  40  km,  also 
Iiis  zur  Hälfte,  in  den  Körper  der  Halbinseln  hinein.  Auch  an  der  Mündung 
erweitert  sie  sich  beträchtlich.  Der  Ausgang  liegt  hei  Sehleimünde.  während 
die  alte  natürliche  Mündung  ein  Stück  nördlicher  bei  Mindehohn  sich  befindet. 
Die  Halbinsel  Sehwansen  scheidet  die  Förde  von  der  Eekernfürder  Bucht.  Die 
letztere  hat  eine  breite,  offene  Fingangsstrafse  von  bedeutender  Tiefe.  Am 
Ende  hei  Rckernförde  verengt  sie  sich,  um  sieh  dann  nochmals  zu  einem 
kleinen  See  zu  erweitern.  Geschieden  durch  die  Halbinsel  des  Dänischen 
Wohld  folgt  dann  die  Kieler  Bucht,  die  wichtigste  von  allen  diesen  Förden, 
weil  sie  zugleich  auch  den  besten  Hah  n  bildet.  Sie  ist  nicht  so  regelmäfsig 
gestaltet  wie  die  Apenradener  und  Kckcrnförder  Bucht;  am  Eingang  hat  sie 
nur  eine  mäfsige  Verengung  und  ist  vorzüglich  gegen  Winde  geschützt.  Sie  ist 
die  letzte  der  eigentlichen  Förden.  Denn  hinter  der  Halbinsel  Wagrien  1  W'a- 
giria.  Helmold,  Wagevland)  folgt  die  Neustädter  oder  Lübecker  Bucht,  die  mit 
den  meist  engeren  Forden  nicht  in  Parallele  gestellt  werden  kann.  Vor  jener 
Halbinsel  liegen  die  Inseln  Fehmarn  (Imbrn  und  Femltre  bei  Adam  IV,  16 
und  18  von  185  <|km  (iröfse  mit  fruchtbarem  Ackerland,  aber  ohne  Wal 
•  hingen. 

48«  Ostscckiistc  ron  Mecklenburg;.  Bei  der  Neustädter  Bucht  ändert 
sich  die  allgemeine  Richtung  der  Ostseeküste,  die  von  hier  an  mehr 
äquatorial  streicht,  wenn  sie  auch  im  einzelnen  auf  kurze  Strecken 
zwischen  äquatorialem  und  meridionalem  Richtungsextrem  mehrfach 
wechselt.  Zugleich  ändert  sich  aber  auch  ihre  natürliche  Beschaffenheit; 
statt  der  charakteristischen  Fördenbildungen  treten  hier  die  Bodden 
in  den  Vordergrund,  statt  der  vorwiegenden  Steilküste  in  Schleswig- 
Holstein  treten  hier  neben  diesen  auch  Flachküsten  mit  Dünenbildungen 
auf.  Anfangs  hält  sich  die  mecklenburgische  Seenplatte  in  unmittelbarer 
Nähe  der  Küste  bis  Rostock  etwa,  von  hier  geht  sie  diagonal  südöstlich 
durch  das  Land ;  der  nördliche  Rand  hält  die  Richtung  auf  Stettin  inne. 
Die  Küste  hat  drei  bemerkenswerte  Einschnitte:  die  Bucht  von  Wismar, 
den  Breitling  als  Mündungsgebiet  der  Warnow  und  den  reichgegliederten 
und  durch  die  Halbinseln  Dars  und  Zingst  abgegrenzten  Saaler  Bodden 
und  (Jrahow. 

Zwischen  dem  Mündungsgebiet  der  Trave,  dem  Pötenitzer  Wiek  und 
Dassowcr  See  einerseits  und  der  Bucht  von  Wismar  anderseits  dehnt  sich  ein 
als  stumpfe  Halbinsel  vorspringendes  hügeliges  Land,  der  KlützerOrt,  aus,  der 
mit  seinen  bis  40  in  hohen  Hügeln  in  die  nächste  Nähe  des  Meeres  tritt  und 
von  diesem  schon  stark  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden  ist.  Dahinter  folgt 
die  Bucht  von  Wismar,  deren  westlicher  Küstenrand  selbst  wieder  starke  Aus 
huchtungen  zeigt.  Line  sehr  gewundene  Zufahrtstrafse  führt  in  den  innersten 
Teil  der  Bucht  bis  Wismar.  In  ihrer  östlichen  Hälfte  liegt  die  Insel  Poel,  die 
durch  den  Breitling  vom  Festland  getrennt  ist.  Das  Salzhaff  gliedert  weiterhin 
die  Halbinsel  Wustrow  ab.  Dahinter  tritt  wieder  der  Höhenrücken  an  das  Meer, 
Steingeröll  erfüllt  den  Strand;  besonders  der  Heilige  Damm  von  272  k"1  Länge 
und  .1  5  m  Hohe  ist  ein  aus  lockeren  Geröllmassen  längs  des  Ufers  auf- 
gehäufter natürlicher  W  all.  Der  zweite  gröbere  Küsteneinschnitt  ist  der  Mün 
(lungsgolf  der  Warnow,  die  sieh  hinter  Rostock  seeartig  verbreitert  und  kurz 
vor  der  Mündung  den  sog.  Breitling  bildet.    Die  Küste  ist  im  weiteren  dann 


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122  L  Physische  ( u-ojrraphie. 

flach,  binnenwärt!*  auch  von  Moorbildungen  begleitet.  Eine  der  tiefsten  und 
an  den  Ufcrrandcrn  zerrissensten  Buchten  wird  dureb  eine  merkwürdige  Halb- 
insel vom  offenen  Meere  abgetrennt.  Die  vom  Breitling  an  geschlossen  fort- 
streiebende  Küste  gliedert  bei  Neubaus  eine  anfangs  sehmale  Halbinsel,  das 
Fischland,  ab,  die  sich  dann  zur  Halbinsel  Darfs  verbreitert;  naeb  ().  läuft 
letztere  in  die  sebmalere  Halbinsel  Zingst  (Sinxt,  Cint/st)  aus.  l>iese  zusammen- 
hängende Halbinselkette  war  ehedem  in  Inseln  aufgelöst  und  ist  erst  in 
historischer  Zeit  zu  einem  ( ianzen  zusammengeschlossen  worden.  So  zeigte  das 
Fischland  in  der  (legend  der  zum  Saaler  Bodden  gerichteten  Bucht  1'ertnin  bis 
1610  noch  eine  Lücke.  Nördlich  bei  Ahrenshoop  war  eine  Verbindung  mit 
dem  Meere  bis  1455  vorbanden.  Anschwemmungen  haben  diese  Öffnungen  ge- 
schlossen, wie  das  ähnlich  bei  Darfs  und  Zingst  der  Kall  war.  Der  sog.  Prerow- 
strom  zwischen  beiden  ist  z.  T.  künstlich  beseitigt  worden  (1874).  Der  nörd- 
lichste Vorsprang  von  Darfs.  der  Darfser  Ort,  ist  im  Laufe  von  anderthalb 
Jahrhunderten  um  900  m  seewärts  durch  Alluvionen  gewachsen.  Aber  gröfsere 
Sturmfluten  haben  das  Aufgebaute  z.  T.  wieder  zerstört,  und  besonders  hat 
jene  von  1872  verderblich  gewirkt. 

49.  Rügen.  Der  Küste  Vorpommern  ist  eine  Insel  vorgelagert, 
die  hinsichtlich  der  horizontalen  Küstengliederung  ihresgleichen  unter 
den  Inselländern  der  Erdo  sucht.  Wahrend  der  gröfsere  südliche  Teil 
der  Insel  kompaktere  Formen  zeigt,  ist  der  nördliche  durch  den  tief 
eingreifenden  Jasmunder  Bodden  in  merkwürdiger  Weise  zerrissen.  Der 
Bodden  gliedert  eine  aus  zwei  gröfseren  Landkomplexen  bestehende 
Halbinsel  ab.  von  denen  der  nördliche  die  Halbinsel  Wittow  mit  einem 
südwestlichen  Ausläufer,  dem  Bug,  bildet,  Wittow  hängt  durch  einen 
nehrungsartigen  Landstreifen,  die  Schabe,  mit  der  zweiten  Halbinsel 
Jasmund  zusammen  und  diese  hinwiederum  in  ähnlicher  Weise  durch 
die  sog.  Schmale  Heide  mit  dem  Hauptkörper  der  ganzen  Insel.  Durch 
Wittow  und  Jasmund  werden  nach  aufsen  zwei  flache  Golfe  geschaffen, 
das  Tromper  und  das  Prorer  Wiek.  Bildet  auch  der  südlich«'  Teil  eine 
mehr  geschlossene  Landmasse,  so  ist  doch  seine  Küstenlinie  nicht  weniger 
zerfranst,  besonders  im  N.  Wittow  gegenüber  und  im  S.,  wo  die  Halb- 
inseln Zudar  und  .Mönchgut  weit  hervortreten.  Wie  das  Vorgebirge 
Arkona  den  nördlichsten  Punkt  der  Halbinsel  Wittow,  so  bildet  Stubben- 
kammer den  östlichsten  von  Jasmund.  Die  an  ihren  Rändern  meist 
flache  Insel  erhebt  sich  hier  in  den  blendend  weifsen  und  mit  prächtigem 
Buchenwald  bedeckten  Kreidekalkfelsen  bis  zu  133  m  (Königstuhl).  Das 
von  Trütnmergesteinen  gebildete  Geröllvorlaiul  wirkt  wie  ein  natürlicher 
Wellenbrecher  und  hält  die  Brandungswoge  von  der  Steilküste  fern.  Den- 
noch aber  ist  auch  Rügen  durch  das  Meer  schon  stark  mitgenommen 
worden,  liier  hat  sich  eine  schmale,  langgestreckte  Sandinsel  Hidden- 
seo  noch  erhalten,  die  unter  den  von  W.  her  kommenden  Sturmfluten 
immer  besonders  zu  leiden  hatte. 

Die  967  qkm  grofse  Insel  Rügen  tritt  erst  im  Mittelalter  unter  diesem 
Namen  auf.  Mit  dein  in  Pommern  ansässigen,  bei  Tacitus  genannten  Volk  der 
liugier  hat  er  nichts  zu  tun.  Vielmehr  steht  der  Name  in  engsten  Beziehungen 
zu  dem  späteren  slaviseben  Volksstamin  der  Ranen,  Runen  oder  Rujanen.  Vgl. 
hierzu  Adam  IV.  1H,  Hehnold  I,  2.  Das  Seholion  117  zu  Adam:  Reune  insula 
est  Runornm.  Andere  Formen  des  Inselnamens  sind  :  Rur/in,  Ritia,  Rugien,  Ruyen. 
Den  Grund  und  Boden  der  Insel  setzen  Gebilde  der  «»bereu  Kreideformation» 
des  Diluviums  und  Alluviums  zusammen,  wogegen  das  Tertiär  nirgendwo  an- 


50.  < )Mt>oi'kuKlt*  von  Tömmern. 


stehend  gefunden  wird.  In  telefonischer  Beziehung  haben  wir  es  niit  einem 
Schollengebirge  im  kleinen  zu  tun;  die  Dislokationen  sind  verhältaisroafeig 
jungen  Alters  (Interglacialzeit).  Die  ganze  Hodenplastik  ist  hierdurch  bestimmt, 
doch  hat  auch  die  Eiszeit  ihren  Kinllufs  auf  die  Landschaft  ausgeübt,  wenn 
auch  EndmoränenzQge  auf  <ler  Insel  nicht  nachgewiesen  werden  konnten.  Noch 
nach  der  Eiszeit  hatte  die  Insel  mit  dem  Festlande  in  Zusammenhang  gestanden  ; 
eine  Senkung  führte  zur  Lostrennung  und  Auflösung  in  mehrere  Inseln,  die 
aber  durch  marine  Anschwemmungen  wieder  einen  einheitlichen  Inselkörper 
herstellten.  —  Auch  die  18  km  lange  Insel  Hiddensee  mit  dem  72  m  hohen 
Hakenberg  auf  der  Halbinsel  Dornbusch  im  N.  war  ein  Teilstück  von  Rügen 
gewesen,  im  Jahre  1308  aber  durch  eine  Sturmflut  von  ihm  losgetrennt  worden. 
Im  Jahre  1867  wurde  das  südliche  Ende  durch  die  Flut  abgetrennt;  auch  die 
Sturmflut  von  1872  hatte  ebenso  der  Insel  übel  mitgespielt.  Durch  Schutz- 
bauten  sucht  man  sie  jetzt  gegen  neue  Katastrophen  zu  schützen.  Die  amt- 
liche Schreibweise  Hiddensee  wird  mit  Recht  angezweifelt.  Richtiger  ist  Iii* l- 
densöe,  d.  h.  die  Insel  des  Königs  Hithin  (nach  Haas).  —  II.  Credner.  Rügen, 
eine  Inselstudie,  Stuttg.  1893.  Haier,  Die  Insel  Rügen  nach  ihrer  archäologischen 
Bedeutung,  Stralsund  188l>.  A.  Haas,  Die  Insel  Hiddensee,  Stralsund  189f>. 
Seidel,  Spaltenbilduug  und  Landverlust  auf  Hiddensöe,  Globus  1899.  Bd.  75, 
mit  Karte  und  Abbildung. 

50.  Ostseckiistc  von  Pommern.  Zwischen  Rügen  und  dorn  Fest- 
lande dehnt  sich  das  weite,  aber  flache  Prohner  Wiek  aus,  welches  sich 
nach  SO.  hin  zu  dem  engen  Strelasundc  verjüngt,  der  stellenweise  nur 
l1/-,  km  breit  ist.  Weiterhin  öffnet  er  sich  wieder  zum  Greifswalder 
Bodden,  einer  i) — 10  rn  tiefen,  durch  die  SO.  Küste  von  Rügen  und  das 
Festland  rundlich  abgeschlossenen  Bucht,  die  nach  <  >.  geöffnet  ist.  hier 
aber  durch  eine  flache,  submarine  Bodonsehwelle  von  Usedom  nach 
Mönchgut  hinüber  die  bequeme  Zugänglichkeit  erschwert.  Die  Insel 
Rüden  und  die  Greifswalder  Oie  gehören  dieser  Schwelle  an.  Die 
offene  Seeküste  setzt  sich  dann  in  den  beiden  Inseln  Usedom  und  Wollin 
fort,  welche  das  Mündungsbecken  der  Oder,  das  Grofse  und  Kleine  Haff 
abschließen.  Zeigen  diese  Inseln  nach  aufseu  hin  auch  eine  geschlossene 
Uferlinie,  so  sind  sie  nach  der  Innenseite  sehr  stark  zergliedert;  beson- 
ders gilt  dies  von  Usedom.  Beide  Inseln  haben  zwar  einen  diluvialen 
Kern,  sind  aber  erst  durch  Anschwemmungen  zu  grösseren  Inselländern 
zusammengezogen  worden.  Das  Achterwasser  reicht  weit  in  die  Insel 
Usedom  hinein;  ein  Dünenzug  verbindet  den  nördlichen  und  südlichen 
Teil  der  Insel.  Er  ist  sogar  nur  ein  künstliches  Produkt  und  bei  heftigen 
Sturmfluten,  wie  jener  von  1^72,  auch  schon  durchbrochen,  dann  aber 
von  neuem  künstlich  befestigt  worden.  Von  den  drei  Ausgängen,  die 
•  las  Haff  zum  Meere  besitzt,  war  die  I'eene  ehemals  eine  von  Schiffen 
viel  frequentierte  Strafse.  die  wegen  ihrer  geringen  Wassertiefe  (vielfach 
nur  'i  m)  den  heutigen  Ansprüchen  natürlich  nicht  mehr  genügt.  Das 
gleiche  gilt  von  der  östlichen  Ausgangsstralse ,  der  Diovenow.  die  an 
der  Mündung  sogar  nur  l'/o  m  tief  ist  und  daher  auch  in  früherer  Zeit 
schon  die  Schiffahrt  einschränkte.  Heute  hat  sich  der  Hauptverkehr  der 
Swine  zugewendet.  Sie  bildet  sswischen  Usedom  und  Wollin  freilieh  eine 
sehr  gewundene,  flufsart  ig  verengte  Wasserst rafse.  Der  Durchstich  durch 
die  östlich  vorgeschobene  Halbinsel  von  Usedom,  die  sog.  Kaiserfahrt,  hat 
aber  die  ungünstigen  natürlichen  Verhältnisse  sehr  wesentlich  gebessert. 


124 


J.  Physische  <  ionyraphlc. 


Jenseits  der  Dieveuow  ändert  sieh  der  Charakter  der  Küste.  Statt 
der  vielen  Einschnitte  des  Meeres,  der  Bodden.  Wieke,  Haffe  etc.,  tritt 
in  Hinterponiniern  eine  geschlossene,  in  sanfh'ii  Wellenlinien  dahin- 
ziehende Küste  auf.  Sie  zeigt  ihrer  natürlichen  Beschaffenheit  nach  in 
den  einzelnen  Küstenstrecken  mancherlei  Unterschiede;  bald  tritt  das 
hier  allerdings  sehr  niedrige  Plateau  in  Gestalt  von  Steilküsten  an  das 
Meer,  bahl  ist  die  Küste  wieder  auf  grofse  Strecken  hin  von  Dünen- 
zügen hegleitet.  Diese  beiden  Kxtreme,  die  auch  Übergangsformen  zeigen, 
wechseln  mehrmals  miteinander  ab.  Als  diluviale  Steilküsten  sind 
folgende  Strecken  charakterisiert:  von  Hoff  bis  Horst,  eine  Strecke  bei 
Jershöft,  die  sog.  Korden  bei  Rowe  und  eine  vierte  Strecke  am  Rixhüft. 
Hier  steigt  das  durch  die  Meeresbrandung  erzeugte  Steilufer  oft  bis  zu 
30  m  Höhe  an.  Neben  diesen  allerdings  nur  kurzen  Steilrandküsten 
(im  ganzen  14  km)  wiegt  die  Dünenküste  entschieden  vor.  Sie  ist  ein 
Produkt  der  Tätigkeit  des  Meeres,  welches  das  an  den  Steilrändern  los- 
gelöste Material  in  anderer  Form  wieder  absetzte.  Der  an  den  Strand 
geworfene  Sand  wurde  dann  von  den  Winden  zu  Dünenwällen  aufge- 
häuft (zu  Höhen  bis  45  in),  die  wegen  ihrer  lockeren  Aufschüttung,  falls 
sie  nicht  künstlich  befestigt  werden,  durch  Winde  auch  weiter  landeinwärts 
getragen  werden  können  und  sog.  Wanderdünen  bilden.  Da  die  allge- 
meine Luftbewegimg  eine  von  W.  nach  ().  gerichtete  ist.  so  werden  die 
dem  Westen  ausgesetzten  Küstenlinien  solche  Dünenbildungen  am  vor- 
züglichsten zeigen.  Beim  Rixhüft  biegt  aber  die  Küste  der  Danziger 
Bucht  scharf  nach  S.  um;  die  Dünenbildung  setzt  infolge« lessen  am 
Strande  selbst  aus;  doch  läi'st  sich  der  Dünenzug  in  der  Halbinsel  Heia 
weit  in  das  Meer  hinaus  verfolgen.  Für  die  hinterpommersche  Küste 
sind  die  vielen  Strandseen  charakteristisch :  der  Kamp ,  Jamundsche. 
Buckowsche,  Vitter-,  Vietzker,  Gardesche,  Leba-  und  Sarbsker-See.  Es 
sind  ehemals  Haffe  gewesen,  die  durch  eine  mehr  «»der  weniger  schmale 
Nehrung  vom  offenen  Meere  abgeschlossen  wurden  und  vielfach  sumpfige 
Uferränder  halten.  Entweder  sind  sie  vollständig  vom  Meere  abge- 
schlossen,  oder  sie  stehen  «lureh  ein«'ii  sich  oft  verändernden  Abflufs 
mit  ihm  in  Verbindung. 

Die  Zerstörung  d«T  Küsten  seitens  «les  Meeres  ist  in  der  historischen  Zeit 
«h  utlich  erkennbar.  Die  b«-sonders  «lein  Angriff  des  Meeres  ausgesetzten  Stellen, 
wie  Arkona,  die  CireifswaMer  Oie  u.  a..  haben  natürlich  den  gröfsten  Land- 
verlust erlitten ;  in  einem  Jahrhundert  betrug  er  300 — 400  in  und  an  der 
Hommerschen  Küste  30—300  ni.  Die  alte  Kirche  hei  Hoff  liegt  hart  am  Plateau- 
rand,  «ler  ehemals  viel  weiter  seewärts  vorreichte  und  in  ti2  Jahren  um  38  Fufs 
durch  «las  Meer  zurüekverlegt  werden  ist.  D<t  beiliegende  Kirchhof  ist  ganz 
und  gar  aufgewühlt  wurden.  —  Der  (»rcitswahler  Bodden  mufs  an  der  Ostseite, 
von  Mönchgut  bis  Isedom  hinüber,  während  der  ersten  Hälfte  «ler  Alluvialzeit 
geschlossen  gewesen  sein,  wie  die  submarinen  Sehwellen  noch  andeuten.  Dafs 
«liese  handbrücke  aber  mich  in  historischer  Zeit  bestanden  hätte,  hat  sich  durch 
nichts  erweisen  lassen.  —  Die  Oreifswalder  Oie  hiefs  1282  Snantr  Wostroe, 
1292  Sien  ii h  WmttffhttSfH. 

Das  Hall  der  Oder  hat  als  Wasserbecken  bereit«  in  der  Diluvialzeit 
existiert.  Hei  «lein  Abschmelzen  des  grofsen  (iletschers  bildete  sich  hier  ein 
Stausee,  dessen  Wasserfläche  über  das  gegenwärtige  Hecken  aber  weit  nach  <). 


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51.  OatseekQMte  von  l'reul'sen.  125 

und  \V.  hinausreichte.  Die  Tiefe  des  Haffes  beträgt  im  Durchschnitt  DUr7m; 
ilen  östlichen  Teil  bildet  das  Grobe  Half,  den  westliehen  noch  Haeheren  das 
Kleine  Haff.  —  Die  Insel  Usedom  (408  qkm)  heifst  bei  Herburd  (Vita  Ott, 
episc.)  Vxnoimia;  auch  Vnxnoimia  und  Vznoimia  treten  als  Varianten  auf:  bei 
Helmoki  II,  4:  Vzna;  im  XV.  Jh.  Usedum.  Die  andere  Insel,  W  o  1 1  i  n  (245  qkm 
grofs).  führt  diesen  echt  slavischen  Namen  nach  der  Stadt  am  östlichen  Küsten- 
rande. Dafs  an  der  offenen  Seeküste  das  Meer  erheblieh  vorgerückt  ist,  be- 
weisen die  Kiffe  und  Sandbänke  vor  den  beiden  Inseln:  die  Zinnowitzer  Bank, 
das  VinetarilY  und  die  Koserowbank.  Mit  dem  Damerower  Steinriff  wird 
die  Vinetasagc  in  Verbindung  gebracht.  Die  älteste  Form  findet  sich  hei  Adam 
von  Bremen  IL,  19,  der  an  der  Mündung  der  Oder  die  reiche  Handelsstadt 
Jumw  nennt.  Helmold  berichtet  dann  zuerst  (Chron.  Slav.  II,  2j.  dafs  sie,  die 
er  Jnmneta  nennt,  von  einem  Dänenkönige  zerstört  worden  sei.  Später  wurde 
die  Legende  von  dem  fabelhaften  Reichtum  der  Stadt  und  der  hierdurch  hoch- 
fahrend gewordenen  gottlosen  Bevölkerung  weiter  ausgebildet;  zur  Strafe  sei 
sie  von  üott  durch  eine  Sturmflut  in  das  Meer  versenkt  worden.  Doch  wären 
ihre  Ruinen  noch  auf  dem  Boden  des  Meeres  zuweilen  zu  erkennen.  Es  liegt 
hier  augenscheinlich  nur  eine  Verwechslung  mit  jener  Stadt  Jumne  {Jumneta)  vor, 
die  bei  Herbord  Jtäiniim  heifst  und  das  heutige  Wollin  ist.  Man  nimmt  an, 
dafs  Vineta  nur  aus  einem  Abschreibefehler  aus  JmitueUi  entstanden  sei.  Seit 
dem  XV.  Jh.  untenschied  man  zwei  Städte,  Julin  und  das  untergegangene  Vincta, 
und  suchte  letzteres  infolgedessen  an  einer  ganz  anderen  Stelle,  in  jenem  Riff 
bei  Damerow. 

Die  ausführlichsten  Arbeiten  über  Pommerns  Küsten,  in  welchen  auch 
den  in  geschichtlicher  Zeit  eingetretenen  Veränderungen  die  gebührende  Be- 
rücksichtigung zuteil  wird,  sind  von  P.  Lehmann,  Pommerns  Küste  von 
der  Dievenow  bis  zum  Darfs,  Breslau  1878,  und  Ders.,  Das  Küstengebiet  Hinter- 
pommerns, Z.  Gef.  Ekde.,  Berlin  19  (1884),  832—404.  Bornhöft,  Der  Greifs 
walder  Bodden,  II.  .Iber,  geogr.  Ges.  Greifswald  1883—1884.  Girth,  Die  Halb- 
insel Heia,  Danzig  1891. 

51.  Ostseekilste  von  Preufsen.  Vom  Rixböft  an  zieht  die  Küste 
in  zwei  kurzen  Rogenlinien  weiter;  sie  bildet  zwei  flach  eingesenkte 
Buchten,  die  teils  vom  Festland,  teils  von  schmalen  Nehrungen  umsäumt 
sind.  Hinter  den  Nehrungen  breiten  sich  zwei  flache  Haffe  aus,  die  das 
Mündungsbecken  von  gröfseren  Flüssen  bilden.  Beide  Küstenbogen 
zeigen  jedenfalls  eine  auffallende  Gleichheit  in  der  Gesamtanlage.  —  Die 
Danziger  Bucht,  die  vom  Rixböft  bis  zum  Brüster  Ort  reicht,  ermangelt 
aus  dem  oben  angegebenen  Grunde  im  W.  der  Düuenzüge.  Hier  tritt 
vielmehr  auf  der  Strecke  bis  Danzig  der  Baltische  Höhenrücken  bis  an 
die  Küste  heran.  Erst  bei  Neufähr  fangen  die  Dünen  wieder  an  und 
ziehen  fast  ohne  Unterbrechung  in  die  Frische  Nehrung  weiter.  Die 
ganze  Bucht  ist  das  Mündungsgebiet  der  Weichsel,  denn  die  Austlufs- 
stellen  dieses  grofsen  Stromes  umfassen  sozusagen  die  ganze  Küsten- 
strecke  von  Danzig  bis  Pillau.  Nachdem  die  Weichsel  den  Baltischen 
Höhenrücken  durchbrochen  hat,  teilt  sie  sich  bei  der  sog.  Montauer 
Spitze  und  bildet  zwei  Hauptarme,  die  ein  flaches,  äufserst  fruchtbares 
Alluvialland,  das  Werder  oder  die  Niederung,  durchfliefsen.  Es  war 
ehemals  eine  öde  Sumpflandschaft  gewesen,  die  durch  die  alljährlichen 
Überschwemmungen  stets  feucht  erhalten  wurde.  Erst  die  durch  den 
Deutsch ritterorden  am  Ende  des  XIII.  Jh.  vorgenommene  Eindeichung 
der  Weichselarme  hat  die  Kultivierung  des  Deltalandes  ermöglicht.  Von 
den  beiden  Mündungsarmen  bildet  den  rechten  die  Nogat,  die,  in  das 


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12G 


I.  I'liysiM-ho  ( leojrraphto. 


Frische  Haff  führend,  der  Hauptuiündungsarm  der  Weichsel  einstmals 
gewesen  zu  sein  seheint  ;  der  andere  linke  Arm.  die  Weichsel  im  engeren 
Sinne,  teilt  sich,  ehe  sie  das  offene  Meer  erreicht,  nochmals,  indem  der 
linke  Arm.  die  Danziger  Weichsel,  an  der  Stadt  vorüberfliefst,  während 
der  rechte,  die  Elhinger  Weichsel,  ebenfalls  in  das  Frische  Haff  mündet. 
Letzterer  hat  freilich  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung,  und  da  dieser 
Arm.  wie  auch  die  Nugat,  sich  kurz  vor  der  Mündung  nochmals  stark 
verzweigen,  so  finden  sich  an  dieser  Südwestecke  des  Haffes  zahlreiche 
Mündungsstellen,  deren  man  im  Jahre  1874  etwa  44  zählte.  Wie 
hier  die  Abflufs Verhältnisse  steten  Veränderungen  ausgesetzt  waren,  so 
nicht  minder  bei  der  Danziger  Weichsel.  Dieser  nach  W.  sich  wendende 
Hauptarm  geht  nördlich  an  Danzig  vorüber,  wo  er  noch  durch  die 
Mottlau  verstärkt  wird,  und  mündet  bei  Neufahrwasser.  Schon  oberhalb 
Danzig  hat  sich  der  Strom  an  einer  Stelle  bis  auf  1  km  dem  Strande 
genähert.  Der  Gedanke,  an  dieser  Stelle  einen  Kanal  zu  graben,  wurde 
erfüllt,  als  der  Kluis  beim  Eisgang  1840  diesen  Isthmus  durchbrach  und 
die  neue  Mündung  bei  Neufähr  schuf.  1  >er  alte  nach  Danzig  führende  Arm 
ist  durch  «Ii«?  Plehndorfer  Schleuse  abgeschlossen  worden.  Um  der  Weichsel 
einen  schnelleren  Abflufs  zu  ermöglichen,  was  besonders  bei  schweren 
Eisgängen  erforderlich  ist,  hat  man  1X90— 1895  unterhalb  der  Teilungs- 
stelle der  Danziger  und  Elbinger  Weichsel  einen  neuen  Kanal  angelegt, 
der  mit  7V2  km  Länge  direkt  zum  Meere  führt  und  bei  Schievenhorst 
mündet. 

Das  Frische  Half  war  vordem  weit  gröl'ser  als  gegenwärtig,  denn 
die  Alluvionen  der  Weichsel  haben  die  ganze  südwestliche  Ecke  bereits 
ausgefüllt.  Nogat  und  I'regel  haben  heute  nur  die  eine  Ausgangsstelle 
durch  die  Nehrung  bei  Pillau.  Doch  haben  die  Öffnungen  im  Laufe 
der  geschichtlichen  Zeit  m«>hrfach  gewechselt.  Die  rechteckig  gestaltete 
Halbinsel  des  Samlandes  trennt  das  Frische  vom  Kurischen  Haff. 
Di«-  vorgelagerte  Nehrung  mit  ihren  Dünenzügen  trägt  das  gleiche  Aus- 
sehen wie  die  Frische  Nehrung,  und  die  Wanderdünen  haben  sich  auf 
ihr  noch  unangenehmer  bemerkbar  gemacht.  Auch  auf  ihr  haben  die 
Mündungsstellen  gewechselt.  Das  weit  grüfsere  und  auch  etwas  tiefere 
Kurische  Haff  nimmt  den  Memel  oder  Njemenstrom  in  sich  auf.  Unter- 
halb Tilsit  teilt  er  sich  in  die  beiden  Hauptarme  Rufs  und  Gilge,  «lie 
ein  fruchtbares  Deltaland  einschliefseil.  Trotz  der  zahlreichen  kleinen, 
nicht  schiffbaren  Wasseradern  innerhalb  «les  Deltas  ist  eine  Kanalver- 
bindung von  «1er  Dehne  nach  der  Gilge  hinüber  nötig  geworden  (Fried- 
richsgraben. Seckei iburger  Kanal). 

Das  Frische  Haff  hat  eine  Gröfsc  von  8G0  qkin  und  «ine  Tief«-  von 
nur  3 — 5  m.  Eigenartig  ist  der  Name.  In  dein  von  König  Aelfred  (Orosius  I, 
1,  20)  mitgeteilten  Bericht  «les  Seefahrers  Wulistan  helfet  es,  dafs  die  Weichsel 
nordwestlieh  von  dem  Estuiere  ins  Meer  gehe.  Hiernach  kann  unter  dem 
Estiner«'  nnr  «las  Frisch«-  Haff  gemeint  sein.  Vgl.  Möllenhoff,  DA.  II,  13.  Die 
Benennung  Irisch'  wir«l  mit  «lein  holländischen  rersch  —  süfs  in  Zusammenhang 
gehrai  ht  und  sei  von  den  holländischen  Kauffahrern  gegeben  worden;  «las  Haff  hat 
Süfewasser.  Die  .r>2  km  lange  Dünennehrung  hat  ehedem  verschiedene  Öffnungen, 
sog.  Tiefs,  gehabt.   Im  Anfang  des  XIV.  Jh.  existierte  ein  Durchgang  nördlich 


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T)1.  I  »NlKCoküste  von  IVcufsen. 


127 


der  Nogatmündung  bei  Vogelsang.  Eine  zweite  Passage  öffnet«'  sich  dann  am 
nördlichsten  Ende  der  Nehrung  bei  Lochstadt.  Durch  Sandanhäufungen  wurde 
sie  1393  wieder  geschlossen,  und  statt  ihrer  entstand  ein  neues  Tief  in  der 
Mitte  bei  Rosenberg.  Die  auf  Elbing  eifersüchtigen  Danziger  Kaufleute  ver- 
senkten an  dieser  Stelle  mehrere  Schiffe  und  führten  so  eine  Versandung  und 
Sehlicfsung  der  Passage  herbei,  hn  Jahre  1455  öffnete  sieh  weiter  nördlich 
ein  Ausgang  gegenüber  Balga ,  der  von  den  Danzigern  in  derselben  Weise 
geschlossen  wurde.  Erst  die  Sturmflut  des  Ii).  September  1510  schuf  das  Neue 
Tief  bei  Pillau,  welches  seitdem  als  Ausgangsstelle  gesichert  ist. 

Das  Sa  ml  and  (Sambia  in  den  Miracula  s.  Alberti.  Saiubita,  Zambia, 
Semkind  [bei  Adam],  Sanüandia  1220)  ist  «  ine  im  0.  mehr  ebene,  im  W.  hügelige 
Diluvialplatte,  die  binnenwarts  durch  den  Pregel  und  die  bei  Tapiau  sich  von 
ihm  abzweigende  und  zum  Kurischen  Haff  führende  Deime  abgeschlossen  wird. 
Das  sog.  Alkgebirge  mit  dem  110  m  hohen  Galtgarben  bildet  die  höchste  Stelle 
der  Platte.  Nach  W.  und  N.  bildet  sie  eine  prächtige  Steilküste,  deren  nord- 
westlicher Eckpunkt  der  Brüster  Ort  ist.  Sie  führt  seit  alter  Zeit  auch  den 
Namen  der  Bernsteinküste  (vgl.  über  sie  weiter  unten). 

Das  Kurische  Haff,  nach  dem  Volksstamm  der  Kuren  benannt, 
1620  <|km  grofs,  hat  an  der  Mündungsstelle  bei  Memel  7,5  m  Tiefe,  eignet 
sich  aber  im  übrigen  auch  nicht  für  den  grofsen  Schiffahrtsverkehr.  Die  120  km 
lange  Nehrung  ist  von  Dünen  durchzogen,  die  bis  zu  62  m  Höhe  erreichen. 
Auch  an  ihr  haben  die  Durchgänge  aus  dem  Haff  in  das  Meer  öfters  gewechselt. 
Noch  drei  Stellen  sind  nachweisbar,  wo  Lücken  im  Dünenwall  sich  befanden, 
die,  um  ein  neues  Durchbrechen  zu  verhindern,  künstlich  vervollständigt  worden 
sind.  Auch  hier  sind  die  Wanderdünen  für  das  an  dem  Haff  gelegene  Land 
sehr  verhängnisvoll  geworden,  da  sie  jährlieh  um  6  m  durch  den  Wind  land- 
einwärts, also  in  das  Haff  vorrückten  und  es  versandeten.  Die  Kirche  des 
Dorfes  Kunzen.  die  zu  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  an  der  Haffseite 
hinter  der  Düne  lag  und  in  den  30er  Jahren  vollständig  vom  Sande  begraben 
wurde,  trat  im  Jahre  1868  mit  ihrem  Kirchhof  und  einigen  Häusern  vor  der 
Düne  auf  der  Seeseite  wieder  hervor.  —  Die  Kurische  Nehrung  wird  zum  ersten- 
male  in  einer  livländischen  Heimchronik  des  XML  Jh.  erwähnt,  wo  sie  schon 
als  Verkehrsstrafse  benutzt  wurde. 

Licht,  Die  unteren  Weichselniedeningen ,  Danzig  ISIS.  Lierau,  Der 
Dünendurchbruch  der  Weichsel  hei  Neufähr  im  Jahre  1840,  Berlin  1892. 
Zweck,  Die  untere  Weichsel  und  ihre  neue  Mündung  Schievenhorst,  Dt.  Rund- 
schau f.  Geogr.  u.  Stat.  18  (1895),  49 — Gl.  Gelhorn,  Die  Mündungen  der 
Weichsel,  Z.  f.  Schulgeographic  16.  289 — 300.  Toe  ppe  n  .  Beitrüge  zur  Geschichte 
des  Weichseldeltas,  Abhdlgn  z.  Landeskde.  der  Prov.  Westpreufsen ,  Heft  8, 
Danzig  1894  (sehr  ausführlich  und  zuverlässig).  —  Die  neue  Mündung  der 
Weichsel,  Anna),  d.  Hydrographie  23  (1895),  234  IT.  —  Die  neue  Weichsel 
mündung,  Globus  68  (1895),  14 1  ff.  —  Müller,  Die  Bcgulierung  der  Weichsel- 
mündung. Zentralblatt  der  Bauverwaltung  XV  (1895),  13:5 — 139,  365 — 371. 
Panzer,  Die  Verbindung  des  Frischen  Haffs  mit  der  Ostsee  in  geschichtlicher 
Zeit,  Altpreufs.  Monatsschrift  18*9,  S.  259  (Vortrag).  Zern  ecke.  Der  Dünen- 
durchbruch bei  Neufähr  am  1.  Febr.  1K40,  Preufs.  Prov.  Bl.  23  (1840),  359. 
Hase  mann,  (her  die  Verbindung  zwischen  Weichsel  und  Nogat  im  Jahre 
1552,  in  Z.  histor.  Ver.  von  Marienwerder,  20.  Heft  (4886),  S.  91.  —  Sommer, 
Das  Kurische  Haff,  Danzig  18S9.  Berendt,  Ocologie  des  Kurischen  Haffs, 
Königsberg  1869.  Bezzen  berger,  Die  Kurische  Nehrung  und  ihre  Bewohner. 
Stuttg.  lHt$9.  Bock,  Die  Vorgeschichte  der  Kurischen  Nehrung,  ihre  Fest- 
legung und  Aufforstung,  Königsberg  0.  .1.  :c  1897  .  Passarge,  Die  Kurische 
Nehrung,  Königsberg  1871.  Dicstel,  Die  Hälfe,  Nehrungen  und  Dünen 
an  der  Küste  von  Ostpreufsen .  Globus  20  (1871),  S.  102  ff.  Jentzseh.  ('her 
die  Gestaltung  der  preußischen  Küste,  Schriften  der  Phvs. -Ökonom.  Ges.  28 
(1887),  S.  38  ff.  Fofs.  Die  preußischen  Ostseeküsten.  Z.*  f.  allg.  Erdke..  NF. 
XI  (1861).  247  ff.  Frömbling,  Die  naturhistor.  und  forstwirtschaftl.  Zustände 


128 


I.  Physische  (.feofgrapliie. 


an  den  poMimersehen .   west-  und  ostpreufs.   Küsten   des  Baltischen  Meeres, 
Stettin  1*5*. 

52.  Nordsee  und  Ostsee.  Zwei  Randmeere  geben  Mitteleuropa  im 
N.  einen  bestimmten  Abschluls.  Sie  sind,  verglichen  miteinander,  sehr 
verschieden  hinsichtlich  ihrer  physischen  Beschaffenheit,  und  entsprechend 
verschieden  ist  der  Einflufs,  den  sie  auf  die  Küstenlandschaften  ausgeübt 
haben;  aber  auch  in  kulturgeographischer  Beziehung  haben  beide  für 
jene  Länder  im  Laufe  der  Geschichte  jeweilig  eine  verschiedene  Bedeu- 
tung gehabt.  Schon  in  ihrem  Verhältnis  zum  offenen  Weltmeer  weichen 
sie  voneinander  ab.  Die  Nordsee  ist  nur  notdürftig  durch  die  britische 
Insel  von  ihm  abgeteilt  und  steht  im  S\Y.  durch  den  Englischen  Kanal, 
im  N.  zwischen  Schottland  und  Norwegen  in  freier  Verbindung  mit  dem 
Ozean;  sie  ist  ein  insular  abgeschlossenes  Meer  und  zeigt  daher  viel 
ozeanische  Eigentümlichkeiten  und  Erscheinungen.  Die  Ostsee  hingegen 
ist  ein  Binnenmeer,  sie  greift  tief  in  die  Kontinentalmasse  hinein  und 
steht  durch  drei  schmale  Meereskanäle  in  oberflächlicher  Verbindung 
mit  der  Hochsee.  Gegenüber  dem  Mittelländischen  Meere,  welches 
Beckensenkungen  bis  zu  2 — 3000  m  und  Maximaltiefen  bis  4000  m  hat, 
stellen  Nordsee  und  Ostsee  nur  sehr  Hache  Meeresbecken  dar,  denn  die 
mittlere  Tiefe  der  Nordsee  beträgt  nur  $9  m,  jene  der  Ostsee  67  m. 
Innerhalb  des  Nordseebassins  bildet  «He  Doggerbank  zwischen  dem  54. 
und  ">6.  Breitengrade  ein  submarines  Plateau  bis  zu  30  m  Tiefe.  Zwischen 
ihr  und  der  Festlandsküste  Mitteleuropas  werden  nur  selten  einmal 
Tiefen  über  60  m  hinaus  gelotet.  Kaum  anders  liegen  die  Verhältnisse 
in  der  Ostsee,  die  besonders  im  westlichen  Teil  von  Rügen  an  nirgends 
mehr  Tiefen  von  60m  aufweist;  weiter  ostlich,  über  Bornholm  hinaus, 
ändern  sieh  aber  die  Tiefen,  und  hier  sind  besonders  die  lokalen  Boden- 
senkungen charakteristisch.  So  finden  sich  im  NO.  der  genannten  Insel, 
ferner  unmittelbar  nördlich  der  Danziger  Bucht,  Beckeneinsenkungen  von 
über  100  m  vor,  die  man  an  unserer  Nordseeküste  vergebens  suchen  würde. 

Weitere  Verschiedenheiten  zwischen  den  beiden  Randmeeren  er- 
geben sich  aus  ihren  Lageverhältnissen  zum  Ozean.  Hierzu  gehört  der 
Salzgehalt  des  Wassers,  der  in  der  Nordsee  im  Mittel  3,3  °/0  beträgt, 
während  das  Ostseewasser  in  der  Kieler  Bucht  an  der  Oberfläche  nur 
1,62%,  bei  Rügen  0,93  und  bei  Heia  0,75  °/„  aufweist.  Von  noch  gröfserer 
Bedeutung  sind  die  Erscheinungen  von  Ebbe  und  Flut,  die  in  der 
Ostsee  ganz  minimale  sind,  in  der  Nordsee  dagegen  täglich  eintretende 
Vorgänge  bilden,  die  die  physische  Beschaffenheit  des  Küstengestades 
ebenso  wie  das  wirtschaftliche  Leben,  Siodelungs-  und  Schiffahrtswesen 
beherrschen  und  regeln.  Die  offene  Lage  der  Nordsee  bedingt  auch  die 
gröfsere  Heftigkeit  der  Sturmfluten  mit  ihren  furchtbaren  Katastrophen, 
während  die  Küsten  der  verhältnismäfsig  ruhigeren  Ostsee  zwar  aueh 
durch  die  Eingriffe  des  bewegten  Wassers  ihre  gegenwärtige  Gestaltung 
erhalten  haben ,  aber  doch  nur  höchst  selten  so  plötzliche  und  tief- 
greifende Veränderungen  erfuhren.  Die  kontinentale  Abgeschlossen- 
heit ihres  Beckens  hat  alle  grofsartigen  ozeanischen  Erscheinungen  er- 
heblich abgeschwächt. 


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52.  Konluec  und  OstHec.  129 

Der  Name  der  beiden  Meere  in  den  ältesten  Zeiten  ist  in  Verbindung 
mit  den  jeweiligen  Kenntnissen  zu  erörtern,  die  man  von  der  Existenz  und 
der  geographischen  Lage  beider  hatte.  Die  Griechen  hatten  von  dem  Vor- 
handensein der  Ostsee  noch  keine  Ahnung,  wenn  auch  ein  Handel  von  Hand 
zu  Hand  mit  den  Produkten  jenes  Meeres  bis  nach  Griechenland  hin  schon 
frühzeitig  bestanden  haben  mufs,  wie  wir  später  noch  sehen  werden.  Auch  die 
Römer  kannten  sie  nicht  aus  eigener  Anschauung,  waren  aber  doch  mittelbar 
über  sie  unterrichtet.  Pvthcas  von  Massilia  war  s.  Z.  nicht  mehr  bis  zur  Ost- 
see gelangt.  Die  Römer  waren  auf  dem  Kriegspfade  nur  bis  ins  Kattegat  ge- 
kommen. Hierauf  weist  die  Flottenfahrt  des  Tiberius  im  J.  5  n.  Chr.  hin 
(Vellej.  Paterc.  II,  106),  ferner  die  Notiz  im  Monument  um  Ancyranum:  Classis 
mea  per  (keamim  ab  ostis  Rheni  ad  solis  orten tis  regionem  nsque  ad  fines  Cimbrorum 
navignrit.  und  Plinius  II.  167:  Septentrimialis  vero  Oceanm  maiore  ex  parte  navi- 
gafns  est  auspieiis  divi  Augusti,  (iermauiam  elasse  eircumveeta  ad  Cimbrorum  pro- 
munturium  et  inde  inmenso  man  prospeefo  auf  fama  eognito  Srythicam  ad  plagam  et 
umore  nimio  rigentia.  Diese  drei  Berichte  scheinen  auf  dieselbe  Tatsache  hinzu- 
weisen; vgl.  Möllenhoff  DA.  IV.  45,431  f.,  496.  Die  Kenntnis  der  eimbrischen 
Halbinsel,  die  bei  Ptolemäus  allerdings  mit  nordöstlicher  Richtungsachse  an- 
gegeben ist,  inufste  eine  Teilung  des  germanischen  Küstenmeeres  nahe  legen. 
Ptolemäus  spricht  daher  II.  11,  1  von  dem  rtg^unxog  Mxtawg  und  111,  5.  1 
von  dem  2?uQftarixiu  fttxnw/tg  mit  dem  Ovtvtdixoc  xoknoc  (Wendischer  Meer- 
busen). Rei  Plinius  IV.  103  wird  die  Nordsee  ebenso  Mare  ttermanicum  ge- 
nannt und  die  Ostsee  bei  Tacitus,  denn.  45  Mare  Suevicum;  für  jene  findet  sich 
bei  spätrömischen  Schriftstellern  auch  Mare  Cimbricmn  (Claudian  26,  335). 
Mela  III,  3  und  6  tut  auch  noch  eines  Sinus  Codanus  Erwähnung,  der  jenseits 
der  Elbe  (super  AlbimJ  gelegen  wäre,  angefüllt  mit  grofsen  und  kleinen  Inseln, 
unter  denen  Codannoria  (—  Seadinavia)  die  fruchtbarste  und  gröfste  wäre.  Auch 
Plinius  IV,  96  beschreibt  diesen  Husen,  der  nach  ihm  zwischen  dem  Möns 
Saevo  «lern  Skandinavischen  Hochgebirge)  und  dem  Cimbrischen  Vorgebirge 
(K.  Skagen)  sich  ausdehnen  sollte  mit  der  Insel  Seatinavia.  Der  ganzen  Situation 
entsprechend  können  hier  nur  Skagerrak  und  Kattegat  diesen  Sinus  immanis 
bilden. 

Im  Mittelalter  treten  für  diese  Meere  ganz  andere  Namen  auf.  Die  Nord- 
see wird  bei  den  älteren  Chronisten  sehr  häutig  Britannischer  Ozean  genannt; 
besonders  oft  bei  Adam  von  Bremen,  bei  dem  sie  auch  einmal  (IV,  1)  Friesischer 
Ozean  heifst.  Nebenbei  bediente  man  sich  aber  der  allgemeineren  Bezeichnung 
Westlicher  Ozean,  von  «lern  die  Nordsee  nur  ein  Teil  war;  Oeeanus  oveidentalis 
bei  Einhard  v.  Car.  c.  12,  Adam  IV.  10,  Helmohl  1,1.  Diese  Bezeichnungsweise 
hat  auch  sehr  lange  bestanden,  und  noch  gegenwärtig  ist  sie  bei  einigen  Na- 
tionen die  übliche.  Die  Normannen  nannten  sie  Vestur  Veg.  die  Dänen  heute 
Vexferltaeef,  die  Schweden  Ve.stcrhaJ ret :  bei  König  Alfred  heilst  sie  Vestsae,  bei 
Regino  und  dem  Annal.  Saxo  alts.  Westarsalt,  dem  ein  OstarsaU  gegenübersteht. 
Westsee  und  Ostsee  sind  vom  Standpunkt  der  Jütischen  Halbinsel  und  Skandi- 
naviens auch  durchaus  verständlich.  Die  Bezeichnung  Nordsee  deutet  auf 
einen  entsprechend  anderen  Ursprungsort  hin.  Bei  Rudolf  von  Ems  (Diu- 
tiska  1,  62)  wird  sie  das  Sortmeer  genannt,  in  der  Braunschweigischen  Reim- 
ehronik  a.  1265:  Nordersee,  bei  den  Friesen  an  der  Ems  und  Weser  KorthJief, 
und  auch  den  Holländern  mufste  diese  Benennung  die  naturgemäfsc  sein,  so 
dafs  sie  ihr  eine  Zniderzee  gegenüberstellten. 

Weit  mannigfaltiger  sind  die  Namen  für  die  Ostsee  gewesen.  Schon 
bei  Adam  treten  für  sie  vier  verschiedene  Namen  auf:  Baltisches  Meer,  Bar- 
barisches Meer,  Skythisches  Meer  und  Östliches  Meer  (IV,  10,  11,  wo  eine  Be- 
schreibung der  See  z.  T.  nach  Einhard  gegeben  ist;  II,  15).  Der  Name  Bal- 
tisches Meer,  später  auch  Beltenmver,  wird  von  Adam  von  halteus  abgeleitet,  weil 
es  sich  wie  ein  Gürtel  »durch  die  skythischen  Gegenden  nach  Griechenland 
hin  erstrecke«.     Ebenso  töricht   sind   die  Vermutungen  moderner  Forscher 

KretBehmer,  Historische  Geographie.  9 


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130 


I.  Physische  Geographie. 


gewesen,  »Ii»'  ihn  mit  der  phönikisehen  Göttin  Baltis  in  Verbindung  brachten. 
Eher  scheint  er  mit  dem  lettischen  Worte  baltas  =  weife  zusammenzuhängen. 
Noch  heute  bezeichnen  die  Letten  die  Ostsee  als  Baltas  juras,  das  Weifse  Meer. 
Die  bei  Plinins  IV,  95  genannte  Inada  Baicia  hat  nichts  mit  dem  Baltischen 
Meere  zu  tun,  niuls  vielmehr  in  der  Nordsee  gesucht  werden  (Möllenhoff  DA.  [t 
476  ff.).  Heute  ist  Baltisches  Meer  nicht  mehr  die  übliche  Bezeichnung,  sie  ist 
durch  Ostmeer  (Mare  Orientale!,  Ostsee  verdrängt  worden.  Im  Orosius  König 
Alfreds  heilst  sie  schon  Ostsae;  in  den  Annales  Einhardi  a.  808:  Ostrasalf 
(<  >stl.  Salzniccr).  Nebenbei  wurden  aber  auch  einige  Teile  der  Ostsee  mit  be- 
sonderen Namen  belegt,  ohne  sie  auf  das  ganze  Meeresbecken  beziehen  zu 
wollen.  S<>  wird  in  einer  Urkunde  Ottos  I.  (1)46,  9.  Mai)  das  Mare  liuyianonun 
genannt,  unter  welchem  nur  jenes  im  Bereiche  von  Rügen  selbst  gemeint  sein 
kann.  Ebenso  hat  das  Estniere  König  Alfreds,  d.  h.  das  Meer  der  Aisten,  nur 
ein«'  lokale  Bedeutung  gebäht;  Müllcnhoff  II,  13  vermutet  in  ihm  sogar  nur 
das  Frische  Haff.  Bei  dem  russischen  Chronisten  Nestor  wird  sie  Warägisclies 
Meer  genannt.  Eine  eigentümliche  Benennung  begegnet  noch  bei  Adam  (IV,  I), 
nach  welchem  Kaiser  Otto  bis  zum  äufsersten  Meere  von  Wendila  gekommen 
wäre,  welches  »bis  auf  den  heutigen  Tag  Ottinmnd  genannt  winde.  An  anderer 
Stelle  (11,  3)  spricht  er  nur  von  dem  äufsersten  Meer,  welches  Otto  auf  seinem 
Zuge  durch  Jütland  erreicht  ;  »es  trennt  die  Nortniannen  von  den  Dänen«  und 
heilst  Ottensuml (!)  Das  Meer  von  Wendila  kann  hiernach  nur  das  Skagerrak 
und  Kattegat  gewesen  sein,  zumal  Adam  (IV,  4)  auch  von  einer  Insel  Wendila 
spricht,  die  vor  der  Insel  Fune  (Fünen)  im  Barbarischen  Meer  gelegen  sei. 
Den  Namen  hat  man  mit  dem  Bezirk,  «lern  Vensyssel  in  Nordjütland  jenseits 
des  Lijmfjords,  in  Verbindung  gebracht.  In  deutschen  Dichtungen  ist  mehrfach 
von  einem  Wentilmere,  Wendeln'  die  Rede.  Müllcnhoff  (IV,  666)  definiert  es  als 
enflilnwri,  wo  die  Welt  zu  Ende  ist  und  wo  man  umkehren  mul's,  wie  bei  dem 
Vcndilskagi  in  Jütland,  ohne  dafs  er  aber  auf  jene  Stelle  bei  Adam  IV,  1  hin- 
weist. Letzterer  hält  das  Wendilmeer  für  gleichbedeutend  mit  dein  Ottcnsund; 
unter  diesem  aber  hat  man  wohl  den  Lijmfjord  zu  verstehen.  Vgl.  oben  p.  117. 

Die  Hegrenzimg  des  Nordseebeekens  ist  durch  die  umliegenden  Länder 
gegeben;  fraglicher  ist  sie  nach  der  offenen  See  hin.  Praktische  Zwecke,  spe- 
ziell die  Hochseefischerei  betreffend,  waren  es,  welche  zu  einer  Vereinbarung  der 
sechs  Nordseemächte  1882  führte,  welche  folgende  konventionellen  Grenzen 
festsetzten:  Der  61.  Breitengrad  bildet  die  Nordgrenze  der  Nordsee  bis  östlich 
zur  norwegisehen  Küste,  diese  südwärts  bis  K.  Lindesnaes,  von  dort  eine  gerade 
Verbindungslinie  nach  Hanstholm  (dem  vorspringenden  nordwestlichen  Eck- 
punkt von  Jütland).  dann  der  Festlandsküste  entlang  bis  zum  Gris  Nez  in  Frank- 
reich, quer  über  den  Kanal  nach  South  Foreland  in  England,  der  englisch- 
schottischen  Küste  entlang  bis  zum  Dunkansby  Head  und  von  hier  aus  in 
geraden  Linien  nach  bestimmten  Inselchen  der  Orkney-  und  Shetland-Gruppe 
bis  zurück  zum  61.  Breitengrad.  —  Die  Flutwellen  der  Nordsee  dringen  von 
N.  und  SW.  durch  den  Englischen  Kanal  in  das  Becken  ein  und  lassen  sich 
in  ihrem  stündlichen  Fortschreiten  verfolgen.  Der  Flutwechsel  beträgt  im 
Mittel  .3,3  m,  ist  aber  an  den  einzelnen  Küstenstellen  sehr  verschieden,  wie  auch 
an  einem  bestimmten  Punkte  erhebliche  Unterschiede  zwischen  Spring-  und 
NippHuten  zu  verzeichnen  sind.  Das  bedeutendste  Hochwasser  findet  sich  bei 
Wilhelmshaven  mit  3,5  m,  bei  Bremerhaven  3,3  m,  Emden  2,8  m.  Brunsbüttel 
3  ra,  Hamburg  1,8  m,  an  der  dänischen  Küste  1 — 1,5  m,  an  der  holländischen 
3—5  m.  Die  Fluthöhen  gehen  aber  unter  der  Mitwirkung  von  Nordweststünnen 
weit  über  die  normalen  Höhen  hinaus.  Sturmfluten  erreichen  dann  infolge 
des  Wasserstaues  bis  zu  7  m  Höhe  und  ziehen  das  flache  Küstengestade  in 
empfindlichem  Mafse  in  Mitleidenschaft,  wie  in  den  vorhergehenden  Abschnitten 
gezeigt  worden  ist. 

Auch  bei  «1er  Ostsee  sind  Sturmfluten  häutig  mit  verderblichen  Folgen 
zu  beobachten,  nur  steigt  hier  das  Wasser  niemals  zu  so  bedeutenden  Höhen 
an.    Denn  Ebbe  und  Flut  sind  nur  sehr  geringfügig:  in  den  Betten  höchstens 


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53.  Klima  von  Mitteleuropa.  131 

0,15  m,  bei  Kiel  0,07,  Swinemimdc  0,01,  Villau  0,007  m.  Dagegen  hat  der 
Wind  infolge  der  Abgeschlossenheit  de»  ganzen  Beekens  einen  sehr  erheblichen 
Einflufs  auf  den  Wasserstand ;  er  bewirkt  dann  in  den  Sackgassen  der  Buchten 
einen  beträchtlichen  Wasserstau.  Bei  der  Sturmflut  vom  12.  bis  13.  November  1872 
erreichte  das  Wasser  bei  Lübeck  3,38  m  Höhe. 

53.  Klima  von  Mitteleuropa.  Infolge  der  geographischen  Lage  ist. 
die  Mitte  Europas  klimatisch  in  einer  Weise  begünstigt,  dafs  kein  Gebiet 
in  gleicher  geographischer  Breite,  weder  in  Asien  noch  in  Nordamerika, 
mit  ihr  verglichen  werden  kann.  Es  ist  ein  ausgeprägtes  Übergangs- 
klima vom  ozeanischen  zum  rein  kontinentalen  Typs.  Jener  findet  sich 
in  Westeuropa  (Frankreich,  Britische  Inseln)  vor;  aber  auch  Belgien,  die 
Niederlande  und  die  Gebiete  der  deutseben  Nordseeküsto  gehören  dieser 
atlantischen  Kliraaprovinz  noch  an.  Milde  Winter,  kühlo  Sommer,  reich- 
liche Niederschläge,  besonders  in  den  Sommermonaten  bei  vorherrschend 
südwestlichen  Winden  sind  ihr  eigen.  Das  Kontinentalklima  dagegen 
ist  in  Rursland  stark  ausgeprägt  und  durch  kalte  Winter,  heifse  Sommer, 
mäfsige  Niederschläge  bei  häufigen  Windstillen  charakterisiert.  Die  öst- 
lichen Randgebiete  Mitteleuropas,  also  Teile  von  Ostprculsen,  Polen  und 
Oberschlesien,  wird  man  dieser  osteuropäischen  Klimaprovinz  noch  zu- 
rechnen können.  Tm  übrigen  bildet  Mitteleuropa  eine  Provinz  für  sich. 
Sie  ist  durch  den  hohen  Wall  der  Alpen  gegen  die  südliche  mediterrane 
Provinz  bestimmt  abgeschlossen,  steht  dagegen  unter  dem  wechselseitigen 
Einflufs  der  östlichen  und  westlichen,  da  natürliche  Grenzen  gegen  diese 
beiden  fehlen.  Es  ist  für  sie  jedoch  von  grofsem  Vorteil,  dafs  der  Ein- 
flufs von  Westen  her  ganz  entschieden  überwiegt.  Der  Atlantische  Ozean 
ist  für  sie  der  Hauptwärme-  und  Jlauptregenspender ;  er  ist  es  aber  auch 
nur  deshalb,  weil  die  vorherrschende  Luftbewegung  eine  westöstliche  ist, 
welche  die  Wärme  des  Golfstromes  und  die  Regenwolken  in  den  Kon- 
tinent hineinleitet.  Und  die  Luftbewegung  ist  wiederum  eine  Folge  der 
günstigen  Luftdruckverteilung.  Besonders  die  barometrischen  Depressionen 
(Gebiete  eines  niederen  Luftdruckes),  die  vom  nordatlantischen  Ozean  her 
aus  der  Gogend  von  Island  durch  Nordeuropa  wandern,  bedingen  ein 
Nachströmen  der  warmen  und  feuchten  Luft  aus  den  höheren  Luftdruck- 
gebieten der  Azorengegend,  und  diese  Luftströmungen  treten  daher  als 
Südwest-  und  Westwinde,  besonders  im  Winter,  bei  uns  auf.  Auf  ihrem 
Wege  über  Nord-  und  Mitteleuropa  bis  nach  Rufsland  hinein  verlieren 
sie  aber  immer  mehr  an  wohltätigem  Einflufs;  der  Niederschlag  nimmt 
in  dieser  Richtung  im  allgemeinen  ab,  weil  sie  den  gröfsten  Teil  ihrer 
Feuchtigkeit  bereits  an  den  französischen  und  deutschen  Mittelgebirgen 
abgesetzt  haben.  Auch  die  Differenz  zwischen  der  mittleren  Januarkälte 
und  mittleren  Juliwärme  nimmt  von  W.  nach  O.,  von  etwa  18 — 22°  C 
zu,  bringt  also  ebenfalls  den  zunehmend  kontinentalen  Charakter  des 
Klimas  zum  Ausdruck.  —  Das  Klima  Mitteleuropas  kann  bei  der  be- 
trächtlichen Ausdehnung  keine  Einheitlichkeit  zeigen;  dem  wirkt  aber 
vor  allem  auch  die  starke  Gliederung  des  Landes  in  .vertikaler  Richtung 
entgegen.  Auf  engstem  Raum  sind  relative  Höhendifferenzen  von  lloch- 
und  Tieflandschaft  in  gröfster  Mannigfaltigkeit  vertreten  und  üben  ihren 

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132  I-  Physische  Geographie. 

unverkennbaren  Einflufs  auf  die  Verteilung  der  Temperatur-  und  Nieder- 
schlagsverhältnisse aus. 

Die  Temperaturen  schwanken  im  Jahresmittel  zwischen  6°  und 
11°  C,  wobei  die  durch  Höhenlage  und  besondere  Exposition  ausge- 
zeichneten Orte,  wie  der  Brockengipfel  mit  2,4°,  natürlich  ausgenommen 
sind.  Am  günstigsten  beanlagt  ist  in  dieser  Beziehung  die  Oberrheinische 
Tiefebene,  wo  z.  B.  in  Mannheim  10,5°  als  Jahresmittel  die  Regel  ist, 
am  ungünstigsten  dagegen  Ostpreufsen,  wo  Arvs  am  Spirdingsee  nur 
0,3°  aufweist.  Eine  richtige  Vorstellung  von  den  Temperaturverhält- 
nissen  gewinnen  wir  aber  erst  aus  der  Betrachtung  der  jahreszeitlichen 
Temperaturmittel,  besonders  in  einer  Gegenüberstellung  der  Winter-  und 
Sommertemperaturen;  für  jene  ist  die  mittlere  Januar-,  für  diese  die 
mittlere  Julitemperatur  charakteristisch.  Die  Isothermenkarten  für  beide 
Monate  bringen  die  jewoilige  Temperatur  Verteilung  am  besten  zum  Aus- 
druck. Iiier  zeigt  es  sich,  dafs  die  Januar-Isothermen  einen  mehr  nord- 
südlichen Verlauf  nehmen,  so  dafs  ein  Wärmeunterschied  von  W.  nach 
O.  sich  bemerkbar  macht.  Die  0°  Isotherme  läuft  an  der  Westküste  von 
Schleswig -Holstein  über  Bremen,  Magdeburg,  Bayreuth,  München  und 
dann  in  südöstlicher  Richtung  durch  die  Alpen  nach  Villach  ;  doch  ist 
hierbei  zu  bemerken,  dafs  die  Temperaturstände  jener  Orte  auf  die 
Meeresspiegelhöhe  reduziert  worden  sind,  um  streng  vergleichbare  Werte 
zu  erhalten;  denn  die  wahre  Januartemperatur  ist  bei  den  binnenländi- 
schen Orten  weit  unter  dem  Gefrierpunkt  wegen  der  bedeutenden  Höhen- 
lage. Westlich  jener  Linie  herrschen  höhere  Temperaturen,  östlich  nieder^ 
Temperaturen  als  0°  C.  Im  Juli  haben  die  Isothermenlinien  einen 
ganz  anderen  Verlauf,  da  sie  dann  von  W.  nach  0.  streichen,  also  eine 
Temperaturzunahme  entsprechend  der  geographischen  Breite  von  N.  nach 
8.,  von  16  -22°  C  hervortritt. 

Die  Niederschläge  sind  ganz  besonders  von  lokalen  Verhält- 
nissen abhängig.  Der  Bereich  der  Nordseeküste  von  Belgien  bis  Jüt- 
land  steht  noch  ganz  unter  dem  unmittelbaren  Einflufs  des  Ozeans  und 
weist  HO  cm  Regenhöhe  auf.  Im  norddeutschen  Binnenlande  nimmt 
letztere  bis  nach  Polen  hinein  auf  f>0  cm  ab.  Dagegen  zeigt  das  übrige 
Mitteleuropa  infolge  seiner  reichen  orographischen  Gliederung  eine  ent- 
sprechende Mannigfaltigkeit  in  der  Verteilung  und  der  Höhe  der  Nieder- 
schläge. Da  die  vorherrschende  Luftbewegung  von  W.  nach  O.  statt- 
findet, so  werden  die  den  Westwinden  ausgesetzten  Gebirgsseiten  natur- 
gemäfs  niederschlagsreicher  sein  als  die  abgewendeten.  Der  Nieder 
schlag  nimmt  mit  Annäherung  an  das  Gebirge  im  allgemeinen  zu  und 
innerhalb  des  Gebirges  mit  der  Höhe.  Wie  auf  der  Leeseite  der  Berg 
züge  der  Niederschlag  schon  geringfügiger  ist.  so  nimmt  er  auch  in  den 
hinter  ihnen  gelegenen  Niederungen  noch  mehr  ab.  Auch  mäfsig  hohe 
Hügelzüge  vermögen  schon  ihren  Einflufs  auf  die  Verteilung  der  Regen- 
mengen auszuüben.  Eine  Karte  der  mittleren  jährlichen  Regenmengen 
in  Mitteleuropa  läfst  die  Gebirgszüge  als  Regenfänger  scharf  hervortreten, 
sie  gibt  aber  zugleich  auch  einen  Überblick  über  die  orographisehe  Ge- 
staltung des  Landes  im  allgemeinen. 


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5&  Klima  von  Mitteleuropa. 


133 


Mit  Rücksicht  auf  den  beträchtlichen  Raumumfang  Mitteleuropas,  der 
<*twa  8U0000  <|km  betrügt,  die  grofse  Verschiedenheit  in  den  Höhenverhältnissen, 
die  Meeresnähe  bezw.  -ferne  der  einzelnen  Landschaften  lt.  a.  m.  hat  man 
die  ganze  Klimaprovinz  in  kleinere  Klimabezirke  geteilt,  in  welchen  die 
klimatischen  Erscheinungen  im  allgemeinen  und  die  Witterungsverhältnisse 
im  besonderen  einen  gleiehartigen  Typus  haben.  Da  es  sich  für  unsere 
Zwecke  nur  um  eine  kurze  Charakteristik  des  mitteleuropäischen  Klimas 
handeln  kann,  so  darf  von  einer  Spezielleren  Ausführung  hier  Abstand  ge- 
nommen werden. 

Der  Eintlufs,  den  die  jeweiligen  Witterungsverhältnisse  auf  das  wirtschaft- 
liehe Leben  gehabt  habi  n,  ist  ein  sehr  weitreichender.  Aber  die  historische 
Witterungskunde  ist  ein  Kapitel,  welches  bisher  nur  teilweise  bearbeitet 
worden  ist;  und  doch  ist  es  auch  nach  der  naturwissenschaftlichen  Seite  hin 
für  die  Frag«'  nach  den  Klimaschwankungen  nicht  ohne  Bedeutung.  Ver- 
schiedene geschichtliche  Vorgänge  haben  aber  direkt  unter  dem  Eintlufs  der 
Witternngserseheinungen  gestanden:  heifse,  trockne  Sommer  mit  ihren  Folgen 
für  die  Ernte,  Hungersnöten,  Epidemien  und  wirtschaftlichen  Krisen,  harte, 
strenge  Winter  nüt  anderen  Wirkungen,  wie  jener  des  Jahres  1788—1789  un- 
mittelbar vor  der  Französischen  Revolution  oder  jener  des  .Jahres  1812  in  Rufs- 
land, ferner  sehr  feuchte  Jahre  mit  furchtbaren  Überschwemmimgen,  vereinzelt 
auch  Stürme  und  Orkane,  die  besonders  an  den  Küsten  in  Verbindung  mit 
Sturmfluten  verheerend  aufgetreten  sind.  Es  wäre  eine  sehr  dankbare  Aufgabe, 
den  Emtiuls  nachzuweisen,  welchen  Klima  imd  Witterung  auf  historische  Vor- 
gänge und  wirtschaftliche  Erscheinungen  gehabt  haben.  Von  welcher  Resehaffen- 
neit  das  Quellenniaterial  für  die  ältere  Zeit  des  Mittelalters  ist,  zeigt  nachfolgende 
Zusammenstellung : 

Im  VIII.  Jh.:  709,  ein  rauher  Frühling.  711,  grofse  Überschwemmungen. 
763—764,  ein  sehr  6trenger  Winter,  der  Anfang  Oktober  mit  grofser  Kälte  ein- 
setzte und  bis  zum  Februar  währte;  verschiedene  andere  Quellen  geben  ein 
früheres  Datum,  762—763,  an.  764,  strenge  Kälte  vom  14.  Dez.  bis  16.  März. 
Desgl.  766.  772,  grobe  Trockenheit.  783,  sehr  heifser  Sommer.  784.  viel 
»erschwennnungen.  794,  grofse  Trockenheit,  trotzdem  ein  fruchtbaren  Jahr. 

hu  IX.  Jh.:  808,  sehr  lauer  Winter,  groTse  Überschwemmung  im  Franken- 
reich,  am  28.  Dez.  höchster  Wasserstand.  811,  harter  Winter  bis  Ende  März. 
813,  sehr  kalter  Winter.  815.  grofse  Rheinüberschwemmung.  821  -822,  unge- 
wöhnlich strenger  Winter,  so  dafs  Rhein,  Donau,  Elbe,  Seine  und  andere  gal- 
lische und  germanische  Flüsse  mehr  als  30  Tage  zugefroren  waren.  Auch  823 
herrschte  ein  rauher  Winter,  gefolgt  von  grofser  Trockenheit  und  Hungersnot. 
Ebenso  824.  834,  Überschwemmungen.  838,  feuchter,  stürmischer  Winter; 
am  21.  Jan.  und  1 6.  Febr.  t  rewitter  bei  hoher  Temperatur.  839,  milder  Herbst. 
843,  kalter,  langer  Winter.  844,  sehr  milder  Winter  bis  zum  1.  Febr.  845, 
harter  Winter.  846,  rauher  Winter  mit  stürmischem  Nordwind  bis  zum  Mai. 
855,  viel  Stürme  und  Unwetter  mit  Handschlag.  857,  Heuschreckenplage.  858, 
grofse  Überschwemmungen.  860,  langer  Winter  von  Nov.  bis  April  mit  fort- 
gesetzten Schneefällen  und  strenger  Kälte ;  am  5.  Febr.  «'in  Gewitter.  863, 
stürmischer,  veränderlicher  und  sehr  feuchter  Winter,  fast  ohne  Frost.  864, 
Rhein  und  Main  zugefroren.  865,  Überschwemmung  und  Hagelschlag.  867, 
Nordlicht,  Meteorfall.  868,  nasser  Sommer.  869,  anfangs  feuchter,  dann  heifser 
Sommer.  870.  grofse  Trockenheit  im  Juni  bis  August.  871,  kalter  Winter. 
872.  grofse  Hitze  und  Hagelschlag,  Mifsernte.  873,  furchtbare  Heuschrecken- 
plage in  Deutschland  und  Frankreich  im  Juli  und  August;  die  Heuschrecken 
kamen  von  Osten  und  zerstörten  die  Ernte;  allgemeine  Hungersnot.  874, 
strenger  Winter  mit  starkem  Schneefall,  darauf  langer  troekner  Sommer.  880, 
rauher  Winter,  Rhein  und  Main  zugefroren.  881,  kalter  Frühling.  886,  viel 
Regen,  Rhcinüberschwemmung.  887,  rauher  Winter.  Desgl.  893.  896,  Über- 
schwemmungen, 


134 


I.  PhyHiMvlie  (ieojrniplue. 


Im  X.  Jh.:  913.  strenge  Killte.  921.  grofse  Dürre  vom  Juni  bis  Sept. 
927,  strenger  Winter.  940,  Hungersnot  infolge  eines  harten  Winters.  %it 
das  ganze  Jahr  viel  Hegen  und  Flulkschwellen.  968,  grofse  Überschwemmung. 
973,  kühler,  feuchter  Sommer.  974,  grofse  Trockenheit  den  ganzen  Sommer 
über.  975,  langer,  harter  und  trockener  Winter  vom  1.  Nov.  bis  Mitte  Marz; 
am  15.  Mai  nochmals  grofser  Schneefall.  977,  reiches  Weinjahr.  987,  Rhein- 
und  Moselüberschwemmung.  991,  viel  Regen.  993,  ungewöhnliche  Trocken- 
heit und  Hitze  vom  24.  Juni  bis  5.  Nov.  994,  sehr  strenger  Winter  vom 
3.  Nov.  993  bis  5.  Mai,  dann  stürmische  Winde  und  in  den  Nächten  statt  <!<•< 
Taues  winterlicher  Keif ;  am  7.  Juli  trat  Kälte  ein,  die  Flüsse  trockneten  au>, 
und  es  war  so  grofser  Regenmangel,  dafs  in  den  Teichen  die  Fische  starben, 
die  Bäume  verdorrten  etc.    995,  sehr  trockenes  Jahr. 

Im  XI.  Jh.:  1002,  Hochwasser  in  der  Donau.  1003,  sehr  langer  Wim« -r 
und  reichlicher  Niederschlag  mit  Überschwemmungen.  1011,  langer,  harter 
Winter;  am  30.  Juli  furchtbarer  Hagelschlag.  1013,  am  15.  Dez.  grofse  Über- 
schwemmung, besonders  der  Donau.  1020,  harter,  langer  Winter;  am  18.  Juli 
ein  Nordlicht.  Elbe  und  Weser  haben  grofse  Überschwemmungen.  1033,  reiches 
Frucht-  und  Wein  jähr.  1035,  Überschwemmungen.  1036,  langer,  harter  Winter. 
1039,  sehr  heifser  Sommer.  1040,  Überschwemmungen.  1042,  regenreicher 
Sommer.  1043,  strenge  Kälte  vom  1.  Dez.  1043  bis  1.  März  1044  ;  vorher  nasser 
Sommer.  1044,  schlechtes  Wein  jähr.  1040,  viel  Schnee  und  Kälte.  105<>, 
heftiger  Orkan  am  28.  Jan.  1057,  am  25.  April  grofser  Schneefall.  1060. 
ziemlich  harter  und  schneereicher  Winter,  dann  grofse  Überschwemmungen. 
1063,  im  April  vier  Tage  lang  winterliche  Witterung  mit  Schneefällen.  1067. 
strenger  Winter  vom  13.  Nov.  bis  12.  März.  1068,  Überschwemmungen,  regen- 
reiches Jahr.  1069,  rauher  Winter.  1070,  stürmischer,  feuchter  Winter.  1071, 
strenge  Kälte.  Desgl.  1074.  107(5—1077,  auffallend  langer,  harter  Winter  von 
Ende  Okt.  bis  Anfang  April;  vom  26.  Nov.  bis  März  waren  alle  Flüsse 
gefroren.  1078,  grofse  Trockenheit.  Harter  Winter  vom  1.  Nov.  bis  25.  April. 
1079,  feuchter  Sommer.  1080,  rauher  Winter.  1083,  sehr  heifser  Sommer. 
1086,  Hochwasser.  108S,  Mitte  Januar  Überschwemmungen.  1089,  desgl., 
regenreiches  Jahr.  1090,  am  1.  April  starker  Frost  mit  Schneefall.  1093,  regen- 
reicher Herbst.  1097,  Hochwasser.  1099.  strenger  Winter,  besondersacht  Wochen 
hintereinander. 

Im XII.  Jh.:  1 100,  sehr  harter  Winter.  1110.  desgl.  1112,  heifeer  Sommer. 
1113,  am  23.  April  grofser  Schneefall.  1114,  heftiger  Sturm  am  18.  Nov. 
1116.  strenger  Frost  vom  1.  Nov.  1115  bis  Mai  1116.  1118,  Hochwasser  in 
ganz  Europa,  besonders  im  Sept.  1120,  Unwetter  in  Westfalen.  1121,  grof>e 
Trockenheit  drei  Monate  hindurch,  März  bis  Mai;  warmer,  windiger  Winter. 
1122,  harter  Winter.  1123.  desgl..  Rhein  gefroren.  1124,  harter,  sehneereicher 
Winter.  1125.  ebenso.  1126.  ungewöhnlich  viel  Schnee,  dann  16.  Febr.  Hoch- 
wasser. 1128.  Anfang  Mär/,  milde  Witterung,  in  der  Mitte  des  Monats  heftige 
Kälte.  Mitte  Sept.  abermals  Kälte.  Doch  wird  das  Jahr  als  sehr  trocken 
geschildert.  1129,  Mitte  Jan.  Hochwasser.  1133.  Überschwemmungen.  1131. 
sehr  trocken.  Unbeständiger  Winter;  Elbe  zweimal  gefroren,  die  Mulde 
viermal  gefroren  Wenig  Schnee.  1135,  Hochwasser  am  1.  Okt.  1136,  sehr 
heifser  Sommer,  Mensrhen  und  Vieh  starben.  1137.  ebenfalls  sehr  heifs  und 
trocken.  1140,  strenger  Winter  mit  vielem  Schnee.  1141,  Winter  ohne  Schnee 
und  Eis.  dagegen  kühler  Sommer.  1142,  harter  Winter,  dann  Hochwasser. 
1143.  desgl.;  Schneedecke  vom  29.  Nov.  1142  bis  2.  Febr.  1143.  Über- 
schwemmung. Im  Sommer  viel  Regen.  1144.  feuchter  Winter,  sehr  stürmisch. 
1148,  schneereicher  Winter.  1149.  strenger  Frust,  das  Meer  angeblich  bis 
drei  Meilen  vom  Lande  zugefroren.  Im  März  Stürme  und  Hochwasser. 
Der  folgende  Winter  setzte  mit  viel  Schnee  am  6.  Dez.  ein  und  währte 
bis  1.  März  1150;  vom  9.  Dez.  bis  16.  Febr.  Eis.  Hungersnot.  1152,  gewaltige 
Überschwemmung  im  Jan.   1154,  Hochwasser.   11:,5,  viel  Regen,  im  Aug.  und 


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&3.  Klima  von  Mitteleuropa.  J-J5 

Sept.  grofse  Trockenheit.  Schneefülle  begannen  am  1.  Okt.  und  «lauerten  bis 
30.  April.  1150,  troekener  Winter,  milder  Frühling,  Anfang  Juni  Hochwasser. 
1157,  viel  Schnee,  ungewöhnliche  Kälte  um  den  29.  März.  1159.  langer  Winter. 
1163,  vom  10.  Aug.  bis  11.  Nov.  fast  ununterbrochen  Regen.  1163,  Iber- 
schweinmungen.  1164,  langer,  harter  Winter  bis  Mär/.  1166,  harter  Winter, 
reiches  Wein  jähr,  am  24.  Juni  furchtbarer  Hagelschlag.  1167,  strenger  Winter  . 
vom  23.  De/,  an  bis  16.  März.  3.  April,  Hagelschlag.  11611.  sehr  feuchtes 
Jahr.  Gewitter  im  Dezember.  1170,  sehr  heifser  Sonnner.  Sturmfluten  an 
der  Küste  Frieslands.  1171,  die  Donau  vom  25.  Dez.  an  7  Wochen  lang 
zugefroren,  dann  grofse  Trockenheit.  1173,  rauher  Winter,  dann  Dürre.  1174, 
feuchtes  Jahr,  im  Nov.  viel  (  berschwemmungen.  1175,  regenreicher  Sommer, 
während  eine  andere  Quelle  ihn  als  trocken  bezeichnet.  1177.  Sommer  trocken 
und  heifs.  nach  Ende  Aug.  viel  Regen.  1178.  Ende  Jan.  Ende  des  Frostes, 
dann  Hochwasser.  1179,  in  der  zweiten  Woche  des  Jan.  viel  Schnee,  dann 
strenge  Kälte  bis  Mitte  Februar.  Wanner  Herbst  bis  3.  Okt.  1182,  feuchter, 
kühler  August.  1183,  Hochwasser,  besonders  im  Juli;  rauher  Herbst.  1186—1187, 
ungewöhnlich  milder  Winter,  so  dafs  im  Dez.  und  Jan.  viele  Blumen  blühten. 
Im  März  folgte  aber  strenge  Kälte,  so  dafs  es  zu  Pfingsten  i,Mai)  schneit«'  und 
alle  Früchte  erfroren.  1188,  trockner  Sommer.  1189.  heUscr  Sommer  bis 
Aug.  1190,  trockner,  warmer  Winter,  «lann  viel  Regen  und  Hochwasser.  1194, 
grofse  Überschwemmung  des  Donaugebictes.  1195,  Regnerischer  Sonnner  mit 
folgender  Hungersnot,  die  bis  1197  in  ganz  Mitteleuropa  anhält. 

Es  mag  mit  der  Aufzählung  der  \Vitterungsv<'rhältnisse  dieser  fünf  Jahr- 
hunderte hier  sein  Bewenden  haben  Die  Nachrichten  entstammen  zumeist 
den  Annalen  und  Chroniken  des  früheren  Mittelalters.  Mit  «lern  XIII.  Jh. 
steigt  die  Zahl  der  Notizen  schon  beträchtlich  an.  Freilich  sind  es  noch  bis 
in  «las  XIV.  Jh.  hinein  nur  g«'legentlich«'  Mitteilungen  Über  das  Wetter,  «lie 
untermischt  mit  Nachrichten  ganz  anderen  Inhalts  gegeben  werden.  Jahr  für 
Jahr  oder  gar  Tag  für  Tag  fortschreitende  Wetterjournale  wurden  noch  nicht 
geführt.  Zusammenstellung  «1er  überlieferten  \Vitterungs«TS«-heinungen  besonders 
<l«is  Mittelalters  lieferten  Alwin  Schulz,  Das  höfische  Leben  zur  Zeit  der 
Minnesäuger,  Leipzig  1889,  I.  102  IT.  Lainprccht.  Deutsches  Wirtechafts- 
leben  I.  S.  1537 — 1557.  C ursch m a n n ,  Hungersnöte  im  Mittelalter,  «'in 
Beitrag  zur  Deutschen  Wirtschaftsgeschichte  «l«  s  VIII.  -XIII.  Jh.,  Leipzig  1900, 
S.  89 — 217  (bringt  eine  sehr  ausführliche  Chrtmik  der  elementaren  Ereignisse 
bis  1317).  R.  Hennig,  Katalog  bemerkenswerter  Witterungsereignisse ,  in 
Abhandlgn  «1.  Kgl.  Preufs.  Meteor.  Inst.  II,  4.  Vgl.  ferner  E.  Brückner, 
Klimaschwankungen  seit  1700  nebst  Bemerkungen  über  die  Klimaschwankungen 
«ler  Diluvialzeit,  Wien  1*90  (ben-chnet  die  mittlere  Dauer  der  Schwankungen 
zu  35—36  Jahre). 

Gegenüber  den  nur  gelegentlichen  Witterungsna«  hrichten  aus  dem  frühen 
Mittelalter  verdienen  «Ii«?  rcgelmäfsig  geführten,  wenn  auch  nicht  immer  ganz 
lückenlosen  Wetterjournale  eine  höhere  Beachtung.  Das  älteste  noch  «  rhidtene 
Journal  dieser  Art  ist  «las  von  William  Merle  für  die  Jahre  1337 — 1314  ^aller- 
dings auf  England  bezüglich).  Eine  neue  Quelle  für  meteorologisch«'  Nachlichten 
früherer  Zeiten  hat  Gustav  Hellmann  entdeckt  und  zwar  in  «len  Kalendern 
un«l  astronomischen  Ephemeriden.  Di«'  Almanachc  waren  meist  mit  «  inem 
breiten,  weiten  Rand  (neben  «lern  Text)  versehen,  auf  dem  sich  häufig  fort- 
laufende Wetterbeobachtungen,  schriftlich  beigefügt,  finden.  So  besonders  in 
dem  Kalender  von  J.  StöffiVr  und  J.  Pflaum:  Almauach  nm:a  [tlnrimis  annis 

vrnturis  inservieittia   1499,  «l«'r  die  Ephemeriden  für  1 499 — 1531  enthält. 

Durch  eine  Umfrage  bei  zahlreichen  Bibliotheken,  die  Exemplare  jenes  Ahna- 
nachs  mit  etwaigen  meteorologischen  Notizen  besitzen,  gelaug  es  Heitmann, 
eine  Anzahl  von  Beobachtungsreihen  zusammenzustellen  und  zwar  vier  für  das 
XV.  Jh.,  45  für  das  XVI.  Jh.  und  17  für  das  XVII.  Jh.  -  Weitere  Nachrichten 
bieten  die  Praktiken  und  Prognostiken  seit.  <l«'in  XVI.  Jh..  «Ii«-  neben  dem 


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13<; 


I  Phyfdnche  Geographie. 


vorausgesagten  Wetter  auch  da«  später  beobachtete  Wetter  enthalten.  Eine, 
wesentliche  Förderung  erfuhr  die  Jorschung  durch  Benutzung  von  meteoro- 
logischen Instrumenten,  von  denen  die  wichtigsten  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  XVI.  Jh.  existierten  (die  Mehrzahl  war  in  Italien  erfunden  worden). 
—  Die  ältesten  Wetterbeobachtungen  aus  Deutschland  liegen  vom  Jahre  1491 
.  vor.  aus  Österreich  von  1500,  aus  der  Schweiz  von  1545.  aus  Belgien  von  1548. 
aus  Dänemark  von  15(12.  Im  übrigen  vgl.  Neudrucke  von  Schriften  und  Karten 
über  Meteorologie  und  Erdmagnetismus ,  herausgegeben  von  G.  Hell  mann. 
Bd.  13:  Meteorolog.  Beobachtungen  vom  XIV.— XVII.  Jh.,  Berlin  1!»01 ;  femer 
auch  Bd  12:  Wetterberichte  in  Flugschriften  des  XV.  und  XVI.  Jh. 


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II.  Politische  Geographie  von  Mitteleuropa 

im  Altertum. 


54.  Germanien.  Von  den  Ländern  und  Völkern  jenseits  des  Alpen- 
Avalles  hatten  die  Kömer  erst  im  I.  vorchristlichen  Jahrhundert  nähere 
Kenntnis  erworben.  Die  von  dorther  drohende  Gefahr  mtlfste  not- 
wendigerweise das  Interesse  für  die  Naturbeschaffenheit  jener  nordischen 
Gebiete  und  die  Eigenart  ihrer  Bewohnerschaft  wachrufen;  um  einen 
Gegner  in  seinem  eigenen  Lande  überwältigen  zu  können,  ist  das  Studium 
.seiner  Charaktereigenschaften,  seiner  wirtschaftlichen  Kultur  und  nicht 
zum  wenigsten  seines  Wohnplatzes  die  erste  und  wichtigste  Vorbedin- 
gung. Unsere  Kenntnisse  von  den  damaligen  Zuständen  gründen  sich 
auf  den  Nachrichten,  welche  griechische  und  römische  (Quellen  uns 
liefern.  Teils  sind  es  Schilderungen  der  kriegerischen  Verwickelungen 
mit  den  Völkern  Germaniens,  teils  systematische  Darstellungen  der 
geographischen  und  ethnischen  Verhältnisse.  Caesar,  Strabo,  Püning, 
Tacitus  und  Ptolemäus  sind  hierfür  an  erster  Stelle  zu  nennen. 
Schliesslich  haben  aber  auch  sprachwissenschaftliche  und  archäologische 
Forschungen  sehr  wesentliche  Ergänzungen  zu  den  historischen  Quellen 
geliefert. 

Da  hier  nur  ein  Gesamtüberblick  über  die  Geographie  Mitteleuropas  im  Alter- 
tum gegeben  werden  soll,  so  seien  auch  aus  der  ungemein  reichen  Literatur 
nur  die  wichtigeren  Werke  namhaft  gemacht,  von  denen  einige  weitere  Literatur- 
nachweise bieten.  Dies  gilt  auch  für  die  folgenden  Abschnitte.  —  Das  Werk 
von  Forbiger,  Hdb.  der  alten  Geographie  1877.  III,  S.  230  ff.,  ist  zwar 
veraltet,  doch  als  Materialsammlung  noch  brauchbar.  H.  Kiepert,  Lehrbuch 
der  alten  Geographie  1878,  S.  534  ff..  364  ff.  und  Atlas  antiquns,  t.  XI.  J.  Jung, 
Grundrifs  der  Geogr.  von  Italien  und  dein  Orbis  Romanus,  in  Iw.  Müllers 
Hdb.  der  klass.  Altertumswiss.  1897,  III,  3,  106  ff. 

f'bcr  die  Quellen  orientieren:  O.  1$  renn  er,  Nord-  und  Mitteleuropa  in 
den  Schriften  der  Alten  bis  zum  Auftreten  der  Cimbcm  und  Teutonen.  München, 
Dissert.  1877.  0.  Bremer,  Ethnographie  der  germanischen  Stämme,  in  Pauls 
Grundrifs  d.  gerin  Philologie  1900.  III,  741  ff.  A.  Riese,  Das  rheinische 
Germanien  in  der  antiken  Literatur.  Lpz.  1892. 


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II.  Politische  Geographie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 


Von  grundlegender  Bedeutung  K.  M  ü  1 1  e n  ho  f f ,  Deutsche  Altertums- 
kunde (Bd.  I:  Die  frühesten  Ent<leckungen  durch  Phöniker  und  Pvtheas,  II: 
D.  Nachbarn  der  Germanen ,  III:  Ursprung  der  Genn.,  IV:  Kommentar  7.11 
Tacit.  Germ.).  Berlin,  z.  T.  in  2.  Aufl.  Von  den  vielen  Taeitus-Kommentaren 
sei  aufser  diesem  noch  Baumstark.  Ausführliche  Erläuterung  der  Germania 
d.  Tac.  2  Tie.,  Lp*.  1875,  1880  genannt. 

55.  Historische  Ethnographie.  Als  die  Romer  im  IL  vorchrist- 
lichen Jahrhundert  zum  erstenmal  mit  einem  germanischen  Völker- 
stamm,  den  Kimhern,  in  feindliche  Berührung  kamen,  war  die  geogra- 
phische Ausbreitung  der  Germanen  eine  weit  beschränktere  als  100  Jahre 
später.  Soweit  hier  Mitteleuropa  in  Frage  kommt,  hatten  neben  den 
Germanen  noch  die  Kelten  einen  grofsen  Teil  des  Landes  in  Besitz, 
und  im  äufsersten  Osten  reichten  slavische  und  aistische  Volkerstämme 
in  unser  Gebiet  hinein.  Das  Verbreitungsgebiet  der  Kelten  läfst  sich 
aus  der  Ausbreitung  keltischer  Gebirgs-  und  Flufsnamen  noch  erschliefsen, 
wie  Taunus,  Semana,  Gabreta,  Sudeta,  ferner  Wetter,  Main,  Embscher, 
Iser.  Eger  11.  a.  in.  Im  II.  Jh.  bildeten  die  genannten,  damals  natür- 
lich noch  unbewohnten  Gebirgszüge  Mitteldeutschlands  die  ungefähre 
Nordgrenze  des  keltischen  Gebietes,  während  Norddeutschland  schon 
von  germanischen  Stämmen  besetzt  war.  Auch  die  Namen  der  in  Süd- 
deutschland  ansässigen  keltischen  Völker  sind  uns  teilweise  noch  erhalten. 
In  dem  Lande  zwischen  Oberrhein  und  Main  safsen  die  Helvotier,  zu 
denen  wohl  auch  die  Teutonen  gehörten.  Der  gröfste  Teil  von  ihnen 
hatte  diese  Gebiete  im  I.  Jh.  schon  verlassen,  so  dafs  hier  eine  men- 
schenleere Einöde,  it  rvtr  Kkovitiivtv  tQr}t*OQ  fit'y.Qt  uov  thiiiioi>  ogtor 
(Ptol.  II.  11,  ti),  entstand.  Südlich  der  Donau  in  der  oberdeutschen 
Hochebene  safsen  die  ebenfalls  keltischen  Vindelicier,  in  Böhmen, 
Bqjohaemum.  die  Bojer,  in  den  Ostalpen  die  Taurisker-Noriker,  in 
Mähren  die  Volcer,  an  die  sich  im  ungarischen  Erzgebirgo  die  Cotinen 
anschlössen.  —  Seit  dem  Anfang  des  letzten  vorchristlichen  Jahrhunderts 
drängten  die  Germanen  weiter  nach  S.  vor,  und  in  kürzester  Zeit  bietet 
die  Völkerkarte  ein  gänzlich  verändertes  Bild.  Zuerst  wurden  die  ver- 
lassenen Gebiete  zwischen  Main  und  Donau  von  (Jermanen  wieder 
besetzt,  und  seit  72  v.  Chr.  setzten  sie  sich  auch  auf  linksrheinischem 
Gebiete  fest  (im  Elsafs  und  der  Pfalz).  Im  Jahre  (50  v.  Chr.  waren  die 
Bojer  aus  Böhmen  nach  S.  gezogen,  und  das  Land  stand  den  Marko- 
mannen offen ,  die  um  das  Jahr  8  v.  Chr.  dort  einzogen.  Zu  Caesars 
Zeiten  safsen  aber  germanische  Stämme  auch  in  den  linken  nieder- 
rheinischen Gebieten.  Viele  von  ihnen  rühmten  sich  ihrer  germanischen 
Abkunft,  wenn  sie  auch  alle  schon  stark  keltisiert  waren.  In  diesen 
Gebieten  der  Gallia  Belgica  hat  auch  der  Germanenname  seinen  Aus- 
gang genommen,  der  übrigens  erst  seit  und  durch  Caesar  als  Kollektiv- 
begriff  bei  den  Römern  üblich  wurde.  Die  Germanen  selbst  nannten 
sich  nicht  so  und  hatten  wohl  überhaupt  keine  zusammenfassende 
Bezeichnung.  Der  Name  ist  keltischen  Ursprungs  und  ihnen  von  den 
Galliern  gegeben  worden. 

Die  Einteilung  der  Germanen  in  einzelne  Gruppen  und  die  Ein- 
ordnung der  verschiedenen  Stämme  in  diese  hat  in  Anbetracht  der  dürf 


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55.  Historische  Kthnogruphie.  ],\\) 

tigen  und  z.  T.  widersprechenden  Nachrichten  ihre  grolsen  Schwierig- 
keiten.   Nach  Tacitus  (Genn.  c.  2)  staimnten  von  den  drei  Söhnen  des 
Mannus  die  drei  germanischen  Hauptstämme:  Ingaevones,  Herminones 
imd  Istaevones.     Zugleich   teilt  er  eine   andere   Einteilung   in  Marsi, 
Gambrivu,  Suevi  und  VandOÜ  mit.     Hei  Plinius  IV.  99  werden  neben 
Ingvaeones,   Herminones,   Istvaeones   noch   <lie  Vandili,   Peucini  und 
Basternae  genannt.    Die  Ingvaeonen  sind  die  Anwohner  des  Ozeans,  die 
Herminonen  die  Binnenlandhewohner  und  die  Istvaeonen  die  Rheinländer. 
Aber  natürlich  sind  in  diesen  drei  Gruppenname n  nicht  alle  Stämme 
eingeschlossen.    Bemerkenswerte  Gegensätze  haben  auch  zwischen  den 
ostlichen  und  westlichen  Germanenstämmen,  den  Sueben  und  den  Nicht- 
sueben.  bestanden.    Besonders  in  den  Kulturverhältnissen  kamen  sie 
zum  Ausdruck,  da  die  Sueben  weit  mehr  als  die  schon  sefshaft  gewor- 
denen Westgermanen  noch  einer  unstäten  Lebensweise  huldigten  und 
von  Jagd  und  Viehzucht  lebten.    Unter  der  Bezeichnung  Ostgermanen 
pflegt  man  jetzt  (unter  Ausschlufs  der  Sueben)  die  gotisch- vandilische 
Völkergruppe  zu  begreifen,  die  den  östlichen  Teil  von  Gormanien  zwischen 
Oder  und  Weichsel  besetzt  hielt.     Ein  grofser  Teil  von  ihnen  verliefe 
im  II.  Jh.  das  Land  und  wendete  sich  erobernd  nach  SO.   nach  den 
PontüS-  und  J)onaugegenden. 

Das  Verhreitungsgehict  der  Kelten  liifst  sich  mit  hinreichender  Sicherheit 
diu  für  das  erste  vorchristliche  Jahrhundert  bestimmen,  wo  sie  anfänglich  noch 
ganz  Süddeutschland  in  Besitz  hatten.  Innerhalb  Norddeutschlands  scheinen 
auch  die  westlichen  und  südwestlichen  Gebietsteile  (Hessen  und  vermutlich 
auch  Thüringen)  ursprünglich  keltischer  Besitz  gewesen  zu  sein.  Allgemein 
wird  jetzt  angenommen,  dals  der  Ausgangs] »unkt  ihrer  Ausbreitung  in  deutschen 
I-anden  zu  suchen  ist.  Über  die  Kelten  in  Deutschland  vgl.  neben  den  älteren 
Werken  von  Zeufs.  D.  Deutschen  u.  d.  Nachbarstämme,  1837.  Brandes, 
Di»  ethnographischen  Verhältnisse  der  Kelten  und  Germanen.  Lpz.  1857. 
Contzen,  Die  Wanderungen  »ler  Kelten,  Lpz.  1861,  besonders  Müllenhoff. 
DA.  DL  227  ff.  Bertrand  et  Hei  nach,  Les  Celtes  dans  les  vallees  du 
Po  et  du  Danube,  Paris  1801.  Much,  in  Paul  u.  Braunes  Beitr.  XVII,  1  ff. 
Meitzen.  Siedelung  u.  Agrarwesen,  1  pass.  ('er  dehnt  das  ehemals  keltische 
oobiet  auf  Grund  der  Sicdelungsfornien  Kinzelhöfe]  bis  zur  unteren  Weser 
aus.  Bremer.  Ethnographie  d.  gerrn.  Stämme  in  Pauls  Grundrifs  d.  genn. 
PhiJ.  III.  771  gibt  den  Kelten  wohl  eine  zu  weite  Verbreitung  innerhalb 
Deutschlands  und  läfst  die  Germanen  der  Urzeit  kulturell  und  politisch  von 
dfn  Kelten  abhängig  sein,  was  von  der  Kritik  stark  bezweifelt  wird).  Vin-how, 
Oie  Keltenfrage  in  Deutschland.  Korresp.-Rl.  Ges.  f.  Anthrop.,  Kthnol.,  l'rgex  h. 
:»6  1895),  130—133. 

Die  Germanen  befanden  sich  zu  Caesars  Zeiten  in  einer  allmählichen  Bewe- 
gung nach  W..  und  er  mufste  den  vordringenden  Stämmen  mit  gewaffneter 
Hand  entgegentreten.  Doch  schon  vor  seiner  Zeit  hatten  germanische  Völker 
<i»n  Rhein  überschritten  und  waren  dort  z.  T.  in  der  keltischen  Bevölkerung 
aufgegangen.  Caesar  spricht  von  diesen  Germanen,  qui  ein  Rhenum  incoUml  und 
fuhrt  auch  die  einzelnen  Stämme  auf:  Condrusi,  Ehurones.  (\terocsi.  Paemani : 
et  bemerkt  hierzu,  dafs  sie  mit  gemeinsamem  Namen  Gertnani  genannt  werden 

b.  g.  II,  4).  Ebenso  erwähnt  Tacitus  (Genn.  .'i)  die  Tmujri,  die  den  Rhein 
übersehritten  hatten  und  damals  Germanen  genannt  wurden;  auch  Trevirer 
und  Nervier  rühmten  sieh  ihrer  germanischen  Abkunft  (Tac  28).    Aus  Caesar 

II.  4)  geht  hervor,  dafs  die  Mehrzahl  der  Belger  von  den  über  den  Rhein 
gewanderten  Germanen  abstamme.  Dafs  Volks-  und  Personennamen  bei  ihnen 


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140 


II.  Politische  <  icovraphio  von  Mittoleuropa  im  Altertum. 


keltisch  sind,  verschlugt  nichts.  Auch  Ariovistus  ist  ein  keltischer  Name,  und 
ebenso  sind  die  Namen  der  im  Elsafs  und  der  Pfalz  ansässigen  germanischen 
Trtlutci  und  Xemetes  keltisch.  Zeufs.  MüllenhotT  (II.  197  ff.  i  und  neuerdings 
Bremer  suchen  deshalb  die  germanische  Abkunft  der  belgischen  Stämme  zu 
bezweifeln.  Anders  Much,  Dt,  Stammsitze  S.  161;  Kossinna  in  Anz.  f.  DA. 
16.  31.  Von  den  zahlreichen  Etymologien  des  Germanennamens  scheiden 
alle  diejenigen  aus.  die  ihn  aus  einer  anderen  Sprache  als  der  keltischen  her- 
leiten. Ein  Verzeichnis  gibt  Egh,  Nom.  geogr.  p.  350  mit  Literaturangaben, 
desgl.  Bremer  S.  738.  Für  die  Frage  nach  dem  Alter  des  Namens  ist  die 
Bemerkung  des  Tacitus  (G.  c.  3)  wichtig,  dafs  der  Name  ( Jernianien  >neu  und 
unlängst  aufgekommen«  sei.  Nach  allem  zu  sehliefsen,  scheint  er  erst  durch 
Caesar  bekannt  geworden  zu  sein,  denn  vordem  behalf  man  sieh  mit  Bezeich- 
nungen, wie  Kelten  und  Keltoskythen.  Auf  den  Kapitolinischen  Triumphal- 
akten  zum  Jahre  222  v.  Chr.  werden  auch  Germanen  unter  den  unterjochten 
Völkern  genannt;  doch  scheint  hier  nur  eine  Verwechselung  mit  den  bei 
l'olybius  II,  22  genannten  Vmo&tm  vorzuliegen.  Vgl.  hierüber  Hirsch  fehl. 
Der  Name  German]  bei  Tacitus  und  sein  Aufkommen  bei  den  Römern,  in 
Kiepert-Festschrift  189*.  S.  259  ff. 

Literatur.  Aufser  den  schon  genannten  Werken  von  Zeufs,  Müllenhoff 
und  Bremer  seien  hier  noch  erwähnt:  Much.  Deutsche  Stammsitze,  Halle  1892 
(Paul  u.  Braunes  Beitr.  XVII.  1893).  Ders. ,  Deutsche  Stammeskunde,  Leipzig 
190 »  (fafst  die  Hauptergebnisse  der  Forschung  zusammen).  Wagner,  Die 
Germanen  im  röm.  Imperium  vor  der  Völkerwanderung,  IYogr.  Leipzig  1867. 
Zippel.  Deutsche  Völkerbewegungen  in  der  Römerzeit.  l'rogr.  Königsberg 
1895.  Kossinna.  Cber  die  vorgeschichtliche  Ausbreitung  der  Germanen  in 
Deutschland,  Korresp.-Bl.  d.  G.  f.  Anthropol.  etc.  26  (1895),  109—112.  Arnold, 
Deutsehe  Urzeit.  Gotha  1881.  Dahn,  Gesch.  d.  deutschen  Urzeit,  1883.  Waitz, 
Deutsche  Verla<sungsgesehichte ,  1.  Bd.  Kaufmann.  Deutsehe  Geschichte 
1.  Bd.:  Die  Germanen  der  Urzeit,  Lpz.  1880. 

Eine  ethnographische  Klassifizierung  der  germanischen  Stämme  ist  aus 
den  angegebenen  Gründen  schwer  durchführbar.  Hier  möge  ein  kurzer  über- 
blick über  sie  besonders  nach  ihrer  geographischen  Stellung  hin  genügen.  — 
Unter  den  rechtsrheinischen  Germanen,  mit  denen  Caesar  zuerst  in  Berührung 
kam,  sind  hier  zunächst  die  Usipetes  und  Tencteri  zu  nennen.  Ihre 
anfänglichen  Sitze  scheinen  nördlich  der  Lippe  gelegen  zu  haben,  von  wo  sie 
auszogen  und.  im  Jahre  56 — 55  den  Rhein  überschreitend,  von  Cäsar  aufgerieben 
wurden.  Ein  Rest  floh  zu  den  Sugambri.  Letztere  hatten  die  Gebiete  zwischen 
Sieg  und  Ruhr  inne  gehabt.  Tiberius  versetzte  den  gröl'sten  Teil  von  ihnen  im 
.Jahre  8  v  Chr.  auf  das  linkt;  Rheinufer  unterhalb  der  Ubier;  dort  werden  sie 
Cugerni.  Cuberni  genannt.  Die  Ubii.  im  Taunusgebiet  zwischen  unterer 
Lahn  und  Main  ansässig,  wurden  von  dort  unter  Augustus  im  Jahre  38  v.  Chr. 
auf  das  linke  Rheinufer  übersiedelt,  weil  sie  sieh  gegen  die  nachdrängenden 
Sueben  nicht  schützen  konnten.  Ihr  Mittelpunkt  wurde  hier  die  Arn  Ubiornm, 
der  Kern  der  späteren  Colonia  Agrippinensis  (seit  48  n.  Chr.).  Wegen  ihres 
Abfalls  von  der  germanischen  Sache  waren  sie  ihren  Stammesgenossen  verbalst. 
Die  Chatti  Bassen  im  herrischen  Berglande  um  Eder,  Fulda  und  Werra;  ihr 
Hauptort  war  Mattium.  Sie  waren  die  streitkräftigsten  Germanen  besonders 
gegen  Romer  und  Hermunduren;  letzteren  erlagen  sie  im  Jahre  59  n.  Chr. 
im  Kampf  um  den  Besitz  der  Quellen  am  Salzllufs.  Der  Name  der  Chatti 
läfst  sich  mit  den  an  derselben  Stelle  im  Mittelalter  genannten  Hassü,  Hessi. 
Hessones  sprachlich  nicht  vereinigen.  Trotzdem  tritt  man  für  die  Zusammen- 
gehörigkeit beider  ein.  Zu  den  Chatti  gehörten  auch  die  Mattiaci  am  Süd 
rande  des  Taunus.  Die  Marsi.  die  an  der  alleren  Ruhr  und  Lippe  safsen. 
verschwinden  nach  den  Kämpfen  mit  Germanikus.  Man  hält  sie  für  identisch 
mit  den  Chattuarii,  die  später  auf  linksrheinischem  Gebiet  um  Cleve  auftreten. 
An  der  oberen  Ems  safsen  die  Bructcri.  die  durch  den  Flufs  in  die  minor** 
und  majores  geschieden  wurden.     Im  Kampfe  mit  den  Chamaven  ziehen  sie 


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55.  Historische  Ethnographie.  141 

den  kürzeren  und  werden  angeblich  vollständig  vernichtet.  Westlich  der  Ems 
bis  zur  oberen  Ijssel  lag  das  Stammesgebiet  der  Chamavi.  Sie  hatten  auch 
zeitweilig  das  von  den  Römern  als  Ödland  gelassene  Gebiet  nördlich  der  Lippe 
am  Rhein  inne  gehabt.  In  nächster  Nachbarschaft  der  Chatten  hatten  die 
Cherusci  ihre  Sitze,  im  mittleren  Weserland  nördlich  vom  Teutoburgerwald 
bis  zum  Harz.  Sie  spielten  im  Kampfe  gegen  Rom  eine  Rolle,  verloren  aber 
nach  dem  Tode  des  Armin  (19  n.  Chr.)  ihre  Machtstellung  unter  den  Germanen. 

Auch  am  Gestade  der  Nordsee  safsen  germanische  Völker;  unter  ihnen 
die  Chauci  von  der  unteren  Eins  Ins  zur  Elbe,  die  durch  die  Weser  in  die 
majores  und  minores  geschieden  wurden.  Ihr  Dasein  im  Kampfe  mit  dem  Meere 
schildert  uns  Plinius  in  anschaulicher  Weise  (XVI,  1).  Nördlich  von  den 
Cheruskern  und  von  ihnen  durch  einen  Wall  (etwa  in  der  (legend  des  Stein- 
huder  Meeres)  nach  Tacitus,  Ann.  II,  19,  geschieden,  safsen  die  Angrivarii, 
also  südlich  von  den  Chauken.  Westlich  von  ihnen  fanden  sieh  die  nach  der 
Ems  (Amisia;  benannten  Ainpsivarii  und  die  nach  der  Hase  benannten 
Chasuarii.  Auch  die  Ampsivarier  hatten  zeitweilig  im  Ödland  am  Rhein 
gesessen.  Später  verlieren  sie  sich  unter  anderen  Stämmen,  doch  werden  sie 
IM  IV.  Jh.  noch  einmal  als  fränkischer  Stamm  genannt.  An  die  Chauken 
schlössen  sich  westlieh  die  Frisii,  Frisiones  an,  die  nördlich  der  Veeht 
und  Ijssel  safsen  bis  zum  Meere  hin  und  als  majores  bezeichnet  wurden,  im 
Gegensatz  zu  den  Frisü  minores,  bei  Hinius  Frisiavones,  die  südlich  des  Flevo 
bis  an  den  Rhein  ihre  Sitze  hatten.  Von  den  Römern  verschiedentlich  unter- 
worfen, hatten  sie  ihre  Unabhängigkeit  immer  wieder  herzustellen  vermocht. 
Im  Mündungsgebiet  von  Rhein  und  Maas  befanden  sich  die  Rata  vi.  Die 
schon  von  Caesar  genannte  Itisuhi  Batavorum  lebt  noch  in  dem  Namen  der 
Betuwe  fort.  Anfangs  waren  sie  den  Römern  freundlich  gesinnt,  doch  ihr  nie 
erlöschendes  Freiheitsgefühl  führte  im  Jahre  70  n.  Chr.  zu  einem  blutigen 
Aufstande  unter  Julius  Civilis,  in  welchem  sie  unterlagen.  Nördlich  von  ihnen 
zwischen  dem  Meere  und  dem  Flevo  lag  das  Gebiet  der  Caninefatcs.  Zu 
den  Ratavi  scheinen  auch  die  Toxuandri  oder  Texuandri  gehört  zu  haben, 
die  das  Land  südlich  der  Waal  bewohnten.  Noch  im  Mittelalter  hiefs  diese 
Landschaft  bis  zur  Scheide  Toxandrien. 

Unter  den  Völkern  des  ostlichen  Flachlandes  nahmen  die  Suebi  die 
hervorragendste  Stellung  ein  und  unter  ihnen  der  Hauptstamm,  die  Semnones, 
in  deren  Lande  sich  auch  das  suebische  Stammeshciligtuin  befand.  Sie  wohnten 
zwischen  Elbe  und  Oder  im  Gebiet  der  Spree  und  Havel.  Später  wanderten 
sie  nach  Süddeutschland,  wo  sie  im  Anfang  des  III.  Jh.  angetroffen  werden 
und  hier  mit  anderen  Stämmen  den  Grundstock  der  alemannischen  Bevölkerung 
bildeten.  Westlich  der  Elbe  safsen  die  Herrn un du ri,  die  Vorläufer  der 
Thüringer.  Sie  hatten  nicht  blofs  das  Land  nördlich  vom  Thüringer  Wald  im 
Besitz,  sondern  dehnten  sich  auch  südlich  bis  an  die  Donau  aus.  wo  sie  mit 
den  Römern  in  freundnachbarlichem  Verkehr  standen.  Der  südliehe  Anteil 
des  Volkes  scheint  in  der  alemannischen  Bevölkerung  aufgegangen  zu  sein,  der 
nördliche  tritt  im  V.  Jh.  als  Thuringi  wiede  r  hervor.  Über  die  Ausdehnung 
nach  W.  orientiert  die  Erzählung  des  Tacitus  über  ihren  Kampf  mit  den 
Chatten  im  .Jahre  58  n.  Chr.  am  Salztlufs  Jlumen  gujm-udo  sale  fentmhtHi;,  in 
welchem  einige  die  Werra,  andere  mit  mehr  Berechtigung  die  Fränkische  Saale 
verstehen.  Bis  zur  Donau  südlich  scheinen  sie  sieh  erst  ausgebreitet  zu  haben, 
als  die  Marco  in  anni  aus  diesen  Gegenden  nach  Böhmen  gewandert  waren. 
Letztere  gehörten  zu  jenen  genannten  Sueben,  die  das  Land  zwischen  Main 
und  Donau  besetzt  hatten.  Von  ihnen  hatten  sich  auch  die  Sueben  des  Ariovist 
auf  dem  linken  Rheinufer  abgezweigt,  die  im  Elsafs  und  der  Pfalz  ansässig 
als  Vangiones  nun  Worms),  Nemetes  (um  Speier j  und  Triboei  um 
Strafsburg)  auftreten.  Neben  den  Markomannen  werden  noch  einige  kleinere 
Völkerschaften  aufgeführt,  wie  die  Varisti  oder  Naristi  im  Gebiet  des 
Böhmerwahles,  ferner  in  Böhmen  selbst  am  Fufs  der  Sudeten  die  Buroi, 
Sudin oi,  Batinoi  «nur  in  griechischer  Fassung  bei  Ptolemäus  genannt), 


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142  H.  Politische  Geographie  von  .Mitteleuropa  im  Altertum. 

•die  Kampoi  und  Rakulai  an  der  Donau.  Die  Quadi  waren  in  Mähren 
unter  ihrem  Führer  Tudrus  eingedrungen,  und  die  aus  Böhmen  stammenden 
Baimoi  (ehemalige  Gefolgschaften  des  Marobod  und  Catualda)  zwischen  March 
und  Eipel  seheinen  in  ihnen  mit  aufgegangen  zu  sein.  Wie  bei  den  Hermun- 
duren, so  ist  auch  bei  den  Langobardi  die  suebische  Abkunft  nicht  aulser 
Zweifel  gestellt.  Letztere  wohnten  am  linken  Ufer  der  Elbe  unterhalb  der 
Havelmündimg.  Sie  treten  im  Altertum  nicht  sonderlich  hervor,  erst  in  der 
Völkerwanderung  gewinnen  sie  Bedeutung. 

Zu  den  ostdeutschen  < Jermaneustämmen  gehören  die  Gothae,  Gothi, 
die  der  Sage  nach  von  der  Insel  Seandza,  d.  i.  Scadinavia,  eingewandert  sind 
und  das  Küstenland  der  Ostsee  zu  beiden  Seiten  der  Weichsel  besetzt  haben. 
Im  II.  Jh.  wanderten  sie  nach  SO.  ans,  während  ihre  Stammeszugehörigen, 
Gepidi,  noch  einige  Zeit  im  Weich<eldelta  zurückblieben.  Zu  letzteren  gehörten 
auch  die  Rugii  an  derselben  Stelle,  die  wohl  mit  den  Rutikleioi  des  Ptole- 
rnäus  identisch  sind.  Neben  den  (toten  treten  die  Burgundiones  hervor, 
die  von  Plinius  und  Ptolemäus  genannt  werden  und  vermutlich  von  Born- 
holm (Borgundarholmr)  ausgegangen  sind.  Sie  entwichen  später  nach  W., 
erschienen  dann  im  III.  Jh.  am  oberen  Main  und,  Anfang  des  V.  Jh.  von  dort 
verdrängt,  auf  der  linken  Rheinseite  bei  Worms,  wo  ihr  Königreich  unter 
■Gundihari  (Gunther)  nur  kurze  Zeit  413—437  bestand,  als  es  hunnischen 
Scharen  erlag.  Die  Reste  des  Volkes  werden  dann  in  der  Sabaudia  (Savoyen) 
443  angesiedelt,  wo  das  burgundische  Reich  von  neuem  erstarkte.  Eine  enger 
geschlossene  Gruppe  bildeten  die  vandalisehlugischen  Völker.  Zu  den  Vandali 
oder  Vandili  stellt  Plinius  übrigens  auch  die  Goten  und  Burgunder  und 
einige  kleinere  Stämme.  I  ber  die  L  u gi  i  gibt  uns  Tacitus  (<  Jerm.  c.  43)  Aufschlufs, 
wonach  der  Name  ebenfalls  eine  Kojlektivbezeiehnung  ist  für  die  Harii,  Helve- 
concs,  Maninil,  Elisii,  Naharvali.  Auch  Ptolemäus  tut  ihrer  Erwähnung  und 
zählt  zu  ihnen  die  Omanoi,  Dunoi  und  Buroi  (letztere  von  Tacitus  nicht  zu 
den  Lugiern  gestellt).  Den  vandalischen  Stämmen  sind  auch  die  Silingai 
(nur  bei  Ptolemäus)  zuzurechnen  in  der  Oberlausitz  und  dem  westlichen 
Schlesien.  Der  alte  Name  des  Zobtenbcrges,  Slezi,  führt  auf  ursprüngliches 
Silingis  zurück  und  Sleza  auf  Silingia.  so  dafs  der  Name  Schlesien  sich  aus 
dem  der  Silinger  entwickelt  haben  mufs.  Die  vandaliseh  lugischen  Stämme 
nördlich  des  Sudetenwalles  hatten  ihr  gemeinsames  Kultheiligtuni  in  dem 
heiligen  Hain  der  Naharvali  oder  Xahanarvali,  wo  Priester  in  weiblicher  Tracht 
fungierten. 

Auf  der  Jütischen  Halbinsel  werden  uns  mehrere  germanische  Stämme 
noch  namhaft  gemacht.  Nördlich  von  den  Longohardcn  an  der  unteren  Elbe 
folgten  hintereinander  die  Reudigni,  Aviones.  Anglii,  Varini,  Eudoses, 
Suardones  und  Nuithones  (Taeit  c.  40).  Ptolemäus  nennt  dagegen  als 
Bewohner  der  Halbinsel  die  Singulones,  Sabalingioi,  Kobandoi,  Chaloi, 
Fundusoi,  Charudes  und  Kimbroi.  über  die  Mehrzahl  dieser  Völker  sind 
wir  nicht  näher  unterrichtet.  Die  Reudigner  führt  Tacitus  als  den  südlichsten  Stamm 
in  der  Nachbarschaft  der  Longobardcn  auf,  an  welcher  Stelle  Ptolemäus  die 
— > uzoi  t^,  Sachsen  setzt,  die  hier  als  Einzelstamm  zum  erstenmal  in  der  Geschichte 
genannt  werden.  Vermutlich  sind  sie  identisch  mit  den  Reudignern.  Sie 
safsen  zwischen  Elbe  und  Chalusos  (Trave  oder  Warnow)  auf  dem  breiten 
Ansatzstück  der  Halbinsel  am  Kontinent.  Die  Kimbern  werden  als  der  nörd- 
lichste Volkfigtamm  bezeichnet.  Von  ihnen  ging  im  H.  Jh.  jene  Völkerbewegung 
aus,  die  auch  Rom  in  Mitleidenschaft  zog.  Ein  Rest  von  ihnen  mufs  auf  der 
nach  ihnen  benannten  Halbinsel  zurückgeblieben  sein.  Tacitus  und  Strabo 
kennen  sie  freilich  nicht  an  dieser  Stelle.  Die  obengenannten  Varini,  Warnen 
schliefsen  sich  später  den  Angeln  an  und  bilden  einen  Teil  der  Thüringer  (lex 
Aiufliorum  et  Wrrinornm,  h<«-  est  Tliurinffoninij.  Seit  der  Mitte  des  V.  Jh.  wandern 
Teile  der  Angeln  und  Sachsen  nach  Britannien  aus.  Auf  den  später  dänischen 
Inseln  safsen  im  Altertum  die  Eruli  (Heruli),  die  s.  Z.  von  den  Dänen  ver 
trieben  wurden. 


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frii.  Römisches  Germanien. 


143 


50.  Römisches  Germanien.  Zur  Zeit  Caesars  war  der  Rhein  «Ii«* 
Grenze  /.wischen  tlem  römischen  Gallien  und  Germanien.  Ihm  war 
es  gelungen,  die  nach  W.  drängenden  germanischeu  Stämme  zurück- 
zuweisen. Doch  bald  nach  seinem  Tode  mulsten  von  neuem  Mafsregeln 
gegen  «Ii«1  unruhige  Nachbarschaft  getroff«'ii  werden.  Die  Verpflanzung 
der  den  Römern  freundlich  gesinnten  Ubier  auf  die  linke  Rheinseite 
durch  M.  Vipsanius  Agrippa  (38  v.  Chr.)  war  durch  die  von  O.  her  nach- 
drängenden suebiseben  Stämme  nötig  geworden.  Die  Clades  Loüiana  des 
Jahres  17  legte  vollends  nahe,  dafs  eine  gemessene  Defensivpolitik  sich 
nicht  durchführen  liefs,  und  August us  entschloßt  sich  daher  zu  einem  ener- 
gischen Vorstofs.  Seinen  Stiefsöhnen  Drusus  und  später  Tiberius  fiel 
diese  Aufgabe  zu.  Im  Jahre  5  n.  Chr.  war  das  Land  bis  zur  Elbe  und 
Nordsee  durch  Tiberius  unterworfen,  die  Elbe  somit  zur  neuen  Reichs- 
grenze geworden.  Jedoch  das  ungeschickte  Verhalten  des  Varus  und 
seine  Niederlage  im  Teutoburger- Walde  (9  n.  Chr.)  hatte  den  Verlust 
des  westlichen  Gennaniens  zur  Folge,  und  der  Rhein  wurde  abermals 
die  Grenze.  Seitdem  waren  Augustus  und  ebenso  sein  Nachfolger 
Tiberius  bestrebt,  die  Rheinlinie  zu  halten.  Auch  das  siegreiche  Vor- 
gehen des  Germanikus  (14 — 16  n.  Chr.)  änderte  an  dieser  Taktik  nichts, 
hatte  jedenfalls  keinen  praktischen  Erfolg  gehabt. 

Die  Legionen  waren  auf  die  linke  Rheinseite  zurückgezogen  worden, 
sie  standen  auf  dem  Boden  der  gallischen  Provinz,  da  eine  römische 
Provinz  Germanien  nicht  mehr  existierte.  Das  ganze  Verwaltungssystem 
bedingte  es  aber,  dafs  die  östlichen  Randgebiete  der  gallischen  Belgica 
dem  Militärkommando  der  für  Germanien  bestimmten  Rheinarmee  unter- 
stellt und  seitdem  auch  als  Germania  bezeichnet  wurden.  Das  überaus 
starke  Militärkontingent  von  acht  Legionen  machte  nun  im  weiteren 
eine  Teilung  in  zwei  Militärgebiete  bezw.  Verwaltungsbezirke  nötig:  Ober- 
ilm! Niedergermanien. 

Noch  im  1.  christlichen  Jahrhundert  traten  hier  am  Rhein  wesent- 
liche Veränderungen  ein.  Allerdings  weniger  in  Niedergermanien,  wo 
man  auch  nach  dem  batavischen  Aufstand  den  Rhein  als  Grenze  bei- 
behielt. Das  nördlich  des  Unterrheins  gelegene  Gebiet  bis  östlich  zur 
unteren  Ems  hatte  bereits  Kaiser  Claudius  aufgegeben.  Weiter  oberhalb 
war  ein  breiter  Landstrich  rechts  des  Rheines  entvölkert  und  in  diesem 
Zustande  als  Ödland  belassen  worden. 

Auch  in  Obergermanien  war  das  ehemals  von  Helvetieru  besetzte 
Neckargebiel  nach  der  Varusschlacht  eine  Wüstenei  geblieben.  Doch 
griff  die  römische  Herrschaft  unter  den  Flaviern ,  zunächst  Vespasian 
wieder  auf  die  rechte  Rheinseite  hinüber.  Im  Jahre  74  existierte  hier 
bereits  eine  Stral'se  bis  nach  Offenburg,  und  die  Flavischen  Altäre  (Arne 
Flavia?)  am  oberen  Neckar  weisen  gleichfalls  auf  eine  Occupation  hin, 
der  dann  die  Besiedelung  und  Kultivierung  des  Landes  folgte.  Diese 
Ayri  d&umatcs  scheinen  in  Sumeloeenna  (Rottenburg  a.  N.)  einen  Ver- 
waltungsnüttelpunkt gehabt  zu  haben,  da  unter  Domitian  ein  Prokurator 
daselbst  genannt  wird. 


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144  IL  Politische  Geographie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 

Das  untere  Maingebiet  war  gleichfalls  wieder  in  den  römischen 
Machtbereich  gezogen  worden.  Wie  das  Land  der  Mattiaker  südlich 
des  Taunus  nie  ganz  von  den  Römern  aufgegeben  war.  zumal  es  manche 
materiellen  Vorteile  ihnen  bot,  so  wurde  unter  Domitian  im  Jahre  *3 
auch  das  Ohattenland  bis  zum  Fuldischen  dem  römischen  Reiche  ein 
Verleiht.  Mit  welcher  Entschiedenheit  sie  alle  diese  Landschaften  zu 
behaupten  gedachten,  zeigt  die  Anlegung  einer  künstlichen  Grenzmarke, 
des  obergermanischen  Limes,  der  im  Verein  mit  der  weiteren  Fort- 
setzung, «lein  rätischen  Limes,  das  neuerworbene  rechtsrheinische  Ober- 
germanien g«  gen  das  freie  Germanien  bestimmt  abscheiden,  durch  mili- 
tärische Einrichtungen  (Kastelle,  \V achttürme)  aber  auch  nötigenfalls 
sicherstellen  sollte. 

Die  Begrenzung  Gcrmanicns  wird  von  den  Alten  sehr  verschieden 
angegeben;  doch  sah  man  als  westliche  Grenze  allgemein  den  Uli  ein  an,  trotz- 
dem germanische  Stamme  schon  zu  Caesars  Zeiten  links  von  ihm  safsen  un«l 
politische  Umstände  eine  (Übertragung  des  Namens  auch  auf  diese  Gebiete  not- 
wendig machten.  Aber  auch  TacitUS,  der  allenthalben  von  den  beiden  Gtr- 
mamae  links  des  Rheines  spricht,  sieht  nichtsdestoweniger  den  Strom  als  west- 
liehe Abschlufslinie  des  geographischen  Begriffes  Germania  an  (Germ.  c.  1).  Im 
S.  bildete  die  Donau  die  Grenze  (Plin.,  Taeit.,  Ptol.  %  obwohl  auch  diese  nicht 
in  ethnischer  Beziehung  von  Bedeutung  war;  nur  vereinzelt  und  wohl  auch 
ungenau  werden  bei  Mela  n.  a.  die  Alpen  als  Grenze  bezeichnet.  W  enn  über 
die  nordliehe  W  assergrenze  des  Landes  natürlich  jeder  Zweifel  ausgeschlossen 
war,  so  schwankten  die  Ansichten  hinsichtlich  der  Ostgrenze  um  so  mehr,  zumal 
die  topographischen  Kenntnisse  gerade  dieser  Seite  am  mangelhaftesten  waren. 
Die  Sarmatischen  Berge  und  die  Weichsel  werden  hier  am  häufigsten  (Mela 
III,  3;  I'lin.  IV  1*7;  Ptol.  II,  11.  4.  Dimens.  prov.  19)  als  Grenze  gegen  Sarmatien 
genannt.    Vgl.  Möllenhoff  DA.  11,3;  Baumstark  1.  e.  I,  8  ff. 

Obergerm  an  i  en  und  Niedergermanien  mit  ihren  Hauptquartieren 
Mongontiacum  und  Vetera  castra  waren  die  Verwaltungssprengel  links  des 
Rheines.  Dal'ssie  nach  dort  ansässigen  germanischen  Stämmen  genannt  worden 
seien,  wie  Dio  Cassius  53,  12  allerdings  annimmt,  ist  nach  oben  Gesagtem  un- 
richtig. Germania  snperior  und  inferior  bei  Taeit.,  bist.  I,  9.  12.53;  Julian  vita 
Ael.  Spart,  c.  1;  Sparf.  vita  Hadr.  e.  2  u.  ö. ;  späterhin  auch  Germania  jyrinm 
und  sn-nnda  genannt  (Notit.  dign.  Oec.  1,  47,  71.  72).  Zu  Obergermanien  ge- 
hörten die  Gebiete  der  Helvetier,  Se<|iianer,  Lingonen,  Kaurikcr,  Triboker,  Ne- 
meter  und  Vangionen  (Monnnsen.  Horn.  Gesch.  V,  109V  Nach  Cass.  Dio  1.  e. 
fing  Obergermanien  schon  an  di  u  lthcin<|iicllcn  an.  Zu  Lntergermanien:  die 
Gebiete  der  Thier  t'ol.  Agrippinens.),  Tungrer,  Menapier  und  Bataver.  Die 
Grenz«-  zwischen  den  beiden  Germanien  bildete  der  Abrincasflufs  (jetzt  Vinxt 
bach  bei  Rheineck),  wo  sich  auch  die  beiden  Grenzvotivsteine  gefunden  haben; 
Brambach,  Corp.  inscr.  Hhenan.,  n.  619.  (550.  Dafs  der  Abrineas Grenztlufs  der 
Germania  inferior  {l\oiiue/u  >  xaxm  ist,  sagt  Ptol.  11,9.8;  hierzu  die  Anmer- 
kung in  edit.  ('.  Müller.  S.  225  mit  Literaturnachweis. 

Die  Agri  decumates,  das  Zehntland,  wird  nur  von  Tacitus  (Germ, 
c.  29;  so  genannt :  Zu  den  germanischen  Stämmen  möchte  ich  diejenigen  nicht 
rechnen,  welche  das  Zehntland  bebauen  qni  dteumaten  titjros  exereentj,  denn 
jeder  leichtsinnige  Gallier,  den  <lie  Armut  verwegen  machte,  nahm  den  Boden 
zweifelhaften  Besitzes  in  Besehlag.  Da  bald  darauf  die  Grenze  gezogen  und 
die  Besatzungen  vorgeschoben  worden  sind,  so  sind  jene  Gebiete  jetzt  Vorland 
des  Reiches  und  Teil  einer  Provinz.«  Das  Land  zwischen  .Main  und  Donau 
war  nach  dem  Abzüge  der  Helvetier  eine  Einöde,  it  reo-  'Ekovrtrion  tor^i»; 
iit/oi  nör  '.-/XTju'fir  iiotmr,  Ptol.  II.  11.  6.  Auf  diesen,  den  germanischen  Inva- 
«innen   ausgesetzten  Landstrichen  siedelten  sieh  vereinzelt  gallische  Abenteurer 


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66.  RnmiachcB  Germanien. 


145 


an ;  in  der  zweiten  Hälfte  des  L  Jh.  n.  Chr.  fafsten  die  Römer  Fufs.  Unter 
diesen  späteren  Ansiedlern  werden  inschriftlieh  Mediomatriker,  Triboker,  Bojer, 
Senonen  aus  Gallien  erwähnt.  Viel  erörtert  worden  ist  der  Begriff  agri  decu- 
mates  selbst,  weil  decmnas  in  dem  Sinne  von  »zehntpflichtig«  sprachlich  nicht 
erwiesen  und  die  ganze  Einrichtung  überhaupt  in  der  Kaiserzeit  sonst  unbe- 
kannt ist  (Mommsen,  RG.  V,  138).  Creuzer  (Zur  Gescb.  altröm.  Kultur  am 
Oberrhein  und  Neckar,  S.  81  ff.)  fafste  dcctimates  als  Nominativ,  also  Zehnt- 
männer, Riese  (1.  c.  471)  leitet  ihn  von  einem  hypothetisch  angenommenen 
Hauptort  Decuma  ab.  Im  allgemeinen  vgl.  Müllenhof!,  DA.  IV.  403  f.,  Zange- 
meister, Westdeutsche  Z.  III,  244,  Hübner,  Rhein.  Jahrb.  80,  6U.  Die  römische 
Kolonisierung  des  Dekumatenlandes  mufs  spätestens  unter  den  Flaviern  be- 
gonnen haben,  wie  die  ßotfint  <i)\urnn,  Arae  Flavia?  (Ptol.  II,  11,  30,  Tab.  Peu- 
tinger),  schliefsen  lassen.  Fraglich  bleibt  der  Umfang  des  Dekumatenlandes, 
welches  einige  auf  das  ganze  Gebiet  zwischen  Rhein  und  Limes  ausdehnten, 
andere  auf  einzelne  Teile  desselben,  speziell  da«  Neckarland.  Entscheidendes 
läfst  sieh  hierüber  nicht  sagen.  Näheres  vgl.  bei  Baumstarck,  Erläuterungen 
II,  39.  Wenn  Tacitus  das  Land  bereits  als  pars  prorineüu-  bezeichnet,  so  kann 
unter  letzterer  nur  die  Germania  superior  gemeint  sein,  zumal  der  Militärkomman- 
dant von  Mainz  jene  praesidia  mit  Soldaten  vorzugsweise  der  8.  und  22.  Legion 
Wiegte.  Dagegen  scheinen  die  östlicheren  Gebiete  (Viam  Anrelii  und  das  Ries) 
zu  Rätien  gehört  zu  haben.  Cf.  Brambach,  Baden  unter  römischer  Herr- 
schaft, S.  19.  —  über  die  Literatur  zu  den  agri  dec."  vgl.  Jung,  L  c  S.  118. 
Ihm,  in  Paul y-Wisso was  Encykl.  1,  894. 

Der  in  seiner  Art  interessanteste  Zeuge  tler  römischen  Anwesenheit  auf 
dem  rechtsrheinischen  Boden  Germaniens  ist  der  Limes.  In  seinen  Spuren 
ist  er  überall  nachweisbar,  und  die  neuerdings  erfolgende  systematische  Er- 
forschung hat  ims  Klarheit  über  Verlauf  und  Einrichtung  gebracht.  Der  Limes, 
für  welchen  auch  Bezeichnungen  volkstümlicher  Art,  wie  Pfahlgraben  und 
Teufelsniauer,  üblich  sind,  zieht  sich  vom  Rhein  bis  zur  Donau  hin.  Er  setzt 
sich  aus  zwei  Stücken  zusammen,  von  denen  das  eine  einen  im  allgemeinen  ostwest- 
lichen Verlauf  hat,  und  zwar  ist  es  die  174  km  lange  Strecke  von  Eining  a.  d. 
Donau  oberhalb  der  Einmündung  der  Altmühl  bis  westlich  nach  Pfahl- 
bronn (nördl.  von  Lorch  a.  d.  Rems),  also  durch  Baiern  und  Württemberg 
gehend.  Sie  ist  keineswegs  geradlinig,  sondern  biegt  im  mittleren  Teile  bis 
Günzenhausen  nordwärts  aus.  Bei  Pfahlbronn  ändert  sich  die  allgemeine  Rich- 
tung des  Limes,  der  von  hier  an  zunächst  80  km  geradlinig  bis  Walldürn 
streicht  und  in  wechselnder  Richtung  zum  Main.  Der  Main  bildet  bis  Grofs- 
Krotzenburg  selbst  einen  Teil  des  Limes,  der  von  diesem  Punkte  an  als  Wall 
nördlich  zieht  und  die  fruchtbare  Wetterau  mit  umschliefst.  Wieder  südlich 
führend  läuft  er  auf  der  Höhe  des  Taunus  entlang  bis  Holzhausen,  von  wo 
an  er  dem  Rhein  parallel  laufend  sich  ihm  schliefslich  nähert  und  bei  Rhein- 
brohl dem  Vinxtbach  gegenüber  endet.  Das  Teilstück  von  Pfahlbronn  bis  zum 
Rhein  hat  eine  Gesamtlänge  von  368  km  und  bildet  den  obergermanischen 
Limes,  jenes  von  Pfahlbronn  bis  zur  Donau  den  rätischen  Limes.  Der  rä- 
tische Limes  war  eine  Steinmauer,  der  Obergennanische  bestand  nur  aus  einem 
Graben  und  dem  zugehörigen  Wall.  Eine  militärische  Sicherung  hatte  diese 
Grenzlinie  in  den  etwa  70  Kastellen,  die  in  bald  gröfsercr,  bald  geringerer  Ent- 
fernung von  ihr  lagen.  Sie  liegen  durchschnittlich  8  km,  also  einen  halben 
Tagemarsch,  voneinander  entfernt.  Der  Limes  hat  jedoch  nicht  als  eine  forti- 
fikatorische  Linie  gedient,  wenn  ihm  auch  nicht  jeder  praktische  Nutzen  in 
Kriegsfällen  abgesprochen  werden  darf.  Er  mag  hierfür  als  Alarniierungslinie 
gedient  haben,  und  der  geradlinige  Verlauf  einzelner  Strecken  deutet  darauf 
hin.  Sonst  ist  aber  in  der  Anlage  auf  strategische  Gesichtspunkte  gar  keine 
Rücksicht  genommen  worden.  Oft  läuft  der  Wall  durch  ein  Gelände,  wo  dem 
Verteidiger  die  Aussicht  auf  das  vorliegende  Terrain  ganz  verschlossen  war, 
oder  auf  der  inneren  Seite  schliefsen  sich  Sümpfe  an,  die  dem  Verteidiger  es 
erschwert  hätten,  an  seine  eigene  Verteidigungslinie  heranzukommen.  Ebenso 

Kretschmer,  Historische  Oeo^rnphie.  10 


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14<>  II   PoliÜHchc  (ioographie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 

wäre  es  unmöglich  gewesen,  eine  Linie  von  542  km  Iünge  mit  Truppen 
besetzt  zu  halten.  Wie  grofs  dir  Truppenmacht  an  der  Rheingrenze  war,  ist  uns 
hinreichend  bekannt.  Vgl.  hierüber  Mommsen  in  WZ.  IV,  50.  In  erster  Reihe 
sollte  der  Limes  eine  Demarkationslinie  sein,  eine  greifbare  Landmarke  im 
staatsrechtlichen  Sinne.  Zugleich  bildete  er  eine  Zolllinie,  die  von  den  Mann- 
schaften der  Kastelle  und  Wachttürme  überwacht  werden  konnte  (Haupt, 
p.  46:.  Cber  die  Zeit  seiner  Herstellung  ist  nichts  Sicheres  zu  ermitteln;  jeden- 
falls haben  mehrere  Kaiser  an  ihm  gebaut  von  Domitian  bis  Hadrian.  Vgl. 
hierzu  Zungcmrister  im  Korrespond.  Westdt.  Z.  1H83,  Nr.  140;  Herzog  in  Würt- 
tembg.  Viertel jahrshefte  III.  109  ff. ;  Asbach  in  WZ.  III.  20;  Cohausen  S.  349; 
Halm  S.  81). 

Von  der  reichhaltigen  Literatur  seien  nur  einige  zusammenfassende  Ar- 
beiten genannt:  E.  Hübner,  Der  röm.  Grenzwall  in  Deutschland,  in  Bonner 
Jahrbb.  63,  p.  17—56;  66,  S.  13—25  (ausgezeichnet  durch  weitere  Literatur- 
angaben), von  Cohausen,  Der  röm.  Grenzwall  in  Deutschland  mit  52  Tafeln, 
Wiesbaden  1884.  K.  Haupt.  Der  röm.  (irenzwall  in  Deutschld.  nach  den 
neueren  Forschungen,  Würzburg  1885.  —  Seit  1892  ist  von  Seiten  der  Reichs- 
regierung eine  planmäfsige  Erforschung  des  Limes  in  Angriff  genommen  worden. 
Das  Ergebnis  der  Arbeiten  der  Reiehs-Limeskommission  wird  in  einem  grofs 
angelegten  Werk  zur  Veröffentlichung  kommen:  von  Sarwev  und  Hettner, 
Der  obergermanisch-rätische  Limes,  von  welchem  mehrere  Hefte  (die  Kastelle 
behandelnd/  schon  erschienen  sind.  Über  den  Stand  der  Ergebnisse  orientiert 
fortlaufend  1892  1  '.»02  das  sog.  Limesblatt  als  Beigabe  der  Westdt.  Zeitschrift. 
Fabricius.  Die  Entstehung  der  röm.  Limesanlagen  in  Deutschland,  Vortrag. 
Trier  1902. 

57.  Römische  Alpenlander  (Raetia  und  Noricum).  Die  Besitz- 
ergreifung der  Donaulinie  fällt  in  die  Zeit  des  Augustus.  Mit  der 
Eroberung  des  rätischen  Alponlandes  und  der  oberdeutschen  Hochebene 
waren  Drusus  und  Tiberius  betraut  worden,  die  sehr  bald  der  Situation 
Herr  wurden.  Im  Jahre  15  v.  Chr.  wurde  Raetia  eine  römische  Provinz. 
Das  von  keltischen  Stämmen  bewohnte  Alpenvorland  bis  zur  Donau, 
Vindelicia,  wurde  der  Provinz  einverleibt.  Weil  dort  und  besonders 
an  der  Donaugrenze  eine  Besatzung  noch  zu  unterhalten  war,  so  wurde 
Raetia  eine  kaiserliche  Provinz  mit  einem  Prokurator  an  der  Spitze. 
Sie  umfafste  das  südliche  Baiern,  Tirol  und  die  östliche  Schweiz  (das 
Oberrhein-  und  Inngebiet).  Unter  Trajan  reichte  das  Provinzialgebiet 
im  NW.  über  die  Donau  bis  zum  Limes  hin.  Im  O.  schied  es  der  Inn 
gegen  Noricum  bis  gegen  den  Zillerbach  aufwärts.  Im  Pustertal  scheint 
die  Grenze  zwischen  Toblach  und  Innichen  gelegen  zu  haben,  da  Aguon- 
tum  (Lienz)  noch  zu  Noricum  gehörte,  und  im  S.  verlief  sie  über  die 
Grenzzollstationen  Klausen  und  Meran.  Gegen  Hclvetien  im  W.  wird 
der  Gotthardstock  als  Teilungspunkt  angesehen  und  weiterhin  der  Boden- 
see. Der  Grenzort  Ad  fines  (Pfyn  a.  d.  Thür)  sowie  die  Tatsache,  dafs 
in  Zürich  wie  in  Maienfeld  (Magia)  am  Rhein  Zollbureaus  für  den  Binnen- 
handel sich  befanden,  deuten  im  einzelnen  den  Verlauf  der  Grenzlinie 
an.  Weniger  sicher  ist  sie  vom  Bodensee  bis  zur  Donau  bestimmt. 
Nach  Ptolemäus  gehörte  noch  das  Donauquellgebiet  zu  Rätien.  —  Am 
Ende  des  III.  Jh.  erfuhr  Rätien  eine  Teilung  in  zwei  Hälften,  Raetia 
prima,  das  Gebirgsland  umfassend,  und  Raetia  secunda  die  oberdeutsche 
Hochebene  bis  zur  Donau.  Für  dieses  war  Augsburg,  für  jenes  scheint 
Chur  die  Hauptstadt  gewesen  zu  sein. 


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5<>.  Römische  Alponländer.  147 

Östlich  an  Rätien  sehlofs  sieh  Xoricuni,  dessen  keltische  Bewohner- 
schaft (Taurisker,  Noriker)  ebenfalls  im  Jahr  15  v.  Chr.  durch  Drusus 
dem  römischen  Reiche  einverleibt  wurde.  Ks  wurde  von  Königen  regiert, 
und  auch  nach  der  römischen  Okkupation  wurde  es  als  regnum  Noricum 
l  »zeichnet.  Die  westliche  Grenze  gegen  Rätien  ist  oben  angedeutet, 
gegen  X.  bildete  die  Donau  die  Grenze,  dagegen  hat  sie  im  0.  gegen 
Pannonien  immer  geschwankt. 

Über  die  Eroberung  des  Landes  und  die  Quellen  vgl.  Jung,  Die  roma- 
nischen Landschaften  des  röm.  Reiches ,  1881 ,  S.  315,  und  Mommsen,  Rom. 
(Wh.  V,  178  ff.  —  Vorübergehend  scheint  auch  das  obere  Rhonetal  fVallis 
Poenitui)  unter  demselben  Prokurator  von  Raetia  gestanden  und  somit  einen 
j^litischen  Bezirk  mit  dieser  Provinz  gebildet  zu  haben.    Nach  CIL.  V,  3936, 
führte  Q.  Caecilius  (II.  Jh.)  den  Titel:  Procur.  Augustor.  et  pro  teg.  provinciai 
tiiitiai  et  Viivhlir  et  Yallis  Poenin.    Auch  aus  Ptoleni.  II,  12  geht  ähnliches 
hervor.    Vgl.  Mommsen  CIL..  III,  707.    In  der  späteren  Reichsteilung  gehört 
aber  das  Rhonetal  zu  Gallien.  —  Der  Inn  wird  als  Ostgrenze  von  Tacitus,  bist. 
III.  5  und  Ptolemäus  II,  12,  1  genannt.  —  Die  linksrheinischen  Lande  bildeten 
den  gallischen  Steuerbezirk,  die  an  der  Donau  den  illvrisehen.    Zu  Illvricum 
ini  weiteren  Sinne  gehörten  auch  noch  Rätien  und  Noricum.   An  den  Grenzen 
ider  .Steuersprengel  befanden  sich  Binnenzölle,  wo  die  Qiuulragesima  Galliarum 
und  die  illyrischen  Gefälle  erhoben  wurden.    Vgl.  Jung,  Römer  u.  Romanen 
in  den  Donauländern,  1877.  S.  22.    Für  Zürich,  Maienfeld,  Klausen  sind  Zoll- 
."ütionen  erwiesen;   desgl.   für   Boiodurum   und  Ischl   fStntio  Esceims)  und 
anderswo.    Für  die  Westgrenze  Rätiens  vgl.  Ptoleni.  II,  12,  1 ;  Strabo  IV,  193. 
—  Im  Norden  der  Donau  hat  das  sog.  Ries  zwischen  Schwäbischein  und 
Fränkischem  Jura  mit  zu  Raetia  gehört;  man  nimmt  allgemein  einen  Zusammen- 
hang  zwischen  beiden  Namen  an.  —  Die  diokletianische  Reichsteilung  erstreckte 
fHi  auch  auf  Rätien;  doch  erscheint  dieses  in  dem  sog.  Veroneser  Katalog 
vom  Jahre  297  noch  ungeteilt.    Vgl.  Mommsen,  Verzeichnis  der  röm.  Pro- 
vinzen ,  aufgesetzt  um  297,  in  Abhandlgn.  Akad.  Wiss.,  Berlin  1862,  S.  514. 
Cnuuttelbar  danach  mufs  aber  die  Teilung  erfolgt  sein;  in  dem  Provinzenver- 
zeichnis des  Silvius  (Mommsen  L  C.)  erscheint  es  geteilt   und  ebenso  in  der 
N<>titia  dignitatum.    Wo  die  Provinz  von  den  Autoren  erwähnt  wird,  heilst 
Me  in  den  drei  ersten  Jahrhunderten  Raetia  (in  der  Einzahl),  bei  den  späteren 
Baetiae.    Die  Abgrenzung  zwischen  der  prima  und  tecunda  ist  unbekannt,  doch 
erheint  die  Scheidelinie  vom  Bodensee  am  Saume  der  Alpen  entlang  bis  zum 
Inn  gelaufen  zu  sein.    Vgl.  im  allgemeinen  Planta.  Das  alte  Rätien,  1872. 
*  M  ff.,  183—188. 

Vindelicia  und  Raetia  waren  anfangs  zwei  getrennte  Provinzen;  seit  Ende 
'ta  I.  Jh.  tritt  jener  Name  aber  zurück,  und  das  ganze  Land  wurde  als  Raetia 
raammengefalst. 

Noricum  umfafste  etwa  das  heutige  Ober-  und  Niederösterreich,  Steier- 
mark. Kärnten  und  Teile  von  Krain,  Baiern,  Tirol  und  Salzburg.  Ptolemäus  II, 
l';  1  gibt  als  Ostgrenze  das  Khtor  ogog  an,  im  N.  (he  Donau  und  im  S.  die 
Karawanken.  Im  au  bersten  SO.  wird  Celeia  noch  als  norische  Stadt  bezeichnet. 
Ehemals  scheint  die  Ostgrenze  weiter  östlich  Relegen  zu  haben,  da  um  6  n.  Chr. 
Carnuntum  als  locus  Xorici  regni  (bei  Vellejus  II,  109)  bezeichnet  wird.  — 
I'ichler.  Austria  Romana,  Leipzig  1902. 


10* 


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III.  Kulturgeographie  von  Mitteleuropa 

im  Altertum. 


58.  Siedelungen.  Eine  anschauliche  Darstellung  von  der  Siedelungs- 
wei8e  der  Germanen  gibt  uns  Tacitus  (Germ.  16):  »Es  ist  hinreichend 
bekannt,  dafs  die  germanischen  Stämme  nicht  in  Städten  wohnen;  nicht 
einmal  zusammengebaute  Häuser  dulden  sie.  Abgesondert  und  zer- 
streut siedeln  sie  sich  an,  wo  eine  Quelle,  ein  Feld,  ein  Gehölz  dazu 
einladet.  Die  Dörfer  legen  sie  nicht  nach  unserer  Art  aus  verbundenen 
und  zusammenhängenden  Gebäuden  an,  vielmehr  umgibt  jeder  sein 
Haus  mit  einem  Hof,  sei  es  wegen  Feuersgefahr  oder  aus  Ungeschickt- 
heit im  Bauen.  Nicht  einmal  Bausteine  oder  Ziegel  sind  bei  ihnen  im 
Gebrauch ;  zu  allem  verwenden  sie  ein  ungefüges  Material  ohne  Schön- 
heit und  Heiz  .  .  .  Sie  pflogen  auch  unterirdische  Höhlen  zu  graben, 
welche  sie  dick  mit  Mist  belegen,  als  Zufluchtsort  im  Winter  und  Auf- 
bewahrungsort für  die  Feidfrächte.«  Die  Städtelosigkeit  ist  danach 
eine  der  bekanntesten  Eigentümlichkeiten  des  freien  Gennaniens  gewesen, 
und  in  der  Tat  werden  in  den  Kriegen  mit  Rom  auch  nirgends  eigent- 
liche Städte  namhaft  gemacht.  Ei  n  zelgehöft  und  Dorf  sind  die  beiden 
Grundformen  der  germanischen  Siedelungen,  jenes  ganz  vereinzelt  liegend, 
dieses  aus  einer  Gruppe  von  Häusern  bestehend  ohne  engeren  Anschlufs 
aneinander. 

Von  Dörfern  fvici)  wird  uns  allenthalben  berichtet,  auch  sonst  die 
Abneigung  gegen  Städte  betont.  Anmiian  XVI,  2,  12;  Tac,  bist.  IV,  64.  Gleich- 
wohl ist  auch  von  appula  (besonders  bei  Caesar)  die  Hede;  es  scheinen  befestigte 
Örtlichkeit«*n  gewesen  zu  sein,  die  in  Kriegszeiten  als  Zufluchtsort  und  Schutz 
für  Hab  und  Gut  aufgesucht  wurden.  Caesar,  b.  gall.  IV,  19,  erwähnt  solche 
oppiihi  bei  den  Sueben,  VI,  10.  bei  den  Ubiern,  Tacitus,  liist.  V,  19,  bei  den  Batavern. 
An  anderen  Stellen  werden  in  demselben  Sinne  auch  castella  genannt.  Vgl. 
Möllenhoff,  DA.  IV,  280  ff.  Nun  führt  Ptolcmäus  (II,  11,  12  iTO  allerdings  nicht 
weniger  als  94  n<Y/.a<;  nach  ihrer  geographischen  Lage  in  Germanien  auf;  doch 
kann  dies  nur  eine  unzutreffende  Bezeichnung  sein  und  beweist  nichts  gegen 
Tacitus'  Angaben.  Müllenhoff  ve  rmutet  in  ihnen  römische  Kriegsplätze  und 
Handelsstationen.  —  Wenn  auch  von  erdhöhlenartigen  Wohnungen  berichtet 
wird,  so  werden  solche  Behausungen  wohl  nicht  allgemein  im  Gebrauch  gewesen 


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59.  Rönicrxtädte. 


149 


«ein;  am  allerwenigsten  dürfen  wir  uns  die  Gernismen  als  Troglodyten  vorstellen. 
Waitz.  DV.  I.  Bd.,  112  ff.  Müllenhoff,  DA.  IV,  283  ff.  Baumstark,  Er- 
läuterung d.  Genn.,  I,  547  ff.  Dahn,  Deutsehe  Gesch.  I,  151  f. 

59.  Römerstädte.  Wo  die  Römer  Fufe  fafsten  und  das  Land  kul- 
tivierten, da  gingen  sie  planmäfsig  vor.  Überall  finden  wir  in  den 
Rheinlanden  handgreifliche  Zeugnisse,  mit  welcher  Intelligenz  sie  die 
Ungunst  natürlicher  Verhältnisse  zu  überwinden  verstanden,  mit  welchem 
Aufwand  von  Energie  sie  den  Grund  für  eine  gedeihliehe  Kultivierung 
des  Landes  legten,  und  welchen  Wert  sie  danach  diesen  Rheinlanden 
beigemessen  haben  müssen,  dafs  sie  vor  keinem  Opfer  zurückscheuten. 
Der  tiefgreifende  Einflufs,  den  sie  ausübten,  kommt  schon  in  dem 
ganzen  Siedelungs-  und  Verkehrswesen  zum  Ausdruck.  Die  Rhein-  und 
Donauländer  erhielten  dadurch  ein  bestimmtes  Gepräge,  durch  welches 
.sie  sich  noch  lange  Zeit  nach  dem  Aufhören  der  Römerherrschaft  vor 
den  anderen  Ländern  auszeichneten,  die  von  Rom  wenig  oder  gar  nicht 
berührt  worden  waren.  Die  Gegensätze,  die  anfangs  zwischen  den  unter- 
worfenen keltischen  und  germanischen  Völkerschaften  der  Rheinlande 
und  den  Römern  daselbst  noch  bestanden,  schliffen  sich  im  Laufe  der 
Zeit  völlig  ab.  Die  Legionen,  anfänglich  80000  Mann  stark,  garni- 
sonierten  hier  jahrhundertelang,  und  es  konnte  schliefslich  eine  Ver- 
bindung und  Vermischung  zwischen  den  Herrschenden  und  Beherrschten 
nicht  ausbleiben.  Die  Annäherung  beider  Elemente,  der  friedliche  Aus- 
gleich zwischen  ihnen  tritt  in  der  Entwickelung  der  Ortschaften  im 
Bereiche  des  Rheingebietes  deutlich  hervor.  Die  heutigen  Städte  Strafsburg, 
»Speyer.  Worms,  Mainz,  Trier,  Cöln  u.  a.  in.  gehen  alle  auf  römische 
Anfänge  zurück. 

Die  Römer  wählten  für  die  vielen  Truppenniasscn,  die  sie  dorthin  ver- 
legten, geeignete  Orte  aus;  es  wurden  Festungen.  Kastelle  angelegt,  in  welchen 
der  Kommandant  mit  den  Soldaten  wohnte.  Diese  Kastelle  waren  von  vier- 
eckiger Gestalt,  entweder  quadratisch  oder  rechteckig.  Aus  diesen  Legions- 
lagern sind  aber  keineswegs  die  späteren  Städte  mit  Zivilbevölkerung  unmittel- 
bar hervorgegangen.  Tin  Gegenteil,  Stadtgründung  und  I^agerselüagung  fallen 
nicht  zusammen;  die  eigentliche  Stadt  entwickelte  sieh  ursprünglich  aufserhalb 
des  Lagers.  Vgl.  hierüber  Mommsen,  Die  römischen  Lagerstädte,  im  Hermes  VII 
(1873j,  299  ff.  Bergk.  Verfassung  von  Mainz,  in  Westdt.  Z.  I  (1882),  S.  498. 
Hettner,  Zur  Kultur  von  Germanien  und  Gallia  Belgica.  in  WZ.  II  (1883), 
S.  4.  8.  Rietach el,  Die  Civitas  auf  deutschem  Boden,  Leipzig  1894.  Anders 
dagegen  Nissen,  Das  Templum,  S.  54  ff. 

Jeder  Legion,  jedem  Heereszuge  pflegten,  wie  das  gewöhnlieh  der  Fall  ist, 
Marketender  und  Händler  zu  folgen.  Aber  diese  Kaufleute  durften  nicht  inner- 
halb fies  Lagere  wohnen,  denn  dieses  war  nur  Kasernement;  —  sie  siedelten 
sich  daher  aufserhalb  an,  wo  sie  ihre  Bretterbuden  (canabae)  hatten.  Es  waren 
dies  also  nur  provisorische  Anlagen,  die  abgerissen  wurden,  wenn  die  Armee 
weiterzog.  »Seitdem  die  Legion  stehend  geworden  war,  war  auch  der  Ver- 
kaufsplatz stehend,  und  die  Kaufleute  werden  dann  ihre  leicht  transportablen 
camlxu  durch  solidere  Häuser  ersetzt  haben,  so  dafs  diese  Ansiedelung  mehr 
und  mehr  ein  städtisches  Aussehen  bekam  (Mommsen,  1.  c.  VII,  305).  Für 
das  I.  Jh.  wird  uns  dies  für  Veten  castra  bezeugt.  Bei  TacitUB,  hiflt.  IV.  22, 
heilst  es,  wo  das  Lager  von  Julius  Civilis  angegriffen  wird:  »Die  Gebäude,  die 
in  Friedenszeiten  unweit  des  Lagers  gleich  einer  Landstadt  aufgeführt  waren, 
wurden  niedergerissen,  damit  der  Feind  sie  nicht  benutzen  könnte. «   Und  ein 


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150 


III.  Kulturnpogruphie  vom  Mitteleuropa  im  Altertum. 


paar  Zeilen  später  heifst  es  :  dafs  die  somit  obdachlos  gewordenen  Marketender, 
die  auch  noch  von  anderen  Lagerplätzen  sich  hier  einfanden,  im  Lager  auf- 

§enommen,  dafür  Kriegsdienste  leisten  mufsten  —  Die  Soldaten,  die  so  ständig 
iren  Aufenthalt  dort  hatten,  fraternisierten  mit  der  einheimischen  Bevölkerung 
und  heirateten  deren  Frauen.  Natürlich  mufsten  ihre  Frauen  und  Kinder 
aufserhalb  des  Ingers  wohnen,  in  der  Lagervorstadt,  wo  die  Händler  und 
Schankwirte  ihr  Domizil  hatten.  Nach  vollendeter  Dienstzeit  wurden  die  Sol- 
daten Veteranen,  sie  kehrten  dann  aber  nicht  in  die  Heimat  zurück,  sondern 
siedelten  sich  in  der  Lagervorstadt  an.  Als  unter  Septimius  Severus  das  I>ager  seine 
Bedeutung  als  Kaserne  verloren  hatte  und  zum  Exerzierplatz  herabgedrückt 
war,  nahmen  selbst  die  aktiven  Soldaten  in  der  Vorstadt  ihren  Wohnsitz 
(Hettner,  WZ.  II,  3).  Zu  bemerken  ist  aber,  dafs  in  der  Nähe  der  römischen 
Lager  meist  schon  Niederlassungen  der  einheimischen  Bevölkerung  vorhanden 
waren.  Anfänglich  waren  die  cauabae  von  den  vici  der  Einheimischen  getrennt. 
Im  Laufe  der  Zeit  wuchsen  beide  mit  Zunahme  der  Bevölkerung  zusammen. 
So  erklärt  es  sich,  dafs  die  Legionslager  einheimische  Namen  tragen.  Wo  eine 
Niederlassung  fehlte,  benannten  die  Römer  das  Lager  mit  der  Vorstadt  nach 
dem  Volksstamm  jener  Gegend.  Namen  wie  Argentoratum,  Moguntiäcum, 
Borbetomägus  sind  Ortsnamen  keltischen  Ursprungs.  Dagegen  Colonia  Tre- 
verorum,  C.  Nemetum  sind  neugeschaffene  Bezeichnungen,  ebenso  wie  Vetera 
Castra,  C.  Agrippinensis. 

Die  wichtigsten  Ortschaften  des  römischen  Germaniens  lassen  sich  am 
besten  in  Verbindung  mit  den  Strafsenzügen  geben.  Eine  der  ältesten  Stralsen 
war  jene,  die  in  Lugdunum  (Lyon)  in  Gallien  begann  und  direkt  nordwärts 
führte  nach  der  oberen  Marne  und  von  hier  nach  Cöln.  An  ihr  lag  Tullum 
oder  Tulla  (Toul),  Scarponna  (Charpeigne),  Divodurum,  auch  Medioma- 
tricum  oppidum  genannt  (Metz.)  Die  Strafse  ging  weiter  nach  N.,  zwar 
nicht  direkt  der  Mosel  entlang,  aber  in  einiger  Entfernung  von  ihr  nach 
A  ugusta  Tre  verorum  (Trier),  damals  eine  äufserst  glänzende  Stadt,  Urbs 
opulentissima  (Mela)  von  beträchtlichem  Umfange.  Dann  folgte  Beda  vicus 
(Bitburg),  Marcomagus  (Mannagen),  Tolbiaeum  (Zülpich)  und  Colonia 
Agrippinensis,  das  ehemalige  oppidum  Ubiorum  (Cöln),  die  Haupt- 
stadt von  Niedergermanien.  Von  hier  führte  die  Strafse  auf  der  linken  Rhein- 
seite weiter  über  Durnomagus  (Dormagen),  Novaesium  (Neuis),  Gel- 
duba  (Gellep),  Asciburgium  (Asberg),  Vetera  castra  (Birthen?).  Co- 
lonia Trajana  (Xanten),  Noviomagus  (Nimwegen),  Trajectum  (Utrecht) 
nach  Lugdunum  Batavorum  (Leiden).  —  Von  Cöln  ging  auf  dem  linken 
Ufer  eine  Rheinstralse  aufwärts  nach  Bonna  Bonn),  Rigomägus  (Remagen), 
Antunnacum  (Andernach),  Confluentes  (Coblenz),  Baudobrica  (Bop- 
pard),  Bingium  (Bingen),  Mogontiäcum  mit  dem  Castellum  Mattiacum 
auf  dem  gegenüberliegenden  Ufer;  es  war  die  Hauptstadt  von  Obergermanien; 
Borbetomägus,  civitas  Vangionum  (Worms),  Noviomagus,  civitas  Ne- 
metum (Speier);  weiterhin  folgte  Vicus  Julii  iGermersheim\  Tabernae 
(Rhein-Zabern) ,  Saletio  (Selz),  Breucomagns  Brumat),  Argentorate 
(Strafsburg)  und  am  Rheinknie  Cambete  f  Kembs),  von  wo  eine  Strafse  süd- 
westlich nach  Vesontio  (Besaneon)  führte.  Ein  Stink  oberhalb  des  Rheinknies 
lag  A  ugusta  Raurieorum  (Äugst). 

Auf  <ler  rechten  Seite  des  Rheins  lag  das  Dekumatenland ;  die  Römer 
schienen  es  anfangs  unbesiedelt  lassen  zu  wollen,  überliefscn  CS  aber  den  galli- 
schen Einwanderern.  Auch  im  Dekumatenlande.  welches  also  zum  gröfeten 
Teil  die  badischen  und  württembergischen  l^ande  umfafste,  wurde  der  Stralsen  - 
bau  in  Verbindung  mit  den  Siedelungen  eifrig  gefördert.  Wichtig  sind  hier 
die  Meilensteine,  wie  jener  von  Bühl,  der  einer  Strafse  Erwähnung  tut,  die  l>ei 
Mainz  auf  dem  linken  Ufer  begann,  bei  Worms  auf  das  rechte  Rheinufer 
führte  naeh  Lupodunum  (Ladcnburg).  Nach  Zangemeister  stammt  dieser 
Meilenzeiger  aus  der  Zeit  Trajans.  etwa  «lern  Jahre  1CX).  Der  nächstfolgende 
bedeutsame  Ort  war  damals  die  Civitas  Aurelia  Aquensis  oder  Aquae 


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G().  lAiidwirtachaft.  1  51 

Aureliae  (Baden -Baden),  die  schon  am  Ende  des  I.  Jh.  existiert  hat  und 
wegen  der  warmen  Quellen  natürlich  ein  Anziehungspunkt  würfle.  —  Von 
Vindonissa  (Windisch  in  der  Schweiz)  führte  die  Konsularstrafse  nach  Reginum 
(Regensburg).  An  ihr  lagen,  wenn  auch  nicht  grofse  Städte,  so  doch  mehrere 
Stationen  (mansionesj,  wie  Tenedo.  Juliomagus  Brigobanne,  die  sich 
nur  schwer  mit  heutigen  Örtlichkeiten  identifizieren  lassen.  Dann  folgen  die 
Arae  Flaviae  beim  heutigen  Rottweil,  ein  militärisch,  wie  für  die  sakrale 
und  zivile  Verwaltung  wichtiger  Punkt.  Weiter  ging  die  Strafse  durch  das 
Neckartal  nach  Sumelocenna  (Rottenburg  a.  Neckar),  wo  ein  sehr  grofs 
angelegtes  Kastell  sich  befunden  hat.  Bei  (Maren  na  Cannstatt)  überschritt 
die  Strafse  den  Neckar;  sie  biegt  östlich  um  und  führte  südlich  des  Limes 
nach  Aquileia  (Aalen)  und  über  Abusina  nach  Castra  Regina,  Reginum. 

Das  Helvetierland  durchzog  eine  Strafse  vom  Genfer  See  bis  sum  Boden- 
see. Sie  begann  bei  Octodurus  (Martigny),  dem  Sammelpunkt  mehrerer  Alpen- 
passagen, führte  den  Rhone  abwärts  an  das  östliche  Ende  des  Genfer  Sees 
nach  Penneloci,  weiter  um  den  Nordrand  herum  nach  Vi  vi  seil  s  iVevey), 
Lausonna  (Lausanne),  N o v i o d u n u m  (Nyon),  (ienava  (Genf »  in  der  Gaflia 
Narbonnensis.  Von  Lausanne  zweigte  nordwärts  eine  Strafse  nach  Eburo- 
dunum  ab  (Yverdun,  Ifferten).  Die  Hauptstrafse  führte  von  Vivlscus  nörd- 
lich nach  Aventicum  (Avenehes),  der  Hauptstadt  der  Helveticr.  Weiter 
ging  sie  nach  Salodurum  (Solothurn)  und  dem  wichtigen  Vindonissa 
(Windisch);  es  lag  sehr  wahrscheinlich  an  der  ZusammenHufsstelle  von  Reufs 
und  Aar.  Weiterhin  südöstlieh  lag  Aquae  (Baden  in  der  Schweiz).  Die 
Strafse  führte  dann  über  Vito durum  (Winterthur),  ad  Fines  (Pfyn)  an  den 
Bodensee,  den  sie  bei  Ar  bor  Felix  erreichte  (Arbon),  bis  Brigant  i  u  m 
(Bregenz).  -~  Unter  den  Städten  Rätiens  sind  zu  nennen:  Curia  (Chur), 
Campodunum  (Kempten),  Abudiacum,  wo  die  Strafse  von  Brigantium 
mit  der  Brennerstrafse  [über  Parthanum)  zusammentraf.  —  Vgl.  auch 
unter  »Verkehr^  die  an  den  Alpenstrafsen  liegenden  Orte.  —  Von  Abudiacum 
führte  die  Strafse  den  Lech  entlang  nach  Augusta  Vindelicorum  (Augs- 
burg), der  Hauptstadt  Vindeliciens,  der  späteren  Raetia  secunda  (bei  Tacitus: 
splendidissima  provinciae  colonia).  Von  hier  ging  eine  Strafse  südöstlich  über 
Pons  Aeni  nach  Juvavum  (Salzburg)  und  eine  andere  nordöstlich  nach 
Reginum  oder  Castra  Regina  (Regensburg).  Sie  führte  weiter  der  Donau 
entlang  bis  zur  Mündung  des  Inn,  der  Grenze  von  Rätien  und  Noricum.  Auf 
der  linken  Uferseite  lag  Castra  Batava  (Altstadt  Passau).,  gegenüber  auf  der 
rechten  Bojodurum  (Innstadt  bei  Passau).  Die  Strafse  führte  weiter  nach 
Ovilava  [Wels)  und  an  die  Donau  zurück  nach  Lauriacum  (Lorch),  Ar- 
lape  (Pöchlarn),  Trigisamum  (Treismaur),  Commagena  (Tulln)  nach  Vin- 
dobona  (Wien)  und  Carnuntum  (Petronell). 

60.  Landwirtschaft.  Über  den  Kulturzustand  der  Germanen  sind 
die  verschiedenartigsten  und  Widerspruch  vollsten  Ansichten  geäufsert 
worden.  Die  Beweglichkeit  der  germanischen  Stämme,  die  durch  die 
Landnot  erfolgton  Auswanderungen  ganzer  Völker  mit  ihren  Herden 
und  Wagenburgen  hatten  zu  der  irrigen  Annahme  geführt,  dafs  jeno 
noch  reine  Nomaden  gewesen  seien.  Freilich  hätte  man  bedenken 
können,  dafs  Germanien  uns  von  den  Alten  als  ein  walderfülltes  Land 
geschildert  wird,  und  dafs  Urwälder  noch  niemals  von  Nomaden  bevölkert 
worden  sind.  Auch  die  Annahme ,  dafs  sich  jeno  Völker  den  für  die 
Viehhaltung  nötigen  Raum  durch  Rodungen  geschaffen  hätten,  führt  bei 
näherer  Prüfung  zu  ganz  unhaltbaren  Folgerungen.  Man  hat  sich  von 
dem  Zustande  des  Landes  insofern  eine  falsche  Vorstellung  gemacht, 
als  man  dem  Walde  eine  zu  grofse  Vorherrschaft  zugesprochen  hat. 


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152  IHi  Kulturgcographie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 

Die  tatsächliche  Anwesenheit  von  volkreichen  Stämmen  läfst  vielmehr 
auf  das  Vorhandensein  vieler  waldloser  oder  mindestens  weniger  dicht 
bewaldeter  Stellen  zurückschliefsen,  die  der  Ackerwirtschaft  unterworfen 
waren;  und  erst  als  sie  bei  steigender  Volksvermehrung  nicht  mehr 
ausreichten,  entsehlofs  man  sich  zur  Auswanderung.  Auch  an  Rodungen 
zum  Zweck  der  Agrikultur  ist  nicht  zu  denken,  da  die  Niederlegung 
von  Urwaldungen,  die  man  sich  gewöhnlich  als  zu  einfach  und  leicht 
vorstellt,  damals  technisch  kaum  durchführbar  wTar.  Die  naturgemäfs 
sich  aufdrängende  Krage,  woher  waldfreie  Stellen  vorhanden  waren,  da 
doch  Rodungen  vollständig  ausgeschlossen  sind,  läfst  sich  nur  mit  Hin- 
weis auf  die  geognostische  Beschaffenheit  des  Bodens  beantworten.  Die 
Verbreitung  des  Löfs,  jener  durch  Staubverwehungen  erzeugten  Boden- 
schicht von  unbegrenzter  Fruchtbarkeit,  setzt  für  verschiedene  Gegenden 
Mitteleuropas  einen  steppenlandartigen  Charakter  voraus.  Der  Nachweis 
von  spezifischen  Steppentieren  und  -pflanzen  an  solchen  Stellen  imd  die 
archäologisch  nachgewiesene  früheste  Besiedelung  geben  den  Schlufs  an 
die  Hand,  dafs  das  Land  nicht  vollständig  mit  Wald  zugedeckt  war. 
Der  Mensch  hatte  sich  hier  eingefunden,  ehe  sich  das  ganze  Land  mit 
einer  Urwaldvegetation  bekleidet  hatte,  und  solche  waldfreien  oder  wald- 
armen Gebiete  wurden  natürlich  von  Generation  zu  Generation  offen 
gehalten  und  dauernd  für  die  Siedelungen  und  Ackerkultur  in  Anspruch 
genommen. 

Über  die  Nahrungsmittel  der  Germanen  werden  uns  von  den 
Alten  mehrfach  Mitteilungen  gemacht,  die  einen  Schlufs  auf  ihre  land- 
wirtschaftliehe Tätigkeit  gestatten.  Tacitus  (c.  23)  bemerkt:  »Ihre  Kost 
ist  einfach :  wildwachsende  Früchte  (agrestia  poma),  frisches  Wild  oder 
geronnene  Milch,  und  Caesar  (b.  g.  IV,  1)  berichtet  von  den  Sueben, 
dafs  sie  > gröfstenteils  von  Milch  und  «lern  Vieh  leben,  weniger  von 
Getreide,  und  viel  auf  der  Jagd  sind«.  Hiemach  scheint  das  Fleisch 
als  Ertrag  der  Viehzucht  wie  der  Jagd  die  Hauptnahrung  der  Germanen 
gewesen  zu  sein,  ohne  dafs  man  sie  deshalb  aber  als  ein  Nomadenvolk 
oder  Jägervolk  bezeichnen  dürfte.  Freilich  sagt  Caesar  (b.  g.  VI,  22), 
dafs  sie  nicht  der  Feldarbeit  obliegen  (agricitUurac  non  Student)  und  dafs 
ihre  Nahrung  zumeist  in  Milch,  Käso  und  Fleisch  besteht.  Doch  ist 
der  «-rste  Teil  des  Satzes  nicht  wörtlich  zu  nehmen,  da  er  kurz  darauf 
von  den  Maisnahmen  bei  der  Benutzung  der  Acker  spricht.  Ihre  land- 
wirtschaftliche Betätigung,  die  man  aber  nicht  allzu  hoch  veranschlagen 
darf,  wird  von  anderer  Seite  gebührend  hervorgehoben,  und  es  werden 
auch  die  Feldfrüchte,  die  s.  Z.  gebaut  wurden,  namhaft  gemacht, 
besonders  Hafer  und  Gerste.  Dagegen  hat  die  Kultur  edler  übstarten 
ganz  gefehlt  und  wurde  erst  eingeführt  ,  wie  schon  die  Namen :  Wein, 
Kirsche,  Pflaume,  Birne  bezeugen.  Auch  der  Viehzucht  wird  von  den 
Alten  mehrfach  gedacht,  doch  hatten  sie  von  ihr  keine  hohe  Meinung, 
weil  Pferde,  Rinder  und  Schafe  ihnen  alle  recht  unansehnlich  erschienen. 
Nur  die  Gänse  schätzten  sie,  hauptsächlich  der  Federn  wegen,  für  die 
hohe  Preise  gezahlt  wurden.  Weideflächen  müssen  hiernach  genügend 
vorhanden  gewesen  sein,  und  Plinius  ist  über  sie  des  Lobes  voll. 


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60.  Landwirtschaft. 


153 


Näheres  über  die  Beschaffenheit  Mitteleuropas  im  Urzustände  s.  bei 
Gradmann,  Das  mitteleuropäische  Landschaftsbild  nach  seiner  geschieht!.  Ent- 
wiekelung,  in  Geogr.  Z.  VII  (1901),  p.  361  ff.,  435—437.  Aufscrdem  vgl 
Nehring,  Über  Tundren  und  Steppen  der  Jetzt-  und  Vorzeit,  1800.  E.  Krause, 
Die  natürliche  PHanzendecke  Nordcleutschlands.  Globus  61  (1893).  A.  Schulz, 
Grundzüge  der  Entwiekelungsgeschiehtc  der  Pflanzenwelt  Mitteleuropas,  1893. 
V.  Hehn,  Kulturpflanzen  und  Haustiere  in  ihrem  Übergänge  aus  Asien  nach 
Griechenland  und  Italien  sowie  in  das  übrige  Europa,  6  Aufl..  hrgb.  von 
Sehrader  und  Engler.  1893  (hat  die  Frage  von  der  histor.-linguistischen  Seite 
aus  behandelt,  wobei  Irrtümer  nicht  ausgeschlossen  waren).  Ed.  Hahn.  Die 
Haustiere  und  ihre  Beziehungen  zur  Wirtschaft  des  Menschen,  Leipzig  1896. 

Tacitus  nennt  unter  den  Nahrungsmitteln  ayrestia  ponta,  also  wildwachsendes 
Obst,  worunter  nur  Beeren,  Nüsse,  Holzäpfel,  Bucheneckern  und  Eicheln  ver- 
standen werden  können.  Denn  c.  5  bezeichnet  er  das  Land  als  frugiferarnm 
arborum  impatiem,  d.  h.  als  ungeeignet  für  (edle)  Obstbäume.  Müllenhoff  (IV, 
25  f.)  bezweifelt,  ob  obige  Früchte,  die  teilweise  ein  vortreffliches  Sehweine- 
futter bilden,  wirklieh  die  tägliehe  Nahrung  der  Germanen  gewesen  seien.  Dafs 
sie  den  Acker-  und  Gartenbau  aber  nur  oberflächlich  betrieben,  wird  aufser 
durch  Caesar  1.  c.  auch  durch  Tacitus  (Germ.  c.  26)  bestätigt,  wo  er  von  der  wech- 
selnden Benutzung  des  Landes  als  Saatland  und  Brachland  spricht  und  weiter 
bemerkt,  dafe  sie  weder  Olwtpflanzungen  anlegen,  noch  Wiesen  abzäunen  und 
Gärten  bewässern.  Auel)  Strabo,  p.  290.  ist  hier  zu  berücksichtigen,  der  die 
Sueben  schildert,  die  Einfachheit  ihrer  Lebensweise,  den  häutigen  Wechsel 
ihrer  Wohnsitze  hervorhebt,  »weil  sie  keinen  Ackerbau  treiben  und  sich  keine 
Schätze  sammeln ;  sie  leben  vielmehr  in  Hütten,  die  sie  sich  jeden  Tag  errichten, 
und  nähren  sich  gröfstenteils  vom  Vieh,  wie  die  Nomaden  (I),  denen  sie  auch 
darin  ähnlich  sind,  dafs  sie  ihre  Habe  auf  Wagen  mit  sich  führen  und  mit 
ihren  Herden  dahin  ziehen,  wohin  es  ihnen  beliebt«.  Strabo  schildert  aber 
hier  die  Germanen  im  Kriegszustände ,  wie  sie  den  Römern  begegnet  sind. 
Wenn  man  hiernach  die  Sueben  mindestens  als  Halbnomaden  auffassen  will, 
so  darf  doch  diese  Annahme  nicht  auf  alle  germanischen  Stämme  ausgedehnt 
werden.  Dafs  auch  die  Germanen  in  Zeiten  der  Ruhe  und  des  Friedens  das 
Feld  bestellten,  lehrt  die  Notiz  bei  Caesar  VI.  22  über  füe  jährliche  Verteilung  des 
Ackerlandes  unter  ihnen.  Aus  allen  diesen  widerspruchsvollen  Mitteilungen 
geht  nur  das  eine  hervor,  dafs  der  Ackerbau  nicht  ihre  Hauptbeschäftigung 
war  und  nicht  in  Blüte  stand,  jedenfalls  hinter  der  Viehzucht  rangierte.  — 
Von  Feldgewächsen  wird  der  Hafer  favt-naj  genannt,  der  nach  Plinius  XVIll, 
149  in  Form  von  Brei  (puls)  genossen  wurde,  aber  von  ihm  als  eine  Art 
Unkraut  unter  anderen  Getreidearten  angesehen  wird.  Tacitus  (c.  23)  erwähnt 
dann  die  Gerste  (hordeum)  und  Hafer  (frumentum).  Langethal  (p.  25)  will 
letzteres  Wort  nur  als  Getreide,  Brotfrucht  schlechthin  verstanden  wissen  und 
vermutet  in  ihm  da*  Einkorn,  in  Thüringen  Dinkel,  anderwärts  Spelt,  Spelz 
genannt  An  jener  Stelle  des  Tacitus  werden  beide  zum  Zweck  der  Bier- 
bereitung erwähnt.  Merkwürdigerweise  wird  des  Roggens  (secale)  gar  nicht  Erwäh- 
nung getan  Plinius  bespricht  ihn.  aber  niemals  mit  Bezugnahme  auf  Germanien. 
Von  anderen  Gewächsen  üifst  sich  auch  keine  Belegstelle  finden,  doch  ent- 
scheidet vielfach  der  urdeutsche  Name,  dafs  es  in  früherer  Zeit  bekannt 
gewesen  sein  mufs.  -  Von  Wurzelgewächsen  wird  der  Rettich  (rapfumus) 
genannt,  der  nach  Plinius  XIX,  83,  bis  zur  Gröfse  eines  Kindes  sich  auswuehs. 
Ferner  die  Rapunzel  (siscr),  für  welche  Kaiser  Tiberius  eine  Vorliebe  hatte 
und  welche  er  von  Niedersermanien  bezog,  und  der  wilde  Spargel  (asparago) 
in  Obergermanien  (Plin.  XIX,  90,  145).  Von  Nutzgewächsen  scheint  man  nur 
den  Flachs  gekannt  zu  haben,  obwohl  auch  dies  nicht  ausdrücklich  bezeugt 
ist ;  aber  die  germanischen  Frauen  trugen  linnene  Gewänder  und  verfertigten 
sie  selbst  (Tac.  Germ.  17;  Plin.  XIX,  8,  9).  Gartenhau  war  im  eigentlichen  Sinne 
des  Wortes  nicht  vorhanden ;  Gartenfrüchte  sind  auch  sämtlich  erst  eingeführt 
worden;  die  Namen:  Gurke,   Kürbis,  Kümmel,  Salat,  Senf,  Petersilie,  Dill, 


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154  III  -  Kulturjreographie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 

Zwiebel  sind  auch  alle  Fremdwörter  (Müllenhoff  IV,  377).  Schliefslich 
auch  des  Weinstockes  gedacht,  der  auf  Grund  einer  Stelle  in  der  vita  Profti 
des  Vopiscus,  c.  18,  durch  jenen  Kaiser  in  Gallien,  Spanien  und  Britannien 
und  vermutlich  auch  Germanien  eingeführt  worden  sei.  Doch  kann  hierbei 
von  einer  allgemeinen  Verbreitung  nicht  die  Rede  gewesen  sein.  Caesar  bemerkt 
(b.  g.  IV,  2)  von  den  Sueben,  dafs  sie  Weineinfuhr  nicht  dulden,  und  II,  15 
sagt  er  dasselbe  von  den  Nerviern.  Tacitus  (Germ.  23)  bezeichnet  nur  die  dein 
Rhein  zunächst  Wohnenden  als  Weintrinker,  die  ihn  al>er  auch  erst  durch 
Kauf  beziehen  (proximi  ripae  et  vi  tut  m  mercantur).  —  Viel  gerühmt  wurden  die 
Viehweiden  mit  ihren  gehaltvollen  Futterkräutern,  von  denen  Plinus  XVII, 
26,  sagt:  quid  laudabilhix  Girmaniae  palndist  Die  Viehzucht  war  auch  die 
Liebimgsbeschäftigung  der  Germanen.  »Sie  freuen  sich  über  die  Zahl  Ihrer 
Tiere,  und  diese  sind  ihr  einziger  und  liebster  Reichtum«  (Tac,  Germ.  5).  Aber 
über  die  Qualität  der  Tiere  urteilte  der  Römer  vielleicht  nicht  ohne  Vorein- 
genommenheit viel  strenger.  Vgl.  das  abfällige  Urteil  über  die  Pferde,  c.  6; 
hierzu  Caesar,  b.  g.  VI,  2;  VII,  65.  Unter  den  Stämmen  werden  die  Chauken 
im  Nordseeküstengebiet,  wo  der  Marschlandboden  einen  vortrefflichen  Weide- 
platz bildet,  als  diejenigen  bezeichnet,  welche  die  meisten  Pferde  besafsen. 
Ebenso  tadelt  Tacitus  an  den  Rindern  die  Unansehnlichkeit  der  Rasse.  Die 
Produkte  der  Rinderzucht  (Milch,  Käse  und  Fleisch )  bildeten  einen  wesentlichen 
Teil  ihrer  Nahrung.  Auch  Fische  wurden  genossen,  so  von  den  Chauken 
(Plin.  XVI,  3)  und  von  den  Bewohnern  der  Rheininseln  ^Caesar  IV,  10);  desgl. 
blieben  die  Fische  in  Rhein  und  Donau  nicht  unbeachtet  (Plin.  IX,  44). 
über  die  Gänse  (yantae),  auf  welche  der  Daunen  wegen  voll  Kohorten  Jagd 
gemacht  wurde,  vgl.  Plin.  X,  53. 

Jacobi,  De  rebus  rusticis  veterum  Germanoruni,  Dissert,,  Leipzig  1833. 
II  ostmann,  Altgermanische  Landwirtschaft ,  Göttingen  1855.  Lange  thal, 
Gesch.  der  deutschen  Landwirtschaft,  Jena  1854,  I.  Müllen  ho  ff,  DA.  IV, 
25  f.,  149-157,  343-349,  362  ff.  Waitz,  D\\,  I.  Bd.  v.  d.  Goltz^  Gesch. 
der  deutschen  Landwirtschaft,  1902,  1,  29—61.  W.  Fleisch  mann,  über  die 
landwirtschaftlichen  Verhältnisse  Gennaniens  um  den  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung, Journal  für  Land  Wirtschaft  1903,  S.  Kl  ff. 

61.  Wald.  Als  charakteristischer  Grundzug  der  germanischen  Land- 
schaft wird  von  den  Alten  stets  die  dichte  Bewaldung  angegeben.  Der 
Gegensatz  zur  Mittelmeerlandschaft  war  ein  zu  durchgreifender.  Die 
Schilderungen  gipfeln  daher  in  lebhaften  Ausdrücken  von  der  Düsterheit 
und  Undurchdringlichkeit  der  germanischen  Wälder.  Dafs  die  Bedeckung 
mit  Urwald  nicht  eine  allgemeine  war,  dafs  gröfsere  und  kleinere  Ge- 
biete des  Waldes  entbehrten  und  der  Besiedelung  und  Agrikultur  dienten, 
ist  im  vorhergehenden  Abschnitt  gezeigt  worden.  Gewifs  aber  war  das 
weitaus  gröfste  Areal  des  Landes  damals  noch  mit  Wald  erfüllt,  und 
besonders  gilt  dies  von  den  Gebirgen,  die  auch  meist  die  Bezeichnung 
silra  oder  saltus  führen  und  bis  in  das  Mittelalter  hinein  völlig  unzugäng- 
lich waren.  An  erster  Stelle  ist  hier  die  oft  genannte  Hercynia  silva  zu 
nennen,  die  kein  einzelnes  Gebirge  nur,  sondern  eine  ganze  Folge  von 
Berglandschaften  war,  vom  Schwarzwald  bis  zu  den  Karpathen  reichend. 
Die  vorwiegend  gleichmäfsige  Bedeckung  mit  Wald,  dem  eine  Aus- 
dehnung von  60  Tagereisen  in  der  Länge  und  9  Tagereisen  in  der  Breite 
zugeschrieben  wird,  wobei  lichte  und  waldarme  Stellen  natürlich  nicht 
ausgeschlossen  waren,  mag  gerade  zu  einer  Kollektivbezeichnung  jener 
mitteldeutschen  Gebirgszüge  mit  Veranlassung  gegeben  haben.  Ferner 
gehören  hierher  die  Marciana  silva  (Schwarzwald),  Oabreta  silva  (Böhmer - 


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61.  Wald.  155- 

wald),  Semana  silva,  ßacenis  silva  (Rhön,  Spessart),  die  Cacsia  silva  im 
O.  des  Mittelrheins,  die  Arditenna  silva  im  W.  von  diesem,  die  heutigen 
Ardennen  bis  südwärts  über  die  Mosel  hinaus  und  an  den  Rhein  reichend, 
der  Saltus  Teutolnirgensis.  Das  Geheimnisvolle  jener  schwer  zugänglichen 
Waldungen  beherrschte  auch  die  religiösen  Empfindungen  des  Volkes; 
heiüge  Haine  werden  uns  mehrfach  genannt,  so :  der  Lucus  Baduhennae 
bei  den  Friesen,  eine  Hercidis  silva  im  Weserlande,  ferner  der  Hain  der 
Naharvalen  und  jener  der  Semnonen  sowie  das  Castrum  nemus  der  Ncr- 
thus.  —  Die  Unwegsamkeit  durch  diese  Waldwildnis  hemmte  oft  genug 
den  Römer  in  seinem  Siegeslauf;  das  Vordringen  in  das  Innere  war 
hierdurch  nicht  zum  wenigsten  erschwert;  Schlupfwinkel  und  Vorstecke 
boten  sich  zahlreiche;  Sümpfe  versperrten  den  Rückzug;  der  Unkundige 
war  in  einem  solchen  Lande  verraten  und  verkauft.  Immer  von  neuem 
schütteten  die  Waldungen  ihre  Menschenmassen  aus.  Germanien  ver- 
teidigte sich  nicht  zum  wenigsten  durch  seine  Wälder.  —  Auch  über 
die  Natur  des  Urwaldes  geben  uns  die  Quellen  einige  Aufschlüsse.  Plinius 
schildert  uns  den  Herevnischen  Wald,  »der  noch  unberührt  durch  die 
Jahrhunderte  und  so  alt  wie  die  Welt  durch  seine  ewige  Dauer  alle 
Wunder  übertrifft..  Die  Bäume  stehen  sich  hier  gegenseitig  im  Wege. 
Die  Wurzeln  der  Eichen  stauen  sich  aneinander  und  heben  das  Erdreich 
hügelartig  in  die  Höhe;  sie  bäumen  sich  zuweilen  so  hoch  auf.  dafs 
bogenförmige  Wölbungen  wie  Tore  entstehen,  die  ganzen  Reiterschwa- 
dronen den  Durchgang  gestatten.  Doch  werden  sich  derartige  Erschei- 
nungen wohl  nur  bei  entwurzelten  Bäumen  beobachten  lassen. 

Was  die  Baumgattungen  anbelangt,  so  ist  man  allgemein  der  Ansicht, 
dafs  dio  Laubhölzer  ganz  entschieden  vorgeherrscht  haben  and  das  Ver- 
hältnis von  Laub*  und  Nadelwald  von  damals  zu  heute  genau  das  Um- 
gekehrte war.  Die  Wälder  bestanden  vorzugsweise  aus  Eichen  und 
Buchen,  untermischt  auch  mit  anderen  Bäumen,  wie  Erle  und  Weide  in 
feuchten  Niederungen,  Pappel,  Esche,  Linde,  Ulme,  Ahorn,  Birke  u.  a.  m. 
in  höheren  Lagen.  Über  das  Vorkommen  aller  dieser  Gattungen  geben 
uns  die  prähistorischen  Funde  und  die  alten  Autoren  hinreichend  Auf- 
schlufs.  Von  Nadelhölzern  werden  die  Fichte,  Kiefer,  Tanne  und  Lärche 
genannt.  Der  geographischen  Verteilung  nach  waren  Fichten  und  Tannen 
meist  in  den  Gebirgen  anzutreffen,  die  Lärche  wohl  ausschließlich  in 
den  höheren  Berglagen,  besonders  in  den  Alpen.  In  letzteren  lebte,  wie 
Strabo  berichtet,  die  Bewohnerschaft  vorzugsweise  vom  Ertrag  der  Wald- 
produkte und  dem  Handel  mit  ihnen  (Harz,  Pech,  Wachs,  Honig).  Die 
Kiefer  war  damals  wesentlich  auf  die  östliche  Hälfte  der  Norddeutschen 
Tiefebene  beschränkt.  Während  die  süddeutschen  Berglandschaften  von 
den  Vogesen  bis  nach  Böhmen  hinein  besonders  viel,  z.  T.  auch  aus- 
schliefslich  Nadelwald  trugen,  fehlte  dieser  in  Westdeutschland  bis  nord- 
wärts zur  Küste  fast  ganz.  Der  Spessart,  Odenwald,  die  hessischen 
Berge,  aber  auch  der  Thüringer  Wald,  der  Harz,  das  Rheinische  Schiefer- 
gebirge  waren  Verbreitungsgebiete  des  Laubholzes. 

Über  dio  Natur  der  Wälder  in  Verbindung  mit  der  sumpfigen  Beschaffen- 
heit des  Landes  und  der  Rauheit  des  Klimas  äufsern  sich  Mela  III,  8;  Tac. 


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156  III.  Kulturgeogniphic  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 

Germ.  C  5;  Annal.  II,  5;  Animian.  XV,  4.  Die  Namen  der  Waldgebirge  sind 
in  den  Abschnitten  über  physische  Oeographie  behandelt.  Der  Lucus  Badu- 
hmnae,  Tae,  Ann.  IV,  83;  Hcrculis  silva  Tae..  Ann.  II,  12;  der  Hain  bei  den 
Naharvalen.  Tae..  (ierm.  43,  bei  den  Semnonen,  ibid.  39;  der  heilige  Hain  der 
Nerthus  auf  einer  Insel  im  Ozean,  ibid.  c.  40.  Mit  der  Insel  seheint  Rügen 
gemeint  zu  sein ;  andere  sehen  in  ihr  Femarn,  Seeland,  die  Nordostspitze,  von 
Holstein,  Alseu,  Helgoland  oder  eine  Insel  in  der  Elbmündung  bei  Hamburg. 
Letzteres  Möllenhoff,  DA.,  IV,  170.  Vgl.  auch  Baumstark  zu  Taeitus,  (ierm.  II, 
p.  174.  Über  die  Baumgattungen  gaben  besonders  die  Pfahlbauten  Aufsehlufs. 
Die  Pfähle  waren  bei  einem  Dorfe  im  Untersee  (Bodensee),  wie  die  noch 
erhaltenen  Rinden  zeigen,  aus  Eichen,  Buchen,  Birken,  Erlen,  Ulmen,  Eschen, 
Ahorn  und  Tannen  gearbeitet.  Bei  einem  anderen  Dorf  im  Genfer  See  bestanden 
sie  ganz  aus  Eichenstämmen.  Die  Eiche  scheint  überwiegend  die  Wälder 
Westgermaniens  gebildet  zu  haben;  auch  die  alten  Schriftsteller  tun  ihrer  am 
meisten  Erwähnung.  Caesar,  b.  g.  I,  13,  an  der  Rheinmündung,  Plinius  XVI, 
1,  im  Emsgebiet,  wo  ganze  Baumstämme  schwimmend  angetroffen  wurden. 
Aus  ihnen  stellten  sich  die  germanischen  Seeräuber  ihre  Boote  her,  die  aus 
einem  einzelnen,  ausgehöhlten  Raumstamm  bestanden.  Auch  für  die  Schweine- 
mast fanden  die  Eichenwälder  viel  Verwendung.  Uber  die  übrigen  meist  bei 
Plinius  genannten  Baumarten  vgl.  Berg,  p.  30  ff.,  34—37.  Kiefern,  Fichten 
und  Tannen  waren  meist  auf  Gebirgen  anzutreffen,  desgl.  die  Lärche,  z.  B. 
in  den  Alpen,  wo  sie  in  riesigen  Exemplaren  vorkam.  Plinius  (XVI,  74) 
beschreibt  einen  dieser  gröfsten  Bäume,  eine  Lärche  aus  Rätien,  wert,  in  Rom 
gezeigt  zu  werden,  die  unter  Nero  zu  einem  Brückenbau  dienen  sollte,  von 
120  Fufs  Länge. 

über  die  Verteilung  der  Baumarten  im  alten  Deutschland  geben  uns 
neben  direkten  Nachrichten  auch  die  Namen  der  Orte  mehrfach  Auskunft; 
8.  hierüber  unten;  desgl.  über  die  einschlägige  Literatur  beim  Termin  1375. 

62.  Bergbau.  Der  grofse  Reichtum  Mitteleuropas  an  inneren  Boden- 
schätzen war  noch  nicht  hinreichend  erkannt  worden;  jedenfalls  waren 
noch  nicht  alle  Teile  dieses  weiten  Gebietes  daraufhin  geprüft.  Bei  den 
<  iermanen  konnte  überdies  von  einem  regelrechten  Bergbaubetrieb  keine 
Rode  sein,  wenn  sie  auch  Metalle  für  ihre  Waffen  verwendeten.  Wenn 
Taeitus  bemerkt  (Germ.  6),  dafs  Eisen  bei  ihnen  nicht  im  Überflufs  vor- 
handen sei ,  so  liegt  darin  ausgesprochen ,  dafs  es  nicht  gänzlich  an 
solchem  gefohlt  habe.  Der  dicht  unter  der  Oberfläche  anstehende  Rasen- 
eisenstein war  leicht  erkennbar  und  ebenso  leicht  zu  schürfen  und  zu 
bearbeiten.  Taeitus  zog  auch  das  Vorhandensein  von  Gold  und  Silber 
in  Zweifel.  Kupfer  und  Gold  hat  sich  aber  in  germanischen  Gräbern  nach- 
weisen lassen,  während  Silber  tatsächlich  seltener  gewesen  zu  sein  scheint. 

Weit  mehr  hat  der  Süden  Mitteleuropas  sich  durch  Förderung 
von  Bergwerkserzeuguissen  hervorgetan.  Die  östlichen  Alpenländer  waren 
wegen  ihres  <  Joldreichtums  bekannt,  und  einen  grofsen  Ruf  hatte  besonders 
das  norische  Eisen,  welches  auch  die  Römer  zu  bergbaulicher  Tätigkeit 
anlockte.  Der  vorrömische  Betrieb  wTar  in  diesen  Ländern  nicht  von 
germanischen ,  sondern  keltischen  Völkern  eingeleitet  worden ,  welche 
den  Germanen  im  Bergwesen  weit  überlegen  waren. 

Mit  dem  Vordringen  der  Römer  von  Gallien  her  wurden  auch  die 
westlichen  Länder,  besonders  die  Rheinlande,  im  weiteren  Sinne  der 
Sitz  lebhafter  Montanbetriebe.  Fliefsen  auch  die  literarischen  Nachrichten 
hierüber  sehr  spärlich ,  so  sind  wir  doch  durch  Auffindung  der  alten 


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62.  Beigbau.  157 

bergbaulichen  Einrichtungen  mit  Windherden  so  wir  grofser  Massen 
alter  Eisenschlacken  über  die  damalige  Tätigkeit  und  Ausdehnung  des 
Bergbaues  einigermafsen  unterichtet.  Spuren  hiervon  finden  wir  an  der 
Mosel,  in  der  Eifel,  im  Pfälzer  Berglande,  an  der  Lahn,  im  Taunus, 
Schwarzwalde,  in  den  Vogesen  u.  a.  m.  Dafs  die  Römer  auch  den 
Thermalquellen,  welche  sie  ebenso  schon  zu  sanitären  Zwecken  verwen- 
deten, ein  besonderes  Interesse  entgegenbrachten,  ist  bereits  erwähnt 
worden.  Merkwürdigerweise  wird  des  Salzes  so  wenig  Erwähnung  getan, 
trotzdem  eine  grofse  Anzahl  von  Salzquellen  ohne  Zweifel  schon  damals 
bekannt  gewesen  sein  mufs  und  hoch  geschätzt  wurde,  wie  die  häufigen 
Kämpfe  um  den  Besitz  solcher  Quellen  ausdrücklich  bezeugen. 

Das  für  die  damalige  Zeit  wichtigste  und  in  den  Mittel meerländern 
begehrteste  Produkt  war  der  Bernstein,  der  an  der  Nordsee-,  besonders 
aber  Ostseeküste  (Samland)  gefunden  wurde  und  dessen  Gewinnung 
keine  technischen  Schwierigkeiten  mit  sich  brachte.  Seine  kulturgeschicht- 
liche Bedeutung  liegt  in  dem  Umstände  begründet ,  dafs  durch  ihn  in 
den  ältesten  Zeiten  der  Geschichte  die  ersten  Beziehungen  der  mittel« 
meerländischen  Kulturwelt  mit  dem  Norden  Europas  angebahnt  wurden. 

Den  Mangel  an  Edelmetallen  und  die  geringe  Wertschätzung  seitens  der 
Germanen  bemerkt  Tacitus,  Genn.  e.  5;  über  «las  Eisen  ibid.  Anfang  von  e.  «>. 
Im  43.  Kap.  berichtet  er  ferner  von  den  Eisenbergwerken  der  keltischen  ('<»- 
tinen.  die  vielleicht  im  Grangebiet  gesessen  haben.  Diese  Bergwerke  seheinen 
dieselben  zu  sein,  die  Ptolemaus  (II,  11,  11)  nennt.  nif>itni»orytiu  in  der  Nähe 
der  Luna  silva.  Vgl.  Müllenhoff,  DA.  II.  324.  Baumstark  '  (zu  Tac.  I,  302; 
II,  221  f.)  nimmt  auch  an.  dafs  von  hier  ein  Teil  Gernianiens  mit  Eisen  ver- 
sehen wurde. 

Weit  bedeutender  waren  die  Eisenbergwerke  in  Norieuni;  Strahn  IV,  214; 
Ovid,  Metam.  14,  712;  llorat;  Od.  I,  16,  9;  Min.  34,  145.  Desgl.  war  der 
Goldbergbau  in  Norieuni  bei  Noreia  sehr  beträchtlich.  Strabo  (IV,  208,  214) 
erwähnt  (nach  Polybiua)  dies  bei  der  Schilderung  von  Aquileja,  welche«  nur 
Verkaufsort,  nicht  Fundort  des  Goldes  gewesen  sein  kann.  Auch  die  Flüsse 
führten  Goldsand,  wie  er  208  bemerkt,  nur  nic  ht  so  viel,  wie  es  in  den  Gold- 

S*uben  der  Fall  war.  wo  schon  in  2 — 15  Fufs  Tiefe  gediegene  Goldkörner  von 
uhnengröfse  gefunden  werden  und  das  Gestein  ein  Achtel  reinen  Goldgehalt 
aufweist. 

Die  Tätigkeit  der  Römer  im  Rheinland  erwähnt  Tacitus  (Ann.  XI.  20) 
einmal.  So  hätte  Curtius  Rufus  in  agro  Matti/ta»  Schachte  zur  Aufsuchung  von 
Silberadern  eröffnet,  die  allerdings  nur  eine  spärliche  Ausbeute  auf  kurze  Zeit 
ermöglichten.  Man  meint,  diese  Stelle  bei  dem  I  >orfe  Naurod  nordöstlich  von  Wies- 
baden gefunden  zu  haben.  —  Spuren  römischer  Eisenwerke  haben  sieh  ferner 
auf  dem  Hunsrück  gefunden  bis  zur  Nahe  und  Saar  hin.  in  der  Rheinpfalz 
bei  Ramsen,  im  Stumpfwald.  bei  Bergzabern,  Hehlcttcnbaeli,  Rothweiler,  Liseu- 
berg  und  Limburg  bei  Dürckheim;  im  Elsafs  bei  Niederbronn,  im  Schwarz- 
wakle  am  Wunnrlusse  und  im  Hagensehiefswalde,  auf  dem  Taunus  und  in  der 
Nähe  der  Lahn.  Blei  fand  man  in  der  Eifel  bei  Gommern,  Mechernich, 
Keldenich,  bei  Bleialf  an  der  Schnceeifel,  an  der  mittleren  Mosel  bei  Bernkastel, 
an  der  Lahn  bei  Ems  und  Nassau,  im  Schwarzwalde  bei  Baden-Baden;  Kupfer 
am  Virneberg  bei  Rhein breitbach,  an  der  Nahe  bei  Kreuznach,  Thalböckelneini 
und  dem  Rheingrafenstein,  an  der  Saar  bei  Waller  fangen.  Limberg;  Galmei 
bei  Gressenich  und  dem  Kalnmsberg  bei  Aachen,  vgl.  von  Festenberg-Packisch, 
p.  4,  5. 

Über  die  Gewinnung  des  Salzes  liegen  uns  auch  keine  Mitteilungen 
vor,  aber  hier  wird  man  annehmen  müssen,  dafs  die  reichen  Salzlager  und 


lös  III.  Kultunrcojrrapliu'  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 

Quellen  l"i  Rcichcnhall,  im  Salzkammergut,  bei  Marsal  in  Lothringen  den 
Anwohnern  und  später  den  Römern  unmöglich  ganz  unbekannt  gewesen  sein 
können  Dir  Hiiflstädter  Funde  beweisen  sogar,  dafs  man  bereite  in  prä- 
historischer Zeit  Salz  abbaute.  So  hat  man  im  Salzberge  bei  Hallstadt  fünf 
senkrecht  vom  Tage  al »gebaute  Sulzgruben  bis  zu  480  Fuls  Tiefe  gefunden,  die 
noch  Leuchtspäne.  Scheite,  bearbeitetes  Hüstholz  enthielten.  Diese  Gruben 
unterscheiden  sich  von  den  jüngeren  dadurch,  riafe  man  später  Stollen  anlegte 
und  das  Salz  durch  Auslaugen  mittels  Wasser  gewann.  \\  ie  der  prähistorische 
Salzbergbau,  so  gibt  auch  jener  auf  Kupfer,  der  schon  lange  vor  Ankunft  der 
Kömer  in  Xoricum  betrieben  wurde  (z.  B.  auf  dem  Mitterberge  bei  Bischofs- 
hofen .  der  Annahme  Raum,  dafs  sieh  die  Kenntnis  solcher  Lagerstätten  un- 
unterbrochen bis  in  die  römische  Zeit  forterhalten  haben  mufs.  Ranke,  Der 
Mensch,  1*90,  II,  571  ff.  Sacken.  Grabfeld  von  Hallstadt,  1808.  Die  Gewin- 
nung des  Salzes  aus  Sole  war  eine  sehr  primitive.  Plinius  (31,  82)  und  Varro 
(de  re  rust.  1.  7.  8  berichten,  dafs  die  Germanen  das  Salzwasser  über  glimmende 
Hölzer  gössen,  wobei  es  verdampfte  und  das  Salz  sich  niederschlug.  Salzquellen 
waren  natürlich  viel  liegehrt.  Tacitus  (Ann.  XIII,  57)  berichtet  über  den  Kampf 
zwischen  Hermunduren  und  Chatten  um  den  Besitz  solcher  Quellen  (vermutlich 
bei  Salzungen  oder  Kissingen).  Ebenso  kämpften  nach  Ammian  (27,  5)  Ala- 
mannen  und  Burgunder  um  Salzquellen  (bei  Hall  oder  Kissingen?). 

Gurlt.  Auffindung  u.  Untersuchung  von  vorgeschichtlichen  Metall- 
gewinnungs-  u.  Hüttenstätten,  Bonn  1885.  O.  Dahin,  Römischer  Bergbau  au 
der  unteren  Lahn,  Bonner  Jahrbb.  101,  p.  117—127.  M.  Much,  Die  Kupfer- 
zeit in  Europa.  Jena  1893.  von  Fes  t  e n  bc  rg-Packisch  ,  Der  deutsche  Berg- 
bau, Berl.  1866,  p.  3  ff. 

Die  ausführlichsten  Nachrichten  über  den  Bernstein  im  Altertum  geben 
uns  Tacitus.  Germ.  c.  45,  und  Plinius  h.  n.  37.  31  ff.  Bei  den  Alten  hiefs  er 
elcctrum  oder  sucinuni,  bei  den  Germanen  glaesum.  Tacitus  bespricht  nur 
den  samländischen  Bernstein  in  Ostpreufsen,  wo  er  auch  heute  noch  am  meisten 
gewonnen  wird;  Plinius  kennt  jenen  von  der  Nonlsce  und  Ostsee.  Jedenfalls 
lieferte  auch  damals  schon  die  Ostsecküste  den  meisten  Bernstein  nach  dem 
Süden.  Die  Frage  steht  auch  in  Verbindung  mit  der  Fahrt  des  Pytheas  ^bei 
Pün.  37.  35;  Diod.  5.  23),  der  bis  zur  eimbrischen  Küste  gekommen  ist,  nicht 
aber  mehr  bis  zur  Ostsee,  und  von  dem  Vorkommen  des  Bernsteins  in  der 
Nordsee  spricht,  (  her  den  Bernsteinhandel  und  die  Wege  nach  dem  Südeu 
s.  weiter  unten.  Möllenhoff,  DA.  I.  212  HL  481  ff.  Baumstark,  Erläuterung 
zu  Tac.  Germ.  II,  284  ff.  Kogge.  Das  Bernsteinland  im  vorchristl.  Zeitalter, 
Z.  f.  preufs.  Geseh.  18G9.  Pierson,  Elektron  oder  über  die  Vorfahren  der 
alten  Preufscn,  •  1HB9.  Waidmaiiii,  Der  Bernstein  im  Altertum,  Progr.  d. 
livländ.  Gymnas.  Fellin  1883  mit  reicher  Literaturangabe;  dasselbe  gilt  von 
Olshausen.  Cber  den  alten  Bernsteinhandel  der  khnbrisehen  Halbinsel,  Z.  f. 
Ethnologie,  Verhandlgn.  1890,  p.  270  ff. ;  1891  n.  2*6  ff.  Moldenhauer,  Das 
Gold  des  Nordens,  ein  Rückblick  auf  die  Gesch.  des  Bernsteins.  Danzig  1894, 
II.  Blüm  in  er,  Art.  Bernstein  in  Paulv-Wissowas  Realencvkl.  d.  klass.  Alt., 
1897.    Schräder,  Reallexikon  der  indogerm  Altertumskde.  1901,  p.  71  ff. 

68.  Verkehr.  Die  l'nwegsamkeit  Germaniens  mit  seinen  Wäldern 
und  Sümpfen  ist  von  den  Alton  oft  genug  und  nicht  ohne  Übertreibung 
geschildert  worden.  Im  inneren  freien  Germanien  mufs  allerdings  das 
Fortkommen  mit  erheblichen  Schwierigkeiten  verbunden  gewesen  sein, 
wie  noch  die  Zustände  des  frühen  Mittelalters  zeigen.  Dafs  bei  fehlen- 
den Wegen  die  Wasserst rafson  benutzt  sein  werden,  ist  wahrscheinlich, 
und  die  Küsten  Völker  wurden  von  vornherein  auf  die  Schiffahrt  hin- 
gewiesen. Bataver,  ('hauken,  Brukterer  werden  als  geschickte  Schiffer 
geschildert,  die  Schiffssch lachten  lieferten  und  Seeraub  trieben.  Plinius 


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63  Vorkohr.  159 

berichtet  von  germanischen  Seeräubern,  die  auf  Einbäumen  mit  30  Mann 
Besatzung  auf  die  See  fuhren.  Uber  Binnenwege  im  inneren  Lande 
verlautet  wenig.  Eigentliche  Strafsen  wird  es  nur  zum  geringsten  Teile 
gegeben  haben;  höchstens  handelt  es  sich  um  Verbindungslinien,  deren 
Verlauf  unter  Vermeidung  der  Gebirge  durch  günstige  Flufsübergänge, 
Moorpässe  etc.  bestimmt  war.  Verkehrslinien  in  diesem  Sinne  reichen 
bis  in  die  frühesten  Zeiten  hinauf.  Der  Bernstein  bildote  damals  das 
wichtigste  Handelsprodukt,  welches  die  germanischen  Küstenmeere  den 
südliehen  Kulturländern  lieferten.  Das  Vorkommen  von  Bernstein  aus 
der  Ostseo  in  mvkenischen  Gräbern  beweist,  dafs  bereits  in  der  zweiten 
Hälfte  des  zweiten  Jahrtausends  vor  Christi  Geburt  Handelsbeziehungen 
zwischen  den  baltischen  Gebieten  und  dem  Kulturkreis  von  Mykonae 
bestanden  haben  müssen.  —  Mit  Ausdehnung  der  römischen  Occupation 
von  S.  und  W.  her  wurden  die  Randlandschaften  mit  einem  dichten 
Strafsennetz  bedacht.  Nicht  nur  militärische  Rücksichten,  auch  die  zu- 
nehmende Besiedelung  und  Kultivierung  jener  Gebiete  während  der 
römischen  Kaiserzeit  machten  den  Ausbau  von  Strafsen  nötig.  Im  Wege- 
bau waren  die  Römer  Meister  gewesen.  Schnurgerado  laufen  ihre  Chaus- 
seen über  Berge  und  Hügel,  durch  Niederungen  und  Sümpfe  fort.  Die 
gediegene  Herstellung  sicherte  ihre  Existenz  für  Jahrhunderte;  noch  in 
der  Gegenwart  lassen  sich  ihre  Spuren  nachweisen.  Die  Feststellung 
römischer  Strafsen  ist  freilich  mit  Schwierigkeiten  verbunden.  Wo  nicht 
ausdrückliche  Nachrichten  vorliegen  oder  Meilensteine,  Münzfunde  und 
sonstige  Antiquitäten  sich  nachweisen  lassen,  wird  man  aus  der  Technik 
der  Bauweise  immer  nur  mit  Vorbehalt  Schlüsse  ziehen  dürfen,  und 
manche  Strafsenanlagc  der  fränkischen  Zeit  oder  noch  weit  späterer  Jahr- 
hunderte ist  irrtümlich  für  römische 'Arbeit  gehalten  worden.  —  Gegen- 
über den  Strafsen  des  Flach-  und  niederen  Berglandes  nehmen  die  Hoch- 
gebirgsst raison  eine  besondere  Stellung  ein.  Wenn  bei  jenen  auf  die 
Ungunst  der  Terrainverhältnisse  gar  keine  Rücksicht  genommen  wurde 
und  immer  geradlinig  darauf  losgebaut  wurde,  mufste  man  bei  diesen 
sich  allen  Zufälligkeiten  der  orographischen  Gestaltung  anpassen.  In 
den  frühesten  Zeiten  wurden  die  Alpen  als  Passageland  gemieden  und 
im  O.  und  W.  mühsam  umgangen.  Erst  am  Schlufs  des  ersten  vor- 
christlichen Jahrhunderts  nahm  man  zur  Unterwerfung  und  Romanisierung 
der  Alpenvölker  den  Strafsenbau  über  die  Alpen  in  Angriff.  In  der 
römischen  Kaiserzeit  führten  bereits  an  10  Strafsen  über  das  Gebirg«', 
von  denen  sieben  fahrbar  waren. 

Cber  die  Woge  des  Bernstein  ha  ndels  sind  die  verschiedensten  An- 
nahmen aufgestellt  worden.  Neben  dem  Seeweg  in  «He  Nordsee,  den  die  Pliöniker 
und  auf  ihrer  Bahn  auch  Pytheas  benutzten,  kommen  hier  die  binnenländischen 
Wege  vor  allem  in  Betracht :  die  Hhein-Rhonestrafse  bis  Massilia,  die  Elbe- 
linie nach  Böhmen  und  Mähren  und  eine  östliche  Strafse  von  der  Weichsel- 
mündung durch  Oberschlesien  nach  Pannonien,  in  östlicher  Abzweigung  aber 
auch  nach  dem  Pontus  hin.  Bei  den  beiden  ersten  Strafsen  handelte  es  sich 
um  den  Vertrieb  von  Nordseebernstein,  der  nach  anderer  Annahme  aber  nicht 
dort  gefunden  war«',  sondern  von  der  Ostsee,  speziell  dem  Samland,  stammte. 
Trotzdem  die  Alten  die  Ostseo  erst  spät  kennen  lernten,  scheint  doch  die  grol'se 


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160 


III.  Kulturgeogrnphie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 


Masse  des  von  ihnen  verarbeiteten  Bernsteins  ihr  zu  entstammen.  In  den  von 
H.  Schliemann  aufgedeckten  Schachtgräbern  von  Mykenae  wurden  Bernstein- 
perlen  gefunden,  die  nach  der  chemischen  Analyse  von  O.  Helm  wegen  des 
hohen  Gehaltes  an  Bernsteinsäure  nur  von  der  Ostsee  stammen  können,  da. 
ein  dem  Ostseebernstein  chemisch  und  physikalisch  gleichartiges  Produkt  sich 
nirgendwo  noch  gefunden  hat  Vgl.  Schuchhardt,  Schliemanns  Ausgra- 
bungen im  Licht  der  heutigen  Wissenschaft,  1890,  p.  223.  Für  die  Elbstralse 
ist  neuerdings  Olshausen  wieder  eingetreten,  nach  dessen  Ansicht  die  Alten 
wirklichen  Xordseebcrnstein  von  der  Kindirischen  Halbinsel  geholt  hätten.  Die 
direkte  Kunde  von  samländisehen  Bernstein  wird  erst  bei  Tacitus  und  Plinius 
sicher  bezeugt.  Letzterer  erwähnt  auch  die  Reise  eines  römischen  Kitters  z.  Z. 
Neros,  der  von  Carnuntum  bis  zum  Baltischen  Meere  vorgedrungen  wäre  und 
grofse  Bernsteinschätze  heimbrachte  (XXXVII,  45).  Neben  den  Münzfunden 
an  der  Strafse  von  Oberschlesien  bis  zur  unteren  W  eichsel  ist  noch  das  Itinerar 
der  Stationspunkte  des  Handels  von  Celamantia  (Komorn)  bis  zur  Weichsel- 
mündung  bei  Ptolemäus  als  Zeugnis  für  jenen  Strafsenzug  mitheranzuziehen. 
Von  den  dort  genannten,  meist  fragwürdigen  Ortsnamen  ist  allein  Kalisia  auf 
Kaiisch  an  der  Prosna  mit  einiger  Sicherheit  zu  beziehen.  Auch  die  Funde 
von  verloren  gegangenen  Bernsteinstücken  längs  dieser  Strafse  weisen  auf  ihre 
Bestimmung  hin.  Bei  Grofshennersdorf  (östl.  von  Namslau)  sind  an  einer  Stelle 
an  acht  Metzcn  unverarbeiteten  Bernsteins  neben  Bronze  und  Eisengeräten  ge- 
funden worden.  Die  Literatur  zur  Bernstein  frage  s.  oben  p.  158.  Ferner  vgl. 
Werlauff,  Beiträge  zur  Gesch.  des  nordischen  Bernsteinhandels,  im  Neuen 
staatsbürgerlichen  Magazin  f.  Schleswig-Holstein  1840.  Redslob,  Thüle,  die 
phönikischen  Handelswege  nach  dem  N'orden,  Lpz.  1855.  Wilberg,  Einflufs 
der  klassischen  Völker  auf  den  Norden,  Hamburg  1867.  Genthe,  über  die 
Beziehungen  der  Griechen  und  Römer  zum  Balticum,  Verhdlgn.  der  Karlsruher 
Philologen-Vers.,  p.  17  ff.  Ders.,  Ober  den  etruskischen  Tauschhandel  nach 
dein  Norden,  Heilbronn  1867.  von  Sadowski,  Die  Handelsstrafsen  der 
Griechen  und  Römer.    Partsch,  Schlesien  I,  332  ff. 

Die  Alpenstrafsen  genügten  den  damaligen  Verkehrsverhältnissen 
einigem lafsen.  Meist  waren  sie  nur. als  Saumwege  eingerichtet;  ihre  Breite 
schwankte  von  1,50  —  2,96  m,  und  oft  waren  sie  so  schmal,  dafs  zwei  Wagen 
immöglich  hätten  nebeneinander  ausweichen  können,  ein  Beweis,  dafs  sie  für 
den  Wagenverkehr  nicht  durehgehends  eingerichtet  waren.  Zur  Anlage  der 
Strafse  wurde  vornehmlich  die  Sonnenseite  der  Täler  aufgesucht,  weil  diese 
wärmer  und  trockner  ist  und  im  Frühling  eher  schneefrei  wird.  Zudem  sind 
die  alten  Strafsen  immer  sehr  steil ;  zu  Kehrwindungen  an  einer  Bergwand  auf- 
wärts entschlofs  man  sich  nur  im  äufsersten  Fall.  Der  schnurgerade  Verlauf 
der  Strafsen  im  Flachlande  wurde  auch  im  Gebirge  möglichst  beibehalten, 
mindestens  aber  der  kürzeste  Weg  aus  Sparsamkeitmuksichten  als  Nonn  ge- 
nommen. So  war  die  Strafse  über  den  Malojapafs  in  drei  Windungen  angelegt 
worden,  während  heute  deren  22  sich  finden.  Das  Begehen  der  Alpenstrafsen 
war  daher  besonders  im  Winter  nicht  ohne  Gefahr.  Sehr  anschaulich  schildert 
Strabo  IV,  204  die  Situation;  auch  Ammian  XV,  10,  4.  —  An  wichtigeren  Alpen- 
strafsen jener  Zeit  sind  folgende  zu  nennen:  Pber  die  Westalpen  führten, 
nebenbei  bemerkt.  1.  der  Mongenevre  (Alpis  Cottitt)  aus  dem  Tal  der  Dorn 
Riparia  von  Susa  aus  in  1860  m  Höhe  in  das  Tal  der  Durance,  von  Pompejus 
77  v.  Chr.  benutzt,  unter  Augustus  ausgebaut;  doch  scheint  er  schon  früher 
begangen  zu  sein,  wie  denn  auch  Hannibals  Alpenübergang  auf  ihn  allgemein 
Übertragen  wird.  Der  Mont  Cenis-Pafs  wurde  damals  nicht  benutzt.  Von  Aosta 
führen  aus  dem  Tal  der  Dora  Baltea  zwei  Pässe  hinüber.  2.  Der  Kleine 
St.  Bernhard  (Alpis  Graja)  2192  m.  eine  der  ältesten  fahrbaren  Alpenstrafeen, 
und  3.  der  Grofse  St.  Bernhard  (Alps  Poenina),  2472  m.  Strabo  (IV,  208) 
charakterisiert  ihn  als  eine  steile,  schmale,  unfahrbare,  aber  sehr  kurze  Strafse. 
die  im  weiteren  die  Hauptverbindung  zwischen  Mailand  und  Mainz  bildete. 
Auf  der  Pafshöhe  wurde  von  den  Bergstämmen  ein  Gott  Poeninus  verehrt 


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63.  Verkehr. 


1G1 


(Livius  21.  38).    Votivtafeln  für  den  Jupiter  Poeninas  hüben  sieh  auf  der  Pafs- 
höhe, wo  ein  Tempel  des  Gottes  stand,  vorgefunden;  daher  später  auch  Möns 
Jovis  genannt.    Die  Strafse  führte  von  Aosta  (Aiujusttt  Praetoria)  naeh  Martigny 
(Ocfalnrus).    4.  Die  Si rn pl on straf se,  2010  in,   von  der  eine  Inschrift  von 
196  n.  Chr.  bei  V'ogogna  meldet;  literariseh  wird  sie  nicht  genannt  und  ihre 
Existenz  im  Altertum  «leshall»  angezweifelt.  —  Aueh  der  St.  Ootthard  und  der 
Lukmauier  waren  als  Übergänge  noch  unbekannt.    Von  den  Rheinpässen  ist 
der  Reihenfolge  nach  5.  der  St.  Bernhardin  (2063  m),  zu  nennen  von  Bilitio 
(Bellinzona)  in  das  Rheinwaldtal  naeh  Curia  (Chur),  welches  Sammelpunkt  der 
Rheinpässe  ist,  wie  Martigny  für  die  Rhonepässe.   Von  der  römischen  Strafften- 
anläge  sind  noch  grofse  Strecken  erhalten.  —  Von  Chiavenna  (Clarenna)  im  S. 
gehen  drei  Pafsstrafsen  aus.   die  von  Thusis  gemeinsam  nach  Chur  führen: 
6.  der  Sp lügen,  2117  m,  von  Mailand  nach  Bregenz;  von  der  alten  Strafse 
haben  sich  Spuren  auf  der  Nordseite  erhalten.    Die  Station  auf  der  Pafshöhe 
war  der  Cuneus  aureus.    Erwähnt  wird  die  Strafse  im  Itiner.  Anton,  und  auf 
der  Peutingerkarte.    7.  Der  Septimer,  2311  m,  vom  Bergelltal  in  das  Halb- 
steiner Tal  nach  Bivio.   Ob  die  mit  Steinplatten  belegten  Strecken  der  Strafse 
römische  Arbeit  sind  und  der  Pafs  damals  überhaupt  viel  benuzt  wurde,  wird 
in  Frage  gestellt  (hierüber  F.  Berger).    8.  Der  Julier,  2287  in,  der  von  Chia- 
venna aus  über  den  Malojapafs  (1811  ni)  vom  Engadin  zu  erreichen  ist  und 
ebenfalls  nach  Bivio  führt.    Auf  der  Pafshöhe  eine  zertrümmerte  Säule  aus 
der  Römerzeit.    Die  Strafse  war  fahrbar,  die  erste  nach  dem  Kl.  St,  Bernhard 
und  eine  der  am  meisten  benutzten  von  Oberitalien  nach  Rätien.  —  Dem  Etsch 
gebiet  gehören  zwei  wichtige  Strafsen  an:  lt.  über  die  Resehen-Schei deck, 
1493  m,  deren  Anfangspunkt  Altinum  am  Adriatischen  Meer  war;  sie  führte 
durch  das  Piavetal  und  Suganatal  nach  Tridentum  und  die  Etsch  bis  zur 
Quelle  aufwärts.  Sie  wurde  46 — 47  n.  Chr.  vom  Kaiser  Claudius  ausgebaut,  daher 
Uta  Claudia  Augusta  genannt,   10.  Der  Brenner,  1363  m,  nach  dem  alten  Volks- 
stamm  der  Breuni,  Breones  benannt,  über  den  die  kürzeste  Verbindungsstrafse 
von  Verona  naeh  Augusta  Vindelicorum  führte.    Ihr  Verlauf  ist  nach  dem 
Itinerar  und  den  Meilensteinen  genügend  sicher  gestellt.    Sie  führte  nördlich 
nach  Veldidena  (Wüten  bei  Innsbruck).    Von  hier  aus  lief  die  eine  Strafse 
nach  Pons  Oeni  (Pfünz)  zum  Anschlufs  an  die  von  Augsburg  nach  Salzburg 
führende;  die  andere  führte  den  Inn  ein  Stück  aufwärts  über  den  Seefelder 
Pafs  zur  Searbia  (Scharnitzenge)  über  Mittenwald  nach  Partenkirchen  (Partha- 
num) und  das  durch  seine  Talsperre  und  Römerfunde  gekennzeichnete  Oberau 
zu  den  bei  Spatzenhausen  gesuchten  Pontes  Twiiios  nach  Ambra  (wahrschein- 
lich Schöngeising)  und  Augusta  Vindelicorum.  —  In  den  Ostalpen  existierte 
infolge  der  orographischen  (Uiederung  eine  beherrschende  Hauptstraße  nicht; 
die  Wege  verlaufen  zum  Teil  in  den  Längstälern.    11.  Die  Strafse  über  den 
PI  ecken  pafs  (Monte  Crw),  aus  dem  Taghamentotal  über  die  Südkarnischen 
Alpen  (1371  m)  in  das  Gailtal  nach  Mauthen  und  von  hier  über  den  Gail- 
burger  Sattel  in  das  Drautal.    Die  Strafse  führte  dann  das  letztere  aufwärts. 
12.  Der  Saifnitz-  oder  Tarvispafs,  783  in,  vom  Tal  des  Fellabaches  über 
Pontafel  Pontebba,  über  die  Wasserscheide  des  Adriatischen  und  Schwarzen 
Meeres  nach  Villach  im  Drautal  ;  sie  führte  nach  Virunum  nordlich  von  Klagen- 
furt und  über  Noreja  in  das  Murtal.    13.  Die  Strafse  über  die  AI] >is  Julia  oder 
Ocra,  830  m.   war  damals  eine  der  am  meisten  befahrenen  Strafsen  von  Aqui- 
leja  durch  das  Isonzo-  und  Wippachtal  über  die  Pafshöhe  des  Birnbaumer 
Waldes  nach  NauportutJ  (Oberlaibach)  und  weiter  nach  Emona  iLaibach).  Für 
die  Mehrzahl  dieser  Strafsen  liegen  uns  neben  literarischen  auch  inschriftliche 
Zeugnisse  vor.  —  Im  übrigen  vgl.  II.  Meyer,  Die  römischen  Alpenstrafsen  in 
der  Schweiz,  Mittlgn.  d.  antiq.  Ges.  zu  Zürich  Xlll  (1861),  S.  117—140.  von 
Duhn,  Die  Benutzung  der  Alpenpässe  im  Altertum,  N. -Heidelberg.  Jahrb.  11 
(1892),  S.  55  IT.    Dübi,  Die  Römerstrafsen  in  den  Alpen,  Jahrb.  Schweiz.  Alpen- 
Cl.  XIX,  381—416,  XX,  344—363,  XXI,  323—341.    Ferner  das  Corpus  inscr. 
latin.  Bd.  V.,  Mommsen,  Viae  publieae  Oalliae  cisalpinae,  p.  933— 956  ibid. 

KretKhmcr.  Historische  < JooRriiphic.  \\ 


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III.  Kulturgeojiraphie  von  Mitteleuropa  im  Altertum. 


Bavicr,  1  >ie  Strafen  der  Schweiz,  Zürich  1878.  Näher,  Die  römischen 
Militärstrafsen  und  Handelswege  in  der  Schweiz  und  in  Südwestdeutsehland. 
Strafsbg.  1888.  F.  Berger,  Die  Septinierstrafsc.  kritische  Untersuchungen  über 
die  Reste  alter  Könierstrafsen,  Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  XV  (1890),  1—180. 
Würdinger,  Die  Röinerstrafse  von  Scharnitz  (Scarbia)  nach  Partenkirchen 
(Pnrthanuin)  und  die  mit  ihr  zusammenhängenden  Befestigungen,  SB.  München, 
bist.  Kl.  1882,  23!»— 251.  Wimmer,  Histor.  Landschaftskde.,  1885,  S.  167—185. 
Götz.  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welthandels,  1888,  S.  362  ff.  Nissen, 
Italische  Landeskde.,  1883,  S.  150—167.  A.  Schultz,  Gesch.  d.  mittelalt. 
Handels  u.  Vcrk.  zw.  Westdeutsch!,  u.  Italien,  1900,  I,  39  ff.  Partsch,  Artikel 
Alpes  in  Pauly-Wissowas  Realeneykl.  1,  1604  ff.  Wanka,  Der  Verkehr  über 
den  Pafs  von  Pontebba-Pontafel  und  den  Predil  im  Altertum  und  Mittelalter 
(Prager  Studien  a.  d.  Geb.  d.  Gesehiehtswiss.,  Heft  3),  1898.  Ders.,  Die  Brenner- 
strafsc  im  Altertum  und  Mittelalter  (ebend.,  Heft  7),  1900. 

Sehr  ausgedehnt  und  entwickelt  war  das  Strafsennetz  im  Alpenvorlande 
bis  zur  Donau  sowie  im  W.  und  SW.  Germaniens.  Von  einer  Herzählung  der 
vielen  Strafsenzüge  kann  hier  Abstand  genommen  werden,  da  oben  bei  den 
Siedelungen  die  wichtigsten  Verkehrsstrafsen  schon  Erwähnung  gefunden  haben. 
Haupkjuellen  für  die  Strafen  sind  das  Itinerarium  provinciarum  Antonini  und 
die  Tabula  Pcutingcriana,  besonders  aber  die  Inschriften.  Auf  einzelnen  Meilen- 
steinen haben  sieh  vollständige  Verzeichnisse  von  Strafsenzügen  vorgefunden 
(z.  B.  auf  den  Steinen  von  Tongern  und  Nattenheim).  Schneider,  Die  alten 
Heer-  und  Handelswege  der  Germanen,  Römer  und  Franken  im  Deutschen 
Reich  i mehrere  Hefte),  Frankf.  a.  M.  Näher,  Die  rörn.  Militärstrafsen  und 
Handelswege,  s.  vorher.  Dünzelmann.  Das  röm.  Strafsennetz  in  Norddeutsch- 
land. Jbb.  f.  klass.  Phil.,  Suppl.  20,  S.  81  —  141,  mit  3  Karten.  Veith,  Die 
Röinerstrafse  von  Trier  nach  Com,  Bonner  Jbb.  78  (1884),  7—33;  79  (1885), 
1—27;  80  (1885),  1—22.  Bergk,  Beiträge  zur  Untersuchung  der  Heerstrafsen 
am  Rhein,  in  Zur  Gesch.  u.  Topographie  der  Rheinlande,  1882,  S.  154—164. 
Cuntz,  Die  elsässisehen  Könierstrafsen  der  ltinerare,  Z.  f.  Gesch.  d.  Ober- 
rheins, N.F.  12  437—458.  Mehlis,  Römerstrafsen  in  der  Rheinpfalz, 
Korrespondenzbl.  Westdt.  Z.  X.  294  IT.  Zangemeister,  Drei  obergennanische 
Meilensteine  aus  dem  I.  Jh..  Westdt.  Z.  1884,  237  ff.,  307  ff.  von  Sarwey, 
Romische  Strafsen  im  limesgebiet,  WZ.  1899,  1—45,  93—128.  Popp,  Linearer 
Verlauf  und  Bauart  der  alten  Strafsenzüge  im  Hinterlande  des  Rätischen  Linn  s, 
WZ.  1898.  119  ff.,  mit  3  Tafeln.  Wann  er,  über  einige  Ortsnamen  derauf  der 
Peutingerschen  Tafel  verzeichneten  Strafse  von  Windisch  nach  Rottweil,  Anzeiger 
f.  Schweiz.  Gesch.  VI,  477 — 490.  Becker,  Rheinübergänge  der  Römer  bei 
Mainz,  Annal.  Ver.  Nassau.  Altertkde.  X,  155.  Duncker,  Der  röm.  Mainüber- 
gang zwischen  Hanau  und  Kesscljstadt,  ebenda  XV,  281  ff.  Kofier,  Alte 
Strafsen  in  Hessen,  WZ.  1893,  120-156,  1896,  18-44.  mit  Karte.  Ders.. 
Echzell,  ein  Knotenpunkt  röm.  Strafsenzüge  im  östl.  Teile  der  Wetterau,  WZ. 
1887,  40 — 45.  Schneider.  Röm.  Ileerwege  zwischen  der  Lahn  u.  dem  Rhein, 
Ricks  Monatsschr.  VI  (1880  ,  S.  34.  Nord  hoff,  Röm.  Strafsen,  Landwehren 
und  Erdwerke  in  Westfalen,  Bonner  Jbb.  1895,  148  ff.  Der».,  Römerstrafsen 
und  das  Delbrücker  Land,  Münster  1898.  Gnirs,  Das  östliche  Germanien  und 
seine  Verkehrswege  in  der  Darstellung  des  Ptolemäus  (Präger  Studien  a.  d. 
Geh.  d.  Gesch.,  Heft  4),  1898.  Hauser,  Die  Römerstraisen  Kärntens,  in  Carin- 
thia  I,  Klagenfurt  1897,  87,  97  103. 

Es  sei  noch  auf  eine  Art  höchst  eigentümlicher  Verkehrswege  hingewiesen, 
die  wir  in  den  Moorlandschaften  des  nördlichen  Deutsehlands  antreffen,  die 
sog.  Bohlwege  oder  Moorbrücken.  Um  bei  Durchquerung  von  Mooren 
die  umständliche  Anlag«'  von  Dämmen,  die  bis  auf  den  festen,  anstehenden 
Boden  gegründet  sein  müssen,  zu  vermeiden,  hat  man  sich  in  sinnreicher  Weis© 
geholfen,  indem  man  auf  die  Mooroberfläche  Längsbohlen  legte  und  auf  diesen 
Querbohlen  befestigte,  die  mit  Sand  und  Rasenstücken  belegt  wurden.  Ein 
solcher  Bohlweg  schwamm  also  gleichsam  auf  dem  Moor.    Nach  längerer  Zeit 


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03.  Verkehr. 


163 


wurde  er  allerdings  von  der  Moorbildung  ganz  überwuchert,  und  Reste  von 
solchen  Wegen  finden  sich  jetzt  oft  mehrere  Meter  unter  der  Moorfläche.  Im 
Jahre  1819  wurde  im  Burtanger  Moor  eine  25  km  lange  Strecke  solcher  Moor- 
brüeken  angetroffen,  in  denen  man  die  pontes  longi  der  Körner  vermutete.  So 
heilst  es  bei  Taeitus  von  Germanieus,  dafs  er  den  Caecina  vorausgesandt  habe, 
um  zur  Überführung  des  Heeres  in  den  Teutoburger  Wald  Brücken  und  Schutt- 
massen auf  die  feuchten  Sümpfe  und  trügerischen  Flächen  zu  legen  (Annal.  I, 
61 :  nt  pontes  et  agyeres  umido  pallidum  et  faUacibus  campis  imponeret).  Auch  im 
Oldenburgischen,  Osnabrückischen  und  besonders  im  Grofsen  Moore  bei  Diep- 
holz, wie  auch  zwischen  Weser  und  Elbe,  östlich  von  Bremerhaven,  sind  ähn- 
liche  Anlagen  in  den  Mooren  aufgefunden  worden.  Bei  Diepholz  sind  auf 
einem  Raum  von  10  km  Länge  querüber  nicht  weniger  als  20  Moorbrücken 
aufgedeckt  worden.  Alle  diese  Wege  wurden  allgemein  als  römische  Anlagen 
angesehen;  von  dieser  Annahme  ist  man  mehr  zurückgekommen,  da  bisher  kein 
einziges  römisches  Fundstück  bei  ihnen  vorgefunden  worden  ist.  Der  Zweifel 
an  ihrem  römischen  Ursprung  wurde  noch  dadurch  vermehrt,  dafs  auch  in 
Westpreufsen  südlich  von  Elbing  bei  Christburg  zwei  Bohlwege  aufgedeckt 
wurden,  an  einer  Stelle  also,  welche  römische  Heere  niemals  betreten  hatten. 
Daher  ist  die  Vermutung  Schuchhardts  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dafs 
auch  die  Germanen  solche  Bohlwe^e  zu  bauen  verstanden.  F.  von  Alten, 
Die  Bohlwege  im  Flufsgebiet  der  Ems  und  Weser,  2.  Aufl.,  Oldenburg  1888. 
F.  Knoke,  Die  römischen  Moorbrücken  in  Deutschland,  Berl.  1895,  mit  Karte 
(tritt  für  römischen  Ursprung  ein).  H.  Prejawa,  Die  Ergebnisse  der  Bohl- 
wegsuntersuchungen  in  dem  Grenzmoor  zwischen  Oldenburg  und  Preufsen  und 
in  Mellinghausen  im  Kr.  Sulingen,  Mittlgn.  bist.  Ver.  Osnabrück  21,  (189(j), 
98 — 178.  H.  Plathner,  Eingetretene  Verschiebungen  an  dem  Bohlwege  im 
Dievenmoore  zwischen  Damme  und  Hunteburg,  ebenda  21,  179—190.  Con- 
wentz,  Die  Moorbrücken  im  Tal  der  Sorge,  Heft  X  d.  Abbandlgn.  z.  Landeskde. 
der  Prov.  Westpreufsen,  Danzig  18iJ7.  C.  Schuchhardt,  Röm.-germanische 
Forschung  in  N W.-Deutschland,  Leipzig  1900.  Krause,  Die  alten  Moorbrücken 
der  östlichen  Ostseeländer,  Globus  73,  25  ff. 


11* 


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IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1000. 


64.  Germanische  Völkergruppen.  Seit  der  ersten  Hälfte  des  III.  Jh. 
tritt  eine  wesentliche  Änderung  in  der  ethnographischen  Nomenklatur 
des  westlichen  Germaniens  ein.  Die  alten  Völkernamen ,  wie  sie  uns 
Tacitus  bietet,  verschwinden  bis  auf  wenige  gänzlich  und  machen  neuen, 
umfassenderen  Stammesbezeichnungen  Platz.  Über  die  Bildung  dieser 
Gruppen  und  ihre  Zusammensetzung  aus  den  früheren  Stämmen  herrscht 
allerdings  wenig  Klarheit.  Die  Franken,  die  sehr  bald  als  die  politisch 
bedeutsamste  Vereinigung  auftreten  und  sich  enger  zusammenschliefsen, 
sind  vorzugsweise  aus  Völkern  istväonischen  Stammes  gebildet,  während 
der  Kern  der  AI  am  an  neu  aus  herminonisch-suebischen  Bestandteilen 
sich  zusammensetzt.  Die  Namen  der  Sachsen  und  Friesen  sind  zwar 
älteren  Datums,  umfassen  aber  seit  dem  III.  und  IV.  Jh.  verschiedene 
Völker  ingväonischer  Herkunft.  Zu  ihnen  gesellen  sich  im  V.  Jh.  die 
Thüringer  und  im  VI.  die  Baiern;  bei  letzteren  ist  suebischer  Ursprung 
mit  Sicherheit  anzunehmen. 

1.  Franken.  Gegenüber  sagenhaften  Berichten,  die  das  Volk  «1er  Franken 
aus  Sudosteuropa  einwandern  Helsen  und  sogar  mit  den  Trojanern  in  Ver- 
bindung brachten,  werden  uns  in  anderen  Quellen  vielmehr  jene  altgermanisehen 
Stämme  namhaft  gemacht,  die  damals  als  Franken  bezeichnet  wurden:  so  die 
t'hamaven  (Tab.  Peutinger),  die  Attuarier  (Ammian  20,  lOi,  Ainpsivarier,  (..'hat- 
ten oder  l'hattuarier  i  Gregor  11,  1»)  und  Reste  der  Sugambrer.  Literarisch  be- 
gegnet der  Name  F  ran  ei  zuerst  bei  Vopiscus  (Vita  Aurel,  c.  7),  der  von  ihrer 
Niederlage  bei  Mainz  berichtet  240  .  Auch  die  1'eutingers.ehe  Karte  verzeichnet 
schon  auf  der  rechten  Seite  des  Rheins  das  band  Franeia  und  weiter  unter- 
halb im  Mündungsgebiet:  Chaniavi  «jui  el  Pranci  (=  et  Francis  Ety- 
mologisch wird  der  Name  mit  Vorliebe  als  die  »Freien  gedeutet  mit  Hinweis 
auf  den  tautologischen  Ausdruck  »frank  und  frei  .,  got.  friks,  »frech«.  Vgl. 
Grimm,  Gesch.  d.  Spr.  512;  Zeufs,  DK.  326;  Hederich,  Der  Frankenbund,  S.  7«; 
im  übrigen  Fgli,  Nom.  geogr.  s.  v.  Die  Franken  gliedern  sieh  in  drei  gröfsere 
Gruppen:  Salier,  Ripuarier  und  Chatten,  a)  Die  Salier  safsen  im  Unterrhein- 
gebiet; ihr  Name  wird  auch  mit  dem  Flufs  Isala  (Vssel)  und  dem  pagus  Salon 
in  Zusammenhang  gebracht.  Rein,  S.  22,  ist  gegen  diese  Annahme  und  sucht 
(ebenso  Dederich,  S.  7.  43)  Beziehungen  zu  sal,  sala  =  Herrenhof:  Terra  salica, 
das  zum  sal  gehörige  Land.  Schröder  (FDG.  XIX,  170;  HZ.  VII,  28  f.),  ver- 
mutet sal  =  salziges  Meerwasser  und   übersetzt  Seelandsfranken.    Den  Kern 


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64.  Germanische  Völkergruppeu.  165 

bilden  sehr  wahrscheinlich  Bataver,  Cugerner  (als  Rost  der  Sugambrer),  Chat- 
tuarier.  Der  Name  Sugambrer  wird  ihnen  später  rhetorisch  noch  öfter  beigelegt 
(Waitz.  I).  V.  II,  23).  Zuerst  werden  sie  bei  Ammian  XVIT,  8  genannt.  Um 
290  etwa  sitzen  sie  auf  der  Rheininsel  (Eumen.  in  (Jonstantin.  5,  p.  141),  358 
bereits  in  Toxandrien,  westlich  der  Maas  (  Ammian  17,  8),  und  431  haben  sie 
ihr  Gebiet  bis  zur  Summe  erweitert  (Gregor  II.  !>).  h)  Die  Ripuarier,  die 
t Uferfranken«,  werden  zuerst  bei  Jordanes.  r.  get.  36,  als  Riparii  bezeichnet. 
Neben  den  Ubiern  bilden  besonders  die  Chamaven,  Brukterer  und  Ampsivaricr 
die  Hauptmasse  des  Stammes.  Ihre  Hauptstadt  ist  Colli.  Uber  ihr  Gebiet, 
welches  nördlich  etwa  bis  Neufs,  südlich  bis  über  die  Ahr  hinaus  und  westlich 
bis  Mall nedy- Aachen  icxkl.i  reichte,  vgl.  Richter.  Annalen  1,  6;  ferner  Eckertz, 
Die  Ausdehnung  des  fränkischen  Ripuarlandes  auf  der  linken  Rheinseite,  Göhl 
1854  (Progr.).  S.  5  IT.  c  Die  Chatten,  auch  Rheinfranken  genannt,  und 
ihr  Land  Francia  Rhinensis  beim  Geogr.  Rav.  4.  26.  Ein  Teil  dieses  Stammes 
war  aus  seinen  ursprünglichen  Sitzen  nach  dem  Rhein  zu  ausgewandert  und 
hatte  dieses  Gebiet  sowie  das  linksrheinische,  besonders  das  Moseltal  bis  Metz 
besiedelt.  Schröder,  FDG.  XIX,  143.  Die  in  der  anfänglichen  Heimat  zurück- 
gebliebenen Chatten  sind  die  Vorfahren  der  heutigen  Hessen  iHassi,  Hessi, 
HeKSones),  Auch  diese  dehnten  ihr  Gebiet  nach  allmi  Richtungen  hin  aus,  so 
dafs  die  chattischen  Franken  den  weiten  Raum  einnahmen  von  der  Sieg  und 
Diemel  im  N.  und  dem  Ilagenauer  Forst,  Murg  und  Enz  im  S.  Im  weiteren 
wird  die  Grenze  gegen  ().  durch  die  Weira,  den  Thüringer-  und  Frankenwald 
bis  zum  oberen  Main  gebildet,  und  sie  umzieht  da«  ganze  Rednitzgebiet  bis 
zur  Fränkischen  Rezat  und  von  hier  wieder  westlich  bis  zur  Enz. 

Zeufs.  DN.  325—353.  Waitz,  DV.  II,  c.  1.  Richter,  Annalen  d.  fr. 
R.  (1873),  S.  1  ff.  Bender,  Über  Ursprung  u.  Heimat  der  Franken.  Brauns- 
berg 1857.  Weismann,  de  Franconnn  primordiis,  Bonn  1K68.  Mosler, 
de  francorum  primordiis,  Düsseldorf  1857.  Rein.  Die  Namen  Salier  und 
Baiische  Franken  in:  von  Sybcl,  H.  Z.  1880.  Dederich,  Der  Frankenbund 
Hannover  1874.  Wormstall,  Die  Chamaven,  Brukterer  u.  Angrivarier,  1888. 
Duncker,  Gesch.  der  Chatten.  1888.  Schröder,  Die  Herkunft  der  Franken. 
U.Z.  1880,  1—65.  Kellner.  Chatten  und  Hessen,  in  Herrigs  Archiv  1871, 
85 — 174.  S.  Muller.  de  Nederlandsche  Volksnamen  op  de  Tab.  I'eutingeriana, 
Bijdr.  voor  vaderl.  Gesch.  VII  (181)3),  82—88.  Much,  in  l'B.  Beitr.  1893  (XVII). 

2.  Alamannen.  So  auf  röm.  Inschriften  CIL  I.  403;  VI.  1175;  besser 
als  Alemanni.  Den  Stamm  dieser  Völkervereinigung  bilden  die  Semnonen,  wie 
Baumami,  Forsch,  d.  G.  XVI,  Mommsen,  R.  Gesch.  5.  147  u.  a.  annehmen. 
Doch  sind  an  ihnen  auch  Usipeter.  Tenchterer  und  Tubanten  beteiligt,  wie 
sehr  wahrscheinlich  auch  einige  Chatten.  Vgl.  Wietersheim  Dahn.  Gesch.  d. 
Völkerw.  I,  181.  Bereite  Asinius  Quadratus  (Anfang  des  III.  Jh. !)  bezeichnet 
sie  als  zusammengelaufene  und  buntgemischte  Menschen;  dies  bedeutet  auch 
ihr  Name  <  (bei  Agathias  l,  6).  Man  hat  ihn  daraufhin  als  >Gesamtinänner« 
gedeutet.  Der  Name  tritt  zum  erstenmal  213  auf,  als  Caracalla  sie  prope 
Mnnuuit  besiegte  (Aurel.  Vict.  21).  Im  oberen  Maingebiet  hatten  sie  ihre  an- 
fänglichen Sitze,  von  wo  ans  sie  immer  von  neuem  in  das  Zehntland  vor- 
zudringen suchten.  Nach  Prohlis'  Tod.  282,  fafsten  sie  dort  dauernd  Fufs. 
Das  Land  heilst  fortan  Alamamm  und  reicht  a  ponte  Rheni  (bei  Mainz)  usque 
tul  Thtnubii  transitnm  Contieiisem  an  der  Guus)  lEumen.  paneg.  Const.,  c.  2.), 
und  südwärts  bis  an  den  Bodensee  iZcnfs  309).  Im  V.  Jh.  breiten  sie  sich  auf 
das  linke  Rheinufer  aus,  zumal  nördlich  von  ihnen,  am  unteren  Main  und 
Rhein,  sieh  die  nachdrängenden  Burgunder  vorgeschoben  hatten.  Nordlich 
reicht  der  Alamannen  Gebiet  noch  bis  an  den  Neckar,  westl.  bis  an  die  Vo- 
gesen,  in  der  2.  Hälfte  des  V.  Jb.  sogar  bis  über  den  Bodensee  in  die  nördliche 
Schweiz,  <  f.  Geogr.  Rav.  IV,  26  und  Jordanes,  r.  get..  c.  55:  Altnunim  .  .  .  Alpes 
Wiaetints  omnino  mjnites.  Nach  dem  Abzug  der  Burgunder  scheinen  sie  auch 
«he  Mittelrhein-  und  Maingegenden  vorübergehend  in  Kesitz  gehabt  zu  haben 
(cf.  (ieogr.  Rav.  IV.  26.  der  Worms.  Speyer  und  die  Mainstädte  als  alanianniseh 


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166 


IV.  Politiwhe  Geographie  um  «las  Jahr  1000. 


aufzählt  ,  bis  diese  496  ihnen  durch  Chlodveeh  genommen  und  ihn*  Grenze 
südwärts  bis  zur  Murg  und  Enz  gerückt  wurde.  Einen  Teil  der  verdrängten 
Alamannen  siedelte  Theodorich  in  Rätien  an,  vennutlieh  zwischen  Iiier  und 
Lech  (nach  Burckhardt,  Archiv  f.  schw.  Gesch.  IV,  49,  im  nördl.  Vonirlberg 
und  Tiroler  Inntal;  nach  Manso,  Gesch.  d.  ostgot.  R.,  in  Ital.,  1824,  S.  59,  in 
Graubünden).  Hiernach  reichte  das  Alamannenland  vom  Alpenkamm  längs  der 
Saane  und  Aar  über  den  nördlichen  Jura  zu  den  Vogesen  und  dem  Hagenauer 
Forst;  weiterhin  über  Murg,  Enz  zur  oberen  Altmühl  und  Wernitz  und  dem 
Lech  (cf.  Zeufs  324).  Auch  einige  Sonderstämme  der  Alamannen  werden  ge- 
nannt, so  die  Lentienses  im  späteren  Linzgau,  nordwestlich  des  Bodensees 
(Ammian  15,4),  die  Brisigavi  im  Breisgau  (Notit.  hup.),  die  Bueinobantes, 
die  ehemals  Mainz  gegenüber  safsen  (  Ammian  29,  4).  Zu  ihnen  gehören  auch 
die  .luthu ngen,  die  Ammian  (17,  6),  als  pars  Alaniannortun  bezeichnet.  Sie 
müssen,  nach  verschiedenen  Angaben  zu  sehliefsen  (Zeufs  312  f.),  ostlich  neben 
den  Alamannen,  nördlich  der  Donau  gesessen  haben.  Die  Tabula  iVutinger., 
die  den  Namen  Jutugi  (!)  (zwischen  dem  Quadennamcn)  bis  nach  Wien  aus- 
dehnt, erscheint  hier  zu  wenig  zuverlässig.  Dahn  (a.  a.  0.  251  ff.),  sieht  in 
ihnen  ein  Reststück  der  Hermunduren.  Sie  scheinen  den  Alamannen  gegen- 
über aber  immerhin  noqji  eine  Sonderstellung  eingenommen  zu  haben.  Seit 
dem  Jahre  430  verschwindet  der  Name,  das  Volk  heifst  fortan  Suevi  oder 
Suavi  (Jordan.  55\  Zvvuftot  (Prokop,  b.  g.  I,  12»  und  wird  so  auch  als  Sonder- 
stamm neben  den  Alamannen  genannt;  indessen  werden  jene  und  ihr  Land 
auch  oft  unter  dem  Alanmnnennamen  mit  zusammengefafst,  wie  auch  umge- 
kehrt, Patria  Snavorum,  qua*-  et  Alamannorum  patria  (G.  Rav.  4,  26),  ebenso 
Paul.  Diac.  2,  15.  Diese  Bezeichnung  Suavi,  Suabi  hat  sieh  bis  auf  den  heutigen 
Tag  als    Schwaben*  forterhalten. 

Baumann,  Schwaben  und  Alamannen.  F.  D.  G.  XVI;  Zeufs,  DN.  303 
bis  325.  Haas,  Urzustände  Alemanniens.  Schwabens  und  ihrer  Nachbarländer, 
Erlangen  1865.  H.  Fischer,  Geographie  der  schwäbischen  Mundart,  mit 
28  Karten,  Tübingen  1895. 

3.  Sachsen.  Der  Name  wird  allgemein  mit  ihrer  Waffe  Sachs  (Messer) 
in  Verbindung  gebracht ;  cf.  Wid.  T,  7.  Saxoncs  erscheinen  bereits  bei  Ptole- 
mäus  in  Holstein  an  der  Elbe.  Ihr  Name  wird  dann  erst  wieder  am  Ende  des 
III.  Jh.  genannt  (im  Jahre  286  machten  sie  sich  mit  den  Franken  als  Seeräuber 
an  den  Nordseeküsten  bis  Gallien  hin  gefürchtet,  Eutrop.  9,  13'?,  wo  er  mehrere 
altgennanisehc  Völkerschaften  umfafst,  nämlich:  Ghauken,  Cherusker  und 
Angrivarier  scheinen  das  Hauptkontingent  der  Sachsen  gebildet  zu  haben  Die 
C  hauken  werden  als  Stamm  220  zuletzt  genannt  (Ael.  Spartiani  Dio  Jul.,  c.  1). 
Bei  Zosimus  3.  6  werden  sie  ausdrücklich  als  Teil  des  Sachsenvolkes  bezeichnet, 
doch  haben  sie  sich  auch  teilweis«»  den  Friesen  angeschlossen.  Die  Che- 
rusker, im  Anfang  des  IV.  Jh.  noch  genannt,  haben  wohl  das  Land  nördlich 
vom  Harz  im  allgemeinen  behalten.  Auf  der  Tab.  Peuting.  ist  ihr  Name  freilich 
sehr  entstellt  (Chrepstini!1  auch  noch  zu  linden,  darüber  stehend  vennutlieh  auch 
jener  der  Angrivarier;  cf.  Zeufs  380,  383.  Seit  der  2.  Hälft«'  des  VUL  Jh. 
kommen  die  Sondernamen  des  sächsischen  Volksstammcs :  Ostfalen,  Westfalen, 
Engern  in  Aufnahme,  denen  die  Nordalbingier  anzureihen  sind.  Es  sind  vor- 
zugsweise geographische  Bezeichnungen  ohne  schärfere  ethnische  Gegensätze, 
wenn  auch  zuzugchen  ist,  und  /.war  ebenfalls  gemäfs  der  geogr.  Lage,  dafs  in 
den  Ostfalcn  das  Hauptelement  die  Cherusker,  in  den  Westfalen  die  C'haukeii 
und  in  den  Engern  die  Angrivarier  waren.  Die  Endung  falen  wird  von  Zeufs 
390  mit  falah.  Feld.  Fläche,  in  Verbindung  gebracht,  also  Fläehenbewohner. 
Nordhoff  Altwestfalen.  1898,  S.  7)  glaubt  in  »lern  Grundwort  Wall  erkennen 
zu  müssen.  Die  Ostfalcn,  Ostfa/ahi,  Ostfalai.  Osterlittdi,  Saxoiies  Orientale*  safsen 
zwischen  Elbe  und  Harz  bis  südlieh  zur  Lnstrut;  westlich  von  ihnen  die 
Engern  .  Angarii,  Angrarii  zu  beiden  Seiten  der  Weser  (von  der  Zusammcntlufs- 
stelle  bei  Münden  an),  geteilt  durch  sie  in  Ostengem  lind  Westengern.  Die 
Westfalen.   W'vstfalahi,   Wesffalai,  Saxoncs  ot-riihmfalrs,  cf.  Lex.  Sax.  9.  Ann. 


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64.  <  ienitanische  Yolkerjjruppen« 


H57 


Einh.  a  775.  SS.  J,  155.  Anniii.  Lauriss.  SS.  I.  154.  Die  Nordalbingier,  auch 
Kordliudi  frans  Aßrim  serientes  (Ann.  Lauriss.  a  798.  SS.  I,  184)  oder  Saxones 
transalbiam  (Ann.  Einh.  a.  798,  SS.  I.  185).  Sir  /.»-dielen  in  die  drei  Stämme: 
Tethnarsgoi,  Thrtnmrsi  (Ditmarschen).  Holccten.  Holt&aten  und  Sturmarü  (St«»r- 
niarn).  Über  diese  ef.  Adam.  Brem.  IL  15.  Helmold,  Chron.  Slav.  T,  G.  Ihr 
Gebiet  reichte  von  Elbe  und  Meer  im  \V.  bis  nordwärts  zur  Eider,  östlich 
zur  Schwafo  imd  im  S.  zur  Bille  (Zeufs  39(>V  Ein  Teil  dieser  Nordalbingier 
wurde  unter  Karl  d.  Gr.  anderswo  angesiedelt  in  Deutschland  und  Gallien 
(Einh.  v.  Cav.  7);  nach  Helniold  T,  26  im  Harz. 

Zeufs,  DN,  380— 397.  Hockenbeck,  De  Saxonum  origine,  Münster 
1868.  Keferstein,  J)ie  Bildung  des  Staates  der  Sachsen,  1882.  Bolze,  Die 
Sachsen  vor  Karl  d.  Gr.,  1861.  Wietersheim-Dahn.  Völkern.  1.  512  IT. 
Schaumann,  Gesch.  d.  niedersilchs.  Volkes,  Güttingen  1839.  Nordhof f , 
Alt  Westfalen.    Volk,  Land,  Grenzen.  Münster  1898. 

4.  Friesen.  Sie  hatten  im  Altertum  ein  beschränkteres  Gebiet  ume 
gehabt.  Im  Mittelalter  haben  sie  ihren  Bereich  weiter  ausgedehnt,  nach  0. 
hin  bis  zur  W  eser,  hier  im  Besitze  der  Gebiete  der  ehemaligen  ehaukisehen 
Stämme,  und  nach  S.  hin  bis  zum  Sinefal  (bei  Brügge).  Sie  zerfielen  damals 
in  Westfriesen  im  eigentlichen  Holland  (westlich  der  Zuiderzce),  Mittel friesen 
(heute  Westfriesen)  in  der  jetzigen  I'rovinz  Friesland  (östlich  der  Zuiderzee) 
und  Ostfriesen  in  Uroningen  ostlich  bis  zur  Weser.  Aufserdcm  werden  noch 
Nordfriesen  unterschieden,  die  an  der  sehleswigschen  Westküste,  von  Husum 
bis  Tondem  sowie  auf  den  vorliegenden  Inseln  (Halligen.  Nordstrand  etc.) 
saüsen  und  die  in  der  Mitte  des  JX.  Jh.  (857)  dort  ansässig  geworden  waren. 
Hingegen  sind  die  Bewohner  von  Sylt,  Führ,  Amrum  und  Helgoland  wegen 
der  Eigenheit  ihrer  Sprache  als  ein  besonderer,  vielleicht  sächsischer  Stamm 
ausgeschieden  worden.  Heute  wird  Friesisch  noch  in  der  holländischen  Provinz 
Friesland  und  im  Saterlande  gesprochen.  In  Nordholland  sowie  in  unserem 
Ostfriesland  ist  es  im  XVII.  Jh.  ausgestorben.  Literatur  siehe  später  unter 
Friesland.  Ferner  Michelscn.  Nordfriesland  im  Mittelalter,  Schleswig  1828. 
Clement.  Schleswig,  das  Urliemi  der  Angeln  und  Friesen,  Hamburg  18t»7. 
Langhans,  (her  den  Ursprung  der  Nordfriesen,  Wien  1879. 

5.  Thüringer.  Der  Name  erseheint  als  Toringus  zum  erstenmal  im 
V.  Jh.  bei  Vegetius  Renatus,  de  arte  veterinaria  IV.  6;  dann  bei  Apollinaris 
Sidonius,  eami.  IV,  323,  und  in  der  aspirierten  Form  Thoringi,  in  dein  Send- 
schreiben des  Königs  Theuderich  an  die  drei  Germanenköni<re  bei  Cassiodor, 
var.  lib.  III,  epist.  IU;  ebenda  auch  IV,  ep.  I.,  wo  auch  der  Landesname 
Thoringia  erscheint.  Beim  Geographus  Bavennas  lautet  er  dann  schon  Turringi 
und  Turriiit/ia.  Die  mittelhochdeutsche  Form  hat  im  Anlaut  ein  D:  also  Daring, 
Düringen  etc.  Vgl.  Kirchhof?,  Thür.,  S.  30  f.  —  Viel  erörtert  worden  igt  die 
ethnische  Zusammensetzung  der  Thüringer.  Dafs  sie  mit  den  alten  llennunduri 
identisch  oder  wenigstens  einen  Teil  von  ihnen  gebildet  haben,  ist  aufser 
Zweifel.  Schon  die  Namen  lassen  den  Zusammenhang  erkennen.  Grimm 
erklärte  Hermun-duren  als  die  hermionisehen  Düren.  Auch  die  bei  I'tolemäus 
genannten  Teuriochaemi  (  'In  oifi/nTmu)  im  N.  des  Thüringer  Waldes  weisen  ähn- 
lich, wie  Bojohacmum  auf  «'in  Böhmerheim,  entsprechend  auf  ein  Turerheim 
hin.  A.  Werneburg  stellt  freilich  die  Identität  von  Hermunduren  und  Thü- 
ringern in  Abrede;  gegen  ihn  wendet  sich  Kirchhoff,  Thüringen  doch  Her- 
mundurenland ,  Lpz.  1882.  Andere  wie  Arnold  (  Deutsche  Gesch.  II,  1.  62) 
sehen  in  den  Thüringern  eine  Verschmelzung  mehrerer  Völkerstämme,  zu 
welchen  aufser  den  Hermunduren  noch  einige  Scmnonenrcstc ,  Angeln  und 
Warnen  gehören.  Kirchhoff  sieht  in  den  Hermunduren  »  inen  Kolkktivbegrifi 
für  Teuriochaemi,  Sueben-Angeln  und  Warnen.  Für  alle  diese  tritt  seit  dem 
V.  Jh.  der  Thüringernamen  auf.  Ihr  Volksgesetz  führt  den  Titel:  Lex  Angfiorum 
et  Werinorum  hoc  est  Thnringnmm.    Lippert  hingegen  sieht  ähnlich  wie  Arnold 


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168  IV.  Politische  Geographie  um  dan  Jahr  1000. 

in  den  Angeln  und  Warnen  erst  nachträglieh  den  Thüringern  beigemischte 
Stämme,  die  von  der  kimbrischen  Halbinsel  kamen. 

Der  thüringische  Volksstamm  hatte  jedenfalls  z.  Z.  des  altthüringischen 
Königreiches  eine  weitere  Ausbreitung  gehabt  als  später:  nach  S.  hin  bis  zum 
oberen  Main,  nach  N.  bis  zur  unteren  Elbe,  bis  in  die  heutige  Altmark  hinein . 
nac  h  W.  griff  er  noch  über  die  Werra  hinaus  und  nach  (>.  bis  zur  Saale.  Der 
entscheidende  Schlag  der  verbündeten  Franken  und  Sachsen  im  .Jahre  531 
gegen  das  Tliüringerreich  unter  König  Irminfrid  bei  Burgscheidungen  an  der 
Unstrut  brach  ihre  Machtstellung.  Der  südliche  Teil  zwischen  Thüringer  Wald 
und  Harz  fiel  in  die  Gewalt  der  Franken,  der  nördliche  bis  zur  Unstrut  wurde 
den  Sachsen  als  Lohn  für  ihre  Hülfe  überlassen.  Die  Sachsen  führten  in  diese 
arg  verwüsteten  und  entvölkerten  Striche  Kolonisten  ein.  Einen  grofsen  Teil 
von  ihnen,  angeblich  20000  mit  Weib  und  Kind,  nahm  567  Albuin  auf  seinem 
Zuge  nach  Italien  in  seinem  Heereszuge  auf  [Paul.  Diac.  II,  6^.  An  ihrer 
Stelle  besetzten  die  fränkischen  Könige  das  verlassene  Gebiet  mit  Sucven 
und  anderen  Völkern,  besonders  Friesen  und  Hessen,  nach  denen  auch  drei 
Gaue  in  jener  Gegend  Suavia,  Hassega  und  Prisonoveld  benannt  worden  sind 
(Paul.  Diac.  1.  c).  Als  später  die  Sachsen,  aus  Italien  heimkehrend,  das  Land 
von  neuem  einnehmen  wollten ,  wurden  sie  von  den  nunmehrigen  Besitzern 
zurückgeschlagen  Gregor  Tur.  IV,  151.  Widukind  nennt  jene  Simri  Transbadani 
d.  h.  die  jenseits,  also  südlich  der  Bode. 

.T.  Grimm,  Gesch.  der  deutschen  Sprache,  S.  5!»6— 607.  A.  Glocl,  de 
antiquis  Thuringis,  Diss.,  Halle  1862.  Ders.,  Zur  Gesch.  der  alten  Thüringer, 
in  FDG.  IV,  185 — 240.  Wislicenus,  Die  Gesch.  der  Elbgermanen  vor  der 
Völkerwanderung,  Halle  1868.  Werneburg.  Die  Wohnsitze  der  Cherusken 
und  die  Herkunft  der  Thüringer,  in  Jahrb.  d.  Akad.  geineinnütz.  Wiss..  Erfurt  X 
(1*801.  1  —  122.  Ders.,  Beiträge  zur  Umring.  Gesch.,  ibid.  XI,  1—56.,  XII, 
221  IT.  Kirch  hoff,  Thüringen  doch  Hermundurenland,  Lpz.  1882.  Lippert, 
Beiträge  z.  ältesten  Gesch.  d.  Thüringer,  in  Z.  Ver.  f.  thür.  Gesch.  XI  1 1883  , 
2.3!»  IT.,  XII.  73  ff.,  XV,  1  ff.    Regel,  Thüringen,  Jena  1892,  I,  3  ff. 

(>.  Bajuwaren.  Gegenüber  der  Keltenhypothese,  nach  der  man  sie  lange 
Zeit  als  direkte  Nachkommen  der  alten  Bojer  ansah,  kann  ihre  germanische 
Abkunft  heute  nicht  mehr  bezweifelt  werden.  Den  Kern  und  die  Hauptmasse 
des  Baiernvolkes  bildeten  jedenfalls  die  Markomannen,  die  aus  jenen  suebischen 
Stämmen  hervorgegangen  waren,  welche  im  I.  Jh.  v.  Chr.  in  den  Landschaften 
zwischen  Main  und  oberer  Donau  sich  angesiedelt  hatten.  Von  den  Hörnern 
bedrängt,  führt«'  Maroboduus  seine  Markomannen  in  der  Zeit  von  !>— 2  v.  Chr. 
in  das  Land,  welches  die  keltischen  Bojer  um  60  v.  Chr.  verlassen  hatten, 
d.  h.  das  beutige  Bimmen.  Hier  sind  sie  noch  im  V.  Jh.  zu  finden.  Jedoch 
im  Anfang  des  VI.  Jb.  wandern  sie  über  den  Nordgau  (das  Land  nördlich 
der  Donau  ein  und  dringen  erobernd  auch  in  das  Süddonauland  bis  in  die 
Alpen  vor.  —  Die  früheste  Erwähnung  des  Volksnamens  in  Form  BaioariH* 
findet  sich  in  der  sog.  Fränkischen  Völkertafel,  die  Möllenhoff  (Abb.  Akad. 
Wiss.,  Berlin  1863,  S.  533)  um  520  ansetzt.  Für  erheblich  jüngeren  Ursprung 
ist  Bachmann.  Wiener  SB.,  1U,  864.  Ferner  nennt  sie  Jordancs,  de  reb.  got.  55: 
Bcioiirii  und  Venantius  Fortunatas  (in  Bibl.  max.  patr.  X,  5231  Für  das 
VIII.  Jh.  deutet  Paulus  Diaconus  (III,  29)  ihre  bereits  beträchtliche  Ausbreitung 
an.  Die  Keltenhypothese,  die  sich  bis  in  das  XV.  Jh.  (Veit  Arnpekh. 
Aventin:  zurückverfolgen  läfst,  hat  auch  in  neuerer  Zeit  noch  ihre  Vertreter 
gehabt  (so:  Koch,  Die  älteste  Bevölkerung  Österreichs  und  Baierns,  1856. 
Siegert.  Grundlagen  z.  alt.  Gesch.  d.  bair.  Ilauptvolksstammes,  1854).  Auch 
die  Annahme.  daTs  liajoarii  ein  Kollektivname  wie  Alamanncn  und  Franken 
sei,  ist  nicht  überzeugend  zu  erweisen.  Mannert  (Älteste  Gesch.  Bajoariens, 
1807)  und  Pud  hart  ;Ält.  Gesch.  Baierns,  1841,  S.  146)  sahen  in  ihnen  eine 
Vereinigung  gotischer  Völker,  der  Rügen,  Hcruler,  Skiren  und  Turcilingen. 
Koch-Stern  fcld  D.  Reich  der  Longobarden  in  Italien,  1831»;  und  Freyberg 


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64.  GeraiiiniHehe  Vulkergruppen.  1(59 

(Erzählungen  aus  der  haier.  Gesch.  1,  63)  wollten  die  Stammväter  der  Baiern 
in  den  Langobarden  erkennen.  Indessen  alle  Gründe  sprechen  für  die  Tat- 
sache, dafs  vielmehr  die  Markomannen  das  Hauptkonsument  zum  Baiernvolke 
gestellt  hahen,  und  dafs  kleinere  suebisrhe  Stämme  in  ihnen  mit  aufgegangen 
sind.  Diese  Auffassung  vertrat  bereits  Luden,  Gesch.  d.  teutschen  Volkes, 
1826,  II,  410  und  ferner  Zcufs;  letzterer  tritt  nur  für  die  Markomannen  ein, 
ebenso  Wittmann  und  Büdinger,  während  Quitzmann  und  Riezler  auch 
die  Beteiligung  kleinerer  Stämme  voraussetzen.  Dafs  die  Bajuwaren  suehisclier 
Abkunft  sind,  ergibt  ihre  Sprache,  die  mit  jener  der  Sehwaben  viele  gemein- 
same Züge  bat,  und  viele  Einzelheiten  der  Reehtsverfassung.  überdies  werden  die 
Baiern  noch  im  IX.  Jh.  von  den  pannonischen  Slaven  als  Suevcn  bezeichnet.  Dafs 
sie  speziell  Markomannen  waren,  wird  aus  ihrem  Namen  und  ihrem  zeitweiligen 
Ileimatlande  Baias  (Geogr.  Rav.  IV.  18)  gefolgert.  Baias  ist  Zeufs  DN.  367) 
der  abgekürzt»-  Name  des  Stammlandes  lioihnemmn  i  Tacitus\  Boiohemum, 
(Vellejus),  welches  die  Markomannen  so  nach  ihren  ehemaligen  Bewohnern, 
den  Bojern,  benannten;  in  etwas  veränderter  Form  ging  der  Name  nun  auch 
auf  die  in  das  Süddonauland  ausgewanderten  Markomannen  selbst  über,  so 
dafs  Baiern  und  Böhmen  dieselbe  Bedeutung  haben.  Zahlreich  sind  die  Zwischen- 
formen, die  bis  zur  heutigen  Namensform  führten:  Baiorarii,  Baitntarii,  Beioarü, 
BagiMiü.  Banvarü,  Bavarii.  In  deutscher  Sprache  im  VIII.  Jh.  Peiyira  (und 
Peiyirolant  für  da-  Land);  im  späteren  Mittelalter  auch  schon  Beier,  Haier 
und  Bauer.  Letzteres  wurde  unter  König  Ludwig  1.  zur  amtlichen  Schreib- 
weise erhoben.  —  Bereits  im  Laufe  des  VI.  Jh.  hatten  sich  die  Baiern  in  Ober- 
ilm! Xicderbaiern,  Oberpfalz  und  Regensburg,  Neuburg,  in  einzelnen  Teilen 
von  Mittelfranken,  Österreich  ob  der  Enns,  Salzburg  und  Deutschtirol  nieder- 
gelassen. Nach  ( >.  sieh  ausbreitend,  be-ie  leiten  sie  im  VIII.  Jh.  Kärnten  und 
Steiermark,  im  IX.  und  X.  Jh.  die  Gebiete  der  Ottmark.  Das  Egerland  wurde 
erst  auf  dem  f'hergang  vom  XI.  zum  XII.  Jh.  von  ihnen  besetzt. 

Zeufs,  Die  Deutschen  u.  «1.  X..  S.  114  IT..  364  tT.  Ders..  Die  Herkunft 
der  Bayern  von  den  Markomannen.  Witt  Iiiann,  D.  Herkunft  der  Bayern 
von  den  Mark..  1841.  Büdinger.  Österreichische  Gesch.,  S.  488,  Exkurs  II. 
Quitzmann,  Abstammung,  Frsitz  und  älteste  Ocseh.  der  Baiwaren.  München 
1875.  Ders..  Die  älteste  Gesch.  der  Baiern  bis  zum  Jahre  911,  Braunsehweig 
1873.  Bachmann,  Die  Einwanderung  der  Baiern,  SB.  Akad.  Wien,  phil.-hist. 
Kl.  (1878)  91,  815  ff.  Kiezler,  Gesch.  Baiems.  1878.  I,  6  IT.  Mehlis.  Marko- 
mannen und  Bajuwaren,  in  Beitr.  z.  Anthron.  u.  l.'rgesch.  Bayerns,  V  (1882  . 
Prinzinger.  Die  Markomanuen-Baie'rn-Wanderungen,  in  Mitt.  d.  anthrop.  (ies., 
Wien  XIV  i  1 884  .  Kaemincl.  Die  Anfänge  deutsehen  Lebens  in  Osterreich 
bis  zum  Ausgang  der  Karolingerzeit,  Lpz.  1879.  von  Kroncs,  D.  deutsehe  Besie- 
delung  der  ostlichen  Alpenländer,  insbesondere  Steiennarks ,  Kärntens  und 
Krains,  Stuttg.  1889.  Gradl.  Die  Herkunft  der  Egertander,  in  Mitt.  Vcr. 
Gesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen.  1880,  S.  260  IT.  Ders.,  Gesch.  d.  Egerlandes 
bis  1437,  Prag  1893. 

7.  Dänen.  Ihre  ursprüngliche  Heimat  scheint  das  südliche  Schweden 
gewesen  zu  sein,  von  wo  aus  sie  sieh  nach  W.  und  S.  ausbreiteten.  Besonders 
fafsien  sie  auf  Seeland,  Falster  und  Laaland  Fufs.  welches  dann  den  Kern 
des  dänischen  Reiches  bildete.  Nach  dem  Abzug  der  Angeln  aus  der  Jütischen 
Halbinsel  im  VI.  Jh..  setzten  sie  sieh  auch  in  den  dortigen  Gebieten  sowie 
auf  Firnen  fest.  Sie  breiteten  sieh  damals  schon  nach  S.  bis  zur  Eider  aus. 
Auch  ini  südlichen  Schweden  (Schonen.  Holland,  Blekinge)  und  auf  Bornholm 
waren  sie  ansässig.  Die  Jotar,  nach  denen  Jottand ,  Jütland ,  Jutta  benannt 
worden  ist,  sind  zwar  ein  Stamm  der  Dänen  gewesen  und  sprachen  Dänisch. 
Indessen  seheint  der  Volksname  Jotar,  Juttte  von  einen)  südgermanischsen 
Volksstamme  entlehnt  zu  sein.  Denn  Jutae  waren  neben  Angeln  und  Sachsen 
an  der  Eroberung  Englands  beteiligt.  Einige  Reste  jener  Jutae  mögen  aber 
anf  dem  Festlande  zurückgeblieben  und  von  den  vordringenden  Dänen  danisiert 


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170  IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1000. 

worden  sein,  wobei  nur  der  alte  Volksname  erhalten  geblieben  ist.  Vgl.  die 
Darstellungen  der  dänischen  Geschiente  von  Dahlmann  (1840  ff.  \  Allen  ,18411), 
Petersen  (1854',  Kjellgren  (1862),  Müller  (1885).  Ferner  Olrik,  Danmarks 
historie  i  den  aeldre  Middelalder ,  Kjobenh.  18(53.  Saeh,  Das  Herzogtum 
Schleswig  in  seiner  ethnographischen  und  nationalen  Entwickelung. 

65.  Slavische  Völker.  Im  Altertum  finden  wir  die  Gebiete  zwischen 
Elbe  und  Weichsel  von  Germanen  besetzt,  jenseits  der  Weichsel  von 
Slaven  (Venedae).  Als  seit  dem  Ende  des  IL  Jh.  die  Goten,  Vandalen, 
Burgunder  und  Sueven  jene  Gebiete  verlassen  hatten,  drangen  in  der 
nachfolgenden  Zeit  von  O.  her  die  Slaven  ein.  Lber  die  Art  und  die 
Zeit  der  Besitzergreifung  liegen  keine  Nachrichten  vor.  Am  Ende  des 
V.  Jh.  waren  sie  jedenfalls  bis  zur  Elbe-Saalelinie  schon  vorgedrungen, 
aber  auch  noch  westlich  von  ihr  lassen  sie  sieh  in  grösseren  und 
kleineren  Gruppen  nachweisen.  Die  zwischen  Elbe,  Ostsee,  Oder-Bober 
und  Erzgebirge  angesiedelten  Slaven  werden  unter  dem  Namen  der 
Polaben  zusammengefafst,  während  die  östlich  von  Oder-Bober  woh- 
nenden zur  lechi sehen  (polnischen)  Gruppe  gestellt  werden.  Nach  dem 
Abzüge  der  suevischen  Markomannen  und  Longobarden  empfing  am  Ende 
des  V.  Jh.  und  Anfang  des  VI.  Jh.  auch  Böhmen  und  Mähren  eine 
slavische  Bevölkerung:  die  Tschechen  und  Mähren,  die  stammweiso 
eindrangen  und  jene  Länder  besetzten.  Nachdem  die  Longobarden  auch 
südlich  der  Donau  508  nach  Italien  abgezogen  waren,  standen  die  Ost- 
alpenländer den  uraltaischen  Avaren  offen,  in  deren  Gefolge  und  z.  T. 
auch  durch  sie  vorwärts  geschoben  grofse  Massen  von  Slaven  die  Ost- 
alpen bis  zum  Inn  besetzten.  Diese  durch  die  Bajuwaren  später  wieder 
nach  SO.  zurückgedrängten  Alpenslaven  sind  die  Vorfahren  der  heutigen 
Slovenen. 

Die  im  frühen  Mittelalter  nach  Mitteleuropa  eindringenden  Slaven  werden 
von  den  Geschichtschreibern  bald  Wenden,  bald  Slaven  {in  zahlreichen  Vari- 
anten) genannt.  Der  Name  Wi  nden,  der  bei  Jordanes  allgemein  für  sämt- 
liche Slavenstämme  gefafct  wird,  erscheint  schon  bei  den  Alten  als  Venedi 
[VYm.  IV,  96),  Veneti  (bei  Tac,  Germ.  46.  von  Baumstark,  Erläuterung  d.  Germ.  II, 
323  als  Schreibfehler  angesehen ),  Ohrtöui  (Ptol  III,  5,  7),  Venadi,  Venedi  (Tab. 
Peut.X  dann  im  Mittelalter  als  Veiudfit;  Viuidae,  Vimtdae,  Venethi  und  Vencthne. 
Die  Formen  mit  th  hält  MüllenhoiT  für  die  sprachlich  berechtigten,  got.  Vini- 
fhös,  d.  Vninida.  ("her  den  Namen  «  f.  Krek,  Kinleitg.  253  ff.  Dieser  Name 
war  ihnen  aber  nur  von  den  westliehen  Nachbarvölkern  gegeben  worden  und 
hat  sich  auch  bei  diesen  als  Winde,  Wende  in  der  Lausitz,  Ostalpen)  noch 
erhalten.  Sie  selbst  nannten  «eh  Slaven  und  werden  so  auch,  soweit 
Mitteleuropa  hier  in  Frage  kommt,  von  den  Annalisten  genannt.  Nach  Müllcn- 
hoff  (Archiv  f.  slav.  Piniol.  I.  21)4;  ibid.  Jagiö  1.  331)  kommt  dieser  Name  zu- 
erst bei  Pscudo -Caesarius  liibl.  vet  patrum  I,  545  f.  um  525  vor:  .SÄttvipW, 
ferner  bei  Jordanes.  Gct.  V.  34.  35  cd.  Monunsen):  Slaveni;  Prokop,  b.  g.  III, 
14:  2xkußrtro(.  Andere  Varianten  sind:  Sclmu,  Sckwonesf  Sdavemisci  und  das 
Land  Sein  ran  in,  Srlavinia.  Der  Name  hat  sich  im  eingeschränkten  Mafse  in 
den  heutigen  Slovenen,  Slovaken  und  Slovincen  Ka-schubem  noch  erhalten. 
Schafarik.  Slavische  Altertümer  I.  69  ff..  II.  10  f..  25  IT.  Krek,  Einleitung 
in  die  slav.  Literaturgeseh.,  Graz  18X7.  S.  292  ff.  Zeufs,  DN..  S.  592  ff. 
Tetzner,  Die  Slaven  in  Deutschland,  Braunschweig  1902. 

Eine  offene  Frage  ist.  oh  die  abziehenden  Germanen  bis  auf  den  letzten 
Mann  das  ostelbisehe  Land  verlassen  halten,  oder  in  versprengten  Gruppen 


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65.  Slaviitcbe  Volker.  171 

unter  slavischer  Herrschaft  zurückgeblieben  sind  und  ihre  Sprache  und  Natio- 
nalität bis  zum  XIII.  Jb.  bewabrt  haben,  als  das  Land  von  neuem  germanisiert 
wurde.  Hierüber  vgl.  C.  Platner,  Über  die  Spuren  deutscher  Bevölkerung 
z.  Z.  der  elavischen  Herrschaft  in  den  östlich  der  Elbe  und  Saale  gelegenen 
Ländern,  in  Forsehgn.  z.  dt.  Osch.  XVII.  409—520;  ferner  XVIII,  629—631; 
XX,  165— 2(i2.  Gegen  ihn  wendet  sich  G.  Wen  dt,  Die  Nationalität  der  Be- 
völkerung der  deutsehen  Ostmarken  vor  dem  Beginn  der  Germanisierung, 
Gottingen  1878.  Ders.,  Die  Ormanisierung  der  Länder  östlich  der  Elbe, 
2  Tie.,  Liegnitz,  Progr.  1884  und  1889. 

1.  Polaben.  1'nter  dieser  Benennung  begreift  Sehafarik  die  ganze  Gruppe 
der  Elbslaven  (po  —  an  und  Labe  =  slav.  Elbe),  welche  das  Gebiet  zwischen  Elbe- 
Saale  bis  zur  Oder  und  Bober  sowie  vom  Erzgebirge  bis  zur  Ostseeküste,  ein- 
schliefslieh  der  Inseln  Fehmarn,  Rügen  und  Wollin,  inne  hatten.  Sic  wurden 
in  die  drei  Hauptgruppen:  Abodriten,  Liutizen  oder  Wilzen  und 
Sorben  geschieden.  Andere  haben  die  südlich  von  Havel  und  Spree  sitzenden 
Sorben  als  einen  besonderen  Zweig  den  beiden  anderen  gegenüber  abgetrennt 
und  die  Bezeichnuni:  l'olaben  auch  auf  diese  letzteren  beschränkt  und  sie  näher 
zur  lechischen  Gruppe  gestellt,  letzteres  auf  Grund  einer  Andeutung  des  Chro- 
nisten Nestor.  Der  Zeitpunkt  des  Vorrückens  der  polabischen  Slaven  ist  viel 
umstritten.  Sehafarik  IL  508  f.  hat  die  2.  Hälfte  des  V.  Jh.  hierfür  wahr- 
scheinlich gemacht.  Nach  Prokop  (IL  15),  safsen  sie  um  512  sicher  schon  in 
der  Mark  Brandenburg.  Die  Einwanderung  vollzog  sieh  aber  nicht  so  .schnell 
wie  bei  den  Alpenslaven,  sondern  mufs  sich  über  ein  .Jahrhundert  ausgedehnt 
haben.  Diu«  Land  zwischen  Elbe  und  Saale  scheint  sogar  erst  in  der  2.  Hälfte 
des  VI.  Jh.  von  ihnen  besetzt  worden  zu  sein.  Neuerdings  hat  Montelius 
(Die  Einwanderung  der  Slaven  in  Norddeutschland,  im  Korrespond.-Bl.  f.  Anthr., 
Ethnol.,  Frgeseh.  XXX,  127  IT.;  aus  archäologischen  Gründen  geschlossen,  dafs 
der  Abzug  der  Germanen  und  das  Eindringen  der  Slaven  im  Laufe  des  IV.  Jh. 
sich  abgespielt  hat.  Andere  [Much  und  Yirchow,  ibid  S.  129  meinen,  dafs 
das  Land  während  eines  grofsen  Zeitabschnittes  vollständig  leer  geblieben  sei 
und  die  Slaven  ohne  Kampf  eindringen  konnten.  Dem  steht,  m.  E. 
das  Zeugnis  des  Julius  Capitolinus  (v.  Ant.  Phil.,  e.  14)  entgegen,  nach  welchem 
die  gegen  das  römische  Reich  nach  S.  vordringenden  Germanenstämme  als 
pulsae  a  snperiorilms  barbaris  entschuldigt  werden.  Man  hat  in  diesen  nicht 
mit  Fnrecht  die  Slaven  vermutet   Sehafarik  I,  507;  Krek,  p.  267  f.). 

Die  nördlichste  Gruppe  der  Polaben  bilden: 

1.  Abodriten,  auch  Obodriten  so  besonders  seitdem  XI. Jh.),  Bo- 
ll rizer,  Nortabrezi,  d.  h.  nördliche  Abodriten  (Geogr.  Bavar.).  nach  Adam  Brem., 
II,  10  und  Annal.  Saxo  952  auch  Bereger  genannt.  Im  westlichen  Mecklen- 
burg, zwischen  Warnow  und  Trave.  mit  dem  Hauptort  Mikilinburg  i  Adam  II, 
18).  Zu  ihnen  gehören  auch:  a)  die  Wagrier,  Wagri,  Wagiri,  \\  aari  im  öst- 
lichen Holstein  bis  zur  Eider  und  Swentine  sowie  auf  der  Insel  Fehmarn. 
Nach  ihnen  heilst  noch  heute  die  Halbinsel  Wagrien.  Sie  sind  am  weitesten 
von  allen  Slaven  nach  NW.  vorgedrungen.  Südlieh  von  ihnen:  b)  die  Po- 
laben, im  engeren  Sinne,  an  der  Elbe  bei  Lauenburg  bis  Batzeburg.  Bei 
Adam  und  Ann.  Saxo:  J'olabinyi :  bei  Hchnold,  Arnold:  Polabi  Hauptort  ist 
Batzeburg.  c:  Linonen,  auch  Ligonen,  Uni.  Unaa,  vermutlich  zwischen  Elbe 
und  Müritzsee.  Mit  ihnen  zusammen  genannt:  d  die  Smeldinger  (Ann.  Einh. 
808,  Chron.  Moissiae.  a.  809).  e)  Bethen zer  (Chron.  Moiss.  811).  f.  Brizaner 
(Helniold  I,  37  in  der  Priegnitz,  die  nach  ihnen  benannt  ist.  g.  W  arn  aber, 
Warnaver  um  die  obere  Warnow  bis  zur  Eide. 

2.  Wilzen  oder  Liutizen,  auch  Wehti  und  Welatabi  genannt.  Einh., 
Annal.  a.  789 :  natio  .  ..  qttae  propria  Unt/ita  Welatahi,  franeica  aiitrm  Wiltzi  VOCOtttV, 
In  ihnen  fanden  die  Deutschen  die  hartnäckigsten  Gegner.  Zu  ihnen  gehören: 
a)  die  Kissinen.  Chizzinen    Ann.  Saxo  952;  Adam  II,  18),  Kyzinen.  Haupt- 


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172 


IV.  Politische  Geographie  um  da*»  Jahr  looo. 


ort  Kizun  (Kessin  bei  Rostock),  Ann.  Saxo  1121,  Helmold  I,  48.  b)  Circi* 
parier,  nördlich  der  Pcenc,  auch  Zerezpani  (=  die  jenseits  der  Peene,  in  Urkk. 
Ottos  Adam  II,  18,  nach  ihm  Helmold  1,8.  <•  Tolensaner,  Totenci,  Tholo- 
sauten,  Adam  1.  c.  am  gleichnamigen  Flufs  Tollense.  d)  Hedarier,  Ra  tarer, 
Retherer,  Rehtarier  zwischen  oberer  Havel  und  Peene.  Das  gemeinsame  Heilig- 
tum dieser  vier  Stämme  ist  der  Tempel  des  Radigast  zu  Rethra,  Hethre  Adam 
II,  18;  Helm.  1,  2  ,  über  dessen  Lage  die  Ansichten  auseinandergehen.  Vgl. 
Brückner,  Rethra  lag  auf  der  Fischerinsel  in  der  Tollense,  in  Jabrbl».  Ver. 
f.  mecklenbg.  Gesch.  LIV  (1889),  153—167.  Hierzu  Schildt,  ibid.  168—174. 
Orotefend,  ibid.  175-18D.  Ferner  ibid.  LV  (1890),  261—278;  LV1  (181)1), 
245—248;  LVII  £1892  .  350  354.  e)  Hauen  (Adam  IV,  18;  Helm.  I.  2 
u.  ü.\  Ruanen  (Widukind  111.54),  Hugianen  (l'rk.  Ottos  L,  946)  auf  Rügen 
und  dem  Festlande  mit  dem  Heiligtum  des  Swantewit  bei  Arkona.  f)  V  kraner 
an  der  Ucker,  Ucrani  Ann.  Sax.  a.  934),  l'chri  (  Widukind  III,  54 1.  Zu  ihnen 
gehörten  auch  die  Riczanen,  Hiazianen  (im  l'rkk.  Ottos  L).  g)  Heveller  oder 
Stoderaner,  Widuk.  I.  35,  Adam  II,  18,  Thietmar  III.  10,  IV,  15;  Helm.  I,  88, 
im  Havellande  mit  der  Hauptstadt  Branibor.  Brandenburg,  h)  Sprevaner, 
Zprianani,  im  unteren  Spreegebiet  l'rk.  Ottos  L,  946  .  i)  Leubuzzen  ander 
Oder  und  Lebus  Adaan  II.  18).  k't  Doxanen  an  der  Dosse  (Adam  1.  e.)  im 
Gau  Dosseri  um  Wittstock.  Schafarik  II.  586.  stellt  sie  zu  den  Abodriten. 
1)  Morizaner  (Geogr.  Bavar.  .  Mortsam,  Moraziam,  an  der  Elbe  bei  Magde- 
burg, nicht   wie  Zerns;  S.  (»52  in  der  Landschaft  Murizzi  am  Müritzsce. 

3.  Sorben,  Soraben  (Adam,  Helmold1,  Surbi,  i  Fredegar  630;  üeogr. 
Bavar.),  von  der  Saale  bis  zum  Bober.  Reste  von  ihnen  noch  heute  in  der 
Lausitz  (Spreewald),  al  Lusizer,  Lusitsehanen  in  der  Niederlausitz  (Luckau, 
Kalau,  Kottbus*.  I>  Milziener,  Miltschaner,  in  der  Oberlausitz  um  Bautzen 
bis  zur  Schwarzen  Kister.  Thietmar  (pass.)  führt  sie  auch  unter  dem  Namen 
Müciui,  Milzieuter,  Miltizieni  auf,  c)  Paleminzier  zwischen  Elbe  und  Mulde 
im  Erzgebirge  Ann.  Fuhlens.  874 ).  Dcleminzi  (Thietm.  I,  3  führt  letzteren  als 
Landschaftsnamen  auf;  die  slavische  Form  laute  Qlomari,  Lonnnatsch.)  Tala- 
miiizi  i. Geogr.  Bavar.  .  d  Siusler  an  der  Mulde  (Ann.  Fuld.  856).  c)  Coli- 
<lizi,  Colodizen  an  der  Kister   Ann.  Fuld.  839). 

Literatur  über  die  polabisehen  Slaven:  W.  Giesebreeht,  Wendische 
Geschichten,  1843,  S.  3—16.  Schafarik,  Slav.  Alt.  II,  503—624.  Krek, 
Slav.  Iii,  S.  312  IT.  Zeufs,  PN..,  S.  636  IT..  642  ff.,  651  IT.  A.  Uriei.  Die 
Völker  am  Ostseebecken  bis  zu  Anfang  des  XII.  Jh..  Dissert.,  Halle  1875  vuicht 
ohne  Fehler  . 

II.  Lechen  (Bolen  Ihr  Wohngebiet  umfafste  das  Land  östlich  von 
der  Oder  und  dem  Bober  bis  über  die  Weichsel  hinaus  sowie  zwischen  ( >st- 
see  und  Sudetenrand.  Sie  sind  eng  verwandt  mit  den  Bolabcn.  Nestor  rechnet 
die  Luti/.en  ohne  weiteres  ihnen  zu.  wenn  er  sagt  :  »Die  Ljachen  (sowie  die 
I'reufsen  und  Finnen:  wohnen  am  Warägischcn  Meer.  Von  diesen  Ljachen 
nennen  sich  einige  Poljanen,  andere  Lutitsehen,  ander«'  Masowier,  andere  Po- 
morjancr.  Ebenso  wird  das  Land:  Ljachi  genannt.  Latinisiert  erseheint  der 
Name  als  Lechitäe,  im  Griechischen;  J4(/m.  --  Schon  frühzeitig  war  die  Be- 
nennung Polen  Poljane.  Nestor  die  beliebtere:  Fatoni  (Helm.),  Polani  (Adam), 
1'olenii  (Thietm.  ;  auch  Bolani,  l'nlani  u.  ä  kommt  vor.  Ftymologiseh  wird  der 
Name  als  »Besitzer  des  Feldes  r/W/Vy*  gedeutet.  Kr  wird  im  weiteren,  wie 
engeren  Sinne  gehraucht;  SO  beschränkt  u.a.  Nestor  ihn  auf  einen  einzelnen 
I  .•■i  henstanun  westlich  der  Weichsel  im  Wartegebiet,  im  Gegensatz  zu  anderen 
Stämmen,  wie  Bommern  etc.    Zu  den  Lethen  gehören: 

1.  Die  Bommern  zwischen  Oder  und  Weichsel,  südlieh  bis  zur  Netze. 
Der  Name  von  po-morje  =  am  Meere)  wird  von  den  Lateinisch  sehreibenden 
Polen  auch  richtig  als  Pontorani  gegeben,  erst  die  deutschen  Chronisten  schreiben 
Pomerani  (Adam,  Helm.).    Ein  Reststück  der  slav.  Pommern  sind  die  heutigen 


65.  Slavische  Volker. 


173 


kassuben  (Kaschuben:  in  Westpreufsen,  deren  Name  zuerst  im  XIII.  Jh.  von 
Boguphalos  genannt  wird,  2.  Die  Mas o  wie r,  Masowsebanen  (Nestor),  Mozart/, 
Mazurari  (poln.).  heute  Masuren,  zu  beiden  Seiten  der  mittleren  Weichsel. 
Schaf arik  II,  377  f.,  404  ff.,  führt  noch  einige  Sonderstämme  an,  die  aber  für 
die  ältere  Zeit  nicht  alle  belegt  sind  und  von  ihm  z.  T.  aus  den  I-andes-  und 
Gaunamen  erschlossen  werden:  die  Slezaner  (Schlesien,  Boboraner  (am  Bober \ 
Dedoschancr  (im  Gau  Diedesi),  Besunsehaner  (bei  Businz  am  rechten  Oder- 
ufer?), Opoljaner  (um  Oppeln),  sehliefslich  die  erst  sehr  viel  später  genannten 
Kujawier.    Vgl.  Zeufs.  662— 666;  Sehafarik  II,  349—409. 

III.  Tschechen  (Böhmen)  und  Mähren.  Beide  Volksstämme  sind  eth- 
nisch eng  verwandt  ;  ihnen  sehliefsen  sieh  im  nordwestl.  Ungarn  die  Slowaken 
an.  Die  Zeit  ihrer  Einwanderung  aus  den  hinterkarpathischen  Landern  ist 
strittig.  Sehafarik  (11,412)  setzt  sie  451 — 495  an,  doch  seheint  sie  bis  weit  ins 
VI.  Jh.  hinein  gedauert  zu  haben.  Die  Markomannen  und  Quaden  hatten  im 
VI.  Jh.  «las  Land  verlassen  und  Slaven  nahmen  es  ein.  Bei  ihrem  Einrücken 
führten  sie  schon  den  Namen:  Tschechen.  Bei  Nestor:  Cesi,  beim  Byzantiner 
Kinnamos  ,1147):  'l%tyui,  auch  Kt'/im,  Knyoi;  auch  bei  den  Annalisten  tritt 
er  auf:  ('ihn  Ann.  Tiliani  a.  805,  SS.  I,  223).  Aufser  dafs  sie  wie  alle  anderen 
bei  den  letzteren  Slaven  oder  Wenden  heifsen,  tritt  frühzeitig  auch  die  Bezeich- 
nung Böhmen  auf.  Das  nach  den  keltischen  Bojern  benannte  Land  Boio- 
kaemum,  Boihacmum  gab  nicht  nur  den  nachfolgenden  Bewohnern,  den  Marko- 
mannen (p,  196 1,  sondern  auch  den  Slaven  einen  Namen,  der  freilich  nur  bei 
den  Nachbarstämmen  üblich  war:  Beechaimi  zuerst  Einl.  Ann.  791;  ferner 
Beheimi,  Beliemi,  Behemae,  Boemani,  auch  licheimi  Schiri,  und  mit  Vinidi  zusammen- 
gesetzt Beoviiti<li  in  der  sog.  Origo  Langobardorum,  in  LL.  IV,  642,  Bcutvinitlui 
(Ann.  Xant.  846),  Be,<-Wi<li»cs  (!)  (Chron.  Moiss.  805 1,  d.  h.  =  •Böhmische 
Wenden*.    Vgl.  Sehafarik  U,  437;  Krek,  Einl.  298  A. 

Fast  gleichzeitig  mit  den  Tschechen  rückten  die  Mähren  in  ihr  Land 
ein  und  die  Slowaken,  von  denen  diese  in  den  Westkarpathen  sieh  nieder- 
liefsen,  jene  im  Gebiet  der  March  (Morawa),  nach  welcher  sie  benannt  sind; 
vorübergehend  auch  als  Boemi  (Thietm.  VI,  196)  bezeichnet.  Bei  Einhard 
(Ann.  822)  heifsen  sie  zuerst  Maracani:  bei  Nestor:  Monnrane;  ferner:  Mnra- 
hahitac,  Morahensvs,  Morareims,  Morharii,  Merehari,  Mar<jense.s,  Mornri. 

Die  Tschechen  waren  in  mehrere  Stämme  gespalten,  von  denen  der  der 
eigentlichen  Tschechen  an  der  Moldau  wohl  der  bedeutendste  war,  dessen  Namen 
auf  alle  übrigen  ausgedehnt  wurde.  Andere  Stämme  (meist  nach  Cosmas)  nennt 
Sehafarik  II,  443  ff. :  Lutsehaner  oder  Satcerwer,  Sedlitsehaner  um  Pilsen,  Pscho- 
waner  im  nördl.  Böhmen,  Djetschaner  um  Tetsehen,  Lemusser  am  böhmischen 
Grenzwalde,  Liutomerizer  um  Leitmeritz,  Chorwaten  im  nördl.  Böhmen.  Von 
mährischen  Stämmen  werden  später  genannt:  Horaken,  Ilanaken  und  Wala- 
eben  (nicht  zu  verwechseln  mit  den  rumänischen  Walaehen).  Vgl.  Zeufs,  S.  639. 
Sehafarik  II,  410—502. 

IV.  Slaven  westlich  von  Elbe  und  Saale.  In  der  karolingischen  Zeit 
werden  Elbe  und  Saale  allerdings  als  Slavengrenze  angegeben  (Einh.  vita  Caroli, 
c.  15  u.  Ann.  792);  doch  waren  sie  keineswegs  eine  scharfe  ethnische  <  irenze.  Viel- 
mehr lassen  sieh  die  Slaven  westlich  in  ausgedehnten  Gebieten  noch  nach- 
weisen, und  die  Deutschen  hatten  erst  diese  zu  bewältigen,  ehe  Elbe  und 
Saide  nominelle  politische  Grenzen  werden  konnten.  Besonders  die  Gaue 
Drewani,  Osterwaldo  und  Belesen)  das  Balsamer  Land1  waren  rein  slavischo 
Länder,  die  auch  von  der  <  »ermanisierung  weit  weniger  betroffen  wurden  (trotz 
Helm.  I,  88).  Im  Flufsgebiet  der  Jeetze,  im  sog.  »hannoverschen  Wendlande  . 
wurde  noch  vor  zwei  Jahrhunderten  slavisch  gesprochen.  Vgl.  Schleicher, 
Laut-  und  Formenlehre  der  polabisehen  Sprache,  1871.  Hennings,  Das  han- 
növer.  Wendland.  Ebenso  waren  der  Norathuringau,  Sehwabengau,  Hessengau 
slavisch,  wie  die  Ortsnamen  beweisen.     Im  X.  Jh.  war  die  Umgegend  von 


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174 


IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1000. 


Quedlinburg  noch  stark  von  Slaven  besiedelt.  Östlich  der  Oera  und  Ilm  fand 
sich  damals  kein  deutscher  Ort.  Audi  das  östliche  Grapfeld,  östlich  der  Frank. 
.Saale,  hatte  slavische  Bevölkerung.  In  den  Sehenkungsurkk.  wird  häutig  der 
dortigen  Slaven  gedacht.  Südlich  vom  Main  reichte  ihr  Gebiet  westlich  über 
die  Rednitz  hinaus  bis  an  den  Steigerwald  und  südlich  gegen  die  Altmühl  hin. 
Der  Hangau  und  Kolkfeld  waren  noch  slaviseh.  Bei  den  Chronisten  werden 
diese  Slaven  als  Main-  und  Hednitz- Wenden  bezeichet.  Terra  Sclavorum, 
qui  sedent  inter  Moinuiu  et  Itadan fium  fluvios,  qui  vocantur  Moinuuinidi  et  Ratan- 
znninidi  i  Dipl.  Ludw.  Germ.  846,  M.  B.  28,  1,  41).  Auch  hier  bezeugen  im 
weiteren  die  Ortnamen  die  ehemals  slavische  Bevölkerung:  Wind,  Mechelwind, 
Windeck,  Koppenwind,  Geifselwind ,  Ratzenwinden,  Windshofen,  Windisch- 
Letten  u.  s.  w.  Zeufs,  S.  646  tT.  Schafarik  bringt  nichts  Näheres  über  sie. 
Vgl.  besonders  aber  die  ausführlich»'  Darstellung  bei  J.  Blochwitz,  Die  Ver- 
hältnisse an  der  deutschen  Ostgrenze  zwischen  Elbe  u.  Donau  z.  Z.  der  ersten 
Karolinger,  Dresden  1872,  S.  1—24. 

V.  Alpenslaven  zwischen  Donau  und  Adriatischem  Meer.  Ihr  Ein- 
dringen in  die  Ostalpenländer  wird  in  die  Zeit  zwischen  f>68 — 592  verlegt.  595 
kämpfen  sie  schon  gegen  die  Bajuwaren  unter  Tassilo  und  610  ein  zweites 
Mal  bei  Agunt  Lienz).  611  waren  sie  in  Istrien  (I'aul.  Diae.  IV,  40).  Bis  799 
standen  sie  unter  dem  Druck  der  A waren.  Gegenwärtig  ist  das  slovenische 
Gebiet  auf  die  Draulinie  beschränkt,  im  Vll.  Jh.,  z.  Z.  der  gröfsten  Verbreitung, 
dehnt»-  es  sich  bis  zur  Donau  aus.  Die  Westgrenze  des  Gebietes,  in  dem 
Slaven  in  geschlossener  Masse  safsen,  lief  damals  etwa  von  der  Drauquelle 
nordwärts  zur  Taucrnkette,  diese  östlich  bis  zur  Murquelle,  dann  nördlk'h  über 
die  obere  Enns.  unterhalb  Radstadt  und  über  den  Dachstein,  das  Tote  Gebirge 
nach  Wels,  die  Traun  abwärts  bis  zur  Donau  und  diese  aufwärts  bis  zum 
Hötelba»  h  und  Böhmerwold  (Kaemmel  S.  176\  Auf  (Jrund  der  Nomenklatur 
läfst  sieh  ihr  ehemaliges  Auftreten  in  Gruppen  noch  ausserhalb  jener  Grenze 
in  Tirol  und  Salzburg  nachweisen,  wie  überhaupt  auch  hier  die  Namen  den 
besten  Fingerzeig  geben.  Slavisch  sind  z.  B.  Leoben,  Kraubat.  Pustertal, 
Scharnitz  und  alle  mit  Windisch  •zusammengesetzten  Namen:  Win»lshofen, 
Windischletten,  YVindischMatrev,  Windischgrätz,  Windisch  Büheln.  Schafarik 
II.  85.    Dafs  Vintschgau  aus  Windischgau  entstanden  sei,  ist  aber  falsch. 

Die  Alpenslaven  werden  von  Schafarik  II,  310  nach  dem  Vorgange  des 
russ.  Chronisten  Nestor  als  kor  titanische  Slaven  zusannnengefafst.  In  den 
Chroniken  und  l'rkk.  heifsen  sie  entweder  Wenden  (in  «len  verschiedenen  Vari- 
anten) »»der  Slaven.  Sdavi,  Sdaoani  etc.  und  noch  heute  Slovenen.  Der 
Landesname  Carantania.  Carantannm  (Paul.  Diae.  V.  22)  wird  auch  auf  »lie 
Bewohner  ausgedehnt:  Carantaui,  Srlavi  (Juaranfani.  Diese  kärntnischen  Slaven 
wurden  durch  die  Karnischen  Alpen  getrennt  von  den  krainis»:hen:  Crei- 
narii,  <  aniioteuses  Ann.  Einh.  820:  qui  circa  Savium  ßnv'ium  habitant  et  Foro- 
julicH.sihits  jßaeiic  eontigui  sunt).  Von  »liesen  scheint  auch  die  slavische  Bevöl- 
kerung Istriens  ausgegangen  zu  sein.  Andere  Stammesnamen  sind  ferner: 
Horwaten  im  Murgebiet  bei  Kraubat  Schafarik  II,  348;  nach  Kreck  321 
nicht  mit  den  eigentlichen  Kroaten  zusammenzustellen);  Dud leben,  Duljeben, 
ostlich  d»  r  Mur;  Stodorer  an  der  Steier  und  Sus elzer,  Suzel»T  an  der 
Lasnica.  Doch  sind  diese  Namen  für  die  ältere  Zeit  nicht  bezeugt.  Im  übrigen 
vgl.  Schafarik,  11,310—348.  Zeufs,  DN.,  S.  616—621.  Kreck,  8.  318—321. 
Kaemmel,  Anfänge  deutschen  Lebens  in  Osterreich  bis  zum  Ausgange  der 
Karolingerzeit,  1879,  S.  142  IT.  Bidermann,  in  Luksic  s  slav.  Blättern,  1,  12  ff., 
78  ff..  Wien  1865.  Mit  terrutzner,  Slavisehes  aus  dem  östlichen  Pustertal, 
Progr.  Brixen  1879.  A.  Ficker,  im  Jahrb.  d.  üsterr.  Alp.-Ver.  (1867),  in,  238. 

CO.  Baltische  Völker  waren  schon  den  Alten  bekannt  in  den  Gebieten 
östlich  der  unteren  Weichsel  bis  nordwärts  hinauf  zum  Finnischen  Meer- 
busen.   Der   vermutlich   germanisch»'  Name  Apstii   wird  später  durch 


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G6.  Baitischt«  Volker.  17f) 

einen  slavisehen:  Pmzzi  ersetzt,  während  jener  in  der  Form  Esten  auf 
einen  den  Finnen  verwandten  Stamm  am  Finnischen  Meerbusen  fälsch- 
lich übertragen  worden  ist.  der  ihn  auch  heute  noch  führt. 

TacitllS  (GeiTO.  45:  nennt  uns  das  Volk  der  Aesfii  an  der  Bernsteinküste, 
wählend  Ptolemäus  III,  5  uns  die  Namen  der  einzelnen  Stämme  aufführt: 
Galinden.  Sudinen.  Stauanen,  Welten,  Osier  und  Karbonen,  die  das  Küsten- 
gebiet von  der  unteren  W  eichsel  bis  nördlich  zum  Finnischen  Meerbusen 
innegehabt  haben  müssen.  Nach  Tacitus  sprachen  sie  eine  von  dem  Ger- 
manischen verschiedene  Sprache.  Auch  Cassiodor  (var.  cp.  V,  2)  tut  ihrer 
Erwähnung,  als  eine  iistische  Gesandtschaft  dem  Ostgüten  Theuderich  Geschenke 
aus  Bernstein  überbrachte.  Desgl.  Jordanes  (c.  23),  nach  dem  sie  noch  die- 
selben Sitze  wie  früher  innehaben  (qui  lonyissimam  ripam  Occani  Germanin  in- 
sident).  Er  nennt  uns  noch  einen  besonderen  Stamm :  Vidivarii  (s.  5).  Auch 
Einhard  (v.  Car.  12:  führt  sie  an  dieser  Stelle  auf.  „  Zum  letztenmal  werden 
sie  unter  dem  bei  Tac.  genannten  Gesamtnamen:  Esten  in  dem  von  König 
Alfred  mitgeteilten  Bericht  des  Seefahrers  Vulfstan  erwähnt  (Gros.  1,  1,  20). 

Seit  dem  Jahre  1000  begegnet  uns  hier  ein  anderer  Gesamtname  jener 
Völker:  Pruzzi,  J'russi,  auch  l'nisanen,  ein  Name,  der  später  auf  einen 
der  Teilstämme  beschränkt  worden  ist.  Er  wird  allgemein  als  die  slavische 
Bezeichnung  jener  baltischen  Völkergruppe  aufgefafst,  wahrend  Aisten  die  ger- 
manische war. 

Er  erscheint  in  der  Vita  des  Bischofs  Adalbert  von  Prag,  der  997  unter 
den  heidnischen  Preufsen  den  Märtvrertod  fand  (Vita  Adalb.,  c.  27),  ferner  bei 
Thietm.  IV,  28  Pruci;  VII,  35  Prucia;  Adam  II,  18  schol.  15:  Pmzzi:  Helmold 
I,  1,  15  Pruzi.  Bei  Adam  heifsen  die  Pmzzi  im  engeren  Sinne  Semin  auf  Sem- 
land (Sameland),  welches  er  irrtümlich  für  eine  Insel  hält  (IV,  18):  Semland 
inJtabitant  Sembi  vel  Pruzzi.  Doch  wurde  unter  Prnri  bei  den  Slaven  der  ganze 
baltische  Stamm  (also  auch  Litauer  und  Letten  verstanden,  und  in  dem  Erd- 
buch Kg.  Waldemars  (XIII.  Jh.)  von  Dänemark  werden  zu  den  terris  Pruziae 
auch  Littovia,  Curlawl  und  Semgallen  gestellt,    Vgl.  Müllenhoff,  DA.  II.  12  ff..  348. 

07.  Das  Reieli  Karls  d.  Gr.  Während  unter  den  späteren  Mero- 
wingern  die  Eroberungspolitik  ganz  aufgehört  hatte,  trat  sie  unter  den 
Karolingern  um  so  stärker  wieder  hervor;  z.  T.  wurde  sie  durch  die 
Völkervorstöl'se  von  O.  her  hervorgerufen,  und  besonders  nach  dieser  Seite 
hin  erfuhr  das  Reich  eine  erhebliehe  Vergröfserung. 

Herzog  Tassilo  war  gedemütigt  worden  und  seines  bairischen 
Reiches  verlustig  gegangen;  desgleichen  waren  die  Sachsen  804  endlich 
bewältigt  und  ihr  Land  zum  Reiche  geschlagen,  die  Slaven  jenseits 
Elbe  und  Saale  in  Abhängigkeit  gebracht,  die  Dänen  jenseits  der  Eider 
zurückgedrängt  und  im  SO.  die  Avarenmacht  niedergeworfen  worden. 
Karl  beherrschte  somit  ein  Reich,  welches  vom  Ebro  bis  zur  Eider.  vom 
Ozean  bis  zur  Elbe  und  Raab  reichte. 

Zur  Sicherung  «1er  neugewonnenen  Ostgrenze  seines  Reiches  gegen  aber 
malige  Eingriffe  der  unruhigen  Grenzbevölkerung  mufste  Karl  besondere  Mafs- 
nahmen  treffen;  zu  diesen  gehörte  die  Einrichtung  der  Marken.  Die  Mark 
konnte  ein  Stück  des  Reichsgebietes  selbst  ausmachen  und  stand  dann  unter 
einem  Grenzgrafen  (Thüring.rbairisehe  Mark),  oder  aber  sie  bildete  einen  Teil 
des  eroberten  Nachbarreiches,  lag  also  aufserhalb  der  Grenzen  und  war  noch 
nicht  ganz  gesichert.  Letzteres  war  der  gewöhnliche  Fall.  Diese  eigentliche 
Marca  oder  Limes  auch  ('(»{fininm,  Pmviwia  zuweilen)  wurde  anfangs  durch 
militärische  Einrichtungen,  Kastelle  u.  dgl.  noch  geschützt  und  durch  allmäh- 
liche Verdrängung  der  alten  Bevölkerung  und  Kolonisierung  seitens  des  Eroberers 


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17f>  IV.  Politisch»'  Geographie  um  .la»  Jahr  100(). 

mehr  und  mehr  zu  einer  Grcnzgrafsehaft  und  damit  zu  einem  integrierenden 
Teil  des  Reichsgebietes  selbst  gemacht.  Der  geographische  Begriff  der  Grenze 
ist  hier  also  ein  schwankender  und  von  vielen  politischen  Uniständen  abhängig, 
('f.  M.  Lipp,  Dari  fränk.  Grenzsystem  tmter  Karl  d.  Gr.,  in:  Unters,  z.  deutsch. 
Staats-  und  Rechtsgesch.  1892.  Die  Marken  umfatsten  entweder  das  ganz«? 
feindliehe  Grenzland,  oder  es  waren  nur  sehmale,  militärisch  organisierte  Striche 
am  Rande  des  Reichsgebietes.  Werner,  Das  Markensystem  unter  Karl  d.  Gr.. 
Bremerhaven  1895. 

Gegen  die  Dänen  war  unter  Karl  noch  keine  eigentliche  Mark  errichtet 
worden.  Lipp,  S.  29.  will  freilich  in  der  Gründung  des  Kastells  Esseveitloburg 
=  Itzehoe  im  Jahre  810  den  Anfang  einer  Markeinrichtung  erkennen.  Ebenso 
scheint  das  problematisch«'  Hohbuoki  damals  gegründet  zu  sein.  Dagegen  Waitz 
in  dessen  Heinrich  1.,  Ex«-..  XV,  S.  2(11.  Der  Machtbereich  Karls  hat  jedenfalls 
bis  zur  Eider  und  darüber  hinaus  gereicht,  denn  der  Dänenkönig  Gottfried 
errichtete  an  der  von  ihm  anerkannten  Südgrenze  seines  Reutin  s  «  inen  Schutz- 
wall, das  Dane  wirk  (Ann.  Lauriss.  a.  808),  der  von  der  Ostsee  (Ostarsalt) 
bis  zur  Nordsee  hinüberreichte  und  zwar  längs  des  nördlichen  Ufers  der  Eider 
(Aegidora);  —  «lie  Eider  wird  hier  irrig  genannt,  der  ganzen  Situation  nach 
kann  nur  ihr  Nebenflufs,  die  Treene,  gemeint  sein.  Von  ihrem  Oberlauf  lief 
der  Wall  weiter  zur  Ostsee.  In  dem  Wall  war  ein  Tor  für  Wagen  und  Pft-rde 
freigelassen.  Aufser  Waitz  L  c,  Splieht,  Über  das  Danewerk,  in  Korr.-Bl. 
d.  dt.  Ges.  f.  Anthrop.,  Ethnol.,  Urgesch.,  .München  1897,  28,  95—98. 

Gegen  die  Slaven  hat  «t  nachweisbar  einen  Grenzzug  eingerichtet  und 
eine  Mark  begründet.  811  fafste  er  hierzu  den  Plan,  81!»  wird  dieser  Limes 
Saxonkus  zuerst  erwähnt  (Einh.,  Ann.  819 ).  Durch  Adam.  Brem.  II.  25b  sind 
wir  über  den  Verlauf  <l«^s  Limes  unterrichtet,  «loch  haben  die  Angaben  eine 
verschiedene  Deutung  erfahren.  Er  begann  an  der  Mündung  «1er  Delvenau 
(Dehumla)  in  die  Elbe;  jene  aufwärts  nach  Horrhenbici  (Hornbeek)  zur  Jiileni- 
spriuy  (Quell«-  «1er  Hille)  und  Wispircon  (Grofs- Wesenberg) ;  also  von  Hornbeck 
ab  nicht  direckt  nördlich  in  «Ii«4  Stecknitz.  Dann  die  Trave  aufwärts  bis  fast 
zur  Quelle  nach  Bulilunkin  Blunki  und  nördlich  zum  Stwjnmn  (lohe  (Östlich 
liegt  hier  das  ZuentifeM)  und  schliefslich  der  Znentiua  Schwellte)  entlang  zur 
Kieler  Bucht.  Über  die  Einzelheiten  «f.  W.  G.  Beyer,  Der  Limes  Saxoniae 
Karls  d.  Gr.,  Festsehr.  f.  F.  Lisch,  Schwerin  1877,  mit  «lrei  Karten.  Lipp  'S.  31) 
hält  «-s  gegen  Waitz  DV2,  III,  372  u.  a.  nicht  für  wahrscheinlich,  dafs  der  bei 
Adam  beschriebene  Limes  i«lentisch  mit  dem  karolingischen  sei.  Adam  hätte 
nur  «Ii«'  Grenze  des  transalbing.  Sachsenlandes  angeben  wollen,  was  irrig  ist, 
da  Adam  den  Ii  in  item  ah  praesniptum  a  Karofo  bezeichnet.  Vgl.  auch  Bangert, 
Di«'  Saehsengrenze  oder  Linns  Saxonicus,  Progr.  Rcalgymn.  Oldesloe  1893. 
Handelmann,  im  Archiv  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Herzogt.  Lauenburg  II,  HO. 
Jansen,  Bemerkungen  zum  Limes  Saxonicus  Karls  d.  Gr.  <  von  Bever  in 
Z  d.  (ies.  f.  Sehl-Holstein.  Gesch.  XVI  (1886),  355—372. 

Gegen  die  Sorben  war  keine  Mark  eingerichtet,  jedoch  auf  «lern  rechten 
Ufer  von  Elbe  und  Saale,  Magdeburg  und  Halle  gegenüber  zw«-i  Kastelle 
angelegt  worden  (Ann.  Einh.  806).  cf.  Knochenhauer,  Gesch.  Thüringens 
in  der  karoling.  u.  sächs.  Zeit.  Diss.  Gotha  1863.  Erst  später  wird  von 
einem  Sorabirus  Limes  gesprochen.    Ann.  Kühl.  819,  858. 

Die  Grenzmark  gegen  «lie  C zechen  war  keine  eigentliche  Reichsmark. 
Sie  lag  im  NO.  Baierns  am  oberen  Main  im  Nordgau,  also  hinter  der  Grenze 
zurückgezogen.  Von  Markeinrichtungen  im  böhmischen  Lande  seihst  wir«l 
nichts  berichtet.  Lipp,  S.  41;  Riezlcr,  Geseh.  Baierns  1,  186;  Waitz,  Die  ang«*b- 
lich.'  Mark  in  <>st franken,  FD.  G.  III,  154. 

Die  A  va reu  waren  803  endgültig  bczwung«n  worden  und  «Ii«'  Sicherung 
der  Grenze  durch  Marken  angezeigt.  Die  sog.  Ostmark  zu  beiden  Seiten 
«ler  Donau  von  d«  r  Rötel  und  Traun  abwärts  bis  zum  Wiener  W  ald)  und  che 
beiden  Pannonien  (Ober-  u.  Nieder-!*.)  waren  zunächst  nur  Nebenländer  von 


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68.  Reichsteilungen.  .  177 

Baiera  und  hatten  noch  nicht  je  einen  Grafen;  cf.  Lipp,  S.  53  f.  Die  letzt- 
genannten Gebiete  bildeten  den  Limes  Avarirns  (Einh.  Ann.  826}  oder  Pannonicus 
\.\im.  Fuld.  861).  Bereits  im  Jahre  788  ist  auch  von  einer  Mark  Friaul 
(Marca  Foroitdiensis)  die  Rede,  die  Waitz2  III,  370,  als  eigentliches  Markgebiet 
angesehen  wissen  will,  was  Lipp,  S.  47  in  Abrede  stellt.  Anfangs  unter  einem 
Herzog  stehend,  wurde  sie  828  in  vier  Komitate  aufgelöst  (Ann.  Einh.  828), 
deren  Grenzen  sich  freilich  nicht  mehr  bestimmen  lassen. 

68.  Reichst  ei  Innren.  Die  Teilungen  sind  insofern  auch  hier  von 
Bedeutung,  als  sie  im  Laufe  der  Zeit  die  Herausbildung  eines  getrennten 
östlichen  und  westlichen  Reiches  mit  eigenen  Nationalitäten  zur  Folge 
hatten.  Während  Pippin  durch  die  Teilung  von  768  absichtlich  eine 
derartige  Spaltung  noch  zu  verhindern  suchte,  legten  die  Teilungen 
meiner  Nachfolger  den  Keim  dazu. 

Die  sog.  divisio  imperii  Karls  d.  Gr.  (806)  unter  seine  drei  Söhne 
kam  nicht  zur  Ausführung,  da  der  allein  überlebende  Sohn  Ludwig  der 
Fromme  das  ganze  Reich  übernahm.  Eine  von  Ludwig  817  vorsorglich 
getroffene  Teilung  unter  seine  Söhne  Lothar,  Ludwig  und  Pippin  stiefs 
er  aber  selbst  wieder  um,  als  ihm  aus  zweiter  Ehe  ein  vierter  Prinz, 
Karl  (der  Kahle),  geboren  wurde.  Die  hierdurch  hervorgerufenen  lang- 
jährigen Fehden  der  Brüder  gegen  den  Vater,  wie  der  Brüder  unter- 
tinander  führten  nach  dem  Tode  des  Kaisers  zu  dem  Vertrage  von 
Verdun  (843).  Die  damals  notwendige  Dreiteilung  des  Reiches  in  einen 
westlichen,  mittleren  und  östlichen  Teil  wurde  durch  den  Tod  Lothars  IL 
wieder  beseitigt,  so  dafs  der  Vertrag  von  Mersen  870  zur  Bildung 
zweier  sprachlich  abgeschlossener  Reiche  führte. 

Die  Teilung  Pippins  (768)  bei  Fredegar,  Contin.  SS.  rer.  Mer.  II, 
Karl  d.  Gr.  scheint  die  gröfsere,  nördliche  Hälfte  von  Austrasien  erhalten  zu 
haben.  Neustrien  wird  nicht  genannt;  auch  Baiern  nicht,  weil  hier  beide 
Briider  wohl  gemeinsam  herrschen  sollten.  Überdies  hatte  Baiern  immer  noch  eine 
etwas  selbständigere  Stellung.  Nach  Abel  (Karl  d.  Gr.,  S.  23)  traf  Pippin  Vorsorge, 
dafe  die  Bevölkerung  eines  jeden  Teiles  aus  Germanen  und  Romanen  gemischt 
war;  doch  von  einem  Gegensatz  der  Nationalitäten  kann  im  VIII.  Jh.  noch 
keine  Rede  sein.  Cf.  Waitz,  III,  68.  C.  Fr.  Meyer,  Die  Teilungen  im  Reiche 
der  Karolinger,  I*rogr.  Realschule,  Stettin  1877,  S.  5  IT.  —  Spruner-Mencke  t. 
30.  Karton.  —  Karls  d.  Gr.  divisio  imperii  (in  LL.  IL,  Beel  1,  126)  unter  seine 
Sohne  (Karl,  Pippin,  Ludwig)  zeigt  geographisch  eine  sehr  genaue  Fassung. 
Auch  für  spätere  Teilungen  ist  sie  wichtig.  Die  Mehrzahl  der  deutschen  Länder 
sollte  dem  ältesten  Sohn  Karl  zugewiesen  werden,  der  aufser  Teilen  von 
Francia  und  Burgund  noch  Alamanniam,  Austrum,  Niusfriam,  Turingiam,  Saxoniam 
et  partem  Bajoariae,  quae  dicitur  Northgow,  erhalten  sollte.  Pippin  wurden 
Baiern  und  Alamannien  südlich  der  Donau  zugewiesen,  einschliefslich  des 
ducatus  Curiensis  und  des  Durgowe  (Turgau) ;  den  ganzen  übrigen  Westen  des 
Reiches  erhielt  der  dritte  Sohn  Ludwig.  Ludwig  d.  Fr.,  der  seine  Brüder 
überlebte,  traf  817  zu  Aachen  eine  neue  Teilung  unter  seinen  drei  Söhnen 
<Ix>thar,  Pippin,  Ludwig).  Urk.  in  LL.  II.  sect.  1,  270:  Vohimus,  ut  Pippinus 
kibeat  Aquitaniam  et  Wasconiam  et  markam  Tolosanam  totam  et  insuper  coytiitatus 
ifnatuor  i.  e.  in  Septimania  Carcassensem,  et  in  Burgundia  Augustudunenseni  et  Avalen- 
*em  et  Nivernensem.  —  Item  Hludoicicus  rotumus  ut  habeat  Baioariae  et  Carentanos 
et  Beheimos  et  Avuros  atqtie  Sclavos  qni  ab  (o'ientali  parte  Baioariae  sunt,  et  insuper 
<inas  villas  dominxcales  ad  suum  servitium  in  pago  Nortgaoe  Luttraof  et  Ingoldesstat. 
Lothar,  der  älteste,  wurde  Mitregent  über  das  übrige  Gebiet  und  zum  späteren 
Kaiser  designiert.    Cf.  Dümmler,  Ostfränk.  R.,  I.  21 — 23.    Simson ,  Ludwig  d. 

Kretechmer,  Historische  Geojp-aphie  12 


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17S  IV.  Politische  Geographie  um  du»  Jahr  1000. 

Fr..  100  ff.  Während  der  kriegerischen  Verwickelungen  fanden  .später  neue 
Teilungen  statt ;  so  im  Jahre  831 ;  in  LL.  I,  356.  Cf.  Dümniler  I,  62,  Mühibaeher, 
Hegest.  1.  318,  Meyer  1.  c.  27.  —  Ferner  in  den  Jahren  837  und  839  (Prud. 
Tree.  a.  837,  839);  cf.  Meyer  37  f. 

Bedeutsamer  als  diese  war  der  Teil  ungs  vertrag  von  Verdun  (843) 
zwischen  den  drei  feindlichen  Brüdern.  Eine  Urkunde  hat  sieh  nicht  erhalten, 
man  ist  auf  die  kurzen  Andentungen  der  Annalisten  angewiesen.  Hauptstellen 
sind:  Prudent  Trec.  (Annal.  Bertin. )  a.  843,  SS.  1,  440.   Reginon.  chron.,  SS. 

1,  568.   Adonis  contin.  I,  SS.  2,  324.  Monaehi  Aug.  cont.  Erehanb.  hrev.,  SS. 

2,  329.  Widuk.  r.  g.  Saxon.  I,  c.  28.  Ann.  Xant.  a.  869,  SS.  2,  233.  Eine 
Kommission  von  300  Abgeordneten  hatte  vorher  die  Territorialverhältnissc  auf- 
zunehmen. Es  handelte  sieh  besonders  um  Feststellung  der  Arealgröfse  der 
einzelnen  Läuderstücke  und  Verzeichnisse  der  Bistümer.  Klöster,  Güter  und 
deren  F^inkünfte  (cf.  Meyer,  1.  c.  48).  Karl  erhielt  die  westfränkischen  Länder, 
Ludwig  die  ost fränkischen,  Lothar  zwischen  beiden  einen  Streifen  von  Fries- 
land an  bis  südlich  zum  Mittelmeer  und  Italien.  Die  Grenzen  seines  Reiches 
sind  bestimmend  für  die  beiden  anderen.  Die  Ostgrenze  gegen  das  ost- 
fränkische Reich  lief  von  der  Wesermündung  erst  westlich,  dann  südlich  der 
friesisch-sächsischen  Grenze  und  im  weiteren  der  fränkisch-sächsischen  entlang; 
sie  hält  sich  in  10 — 50  km  Entfernung  östlich  des  Rheins,  den  sie  bei  Sinzig 
erreicht  und  bis  Bacharach  aufwärts  verfolgt.  Von  hier  geht  sie  in  einem 
grofsen  Bogen  auf  der  linken  Rheinseite  um  den  Nahe  ,  Worms-  und  Speyer- 
gau herum  zum  Rhein  zurück  und  diesen  aufwärts  bis  zur  Mündung  der  Aar. 
Letztere  bildet  bis  zum  Brienzer  See  die  Grenze,  von  wo  sie  weiter  auf  der 
Wasserscheide  südlich  der  Reufs  und  des  Inns  zur  Etsch  streicht,  diese  zwei 
Meilen  oberhalb  Trient  übersehreitet  und  dann  auf  der  südlichen  Wasserscheide 
des  Drau-  und  Savegebietes  zum  Quarncrobusen.  Die  Westgrenze  beginnt 
am  Sinkfal  bei  Sluis,  umfafst  einen  schmalen  Streifen  bis  zur  Scheldemündung, 
führt  dies»'  bis  fast  zur  Quelle  aufwärts,  geht  (per  cameracensem)  um  den 
Kemmerichgau,  Hennegau  (haitiqnm),  Lommengau  (lomeusem)  nach  O.  zur  Maas, 
deren  linkes  l'fer  ein  Stück  aufwärts  begleitend,  am  westlichen  Rande  der 
Gaue  Castritinm,  Monom  um ,  lhdmeiusis.  Yirdunensis,  Barrensis,  Odornensüt  zur 
öfteren  Marne,  ein  Stück  auf  deren  linker  Seite  um  Chaumont  (Calvus  MOM) 
ziehend,  im  Bogen  nach  der  oberen  Saone  hin.  Sie  führt  dann  bis  fast 
zur  Doubsmündung  abwärts,  inj  0.  das  Gebiet  von  C'halons  umgürtend,  nach 
dem  Rhone  zu  und  im  weiteren  in  beträchtlicher  Entfernung  westlich  des  Stromes 
bis  zum  rechten  Mündungsarm  nach  S.  —  Wenn  diese  Länderteilung  auch 
keinen  Bestand  hatte,  so  blieb  «loch  die  nationale  Sonderung  in  dem  westlichen 
und  östlichen  Drittel  bestehen.  Lothars  Reich  mit  seiner  gemischten  Bevölke- 
rung trug  den  Keim  der  Auflösung  in  sich.  >  Fortan  besteht  ein  deutsches 
Reich«  (Waitz;.  Ludwig  nannte  sich  rex  Qermaniae ,  auch  Baioariorum  und 
Framiae  orienUdis:  Karl:  rex  dalliae  oder  Franriae  (Hvidentalis;  über  Ix>thars 
Heich  vgl.  unten:  Lothringen.  Meyer  berechnete  den  Anteil  Karls  auf  c.  3300, 
den  Lothars  auf  4200  und  Ludwigs  (durch  Abodriten-  und  Sorbengebiet  begrenzt) 
auf  3750  Quadratmeilen.  Schwartz,  Der  Bruderkrieg  der  Söhne  Ludwigs  d. 
Fr.  und  «1.  Vertr.  zu  Verdun.  Progr.,  Fulda  1843.  Mever,  1.  c.  18.  Dümniler, 
Ost  fr.  R.  1.  202  ff.  F.  Suklje.  Die  Entstehung  u.  Bedeutg.  des  Verduner  Ver- 
trages.   Progr.,  Laibaeh  1876.    Spruner-Menke,  tab.  30.    Droysen,  tab.  21. 

Lothar  I.  hat  sein  Reich  855  unter  seine  drei  Söhne  geteilt,  indem  Lothar  II. 
Friesland  und  das  eigentliche  Lothringen,  Karl  Burgund  und  Ludwig  Italien  erhielt. 
869  starb  aber  Lotbar  II.  und  in  sein  Land  (eilten  sich  nunmehr  Karl  der  Kahle 
und  Ludwig  der  Deutsche.  Der  Vertrag  von  Merscn  (870 1  setzte  die  Grenze 
fest:  Die  Maas  von  der  Mündung  bis  zur  Einmündung  der  Ourthe  (l'rta),  diese 
aufwärts  lexkl.  Gondroz  zu  Westfranken  gehörig)  bis  zur  Quelle,  von  dort  über 
die  Anleimen  zur  Mosel  oberhalb  Trier,  diese  ein  Stück  aufwärts,  dann  am 
Westrand  des  payns  MetensLs  entlang,  zur  Mosel  zurück  und  auf  deren  rechtem 
U fergebiet  bis  oberhalb  Toul;  weiter  führte  sie  nach  W.  über  die  Marne  (bei 


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69.  Name  vou  luiml  und  Volk.  179 

Chaumont)  hinaus  und  dann  südöstlich  zur  oberen  Saone  und  Doubs,  den  Gau 
Amaus  umschliefsend,  zutn  Genfer  See.  Ausführliches  Verzeichnis  der  Teilungs- 
objekte: LL.  I,  516  f.  Cf.  Dümmler,  2,  296  ff.;  Über  die  ethn.  u.  geogr. 
Bedeutung  d.  Vertr.  ibid.  299  f.  Diese  Grenze  stimmte  im  allgemeinen  mit  der 
Sprachgrenze  überein,  doch  blieben  am  linken  Maasufer  deutsehe  Stämme  vom 
deutsehen,  und  an  der  oberen  Mosel  und  Burgund  romanische  Stämme  vom 
französischen  Gebiet  ausgeschlossen. 

09.  Name  von  Land  und  Volk.  Die  Römer  wurden  mit  dem 
Namen  der  Germanen  im  I.  vorchristlichen  Jahrhundert  bekannt,  und 
sie  nannten  das  Land  zwischen  Rhein,  Donau  und  Weichsel  Germania. 
Doch  auch  auf  die  linksrheinische  Seite  wurde  der  Name  von  ihnen 
ausgedehnt.  Es  ist  S.  143  bereits  erwähnt  worden,  dafs  hierzu  mehr  die 
militärpolitischen  Umstände  Veranlassung  gegeben  hatten,  wenn  auch 
damals  schon  einige  germanische  Stämme  auf  der  linken  Rheinseite  an- 
sässig waren;  denn  vordem  gehörten  diese  Gebiete  zur  Belgica.  —  Im 
Mittelalter  ist  dieser  Name  für  Land  und  Volk  in  ihrer  Gesamtheit  bei 
den  Lateinisch  schreibenden  Gelehrten  beibehalten  worden,  und  er  läfst 
sich  quellenmäfsig  auf  für  spätere  Zeiten  noch  belogen.  In  anderen 
Fällen  wurden  auch  vielfach  die  Stammesnamen  zur  Bezeichnung  der 
Gesamtheit  herangezogen,  anfangs  besonders  der  Name  der  Franken, 
deren  politische  Stellung  die  Verallgemeinerung  zu  rechtfertigen  schien ; 
dann  aber  erscheint  auch  der  Sachseuname  als  Volksname  im  weiteren 
Sinne,  desgl.  jener  der  Alainannen,  und  entsprechend  wurde  auch 
der  Landesname  gefafst.  Erst  seit  der  Mitte  des  IX.  Jh.  tritt  eine  neue 
Bezeichnung  für  die  Gesamtheit  des  deutschen  Volkes  auf,  die  sich  zu- 
erst in  Italien  nachweisen  läfst:  Theodiscits,  Teutiseiis,  Teutonias.  Die 
ursprüngliche  Form  lautet  theodisk.  abgeleitet  von  theod  —  Volk;  theodisk 
bedeutet  also  volkstümlich;  von  ihr  sind  die  genannten  lateinischen 
Formen  hergenommen.  Teutonicus  ist  dann  im  Anschlufs  an  Formen 
wie  Taitiscus  gebildet  worden;  wir  haben  es  liier  nur  mit  einer  Um- 
formung zu  tun,  bei  der  die  Reminiszenz  an  die  alten  Teutonen,  die, 
wie  wir  jetzt  wissen,  gar  nicht  einmal  Germanen  gewesen  sind,  mit- 
gewirkt haben  mag. 

Eine  merkwürdige  Tatsache  tritt  jedoch  bei  der  erstmaligen  Ver- 
wendung des  Adjektivs  theodheus  in  der  Karolingerzeit  hervor,  da  man 
es  anfangs  ausschliefslich  zur  Bezeichnung  der  Volkssprache  verwendete, 
die  Träger  dieser  Sprache  aber  noch  nicht  so  nannte.  Man  rodete  wohl 
von  der  deutschen  Sprache,  aber  noch  nicht  von  den  Deutschen 
als  einem  besonderen  Volke.  Während  die  adjektivische  Form  seit  dem 
Jahre  786  nachweisbar  ist,  beobachtet  man  das  Substantiv  erst  seit  dem 
Jahre  H45  und  zwar  zunächst  in  Italien.  Der  in  der  Sprache  zum  Aus- 
druck kommende  nationale  Gegensatz  hat  die  Übertragung  des  Adjektivs 
auf  das  Volk  wesentlich  gefördert.  Seit  dem  Ende  des  X.  Jh.  findet  sich 
die  Bezeichnung  auch  auf  das  gesamte  Land  übertragen :  terra  Teutonica, 
partes  Teutonicae,  im  XI.  Jh.  zum  erstenmal  auch  Teutonia.  Diese  Be- 
nennungen alle  scheinen  aber  in  den  breiten  Massen  des  Volkes  keines- 
wegs allgemeine  Verwendung  gefunden  zu  haben,  da  das  Eigengefühl 

12* 


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180  IV-  Politische  Geographie  um  <la»  Jahr  1000. 

der  Stämme  noch  ein  zu  mächtig  wirkendes  war.  Indessen  darf  man 
aus  dem  anfänglich  spärlichen  Auftreten  einen  verallgemeinernden  Schlufs 
auf  den  Gebrauch  nur  mit  Vorsicht  ziehen,  denn  nicht  immer  fand  sich 
Veranlassung,  Volk  und  Land  zu  nennen.  Unter  den  in  deutscher 
Sprache  abgefalsten  Schriften  finden  sich  die  Benennungen  zum  ersten- 
mal in  einer  Kaiserchronik  aus  der  Mitte  des  XII.  Jh.,  wo  von  den 
Diutisclien  und  von  JJfttiskland  die  Rode  ist. 

Neben  Teutonia,  welches  in  Deutschland  erst  seit  dem  XII.  Jh. 
häufiger  auftritt,  wiegt  die  Bezeichnung  Alamannia  für  das  ganze  Land 
entschieden  vor;  zuerst  in  Lothringen,  und  unter  den  Staufern  auch  im 
übrigen  Deutschland.  Auch  bei  den  Ausländern,  Franzosen,  Engländern, 
Skandinaviern,  wird  sie  neben  Teutonia  die  gebräuchlichere  Benennung, 
und  sie  hat  sich  bei  den  Völkern  romanischen  Stammes  bis  auf  die 
Gegenwart  erhalten. 

Über  die  Benennungen  des  deutschen  Volkes  und  Landes  vgl.  Waitz, 
Deutsche  Verfassungsgesch.,  2.  Aufl.,  V,  128  ff.  Dümmler-Köpke,  Kaiser 
Otto  d.  Gr.,  1876.  I.  Exkurs  S.  560— 564,  Giesel) recht,  Gesch.  d.  dt.  Kaiser- 
zeit, 1881,1,866.  Dove,  Bemerkungen  zur  Gesch.  des  deutschen  Volksnamens. 
SB.  d.  Münch.  Akad.  1893  (bist.  Kl.),  S.  201—237.  V  igen  er,  Bezeichnungen 
für  Volk  und  Land  der  Deutschen  vom  10.  bis  13.  Jh.,  Heidelberg  1901. 
Schultheifs,  Die  gesch.  Entwickelung  des  geogr.  Begriffes  Deutschland,  im 
Globus  1896,  S.  281  ff. 

Über  die  Form  theodisk.  diutisk  vgl.  Grimm,  Dt.  Grammatik3,  I,  10  ff. 
Gesch.  d.  dt.  Sprache3,  S.  545  ff.  —  Das  älteste  Zeugnis  für  theodisk  als  Bezeich 
nung  der  deutschen  Sprache  findet  sieh  in  dem  Bericht  des  Bisehofs  Georg 
von  Ostia  an  Hadrian  I.  vom  Jahre  786,  wo  es  heilst,  dals  die  t'apitula  vor 
dem  Konzil  tarn  latine  quam  theodisce  vorgelesen  worden  seien.  In  den  Annales 
Laurissenses  zum  Jahre  788  wird  dann  zum  zweitenmal  die  theodisca  lingua  er 
wähnt.  Ebenso  im  Donatkommentar  des  Smaragdus  aus  der  Zeit  zwischen  801 
und  805.  Die  Synode  in  Tours  von  813  empfahl  die  Übersetzung  lateinischer 
Homilien:  ut  easdem  homilias  transferre  studeal  in  rusticam  romanam  linguam  Mi 
theotiscam,  quo  facilius  cuneti  possint  intelligete  quae  dicitntw.  Hier  wird  der  latei 
nischen  Gelehrtensprache  die  deutsche  Volkssprache  gegenübergestellt,  Neben 
anderen  Zeugnissen  weisen  die  Stralsburger  Eide  vom  14.  Februar  842  (bei 
Nithard  III,  5)  auf  die  teudisca  lingua  hin,  in  der  Karl  schwor.  In  den  Annales 
Fuldenses  zum  Jahre  876  wird  zum  erstenmal  eine  theutonica  lingua  erwähnt. 
Ähnlich  heilst  es  bei  Notker  von  St.  Gallen  (Mon.  Sang..  Gesta  Gar.  I,  10): 
theutonica  sive  tcutisca  lingua;  ferner  beim  Mönch  Wolfhard  von  Herrieden 
(Miracula  S.  Waldburgis)  895  :  lingua  diutisca.  Weitere  Zeugnisse  führt  Vigener. 
1.  c.  29  IT.,  mit  grofser  Vollständigkeit  auf.  überall  ist  lüer  nur  von  der  deut- 
schen Sprache  die  Rede.  Im  Prolog  zum  Heliand  (c.  830)  wird  von  dem 
populus  theutisea  loqnens  lingua  gesprochen,  also  bezeichnenderweise  nicht  von 
dem  deutschen  Volk,  sondern  von  dem  Volk,  welches  die  deutsche  Sprache 
spricht.  Der  erst«'  Fall,  wo  mit  theotisk  nicht  nur  die  Sprache,  sondern 
auch  der  Träger  der  Sj »räche  so  bezeichnet  wird,  findet  sich  in  dem  von  Walah- 
fried  Strabo  verfafsten  lihcllus  de  exordiis  et  inerenientis  quarundam  in  observationibu* 
ecclesiasticis  rerum  (840).  Der  Autor  spricht  nämlich  dort  von  den  Wörtern, 
welche  die  Theotisci  den  I^atini  entlehnt  haben.  Hier  erscheint  also  TheotUni 
—  die  Deutschen  als  nomen  proprium.  Allerdings  ist  an  dieser  Stelle  das 
Sprachliche  gerade  sehr  stark  betont,  denn  die  theotisci  sind  für  Walahfrie«! 
diejenigen,  welche  Deutsch  sprechen,  aber  noch  nicht  die  Deutschen  als  Nation 
gefafst.  Als  Teutisci  erscheinen  sie  den  schon  romanisierten  Langobarden  Ober 
italiens  gegenübergestellt  in  der  Urkunde  einer  Gerichtsversammlung  zu  Trient 
von  845  (Muratori  Antiqq.  II,  971),  als  Teutonici  in  einer  Urkunde  von  909;  als 


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70.  Lothringen.  181 

Theutuuici  worden  sie  in  einer  Urkunde  Kaiser  Ottos  von  961,  April  23.,  den 
Sclavi  entgegengesetzt  ;  ähnlieh  in  Ottos  Urk.  von  965,  April  12.:  Teutonias  et 
Srtavanis.  In  allen  diesen  Fällen  tritt  das  Nationale  der  Benennung  schon  in 
den  Vordergrund.  Weitere  Belege  bei  Waitz  V.  132  f.  und  Vigener  27  f.,  39  ff. 
Der  deutsehe  Name  ist  dann  aueh  auf  das  Land  übertragen  worden :  terra 
Teutonia,  Theutonicae  partes  oder  regiones  oder  provinciac,  Teutonia  (in  den  Jahrbb. 
von  Pegau  zuerst);  der  Name  ist  sehliefslieb  auch  auf  das  Reich  übergegangen: 
regmim  Teutonimm  (zuerst  im  XI.  Jh.),  und  auf  den  Herrseher:  rex  Teutonias 
oder  Teutonicorum. 

Wie  die  Stamm esnamen  Fraiu  i,  Saxones  und  verbunden  Franci  et  Saxones, 
ferner  Alamanni  als  Gesamtnamen  der  Nation  unendlich  oft  auftreten,  so  werden 
aueh  Francia,  Saxonia,  Francia  et  Saxonia  und  Alamannia  als  Bezeichnungen  für 
Deutschland  gewählt;  entsprechend  wird  auch  das  Reich  und  der  König  be- 
nannt.   Quellenzitate  bei  Waitz  und  Vigener. 

In  neuerer  Zeit  hat  man  in  der  Schreibung  des  Namens  zwischen  Tcutseh 
und  Deutsch  mehrfach  geschwankt.  Nach  Radlof  (Sprache  der  Germanen, 
S.  119)  sei  die  Schreibung  mit  d  in  Sachsen,  besonders  seit  1774  unter  Gott- 
scheds Kinflufs,  allgemein  geworden.  Hattemer  (Ursprung  des  Wortes  Tcuteeh, 
1847)  wollte  aber  das  t  wieder  einführen.  Indessen  nach  Grimms  Ansicht  sind 
alle  jene  älteren  t  in  unserer  neuhochdeutschen  Sprache  wieder  zu  d  geworden, 
so  wie  es  ehemals  im  .Vithochdeutschen  der  Fall  war. 

70.  Lothringen.  Durch  den  Vortrag  von  Verdun  war  für  Lothar, 
den  ältesten  Sohn  Ludwigs  des  Frommen,  im  W.  des  Rheins  ein  Gebiet  aus- 
geschieden worden,  welches  eines  Sondernamens  entbehrte  und  daher 
von  den  Zeitgenossen  kurz  das  Reich  Lothars  genannt  wurde.  Die 
anfangs  auf  den  ganzen  nördlichen  Abschnitt  bezügliche  Bezeichnung 
wurde  bald  zu  einem  besonderen  Namen  für  das  zwischen  Friesland 
im  N.  und  Burgund  im  S.  eingeschlossene  Gebiet.  Bei  der  Teilung  von 
Mersen  (s.  o.)  kam  es  zum  gröfsten  Teil  an  Ludwig  den  Deutschen  und  879 
fiel  auch  Westlothringen  dem  Ostreiche  zu.  Durch  Reginar  (ca.  911)  zu 
einem  Herzogtum  erhoben,  gehörte  es  zeitweise  dem  französischen  Reiche 
an.  Otto  I.  teilte  es  954  in  zwei  Herzogtümer:  Ober-  und  Nieder- 
lothringen, eine  Teilung,  die  für  die  ganze  spätere  Entwickelung  beider 
Länder  bedeutsam  wurde. 

Es  ist  fraglich,  ob  der  Name  Lothringen  nach  Lothar  I.  oder  dessen 
Sohne  Lothar  Ii.  gegeben  worden.  Nach  Regino  a.  842,  SS.  1.  568.  wäre  das 
erstere  anzunehmen :  regnum  sortitus  est,  quod  ftartemts  ex  ejus  vocabulo  Hlotharii 
nunaijjatur;  ebenso  1,  569  und  Otto  Frising.  Chron.  V,  35.  Doch  erst  855  wird 
im  Gegensatz  zu  den  Nachbarländern  (Friesland,  Elsafs,  Burgund)  Lothringen 
unter  dieser  Bezeichnung  schärfer  umgrenzt,  also  unter  Lothar  IT.;  übrigens 
läfst  Regino  an  anderer  Stelle,  l,  502,  aueh  diese  Annahme  zu.  Cf.  Müller, 
D.  Stämme,  3,  165,  Waitz,  DV.  5,  159;  dagegen  Schwarz,  Bruderkrieg  der  Söhne 
Ludwigs,  S.  103.  ■ —  Neben  Lothtirii  regnum  rinden  sich  auch  schon  Formen  wie 
Lotharia  (Jocundus,  SS.  12,  98)  und  Lotharingia  (Liudprand),  und  die  Bewohner 
heifsen  Hlutharingi,  Lotharienses,  Lotfiaringi,  einmal  aueh  Lotha- Karlenses. 

Auch  der  Name  Ripuaria  tritt  im  weiteren  Sinne  besondere  für  Nieder- 
lothringen auf.  weit  öfter  im  engeren  Sinne  für  die  dem  Rhein  zu  beiden  Seiten 
anliegenden  Striche,  als  ducatus,  pmvinria  und  pagus.  Ledebur  (  Aich.  1,  292  f.), 
hat  irrig  Ripuarien  mit  dem  Gebiet  des  früheren  kölnischen  Bischofssprengeis 
für  identisch  erklärt.  Nach  Eckert z  (Die  Ausdehnung  des  fränk.  Ripuarlandes 
auf  der  linken  Rheinseite,  I'rgr.,  Cöln  1854,  S.  12)  reichte  es  südlich  bis  über 
die  Ahr,  wo  Breisig  der  äufserste  Ort  war.  nördlich  bis  unterhalb  Neufs,  etwa 
bis  Lanck;  südwestlich  und  westlich  lagen  Malmedv.  Aachen,  Grevenbroich, 


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182  IV.  Fotitfache  Geographie  um  das  Jahr  1000. 

Gladbach  und  Krefeld  auf  der  Grenze.  Obwohl  Ripuarien  ein  Teil  Lothringens 
war,  werden  beide  Namen  später  dennoch  als  getrennt  gegenübergestellt  (bei 
Wipo,  c.  1,  2),  cf.  Waitz  5,  157. 

71.  Alamannieu  (Schwaben).  Im  III.  Jh.  hatten  die  Alaiiiannen 
das  nach  ihnen  benannte  Land  eingenommen,  welches  sich  von  den 
Vogesen  bis  zum  Lech,  von  den  Höhen  der  Alpen  bis  zum  mittleren 
Neckar  unterhalb  Cannstatt  erstrockte.  Im  V.  Jh.  waren  sie  auch  in  den 
Besitz  des  Maingebietes  gekommen  und  streckten  schon  die  Hand  nach 
dem  ripuarischen  Franken  aus,  als  Chlodwig  ihrem  Vordringen  496  ein 
Ziel  setzte.  Er  nahm  ihnen  das  Maingebiet  wieder  ab  und  machte  Ala- 
mannien  zu  einem  Teil  der  fränkischen  Monarchie.  Zur  Zeit  des  Nieder- 
ganges der  Karolingerherrschaft  erstand  hier  wieder  das  alte  Volks- 
herzogtum  und  wurde  auch  von  König  Heinrich  I.  anerkannt.  Graf 
Burkhard  warf  sich  917  zum  ersten  Herzoge  auf,  wenn  auch  das  Land 
seit  der  Zeit  der  älteren  Volksherzoge  immer  noch  als  ducatus  bezeichnet 
worden  ist. 

Das  I^and  wird  in  der  älteren  Zeit  allgemein  Alamannia  genannt  ;  neben 
diesem  kommt  dann  der  Name  Suevia,  Schwaben  vor.  Als  das  Herzogtum 
später  an  (he  Staufer  kam,  wurde  der  letztere  der  gebräuchliche,  während  der 
Name  Alamannia  bei  den  romanischen  Völkern  eine  Gesamtbezeichnung  für 
das  Reich  wurde  (s.  vorher).  —  Über  die  Grenzen  des  Landes  sind  wir  genügend 
orientiert.  Im  Westen  bildet  der  Vogesenkamm  den  Abschlufs  nördlich  bis  zu 
den  Quellen  der  Sauer.  Freilich  nahm  das  Elsafs  immer  eine  Sonderstellung 
ein,  die  nach  dem  Siege  Chlodwigs  noch  mehr  verstärkt  wurde.  Die  staufischen 
Herzoge  nannten  sich  im  Titel  nach  Suevia  und  Alsatia.  Erst  bei  den  Chro- 
nisten der  Karolingerzeit  tritt  der  Name  Elsafs  auf,  und  zwar  in  der  Ausdehnung 
nach  S.  über  die  Birs  bis  zum  Jura.  Aber  auch  damals  schon  pflegte  man  die 
Hauptteile  des  Gebietes  Alamannia,  Alsatia  (Helisatia)  und  Curia  (Uaetia), 
einzeln  aufzuführen.  —  Die  Nordgrenze  gegen  Franken  war  komplizierter  und 
weniger  auffällig  durch  natürliche  Grenzen  bestimmt.  Sie  begann  an  der  Mün- 
dung der  Murg  in  den  Rhein;  und  zogMurg  und  Oos  aufwärts  zu  den  Höhen  des 
Schwarzwaldes.  Weitere  Grenzpunkte  sind  das  Kloster  Hirschau  am  Nagold, 
unterhalb  Kalw.  welches  auf  fränkischem  Gebiet  lag,  ferner  Heimsheim,  nord- 
östlich von  jenem  in  confin'to  Franciae  et  Alatnanniae.  Die  Grenze  schnitt 
den  Neckar  unterhalb  Cannstatt,  ging  östlich  weiter  über  den  Murrhardt  zur 
Wasserscheide  der  Rems  und  des  Kocher  (marm  Alamannorum  et  Framorum /, 
dann  durch  den  Virnegrund  nordöstlich  zum  Quellgebiet  der  Wörnitz  (und 
zwar  oberhalb  Hall  an  der  Kocher  und  unterhalb  Ellwangen  an  der  Jaxt).  — 
Die  Ostgrenze  führte  die  Sulz  abwärts  bis  Wassertrüdingen  zur  Wörnitz  und 
dann  den  Lech  aufwärts.  Zum  Alamannenlande  gehörte  auch  noch  Rätien, 
ein  Name,  dem  zuweilen  eine  weitere  Bedeutung  nördlich  bis  zur  Donau  und 
schliefslich  auch  auf  ganz  Schwaben  beigelegt  wird.  Nach  der  vorherrschend 
romanischen  Bevölkerung  (Walchen,  Welschen)  wird  Rätien  im  engeren  Sinne 
(vom  Bodensee  und  Anberg  an  südwärts)  auch  Churwalchen,  pagus  Chur- 
walaha,  Churewala  (schon  im  IX.  Jh.)  genannt,  auch  Raetia  Curiensis  nach  dem 
Hauptorte  Chur.  Es  griff  südlich  über  den  Ilauptalnenkamm  hinaus,  da  noch 
das  Valtelin  (Adda),  das  Mesocco  (Moesa),  Bergcll  (Maira)  und  Puschlav  (süd- 
lich vom  Berninapafs)  zur  Raetia  gehörten.  Nach  \V.  hin  gegen  Burgund  hat 
die  Grenze  geschwankt,  die  untere  Reufs  bildete  im  allgemeinen  die  Grenze 
zwischen  dem  alamannischen  Thurgau  und  dem  burgundischen  Aargau.  Doch 
war  dies  erst  seit  922  der  Fall,  seit  dem  Friedcnsschlufe  zwischen  König  Rudolf 
von  Burgund  und  Herzog  Burkhard  von  Alamannieu.  Vorher  hatte  letzteres 
auch  den  Aargau  noch  mit  umfafst.  Bis  11)32  blieb  die  Reufs  die  Grenze,  als 
Kaiser  Konrad  II.  das  burgundische  Reich  mit  den«  deutsehen  vereinigte  und 


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72.  Franken.    73.  Buiorn.  188 

-einem  Sohn  Heinrich  die  Verwaltung  des  Königreiches  Burgund,  wie  auch 
•Jas  Herzogtum  Alaniannien  übertrug.  —  Vgl.  Müller,  Die  dt.  Stumme  u.  ihre 
Fürsten.  Bd.  IV  (1844).  S.  147  ff.,  160  ff.  Waitz,  DV.  V,  148,  178  (dort  auch 
«lie  Belegstellen).  Baemeister,  Alemannische  Wanderungen,  Stuttg.  1807. 
von  Sehubert,  Die  Unterwerfung  der  Alemannen  unter  die  Franken,  Strafsbg. 
1884.  Birlinger,  Rechtsrheinisches  Alaniannien,  Stuttg.  1890.  K.  Weller, 
Die  Besiedlung  des  Alamannenlandes,  Württembergische  Viertel jahrshefte  für 
Lindesgeschichte  1898,  S.  301  ff. 

72.  Franken.  Dieser  ehemals  auf  die  ganze  fränkische  Monarchio 
im  weitesten  Umfange  bezogene  Name  wurde  späterhin  auf  das  Kern- 
stück des  deutschen  Reiches :  die  untere  Hälfte  der  <  )berrheinischen 
Tiefebene,  das  Main-  und  Neckarland  sowie  das  Lahn-  und  Fulda- 
gebiet bezogen.  Es  lag  also  mitten  inne  zwischen  Lothringen,  Sachsen, 
Thüringen,  Bajuwarien  und  Alaniannien.  Der  Kampf  um  die  Hegemonie 
im  Lande  zwischen  den  Babenbergern  und  Konradin ern  wurde  906  zu 
Gunsten  der  letzteren  entschieden  und  Konrad  I.  (911  König)  zum  Her- 
zog von  Franken  ernannt.  Unter  dessen  Bruder  Eberhard,  der  sich 
gegen  Kaiser  Otto  I.  empörte,  wurde  durch  letzteren  das  Herzogtum 
Franken  aufgehoben  und  das  Land  der  Krone  unmittelbar  unterstellt. 

Der  allgemeiner  gefafste  Begriff  des  Frankenlandes  machte  zuweilen 
auch  ein«'  spezielle  Bezeichnung  für  den  engeren  Begriff  notwendig.  In  dem 
"ben  angegebenen  Umfange  wird  das  Land  als  deutsches  Franken,  Franeia 
Theutonica.  Teutonicorum  Franeia  unterschieden;  —  oder  es  heifst  schlechthin 
Östliches  Franken,  Austria,  Austrasia  Franeia,  orientalis  Franeia.  —  Letztere 
Benennung  hat  aber  zuweilen  auch  einen  beschränkteren  Sinn,  da  das  herzog- 
liehe Gebiet  nochmals  in  ein  westliches  und  östliches  Franken  geschieden 
wurde.  —  Von  den  linksrheinischen  Jiindern  gehörten  zu  Franken  die  Gebiet»* 
von  Mainz,  Worms  und  Soeier,  also  das  Land  von  der  Nahe  bis  zur  Sauer. 
Interhalb  Bingen  bildete  dann  der  Rhein  die  Westgrenze  bis  Remagen.  Von 
hier  verlief  dir  Nordgrenzc  gegen  sächsisches  Gebiet  über  die  Sieg  nach  der 
oberen  Lenne  und  Eder  bis  zur  Zusammenflufsstelle  von  Fulda  und  Weira. 
El  gehörte  somit  das  ganze  Hessenland  zu  Franken.  Weiterhin  wird  die  Weira 
als  Grenze  gegen  Thüringen  verzeichnet;  nach  Lambert  a.  1074:  fluminis  prae- 
iicti  fWerra},  quod  Hassiam  Thuringiamque  dirimit.  Doch  darf  sie  nur  als  un- 
gefähre Grenze  angesehen  werden;  vgl.  unter  Thüringen.  Vom  Inselsbelg  an 
läuft  sie  dann  auf  dem  Kamm  des  Thüringer  Waldes  entlang.  Unsicherer  wird 
die  Grenze  weiter  südlich,  da  sie  bald  über  das  Fichtelgebirge  zur  Wasserscheide 
von  Xaab  und  Rednitz  gezogen  wird  oder  unter  Ausschlufs  der  Gaue  der  Main- 
und  Rednitzwenden  und  des  Folcfeldes  erheblich  westlicher  verlegt  wird.  Die 
•Südgrenze  ist  durch  die  für  Alaniannien  angegebene  Nordgrenze  bestimmt.  — 
Das  fränkische  Land  wurde,  wie  bemerkt,  in  zwei  Hälften  geschieden,  und  zwar 
verlief  die  Teilungslinie  über  den  Spessart  in  NNO.  SSW. -Richtung  von  der 
oberen  Fulda  nach  dem  unteren  Neckar  ungefähr.  Die  östliche  Hälfte  heilst 
gleichfalls  orientalis  Franeia,  auch  Austrifraneia.  später  Osferfraneka,  Ostrofrancia. 
Ks  wurde  auch  Franc  onien  genannt;  doch  scheint  diese  Bezeichnung  erst 
1053  aufzukommen.  Die  westliche  Hälfte,  wcidentalis  Framia.  wird  vereinzelt 
auch  Rheinfranken,  Franeia  Wiinemis  (beim  Geogr.  Raven nas"^  genannt.  In 
späteren  .Jahrhunderten  verlor  sich  aber  der  Frankenname  für  diese  westlichen 
Gebiete  gänzlich  und  hat  sich  nur  für  die  östlichen  erhalten.  Vgl.  Waitz, 
DV.  V,  173  ff.  Stein,  Gesch.  Frankens  (Ostfrankens),  Sehweinfurt  1885,  ent- 
halt wenig  über  unsere  Frage. 

73.  Baiern.  Die  Ausdehnung  des  Landes  war  eine  häutig  wech- 
selnde, da  ausgedehnte  Gebietsteile  im  8.  bald  ihm  zugeschlagen  wurden, 


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184  IV.  Politische  Geographie  um  ilan  Jahr  1000. 

bald  nicht.  Karantanieu  und  die  Mark  Friaul  sind  mehrmals  Bastandteile 
des  bairischen  Herzogtums  gewesen,  waren  aber  um  das  Jahr  1000  von 
ihm  getrennt.  Sehr  viel  enger  waren  dagegen  die  Beziehungen  zur  Mark 
Österreich  (s.  u.)  stets  gewesen,  die  auch  noch  bis  zum  Jahre  1156  sich 
verfolgen  lassen;  desgl.  diejenigen  der  Steiermark.  Der  Nordgau  (nörd- 
lich der  Donau)  wurde  auch  stets  als  Teil  des  Baiernlandes  angesehen, 
wenn  er  auch  zeitweilig  aus  der  engeren  politischen  Zugehörigkeit  gelöst 
worden  war. 

Der  Name  des  Landes  erseheint  in  verschiedenen  Varianten:  Baioaria, 
Baiitaria,  Beguaria,  Bavaria,  Pagitaria,  Pajoaria,  Peiyirolant.  In  früherer  Zeit 
wurde  auch  der  alte  Landesnaine  Noricum  noch  ganz  allgemein  verwendet; 
Brief  an  Papst  Johann  IX.:  Xoricam  (!).  qme  et  Bavaria  voca'tur.  Mit  Rücksicht 
auf  das  zu  neiden  Seiten  der  Donau  gelegene  Land  wird  es  auch  Ufernoricum, 
Noricum  ripense,  genannt;  doch  scheint  dieser  Name  mehr  auf  den  östlichen  Teil 
Baierns  sieh  beschränkt  zu  haben.  Passio  S.  Quirini  martyr.,  im  Arch.  f.  Osten-. 
Gesch.,  III,  331:  in  orientali  Bavaria,  quae  Noricum  ripetise  vocatur.  Ferner  Eugipp. 
v.  Sever.,  c.  11.  Weitere  Zitate  bei  Waitz,  DV.,  V,  181  f.  Das  herzogliche 
Gebiet  wird  als  ditaitus,  provincia,  dominatio  und  herseepte  aufgeführt,  Die  alte 
angestammte  Grenze  war  im  S.  der  Nonsberg  gewesen;  auch  Bozen  wird  bei 
Ott*»  von  Freising  als  bairische  Grenzstadt  bezeichnet.  Wie  im  O.  die  Enns, 
so  wurde  im  W.  < ler  Lech  als  Abseid ufs  Baierns  angeschen  gegen  Alamannien ; 
Ann.  Einh.  a.  7S7.  Im  O.  lag  Admont  in  montana  Batvariae  juxta  Anemm  fiuvium 
(Waitz  1.  e.  .  Im  NO.  bildete  der  Böhmerwald,  damals  Nortwalt  genannt,  die 
Grenze  gegen  Böhmen.  Fraglicher  ist  die  nördliche  Grenze.  Gegen  Thüringen 
seheint  sie  der  Thüringer  Wald  und  teilweise  die  Weira  gewesen  zu  sein.  Ob 
alter  der  Ratenzgau  mit  zu  Baiern  gehört  hat,  wird  von  Waitz  bezweifelt.  — 
Vgl.  Riezler,  Gesch.  Baierns,  I,  733,  744,  746. 

Der  Nordgau.  dem  Markgrafen  vorgesetzt  waren,  umfafste  den  gröfston 
Teil  des  nördlich  der  Donau  belegenen  Landes  und  begriff  einen  ungewöhnlich 
grofsen  Amtsbezirk.  Die  Ausdehnung  und  Einteilung  des  Nordgaues  behandelt 
ausführlich  Schottmüller,  Die  Entstehung  des  Staininherzogtums  Baiern, 
Berlin  18G*.  S.  57  ff. 

74.  Markgrafschaft  Ostarrichi.  Nach  Niederwerfung  der  Avaren- 
macht (804)  kommt  es  im  SO.  des  Reiches  zur  Gründung  zweier  Mark- 
gebiete :  Friaul  und  Osterreich.  Der  Sturz  der  Langobardenherrschaft 
und  des  Friauler  Herzogs  Hrodgaud  hatte  erst  die  Gründung  der  Mark 
Friaul  ermöglicht.  Sie  umfafste  die  Gebiete  Kärntens  und  Steiermarks 
jenseits  des  Drauflusses ,  Krain .  Istrien ,  das  kroatische  Küstenland 
(Liburnien)  und  das  eigentliche  Friaul.  Das  Vordringen  der  Bulgaren 
und  die  Unfähigkeit  des  Markgrafen  Balderich  führten  im  Jahre  828 
zu  einer  Teilung  ganz  Friauls  in  vier  einzeihe  Grafschaften.  Über 
Umfang.  Grenzen  und  Namen  der  vier  Grafschaften  sind  wir  nicht  unter- 
richtet. Jedoch  wurde  Kärnten  und  Pannonien  vom  eigentlichen  Friaul 
getrennt  und  zu  Baiern  geschlagen. 

Für  die  andere  Mark  ist  uns  ein  besonderer  Name  nicht  übermittelt; 
sie  wird  als  die  Mark  im  Ostlande  oder  kurz  Ostmark  bezeichnet,  zuweilen 
auch  Pannonien  genannt.  Die  Grenze  bildeten  im  S.  und  N.  in  unbe- 
stimmter Weise  breite  Waldgürtel.  Im  W.  war  es  die  Enns  gegen  den 
bairischen  Traungau  südlich  der  Donau,  während  sie  nördlich  von  ihr 
ein  Stück  weiter  westlich  verlief.  Im  O.  ging  die  Grenze  auf  dem  Höhen- 
rücken des  Wiener  Waldes  entlang. 


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75.  Karantanien.  18") 

Das  Erscheinen  der  Magyaren,  ihr  Vorstois  der  Donau  entlang 
nach  vorheriger  Vernichtung  des  grofsrnährisehen  Reiches  und  ihr 
grofser  Sieg  (IM)?)  über  den  bairischen  Heerbann  brachte  auch  die  Ost- 
mark bis  zur  Enns  in  ihre  Gewalt.  Nur  in  dem  schwerer  zugänglichen 
Alpenlande  erhielten  sich  deutsche  Ansiedelungen.  Die  Knrolingische 
Ostmark  war  damals  aufgelöst,  und  erst  in  der  Zeit  Kaiser  Ottos  I  begann 
deutsches  Wesen  sich  mehr  in  jenem  Teile  des  Donaulandes  wieder  aus- 
zubreiten, besonders  als  die  Schlacht  auf  dem  Lechfelde  die  Magyaren- 
macht gebrochen  hatte  (955).  Es  entstand  die  neue  Ottonische  Ost- 
mark des  bairischen  Herzogtums.  Nach  Beseitigung  des  Baiernherzogs 
Heinrich  II.  wird  in  der  Ostmark  Luitpold  als  Markgraf  eingesetzt,  der 
am  21.  Juli  97t>  zum  erstenmal  als  solcher  erscheint.  Er  gehörte  angeblich 
den  ostfränkischen  Babenbergern,  vermutlich  aber  einem  schwäbischen 
Geschlechte  an. 

Die  neue  von  Kaiser  Otto  begründete  Ostmark  wurde  vom  Volke  kurz 
Ostarrichi  genannt;  urkundlich  erscheint  der  Name  zuerst  066:  fn  regione 
vulgari  nuabulo  Osbirrichi  diclo.  Ihre  Begrenzung  hat  lange  Zeit  gesehwankt, 
besonders  im  N.  war  sie  ungewifs.  Gegen  O.  hin  war  sie  über  die  uralte 
Gebirgsgrenze  von  Noricum  und  Pannonien  hinausgewachsen.  Unter  Konrad  II. 
tritt  vorübergehend  eine  Uückwärtsverlegung  der  bis  zur  Leitha  vorgeschobenen 
Ostgrenze  ein;  doch  unter  Kaiser  Heinrich  III.  wird  das  verloren  gegangene 
Gebiet  zwischen  Fischa  und  Leitha  wieder  zurückerworben  und  als  Vormark 
zunächst  unter  besondere  Markgrafen  gestellt.  Jedenfalls  bildeten  damals 
Leitha  und  March  die  Ostgrenze  der  Mark.  l'rk.  Heinrichs  III.,  Mon.  Boica 
XXIX,  1,  p.  104:  ttitius  tet/ionis  in  finibus  Vngarorum  gladiu  ab  hostibns  adqirisitae 
.  .  .  ex  una  parte  Danubii  inter  Fiscaha  et  Litacha  ex  altera  antem  inier  Strachtin 
(Tracht  a.  d.  Thaya)  et  oatia  Fiseaha  wque  in  Maraha. 

Dümmler,  Die  südöstlichen  Marken  des  fränk.  Reiches  unter  den  Karo- 
lingern (795—907),  Arch.  f.  österr.  Gesch.,  X,  1—86.  Büdinger,  Gesch.  Öster- 
reichs, Lpz.  1858,  I,  159  ff.  Krones,  Handb.  d.  Gesch.  Österr.,  Berl.  1876,  I, 
807  ff.,  297  IT.  Huber,  ( Jcsch.  Österreichs,  Gotha  1885,  I.  47  ff.,  174  ff.  Kaemmel, 
Die  Anfänge  deutschen  Lebens  in  ( )sterr.,  Lpz.  1879.  M.  Mayer,  Gesch.  Österr. 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  das  Kulturleben,  2.  Aufl.,  Wien  1900.  Weitere 
Literatur  über  die  Topographie  der  Ostmark  bei  Krones,  Grundrifs  d.  österr. 
Gesch.,  Wien  1882,  S.  198. 

75.  Karantanien.  Für  den  Anfang  des  IX.  Jh.  ist  man  über  die 
Grenzen  Karantaniens  noch  wenig  unterrichtet.  Jedenfalls  dehnte  sich 
dieses  Land  weit  über  das  heutige  Kärnten  aus,  welches  nur  ein  schmales 
Stück  des  oberen  Draugebietes  nach  beiden  Seiten  bis  zur  Wasserscheide 
umfafst.  Aufser  Kärnten  begriff  es  noch  Steiermark  und  Krain. 
Karantanien  war  meist  nur  ein  Nebenland  von  Baiern  gewesen  und 
wurde  auch  von  Regeiisburg  aus  durch  bairische  Grenzgrafen  verwaltet, 
wie  überhaupt  die  südöstlichen  Alpenländer  als  Glieder  des  Stammherzog- 
tums Baiern  angesehen  wurden.  Herzog  Arnulf  vermochte  sich  gegen 
Konrad  I.  und  Heinrich  I.  in  seinem  Baiernlande  zu  behaupten,  und 
sein  Bruder  Bertold  verwaltete  als  Herzog  Karantanien.  Infolge  der 
Unbotmälsigkeit  Herzog  Heinrichs  II.  wurde  97*5  Karantanien  von  Baiern 
wieder  getrennt.  Seit  952  waren  auch  die  Südmarken  Aquileja  (Friaul 
im  engeren  Sinne)  und  Verona  zu  Baiern  gefügt  worden  und  zunächst 


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186  IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1000. 

noch  im  Verbände  mit  Kärnten  verblieben.  Seit  dem  X.  Jh.  lösten 
sich  von  den  Grenzgebieten  Kärntens  einzelne  Landschaften  los,  die 
unter  eigene  Markgrafen  gestellt  eine  gewisse  Selbständigkeit  gegenüber 
dem  Herzoge  behaupteten.  Aus  einem  solchen  Markgebiet  ist  auch 
das  spätere  Herzogtum  Steiermark  erwachsen. 

Seit  dem  Jahre  973  wird  auch  eine  Grafschaft  Krain  genannt, 
die  dem  Grafen  Popo  unter  dem  Baiernherzog  Heinrich  unterstellt  war 
und  in  jener  Urkunde  Ottos  II.  auch  als  marcha  bezeichnet  wird,  jedoch 
keine  eigentliche  Markgrafschaft  bildete.  Entstanden  war  die  Grafschaft 
auf  karantanischem  Gebiet,  sie  umfafste  aber  nur  Oberkrain,  während 
das  krainische  Karstgebiet  zur  Mark  Istrien  gehörte  und  das  krainische 
Unterland  die  »Windische  Mark«  im  engeren  Sinne  bildete. 

Kärnten  (Carantania,  Carantanum,  Carinthia,  Charintirichi),  umfafste  »las 
Drautal  (Pustertal)  und  reichte  nach  N.  bis  in  das  Ennsgebict  hinüber;  die 
Nordgrenze  verlief  etwa  vom  Dachstein  bis  zum  Göllerberg  in  Niederösterreich, 
die  Südgrenze  bildeten  wohl  die  Karawanken,  und  sie  griff  weiter  östlich  bis 
über  die  Save  nach  S.  hinaus.  Nach  0.  hin  war  sie  schwankender;  das  obere 
IiCithatal  gehörte  noch  dazu;  unterhall»  Marburg  ging  die  Grenze  über  die  Drau. 
Felicetti  von  Liebenfels,  Steiermark  im  VIII. — XII.  Jh.,  Beiträge  z.  Kunde 
steirischer  Gcsehichtsquellen ,  Bd.  5,  9,  10.  Hauser,  Kärntens  Kamlingerzeit 
von  Karl  d.  Gr.  bis  Heinrich  I.,  Klagenfurt  1894,  S.  19. 

Krain.  Die  krainischen  Slaven  (Carniolenses)  werden  von  den  Karan- 
tanern  unterschieden  (Einh.,  Ann.  a.  820).  Den  Namen  der  Grafschaft  enthält 
dann  die  Urk.  Ottos  IL,  30.  Juni  973,  worin  dieser  »lern  Bistum  Freising  einen 
Güterkomplex  schenkt  und  zwar  in  ducatu  praefati  ducis  et  in  eomifaht  Popvnix 
cnmitvt,  qitod  Camiola  vocatnr  et  qitod  rulgo  Creina  marcha  appellatnr.  Wann  sie 
errichtet  ist  ,  ist  unbekannt  Als  Carneola  wird  sie  bereits  beim  Geographus 
Ravcnnas  genannt:  ed.  Finder  et  Parthev  IV,  21.  Ferner  bei  Paulus  Diaconus 
V,  52:  Camiola,  Sclavorum  patria.  Der  Name  Krain  wird  nicht  für  slavisch, 
sondern  für  kelto-römisch  gehalten  und  für  eine  Diminutivform  von  Carantania 
erklärt.  —  S.  Näheres  bei  A.  Meli,  Die  historische  und  territoriale  Entwicke- 
ln]^ Krains  vom  X.  bis  ins  XIII.  Jh.,  Graz  1888,  S.  8  ff.,  39  ff.  Kitzinger, 
I).  Kosmographie  des  Anonymus  von  Raven  na  u.  d.  Geogr.  des  Guido  in  ihrer 
Bedeutung  auf  Krain,  Mitt.  bist.  Ver.  f.  K.,  18*12  8.  90  ff.  Krones.  Grundrifs, 
S.  206,  211. 

76.  Fricsland.  Die  in  damaliger  Zeit  noch  anders  gestaltete  Küsten- 
linie  vom  Sincfal  bis  zur  Wesermündung  mit  dem  wasserreichen  Hinter- 
lande umfafste  Friesland.  Im  Laufe  eines  Jahrhunderts  (089—785)  waren 
die  drei  Teile  des  Landes  durch  Pippin,  Karl  Martell  und  Karl  den 
Grolsen  dauernd  dem  fränkischen  Reiche  einverleibt  worden. 

Über  öiie  Grenzen  von  Frusia,  bei  den  Annalisten  häutiger  Frexia,  Bind 
wir  durch  die  lex  Frisionum  :  M(I.  Lb.  III)  unterrichtet.  Im  SW.  gegen  Flandern 
ist  es  der  Sincfal.  später  Zwin  genannt  (cf.  S.  167),  im  NO.  die  untere  Weser. 
Weniger  bestimmt  sind  die  Binnengrenzen,  die  sieh  zum  Teil  aus  jenen  Loth- 
ringens und  Sachsens  ergehen;  indessen  wurden  einzelne  Gaue,  wie  Fulnaho, 
Thrianta  (Drente),  zu  Friesland  gezogen,  die  von  vornherein  unfriesisch  waren. 
Nach  der  lex  Frisionum  wurde  das  Land  durch  das  Fli  und  den  Laubach  in 
drei  Teile  geteilt.  Man  unterschied  Friesland  zwischen  Sincfal  und  Fli  (Ver- 
bindung der  Zuiderzec  mit  dem  Meere),  ferner  Friesland  zwischen  Fli  und 
Laubach  (Liuwerzee),  d.  i.  die  holländische  Provinz  Friesland  und  Friesland 
zwischen  Laubaeh  und  Weser.  Diese  Dreigliederung  erwähnt  auch  die  Teilung 
von  870  zu  Meisen  zwischen  Karl  dem  Kahlen  und  Ludwig  dem  Deutschen. 


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77.  Sachsen.    78.  Thüringen.  187 

Hincmari  annal.,  88.  I,  489 :  Hludotcicus  accepit .  .  de  Frisia  duas  partes.  Carolas 
accepit .  .  de  Frisia  tertiam  jnirtem.  —  Der  westliche  Abschnitt  (Sinefal-Fli)  bil- 
dete Westfriesland,  occüleutales  Frisiones.  in  der  Addit.  zur  lex  3,  c.  58  und  73) ; 
in  den  Annal.  Egmundani  a.  1203  wird  folgerichtig  das  Land  östlich  vom  Fli 
als  orientalis  Fresia  zusamtnengefafst.  Für  das  Land  westlich  vom  Fli  findet 
sich  auch  die  Benennung  Westßinge  und  }\'esttingi  (cf.  von  Richthofen,  Unters. 
II,  96).  Hei  Beda  (ed.  Stevenson  I,  p.  353)  heifst  es  auch :  citerior  Fresia.  In 
späterer  Zeit  hatten  West-  und  Ostfriesland  eine  andere  Bedeutung. 

Das  westliche  Friesland  bis  zum  Fli  war  689  durch  Pippin  von  Heristal 
erobert  worden  durch  den  Sieg  bei  Wijk  bij  Duursteede  über  Redbad  (Radbod). 
Karl  Martell  gewann  dann  734  den  Teil  zwischen  Fli  und  Lauwers  durch  den 
Sieg  an  der  Bordena  über  König  Poppo  hinzu,  und  785  gelang  es  Karl  d.  Gr., 
auch  den  Teil  bis  zur  Weser  zu  bezwingen.  K.  von  Richthofen,  Unter- 
suchungen über  fries.  Rechtsgesch.  T.  U  (1882),  S.  54  ff.,  95  ff.,  102  ff.,  351,  357, 
392  ff.  Blok,  Friesland  im  Mittelalter,  Leer  1891.  S.  12.  Ph.  Heck,  Die  alt- 
friesische Gerichtsverfassung,  Weimar  1894. 

77.  Sachsen  umfalste  das  ganze  Gebiet  von  der  Elbe  und  Saale 
bis  westlich  in  die  Nähe  des  Rheins.  Zwischen  Weser-  und  Elberuün- 
dung  reichte  es  an  das  Meer;  auch  die  jenseits  der  unteren  Elbe  in 
Holstein  liegende  transalbingische  Provinz  bis  zur  Eider  gehörte  hierzu. 
Die  im  VI.  Jh.  erfolgte  Niederwerfung  des  Thüringerreiches  brachte  dem 
Sachsenlande  noch  das  sog.  Nordthüringen  südlich  bis  zur  Unstrut  ein. 

Die  unter  den  Liudolfingern  begründete  Herzogsgewalt  wurde  9(51 

durch  Otto  den  Grofsen  auf  Hermann  Billung  übertragen. 

Die  Grenzen  des  Landes  im  allgemeinen  gibt  die  Translat.  8.  Alexandri, 
c.  1  (SS.  U)  und  nach  dieser  Adam  I,  5  (nicht  nach  Einhard,  wie  er  irrig  be- 
merkt). Franken,  Thüringer,  Obodriten,  Nordmannen  und  Friesen  werden  als 
Grenzvölker  genannt.  Nach  den  Ann.  Quedl.  (88.  III,  31)  war  nach  der  Be- 
siegung der  Thüringer  bei  Scheidungen  den  Sachsen  das  Land  nsque  ad  con- 
fiuentiam  Salae  et  Vnstrudae  fluviomm  zugesprochen  worden,  excepta  (terra)  quam 
Louvia  et  Haertz  silvae  eoncludunt.  Vom  Harz  blieb  der  südwestliche  Teil  bei 
Thüringen.  Nach  Vit.  Liutbirg.,  c.  2:  saltus  Harz,  qui  dividit  Saxoniam  et  Htu- 
ringiam.  Hierzu  cf.  (nach  Waitz  5,  171)  Z.  d.  Harzver.  III,  412  u.  370.  Als 
genauerer  Grenzpunkt  wird  uns  aufser  der  Pfalz  Botfeld  im  Harz  und  Memm- 
leben  (jetzt  Dorf  a.  d.  Unstrut)  noch  der  sog.  Sachsen  graben  bei  Wallhausen 
in  der  Goldenen  Aue  angegeben.  Uber  diesen  Waitz  5,  171  A.,  Gröfsler,  Z.  d. 
Harzver.  6,  273.  Die  fovea,  quae  est  jitxta  Valehusun,  nennt  auch  Thietmar  II,  14. 
—  Lisgo  und  Lagni  werden  uns  als  sächsische  Gaue  genannt,  ebenso  der  nördliche 
Teil  des  Hessengaues,  so  dafs  der  Zusammenfluß!  von  Werra  und  Fulda  einen 
weiteren  Grenzpunkt  abgibt.  Die  Grenze  gegen  Niederlothringen  hält  sich  in 
einiger  Entfernung  vom  Rhein;  s.  hierüber  oben  8.  178.  Gegen  Friesland  sind 
die  damals  noch  anders  gestalteten  Wesermündungen  die  Grenze  und  der  Sumpf 
Waplinga  (Sehol.  Adam  1,  13),  unter  welchem  man  das  heutige  Flüfschen 
Wapel  vermutet,  ein  NebenHufs  der  Jade,  die  selbst  ein  Weserarm  war. 
Ebenda  (Sehol.)  wird  der  Sumpf  Emisgoe  als  Grenze  angesetzt  und  (Adam  1,  2) 
die  Ems  selbst  als  sächsisc  her  Flufs  bezeichnet,  der  »die  Westfalen  von  den 
übrigen  Völkern  jener  Provinz  trennt«.  Doch  reichte  der  sächsische  Gau  Agre- 
dingo  noch  ein  beträchtliches  über  die  Ems  nach  W.  hinaus. 

78.  Thüringen.  Das  altthüringische  Königreich  war;">3l  von  Franken 
und  Sachsen  zertrümmert  worden.  Es  erstreckte  sich  vorher  von  der 
mittleren  Elbe  über  das  heutige  Thüringen  bis  zum  oberen  Main.  Seit 
jenem  Jahre  aber  wurde  das  nordthüringische  Gebiet  bis  südlich  zur 
Unstrut  zum  Sachsenlande  geschlagen  (s.  o.).    Als  eine  Erinnerung  an 


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ISS  IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1000. 

die  ehemalige  Ausdehnung  lebte  noch  der  Name  des  Xortthuringowe 
(von  der  oberen  Aller  bis  zur  Elbe  in  der  Magdeburger  Gegend  und 
südlich  zur  Bode  reichend)  längere  Zeit  fort.  Dagegen  hiefs  das  Land 
südlich  der  Unstrut  bis  zum  Thüringer  Walde  auch  späterhin  immer  noch 
Thüringen.  Ein  Stammesherzogtum  konnte  sich  in  ihm  nicht  entwickeln; 
vielmehr  wurde  das  Land  militärpolitisch  als  Markgebiet  gegen  die 
Böhmen  und  Sorben  verwendet.  Aus  der  thüringischen  Mark  entstanden 
dann  im  X.  Jh.  die  Marken  Merseburg,  Zeitz  und  Meifson,  die  anfangs 
noch  in  engerer  Fühlung  mit  jener  blieben.  Ekhard  von  Meifsen  wird 
zeitweise  auch  als  Herzog  von  Thüringen  bezeichnet.  Mit  der  Erhebung 
der  Wettiner  zu  Markgrafen  von  Meifsen  sind  die  ehemaligen  Beziehungen 
aber  gänzlich  gelöst. 

über  die  Ausdehnung  des  alten  Königreiches  vgl.  von  Ledebur,  Nord- 
thüringen  und  die  Hermunduren  oder  Thüringer,  Berlin  1852.  Er  rechnet 
ihm  den  ganzen  Halberstädter  Kirchensprengel  noch  zu  und  dehnt  es  über  Thü- 
ringen und  den  Thüringer  Wald  nach  Süden  aus.  —  Besser  sind  wir  über  die 
Ausdehnung  des  späteren  Thüringens  unterrichtet.  Nach  N.  zu  grenzte  es  an 
Sachsen;  s  die  ( Irenzbestimmungen  hierfür  weiter  oben.  Im  S.  bildete  der 
Thüringer  Wald  die  Scheide  gegen  Franken ;  Bruno,  c.  103:  ad  silvam,  quac  Thu- 
riityos  separavit  a  Frauria.  Vom  Ingelsberg  an  verläuft  sie  dann  nach  Breitungen 
an  die  Werra.  Der  Kenn  steig  auf  der  Kammlinie  des  Gebirges  ist  ja  oft 
als  alte  Volk»-.  Gau-  und  Sprachgrenze  bezeichnet  worden,  während  andere  in 
ihm  eine  Strafse  oder  wenigstens  einen  Grenzweg  erkennen  wollen.  Wie  man  über 
den  Verlauf  des  Kennsteiges  oder  -stieges  nicht  ganz  im  klaren  ist,  so  auch 
nicht  über  die  Zeit  seiner  Herstellung.  Sehr  umfassend  ist  die  Literatur  über 
ihn.  Ziegler,  Der  Kennsteig  des  Thür.  Waldes,  Dresden  1862.  Brückner, 
Der  Kennstieg  in  seiner  bist,  Bedeutung,  Meiningen  18G7.  Trinius,  Der  Kenn- 
steig, Berlin  189<>.  Kofsner,  Der  Kennsteig  d.  Thür.  Waldes,  Naumburg  1892. 
B  üb  ring  und  Hertel.  Der  Kennsteig  des  Thür.  Waldes,  Jena  1896.  Die 
älteste  Beschreibung  des  Rennsteiges  vom  Jahre  1703  ist  Christ.  Junckers  »Be- 
schreibung des  Kennsteigs  ,  hergb.  von  P.  Mitzsehke,  Ver.  f.  meining.  Gesch., 
Heft  10  (Meiningen  1891).  Als  Ostgrenze  galt  immer  die  Saale,  weiche  die 
Thüringer  von  den  Sorben  trennt.  Einh.  vita  Car.,  c.  15.  Poeta  Saxo  II,  v.  34. 
Im  W.  bildete  dagegen  nicht  die  Werra  die  Grenze;  diese  zog  vielmehr  erheb- 
lieh westlieh  von  ihr  durch  heute  hessische  Gebiete.  Die  Gaue  Eichsfeld  und 
Wesergowe  gehörten  noch  ganz  zu  Thüringen.  Vgl.  Kegel,  Thüringen,  ein 
Handlaich,  18V<2.  I,  7  — 15.  Dobenecker,  Ursprung  und  Bedeutung  der 
thüringischen  Landgrafschaft,  Z.  d.  Ver.  f.  thür.  Gesch.  XV,  299  ff. 

7».  Slavenländer  zwischen  Elbe  und  Oder.    Um  das  Jahr  1000 

w  aren  diese  Ländergebiete  wieder  ganz  in  den  Händen  slavischer  Fürsten, 
nachdem  die  ersten  sächsischen  Kaiser  schon  manchen  Erfolg  zu  ver- 
zeichnen und  den  Grund  zu  einer  anscheinend  gesicherten  und  dauern- 
den Oberherrschaft  gelegt  hatten.  Zuerst  war  es  Heinrich  I.,  der  durch 
Besiegung  der  Heveller  und  Eroberung  ihrer  Hauptstadt  Brannibor  mit 
seiner  Macht  über  die  Elbe  hinausgrifT  (928)  und  die  Nordmark  gründete. 
Ebenso  hatte  er  nach  Zerstörung  der  Festung  Gana  die  Daleminzier 
bezwungen  und  in  der  Burg  Meifsen  einen  Stützpunkt  seiner  Macht 
angelegt  (929),  Dasselbe  Schicksal  traf  die  Sorben,  in  deren  Lande  die 
Ostmark  begründet  wurde.  Otto  I.  setzte  das  Werk  des  Vaters  fort 
und  suchte  durch  Einführung  des  Christentums  und  Begründung  der 
Bistümer  Ilavelberg  und  Brandenburg  sowie  des  Erzstiftes  Magdeburg 


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79.  ßlftvenlttüder  zwischen  Elbe  und  Oder. 


die  neuerworbenen  Länder  enger  an  das  Reich  zu  ketten.  Das  weite 
Gebiet  war  in  zwei  Marken  geteilt  worden;  die  nördliche  Mark  im  Lande 
der  Dänen,  Wagrier  und  Obotriten  stand  unter  Hermann  Billung,  die 
südliche  im  Lande  der  Wilzen  und  Sorben  unter  Gero ,  die  beide  hier 
als  Markgrafen  (marchiones)  walteten.  Nach  dem  Tode  Geros  (965) 
wurde  seine  Mark  unter  drei,  später  fünf  Grafen  geteilt;  sie  zerfiel 
in  die  Nordmark,  Ostmark,  Meifsen,  Merseburg  und  Zeitz.  Der  allge- 
meine Slavenaufstand  im  Jahre  983  hat  die  ersten  Kolonisationsbestre- 
bungen wieder  zunichte  gemacht. 

Die  gesamten  Slavenländer  östlich  der  Elbe  werden  von  Adam  von 
Bremen  mehrmals  Selavania  genannt;  II,  18:  »Sclavanien  soll  zehnmal  so 
grofs  sein  als  unser  Sachsen,  zumal  wenn  man  Böhmen  und  die  jenseits  der 
Oder  wohnenden  Polanen,  die  sich  weder  im  Äufsern ,  noch  in  der  Sprache 
von  jenen  unterscheiden,  mit  zu  Sclavanien  rechnet  .  .  .  Die  Breite  des  Landes 
reicht  von  Süden  nach  Norden,  d.  h.  vom  Elbeflufs  bis  zum  Skythischen  Meere. 
Die  Länge  aber  scheint  derart  zu  sein,  dafs  sie  von  unserem  Hamburger 
Sprengel  ihren  Anfang  nimmt  und  dann,  durch  unbegrenzte  Räume  erweitert, 
bis  nach  Baiern,  Ungarn  und  Griechenland  reicht.«  Helmold  I,  88  nennt  es 
Slavia. 

Die  Nord  mark  umfafste  das  Gebiet  der  Wilzen  von  der  Elbe  bis  zur 
Oder  und  von  der  Eide  und  Peene  im  Norden  bis  über  die  Havel  und  untere 
Spree  nach  Süden.  Es  gehörten  zu  ihr  aber  noch  einige  linkselbische,  also 
sächsische  Gaue:  das  Balsamer  Land  (Gau  Belesem,  Belxem),  der  Gau  Oster- 
walde  und  ein  Teil  vom  Nortthuringowe.  Nach  dem  Verlust  der  reehtselbischen 
Länder  983  wurde  der  Begriff  Nordmark  zunächst  ganz  auf  diese  drei  Gaue 
beschränkt,  die  auch  späterhin  als  sog.  Altmark  in  Verbindung  untereinander 
blieben.  Dieser  Teil  hiefs  nach  dem  Sitz  der  Markgrafen  auch  die  Mark 
Solt wedel  (Salzwedel)  oder  Nord. Sachsen.  Zur  Zeit  Heinrichs  I.  war  der 
Name  Marca  für  das  neueroberte  Gebiet  noch  nicht  in  Anwendung.  Er  findet 
sich  erst  in  Urkunden  Ottos  I.  als  Marca  Geroms.  Der  Name  Mark  ist  dann 
bei  Brandenburg  verblieben.  Vgl.  Bekmann,  Iiistor.  Beschreibung  der  Chur- 
und  Mark  Brandenburg,  Berlin  1751,  I,  10.  Usinger,  Das  deutsche  Staats- 
gebiet bis  gegen  Ende  des  XL  Jh.,  in  Histor.  Z.  1872,  S.  420.  Beim  Annal. 
Saxo  und  Annal.  Magdebg.  zum  Jahre  1130  wird  von  der  Marca  septentrionalis 
gesprochen.  «  i 

Gegen  das  Sorbenland  war  an  der  deutschen  Reichsgrenze  die  thü- 
ringische Mark  errichtet  worden,  Marcae  Orientalen,  die  den  Limes  sorabicus 
bildeten.  Hinsichtlich  der  Benennung  treten  mancherlei  Veränderungen  ein. 
Der  Name  Ostmark  haftete  mehr  an  der  nordthüringischen  Mark  und  dehnte 
sich  bis  zur  Niederlausitz  aus,  der  er  dann  verblieb.  Der  Name  Osterland 
wurde  später  für  die  südthüringische  Landschaft  von  der  Saale  an  üblich.  Der 
Erwerb  des  Landes  über  die  Mulde  nach  0.  hin  machte  die  Errichtung  einer 
dritten  Mark  Meifsen  (Misna)  notwendig,  die  nach  dem  schon  vorher  von 
Heinrich  I.  begründeten  Burgorte  genannt  worden  ist.  über  alle  diese  Gebiete, 
für  welche  bei  der  Unsicherheit  der  Machtverhältnisse  noch  keine  festen  Grenzen 
bestimmt  waren,  gebot  Markgraf  Gero  bis  zu  seinem  Tode  9G5.  —  Nach  ihm 
folgte  die  Spaltung  in  die  fünf  Einzelmarken,  unter  denen  die  Ostmark 
unmittelbar  an  die  Nordmark  im  S.  sich  anschlofs  und  da-s  Land  von  der 
unteren  Saale  etwa  von  Halle  ostwärts  über  die  untere  Mulde,  Elbe  bis  an 
die  Oder  und  Bober  begriff  und  somit  die  ganze  Niederlausitz  mit  umfafste; 
sie  wird  daher  auch  meist  Mark  Lausitz  (Lusiza)  genannt.  Der  Name  Ost- 
mark wird  seit  Schluß  des  XII.  Jh.  mehr  auf  die  Niederlausitz  beschränkt. 
—  Die  drei  anderen  Marken  umfassen  den  Süden  des  Sorbenlandes.  Die  drei 
gleichnamigen  Bistümer  erlauben  auch  Rückschlüsse  auf  Lage  und  Ausdehnung 
der  drei  Marken.    Die  Mark  Meifsen  umfafste  im  wesentlichen  die  Gaue 


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190  IV,  Politische  Geographie  um  «las  Jahr  1000. 

der  Daleminzier,  N  isaner  und  Milzener.  Die  Mark  Zeitz  zwischen  der  obere» 
Saale  bis  Naumburg  und  Weifsenfeis,  östlich  nicht  bis  ganz  an  die  Zschoppau. 
Nördlich  von  ihr  die.  Mark  Merseburg,  von  der  Saale  bei  Merseburg  östlich 
bis  über  die  Zusammentlufsstelle  der  beiden  Mulden  hinaus. 

80.  Die  Staren  Binder  Ostlich  der  Oder  und  des  Bober.  Der  Polen- 
herzog und  spätere  König  Boleslaw  Chrobry  hatte  fast  das  ganze  Gebiet 
östlich  jener  Flüsse  um  das  Jahr  1000  unter  seiner  Herrschaft  ver- 
einigt und  später  noch  erweitert,  so  dafs  bei  seinem  Tode  (1025)  sein 
Reich  das  heutige  Pommern,  Preufsen,  Posen,  Schlesien,  Oberlausitz, 
Böhmen,  Mähren  und  Galizien  umfafste.  Doch  war  es  schon  seinem 
Nachfolger  nicht  mehr  möglich,  das  weit  ausgedehnte  Ländergebiet  in 
einer  Hand  vereinigt  zu  halten. 

Das  obere  Odergebiet  hatte  im  Sudetenwall  eine  natürliche  Grenze  gegen 
Böhmen;  doch  hatten  vorher  und  nachher  die  böhmischen  Fürsten  ihren  Macht- 
bereich nach  Schlesien  hinüber  auszudehnen  gewufst.  Der  Kampf  zwischen 
böhmischer  und  polnischer  Vorherrschaft  bildet  einen  Teil  der  älteren  schle- 
sischen  Geschichte.  Ein  Gesamtname  für  das  obere  Oderland  existierte  noch 
nicht.  Es  werden  aber  einige  Landschaften  uns  schon  namhaft  gemacht,  und 
zwar  unter  der  Bezeichnung  Gaue  (pagi),  die  indessen  hinsichtlich  ihrer  Ver- 
waltung nicht  etwa  den  deutschen  Gauen  gleichgestellt  werden  dürfen.  Vgl. 
hierzu  Stenzel,  Gesch.  Schlesiens,  1853,  S.  14  f. 

Der  pagus  Süetuis,  das  Gebiet  um  den  Zobten  (Zlenz)  umfassend ,  nach 
welchem  der  Gau  benannt  ist.  wie  Thietmar  Vll,  44  bemerkt;  im  Emmeraner 
Länderverzeichnis  (aus  dem  IX.  Jh.,  jetzt  in  München,  zuweilen  Geographus 
Bavarus  genannt)  heifst  er  Zlemznrw.  Das  Verzeichnis  bei  Zeufs,  D.  Deutschen 
u.  d.  Naehb.,  S.  600;  Schafarik.  Slav.  Altert.  II,  673;  Codex  diplom.  et  Epist. 
Moraviae  I.  68.  In  Cosmas  chron.  Boem.  (MG.  IX,  91)  heifst  er  Slasane.  Ober 
den  hieraus  sich  entwickelnden  Namen  Schlesien  ct.  unten.  Ein  zweiter  Gau 
ist  Diedesi  (Thietm.  VI,  38),  auch  Dadosefana  (Geogr.  Bav.\  Dedosese  (Cosmas), 
bis  zur  Oder  reichend,  südlich  von  Glogau.  Südlich  von  diesem  der  pag.  Bol>o- 
rmie  im  mittleren  Boherland  (Cosm.).  Fraglich  ist  die  I>age  des  Trebovaiw  (Cosm.); 
vielleicht  nördlich  von  Breslau  (Trebnitz:.  Ferner  das  Land  der  Opolini  (Geogr. 
Bav.)  und  Golemui  in  Oberschlesien. 

Der  polnische  Machtbereich  gegen  die  Lausitzer  Wenden  im  W.  scheint 
bis  zum  Bober  und  Queifs  gereicht  zu  halten.  Denn  hier  bei  Una  (=  Eilau 
am  Bober)  wird  der  nach  Gncscn  wallfahrtende  Kaiser  Otto  III.  von  Boleslaw 
an  der  Landesgrenze,  speziell  des  Gaues  Diedesi  empfangen  (Thietm.  IV,  88). 
Sehr  wahrscheinlich  stehen  auch  die  sog.  Dreigräben  in  Beziehung  zu  den 
damaligen  Grenzverhältnissen.  Es  sind  dies  drei  parallel  laufende  Gräben  Ins 
zu  1,6  m  Tiefe  und  zwischen  ihnen  zwei  Wälle  von  kaum  2  m  Höhe.  Sie 
lassen  sieh  verfolgen  von  Krossen  bis  Eilau;  hier  setzt  die  Anlage  aus,  da  der 
Bober  seihst  Iiis  zur  Qucifsmündung  abwärts  und  der  Queifs  aufwärs  bis  Bischkau 
als  Forteetung  anzusehen  ist.  Von  Pusehkau  führen  die  Gräben  ostwärts  <juer 
über  den  Holter  bis  Petersdorf  südlich  von  Primkenau  und  dann  südwärts  bis 
zu  den  Sümpfen  von  Greulich.  Mehrfach  erörtert  ist  die  Frage  nach  dem 
Zweck  dieser  llü  km  langen  Anlage  und  ihrer  Erbauer,  zumal  die  Wälle  ihre 
Steilseite  bisweilen  nach  U.  kehren  und  der  östlichste  Graben  der  breiteste  und 
tiefste  ist.  Grünhagen,  Gesch.  Schlesiens,  1884,  I,  6.  Part  seh,  Schlesien, 
1896,  I,  347-349. 

81.  Gaugcographle.  Die  karolingische  Grafschaftsverfassung  stützte 
sich  in  deutschen  Landen  auf  die  Gaueinteilung.  Das  Land  war  in  zahl- 
reiche Bezirke  von  verschiedener  Gröfse  geteilt,  die  man  im  Lateinischen 
als  pagus,  im  Deutschen  vorzugsweise  als  Gau  zu  bezeichnen  pflegte. 


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Hl.  (iaugoographie.  191 

An  <ler  Spitze  stand  der  vom  König  ernannte  Graf.  Bildete  so  der  Gau 
gleichsam  einen  Regierungsbezirk  des  Reiches,  so  wurde  er  doch  erst 
durch  die  Grafschaft  zu  einem  staatsrechtlichen  Regritt'. 

Aber  Gau  und  Grafschaftsbezirk  (comitatus)  sind  nicht  immer  iden- 
tisch gewesen.  Mancherlei  Rücksichten  machten  eine  Teilung  des  Gaues 
in  mehrere  Komitate  nötig,  wie  umgekehrt  aueh  mehrere  Gaue  besonders 
an  den  Grenzen  unter  einen  Grafen  gestellt  wurden.  Im  Laufe  der  Zeit 
wurde  der  Gaubegriff  immer  unbestimmter  und  schwankender.  Bald 
finden  wir  ihn  auf  einen  kleinen  Bezirk  in  der  ursprünglichen  Fassung 
bezogen,  bald  wieder  auf  ganze  Landschaften  und  Volksstämme  aus- 
gedehnt und  anderen  Begriffen,  wie  territorium,  provincia,  dwatiis  u.  a., 
gleichgestellt.  Im  XII.  Jh.  war  die  alte  Gaueinteilung  allenthalben  bereits 
durchbrochen  und  die  Grafschaft  an  Stelle  des  Gaues  getreten. 

Für  die  frühere  Hälfte  des  Mittelalters  bildet  die  Gaueintoilung, 
wie  richtig  bemerkt  worden  ist,  den  eigentlichen  Mittelpunkt  der  Geo- 
graphie Deutschlands.  Gerade  sie  ist  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahr- 
hunderts Gegenstand  eifriger  Forschungen  gewesen  und  hat  eine  reiche 
Literatur  hervorgerufen.  Die  Frage,  wie  die  einzelnen  Gaue  zu  be- 
grenzen seien,  und  vor  allem,  welche  Hilfsmittel  zur  Lösung  herangezogen 
werden  dürften,  hat  einen  lebhaft  geführten  Streit  zur  Folge  gehabt. 
Die  Voraussetzung,  dafs  die  kirchliche  Einteilung  des  Landes  in  engster 
Beziehung  zur  Gaueinteilung  gestanden,  hat  sich  aber  nicht  in  jedem 
Falle  als  stichhaltig  erwiesen. 

Der  Anschlufs  der  Grafschaften  an  die  alten  Gaue  bewirkte,  dafs  Gau 
und  Grafschaft  für  gleichbedeutend  gehalten  wurden;  so  heifst  es  bald  pagus 
Liuzgowe.  bald  comitutus  Linzgnwe  oder  vereinigt :  in  pago  et  comitatu  Kunigrssundra. 
Di»-  immer  mehr  hervortretende  Bedeutung  der  Grafschaft  liefs  den  Gau  zurück- 
treten, so  dafs  vielfach  nur  der  Name  noch  erhalten  blieb.  Das  Reich  zerfiel 
in  Grafschaften,  wie  einst  in  Gaue.-  Wenn  die  Namen  der  (laue  seit  dem 
XII.  Jh.  allmählich  verschwinden,  so  haben  sich  doch  einzelne,  wie  Breisgau, 
Rheinau,  Kraichgau,  Allgäu,  Grabfeld,  bis  jetzt  noch  erhalten.  Die  Aufteilung 
fCTÖfoerer  Gaue  in  mehrere  Komitate  liefs  kleinere  Untergaue  (pagi  minores) 
entstehen,  während  die  Obergaue  (pagi  majores)  unter  ihrem  alten  Namen  noch 
fortln-standen.  Indessen  waren  jene  den  Obergauen  nicht  etwa  politisch  unter- 
geordnet, auch  zerfiel  nicht  jeder  Gau  in  eine  Anzahl  Fntergaue.  Für  letztere 
wurde  in  Ermangelung  eines  Namens  oft  derjenige  einer  Hundertschaft  gewählt. 
In  anderen  Fällen,  wo  die  alten  Gaue  zu  klein  waren,  wie  im  Sachsenlandc, 
wurden  mehren-  zu  einem  Komitat  zusammengelegt.  Die  (taue  verlieren  also 
nach  und  nach  ihre  Bedeutung;  so  wird  ein  Gauname  öfters  auf  einen  kleineren 
Teil  des  ganzen  beschränkt  oder  aueh  auf  mehrere  Gaue  einer  Landschaft 
belogen.  Der  ducatus  Wpuariorwn  zu  beiden  Seiten  des  Rheins  wird  oft  auch 
pagus  ]{.  genannt,  während  jeder  einzelne  Gau  desselben  seihst  wieder  pagus  (im 
eigentlichen  Sinne)  heifst.  Auch  Lothringen,  Elsals,  Sachsen,  Thüringen  werden 
vielfach  so  bezeichnet.  Selbst  auf  die  Slavenländer  ostlich  der  Elbe  und  -Sude 
war  die  Gaueinteilung  nach  sog.  Burg  wardien  übertragen  worden. 

Die  gewöhnliche  lateinische  Bezeichnung  war  pagus,  wofür  aber  gleich- 
bedeutend, besonders  später  auc  h  provincia,  regio,  territorium  und  marca  treten. 
Die  deutsche  Form  ist  Gau,  die  dem  Namen  meist  angehängt  wird,  wie  Rhein- 
gau, aufserdem  aber  auch  latinisiert  und  pleonastisch  mit  pagus  verbunden 
wird.  Ober  die  Wortform  vgl.  Grimm,  DWB.,  4,  1,  Sp.  1518;  Kluge-».  S.  129. 
Zahlreich  sind  die  Varianten  für  Gau,  wie  sie  in  den  mittelalterlichen  Namen- 


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192  IV.  Politische  Geographie  um  «las  Jahr  1000. 

Verbindungen  auftreten:  gau,  ga,  gawe,  gewe,  go,  gon,  gowe,  goe,  goa,  gun,  ketce. 
—  An  Stelle  von  gau  tritt  besonders  in  fränkischen  Gebieten  feit,  feld  an  den 
Namen:  Grapfeld,  Tullifelt,  Sualafeld.  In  den  niederrheinischen  Ländern  auch 
baut:  Bracbant,  Teisterbant,  Ilasbant,  Bursibant.  Im  Mainlande  eiba.  wie: 
Wettereiba,  Winegartheiba.  Im  Alamannenlande  bara  oder  para,  wie:  Fol- 
choltespara,  Perahtoltaspara,  Albuinesbar.  Auch  Verbindungen  mit  land,  wie 
Hamaland,  treten  auf.  —  Höchst  mannigfaltig  sind  ferner  die  Gaunamen  selbst. 
Einige  sind  nach  Völkernamen  gebildet:  Hessengau.  Hattuariergau;  zuweilen 
auch  nach  Völkern,  die  ehemals  dort  gesessen  hatten:  Borachtra  (Brukterer), 
Bardengau  (Langobarden);  besonders  zahlreich  nach  Flulsnamen:  Rhein- 
gau, Maasgau,  Lahngau,  Hasegau,  Kraichgau,  Thurgau,  oder  nach  Gebirgen: 
Harzgau,  Eifla,  Arduenna,  Hundesrucha.  Auch  die  Lage  nach  der  Himmels- 
richtung hat  Namenbildungen  veranlafst:  Nordgau,  Süd-  oder  Sundgau, 
Ustergau,  Westergau  treten  sogar  mehrmals  auf.  In  den  früher  römischen 
Gebieten  werden  sie  auch  nach  Kömers tädten  benannt,  wie  Cölngau,  Jülich- 
gau, Wormsgau.  Speiergau,  Haselgau.  Über  die  Gaue  im  allgemeinen  vgl. 
besonders:  F.  II.  Müller,  Deutsch.  Stämme,  4,  6—20.  F.  Thudiehuni, 
Gau-  und  Markverfassung  in  Deutschland  (1860),  S.  3  ff.,  80  f .  Waitz,  DV., 
II1,  277  ff.  III1,  319  ff.  V1,  177  ff.  VII,  14  ff.  Schröder.  Deutsche  Rechts- 
gesch.8,  .120  ff.  Heber,  I  ber  die  Kennzeichen  der  alten  Gaugrenzen,  Progr. 
d.  hist.  Ver.  d.  Grofshzgt.  Hessen,  Darmstadt  1860. 

Viel  Schwierigkeiten  bietet  die  Feststellung  der  Gau  grenzen  selbst. 
Wohl  sind  einige  Orte  uns,  als  in  diesem  oder  jenem  Gaue  liegend,  genannt, 
aber  es  sind  meist  zu  wenige,  um,  gestützt  auf  sie,  die  Grenzlinie  in  allen  Ein- 
zelheiten festlegen  zu  können.  Die  Annahme  nun,  dafs  die  kirchlichen  und 
politischen  Bezirke  in  deutschen  Ländern  miteinander  übereinstimmten,  führte 
zu  der  Folgerung,  dafs  man  aus  den  Diözesangrenzen,  deren  Verlauf  sich  ziem- 
lieh genau,  jedenfalls  besser,  feststellen  liefs,  auf  die  Gaugrenzen  zurückschliefsen 
könnte.  Ein  grofser  Teil  der  älteren  Arbeiten  über  die  Gaugeographie  ist  von 
diesem  Gedanken  beherrscht.  Besonders  war  es  Leopold  von  Ledebur, 
der  25  Schriften  über  Gaue  in  diesem  Sinne  verfafste.  Ihm  folgten  W.  von 
Hodenberg  und  G.  Landau.  Die  Germanisten  Versammlung  zu  Frankfurt 
a.  M.  1846  hatte  diese  Arbeiten  zu  fördern  gesucht;  eine  Reihe  von  Gelehrten 
erklärte  sich  zur  Mitarbeit  bereit,  aber  nur  ein  einziger,  C.  W.  Wippermann, 
hatte  die  Bearbeitung  eines  Gaues  wirklich  zustande  gebracht.  Erst  Heinr. 
Böttger  nahm  die  Arbeit  im  grofsen  Stile  wieder  auf  und  hat  sie  ganz  allein 
mit  bewundernswerter  Energie  und  Gewissenhaftigkeit  für  die  Gaue  und  Diö- 
zesen von  Norddeutschland  wenigstens  durchgeführt.  —  Die  zu  G runde  gelegte 
Voraussetzung,  dafs  zwischen  Gau  und  Grafschaft  einerseits,  zwischen  Graf- 
schaft und  Diözese  anderseits  die  engsten  Beziehungen  bestanden,  dafs  der 
Graf  mit  dem  Bisehof  in  der  gemeinsamen  Verwaltungstätigkeit  ständig  Fühlung 
behalten  sollte,  —  was  nur  möglich  war,  wenn  beide  ein  und  dasselbe  Gebiet 
beherrschten,  —  wurde  gestützt  durch  die  Konstitution  Karls  d.  Gr.  von  802 
LL.  I,  104):  Yolumns,  nt  episcopi  et  comites  cemcordiam  et  dilectionem  inter  se  habeaut, 
itt  episcopus  tsuo  comiti .  .  adiutor  et  exortator  existat  .  . ;  similiter  et  comes  faciat 
contra  au  um  episcopum.  Ebenso  in  einem  Kapitular  von  806:  Episcopi  cum 
comitibus  Stent  et  comites  cum  episeopo,  nt  uierqne  pleniter  snum  ministerium  peragere 
possit.  Ähnliehe  Verfügungen  sind  noch  mehrere  auch  aus  nachkarolingischer 
Zeit  vorhanden.  Da  die  Diözesen  aber  mehrere  Gaue  umschlossen,  so  liefs 
sich  nur  für  einige  die  Grenze  aus  jenen  der  Diözese  feststellen,  soweit  natür- 
lich die  Diözcsangrenzc  selbst  wirklich  bekannt  war.  Um  nun  ein  ausgiebigeres 
Material  für  diese  Zwecke  zu  gewinnen,  griff  man  auf  die  ArchidiaKonats- 
register  zurück.  Die  Bischöfe  mufsten  bei  der  sich  steigernden  Verwaltungs- 
tätigkeit Arehidiakone  als  Stellvertreter  einsetzen,  die  innerhalb  eines  Gaues 
gegenüber  dem  < trafen  dieselbe  Stellung  einnahmen,  wie  sie  der  ihnen  vor- 
gesetzte Bischof  schon  vorher  zu  allen  Gaugrafen  seiner  Diözese  hatte.  Voraus- 
setzung war  natürlich  wieder,  dafs  das  Verwaltungsgebiet  des  Grafen,  also  der 


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81.  Gaugcographic.  193 
• 

Gau,  sich  mit  dem  Gebiet  des  Arehidiakonen  deckte.  Die  Archidiakonats- 
register  geben  ein  Verzeichnis  aller  Kirchen  und  Kapellen,  welche  dem  Bischof 
unterstellt  waren.  Es  ist  daher  möglich,  den  Umfang  aller  Archidiakonate  und 
damit  aller  Diözesen  festzustellen,  woraus  sich  dann  im  weiteren  auch  die  Gau- 
grenzen ergeben  sollten,  Diese  Annahmen  forderten  zu  heftigem  Widerspruch 
heraus.  Wenn  sich  auch  nicht  in  Abrede  stellen  liefs,  dafs  man  bei  kirch- 
lichen und  politischen  Einrichtungen  aus  praktischen  Gründen  gern  an  die 
vorhandene  Gaueinteilung  anknüpfte,  so  liefsen  sich  doch  auf  der  anderen 
Seite  nicht  weniger  schwerwiegende  Gegengründe  geltend  machen :  zunächst 
die  Tatsache,  dafs  Gau-  und  Diözesangrenze  oft  genug  nicht  übereinstimmten, 
im  Gegenteil  die  kirchliche  Grenze  quer  durch  den  Gau  hindurchführte.  So- 
dann stammen  che  Archidiakonateregister  aus  einer  viel  späteren  Zeit,  wo  die 
regelmäfsige  Gaueinteilung  nicht  mehr  bestand  und  durch  Teilungen  und 
Exemtionen  auch  die  Diözesangrenzen  verändert  worden  waren.  Es  kann  daher 
die  Ermittelung  der  Gaugrenzen  aus  jenen  der  kirchlichen  Bezirke  nicht  auf 
jene  unbedingte  Zuverlässigkeit  Anspruch  erheben,  wie  man  anfangs  meinte. 

Die  Literatur  über  die  Gaue  ist  sehr  reich.  Die  wichtigsten  Arbeiten 
sollen  hier  namhaft  gemacht  werden.  Böttger  führt  einen  grofsen  Teil  der- 
selben (bis  1875)  auf,  vorzugsweise  nur  die  norddeutschen  Gebiete  betreffend, 
und  meist  nur  diejenigen,  deren  Verfasser  mit  seiner  Methode  übereinstimmen. 

Marquard  Freher,  Catalogus  pagorum  Germaniae  sub  Carolingis,  in 
Origg.  Palatin.  I,  c.  5.  H.  Meibom,  De  utriusque  Saxoniac  et  vicinarum  re- 
gionum  quarundam  pagis,  Heimst.  1610.  Pauliini,  Geographia  curiosa  sive 
de  pagis  antiquae  praesert.  Germ,  commentar,  Frankf.  1699.  Gott  fr.  Bessel, 
Chronicon  Gotwicense,  tom.  prodr.  II.  T.,  p.  527 — 890;  gibt  ein  vollständiges 
Verzeichnis  der  526  Gaue,  Münster  1732,  fol.  E.  Wächter,  Art.  »Gaue  bei 
Ersch  und  Gruber,  Encykl.  t.  54,  429  ff.  II.  B.  Wenck,  Hessische  Landes- 
gesch.  1789,  II,  343  ff.,  m.  K.  F.  J.  Dumbeck,  De  geograph.  pagorum  Germ, 
cisrhenanae,  1818.  Schmidt,  Der  Gau  Boractra,  in:  Westphalia  1825.  L.  von 
Ledebur,  Die  Grenzen  zwischen  Engern  und  Westpfahlen  (!)  in  Wigands 
Arch.  f.  G.  u.  Altkde.  Westph.  (1826),  1,41.  von  Ledebur,  Das  Land  und 
Volk  der  Brukterer  (1827),  mit  2  K.  K.  Chr.  von  Leutsch,  Markgraf  Gero, 
im  Anhang:  Geogr.  der  sorbischen  Marken,  1828.  A.  von  Wersche,  Beschr. 
der  Gaue  zwischen  Elbe,  Saale,  Unstrut,  Weser  und  Weira  im  X.  u.  XI.  Jh., 
m.  K.,  1829.  von  Ledebur,  Gehörten  die  Gaue  Riaciani,  Zamzici,  Dassia, 
Lusici  ganz  oder  auch  nur  teilweise  zum  Brandenburger  Sprengel?,  in  Allg. 
Arch.  f.  d.  Geschkde.  d.  preufs.  St.,  1830,  I,  27—34.  von  Ledebur,  Über 
die  alte  und  neue  Erzdiözese  Köln.,  Arch.  I,  289.  Ders.,  Über  die  Grenzen 
zwischen  Engern  u.  Thüringen,  Archiv  V,  26,  (1831).  Ders.,  Die  Gaue  des 
säehsiseh-münstersehen  Sprengeis,  Arch.  VII,  193  ff.  (1832).  Ders.,  Die  Frei- 
grafschaften der  münstersehen  Diöcese,  Arch.  X,  145,  248  (1833).  Spruner, 
Baierns  Gaue  nach  den  drei  Volksstämmen,  Banibg.  1831.  G.  Landau,  Bei- 
trag zur  Beschr.  der  Gaue  Friesenfeld  u.  Hassengau,  Archiv  XII,  213  (1833), 
mit  Notizen  von  Ledebur,  von  Ledebur,  Die  Gografschaften  der  münster- 
schen  Diöcese,  Arch.  XI,  289  ff.  (1833).  Ders.,  Der  Umfang,  insbesondere  die 
Nordwestgrenze  des  Havelbergischen  Sprengeis,  Arch.  XI,  27  ff.  Ders.,  Bei- 
träge zur  mittl.  Geogr.  des  Herzogtums  Westphalen,  Arch.  XIII,  238  ff.  (1834). 
Seibertz,  Carls  d.  Gr.  Gauverfassung  im  Herzogtum  Westf.,  in  Wigands 
Archiv  VI,  III,  m.  K.,  1834.  von  Ledebur,  Ostfalen,  in  Ersch  u.  Gruber, 
Encykl.  (1836).  Ders.,  Die  fünf  Münsterschen  Gaue  und  die  sieben  Seelande 
Frieslands,  m.  K.,  1836.  Ders.,  Blicke  auf  die  Literatur  des  letzten  Jahr- 
zehnts, S.  91  ff.,  1837.  J.  W.  Neu  mann,  Beitrag  zur  Marken-  u.  Gaugeo- 
graphie der  ehemal.  Sorbenländer  in:  Neue  Mitteilgn,  IV,  1,  114,  Halle  1838. 
von  Ledebur,  Die  Landschaften  des  Havelberg.  Sprengeis  in:  Märk.  Forsch. 
I,  200;  IL  361,  1841.  lief ft er,  Zur  Gaukunde  des  Sorbenlandes,  in:  Neue 
Mittlgn.  XVI.  1,  1  (1841).  Chr.  F.  von  S tälin,  Wirtemberg.  Gesch.  1841, 
1, 2771    Giefers,  Der  Nethegau,  in:  Z.  f.  vaterl.  G.  V,  1,  Münster,  1842. 

Kretichmer,  Historische  Ocoffraphie.  13 


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194 


IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1000. 


von  Ledebur,  Der  Maiengau  ode'r  das  Maienfeld,  in.  K.  (1842).  Giese- 
brecht,  Wendische  Geschichten  1843,  I,  81 — 84.  Ders.,  Nordthüringen  und 
die  Hermunduren  oder  Thüringer,  1852.  D.  Meyer,  Der  osnabrück'sche 
Hasegau,  in  Mitt.  d.  h.  Ver.  Osnabr.  1853,  256  ff.  Der.,  Der  Fenkigau,  eb. 
272  ff.  Ders.,  Zur  Topographie  einiger  Teile  der  alten  Diözese  Osnabrück, 
1800,  172 — 213.  von  Ledebur,  Der  Rangau,  1854.  W.  von  Hodenberg, 
Der  pagus  Gretinge,  in  Lenthes  Archiv  VI,  2,  396,  Celle  1856.  Ders.,  Der  pagus 
Flutwide  oder  Mulbeze,  eb.  375  ff.  Ders.,  Die  Diözese  Bremen,  Celle  1858,  mit 
2  K.  Landau,  Beschr.  des  Gaues  Wettereiba,  m.  K.,  1855.  Ders.,  Beschr. 
des  Hessengaues,  Kassel  1857,  m.  K.  C.  W.  Wippermann,  Beschr.  des 
Bueki-Gaues  nebst  Feststellung  der  Grenzen  der  übrigen  Gaue  Niedersachsens, 
m.  K.,  1859.  H.  Kampschulte,  Der  Almegau,  in  Z.  f.  vateri.  Gesch.,  XXIU, 
192,  m.  K.,  1863.  W.  von  Hodenberg,  Der  pagus  Loingo,  m.  K.,  in  Lüne- 
burg UB.,  Celle  1859,  299,  315  ff.  G.  von  Alten,  über  den  Marstemgau,  in 
Z.  h.  Ver.  NS.,  1860.  1—69.  H.  Hennings,  Das  hannoversche  Wendland, 
1862.  H.  Böttger,  Die  Brunonen,  m.  3  K.,  1865.  W.  C.  C.  von  Hammer- 
stein-Loxten, Über  den  Gau  Gretinge  oder  Grete,  in  Z.  d.  V.  f.  NS.,  1867, 
131—136.  Ders.,  Der  Bardengau,  m.  K.,  1869,  Böttger,  Bemerkungen  über 
dieUmfangsgrenzedes  Bardengaues  in  Z.  V.  f.  NS.,  1869,  86—98.  —  Korrespondenz- 
blatt des  Gesamtvereins  der  deutsehen  Geschichts-  und  Altertumsvereine,  be- 
sonders in  den  ersten  zehn  Jahrgängen,  passim.  Stein,  über  Benennung, 
Umfang  und  Nachbargaue  des  Grabfeldes,  Arch.  bist,  Ver.  f.  Unterfranken,  XXI 
(1871),  Heft  3.  Preufs,  Die  Gaue  des  Lippischen  Landes,  Z.  f.  Taterland. 
Gesch.  XXXH,  Abt.  2,  S.  3— 19,  1874.  Piot,  Les  pagi  de  la  Belgique  et  leure 
subdivisions  pendant  le  moyen  äge,  1874.  Bau  mann,  Die  Gaugrafschaften 
im  Wirtembergischen  Schwaben,  Stuttg.  1879.  Stöger,  Der  fränkische  Ssial- 
gau  und  dessen  frühere  Ortschaften,  Kissingen  18*2.  Schricker,  Älteste 
Grenzen  und  Gaue  im  Elsafs,  Strafsburger  Studien  II  1884,  305—402.  Schnitze, 
Die  Abgrenzung  der  Gaugrafschaften  des  Alamannischen  Badens,  Stuttg.  1896. 
Koch,  Das  hannoversche  Wendland  oder  der  Gau  Drawehn,  Dannenberg 

1898.  Gramer,  Die  Geschichte  der  Alamannen  als  Gaugeschichte,  Breslau 

1899.  Heldmann,  Der  Kölngau  und  die  Civitas  Köln,  m.  K.,  Halle  1900. 
(Dazu  Jaliresber.  d.  Geschichtswiss.  1900,  II,  335;  Kornemann,  Korrespondenzbl. 
d.  Westdt,  Z.  1900,  Spalte  54  ff.) 


V.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1000. 


82.  Landliche  Siedelungen.  Dorf  und  Einzelhof  sind  nach  Tacitus 
(s.  p.  148)  die  Grundformen  der  germanischen  Siedelungswcise  gewesen, 
wie  wir  sie  auch  heute  noch  in  deutschen  Gauen  vorfinden.  Indessen 
hat  sich  bei  näherer  Prüfung  ergeben,  dafs  die  Dörfer  in  ihrer  Anlage 
grofse  Unterschiede  zeigen,  und  dafs  die  Gründung  derselben  nicht  aus- 
schliefslich  von  Deutschen  ausgegangen  sein  kann.  Vier  Nationen  sind 
an  der  Besiedelung  Mitteleuropas  beteiligt  gewesen  und  haben  mehr 
oder  weniger  Spuren  ihrer  ehemaligen  Anwesenheit  hinterlassen:  die 
Germanen,  Kelten,  Römer  und  Slaven.  Von  diesen  scheiden 
für  die  vorliegende  Frage  die  Römer  aus,  da  trotz  ihres  gewaltigen  Ein- 
flusses auf  die  Kulturentwickelung  der  Rheinlande  dennoch  keine  merk- 
licho  Einwirkung  auf  die  äufsere  Form  der  Kleinsiedelungen  und  im 
Zusammenhang  mit  diesen  auf  das  Agrarwesen  (Flureinteilung  etc.)  sich 
mehr  nachweisen  läfst;  die  Stürme  der  Völkerwanderung  haben  hier 
alles  verwischt.  Um  so  mehr  haben  Deutsche,  Kelten  und  Slaven  ihre 
Eigenart  hierbei  zum  Ausdruck  gebracht,  und  die  verschiedenen  Siede- 
lungsarten,  die  vielfach  auch  in  bestimmt  abgegrenzten  Gebieten  auftreten, 
lassen  sich  ihrer  Entstehung  nach  auf  die  verschiedenen  Nationen  zurück- 
führen. Unter  den  Siedelungsformen  treten  folgende  als  typisch  hervor : 
1.  Das  Haufendorf,  in  welchem  die  Gehöfte  nicht  weilerartig  zerstreut 
liegen,  aber  auch  nicht  stadtähnlich  mit  den  Häusern  dicht  aneinander- 
stofsen,  immerhin  aber  eine  geschlossene  Gruppe  bilden.  Die  Gebäude 
liegen  völlig  planlos  durcheinandergewürfelt;  auch  in  der  Anlage  der 
Dorfstrafsen  ist  ein  ursprünglicher  Plan  nicht  erkennbar.  Die  mittel- 
grofsen  Dörfer  von  20 — 40  Gehöften  sind  von  Ackerland  umgeben  und 
einer  mehr  oder  weniger  grofsen  Fläche  von  Wald,  Weide,  Heide 
oder  Bruch  (Allmendo).  Von  dem  Ackerkulturland  besitzt  jeder  Bauer 
des  Dorfes  eine  Hufe.  Diesor  Anteil  jedes  einzelnen  bildete  früher  aber 
nicht  einen  geschlossenen  Feldbezirk ;  vielmehr  war  das  ganze  Ackerland 
in  Abschnitte,  sog.  Gewanne,  geteilt,  und  von  jedem  Abschnitte  besafs 
jeder  Hufner  eine  gleiche  Fläche,  die  ihm  durch  das  Los  zugewiesen 
war.    Seine  Hufe  setzte  sich  also  aus  den  einzelnen  langgestreckten, 

13* 


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196 


V.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1000. 


schmalen  Parzellen  der  Gewanne  zusammen.  Dadurch  war  jeder  Hufen- 
besitzer in  seiner  Wirtschaftsweise  sehr  beschränkt;  denn  da  Zugänge  zu 
den  Parzellen  fehlton,  so  konnte  er  zu  seinem  Landstück  nur  gelangen, 
wenn  andere  Gewanne  brach  lagen  oder  schon  abgeerntet  waren.  Er 
unterlag  somit  dem  Flurzwang,  der  darin  bestand,  dafs  die  Gewanne 
auf  Kundgebung  des  Dorfvorstandes  nur  gleichzeitig  geackert,  besät  und 
abgeerntet  werden  konnten,  dafs  sie  deshalb  aber  auch  mit  einer  bestimm- 
ten Feldfrucht  bestellt  sein  mufsten.  Es  ist  dies  die  ursprünglich  deutsche 
Nutzungsform  gewesen,  die  infolge  Zusammenlegung  und  Separation 
heute  nicht  mehr  erkennbar  ist, 

2.  Die  Einzelhöfe,  die  im  allgemeinen  westlich  der  Weser  beson- 
ders in  Westfalen  und  in  den  Alpen  typisch  auftreten.  Solche  Land- 
schaften zeichnen  sich  auch  heute  noch  durch  ihren  Mangel  an  grosseren 
Dörfern  aus.  Wie  der  Name  schon  besagt,  sind  es  zerstreut  liegende 
Gehöfte,  die  von  den  zugehörigen  Grundstücken  in  umfriedeten  Kämpen 
möglichst  geschlossen  umgeben  sind. 

In  den  Slavonländern,  im  Osten  Mitteleuropas  hatten  sich  im 
Gegensatz  zu  jenen  andere  Siedelungsformen  herausgebildet.  Zu  diesen 
gehört  3.  das  Strafsendorf,  in  welchem  dio  Gehöfte  zu  beiden  Seiten 
einer  Strafse  liegen;  an  die  Häuser  schliefst  sich  ein  Garten,  der  gegen 
die  Ackerflur  mit  einer  Hecke  umsäumt  ist.  In  der  Mitte,  wo  sich  die 
Strafse  zu  einem  Anger  verbreitert,  befindet  sich  in  der  Nähe  der  Kirche 
und  des  Kirchhofes  der  Dorfteich.  4.  Das  Runddorf  oder  Rundling, 
bei  welchem  die  Gehöfte  mit  ihren  Häuserfronten  um  einem  runden 
oder  ovalen  Platz  sich  gruppieren.  Auch  hier  liegt  ein  Garten  hinter 
dem  Hause  mit  umschliefsender  Hecke.  Aus  dem  runden,  sonst  völlig 
abgeschlossenen  Platz  führt  nur  ein  einziger  Ausgang  hinaus.  Die 
Bewirtschaftung  des  Feldes  wird  bei  den  Slaven  durch  kommunistisches 
Zusammenleben  bestimmt.  Ob  die  südslawische  Zadruga,  der  russische 
Mir,  (in  welchem  die  bis  zu  40  —  60  Personen  unter  dem  Gospodar  ver- 
einigte Familie  Besitzerin  von  Haus,  Hof,  Vieh  und  Feld  ist,  ohne  dafs 
der  einzelne  Sonderansprüche  auf  Besitz  erhoben  dürfte),  eine  urslavische 
Einrichtung  ist,  wird  in  Zweifel  gezogen.  In  der  Form,  wie  das  slavische 
Wirtschaftssystem  heute  besteht,  geht  es  in  seinen  Anfängen  höchstens 
bis  in  das  XVI.  Jh.  zurück,  wie  dies  von  Job.  von  Keufsler  nachge- 
wiesen worden  ist  (vgl.  von  Below,  in  Beilago  z.  Allg.  Ztg.  1903,  Nr.  11,  12). 

Es  ist  das  Verdienst  Aug.  Meitzens,  die  Forschungen  auf  dem  Gebiete 
der  Siedelungsgeschichte  und  -geographie  gefordert  zu  haben.  Nach  seinen 
umfangreichen  Quellenstudien  ordnen  sich  die  vorhergenannten  Dorf-  und 
Wirtschaftsformen  folgendermafsen  geographisch  an:  Das  Gebiet  zwischen 
Weser  und  Winterberg  im  W.,  Westerwald,  Taunus  und  Thüringer  Wald  im  S., 
Saale  und  Delvenau  im  O.  bis  zur  Jütischen  Halbinsel  hinauf  wird  von  ihm 
als  echt  deutsches  Volksgebiet  ausgesondert,  auf  welchem,  soweit  die  geschicht- 
lichen Nachrichten  reichen,  niemals  andere  Völkerstämme  gehaust  haben.  Hier 
sind  daher  die  volkstümlichen  Haufendörfer  mit  der  Gewanneinteilung  überall 
zu  finden. 

« 

Westlich  der  Weser,  von  der  oberen  Lippe  und  dem  Hellweg  bis  zur 
Nordsee,  ferner  die  Niederlande  und  das  nordbelgische  Tiefland  sind  Gebiete 


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83.  Städte. 


197 


mit  Einzelhöfen,  östlich  des  deutschen  Volkslandes,  im  wesentlichen  also  des 
karolingisehen  Limeszuges  (8.  176)  schliefsen  sich  die  slavischen  Gebiete  mit 
entsprechenden  Dorf  formen  an.  Die  Strafsendörfer  finden  sich  am  weitesten 
und  ziemlich  allgemein  verbreitet.  Die  Rundlinge  haben  ihr,  wenn  auch  nicht 
ausschließliches  Verbreitungsgebiet  nur  im  Westen:  von  der  Kieler  Bucht  an 
umfafst  es  das  westliche  Mecklenburg,  die  östliche  Altmark,  das  ganze  Havel- 
land. Ein  kleineres  Gebiet  reicht  von  der  mittleren  Spree  nördlich  des  Spree- 
waldes, zur  Oder  bei  Frankfurt  hinüber.  Ferner  finden  sie  sich  zwischen  Elbe 
und  Saale  südwärts  bis  zum  oberen  Main  und  der  Rednitz.  Auch  im  west- 
lichen Böhmen  sind  sie  stellenweise  stark  vertreten.  Es  bleiben  noch  die 
mittelrheinischen  und  süddeutschen  Gebiete  übrig,  in  welche  germanische 
Stämme  (Hermunduren,  Markomannen,  Alamannen,  Juthungen)  eindrangen, 
abgesehen  von  jenen,  die  schon  zu  Caesars  Zeit  links  des  Rheins  safsen.  Sie 
führten  hier  den  Stil  des  Haufendorfes  in  Gewannen  mit  Hufen  Verfassung 
und  Flurzwang  ein  und  besetzten  die  leicht  zugänglichen,  fruchtbaren  Land- 
striche. Zwischen  diesen  finden  sich  Einzelhöfe  und  Weiler  in  bergigen,  heidigen 
und  moorigen  Landschaften.  Auch  in  den  engen  Tallandschaftcn  der  Alpen 
war  das  Einzelhofsystem  das  allgemein  vorwiegende.  Auf  die  lokalen  Unter- 
schiede im  einzelnen  und  ihre  Ursachen,  auf  die  nationale  Provenienz  der 
Siedelungen  und  der  Hausformen  —  (Fragen,  in  denen  man  Meitzen  nicht 
überall  beigepflichtet  hat)  —  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Im  übrigen 
vgl.  auch  hinsichtlich  der  Literatur  den  Paragraphen  über  Siedelungen  zum 
Termin  1375. 

83.  Städte.  Die  Germanen  hatten  keine  Neigung,  sich  in  Städten 
zusammenzudrängen,  wie  schon  Tacitus  hervorhob.  Dafs  sie  ihre  an- 
fängliche Aversion  gegen  ummauerte  Städte  auf  römischem  Provinzial- 
boden  späterhin  aufgaben,  steht  fest.  Freilich  hatte  die  Völkerwanderung 
einen  Teil  der  alten  Römerstädte  vom  Boden  gefegt.  Auf  rechtsrheini- 
schem Gebiet  waren  alle  Städte  und  Kastelle  (mit  Ausnahme  von  Lupo- 
dunum  —  Ladenburg)  von  den  Germanen  zerstört  worden,  wogegen  von 
den  linksrheinischen  ein  grofser  Teil  die  germanische  Eroberung  über- 
dauerte, trotzdem  auch  sie  von  den  Kriegsstürmen  hart  mitgenommen 
worden  waren.  Trier,  Metz,  Tongern,  Mainz,  Basel,  Köln,  Worms,  Speier 
und  Strafsburg  werden  als  civitates  noch  genannt  und  von  den  Kastellen : 
Zürich,  Solothurn,  Äugst,  Bingen,  Kreuznach,  Boppard,  Koblenz,  Ander- 
nach, Bonn,  Deutz,  Neuis,  Nijmwegen,  Utrecht,  Maastricht,  Jülich,  Zül- 
pich und  Bitburg.  Von  den  Städten  des  alten  Rätiens  hatte  Chur  den 
Sturm  überstanden,  desgleichen  Augsburg,  Kempten  und  Bregenz,  die, 
zum  gröfsten  Teil  zerstört,  doch  ihren  Namen  in  die  neue  Zeit  hinüber- 
retteten. Auch  Konstanz,  Arbon,  Günzburg  bestanden  als  Kastelle  noch 
fort,  ebenso  Sterzing,  Mais,  Regensburg,  Passau  und  Lorch.  Das  alte 
Juvavum  war  aber  von  Grund  aus  zerstört  worden  und  mit  Wald  über- 
wachsen. Ein  neuer  Ort  erwuchs  auf  derselben  Stelle  erst,  als  auf  dorn 
Nonnberge  daselbst  ein  Castrum  superius  Salzburg  begründet  worden  war. 

Die  alten  Ortsbezeichnungen,  wie  civitas,  urbs,  oppidum,  Castrum, 
castellum,  viens  und  villa,  treten  auch  in  der  Karolinger-  und  Ottonenzeit 
noch  auf,  haben  aber  vielfach  eine  andere,  nicht  immer  streng  begrenzte 
Bedeutung  angenommen.  So  wird  civitas,  urbs  oftmals  auf  einfache  Kastelle 
und  kleinere  Ortschaften  angewendet.  Jedoch  zeigt  sich  bei  einem  sta- 
tistischen Vergleich  aller  namhaft  gemachten  Orte  des  früheren  Mittel- 
alters, dafs  eine  kleine  Anzahl,  im  ganzen  13,  stets  nur  als  civitas  oder 


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198 


V.  KulUirgeographie  um  das  Jahr  1000. 


urbs  aufgeführt  werden;  es  sind  dies  Chur,  Constanz,  Basel,  Strafsburg, 
Worms,  Speier,  Mainz,  Köln,  Trier,  Metz,  Tongern,  Augsburg  und  Regens- 
burg. Alle  diese  sind  römische  Gründungen,  und  elf  von  ihnen  (mit  Aus- 
nahme von  Constanz  und  Regensburg)  waren  auch  civitutes  im  römischen 
Sinne.  Im  weiteren  zeigt  sich  aber,  dafs  auch  alle,  aufser  Regensburg, 
in  der  Merowingerzeit  Bischofsstädte  gewesen  sind ;  nur  selten  führen 
sie  andere  Bezeichnungen  als  civitas  und  urbs.  Auch  die  späteren  Bischofs- 
städte werden  zuweilen  so  genannt;  weit  häufiger  werden  sie  aber  als 
casteUum,  Castrum,  vi  IIa  und  vicus  bezeichnet. 

Alle  sog.  Städte  jener  Zeit  waren  es  wohl  in  wirtschaftlicher  und  sozialer 
Beziehung,  hingegen  nahmen  sie  keine  rechtliche  Stellung  ein  und  unterschieden 
sich  in  nichts  von  den  Dörfern  (Schröder).    Das  Städtewesen  der  Karolinger- 
zeit untersuchte  besonders  eingehend  S.  Rietschel,  Die  Civitas  auf  deutschem 
Boden  bis  zum  Ausgange  der  Karolingerzeit;  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
deutschen  Stadt    Leipzig  1894.     Ober  die  Ortsbezeichnungen  sei  in  Kürze 
folgendes  bemerkt:  vicus  =  Dorf  und  villa  =  Meierhof,  die  Gregor  von  Tours 
stets  unterscheidet,  sind  zur  Karolingerzeit  zu  einem  Begriffe  verschmolzen; 
sie  bezeichnen  eine  ländliche  Ansiedelung,  aus  mehreren  Gehöften  bestehend. 
Jedes  einzelne  von  letzteren  ist  eine  curtis.    Unter  casteUum  oder  Castrum  ist 
ein  mit  Mauern  umgebener  Ort  zu  verstehen   und  wird  oft  gleichbedeutend 
mit  oppidum  gebraucht;  letzteres  findet  sich  aber  auch  zuweilen  für  civitas,  wie 
endlich  auch  für  ein  einfaches  Dorf.  Gerade  bei  der  Verwendung  der  Bezeich- 
nung oppidum  tritt  eine  merkwürdige  Willkür  hervor.    Desgleichen  hat  civitas 
keine  bestimmt  eingeschränkte  Bedeutung  immer  gehabt.    Bei  den  Geschicht- 
schreibern ist  es  die  lateinische  Übersetzung  vom  deutschen  Wort  »Burg« ;  beide 
waren  befestigte  Orte.    Die  sächsischen  Chronisten  wenden  civitas  sehr  häutig 
an,  was  bei  modernen  Forschern  zu  manchem  Mifs Verständnis  geführt  hat. 
Vgl.  hierüber  Rietschel,  S.  13.  Auch  bezeichnet  civitas  oder  urbs  in  Deutschland 
nicht  die  Diözese  und  ebensowenig  den  Gau  wie  in  Gallien,  auch  nicht  ein- 
mal den  »Stadtgau«,  denn  Mainz  hat  niemals  einen  solchen  besessen,  lag  viel- 
mehr selbst  im  Wormsgau,  so  dafs  dieser  Gau  also  zwei  civitutes,  Worms  und 
Mainz  umsehlofs.   Regensburg  wird  zuweilen  civitas  regia  genannt.  Es  war  zur 
Karolingerzeit  die  zeitweilige  Residenz  der  fränkischen  Könige,  wenn  sie  nach 
Baiern  kamen,  während  es  sonst  in  der  Monarchie  keine  eigentlichen  Haupt- 
und  Residenzstädte  gab.  —  Aufser  Rietschel  vgl.  Hcllwig,  Deutsches  Städte- 
wesen z.  Z.  der  Ottonen,  Breslau  1875,  Dissert.  Hell w ig,  Handel  und  Gewerbe 
der  deutschen  Städte  während  der  sächsischen  Kaiserzeit,  Progr.  Realschule, 
Göttingen  1882.    Scb.  Schwarz,  Anlange  des  Städtewesens  in  den  Elb-  und 
Saalegegenden,  Dissert.,  Kiel  18U2.  —  Auch  die  sog.  Städte,  die  König  Heinrich  L 
in  der  säebsischen  Ostmark  zur  Sicherung  des  Landes  gegen  die  Ungarn  grün- 
dete (Widukind  1,  35),  waren  nur  befestigte  Plätze,  und  die  urbes  bei  Widukind 
werden  besser  mit  »Burgen «  übersetzt.    Vgl.  auch  Waitz,  Die  Städtegründung 
König  Heinrichs,  Exkurs.  14,  in  Jahrbb.  Heinrichs  L,  S.  231  ff.    Wie  civitas 
wurde  auch  Castrum  mit  Burg  übersetzt,  Aus  castra  Regina  wurde  Reginesburg, 
aus  civitas  Augusta  =  Augsbmg,  aus  Bedense  Castrum  =  Bitburg. 

84.  Pfalzen  und  königliche  Htffc.    Die  deutschen  Kaiser  hatten 

keine  ständigen  Residenzstädte;  sie  zogen  im  Lande  umher  und  befunden 
sich  sozusagen  immer  auf  der  Reise,  begleitet  von  einer  zahlreichen 
Diener-  und  Gefolgschaft,  Beamten  aller  Art,  Leibwachen,  Jagdtrofs  und 
Kanzlei.  Die  Ökonomischen  Verbältnisse  machten  ein  solches  Wander- 
leben notwendig.  Denn  die  kaiserlichen  Domänen  lagen  weit  verstreut 
im  Lande  umher  ;  um  die  Produkte  des  Feldes  und  der  Weide  aber  nach 


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84.  Pfalzen  und  königliche  Höfe.  199 

einem  bestimmten  Orte  zu  schaffen,  fehlten  wieder  die  genügenden  Ver- 
kehrswege. War  es  somit  schwierig  und  zum  Teil  unmöglich,  die  er- 
forderlichen Nahrungsmittel  zusammenzubringen,  so  mutete  der  Kaiser 
eben  mit  seiner  Familie  und  dem  gesamten  Hofstaat  sich  auf  den  Weg 
machen ,  um  den  •  Ertrag  seiner  Domänen  an  Ort  und  Stelle  zu  ver- 
zehren. Die  königlichen  Wirtschaftshöfe  (villae,  curles  regiae)  waren  zu 
diesem  Zweck  oft  mit  Pfalzen  (palatiaj  versehen,  welche  dem  Kaiser  und 
seinem  Gefolge  zum  Aufenthalt  dienten.  Sie  bildeten  umfassende  Ge- 
bäudekomplexe, bestehend  aus  dem  kaiserlichen  Palast,  der  Kirche,  den 
Wirtschaftsgebäuden,  Mühlen,  Wohn-  und  Arbeitshäusern  der  Diener 
und  Dienerinnen,  Obst-  und  Blumengärten,  zuweilen  auch  einem  Fisch- 
weiher, und  waren  nach  aufsen  mit  Befestigungen,  Mauern  und  Türmen, 
versehen.  Aber  auch  alle  gröfseren  Städte,  die  als  solche  schon  befestigt 
waren,  wie  Cöln,  Worms,  Mainz,  Strafsburg,  hatten  ihre  Pfalzen.  Jene 
Pfalzen,  die  inmitten  der  Domänen  selbst  lagen,  gowannen  nach  und 
nach  an  Bedeutung;  sie  wurden  Stapel-  und  Marktplätze  und  konnten 
sich  zu  Mittelpunkten  des  wirtschaftlichen  Verkehrs  entwickeln. 

Diese  Pfalzen,  welche  den  Charakter  von  kleinen  Städten  hatten  mit 
allerdings  nicht  immer  vollständig  anwesender  Bevölkerung,  begegnen  uns  un- 
zählige Male  als  Ausstellungsorte  von  Urkunden.  Bei  einigen  Orten  wird  öfters 
auch  beigefügt,  dafs  dort  Pfalzen  vorhanden  sind,  wie  civitas  palatio  regio,  villa 
palacio  nostro.  Einzelne  von  diesen  wurden  von  den  verschiedenen  Kaisern 
entschieden  bevorzugt;  Karl  der  Grofse  hielt  sich  bei  zunehmendem  Alter  mit 
Vorliebe  in  Nijmegen,  Ingelheim  und  besonders  in  Aachen  auf,  welches  damals 
nur  ein  Dorf  war. 

Wie  von  allen  Profanbauten  jener  Zeit,  so  sind  uns  auch  von  den  Pfalzen 
nur  wenige  Reste  erhalten  geblieben. 

über  die  innere  Einrichtung  der  villae  gibt  das  Capititlare  de  villis  Karls 
des  Gr.  Aufschlufs;  sie  waren  mit  W  irtschaftsgebäuden  verschiedener  Art  ver- 
sehen, Scheunen  (scurae),  Ställen,  Fischteichen  (virarii),  Mühlen,  Keltern  (tor- 
cularia),  Küchen,  Backhäusern  etc.  Von  den  Wohnhäusern  waren  die  Frauen- 
häuser (genitia),  durch  Umzäunungen  und  verschliefsbare  Tore  abgetrennt,  wo 
die  Frauen  ihren  Arbeiten  (Spinnen,  Weben,  Nähen)  oblagen.  In  der  Pfalz 
zu  Colmar  befand  sich  ein  solches  genitivm  oder  gynaeceitm,  in  welchem  sie 
Kleidungsstücke  und  Putzsachen  für  die  königliche  Familie  anfertigten ;  auch 
Frauen  höherer  Stände  wurden  dort  zu  Strafarbeiten  angehalten. 

Über  Pfalzen  vgl.  das  C  h  r  o  n  i  c  o  n  G  o  t  w  i  c  e  n  s  e  (von  Bessel  und  Hahn), 
1732  fol.  S.  441  ff.,  daselbst  ein  Verzeichnis  von  120  Pfalzen  S.  452—525  mit 
Nachtrag  S.  881 — 883  und  einer  Übersichtskarte.  Schröder,  Deutsche  Rechts- 
gesch.3,  S.  194  f.  Lamprecht,  Deutsche  Gesch.  II,  54  f.  F.  von  Löher, 
Kulturgesch-  d.  Deutschen  im  Mittelalter,  18%,  II,  182  ff.  Über  die  Bauanlagen 
im  einzelnen  F.  von  Reber,  Der  karolingische  Palastbau,  München  1891. 
Plath,  Die  Königspfalzen  der  Merowinger  und  Karolinger,  Berlin  1892. 

Die  wichtigsten  Pfalzen  und  Königshöfe  gibt  nachfolgendes  Verzeichnis, 
in  welches  auch  einige  nach  dem  Jahre  1000  entstandene  mit  aufgenommen  sind : 

Albulfi  vi  IIa  bei  dem  Dorfe  Albisheim  an  der  Pfrimm  in  der  baicr. 
Pfalz.  Altheim,  Althemium.  Altstett,  Alstidi,  Alfstedt  Andernach, 
Andernacum.  Apsiacum,  Epfich.  Aachen,  Aijuisgranum.  Arnstadt, 
Aranstedi,  Amestad.  Aristallium,  Haristallium  im  Ilaspengau  im  unteren 
Maasgebiet.  A  u  g  s  b  u  r  g ,  Augusta  Vindelicorum.  Bamberg,  Babenberg. 
Bisestat,  villa  bei  Worms.   Boppard,  Bochpardon,  Pobartum,  Bopardia. 


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200 


V.  Kulturgeographie  um  da*  Jahr  1000. 


Bodfeld,  Botfeldon  im  Harz.  Bm geheim  bei  Brügge  an  der  Leine. 
Brun  es  wie  mit  dem  Palas  Heinrichs  des  Löwen  an  Stelle  der  ehemaligen 
BurgDankwarderode.  Carlsburg,  Carolstad,  Civitas  Carolina  am  Main.  Cassel, 
Cassulum,  Chassala,  Burg  mit  eurtis.  Colmar,  Columbarium,  Columba.  Cöln, 
Colonia  Agrippina.  Coblenz,  Conflucntes,  Cobelenee.  Co n stanz,  Con- 
stantia.  Dahlheim  an  der  Nette  bei  Bökeln.  Decima  bei  Trier.  Dort- 
mund, Tremonia,  Trutmania.  Duisburg,  Duisburgum,  Tusbureh,  Thuis- 
purg.  Düren,  Duria,  Marcodurum.  Elze,  Auliea,  Alicga.  Ermatingen, 
Erfmuotingen,  Erfmatingen  am  Bodensee.  Fla m m ersh eim ,  Vlamersheini 
an  der  Ert  unterhalb  Münstereifel.  Flattana,  Flatera  in  den  Ardennen. 
Forchheim,  Foraheim,  Foracheim,  Forenhcim.  Frankfurt,  Franconofurt. 
Frasa,  Frosa,  Frasia  an  der  Elbe  oberhalb  Magdeburg.  Fulda,  Vulta,  Vul- 
taha.  S.  Galli,  San  -  Gallunum.  Geltersheim,  Geltresheim  im  Grabfeld. 
Gernsheim,  Gerenesheim,  Gernichesheim  im  Rheingau.  Göttin  gen,  God- 
dinga,  Gutingen.  Goslar,  Goslare.  Grona,  Gruonaha,  in  der  Nähe  von 
Göttingen.  Hagenau,  Haganoe,  Hagenovia.  Hammelburg,  Hamalun- 
burc,  Hamulanburc  an  der  Frank.  Saale.  Hattingen,  Hattnegge  an  der 
Ruhr.  Heilbronn,  Heilicobrune,  Heiligbrunna.  Herford,  Herifurth,  Her- 
vordia. Herstelle,  Heristalluni  Hersfeld,  Herolfelde,  Herolvesfelde,  Her- 
feldia.  Hluna,  Lüne  in  Westfalen.  Hoburg,  Hochenburg,  Hoherabach  in 
Oberbaiern  an  der  Salza.  Höxter,  Huxari,  Huxori,  Huxere.  Ingelheim, 
Ingylenheim,  Engilenheim.  Isenburg  im  NO.  von  Neuwied.  Jupella  an 
der  Maas  im  Haspengau.  Kalbe,  Calua.  Kaufun  gen,  Capungum,  Con- 
funga,  Cauffunga.  Kaiserstuhl,  Keyserstul,  Kaiserstuol.  Solum  Caesaris  in 
pago  Turichgowe.  Kaiserslautern,  Lutra  Caesarea.  Kirch  heim,  Kiriehheim, 
Chirichheim  im  Elsafs  bei  Molsheim.  Kreuznach,  Cruciniacum.  Laden  - 
bürg,  Lobedenburg,  Loboduna.  Longolare,  Longolano,  Langlar  in  den 
Ardennen,  hängt  vermutlieh  mit  dem  Orte  Glare  beim  St.  Hubertuskloster  zu- 
sammen. Lastinaua  in  der  Nähe  des  Rheins  unterhalb  Hohenems.  Mag- 
deburg, Magadaburg.  Marlen,  Marelega,  Marilegium  im  Unterelsa fs.  M e min- 
ie ben,  Imileba,  Imileiba,  Mimileva.  Mersen,  Marsana,  Mama..  Mersun 
unfern  der  unteren  Maas.  Merseburg,  Mersaburc.  Metz,  Mcttis.  Mainz, 
Moguntia.  Mo  fs  bürg,  Mosapureh,  Mosaburc  in  Baiern.  Mühlhausen  an 
der  Unstrut,  Mulhusa,  Mulinhuson.  Nierstein,  Neristen  am  Rhein.  Niem, 
Niemia  bei  Steinheim  in  Westfalen.  Nürnberg,  Norinberc.  Nordhausen, 
Northupen.  Nijmegen,  Noviomagus.  Neuhausen,  Nuhusen  im  Worms- 
gau. Osterm  utinga,  Ostermundinga  in  Baiern  an  der  Salzach.  Oster- 
hofen, Ostrenhofa  in  Baiern  zwischen  der  Vils  und  bar.  Paderborn,  Padra- 
brunna,  Pathalbrunnon.  Palatiolum  an  der  Mosel  unterhalb  Trier.  Pöhlde, 
Palithi,  Poleda.  Potama,  Bodama,  Bödmen  bei  Constanz  am  Bodensee. 
Quedlinburg,  Quidilingaburg.  Rantersdorf,  Randeshoven  am  Inn  bei 
Braunau.  Regens  bürg,  Ratispona,  Regina,  Reganesburg.  Rhens,  Reinse, 
Rense.  Rotweil,  Rotwila,  Rotenwila.  Seit/.,  Salecio,  Salsa,  Saline.  Saal- 
feld,  Salafeldum,  Salvede.  Salz,  Salt,  Saltus  an  der  Fränkischen  Saale. 
Sinzig,  Sentiacum,  Sineieha.  Sologe,  Sologum,  Solagon  in  Schwaben. 
Speier,  Nemetum.  Thionville,  Theodonis  villa,  Diedenhofen.  Schlett- 
stadt,  Seladistatt,  Siedestat,  Selatestad.  Tilleda,  Dullede,  Tuilide.  Tra- 
iectus  ad  Mosam,  Trectis,  Trajeeta,  j.  Mastrieht.  Trier,  Treviri.  Tribur, 
Dribure,  Drehur.  Überlingen,  überlinga.  Ulm,  Ulma.  Walhausen. 
Walbeck,  Walbiehi  bei  Mansfeld.  Weiblingen,  Weiblinga.  Werla, 
Werlaon,  Werliz  nördlich  von  Goslar.  Weilburg,  Wilinaburg  an  der  Lahn. 
W  ü  r zb u rg ,  Wirciburgum.  W  o  rm  s ,  Worniatia.  Zürich,  Thuregum,  Turi- 
cinium. 

85.  Landwirtschaft.  Die  Veränderungen ,  die  nach  der  Völker- 
wanderung in  den  landwirtschaftliehen  Verhältnissen  eintraten,  waren 
durch  innere  und  äufsere  Umstände  hervorgerufen  worden.    Die  fort- 


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85.  Undwirtschaft. 


201 


gesetzte  Berührung  mit  anderen  Völkern,  das  Übergreifen  des  Franken- 
reiches  auf  die  Nachbarländer  hatte  die  Einführung  neuer  Kulturpflanzen 
in  Mitteleuropa  zur  Folge.  Erst  im  VIII.  Jh.  scheint  der  Weizenbau 
von  Gallien  her  weiter  nach  O.  ausgebreitet  worden  zu  sein ,  und  im 
VIII.  Jh.  wird  des  Speltes  und  erst  im  IX.  Jh.  des  Roggens  in  den 
Quellenschriften  gedacht.  Nicht  minder  waren  in  der  Organisation  des 
landwirtschaftlichen  Betriebes  Veränderungen  vor  sich  gegangen,  und 
die  Erfahrung  hatte  zu  einer  systematischen  Regelung  geführt.  Die 
Erzeugung  der  Brotfrucht  und  des  Viehfutters  bildete  wie  heute, 
so  auch  damals  das  Ziel  aller  landwirtschaftlichen  Tätigkeit;  Ackerbau 
und  Viehzucht  stehen  in  engen  Beziehungen  zueinander  und  ergänzen 
sich.  Abgesehen  von  den  Produkten  der  Viehzucht  selbst  (Fleisch,  Milch, 
Leder),  die  den  Menschen  unmittelbar  zugute  kommen ,  erfährt  auch 
der  Ackerbau  durch  die  Viehzucht  eine  Stütze:  der  Betrieb  desselben 
mit  Hilfe  des  Viehes,  die  Gewinnung  von  Dung  und  schliefslich  die 
durch  die  Viehzucht  ermöglichte  Nutzbarmachung  des  Bodens  in  Zeiten 
seiner  Erschöpfung.  Es  war  daher  naheliegend,  beiden  Zweigen  der 
Landwirtschaft,  wo  es  anging,  die  gleiche  Berücksichtigung  zuteil 
werden  zu  lassen,  und  diese  Rücksicht  kam  in  der  Verteilung  des 
Bodens  für  Ackerbau  und  Viehzucht  zum  Ausdruck.  Zwei  Betriebs- 
formen haben  schon  damals  bestanden:  die  Fei  der  wir  tschaft  und 
die  Wechsel-  oder  Feld  gras  Wirtschaft.  Die  erstere  scheint  die 
ursprüngliche  Form  gewesen  zu  sein ,  die  darin  bestand ,  dafs  ein 
bestimmter  Teil  der  Feldfläche  dauernd  und  ausschliefslich  für  die 
Getreideproduktion  und  der  andere  Teil  ständig  für  die  Futterproduktion 
verwendet  wurde.  In  Gegenden  mit  fruchtbarem  Boden  und  in  günstiger 
klimatischer  Lage  war  diese  Form  auch  die  zweckmäfsigste.  In  Gebirgen 
dagegen  liefs  die  Bodenbeschaffenheit,  das  Klima  und  die  Terrainbildung 
diese  Wirtschaftsform  weniger  geeignet  erscheinen  und  der  Getreidebau 
lieferte  nur  zeitweise  Erträge.  Man  benutzte  daher  das  Land  wechsel- 
weise bald  für  die  Körner-,  bald  für  die  Grasproduktion  und  dehnte 
diese  wechselweise  Nutzung  auf  ein  oder  mehrere  Jahre  aus.  Diese 
Feldgraswirtschaft  empfahl  sich  schon  aus  dem  Grunde  mehr,  weil  der 
ohnedies  gehaltarme  Gebirgsboden  durch  den  Graswuchs  eine  Zufuhr 
von  humösen  Bestandteilen  erfuhr  (v.  d.  Goltz.)  Aber  nicht  nur  im 
Gebirge,  auch  in  der  Niederung  war  diese  Betriebsform  aus  verschiedenen 
Gründen,  besonders  bei  sehr  feuchtem  Boden,  die  angemessenere.  Wo 
der  Boden  infolge  eines  hohen  Grundwasserstandes  dauernd  zu  feucht 
war  (wie  besonders  in  den  Marschengegenden),  griff  mehr  die  Form  der 
Weidewirtschaft  Platz,  die  in  einer  ausscbliefslichen  Benutzung  des 
Bodens  als  Weide-  oder  Wiesenland  bestand,  während  nur  ein  geringer, 
günstiger  beanlagter  Teil  der  Ackerkultur  diente.  Auch  in  den  Alpen 
wurde  oft  nur  Weidewirtschaft  betrieben,  wo  Feldgraswirtschaft  erschwert 
war.  —  War  die  Möglichkeit  der  ausschliefslichen  Benutzung  eines  Land- 
stückes für  den  Ackerbau  gegeben,  so  liefs  es  die  Rücksicht  auf  einen 
höheren  Ertrag  ratsam  erscheinen,  die  einzelnen  Teile  des  Feldes  nicht 
immer  mit  derselben  Frucht  zu  bestellen,  sondern  zwischen  den  Früchten 


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202 


V.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1000. 


zu  wechseln.  Diese  Mafsnahme  führte  zur  Dreifelderwirtschaft, 
die  urkundlich  schon  für  das  Jahr  771  nachweisbar  ist.  Wenn  es  sich 
darum  handelte,  verschiedene  Getreidearten  zu  kultivieren,  teilte  man 
das  Land  in  drei  Felder  (Fluren  oder  Zeigen)  ab,  welche  abwechselnd 
mit  Wintergetreide,  Sommergetreide  bestellt  oder  als  Brachland  frei- 
gelassen wurden.  Statt  des  Sommergetreides  konnten  auch  Hülsenfrüchte, 
Rüben  und  Gemüse  angebaut  werden,  schliesslich  auch  Hanf  und  Flachs. 
Dieses  System  hatte  über  ein  Jahrtausend  bestanden,  ehe  es  durch  ein 
anderes  ersetzt  wurde. 

Während  das  landwirtschaftliche  Betriebssystem  der  ersten  Jahrhunderte 
ganz  an  die  keltischen  und  noch  mehr  römischen  Vorbilder,  sich  anlehnte,  trat 
durch  Karl  d.  Gr.  eine  durchgreifende  Reform  ein.    Seine  eigenen  Güter 
bildeten  wahre  Musterwirtschaften,  deren  Verwaltung  er  peinlich  überwachte. 
Von  ihm  rührt  auch  das  älteste  deutsche  Lehrbuch  des  Ackerbaues  her,  das 
Capitulare  de  villis  vel  curtis  imperatork ;  in  MG.  Legum  Sectio  II,  t.  I.  p.  82  ff. 
Vgl.  hierzu  R.  Gar  eis,  Die  Landgüterordnung  Kaiser  Karls  d.  Gr.,  Berlin  1895 
(enthält  Textausgabe  mit  Kommentar).    A.  Thaer,  Verordnung  Karls  d.  Gr. 
über  die  kaiserlichen  Güter  und  Höfe,  in  Fühlings  landwirtschaftl.  Ztg.,  4.  H. 
(1878).    Die  Entstehungszeit  des  Capitulare  scheint  in  den  Anfang  des  IX.  Jh. 
zu  fallen.    Neben  dem  Capitulare  sind  uns  auch  noch  einige  Brevia  oder  Bre- 
viaria  verum  ßscali  um  erhalten  geblieben,  welche  Inventarverzeichnisse  der  Grund- 
stücke, Gebäude,  Höfe,  des  toten  und  lebenden  Inventars  etc.  bilden;  in  den 
MG.  Legum  Sectio  II,  t.  I,  250  ff.  Anton,  Gesch.  d.  t.  Landw.,  gibt  vom  Capi- 
tulare und  den  Brevia  deutsehe  Obersetzungen  mit  Erklärung.  —  Das  Capitulare 
enthält  in  70  Kapiteln  Anweisungen  über  Verwaltung  und  Betrieb  der  Domänen. 
I  ns  interessieren  zunächst  hier  die  Angaben  über  die  bereits  eingeführten 
Kulturgewächse:  von  den  Kömerpflanzen  sind  Weizen,  Roggen  und  Spelt  zu 
nennen,  mit  welchen  das  Winterfeld  besetzt  wurde,  sowie  Gerste  und  Hafer 
für  das  Sommerfeld.  Ferner  wurden  an  Gartenfrüehten  gezogen :  Rüben,  Bohnen, 
Erbsen  und  Linsen,  nach  denen  man  die  betreffenden  Felder  napina,  fabaria, 
pisaria ,  lenticularia  nannte.    Auch  Knoblauch,  Gurken,  Kürbisse,  Zwiebeln, 
Mohn,  Rettiehe,  Kohlrabi,  Karotten  u.  a.  werden  von  den  Küchengewächsen 
genannt;  ferner  als  Ziergewächse  Rosen  und  Lilien,  als  Nutzgewüchse  Flach* 
(Uman),  Waid  (Isatk  tinetoria),  Krapp  (rubia  tinetorum)  zum  Rotfärben,  die  Kar- 
dendistel (cardones)  zum  Aufkratzen  der  Wollfaser  bei  der  Weberei.  Der  Obst- 
garten hatte  durch  Einführung  edlerer  Sorten,  wie  Apfel,  Birnen,  Pflaumen 
und  Kirschen  ebenfalls  eine  Bereicherung  erfahren.    Indessen  war  der  Anbau 
aller  dieser  Gewächse  nicht  allgemein  in  Deutschland  verbreitet  ;  hierfür  kamen 
zunächst  nur  die  Rh  ein  lande  und  Belgien  in  Frage,  wo  auch  Bisehöfe  und 
Klöster  in  der  Kultivierung  des  Landes  sich  betätigten.    Nächst  den  Rhein 
landen  scheinen  in  Schwaben  das  Neckar-  und  Donautal  in  der  Landwirt- 
schaft fortgeschritten  zu  sein,  in  Baiern  das  Land  zwischen  Regensburg  und 
Passau  (der  löl'shedeckte  Dungaboden,  s.  S.  47  f.)  und  ein  Stück  des  Inntals  auf- 
wärts und  in  Franken  die  Umgebung  von  Würzburg,  Bamberg  und  Kichstätt. 
Thüringen  seheint  von   dem  mit  Mainz   verbundenen   Erfurt  Anregung 
empfangen  zu  haben,  während  in  Sachsen  erst  nach  Karl  d.  Gr.  ein  Auf 
sehwung  zu  bemerken  war;  cf.  Langet!)  al  I,  157  f.  —  Was  die  Weinkultur 
anbelangt  (vgl.  S.  154),  so  ist  der  Anbau  für  die  zweite  Hälfte  des  IV.  Jh.  itn 
Moseltale  durch  Ausonius  bezeugt.    Bei  Salvian  werden  die  Trierer  ad  vi  mm 
praevalidissimi  genannt;  cf.  Düntzer,  Bonner  Jahrbb.  II,  9  f.    Überhaupt  zeich 
nete  sieh  nach  Venantius  Fortunatus,  VI.  Jh.,  zuerst  das  Moselland  durch 
Weinkultur  aus,  während  am  Rhein  nur  die  Berge  bei  Andernach  hierfür 
bekannt  waren.    In  der  späteren  Karolingerzeit  war  das  Ahrtal  am  meisten 
bebaut,    am  Rhein  nur  einige  Stellen  in  der  Nähe  der  Römcrkastelle  und 
Pfalzen;  besonders  Coblenz,  Andernach  und  Sinzig  werden  von  Regln o  a.  Sisr> 


85.  Landwirtschaft. 


203 


propter  vini  affluentiam  gerühmt.  An  der  Mosel  war  die  Anlage  von  Wein- 
spalieren immer  von  der  Sonnenanlage  abhängig  gewesen.  Von  der  Bedeutung 
und  Ausdehnung  der  Weinkultur  im  Rheinlande  können  wir  uns  nur  durch 
die  Anzahl  der  genannten  Weinorte  eine  Vorstellung  machen.  Lamprecht, 
Dt.  Wirtschaftsleben  im  Ma.,  I,  505—567,  mit  Belegstellen.  Düntzer,  Der 
Weinbau  im  römischen  Gallien  und  Germanien,  Bonner  Jbb.  II,  9  f.  E.  Pauls, 
Zur  Gesch.  des  Weinbaues,  -handels  und  -Verkehrs  in  der  Aachener  Gegend, 
Z.  d.  Aachener  Gesch.- Ver.  VII,  179  ff.  Lamprecht  (1.  c.  II,  54—56)  gibt  auch 
einen  tabellarischen  Überblick  über  die  genannten  Weinorte  für  die  Jahre  800, 
900,  1000  etc. 

Die  Viehzucht  hatte  sich  in  Germanien  immer  einer  besonderen  Pflege 
erfreut.  Besonders  gilt  dies  von  der  Pferdezucht.  Die  Marschengegenden 
der  Nordseeküste  hatten  schon  bei  den  alten  Chauken  diese  Zucht  begünstigt, 
und  im  Mittelalter  galten  die  Sachsen  gleichfalls  als  gute  Pferdezüchter.  Die 
Zahl  der  Pferde  übertraf  bei  ihnen  die  aller  anderen  Herdentiere.  Im  Heliand 
sind  die  Hirten  Rossehüter.  Karl  legte  ihnen  einmal  einen  Tribut  von  300  Rossen 
auf.  Schon  in  den  alten  Volksrechten  wird  der  Pferde  mehrfach  gedacht,  und 
beachtenswert  sind  die  verschiedenen  Namen  für  die  Pferdegattungen.  Karl 
war  bestrebt,  sie  auf  seinen  Gütern  in  jeder  Weise  zu  heben.  Die  Tiere  wurden 
vorzüglich  zu  Kriegszwecken  verwendet;  cf.  Inama-Sternegg ,  Dt.  Wirtseh.  I, 
418  ff.  Lauffer,  S.  72.  Langethal  1,  61  ff.,  148.  —  Die  Rinderzucht  wurde 
daneben  nicht  vernachlässigt,  wie  die  Leges  beweisen;  besonders  war  bei  den 
Franken  das  Rind  ein  wichtiges  Haustier  und  wurde  vor  den  Wagen  der  vor- 
nehmsten Männer  gespannt,  eine  Sitte,  die  sich  allerdings  bald  verlor.  Grofse 
Rinderwirtschaften  (vaccariae)  waren  aber  nur  zum  geringsten  Teil  vorhanden, 
meist  war  die  Zucht  nur  im  kleinen  Betriebe  verbreitet.  Käse  war  das  wich- 
tigste Produkt,  als  Fleischtier  war  das  Rind  weniger  wichtig  (höchstens  Kalb- 
fleisch). Zu  letzterem  Zweck  dienten  vor  allem  die  Schweine,  deren  Mast 
in  den  Eichen-  und  Buchenwaldungen  stattfand  und  die  man  im  Walde  durch 
sog.  Barken  oder  Schuppen  gegen  die  Witterung  sehützte.  Die  Schafzucht 
war  immer  weniger  bedeutend  gewesen.  Die  Wolle  und  Felle  fanden  Ver- 
wendung, desgleichen  die  Milch  zur  Käsebereitung.  Ziegen  werden  nur  selten 
einmal  genannt.  Karl  hatte  auch  eine  Vorliebe  für  die  Geflügelzucht, 
besondere  Hühner  und  Gänse;  jedes  seiner  Güter  sollte  100  Hühner  und 
30  Gänse  halten,  daneben  auch  Enten,  Tauben,  Pfauen  u.  a.  m.  Zwecks 
Gewinnung  von  Wachs  und  Honig  (als  Surrogat  für  Zucker  und  für  die  Met- 
bereitung) wurde  auch  die  Bienenzucht  nicht  vernachlässigt.  Selbst  die 
Fischerei  fand  ihre  Pflege;  Fischteiche  und  -behälter  hatte  Karl  auf  seinen 
Gütern  anlegen  lassen,  um  den  Hof  zur  Fastenzeit  mit  Fischen  zu  versehen. 

Langethal,  Gesch.  der  teutschen  Landwirtschaft,  Jena  1847,  I,  46  ff., 
61  ff.,  148  n.  Michelsen  und  Neddcrich,  Gesch.  d.  dt.  Landw.,  4.  Aufl., 
Berlin  1 902  (ist  ein  kurzer  Auszug  aus  vorigem).  v.Inama-Sternegg,  Deutsche 
Wirtschaftsgeschichte  I,  passim.  Hanfsen,  Agrarhistorische  Abhandlungen, 
I.  Teil,  1880.  Arnold,  Deutsche  Gesch.,  I.  Bd.  Th.  von  der  Goltz, 
Gesch.  d.  deutsch.  Landwirtschaft,  Stuttg.  1902,1,67—84,  98—116.  Lauffer, 
Das  Landsehaftsbild  Deutschlands  im  Zeitalter  der  Karolinger,  Dissert.  Göttingen 
1896,  S.  63—76.  Lamp recht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  Mittelalter, 
Lpz.  1886,  I,  532  ff.,  543  ff .   Heyne,  D.  deutsche  Nahrungswesen,  Lpz.  1901. 

86.  Wald.  In  dieser  Periode  waren  im  alten  Waldbestande  schon 
erhebliche  Veränderungen  eingetreten,  wenn  auch  die  tiefgreifendsten 
erst  in  der  nachfolgenden  stattfinden  sollten.  Die  zunehmende  Über- 
völkerung führte  immer  entschiedener  zu  einer  expansiven  Wirtschafts- 
form. Der  kultivierbare  und  leicht  zugängliche  Boden  war  besetzt,  und 
der  einzige  Ausweg,  um  neues  Land  zu  gewinnen,  war  der  Eingriff  in 
den  Wald.    Er  erwies  sich  in  jenen  zurückliegenden  Zeiten  als  ein 


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204  V.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1000. 

wirkliches  Kulturhindernis ;  seine  systsinatische  Vernichtung  wurde  als 
ein  Verdienst  angesehen.  Weideland  und  Ackerland  mufsten  ihm  Schritt 
für  Schritt  abgerungen  werden.  —  Die  grofse  Rodeperiode  begann  etwa 
mit  dem  VI.  Jh. ;  zunächst  fanden  Waldlichtungen  nur  in  den  westlichen 
Landschaften  statt,  erst  sehr  viel  später  wurden  auch  die  Wälder  des 
Ostens  in  Angriff  genommen,  und  im  XII.  und  XIII.  Jh.  erreicht  hier 
das  Rodungsverfahren  seinen  Höhepunkt.  Anfangs  war  es  jedem  Mit- 
glied einer  Markgenossenschaft  freigestellt,  nach  Belieben  im  Allmende- 
wald zu  roden.  Indessen  war  diese  Arbeit  eine  viel  zu  beschwerliche, 
als  dafs  sie  ein  einzelner  mit  wenigen  Arbeitskräften  im  grofsen  Stil 
hätte  vornehmen  können;  jedenfalls  können  die  so  geschaffenen  Lich- 
tungen für  Ausdehnung  der  Wohnsitze  und  Erweiterung  der  Feldfluren 
keinen  beträchtlichen  Umfang  gehabt  haben.  Dies  war  erst  seit  dem 
VIII.  Jh.  der  Fall,  als  andere  soziale  Verhältnisse  eingetreten  waren. 
Mit  den  Waldrodungen  gingen  auch  die  Gründungen  von  Ortschaften  Hand 
in  Hand  und  besonders  auch  von  Klöstern:  St.  Gallen,  Weifsenburg, 
Fulda,  Uersfeld,  Lorsch,  Bleidenstadt.  Beachtenswert  sind  die  Verord- 
nungen Karls  d.  Gr.  im  Capitidare  de  villis,  wo  er  im  Art.  36  bestimmt, 
»dafs  unsere  Wälder  und  Forsten  gut  in  acht  genommen  und,  wo  ein 
Platz  zum  Ausroden  ist,  ausgerodet  werden.  Wo  aber  Wälder  sein 
müssen,  da  sollen  sie  nicht  zugeben,  dafs  sie  zu  sehr  behauen  und  ver- 
wüstet werden«.  Ein  sinnloses  Niederschlagen  der  Bäume  wurde  also 
schon  damals  nicht  gutgeheifsen ;  aber  Wald  war  doch  im  Überflufs 
vorhanden,  und  nicht  zum  wenigsten  verstanden  es  die  weltlichen  Grund- 
herren, ihre  Herrschaft  und  ihr  Kulturland  durch  Bifänge  zu  erweitern 
und  nebenbei  auch  noch  den  Klöstern  Schenkungen  zu  machen. 

Trotz  der  vielen  Nachrichten  über  Rodungen,  die  hier  und  da  vor- 
genommen worden  sind,  können  wir  uns  von  der  geographischen  Ver- 
breitung der  Wälder  am  Schlufs  des  X.  Jh.  nur  eine  ungefähre  Vor- 
stellung machen.  Als  sicher  müssen  wir  annehmen,  dafs  die  Gebirge 
zum  weitaus  gröfsten  Teil  noch  immer  schwer  zugängliche  Wildnisse 
waren,  wenn  auch  einzelne  im  westlichen  Kulturbereich  gelegene,  wie 
Ardennen  und  Taunus,  nachweisbar  durchquert  werden  konnten.  Am 
schwächsten  oder  vielmehr  gar  nicht  be waldet  waren  die  Küstengebiete, 
insonderheit  jene  der  Nordsee,  wo  Stürme  und  Sturmfluten  unter  den 
Waldungen  aufgeräumt  haben  müssen;  denn  dafs  solche  ehemals  vor- 
handen waren,  beweisen  die  in  den  Torfmooren  massenhaft  übereinander 
gelagerten  Stämme,  die  sämtlich  nach  einer  Richtung  liegen  und  deren 
W  urzelstöcke  noch  senkrecht  in  dem  darunterliegenden  Sande  stehen. 
In  einem  Torfmoor  bei  Rehorn,  unweit  Oldenburg,  fand  man  Über- 
reste von  alten,  starken  Eichen,  die  von  NO.  nach  SW.  lagen.  Man 
nimmt  an,  dafs  hier  in  dem  alten  Eichenwalde  eine  Sturmflut  eingebrochen 
ist,  und  die  durch  das  stehen  gebliebene  Salzwasser  abgestorbenen  Eichen 
von  einem  Orkane  nachher  gebrochen  worden  sind.  Die  Rodetätigkeit 
hatte  sich  zunächst  dem  Flachlande  und  den  breiten  Tallandschaften 
zugewendet,  in  denen  innerhalb  des  Inundationsterrains  ohnedies  der 
Wald  schon  fehlte;  erst  allmählich  drang  sie  bis  an  den  Fufs  der  höheren 


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86.  Wald.  205 

Berglandschafton  und  in  diese  selbst  vor;  doch  fand  dies  für  die  Mehr- 
zahl der  deutschen  Mittelgebirge  erst  inv  XI.  Jh.  statt. 

Von  einer  eigentlichen  Forstwirtschaft  konnte  in  jenen  Zeiten  noch 
keine  Rede  sein.  Die  Waldnutzung  erstreckte  sich  auf  vier  Dinge:  Holz, 
Viehweide,  Bienenzucht  und  Jagd.  Die  Holznutzung  gestaltete  sich  zu 
einem  regellosen  Plänterbe trieb ,  wobei  für  den  jeweiligen  Zweck  Holz 
nach  Belieben  herausgeschlagen  wurde,  ohne  dafs  man  für  den  Nach- 
wuchs Sorge  trug.  Eine  weit  höhere  Bedeutung  hatte  der  Wald  damals 
als  Viehweide,  speziell  für  die  Schweinemast,  und  die  masttragenden 
Bäume,  wie  Eichen,  Buchen  und  Wildobstbäume  wurden  daher  auch 
besonders  geschützt.  Sie  gehörten  zur  Klasse  der  fruchtbaren  Bäume 
(fructiferi)  im  Gegensatz  zu  den  infructuosi  oder  steriles.  Der  Wert  und 
die  Gröfse  eines  Waldes  wurden  nach  der  Anzahl  der  Sehweine  bemessen, 
die  in  ihm  ihre  Nahrung  finden  konnten.  Zu  den  Waldnebennutzungen 
gehörte  die  Bienenzucht  (Zeidlerei),  deren  Produkte:  Honig  als  Surrogat 
für  Zucker  und  für  die  Metbereitung,  und  Wachs  für  die  Beleuchtung 
namentlich  für  kirchliche  Zwecke  unentbehrlich  waren.  Die  Wichtig- 
keit aller  dieser  Produkte  für  die  damalige  Zeit  lernen  wir  aus  den 
Volksrechten  kennen  und  besonders  gibt  die  Höhe  der  Strafe  für  eine 
mifsbräuch liehe  oder  widerrechtliche  Verwendung  der  Walderzeugnisse 
einen  Mafsstab  für  deren  Wertschätzung  ab.  Dies  erstreckte  sich  nicht 
zum  wenigsten  auf  die  Jagd ,  für  welche  die  deutschen  Könige  und 
Kaiser  von  jeher  eine  Vorliebe  hatten  und  der  sie  einen  besonderen  Schutz 
angedeihen  liefsen.  Dadurch,  dafs  die  königlichen  Forsten  Immunität 
zum  Schutz  des  ausschliefslichen  Jagdrechtes  genossen,  gewann  am  Ende 
des  VIII.  Jh.  das  mittelalterlich-lateinische,  aus  dem  althochdeutschen 
»Forsts:  gebildete  Wort  foresta,  forestis,  forest? ,  welches  bis  dahin  regel- 
mäfsig  den  königlichen  Wald,  zuweilen  auch  den  Wald  eines  Grofsen 
bezeichnet  hatte,  die  Bedeutung  eines  solchen  Waldes,  in  dehi  das  Jagd- 
recht  entweder  dem  Könige  oder  dem  von  ihm  Beliehenen  zustand,  d.  h. 
eines  Bannforstes  (Schwappach).  Die  allmähliche  Ausbreitung  und  Errich- 
tung von  Baunforsten  und  die  hierdurch  modifizierten  Eigentumsver- 
hältnisse an  Wald  und  Jagd  können  hier  nicht  im  einzelnen  erörtert 
werden. 

Von  den  wildlebenden  Tieren  des  Urwaldes  werden  uns  neben 
Schlangen :  Bären  und  Wölfe  genannt,  auf  die  eifrig  Jagd  gemacht  wurde. 
Wölfe  waren  besonders  die  Feinde  der  Herde ,  des  Wildes  und  des 
Schlachtfeldes.  Deshalb  befürwortete  auch  Karl  d.  Gr.  ihre  Tötung, 
die  in  jeder  möglichen  Form  mit  der  Waffe,  Wolfsangeln  oder  Gift  vor- 
genommen wurde.  Ferner  war  das  Schwarzwild  stark  vertreten,  zu 
welchem  man  nicht  nur  die  Wildschweine  rechnete,  sondern  auch  Wild- 
stiere (bison  und  bubalus  der  lex  Alamannorum,  Wisent  und  Ur  des  Nibe- 
lungenliedes) und  Bären  (Roth  S.  75).  Am  geschätztesten  war  das  Edel- 
wild, welches  mit  Pfeil  und  Speer  weidrechtlich  erlegt,  aber  auch  in 
Netzen  und  Schlingen  gefangen  wurde. 

Die  geographische  Verbreitung  der  einzelnen  Baumgattungen  kann 
eine  Veränderung  gegenüber  der  Vorzeit  nicht  erfahren  haben.  Durch 


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206 


V.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1000. 


den  Menschen  war  eine  solche  ausgeschlossen,  da  er  nur  an  der  Ver- 
nichtung des  Waldes  arbeitete,  niemals  aber  für  Neuanpflanzung  sorgte, 
und  ein  durchgreifender  natürlicher  Wechsel  der  Wälder  hat  sich  für 
die  damalige  Zeit  nicht  erweisen  lassen.  Uber  die  Verteilung  der  ein- 
zelnen Baumarten  geben  uns  die  literarischen  Quellen  und  Funde  einigen 
Aufschluls.  Ein  weiteres  wichtiges  Hilfsmittel  bilden  die  Ortsnamen, 
die  überall  an  die  frühere  Bodenbeschaffenheit  erinnern.  Wenn  auch 
ein  grofser  Teil  der  Ortschaften  besonders  im  Osten  erst  in  der  nächsten 
Periode  gegründet  wurde,  so  hat  ihr  Name  für  die  hier  behandelte  Zeit 
rückwirkende  Bedeutung,  denn  der  Baumbestand  hat  sich,  wie  gesagt, 
nicht  geändert.  Abgesehen  von  jenen  Ortsnamen,  die  nur  auf  die  all- 
gemeine Waldbedeckung  hinweisen  und  Verbindungen  mit  -hard,  -hecke, 
-holz,  -borst,  -forst,  -loh,  -strut,  -strauch  und  -busch  bilden,  bieten  die 
mit  speziellen  Baumnamen  zusammengesetzten  einen  Anhalt  für  die 
Art  und  Beschaffenheit  der  Wälder.  Ein  statistischer  Überblick  zeigt 
hier  die  oben  schon  hervorgehobene  Tatsache  der  vorherrschenden  Ver- 
breitung des  Laubholzes  gegenüber  jener  des  Nadolholzes,  während 
heute  das  umgekehrte  Verhältnis  herrscht.  Daher  heute  das  Auftreten  von 
Waldorten,  die  ihren  Namen  von  Eichen  und  Buchen  haben,  in  Gebieten, 
die  ausschliefslich  mit  Kiefern  oder  Tannen  besetzt  sind. 

Der  gewöhnlichste  Ausdruck  für  das  neue  in  Besitz  genommene  und 
vom  Walde  befreite  Land  ist  Bifang  und  die  wörtliche  Übersetzung  Captura; 
ferner  Septum,  das  eingehegte,  verzäunte  Land  im  Gegensatz  zum  blofs 
abgegrenzten;  Ambitus,  schlechthin  der  Umfang  des  okkupierten  Landes; 
Proprisum  und  Comprehensio,  das  Land  mit  Bezug  auf  den  Akt  der 
Besitznahme;  neben  diesen  noch  Haftunga,  Piunta,  Bunda,  Clausura,  Exartum 
u.  a.  m. ;  vgl  Arnold,  S.  255  ff.  —  Die  Schwierigkeit  des  Wälderrodens  erörtert 
Gradmann,  Landschaftsb.,  S.  372;  sind  die  Bäume  durch  die  Axt  oder  durch 
Niederbrennen  beseitigt,  >  dann  beginnt  erst  das  Roden,  d.  h.  das  mühsame 
Ausgraben  der  Stöcke«. 

Über  die  Häufigkeit  der  Namen  von  Orten,  Bergen,  Wäldern  u.  s.  w., 
die  nach  der  dort  vorherrschenden  Baumgattung  genannt  worden  sind,  s.  aufser 
Arnold,  p.  510  ff.  noch  E.  von  Berg,  S.  141  ff.  Es  zeigt  sich  da,  dafs  Buche. 
Eiche  und  Linde  am  häufigsten  bei  Namen  Verwendung  fanden ,  und  zwar 
derartig,  dafs  sie  entweder  allein  als  Name  auftreten  (Buch,  Eich,  Linden,  Uhu) 
oder  in  Verbindung  mit  anderen,  wobei  der  Baumname  teils  am  Anfang,  teils 
am  Ende  steht.  Die  Namen  zeigen  natürlich  mancherlei  Abweichungen,  wie 
Aich,  Aiehen,  Aicha,  Eicha,  Eick  oder  auch  die  Früchte  wurden  zur  Namen- 
bildung herangezogen:  Ecker,  Eck,  Ecken,  Eckern,  Eickel.  Unter  Zugrunde- 
legung von  Rudolfs  Ortslexikon  von  Deutschland  hat  sich  nach  Berg  1.  c. 
ergeben,  dafs  von  6905  Ortsnamen,  die  nach  Bäumen  benannt  wurden,  6115 
auf  Laub  holz  hinweisen  und  790  auf  Nadelwald.  Und  zwar  tritt  die 
Buche  in  den  verschiedenen  Varianten  am  häufigsten  hervor  in  1567  Fällen, 
dann  die  Eiche  1467  mal,  die  Linde  871-,  die  Birke  477-,  die  Erle  (Eller)  279-, 
die  Esche  268-  (fast  nur  in  Norddeutschland),  die  Aspe  (Espe)  47-,  Kirsche  186-, 
Apfel  65-,  Birne  60-,  Hainbuche  27-,  Wallnufs  (Nufs)  118-,  Hasel  361-,  Weide  27-, 
Elbe  62  mal  etc.;  von  Nadelbäumen  dagegen  die  Tanne  469  mal,  Fichte  80-,  Kiefer  70-, 
I^erclie  31-  (nur  in  Süddeutschland),  ferner  auf  Nadelholz  deutend:  Kien  140mal. 
Unter  Berücksichtigung  einzelner  Landschaften  ergibt  sich,  dafs  im  Königreich 
Sachsen  22  Ortsnamen  mit  Tanne  und  Fichte  auftreten,  dagegen  93  mit  Laub- 
holzbezeiehnungcn,  und  doch  ist  das  Laubholz  in  Sachsen  im  Verhältnis  zum 
Nadelholz  heutzutage  minimal  vertreten.    In  der  Provinz  Brandenburg  kennt 


86.  Wald. 


207 


man  139  Orte  mit  Laubholznamen  und  nur  vier  mit  Tanne.  Unter  ersteren  ist 
die  Buche  51  mal,  die  Eiche  20 mal,  die  Linde  43 mal,  die  Birke  23 mal  und 
die  Esche  2  mal  vertreten.  Im  Sehwarzwald  tragen  24  Orte  Laubholznamen, 
nur  vier  heifsen  nach  der  Tanne,  vier  nach  der  Föhre. 

Die  Frage  nach  dem  Vordringen  einzelner  Baumarten  und  dem  Zurück- 
weichen anderer  ist  mehrfach  diskutiert  worden;  bald  sah  man  das  Klima 
und  seine  Änderungen  als  die  primäre  Ursache  an,  bald  glaubte  man  sie  in 
den  ganz  natürlichen  Wachstumsbedingungen  und  -Verhältnissen,  die  unter  den 
Bäumen  im  Kampfe  ums  Dasein  herrsehen,  zu  erkennen  (Hausrath,  S.  628  ff.). 
Das  Auftreten  von  Schichtenkomplexen  verschiedenartiger  Baumarten  über- 
einander in  den  Torfmooren  läfst  sich  z.  T.  wohl  dahin  erklären,  dafs  Baum- 
leichen von  entfernter  liegenden  Gebieten  durch  Flüsse  hineingeschwemmt 
worden  sind.  Auch  für  einzelne  Gebirge  Mitteleuropas  ist  die  Frage  nach  der 
ehemaligen  Beschaffenheit  ihrer  Wälder  näher  erörtert  worden.  Bei  Botanikern 
und  Forstleuten  stand  die  Ansicht  fest,  dafs  Tanne  und  Fichte  in  den  Harz 
erst  vor  500  Jahren  eingeführt  worden  sind,  während  vordem  Birken  und 
Ilaseigebüsch  in  den  höheren,  Buchen  und  Eichen  in  den  niederen  Berglagen 
wuchsen.  Der  Bergbau  machte  die  Einführung  nötig.  E.  Jacobs  (Brocken- 
fragen, in  Harz  Zeitschr.  1878,  442  ff.)  bestreitet  dies  freilich  und  läfst  Tanne 
und  Fichte  von  alters  her  auf  dem  Harz,  besonders  Oberharz  und  Brocken, 
bestehen;  auch  der  Ort  Tanne  komme  schon  1355  vor.  Vgl.  dagegen  seine 
Ausführungen  an  anderer  Stelle  (Geschichtl.  Bemerkungen  über  verschiedene  Holz- 
arten im  Wernigerödischen,  Harz-Zeitschr.  1894,  407  ff.),  nach  denen  die  Buche 
bis  zu  den  höchsten  Teilen  hinaufgereicht  haben  mufs ,  wie  die  Namen  an 
solchen  Stellen  beweisen:  Boke,  Bokeberge,  Buchberg,  Buchhorst  etc.  Auch 
Zanthier  schon  (Sammlung  vermischter  Abhandlungen  über  das  theoretische 
und  praktische  Forstwesen.  Berlin  1778,  2,  118)  wies  nach,  dafs  in  den  Brocken- 
mooren Holzarten  gefunden  wären,  von  denen  gegenwärtig  keine  Spur  mehr 
vorhanden  ist.  Neben  Eichen  und  Kiefern,  wären  Haselnüsse,  die  noch  ihren 
Kern  hatten,  angetroffen  worden,  während  die  Kiefer  jetzt  gar  nicht  dort 
heimisch  ist  und  Hasel  und  Eiche  weit  tiefer  am  Ilar/e  angetroffen  würden. 
In  den  oberharzischen  Schächten  sind  auch  nachweisbar  Birken,  Weiden,  Haseln, 
Quitschen  zur  Grubenzimmerung  oft  verwendet  worden.  Vgl.  von  Berg,  S.  138  ff. 
Alles  spricht  dafür,  dafs  der  Harz  neben  einigem  Nadelholz  doch  weit  mehr 
Laubholz  ehemals  getragen  haben  mufs. 

E.  von  Berg,  Geschichte  der  deutschen  Wälder  bis  zum  Schlüsse  des 
Mittelalters,  Dresden  1871.  Roth,  Gesch.  des  Forst-  und  Jagdwesens  in 
Deutschland,  Berlin  1879,  besonders  S.  46  ff.,  75  f.  A.  Schwapp  ach,  Hand- 
buch der  Forst-  und  Jagdgeschichte  Deutschlands,  I,  Berlin  1886,  S.  31  ff.,  35  ff., 
45  ff.,  56  f.  Arnold,  Ansiedelungen  u.  Wandergn,  deutscher  Stämme,  1881, 
S.  241  ff.,  255  ff.,  493  ff.  Bernhardt,  Gesch.  des  Waldeigentums,  der  Wald- 
un«! Forstwissenschaft  in  Deutschland,  Berlin  1872 — 1875.  Lauffer,  D  Land* 
schaftsbild  Deutschlands  im  Zeitalter  der  Karolinger,  Diss.  Göttingen  189(5, 
S.  77  ff.  E.  Krause,  Beiträge  zur  Verbreitung  der  Kiefer  in  Norddeutschland, 
Englers  Botan.  Jahrb.  XI  (1890).  F.  Höck,  Nadelwaldflora  Norddeutschlands, 
in  Forschungen  z.  deutschen  Land-  und  Volkskunde  VH,  H.  4.  Tscherning, 
Beiträge  zur  Forstgeschichte  Württembergs,  Programm,  Stuttgart  1854.  Grau- 
mann,  Pflanzenleben  der  Schwäbischen  Alb,  Stuttg.  1898.  Christ,  Pflanzen- 
leben der  Schweiz,  1879.  Lamprecht,  Deutsch.  Wirtschaftsleben  I,  93  ff. 
Gerbing,  Die  frühere  Verteilung  von  Laub-  und  Nadelwald  im  Thüringerwald, 
Mitteilgn.  Ver.  f.  Ekde.,  Halle  1900.  Krause,  Die  natürliche  Pflanzendecke 
Norddeutschlands,  Globus  61,  81 — 85.  103 — 108.  Ders. ,  Historisch -geogr. 
Bedeutung  der  Begleitpflanzen  der  Kiefer  in  Norddeutschland,  Ber.  d.  Botan. 
Ges.,  11,  307 — 311.  Ders.,  Deutschlands  ehemalige  Eichenwälder,  Globus  64, 
133 — 136.  Ders.,  Die  Ursache  des  säkularen  Baumwechsels  in  den  Wäldern 
Mitteleuropas,  Naturwiss.  Wochenschr.  6,  493  ff.  Höck,  Mutmafsliche  Gründe 
für  die  Verbreitung  der  Kiefer  und  ihrer  Begleiter  in  Norddeutschland,  Ber.  d. 


208 


V.  Kulturgeographie  um  da«  Jahr  1000. 


Butan.  Ges.  11,  HOU — 402.  Knuth,  Die  Fichte,  ein  ehemaliger  Waldbaum 
Schleswig-Holsteins,  Botan.  Zentralblatt  47,  225  f.  Damköhler,  Die  mann- 
hafte Verbreitung  der  Haselstaude  im  Unterharz  in  früherer  Zeit,  Braunschweig. 
Mag.  4,  110  ff.  K.  von  Berg,  über  das  Verdrängen  der  Laubwälder  im  nördl. 
Deutschland  durch  die  Fichte  und  Kiefer,  1841.  EinHufs  des  Mensehen  auf 
die  Verbreitungsgrenze  der  Nadelhölzer,  Globus  63,  198.  A.  Seidensticker, 
Wald-Metamorphosen  und  bist.  Betrachtungen  über  die  Vertausehung  der  Buche 
mit  der  Fichte  im  hannoverschen  Fürstentum  Calenberg,  Suppl.  z.  Allg.  Forst- 
u.  Jagd-Ztg.  1858.  S.  l  ff.  Gradmann,  Das  mitteleuropäische Land»cnaft8bild 
nach  seiner  geschichtlichen  Entwickelung,  Geogr.  Zeitsch.  VII,  361  ff.,  435  ff.  — 
Mausrath,  Verbreitung  der  wichtigsten  einheimischen  Waldbäume  in  Deutsch- 
land, ibid.  VII,  025  ff. 

87.  Bergbau.  Über  die  Nutzbarmachung  und  Gewinnung  der 
Schätze  des  Erdinneren  liegen  uns  verhältnismäfsig  wenig  Nachrichten 
vor.  Vielfach  sind  wir  auf  Vermutungen  und  Rückschlüsse  angewiesen. 
Es  ist  im  höchsten  Mafso  wahrscheinlich,  dafs  die  Kenntnis  der  einmal 
entdeckten  Salzquellen  auch  während  der  Stürme  der  Völkerwanderung: 
niemals  ganz  erloschen  ist,  auch  wenn  die  Bevölkerung  gewechselt  hat. 
Die  bedeutendsten  Salinen  des  westlichen  und  südlichen  Mitteleuropas 
müssen  seit  ältesten  Zeiten  zur  Salzgewinnung  benatzt  worden  sein;  ja 
für  einige  des  Salzkammergutes  hat  sich,  wie  schon  oben  bemerkt,  sogar 
eine  prähistorische  Ausbeutung  nachweisen  lassen.  Viel  umständlicher 
und  schwieriger  war  die  Förderung  von  Erz,  welches  nur  durch  einen 
regelrechten  Bergbau  gewonnen  werden  konnte.  Waren  die  Vorrich- 
tungen eines  solchen  Bergwerkes  aber  einmal  zerstört,  so  war  eine  Neu- 
einrichtung nicht,  ohne  weiteres  leicht  zu  bewerkstelligen,  und  so  konnte 
es  kommen,  dafs  Erzgruben  mit  ehemals  lebhaftem  Betriebe  über  ein 
Jahrhundert  lang  unberührt  liegen  blieben.  Indessen  hat  man  nicht  mit 
Unrecht  geschlossen,  dafs  die  reichliche  Verwendung  von  Metallen  zu 
Gerätschaften,  Schmuckgegenständen  und  Waffen  in  der  frühmittelalter- 
lichen Zeit  einen  regen  Bergwerksbetrieb,  wenn  auch  primitivster  Art, 
voraussetze,  denn  nicht  alles  kann  auf  Einführung  zurückgeführt  werden. 

Westfranken  war  reich  an  Gold,  aber  arm  an  Silber.  Letzteres 
kommt  in  den  Vogesen  und  dem  Schwarzwald  vor.  Die  Erzgewinnung 
am  Oberrhein  ist  bis  auf  die  römische  Zeit  zurückgeführt  worden.  Im 
Ilagenschiefs walde  bei  Pforzheim  hat  man  Reste  römischen  Bergbaues 
gefunden.  Auch  die  Goldgewinnung  aus  dem  Rheinsande  im  unteren 
Breisgau  geht  in  frühe  Zeiten  zurück. 

Erst  in  der  Karolingerzeit  lichtet  sich  mehr  und  mehr  das  Dunkel, 
und  in  der  sächsischen  Kaiserzeit  gewinnen  wir  einen  Uberbück  über 
die  Stätten,  an  denen  Metall  zu  Tage  gefördert  und  Salz  gesotten  wurde. 

Für  die  Metallgewinnung  bildeten  die  Alpen  noch  immer  das  wich- 
tigste Produktionsgebiet.  Gold,  Silber  und  besonders  Eisen  wurden  in 
den  Ostalpen  geschürft;  Salzburg,  Steiermark,  Tirol  und  die  Schweizer 
Al|ien  werden  uns  urkundlich  hierfür  genannt.  Auch  für  die  Salz- 
gewinnung waren  die  nördlichen  Randgebiete  der  Alpen  von  Bedeutung 
geblieben.  Kaiser  Ludwig  d.  K.  gedenkt  in  einer  Schenkungsurkunde 
an  die  Kirche  von  Salzburg  der  Einkünfte  von  Gold  und  Salz  (908). 


87.  Bergbau.  209 

Otto  I.  bestätigte  940  diese  Schenkung.  Neben  Hallein,  Hallstadt,  Her- 
zogshall nahm  besonders  Reichenhall  eine  hervorragende  Stellung  als 
Salinenort  ein.  Ein  zweites,  nicht  weniger  bedeutendes  Salzrevier  war 
Lothringen,  wo  Vic,  Moyenvic,  Marsal  und  Dieuze,  urkundlich  genannt 
werden.  Auch  im  übrigen  Deutschland  sind  verstreut  liegende  Salinen 
schon  damals  in  Betrieb  gewesen,  wie  Schwäbisch-Hall,  Kissingen,  Nau- 
heim, Salzdahlum,  Werl,  Salzungen,  Salzschlierf,  Lüneburg,  Halle,  auch 
Kolberg  in  Pommern  u.  a. 

Hingegen  wurde  der  Melallreichtum  in  den  weiten  Gebieten  rechts 
des  Rheines  und  nördlich  der  Donau  erst  sehr  viel  später  ausgebeutet. 
Aber  der  Anfang  hierzu  wurde  noch  im  X.  Jh.  gemacht  durch  die  Ent- 
deckung der  reichen  Silberadern  im  Harz,  insonderheit  bei  Goslar. 

Durch  das  Bergwesen  traten  auch  Veränderungen  in  den  Bevölkerungs- 
und Siedelungsverhältnissen  ein.  In  den  Jahren  870 — 948  mufste  durch  Ver- 
bote dein  Verlassen  der  Feldarbeit  und  Zudrang  zu  den  Bergwerken  gesteuert 
werden,  weil  die  Äeker  unbebaut  liegen  blieben.  Klostermann  in  Brasserts 
Z.  f.  Bergrecht,  XIII  (1872),  S.  46. 

Was  die  rechtlichen  Fragen  des  Bergwesens  anbelangt,  die  hier  im  ein- 
zelnen nicht  verfolgt  werden  können,  t>o  neigt  man  allgemein  der  Ansicht  zu, 
dafs  das  Berg-  und  Salzregal  in  der  fränkischen  Zeit  noch  unbekannt  war  und 
in  seinen  ersten  Spuren  erst  im  X.  Jh.  sich  nachweisen  läfst.  Brunn  er,  Dt. 
Rechtsgesch.  n  (1892),  7G.  Arndt,  Zur  Gesch.  und  Theorie  des  Bergregals, 
S.  56  ff.,  209  ff.  v.  Inama,  Dt.  Wirtsch.-Geseh.  II.  331  ff.  Schröder,  Lehrb.  d. 
dt.  R.,  S.  193.  Anders  urteilt  Dahn,  Deutsche  Gesch.,  1888,  I,  2,699.  — 
Zeumer,  Der  begrabene  Schatz  im  Sachsenspiegel,  Mitteilungen  des  Instituts 
für  österreichische  Geschichtsforschung.  Bd.  22. 

Die  Salz  Produktion  war  durch  das  Emporquellen  der  Salzsole  sehr 
erleichtert  Schwierigkeiten  bereitete,  wenn  auch  noch  nicht  damals,  so  doch 
bald  später  das  Feuerungsmaterial,  welches  die  Wälder  liefern  mufsten.  Uber 
die  Betriebsorganisation  der  Salinen  und  die  technische  Einrichtung,  cf.  v.  Inama, 
1.  c.  II,  341  ff.  Der  Salzertrag  mufs  trotz  der  Vielheit  und  Ergiebigkeit  ein- 
zelner Salinen  doch  beschränkt  gewesen  sein  und  kann  unmöglich  alle  deut- 
schen Gaue  versorgt  haben,  da  die  nötigen  Wege  fehlten.  Die  Hallstätten  legten 
höchstens  Depots  an  grofsen  Handelsstrafsen  an.  Die  Verkehrsstrafse  durch 
Sachsen  nach  dem  Südosten  des  Reiches  (Kapit.  805,  LL.  I,  133),  scheint  be- 
sonders dem  Salzverkehr  gedient  zu  haben,  v.  I  n  a  in  a- Stern  egg,  Zur  Ver- 
fassungsgesch.  der  dt.  Salinen  im  Ma.,  in  SB.  Wiener  Akad.  phil.-hist  Kl.,  111 
(1886),  S.  569  ff.  Dasselbe  in  kürzerer  Fassung  in  seiner  deutschen  Wirtschafts- 
geschichte, 1.  c.  • 

Von  den  Salinen  ist  im  einzelnen  noch  zu  bemerken :  Die  Saline  zu  Hall 
am  Inn  wird  im  VIII.  Jh.  genannt  und  stand  damals  mit  dem  Stift  Benedikt- 
beuren in  Verbindung.  Die  grofse  Hallstadt  an  der  Traun  wird  in  der  Stiftungs- 
urkunde von  Kremsmünster  schon  erwähnt  als  salina  major.  Auch  Hall,  süd- 
östlich von  jenem  Ort  (Herzogshall),  gehörte  zu  den  Ausstattungsstücken  des 
Stiftes  durch  Tassilo.  Vgl.  Koch -Sternfeld,  Die  teutschen,  insbesondere 
bayerischen  u.  österreichischen  Salzwerke  im  Mittelalter,  München  1836,  S.  52  f., 
223,  245. 

Am  Ende  des  VI.  Jh.  werden  uns  auch  nähere  Nachrichten  über  die  Salz 
quellen  von  Reichenhall  gegeben.  Herzog  Theodo  von  Baiern  widmet  dem 
Bischof  Rupert  für  das  neu  zu  gründende  Bistum  Salzburg  den  dritten  Teil 
des  grofsen  Salzbrunnens  zu  Reichen  hall  mit  20  Pfannen.  Im  Indiculus 
Antonia  und  den  Breves  notitiae  Salzburg,  wird  dieser  Schenkung  gedacht, 
Diese  Nachricht  läfst  auf  einen  beträchtlichen  Grofsbetrieb  daselbst  zurück- 
schliefsen.  Die  Freigebigkeit  des  Herzogs  läfst  auch  vermuten,  dafs  damals  noch 

Kretjchmer,  Historische  Geographie.  14 


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V.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1000. 


andere  Werke  in  Baiern  in  Betrieb  waren.  Wenn  70  Jahre  später  der  Herzog 
dem  Emmeran  erklärt,  dal«  das  Salz  im  Lande  nur  gerade  für  den  eigenen 
Bedarf  hinreiche,  so  kann  dies  nur  durch  das  Vordringen  der  Slaven  unter 
Samo  in  eben  jener  Zi'it  erklärt  werden,  infolgedessen  der  Betrieb  vorüber- 
gehend stockte.    Vgl.  Koch-Stemfeld,  1.  c.  30  ff.  u.  104  ff. 

In  Lothringen  bildete  das  Flufsgebiet  der  lothringischen  Saale,  Salin, 
heute  Seilte,  mit  seinen  im  Keuper  liegenden  Salzquellen,  den  pagus  SalinemL*. 
Die  dortigen  Quellen  scheinen  schon  den  Römern  bekannt  gewesen  zu  sein. 
Die  ältesten  Salinen  sind  die  von  Vic  (viciis  Bodatius),  in  Urkunden  vor  dem 
VIII.  Jh.  Von  Marsal  (Marsallum)  wird  auch  schon  aus  dem  VIII.  Jh.  gc 
meldet.  709  bestand  dort  eine  vollständige  Saline.  Moyenvic  (medius  vieüsl 
erseheint.  836,  in  Urk.  Ottos  I.  954.  Die  Salinen  von  Dieuze  (Decima,  Thusi, 
werden  893  genannt.  Sie  gehörten  zu  Trier  und  kamen  1025  an  die  Kirche 
ZU  Verdun.  Vgl.  Koch,  Geschieht!.  Entwiekelung  des  Bergbaues  u.  Salinen- 
betriebe«  in  Elsafs-Lothringen,  in  Z.  f.  Bergrecht  XV  (1874),  S.  160  ff. 

Kloster  Lorch  besafs  in  Wisselsheim  (Wizinesheim  in  payo  Weteraba)  bei 
Friedberg  einen  Salinenort  und  auch  sonst  rechts  und  links  des  Rheins  mehren 
Salinen.    Auch  Salzbüten  (Salzbutina),  im  Amt  Weilburg  bei  Gleiberg,  scheint 
seit  dem  VI  II.  Jh.  ein  Salzwerk  gewesen  zu  sein.  Desgleichen  Homburg  v.  d.  H. 
Das  Salzflötz  von  Kreuznach,  über  Dürkheim  zur  Nahe  und  Saar,  wurde  sehen 
im  X.  Jh.  an  verschiedenen  Stellen  nutzbar  gemacht.    Die  Abteien  St.  Lam- 
brecht auf  der  Limburg  und  St,  Martin  oder  Sponheim  waren  hieran  beteiligt. 
Ubstadt  bei  Bruchsal  im  Kraiehgau  (Ubestat)  ist  als  Saline  schon  im  IX.  Jli. 
bekannt;  Schwäbisch -Hall  am   Kocher  seit  dem  X.  Jh.    Die  Salzlager  bei 
Wimpfen  am  Neckar  hatten  dort  zur  Begründung  des  Betersstiftes  geführt 
(ca.  503).     Kissingen  an  der  Fränkischen  Saale  ist  seiner  Quellen  wegen  stet» 
berühmt  gewesen.    Salzseh lierf  war  eine  der  Salinen  des  Stiftes  Fulda.  Audi 
Saalin ünster,  am  Zusammenllufs  von  Kinzig  und  Salza,  war  fuldaisch.  Lüneburg? 
Saline  nahm  damals  im  nördlichen  Deutschland  einen  Rang  ein.    Schon  Ott« > 
d.  Gr.  spricht  dem  Kloster  St.  Michael  daselbst  den  Salzzoll  zu.   Vgl.  besonder? 
Koch-Sternfeld,  S.  78 — 90.  —  Langensalza  scheint  auch  schon  aus  der  Zeit  des 
Bonifaz  zu  stammen.    Nach  Begründung  des  Erzstiftes  Magdeburg  hatten  die 
Erzbischöfe  das  Salzregal  in  Sachsen  (bis  zum  XVIII.  Jh.  noch).    Bei  Halle 
miellen  vier  Salzbrunnen  hervor.    Die  Grafen  von  Wettin  und  das  Erzstift  zu 
Magdeburg  (965)  waren  an  ihnen  beteiligt.     Die  Salzquelle  bei  Giebichenstein 
wird  schon  unter  Otto  1..  965,  urkundlich  erwähnt  (salSUgo);  auch  Otto  II.  be- 
stätigt 973  dem  Erzstift  nochmals  die  Salzwerke.  —  In  der  Gegend  von  Kol 
berg  wurden  Salzquellen  schon  im  X.  Jh.  nutzbar  gemacht.    Thietmar  spricht 
von  einem  praesul  sahae  cirilatis  colbergensis  (a.  1016),  IV,  28,  VII,  52. 

über  die  steirischen  Silber-  und  Eisengruben,  die  salzburgischen  Gold 
minen,  die  tirolischen  und  schweizerischen  Eisenbergbaue  etc.,  vergl.  die  zuge- 
hörigen Citate  bei  Inama-Sternegg,  Dt,  W.  II,  330.  Einen  Markstein  in  der 
Entwiekelung  des  deutschen  Bergbaues  bildet  die  Entdeckung  der  Silberadern 
im  Rammeisberg  bei  Goslar  zur  Zeit  Ottos  I.  »Mit  Ottos  Zeiten  brach  da? 
goldene  Jahrhundert  an.  Es  ward  zuerst  bei  uns  eine  Silberader  entdeckt 
bemerkt  Thietmar  II,  8.  Diese  Nachrieht  ist  Widukind  III,  63  entnommen. 
Erst  spätere  Quellen  verlegen  diese  Entdeckung  fälschlich  bis  in  die  Zeit 
Heinrichs  I.  zurück.  So  zuerst  das  Chron.  Saxonum  bei  Henricus  de  Hcrfordia. 
ed.  Potthast,  p.  74.  Vgl.  Waitz,  Die  angebliche  Entdeckung  der  Metalle  Uli 
Harz  unter  König  Heinrich,  Excurs  15,  in  dessen  Heinrich  L,  S.  238  f. 

88.  Verkehr.  In  der  Zeit  der  Naturalwirtschaft  ist  der  Handel 
ein  beschränkter  gewesen  und  das  Strafsenwesen  war  in  entsprechendem 
Mafse  dürftig  entwickelt.  Gegenstünde  des  Massenverbrauches  hätten 
auf  grofse  Entfernungen  nicht  transportiert  werden  können,  und  so  be- 
schränkte sich  der  Handel  auf  jene  Güter,  von  denen  eine  kleine  Gewiehts- 


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88.  Vorkehr. 


211 


einheit  am  Verkaufsplatze  einen  hohen  Preis  erzielte.  Wenn  die  Karo- 
linger von  Pfalz  zu  Pfalz  zogen  und  bald  hier,  bald  dort  ihr  Hoflager 
hielten,  so  war  hierfür  der  Mangel  genügender  Strafsen,  wie  auch  geeig- 
neter Transportmittel,  um  die  Nahrungsmittel  für  den  gesamten  Hofstaat 
auf  einen  Punkt  zu  konzentrieren,  wesentlich  ausschlaggebend  gewesen. 
Im  Westen  des  Reiches  lagen  die  Strafsenverhältuisse  noch  immerhin 
günstig,  denn  die  Römerstrafsen  waren  auf  Jahrhunderte  noch  die  Träger 
des  Verkehrs;  ihre  solide  Herstellung  sicherte  ihr  langes  Bestehen.  In 
anderen  Landschaften  aber  war  es  mit  Verkehrswegen  sehr  traurig  be- 
stellt, Künstlich  angelegte  Strafsen  gab  es  nur  zum  geringsten  Teil; 
und  doch  hatte  Karl  der  Grufse  den  Stralsenanlagen,  Brückenbauten, 
Kanalprojekten  u.  dgl.  m.  sein  lebhaftes  Interesse  zugewendet.  Die  Strafsen 
wurden  je  nach  der  ihnen  zukommenden  Bedeutung  in  verschiedene 
Kategorien  geteilt;  schon  die  älteren  deutschen  Yolksrechte  enthalten 
Andeutungen  hierüber.  Die  Lex  Bajuwariorum  unterscheidet  via 
publica,  ubi  rex  rel  dux  epreditur,  auch  ria  aequalis  oder  legitima 
genannt,  ferner  via  ctmi  irinalis  oder  pastoralis  und  semita  convicinalis.  Neben 
den  Yizinalwegeu  und  kleinen  Steigen ,  die  nur  mit  der  Nachbar- 
schaft in  Verbindung  standen  und  mehr  nur  eine  lokale  Bedeutung 
beanspruchten,  kommen  hier  die  grolsen  Heer-  und  Landstrafsen  in 
Frage,  die  der  Fürst  benutzte;  es  sind  die  Staatsstrafsen,  die  oft  auch 
als  Königsstrafsen  aufgeführt  werden.  Die  Strafsen  befanden  sich  freilich 
nicht  in  einem  glänzenden  Zustande,  gepflastert  waren  sie  alle  nicht. 
Im  Sommer  verwandelten  sie  sich  in  Staubbetten,  in  der  Regenzeit  in 
einen  Morast ;  für  eine  Wasserabl'ührung  war  gar  nicht  gesorgt  worden. 
Die  Römerstrafsen  werden  deshalb  im  Gegensatz  zu  jenen  auch  mehr- 
mals r  Steii  ist  raison'  genannt;  so  heifst  jene  bei  Siramern  1006:  Stein- 
straza.  —  Der  Verlauf  der  Strafsen  läfst  sich  annähernd  noch  feststellen. 
Grofse  politische  Mittelpunkte,  wie  C'öln,  Trier,  Mainz  u.  a.  bildeten 
gewöhnlich  auch  den  Ausgangs] »unkt  mehrerer  Strafsen.  Mit  der  Aus- 
breitung der  politischen  Macht  nach  O.  zu,  entstanden  neue  Punkte,  die 
dann  auch  Stationen  eines  Verkehrsweges  wurden ;  die  Donaustrafse, 
die  Rednitzstralse,  die  Erfurterstrafse,  die  Westfalen  durchziehende  Magde- 
burger st  rafse,  die  niederell »ische  Strafse  nach  Bardowieck  und  eine  andere, 
die  von  Dorstadt  an  Leck-  und  Kheingabelung  über  Bremen  nach  Ham- 
burg führte.  Einigen  Orten  im  Osten  des  Reiches  war  durch  diesen 
Handelsverkehr  eine  gewisse  Bedeutung  verliehen  worden,  die  die  Grund- 
lage ihrer  damaligen  Blüte  wurde.  Karl  d.  Gr.  hatte  schon  im  Capitular 
von  805  bezüglich  der  Kaufleute,  welche  nach  den  Ländern  der  Slaven 
und  Avaren  reisen  :  verordnet,  dafs  die  Grenzhandelsplätze,  deren  jedem 
ein  Vogt  vorgesetzt  war,  Bardenwich,  Schesla  (Schesel  im  Lüne- 
burgischen), Magdeburg,  Erpisfurt  (Erfurt),  Halagestadt  (Hallstadt 
bei  Bamberg),  Forchheini,  Brianberg,  Regensburg  und  Lorch  sein 
sollten. 

Einen  ausgedehnten  Gebrauch  machte  man  damals  von  den  Wasser- 
strafseu,  die  für  den  Güter-  und  noch  mehr  für  den  Personentransport 
verwendet  wurden.    Freilich  waren  die  Flüsse  nicht  reguliert  und  wo 

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212 


V.  Kulturgoogrnphie  um  das  Jahr  1000. 


Wehre  für  Fisehereizwecke  hergerichtet  worden  waren,  war  dem  Verkehr 
eine  Schranke  gezogen,  und  überdies  nahm  die  Versandung  hierdurch 
rapide  zu.  Wenn  es  anging,  wurde  aber  der  Wasserweg  trotz  der  Um- 
wege, die  er  forderte,  vorgezogen,  besonders  flufsabwärts,  zuweilen  aber 
auch  aufwärts.  Zu  letzterem  Zweck  waren  in  dem  kultivierteren  Westen 
wenigstens  Leinpfade  zum  Aufwärtsziehen  der  Schiffe  angebracht.  Welche 
Bedeutung  man  den  Wasserwegen  beimafs ,  zeigt  der  Versuch  Karls 
d.  Gr.,  Rhein-  und  Donausystem  durch  einen  Kanal  zu  verbinden. 

Die  Benutzung  der  alten  Römerstrafsen  wird  uns  mehrfach  bezeugt.  Karl 
d.  Gr.  zog  auf  einer  .solchen  gegen  Tassilo  (SS.  I,  172).  Die  späteste  Nachricht 
von  einer  Römerstrafse  im  Rheingebiet  ist  von  1151:  der  Verkehr  der  Mönche 
von  Orval  über  S.  Vith  nach  Colli  (Lamprecht,  DW.  II,  240). 

Interessante  Aufschlüsse  über  den  Zustand  der  Strafsen  und  die  Art  des 
Reisens  gibt  uns  die  Translatio  S.  Marcellini  et  Petri  von  Einhard.  Vgl.  hierzu 
Matthaei,  Einhards  Transl.  ss.  Marc,  et  Petri,  in  kulturhistor.  Beziehung, 
Progr.  Gymn.,  Laibach  1884.  Einhard  leitete  die  Überführung  der  Gebeine 
beider  Heiligen  von  Rom  nach  Seligenstadt  im  Odenwald  und  gedenkt  hierbei 
des  mühsamen  Reisens  in  der  Wildnis.  Der  Verkehr  war  immer  mit  grofsem 
Zeitverlust  verbunden.  Wie  wir  aus  Einhards  Briefen  ersehen,  war  die  Reise 
von  Mühlheim  nach  Aachen  eine  sehr  beschwerliche ;  wegen  der  schlechten 
Wege  brauchte  er  hierzu  7  Tage.  In  Regenzeiten  war  der  Verkehr  in  den  Ge- 
birgen fast  ganz  ausgeschlossen.  Als  Einhard  die  Reise  dennoch  wagte,  fand 
er  glücklicherweise  wenig  Morast  fluti  parum),  und  die  Gebirgsbäche  nicht  allzu 
angeschwollen.  Solche  Waldgebirge  waren  immer  wenig  oder  gar  nicht  bewohnt 
und  aus  diesem  Grunde  richtete  man  es  so  ein,  dafs  man  das  Gebirge  mög- 
lichst in  einem  Tage  überstieg.  Von  Wiesbaden  brach  Einhard  deshalb  sehr 
früh  auf  propter  saltum  (Taunus),  qui  eo  loco  contiguus  est,  commodius  transeund-um. 
Eine  Strafse  über  den  Taunus  schildert  er  einmal,  wo  er  sich  mit  seinen 
Knechten  gründlich  verirrt  hatte,  bis  sie  endlich  durch  Nacht  und  Nebel  den 
Weg  fanden,  den  sie  gehen  mufsten.  Diese  via,  qua  Ire  debebant,  war  offenbar 
die  alte  Römerstrafse,  die  von  Kastel  aus  über  Wiesbaden  weiterziehend,  den 
Taunus  überstieg  nach  dem  heutigen  Langensch walbach.  —  Dem  Binnenverkehr 
setzten  die  Flüsse  häufig  ein  Hindernis,  besonders  zur  Zeit  der  Überschwem- 
mungen. Karl  konnte  784  deswegen  nicht  ins  nördliche  Sachsen  vordringen. 
Brücken  waren  nur  wenige  vorhanden;  aber  man  schreckte  auch  vor  Über- 
brückungen grofser  Ströme  nicht  zurück.  Die  berühmteste  war  immer  noch 
die  alte  Römerbrücke  bei  Trier  (Pom  Trevericus).  Auch  die  Rheinbrücke  bei 
Mainz,  die  81.'$  abbrannte,  wurde  als  ein  Wunder  angestaunt.  Bei  Reichenau 
führte  ebenfalls  eine  Brücke  über  den  Rhein.  Über  die  Elbe  wurden  unter 
Karl  zeitweilig  drei  Brücken  geschlagen.  Zwei  im  Jahre  789,  eine  von  diesen 
bei  Magdeburg,  die  dritte  im  Jahre  808  von  Karls  Sohn,  Karl.  Über  die  Donau 
wurden  zweimal  Schiffsbrücken  geschlagen.  Cf.  Lauffer,  S.  53.  Je  weniger 
Brücken  es  gab.  um  so  nichtiger  waren  die  Fähren  (navis  tramvectoria),  so 
bei  Ehrenbreitstein.  Das  Fährgeld  wurde  von  der  Gemeinde  bestritten.  Lam- 
precht II,  244  gibt  als  Beispiel  die  Bestimmungen  hierüber  für  die  Fähre  der 
Abtei  St.  Maria  ad  martyres  über  die  Mosel  unterhalb  Trier. 

Die  Benutzung  der  Wasserstrafsen  zum  Reisen  war  allgemein  üblich. 
Nach  den  Annales  Mettens.  a.  806,  reist  Karl  d.  Gr.  navigio  per  Mosellam  Rhenum 
von  Diedenhofen  nach  Nimwegen.  Besonders  stromabwärts  (secunda  aqua) 
gehende  Schiffe  wurden  gern  benutzt.  So  heilst  es  von  Kaiser  Ludwig  (ann. 
Einh.  819):  deinde  Bingiam  veniens  secunda  aqua  ad  Confluentem  usque  per  Rhenum 
wirigavit.  Ebenso  zu  a.  826:  per  Moenum  fluvium  usque  ad  Franconovurd  secunda 
aqua  navigavit.  Auch  die  Elbe  wurde  gelegentlich  als  Verkehrsweg  benutzt. 
Die  erste  historisch  nachweisbare  Fahrt  auf  ihr  ist  jene  von  805,  wo  die  Flotte 
Karls  von  der  Mündung  bis  Magdeburg  aufwärts  fährt;  und  dann  im  Jahre 


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88.  Verkehr.  213 

'JSl  annal.  Magdeburg.),  wo  die  Strecke  zwischen  Magdeburg  und  Halle  be- 
fahren wird. 

Der  erste  Schiffahrtskanal  in  Europa,    der  freilieh    nicht  fertiggestellt 
werden  konnte,  ist  jener,  von  dem  Einhard  in  den  Annalen  a.  793  berichtet. 
Karl  A  Gr.  war  »von  einigen,  die  die  Sache  zu  verstehen  behaupteten,  über- 
z»ugt  worden,  dafs,  wenn  zwischen  den  Flüssen  Radnntia  und  Alemona  (Rednitz 
und  Altmühl),  ein  schiffbarer  Graben  geführt  würde,  man  ganz  bequem  von 
der  Donau  in  den  Rhein  fahren  könnte,  da  der  eine  von  jenen  Flüssen  in  die 
Donau,  der  andere  in  den  Main  mündet.    Darum  begab  er  sich  sogleich  mit 
hinein  ganzen  Gefolge  in  die  Gegend,  liefs  eine  grofse  Menge  Menschen  dahin 
Kummen  und  den  ganzen  Herbst  hindurch  arbeiten.    Es  wurde  also  zwischen 
kiden  Flüssen  ein  Graben  gezogen,  2000  Schritt  lang  und  300  Fufs  breit; 
jedoch  umsonst.    Denn  bei  dem  anhaltenden  Regen  und  da  das  sumpfige  Erd- 
reich schon  von  Natur  zuviel  Nässe  hatte,  konnte  die  Arbeit  keinen  Halt  und 
Bestand  gewinnen,  sondern  soviel  Erde  bei  Tag  von  den  Schauflern  heraus* 
schafft  wurde,  soviel  setzte  sich  wieder  bei  Nacht,  indem  die  Erde  an  ihre 
alte  Stelle  zurücksank.«    Den  Zweck  des  Kanals  hat  man  in  der  geplanten 
Fortsetzung  des  Avarenkrieges  vermutet,  um  Truppen  und  Lebensmittel  leichter 
nachschaffen  zu  können.    Waitz  läfst  es  zweifelhaft,  ob  es  auf  die  Förderung 
des  Handels  abgesehen  war  oder  zunächst  an  den  Transport  von  Schiffen  zu 
kriegerischen  Zwecken  gedacht   wurde.    Über  die  Richtung  des  Kanals  gibt 
Ekkehard  (SS.  17,  3Ü2)  Aufschlufs:   Vallis  Caroli  Mogni.  quam  intendebat  —  in- 
thwit  apud  villam  qtuie  dicitur  Pubuhaim  (Bubenheim  a.  d.  Altmühl),  et  sie  ad 
etüam  quae  dicitur  Gralien  et  sie  versus  Weizenburch  (Weifsenburg  a.  Rezat).  Bei 
Einhard  wird  die  Rednitz  genannt,  gemeint  ist  einer  ihrer  Oberläufe,  die  Rezat. 
Nach  Riezler  (Gesch.  Baierns  I,  181),  finden  sich  Spuren  des  Kanals  in  der 
angegebenen  Gegend  noch  heute.    Der  heutige  Ludwigskanal  verläuft  in  einer 
nderen  Richtung.    Richter,  Annalen  d.  deutschen  Gesch.  im  Mittelalter, 
1885,  II,  123. 


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VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


89.  Entstehung  des  Territoriums.  Im  XIII.  Jahrhundert  vollzog 
sich  ein  tiefgreifender  Umschwung  in  den  staatsrechtlichen  Verhältnissen, 
dessen  Keime  in  weit  frühere  Zeiten  zurückreichen.  Die  StAmmes- 
herzogtümer  hatten  sich  aufgelöst,  auch  die  alte  Grafschaftsverfassung 
war  durchkrochen  worden,  dio  sonst  von  der  Krono  eingesetzten  und 
auch  wieder  absetzbaren  Reichsbeamten  hatten  ihre  Amtsgewalt  soweit 
zu  befestigen  und  zu  erweitern  vermocht,  dafs  sie  unter  dem  Einflufs 
des  Lehnwesens  als  wirkliche  r Landesherren«  dumini  tetrae  auftreten 
konnten.  Schon  am  Ende  der  Karolingerzeit  hatten  die  Grafen  mehrfach 
Amt  und  Würde  ihren  Nachkommen  zuwenden  oder,  besser  gesagt, 
vererben  können.  Mit  der  Erblichkeit  der  Lehen  wurde  aber  der  Bogriff 
der  Dienstbarkeit  allmählich  verwischt  und  das  dem  Grafen  unterstellte 
Gebiet  als  Eigentum  behandelt,  welches  wie  jede  andere  Sache  auf  die 
Söhne  überging  und  eventuell  auch  unter  diese  aufgeteilt  werden  konnte. 
Der  Gau  als  ehemaliger  Amtssprengel  des  Grafen,  in  welchem  dieser 
seine  Gerichtsbarkeit  ausübte,  hatte  durch  Immunitätsverleihungen  und 
Exemtionen  an  andere  mannigfache  Einbufse  erlitten.  Wiederholte 
Teilungen  und  Zusammenlegungen  führten  nun  zur  Bildung  von  Terri- 
torien, die  sich  in  ihrem  Bestände  mit  dem  einstigen  Gau  nicht  mehr 
deckten,  wie  denn  auch  der  Comes  sich  nicht  mehr  nach  diesem,  sondern 
nach  dem  von  ihm  bewohnten  Schlosse  nannte.  Da  überdies  der  König 
die  ihm  zustehrenden  Hoheitsrechte,  wie  sie  sich  aus  der  unmittelbaren 
Staatsgewalt  ergaben,  nach  und  nach  den  Fürsten  einräumte,  so  bildeten 
sieh  ihre  Machtbefugnisse  zur  sogenannten  Landeshoheit  aus. 

So  hatte  sich  nach  dem  Sturze  Heinrichs  des  Löwen,  der  damals 
ganz  auf  seine  Allodialgüter  beschränkt  wurde,  der  weitumfassende 
weifische  Machtbereich  in  eine  Reihe  kleiner  Territorialstaaten  aufgelöst, 
da  alle  bischöflichen  Kirchen,  die  grofse  Mehrzahl  der  Grafenhäuser,  die 
wendischen  Fürsten  jenseits  der  Elbe,  ja  selbst  einzelne  Städte  die 
Reichsunmittelbarkeit  erlangten. 


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90.  Landgrafschaft  Hessen..  215 

Wenn  aber  bis  dabin  die  Ausbildung  territorialer  Machtvollkommen- 
heit von  Seiten  der  Krone  mehr  nur  geduldet  worden  war,  so  fand  sie 
im  Laufe  des  XIII.  Jh.  eine  rechtliche  Grundlage  durch  die  von  Kaiser 
Friedrich  II.  eingegangene  Confoedtratio  cum  prineipibus  ecclesiasticis  von 
1220  und  das  von  seinem  als  Reichs  verweser  fungierenden  Sohne  Heinrich 
erlassene  statutum  in  favorem  principum  von  1231.  Dieses  Gesetz  ist  von 
entscheidender  Bedeutung  für  die  ganze  weitere  Entwickelung  des  poli- 
tischen Lebens  in  Deutschland  geworden.  Eine  Unzahl  kleiner  Herr- 
schaften erwuchs,  die  nach  wechselvoller  Geschichte  wieder  zu  gröfseren 
sich  zusammenschlössen,  um  von  neuem  geteilt  zu  werden  und  so  fort. 
Es  ist  begreiflich,  dafs  infolge  der  grofsen  territorialen  Zersplitterung 
auch  das  wirtschaftliche  Leben  vielfach  andere  Bahnen  einschlug  und 
somit  die  geographischen  Faktoren  sich  in  sehr  verschiedener  Wirkung 
zeigten. 

Über  die  Herausbildung  <l(.r  Landeshoheit  s.  Schröder,  Lehrb.  d.  dt. 
Reehtsgesch.  $  f>0:  Die  Territorien;  wo  auch  die  weitere  Literatur  über  diesen 
Gegenstand  gegeben  ist;  aus  dieser  seien  noch  genannt:  Waitz  DV.  VII.  302  IT., 
VIII.  415  IT.  Eichhorn,  Dt,  Staats-  u.  Reehtsgesch.  II.  416  IT.,  III,  223  ff. 
von  Daniels,  Handb.  IV,  493  IT.  v.  Below,  Territorium  und  Stadt.  München  11)00. 

Der  Begriff  des  Territoriums  deckt  sieh  aber  nicht  vollständig  mit  dem 
eines  modernen  Staates.  Vor  allem  war  das  Territoriuni  kein  geschlossenes 
Gebiet,  wenn  auch  der  Landesherr  sich  alle  Mühe  gab,  es  zu  einem  solchen  zu 
machen.  Anfangs  setzte  sich  der  Güterbesitz  der  Herren.  Grafen  etc.  aus 
zerstreut  liegenden  Besitzungen  und  Gerechtsamen  zusammen,  aus  Geriehtslehen, 
Vogteien,  Schlössern  nebst  ihrem  Zubehör,  Gehöften.  Gefällen  u.  a.  m.  Erst 
nach  und  nach  vermochten  sie  die  Lücken  auszufüllen  und  ihr  Gebiet  zu 
arrondieren.  Trotzdem  blieben  in  dem  Bezirke  des  Dynasten  bei  den  ver- 
wickelten Rechtsverhältnissen  immer  noch  Gebiete  übrig,  die  nicht  seiner 
Landeshoheit  unterwürfen  waren.  Diese  schwankenden,  nicht  genau  bestimmten 
und  vielfach  durchbrochenen  Herrschaftsverhältnisse  gestatten  auch  keine  klare 
Vorstellung  von  einem  Territoriuni.  keine  Bestimmtheit  der  Grenzen,  wo  es 
anlangt  und  wo  es  aufhört.  Auch  unsere  modernen  Kartendarstellungen  der 
damaligen  politischen  Einteilung  dürfen  daher  nur  als  stark  generalisierte 
Schemata  angesehen  werden.  —  Selbst  die  Bezeichnung  des  Territoriums  ergab 
sieh  anfänglich  nicht  ohne  weiteres  aus  der  Rangstellung  ihres  Besitzers.  Die 
Grafen  benannten  sieh  nach  ihrer  Stammburg  und  der  Käme  der  Burg  wurde 
schliefslich  auf  das  Territoriuni  übertragen;  indessen  die  Übertragung  des 
Besitzertitels  auf  das  Land  war  nicht  eine  selbstverständliche  Mafsnahme.  So 
gab  es  bis  zum  XIII.  .Jh.  wohl  ein  Territorium  der  Grafen  von  Wirteniberg, 
aber  noch  keine  eigentliche  >  G  ra f Schaf t«  Wirteniberg  selbst.  Solche  Bezeich- 
nungen traten  erst  ein,  wenn  ein  genügender  Zusammcnschlufs  der  verschiedenen 
Territorialstiicke  erfolgt  war.  So  hat  es  auch  niemals  eine  Grafschaft  Calw 
gegeben,  weil  die  Grafen  dieses  Namens  bereits  zu  einer  Zeit  ausgestorben 
waren,  als  die  Übertragung  des  Besitzertitels  auf  das  Land  noch  nicht  allgemein 
durchgeführt  war.  Selbst  für  das  Ende  des  XIV.  Jh.  ist  dies  noch  nicht  durch- 
gehend* der  Fall.  Wenn  hier  im  folgenden  solche  Territorien  gleichwohl  als 
Grafschaften,  Fürstentümer  etc.  aufgeführt  werden,  so  geschieht  es  nur  der 
Kürze  halber.    Vgl.  hierzu  Stalin,  Wirtembg.  Gesch.  II,  652. 

90.  Laildgrafschaft  Hessen.  In  dem  Hessenlande  an  der  oberen 
Eder  und  Lahn  war  das  Grafengeschlecht  der  Gisonen  emporgekommen. 
Giso  IV.  war  vom  Erzbistum  Mainz  mit  der  Grafschaft  Maden  oder 
Gudensberg  belehnt  worden.    Nach  seinem  1122  erfolgten  Tode  gingen 


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216  VT  Politische  Geographie  uiu  das  Jahr  1375. 

seine  reichen  Alloden,  wie  auch  die  Lehnsgüter  seine*  Hauses  an  seine 
einzige  Tochter  Hedwig  über,  die  dieses  Erbteil  ihrem  Gemahl,  dem 
Landgrafen  Ludwig  I.  von  Thüringen  zubrachte.  Bis  1247  waren  Hessen 
und  Thüringen  zu  einem  Lande  vereinigt  und  nur  zeitweise  durch  Erb- 
schaft getrennt  gewesen.  Mit  dem  Aussterben  des  Mannesstammes  der 
Thüringer  (Heinrich  Raspe,  t  1247)  trat  wieder  die  Trennung  beider  Länder 
ein.  Sophie,  die  Tochter  Ludwigs  IV.  von  Thüringen  und  der  heiligen 
Elisabeth,  war  an  Herzog  Heinrich  von  Brabant  vermählt;  sie  wufste  es 
für  ihren  Sohn  Heinrich  I.,  *das  Kind  von  Hessen  genannt,  nach  einem 
jahrelangen  Erbfolgestreit  durchzusetzen  (1264),  dals  ihrem  Sohne  die 
hessischen  Lehen  verblieben,  die  damals  noch  durch  einige  Stücke  ver- 
größert wurden.  Heinrich  I.  wurde  dann  1292  durch  Adolf  von  Nassau 
in  den  Stand  der  Reichsfürsten  erhoben.  Er  erwarb  Giefsen  und  Gebiets- 
teile im  Norden  seines  Landes.  Unter  seinen  Söhnen  wurde  es  1308  geteilt, 
indem  Otto  I.  (1308 — 1328)  Ober h essen  mit  Marburg  erhielt,  Johann  I. 
(f  1311)  Niederhessen  mit  Kassel;  doch  war  nach  dem  Tode  des 
letzteren  alles  wieder  in  einer  Hand  vereinigt.  Ottos  Sohn,  Heinrich  II. 
(1328—1377),  gewann  noch  Treffurt,  Teile  der  Herrschaft  Itter  und 
Spangenberg.  1373  wurde  ihm  von  Kaiser  Karl  IV.  die  Landgrafschaft 
Hessen  als  Reichslehen  übertragen. 

Das  Kernstück  des  Hcssenlandes,  der  Fränkische  und  Sächsische  Hessen- 
gau und  Oberlahngau,  die  ehedem  in  der  Hand  Herzog  Konrads,  des  späteren 
Königs,  und  seines  Bruders  Eberhard  vereinigt  waren,  hatte  sich  in  mehrere 
Grafschaften  aulgelöst.  —  Die  Grafschaft  des  Fränkischen  Hessengaues,  die 
den  Ausgangspunkt  der  weiteren  Entwickelung  bildete,  wurde  auch  nach  dem 
alten  Sitz  des  Gaugerichtes  die  (Trafschaft  Maden  genannt.  Neben  Maden  lag 
die  Burg  Gudensberg  (westlich  von  Kassel.,  die  gleichfalls  als  Name  der 
Grafschaft  Verwendung  fand.  Nach  der  Vereinigung  mit  Thüringen  nannte 
sich  Ludwig  I.  noch  Graf  von  Gudensberg;  sein  Sohn  Heinrich  Raspe  IL: 
Graf  von  Hessen  und  Graf  von  Gudensberg.  Rommel,  Gesch.  v.  Hessen. 
1820,  I,  204,  231,  über  Maden  speziell  ibid.  I,  Anmkgn.  S.  19  f.  Soldan. 
Gesch.  d.  Grofshzgt.  Hessen,  1896,  S.  27  IT.  Nach  Beendigung  des  hessisch- 
thüringischen  Erbfolgestreites  setzte  sich  Sophie  zunächst  mit  «lein  Erzbischof 
von  Mainz  dahin  auseinander  (1263),  dafs  dieser  die  Grafschaft  Hessen,  die 
Städte  und  Schlösser  Grünberg  und  Franken berg  an  der  Eder,  sowie  einige 
Vogteien  und  Patronatsrechte  ihr  und  ihrem  Sohne  zusprach.  Grün  berg  und 
Frankenberg  wurden  als  Lehen  von  Mainz  entgegengenommen.  1264  einigt«' 
sie  sich  mit  dem  Markgrafen  von  Meilsen.  Sie  erhielt  die  Landschaft  an 
der  Werra  mit  den  Städten  Witzenhausen,  Allendorf,  Eschwege,  Wanfried 
und  Sontra.  Über  letzteres  Gebiet  vgl.  besonders  Rommel  I,  Anmkgn.  S.  22. 
Das  Land  um  Giefsen,  ehemals  im  Besitz  der  Grafen  von  Gleiberg,  war  durch 
Heirat  an  die  Grafen  von  Tübingen  gekommen.  1265  erwarb  es  Heinrich  f., 
der  sich  nun  Herr  von  Giefsen  oder  »zu  den  Giefsen  nannte.  Eine  Urkunde 
fehlt.  Näheres  bei  Rommel  II,  59  und  Anmkgn.  S.  45  f.  Burg  und  Gerieht 
Schart  en  berg,  unweit  Zierenberg  (westlich  von  Kassel),  erwarb  er  1294, 
Schlofs  und  Gebiet  von  Grebenstein  (im  N.  von  Kassel)  1297  durch  Kauf 
von  Otto  von  Eberstein  (Rommel  II.  74  f.).  Schon  1293  hatte  er  Schlofs 
Bilstein  (Beilstein)  vom  westfälischen  Landmarschall  Otto  von  Bilstein  zu 
Lehen  aufgetragen  erhalten.  Von  Konrad  von  Schonenberg  kaufte  er  1305 
das  Schlofs  Trendelburg  an  der  Diemel  und  einen  Anteil  am  Reinhards 
Wald  (Rommel  II,  8<>). 

Landgraf  Heinrich  II.  erwarb  1347  Stadt  und  Gebiet  von  Spangen - 
berg  durch  Kauf,  und  vereinte  so  mit  Hessen  das  ganze  Gebiet  der  Herrschaft 


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91.  GrafBchaft  Ziegenhain. 


217 


Dünwerde.  Rommel  TT,  134  ff.  Im  Verein  mit  dem  Erzbischof  von  Trier  und 
dem  Markgrafen  von  Meilsen  hatte  er  die  alte  Burg  Treffurt  an  der  Werra 
den  räuberischen  Herren  von  Treffurt  (die  übrigens  auch  Spangenberg  liesessen 
hatten)  abgenommen,  und  so  den  dritten  Teil  der  Vogtei  über  die  Burg  erhalten. 
1354  überliefs  ihm  der  Bisehof  von  Paderborn  pfandweise  die  Hälfte  vom 
Reinhardswald,  die  nie  wieder  eingelöst  wurde;  1357  erwarb  Heinrich  die 
Hälfte  der  ITerrsehaft  Ttter,  die  sich  von  der  Burg  Itter  südwärts  über  die 
Eder  bis  in  die  Nähe  von  Frankenberg  erstreckte.  1358  kaufte  er  Schlofs 
Romrod  an  der  Ohm,  in  der  Nähe  des  Vogelsberges  von  einer  der  Töchter 
des  letzten  Herrn  von  Romrod.  Er  legte  ferner  den  Grund  zur  Erwerbung 
Schmalkaldens,  welches  die  Grafen  von  Henneberg  von  den  Landgrafen 
von  Thüringen  erworben  hatten,  als  der  Erbfolgestreit  ausbrach.  Nach  dem 
Aussterben  des  Mannesstammes  der  Henneberger  wurden  die  drei  noch  über- 
lebenden weiblichen  Spröfslinge  des  Grafenhauses  mit  Schmalkalden  belehnt, 
die  ihren  Anteil  ihren  Gatten  zubrachten,  so  die  eine  dem  Burggrafen  Albrecht 
von  Nürnberg:  Burg  und  Stadt  Schmalkalden,  die  Vogtei  von  Herrenbreitungen, 
das  Amt  Brotterode,  einen  Teil  von  Benshausen  und  des  Schlosses  Scharfenberg. 
Albrecht  verkaufte  aber  1360  diesen  Besitz  an  eine  Gräfin  Elisabeth  von 
Henneberg  und  den  Landgrafen  Heinrich  von  Hessen,  welche  das  Land  somit 
gemeinsam  besafsen.  Die  Zwistigkeiten  wegen  dieser  Gemeinschaft  dauerten 
bis  1583,  wo  nach  dem  Tode  Georg  Emsts  von  Henneberg  ganz  Schmalkalden 
hessisch  ward.    Rommel  II,  148,  Anmkg.  S.  110  f. 

Die  Landgrafschaft  Hessen  bestand  damals  aus  zwei  gröfseren 
Gebietsteilen,  die  durch  die  Grafschaft  Ziegenhain  voneinander  getrennt  waren. 
Der  nördliche  umfafste  das  Land  an  der  unteren  Werra,  Fulda  und  Eder  und 
weiterhin  westlich  der  Weser  den  Reinhardswald;  der  südliche  umfafste  das 
Gebiet  der  oberen  Eder  und  Lahn  südwärts  bis  über  Giefsen  hinaus  und  reichte 
östlich  bis  zur  oberen  Fulda. 

Die  obengenannte  Grafschaft  Gleiberg  (Gleifsberg,  Glizberg)  lag  auf 
der  rechten  Seite  der  Lahn  bei  Giefsen  mit  den  Burgen  Gleiberg  (1030  zuerst 
genannt!,  Fetzberg  und  Wedeberg.  Sie  umfafste  die  Ämter  Gleiberg,  Hütten- 
berg, Stoppelberg,  Giefsen  und  Cleeberg.  Die  Enkelin  Wilhelms  von  Gleiberg 
(f  c.  1167  .  Mechthilde,  >ar  an  Pfalzgraf  Rudolf  I.  von  Tübingen  vermählt 
Und  brachte  diesem  einen  Teil  der  Grafschaft  zu,  welcher  als  die  Herrschaft 
(bald  darauf  auch  Grafschaft)  Giefsen  bezeichnet  wurde.  Ruprechts  Enkel, 
Ulrich,  verkaufte  sie  1265  an  Landgrafen  Heinrich  von  Hessen,  während  die 
anderen  Teile  von  Gleiberg  an  die  Merenberger  gefallen  waren.  Alles  Nähere 
bei  Wenek,  Hess.  Landesgesch.  III,  162—242. 

Herrschaft  (Grafschaft)  Merenberg.  Die  Stammburg  liegt  im  Lahn- 
gebiet nordwestlich  von  Weilburg.  Die  Herrschaft  war  sehr  beschränkt  und 
umfafste  nur  die  Orte  Merenberg,  Schelmehausen,  Reichenborn,  Rückershausen, 
Allendorf,  Hasselbach,  Neunkirchen,  Hüblingen,  über  welche  die  Herren  von 
Merenberg  aber  keine  gräflichen  Rechte  hatten.  Der  erste  Herr  dieses  Namens 
kommt  1129  vor.  Hartrad  II.  (1141—1189)  hatte  Irmgard  von  Gleiberg 
geheiratet  und  durch  sie  die  andere  Hälfte  der  Herrschaft  Gleiberg  erworben: 
die  Ämter  Gleiberg  mit  der  Burg  und  Hüttenberg.  Seitdem  nennen  sie  sich 
Grafen  von  Merenberg.  Mit  Hartrad  VI.  sterben  sie  1328  aus  und  die  Erb- 
tochter Gertrud  bringt  Gleiberg  ihrem  Gemahl  Johann  von  Nassau  (Walramsche 
Linie)  zu.    Im  übrigen  vgl.  Wenek,  Hess.  Landesg.  III,  276  ff. 

91.  Grafschaft  Ziegenhain.  Mitten  in  Hessen  zu  beiden  Seiten 
der  Schwalm  hatten  die  Herren  von  Ziegenhain  Fufa  gefafst,  die  unter 
Lehen  und  Schutz  von  Uersfeld  und  später  Fulda  standen.  Als  sie  selbst 
Schirmvögte  von  Fulda  wurden,  führten  sie  den  Grafentitel.  Nach  dem 
Aussterben  der  Grafen  von  Nidda  in  der  Wetterau  erwarben  sie 
deren  Gebiet  (c.  120(>),  vermutlich  durch  Heirat. 


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218  VI.  Politische  Geographie  um  da»  Jahr  1375. 

Von  dem  Stifte  Hersfeld  trugen  die  Grafen :  Ziegenhain ,  Treisa ,  Neu- 
kirchen,  Schwarzenborn  und  die  Dörfer  an  der  Schwalm  zu  Lehen.  Ihre  Be- 
sitzungen reichten  aueh  westlich  der  Schwalm  von  Jesberg  nordlich  bis  über 
Haina  und  Wildungen.  Als  sie  die  Schirmvogtei  von  Fulda  erhielten,  bekamen 
sie  einen  Teil  des  Amtes  Oberaula  (westl.  von  Uersfeld)  und  Rauschenberg. 
Auch  Stauffenberg  (nordöstl.  von  Giefsen)  begaben  sie.  Vgl.  Rommel,  Gesell, 
v.  Hess.  I,  127,  207  f.,  317  f.,  Anmkgn.  S.  151. 

Die  Grafschaft  Nidda  umfafste  die  späteren  Ämter  Nidda  am  SW- 
Abhang  des  Vogelsberges,  Bingenheim  und  Lifsberg.  Lifsberg  oder  Liebesberg 
a.  d.  Nidder  hatte  aufserdem  seine  eigene  Herren.  Nach  dem  Aussterben  dieser 
fiel  es  an  Nidda;  s.  hierüber  später.    Rommel  1,  317,  Anm.  251. 

92.  Grafschaft  Nassau.  Die  Anfänge  des  Grafenhauses  sind  sehr 
wenig  bekannt;  auch  über  die  ältesten  Besitzungen  und  Stammburgen 
ist  man  im  unklaren.  1093  wird  zuerst  ein  Graf  Dudo  von  Laurenburg 
in  der  alten  Esterau  genannt,  der  ein  Nachkomme  Drutwins  I.  auf  dem 
Einrich  gewesen  sein  soll.  Im  Anfang  des  XII.  Jh.  erstand  erst  an  den 
Ufern  der  Lahn  die  neue  Burg  Nassau,  welche  seit  Mitte  des  Jahr- 
hunderts Hauptsitz  des  Geschlechtes  ward,  und  nach  welcher  sich  dieses 
auch  fortan  benannte.  Unter  Graf  Heinrich  II.  (f  1247)  hatte  der  Land- 
besitz bereits  eine  beträchtliche  Ausdehnung  von  Wiesbaden  bis  nordwärts 
über  die  Sieg  hinaus.  Unter  seinen  Söhnen,  welche  die  Stifter  zweier 
neuer  Linien  wurden,  fand  eine  Teilung  des  Landes  statt.  Die  Lahn 
bildete  die  Grenze  zwischen  Walrams  Gebiet  südlich  und  Ottos  Gebiet 
nördlich  von  ihr.  Beide  Linien  spalteten  sich  späterhin  nochmals,  wo- 
durch auch  Landesteilungen  veranlafst  wurden,  in  der  Walramschen 
Linie  um  135"),  in  der  Ottonischen  Linie  im  Jahre  1328  und  1341. 

Den  Ursprung  des  Grafenhauses  und  seine  ersten  Besitzungen  untersucht 
eingehend  Schliephake,  Geschichte  von  Nassau,  Wiesbaden  1866,  1.  84  ff. 
Eine  der  Stammburgen  des  Geschlechtes  ist  die  Laurenburg  in  der  alten  Esterau 
an  der  Lahn,  wo  der  Hurbach  einmündet,  nach  welcher  sich  die  Grafen  an- 
fangs benannten.  Die  Burg  Nassau  an  der  Lahn  selbst  wird  erst  um  1101 
durch  Drutwin  und  Dudo  gegründet.  Der  Nachfolger  Ruprecht  II.  erscheint 
1158  zum  letztenmal  als  Graf  von  Laurenburg,  1160  dagegen  als  Graf  von  Nassau. 
Vgl.  Schliephake  1.  c.  I,  161.  Vogel,  Beschreibung  v.  Nassau.  Wiesb.  1843, 
S.  297 — 301.  Zum  Schutze  ihres  kleinen  Besitztums  und  der  Neuerwerbungen 
bei  Nassau,  Weilburg  u.  a.  hatten  die  Grafen  gleich  anfangs  mehrere  Burgen 
errichtet,  so  die  Burg  Freien f eis  an  der  Einmündung  des  Weilbachs  in  die 
Weil;  die  Dillen  bürg  auf  hoher  Bergkuppe  an  der  Dill  gegen  che  Dynasten 
von  Merenberg;  in  der  Nähe  des  Ederursprunges  die  Burg  Ginsberg,  in  der 
Nähe  von  Wiesbaden  die  Burg  Sonnenberg. 

Die  Teilung  des  Landes  zwischen  Walram  und  Otto  vom  17.  Dezember  1255 
gibt  einen  Cberbliek  über  den  damaligen  Besitzstand. 

Wal  ra in  s  Landesteil  bestand  aus  der  Herrschaft  Wiesbaden,  aus  der  Vogtei 
Bleidenstat,  der  Herrschaft  Idstein  und  Vogtei  Weilburg.  Ottos  Anteil  be- 
stand aus  den  Gerichten  Herbora  mit  Dillenburg,  ferner  Tringenstein,  Driedorf, 
Marienberg,  Neukirch,  Emmeriehenbain ,  dem  Calenberger  Gent  mit  Heinum 
und  Mengerskirchen,  dem  Siegerland,  Gerechtsamen  in  den  Gerichten  Ebers- 
bach. Haiger  und  den  Viereenten,  der  Vogtei  Dietkirchen,  der  halben  Vogtei 
Ems.  Gemeinsam  waren  beiden  Nassau  mit  Nassau,  Stein,  Homberg,  Scheuern 
etc.,  die  Vogtei  Schönau  und  die  Grundherrlichkeit  Miehlen  mit  Miehlen  und 
dem  Kloster  Afholderbach.  Ferner  noch  gemeinsam  mit  den  (trafen  von  Diez: 
die  Esterau  mit  Esten,  der  Laurenburg,  Langenscheid  etc.  und  gemeinsam  mit 


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92.  Herrschaft  Falkenstein.  219 

den  Grafen  von  Katzenelnbogen :  das  Vierherrengericht  auf  dem  Einrieh ;  letzterer 
war  1158  gemeinsam  dem  Reinbold  von  Isenburg  abgekauft  worden.  Der 
Distrikt  umfafste  29  Dörfer.  Vogel,  Besehreibung  des  Herzogtums  Nassau, 
1843.  S.  318  f.,  224,  wo  sämtliehe  zugehörigen  Orte  aufgeführt  sind.  Schliep- 
hake.  1,  c.  1,  462  ff.  und  II,  40—69,  wo  der  Walramsehe  Anteil  geogmphiseh 
sehr  ausführlich  geschildert  ist. 

Der  Landanteil  Walrams  wurde  durch  seine  Nachfolger  nicht  unbeträchtlich 
vermehrt.  Graf  Adolf  (seit  1292  König)  erwarb  Weilburg,  welches  bis  1294 
von  Worms  an  Nassau  verpfändet  war,  endgültig  durch  Kauf.  Unter  Graf 
Gerlach  (f  1361)  kam  1326  die  Herrschaft  Neuweilnau  hinzu;  1317  die  Burg 
und  Stadt  Katzenelnbogen  mit  allem  Zubehör;  1328  (he  Herrschaften  Meren- 
berg und  Gleiberg  nach  dem  Tode  des  letzten  Herrn  daselbst,  dessen  Tochter 
Gertrud  an  Gerlaehs  Sohn,  Johann  I.,  1333,  vermählt  wurde.  —  Unter  Gerlachs 
Söhnen  fand  1355  eine  abermalige  Teilung  der  Walramschen  Linie  in  zwei 
neue  Linien  statt,  die  Alte  Idsteiner  und  Alte  Weilburger  Linie,  die  250  Jahre 
lang  bestanden.  Adolf  1.  (f  1370)  erhielt  hierbei  Idstein,  Wiesbaden,  Katzeneln- 
bogen, die  Höfe  Neuhof  und  Wisborn  und  den  Zoll  zu  Esch.  Johann  (t  1371) 
erhielt  Weilburg,  Neuweilnau,  beide  an  der  Weil  gelegen,  Freienfels,  Greven- 
haus, den  Nassauschen  Anteil  an  Cleberg,  die  Cente  Bleidenstat  mit  Wehen 
und  einigen  Dörfern.  Gemeinschaftlich  blieben:  Burg  und  Dorf  Miehlen, 
die  Vogtei  Schönau,  das  Dorf  Retterd,  der  Wald  »die  Höhe«  zwischen  der 
CrüfTtel  und  der  Waldaffe,  der  Zoll  zu  Wiesbaden,  der  Walramische  Anteil  an 
Nassau,  Laurenburg  mit  der  Esterau  und  dem  Vierherrengericht  auf  dein 
Einrieb.  Vgl.  Vogel,  1.  c  327.  Sehliephake,  1.  c.  V,  3—7.  VI,  59. 
Durch  seine  Gemahlin  erwarb  Johann  die  eine  Hälfte  der  Gfsch.  Gleiberg 
(s.  Hessen). 

Der  Landanteil  Ottos  wurde  bereits  unter  seinen  Söhnen  zersplittert. 
Durch  den  Tod  des  einen  wurde  die  Teilung  auf  zwei  Söhne  beschränkt. 
Heinrich  I.  (Stifter  der  alten  Dillenburger  Linie)  hatte  von  der  erst- 
maligen Teilung  (1303):  Ginsberg,  Siegen,  Haiger,  die  Herrschaft  zum  Wester- 
walds und  erhielt  1328  das  Erbe  des  gestorbenen  Bruders  Johann:  die  Burg 
Dillenburg  mit  der  Hcrbermark  und  den  Distrikt  Calenberg.  Emich  I.  (Stifter 
der  Hadamarsehen  Linie)  besafs  seit  1303:  Driedorf,  die  Vogtei  Diet- 
kirchen, die  Esterau  und  die  Vogteien  Esselbach  und  Ems.  Gemeinschaftlich 
blieben  Burg  und  Amt  Nassau  (Ottonischen  Anteils),  die  Grafschaft  auf  dem 
Einrieh,  der  Hof  zu  Miehlen.  —  Von  der  Dillenburger  Linie  zweigte  sich  nach 
dem  Tode  Heinrichs  I.  die  Beilsteiner  Linie  ab.  Die  Teilung  von  1341 
unter  Heinrichs  I.  Söhne  ging  dahin,  dafs  der  älteste,  Otto  IL  (t  1351),  das 
Land  zu  Siegen  mit  Siegen,  Ginsberg  und  Hain,  die  Herbornermark  mit  den 
Festen  Dillenburg,  Hcrborn  und  Waidenfels,  das  Gericht  Haiger  und  Löhnberg 
erhielt,  —  Heinrich  (als  Stifter  der  Beilsteiner  Linie)  den  Calenberger  Cent 
mit  den  Burgen  Beilstein,  Mengerskirchen  und  Eigenberg,  das  Haus  Lieben- 
scheid und  die  Herrschaft  zum  Westerwalde.  Nassau  blieb  wieder  gemein- 
schaftlich.   Vogel  359—365. 

93.  Herrschaft  Falkenstein.  Die  Herren  dieses  Namens  sind  eines 
Stammes  mit  denen  von  Bollanden.  Auch  die  Burg  Falkenstoin  liegt 
(wie  Bollanden)  am  südwestlichen  Abhang  des  Donnersberges.  Die 
Trennung  in  zwei  Linien  trat  unter  den  Söhnen  Werners  IV.  (f  vor  1222) 
ein,  indem  Werner  V.  die  Linie  Bollanden  fortsetzte,  —  Philipp  I. 
(1221 — 71)  die  Linie  Falkenstein  gründete.  Durch  seine  Heirat  mit 
Isengard  von  Münzenberg  erwarb  er  die  Burg  und  Herrschaft  Königstein 
aus  der  Münzenbergischen  Erbschaft  und  nannte  sich:  von  Falkenstein, 
Herr  von  und  zu  Münzenberg.  Der  Falkensteinsche  Herrsehaftsbestand 
erfüllte  einen  grofsen  Teil  der  Wetterau. 


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220  VI.  Politische  Geographie  um  dna  Jahr  1375- 

Wie  die  Bollanden  zu  dem  Besitz  dieser  rechtsrheinischen  Gebiete  ge- 
kommen .sind,  ist  nicht  aufgeklärt.  Anfangs  waren  die  frühesten  Besitzungen 
noch  sehr  zerstreut  im  Niddagau,  Einrieb  und  Rheingau.  Durch  die  Heirat 
Werners  11.  von  Bollanden  (bis  1171  genannt)  mit  Jutta,  Erbtochter  des  Grafen 
von  Nüring.  wurde  wohl  der  Grund  zu  diesen  Besitzungen  gelegt.  Vogel. 
Beschr.  v.  Nassau,  S.  241. 

Herrschaft  Münzen berg  (nach  Bommel  richtiger  Minzenberg)  in  der 
Wetterau.  Das  Herrengeschlecht  nannte  sieh  in  früherer  Zeit  von  Hagen. 
Erst  Cuno  I.  (1151  —  1210)  nannte  sich  nach  der  Burg  Münzenberg.  Durch 
seine  Gemahlin  Lucard,  des  Grafen  von  Nüring  Erbtochter,  erwarb  er  die  Burg 
Königstein.  Mit  Ulrich  II.  starben  die  Münzenberger  1255  aus.  Das  Territorium 
Hei  an  die  Schwestermänncr  des  letzten  Herrn.  Aus  dieser  Erbschaft  erhielt 
Philipp  I.  von  Falkenstein  Burg  und  Herrschaft  Königstein.  Grüsner, 
Diplomat.  Beiträge,  III,  Frankf.  1776,  S.  185.  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  I, 
271  IT.  Bommel,  Gesch.  v.  Hess.  I,  330  ff.  Anrakg.  S.  271.  —  Nach  dem 
Tode  Philipps  VI.  (1373)  fiel  das  Territorium  an  seinen  »Sohn  Werner,  den 
Erzbischof  von  Trier  (f  1418)  als  letzten  seines  Geschlechts.  —  Zum  Herrschafts- 
bestande der  Falkensteiner  gehörten  damals:  Burg  und  Stadt  Butzbach.  Grüningen, 
Ziegenberg,  Cransberg,  Rodheim,  Liethe,  Königstein.  Burg  Vilbel,  Burg  und 
»Stadt  Lieh.  Laubach,  Hungen,  Wölfersheim,  Assenheim,  Bischofsheim ,  Ober- 
eribach, Burg  und  Stadt  Hain  (Hagen),  Kalsmunt  bei  Wetzlar,  sowie  die 
Burg  Falkenstein.  Grüsner,  Diplomat.  Beiträge  I  (1775).  Vogel.  Nassau. 
S.  240  ff. 

Die  Herrschaft  Cransberg  (Cranichesberg)  mit  der  gleichnamigen 
Burg  am  östlichen  Ende  des  Taunus  bildete  ein  sehr  kleines  Territorium  mit 
den  Orten  Berenborn  (Wernborn)  und  Wissenbach.  1310  verkaufte  es  der 
letzte  Herr  von  Cransberg  (Erwin  III.)  an  Philipp  von  Falkenstein.  Vogel. 
S.  245  f. 

94.  Grafschaft  Solms.  Am  Solmsbach  (Solmse)  unweit  Wetzlar 
erhob  sich  die  Burg  Solms  (Alteberg),  von  wo  aus  Markward  in  der 
ersten  Hälfte  des  XII.  Jh.  den  Grund  zur  Herrschaft  legte.  Nach  Er- 
weiterung derselben  unter  den  Nachfolgern  umfafste  sie  die  Ämter  Braun- 
fels,  Greifenstein,  Hohensolms  mit  Königsberg. 

Graf  Heinrichs  I.  Söhne  gründeten  neue  Linien :  Heinrich  IL  die  Solmssche, 
Markward  I.  (+  1257)  die  Königsberger  Linie.  Der  letzte  der  Königsberger  Linie, 
Philipp  (f  1303)  hatte  schon  vor  seinem  Tode  (1350)  seine  Burg  Königsberg 
mit  Land  an  Landgraf  Heinrich  von  Hessen  verkauft.  —  Mit  Hessen  hatten 
die  Grafen  mehrfach  Differenzen;  die  Landgrafen  bauten  deshalb  in  der  Nähe 
von  Wetzlar  die  Burg  Hermannstein.  Vgl.  Solms-Laubach,  Gesch.  des 
Grafen-  und  Fürstenhauses  Solms,  Frankf.  1865. 

Die  Herren  von  Greifenstein  waren  1316  ausgestorben;  ihr  Gebiet  fiel 
zum  grofsten  Teil  an  Solms.    Rommel  I,  216  Anm.  S.  171  f. 

95.  Herrschaften  Runkel  und  Westerburg.    Beide  standen  im 

Anfang  des  XIII.  Jh.  unter  den  Herren  von  Runkel.    Siegfried  II.  (um 

1194)  hatte  zwei  Söhne,  »Siegfried  und  Dietrich,  die  die  Westerburgische 

und  Runkelsche  Linie  begründeten,  und  das  Land  teilten.    Eine  völlige 

Trennung  fand  1288  statt,  bei  welcher  die  erstgenannte  Westerburg  und 

Schadeck,  die  letztere  Runkel  erhielt. 

Die  Herrschaft  Runkel  war  anfangs  sehr  klein  und  bestand  nur  aus 
dem  (jetzt  wüsten)  Dorfe  Wenigen -Vilmar  mit  der  im  X1L  Jh.  angelegten 
Burg  Runkel  an  der  Lahn.  Später  kamen  die  Cente  Aumenau  und  Schuppacb 
zuerst  als  Pfandschaft,  seit  1376  durch  Erbkauf  hinzu.   —   Die  Herrschaft 


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%  Grafschaft  Diez.  97.  Herrschaft  Eppenstein.  98.  Grafschaft  Katzenelnbogen.  221 


Westerburg  war  von  der  Grafschaft  Diez  eingeschlossen  und  umfafste  die 
Orte :  Gemünden,  Seck,  Stocken,  Westerburg,  Hergerod,  Stahlhofen,  Wengenrod. 
1^79  kam  die  Herrschaft Schaumblirg  hinzu.  Vogel,  Beschreibung  von  Nassau, 
1^43.  S.  251—255.  Keck,  Gesch.  von  Isenburg,  Runkel  und  Wied,  Weimar  1825. 
Wenck.  Hess.  Landesgesch.  I,  475—82. 

96.  Grafschaft  Diez  wegen  ihrer  Fruchtbarkeit  auch  die  »Güldene 
Grafschaft  <  genannt,  auf  beiden  Seiten  der  Lahn  gelegen.  Auf  der 
linken  Seite  begriff  sie  das  Gebiet  der  unteren  Aar,  auf  der  rechten 
lag  der  gröfsere  Teil  zwischen  dem  Runkel-  und  Nassau-Beilsteiiischen 
Land  im  O.  und  dem  bei  Montabaur  vorbeifliefsenden  Bach  im  W.  Der 
in  nächster  Nähe  der  Lahn  gelegene  Teil  hiefs  die  Niedergrafschaft, 
der  auf  den  Westerwald  hinaufreichende  die  Obergrafschaft. 

Embricho  (Emmerich)  scheint  der  Stammvater  der  Grafen  von  Diez 
anfänglich  Di  des  sc)  zu  sein;  1073  wird  dessen  Bruder  zuerst  so  genannt. 
Wenck,  Hessische  Landesgeschichte,  1783,  1.  537.  Von  den  späteren  Grafen 
mften  Gerhard  I.  (f  1223)  und  Heinrich  III.  (t  1234)  zwei  Linien,  von  denen 
Heinrichs  Linie  den  Namen  von  Schlofs  Weilnau  annimmt  (Wünau,  Wilnowe) 
:;ach  den  wetterauischen  Schlössern  Alt-  und  Neuweilnau  am  Weilbach  (Wilina) 
unweit  l 'singen.  Diese  Grafen  von  Weilnau  hatten  als  eine  Nebenlinie 
det  Grafen  von  Diez  an  den  meisten  Schlössern  und  Ämtern  dieses  Hauses 
Anteil.  Neuweilnau  scheint  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jh.  erbaut 
worden  zu  sein.  Sein  Zubehör  begriff  das  gleichnamige  Städtchen,  die  heutige 
Stadt  Usingen  und  einige  Dörfer.  Aufserdem  gehörten  den  Weilnauem  die 
Schlosser  Birstein  und  Bracht.    Wenck,  Hess.  Landesgesch.  I,  5<>5. 

Die  Grafschaft  Diez  bestand  aus  17  Centgerichtsbezirken:  Altendiez, 
Flacht.  Hanstätten,  Lindenholzhausen,  Dauborn,  Niederhadamar  (Derner  Cent), 
Hundsangen,  Nentershausen,  Meud,  Salz.  Rotzenhan,  Hoen.  Rennerod,  Vilmar, 
Schuppach,  Panrod,  Kirberg  und  Camberg.  Cf.  Vogel,  Bcschr.  v.  Nassau, 
S.  20W  f.,  sowie  Wenck,  Hessische  Landesg.  I,  531 — 534. 

97.  Herrschaft  Eppenstein  (Eppstein)  mit  der  auf  steilem  Felsen 
errichteten  Burg  am  Abhänge  des  Taunus.  Über  den  ältesten  Stamm- 
baum des  Geschlechtes  herrscht  wenig  Klarheit.  Im  XU,  Jh.  wird  uns 
'ler  erste  dieses  Namens  genannt,  Gottfried. 

Die  Herrschaft  bestand  aus  dem  Gericht  Heuseis  mit:  Eppenstein,  Hof 
Häusels.  Bremthal,  Über-  und  Nieder-Josbach ,  Schlofsborn,  WaldcrüfTtel,  Ehl- 
halten. Ruppertshain,  Vockenhausen,  Eppenhain,  Fischbach,  Retters,  Hornau, 
Kelkheim,  Hof  Glimbach,  Ober-  und  Nieder-Liederbach .  Hof  Hausen  vor  der 
Sonne  und  Lorsbach.  —  Ferner  das  Gericht  Mechtshausen  mit:  Costheim, 
Hochheim,  Massenheim,  Delkenheim,  Wallau,  Breckenheim,  Nordenstadt,  Igstadt, 
Medenbach  u.  a.  m.  Im  allgemeinen  vgl.  Wenck,  Diplomat.  Nachrichten  von 
den  Dynasten  von  Eppenstein,  Darmstadt  1775  f.  Eigen brodt,  Urkundl.  Nach- 
richten von  den  Dynasten  von  Epp.,  im  Archiv  f.  hess.  Gesch.  1837,  I,  197—540. 
Vogel,  Bcschr.  v.  Nassau,  S.  231  ff. 

98.  Grafschaft  Katzenelnbogen.  Sie  bestand  aus  zwei  Teilen, 
der  oberen  Grafschaft  südlich  des  Mains  und  rechts  des  Rheins,  und 
der  niederen  Grafschaft  nördlich  des  Mains.  Die  letztere,  welche  den 
Main  selbst  nicht  mehr  berührte,  griff  bei  St.  Goar  auch  auf  die  linke 
Rheinseite  über.  Erst  1140  nahmen  die  Herren  von  Katzenelnbogen, 
die  sieh  so  auch  erst  seit  ca.  1100  benannten,  den  Grafentitel  an. 
Diether  EL  (+  1245)  ist  der  Stammvater  der  Altkatzenelnbogischen  und 


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222  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Neukatzenelnbogischen  Linie,  welche  seine  Söhne  (Diether  III.  und  Eber- 
hard I.)  begründeten,  die  sich  auch  in  den  Besitz  der  Burgen  teilten. 

Der  Nanu*  erscheint  später  falsch  latinisiert  als  Cattimelibocm.  Im  ersten 
Teil  des  Namens  ist  (\Uti,  i'hatti  enthalten,  im  zweiten  der  ebenso  falsch  auf 
den  Malchen-Berg  übertragene  Name  Melibocus,  den  Ptolomäus  für  den  Harz 
anwendet.    Vgl.  hierüber  Wenck,  Hessische  Landesgeschichte,  1783,  I,  176  ff. 

Die  Besitzungen  der  Grafen  waren  anfangs  sehr  unbedeutend.  Noch 
1250  bestand  die  Grafschaft  erst  aus  17  Orten.  Vgl.  hierzu  Vogel, 
Bschrbg.  des  Hzgt.  Nassau,  1843,  S.  223.  —  l'nter  Heinrich  IL,  der  zuerst  den 
Grafentitel  führte,  wurde  in  Gemeinschaft  mit  Nassau  von  Heinbold  von  Isen- 
burg um  1158  der  Dörferdistrikt  auf  dem  Einrieb  angekauft;  er  umfafste 
29  Dörfer.  Vgl.  diese  bei  Vogel,  S.  224.  Wenck  I,  8.  243—248.  Um  1190 
empfingen  die  Grafen  die  Vogtei  über  St.  Goar  vom  Abt  von  Prüm  zu  lachen. 
W  enck  I,  257  f.  Auch  die  zum  Stift  gehörigen  Besitzungen  kamen  bald  in 
ihre  Hand:  die  .Stadt  St.  Goar  selbst,  die  Vogtei  Pfalzfeld,  die  Dörfer  Nastädten, 
Hildegenrodt,  Burg  Schwalbach.  Vgl.  bei  Wenck  die  zugehörigen  Urkunden. 
Die  Obergrafschaft  teilte  sieh  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jh.  in  das 
Land  zu  Auerberg,  das  Land  zu  Dornberg  und  das  Land  zu  Lichtenberg.  Zu 
jedem  derselben  wurden  Dörfer  gerechnet,  die  nachher  nicht  mehr  dazu- 
gehörten, nachdem  in  Zwingenberg  und  Dannstadt  neue  Schlösser  entstanden 
waren.  In  der  Niedergrafschaft  fanden  sich  die  Schlösser  Altkatzenelnbogen, 
Braubach.  Rheinfels,  Hohenstein.  Heichenberg,  jedes  mit  einem  Dörferdistrikt. 
—  Die  ausführlichste,  geschichtliche  Darstellung  der  Grafschaft  Katzenein 
bogen  gibt  Wenck,  Hessische  Lmdesgesch.,  den  ganzen  1.  Band  mit  UB.  uni- 
fassend, Darmstadt  1783. 

99.  Grafschaft  Isenburg-Büdingren.  Ihr  war  durch  Erbheiraten 
eine  ganze  Reihe  anderer  kleiner  Herrschaften  einverleibt  worden,  welche 
aber  infolge  der  grofsen  Ausbreitung  der  Familienmitglieder  des  Hausos 
Isenburg  mehrfach  durch  Teilung  zersplittert  wurden.  Das  Haus  hatte 
seine  Stammsitze  in  der  Nähe  des  Rheins.  Hier  lag  die  Isenburg  auf 
einem  hohen  Berge,  welchen  der  Saynbach  mit  dem  einmündenden 
Isenbach  und  Hummelsbach  umgeben.  Am  Ende  des  XL  Jh.  wird  ein 
Rembold  (auch  Reiubold)  von  Isenburg  genannt,  der  mit  einer  Tochter 
des  Grafen  von  Arnstein  vermählt,  die  Grafschaft  über  den  Einrieb  er- 
hält. Seine  Söhne  G  er  lach  I.  und  Rembold  II.  werden  die  Stifter 
zweier  Hauptlinien,  die  weiterhin  sich  spalten.  Um  1375  bestanden  von 
der  Gerlachscben  Linie  noch  die  Linien  Isenburg-Büdingen,  Isen- 
burg-Grenzau und  Isenburg- Limburg;  von  der  Remboldschen : 
die  Linien  Isenburg- Wied  und  die  Salentinische. 

Die  Gerlachsche  Linie  machte  durch  Erbheiraten  die  namhaftesten 
Landerwerbungen.  Gerlachs  Sohn.  Heinrich  I.  (1179 — 1220)  war  vermählt  mit 
Isengard  von  Cleberg.  Die  Grafen  von  Cleberg,  ein  Nebenzweig  der 
Grafen  von  Gleiberg,  waren  mit  Graf  Friedrich  1211»  ausgestorben;  ihr  Land- 
besitz hei  somit  an  jenen  Heinrich  I.  von  Isenburg.  Die  anfangs  nicht  unbe- 
trächtliche Herrschaft  erfuhr  1280  durch  Abtretung  von  6  Dörfern  an  die 
Herren  von  Eppenstein  eine  Verkleinerung.  Sie  bestand  schliefslich  nur  aus 
den  Dörfern  Cleberg,  Brandoberndorf.  Obere! cen  und  Ebergöns.  Über  die  Ge- 
schichte der  Herrschaft  und  Grafen  von  Cleberg  vgl.  Wenk,  Hess.  Landesg.  III. 
328 — 355,  Mit  jener  Isengard  war  später  auch  die  Herrschaft  Limburg 
an  Heinrieb  gefallen.  Sie  bestand  aus  der  Stadt  und  der  Vogtei  der  Kirche 
zu  Limburg  und  dem  Dorfe  Nesbach,  Elz,  Oberbrechen,  Wersebau  und  halb 
Nomborn.    Doch  begaben  Hessen.  Mainz  und  Trier  die  Lehnschaft  über  sie; 


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99.  Grafschaft  Iscmburg-Büdingen. 


223 


die  Isenburger  verpfändeten  sie  seit  1344  allmählich  ganz  an  Trier.  Über  die 
Herrschaft  Limburg  vgl.  Wenk,  1,  c.  I.  401 — 400;  Grüsner,  Diplomat.  Bei- 
träge II.  1—90;  J.  von  Arnold  i,  Histor.  Denkwürdigkeiten,  1817,  S.  95  ff. 
Vogel,  Besehr.  v.  Nass..  8.  262  ff. 

Unter  Heinrichs  I.  Söhnen  fand  die  Spaltung  in  zwei  Linien  statt :  Hein- 
rich II.  (f  1290)  erhielt  die  alten  isenburgisehen  Brsitzungen,  Gerlach  III. 
(t  1289)  die  Herrschaft  Limburg,  nach  der  er  sich  benannte.  —  Heinrichs  11. 
Söhne  waren:  Gerlach  IV*..  der  die  (1873  schon  aussterbende)  Linie  Aren- 
fels  stiftete  und  Ludwig  (1258—1294)  der  durch  seine  Heirat  mit  Helwig 
von  Büdingen  einen  bedeutenden  Landbesitz  erwarb. 

Die  Herrschaft  Büdingen  liegt  (getrennt  von  jenen  Herrschaften  des 
Ijihngebietes)  in  der  Wetterau  in  der  Nähe  des  Vogelsberges.  Der  Landteil 
zwischen  dem  Semenbach  und  der  Nidder  war  Allodialgut  der  Herren  von 
Büdingen.  Im  XII.  Jh.  findet  sich  im  westliehen  Teile  ihrer  Herrschaft  noch 
die  Herrschaft  Ortenberg.  Neben  den  Herren  von  Ortenberg  kommen  im 
XII.  Jh.  auch  Herren  von  Büdingen  vor,  bei  denen  der  Name  Gerlach  häufig 
ist.  Sie  benannten  sich  nach  ihrem  Schlosse,  und  sie  mögen  damals  die  Ge- 
richte Büdingen,  Eckartshausen  und  Wenings  besessen  haben.  Endlich  treten 
dort  noch  Herren  von  Gelnhausen  auf.  Sie  scheinen  alle  miteinander  ver- 
wandt gewesen  zu  sein.  Am  Ende  des  XII.  Jb.  werden  nur  noch  die  Büdinger 
genannt.  Im  XI II.  Jhr.  sterben  sie  mit  Gerlaeh  aus,  der  fünf  Töchter  hinter- 
läfst.  deren  jüngste  Hedwig  jenen  Ludwig  von  Isenburg  heiratet  und  ihm 
einen  Teil  der  Erbschaft  zubringt.  Er  ist  der  Stifter  der  Linie  Isenburg- 
Büdingen.  Vgl.  G.  Simon,  Gesch.  d.  reiebsständischen  Hauses  Ysenburg  und 
Büdingen,  Frankf.  a.  M.  18B5,  1,  8  f. ;  S.  9—124  werden  sehr  ausführlieh  die 
einzelnen  Teile  der  Herrsch.  Büdingen  behandelt;  S.  124 — 153  jene  der 
Herrsch.  Ortenberg;  S.  158  ff.  folgt  ein  Überblick  über  die  Verteilung  der 
Herrseh.  au  die  Büdingenschen  Erben.  Die  Geschichte  der  obengenannten 
Herrengeschlechtcr  bringt  der  II.  Band  S.  1 — 08. 

Unter  Ludwigs  Enkeln  fand  eine  nochmalige  Teilung  statt,  indem  Hein- 
rich die  Büdinger  Hauptlinie  fortsetzte  und  Philipp  die  schon  mit  seinem 
Sohne  Eberhard  aussterbende  ältere  Linie  Grenzau  stiftete. 

Die  Kcmboldsche  Hauptlinic.  Rembold  IL,  Sohn  Brunos  I.,  war 
mit  einer  der  Erbtöehter  des  Grafen  von  Wied  vermählt  und  erwarb  so  gemein- 
schaftlich mit  Ej  »penstein  dessen  Land  1240. 

Grafschaft  Wied.  Die  Grafen  dieses  Namens  hatten  ihre  Allodial- 
güter  auf  der  linken  Rheinseite  im  alten  Argau,  wo  sie  die  Grundherrlichkeit 
Kempenich  besafsen.  Wie  sie  auch  auf  der  rechten  Rheinseite  Fufs  fafsten, 
ist  nicht  aufgeklärt.  Im  Jahre  104*  übten  sie  schon  die  Gerichtsbarkeit  in 
der  damaligen  Grafschaft  Schonenfeit  im  Engersgau  aus.  Von  den  beiden 
Burgen  zu  beiden  Seiten  des  Wiedbaches  (später  Altenwied  genannt;  betrachtet 
man  die  obere  als  die  Stammburg.  Die  Grafenlinie  starb  mit  Dietrich  aus 
und  sein  Land  tiel  an  die  Kinder  seiner  beiden  Schwestern,  von  denen  die 
eine  an  Bruno  1.  von  Isenburg,  und  die  andere  an  Gottfried  von  Eppenstein 
vermählt  war.  Auch  die  Schwestern  waren  beim  Heimfall  schon  tot,  sie  hatten 
aber  Söhne  hinterlassen.  Die  Grafschaft  wurde  1240  zwischen  Isenburg  und 
Eppenstein  geteilt.  •  Die  Eppensteiner  verkauften  jedoch  ihre  Hälfte  von  Wied 
an  «-inen  Grafen  von  Virneburg,  dessen  Tochter  Agnes  an  Wilhelm  T.  von 
Isenburg -Wied  vermählt  war  und  diesem  jene  andere  Hälfte  als  Ileiratsgut 
zubrachte,  sodafs  nunmehr  die  ganze  Grafschaft  im  Isenburger  Hause  vereinigt 
war.  Vogel,  S.  213  ff.  Simon  L  e.  II,  K2.  Reck,  Gesch.  der  gräfl.  und 
fürstlichen  Häuser  Isenburg,  Runkel  und  Wied,  Weimar  1825. 

Unter  Brunos  I.  Söhnen  trat  eine  Teilung  ein:  Bruno  II.  führte  als 
Herr  zu  Braunsberg  Burg,  die  sein  Vater  noch  gebaut  hatte  und  Graf  zu  Isen- 
burg-Wied die  Hauptlinic  fort  Wiedischc  Linie  ,  während  sein  Binder  Diether 
</f  1253)  die  jüngere  Grenzauer  oder  Salentinsche  Linie  stiftete.    Als  1373  die 


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224 


VI.  Politische;  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Linie  Isen  bürg-  Arenf  eis  (Gerlachseher  Abkunft)  ausstarb,  fiel  deren  Besitz  an 
jene  beiden  Linien  zunächst  gemeinsam  (s.  oben). 

100.  Grafschaft  Sayn  (-Wittgenstein).  Das  Grafengesehlecht  von 
Seyne  wird  1145  zuerst  genannt.  Sein  Ursprung  liegt  im  linksrheinischen 
Gebiet  im  Maienfeld.  Seine  Besitzungen  im  Eugersgau  waren  wenig 
bedeutend  und  die  Herrschaft  umfafste  wenig  mehr  als  die  Saynburg 
selbst.  Es  scheint  aber  schon  frühzeitig  die  Freigrafschaft  Hadamar 
besessen  zu  haben.  Im  XIII.  Jh.  finden  wir  dann  den  unmittelbaren 
Besitz  beträchtlich  vergröfsert.  Die  Grafen  von  Sayn  starben  mit  Hein- 
rich III.  1246  in  männlicher  Linie  aus,  und  ihr  Gebiet  ging  an  die  über- 
lebende Schwester  Adelheid,  die  an  den  Grafen  Johann  von  Sponheim 
vermählt  war,  bezw.  deren  Söhne  über.  Heinrichs  Witwe,  Mathilde, 
trat  diesen  aus  freien  Stück  bereits  1247  das  ganze  Land  ab,  nämlich: 
Schlofs  und  Stadt  Hachenburg,  Schlofs  Hilkenrod,  Freigrafschaft  Hada- 
mar, die  Gerichtsbarkeit  vom  Bann  Maxsain  u.  a.  Nur  Schlofs  Löwen- 
stein als  kölnisches  Burglehen  behielt  sie  sich  vor.  Unter  den  Spon- 
heimer Grafen  fand  1294  eine  Teilung  statt  durch  Stiftung  zweier  Linien  : 
Johann  (f  1324),  der  die  Grafschaft  Sayn  erhielt  und  Engelbert,  der  mit 
Vallendar  und  Homburg  abgefunden  wurde.  Beide  Linien  bestanden 
400  Jahre  nebeneinander  (—1008);  die  Engelbertsche  besteht  heute  noch. 
Durch  Erbheirat  fiel  die  Grafschaft  Wittgenstein  1359  an  die  Engelbert - 
sehe  Linie. 

Johann,  dem  die  eigentliche  Grafschaft  zugefallen  war,  erwarb  1298  vom 
Grafen  v.  Neuenar  noch  Schlofs.  Stadt  und  Amt  Altenkirchen  (umfassend  die 
Kirchspiele  Altenkirchen.  Birnbach,  Mehren).  1318  überliefs  ihm  Philipp 
von  Sponheim  auch  Bann  Maxsain.  Auch  Friedewald,  welches  1324  zur  Stadt 
erhoben  wurde,  gehörte  zur  Grafschaft,  ohne  dafs  sich  feststellen  läfst,  wie  es 
an  diese  gekommen.  —  Den  Vergleich  von  1247  zwischen  Mathilde  und  den 
Erben  s.  bei  Ave'mann,  Beschrbg.  d.  Geschlechtes  von  Kirchberg,  1747, 
ÜB.  147.  Über  die  Teilung  von  1294,  ibid.  ÜB.  154.  M.  Dahlhoff,  Gesch. 
d.  Grafschaft  Sayn,  Dillenbg.  1874,  S.  6—9.  Vgl.  auch  Vogel,  Beschrbg.  d. 
Herzogt.  Nassau,  1K43,  S.  215  ff. 

Grafschaft  Wittgenstein,  eigentlich  Witekindesstein.  Grafen  dieses 
Hauses  begegnen  zuerst  im  Anfang  des  XUI.  Jh.  Zu  ihren  Schlössern  und 
Gütern  im  oberen  Eder-  und  Lahngebiet  besafsen  sie  die  Gerichtsbarkeit  in 
den  Centen  des  mainzischen  Stiftes  Wetter.  Auch  die  Burg  Battenberg 
bei  dem  gleichnamigen  Ort  an  der  Eder,  gehörte  ihnen,  nach  der  sie  sich 
öfters  auch  benannten.  Die  Burg  Wittgenstein  liegt  bei  Laasphe  an  der  oberen 
Lahn.  Seit  1223  waren  sie  Lehnsherren  vom  Erzstift  Mainz.  Im  XIII.  .Jh. 
trat  eine  Teilung  der  Grafenlinie  ein,  in  die  Battenberger  und  Wittgensteiner. 
Letztere  starb  mit  Werner  1359  aus.  Seine  Schwester  Adelheid  war  an  den 
Grafen  Salentin  von  Sayn  (Engelbcrtsche  Linie)  vermählt -und  brachte  diesem 
die  Grafschaft  Wittgenstein  zu.  —  Rommel,  Gesch.  v.  Hessen,  I,  326  ff. 
Anmkg.  hierzu  I,  S.  267  f.  mit  weiteren  Quellennachweisen. 

101.  Grafschaft  Waldeck.  Die  Entwicklung  nimmt  ihren  Ausgang 
von  der  Grafschaft  Schwalenberg.  Hermann  I.  war  um  1002  Graf 
des  Gaues  Tilithi  mit  Hameln  und  1014  Graf  des  Hwetigaues  (um  Pyr- 
mont). Einer  seiner  Nachfolger  hatte  auch  Besitzungen  an  der  Eder. 
Widekind  III.  (1113 — 1137)  nannte  sich  zuerst  Graf  von  Schwalenberg. 


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102.  Grafschaft  Pyrmont.    103.  Abtei  Fulda  und  Herafeld. 


225 


Die  Burg  dieses  Namens  lag  bei  Mariamünster  im  Paderbornischen. 
Durch  seine  Gemahlin  aus  dem  Hause  Itter  vergröfserte  er  seine  Be- 
sitzungen. Durch  seine  Söhne  trat  eine  Teilung  des  Landes  ein.  Volkwin 
(f  1178)  erhielt  den  gröfsten  Teil  von  Schwalenberg  und  erwarb  von 
den  Herren  von  Wal  deck  das  gleichnamige  Schlofs;  Widekind  erhielt 
Pyrmont  (s.  unten).  Beide  Länder  blieben  zunächst  selbständig.  Aber 
auch  Volkwins  Anteil  sollte  unter  seinen  Nachfolgern  eine  Teilung  er- 
fahren (12.H6),  die  zu  einer  dauernden  wurde;  denn  von  seinen  Enkeln 
erhielt  Volkwin  III.  das  Schlofs  Schwalenberg  mit  zugehörigem  Gebiet 
und  Adolf  I.  die  südlicher  gelegene  Landschaft  an  der  Eder  mit  Waldeck. 
Hiermit  waren  zwei  neue  Dynastenlinien  gegründet,  von  denen  die 
Schwalenberger  1356  ausstarb  (s.  Bistum  Paderborn  und  Grafschaft 
Lippe);  ihr  Gebiet  kam  nicht  mehr  an  Waldeck  zurück. 

über  die  allmählich  erworbenen  Besitzungen  der  Schwalenberger  Grafen 
s.  Curtze,  Gesch.  und  Beschreibg.  des  Fürstentums  Waldeck,  1850,  S.  603  f. 
—  Adolfs  I.  (f  c.  1270)  Sohn  Henrich  war  mit  Mechtild  von  Arnsberg  ver- 
mählt, die  ihm  den  Grund  Astinghausen  und  die  Grafschaft  Züschen  (am  süd- 
östlichen Ende  des  heutigen  Waldecks)  zubrachte.  —  Henrichs  Enkel  Otto  II. 
wurde  1349  zum  Reichsgrafen  ernannt.  Sein  Sohn  Henrich  der  Eiserne 
(f  1397)  baute  Schlofs  Landau.  Im  übrigen  vgl.  Wagner,  Gesch.  Waldecks 
und  Pyrmonts,  1888,  S.  14  f. 

Die  frühesten  Besitzungen  beschränkten  sich  auf  die  Edergegend  um 
Waldeck  herum.  1247  erweiterte  sich  das  Gebiet,  als  der  Abt  von  Corvey  das 
Schlofs  Lichtenfels  und  die  Städte  Sachsenberg  und  Fürstenberg  mit  allen  Be- 
sitzungen von  Corbach  bis  Lichtenfels  an  die  Grafen  verpfändete.  1290  gelangten 
in  derselben  Weise  Schlofs  und  Gebiet  von  Wildungen  vom  Erzbischof  von 
Mainz  an  die  Grafen.  Varnhagen,  Waldeck.  Landes-  und  Regentengesch.  I. 
1825,  S.  309,  302.    Curtze,  1.  c.  7. 

102.  Grafschaft  Pyrmont.  Auch  sio  war  ein  Teil  der  Schwalen- 
berger Grafschaft,  in  welcher  jener  obengenannte  Widekind  eine  eigene 
Dynastenlinie  stiftete  (1137). 

Der  eigenartige  Name  hat  zu  mancherlei  Vermutungen  geführt.  Die 
ältesten  Namensformen  der  Burg  sind  Castrum  Pirremont  1182,  Pi/erremontl  1 85, 
Pirre  1236,  Pyrmont  1282,  Pirmnnt  1246,  Penmtnt  1194,  Peremunt  1184  etc.  Ein 
Verzeichnis  aller  Formen  in  Verbindung  mit  den  bisherigen  Deutlingsversuchen 
gibt  L.  Curtze  in  seinen  Beiträgen  zur  Gesch.  v.  Waldeck  und  Pyrmont,  1866, 
S.  136 — 152.  —  Das  jetzige  Fürstentum  Pyrmont  liegt  im  Gebiet  des  Wetigaues; 
über  diesen  und  die  ersten  Grafen  daselbst  vgl.  C.  Beck,  Studien  z.  ält.  Gesch. 
von  Waldeck  und  Pyrmont,  in  Curtzes  Beiträgen,  S.  242  ff. 

103.  Abteien  Fulda  und  Hersfeld.  In  den  Urwaldungen  der  Buchonia, 
welche  das  obere  Tal  der  Fulda  bis  zu  den  Höhen  der  Rhön  und  des 
Vogelsberges  hinauf  erfüllte,  gründete  auf  Veranlassung  des  Bonifaz 
sein  Schüler  Sturm  im  Jahre  744  das  Kloster  Fulda.  Schon  747 
wurde  die  Abtei  vom  Erzbischof  von  Mainz  eximiert.  Sie  gelangte  in 
kürzester  Zeit  zu  aufserordentlicher  Blüte  und  Wohlhabenheit;  denn 
Kaiser  und  Könige  und  andere  hohe  Gönner  machten  ihr  zahlreiche 
Zuwendungen  an  Gütern,  Zehnten,  Einkünften  und  Hoheitsrechten  aller 
Art.  Ihre  Abte  wurden  Regenten  und  Reichsfürsten  und  erhielten  das 
Erzkanzleramt  bei  der  Kaiserin.    Sehr  umfassend  war  schliefslich  der 

Kretschmer,  Historische  Geographie.  15 


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226  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Grundbesitz  geworden.  Denn  aufser  dem  Territorium  in  der  Buchonia 
besafson  sie  zahlreiche  Güter  weitzerstreut  über  die  deutschen  Gaue  im 
Elsafs,  Rheinfranken,  Lothringen,  Schwaben,  Baiern  und  selbst  Ost- 
friesland. Die  Schwierigkeit  der  Verwaltung  eines  so  ausgedehnten 
Länderbesitzes  veranlagte  sie,  einen  grofsen  Teil  zu  Lehen  aufzutragen 
bezw.  zu  veräufsern.  —  Das  gleiche  gilt  von  der  nördlich  sich  anschliefsen- 
den  Abtei  Hersfeld,  die  etwas  älter  ist  und  durch  Erzbischof  Lullus 
begünstigt  wurde.  Sie  war  unmittelbar  dem  Papst  unterstellt  und  hatte 
freie  Abtswahl.    Ihr  Herrschaftsgebiet  lag  in  Hessen  und  Thüringen. 

Die  vielen  Hunderte  von  Schenkungen  an  das  Kloster  seit  Karlmann 
einzeln  mit  Namen  aufzuführen,  verbietet  hier  der  Kaum.  Von  Bedeutung 
war  951  die  Verleihung  des  königlichen  Wildbannf Oistes  bei  Echzell  in  der 
Wetterau.  Dieser  erstreckte  sich  über  die  ganze  später  so  genannte  Fuldasehe 
Mark.  Die  Fuldaer  Äbte  waren  somit  über  die  Grenzen  der  schlichten  Grund- 
besitzer herausgetreten  und  hatten  eine  höhere  Machtbefugnis  sich  erworben. 
Die  von  ihnen  eingesetzten  Vögte  nutzten  ihre  Stellung  aber  im  eigenen  Interesse 
aus  (wie  die  Grafen  von  Ziegenhain),  und  viel  Land  ging  dadurch  der  Abtei 
verloren.  Vgl.  Arnd,  Gesch.  des  Hochstiftes  Fulda  von  seiner  Gründung 
bis  zur  Gegenwart,  18ti0,  S.  41.  —  Das  in  Hessen  gelegene  Territorialgebiet 
erstreckte  sich  vom  Seulingswakl  im  Norden  bis  Hammelburg  an  der  Fränkischen 
Saale  im  Süden.  Im  Weslen  bildete  der  rechtsseitige  Nebenrlufs  der  Fulda, 
die  Hann,  die  Grenze  bis  Burghaun;  von  hier  ging  sie  südwestlich  nach  der  Fulda 
hinüber  bis  zur  Mündung  der  Lüder  und  an  den  östlichen  Abhängen  des  Vogels- 
berges hinauf;  im  Osten  war  es  durch  die  Rhön  abgeschlossen.  Aufser  Arnd 
cf.  die  ältere  Darstellung  von  Schannat.  Historia  Fuldensis,  Frankf.  1729. 
Dronke,  Codex  diplomaticus  Fuldensis,  Cassel  1850.  Ders. ,  Traditiones  et 
antiquitates  Fuldenses,  Fulda  1844. 

Die  Abtei  Hersfeld  besafs  in  Hessen  die  Ortschaft  Hersfeld  und  die 
weitere  Umgebung.  Die  Stadt  trat  1370  freilich  unter  die  Oberhoheit  der 
hessischen  Landgrafen.  Ferner  gehörten  der  Abtei  die  Vogtei  Niederaula 
a.  d.  Aula,  die  Vogtei  Oberngeisa  mit  16  Orten  und  Burg  und  Amt  Landeck 
im  Tullifeldc  mit  14  Orten;  in  Thüringen  die  Vogtei  Ohrdruf,  die  Burgen 
und  Amter  Gebesee,  Berka  und  Breitenbach.  Ebenso  gehörte  Gotha  anfangs 
dem  Kloster,  bis  es  bald  an  die  Landgrafen  von  Thüringen  kam.  Auch  sonst 
besafs  Hersfeld  noch  verschiedene  Güter  (beim  Königshof  Arnstadt),  Vogteien 
über  Klöster  u.  a.  m.  Hafner,  Die  Reichsabtei  Hersfeld  bis  zur  Mitte  des 
XIII.  Jh.,  Hersfeld  1889. 

104.  Herzogtum  Braunsen  welg-Lüneburg.  Von  dem  alten  Stammes- 
herzogtum Sachsen  hatte  Hermann  Billung  961  von  Kaiser  Otto  I.  be- 
trächtliche Teile  des  Landes  als  neues  Herzogtum  erhalten.  Kaiserliche 
Domänen  und  wirklicher  Faniilienbesitz  der  Billunger  verschmolzen 
schliefslich  zu  allodialem  Eigentum,  das  durch  die  Nachfolger  noch  ver- 
mehrt wurde.  Zugleich  aber  entstanden  in  anderen  Gegenden  Sachsens 
mächtige  Dynasten,  die  in  ähnlicher  Weise  emporzukommen  suchten; 
so :  die  (jüngeren)  Brunonen,  die  Grafen  von  Nordhoim  und  Bomeneburg 
und  die  Grafen  von  Süpplingenburg.  Die  Güter  und  Territorien  aller 
dieser  nacheinander  in  männlicher  Linie  aussterbenden  Dynasten- 
gescblechter  waren  durch  die  zurückbleibenden  Erbtöchter  von  einem 
Geschlecht  auf  das  andere  übergegangen  und  zusammengehäuft  worden,  bis 
sie  Heinrich  der  Stolze  als  Herzog  von  Sachsen  und  Baiern  und  Haupt 
der  in  Süddeutschland  begüterten  Weifen  durch  seine  Heirat  mit  Kaiser 


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104.  Herzogtum  BrauriHchweig-Lüneburg. 


227 


Lothars  Tochter  Gertrud  in  seiner  Hand  vereinigte.  Der  Sturz  seines 
Sohnes  Heinrich  des  Löwen  führte  zur  Auflösung  dieses  reichen  Länder- 
besitzes; er  kam  zum  gröfsten  Teil  in  die  Hände  der  benachbarten 
Dynasten  und  geistlichen  Stifter;  Heinrich  selbst  bekam  später  nur  seine 
Allodialgüter  zurück.  Aus  diesen  entwickelte  sich  erst  allmählich  wieder 
der  spätere  Machtbereich  der  Weifen.  Sein  Enkel  Otto  das  Kind 
(t  1252),  ist  der  eigentliche  Neubegründer  der  weifischen  Hausmacht  ge- 
worden. Vom  Kaiser  Friedrich  II.  wurden  ihm  1235  die  Allodien  seines 
Hauses  als  Herzogtum  verliehen.  Das  unter  ihm  zum  letztenmal  ver- 
einigte Erbe  seiner  Väter  teilten  seine  Söhne:  Albrecht  der  Grofse  (f  1279) 
und  Johann  (f  1277);  jener  erhielt  Braunschweig,  dieser  Lüneburg.  Nach 
weiteren  Teilungen  unter  deren  Söhnen  und  Enkeln  war  das  weifische 
Ländergebiet  um  1375  in  den  Händen  von  drei  Nachkommen  jenes 
Albrecht,  während  die  Linie  Johanns  1369  erloschen  war.  Es  waren 
dies  Albrecht  II.  (t  1384)  im  Besitz  von  Grubenhagen  mit  Gebiet,  Magnus 
Torquatus  (f  1373)  von  Braunschweig- Wolfenbüttel  und  Otto  der  Quade 
(t  1394)  von  Göttingen.  Das  damals  (1369)  erledigte  und  noch  umstrittene 
Herzogtum  Lüneburg  fiel  erst  1389  an  die  Braunschweiger  Linie. 

Hermann  Billung  hatte  s.  Z.  einen  Teil  Sachsens  erhalten,  (he  Ostmark 
oder  Lüneburg,  einen  Teil  der  auf  beiden  Seiten  der  mittleren  und  unteren 
Weser  gelegenen  Provinzen,  die  Schutzvogtei  über  das  Stift  Bremen  und  andere 
kleinere  Gebiete.  —  Die  jüngeren  Brunonen,  die  von  Bruno,  Sohn  Herzog 
Heinrichs  I.  von  Bayern  und  Neffe  Kaiser  Ottos  I.,  abstammten,  besafsen 
das  Gebiet  am  Nordabhang  des  Harzes  um  Braunschweig  herum.  Sic  starben 
mit  Egbert  II.  lo9<>  aus,  und  dessen  Schwester  Gertrud  bringt  die  Erbgüter 
durch  Heirat  an  Heinrich  von  Nordheim.  —  Die  Grafen  von  Nordheim  und 
Bornen e bürg  treten  Ende  des  X.  Jh.  auf;  sie  besafsen  ursprünglich  Gebiets- 
teile um  Göttingen,  Grubenhagen  und  im  nördlichen  Hessen,  erwarben  durch 
Heirat  noch  die  Grafschaften  Warburg  und  Werla  in  W  estfalen  und  zahlreiche 
kleinere  Güterbezirke  von  der  Grafschaft  Stade  bis  nach  Westfalen  und  zum 
Rhein  hin.  Im  Jahre  1116  stirbt  das  Geschlecht  in  männlicher  Linie  aus,  und 
die  letzte  Tochter  des  Hauses  Richenza  bringt  den  Landbesitz  ihrem  Gemahl 
Lothar  von  Süpplingenburg  zu.  —  Die  Grafen  von  Süpplingenburg  oder 
Supplinburg,  deren  Stammburg  an  der  Schunter  im  Kreise  Helmstedt 
gelegen  war,  besafsen  den  südlichen  und  östlichen  Abhang  des  Harzes,  das 
ganze  Wolfenbütteische  mitumfassend,  wozu  später  noch  Gebietsteile  im  Magde- 
burgischen kamen,  und  die  Grafschaften  Sommersehenburj:  und  Querfurt. 
Lothars  Tochter  Gertrud  wurde  an  Heinrieh  den  Stolzen  von  Baiern  vermählt, 
der  von  seiner  Mutter  Wulfhilde,  Tochter  des  letzten  Billunger  Herzogs 
Magnus  (f  1106),  die  Bilhmgschen  Güter  schon  geerbt  hatte.  Somit  war  der 
ganze  Landbesitz  der  verschiedenen  Dynastengesehlechter  in  einen  einzigen  ver- 
einigt worden. 

Brunonen      Nordheimer  S  u  pp  1  i  nburger   Billunger  Weifen 

Otto  I. 

Egbert  I.  von  Nordheini 

Markgraf  v.  Meifsen  j  f  1083 

Egbert  II.  Gertrud        Heinrich         Gebhard  f  1075    Magnus  f  1106 

f  1090  f  I 

Richenza  f  1141       Lothar  f  1137     Wulfhilde  Heinrichd.Schw. 

*  Hzg.  in  Baiern 

Gertrud  f  1143  Heinrich  der  Stolze 

Heinrich  der  Lowe.  t  1139 

15* 


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228 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Heinrichs  des  Löwen  drei  Söhne  Heinrich,  Otto  und  Wilhelm  teilten 
1202  die  Erblande  ihres  Vaters,  die  nur  noch  aus  dem  ehemaligen  Allodial- 
besitz  bestanden.  Die  Teilung  wurde  jedoch  bald  wieder  aufgehoben,  da  nur 
Wilhelm  einen  Sohn,  Otto  das  Kind,  hatte.  Otto  das  Kind  nannte  sich  zuerst 
Herzog  von  Braunschweig-Lüneburg  (dux  de  Luneborg  et  de  Brunsteic),  während 
Heinrich  der  Löwe  sich  als  dux  Saxoniae  bezeichnet  hatte.  Vgl.  hierüber 
Havemann  1,  375  Anm.  Otto  vergröfserte  sein  Gebiet  1236  durch  Kauf  der 
Allodien  des  Grafen  Siegfried  von  Osterburg  in  der  Grafschaft  Stade,  in  der 
Altmark  (Distorf ,  Brome,  Gardelegen,  Warpke),  im  Lüneburgischen  und  Bremischen 
(in  diesen  unbekannt).  1246  gewann  er  auch  Münden  und  von  dort  an  das 
untere  Werratal  mit  Eschwege,  Allendorf,  Witzenhausen  bis  Wannfried  a.  d.Werra 
und  Sontra  am  gleichnamigen  Nebenfluß*.  Doch  ging  unter  seinem  Sohne 
Albrecht  dieses  Werragebiet  1264  für  immer  Braunschweig  verloren,  zunächst 
an  die  Landgrafschaft  Thüringen.  1247  wurde  er  von  der  abtiaND  von  Quedlin- 
burg mit  der  Mark  Duderstadt  (=  Duderstadt  Gieboldehausen,  Bernshausen) 
im  südlichen  Vorlande  des  Harzes  belehnt.  —  Ottos  Söhne  Albrecht  und  Johann 
teilten  1267.    (Die  Teilung  in  origg.  guelf.  IV,  15  f.,  ferner  Hävern.  1,  401.) 

I.  A 1  b r e c h t  als  Begründer  der  älteren  Braunschweiger  Linie  er- 
hielt Braunschweig,  Wolfenbüttel,  Grubenhagen,  Göttingen  etc.  Seine  3  Söhne 
a)  Heinrich,  b)  Albrecht  der  Fette  und  c)  Wilhelm  (s.  genealog.  Tab.)  teilten 
nochmals  (Hävern.  1,  409.  Heinemann  II,  41  f.):  a)  Heinrichs  Besitz  (Stifter 
der  Linie  Grubenhagen,  f  1322)  ging  auf  3  seiner  Söhne  über,  von  denen 
Ernst  schliefslich  den  väterlichen  Besitz  wieder  in  seiner  Hand  vereinigte  und 
ihn  seinem  Sohn  Albrecht  II.  (zum  Salze),  f  1384 ,  hinterliefs.  Derselbe 
bestand  aus  zwei  Gebietsteilen,  einem  kleineren  links  der  Leine  mit  dem  Schlofs 
Grubenhagen,  Einbeck  und  Salzderhelden  und  einem  gröfseren,  den  südwest- 
lichen Oberharz  mit  Vorland  einnehmend,  mit  Katlenburg,  Gieboldehausen, 
Lindau,  Bodenstein ,  Seeburg,  Duderstadt,  Lauterberg,  Scharzfeld,  Herzberg, 
Osterode  und  dem  Bergwerk  und  Forst  von  Clausthal.  Max,  Gesch.  d.  Fürstent. 
Grubenhagen,  Hannover  1862,  I,  3—5;  die  ältere  Statistik  u.  Topographie  des 
Fürstent,  ebenda,  I,  485  ff.  —  b)  Albrecht  der  Fette  (f  1318)  wurde  Stifter 
der  Göttinger  Linie  und  erhielt  Oberwald  mit  Göttingen  etc.  Ihm  üel  aber 
auch  das  Land  Braunschweig-Wolfenbüttel  seines  1292  verstorbenen  Bruders 
c)  Wilhelm  zu  (mit  Ausschlufs  einiger  kleineren  Bezirke,  die  erst  an  den 
Bruder  Heinrich,  dann  an  Otto  von  Lüneburg  [s.  u.j  fielen).  —  Albrechts  Sohn 
Magnus  (f  1369)  erhielt  nach  des  Vaters  Tode  Braunschweig-Wolfenbüttel,  der 
andere.  Ernst  (j  1367),  Oberwald-Göttingen ,  von  denen  jeder  seinen  Anteil 
seinem  Nachkommen  hinterliefs;  und  zwar:  Magnus  II.  Torquatus  (f  1373) 
besafs  im  wesentlichen  das  Erbe  seines  Grofsonkels  Wilhelm  (f  1292),  das  Land 
um  Braunschweig,  Wolfenbüttel  mit  der  Asseburg  sowie  einen  Streifen  nördlich 
der  Aller  mit  Gifhorn,  ferner  Harzburg,  Gandersheim,  Seesen,  den  sog.  Papen- 
diek (Paj »enteich)  zwischen  unterer  Oker  und  Aller.  Sein  Tod  führte  zur  noch- 
maligen Teilung  unter  seinen  Söhnen  Bernhard  und  Heinrich,  den  Stiftern 
der  mittleren  Lüneburger  und  Braunschweiger  Linie.  —  Otto  der 
Qu  ade  (f  1391)  besafs  den  Oberwald,  d.  i.  das  Land  um  Göttingen  mit  der 
Pfalz  Grone  (damals  zerstört),  Münden,  Uslar,  Lauenberg  im  Solling,  Nordheim 
und  das  Bergwerk  Zellerfeld  mit  Forst.  Dazu  erwarb  er  1379  die  Schlösser 
Harste  und;  Hardegsen. 

II.  Johann  als  Begründer  der  älteren  Lüneburger  Linie  erhielt 
«las  Land  um  Lüneburg,  Celle  und  das  Deisterland  mit  Hannover  sowie  das 
Schlofs  Lichtenberg  östlich  von  Hillesheim  bei  Salder  und  Schlofs  Twieflingen 
östlich  von  Schöppenstedt,  Sein  Sohn  Otto  der  Strenge  erwarb  hierzu  1283 
vom  Hildesheimer  Bischof :  die  Graf  schalt  Ha  Herrn  und  mit  Springe  a/Haller 
und  Eldagsen  westlieh  der  Leine  und  südlich  des  Deister  zu  Lehen  (Heine- 
mann 2,  23);  1300  von  seinem  Vetter  Heinrich  (Grubenhagen):  Brome  nord- 
westlich des  Drömling  und  Vorsfelde  a/AUer,  sowie  den  sog    Hasen winkel 


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105.  Grafschaft  Everatein. 


229 


südlich  jenes  Ortes ;  1302  Grafschaft  Wölpe  (Welpe,  Wilipa,  Welpia).  Des 
Schlosses  am  gleichnamigen  Bach,  der  bei  Rethem  in  die  Aller  fliefst,  geschieht 
1151  zuerst  Erwähnung.  Die  Grafschaft  umfafste  Neustadt  am  Rübenberge, 
die  Vogteien  Walsrode  und  Rotenwalde,  Schlofs  und  Vogtei  Rehburg  und  das 
später  vom  Erzstift  Bremen  eingenommene  Schlofs  Ottersberg.  Havemann  I,  348. 
Graf  Otto  trat  die  Grafschaft  an  einen  Grafen  Otto  von  Oldenburg  ab,  und 
dieser  verkaufte  sie  1302  an  Otto  von  Braunschweig.  Spilcker,  Gesch.  der 
Gfn.  von  Wölpe,  in  dessen  Beitr.  z.  ält.  deutsch.  Gesch.,  Arolsen  1827, 1, 2  ff.,  105  ff. ; 
1303  vom  Herzog  von  Lauenburg:  die  Gebiete  um  Bleckede  und  Hitzackeram 
linken  Elbufer;  1320  die  Grafschaft  Lüchow  (südlich  von  Dannenberg) 
mit  gleichnamiger  Stadt  und  den  Schlössern  Gartow,  Bodenteich  (südöstlich  von 
Ülzen),  Wustrow  (südlich  von  Lüchow).  Hävern.  I,  345  f.,  461  Anm.;  1321 
den  linkselbischen  Teil  der  Grafschaft  Dannenberg  östlich  der  Jeetze  mit 
Stadt  und  Schlofs  Dannenberg  (der  ostelbische  Teil  der  Grafschaft  lag 
zwischen  Sude  und  Eide  mit  Dömitz,  Neustadt  und  Hagenow;  Näheres 
Hävern.  I,  339,  460.). 

Dieser  ganze  lüneburgische  Besitz  wurde,  da  Ottos  Söhne  (Otto  II.  f  1352, 
Wilhelm  f  1369)  ohne  Nachkommen  starben,  Gegenstand  eines  Erbfolgestreites 
mit  den  sächsischen  Herzögen,  der  um  das  Jahr  1375  noch  schwebte  und  erst 
1389  endete,  indem  diese  Lande  an  die  ältere  Linie  Braunschweig  fielen. 

Havemann,  Gesch.  der  Lande  Braunschw.  u.  Lüneburg,  Gotting.  1853  ff. 
Schaumann,  Handb.  der  Gesch.  der  Lande  Hannover  und  Braunschweig, 
Hannov.  1867.  v.  Heinemann,  Gesch.  von  Braunschw.  und  Hannover. 
Gotha  1882  ff.  Origines  Guelphicae,  von  Leibnitz  u.  anderen,  5  Bde.  Süden, 
dorf.  Urkundenb.  zur  Gesch.  d.  Herzöge  von  Br.  u.  Lünebg.,  Hannov.  1859  ff- 
Böttger,  Allmähliche  Entstehung  der  Weifenlande.  (War  mir  nicht  zugänglich.) 
Schräder,  Ältere  Dynastenstämme  zwischen  Weser,  Diemel  und  Leine,  1832, 

Herzog  Otto  das  Kind  f  1252 


Albrecht  d.  Gr.  f  1279 
Braunschweig 


Heinrich  f  1322 
Grubenhagen 

I 

Ernst  f  1361 
I 

Albrecht  II. 
t  1384 


Albrecht  der  Fette  f  1318  Wilhelm 
Calenberg,  Göttingen  f  1292 

Braunschiceig,  Wolfenbüttel       t  t  t 


Johann  f  1277 
Lüneburg 
I 

Otto  d.  Strenge  f 


1330 


Magnus  f  1369 
Braunschweig 
I 

Magnus  II. 
f  1373 
Braunschweig 
(•Lüneburg) 


Ernst  f  1367 
Göttingen 

I 

Otto  d.  Quade 
f  1394 


Otto  f  1352 
t  tt 


Wilhelm  t  1369 
t  tt 


105.  Grafschaft  Erersteln.  Ihr  Gebiet  umfafste  das  Land  zu 
beiden  Seiten  der  mittleren  Weser  ;  auf  der  linken  Flufsseite  Arzen, 
Hämelschenburg,  Grohnde,  Ottenstein,  Polle  und  Stahle;  auf  der  rechten: 
Ohsen  (1283  an  den  Erzbischof  von  Cöln),  Halle  bei  Bodenwerder,  die 
St&dt  Hameln  (seit  1261  Albrecht  von  Braunschweig  gehörig),  Amelungs- 
born  (auf  der  Grenze  gegen  homburgisches  Gebiet),  Holzminden  und 
den  nordwestlichen  Teil  des  Sollingerwaldes. 

Die  Burg  dieses  Namens  lag  auf  dem  sog.  Burgberg  nördlich  von  Bevern 
(bei  Holzminden),  wo  vermutlich  zwei  Burgen,  einegröfsere  (Castrum  Everstein  majus) 
und  kleinere  sich  befanden.  Genannt  schon  von  Helmold,  Chron.  Slav.  I,  42.  1284 
kaufte  sie  Heinrich  der  Wunderliche  von  Braunseh wcig-Grub.,  1364  verpfändete 
Albrecht  U.  (sein  Enkel)  die  Hälfte  derselben  an  die  Edlen  von  Homburg  (Orig. 
guelf.  IV,  505).    1493  wurde  sie  gebrochen.    Über  sonstige  verstreut  liegende 


230 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Besitzungen  und  Gerechtsame  vgl.  von  Spilcker,  Gesch.  der  Grafen  v.  Everstein, 
Arolsen  1833;  nach  diesem  bei:  Leo,  Territorien  2,  647 — 655.  Durch  Ver- 
gabungen, Verkauf  etc.  hatten  die  (trafen  das  Gebiet  mehr  und  mehr  ver- 
kleinert und  aufgelöst.  Der  Rest  kam  unter  Hermann  VI.  durch  Erbheirat  an 
die  Weifen,  1408. 

106.  Herrschaft  Homburg  (Hohenburg)  zwischen  Weser  und  Leine 
gelegen  mit  dem  gleichnamigen  Schlofs  nördlich  von  Stadt-Oldendorf, 
gebaut  von  dem  letzten  Nordheimer  Grafen  Siegfried  IV.  (f  1144).  Vor- 
übergehend war  das  Land  in  der  Hand  des  Bischofs  von  Hildesheim 
und  Heinrichs  des  Löwen;  nach  dessen  Achtung  belehnte  der  Hildes- 
heimer Bischof  mit  einem  Teil  des  Gebietes  die  Brüder  Bodo  und  Bertold. 

Das  Gebiet  umfalste  Burg  Greene  (1295  erbaut),  Schlofs  Woldenstein. 
Lüthorst,  Wickensen,  Bodenwerder  (Bodonis  insula)  in  der  Weser,  Oldendorf, 
Lauenstein,  Salzhemmendorf,  Wallensen ;  letztgenannte  Orte  östlich  des  Ith.  ; 
ferner  Eschershausen,  die  Klöster  Kemnade  bei  Bodenwerder  und  Amelungs- 
born,  und  seit  1355  Homboiken  oder  Hohenbüchen  (ab  alta  fago).  1409  ging 
die  Herrschaft  an  Bernhard  von  Braunschweig  über.  Ilavemann,  Gesch.  v. 
Braunschw.  BLüneburg  1,  344  f,  657.    Leo,  Territorien.  2.  674  f. 

107.  Kleinere  Territorien  im  sächsischen  Lande,  die  alle  schliefs- 
lich  dem  braunschweig -lüneburgischen  Herzogtum  einverleibt  wurden, 
sind  die  folgenden : 

Grafschaft  Dassel  (Dasle,  Dassila)  umfafste  die  Stadt  Dassel,  Markolden- 
dorf, Lauenberg,  Lauenförde,  Faistenberg,  Hundsrück,  die  Klöster  Fredelsloh 
und  Ililwardshausen ;  ferner  zwischen  Diemel  und  Weser:  Hofgeismar, 
Zierenberg,  Grebenstein  und  Herrschaft  Schonenberg  sowie  einen  Teil  von  Trendel- 
burg. Nach  Heinrichs  des  Löwen  Sturz  wurde  Nienover  (Newenober,  Nigenovere) 
an  die  Grafen  zu  Lehen  gegeben.  1113  wird  zuerst  ein  Graf  Reinhold  (Reginald) 
von  Dassel  erwähnt.  1329  stirbt  das  Haus  aus,  nachdem  schon  1303  Nienover 
an  Albrecht  den  Fetten  von  Braunschweig  verkauft,  ebenso  Lauenförde,  Fürsten- 
berg, Lauenberg,  Fredelsloh  und  Hilwardshausen  an  die  Weifen  gekommen 
war  und  1310  Bischof  Siegfried  das  Weichbild  Dassel  und  Schlofs  Hundsrück 
erhalten  hatte.    Hävern.  1,  340,  404  f.,  432.    Leo,  Territor.  2,  678  ff. 

Herrschaft  Depenau.  Die  Burg  gleichen  Namens  lag  an  der  Aue  bei 
Burgdorf,  südlich  von  Celle.  Sie  wurde  später  an  Konrad  U.,  Bischof  von 
Hildesheim,  verkauft.  Nach  Aussterben  der  Edlen  von  Depenau  1283  kam  das 
umliegende  Gebiet  teils  an  die  Grafen  von  Wunstorf,  teils  an  Welpe.  Hävern. 
1,  341.    Leo  2,  801  Anm. 

Herrschaft  vom  Berge  (de  monte,  von  Schalksberge)  zu  beiden  Seiten 
des  Weserknies  oberhalb  der  Porta  Westfalica.  Das  Dynastengeschlecht  wird 
seit  dem  XI.  Jh.  genannt.  Ihr  Gebiet  kam  noch  im  XIV.  Jh.  an  das  Bistum 
Minden  (s.  unten\ 

Grafschaft  "Wunstorf  mit  Stadt  und  Herrschaft  Wunstorf,  Schlofs 
Blumenau,  Seelse  mit  28  Dörfern  und  den  Gerichten  Goltern  und  Bente.  Näheres 
bei  Leo,  2,  702  Anm.  Die  (trafen  von  Roda  i  Immenrode),  Limber  (Limmer) 
und  Wunstorf  bilden  e  i  n  Geschlecht.  1447  kam  ihr  Gebiet  an  die  Weifen 
Wilhelm  L).  Urk.  bei  Scheid,  Cod.  Dipl.  p.  558.  Hierüber  Hävern.  1,  673. 
Auch  die  Grafschaft  Nienburg  an  der  Weser  gehörte  ihnen,  doch  überliefsen 
sie  diese  im  Anfang  des  XIII.  Jh.  den  Grafen  von  Hoya.  Hoyer,  UB.  1,  1.  2. 

Grafschaft  Lüchow  im  Flufsgebiet  der  unteren  Jeetze,  bestehend  aus 
Schlofs  und  Stadt  Lüchow  (Luchowe)  und  den  Schlossern  G art o  w  (Chartowe 
1225.  Garttowe  1255),  Wustrow  (Woztrow  1229,  Woztruwe),  Bodenteich 


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108.  Grafschaft  Schauenburg    109.  Grafschaft  Lippe. 


231 


(Bodendyke).  Der  erste  Graf  von  Lüchow  wird  1144  genannt.  Das  Geschlecht, 
zu  welchem  auch  jenes  von  Warpke  gehörte,  starb  1318  aus.  Das  Land  kam 
zunächst  an  den  Markgrafen  Waldemar  von  Brandenburg,  dann  durch  Kauf 
an  Otto  den  Strengen  von  Braunschweig  (1320)  und  nach  mehrmaligen  Ver- 

S fändungen  1072  an  Georg  Wilhelm  von  Celle  (s.  oben).  Über  die  Geschichte 
es  Landes  und  der  einzelnen  Schlösser  cf.  v.  Havemann  I,  345  f.,  4G1  Anm. 
Hennings  Das  hannoversche  Wendland,  1802,  S.  21  ff.  v.  Hammerstein,  Barden- 
gau 411»  ff,  481  f.    Mithoff  IV,  28  f.,  76.,  116  ff.,  288  f. 

Grafschaft  Dannenberg  (Danneberch,  Dannenberghe) ,  unmittelbar 
nördlich  von  Lüchow.  Das  Grafenhaus  tritt  mit  Volrad  1158  zuerst  auf.  Auf 
Cirund  eines  Vertrages  von  1303  fiel  der  linkselbische  Teil  an  das  ältere  Lüne- 
burger Haus.  Der  rechtsei  bische  Teil  kam  an  die  Lauenburger  Herzöge  und 
Markgrafen  von  Brandenburg.  Sie  umfafste  nämlich  links  der  Elbe:  Stadt 
und  Schlofs  Dannenberg  mit  Gebiet;  rechts  der  Elbe:  die  durch  die  Rögnitz 
getrennten,  von  der  Sude  bis  zur  Eide  reichenden  Landschaften  Weningen  und 
Jabel  mit  Schlofs  und  Stadt  Dömitz,  Kloster  Eldena  und  den  Burgen  Weningen, 
Walerow  und  Glesin,  ferner  Stadt  und  Herrschaft  Grabow,  Feste  Marnitz  und 
einen  Teil  der  mecklenburgischen  Amter  Neustadt  und  Hagenow.  Havemann  I, 
33i).    Mithoff  IV,  57  f. 

108.  Grafschaft  Schauenburg.  Von  Kaiser  Konrad  II.  hatte  Adolf 
von  Santersleben,  der  in  der  Wesergegend  begütert  war,  die  erbliche 
Grafenwürde  erhalten.  Seit  1030  baute  er  die  Schauenburg  in  seinem 
Güterbezirk  auf  dem  Nettelberge,  nach  welcher  schon*  er  sich  genannt 
zu  haben  scheint.  Die  Belehnung  seines  Enkels  Adolf  III.  (f  1122)  mit 
der  Grafschaft  Holstein  und  Storniarn  brachte  die  Grafschaft  in  Be- 
ziehung zu  letzteren. 

Die  Schauenburg  oder  in  der  noch  heüte  üblichen  verderbten  Form 
Schaumburg.  Herrn,  de  Lerbeck  (Chronic,  comitum  Sehawenburgensium, 
Frankf.  1620)  nennt  sie  Möns  speculationis.  Sie  liegt  an»  Südabhang  des  Weser- 
gebirges, heute  auf  preufsischem  Gebiet.  —  Die  damalige  Grafschaft  umfafste 
das  spätere  Amt  Stadthagen,  Ilagenburg,  die  Gegend  um  Bückeburg,  die  Weser- 
vogtei  und  die  Hattendörfer  Vogtei  nebst  Bodenberg.  Am  Grundbesitz  waren 
jedoch  mehrere  geistliche  Stifter  beteiligt.  Hierüber  Piderit,  Gesch.  d.  Grafsch. 
Schaumburg,  Rinteln  1831,  S.  47.  Adolf  VI.  (f  1315)  brachte  durch  Heirat  das 
Schlofs  Sachsenhagen  hinzu,  späterhin  Otto  I.  (f  1404)  auf  dieselbe  Weise 
das  Amt  Lauenau  im  W.  des  Deisters.    Piderit,  S.  76,  79. 

109.  Grafschaft  Lippe.  Von  dem  ausgedehnten  Haoldschen  Komi- 
tate  hatten  die  Edelherren  zur  Lippe,  welche  an  der  oberen  Lippe  bereits 
einen  reichen  Stammgutsbesitz  hatten,  noch  die  Gaue  Haverga  (d.  i.  die 
Gebiete  von  Rinteln  und  Bückeburg  nebst  Teilen  von  Minden  und 
Osnabrück),  TJmga  (südlich  dos  vorigen  um  Lemgo),  TkiatmeUi  (um 
Detmold)  und  Aga  (um^Herford  und  Schildesche)  erhalten,  welche  Lehen 
der  Paderborner  Kirche  waren.  Bernhard  IL  hatte  durch  Heirat  die 
Herrschaft  Rheda  erworben.  Auch  Schlofs  und  Amt  Enger  (westlich 
von  Herford)  sehen  wir  lange  in  den  Händen  von  Lippe.  Simon  I.  er- 
warb 1322  die  Hälfte  der  Herrschaft  Schwalenberg  und  damit  die  Burgen 
Oldenburg  (=  Alt-Schwalenberg),  Neu-Sehwalenberg,  Rischenau,  das  Kloster 
Falkenhagen  und  den  Freistuhl  zu  Stoppelberg.  Unter  seinen  Söhnen 
fand  1344  eine  Länderteilung  statt,  die  späterhin  eine  Reihe  von 
Verwickelungen  hervorrief.    Otto  (f  1301)  erhielt  die  Herrschaft  dies- 


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232 


VI.  Politische  Goographie  um  das  Jahr  1375. 


seits  des  Waldes  (Osning)  mit  Lemgo  und  Falkenberg,  Bernhard  V. 
(f  ca.  1364),  sein  Bruder,  die  Stadt  Lippe  (Lippstadt)  mit  der  Herrschaft 
jenseits  des  Waldes  und  einzelne  Stücke  an  der  nördlichen  Seite. 
Schwalenberg  blieb  noch  ungeteilt  (bis  1361).  Als  Heinrich  von  Schwalen- 
berg 1356  gestorben  war,  kam  auch  die  andere  Hälfte  dieser  Herrschaft 
gröfstenteils  an  Lippe,  während  der  Bischof  von  Paderborn  ein  Viertel 
erhielt.  —  Nach  dem  Tode  der  beiden  Brüder  fand,  da  Bernhard  keine 
männlichen  Nachkommen  hatte,  eine  Vereinigung  des  ganzen  Gebietes 
statt,  doch  ging  die  Herrschaft  Rheda  an  Tecklenburg  verloren. 

Die  Geschichte  der  Grafen  Haold  ist  noch  wenig  geklärt.  Am  Ende  des 
IX.  Jh.  erscheint  Haold  I.  Sein  Sohn  Haold  IL  gründete  952  das  Kloster 
Geseke  (östlich  von  Linpstadt).  Kaiser  Heinrieh  II.  sehenkte  um  1011  den 
Komitat  an  den  Biscnof  Meinwerk  von  Paderborn,  der  ihn  aber  nicht  voll- 
ständig besessen  hat,  da  in  den  einzelnen  Untergauen  vielmehr  andere  west- 
fälische Grafen  und  Herren  sich  zu  behaupten  wufsten.  — ■  Die  Schenkungs- 
urkunde von  1011  giebt  die  beträchtliche  Ausdehnung  des  ehemaligen  Koini- 
tates  an,  quem  Hahold  comes,  dum  vixit,  tenuit,  situm  scilicet  in  locis  Haverga, 
Limga,  ThiatmalU,  Aga,  Patherga,  Treveresga,  Langancka,  Erpesfeld,  Silbiki,  Mat- 
feld,  Xihterga,  Sinatfdd,  Ballevan  prope  Spriada,  Gamlriki,  Gession,  Sewardeshusun. 
Mit  Ausnahme  des  bückeburgischen  Distriktes  lag  der  Komitat  also  links  der 
Weser,  etwa  das  heutige  Fürstentum  Lippe,  den  östlichen  Teil  der  Münster- 
schen  Tieflandsbucht  und  das  nördliche  Waldeck  umfassend.  Vgl.  im  allge- 
meinen Seih  er  tzj  Landes- und  Rechtsgeseh.  v.  Westf.  (1861)  I,  332  ff.,  sowie 
seine  Dynastengesch.  I.  Bd.,  2.  Abt.  (1855),  S.  331  ff.  Die  einzelnen  Gaue 
werden  ebenda  S.  339 — 343  ihrer  Lage  nach  behandelt,  —  Zu  den  Nachkom- 
men jenes  Haold  gehörte  auch  Bernhard  I.  (1129—1158),  der  nach  seinen 
Stammgütern  an  der  Lippe  sich  zuerst  Edler  Herr  von  Lippe  nannte,  und 
der  aus  dem  Haoldschen  Erbe  jene  vier  Gaue  erhielt.  Cf.  Seibertz,  Dynasten* 
geschichtc,  S.  360  ff.  —  Über  die  Teilungsurkunde  vom  16.  Oktober  1344 
ß.  Preufs  und  Falkmann,  Lippische  Regesten,  Lemgo  1860,  II.  Bd., 
S.  177,  sowie  Falk  mann,  Beiträge  z.  Gesch.  des  Fürstent.  Lippe,  Lemgo 
1847,  I,  157—224. 

Nachdem  jener  obengenannte  Otto  1360  gestorben  war,  folgte  in  seinem 
Bezirk  sein  Sohn  Simon  III.  Über  die  Differenzen,  welche  dieser  mit  seinem 
dem  geistlichen  Stande  angehörigen  Bruder  Otto  hatte,  und  den  Vergleich 
zwischen  beiden  8.  Dezember  1366  cf.  Falkmann,  Regesten  II,  318.  —  Im 
Jahre  1361  kam  auch  eine  Teilung  der  Herrschaft  Schwalenberg  zwischen 
Simon  III.  und  seinem  Oheim  Bernhard  V.  zustande.  Bernhard  bekam 
Stadt  und  Schlofs  Rischenau,  den  lippeschen  Anteil  an  der  Oldenburg,  den 
Stoppelberg  und  einige  Dörfer,  wogegen  Simon  den  Rest  erhielt,  nämlich  die 
neue  Burg  und  Stadt  Schwalenberg.  Falkmann,  Beiträge  I,  176.  —  Als  Bern- 
hard V.  1364  gestorben  war,  nur  zwei  Töchter  hinterlassend,  von  denen  die 
ältere  Adelheid  mit  Otto  von  Tecklenburg  vermählt  war,  da  beanspruchte 
Simon  III.  als  Stammherr  des  Hauses  seines  Oheims  Herrschaft.  Doch  kam 
136r>  ein  Vergleich  zustande;  Simon  räumte  der  Witwe  Bernhards  ein  reiches 
Wittum  ein  und  erhielt  den  bedeutendsten  Teil  von  Bernhards  Gebiet.  Indessen 
hatte  der  Tecklenburger  das  SehloL  Lipperode  und  die  Herrschaft  Rheda 
bereits  in  Händen  und  verweigerte  die  Herausgabe.  In  der  nachfolgenden 
Fehde  wurde  Simon  gefangen  genommen,  mufste  sich  loskaufen  und  seiner 
Tochter,  die  Nikolaus,  den  Sohn  Ottos  von  Tecklenburg,  heiratete,  Rheda  als 
Hochzeitsgut  mitgeben.    Cf.  Falkmann,  Beiträge  I,  178,  182  ff.  201. 

110.  Bistum  Paderborn.  Der  weltliche  Besitz  lag  im  Westen  der 
Weser  zu  beiden  Seiten  des  Eggegebirges,  durch  welches  er  späterhin 
in  einen  Unterwaldischen  und  Oberwaldischen  Distrikt  geteilt  wmrde. 


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III.  Bistum  Münster.  233 

Da  auch  hier  die  Stiftungsurkunde  nicht  erhalten  ist,  so  können  wir 
die  frühesten  Dotationen  des  Stiftes  nur  aus  den  später  wiederholten 
Bestätigungen  vermuten.  Viele  von  den  Gauen,  Grafschaften  und 
sonstigen  Vergabungen  seitens  der  Kaiser  waren  schon  anfangs  nicht 
im  ausschliefslichen  Besitz  der  Bischöfe  gewesen  und  blieben  auch 
nachher  in  den  Händen  der  benachbarten  Dynasten. 

Ludwig  der  Fromme  stellte  das  Imtmmitätsprivileg  822  aus.  Wilmanns 
Kaiserurk.  I,  Nr.  0.  —  Zu  den  Besitzungen  des  Stiftes  gehörten  die  Gaue 
Paterga,  Aga,  Treveresga,  Auga  und  Soratfeld  sowie  der  Wald  von  der  Dei- 
chana durch  die  Ardenne  oder  Osnig  und  Sinde  bis  zum  Weg,  der  nach  Hecrse 
führt.  —  Sehl  umfassend  waren  die  Schenkungen  Kaiser  Heinrichs  II.  an 
Bischof  Meinwerk:  die  Grafschaften  des  Haold,  des  Dodico  und  Immedes- 
husen, die  aber  nur  teilweise  in  den  Besitz  des  Bischofs  übergingen.  Über 
Haold  vgl.  das  über  Lippe  Bemerkte. —  Die  Grafschaft  des  Dodico  von 
Warburg  machte  mit  der  Grafschaft  Hertmanns,  die  Konrad  II.  schenkte,  den 
oberwaldischen  Bezirk  aus.  Sie  bestand  aus  Teilen  des  Hessengaues,  Netgas 
und  Nitergas.  Die  vom  Erzbischof  Aribo  von  Mainz  dem  Bischof  streitig 
gemachte  Grafschaft  gab  Kaiser  Konrad  II.  nach  Aribos  Tode  an  Paderborn 
zurück.  —  Die  Grafschaft  Immedeshusen  lag  südwestlich  von  Paderborn, 
bestehend  aus  dem  Soratfeld,  Sinuthfeld,  Atmunga,  Treveresga  und  Burklaun. 
Von  späteren  Erwerbungen  sind  zu  nennen:  der  Reinerswald  (1058  unter 
Bischof  Imad  erworben),  wurde  unter  Bischof  Balduin  (1341—13(50)  an  den 
Landgrafen  von  Hessen  versetzt  und  nie  wieder  eingelöst.  —  Die  Burg  Büren 
und  Umgegend  gehörte  den  Freiherren  Barthold  und  Thetmar  von  Büren. 
Beide  trugen  1195  ihren  Besitz  an  das  Bistum  zu  Lehen  auf  und  bauten  die 
Stadt.  —  Infolge  Differenzen  mit  dem  Erzbischof  von  Köln  ging  auch  Brilon 
für  Paderborn  verloren,  ebenso  Erwitte;  Geseke  und  Salzkotten  waren  bis  1 21*4 
gemeinsamer  Besitz,  als  ersteres  in  jenem  Jahre  ganz  an  das  kölnische  Herzog- 
tum Westfalen  und  Salzkotten  an  Paderborn  kam.  Vgl.  unter:  Westfalen.  — 
Unter  Bischof  Otto  wurde  der  sechste  Teil  der  Stadt  Brakel  käuflich  er- 
worben, unter  Bischof  Theoderich  kam  das  zweite  Sechstel  1315  hinzu.  Der 
Graf  von  Waldeck  trat  1301  die  Wewelsburg  (südwestlieh  von  Paderborn) 
an  das  Stift  ab;  vorher  war  sie  im  Besitz  des  Grafen  Friedrich  von  Arensberg 
gewesen.  —  Die  Grafschaft  Tringen  wurde  1318  dem  Stift  geschenkt  vom 
Dompropst  Bernhard  von  Lippe,  der  sie  den  Grafen  von  Everstcin  abgekauft 
hatte.  Das  Hauptgut  lag  zwischen  Driburg  und  der  späteren  (1323)  Stadt 
Dringenberg.  —  Im  Jahre  1323  trat  das  Stift  Heerse  dem  Bistum  das  Eigen- 
tumsrecht und  die  Lehnsherrschaft  über  die  Stadt  Brakel  und  die  Bergfesten 
Hinnenburg  und  Wernberg  ab.  —  Stadt  und  BurgVörden  konnten  vom 
Kloster  Marien münster  nicht  gehalten  werden  und  wurden  1324  an  Paderborn 
abgetragen;  ebenso  1341  die  neue  Stadt  Bredenborn.  —  Nach  dem  Aus- 
sterben der  Grafen  von  Schwalenberg  135G  kam  ein  Viertel  der  Grafschaft 
1358  an  das  Bistum,  während  die  Grafen  von  der  Lippe  das  übrige  be- 
hielten. —  Näheres  s.  bei  Besse n,  Gesch.  des  Bistums  Paderborn.  2  Bde. 
Paderborn  1820.  Urkunden  des  Bistums  Paderb.,  hrgb.  von  Wilmanns, 
Münster  1874  IT. 

111.  Bistum  Münster.  Über  den  ersten  weltlichen  Besitz  des  von 
Karl  dem  Grofsen  gestifteten  und  dem  hl.  Liudger  übertragenen 
Bistums  ist  nichts  bekannt.  Das  nördlich  von  der  Lippe  gelegene,  bis 
über  die  obere  Ems  zum  Teutoburger  Walde  reichende  Gebiet  bildete 
später  den  Hauptbestand  des  bischöflichen  Machtbereichs.  Am  Ende 
des  XII.  Jh.  wurde  das  Bistum  reichsunmittelbar.  Im  Jahre  1252  erfuhr 
das  Stift  einen  erheblichen  Zuwachs  durch  den  Ankauf  der  Grafschaft 


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234  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Vechta  und  des  Emslandes  mit  Meppen,  die  späterhin  durch  die  zwischen- 
liegenden Gebietsteile  erweitert  (s.  u.)  das  sog.  Niederstift  Münster  um- 
fafsten.  , 

Von  Bedeutung  sind  die  rechtegeschichtlichen  Verhältnisse  in  Westfalen, 
die  Trennung  in  Freigerichte  (Freigrafschaft)  und  Gogeriehte  (Gografschaft , 
die  beide  nebeneinander  bestanden  und  nach  dem  Stande  ihrer  Gerichte- 
angehörigen  geschieden  waren:  jene  für  den  Adel  und  die  freien  bäuerlichen 
Grundbesitzer,  diese  für  die  hörigen  Leute.  Näheres  hierüber  bei  Schröder, 
Dtsche.  Rechtsgesch,,  S.  568  ff.  mit  weiteren  Literaturangaben.  Die  Sprengel 
der  Freigerichte,  die  nach  den  Hauptorten  benannt  wurden,  deckten  sich  nicht 
immer  mit  jenen  der  Gogeriehte.  Ein  Verzeichnis  der  18  Freigrafschaften  im 
Münsterlande  mit  den  zugehörigen  Kirchspielen  cf.  bei  Ledebur,  Allg.  Archiv 
f.  d.  Geschichtskde.  d.  preufs.  Staates  X,  42  ff.  Leo,  Territorien  II,  554  ff., 
der  Gografschaften  ebenda. 

Den  Grund  zum  Niederstift  legte  der  Erwerb  der  Ämter  Vechta  und 
Meppen,  die  vordem  den  Grafen  von  Calvelage-Ravensberg  gehört  hatten.  Graf 
Hermann  II.  von  Calvelage  (auch  Calverla  oder  Caula)  hatte  nämlich  um  1072 
eine  Tochter  Ottos  von  Nordheim  geheiratet  und  durch  diesen  grofse  Gebiets- 
teile im  Lerigau  (westlich  der  Hunte)  und  Agredingo  (Emsland)  erworben,  wo 
er  die  Burg  Vechta  zum  Mittelpunkt  seiner  Herrschaft  machte.  1244  starb  mit 
Otto  IL  diese  Linie  aus,  und  seine  Güter  fielen  nach  Vereinbarung  als  Heiratsgut 
an  seine  Tochter  Jutta,  die,  mit  Grafen  Heinrich  von  Tecklenburg  vermählt, 
von  diesem  die  Grafschaft  Sögel  und  die  Güter  in  Oyte  als  Morgengabe  erhalten 
hatte.  Als  ihr  Gemahl  1248  gestorben  war,  heiratete  sie  1251  einen  Edelherrn 
Walram  von  Monjoie  (in  der  Eifel)  und  verkaufte  ihren  ausgedehnten  Land 
besitz  in  Norddeutsehland  1252  an  die  Kirche  zu  Münster  für  4000O  Mark. 
1253  wurde  Bischof  Otto  von  König  Wilhelm  mit  diesem  Besitz  belehnt. 
Wilma  uns,  Münster.  ÜB.  S.  289,  296.  Vgl.,  Niemann,  Das  Oldenburg. 
Münsterland  I,  56.  Di epen brock,  Gesch.  d.  vormal.  münsterschen  Amtes 
Meppen,  S.  156  ff.    Stüve,  Gesch.  d.  Höchst.  Osnabr.  I,  97  f. 

112.  Bistum  Minden  hat  seit  seiner  Einrichtung  im  Jahre  803  sein 
Territorium  nur  stückweise  durch  Schenkungen  von  Gütern  erworben. 
Die  Bischöfe  hatten  es  an  Versuchen  nicht  fehlen  lassen,  ihren  Besitz 
auf  Kosten  der  umwohnenden  Dynasten  zu  vermehren,  doch  ohne  Erfolg. 
Um  137">  reichte  der  weltliche  Besitz  von  der  Porta  Westfalica  ein  Stück 
die  Weser  abwärts  zu  beiden  Seiten  des  Flusses  sich  hinziehend  bis 
Schlüsselburg  sowie  nach  NW.  bis  fast  zur  Hunte  hinüber. 

Minden  und  Lübbeke  waren  die  wichtigsten  Orte,  die,  als  sie  Stadtrechte 
erhalten,  sich  der  bisehöflichen  Bevormundung  zu  entziehen  wufsten.  Aufser 
diesen  gehörten  zum  Territorialbestande  des  Bistums  die  Ämter  Petershagen. 
Schlüsselburg,  Heineberg  und  Rahden. 

113.  Bistum  Osnabrück.  Der  weltliche  Besitz  war  anfangs  ein  sehr 
beschränkter.  Die  Kirche  erlangte  niemals  so  grofse  Vergabungen,  als 
sie  den  ostsächsischen  Kirchen  zuteil  geworden  waren.  Von  auf- 
strebenden Grafengeschlcehtern  allseitig  umgeben,  konnten  die  Bischöfe 
nur  schrittweise  ihren  Machtbereich  erweitern  infolge  des  Aussterbens 
einiger  Familien  von  Edelherren,  der  Erwerbung  von  Kirchenvojgteien, 
Gütern  etc.  Unter  Bischof  Engelbert  von  Isenburg  erlangte  das  Bistum 
die  Reichsunmittelbarkeit  (1225). 

Schon  die  Gründungsgeschichte  ist  in  Dunkel  gehüllt.  Der  dem  Dum- 
stifte  zustehende  Besitz  beschränkte  sich  anfangs  auf  den  Haupthof  zu  Osna 


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114.  Grafschaft  Hoya.    115.  Herrschaft  Diepholz. 


235 


brück  und  dessen  zerstreut  liegende  abhängige  Höfe.  Cf.  C.  Stüve,  Gesch. 
des  Hochstiftes  Osnabrück  1853,  I,  7,  9.  —  Engelbert  erhielt  1225  vom  Kaiser 
die  Gogeriehte  zu  Osnabrück,  Iburg,  Melle,  Dissen,  Ankum,  Bramsche,  Damme 
und  das  im  Münsterland  gelegene  Wiedenbrück.  Freilich  unterstand  dieses 
Gebiet  nicht  ganz  seiner  Gogerichtsbarkeit ;  wie  einzelne  verstreut  liegende 
Güter,  so  waren  auch  mehrere  Freigerichte  in  der  Hand  fremder  Herren, 
besonders  der  Tecklenburger  imd  ravensbergischen  Grafen.  Ein  Verzeichnis 
der  Orte  und  Kirchspiele  nach  ihrer  damaligen  Zugehörigkeit  (XIII.  Jh.)  gibt 
Stüve,  Höchst.  I,  80 — 82.  Moser,  Osnabr.  Gesell.  III,  61.  Unter  Bischof 
Konrad  1227— 1240)  wurde  zum  Nachteil  der  Tecklenburger  Grafen  der  Macht- 
kreis erweitert  und  vom  Kaiser  der  Erwerb  der  Yogteien  und  Güter  bestätigt. 
Nur  das  Gogericht  Angelbeck  (Ämter  Wittlage,  Ilunteburg,  Limberg,  Stemwede) 
fehlte  noch.  In  der  Fehde  mit  dem  Tecklenburger  Grafen  Otto  hatte  Bischof 
Konrad  1236  von  der  Herrschaft  des  Edelherrn  Wibbold  zu  Dissen:  Laer, 
Glandorf,  Hilter  und  Dissen  erhalten.  Acta  Osnabrug.  I,  58  f.  Im  Laufe  des 
XIII.  Jh.  wurden  unter  Bischof  Konrad  IL  (126K— 1297)  die  letzten  Reste  der 
Vogteien  beseitigt.  Cf.  über  diese  Erwerbungen  Stüve  I,  104  f.,  109,  119,  so- 
wie über  den  faktischen  Machtbereich  ibid.,  S.  142,  185. 

Das  dem  Bistum  1225  verliehene  Gogericht  zu  Damme-Neuenkirehen 
wurde  von  dem  münstersehen  Bischöfe  streitig  gemacht,  da  eine  Gräfin  Jutta 
von  Ravensberg  1252  ihre  Grafschaft  Vechta  und  die  emsländischen  Besitzungen 
an  den  Bischof  von  Münster  verkauft  hatte.  Die  Gemeinden  von  Damme  waren 
damals  »zweiherrig«.  Der  Streit  um  den  Besitz  jenes  Gebietes  dehnte  sich  bis 
ins  XVII.  Jh.  aus  und  kam  erst  1817  zum  Abschluß*.  Cf.  Niemann,  D.  Olden- 
burg. Münsterland  I,  154  ff.  Das  Nordländische  Amt  begriff  die  erst  1343  vom 
Bischof  Gottfried  begründete  Burg  Fürstenau,  das  Gogericht  zu  Bramsche  und 
die  Gerichte  zu  Ankum,  Quakenbrück  (von  Bischof  Konrad  I.  1235  gegründet) 
und  Badbergen.  Cf.  Moser,  Osnabrückische  Geschichte  III,  20  IT.  Nieber- 
ding,  Gesch.  d.  ehemal.  Niederstiftes  Münster  I,  117.  Das  Nordländische  Amt 
war  durch  Bischof  Joliann  IL  zeitweise  verpfändet,  winde  aber  1357  durch  das 
Dom-  und  Johannis-Kapitel  in  Osnabrück  wieder  zurückgekauft.  Cf.  Moser  III, 
199  ff.  Stüve,  Höchst,  Osnabr.  I,  221.  Mithoff,  Kunstdenkmale  VI,  47. 
Sopp;,  Entwickig.  d.  Landesherrlichkeit  im  Fürst,  Osnabrück,  Diss.  Tübingen  1902. 

114.  Grafschaft  Hoya.  Grafen  dieses  Namen9  treten  seit  der  ersten 
Hälfte  des  XIII.  Jh  auf.  Ihr  Gebiet  hat  sich  aus  den  Herrschaften 
mehrerer  edelfreier  Herren  gebildet,  wie  derer  von  Stumpenhausen,  von 
Hodenborg,  von  Machtenstede,  von  Grimbergen,  deren  Linien  nach  und 
nach  ausstarben,  so  dafs  Anfang  des  XIV.  Jh.  das  meiste  schon  zu  beiden 
Seiten  der  Weser  oberhalb  der  Allermündung  in  ihrer  Hand  vereinigt 
war.  Einen  erheblichen  Gebietszuwachs  bildete  im  XIV.  Jh.  schliefslich 
noch  die  Herrschaft  Bruch  hausen  zwischen  Hunte  und  Weser. 

Die  Grafschaft  scheint  frühzeitig  geteilt  gewesen  zu  sein,  in  eine  Obere 
Herrschaft  mit  dem  Hauptort  Nienburg  und  eine  Niedere  Herrschaft  mit  Hoya, 
von  denen  diese  der  älteren  gräflichen  Linie,  jene  der  jüngeren  gehörte.  Die 
Burg  Hoya  auf  einer  Weserinsel  entstand  im  Anfang  des  XIII.  Jh,  —  Die 
Niedere  Herrschaft  kaufte  1301  einen  Teil  der  Herrschaft  (Neu- Bruchhausen 
und  1338  Alt-Bruehhausen  (östlich  von  jenem)  und  Bahrenburg.  Die  Herrschaft 
Bruchhausen  umfafste  die  Kirchspiele  Vilson  und  Sudwalde  und  einen  Teil 
von  Asendorf.  Cf.  Höver  UB.  I,  86,  88,  264,  267.  Havemann  I,  345.  Leo, 
Territ.  II,  507.    Gade",  Grafschaften  Hoya  und  Diepholz,  Hannover  1900. 

115.  Herrschaft  Diepholz  zu  beiden  Seiten  der  Hunte.  Der  ur- 
sprüngliche Sitz  der  Edlen  von  Diepholz  war  angeblich  eine  Burg  zu 
Cornau,  dann  wurde  er  erst  nach  der  Burg  Diepholz  (Dhepholte,  Dev- 
holte)  verlegt,  nach  welcher  sich  auch  die  Familie  nannte.    Ihr  anfangs 


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236  VL  Politische  Gcograplüe  um  das  Jahr  1375. 

kleines  Gebiet  wurde  im  XIII.  Jh.  vergrüfsert  durch  die  Herrschaft 
Stemmwede,  zu  welcher  1318  noch  Gebietsteile  am  Dümmersee  mit  Lem- 
bruch, Hüde  und  Marl  durch  Herzog  Otto  von  Braunschweig  verliehen 
wurden;  dieses  ganze  Gebiet  bildete  das  Amt  Leuenfurt  (Lemförde). 

Die  Herrschaft  bestand  also  nur  aus  den  beiden  späteren  Ämtern  Diep- 
holz und  I^cmförde.  Diepholz  umfafste  den  gleichnamigen  Flecken,  die  Vogtei 
Barnstorf  und  Drebber  sowie  das  Kirchspiel  Goldenstedt  mit  mehreren  Dörfern. 
Lemförde  bestand  aus  diesem  Flecken  und  drei  Dörfern. 

116.  Erzbistum  Bremen.  Weltlicher  Besitz  und  Macht  waren  anfangs 
gering.  Erst  Adaldag  gelang  es  965,  Marktgerechtigkeit  für  Bremen  und 
967  die  gräfliche  Gerichtsbarkeit  über  sein  Stift  zu  erlangen.  Durch 
Erzbischof  Unwan  aus  dem  Geschlechte  der  Immedinger  und  seine  An- 
verwandte Emma  erfolgte  der  erste  gröfsere  Gebietszuwachs.  Den  Grund 
zur  späteren  Machtentfaltung  legte  aber  der  tatkräftige  Adalbert  von 
Bremen  (1043—1072),  der  eingestandenennafsen  darauf  ausging,  alle 
Grafenämter,  die  in  seinem  Sprengel  Gerichtshoheit  hätten,  in  die  Gewalt 
seiner  Kirche  zu  bringen.  Nicht  ohne  Widersetzlichkeit  seitens  der 
Nachbarn  (der  Billunger  und  Grafen  von  Stade)  gelang  es  ihm  auch  bis 
auf  geringe  Teilstücke.  Der  unangefochtene  Besitz  der  umfangreichen 
Grafschaft  Stade  sollte  dem  Erzbistum  aber  erst  nach  vielen  Streitigkeiten 
1236  endgültig  zugesprochen  werden  und  damit  die  territoriale  Ent- 
wicklung des  Erzstiftes  ihren  Abschlufs  finden.  Kurz  vorher  (1229)  war 
auch  die  Grafschaft  Wildeshausen  (jetzt  oldenburgisch)  von  den  Grafen 
an  das  Erzstift  zu  Lehen  aufgetragen  und  1270  durch  Graf  Heinrich 
den  Bogener  zu  völligem  Eigentum  übergeben  worden. 

Über  die  Ottonischen  Privilegien  von  965  und  967  vgl.  van  Bippen, 
Gesch.  d.  St.  Bremen,  1892,  I,  24,  26.  Dehio,  Gesch.  d.  Erzb.  Hamburg-Bremen, 
1877,  I,  III  ff.  Das  Patrimonium  der  bremischen  Kirche  umfafste  zu  Adaldags 
Zeit  (931—988)  die  drei  Stifter  Bremen,  Bücken  im  Gau  Stcoringa,  und  Bersen 
(Bassum)  im  Gau  Lara  und  das  Kloster  Ramesloh,  ferner  die  neuentstandenen 
Stifte  Ileslingen  im  südlichen  Heilanga-Gau  und  Kipesholt  im  friesischen 
Asterga.    Hierzu  die  Anmkgn.  bei  Dehio,  S.  19. 

Unwan  hatte  dem  Stift  den  Hof  Botegun  (Adam  II,  45)  geschenkt 
(—  Baden  im  Gaugericht  Achim;  Hamburg.  UB.  1.  Nr.  60),  Emma,  die  Witwe  des 
Grafen  Liutger,  den  Hof  Stiplaga  (=  Stiepel  am  rechten  Ufer  der  Ruhr  in  der 
Grafschaft  Mark),  nach  Adam  II,  76.  Erzbischof  Libentius  (1029—1032)  kaufte 
von  den  Anwohnern  ein  Dorf  jenseits  der  Weser  (Adam  II,  61),  unter  welchem 
man  Lideneshusen  vermutet  (Hamburg.  UB.  I,  Nr.  66).  —  Über  die  Bestrebungen 
Adalberts,  über  seine  Diözese  eine  ähnliche  Machtbefugnis  zu  erlangen  wie  der 
Würzburger  Bischof,  s.  Adam  III,  45.  Die  durch  ihn  bewirkte  Gebietserweiterung 
erstreckte  sieh  auf  folgende  Landschaften:  1.  Auf  Grafschaften  des  Grafen 
Beruhard  im  Emsgau,  Westfalen  und  Engern,  u.  a.  den  Lorgoe  und  Emsgoe 
(den  er  nur  10  Jahre  lang  behauptetet;  ferner  den  Hunesgoe  und  Fivelgoe 
in  Friesland.  Adam  III,  45,  III,  8  und  Hamburg.  UB.  I,  Nr.  88.  2.  Die  Herr- 
schaft Lismona  (Liestmona,  Lesum),  den  Wild-  und  Königsbann  im  Gau  Wig- 
modi,  dazu  die  ltisula  Iiremensis  (Vieland),  Jtisnla  Lechter  (Teil  des  Stedinger- 
landcsi,  fünf  weitere  Bruchländereien  der  unteren  Weser  und  das  Küstengebiet 
von  Iladeln  (Adam  III,  44).  Hamburg.  UB.  I,  Nr.  87  a.  1063,  27.  Juni.  Über 
die  Vorgeschichte  der  Schenkung  von  Lismona  cf.  Dehio  I,  233. 

3.  Die  Grafschaft  Stade.  Das  Stammschlofs  der  Grafen  war  Rosenfeld, 
auch  Ilersefeld  genannt,  und  vom  Grafen  Heinrich  dem  Guten  in  einen  Konvent 


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117.  BiHtum  Verden.    118.  Stadt  Hauiburg.  237 

• 

umgewandelt  worden  (Adam  II,  43.  Ann.  Saxo  a.  1010),  weshalb  der  gräfliche 
Sitz  nach  Stade  verlegt  wurde.  Die  Grafschaft  lag  zerstreut  in  der  Bremer 
Diözese,  zumeist  in  der  Nähe  der  Elbe  (Adam  III,  45)  und  erstreckte  sich  bis 
zur  Seve  (Seuina).  1062  mufste  (traf  Udo  sie  als  Lehen  der  Bremer  Kirche 
annehmen.  Auch  die  Grafschaft  Ditmar sehen,  die  Heinrich  IV.  nach  Aus- 
sterben des  dortigen  Grafengeschlcchtes  jener  Kirche  geschenkt  hatte,  wurde 
den  Stadern  zu  Lehen  gegeben.  Hierüber  Dehio  1.  c.  Kritische  Ausführungen 
S.  69  ff.  gegen  Dahlmann  (Gesch.  Ditmarschens2,  1873),  der  Stade  und  Dit- 
marschen  als  unter  einem  Grafen  vereinigt  ansah.  Für  die  ehemalige  Aus- 
dehnung der  Grafschaft  ist  die  späte,  aber  unverdächtige  Nachricht  in  der 
Rastefiter  Chronik  (Meibom  II,  89)  wichtig.  Es  unterstanden  also  der  Grafen- 
gewalt: 1.  Ditmarschen,  2.  sämtliche  Gaue  der  Bremer  Diözese  zwischen  Weser 
und  Elbe  sowie  Waltsati  und  Mosdi  der  Verdener,  3.  Oberstedingen,  d.  h. 
Teile  des  Lar-  und  Amergaues.  Dazwischen  lagen  einige  Immunitätsbezirke  der 
Bremer  Kirche.  Cf.  Dehio,  Wesen  u.  Umfang  der  sog.  Gfscht.  Stade,  in 
Bremer  Jb.  1872,  125 — 135.  Udos  Enkel,  Hartwig  (f  1168),  war  Dompropst  zu 
Bremen  und  der  letzte  Graf  von  Stade,  der  sein  ganzes  Allodialvermögen  der 
Bremer  Kirche  schenkte.  Heinrichs  des  Löwen  Ansprüche  auf  jene  Landschaft 
führten  zu  langjährigen  Zwistigkeiten,  die  im  XIII.  Jh.  ihren  Abschlufs  fanden, 
indem  Otto  das  Kind  von  Braunschweig-Lüneburg  die  Grafschaft  dem  Bremer 
Erzstifte  überliefs.  Über  die  Gesch.  der  Grafschaft  cf.  Dehio  II,  52—55,  97—99, 
117  f.,  143—148.  Hodenberg,  Diözese  Bremen  II,  15  f.  Kobbe,  Bremen 
u.  Verden  (1824)  II,  132  ff. 

4.  Wildeshausen  zu  beiden  Seiten  der  Hunte,  im  N.  an  Delmenhorst 
grenzend,  mit  dem  gleichnamigen,  sehr  alten  Ort.  Das  Grafen  haus  war  mit 
dem  oldenburgischen  verwandt.  Heinrich  der  Bogener  trat  seine  Grafschaft 
1270  an  das  Erzstift  Bremen  (Erzbisehof  Hildebold)  ab.  Über  die  Geschichte 
der  Grfsch.  vgl.  Bau-  u.  Kunstdcnkmäler  des  Herzogt.  Oldenburg,  1896,  1,  13  IT., 
die  Literat,  ibid.,  S.  56—61. 

117.  Bistum  Verden.  Das  Stiftsgebiet  reichte  von  der  unteren  Aller 
und  Weser  bis  zur  oberen  Oste  hinüber.  Der  Landerwerb  ging  sehr 
langsam  vor  sich ;  meist  waren  es  nur  einzelne  Güter  und  Gerechtsame, 
die  durch  Schenkung  hinzukamen.  Es  gehörten  zum  Stift  das  Kirchspiel 
Walle  mit  19  Orten,  das  Kirchspiel  Amesen  mit  6  Dörfern,  die 
Kirchspiele  Linteloh  und  Witteloh,  die  Herrschaft  Rotenburg,  die 
Vogteien  Visselhövede,  Schneverdingen,  Neuenkirchen,  Scheefsel  und 
Sottrum. 

Otto  IH.  hatte  dem  Stift  Markt-,  Münz-  und  Zollgerechtigkeit  verliehen. 
Oer  erste  sicher  beglaubigte  Bischof  war  Harud  (t  830).  Die  Immunität,  die 
anfangs  sich  nur  auf  Verden  selbst  bezogen  hat,  wurde  dem  Stift  1106  auf 
alle  Kirchen  und  Ländereien  ausgedehnt.  Kobbe,  Gesch.  u.  Landesbeschreibung 
der  Herzogtümer  Bremen  imd  Verden,  2  Bde.,  Gotting.  1825  (veraltet).  Pfann- 
kuche,  ältere  und  neuere  Gesch.  des  Bist.  Verden,  2  Bde.,  Hamburg  1830  ff. 
Hoden berg,  Verdener  Gesehichtsquellen,  Celle  1856  f. 

118.  Stadt  Hamburg.  In  der  Nähe  der  von  Karl  dem  Grofsen  an 
der  unteren  Elbe  angelegten  Burg  IIo  scheint  eine  Ansiedelung  ent- 
standen zu  sein,  die  nach  dem  Walde,  der  die  Bille-,  Alster  und  Elb- 
niederung bedeckte,  der  Hamme  benannt  worden  ist.  Zuerst  gewann 
der  Ort  Bedeutung,  als  er  zum  Sitz  eines  Erzbistums  ausersehen  worden 
war  (831).  Die  Zerstörung  des  Ortes  durch  die  Normannen  (845)  führte 
allerdings  zur  Verlegung  des  Sitzes  nach  Bremen.  Seit  dem  Jahre  1100 
datiert  die  Herrschaft  der  Holsteiner,  da  Graf  Adolf  III.  von  Schauenburg 


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238  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

• 

mit  Holstein  auch  Hamburg  erworben  hatte.  Er  erweiterte  den  Stadt- 
bezirk durch  den  Anbau  der  Neustadt  und  hob  den  Ort  durch  Bewil- 
ligung städtischer  Privilegien.  Auch  das  Handelsleben  entwickelte  sich, 
zumal  Bardowiek  1189  durch  Heinrich  den  Löwen  zerstört  worden  war. 
Eine  Vergröfserung  des  städtischen  Territoriums  erfuhr  Hamburg  erst 
im  XIV.  Jh. 

Das  Verhältnis  der  Stadt  zu  den  Holsteinern  hatte  sieh  im  Laufe  der 
Zeit  immer  mehr  gelockert;  1201  — 1223  war  die  Stadt  in  der  Hand  "Waldemars 
von  Dänemark  gewesen,  1224  kam  sie  wieder' an  die  Holsteiner,  die  hier  aber 
nur  eine  Art  Schirmherrschaft  noch  ausübten.  —  Im  Jahre  1342  wurde  Eppen- 
dorf durch  Kauf  erworben  und  1352  der  Elbwerder,  bestehend  aus  dem  IJill-, 
Moor-,  Ochsen-  und  Finkenwerder.  Gallois,  Gesch.  der  St.  Hamburg, 
Hambg.  1853  ff.  Gaedechens,  Hist.  Topographie  der  Freien  und  Hanse- 
stadt Hamburg,  H.  1S89. 

119.  Stadt  Bremen.  Die  Stadt  stand  anfangs  vollständig  unter  der 
Gewalt  des  Erzbischofs,  dem  ein  Vogt  zur  Seite  stand.  Nach  Selb- 
ständigkeit strebend,  hatte  sie  sich  erst  sehr  allmählich  von  dieser  Bevor- 
mundung zu  befreien  gewufst,  Von  einem  eigentlichen  Landerwerb  konnte 
daher  auch  erst  im  XIV.  Jh.  die  Rede  sein,  von  einer  Landeshoheit  erst 
sehr  viel  später.  Sie  suchte  zunächst  ihren  Einflufs  auf  das  umliegende 
Gebiet  zu  festigen  und  zwar  durch  Besetzung  der  Gografschaften.  Durch 
Verpfändungen  von  Besitzungen  seitens  der  Erzbischöfe  und  anderer 
Fürsten  kam  die  Stadt  zeitweilig  in  den  Besitz  gröfserer  Landschaften. 

Cber  die  ersten  Versuche  der  Machtausbreitung  cf.  Buchenau,  Freie 
Hansestadt  Bremen  und  ihr  Gebiet,  3.  Aufl.  19(0,  S.  275  ff.  Dünzelmann, 
Zur  Gesch.  des  Brem.  Landgebietes,  in  Brem.  Jb.  1889,  95  ff.  v.  Bippen, 
Gesch.  der  St.  Bremen  1892,  I,  pass.  Zunächst  hatte  die  Stadt  im  Vielande 
(südlich  der  Weser)  Fufs  gefafst,  dann  im  N.  am  Ufer  der  Lesum  (1350i. 
wo  eine  Schanze  und  Brücke  bei  Burg  gebaut  wurden,  zu  deren  Unterhaltung  die 
Vogtei  Langwedel  angewiesen  wurde;  —  ferner  im  Werder-,  Huller-  und 
Blocklande. 

120.  Grafschaften  Oldenburg  und  Delmenhorst.  Erstgenannte  um- 
fafste  das  Gebiet  vom  Jadebusen  (erst  1218  entstanden)  an  bis  südwärts 
zur  Hunte  oberhalb  der  Stadt  Oldenburg,  westlich  bis  zum  Saterland  und 
östlich  bis  zum  Stadland.  Delmenhorst  erstreckte  sich  von  der  Mündung 
der  Hunte  in  die  Weser  an  zwischen  beiden  Flüssen  südwärts. 

Nachdem  der  Ort  Oldenburg  durch  Heinrich  den  Löwen  zu  einer  Festung 
ausgebaut  war,  nannte  sich  zuerst  Christian  I.  nach  dieser  Graf  von  Oldenburg 
1155,  Nach  dem  Fall  Heinrichs  1180  wurde  auch  sie  reichsunmittelbar.  — 
Der  im  Verein  mit  dem  Erzstift  Bremen  ausgeführte  Kreuzzug  gegen  die 
Stedinger  brachte  1234  die  sog.  Brookseite  (=  westlich  des  Ollenflüfsehens) 
an  Oldenburg,  während  die  L echter sei  te  an  Bremen  tiel ,  aber  13HG  an 
Oldenburg  (Delmenhorst)  abgetreten  wurde,  v.  Halem,  Gesch.  d.  Herzt, 
Oldenburg  I  (1791),  S.  208. 

Die  Landschaft  um  Delmenhorst,  wo  1247  unter  dem  (»Idenburgischen 
Grafen  Otto  IL  eine  Festung  erstand,  war  Abfindungsobjekt  für  jüngere  Söhne 
des  oldenburgischen  Grafenhauses  gewesen  und  entwickelte  sich  zu  einem 
selbständigen  Gebiet,  Nach  Ottos  Tode  fiel  sie  an  den  in  Oldenburg  regierenden 
.Johann  X.,  der  sich  zuerst  Graf  von  Oldenburg  und  Delmenhorst  nannte. 
Doch  trat  1301  wieder  eine  Teilung  in  zwei  Grafschaften  und  Dynasten- 
linien ein. 


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121.  Grafschaft  Tecklenburg. 


239 


Genaue  Grenzen  lassen  sieh  für  die  Grafschaft  Delmenhorst  nicht  an- 
geben. Im  N.  gehörte  dazu  das  Stedingerland  bis  zur  Hunte .  im  W.  mag  die 
Hunteniederung  gegen  Oldenburg  die  Grenze  gewesen  sein.  Böse,  Grofshzgt, 
Oldenburg,  1863,  459  f. 

Die  ehemals  zu  Oldenburg  gehörende  Grafschaft  Wildeshausen,  unter  einer 
Seitenlinie  des  Hauses  stehend,  war  1270  an  das  Erzstift  Bremen  ge- 
kommen (8.  d.). 

121.  Grafschaft  Tecklenburg.  Nach  dem  Aussterben  der  Grafen 
dieses  Namens  war  das  Land  an  eine  Nebenlinie  der  Grafen  von  Bent- 
heim gefallen  (1268)  und  nach  dem  Erlöschen  dieser  (1329)  an  den 
Grafen  Nikolaus  von  Schwerin. 

Die  ältere,  im  XH.  Jh.  auftretende  Namensform  war  Tekeneborg,  Tikkene- 
burg,  Techeneburg,  Tiegneburg;  seit  dem  XV.  Jh.  wird  das  Schlofs  auf  dem 
Osning  stets  Tecklenburg,  Tyclenburg,  Tikkelenburg  genannt.  Das  bei  Ptole- 
mäus  II,  11,  12  erwähnte  Tekelia  (Cluver,  Germ.  ant.  I,  III,  p.  556)  hier- 
hinter  zu  vermuten,  ist  natürlich  völlig  haltlos. 

Die  Grafschaft  hatte  eine  beträchtliche  Ausdehnung:  vom  Teutoburger 
Wald  an  umfafstc  sie  damals  (1375)  beide  Ufer  der  mittleren  Ems  bis  unter- 
halb Lingen  und  reichte  von  hier  nach  NO.  über  die  untere  Hase  bis  in  das 
heute  südoldenburgische  Gebiet:  Cloppenburg,  Frisoythe  bis  nördlich  nach 
Barssel  einsehliefslich  des  Saterlandes.  Die  Ausdehnung  des  ältesten  Graf- 
schaftsbezirkes läfst  sich  nicht  angeben;  der  heutige  Kreis  Tecklenburg  und 
die  Niedergrafschaft  Lingen  gehörten  ohne  Zweifel  hierzu.  —  1186  hatte  Graf 
Simon  von  Tecklenburg  nach  einem  Streit  mit  Bischof  Arnold  von  Osnabrück 
das  Kirchspiel  Lienen, .westlich  von  Iburg  am  Teutoburger  Wald,  zu  Lehen 
erhalten  (ausseid iefslich  der  Iburg).  Moser,  Osnabr.  Gesch.  II,  S.  80  f. 
Essellen,  Gesch.  d.  Gschft.  Tekklenburg,  Sehwerte  a.  Ruhr  1S77,  S.  13  f. 
34.  Desgleichen  erhielt  er  für  die  abgetretene  Vogtei  über  Münster  vom 
dortigen  Bisehof  die  Burg  Haren  a.  Ems.  Cf.  Müller,  Gesch.  von  Tecklen- 
burg, S.  65. 

Unter  seinem  Sohne  Otto  I.  wurden  an  der  ostfriesischen  Grenze  die 
Burg  bei  Barssel  und  die  Schnappenburg  am  Zusammenllufs  von  Vehne 
und  Soeste  hinzuerobert,  aber  durch  eine  Fehde,  in  die  er  hineingezogen  wurde, 
erlitt  er  mancherlei  Einbufse.  Die  Burg  Essen  an  der  Hase  (über  die  Gründung 
dieser  durch  Graf  Simon  nach  1197  cf.  Nie  mann,  Oldenburgisches  Münster- 
land, I,  57)  war  zerstört  worden,  und  der  Bischof  von  Osnabrück  hatte  an  der 
Hase  den  befestigten  Ort  Quakenbrüek  erbaut.  Otto  suchte  sich  in  der  Burg 
»to  Oite«  (jetzt  Friesoythe)  an  der  Soeste  einen  anderen  Mittelpunkt. 

Mit  Otto  I.  starben  1262  die  Tecklenburger  Grafen  aus.  Seit  1268  war 
die  Herrschaft  in  der  Hand  seines  Schwiegersohnes  Graf  Ottos  von  Bentheim 
vereinigt,  der  alsbald  die  Grafschaft  Bentheim  seinem  Sohne  Egbert,  die  Graf- 
schaft Tecklenburg  seinem  Sohne  Otto  II.  übertrug.  —  Unter  Otto  III.  wurde 
in  sumpfiger  Gegend  eine  neue  feste  Burg  gebaut,  die  Cloppenburg,  1296. 
Nachdem  mit  Otto  IV.  1329  auch  die  Bentheim  er  Linie  ausgestorben 
war,  folgte  ein  Graf  Nikolaus  von  Schwerin,  der  mütterlicherseits  mit  den 
Tecklenburgern  vermutlieh  verwandt  war.  Cf.  Holsche,  Iiistor.- topogr.  Besehr. 
d.  Grschft,  Tecklenburg  1788,  S.  51.  Essellen  1.  c.  S.  66.  Er  suchte  sein 
Gebiet  durch  Tausch  mit  anderen  abzurunden  und  nahm  1340  das  Sater- 
land ein. 

Das  Saterland  oder  Sageiterland  (XIV.  Jh. :  Zagelten,  1400:  Sag- 
harderland,  1157:  Zegeederland,  1554:  Sagterland)  wird  von  S.  nach  N.  von  der 
Sater-Ems  durchflössen,  die  mit  der  Barsseler  Ems  vereint  die  Leda  bildet. 
Im  O.  und  W.  wird  es  von  weiten  Sumpf  flächen  eingeschlossen,  so  dafs  ein 
Verkehr  nach  dieser  Richtung  hin  ausgeschlossen  ist.  Es  war  einst  politisch 
ein  Teil  der  Grafschaft  Sögel  (Sagelten)  auf  dem  Hümmling  und  hat  von  dieser 


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240  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

seinen  Namen  (Sello,  S.  9.)  Die  Bewohner  waren  deutsch-friesischer  Herkunft 
(Sello,  20 — 25).  Seit  dem  XII.  Jh.  war  der  Templerorden  dort  tätig.  Nach 
dessen  Unterdrückung  1314  bauten  die  Sater  sich  selbst  ihre  Kirchen  zu 
Ramsloh,  Scharrel  und  Strücklingen.  Im  Jahre  1340  nahm  es  Nikolaus  von 
Tecklenburg.  Über  das  Ländchen,  cf.  Niemann,  D.  Oldenbg.  Münsterld.  I, 
163  ff.  Nicberding  in  Strackerjans  Beiträgen  zur  Gesch.  v.  Oldenbg.  L  Bd. 
Sello,  Saterlands  ältere  Gesch.  u.  Verf.,  mit  alter  Karte  von  1588,  Oldenbg. 
18%.  Siebs,  D.  Saterland,  in  Z.  Ver.  Volkskde.,  Berlin  1893,  239  ff.,  373  ff., 
enthält  besonders  Volkskundliches.  Desgl.  Bröring,  D.  Saterland,  in  Jhber. 
d.  Oldenbg.  Landesver.  IX,  1897. 

Otto  V.,  Sohn  Nikolaus'  I.  von  Schwerin,  hatte  die  Herrschaft  Rheda 
im  Münsterlande  an  der  oberen  Ems  von  seinem  Schwiegervater  Simon  von 
der  Lippe  1365  als  Brautschatz  erzwungen.  Vgl.  Stüve,  Gesch.  d.  Hochstift. 
Osnabrück  1,  325  ff. 

122.  Grafschaft  Bentheim.  Sophie,  die  Tochter  des  letzten  Grafen 
Otto  II.  aus  dem  Hause  Luxemburg,  hatte  Dietrich  VI.  von  Holland 
geheiratet.  Er  begründet  die  neue  Grafenlinie  von  Bentheim.  Unter 
seinem  Urenkel  Otto  V.  wurde  infolge  seiner  Heirat  mit  Heilwig  die 
Grafschaft  Bentheim  mit  Tecklenburg  vereinigt.  Doch  schon  unter 
seinen  Söhnen  wurden  sie  wieder  getrennt,  indem  Otto  (III.  f  1284) 
Tecklenburg-Lingen  erhielt  und  Egbert  (1270—1304)  Bentheim. 

Über  die  älteren  Grafen  ist  wenig  bekannt.  —  Das  Bentheimerland, 
welches  der  ganzen  Länge  nach  von  der  Vecht  durchflössen  wird,  bildet  heute 
einen  Teil  der  preufsisehen  Grenze,  da,  wo  diese  den  stumpfen  Vorsprung  nach 
Holland  hinein  bildet.  Die  Grafschaft  bestand  aus:  1.  dem  Amte  Schüttorf  mit 
den  Orten  Schüttorf,  Ohne  und  Gildehaus;  2.  dem  Amte  Northorn  mit  gleich- 
namiger Stadt,  Kloster  Frenswegen  und  Stiftsherrschaft  Wietmarschen ;  3.  dein 
Amte  Nienhus  (Neuenhaus)  mit  Stadt  und  dem  Dorf  Veithausen ;  4.  dem  Amte 
Olsen  mit  Ülsen  und  Wilsum;  5.  dem  Amte  Emblichheim  (Emplicamp^  mit 
Emblichheiin  und  I^ierwald.  Dieses  Amt  hatte  damals  zu  Grenzen  auf  der  einen 
Seite  der  Vecht:  3  Paren  (Palen,  Pfähle)  bis  an  den  Scheerhorner  Kamp,  auf 
der  anderen  Seite  von  Holthorner  Schlingen  bis  zu  den  Gildener  Krügen  (ver- 
mutlich das  Wirtshaus  der  Gilden  zu  Emblichheim).  —  Cf.  F.  von  Raet  von 
Bögelskamp,  Beiträge  zur  Gesch.  Westf.,  zugleich  Versuch  einer  Provinzial- 
gesch.  d.  Gfsch.  Bentheim,  1805,  I,  40  f„  79  f.,  113  f.  Leo,  Territorien  II, 
44!».  Möller,  Gesch.  d.  vormal.  Gfsch.  Bentheim.  1879,  142  f.,  162  f.  Im 
Jahre  1324  verkaufte  aber  Graf  Johann  II.  v.  B.  das  Amt  Emblichheim  mit 
vielen  Gerechtsamen  an  Gottfried  von  Borkclo.    Möller,  S.  177. 

123.  Ostfriesland.  Die  Laubachbucht  (Laweke,  Lauwer-Zee)  in 
Nordholland  ist  als  Volksgrenze  für  die  sozialpolitischen  Verhältnisse 
unter  den  Friesen  von  grofser  Bedeutung.  Seit  923  dient  sie  als  Grenze 
des  zu  Deutschland  gehörigen  östlichen  Frieslands  bis  zur  Weser.  Da- 
gegen bildete  die  Ems  bis  zum  XIII.  Jh.  keine  wichtige  Trennungslinie ; 
erst  später  wird  sie  zur  Begrenzung  friesischer  Landesteile  gebraucht. 
Anfangs  unter  Grafen  stehend,  wie  anderswo  im  Frankenreiche,  hatten 
einzelne  Distrikte  infolge  heftiger  Kämpfe  mit  den  Landesherren  seit 
dem  XIII.  Jh.  eine  andere  politische  Entwicklung  durchgemacht.  Einige 
Landschaften  gewinnen  eine  selbständige  Stellung  als  Gemeinde  mit 
12 — 10  Consules  (Redjeven)  au  der  Spitze  und  suchen  sich  der  Grafen- 
n lacht  vollends  zu  entziehen.  Zur  Sicherung  des  Landfriedens  halten 
sie  auch  zeitweise   Bundesversammlungen   beim   Upstalsbom  ab;  aber 


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123.  Ostfriedand 


241 


von  einer  einheitlichen  geschlossenen,  freien  Republik  zwischen  Zuiderzee 
und  Weser  kann  keine  Rede  sein.  Im  XIV.  Jh.  stand  das  Land  unter 
Häuptlingen  (capitales,  capitanei),  die  als  reiche  und  mächtige  Grund- 
besitzer das  sonst  jährlich  wechselnde  Richteramt  in  ihren  Familien 
erblich  zu  machen  wufsten  und  zur  Festigung  ihrer  Macht  steinerne 
Burgen  mit  Wall  und  Graben  aufführten,  während  vordem  steinerne 
Häuser  aufser  Kirchen  in  Friesland  nicht  gestattet  waren. 

Karl  der  Grofse  hatte  775  und  785  das  Land  östlich  vom  Laubach  bis 
zur  Weser  unterworfen  und  785  für  alle  drei  Teile  von  Friesland  die  lex 
FrisioHum  sowie  802  die  Additio  legis  Fiisionum  erlassen.  Die  von  den  Kaisern 
den  Friesen  verliehenen  Sonderrechte,  auf  Grund  deren  sie  ihre  Freiheit  seit 
dem  XIII.  Jh.  behaupteten ,  suchten  sie  durch  untergeschobene  Urkunden 
(Karls  des  Grofsen  von  802,  König  Wilhelms  1248  und  König  Rudolfs  1276) 
zu  erweisen.  Sie  sind  sämtlich  unecht,  wie  K.  von  Richthofen,  Unters,  üb. 
fries.  R.  II.  1,  145  ff.  überzeugend  nachgewiesen  hat. 

Seit  alters  haben  beim  Upstalsbom  in  der  Nähe  von  Aurich  nach  altem 
Brauch  (more  vetustissimo)  Versammlungen  von  Delegierten  (juratf)  der  friesischen 
Distrikte  stattgefunden  behufs  Wahrung  des  Landfriedens,  Verteidigung  des 
Landes  gegen  Feinde  u.  a.,  wie  der  Abt  Emo  vom  Kloster  Witte-Wierum  im 
Fivelgo  für  die  Jahre  1216,  1224  und  1231  bezeugt.  Die  15  Küren  und  24  Land- 
rechte (aus  dem  XII.  Jh.)  sind  nach  Richthofen  von  jenen  jurati  geschaffen 
worden,  von  Richthofen  I,  200.  Seit  1231  ruhten  die  Versammlungen  und 
wurden  erst  1324  wieder  aufgenommen,  als  kurz  vorher  die  Westergoer  an  der 
Zuiderzee  durch  die  leges  Upstalsbomicae  den  Bund  erneuerten.  Indes  fanden 
Versammlungen  auch  nur  bis  1327  statt.  —  Der  Upstalsbom  stand  nach 
den  übereinstimmenden  Angaben  der  Quellen  des  XIII.  bis  XIV.  Jh.  bei  Aurich 
zwischen  Westerende  und  Rahe.  Er  scheint  ein  Eichbaum  (oder  mehrere)  auf 
einer  mäfsigen  Erhebung  gewesen  zu  sein,  über  den  Namen  und  die  Lage  des 
U.  vgl.  Richthofen,  Unters.  I,  307  II.,  317  ff.  Mithoff,  Kunstdenkmale  u.  Altert, 
im  Hannoverschen  (1880)  VII,  S.  187. 

In  der  Grafenzeit  war  Friesland  politisch  in  Gaue  eingeteilt,  später  in 
terrae  (Landdistrikte),  die  den  ganzen  früheren  Gau  oder  nur  einen  Teil  um- 
fafsten.  Diese  terrae  zerfielen  bisweilen  wieder  in  coetus,  distrietus,  östlich  der 
Ems  quadrantes  mit  eigenen  consules.    Blök,  Friesl.  im  Ma.  S.  41. 

Eine  eigene  Bewandtnis  hat  es  mit  den  sog.  >Sieben  friesischen 
Seelanden ,  terrae  nuiritimae,  die  in  den  leg.  Üpstalsb.  erwähnt  werden, 
und  die  in  einem  Traktat  des  XV.  Jh.  nach  ihrer  geographischen  Lage  einzeln 
namhaft  gemacht  werden.  Der  Traktat  ist  von  K.  von  Richthofen,  Unters.  II, 
1 — 145  nach  Wert  und  Bedeutimg  geprüft  und  kommentiert  worden.  Wir 
haben  in  diesem  Traktat  nur  einen  später  gemachten  Versuch  zu  sehen,  an- 
zugeben, welches  jene  sieben  vermeintlichen  Seelande  gewesen  wären  und 
welche  friesischen  Landesteile  zu  jedem  von  ihnen  gehört  hätten.  Auf  keinen 
Fall  sind  diese  Seelande  als  politische  Staatekörper  zu  denken ,  die  als  sieben 
selbständige  Republiken  den  Upstalsbomer  Buna  zusammengesetzt  haben;  viel- 
mehr sind  sie  lediglich  geographische  Begriffe,  d.  h.  auf  Grund  der  hydrographischen 
Verhältnisse  abgesonderte  Landschaften,  die  nicht  einmal  vollständig  von  Friesen 
bevölkert  waren.  Es  sind  folgende:  Erstes  Seeland,  westlich  der  Zuiderzee 
zwischen  Maresdiep  (damals  eine  Wasserstrafse,  die  durch  Nordholland  führte) 
und  Flie,  also  Wcstfriesland  umfassend.  Zweites  Seeland,  zwischen  Flie 
und  Bordena  (eine  später  zugedeichte  Strömung  zwischen  Wester-  und  Ostergo) 
bis  Leuwarden,  also  ein  Teil  des  Westergo  und  Sudergo.  Drittes  Seeland, 
zwischen  Bordena  und  Laweke  (Laubach),  bestehend  aus  dem  alten  Ostergo 
und  Teilen  des  Woldago.  Viertes  Seeland,  zwischen  den  Gewässern  bei 
Liamer  (ein  von  der  Zuiderzee  nach  N.  streichendes  Seengebiet)  und  der 
südlich  von  Vollenho  und  der  Drenthe  sich  hinziehenden  Reest  nördlich  von 

Kretuchmer,  Historische  Oeofraphie  16 


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242  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Kampen,  also  die  Gaue  Waldago,  Fulnaho,  Thriante  (Drenthe).  Fünftee 
Seeland,  von  dem  Laubach  längs  der  Nordsee  bis  zur  Ems,  umfafst  die 
Ommelande  nebst  Groningen  und  den  auf  dem  linken  Ufer  der  Ems  gelegenen 
Teil  des  alten  Emesga,  d.  Ii.  die  Gaue  Hug-merke,  Hunesga  und  Fivelga, 
Groningen  mit  dem  Westcrwoldingerland  und  das  Reiderland.  Sechstes 
Seeland,  zwischen  Ems  und  Jade,  die  alten  pagi  Emesga  (teilweise),  Asterga 
und  Nordendi.  Aus  dem  Emesga  gingen  später  die  Landdistrikte :  Emsigerland 
nebst  dem  1250  abgetrennten  Brokmerland,  ferner  Reiderland,  Mormonnaland 
und  Overledingerland  hervor;  aus  den  übrigen  bis  zur  Jade  die  Distrikte 
Astringerland  nebst  Auricherland,  Nordeucrland ,  Harlingerland ,  Wangerland 
und  Rüstringerland.  Siebentes  Seeland,  zwischen  Jade  und  Weser,  be- 
stehend aus  dem  pagus  Riustri,  dem  späteren  Rüstringerland  (Riostringoland). 
Letzteres  wurde  im  XUl.  Iiis  XIV.  Jh.  in  vier  Teile  (quadrantes  oder  Fiardandetc) 
geteilt;  ein  Viertel  lag  westlich  der  Jude,  die  anderen  drei  östlich  von  ihr.  Das 
erstere  wird  nach  einem  jetzt  überfluteten  Ort  das  >  Viertel  Bant«  genannt  ;  die 
übrigen  drei  waren  Oldensum.  Blekese  und  Langwerthe;  cf.  Urk.  1315  bei 
Ehmck  II,  S.  163;  im  XIV.  Jh.  tritt  an  Stelle  der  letzten  drei  die  Trennung 
in  Butjadinger-  und  Stadland  auf.  —  Vgl.  von  Richthofen  1.  c.  II,  6  f.,  115—145 
mit  zugehöriger  Karte. 

Grundlegend  und  erschöpfend  für  die  Geschichte  und  Geographie  des 
älteren  Frieslands  ist  das  Werk  von  Karl  von  Richthofen,  Untersuchungen 
über  friesische  Rechtögeschiehte  I,  II.  Teil,  Berlin  1880,  82;  ferner  seine  Ein- 
leitung zur  lex  Frision.  in  MG.  Leg.  III.  —  Demgegenüber  sind  teilweise  ver- 
altet: Wiarda,  Ostfriesische  Geschichte,  1791  ff.  Freese,  Ostfriesland  und  Har- 
lingerld.,  1796.  L.  von  Ledebur,  Die  fünf  Münstersehen  Gaue  und  die  sieben 
Seelande  Frieslands,  Berlin  1836.  Onno  Klopp,  Geschichte  Ostfrieslands  1. 
Hannover  1854.  Recht  brauchbar  sind:  Ho  oft  van  Iddekinge,  Friesland 
en  de  Friezen  in  de  middeleeuwen,  Leiden  1881.  de  Vries  und  Focken, 
Ostfriesland,  Emden  1881,  geben  S.  440—456  ein  Verzeichnis  aller  Karten  von 
Ostfriesl.  seit  1540.  Houtrouw,  ( )stfrieslund,  Aurich  1889,  schildert  das  Land 
am  Ende  der  Fürstenzeit,  ist  aber  auch  für  die  ältere  Geogr.  wichtig.  Blok. 
Friesl.  im  Mittelalter,  übers,  v.  Houtrouw,  Leer  1891.  Für  bringer,  Die  Stadt 
Emden,  1892.    Heck,  altfriesische  Gerichtsverfassung,  1894. 

124.  Grafschaft  Holland  und  Zeeland.  Wie  überall  die  grofsen 
Stammosherzogtümer  sich  in  Grafschaften  oder  kleinere  Herzogtümer 
auflösten,  so  war  es  auch  in  Niederlothringen  der  Fall,  wo  einige 
Dynasten  sich  mehr  und  mehr  selbständig  zu  machen  wufsten.  Von  den 
wenigen  Grafengeschlechtern,  die  bleibende  Dynastien  gründeten,  ragte 
dasjenige  des  Kinnemerlandes  besonders  hervor.  Es  fand  einen  Rück- 
halt an  den  deutschen  Kaisern,  die  angesichts  der  immer  noch  fort- 
dauernden Xorinanneneinfälle  in  dieser  Gegend  eine  kräftige  Stütze 
nötig  hatten.  Das  Land  zwischen  Maas  und  Flie  bildete  die  Martina 
Frcsiar,  ihre  Verwalter  waren  die  Comitea  oder  March  iones  in  Frcsia. 
Unter  den  ersten  Grafen,  die  von  den  Karolingern  und  Ottonen  be- 
günstigt wurden,  tritt  zunächst  Dietrich  (Dirk)  HL  auf  der  Wende  des 
X.  und  XL  Jh.  hervor.  Die  Sicherung  des  Landes  und  die  Erweiterung 
des  Machtbereiches  veranlal'ste  die  Grafen  wie  anfangs  gegen  die  Nor- 
mannen, so  auch  gegen  die  Westfriesen  vorzugehen.  Aber  auch  gegen 
die  anderen  Nachbarn,  den  Bischof  von  Utrecht  und  die  Grafen  von 
Flandern,  mufsten  sie  sich  wehren;  dem  ersteren  entrifs  Dietrich  III. 
die  Grafschaft  um  Bodegraven  am  Rhein.  In  der  Merwede  (im  Mün- 
dungsgebiet der  Maas;  s.  auch  Phys.  G.  S.  87)  hatte  er  bei  Dordrecht 


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125.  Herzogtum  Geldern.  243 

eine  Zollstelle  ungelegt,  wodurch  er  in  Fehde  mit  seiner  ganzen  Nachbar- 
schaft geriet,  aber  siegreich  hervorging.  In  eben  jener  Zeit  kam  der 
Name  Holland  für  diese  Gebiete  auf.  Das  Grafengeschlecht,  welches 
gelegentlich  auch  nach  der  deutschen  Kaiserkrone  gestrebt  hatte  (Wil- 
helm von  Holland  1247),  starb  1299  mit  Johann  I.  aus,  welchem  sein 
Neffe  (Sohn  einer  Schwester  Wilhelms  II.)  Johann  11.,  Graf  von  Henne- 
gau, folgte.  Die  schon  im  XII.  Jh.  begonnenen  Kämpfe  der  holländi- 
schen Grafen  mit  Flandern  wegen  der  Maas-  und  Scheide-Inseln  fanden 
mit  der  Abtretung  ganz  Zeelands  an  Holland  im  Jahre  1323  ihren  Ab- 
schlufs.  Doch  starb  mit  seinem  Enkel  Wilhelm  IV.  der  Hennegauer 
Mannesstamm  bereits  aus.  Aus  den  nachfolgenden  Kämpfen  zwischen 
der  Kaiserin  Margarete,  die  als  Gräfin  von  Hennegau  die  Grafschaft  von 
ihrem  Gemahl  zugesprochen  erhalten  hatte,  und  ihrem  Sohne  Wilhelm, 
Herzog  von  Bayern,  den  sie  anfänglich  selbst  zum  Statthalter  ernannt 
hatte,  ging  letzterer  1351  als  Sieger  hervor  und  wurde  1354  als  Graf 
von  Holland  und  Zeeland  anerkannt, 

Der  Name  Holland  scheint  sieh  anfangs  nur  auf  die  von  dichtem 
Huschwerk  erfüllten  Niederungen  zwischen  Mcrwede  und  Maas  beschränkt  zu 
haben.  Doch  ging  der  Name  mit  Ausdehnung  des  Machtbereiches  der  Grafen 
auf  deren  ganzes  Territorium  nördlich  der  Maas  über,  also  auf  jene  Provinzen, 
die  noch  heute  Nord-  und  Südholland  im  engeren  Sinne  sind.  Die  Etymologie 
des  Namens  ist  strittig:  bald  deutet  man  ihn  auf  Oiiland,  d.  i.  ödes  l>and,  bald 
auf  Holtland,  d.  i.  Holzland,  jene  von  Flufs  und  See  beherrsehte  Wildnis,  wes- 
halb der  holländische  (Jraf  auch  als  comes  aquarum  oder  aquaticus,  *  Wassergraf  , 
bezeichnet  wurde.  Im  Jahre  1081t  wird  Dietrich  V.  urkundlich  Theodoricus 
dei  gratia  Holtlandensis  comes  genannt,  seine  Mutter  cotnitissa  Holthnidensis.  Andere 
Formen  auch  schon  im  XI.  Jh.  sind  Hollandia,  Hollandt;  bei  Helmold,  Chron. 
slav.  I,  63  u.  ö.  heifsen  die  Bewohner  Hnllandri 

Die  holländischen  (trafen  hatten  mit  den  Westfriesen  in  fortwährendem 
Kampfe  gelegen,  der  erst  1289  zum  Abschluß  gebracht  wurde  und  auch  Nord- 
holland in  ihre  Gewalt  brachte.  —  Viel  hartnäckiger  war  der  Streit  mit  Flandern 
wegen  Zeelands,  des  Landes  zwischen  Bornisse  bei  Geervliet  und  Hedensee  (der 
Scheide).  In  West-Zeeland  hatten  die  flämischen  Grafen  (Boudewyn  IV.)  durch 
Konig  Heinrich  II.  bereits  Waleheren,  Beveland,  Borselen,  Wolfaartsdyk  zu 
Lehen  bekommen,  während  die  holländischen  auf  Schouwen  begütert  waren. 
Seit  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jh.  wogte  der  Kampf  zwischen  den  Nachbarn, 
der  erst  im  Jahre  1323  durch  einen  Schiedsspruch  beigelegt  worden  ist.  West- 
Zeeland  kam  zu  völligem  Eigentum  an  Graf  Wilhelm  von  Holland. 

We nzel burger,  Gesch.  der  Niederlande,  Gotha  1879,  I,  103  ff.  Blok, 
Gesch.  d.  Niederlande,  Gotha  1902.  I.  154 — 157,  229  ff.  Pirenne.  Gesch. 
Belgiens,  Gotha  1899,  I.  138. 

125.  Herzogtum  Geldern.  Im  Lande  zwischen  Ijssel  und  Waal 
fungierten  im  Anfang  des  XI.  Jh.  einzelne  Grafen,  unter  denen  die  Grafen 
von  Wassenberg  zu  einer  prädominierenden  Stellung  sich  aufschwangen; 
sie  besafsen  auf  der  Wende  zum  XII.  Jh.  die  Grafschaft  um  Geldern 
sowie  Teile  von  Hamalant,  Teisterbant  und  Güter  an  der  Waal.  Als 
erster  Graf  tritt  Gerhard  I.  von  Wassenberg  um  1070  hervor.  Sein 
Sohn  Gerhard  II.  heiratete  die  Erbtochter  Irmingard  des  Grafen  Otto 
von  Zütphen  und  Hamalant,  und  hierdurch  erfuhr  Geldern  unter  Hein- 
rich I.  1179  einen  gröfseren  Landzuwachs.     Heinrichs  Sohn,  Otto  I., 

16* 


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244 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


wurde  überdies  vom  Grafen  von  Löwen  mit  der  Veluwe  belehnt.  So- 
mit war  ein  grofser  Teil  der  heutigen  Provinz  Gelderland  schon  damals 
vereinigt.  Die  Ansprüche,  die  später  Rainald  I.  auf  das  Herzogtum 
Limburg  gegen  Adolf  von  Berg  machte,  wurden  durch  die  Schlacht  bei 
Woringen  1288  vereitelt.  —  Am  19.  März  1339  erhob  Kaiser  Ludwig 
die  Grafschaft  Geldern  auf  dem  Reichstag  in  Frankfurt  zum  Herzogtum, 
und  Rainald  II.  und  seine  Nachfolger  führten  fortan  den  Titel :  *  Herzöge 
von  Geldern  und  Grafen  von  Zütphen«.  Er  nahm  damals  auch  Friesland 
zwischen  Flie  und  Lauwers  vom  Kaiser  in  Pfand,  doch  hat  er  dort  nie 
seine  Herrschaft  zur  Geltung  gebracht. 

Die  Grafen  von  Geldern  waren  auch  eifrig  bestrebt,  ihren  Hausbesitz  zu 
vergrößern,  und  besonders  Otto  II.  (1229  —  1217)  hat  in  diesem  Sinne  gewirkt. 
Im  Oktober  1247  erhielt  er  von  König  Wilhelm  die  alte  Kaiserburg  zu  Nvm- 
wegen  zu  Lehen.  Vgl.  Blok,  Gesch.  d.  Niederl.  I,  181,  293—205.  Wenzel  - 
burger  L  c.  I,  407  ff.   <i.  Müller,  Entwickl.  d.  Landeshoheit  in  Geldern,  1889. 

126.  Bistum  Utrecht.  Der  erste  Bischof,  welcher  den  Grund  zur 
weltlichen  Herrschaft  legte,  war  Balderich  (918).  Nach  den  erstmaligen 
Erwerbungen  um  Utrecht  herum  gab  ihm  Kaiser  Otto  I.  944  alles  Land 
zwischen  Lek  und  Zuiderzee,  die  damals  noch  einen  geringeren  Umfang 
hatte.  Das  Bistum  wurde  von  den  deutschen  Kaisern  in  jeder  Weise 
begünstigt,  da  ihnen  angesichts  der  zunehmenden  Machterweiterungen 
der  weltlichen  Herron  ein  Gegengewicht  in  Gestalt  eines  ihnen  ergebenen 
Kirchenfürsten  wünschenswert  erscheinen  muiste.  Durch  Otto  III.  kamen 
Bommel  und  Arkel  an  das  Stift,  bald  auch  die  Gaue  Niftarlake  und 
Fletheti.  Im  Jahre  1024  erwarb  es  vorübergehend  die  Grafschaft  Drenthe, 
1027  die  Grafschaft  Teisterbant,  1040  die  Villa  Cruoninga  (Groningen). 
1042  die  Grafschaft  Umbalaha  (Vollenhove?),  ferner  Twenthe,  1046  die 
Gegend  um  Deventer  und  Drenthe  endgültig  aus  der  Erbschaft  Herzog 
Gozelos  von  Niederlothringen. 

Reiche  Vergabungen  an  die  utrechtsche  Kirche  hatten  bereits  die  Karo- 
linger gemacht;  so  Karl  der  Grofse  777  die  Villa  Leusden  an  der  Ems  mit 
allen  Heiden  und  Wäldern  und  eine  Insel  im  Lek  mit  der  Kirche  von  Dore- 
stadt.  Aber  auch  aufserhalb  des  nächsten  Bereiches  in  Geldern,  Holland,  Zee- 
land,  Friesland  und  Limburg  erwarben  sie  Güter,  Dörfer  und  Kirchen;  vgl. 
Blok  1.  c.  1,  1G3  f.    Wenzelburger  1.  c.  I,  582  ff. 

127.  Herzogtum  Brabant.  Unter  den  lothringischen  Fürstentümern 
nahm  es  schon  infolge  seiner  zentralen  Lage  die  hervorragendste  Stellung 
ein.  Es  bildete  anfangs  nur  einen  einzelnen  Gau,  dessen  Grafen  in 
Löwen  ihren  Sitz  hatten.  Heinrich  I.  (1183 — 1235)  nannte  sich  zuerst 
i Herzog  von  Brabant  und  Lothringen«.  Sein  Territorium  umfafste  den 
weiten  Raum  von  der  Maas  im  N.  und  der  Scheide  im  W.  südwärts  bis 
Hennegau  und  Namur  und  ostwärts  bis  zum  Lütticher  Stift.  Es  umfafste 
mit  Ausnahme  von  Nivellcs  und  Soignies  nur  vlämische  Völkerschaften, 
war  aber  in  den  ältesten  Zeiten  als  ein  mit  Heidegestrüpp  bedecktes 
Land  sehr  schwach  bevölkert.  Die  Schlacht  bei  Woringen  1288  erhöhte 
die  Machtstellung  Brabants  und  vergröfserte  auch  das  Territorium,  indem 
Limburg  fortan  mit  ihm  bis  zum  Schlufs  des  XVIII.  Jh.  vereinigt  blieb. 


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128.  Bistum  Lüttich.    129.  Grafschaft  Flandern.  245 

Mit  dieser  Erwerbung  war  zugleich  auch  die  Beherrschung  der  von 
Deutschland  nach  den  Niederlanden  führenden  Strafsen  verbunden  und 
die  Beherrschung  der  Maaslinie. 

Diegrofsartige  wirtschaftliche  Entwickelung  und  Blüte  hatten  die  Macht- 
stellung der  Herzöge  gehoben,  aber  mit  der  unruhigen  Nachbarschaft  lagen 
sie  auch  fast  unausgesetzt  in  Fehde.  Mit  dem  Tode  Johanns  III.  1355  trat 
Brabant  in  Verbindung  mit  dem  Herzogtum  Luxemburg  durch  die  Heirat  seiner 
Tochter  Johanna  mit  Wenzel  von  Luxemburg.  —  Pirenne,  Gesch.  Belgiens 
1899.  I,  137  f.,  271  f.,  mit  weiteren  Literaturangaben.  Blok,  Gesch.  d. 
Nicderl.  I,  295  ff.  298.  Über  die  territoriale  Entwickelung  auch  der  anderen 
Fürstentümer  vgl.  besonders  Vanderk  indcre,  Histoire  de  la  formation  terri- 
toriale des  principautes  beiges,  1897. 

Herzogtum  Limburg.  Das  Ländchen  östlich  der  Maas  im  Gau 
Hasbanien  zwischen  Maastricht  und  Aachen  hatte  anfangs  unter  Grafen  ge- 
standen, die  seit  Anfang  des  XII.  Jh.  auch  Herzöge  von  Niederlothringen 
waren  (Heinrieh  I.).  Verloren  sie  freilich  noch  in  demselben  Jahrhundert  das 
Herzogtum,  so  behielten  sie  doch  den  Titel  für  sieh  und  ihr  Land  bei.  Drei 
feste  Schlösser  beherrschten  das  Ländchen:  Rode  (s' Hertogenrade),  Herven  und 
Spremont.  Der  letzte  Fürst  des  Limburger  Hauses,  Walram  III.,  starb  12*0,  und 
seine  an  Reinald  I.  von  Geldern  vermählte  Tochter  Inningard  brachte  ihrem 
Gatten  Titel  und  I^and  zu;  ihm  sollte  Limburg  auch  nach  Irmingards  Tode 
verbleiben.  Walranis  Bruder  Adolf,  Graf  von  Berg,  erhob  jedoch  Anspruch 
auf  Limburg,  trat  aber  1283  seine  Ansprüche  käuflich  an  den  Herzog  Johann 
von  Brabant  ab.  Die  hierüber  ausbrechende  Fehde  mit  Geldern  beendete 
Johanns  Sieg  bei  Woringen.    Blok  1.  c.  I,  304.    Wenzelburger  I,  410. 

128.  Bistum  Lütt  ich.  Wie  Utrecht,  so  bildete  auch  dieses  Bistum 
einen  Stützpunkt  für  die  Politik  der  deutschon  Kaiser  und  wurde  auch 
aus  diesem  Grunde  von  ihnen  begünstigt.  Infolge  der  mannigfachen 
Schenkungen,  die  jeweilig  nach  Umständen  erfolgten,  wenn  Territorien, 
Güter  und  Burgen  etc.  gerade  zur  Verfügung  standen,  stellt  das  Stift 
Lüttich  auf  der  Karte  einen  merkwürdigen  Länderfetzen  dar.  Aufser 
dem  langgestreckten  Gebiet  westlich  der  Maas  (an  ihrem  moridionalen 
Lauf)  bis  südlich  über  die  Maas  bei  Lüttich  hinaus  und  um  die  Graf- 
schaft Namur  herum  besafs  es  noch  Enklaven  in  Brabant  (Mecheln),  im 
Hennegau  und  in  Namur  (Dinant,  Fosses,  Walcourt,  Chimay).  Im  Jahre 
980  hatte  es  Immunität  für  seine  Besitzungen  erlangt.  Das  Herzogtum 
Bouillon  in  den  Ardennen  erwarb  es  1096,  etwas  später  die  Graf- 
schaft Clermont;  Maastricht  befand  sich  1215  zur  Hälfte  im  Besitz  von 
Lüttich,  zur  anderen  im  Besitz  Heinrichs  von  Brabant,  der  es  von  Kaiser 
Friedrich  II.  zu  Lehen  besafs. 

Vgl.  Henaux,  Histoire  du  pavs  de  Liege,  Lüttich  1876,  Blok  1.  c.  I, 
186.    Pirenne  1.  c.  I,  140  f. 

Das  kleine  Bistum  Cambray  (Kamerich)  war  in  seiner  Entwickelung 
durch  Hennegau  beengt  und  hat  sich  deshalb  niemals  zu  einer  hervorragenderen 
Stellung  aufschwingen  können. 

129.  (Grafschaft  Flandern.  Sie  bildete  nicht  mehr  einen  Teil  des 
deutschen  Reiches,  denn  die  Scheide  war  die  altangestammte  Grenze  zwi- 
schen Neustrien  und  Austrasien  gewesen,  wie  auch  bei  den  späteren 
Reichsteilungen.    Der  erste  nachweisbare  Graf  war  Boudewyn  (Balduin), 


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246  VI.  Politische  Geographie  um  da»  Jahr  1375. 

der  auf  dem  Schlofs  zu  Brügge  residierte.  Während  anfänglich  der 
gräfliche  Machtbereich  die  Gegend  um  Brügge  und  Sluys  umfafste,  dehnte 
er  sich  sehr  bald  weiter  nach  S.  aus;  schließlich  kam  ein  Teil  von 
Artois  bis  zur  Canche  hinzu.  Aber  auch  nach  N.  und  0.  suchten 
die  Grafen  ihr  Gebiet  zu  vergröfsern,  und  sie  wufsteu  Kaiser  Heinrich  II. 
zu  drängen,  ihnen  die  Burggrafschaft  von  Gent,  das  Land  Waes,  die 
vier  Ambachte  und  Walcheren  mit  Nord-  und  Süd-Beveland  zu  Lehen 
zu  geben.  Die  deutschen  Lehen  Flanderns  bildeten  seitdem  Reichs- 
Flandern,  der  französische  Teil  das  sog.  Krön -Flandern.  —  Im 
XI.  Jh.  trat  die  erwähnte  Verbindung  mit  Hennegau  ein,  die  1070  wieder 
aufgehoben  wurde,  da  Robert  der  Friese  Flandern  an  sich  rifs,  während 
der  Sohn  der  Richildis  Hennegau  erhielt.  Nach  dem  Tode  des  Urenkels 
jenes  Robert,  Philipps  (f  1 191),  wurden  durch  die  Vermählung  von  dessen 
Schwester  Margarete  mit  Balduin  V.  von  Hennegau  beide  Länder  wieder 
vereinigt  (s.  Hennegau  und  Holland). 

Der  Name  Vlaeland  =  überschwemmtes  Land  tritt  zuerst  im  VI  1.. Jh. 
auf;  im  X.  Jh.  wird  das  Land  nunchia  und  der  Herrscher  marchio,  Markgraf 
(gegen  die  Normannen)  genannt.  —  Von  den  französischen  Teilen  Flanderns, 
besonders  Artois,  ging  am  Ende  des  XII.  Jh.  und  1320  ein  grofser  Teil  wieder 
an  den  französischen  König  verloren.  Vgl.  Vanderkindere  1.  c.  I.  44  lt.  Blok 
1.  c.  I.  151.  Pirenne  I.  103  IT.  Die  Bewohnerschaft  Flanderns  war  germanischer 
und  romanischer  Abkunft.  Flandern«  und  »Vliimen«  haben  lange  keine 
ethnographische  Bedeutung  gehabt,  i  Der  Wallone  aus  Amts  und  der  Dietsche 
aus  Gent  oder  Brügge  wurden  in  gleicher  Weise  als  Vliimen  angesehen.  «  Gans 
allmählich  ohne  Gewalt  ist  aber  schon  im  Mittelalter  die  französische  Sprache 
und  Kultur  weiter  nach  N.  vorgedrungen;  vgl.  hierüber  Pirenne  I,  365  f.  Kurth, 
La  frontiere  linguistique  en  Belgique,  Brüssel  1898. 

Die  Grafschaft  Namur  oder  Namen,  zwischen  Hennegau.  Brabant 
und  Lüttich  eng  eingeschlossen,  hatte  nachweisbar  seit  dem  X.  Jh.  unter  Grafen 
gestanden.  Sie  umfafste  auch  den  westlichen  Teil  der  Landschaft  Condroz  (süd- 
lich der  Maas).  Zur  Zeit  Balduins  V.  von  Hennegau  wurden  auch  Namur  und 
Laroche  mit  Hennegau  und  Flandern  vereinigt. 

Aufser  den  oben  behandelten  gröfseren  Territorien  gab  es  noch  eine 
ganze  Anzahl  kleinerer  selbständiger  Gebiete,  die  in  jenen  und  im  Lützel- 
burgischen verstreut  lagen.  So:  nördlich  von  Lüttich  die  Grafschaft  Loon 
oder  Looz,  an  der  Semoy  die  Grafschaft  Chiny,  die  Herrschaften 
Breda,  Stryen,  G  rimbergen,  Valkenburg,  die  Grafschaften  Hoorn, 
Kuik,  Duvas,  Aerschot  u.  a.  m.    Über  sie  vgl.  Vanderkindere  1.  c. 

130.  Grafschaft  Hennegrau.  Das  Grafengeschlecht,  in  welchem  der 
Name  Reginar  häufig  ist,  wird  hier  seit  dem  IX.  Jh.  angetroffen.  Mit 
Reginar  V.  starb  die  männliche  Linie  des  Grafenhauses  um  1040  aus,  und 
seine  Tochter  Richeldis,  die  an  den  Grafen  Balduin  VI.  von  Flandern  ver- 
mählt war,  erbte  die  väterliche  Grafschaft,  die  kurze  Zeit  (bis  1070)  mit 
Flandern  vereinigt  war.  Eine  abermalige  Vereinigung  beider  Länder, 
und  zwar  ebenfalls  durch  Heirat,  fand  1191  statt.  Wilhelms  I.  Tochter 
Margarete  brachte  schliefslich  Hennegau  samt  dem  inzwischen  auch  er- 
erbten Holland  und  Zeeland  ihrem  Gemahl,  dem  Kaiser  Ludwig  von 
Bayern,  zu;  vgl.  im  übrigen  Grafschaft  Holland. 

Der  Hennegau,  lateinisch  Hanonia.  französisch  Je  Hainant,  umfafst  einen 
Teil  des  niederbelgischen  Hügellandes  an  der  oberen  Sambre  bis  westlich  zur 


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131.  Herzogtum  Lützelburg.  247 

Scheide.  Den  politischen  Mittelpunkt  und  zugleich  eine  der  stärksten  Festungen 
bildete  damals  die  Burg  zu  Bergen,  Möns,  das  capnt  Hanoniae.  Das  Land  hatte 
eine  rein  wallonische  Bevölkerung.  Gislebert,  Chronieon  Hanoniense,  ed. 
Arndt,  1869.  Du  vi  vier,  Recherchen  sur  le  Ilainaut  ancien,  Brüssel  1866. 
Pi renne  L  c.  I,  136.  Blok  1.  c.  I,  149,  185. 

131.  Herzogtum  Lützelburg.  Graf  Siegfried  verwaltete  eins  Graf- 
schaft im  Moselgau,  während  sein  Bruder  Giselbert  dem  Ardennengau 
vorstand.  Ersterer  war  mit  vielen  Besitzungen  in  jenen  Gegenden  vom 
Vater  her  ausgestattet.  Im  Jahre  963  erwarb  er  die  Burg  Lützelburg 
im  Methingau  vom  Kloster  St.  Maximin  in  Trier.  Erst  einer  seiner 
Nachkommen,  Wilhelm  (f  1128),  nannte  sich  nach  ihr:  -Graf  von  Lützel- 
burg«. —  Siegfrids  Enkel  teilten  sich  in  das  Erbe:  Heinrich  II.  war 
Graf  im  Bedgau  (später  Herzog  von  Baiern),  starb  aber  kinderlos  1047 ; 
Friedrich  erhielt  die  Limburger  Herrschaften,  die  durch  seine  Tochter 
Judith  an  Walram  von  Arlon  kamen;  ein  jüngerer  Bruder  Siegfrid 
hatte  eine  Grafschaft  im  Saargau  und  Saarbrücken  (Stammvater  des 
Saarbrücker  Hauses),  während  Giselbert  im  Besitz  der  Grafschaft  Salm 
und  der  Lützelburger  Lande  den  Hauptast  des  Hauses  fortsetzte.  Von 
seinen  Söhnen  Konrad  I.  und  Herrnann  I.  stiftete  letzterer  die  Neben- 
linie Salm  in  der  zugehörigen  Grafschaft. 

Lutze  Iburg,  eigentlich  Lucilinbiirch,  später  Luxemburg,  hiefs  die  Bur 
neben  welcher  die  gleichnamige  Stadt  entstand.  Die  männliche  Linie  des 
Grafen  Siegfrid  war  1136  erloschen;  sein  Land  fiel  auf  dem  Erbwege  an 
Heinrich  I.  von  Namur  und  kam  1191  durch  dessen  Tochter  Ermesindis  an 
Walram  III.  von  Limburg  und  Arlon  (f  1226).  Ihr  Sohn  war  Heinrich  III.; 
er  erhielt  Lützelburg,  während  ein  anderer  Sohn  Walrams  aus  erster  Ehe, 
Heinrich  IV.,  Limburg  bekam.  Im  Jahre  1310  kam  Lützelburg  an  Johann  von 
Böhmen ,  den  Sohn  des  zum  Kaiser  gewählten  Grafen  Heinrich  (VII.)  von 
Lützelburg.  Unter  Johanns  Sohn  Wenzel  wurde  die  Grafschaft  1354  von  Kaiser 
Karl  IV.  zum  Herzogtum  erhoben.  —  Im  XII.  Jh.  umfafste  die  damalige 
Grafschaft  das  Gebiet,  welches  von  Sierck  an  der  Mosel  an  nordwestlich  bis 
Longwy  (letzteres  gehörte  zu  Bar)  hinaufreichte,  weiterhin  das  Land  der 
oberen  Ourthe  und  im  O.  bis  zur  Our  und  Sauer.  Die  Gebiete  an  der  Ourthe 
waren  im  XII.  Jh.  erworben  worden;  damals  auch  die  Vogtei  über  Stablo 
Stavelot)  in  den  Ardennen.  Abgetrennt  war  die  G  raf  sc  ha  f  t  Salm  (Alt- 
Salm,  VieilSalm);  die  Ruinen  der  Burg  liegen  auf  einer  Höhe  an  der  Albe. 
Sie  umfafste  das  ganze  obere  Tal  der  Ambleve,  eines  rechtsseitigen  Neben- 
flusses der  Ource.  Gestiftet  wurde  die  Linie  Salm  von  Giselberte  Sohn, 
Hermann  I.  Durch  die  Söhne  Hermanns  II.  fand  eine  Teilung  der  Linien  statt: 
Heinrich  I.  erbte  die  alte  Grafschaft  in  den  Ardennen ,  während  der  jüngere, 
Hermann  HI.,  durch  seine  Gemahlin  Agnes,  Erbgräfin  von  Langenstein,  in 
den  Besitz  grofser  Gebiete  im  Wasgau  kam.  Jener  ältere  Grafschaftebezirk 
hiefs  seitdem  Niedersalm;  derjenige  im  Wasgau  Obersalm  (s.  d.  weiter 
unten). 

Lützelburg  hatte  später  noch  eine  namhafte  Erwerbung  gemacht,  nämlich 
im  W.  die  ganze  Grafschaft  Chiny,  die  bis  1336  im  Besitz  des  Hauses 
Looz  gewesen  war.  Die  eine  Hälfte  derselben  kam  damals  aus  der  Hand 
Dietrichs  III.  von  Heinsberg  an  Lützelburg,  die  andere  1350  aus  «lern  Besitz 
Arnolds  von  Orville,  Herrn  von  Ruminen.  —  Einiges  kam  auch  von  Lützelburg 
ab,  so  unter  Wenzel  um  1354  die  Burgherrschaft  Mirewart  und  die  Vogtei 
St.  Hubert  an  das  Stift  Lüttich.  —  Im  übrigen  vgl.  Schotter,  Einige  kritische 
Erörterungen  über  die  frühere  Gesch.  der  Gfsch.  Luxemburg,  Lux.  1859.  Ders., 


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248 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Gesch.  des  Luxemburger  Landes,  Lux.  1882.  van  Werveke,  Beiträge  zur 
Gesch.  d.  Luxemburger  Landes,  1886  f.  und  seine  Zeitschrift  »Das  Luxembg. 
Land«  seit  1882. 

132.  Erzbistum  Cöln.  Schon  frühzeitig  hatten  Merowinger  und 
Karolinger  dem  Bistum,  dessen  erster  Bischof  im  IV.  Jh.  Maternus  ge- 
wesen ist,  namhafte  Schenkungen  gemacht.  Zur  Zeit  Ottos  des  Grofsen, 
als  dessen  Bruder  Bruno  das  Erzstift  und  Herzogtum  Lothringen  ver- 
waltete, konnte  der  weltliche  Machtbereich  leicht  vergrüfsert  werden. 
Noch  mehr  hatten  die  in  der  Diözese  sitzenden  Dynastengeschlechter 
und  nicht  zum  wenigsten  die  Erzbischöfe  zur  Vergröfserung  des  Erzstiftes 
beigetragen,  indem  sie  ihre  eigenen  Familiengüter  jenem  überwiesen. 
Im  XIV.  Jh.  umfafste  es  grofse,  wenn  auch  nicht  zusammenhängende 
Landgebiete  links  und  rechts  des  Rheins,  unter  den  letzteren  das  Herzog- 
tum Westfalen. 

Auf  der  linken  Rheinseite  lag  das  Stammgebiet  des  Erzstiftes  Köln.  Die 
Stadt  selbst,  die  reichsstädtische  Rechte  übte,  war  früher  die  Residenz  der 
Erzbischöfe  gewesen,  doch  nach  dem  Aufstande  von  1268  hatten  diese  ihre 
"Wohnung  in  Bonn  genommen.  —  Unmittelbar  dem  Rhein  entlang  zog  sich  in 
wechselnder  Breite  ein  zusammenhängendes  Gebiet .  welches  folgende  Ämter 
umfafste:  1.  Hilchenrath  (auf  dem  rechten  Ufer  der  Erft)  aus  einer 
früheren  Grafschaft  hervorgegangen,  war  teilweise  an  das  Erzstift  durch  Kauf 
gekommen  (1314.  2.  Liedbergen  links  der  Erft  mit  Odenkirchen,  mit  welchem 
später  verschiedene  Dynasten  belehnt  wurden.  3.  Das  Co  In  er  Land,  über 
welches  der  Erzbisehof  die  Erbvogtei  besafs.  4.  Die  Abtei  Deutz,  die  seit 
dem  Anfang  des  XL  Jh.  reich  mit  Besitzungen  ausgestattet  war,  die  freilich 
sehr  zerstreut  (bis  nach  den  Niederlanden  hinein)  lagen.  Auch  die  Städte 
Neufs  und  Zons  a.  Rh.  gehörten  zum  Stift.  5.  Das  Amt  Bonn  mit  den  um- 
liegenden Dörfern  und  den  Dingstühlen  Dottendorf,  Walldorf.  Widdig  und 
Dustorf.  6.  Lechenich  mit  Bliesheini,  Erp,  Friesheim,  Gymnich,  Ilermühlheim. 
Liblar,  Müddersheim,  Strasfeld.  7.  Brühl  mit  Bergdorf,  Brauweiler,  Glewel, 
Junkersdorf,  Keldenich,  Kendenich,  Kenten,  Königsdorf,  Löwenich,  Mauen- 
heim, Merrheim,  Munzersdorf,  Niehl,  Ossendorf,  Quadrath,  Rofsberg,  Schwa- 
dorf, Walberberg,  Weilerswist.  8.  Godesberg  und  Mehlem  mit  der  Stadt 
Unkel  am  rechten  Rheinufer  und  den  Dörfern  Rheinbreitbach  und  Scheuren 
sowie  der  Insel  Rolandswerth  (Nonnenwerth).  Hierzu  gehörten  die  Herrschaften 
Drachenfels,  Königswinter  und  Wolkenburg.  9.  Rheinbach  (Rhenobacum), 
von  Konrad  von  Hochstaden  geschenkt,  mit  der  Herrschaft  Sürsch.  10.  Hardt 
mit  den  Herrschaften  Antweiler,  Ariof,  Weingarten,  Klein-Bullesheim,  Esch, 
Marmagen,  Wahlen,  Sazfey,  Weyer,  Zingsheim.  11.  Nürburg  mit  Adenau 
und  Baarweiler  und  den  Herrschaften  Kaldenborn  und  Kallreifferseheid. 
12.  Altenahr  mit  Ahrweiler  und  den  Herrschaften  Wensberg,  Hersbach,  Kirch- 
sahr, Sahr,  Lind.  Vischel.  —  Kleinere  Enklaven  waren  ferner:  13.  Andernach, 
welches  durch  Reinhold  von  Dassel  an  Köln  kam.  14.  Zülpich,  zum  Teil 
pfälzisches  Lehen  bei  Jülich,  mehrfach  verpfändet,  kam  1368  wieder  an  das 
Erzstift.     15.  Rense,  wo  das  Erzstift  schon   frühzeitig  Fufs  gefafst  hatte. 

16.  Rachtig  und  Zeltingen  an  der  Mosel.  —  Im  Norden  sind  ferner  zu  nennen: 

17.  Kempen  mit  den  Herrschaften  Anrath,  Hüls,  Neersen.  Zoppenbroch. 

18.  Rheinberg  mit  den  Herrschaften  Alpen,  Issum  und  Kloster  Kamp.  Rechts 
des  Rheines  lagen  19.  Linz  und  Altwied  mit  den  Herrschaften  Dattenberg, 
Lahr,  Erpel  und  Schönstein.  Ein  gröfseres  Gebiet  besafs  das  Erzstift  seit  dem 
XUI.  Jh.  in:  20.  der  Feste  Recklinghausen  mit  der  Stadt  Dorsten,  den 
Flecken  Boer  und  Hornbergbach.  21.  Das  Herzogt  um  West  falen  (s.  nach- 
folgenden Paragraphen). 

Uber  die  Einzelheiten  vgl.  besonders  >  Historisch-geographische  Beschreibung 
des  Erzstiftes  Köln.    Eine  notige  Beilage  zu  Herrn  Büschings  Erdbeschreibung:. 


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133.  Herzogtum  Westfalen.  249 

Frankf.  a.  M.  1783.  Daselbst  werden  auch  sämtliche  Städte,  Flecken,  Dörfer  etc. 
in  den  vorher  genannten  Ämtern  namhaft  gemacht;  S.  157—16(1:  Verzeichnis 
der  Städte,  Flecken,  Dürfer,  Rittersitze  mit  erzbischöflicher  Gerichtsbarkeit. 
S.  167—169:  Verzeichnis  der  Kirchspiele,  Dorf-  und  Ortschaften  des  Er/stiftes 
C'oln.  S.  170—178:  Verzeichnis  der  exemten  adeligen  Sitze  und  Häuser  im 
Erzstifte  Cöln.    F.  Walter,  das  alte  Erzstift  und  die  Reichsstadt  Cöln.  1866. 

133.  Herzogtum  Westfalen.  In  dem  Gebiet  zwischen  der  oberen 
Lippe  und  Lenne  hatten  die  Erzbisch  öfe  von  Cöln  schon  frühzeitig 
Fufs  gefafst  und  durch  geistliche  Stiftungen  segensreich  gewirkt,  ohne 
dafs  sie  als  Territorialherren  etwa  über  grofsen  Landbesitz  daselbst  ver- 
fügten. Im  Gegenteil,  was  ihnen  durch  Erbteilungen  unter  den  west- 
fälischen Grafen  zugefallen  war,  hatten  sie  ineist  an  die  Dynasten  des 
Landes  zu  Lehen  weitergegeben.  Erst  als  sie  nach  dem  Sturze  Heinrichs 
des  Löwen  (1180)  das  Herzogtum  selbst  erwarben,  suchten  sie  durch 
Vergrüfserung  ihres  Besitzes  die  Landeshoheit  fester  zu  begründen. 
Einen  erheblichen  Zuwachs  erfuhr  ihr  Gebiet,  als  der  letzte  Graf  von 
Arnsberg  im  Jahre  13(>8  sein  Land  ganz  an  das  Erzstift  abtrug. 

Otto  I.  hatte  936  Hermann  Rillung  das  Herzogtum  Sachsen  übertragen 
zur  Sicherung  der  Grenze  gegen  die  Slaven;  doch  kann  hier  nur  Ostsachsen 
verstanden  werden,  da  den  Dukat  in  Westsachsen  Egbert  und  seine  Nach- 
kommen bekleideten.  Nach  dem  Abtreten  der  sächsischen  Kaiser  wurde  in 
Westsachsen  und  Engern  kein  neuer  Herzog  ernannt,  und  die  geistlichen  und 
weltlichen  Fürsten  Westfalens  hatten  um  so  leichteres  Spiel,  sich  Machtbefug- 
nisse anzumafsen.  Heinrich  der  Stolze  und  Heinrich  der  Löwe  versuchten 
jedoch  bis  an  den  Rhein  ihre  herzoglichen  Rechte  wieder  geltend  zu  mac  hen, 
entgegen  den  Bestrebungen  des  Cölner  Erzbischofs,  aber  unter  bereitwilliger 
Zustimmung  der  Bistümer  Münster,  Osnabrück  und  Paderborn  und  der  Grafen 
und  kleineren  Dynasten. 

Nach  dem  Sturze  Heinrichs  nahm  Kaiser  Friedrich  I.  eine  Teilung  vor 
derartig,  dafs  er  den  ducatum  qui  dicitur  Westf/iliae  et  Anyariae  in  zwei  Teile 
schied  und  den  einen,  der  sich  durch  das  kölnische  und  Paderborner  Bistum 
erstreckte,  mit  allen  conti  tutibus,  advocatiis,  conduefibtts  und  Gütern  der  cölnischen 
Kirche,  den  anderen  Teil  aber  dein  Herzog  Bernhard  von  Anhalt ,  einem 
jüngeren  Sohne  Albrechts  des  Bären,  überwies.  Seibertz,  Landesg.  II,  291  ff.; 
III,  363  und  UB.  Nr.  81.  Seitdem  besafs  der  Erzbischof  von  Köln  das  herzog- 
liche Fürstenamt  als  Reichsfahnlehen  vom  Kaiser. 

Unter  Erzbischof  Konrad  (1238 — 1261)  erfuhr  nach  Beilegung  einer  Fehde 
mit  dem  Bischof  Simon  von  Paderborn  das  Herzogtum  Westfalen  einen  Zu- 
wachs. Der  Friede  von  1256  bestimmte,  dafs  Salzkotten  und  Geseke  zwischen 
Cöln  und  Paderborn  gemeinschaftlich  werden,  das  Hochgericht  Erwitte  und 
die  Stadt  Brilon  aber  dem  Erzbischof  verbleiben,  so  wie  sie  von  seinen  Vor- 
fahren besessen  worden.  Seibertz,  Landesgesch.  III,  118,  LB.  I,  Nr.  297.  Später 
(1294)  erhielt  er  Geseke  zum  alleinigen  Besitz,  wogegen  Salzkotten  ganz  an 
Paderborn  kam  (s.  d.). 

Die  Grafschaft  Arnsberg,  die  fast  ganz  von  erzbischöflichem  Gebiet 
umgeben  war,  kam  1368  durch  Kauf  an  das  Herzogtum,  wodurch  dieses  eine 
erhebliche  Vergrößerung  und  Abrundung  erfuhr.  —  Diese  Grafschaft  ging  aus 
dem  Komitat  der  westfälischen  Grafen  südlich  der  Lipne  hervor,  wo  z.  Z. 
Konrads  I.  bereits  ein  Graf  Hermann  genannt  wird.  In  der  Folgezeit  heifsen 
seine  Nachfolger  meist  Grafen  von  Westfalen  oder  von  Werl  (Werla), 
weil  sie  ihren  Wohnsitz  dort  hatten.  Sein  Sohn  Hermann  IL,  Vogt  des  Klosters 
Werden,  erwirbt  ansehnliche  Güter  im  westfälischen  Süderlande  mit  Arnsberg. 
Cf.  Seibertz,  2,  123.  126.  UB.  I,  26.  Kindlinger,  Beiträge  II,  Nr.  6.  Im  übrigen 


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250  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

wird  der  grofse  Komitat  unter  die  beiden  Söhne  Hermanns  L  (Ludolf  und 
Bernhard)  zersplittert  und  gerät  in  andere  Hände.  Ludolf  hatte  seinen  Erb- 
anteil im  nordöstlichen  Teil  des  Komitats  in  der  Gegend  von  Erwitte  und 
Geseke.  Dieses  Gebiet  kam  meist  an  die  Paderborner  Kirche,  teils  auch  an  die 
Nachfolger  Ottos  von  Nordheim,  Kaiser  Lothar  und  schliefslieh  Heinrieh  den 
Löwen.  Bernhard  erhielt  den  Westen  des  Komitats;  dieser  kam  später  an 
die  Grafen  von  Mark  Cleve-Berg.  —  Hermanns  II.  Enkel,  Konrad  IL,  erbte 
mit  seinen  Brüdern  den  Hauptteil  des  Komitats  und  baute  auf  der  Anhöhe 
bei  Arnsberg  eine  starke  Burg,  wo  er  residierte.  Seitdem  wird  die  Be- 
zeichnung Grafschaft  Arnsberg  üblich.  Sein  Sohn  Friedrich  der  Streit- 
bare vereinigte  fast  den  ganzen  Stammbesitz  der  Familie  wieder.  Aufser  dem 
Schlosse  Rietberg  fRietbeek)  gehörte  ihm  die  Wevelsburg  bei  Büren  und  der 
Donnersberg  bei  Warburg.  Nach  seinem  Tode  1124  ging  die  Grafschaft  auf 
den  Gemahl  seiner  Tochter  Sophie,  den  niederländischen  Grafen  Gottfried  von 
Kuick  (Cuich).  über,  der  eine  neue  Grafenlinie  begründete.  Seine  Urenkel 
treffen  1237  eine  Teilung:  Konrad  erhält  Rietberg  im  oberen  Emsgebiet  und 
wird  der  Stammvater  der  Grafen  von  Rietberg.  Gottfried  III.  dagegen  die  Graf- 
schaft Arnsberg,  deren  nördliche  Grenze  die  Lippe  bildete  und  deren  südliche 
das  Rothaargebirge.  Hingegen  gingen  im  O.  grofse  Teile  des  ehemaligen 
Komitats  an  die  Münstersehe  und  Paderborner  Kirche  sowie  an  die  Herren 
von  Swalenberg  verloren,  im  W.  an  die  Grafen  von  Altena  in  der  späteren 
Grafschaft  Mark.  Ihr  Machtbereich  beschränkte  sich  also  auf  das  nachmalige 
Herzogtum  Westfalen,  wo  bereits  die  Erzbisehöfe  von  Köln  sich  als  Herren 
fühlten  und  die  Grafschaft  Anisberg  mehr  und  mehr  auf  ein  westliches  Teil- 
stück des  Landes  einengten.  Alles  Nähere  bei  Sei  her tz  1.  c.  2,  296—321,  sowie 
dessen  Diplom.  Familiengesch.  d.  Grafen  von  Westfalen  zu  Werl  und  Arnsberg 
1845,  S.  174  ff.  —  Trotz  mehrfacher  Versuche  seitens  der  Arnsberger  Grafen, 
ihre  Macht  zu  behaupten,  entschlofs  sich  Gottfried  IV.,  den  Widerstand  auf- 
zugeben und  die  ganze  Grafschaft  für  130000  Goldgulden  an  das  Erzstift  zu 
verkaufen.  Seibertz.  ÜB.  II,  Nr.  71)3  (25.  Aug.  1368)  u.  Familiengesch.,  S.  231  f. 

134.  Grafschaften  Clere  und  Mark.  Mit  Eberhard  beginnt  im 
IX.  Jh.  die  Reihe  der  Grafen  von  Cleve,  die  ihren  Sitz  auf  der  Burg 
Cleve  hatten,  an  welcher  damals  der  Rhein  unmittelbar  vorüberflofs. 
Die  Grafenlinie  bestand  bis  zum  XIV.  Jh.;  als  Johann  II.  1368  kinder- 
los starb,  fiel  die  Grafschaft  als  Erbe  an  seines  Bruders  Tochter  Mar- 
garete, die  sie  ihrem  Gemahl  Adolf  II.  von  Mark  als  Ileiratsgut  zubrachte. 
Cleve  und  Mark  blieben  unter  den  Nachkommen  Adolfs  noch  immer 
gesondert;  eine  endgültige  Vereinigung  beider  trat  erst  sehr  viel  später 
(14til)  ein. 

Die  Grafen  von  der  Mark  und  ebenso  jene  von  Berg  führten 
ihren  Stammbaum  auf  den  Grafen  Adolf  zurück,  der  seinen  Sitz  auf 
der  Burg  Altena  hatte.  Seine  Enkel  Eberhard  und  Engelbert  teilten 
ihren  Landbesitz  derartig,  dafs  jener  die  Grafschaft  Altena  im  engeren 
Sinne  erhielt  und  bereits  1161  urkundlich  als  Graf  von  Altona  auf- 
tritt, während  der  Jüngere  den  Titel  Graf  von  Berg  führte.  Ein  Enkel 
jenes  Eberhard  von  Altena,  Adolf,  nannte  sich  1203  zuerst  Graf  von 
der  Mark  nach  einer  Burg  östlich  von  Hamm.  Er  wie  auch  seine 
Nachfolger  wufsten  ihren  Landbesitz  nicht  unbeträchtlich  zu  vergröfsern 
bis  auf  jenen  Adolf  II.  (1328—1347),  der  die  obenerwähnte  Verbindung 
mit  Margarete  von  Cleve  einging. 

über  die  ältesten  Grafen  von  Cleve  und  ihren  Besitz  s.  Char,  Geschichte 
des  Hzgt.  Cleve  l.S4f>;  Driesen,  Fünf  Bücher  niederrheinischer  Geschichten, 


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135.  Herzogtum  Jülich. 


251 


l  f.  Gesch.  u.  Alt.  WeetfaL  V, 
öl  ff.  ~  Eberhard  I  (827—835) 
war  Graf  von  Cleve  und 
Twente.  Unter  seinen  Enkeln 
fand  eine  Teilung  statt :  Bal- 
duin II.  erhielt  Cleve,  Rieh- 
fried  Twente.  Letzteres  blieb 
seitdem  von  Cleve  geschieden. 
-  Dietrich  V.  (1219—  1244)  er- 
wirbt durch  seine  Heirat  die 
Herrschaft  Dinslaken  (unweit 
des  Rheins,  nördlich  von  Duis 
bürg);  Dietrich  VII.  (t  1274) 
durch  seine  zweite  Gemahlin 
Hülkcnrath  und  Sassen berg 
nebst  den  Vogteien  über  Bonn 
und  das  Donistift  Cöln  ;  Diet- 
rich VIII.  erwirbt  Duisburg. 
VgL  Char.  S.  52,  63,  66,  68  ff. 
Dietrich  IX.  erwarb  1335  käuf- 
lich die  Herrschaft  Spellen 
südlich  von  Wesel) ;  unter 
Johann  kam  1361  die  Ober- 
k-tuwe  hinzu. 

Die  Grafschaft  war  also 
im  Anfang  des  XIV.  Jh.  schon 
'  in  ziemlich  geschlossenes  Ge- 
biet, nur  noch  unterbrochen 
von  dem  kölnischen  Xanten 
und  kleineren  Dynasten.  Auf 
dem  linken  Rheinufer  reichte 
*ie  von  Dripstein  (bei  Borth) 
bis  nach  Cleve  abwarte,  die 
Rheinniederung  mit  den  alten 
• Jrafenhöfen  Birten,  Calcar  und 
Wissel  in  sich  schliefsend.  Auf 
dorn  rechten  Rheinufer  bestand 
kein  so  geschlossenes  Gebiet, 
sondern  nur  einzelne  Städte, 
Hiife  und  Güter,  vor  allem  der 
alte  Reichshof  Wesel,  welcher 
vorübergehend  1368—1391  in 
den  Händen  der  Grafen  von 
Mark  war.  A.  v.  Haeften, 
□»erblick  über  die  nieder- 
rheinisch  -  westfäl.  Territorial- 
gesch.  bis  z.  Anf.  d.  XV.  Jh., 
d.  Bergischen  Gesch.  Vor. 
II  (1865)  S.  23  ff.,  35. 

135.  Herzogtum  Jü- 
lich. Das  Kernstück  bil- 
dete der  Jülichgau ;  ein  Graf 
über  diesen  ist  für  das  Jahr 
'.♦41  urkundlich  bezeugt.  Die 
weitere  territoriale  Entwicke- 


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252  VL  Politische  Geographie  um  «las  Juhr  1375. 

hing  in  Verbindung  mit  der  Geschiehte  des  Grafenhauses  läfst  sich  für 
die  ältcsto  Zeit  schwer  durchführen.  Wilhelm  II.  (t  1207)  war  der  letzte 
Graf  des  Hauses,  dessen  Besitz  an  seine  Schwester  Jutta  bezw.  deren 
Sohn  Wilhelm  III.  überging.  Dessen  Nachkommen,  besonders  seine 
Enkel  Gerhard  VII.  und  Wilhelm  V.  (t  1361),  haben  für  die  Vergrüfso- 
rung  des  Territoriums  am  meisten  gewirkt.  Letzterer  erwarb  sich  1356 
den  Herzogstitel.  Durch  die  Heirat  eines  seiner  Söhne  mit  der  letzten 
Erbin,  Margarete  von  Berg  und  Ravensberg,  gelang  es,  ein  neues  Länder- 
gebict  für  das  jühchsche  Haus  zu  gewinnen.  Unter  Wilhelms  V.  (I.) 
Söhnen  trat  für  einige  Zeit  eine  Teilung  des  väterlichen  Erbes  ein.  Ger- 
hard behielt  die  Grafschaften  Berg  und  Ravensberg,  die  ihm  durch 
eine  Heirat  zukamen,  und  Wilhelm  VI.  (als  Herzog  Wilhelm  II.)  wurde 
Herzog  von  Jülich. 

Wilhelm  II.  hatte  durch  Erbheirat  die  Grafschaft  Molbach  (jenseits  Marn- 
bach an  der  Roer)  und  die  Waldgralschaft  erworben.  —  Die  Nachbarschaft 
des  Cölncr  Erzbistunis  brachte  für  die  Grafen  von  Jülich  viele  Verwickelungen. 
Doch  gelang  es  Gerhard  VII.  1307,  durch  einen  Schiedsspruch  in  den  Besitz 
von  Grevenbroich  an  der  Erft  zu  kommen.  Auch  auf  Bergheim  und  Münster- 
eifel, Düren  und  Sinzig  wuTste  er  seine  Ansprüche  geltend  zu  machen.  Ganz 
besonders  aber  hat  sein  Sohn  Wilhelm  V.  das  Wohlwollen  König  Ludwige  für 
sich  auszunutzen  verstanden.  1336  erfolgte  die  Eventualbelehnung  mit  der 
Grafschaft  Berg  und  in  demselben  Jahre  seine  Erhebung  zum  Fürsten  um! 
Markgrafen.  134fi  wurde  sein  Sohn  Gerhard  mit  der  (Trafschaft  Ravensbelg 
belehnt  (s.  d.),  und  10  Jahre  später  erwarb  er  die  Herrschaft  Montjoie  in 
der  Eifel.    1357  erfolgte  seine  Erhebung  zum  Herzog. 

180.  Grafschaften  Berg  und  Ravensberg.  Beide  waren  um 
1375  in  einer  Hand  vereinigt,  wie  oben  bemerkt.  Die  Grafen  von  Ber^ 
sind  eine  Nebenlinie  der  Grafen  von  Mark-Altena,  die  mit  Engelbert  1. 
(f  1189)  beginnt,  Die  Grafschaft  umfafste  den  rechtsrheinischen  Teil 
des  rheinischen  Lothringens;  die  Stammburg  der  Grafen  war  Berg  an 
der  Wupper  bei  der  Stadt  Burg  a.  W.  Mit  Engelberts  Sohn  Adolf  stirbt 
1218  die  männliche  Linie  schon  aus,  und  dessen  Tochter  Irmgard  bringt 
die  Grafschaft  ihrem  Gemahl  Heinrich  von  Limburg-Montjoie  zu.  Bis 
1348  herrschen  in  Berg  Liniburger  Grafen.  Des  letzten  Grafen  Tochter 
Margarete  war  mit  Otto  IV.  von  Ravensberg  vermählt,  wodurch  nunmehr 
eine  Vereinigung  der  Länder  hergestellt  war.  Beider  Tochter  Margarete, 
heiratete  einen  Jülicher  Grafen,  durch  welchen  eine  später  eintretende  Ver- 
einigung mit  diesem  Lande  angebahnt  wurde.  1380  wurde  Berg  Herzogtum. 

Das  Territorium  Berg  bestand  später  aus  den  Amtern  Angermund,  Beyen- 
burg, Düsseldorf,  Mettmann,  Solingen,  Blankenberg,  Hückeswagen,  Bornefeld. 
Löwenburg,  Lülsdorf.  Monheim,  Porz,  Miselohe,  Steinbach,  Windeck,  der  Vogtei 
Siegburg  und  der  Unterherrschaften  Broich  und  Hardenberg.  G.  v.  Below. 
Landtagsakten  von  Jülich-Berg.    1895  ff. 

Grafschaft  Ravensberg.  Im  XI.  Jh.  treten  am  Osning  die  Grafen  von 
Calvelage  auf,  die  im  Emsgebiet  und  westlich  der  Hunte  im  südlichen  Olden- 
burg grofsen  Landbesitz  hatten  und  nach  einer  Burjj  nördlich  von  Vechta  sich 
benannten.  Vgl.  das  unter  Bist.  Münster  Bern  erste  (S.  234  ).  Als  sie  am 
Osning  FuTs  falsten,  stützten  sie  sich  auf  eine  Burg  am  Südabhange  des  Ge- 
birgswallcs  westlich  von  Halle  i.  YY..  die  »ruwe  Borg*,  nach  welcher  der  dritte 
in  der  Reihe  der  Calvelager  Dynasten,  Otto  I.  (1141 — 1170),  sich  Graf  von 
Ravensberg  nannte.    Vgl.  YY.  Fr  icke,  Gesch.  der  St,  Bielefeld  und  d.  Graf  seh. 


137.  Rcichsabtci  Prüm,  Stablo  u.  Mulinedy.  138.  Grafschaften  Ahr,  Neuenahr  etc.  253 


Ravensberg,  S.  18  f.  Die  Grafschaft  umfafste  die  Gebiete  von  Versmold,  Halle, 
Borgholzhausen  im  Teutoburger  Walde,  ferner  «las  Land  um  Bielefeld  mit  der 
Sparrenburg  und  den  Hauntorten  Brackwede,  Heepen,  Schildesehe,  Werther, 
im  N.  die  1319  erwähnte  alte  Limburg  mit  Hunde  und  Oldendorp  und  nach  ß 
«ler  Weser  hin  Vlotho,  Rehme  und  Exter.  Vgl.  Leo,  Territorien  I,  997.  —  Im  I 
-labre  134b'  war  Bernhard,  der  letzte  männliche  Sprofs  der  Ravensberger  Grafen, 
ins  Grab  gesunken,  und  die  einzige  überlebende  Nichte  Margarete,  die  an  den 
Grafen  Gerhard  von  Jülich  verheiratet  war.  brachte  diesem  den  reichen 
Linderbesitz  zu.    Fricke  1.  c.  41  (s.  auch  unter  Jülich). 

187.  Reichsabteien  Prüm,  Stablo  und  Malmedy.  Bereits  im  VIII.  Jh., 
als  Prüm  gegründet  worden  war,  hatten  die  Pippine  und  schliefslich 
Karl  d.  Gr.  dem  Kloster,  welches  799  neu  geweiht  wurde,  mancherlei 
Zuwendungen  gemacht.  Schon  unter  Pippin  war  es  seihständig  und 
hatte  freie  Abtswahl.  Im  XIII.  Jh.  zählt  es  über  100  Herrschaften 
teils  im  Besitz,  teils  als  Lehen,  wie  denn  ein  grofser  Teil  der  benach- 
barten Dynastengeschlechter  Lehnstrüger  der  Abtei  waren.  Der  Besitz 
war  freilich  weit  zerstreut. 

Zur  Herrschaft  Prüm  gehörten  15  Gemeinden  aufser  der  Stadt  Prüm, 
Ferner  besafs  das  Kloster  Gebiete  und  Güter  im  Jülichschen,  Kölnischen, 
Lutzeiburgischen,  Trierischen,  Lüttichschen,  Geldernsehen  und  im  Französischen 
Reich.  Vgl.  Marx,  Gesch.  d.  Erzst.  Trier,  II.  I,  271  iL  Forst,  das  Fürsten- 
tum Prüm.    Bonn  1903. 

Die  Abteien  Stablo  und  Malmedv  haben  immer  in  engen  Be- 
ziehungen gestanden,  zumal  sie  denselben  Abt  hatten.  Stablo,  Stmelot, 
Shtbulaus,  lag  an  der  Ambleve  und  wurde  im  VII.  Jh.  gestiftet,  —  Malmedy, 
Mnlmundarias  an  der  Warge  gehört  derselben  Zeit  an.  Sie  waren  im  Besitz  der 
Grafschaft  L>gne. 

Auch  die  Abtei  Kornelimünster,  Büdlich  von  Aachen  gelegen,  mag 
hier  Erwähnung  finden.  Im  Jahre  815  vom  hl.  Benedikt  gegründet,  wurde 
sie  bereits  974  reichsunmittelbar  (mit  freier  Abtswahl). 

138.  Grafschaften  Ahr,  Neuenahr  und  Hochstadcn.    Aus  dem 

Orafengeschlecht,  wTelches  ehemals  den  Ahrgau  verwaltete,  gingen  die 
obengenannten  Teillinien  hervor.  Als  erster  Graf  tritt  Dietrich  I.  (f  um 
1190)  auf,  unter  dessen  Söhnen  die  ersten  Teilungen  in  Ahr,  Nurburg 
und  Hochstaden  stattfanden.  Der  jüngste  Sohn  Otto  (r  ca.  1167)  hatte 
Adelheid,  die  Erbin  von  Hochstadcn  und  Wickerath,  geheiratet  und 
damit  auch  die  Territorien  des  älteren  Hochstadensehen  Grafenhauses 
prst  erworben;  letzteres  stammte  von  Gerhard  I.,  einem  Grafen  im  Jülich- 
gau (bis  1029),  ab.  —  Unter  den  nachfolgenden  Generationen  erhielt  sich 
das  jüngere  Haus  der  Hochstaden  bis  1246,  als  Graf  Friedrich  die  Graf- 
schaft an  Cöln  abtrat.  Die  Linie  Ahr  war  mit  Dietrich  II.  schon 
ca.  1160  ausgestorben  und  dessen  Territorium  an  die  beiden  anderen 
Linien  aufgeteilt  worden.  --  In  der  Linie  Nurburg  war  vorübergehend 
eine  Teilung  in  Neuenahr  und  Ahr  eingetreten.  Die  Linie  Neuenahr 
bestand  bis  1589,  während  die  andere  bald  ausstarb. 

Die  Burg  Ahr  oder  Are  lag  auf  einer  Anhöhe  bei  Altenahr;  die  Feste 
Nurburg  aufeinem  Berg  bei  dem  gleichnamigen  Dorf;  die  Burg  Nuenaroder 
Neuenahr  lag  weiter  unterhalb  von  Altenahr  am  gleichnamigen  Flufs. 

Die  Grafschaft  Hochstaden  (das  cölnische  Amt  Altenahr)  umfafste  Vogtej 
Ahrweiler   mit  Stadt    und    mehreren   Dörfern,    ferner   Altenahr,  Altenburg, 


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254 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Reimenhoven,  Kreuzberg,  Brück,  Denn,  Pützfeld,  Hönningen,  Kesseling, 
Staffel.  Weidenbach,  Liers,  Sahr,  Freisheim,  Lind,  Vischel  und  Wensbeig. 
Die  von  Prüm  zu  Lehen  gehenden  (iehiete  wurden  vom  Grafen  Friedrieh  von 
Hochstaden  an  Köln  verpfändet  —  Zur  Grafschaft  gehörten  die  drei  Burgen 
Ahr,  Hart  oder  Hardt  hei  Stotzheim  und  Hochstaden  am  rechten  Ufer  der 
Erft  bei  Grevenbroich.  Einen  Teil  der  Grafschaft  Hochstaden  bildete  auch 
das  Gebiet  von  Hardt  (das  gleichnamig«'  eölnischc  Amt.  mit  Arloff,  Kuchen- 
heim,  Mudscheid.  Stotzheim  und  Zingsheim,  Weyer,  Hüllesheim.  Abtei  Stein 
feld,  Antweiler,  Breidenbendcn.  Firmcnich,  Gleim.  Harzheim,  Holzheim  uml 
Satzfey. 

Die  Grafschaft  Neuenahr  bestand  aus  nachfolgenden  Orten  mit  Zubehör: 
Bengen,  Beuel,  Birresdorf,  Bölingen.  Calcnborn,  (Dorweiler,  Ober-Esch,  Nieder 
Esch,  Gelsdorf,  Hemmessen.  Holzweiler,  Leimersdorf,  Nierendorf,  Ramersbach. 
Ringen,  Schalkenbach  und  Vinxt. 


Lothar  von  Ahr 

I 

Dietrich  II.  f  ca.  1160 


Dietrich  I.  von  Ahr  t  ca  1132 
Ulrich  I.  von  Nurburg 


Gerhard  I.  f  ca.  1225 

<  »tto  von  Dietrich  von 

Neuenahr  Ahr-Malben; 
I 

(ierhard  f  1265 


Otto  von  Hoch  Staden 
und  Wickeroth  t  1167 
I 

Dietrich  III.  f  1195 
Friedrich  HJ.  f  1246 


189.  Grafschaft  Blanken  heim  und  Schleiden.  Von  Gerhard  I 
von  Blankenheim  stammten  zwei  Söhne,  (Ierhard  II.  und  Konrad  L, 
welche  die  Stammväter  zweier  Linien  wurden:  jener  der  Linie  Blanken- 
heim, dieser  der  Linie  Schleiden,  die  jede  ihr  Territoriuni  im  Eifel 
hochlande  hatten.  —  Ein  Nachkomme  jenes  Konrad  L,  der  ebenfalls 
Konrad  hiefs,  hatte  die  Erbtochter  Elisabeth  aus  dem  Hause  der  Herren 
von  Junkerrath,  die  damals  ausstarben,  geheiratet.  Unter  den  Enkeln 
Konrads  (f  nach  1292)  fand  eine  Teilung  der  Territorien  statt  :  Konrad  IV 
(t  1345)  setzte  die  Hauptlinie  fort,  während  Dietrich  die  Linie  Schleiden 
Junkerrath  stiftete. 

Die  Grafschaft  Blankenheim  umfafste  Blankenheimersdorf,  Mühl- 
heim, Retz,  Aldenburg,  Birtherhof,  Fritzenhof,  Mandersheimerhof,  Schlemmer* 
hof,  Schncppcncrhof.  Hierzu  erwarben  die  Grafen  allmählich  verschieden* 
Güter,  so  1282  Burg  und  Dorf  Steffeln,  Underbrecher,  Awel  und  Brenn!«  n 
von  Konrad  von  Schleiden,  1334  Dorf  Duppach  u.  a,  m.  Ihre  Burgen  trugen 
sie  meist  an  andere  Dynasten  (Jülich,  Böhmen,  Lützelburg)  zu  Lehen  aut. 
Aufserdem  besafsen  sie  die  Burgherrschaften  von  Gerolstein  (Gerhardstein 
mit  Bettingen.  Stadtkyll,  Lissendorf  und  Roth,  und  Burg  Casselburg  bei  Pelm. 

Die  Herrschaft  Schleiden  hat  jener  gegenüber  nur  einen  mälsigen 
Umfang.  Dasselbe  gilt  von  der  Herrschaft  .Junkerrath  mit  den  Dörfern 
Esch.  Glaadt,  ( iönnersdorf,  Feusdorf,  Alendorf.  Walsdorf,  Ahrmühle,  Wiesbaum. 
Leutherath. 

140.  Herrschaft  Manderscheid.  Die  gleichnamige  Burg  an  der 
Lieser  wird  schon  im  X.  Jh.  genannt.  Es  bestanden  hier  zwei  Burgen 
nebeneinander :  die  Obere  Burg  oder  Katzenburg  und  durch  ein  Tal  g<- 
schieden  die  Niedere  Burg.  Das  Territorium  wurde  später  beträchtlich 
vergröfsert.  Durch  Heirat  kam  im  XIII.  Jh.  die  Herrschaft  Kerpen 
hinzu  (nordöstlich  von  Hillesheim);  das  dortige  Herrenhaus  war  nach 


141.  Erzbistum  IVier.    142.  Grafschaft  Sponheim. 


255 


1217  ausgestorben,  und  die  Erbtochter  Gertrud  brachte  sie  an  Winnemar 
von  Manderscheid. 

Im  XL  Jh.  hatte  infolge  eines  Zwistes  zwischen  zwei  Brüdern  des 
Hauses  der  eine  aus  Rache  die  Obere  Burg  an  den  Erzbisehof  von  Trier  über- 
lassen; letzterer  wulste  sich  hier  gegen  den  zu  Hilfe  gerufenen  Lützelburger 
zu  behaupten.  —  Im  XIII.  Jh.  teilten  sich  die  Manderscheider  in  zwei 
Linien:  die  Hauptlinie  unter  Wilkin  (f  1267)  und  die  Linie  Kerpen  unter 
Richard  III. 

141.  Erzbistum  Trier.  Es  umfafste  im  XIV.  Jh.  bereits  ein  zu- 
sammenhängendes Gebiet,  welches  vom  Rhein  an  die  Mosel  zu  beiden 
Seiten  aufwärts  reichte  bis  über  die  Mündung  der  Saar  hinauf.  Als 
Erzbistum  erscheint  es  schon  im  IX.  Jh.  und  erhielt  bald  auch  die 
Immunität.    Die  Landeshoheit  erwarb  es  im  XIV.  Jh. 

Seit  Erzbischof  Balduin  i 1307—1354)  wird  es  in  ein  Oberstift  und  Niederstift 
geteilt  Zum  Oberstift  gehörten  die  Ämter  Grimburg  (mit  29  Orten),  Wendel  (mit 
21  Orten),  Pfalzel  (mit  53  Orten),  St.  Maximin  (mit  21  Orten  \  Witlich  (44  Orte), 
das  Cröver  Reich,  Amt  Wedenesch ;  das  Gericht  Merzig  und  Saargau  hatte  das 
Stift  mit  dem  Herzog  von  Lotbringen  geineinsam;  sehliefslieh  das  Amt  Saar- 
l»urg  ;mit  67  Orten\  nicht  zu  verwechseln  mit  dein  zu  Metz  gehörigen  gleich- 
namigen Orte.  Zinn  Niederstifte  gehörten  damals  Coblenz  mit  Ehrenbreitstein, 
eigentlich  Erembertsstein ;  letztere  Burg  kam  nach  dem  Aussterben  der  dort 
«Uzenden  Freiherren  an  Erzbischof  Hillin.  Zum  Amt  Ehrenbreitstein  gehörten 
15  Orte.  Mayen  mit  39  Orten,  Boppard  mit  28  Orten,  Engers  mit  14  und 
Wellmich  mit  4  Orten.  Näheres  vgl.  bei  Marx,  Gesch.  des  Erzstiftes  Trier, 
1*58  ff,  5  Bde.  Görz.  Regesten  der  Erzbisehöfe  von  Trier  von  Hetti  bis 
Johann  IL.  Trier  1859— 18(51. 

142.  Grafschaft  Sponheim.  Ein  Graf  Eberhard  dieses  Namens 
tritt  in  der  ersten  Hälfte  des  XL  Jh.  auf.  Die  Stammburg  mit  der  von 
ihm  gestifteten  Abtei  liegt  bei  Sobernheim.  Die  im  Laufe  der  Zeit  er- 
worbenen Besitzungen  lagen  zwischen  Mosel  und  Nahe  in  zwei  Hälften 
getrennt:  die  Vordere  Grafschaft  von  der  Mosel  bis  zur  Nahe  bei  Kreuz- 
nach hinüberreichend  und  die  etwas  kleinere  Hintere  Grafschaft  um  die 
mittlere  Nahe.  Im  XIII.  Jh.  erheiratete  Gottfried  IL  mit  Adelheid  die 
Grafschaft  Sayn,  wo  1246  die  Grafenlinie  ausgestorben  war,  (vgl.  Graf- 
schaft Sayn).  Die  drei  Söhne  dieser  Ehe  teilten:  Johann  I.  erhält 
Sayn  und  die  Hintere  Grafschaft  Sponheirn-Starkenburg ;  sein  ältester 
Sohn  Gottfried  setzt  die  Linie  der  Grafen  von  Sayn  fort,  sein  Sohn 
Heinrich  die  Linie  der  Grafen  von  Sponheim-Starkenburg.  Simon  IL 
erhält  Sponheim-Kreuznach  (Vordere  Grafschaft)  und  stiftete  ebenfalls 
nne  Linie.  Der  dritte  Sohn  Heinrich  von  Heinsberg  erhält  nur 
Kastellaun,  Kirchberg  und  Neef,  die  er  aber  von  seinem  Bruder  Simon 
gegen  dessen  Anteil  an  Sayn:  Blankenberg,  Löwenburg,  Saffenberg  a.  d. 
Ahr  und  LIilcherath  bei  Neufs  austauscht. 

Der  Name  des  Vaters  (Gottfried  II.)  wird  mehrfach  irrtümlich  als  Johann 
angegeben.  —  Die  Hintere  Grafschaft  Sponheirn-Starkenburg  umfafste  die 
Burgen  Starkenburg,  Ellenbach,  Wendig,  Winningen.  Trnige  nebst  Zubehör 
und  ein  Drittel  der  Burgen  Sponheim  und  Dill.  Die  Vordere  Grafschaft 
Sponheim-Kreuznach  enthielt  Kreuznach.  Bockelheim  mit  Zubehör  und  ein 
Drittel  von  Sponheim  und  Dill.  Vgl.  Stramberg,  Rheinischer  Antiquarius, 
HL  Abt.  1.  B. 


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256 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


In  clor  Familie  Simons  II.  tritt  unter  den  Söhnen  eine  Teilung  ein: 
Johann  setzte  die  Hauptlinie  fort,  Heinrich  erhielt  nur  Bickelheim,  Weins- 
heim, Monzingen,  Nufsbaum  und  auf  dem  Westerwalde  Selters  und  Max-Sayn. 
Höckelheim  kam  aber  1281  an  Mainz  und  die  CJebiete  im  Westerwald  an 
Johann  von  Sayn.  Heinrich  hatte  noch  durch  seine  Gemahlin  für  seinen 
Sohn  Philipp  "einen  Teil  der  holländischen  Güter  geerbt.  Leo,  Terri- 
torien I,  629  f. 

Gottfried  X  Adelheid  von  Sayn 

Johann  I.  Simon  II.  f  1266  Heinrich 

Sayn.    Hint.  Gfsch.  Vord.  Grafschaft  von  Heinsberg 


Gottfried    Heinrich       Johann  Heinrich  I.  Dietrich  I.  Johann 

Sayn    Hint.Gfsch.     f  1291        Böckelh.  Bollanden  Heiusb.  Blankb  Lowenbg. 

Simon  III.  Jobann  II.    J,  ...  

■  ,  .  .  Philipp 

v  Bollan  cen 


Jobann  II.  Engelbert  | 
Savn      Vallendar  Walram 

I 

Simon  IV. 
I 

Elisabeth  f  1417 

X  ßupr.  Pipan  v.  Pfalz 

t  t  t 

143.  Wild-  und  Rheingrafschaft.  Von  dorn  Geschlecht  der  Grafen 
des  Nahegaues  stammten,  wie  wahrscheinlich  gemacht  worden  ist,  die 
späteren  Wildgrafen  und  Raugrafen  ah,  deren  Stifter  Konrad  I.  (i  1161) 
und  Einich  sich  in  dio  Besitzungen  ihres  Vaters  geteilt  hatten.  Die 
Linie  des  ersteren,  also  der  Wildgrafen,  die  hier  allein  in  Frage  kommt, 
teilte  sich  unter  Konrads  II.  (f  12(53)  Söhnen  Emich  und  Gottfried  noch- 
mals in  die  Linien  Kirburg  und  Dhaun  mit  entsprechendem  Landbesitz. 
Heftige  Fehden  unter  den  späteren  Mitgliedern  beider  Linien  hatten  den 
Verlust  der  Herrschaft  Schmidburg  an  Trier  zur  Folge.  Da  mit  Johann 
die  Linie  Dhaun  auszusterben  drohte,  so  nahm  dieser  den  Sohn  seiner 
Schwester  Hedwig,  den  Rheingrafen  Johann  II.,  zum  Nachfolger  an. 
Dies  hatte  die  Vereinigung  der  Wild-  und  Rheingrafschaft  zur  Folge. 

Im  Rheingau  verwaltete  das  Rheingrafenamt  ein  Geschlecht,  das 
seine  Ahnen  weit  zurückverfolgte.  Unter  diesen  Grafen  tritt  im  XI.  Jh. 
Embricho  I.  bestimmter  aus  dem  Dunkel  der  Geschichte  hervor..  Sein 
Geschlecht  starb  in  männlicher  Linie  mit  Werner  II.  1223  aus.  Doch 
war  des  letzteren  Tante  Lucardis  mit  Siegfried  (t  1193),  Herrn  von  Stein, 
vermählt,  deren  Sohn  Wolfram  schon  1194  in  der  Rheingrafschaft  folgte 
und  somit  über  einen  bedeutenden  Besitz  diesseits  und  jenseits  des 
Rheins  und  der  Nahe  gebot.  Unter  seinem  Urenkel  Siegfried  II. 
(f  1327)  ging  der  gröfste  Teil  des  Landbesitzes  verloren.  Es  war  für 
die  heruntergekommene  Grafenfamilie  aber  von  Vorteil,  dafs  des  letzteren 
Enkel  Johann  II.  von  dem  kinderlosen  Wildgrafen  Johann  von  Dhaun 
zum  Nachfolger  ausersehen  war  und  ihm  1350  tatsächlich  folgte. 

Die  Söhne  Emichs  VI.,  des  Grafen  im  Nahegau,  der  sich  aber  auch  nach 
seinen  Schlössern  Kirburg.  Schmidburg,  Altenbaumberg  und  Flonheim  be- 
nannte, waren  jene  obenerwähnten  Konrad  und  Emich.  Bei  der  Teilung  er- 
hielt Konrad  als  der  Ältere  die  Nahegausche  Landschaft,  bestehend   aus  den 


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143.  Wild-  und  Rheingrafachaft. 


257 


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Burgen:  Kirburg,  Dhaun, 
Schmidburg.Grumbach  und 
Flonheim;  —  Emich  er- 
hielt das  übrige  (s.  unten). 
Beide  Brüder  wählten  aber 
neue  Geschlechtsbenennun- 
jjen.  Konrad  bezeichnete 
sich  als  Wildgraf  (comes 
wkagius,  süvaticus,  sylvestris), 
Emich  als  R  a  u  g  r  a  f  (comes 
himtos).  Vgl.  im  übrigen 
C.  Sch n  e  i  der ,  Gesch.  des 
Wild-  und  Rheiiigrüflichen 
Hauses,  Kreuznach  1854, 
8L 16  f.  24. 

Konrad  IL  (1194  bis 
1268)  hatte  schon  bei  Leb- 
zeiten die  eventuelle  Tei- 
lung unter  seinen  Söhnen 
Emich    und   Konrad  be- 
stimmt. Erstgenannter  be- 
kam Kirburg  imd  Schmid- 
ing, letzterer  Dhaun  und 
Crumbach.    Die  Kirburger 
Linie  gliederte  sich  unter 
Emichs  Söhnen  nochmals 
in  zwei:   Konrad  (f  1305) 
erhält  Schmidburg;  Gott- 
fried Raub:  Kirburg;  die 
hohen  Gerichte,  Wälder, 
Gewässer  blieben  gemein- 
schaftlich.   Gottfried  war 
mit  der  Teilung  nicht  ein- 
verstanden ,    und  blutige 
Fehde  mit  seinem  Bruder 
wie  auch  mit  der  Dhaun- 
-chen  Linie  war  die  Folge. 
Auch  unter  beider  Söhnen 
setzte  sich  der  Hader  fort.  Da 
mit  Heinrich  die  Schmid- 
hurger    Linie  aussterben 
mufste,  so  verkaufte  dieser 
Schmidburg  1324  an  den 
Erzbischof  von  Trier,  wo- 
durch der  Zwist  mit  der 
Kirburger  und  Dhaunsehen 
Linie  nochmals  angefacht 
wurde.     Erst    1342  kam 
fT?  zu    einem  Vergleich, 
•^•hmidburg  blieb  bei  Trier. 
Auch    die    Linie  Dhaun 
'honte   mit  Johann  aus- 
zusterben, weshalb  er  1347 
seinen   Neffen ,  Rheirigraf 
Johann  H.,  zum  Nachfolger 
ausersah.     Die  Wildgraf- 
sehaft,  d.  h.  der  Dhaunsche 

Kreucbmer,  Hirtorische  Geographie. 


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258  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375 

Anteil,  wurde  mit  der  Rheingrafschaft  verbunden.    Vgl.  Sehn  ei  der,  1.  c. 
42  ff. 

"Was  die  Rheingrafen  betrifft,  so  hatten  sie  ehemals  die  Herrschaft 
Rheinberg  mit  15  Dörfern  im  Besitz  mit  der  gleichnamigen  Burg  bei  Lorch; 
ferner  das  Gut  Schierstein,  Biburg,  Gerolstein  a.  d.  Wisper,  che  Burg  zu  Heidcs 
heim,  Klingelmünde  und  Kiderich  im  Rheingau  sowie  verschiedene  Gerecht- 
same. —  Durch  die  Heirat  der  Lucardis  (Luitgard)  mit  Siegfried  von  Stein 
wurden  deren  Besitzungen  links  des  Rheins  zur  Rheingrafschaft  gezogen. 

144.  Raugrafgchaft.  Wie  im  vorhergehenden  Abschnitt  bemerkt, 
hatten  sich  die  Söhne  Emichs  VI.  in  die  Hinterlassenschaft  des  Vaters 
geteilt.  Der  jüngere,  Emich,  erhielt  die  Besitzungen  um  die  Alsenz  und 
den  Apfelbach  mit  den  Schlössern  Altenbaumberg ,  Ruvenberg  und 
Stolzenberg.  Er  bezeichnete  sich  fortan  als  Raugraf.  Unter  seinen 
Enkeln  tritt  eine  Teilung  in  zwei  Linien  ein :  die  Neu-Baumbergische 
und  die  Alt-Baumbergische.  Erstgenannte,  mit  Ruprecht  I.  beginnend, 
pflanzt  sich  fort  bis  auf  Philipp  IL,  durch  dessen  Heirat  mit  Anna  von 
Bolanden  zu  Altenbaumberg  eine  Vereinigung  beider  Linien  und  teil- 
weise auch  der  Territorien  eintrat.  —  Die  Linie  Alt-Baumberg  hatte 
sich  im  XIII.  Jh.  in  zwei  Äste  gespalten,  von  denen  der  Stolzenbergische 
fast  sein  ganzes  Territorium  aufgelöst  hatte  und  aus  der  Gegend  ver 
schwand,  während  der  andere,  der  jüngere  Alt-Baumbergische,  männ 
licherseits  ausgestorben  (1358),  sich  in  einer  weiblichen  Nebenlinie  von 
Bolanden  fortsetzte  und  sich  mit  der  Neu-Baumbergischen  Linie  wieder 
vereinigte. 

Die  mit  Georg  I.  beginnende  Stolzenbergisehe  Linie  besafs  neben  einem 
Anteil  an  der  Burg  Altenbaumberg  das  Dorf  Ebernburg,  Kriegsfeld,  Rohrbach, 
Solzheim,  Burg  Naumburg,  Merksheim,  Becherbach,  Lembach,  Sulzbaeh,  Keihel 
bach  und  verschiedene  Höfe.  Fast  alles  wird  von  den  Nachfolgern  ver 
schleudert,  so  dafs  beim  Aussterben  der  Linie  nichts  mehr  vorhanden  ist. 

Philipp  II.  (Neu-Baumbergische  Linie)  erhielt  beim  Tode  seines  Sehwieger 
vaters  1371  den  Rest  des  bolandischcn  Erbes,  der  in  seinen  Händen  war, 
sowie  auch  das  Erbe  der  Grofsmutter  Lauretta,  welches  von  den  Raugrafen 
von  Altenbaumberg  herstammte.    Leo,  Territ.  I,  589. 

145.  Grafschaft  Veldenz.  Die  Grafen  dieses  Namens  gehörten  zu 
dem  Stamm  der  Wildgrafen  (s.  oben).  Die  Burg  Veldenz  stand  im  Mosel 
gau  zwischen  Trarbach  und  Bernkastel.  Der  ausgedehnteste  Teil  ihres 
Gebietes  aber  lag  am  Glan,  einem  rechtsseitigen  Nebenflufs  der  Nahe. 
Mit  Gerlach  V.  stirbt  1260  das  Geschlecht  aus;  seine  Tochter  Agnes 
vermählte  sich  1270  mit  Heinrich  von  Geroldseck  (in  der  Ortenaul 
dessen  Nachkommen  sich  (Trafen  von  Veldenz  nannten. 

Veldenz  an  der  Mosel  bestand  aus  Burg  und  Flecken  und  fünf  Dörfern 
Die  Gebiete  am  Glan  unifafsten  Burg  und  Stadt  Lautereeken  mit  vier  Dörfern  und 
die  Schultheifserei  Reichen} »aeh  mit  17  Dörfern,  ferner  die  Herrschaft  Lichten 
berg  mit  Meisenheini.    Hausse r,  Gesch.  d.  rhein.  Pfalz  I,  325. 

14(1.  Pt'alzgrafschaft  bei  Rhein.  Das  spätere  Territorium  der  Pfalz 
und  die  Pfalzgrafenwürde  waren  nicht  von  Anfang  an  vereinigt  gewesen 
Seit  Otto  I.  treten  in  Deutschland  vier  Pfalzgrafen  auf  (comites  palatini/. 
von  Lothringen,  Sachsen,  Baiern  und  Schwaben,  von  denen  der  loth- 
ringische mit  seinem  Amtssitz  in  Aachen  weitaus  der  bedeutendste  war 


146  PfakgrafHfhaft  bei  Rhoin. 


259 


Die  Würde  des  lothringischen  Pfalzgrafen,  die  zunächst  einen  hofamt- 
lichen Charakter  trug,  war  ein  Jahrhundert  lang  in  einer  Familie  erblich 
gewesen.  Dann  ging  sie  in  verschiedene  Hände  über,  bis  sie  Kaiser 
Friedrich  I.  seinem  Bruder  Konrad  von  Hohenstaufen  1155  übertrug. 
Die  Hohenstaufen  waren  aber  durch  die  Erbschaft  seitens  der  salischen 
Kaiser  in  Rheinfranken  (seit  1125)  sehr  begütert.  Von  den  Söhnen  des 
Staufers  Friedrich,  Herzogs  in  Schwaben  {f  1146),  hatte  der  ältere  (später 
Kaiser),  Friedrich  1.,  die  schwäbischen,  der  jüngere,  jener  obengenannte 
Konrad,  die  rheinfränkischen  Lande  geerbt.  Die  letzteren,  die  hier  allein 
in  Frage  kommen,  bildeten  noch  kein  geschlossenes  Territorium ;  das 
nachher  pfälzische  Gebiet  war  vielmehr  noch  unter  die  benachbarten 
weltlichen  und  besonders  geistlichen  Dynasten  geteilt.  Aber  durch 
Konrad,  der  die  Pfalzgrafenwürde  erhielt,  war  infolge  weiterer  Güter- 
erwerbungen jedenfalls  ein  Kern  für  die  spätere  territoriale  Entfaltung 
der  Pfalz  geschaffen  worden;  er  verlegte  auch  seinen  Sitz  nach  dem 
Oberrheingebiet,  nach  Heidelberg.  In  der  Folge  ging  die  Pfalzgrafschaft, 
da  Konrad  nur  eine  Tochter  Agnes  hintcrliefs,  an  seinen  Schwiegersohn 
Heinrich  (Sohn  Heinrichs  des  Löwen)  über,  und  von  den  Weifen  im 
Jahre  1214  an  die  Wittelsbacher,  indem  Herzog  Ludwig  von  Baiern  mit 
dieser  Würde  von  Kaiser  Friedrich  IT.  belehnt  wurde,  ohne  jedoch  zu- 
gleich auch  die  staufischen  P>bgüter  zu  erhalten.  Durch  die  Heirat 
seines  Sohnes  Otto  mit  der  Erbtochter  des  Weifen  Heinrich  aber  brachte 
er  jene  Güter  für  alle  Zeit  an  das  Wittelsbachsche  Haus.  So  ward  die 
Pfalz  mit  Baiern  verbunden.  Freilich  fand  schon  1255  durch  Teilung 
unter  Ottos  des  Erlauchten  Söhnen  die  Abtrennung  von  Niederbaiern 
statt,  und  der  Vertrag  von  Pavia  1329  zwischen  König  Ludwig  und 
seinen  Neffen  Rudolf  II.  und  Ruprecht  I.  schränkte  den  Landbesitz  noch 
weiter  ein;  1353  ging  schliefslich  auch  die  Oberpfalz  (in  Baiern)  an 
Karl  IV.  verloren.  Die  Pfalz  am  Rhein  blieb  jedoch  in  Ruprechts  I. 
Hand;  sie  hatte  im  Laufe  der  Regierung  der  letzten  Pfalzgrafen  über- 
haupt an  Umfang  durch  Kauf,  Erbschaft  und  Kriege  zugenommen  und 
sich  zu  einem  zusammenhängenden  Territorium  arrondiert. 

Über  die  Pfalzgrafenwürde  vgl.  Pf  äff,  Gesell,  des  Pfalzgrafenamtes,  1847. 
Schmitz,  Gesch.  der  lothring.  Pfalzgrafen,  Diss.  Bonn  1878.  H  ausser,  Gesch. 
der  rheinischen  Pfalz,  Heidelberg  1845,  I,  38—48,  110—126.  Schröder, 
Deutsche  Rechtsgeseb.  S.  496  ff. 

Konrad  (1155—1195)  hatte  seine  Erbgüter  seitens  des  Vaters  vermehrt  durch 
jene  seitens  der  Mutter,  einer  Gräfin  von  Saarbrüek.  Sein  Hauptsitz  war  die 
Burg  auf  dem  Jettenbühel  bei  Heidelberg;  letzteres  gewann  durch  ihn  die  erste 
Bedeutung.  Nach  der  Absetzung  des  Pfalzgrafen  Hermann  von  Stahleck  fiel 
1155  ihm  die  Würde  zu.  Vgl.  über  die  Quellen  H  ausser  1.  c.  I,  53.  Nebenius, 
Gesch.  der  Pfalz,  Mannheim  1873  (ist  im  wesentlichen  nur  ein  Auszug  aus 
Häusser). 

Konrads  Tochter  Agnes  bringt  die  Güter  ihrem  Gemahl  Heinrich  zu,  der 
sich  seit  1195  »Herzog  von  Sachsen  und  Pfalzgraf  bei  Rhein«  nannte.  1211 
trat  er  seine  pfalzgräflichen  Rechte  an  seinen  Sohn  Heinrich  den  Jüngeren  ab, 
der  aber  1214  ohne  Nachkommen  starb.  Die  Pfalzgrafenwürde  fiel  an 
Ludwig  von  Baiern  und  durch  Heirat  seines  Sohnes  Otto  auch  die  Lehen  und 
Güter  des  letzten  Pfalzgrafen;  über  diese  cf.  Häusser  1,  71.  Sehlofs  und  Stadt 
Heidelberg  nebst  dem  Landstrich  an  der  Bcrgstrafse,  dem  sog.  Stahlbühel 


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260 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


(Stalbohel),  wurden  als  Wormssches  Lehen  der  neuen  Pfalzgrafenlinie  1225  be- 
stätigt. Otto  der  Erlauchte  (1228 — 1253)  hatte  meist  in  seinen  bairischen 
Stammlanden  zu  tun;  vermutlich  durch  seine  Gemahlin  gewann  er  die  Hälfte 
der  Grafschaft  Katzenelnbogen.  Seine  Söhne  Ludwig  II.  (1253—1294)  und 
Heinrich  teilten  den  bairisch-pfälzischen  Besitz ;  ersterer  erhält  Oberbaiern  und 
die  Pfalz.  Jedoch  war  die  Pfalz  noch  immer  ohne  territorialen  Zusammen- 
hang; er  erwarb  aber  hinzu  Schlote  und  Stadt  Merklingen  durch  Kauf  von  den 
Grafen  von  Eberstein,  ferner  von  den  Herren  von  Weinsberg  die  Orte 
Krippenbach,  Kappenhart  u.  a.  Der  unglückliche  Konradin,  der  letzte  Hohen- 
staufe,  hatte  noch  1266  an  seinen  Oheim  Ludwig  II.  seine  Besitzungen  im  Nord- 

fau  verpfändet,  die  nachher  den  Kern  der  Oberpfalz  bildeten.    Cf.  Häusser 
c.  I,  91. 

Sein  Sohn  Rudolf  I.  hatte  mit  seinem  Bruder,  dem  späteren  König  Ludwig, 
einen  langjährigen  Kampf  zu  bestehen,  der  mit  seiner  Verdrängung  endigte. 
Seinen  Neuen  Rudolf  U.  und  Ruprecht  gab  jedoch  König  Ludwig  im  Vertrage 
von  Pavia  1329  einen  grofsen  Teil  des  väterlichen  Landes,  speziell  die  Pfalzen, 
wieder  zurück.    Dieses  pfälzische  Gebiet,  welches  mit  wenigen  Veränderungen 
jahrhundertelang   bestehen   blieb,   bestand  aus  drei  verschiedenen  Stücken: 
1.  dem  alten  pfalzgräflichen  Gebiet  am  Niederrhein,  das  schon  Hermann  von 
Stahleck  besäte,  2.  dem  neuerworbenen  Gut  am  Neckar  und  Mittelrhein  und 
3.  den  Gütern  in  Schwaben,  die  Ludwig  II.  der  Strenge  von  Konradin  erworben 
hatte.    Diese  drei  Landgebiete  umfafsten:  das  erste:  Burg  und  Stadt  Kaub, 
den  Pfalzgrafenstein,  die  Burgen  Stahlberg,  Stahleck  und  Braunshorn,  Bacharach, 
Diebach,  Stegen,  Mannebach,  Heimbach,  Trechtershausen,  die  Thäler,  Rheinböllen, 
die  Burgen  Fürstenberg  und  Reichenstein.    Das  zweite:  Stromberg,  Burg  und 
Stadt  Alzey,  Burg  und  Stadt  Weinheim,  die  Burgen  Wachenheim,  Winzingen, 
Wolfsberg,  Elbstein,  Erbach,  Lindenfels,  Rheinhausen,  die  obere  und  niedere 
Burg  von  Heidelberg  nebst  Stadt,  Stadt  und  Burg  Wiesloch,  die  Burgen  Harfen- 
berg, Oberkeim,  Landesser,  Turon  und  die  Pfalz  nebst  Zubehör,  die  Burgen 
Steinsberg,  Wellersau,  die  Städte  Neustadt,  Hilsbach  und  Ogersheim.  Das 
dritte:  Burg  Hippoltstein,  Markt  Lauf,  Burg  Hohenstein,  Markt  Hersbruck, 
Burg  Hertenstein,  Märkte  Plegnitz,  Velden  und  Plech,  die  Burgen  Frankenberg 
und  Waldeck,  die  Märkte  Pressant,  Kemnat,  Dorendorf,  Burg  Durndorf,  Markt 
Eschenbach  und  Auerbach,  Burg  Neustein  und  Wedenstein ,  Stadt  Neumarkt 
mit  der  Hof  mark  zu  Perengaw,  Burg  Hernspurg,  Bergen,  Meckenhausen  und 
Pfaffenhofen,  Markt  Lauterhofen,  Burg  Grünsberg,  Burg  und  Stadt  Sulzbach, 
Burg  Rosenberg,  Markt  Hirschau,  die  Städte  Amberg,  Nabburg,  Neustadt,  Burg 
Störenstein  und  Murach,  Markt  Viechtag,  Stadt  Neuburg,  Burg  Wettern feldt. 
Markt  Rötingen,  Nitenau,  Burg  Dreswitz,  Peilstein,  Regensberg,  Waldau,  Stefingen, 
Sch warzeneck  und  die  Märkte  Moisburg,  Parkstein,  Weiden,  Vohendratz  und  Lu. 
Häusser  1.  c.  I,  153  f. 


Hohenstaufen 

Konrad  f  1595 
I 


Weifen 

Heinrich  der  Löwe 
Heinrich  der  Ältere 


Heinrich  der  Jung.  1214  Agnes 
tt  t 


Ludwig  f  1294 
(Oberbaiern-Pfalz) 


Rudolf  I.  f  1319 


Ludwig 
(König) 


Adolf        Rudolf  H.    Ruprecht  I. 
|  f  1353         f  1390 

Ruprecht  n. 
f  1398 


Wittelsbacher 

Ludwig  I.,  d.  Baier  f  1231 
Otto  n.,  d.  Erlauchte  1 1253 


Heinrich 
(Niederbaiern) 


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147.  Grafschaft  Leiningen.    148.  Reichsstädte  im  Rheinlande.  261 

Von  diesem  dritten  Landgebiet,  Oberpfalz,  wurden  unter  Pfalzgraf 
Ruprecht  L  1353  aus  finanziellen  Gründen  an  Kaiser  Karl  IV.  die  nördliche 
Hälfte  der  Oberpfalz  abgetreten,  nämlich  Burg  Störenstein,  Neustadt,  Hirschau 
und  Lichtenstein  sowie  Sulzbach,  Rosenstein,  Hertenstein,  Neidstein,  Thurndorf, 
Hippoltetein ,  Hohenstein,  Lichteneck,  Frankenberg,  Laufen,  Eschenbach, 
Hersbruck,  Auerbach,  Weiden,  Pegnitz  und  Plech.  Hingegen  wurden  den 
pfälzischen  Fürsten  die  Rheinzölle,  die  1301  an  das  Reich  verloren  gegangen 
waren,  zurückerstattet  und  ebenso  die  erbliche  Kurwürde  ihnen  zugesprochen. 
Häusser  I,  163  f. 

147.  Grafschaft  Leiningen.  Die  Stammburg  liegt  am  Eckbach  in 
der  Hardt  nordwestlich  von  Dürkheim.  Im  XII.  Jh.  treten  die  Grafen 
mit  Emich  I.  auf.  Ihr  Territorium  umfafste  am  Ende  des  Jahrhunderts 
ein  beträchtliches  Gebiet  auf  der  linken  Rheinseite  vom  heutigen  Mann- 
heim abwärts  bis  Guntersblum.  Auch  die  Grafschaft  Dagsburg  in  den 
Vogesen  war  damals  schon  erworben  worden.  Mit  Friedrich  I.  erlischt 
1220  das  alte  Leininger  Grafenhaus.  Seine  Tochter  Liutgard  war  an 
Simon  II.  von  Saarbrücken  vermählt;  beider  Sohn  Friedrich  II.  (f  1237) 
gründete  die  neue  Grafenlinie  mit  den  Territorien  von  Leiningen,  Dags- 
burg und  Herrschaft  Hartenburg,  die  von  Saarbrücken  abgezweigt  wurde. 
Unter  den  Söhnen  seines  Enkels  Friedrichs  IV.  (f  1316)  fand  eine  Teilung 
in  zwei  Linien  statt,  die  für  die  ganze  Folgezeit  von  Bedeutung  wurde. 
Friedrich  V.  stiftete  die  Linie  Leiningen-Dagsburg,  der  andere,  Gottfried, 
die  Linie  Leiningen-Hartenburg.  Der  Name  Dagsburg  wurde  später 
(XV.  Jh.)  auf  die  letztere  Linie  übertragen. 

Die  Leiningenschen  Besitzungen  hegen  im  Wormsgau.  Gegen  Ende  des 
XU.  Jh.  ging  die  Grenze  vom  Rhein  aus  (Mannheim  gegenüber)  über  Oggers- 
heim, Erpolzheim  zur  Isenach,  von  deren  Quelle  nach  Ebertsheim,  Lautersheim, 
Biedesheim,  Oberflörsheim,  Hillesheim,  Guntersblum  zum  Rhein  zurück.  Ein- 
geschlossen lag  das  Gebiet  des  Stiftes  Worms.  Brinckmeier  I,  2. 

In  der  älteren  Grafenlinie  hatte  Emichs  IV.  (f  1197)  Sohn  Gertrud  von 
Dagsburg  geheiratet  und  jene  Grafschaft  geerbt.  Die  Grafschaft  Dags- 
burg (Dasborc,  französisch  Dabo)  lag  in  den  nördlichen  Vogesen.  Die  beiden 
jetzt  zerstörten  Burgen  standen  auf  den  Anhöhen  südlich  von  Zabern.  Es  ge 
hörten  hierzu  die  Orte  Dagsburg,  Walscheid,  Albersehweiler,  aufserdem  mehrere 
anderswo  gelegene  Lehen  von  Metz,  Strafsburg  und  vom  Reiehe.  Letztere  fielen 
nicht  an  Leiningen,  als  die  Grafenlinie  von  Dagsburg  1211  ausstarb.  Vgl. 
im  übrigen  deBeaulieau,  Le  comte  de  Dagsburg  aujourd  hui  Dabo,  2.  edit,, 
Paris  1858. 

Nach  dein  Tode  Friedrichs  IV.  (1316)  fand  unter  seinen  Söhnen  die  Teilung 
statt ;  über  diese  vgl.  Brinckmeie  r,  Genealogische  Gesch.  des  Hauses  Inningen 
und  Leiningen-Westerburg.  Braunschw.  1890,  I,  114. 

148.  Reichsstädte  im  Rheinlande.  Ihre  Entwickelung  zu  reichs- 
unmittelbaren  Stadtterritorien  ist  jeweilig  eine  sehr  verschiedene  gewesen ; 
es  hatte  auch  bei  den  meisten  lange  gewährt,  ehe  sie  ihre  Selbständigkeit 
gegenüber  den  weltlichen  oder  geistlichen  Machthabern  durchgesetzt  hatten. 

Aachen,  Aquis  granum,  Aquüs  villa,  Achae.  Schon  unter  den  Merowingern 
seheint  dort  ein  königlicher  Hof  gewesen  zu  sein.  Doch  erst  Karl  der  Grofse 
baute  diesen  Hof  zu  einer  kaiserlichen  Pfalz  aus,  die  von  den  Zeitgenossen  als 
eine  der  gröfsten  und  schönsten  bewundert  wurde.  In  jener  Zeit  war  {1er  Ort 
noch  keine  Stadt,  sondern  nur  ein  vicus  (Einhard).  Nach  Karl  dem  Grofsen 
sind  es  erst  wieder  die  sächsischen  Kaiser,  die  für  den  Ort  Interesse  zeigen. 


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262 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375 


Die  ersten  gröfseren  Privilegien  verlieh  Kaiser  Friedrich  I.  llGti,  indem  er  den 
Ort  zur  eigentlichen  Stadt  erhob,  ihm  den  Mauerbau,  zwei  Jahrmärkte  und 
Zollfreiheit  gewährte.  In  einer  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  II.  1244  wird  Aachen 
als  locus  regalis  et  caput  Galliae  (!)  trans  Alpes  bezeichnet,  dann  auch  als  caput 
et  sedes  regni  Teutonia*  überhaupt  entwickelte  es  sich  erst  zu  seiner  Zeit  zu 
einer  wirklichen  freien  Stadt  des  Reiches.  Die  nächste  Umgebung  um  Aachen 
war  ehemals  zum  Königshof  gehöriges  Gebiet  gewesen ,  kam  dann  aber  ab 
Reichslehen  in  die  Hände  von  Ministerialen  des  Königs  oder  in  den  Besitz 
der  Kirche.  Schliefslich  war  von  dem  alten  Königsgut  nur  noch  wenig  übrig- 
geblieben. Aachen  hatte  seine  städtischen  Freiheiten  besonders  gegen  die 
Grafen  von  Jülich  zu  verteidigen.  —  Qu  ix,  Gesch.  der  St.  Aachen,  2  Bde., 
1841.  Haagcn,  Gesch.  Aachens,  das.  2 Bde.,  1874.  Hoff ler,  Verf.  v.  Aachen,  1901. 

Cöln  hatte  seine  Bedeutung  als  Bischofsstadt  und  günstig  gelegener 
Handelsmittelpunkt  trotz  aller  Wechselfälle  seit  der  Völkerwanderung  immer 
zu  wahren  vermocht.  Es  war  z.  Z.  der  Karolinger  der  Hauptort  des  Cölngaues 
gewesen  und  von  den  Kaisern  mit  verschiedentliehen  Privilegien  begabt  worden. 
Fortwährende  Kämpfe  der  reichen  Bürgerschaft  mit  den  Erzbischöfen  um  das 
Stadtregiment  waren  unausbleiblich.  Erst  in  den  Jahren  1207  und  1212  erhielt 
sie  Reichsfreiheit,  und  1231  war  sie  zum  erstenmal  auf  dem  Reichstag  zu 
Worms  vertreten.  Dem  engbegrenzten  Stadtgebiet  gegenüber  lag  die  Abtei 
Deutz,  die,  im  Anfang  des  XI.  Jh.  gestiftet,  teilweise  als  Lehen  im  Besitz  der 
Grafen  von  Berg  war  (seit  1210),  zum  gröfsten  Teil  aber  der  Landesherrschaft 
des  Erzbisehofs  unterstand.  Weit  verstreut  lagen  die  reichen  Güter  dieser  Abtei 
am  Rhein  von  Bacharach  bis  in  die  Niederlande  und  in  Westfalen.  —  Held- 
mann, Der  Kölngau  und  die  Civitas  Köln,  Halle  1900.  Ennen,  Gesch.  d. 
Stadt  Köln,  5  Bde.,  18G3— 1879. 

Dortmund.  Theromanni,  Trutmanni,  Throhnannia,  war  ein  kaiserlicher  Hof 
mit  Burg,  an  welchen  unter  den  karolingischen  und  sächsischen  Kaisern  sich 
der  Ort  anschlofs.  Neben  einem  Burggrafen,  der  über  Stadt  und  Stadtgebiet 
(Freigrafschaft)  die  Gerichtsbarkeit  ausübte,  stand  ein  Schultheis.  Allmählich 
wufste  die  Stadt  sich  Anteile  an  der  Gerichtsbarkeit  zu  erwerben ;  1343  besitzt 
sie  bereits  die  Hälfte  derselben.  Als  mustergültig  galt  das  Stadtrecht  von  Dort- 
mund, welche  auch  als  Hansestadt  einen  Ruf  in  der  Handelswelt  genofs. 
Zweimal  (1248  und  1301 )  war  sie  von  den  deutschen  Königen  verpfändet  worden, 
wodurch  sie  in  blutige  Fehden  mit  den  Pfandinhabern  verwickelt  wurde.  Später 
kam  die  Hälfte  der  Freigrafschaft  an  die  Herren  von  Stecken,  nach  deren  Aus- 
sterben (1504)  sie  ganz  an  die  Stadt  fiel.  Fahne,  Die  Grafschaft  und  freie 
Reichsst.  Dortmund,  Köln  1854 — 59,  4  Bde.  Thierse  Ii,  Gesch.  d.  Freireichs- 
stadt  Dortm.,  I  Bd.,  1854.    FrensdorlT,  Dortmund«  !-  Statuten,  1882. 

Wetzlar  an  der  Lahn  führt  seine  Entstehung  ebenfalls  bis  auf  Karl  den 
Grofsen  zurück,  unter  Kaiser  Friedrich  1.  wurde  es  zur  Reichsstadt  erhoben, 
ohne  dafs  es  aber  als  solche  eine  Rolle  gespielt  hätte. 

Gelnhausen  hatte  ebenfalls  durch  Kaiser  Friedrich  I.,  der  hier  die 
stattliche  Kaiserpfalz  erbaute  (jetzt  Ruinen),  Reichsunmittelbarkeit  erlangt  (11G9). 

Frankfurt,  Franconovurdum,  Franckenfordr,  wird  zuerst  793  genannt.  Karl 
der  Grofse  hatte  dort  einen  Hof,  neben  dem  Kaiser  Ludwig  d.  Fr.  den  Saalhof 
am  Mainufer  bauen  liefs.  Seitdem  hob  sich  der  Ort  zusehends :  als  Hauptstadt 
von  Ostfranken  war  er  wiederholt  Aufenthaltsort  der  Kaiser  und  Versammlungs- 
punkt von  Reichstagen  etc.,  zugleich  aber  auch,  als  Wahlstadt  der  deutschen 
Könige,  ein  Vorrecht,  welches  ihm  1350  durch  die  Goldene  Bulle  für  immer 
zugesichert  wurde.  Unter  Kaiser  Friedrich  II.  gelangte  Frankfurt  1245  zur  Reichs- 
unmittelbarkeit; das  Burggrafenamt  wurde  in  ein  Reichsschulzenamt  verwandelt. 
Durch  Kaiser  Ludwig  den  Baiern  erhielt  sie  1329  verschiedene  Privilegien  ; 
1372  kaufte  es  auch  das  Schultheifsenamt  an  sich.  —  Kriegk,  Gesch.  v. 
Frankfurt  a.  M..  1X7 1 .    Hörne,  Gesch.  von  Frankfurt.  1893. 


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149.  Erzbistum  Mainz. 


2G3 


Friedberg  in  der  Wetterau  am  östlichen  Ende  des  Taunus  wurde  1211 
unter  Kaiser  Friedrich  II.  unmittelbar,  blieb  aber  trotz  anfänglicher  Blüte  zurück 
und  wurde  unausgesetzt  verpfändet.  Dieffenbach,  Gesch.  der  Stadt  und 
Burg  Friedberg,  Darmstadt  18f>7. 

Worms  war  in  den  Kämpfen  mit  den  Bischöfen  emporgekommen,  be- 
sonders seitdem  Kaiser  Heinrich  IV.  die  Stadt  begünstigte  und  ihr  1074  den 
ersten  Freibrief  ausstellte.  Kaiser  Friedrich  L  und  Friedrich  II.  wirkten  für  sie 
in  dem  gleichen  Sinne  und  sicherten  ihr  die  Reichsfreiheit  —  Arnold,  Ver- 
fassungsgesch.  d.  dt.  Freistädte  im  Anschlufs  a.  d.  Vfgesch.  d.  St.  Worms, 
Gotha  1854.  Fuchs,  Gesch.  d.  St.  Worms,  1868.  Boos,  Gesch.  d.  rhein. 
Städtekultur  mit  bes.  Berücks.  d.  St.  Worms,  1897 — 1901. 

Speier  stand  bis  zur  Mitte  des  XII.  Jh.  unter  einem  königlichen  Burg- 
grafen, der  Vogt  über  Bistum  und  Stadt  war  und  die  höhere  Gerichtsbarkeit 
ausübte,  die  dann  an  den  Bischof  überging.  Nachdem  die  Stadt  schon  damals 
durch  die  Könige  wichtige  Privilegien  erhalten,  wurde  sie  in  der  Mitte  des 
XIII.  Jh.  zur  Reichsstadt  erhoben.  Ihr  Gebiet  war  nur  klein.  —  Weifs 
Gesch.  iL  St.  Speier,  1876.  Hilgard,  Urkk.  z.  Gesch.  d.  St.  Speier,  Strafsbg.  1885. 

149.  Erzbistum  Mainz.  Das  Territorium  bildete  keinen  eng- 
geschlossenen Bestand.  Neben  den  in  nächster  Nähe  von  Mainz  liegenden 
verhältnismäfsig  kleinen  Gobictsteilen  gehörten  zum  Erzstift  weit  gröfsere, 
die  vom  Mittelpunkt  der  Herrschaft  sehr  entfernt  lagen;  so  zunächst  das 
Gebiet  von  AsehalTonburg,  welches  die  Erzbisehöfe  seit  dem  X.  Jh.  unter 
ihre  Botmäfsigkeit  gebracht  haben.  In  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jh. 
wurde  auch  das  Landgebiet  des  wirtschaftlich  herabgekommenen  Klosters 
Lorsch  dem  Erzstifte  inkorporiert.  Im  Jahre  1324  kam  es  ferner  in  den 
endgültigen  Besitz  von  Lahnstein.  Sehr  bedeutend  war  die  mainzische 
Herrschaft  in  Thüringen,  wo  die  Erzbisch öfe  sich  bereits  im  XI.  Jh.  zu 
behaupten  gewufst  hatten;  besonders  das  Eichsfeld  hatten  sie  nach  und 
nach  erworben,  und  die  Stadt  Erfurt  mit  ihrem  Gebiet  in  Abhängigkeit 
von  sich  zu  halten  vermocht. 

Im  Nieder-Rheingau  mufs  das  Erzstift  schon  seit  früheren  Zeiten  begütert, 
gewesen  sein.  Der  Waldaffbach  bei  Schlangenbad  bis  zur  Einmündung  in  den 
Rhein  bildete  die  östliche  Grenze,  im  S.  und  W.  der  Rhein.  Es  waren  die 
wertvollsten  und  reichsten  Gebiete  und  schon  damals  wegen  ihres  Weins 
geschätzt.  Es  gehörten  hierzu  die  Orte:  Eltville  (Alfa  villa),  Winkel  (Vinicella), 
Geisenheim,  Lorch,  Lorchhausen,  Erbach,  Hattenheim,  Kiederich,  die  Dörfer 
Neudorf,  Trauenstein,  Nieder-Walluf,  Johannisberg  und  Rüdesheim. 

Unter  Erzbisehof  Sigfrit  IL  kamen  die  noch  Übriggebliebeneil  Territorien 
der  ehemals  sehr  begüterten  Reichsabtei  Lorsch  an  «las  Erzstift.  Hier  hatte 
Abt  Konrad  eine  heillose  Wirtschaft  einreifsen  lassen,  so  dafs  die  Verwaltung 
an  Mainz  übertragen  wurde.  12.*{2  wurde  die  Abtei  von  Kaiser  Friedrich  II. 
dem  Stift  völlig  geschenkt.  Sie  umfafste  die  Gebiete  um  Heppenheim,  Bens- 
heim  und  Hirschhorn.  Letzteres  wurde  mainzisches  heben  des  Herrengeschlechtes 
Hirschhorn  (bis  1632).  Auch  Gernsheim  am  Rhein  gehörte  zu  Lorsch;  dort 
hatten  lange  Zeit  die  Bickebacher  die  Vogtei  inne  gehabt. 

In  Aschaffenburg  war  durch  Herzog  Otto  von  Schwaben  974  das  Peter- 
und Alexanderstift  gegründet  worden.  Nach*  seinem  Tode  fafste  Mainz  dort 
Fufs,  welches  seit  1222  auch  die  Vogteigerechtsame  dort  ausübte.  Das  zu- 
gehörige Gebiet  umfafste  noch  die  ganze  westliche  Hälfte  des  Spessarts  und 
reichte  südlieh  bis  an  den  Neckar  und  an  die  Hohenlohesehe  Grafschaft. 

In  Hessen  gehörte  dem  Erzstifte  Amönaburg  (Burg  und  Stadt)  mit  den 
Dörfern  Rölsdorf,  Bauerbach.  Ginseldorf,  Mardorf,  Erfurtshausen,  ferner  die 


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264  VI.  Politische  Geographie  um  dae  Jahr  1376. 

Kellerei  Neustadt  mit  der  gleichnamigen  Stadt,  Allendorf  und  Gericht  Katzen- 
berg. Getrennt  von  diesen  nördlich  der  Eder  besafsen  sie  noch  das  Gebiet  von 
Fritzlar  mit  Naumburg. 

Lahn  stein  war  seit  974  im  Besitz  des  Erzstiftes,  doch  hat  es  die  Vogtei 
hierüber  erst  1292  erhalten;  1324  wurde  ihm  durch  König  Ludwig  der  end- 
gültige Besitz  bestätigt.  Es  gehörten  zu  diesem  aufser  der  Stadt  Oberlahnstein 
mehrere  Höfe. 

Auch  die  kleine  Herrschaft  Dieburg  war  1284  durch  Kauf  teilweise 
und  1310  vollständig  an  Mainz  gekommen  (im  heutigen  Rheinhessen  östlich 
von  Darmstadt). 

Im  Eichsfelde  besafsen  die  Erzbisehöfe  nachweisbar  schon  1022 
Heiligenstadt ;  auch  Herrschaft  Rustebcrg  westlich  hiervon  mit  17  Dörfern  mag 
vielleicht  schon  vorher  in  ihrer  Hand  gewesen  sein.  Die  Burgherrschaft  Harden- 
berg mit  Nörten  fiel  ihnen  1055  zu,  wurde  aber  1232  an  die  gleichnamige 
Familie  verpfändet.  Im  Anfang  des  XIII.  Jh.  wurde  auch  die  Burgherrschaft 
Hanstein  (östlich  von  Witzenhausen)  ihnen  durch  Otto  IV.  im  Streit  mit 
den  Weifen  zugesprochen.  Ein  beträchtliches  Landgebiet  auf  dem  Eichsfelde 
erwarb  1294  Erzbischof  Gerhard  II.  durch  Kauf  vom  Grafen  Heinrich  von 
Gleichenstein,  nämlich  die  Burgherrschaften  Birkenstein  (unbekannt,  WO?), 
Gleichenstein  (bei  Reinhausen)  und  Scharfenstein  (unweit  Heiligenstadt).  Im 
XIV.  Jh.  war  auch  Worbis  an  Mainz  gefallen.  Desgl.  Duderstadt,  welches 
vorher  dem  Stifte  zu  Quedlinburg  und  Braunschweig  gehört  hatte.  Von  1334 — 1378 
fiel  es  mit  29  Ortschaften  stückweise  an  das  Erzstift.  Im  Jahre  1345  wurde 
Gibo Idehausen  dem  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  abgekauft.  So  war 
fast  das  ganze  Eichsfeld  zu  einem  mainzischen  Territorium  vereinigt  worden; 
einiges  wenige  kam  später  noch  hinzu. 

Erfurt  hatte  durch  das  von  Bonifaz  gegründete,  aber  bald  wieder  auf- 
gehobene Bistum  von  jeher  in  Beziehungen  zu  Mainz  gestanden.    Die  Erz 
bischöfe  erwarben  schhefslich  auch  die  Hoheitsrechte  über  die  Stadt  und 
Umgebung.   Es  hat  freilich  an  Versuchen  seitens  der  Stadt  nicht  gefehlt,  diese 
Reehte  an  sich  zu  bringen;  zunächst  aber  vergeblich. 

150.  Bistum  Worms.  Über  die  Stiftung  und  die  ersten  Bischöfe 
ist  wenig  Zuverlässiges  bekannt.  Mit  Erembert  um  770  beginnt  erst 
die  nachweisbare  Bischofsreihe.  Das  Stift  war  immer  nur  von  sehr  ge- 
ringem Umfange  gewesen,  und  stand  häufig  unter  dem  Bischof  eines  an- 
deren Hochstiftes. 

Das  Stift  lag  rechts  und  links  des  Rheins.  Die  Stadt  Worms  selbst  war 
freie  Reichestadt,  die  der  Bischof  in  ihren  Rechten  oft  zu  schmälern  suchte. 
Sie  war  Sitz  des  Bischofs,  gehörte  aber  nicht  zum  eigentlichen  Stift.  Die  Feste 
Stein  und  Lampertsheim  auf  dem  rechten  Ufer,  dann  Horchheim  und  Dinii 
stein  auf  dem  linken  waren  Stiftsgebiete.  Schannat,  Historia  episcopatus 
Wormatiensis ,  Frankf.  1734.  Zorn,  Wormser  Chronik,  hrgb.  v.  Arnold. 
Stuttg.  1857. 

151.  Bistum  Speier.  Das  Stift  setzte  sich  aus  zwei  gröfseren  Terri- 
torien in  der  Rheinniederung  zusammen.  Das  südliche  links  des  Rheins 
(im  W.  vom  heutigen  Karlsruhe)  umfafste  im  wesentlichen  die  alte  Graf- 
schaft Lauterburg,  deren  Dynasten  zur  Zeit  Friedrichs  II.  ausstarben. 
L'mfassender  war  das  bei  Speier  zu  beiden  Seiten  des  Rheins  gelegene 
Gebiet,  welches  von  der  Hardt  hinüber  bis  nach  Bruchsal  reichte. 

Das  südliche  Territorium  lag  zu  beiden  Seiten  der  Lauter;  im  N.  um- 
schlofs  es  noch  Rheinzabern  und  Jockgrim.  Im  W.  gehörte,  getrennt  von  ihm 
im  Berglandc  gelegen,  noch  Dhan  hierzu.  Das  nördliche  Territorium  umfafste 
auf  der  linken  Rheinseite  die  späteren  Ämter  Kirrweiler,  Deidesheim,  Marien 


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152.  Herzogtum  Ix>thringen.    153.  Grafschaft  Vaudemont. 


866 


traut  und  Madenburg  mit  vielen  Dorfschaften,  auf  der  rechten  reichte  es  über 
Bruchsal  bis  in  den  Kraichgau  hinein. 

152.  Herzogtum  Lothringen.  Im  Jahre  1048  war  Graf  Gerhard 
vom  elsässischen  Nordgau  mit  der  herzoglichen  Würde  in  Oberlothringen 
belehnt  worden.  Er  selbst  verfügte  über  ein  beträchtliches  Hausgut  im 
Nordgau,  Bliesgau  und  Saargau,  war  auch  im  Besitz  des  Santois  und 
des  oberen  Maastales.  Unter  seinen  Nachfolgern  wuchs  das  Territorium 
mehr  und  mehr  an,  bildete  aber  zunächst  keinen  geschlossenen  Länder- 
bezirk, sondern  war  von  kleineren  Herrschaften  durchbrochen,  die  als 
Apanage  in  der  Hand  von  Nebenlinien  des  Hauses  waren.  Lothringen 
war  im  Mittelalter  durchaus  ein  Bestandteil  des  deutschen  Reichsgebietes 
gewesen  und  hatte  stets  mehr  Beziehungen  zum  Osten  als  zum  französi- 
schen Westen  gehabt.  Auch  seine  Herzöge  wurden  als  Reichsfürsten 
aufgeführt. 

Das  damalige  Herzogtum  setzte  sich  aus  drei  grofsen  Landgebieten  zu- 
sammen. Das  mittlere  Stück  umfafste  das  Gebiet  von  der  mittleren  Saar 
•  westlich  von  Bitsch)  an  südwestlich  über  die  Meurthe  und  Mosel  bis  oberhalb 
Bayon.  Hierzu  gehörten  das  Gebiet  von  Nanzig  (Nancy)  mit  dem  Bezirk  der 
Burg  Frouard  (am  Zusammcnflufs  von  Meurthe  und  Mosel),  ferner  Conde  an 
der  Mosel,  die  Vogtei  Esmanz  (Amance,  Esmantia),  Gondreville  mit  Vogtei,  die 
Herrschaft  Chaligny  (Chaliny).  Die  ehemalige  Grafschaft  Luenstadt  (Luneville) 
an  der  Meurthe  war  1243  durch  Matthäus  II.  erworben  worden,  mit  den  Burgen 
I.uenstadt,  Gilbertsweiler  (Gcrbeviller)  und  Valfroicourt.  Auch  das  vorher  gegen 
diese  Grafschaft  ausgetauschte  St.  Die,  Moyenmoutier,  Estival  und  die  Burg 
Spisemberg  kamen  bald  wieder  an  das  Herzogtum  zurück.  Die  Herrschaft  Dieuze 
war  ein  Metzer  Lehen.  —  Zum  südlichen  Teil  des  Herzogtums  gehörten  die 
genannten  Gebiete  von  St.  Die  etc.,  ferner  die  Herrschaft  Mirccourt  (Mircuria) 
arn  Madon  mit  51  Ortschaften  und  Neufchateau  (Novum  castellum)  an  der  Maas, 
im  äufsersten  Westen,  wo  die  deutsch-französischen  Grenzverhältnisse  ziemlich 
-trittig  waren.  Auch  das  ganze  obere  Moseltal  war  herzogliches  Gebiet  bis  zur 
Kammhöhe  der  Vogesen  hinauf :  die  Landschaft  Habend  (Havend  nach  der 
Burg  Havendunum)  mit  der  Vogtei  von  Arches;  die  gefürstete  Abtei  Remire- 
mont  (Reimersberg,  Möns  Sti.  Romarici)  bildete  die  Grenze  Lothringens. 
Westlich  an  dieses  Stiftsgebiet  schlössen  sich  die  Herrschaft  Passavant,  die  Burg- 
gebiete von  Deuilly  (Daguliacus)  und  Flabemont. 

Der  nördliche  Abschnitt  des  herzoglichen  Gebietes  lag  im  Saarlande.  Zu 
ihm  gehörten  die  Herrschaft  Schauenburg  (Scowenburg)  mit  der  Stadt  und 
Abtei  Tholay,  Herrschaft  Sicrsberg  mit  der  gleichnamigen  Burg  (Sigeberti 
Sutrum)  an  der  Einmündung  der  Nied  in  die  Saar,  ferner  die  Herrschaften 
Bolchen  (Boulay)  an  einem  rechten  Seitenbach  der  Nied  und  Florenges. 

Für  die  Geschichte  des  Landes  ist  das  grofse,  an  Material  reiche  Werk 
von  Ca  Im  et,  Histoire  ecclesiastique  et  civile  de  Lorraine,  Nancy  1745  iL, 
~t  Bde.,  noch  immer  das  wichtigste.  Digot,  Histoire  de  Lorraine,  Nancy  185G, 
6  Bde.  Jacquot,  HLst.  de  Lorraine,  Metz  1874.  Huhn,  Gesch.  Lothringens, 
Berlin  1877,  3  Bde.  Derichsweiler,  Gesch.  Lothringens,  Wiesbaden  1901,  2  Bde. 

153.  Grafschaft  Vaudemont  (Vaudimont)  zog  sich  zwischen  dem 
mittleren  und  südlichen  Teil  des  Herzogtums  von  Vezelize  über  Vaude- 
mont und  Chatel  (Chäte)  über  die  Mosel  hinaus.  Erstere  bildete  nur  einen 
schmalen,  bogenförmigen  Landstreifen  und  wurde  nach  der  Burg  [Vadani- 
monSf  Gadanimons,  Yodanimons,  Gudensberg)  benannt.  Sie  war  ein  vom 
Familienbesitz  abgezweigtes  Gebiet  für  den  Sohn  Gerhards  I.,  Hugo,  in 
dessen  Familie  es  erblich  blieb. 


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I 


266  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

154.  Herzogtum  Bar  war  im  Besitz  einer  aus  den  Ardennen  stain-  * 
menden  Familie.    Das  Territorium  gehörte  teils  zum  französischen,  teils 
zum  deutschen  Reichsgebiet.    Die  Maas  bildete  die  Grenze. 

Bei  der  villa  Barri  hatte  Friedrieh  von  Oberlothringen  im  X.  Jh.  die 
Burg  (Bar  le  Duc)  gebaut  und  sieh  nach  ihr  benannt.  Zum  deutsehen  Anteil 
gehörten  die  Herrschaft  Longuion  (Longwy)  mit  29  Ortschaften,  die  Graf- 
schaft Briey  und  Kastellanei  Saucy  (Lehen  von  Met/«.  Vogtei  Scthenal  (liehen 
von  Verdun),  Dun  und  St,  Mihiel  an  der  Maas. 

Unter  Robert  I.,  der  mit  der  Tochter  König  Johanns  von  Frankreich 
vermählt  war,  wurde  die  Grafschaft  zum  Herzogtum  erhoben  (1354). 

155.  Grafschaft  Obersalm.  Die  in  den  Ardennen  heimische  Familie 
(s.  S.  247),  der  auch  der  Gegenkönig  Heinrichs  IV.,  Hermann  von  Salm- 
Luxemburg,  angehörte,  teilte  sich  später  in  zwei  Linien.  Hennann  III. 
hatte  durch  die  Heirat  mit  Agnes,  Erbgräfin  von  Langenstein,  die  Graf- 
schaft Blankenberg  (Blamont)  in  den  Vogesen  erworben  (1135).  Sein 
Sohn  Heinrich  I.  gründete  in  den  Vogesen  eine  zweite  Burg  Salm,  im 
Tale  der  Breusch  (Ruine  bei  Schirmeck),  nach  welcher  die  Grafschaft 
im  Gegensatz  zu  Salm  in  den  Ardennen  Obersalm  genannt  wurde. 
Unter  seinen  drei  Söhnen  fand  eine  Teilung  statt,  indem  der  älteste, 
Heinrich  IL,  Salm,  Merchingen,  Vivier  und  Langenstein  beanspruchte, 
Friedrich  Blankenberg  erhielt  und  Johann  1.  die  Vogtei  Hunolstein. 
Letzterer  hinterliefs  nur  eine  Tochter,  die  an  den  Sponheimer  Grafen 
Heinrich  vermählt  war.  In  der  durch  Heinrich  II.  begründeten  Haupt- 
linie erwarb  Johann  IV.  (f  1386)  durch  Heirat  mit  Philipote  von  Valken- 
burg  die  Herrschaft  Ravenstein  in  Brabant. 

Die  Grafschaft  Blankenberg  (Blamont)  im  (>.  von  Vaudemont  war 
ehemals  eine  Vogtei  des  Bistums  Toni,  die  an  die  Herren  von  Türkensteiii 
(Burg  östlich  von  Blankenberg)  zu  Leh«n  gegeben  wurde.  Sie  kam  an  die 
Herren  von  I^angenstem  ( Pierre  Percee)  und  im  XII.  Jb.  durch  Agnes  von 
Langenstein  an  jenen  Hermann  von  Salm.  In  der  Linie  des  obengenannten 
Gmfen  Friedrieh  blieb  Blankenberg  bis  in  das  XV.  Jh. 

Da<  Bistum   Metz  setzte  sich  aus  sehr  zerstreut  liegenden,  wenig  zu 
sanimenhängenden  Gebietsteilen  zusammen.      Eine   bedeutsame   Stellung  hat 
das  Stiftegebiet  niemals  eingenommen.     Sehr  viel  geschlossener  war  das  Terri- 
torium der  Stadt  Metz,  mit  der  die  Bischöfe   fast    unausgesetzt    in  Fehde 
lagen. 

156.  Kleinere  Territorien  in  Lothringen  waren  die  Grafschaften 
und  Herrschaften  Büsch,  Lützelstein.  Saarwerden,  Finstingen  und  Saar 
bürg. 

Grafschaft  Bitsch  gehörte  ehemals  ganz  zum  Herzogtum  <>b»r 
lotbringen.  Die  Burg  lag  auf  dein  die  gleichnamige  Stadt  überragenden  Felsen; 
das  Castrum  Bytis  wird  schon  llTi'  genannt.  Die  Grafschaft  kam  1297  durch 
Heirat  an  Eberhard  von  Zweibrücken,  der  eine  neue  Linie  begründete  (Zwei- 
brückcn-Bitsch).  Diese  Linie  starb  im  XV.  Jh.  aus.  um]  durch  die  Frbtochter 
Margareta  Ludovica  kam  Bitseh  mit  anderen  Gebieten  an  deren  Gemahl, 
Graf  Philipp  V.  von  Lichtenberg  Hanau  s.  unten  unter  Lichtenberg  beim 
Termin  l.r>'»<K  Im  Jahre  löT.'i  fiel  es  an  Karl  von  Lothringen  wieder 
zurück. 

Grafschaft  Lützelstein  Petit- Pierre  mit  der  gleichnamigen  Burg, 
die  eim-n  Vogesenpafs  beherrscht.     Sie  lag  Büdlich  von  Bitsch   und  umfafate 


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157.  Elsafn.    158.  Habsburgische  Lande  im  Elsafs. 


267 


«n  nur  kleines  Territorium.  Seit  dem  XIII.  Jh.  war  sie  Lehen  des  Bistums 
Strasburg,  seit  1447  der  Kurpfalz,  von  Rodungen,  Die  vormalige  Gfsch. 
Lützelstein,  Strafsbg.  1880. 

Grafschaft  Saarwerden.  Die  Grafen  waren  unmittelbare  Lehns- 
leute des  Reiches.  Ihr  Territorium  schlofs  sich  unmittelbar  westlich  an  das 
Lützelsteinsche  an,  zu  beiden  Seiten  der  Saar.  Das  Geschlecht  starb  mit 
Friedrich,  Erzbisehof  von  Köln,  1414  aus,  und  die  Erbtochter  Walburg  brachte 
die  Grafschaft  an  Graf  Friedrieh  IV.  von  Mörs. 

Andere  kleinere  Territorien  waren  noch  die  Herrschaft  Finstingen 
(Fenestrange),  die,  im  SW.  von  Saarwerden  gelegen,  demselben  Grafen  gehörte. 
Ferner  die  Herrschaft  Saar  bürg  (im  oberen  Flufsgebiet  der  Saar),  die 
mehr  in  Beziehungen  zum  Bistum  Metz  gestanden  hat. 

157.  Elsafs.  Der  Eckenbach  bei  Schlettstadt  schied  im  Elsafs  den 
Nordgau  (Unterelsafs)  von  dem  Sundgau  (Oberelsaff).  Beiden  stand  ein 
Graf  vor,  der  seiner  Eigenschaft  nach  nur  Beamter  des  Königs  war. 
Diese  Grafenwürde  hatte  sich  im  Elsafs  als  leerer  Titel  lange  erhalten ; 
ihre  Inhaber  wurden  Landgrafen  genannt.  Sie  waren  als  solche  aber 
keine  Territorialherren  über  das  Elsafs.  Im  Oberelsafs  hatten  die  Habs- 
burger von  jeher  diese  Würde  besessen,  die  vom  Vater  auf  den  Sohn 
forterbte,  im  Unterelsafs  waren  es  anfangs  die  Nachkommen  der 
Etichonen,  dann  die  Grafen  von  Werd,  die  Grafen  von  Öttingen  und 
seit  1359  das  Bistum  Strafsburg,  welches  Amt  und  Landgrafschaftsgut 
durch  Kauf  an  sich  brachte;  das  Landgrafentum  des  Unterelsafs  hatte 
somit  ein  Ende  gefunden.  —  Zur  Zeit  der  Staufer,  die  im  Elsafs  reich 
begütert  waren,  wurde  zwischen  dem  Reichs-  und  Privatbesitz  kein 
Unterschied  gemacht,  zumal  die  Königswürde  in  der  Familie  blieb; 
beide  verschmolzen  miteinander.  Als  nach  dorn  Erlöschen  des  staufischen 
Hauses  die  Zeit  des  Interregnums  folgte,  bildete  sich  ein  neues  Amt, 
die  Landvogtei,  aus.  In  der  Hand  Rudolfs  von  Habsburg,  mit  dem  die 
Reihe  der  Wahlkönige  beginnt,  waren  somit  die  Landvogtei  des  ganzen 
Elsafs  und  das  Landgrafentum  des  Oberelsafs  vereinigt,  aber  eine  Ver- 
schmelzung des  staufischen  Nachlasses  mit  seinem  Privatgut  war  nun- 
mehr ausgeschlossen.  Dem  vom  Kaiser  eingesetzten  Landvogt,  der 
seinen  Sitz  in  Hagenau  hatte,  war  der  ganze  Reichsbesitz  zur  Verwaltung 
unterstellt,  zu  welchem  auch  die  Reichsdörfer  und  Reichsstädte  (aufser 
Strafsburg)  gehörten,  die  somit  nicht  ganz  reichsunmittelbar  waren. 

Die  territoriale  Entwicklung  des  Elsafs  ist  sehr  eingehend  behandelt  in 
dem  vom  statistischen  Bureau  in  Strasburg  herausgegebenen  Buch:  Die  alten 
Territorien  des  Elsafs,  1896,  mit  zwei  Karten. 

158.  Habsburgische  Lande  im  Elsafs  waren  dio  nachfolgenden: 

Grafschaft  P firt.  Als  erster  Besitzer  wird  Friedrich  I.  (1225')  ge- 
nannt. Die  Burg  lag  neben  dem  gleichnamigen  Städtchen  Pfirt.  Seine  Nach- 
folger trugen  den  gröfsten  Teil  ihres  Territoriunis  dem  Baseler  Bistum  zu 
Ijehen  auf.  Ende  des  XIII.  Jh.  kam  die  Herrschaft  Blumenberg  (Florimont) 
durch  Kauf  hinzu.  Ulrich  II.  1310 — 1324)  erwarb  ferner  noch  Burg  und 
Stadt  Dattenried-Delle  und  nach  dem  Tode  seines  Schwiegervaters  Reinald  II. 
von  Montbeliard  (Mömpelgard)  noch  die  Herrschaften  Beifort,  Rosenberg 
(Rosemont)  und  Rotenburg^  Mit  jenem  Ulrich  starb  1324  die  Grafenreihe 
aus;  seine  Tochter  Johanna  brachte  ihrem  Gemahl   Albrecht   von  Österreich, 


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26S 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


dem  Sohne  Kaiser  Albrechts  L,  die  Grafschaft  zu.     Die  Grafschaft  bestand 

1.  aus  der  Herrschaft  Pfirt  mit  der  Burg  und  Stadt  Pfirt,  Wolschweiler, 
Mörnach,    Pfetterhausen ,    Müspach,    Riesnach,    Buchsweiler    und  Zubehör; 

2.  Herrschaft  Altkirch  mit  Burg  und  Staat, Largitzen,  Hundsbach,  Bettendorf, 
Ballersdorf,  Illfurt,  Hochstatt ;  jeder  dieser  Bezirke  mit  weiteren  Orten;  3.  Herrschaft 
Thann  mit  Burg  Engelburg  und  Stadt  Thann  und  Zubehör  sowie  der  Vogtei 
Traubach ;  4.  Herrschaft  B  e  1  f  o  r  t  mit  den  Vogteien  Beifort  und  Ingelsod, 
Grofsmeiertum  Essis,  Herrschaft  Rosenberg,  Vogtei  Dattenried  und  den  Herr 
Schäften  Blumenberg,  Münsterol,  Grandvillars  und  Froberg.  5.  Vogtei 
Senn  heim  mit  der  Stadt  an  der  Thür  und  dem  Dorf  Steinbach. 

Herrschaft  Landser.    Die  Burg  gehörte  den  Herren  von  Buden 
heim,  denen  sie  die  Habsburger  1303  abkauften.   Letztere  scheinen  aber  selbst 


die  sich  den  Überrhein  von  Hüningen  bis  Blodelsheim  entlang  zog  und  10  bis 
12  km  landeinwärts  reichte,  zerfiel  in  das  Oberamt  (Ober- Landser)  mit  sechs 
Schulzenämtern :  Landser,  Kappeln,  Obermichelbach,  Dietweiler,  Schlierbach. 
Blotzheim  und  in  das  Unteramt,  welches  früher  zur  habsburgischen  Herrschaft 
Ensisheim  gehört  hatte,  mit  den  Scholtiseien :  Habsheim,  Rixheim,  Sausheim, 
Ottmarsheim.  Aufserdem  gehörten  zur  Herrschaft  noch  einige  Lehen :  Hüningen. 
Sierenz,  Ober-  und  Niedersteinbrunn,  Eschenzweiler  u.  a. 

Herrschaft  Ensisheim  (Ensheim).  Sie  bestand  aus  den  drei  Orten: 
Ensisheim,  Rülisheim  und  Ungersheim.  Getrennt  von  diesen  waren  die  übrigen 
Teile  der  Herrschaft,  die  zu  Lehen  ausgegeben  waren :  1.  Staffelfeiden,  westlich 
von  Ensisheim ;  2.  ein  gröfserer  Landkomplex  nördlich  hiervon,  bestehend 
aus:  Niederbergheim,  Oberbergheim,  Bilzheim,  Nieder-  und  Oberenzen,  Mun 
weder  und  Meienheim ;  3.  Hattetadt,  Vöklinshofen  am  Ausläufer  der  Vogesen , 

4.  Riedweier,    Holzweier    und    Wickensen  weicr ,    nordöstlich    von  Colmar, 

5.  Grussenheim,   nordöstlich  von  jenem;  6.  Obersaasheim;  7.  Nambsheim, 
letztere  beide  in  der  Nähe  des  Rheins  oberhalb  Neubreisach. 

Von  kleineren  Herrschaften  der  Habsburger  sind  zu  nennen: 

Herrschaft  Masmünster  umfafste  das  Dollertal.  Das  Gebiet  gehörte 
anfangs  dem  Frauenkloster  Masmünster,  über  welches  die  Grafen  von  Pfirt, 
dann  die  Habsburger  die  Vogteirechte  besafsen,  die  sie  zu  territorialen  Rechten 
erweiterten. 

Herrschaft  Isenheim,  anfangs  der  Abtei  Murbach  gehörend,  ist  seit 
1303  in  der  Hand  der  Habsburger.  Es  besteht,  östlich  von  Gebweiler  gelegen, 
aus  Isenheim,  Merxheim  und  Kädersheim. 

Herrschaft  Boll  weil  er,  im  N.  und  W.  der  Ensisheimer  Herr 
schaft  gelegen,  mit  Feldkirch,  Pulversheim,  Regisheim  (seit  1555),  Ungersheim 
und  getrennt  von  diesen  im  S\V.  von  Mülhausen :  Flachslanden  und  Heims 
brunn  (1578). 

Herrschaft  Landsberg  (Hoh-Landsberg)  westlich  von  Colmar  ist 
1303  jedenfalls  schon  im  österreichischen  Besitz.  Es  gehörten  hierzu  aulser 
der  Burg  Landsberg:  Ammerschweier,  Ingersheim,  Katzenthal,  Kienzheün. 
Niedermorsch weicr  (z.  T.),  Türckheim  (Vs),  Sigolsheim  (Vs),  Winzenheim  (tyj). 
Getrennt  lag  rechts  von  der  III:  Logeinheim.  Die  Herrschaft  war  lange  ver 
pfändet. 

Herrschaft  Weilerthal  oder  Albrechtsthal  umfafste  das  Weiler 
tal  und  das  oberste  Breuschtal  von  Saales  an.  Es  bildete  ehemals  eine  be- 
sondere Herrschaft  Hohenberg,  die  durch  Heirat  an  Rudolf  von  Habsbun: 
kam  und  durch  diesen  vergröfsert  wurde.  Sie  reichte  das  Weilertal  abwärt.* 
bis  Scherrweiler  (nordwestlich  von  Schlettstadt)  in  die  Niederung.  Schon 
vor  131 1  scheint  sie  an  die  Müllenheim  und  dann  an  den  Bischof  von  Straf? 
bürg  verpfändet  worden  zu  sein. 

Herrschaft  Barr  mit  dem  Hohwald  im  Westen  der  Stadt  war  meir-t 
verpfändet,  mit  Burgheim,  Gertweiler,  Goxweiler,  Heiligenstein,  Mittelbenr- 
heim <z.  T.). 


schon  seit  dem  XI.  Jh.  dort  land 


Die  Herrschaft. 


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159.  Herrech.  Rappoltatein.    162  Bistum  Strafoburg. 


269 


159.  Herrschaft  Rappoltstein  bildete  ein  sehr  umfangreiches  Terri- 
torium in  den  Vogesen  mit  mehreren  Teilgebieten  in  der  Rhein  niederung. 
Die  Burg  Hoh-Rappoltstein  (1084  schon  genannt),  das  sog.  Alten-Kastel, 
lag  oberhalb  Rappoltsweiler.  Eine  zweite  Burg  Grofs-Rappoltstein,  eben- 
dort  gelegen,  ist  von  den  Rappoltsteinern  erbaut  worden ;  später  (nach 
1435)  wurde  sie  nach  der  neuerrichteten  Kapelle  auch  St,  Ulrichsburg 
genannt.  Eine  dritte  Burg:  Stein  wurde  den  Herren  von  Giersberg 
(Geiersberg)  eingeräumt,  die  ihre  Stammburg  im  Banne  Weier  im  Tal 
den  Rappoltsteinern  überlassen  hatten  (1304). 

Wie  das  Territorium  sich  entwickelt  hat,  ist  schwer  festzustellen.  Aufser 
den  Burgen  gehörten  hierzu  die  Stadt  Rappoltsweiler  (z.  T.  Baseler  Lehen), 
Geniar  (östlich  von  Rappoltsweiler)  mit  Ohnenheim,  Bergheim,  Hausen  (seit 
1315),  Markirch  mit  Eckerich,  Fortelbach,  St.  Blasien,  Klcin-Leberau.  Hohenack 
seit  1279  in  den  Händen  der  Rappoltsteiner,  1361  durch  Heirat  an  Graf 
Konrad  von  Saarwerden  (1437  wieder  zurück  an  Rappoltstein) ;  ferner  Weier 
im  Tal.  seit  1290.     Heiteren  in  der  Rheinniederung,  im  XIII.  Jh.  erworben. 

160.  Grafschaft  Horburg.  Graf  Konrad  I.  wird  1225  zuerst  nach 
der  Burg  genannt  (östlich  von  Colmar  gelegen).  Das  Grafenhaus  besafs 
auch  die  Herrschaft  Roichenweier  am  Vogesenrande.  Die  letzten,  voraus- 
sichtlich kinderlosen  Grafen  verkauften  1324  ihr  Territorium  an  Herzog 
Ulrich  von  Wirtemberg,  mit  Ausschlufs  von  Bennweier  und  Zellenberg, 
welches  als  Lehen  vom  Strafsburger  Bischof  behauptet  wurde  (1329). 
Mit  dem  Tode  des  letzten  Horburgers  1331  (ein  nachgeborener  Sohn 
starb  noch  1374),  fiel  die  Grafschaft  an  Wirtemberg. 

Die  eigentliche  Grafschaft  bestand  aus :  Horburg,  Andolsheim,  Bischweier, 
Munzenheim,  Dürrenenzen,  Fortschweier,  Widensolen,  Appenweier,  Sundhofen, 
Wolfganzen,  Vogelsheim,  Algolsheim.  Zur  Herrschaft  Reiche nweier  fge- 
hörten  dieser  Ort,  ferner  Altweier,  Hunaweier,  Bebeinheim,  Mittelweier  und 
Ostheim,  ausserdem  mehrere  Lehen. 

161.  Reichsabtei  Marbach.    Die  Benediktinerabtei  wurde  um  724 

gegründet.    Ihr  Landbesitz  war  durch  reiche  Schenkungen  beträchtlich 

angewachsen.    Nicht  nur  in  den  Vogesen,  auch  in  der  Rheinebeue 

besafs  sie  mehrere  zerstreut  liegende  Besitzungen,  die  sie  aber  nicht  zu 

behaupten  vermochte. 

Die  Abtei,  umfafste  die  Vogteien  Gebweiler,  Wattweiler  und  St.  Amarin 
(oberes  Tal  der  Thür).  Der  geschlossene  Territorialbestand  reichte  vom  Vogesen- 
kamm  östlich  bis  zum  Fufs,  die  zum  Strafsburger  Mundat  Rufach  gehörige 
Vogtei  Sulz  umklammernd. 

162.  Bistum  Strasburg.  Der  Territorialbesitz  des  Stiftes  war  sehr 
umfassend,  büdete  aber  keinen  geschlossenen  Bezirk.  Das  Gebiet  um 
Strafsburg  selbst  gehörte  seit  der  Befreiung  der  Stadt  von  der  bischöf- 
lichen Gewalt  1262  nicht  zum  Stiftsbesitze.  Dieser  umfafste  die  Vogtei 
Bernstein,  im  wesentlichen  die  späteren  Amter  Benfeld  und  Markolsheim 
in  der  Rheinniedorung  oberhalb  Strafsburg  bildend,  ferner:  Molsheini 
(Amter  Schirmeck  und  Dachstein),  Zabern  und  Kochersberg,  Wanzenau 
und  Reichshofen.    Im  Oberelsafs  gehörte  hierzu  das  Mundat  Rufach. 

Aufser  »Territorien  des  Elsafs«  S.  85  ff.  vgl.  hierzu  Fritz,  Territorium 
«les  Bistums  Strasburg  um  d.  Mitte  des  14.  Jh.,  1885. 


1 


270  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Die  Vogtei  Bernstein.  Der  bischöfliche  Besitz  war  anfangs  wohl  auf 
Epfieh  und  Benfeld  beschränkt.  Später  ward  die  Herrschaft  Bernstein  mit 
Dambach,  Seherwciler,  Kestenholz  erworben,  1228,  ferner  im  Jahre  1219 
Rheinau  und  Kappel.  Das  getrennt  liegende  Gebiet  Markolsheim  wurde  1294 
angekauft;  seit  1313  ferner  Stotzheim,  Nonnenweiler.  Sermersheim,  Schwöbs* 
heim.  Richtolsheim,  halb  Hessenheim  Arzenheim,  Blodelsheim,  Urschenheim 
(1320).  —  Das  Gebiet  von  Schirm  eck  umfafste  das  Breuschtal  von  Schirmeck 
bis  Mutzig.  Ein  Teil  desselben  war  seit  773  bischöflich;  später  erst  kam 
Schirmeek  hinzu.  —  Auch  der  Grundstock  des  Gebietes  Dachstein  ist  alten 
Datums.  Beide  zusammen  bildeten  den  Distrikt  Molsheim  mit  55  Orten.  1366 
wurde  Schinneck  mit  dem  Breuschtal  an  den  Grafen  Johann  von  Salm  vor 
behaltlich  des  Rückkaufes  verkauft  und  von  diesem  an  andere  weitergegeben. 
Zabern  war  schon  1071  teilweise  in  bischöflichem  Besitz;  Bischof  Rudolf 
baute  auf  dem  Berge  (Borra)  eine  Burg  (Hohbarr).  1316  wird  Zabern  durch 
Austausch  mit  anderen  Gütern  ganz  bischöflich.  —  Kochersberg  war  aus  zwei 
Güterkomplexen  zusammengesetzt,  einem  westlichen  mit  7  Orten,  unter  ihnen 
Kochersberg  (Burg  bei  Neugartheim),  und  einem  östlichen  mit  28  Dörfern,  die 
zur  Hälfte  dem  Reiche  gehörten. 

Wanzenau  (Vendelini  augia)  in  der  Rheinau  unterhalb  Strafsburg.  Das 
Gebiet  gehörte  zum  Bcnediktinerklostcr  Hönau  (jetzt  rechtsrheinisch).  Letztere« 
wurde  infolge  einer  Rhcinverlegung  1290  nach  Rheinau  und  1398  aus  dem- 
selben Cirunde  nach  Stralsburg  verlegt.  Das  gesamte  Klostergebiet  kam  sehr 
frühzeitig  an  das  Bistum.  Ks  gehörten  hierzu  aufser  Wanzenau:  Gambsheim, 
Kilstett,  Reichstett.  SufTel weyersheim,  Weyersheim  zum  Turm. 

Reichshofen  (westlich  von  Wörth  a.  d.  Sauer)  kam  durch  den  Herzug 
Matthäus  von  Lothringen  1232  an  das  Bistum.  1351  ist  es  Lehen  derer  von 
Ochsenstein,  die  ihre  Anteile  weiter  verkauften.  —  Das  Mundat  Ruf  ach  mit 
der  Isenburg  (einem  alten  .Memwinger  Schlofs)  im  Oberelsaff  war  seit  dem 
VH.  Jh.  bischöflich.'  Der  nördliche  Teil  (Egisheim)  kam  1225  aus  dem  Dage- 
burger  Nachlasse  hinzu;  doch  erst  1251  bestätigt.  Es  bestand  aus  den  Vogteien 
Rufach  mit  acht  Orten.  Sulz  (südlich  von  Gebweiler)  und  Egisheim.  —  Erwähnt  sei 
hier  noch  der  sog.  Grafenbann,  d.  h.  die  Frankenburg  mit  dem  südlichen 
Teil  des  Weilertales,  zu  welchem  Breitenau,  Grube,  Gereuth,  Neukirch  und 
St.  Moritz  gehörten.  Ehemals  im  Besitz  der  Grafen  von  Werd  (11<>5\  später 
derjenigen  von  Öttingen.  1358  fiel  dieser  Distrikt,  ebenso  Erstein  in  der  Rhein- 
niederung an  das  Bistum.  Aus  diesem  Gebiet  setzte  sich  später  zum  Teil  da* 
Territorium  des  Strafsburger  Domkapitels  zusammen. 

103.  Reichsstädte  des  Elsafs.  Aufser  Strafsburg  gab  es  noch 
zehn  kleinere  Reichsstädte,  die  seit  Mitte  des  XIV.  Jh.  zu  einem  poli- 
tischen Bunde  (Zehnstädtebund,  Dekapolis)  vereinigt  waren,  der  unter 
dem  kaiserlichen  Landvogt  in  Hagenau  stand.  Es  waren  dies  Mülhausen, 
Colmar,  Türkheiin,  Münster.  Kaysersberg,  Rosheim,  Oberehnheim,  Schlett 
stadt,  Hagenau,  Weifsenburg. 

Von  diesen  bilden  Colmar,  Türkheim,  Münster  und  Kaysersberg 
eine  Untervogtei,  die  sog.  Reiehsvogtei  Kaysersberg. 

Strafsburg.  Im  Jahre  1262  hatte  sich  die  Stadt  der  bischöflichen 
Gewalt  entzogen  und  war  freie  Reichsstadt  geworden.  Ihr  Territorium  be- 
schränkte sich  auf  das  die  Stadt  umgebende  Gebiet,  auf  welchem  ehemals  die 
Eticho'8che  Herzogs-  und  Grafenfamilie  grundherrliehe  Rechte  hatte.  Wie  es 
an  die  Stadt  gek< mimen  ist,  ist  nicht  aufgeklärt. 

Mülhausen  war  ehemals  eine  königliche  Villa  gewesen.  Das  Dorf  wurde 
im  XLII.  Jh.  zur  Stadt  erhoben.  Sie  war  im  XIII.  Jh.  lange  Zeit  ein  Zankapfel 
zwischen  den  Bischöfen  von  Strafsburg  und  den  Hohenstaufen,  denen  sie  1236 
vertragsmäßig  zufiel.    Als  diese  ausgestorben  waren,  brach  der  Streit  nochmals 


4 


164.  KeichHabtei  Andlau.    165.  Abtei  Mauremünstor.  271 

aus.  Rudolf  von  Habsburg  hatte  sich  der  Stadt  angenommen  und  ebenso  sein 
Nachfolger  Adolf  von  Nassau,  unter  dem  sie  endgültig  zur  Reichstädt  erhohen 
wurde.  Die  Verträge  von  1308  und  1309  überwiesen  die  Stadt  dem  Kaiser. 
Das  Stadtgebiet  war  damals  noch  sehr  beschränkt 

Colmar  war  stets  königliche  Stadt  gewesen,  ein  Teil  des  elsässischen 
Krongutes  mit  einigen  Wirtschaftshofen,  von  denen  einzelne  vorübergehend  in 
anderen  Händen  waren.  Anfangs  besafs  Colmar  als  Gebiet  nur  Deinheim, 
dessen  Bewohner  im  XIV.  Jh.  in  die  Stadt  zogen.  Später  dehnte  sich  das  zu- 
gebörige  Gebiet  nach  N.  aus. 

Türk  heim  gehörte  zum  Gebiet  der  Benediktinerabtei  St.  Gregorien,  die 
lange  ihre  Reichsunmittelbarkeit  bewahrt  hatte.  Doch  löste  sich  die  Stadt  als 
freie  Reichsstadt  von  ihrer  Abtei  los.  Dasselbe  gilt  von  Münster,  mit  dem 
es  schon  der  Lage  nach  immer  zusammengehörte. 

Kaysersberg  war  eine  Gründung  Friedrichs  II.,  der  dort  zunächst  nur 
eine  Burg  gründete  (1227),  an  welche  sich  ein  sulmrbium  anschlofs,  das  1293 
städtische  Rechte  erhielt. 

Rosheim,  südwestlich  von  Mutzig,  zur  Hohenstaufenzeit  in  kaiserlichem 
Besitz  vorübergehend  an  Lothringen  verpfändet,  Kaiser  Friedrich  IT.  wufste 
es  1218  für  sieh  zu  behaupten.  Die  Stadt  trat  dem  Zehnstädtebunde  bei,  alu 
dessen  Mitglied  sie  1323  zuerst  genannt  wird. 

Obcrehnheim  am  Rande  der  Vogesen.  Seit  1354  gehörte  zum  Terri- 
torium Bernhardsweiler  (Kreis  Erstem). 

Sehl  e  1 1  s  t  a  d  t,  berühmt  durch  die  karolingische  Pfalz.  Kaiser  Friedrich  II. 
befreite  den  Ort  mehr  und  mehr  von  der  Gerichtsbarkeit  des  Abtes  von  St.  Fides. 
1217  ist  er  bereits  eine  mit  Mauern  umgebene  Civitas.  1281  ist  der  Abt  aus 
seinen  Machtbefugnissen  ganz  verdrängt.  Zum  Stadtgebiet  gehörten  noch  das 
Reichsdorf  Burner  oder  Brunner  (1310)  und  der  Ort  Kinzheim  (Kuninges- 
hain),  1338. 

Hagenau  ist  entstanden  im  Anschlufs  an  das  Jagdschlofs  «les  Herzogs 
Friedrich  im  Heiligen  Forst*,  welches  von  seinem  Sohn  Barbarossa  zur  Auf- 
bewahrung der  Reiehskleinodien  in  einen  Palast  umgewandelt  worden  war. 
Durch  ihn  erbielt  der  Ort  1164  reichsstädtische  Freiheiten.  Im  XIV.  Jh.  trat 
er  dem  Zehnstädtebund  im  Elsafs  bei.  Er  war  Sitz  des  kaiserlichen  Land- 
vogtes, der  die  übrigen  Reichsbesitzungen  von  hier  aus  verwaltete.  Zu  diesen 
gehörten  eine  ganze  Anzahl  von  Reiehsdörf  ern,  die  im  Elsafs  verteilt  lagen. 

Weifsenburg  hat  seit  den  Merowingern  der  Benediktinerabtei  daselbst 
angehört,  über  die  die  staufischen  Kaiser  die  Vogteirechte  ausübten.  Durch 
diese  wurde  die  Stadt  selbständig,  wenn  auch  die  völlige  Lostrennung  von  der 
Abtei  erst  1518  erfolgte.    1353  trat  die  Stadt  dem  elsässischen  Städtebunde  bei. 

164.  Relchsabtcl  Andlau,  Benediktinerinnenkloster  im  Tal  der 
Andlau  südwestlich  von  Barr,  wurde  von  der  Gemahlin  Karls  des  Dicken, 
Richardis,  um  880  gestiftet.  Die  Äbtissin  war  Reichsfürstin,  das  Kloster 
also  reichsunmittelbar.  Ihr  zugehöriges  Territorium  (Andlau,  Wangen - 
bürg,  Freudeneck,  Birkenwald)  war  an  andere  verlehnt  worden. 

165.  Abtei  Maursmttnster.  Das  vom  irischen  Mönch  Leobard 
gestiftete  Kloster  (c.  590)  hiefs  nach  diesem  Leobardi  Cella.  Nach  seiner 
Zerstörung  wurde  es  vom  Abt  Maurus  um  724  wiederhergestellt  (Mauri 
numasterium).  Nach  abermaliger  Zerstörung  im  IX.  Jh.  liefs  es  der 
Rischof  von  Metz  wiederherstellen  und  übertrug  die  Vogtei  den  Herren 
von  Geroldseck.  Das  zugehörige  Territorium  hiefs  seit  alters  Marra 
uquilensis  (auch  Terminus  und  Provincia),  späterhin  Herrschaft  Geroldseck. 
Die  Mark  wurde  1359  geteilt  und  ging  in  verschiedene  Hände  über. 


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272 


VI   Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Zur  Vogtei  gehörten  zehn  Dörfer  um  Maursmünster :  Altenheim  zur  Tauben, 
Dimbsthal,  Garburg,  Ochtenhausen,  Hägen  mit  den  Schlössern  Grofs-  und  Klein- 
Geroldseck,  Lochweiler,  Reutenburg,  Salenthal,  Singrist  (signum  Christi),  Thal. 

166.  Herrschaft  Fleckenstein.  Die  Burg  der  Freien  dieses  Namens 
lag  südöstlich  von  Schönau  auf  steilem  Felsen.  Zum  Territorium  gehörten 
frühzeitig  Lembach,  welches  zur  Hälfte  Allod  und  bischöfliches  Lehen 
war;  ferner  Sulz  mit  fünf  Dörfern  als  Lehen  von  Cöln  und  ein  Teil 
des  Riedgaues  oder  der  Grafschaft  Uffried,  bis  an  den  Rhein  reichend; 
seit  dem  XIV.  Jh.  auch  die  ehemals  selzische  Stadt  Beinheim,  und  seit 
1345  das  getrennt,  nordöstlich  von  Buchsweiler  gelegene  Zutzendorf. 
Auch  Kutzenhausen  (westlich  von  Sulz)  mit  sieben  Dörfern  war  schon 
damals  als  Lehen  in  ihren  Händen. 

Erwähnt  sei  hier  die  benachbarte  Herrschaft  Wasichenstein,  zu 
welcher  Niedersteinbach  gehörte  (seit  1304) ;  mit  Pfaffenbronn  war  es  Lehen 
von  Speier.  Der  letzte  Herr  dieses  Hauses  starb  1355,  und  sein  kleines  Gebiet 
fiel  an  seine  drei  Schwiegersöhne,  von  denen  Heinrich  von  Fleckenstein  die 
Burg  Grofs-  oder  Ober-Wasichenstein  erhielt. 

167.  Herrschaft  Lichtenberg.  Der  älteste  allodiale  Besitz  hat  sich 
an  die  Stammburg  Lichtenberg  angeschlossen,  welche  auf  einem  Höhen- 
zuge der  Vogesen,  der  nördlich  des  Modertales  hinzieht,  gelegen  war. 
Das  Herrengeschlecht  tritt  mit  Namen  zum  erstenmal  1210  hervor. 
Schon  im  Laufe  des  XIV.  Jh.  hat  es  einen  ansehnlichen  Landbesitz  zu 
verzeichnen,  der  in  der  nördlichen  Hälfte  des  Oberelsaff  neben  einigen 
kleineren  Gebietsteilen  auch  gröfsere  zusammenhängende  Landkomplexe 


Als  Mctzer  Lehen  besafsen  die  Lichtenberg  die  Gebiete  von  Ingweiler  und 
Buchsweiler,  die  sie  durch  Kauf  einzelner  Dörfer  vergröfserten.  1288  erwarben 
sie  die  Hälfte  der  kleinen  Herrschaft  Hüneburg.  Im  XIII.  und  XIV.  Jh.  be- 
safsen sie  zu  Lehen  auch  den  unteren  Teil  des  Modertales  innerhalb  der 
Vogesen :  Pfaffenhofen  mit  Ober-  und  Nieder-Modern,  Schwindnitzheim,  Alt- 
eckendorf, Schalkendorf,  Offweiler,  Engweiler.  Als  Metzer  Lehen  wurde  vom 
I^andgrafen  Ulrich  von  Werd  1332  Brumath  mit  acht  Dörfern  gekauft.  Auch 
mehrere  andere  kleinere  Gebietsteile  kamen  vom  Landgrafen  damals  an  Lichten- 
berg, wie  Alteckendorf,  Diefenbach,  Gumbrechtshofen,  Hatten,  Mietesheim 
u.  a.  m. 

Der  gröfste  Teil  der  Herrschaft  Oberbronn  gelangte  im  XIV.  Jh.  in 
ihre  Hand.  Oberbronn  gehörte  ehemals  den  Herren  von  Ochsenstein,  dann 
denen  von  Born  (Burn,  Bronn\  welchen  es  in  einzelnen  Teilen  abgekauft 
wurde.  —  Im  Anfang  des  XIV.  Jh.  kamen  auch  Wörth  a.  d.  Sauer  hinzu  und 
1332  einige  der  obengenannten  Dörfer,  die  zu  Wörth  gehörten;  1342  ferner 
der  Distrikt  von  Offendorf  (zur  Hälfte,  die  andere  war  bischöflich  Strafsburgisch). 
Hatten  war  auch  schon  1332  käuflich  erworben  worden.  —  Westhofen  und 
Balbronn  waren  Orte  der  alten  Pfalz  Marley  (Marlenbeim)  und  seit  1302  und 
1317  als  Reichslehen  im  Besitz  der  Lichtenberg. 

168.  Herrschaft  Hoh-Königsburg.  Westlich  von  Sehlettstadt  erhob 
sich  auf  den  Ausläufern  der  Vogesen  die  Burg,  die  ehemals  Castrum 
Estuphin  (=  Stephansburg)  hiefs  (1147).  Mit  St,  Pilt  (St.  Hippolyte)  am 
Fufse  ist  sie  1250  im  Besitz  der  lothringischen  Herzoge,  die  es  im 
Laufe  der  Zeit  an  verschiedene  Herren  zu  Lehen  gaben. 


bildete. 


169.  MnrkgrafBchaft  Baden. 


273 


169.  Markgrafschaft  Baden.  Nordöstlich  von  Freiburg  bei  dem 
Dorfe  Zähringen  erheben  sich  die  Ruinen  der  gleichnamigen  Burg,  nach 
der  ein  Grafengeschlecht  den  Namen  führte,  welches  in  der  Stauf  erzeit 
oftmals  in  den  Gang  der  Reichsgeschichte  eingegriffen  hat,  Seit  dem 
X.  Jh.  besafsen  die  Zähringer  die  Grafschaft  im  Breisgau.  Zuerst  tritt 
von  ihnen  Bertold  I.  bedeutsamer  hervor  (f  1078);  gelang  es  ihm  freilich 
nicht,  das  von  Kaiser  Heinrich  III.  ihm  zugesprochene  Herzogtum  Schwaben, 
nach  welchem  er  den  Herzogstitel  führte,  zu  gewinnen,  so  besafs  er  doch 
zeitweise  das  Herzogtum  Kärnten  (1061 — 1073)  und  die  Markgrafschaft 
Verona.  Unter  seinen  Söhnen  trat  eine  Spaltung  in  zwei  Linien :  die 
herzogliche  und  die  markgräfliche  ein.  Sein  älterer  Sohn,  Bertold  II.y 
erbte  von  seinem  Schwiegervater  die  rheinfeldischen  Stammgüter,  und 
nach  dem  Tode  seines  Schwagers  folgte  er  auf  dem  schwäbischen 
Herzogsstuhl.  Nachdem  er  auch  mit  Heinrich  IV.  Frieden  geschlossen, 
wurde  ihm  die  herzogliche  Würde  in  den  schwäbischen  Bezirken  über- 
tragen, wo  sich  seine  Hausgüter  befanden  (Breisgau,  Schwarzwald,  Teck), 
ferner  die  Reichsvogtei  über  die  Stadt  Zürich  und  deren  Gebiet,  welches 
vom  hohenstaufischen  Herzogtum  Schwaben  abgetrennt  wurde.  Diese 
herzogliche  Linie  starb  im  Jahre  1218  mit  Bertold  V.#  von  Zähringen 
aus.  Hermann  I.  hatte  die  jüngere  Linie  des  Zähringer  Hauses  be- 
gründet und  war  auf  die  Markgrafschaft  Verona  abgeteilt  worden,  die 
er  aber  ebensowenig  wie  sein  Vater  wirklich  besessen  hat.  Gleichwohl 
hat  er  den  Markgrafentitel  angenommen,  der  für  immer  dem  Hause 
verblieben  ist.  Diese  markgräfliche  Linie  ist  in  den  Gegenden  des  Uff- 
gaues  und  Murrgaues  frühzeitig  begütert  gewesen,  desgleichen  in  der 
Ortenau.  Im  Jahre  1091  ererbte  sie  Baden,  den  seit  alters  wegen  seiner 
Bäder  berühmten  Ort,  und  Hermann  II.,  der  sonst  wie  auch  sein  Vater 
als  Graf  von  Lintburg  auftrat,  nannte  sich  fortan  Markgraf  von  Baden, 
wenn  auch  unter  seinen  Nachfolgern  abwechselnd  der  Titel  Markgraf 
von  Verona  vorkommt.  Von  seinem  Vater  her  besafs  er  schon  die 
Herrschaft  Hochberg  (Hachberg)  im  Breisgau  und  das  Dorf  Backnang. 
Durch  seine  Urenkel  wurden  zwei  Linien  gestiftet,  die  sich  auch  in  den 
Güterbesitz  teilten,  der  längere  Zeit  geschieden  blieb.  Hermann  V.  setzte 
die  Hauptlinie  Baden-Baden  fort  und  erhielt  auch  das  Hauptstammland 
Baden  mit  den  Besitzungen  im  Breisgau,  der  Ortenau  und  Backnang, 
während  der  andere  Sohn  Heinrich  (ebenfalls  mit  dem  Titel  Markgraf 
von  Baden)  Hochberg  erhielt.  Jener  Hermann  V.  wufste  sein  Terri- 
torium abzurunden  und  zu  vergrößern.  Seine  Söhne  teilton  ebenfalls, 
doch  war  das  ganze  Gebiet  sehr  bald  wieder  in  einer  Hand  vereinigt, 
erst  unter  Rudolf  I.  (f  1288)  und  dann  unter  seinem  späteren  Nachfolger 
Rudolf  VI.  (t  1H72),  während  es  inzwischen  noch  weitere  Vergröfserungen 
erfahren  hatte. 

Die  von  Bertold  II.  gestiftete  herzogliche  Linie  der  Zährinjier 
hatte  durch  ihn  den  Ilerzogstitel  erworben  und  für  ihre  Güter  in  Sehwaben 
Reichsuninittelbarkeit.  Seit  1217  war  sie  auch  mit  burgundisehen  Gütern  be- 
lehnt worden,  weshalb  der  Titel  eines  Herzogs  von  Burgund  ihr  verliehen 
wurde,  und  im  XII.  Jh.  liel  ihr  noch  das  ostjuranisohe  Burgund,  also  die 
Sehweiz,  zu.    Mit  Bertold  V.  starb  diese  Linie  1218  aus.    Die  Reichslehen 

Kretschincr,  Historische  Geographie.  18 


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274 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


(Zürich.  Bern.  Solothum,  Freiburg  im  Üchtland  u.  a.)  wurden  vom  Reich  ein- 
gezogen, die  Eigengüter  fielen  an  seine  »Schwäger,  Egeno  von  Urach  und  Ulrich 
von  Kihurg. 

Die  in arkgrä fliehe  Linie  stiftete  Hermann  I.  Seit  1102  ist  er  im 
Besitz  der  Burg  Baden,  nachdem  sie  vorher  als  Reichslehen  im  Besitz  des 
Hochstiftes  Speier  gewesen  war.  —  Hermann  V.  war  mit  Irmingard  von  Braun- 
schweig  vermählt  und  tauschte  ihr  Heiratsgut  mit  Kaiser  Friedrich  II.  aus, 
der  ihm  Ettlingen  als  Lehen  und  Durlach  als  Aliud  abtrat.  Auch  Pforzheim 
war  ihm  durch  Irmingard  zugefallen.  Sein  Gebiet  um  Baden.  Steinbach,  Iburg. 
Mühlburg.  Grötzingen  und  Forchheim  hatte  er  vorteilhaft  abgerundet.  —  Sein 
Sohn  Hennann  VI  hatte  durch  seine  Heirat  Ansprüche  auf  das  durch  den 
Tod  Herzog  Friedrichs  von  Österreich  1246  erledigte  Herzogtum  Österreich, 
weshalb  er  Baden  an  seinen  Bruder  Kudolf  1.  1248  abtrat.  Letzterer  erwarb 
durch  seine  Gemahlin  Anteil  an  Burg  Alteberstein,  und  sein  Sohn  kaufte  später 
den  anderen  Teil  hinzu.  Im  Jahre  1263  hatte  er  «Ii**  Herrschaft  Liebeneck 
bei  Pforzheim  noch  erkauft.  Weitere  Erwerbungen  seiner  Nachfolger  sind 
1300:  Stollhofen  mit  zwei  Dörfern,  1310  ein  Teil  von  Graben,  1304  und  1310: 
Burg  und  Ortschaft  Remchingen.  1314:  Oberwössingen.  1321:  Burg  und  Stadt 
Enzberg  und  Burg  Oehsenberg  mit  fünf  Dörfern.  Durch  Erbschaft  kamen 
Burg  und  Stadt  Weinsberg  hinzu  und  1339  Burg  Höheinöd;  1334  als  Pfand: 
Ortenberg,  Offenburg.  Gengenbach.  ZeH.  —  Unter  Rudolf  VI.  wurden  schliefe- 
lieh  alle  Teile  der  Markgrafsehaft  Baden  wieder  vereinigt ;  er  vergröfserte  sie 
auch  noch  durch  die  Güter  der  Grafen  von  Freiburg  und  1368  durch  Rothen- 
fein  und  Reichenbach. 

Bertold  1. 


Bertoki  II.  Hermann  I.  f  1074 

Herzog  von  Zahltagen 

Bertold  V.  1218                     Hermann  IV.  f  H90 
t  tt   !  


Hermann  V.  Heinrich  I.  f  P231 

Baden  Höchberg 


Hermann  VI.  t  1250       Rudolf  I.  t  1288 

ich  f  ' 
r.  in  X 

ttt 


Heinrich  II.  t  12*>7 


Friedrich  f  1268  Heinrich  III.  f  1330  Rudolf  1 1314 

hinger.  in  Neapel  ron  Höchberg      von  Sausenberg 


Kudolf  VI.  t  1372 


Bernhard  I.  Kudolf  VII. 

|  f  1391 

Jakob  I.  ttt 

Karl'  I. 

Otto  1418 

Christoph  f  1527  ftt 


Philipp  1503 


Bernhard  III.  j  1536  Ernst  f  1553  i  f  -;■ 

ron  Baden-Baden  von  Baden- Pforzheim 

(Durloch) 

Die  Markgrafschaft  Haehberg  oder  Höchberg  war  Heinrich  I. 
(+  1231)  zugefallen,  dessen  Enkel  anfangs  gemeinschaftlich  regierten;  dann 
teilten  sie  den  Gesamtbesitz,  der  aus  zwei  getrennten  Territorien  bestand,  von 
denen  Heinrich  III.  die  Herrschaft  Haehberg  (d.  h.  das  Gebiet  von 
Tennebach  bis  zum  Kaiserstuhl  und  zur  Burg  Lintburg)  und  Rudolf  die  Herr- 
schaft Sausenberg  südlieh  von  jener  am  Rheinknie  erhielt.  Die  Hach 
berger  Linie  erwarb  noch  1352  durch  Heirat  die  Niederherrschaft  Usenberg 
[—  Stadt  Kenzingen,  Burg  und  Herrschaft  Kirnberg  und  Weifsweiler,  Vogtei 


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170.  Grafschaft  Erbach.    171.  Die  Eidgenossenschaft  etc.  275 

von  Münchweiler  und  den  Wildbann  von  Sulzburg),  von  der  bald  das  meiste 
wieder  verloren  ging. 

Die  zur  Markgrafschaft  Baden  und  Hachberg  gehörigen  Teile  verzeichnet 
Stalin,  Wirteniltg.  Gesch.  II,  WS  ff.  Neben  der  älteren  Geschichte  von 
Sehöpflin,  Historia  Zaringia  Badensis,  Carter.  1  T*»r»  ff.  vgl.  noch  von  Weech. 
Die  Zähringer  in  Baden,  Karlsr.  1881.  Oers. ,  Badische  Gesch.,  Karlsr.  1890. 
Heyck,  Gesch.  d.  Herzoge  von  Zähringen,  Freibg.  1891.  Kienitz,  Histor. 
Karte  des  Grofsher/gt.  Baden,  18NC. 

170.  Grafschaft  Erbach.  Sie  lag  auf  dem  Odenwald  zwischen 
mainzischem,  pfälzischem  und  katzenelnbogischem  Gebiet  eng  einge- 
schlossen. Der  Hauptort  war  Erbach  mit  der  gleichnamigen  Burg,  die 
erst  verhältnismäfsig  spät  genannt  wird.  Sie  bestand  aus  nur  16  Häusern, 
in  denen  Mols  die  Ministerialen  und  Burgmannen  wohnten.  Infolge 
einer  Veräufserung  der  Burg  hatten  mehrere  benachbarte  Dynasten 
geschlechter  (Wertheim,  Eppenstein,  Weinsberg)  Anteile  an  ihr  erworben. 

Zum  Territorium  von  Erbach  gehörten  Stadt  und  Dorf  Erbach,  Ernsbach. 
Erbuch,  Erlenbach,  Lauerbach.  Schönnen,  Ebersberg.  Heisterbach,  Gründerfirst. 
Elsbach  und  Rofshach.  —  Die  Familie  der  Erbach  tritt  zuerst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  XIII.  Jh.  auf,  und  zwar  in  Gebieten,  welche  das  wirtschaftlich  ge- 
sunkene Kloster  Lorsch  besafs.  —  Ihr  Helen  ferner  zu  die  Cent  Michelstat  mit 
Kloster  Steinbach,  Cent  Beerfelden  und  Reichelsheim,  ferner  das  Kirchspiel 
Brensbach  im  Bachgau  und  Amt  Schönberg.  Aus  den  Bickebachschen  Be- 
sitzungen erwarben  die  Grafen  Burg  Tannenberg  (139!)  zerstört  als  Raubnest 
und  Amt  Jazza  (Jossa)  mit  der  Burg  Dachsberg  und  Jugenheim. 

171.  Die  Eidgenossenschaft  der  acht  alten  Orte.  Die  drei  Wald 
stätten  Schwyz,  Uri  und  Unterwaiden  hatten  unter  Kaiser  Friedrich  IL 
lieichsunmittelbarkeit  erlangt,  nachdem  sie  bis  dahin  den  Habsburgern 
(als  Grafen  des  Aar-,  Zürich-  und  Thurgaues  und  Vögten  vieler  Klöster! 
unterstellt  gewesen  waren  (1240).  Jene  wollten  aber  diese  Mafsnahme 
nicht  anerkennen,  und  Schwvz  und  Untorwalden  mulsten  1252  unter  die 
Habsburgische  Oberhoheit  wieder  zurückkehren.  Hatten  sich  dio  drei 
Waldstätten  in  der  Verfolgung  ihrer  gemeinsamen  Ziele  schon  früher 
zu  einem  Bunde  vereinigt,  so  erneuerten  sie  nunmehr  ihr  Bündnis 
(1.  August  1291);  sie  erreichten  es  auch,  dafs  Heinrich  VII.  1309  ihrn 
Heichsunmittelbarkeit  wieder  anerkannte.  Die  Schlacht  bei  Morgarten, 
die,  im  Interesse  Ludwigs  von  Baiorn,  über  die  Österreicher  von  ihnen 
siegreich  erfochten  wurdo,  befestigte  noch  mehr  ihre  Stellung  und  führte 
zu  einem  desto  festeren  Zusamnienschlufs  der  Eidgenossen  (1315).  Der 
Bund  gewann  jetzt  tun  so  mehr  Bedeutung  und  Macht,  als  sich  ihm 
noch  andere  Städte  und  Gebiete  des  österreichischen  Herrschaftsbereiches 
anschlössen:  Luzern  1332,  Zürich  1351,  Glarus  1352,  Zug  1352  und 
Bern  1353.  —  Schliesslich  erkannte  auch  Kaiser  Karl  IV.  den  Bund  der 
acht  alten  Orte  an. 

Die  acht  alten  Orte  verfügten  im  XIV.  Jh.  über  ein  Gebiet,  welche.- 
wenig  kleiner  war  als  das  heute  zu  ihnen  gehörige ,  und  das  sie  in  der 
kurzen  Zeit  von  hundert  Jahren  sich  erworben  hatten.  An  dieser  Macht - 
ausdehnung  nahmen  weniger  die  Länder:  (Tri,  Schwvz  etc.)  Anteil  als  viel- 
mehr die  Städte.  Die  Eidgenossenschaft  unifafste  im  Jahre  1375  den  Raum 
von  den  Glarner  Alpen  im  0.  bis  zu  den  FVeiburger  Alpen  und  unteren  Haan? 
im  W.  und  von  den  Bern»"-  Alpen  und  St.  Gotthard  im  S.  bis  zur  Glatt  und 

18* 


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276 


VI.  Politische  Geographie  um  «Ihs  Jahr  1375. 


«lern  Tiigern  Gebirgszug  nordwestlich  von  Zürich)  im  N.  und  in  einzelnen 
Strichen  bis  zur  Aare  auf  der  Strecke  von  Oltingen  bis  Wangen.  Dändliker, 
Gesch.  d.  Schweiz,  Zürich  1884,  I,  541. 

Die  Länderkantone  haben  wir  uns  in  dem  heutigen  Umfange  etwa  zu 
denken,  wie  er  teilweise  durch  die  Gebirgsgrate  vorgezeichnet  worden  war. 

Schwyz  wird  zuerst  in  einer  Urkunde  Ottos  II.,  24.  August  972:  Suittes 
genannt.   Es  reichte  noch  nicht  bis  an  den  Züricher  See;  auch  March  (im  NO. 
des  Sees)  und  Gaster  gehörten  noch  nicht  dazu.    Das  Land  war  ehemals  von 
den  Besitzungen  der  Klöster  (Einsiedeln,  Engelberg,  Beromünster)  und  welt- 
licher Herren  (I^enzburg-Habsburger)  durchsetzt;  vgl.  Näheres  bei  Üchsli, 
D.  Anfange  der  Schweizer.  Eidgenossenschaft,  Zür.  1891.  S.  Gl  ff.  —  Das  kraft 
volle  Auftreten  der  Schwyzer  hatte  sie  auch  in  den  Augen  der  Aufsenwelt  mehr 
in  den  Vordergrund  der  eidgenössischen  Bewegung  gerückt ,  und  ihr  Name 
wurde  schlicfslich  auf  alle  Mitglieder  des  Bundes  und  das  Land  übertragen. 
Die  Schlacht  am  Morgarten  1315  führte  zuerst  zu  einer  Verallgemeinerung, 
indem  auch  die  Bundesgenossen  von  Uri  und  Unterwaiden  mit  unter  den 
Schwyzern  und  die  drei   Länder  unter  Schwyz,  Schweiz,  begriffen  wurden. 
Letzterer  Name  kommt  zuerst  in  den  Annalen  von  Zwetl  zum  Jahre  1320  vor 
in  der  Form:  Sueicz  ;Mon.  Germ.  SS.  IX,  062),  dann  1350  latinisiert  als  Suicia 
und  bei  Vitoduran  zu  derselben  Zeit  Swiz.   Während  bis  zur  Mitte  des  XIV.  Jh. 
von  den  Schwyzern  im  allgemeinen  wie  im  lokal  beschränkten  Sinne  gesprochen 
wird,  wird  mit  der  Erweiterung  der  Eidgenossenschaft  auch  der  Name  ent- 
sprechend auf  die  neuen  Bundesmitglieder  ausgedehnt.    Ganz  allgemein  üblich 
wurde  er  erst  nach  der  Schlacht  von  Sempaeh,  und  seit  1415  rinden  wir  den 
Namen  Schweiz  auch  im  amtlichen  Gebrauch;  so  heilst  es  im  Geleitsbrief 
Siegismunds:  allen  Landlüten  und  Stätten  in  Stcitz,   unter  welchem,  nach  dem 
Inhalt  zu  schliefsen,  alle  eidgenössischen  Länder  zu  verstehen  sind.  Im  weiteren 
vgl.  den  Artikel  Schweiz  bei  Egli,  Nom.  geogr.  —  Über  den  Kanton  Schwyz 
s.  noch  Fafsbind,  Gesch.  d.  K.  Schwyz  bis  179H,  5  Bde..  Schwyz  1832  ff. 
Meyer  von  Knonau,  Der  Kanton  Schw.,  historisch,  geogr.  und  statistisch. 
St.  Gallen  1835. 

Uri  war  schon  damals  auf  das  obere  lieufstal  und  den  Urner  See 
beschränkt  ;  im  XIV.  Jh.  war  noch  das  Urserental  unterhalb  des  Reufsursprunj:«:- 
mit  einverleibt  worden.  Der  Name  Uri  tritt  zuerst  732  auf;  830  wird  der 
Bezirk  pagellns  Vronie  genannt.  Allgemein  wurde  der  Name  mit  dem  Ur-  oder 
Auerochs  in  Verbindung  gebracht,  worauf  auch  das  Wappen  (schwarzer  Stier- 
kopf mit  N\isenring)  und  das  gewaltige  Schlachthorn,  der  sog.  »Stier  von  Uri«. 
zurückweisen.  Über  andere  Deutungen  vgl.  Egli  s.  v.  Ursprünglich  war  Uri 
im  Besitz  der  Fraumünsterabtei  in  Zürich  (853  gestiftet)  gewesen  und  stainl 
unter  der  Reichsvogtei  der  Zähringer,  nach  deren  Aussterben  1218  unter  der 
jenigen  der  Habsburger,  üchsli,  Anfänge  d.  Schw.  E..  S.  27  ff.  Lusser. 
Gesch.  des  Kantons  Uri,  1802. 

Unterwaiden  umfafste  das  heutige  Gebiet  mit  Ausschlufs  des  Engel- 
berger  Tales,  welches  der  dortigen  Abtei  gehörte.  Der  Name  bezieht  sich  auf 
die  durch  die  Bergwähler  bedingte  Lage,  deshalb  latinisiert  auch  Intramontam 
Der  in  den  Vicrwaldstätter  See  vorspringende  Kernwald  teilte  das  Land  seit 
alters  in  zwei  Bezirke.  Auf  einer  Gemeindeversammlung  zu  Wyfs- Erlen,  einem 
Weiler  bei  Kerns,  im  Jahre  1150  wurde  die  Trennung  beschlossen :  Obwalden 
bildete  das  Tal  von  Sarnen,  d.h.  ob  dem  Kernwald,  und  Nidwaiden  das  Tal 
von  Stans,  also  unter  (nid)  dem  Kernwalde.  Seit  1291  wieder  vereinigt, 
trennten  sich  die  beiden  Gemeinwesen  1333  von  neuem ;  doch  bildeten  sie 
zusammen  in  der  Eidgenossenschaft  nur  einen  Staat,  Öchsli  1.  c.  ti7  t! 
Businger,  Gesch.  des  Volkes  von  Unterwaiden,  Luzern  1827  f. 

Luzern,  urkundlich  zuerst  840  Luciaria,  später  Luceria  und  IiHMina,  mit 
dem  740  gestifteten  Kloster  des  hl.  Leodegar,  weshalb  Luzern  (als  Lndgarli 
auch  mit  seinem  Namen  in  Verbindung  gebracht  worden  ist.    Es  gehörte  tXOffi 


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172.  Territorien  der  Schweizerlande. 


277 


dem  Kloster  Murbach  im  Elsafs  und  kam  1291  durch  Kauf  an  die  Habsburger. 
Luzern  hatte  es  unter  den  Stadtkantonen  sehr  bald  zu  einem  ansehnlichen  Terri- 
torium gebracht.  Die  Herrschaft  Wäggis  mit  Vitznau  im  0.  des  Sees  gehörte 
erst  seit  1380  zu  Luzern.  —  Pfyffer,  Gesch.  der  Stadt  und  des  Kantons  Luz.. 
Zürich  1850  f.  von  Segesser,  Rechtsgesch.  der  Stadt  und  Republik  Luz., 
1851  ff. 

Zürich  trat  1351  dem  Bunde  bei.  Zur  Zeit  Bruns  hatte  Zürich  noch  kein 
Gebiet  ;  100  Jahre  später  hatte  es  einen  Umfang,  der  gröfser  als  der  heutige 
war.  Die  meisten  Erwerbungen  fallen  in  die  nächste  Periode  (s.  d.).  Zürich 
(Turiatm,  im  X.  Jh.  Zurih,  Zürich)  stand  mit  seinen  beiden  Münstern,  dem 
Grofsmünster  und  dem  Fraumünster,  unter  dem  Reichsvogt,  bis  es  1218  reichs- 
unmittelbar wurde  und  seit  jenem  Zeitpunkt  auch  die  Rechte  und  Besitzungen 
der  Äbtissin  allmählich  an  sich  brachte.  —  Vgl.  Meyer  von  Knonau,  Der 
Kanton  Zürich,  St.  Gallen  1844.  Bluntschli,  Staats-  u.  Rechtsgesch.  der 
Stadt  u.  Landsch.  Zürich,  1856.    Ders.,  Gesch.  d.  Republik  Zürich,  1847  f. 

Glarus  war  1352  in  den  Bund  mit  aufgenommen  worden,  mufste  aber 
drei  Jahre  später  unter  Österreichs  Hoheit  wieder  zurückkehren,  so  dafs  es 
gerade  um  1375  kein  freies  Bundesmitglied  war  und  es  1387  erst  wieder  wurde. 
Der  Umfang  seines  Gebietes  scheint  der  heutige  gewesen  zu  sein.  Dändliker  I, 
539.  Anfänglich  bildete  es  eine  Grundherrschaft  des  Klosters  Säckingen  am 
Rhein,  dessen  Schutzpatron  der  hl.  Hilarius  war;  mit  seinem  Namen  wird  auch 
derjenige  von  Glarus  in  Zusammenhang  gebracht.  Blum  er  und  Heer,  Der 
Kanton  Glarus,  histor.  geogr.  statistisch,  St.  Gallen  1846. 

Zug  hatte  einen  geringeren  Umfang  als  heute;  es  umfafste  nur  die 
Gemeinden  Menzingen,  Ageri  und  Baar,  welche  drei  das  Amt  Zug  ausmachten. 
Im  Jahre  1273  hatten  es  die  Habsburger  käuflich  erworben,  1352  trat  es  dem 
Bunde  bei,  kam  nachher  aber  auch  wieder  zeitweise  unter  österreichische  Hoheit. 
Stadlin,  Gesch.  d.  Kant.  Zug,  Luzern  1819  ff.  Reinaud.  Beitrag  zur  Staat* 
u.  Rechtsgesch.  des  K.  Zug,  Pforzheim  1847. 

Bern  ist  eine  Gründung  Bertolds  V.  von  Zähringen  1191,  der  sie  als 
Schutzfeste  gegen  den  Adel  des  Landes  erbaute.  Nach  dem  Aussterben  der 
Zähringer  wurde  es  eine  Reichsstadt  und  als  solche  1273  bestätigt.  Die 
Geschichte  Berns  geht  seitdem  in  Eroberungen  und  Erwerbungen  grofsen  Stiles 
auf.  und  besonders  die  Schlacht  am  Dornbühl  über  das  zu  Österreich  haltende 
Freiburg  1298  gab  ihm  einen  kräftigen  Rückhalt.  Fast  das  ganze  Aargebiet 
machte  Bern  sich  dienstbar,  teils  durch  Gewalt,  teils  durch  Kauf.  Erst  der 
Sieg  bei  Laupen  1339  über  den  widerspenstigen  Adel  begründete  eine  sichere 
Herrschaft.  Nachdem  Bern  schon  vorher  einen  Anschlufs  an  die  Eidgenossen- 
schaft gesucht  hatte,  trat  es  dieser  1353  endgültig  bei.  Stettier,  Staat«-  und 
Rechtsgesch.  des  Kantons  Bern,  1845.  Watten wyl,  Gesch.  der  Stadt  und 
Landschaft  Bern,  Schaffh.  1867—1872. 


tonen  orientieren  die  genannten  Werke  von  Dändliker,  Bluntschli. 
W a tt e n  w y  1 .  Segesser  und  Blumer,  Staats-  und  Rechtsgesch.  der  Schweizer. 
Demokratien,  St.  Gallen  1850. 

172.  Territorien  der  Schweizerlande  (mit  Ausschlufs  der  Eid- 
genossenschaft). Mit  der  Auflösung  der  Gau  Verfassung  trat  auch  hier 
die  territoriale  Zersplitterung  ein.  Die  ganze  Entwickelung  nahm  in  der 
Schweiz  aber  eine  andere  Richtung,  insofern  als  gegen  Schlufs  dieser 
Periode  schon  ein  grofser  Teil  des  Landes  zu  einem  eidgenössischen 
Gebiet  sich  wieder  zusammengeschlossen  hatte. 

Im  VI.  Jh.  bildete  das  ganze  Schweizerland  einen  Teil  der  fränkischen 
Monarchie.  Der  Vertrag  von  Verdun  beliefs  freilich  nur  den  östlichen  Teil 
(östlich  der  Aar-Reuls)  dem  ostfränkischen  Reiche,  wälirend  der  westliche  seit 


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VI.  Politische  Geographie  um  dae  Jahr  1375. 


8*«8  zum  burgundischen  Königreich  gehörte  und  mit  Arclate  seit  930  vereinigt 
war.  König  Rudolf  III.  von  Burgund  hatte  mit  seinem  Neffen,  dem  deutschen 
Kaiser  Heinrich  II..  K  06  einen  Erbvertrag  geschlossen,  der  1027  durch  Kaiser 
Konrad  11.  bekräftigt  wurde,  auf  Grund  dessen  ganz  Burgund  nach  dem  Tode 
Rudolfs  an  das  Deutsche  Reich  kommen  sollte.  Dieser  Fall  trat  1032  ein.  80 
dafs  die  ganze  Schweiz  nunmehr  zum  Reiche  gehörte. 

Hier  kam  seit  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jh.  das  Haus  der  Zähringer 
empor.  Berehtold  II.  war  nach  dem  Aussterben  der  (trafen  von  Rheinfelden 
1090)  in  den  Besitz  ihrer  Stammgüter  und  vieler  Besitzungen  im  ostjuranischen 
Burgund  gekommen  und  seit  1092  auch  Herzog  von  Schwaben  geworden; 
1096  verzichtete  er  teilweise  auf  diese  Würde,  indem  er  den  Titel  mit 
Beschränkung  auf  seine  Ilausgüter  (im  Breisgau»  Schwarzwald,  um  Teck)  nur 
führte  und  auf  die  Reichsvogtei  über  Zürich.  Noch  bedeutender  wurde  tlie 
Machtstellung  der  Zähringer,  als  dem  Herzog  Konrad  auf  dem  Reichstag  zu 
Speier  1127  das  Herzogtum  des  ehemaligen  ostjuranischen  Burgunds,  welches 
sieh  bis  zum  Grofsen  St.  Bernhard  ausdehnte  und  östlich  bis  zum  Zürichgau. 
dem  Konrad  vorstand,  von  Kaiser  Lothar  übergeben  wurde.  Danach  nannte 
er  sich  auch  Herzog  von  Burgund  und  seine  Nachfolger  Herzoge  und  Rektoren 
von  Burgund.  Berehtold  IV.,  Konrads  Nachfolger,  hatte  unter  Verzicht leistung 
anderer  Vorteile  sein  ostj uranisches  Burgund  etwas  vergrößert.  Es  umfafete 
die  Reiehsvogteien  und  Investiturrechte  in  den  Bistümern  Lausanne.  Genf, 
Sitten  (Otto  von  Freis.  II,  30),  den  Landstrich  zwischen  der  Saane  und  Aar 
(Teile  des  Üchtlandes,  den  Uffgau),  die  Grafschaft  Kleinburgund  östlich  der 
Aar  (  von  Thun  bis  Aarwangen)  und  die  Reichsvogtei  Zürich.  Von  ihm  ist  eine 
zweite  Stadt  Freiburg  im  (ehtland  gegründet  worden  (1178)  und  von  seinem 
Nachfolger  Berehtold  V.  die  Stadt  Bern  (1191).  Die  herzogliche  Linie  der 
Zähringer  starb  mit  ihm  1218  aus  und  die  Lehen  fielen  an  das  Reich  zurück, 
während  viele  kleinere  Dvnasten  und  einige  Städte  reichsunmittelbar  wurden. 
Stalin,  Wirtembg.  Gesch.  II.  282  IT..  .116.  Über  die  Verteilung  des  Zährin- 
gischen Erbes  vgl.  Dändliker  1.  c.  I.  286. 

Die  Grafen  von  Kyburg  schwangen  sich  im  XIII.  Jh.  zu  mächtigen 
Dynasten  auf.  Die  Stammburg  befindet  sieh  bei  dem  gleichnamigen  Dorfe 
unweit  Winterthur.  Ihre  Grafschaft  erfüllte  den  Raum  zwischen  der  Glatt  und 
dem  Rhein.  Als  das  Haus  der  Zähringer  mit  Berehtold  V.  ausstarb,  ging  ein 
Teil  der  Güter  durch  die  eine  der  Erbschwestern  Anna  an  ihren  Gemahl,  den 
Grafen  von  Kyburg.  über.  Es  waren  dies  die  burgundischen  Güter  um  Thun. 
Burgdorf,  Herzogenbuehsee.  Freiburg  und  die  Grafschaft  im  Thurgau.  Unter 
Ulrich  von  Kyburg  (f  1231)  stand  das  Haus  auf  der  Höhe  seiner  Macht. 
Unter  seinen  Nachkommen  fand  1240  eine  Teilung  statt,  bei  der  Hartmann 
der  Ältere  alles  Gebiet  im  O.  der  Reufs.  die  altkyburgsehen  Lande  im  Thür- 
und  Zürichgau,  erhielt  und  Hartmann  der  Jüngere,  sein  Neffe,  die  Güter  im 
\V.,  das  einstige  zähringische  Erbe  und  die  lenzburgisehen  im  Aargau.  Frei- 
burg blieb  beiden  gemeinsam.  Der  Ältere  starb  aber  kinderlos  1261,  und  seine 
Hausgüter  und  geistlichen  Lehen  (aufser  St.  Gallen)  fielen  an  seinen  Neffen 
Rudolf  von  Habsburg.  Hartmanns  des  Jüngeren  Tochter,  Anna,  heiratete  Über- 
dies Eberhard  von  Habsburg  und  trat  1273  und  1277  die  lenzburgisehen  Güter 
im  Aargau  nebst  der  Vogtei  Schwyz  und  anderen  Gütern  in  den  Waldstetten 
sowie  die  Stadt  Freiburg  im  Oehtlande  an  Rudolfs  Söhne  ah.  Eberhanls 
Sohn  Hartmann  begründete  eine  neue  Kyburger  Linie. 

Zahlreich  sind  die  kleinen  Grafschaften  und  Herrschaften  gewesen,  die 
in  den  wirren  Zeiten  zwischen  Kaiser  Friedrich  II.  und  Rudolf  von  Habsbunj: 
sich  konsolidieren  konnten,  ohne  dafs  sie  freilich  alle  einen  längeren  Bestanil 
gehabt  haben,  teilweise  auch  in  den  anderen  aufgingen.  Die  Grafschaft 
Greyerz  (Gruyeres)  im  oberen  Saanetal.  Grafschaft  Neuenburg  (Neu 
chätel)  im  Westen  des  Neuchäteler  Sees;  sie  wurde  1218  reichsunmittelbar,  doch 
schon  1288  an  die  Grafen  von  Chälons  zu  Lehen  aufgetragen.  Grafschaft 
Buch  eck  oder  Buchegg  zwischen  der  Emme  und  Aar,  an  welche  sich  im  S. 


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173.  (irafHchaft  Wirteinberg.  279 

«lie  neuenburgische  Herrschaft  Arborn,  im  W.  die  neuenburgische  Herrschaft 
Strafsberg  sehlofs.  Solothurn  war  seit  1218  Reichsstadt  und  gleichfalls 
in  den  Besitz  eines  kleinen  Gebietes  gelangt.  Grafschaft  Froh  bürg  weiter 
nordöstlich  am  linken  Ufer  der  Aar.  Neben  ihr  Grafschaft  Thierstein. 
Auch  die  bischöflichen  Kirchen  waren  mit  Herrschaften  ausgestattet:  Bistum 
Lausanne,  Bistum  Sitten,  Bistum  Basel,  von  welchem  die  Stadt  Basel 
sich  unabhängig  gemacht  hatte.  Nicht  weniger  zahlreich  waren  die  freiherr- 
lichen Territorien  von  Corbieres,  Lasarraz,  Montenaeh,  Kien,  Strättlingen,  Breni- 
garten, Weifsenburg,  Kramburg.  Jegistorf,  Münsingen,  Signau,  Brandis,  Maggen- 
berg u.  a.  m.  Die  meisten  von  ihnen  waren  in  der  Eidgenossenschaft  schon 
aufgegangen. 

Am  umfassendsten  war  jedenfalls  das  Habsburgische  Gebiet;  es 
umfafste  vor  der  Machtentfaltung  von  Zürich  und  Bern  noch  den  Aargau  und 
Thurgau,  die  Grafschaft  Kyburg  und  Herrschaften  Winterthur  und  Rapperswil 
und  ganz  im  W.  die  Herrschaft  Freiburg.  Es  schlössen  sich  die  habsburgischen 
Schweizerlande  unmittelbar  an  den  habsburgischen  Besitz  im  Breisgau  an, 
d.  h.  die  ganze  südliche  Hälfte  des  Schwarzwaldes  mit  Ausschluis  der  beiden 
Herrschaften  Haehberg  und  Sausenberg,  die  zur  Markgrafschaft  Baden  in 
Beziehung  standen.  Dändliker  I.  541.  Nach  der  Schlacht  von  Sempach  begann 
dann  der  Verfall  der  habsburgischen  Macht  in  der  Schweiz. 

In  der  östlichen  Schweiz  bestand  noch  die  Grafschaft  Toggen  bürg 
im  Tal  der  Thür.  Das  reiche  Grafengeschlecht,  welches  auch  im  Prätigau  und 
im  Tal  von  Davos  begütert  war,  hatte  bis  zur  Mitte  des  XIV.  Jh.  allerdings 
viel  Einbufse  erlitten  durch  Verpfändungen  und  Veräufserungen,  besonders  an 
die  benachbarte  Abtei  St.  Gallen  (gestiftet  720).  Die  tatkräftigen  Äbte  fanden 
an  den  Bestrebungen  Rudolfs  von  Habsburg  mancherlei  Widerstand.  Die  bei 
der  Abtei  erblühte  Stadt  wurde  1281  durch  Rudolfs  Eintreten  von  den  Äbten 
unabhängiger  und  seit  der  Mitte  des  XV.  Jh.  völlig  von  ihrem  Einflufs  befreit. 
Das  Bistum  Chur  hatte  im  Rheintal  nur  ein  beschränktes  Territorium ;  doch 
gehörte  ihm  noch  «las  ganze  Engadin.  Das  obere  Vorderrheintal  besafs  die 
Abtei  Disse ntis.  Die  Gebiete  der  ehemaligen  Grafschaft  Laax  von  Ranz 
bis  östlich  zur  Wasserscheide  des  oberen  Inn  waren  in  den  Besitz  verschiedener 
Dynasten,  der  Tog^en burger.  Werdenberger  u.  a..  ül »ergegangen. 

Literatur.  Vgl.  hier  den  vorigen  Abschnitt;  ( >ehsli  behandelt  besonders 
eingehend  die  älteren  reichs-  und  kirchenvogteilichen  Verhältnisse  der  mittleren 
Schweiz  S.  104  ff.,  125  ff.,  138  ff.  —  Bär,  Zur  Gesch.  d.  Gfsch.  Kyburg, 
Zürich  1894.  Majer,  Gesch.  des  Fürstentums  Neuenburg,  Tübing.  1857. 
Benoit.  Le  canton  de  Neuchätcl,  N.  1861.  Chambrier,  Hist.  de  Neueh. 
et  Valangin,  N.  1840.  Strohmeyer,  Der  Kanton  Solothurn,  histor.  geogr. 
statist.,  St.  Gallen  1*36.  Meisterhaus,  Älteste  Gesch.  des  Kant,  Solothurn. 
1890.  Boos,  Gesch.  der  Stadt  Basel,  1877.  Wegelin,  Gesch.  der  Landschaft 
Toggenburg,  St.  Gallen  1857.  von  Baumgartner,  Gesch.  d.  schweizer.  Frei- 
staates St,  ({allen.  Zürich  1*68,  H  e  n  n  c  -  A  m  -R  h  y  n,  Gesch.  des  K.  St.  Gallen.  1863. 

173.  Grafschaft  Wirtemberg.  Das  alte  Herzogtum  Schwaben  hatte 
mit  dem  Tode  Konradins  von  Hohenstaufen  (12<>8)  vollends  allen  inneren 
Halt  verloren.  Auf  eine  Wiederherstellung  hatte  Kaiser  Rudolf  1288 
ausdrücklich  Verzicht  geleistet.  Hiermit  war  die  Zersplitterung  der 
herzoglichen  Rechte  verbunden,  und  eine  Reihe  von  Grafschaften  und 
Herrschaften  gewannen  an  Selbständigkeit  und  Bedeutung.  Zu  diesen 
gehörte  auch  die  Grafschaft  Wirtemberg,  die  wie  alle  aus  kleinen  Ver- 
hältnissen heraus  ihr  Territorium  mit  Geschick  und  Glück  zu  vergröfsern 
verstand,  so  dafs  es  in  der  zweiton  Hälfte  dos  XIV.  Jh.  die  übrigen 
schwäbischen  Herrschaftsgebiete  an  Arealgröfse  schon  weit  überragte. 
Wenn  das  Land  Wirtemberg  auch  heute  noch  gern  als  schwäbisches 


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280 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Land  oder  Schwaben  schlechthin  bezeichnet  wird,  so  ist  doch  zu  berück 
sichtigen,  dafs  ein  wirklicher  Zusammenhang  der  Grafschaft  und  des 
späteren  (seit  1495)  Herzogtums  Wirtemberg  mit  dem  alten  Herzogtum 
Schwaben  nicht  bestanden  hat.   Die  Geschichte  des  Landes  Wirtemberg 
ist  vielmehr  die  Geschichte  seiner  Dynastie. 

Das  alte  Herzogtum  Schwaben  war  bis  1079  in  der  Hand  von  ver- 
schiedenen Dynasten  gewesen,  als  es  Kaiser  Heinrich  IV.  an  Friedrich  I.,  Grafen 
von  Hohenstaufen,  verlieh.  Im  Besitz  der  Staufer  blieb  es  bis  zu  deren  Unter- 
gange (126H).  Das  Land  führte  den  alten  Namen  Schwaben.  Suevia,  während 
der  Name  Alamannien,  der  vor  der  Stauferzeit  mit  Schwaben  gleichbedeutend 
war,  allmählich  zurücktrat  und  zu  einer  Gesamtbezeichnung  des  deutschen 


Zum  Herzogtum  Schwaben  gehörte  auch  das  Elsafs  bis  zu  den  Vogesen.  im 
Süden  auch  die  ganze  Grafschaft  Chiavenna,  während  die  Nordgrenze  noch 
z.  Z.  Kaiser  Friedrichs  L  nach  der  alten  Weise  feststand,  da  in  einer  Urkunde 
von  1155  die  nördliche  Ausdehnung  des  Konstanzer  Sprengeis  mit  der  Nord- 
grenze der  Alamannen  gegen  die  Franken  identifiziert  wurde.  Belegstellen 
hierzu  bei  Stalin  L  c.  646  f. 

Das  Geschlecht  der  Hohenstaufen  (ursprünglich  der  Herren  von  Büren, 
lälst  sich  bis  in  das  XI.  Jh.  zurückverfolgen.  Der  Sohn  Friedrichs  von  Büren 
(f  1094)  war  jener  obengenannte  Friedrich  I.,  der  zum  Herzog  erhoben  wurde 
und  in  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jh.  das  Stammschlofs  Hohenstaufen  auf 
einem  zwischen  Fils  und  Rems  gelegenen  Jurakegel  der  Rauhen  Alb  unweit 
Göppingen  (im  Bauernkrieg  1525  zerstört)  erbaute.  Sehr  bald  hatte  das  Ge- 
schlecht eine  ausgedehnte  Hausmacht  erworben,  die  seine  Erhehung  auf  den 
Königsthron  initveranlafste,  und  im  Besitze  der  Krone  wufste  es  seinen  Besitz 
durch  neuen  Zuwachs  zu  vermehren,  so  dafs  eine  Trennung  zwischen  den 
eigentlichen  Ilausgütern  und  den  Königsgütern  nicht  mehr  möglich  ist.  Der 
erste  Herzog  Friedrich  (f  1105)  hinterliefs  zwei  Söhne:  Friedrich  (der  Ein- 
äugige), der  im  Herzogtunic  folgte,  und  Konrad,  der  einige  Besitzungen  in  Ost 
franken  erhielt  und  welchem  späterhin  von  Kaiser  Heinrich  V.  noch  das  Erbe 
der  Grafen  von  Rothenburg-Kamberg  zugesprochen  wurde.  —  Die  Besitzungen 
der  Hohenstaufen  führt  Stalin  1.  c.  234 — 244  auf;  es  sind  hauptsächlich  fol 
gende:  1.  die  alten  Hausgüter  in  der  Nähe  der  Stammburgen  Beuren  (oder 
Wäschenbeuren,  nordwestlich  vom  Hohenstaufen)  und  Hohenstaufen  mit  dem 
von  Friedrich  I.  gestifteten  Kloster  Lorch,  ferner  mit  Welzheim  (Wallenzin). 
Gmünd  und  Göppingen;  2.  die  Besitzungen  im  Brenzgau  und  im  Riefs  mit 
Giengen,  Flochberg,  Bopfingen  u.  a. ;  3.  die  Besitzungen  im  Elsafs,  besonders 
die  Erbgüter  bei  SchleUstadt,  dann  Königsburg,  Rosheim,  Königsbruck  (nord- 
östlich von  Hagenau),  Waldburgis  (  nördlich  von  Hagenau),  Neuburg  (westlich) ; 
4.  Besitz  in  Baden:  die  Orte  Sinsheim,  Ettlingen,  Durlach,  Eppingen;  in  der 
Ortenau:  Gengenbach  mit  Burg  Mahlberg;  5.  das  salische  Erbe  bildete  den 
umfassendsten  Zuwachs,  der  dem  Herzog  Friedrich  1.  durch  seine  Heirat  mit 
Agnes,  Schwester  des  kinderlosen  Königs  Heinrich  V.,  zufiel:  die  Hauptmasse 
dieser  Güter  lag  im  Speier-  und  Wonnsgau;  (5.  die  ehemalige  Grafschaft 
Rothenburg,  die  nach  dem  Erlöschen  des  Dynasten hauses  ün  Anfang  des 
XH.  Jh.  erworben  wurde;  letzteres  hiefs  anfangs  nach  dem  Schlofs  Komburjr. 
welches  von  Burkhard  I.  (Ende  des  XI.  Jh.)  in  ein  Kloster  verwandelt  worden 
ist.  Zur  Grafschaft  gehörte  die  Gegend  um  Rothenburg  a.  d.  Tauber  mit  der 
Neuenburg  in  der  Stadt  und  dem  Ort  Gelbsattel,  ferner  der  ganze  Kochergau  mit 
Hall  und  der  Vogtei  über  Komburg;  7.  verschiedene  Güter  in  Franken,  unter 
anderen  die  Feste  Weinsberg;  8.  ein  grofser  Teil  des  W'elfenlandes,  besonders 
in  den  Oberämtern  Ravensburg,  Tettnang,  Wangen  und  Waldsee,  ferner  die 
oberen  Illerhezirke  (Kempten)  und  die  Lechgegenden  bis  Tirol  hinauf  und 


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173.  Grafschaft  Wirtcniborg. 


281 


Der  Ursprung  der  Grafen  von  Wirtcmberg  ist  nicht  bekannt.  Die  Stamm- 
burg lag  auf  einer  Anhöhe  bei  dem  Dorfe  Rotenberg  am  Neckar  zwischen  Efs 
lingen  und  Cannstatt.  Der  Name  Wirtinebeir  erscheint  zuerst  um  1090,  dann 
1122  Wirdrneberg ,  um  1134  Wirtinberc,  1139  Wirdenberr,  um  1140  Wirtenberg, 
1208  und  1264  als  Seltenheit  auch  Wirtemberc.  Unter  Herzog  Ludwig  (f  15'.>3i 
zeigt  sich  die  Schreibart  Würtemberg  mit  ü,  während  man  zwischen  /  und  tt 
noch  schwankte.  Durch  Generalreskript  vom  4.  April  1802  wurde  die  moderne 
und  zwar  schlechteste  und  sprachlich  unberechtigte  Schreibart:  Württemberg 
offiziell  eingeführt;  et  Bacmeistcr,  Alamann.  Wanderungen  S.  13  f.  Die  etymo- 
logische Deutung  ist  ganz  unsicher  und  die  gemac  hten  Versuche  hierzu  sind 
albern;  auch  die  Ableitung  aus  dem  Keltischen  {Virodunmn)  ist  durch  nicht« 
wahrscheinlich  gemacht. 

Eine  jüngere  Nebenlinie  des  Grafenhauses  Wirtemberg  ist  die  der  Grafen 
von  Grüningen  (bei  Riedlingen),  die  ihre  Güter  im  Oberlande  um  die  Donau 
herum  hatten;  unweit  Grüningen  lag  die  Burg  Landau,  nach  der  sich  die  Grafen 
seit  dem  Ende  des  XIII.  Jh.  auch  zu  nennen  pflegten,  nachdem  sie  Grüningen 
veräufsert  hatten  und  seitdem  an  Bedeutung  immer  tiefer  sanken.  —  Die 
ältesten  Besitzungen  der  Grafen  waren  im  Ob  er  lande  Andelfingen,  Bezüge  in 
Friedingen,  Burg  Grüningen,  Güter  bei  Hundersingen,  Burg  Landau,  die  Höfe 
Marbach,  Waldhausen,  Warmthal  mit  Habsburg,  Güter  und  Rechte  in  Wilf 
lingen,  auf  dem  Bussen  die  hintere  Burg  mit  Zul>ehör,  Lehengüter  in  Oggels- 
beuren,  Stetten,  Mietingen,  Burg  Balzheim,  Ort  Baustetten  (als  Lehen  von 
Constanz),  in  Baiern  Lehensrechte  in  Beuren  bei  Babenhausen,  im  Sigma- 
ringischen  Burg  Ält-Veringen.  Güter  bei  Eschendorf,  Langen,  Enslingen;  im 
Oberamt  Saulgau  der  Ort  Aishausen,  Rechte  bei  Eschach,  diu  Grafschaft  im 
Albegau  (Algäu)  mit  Burg  und  Herrschaft  Eglofs  (1243  an  Kaiser  Friedrich  II. 
verkauft).  Im  Unterlandc  waren  seit  alters  Bestandteile  der  Grafschaft  um 
die  Stammburg:  die  Burg  Wirtemberc  selbst,  Cannstatt,  Stuttgart,  Waiblingen, 
Beutelsbach,  Schorndorf,  Waldhausen,  Leonberg,  Neckarems,  ferner  einzelne 
Güter  in  Göppingen,  Betzgenried  , Eislingen,  Brache  bei  Asperg,  EilHngen.  Lehens 
träger  waren  die  Herren  von  Blankenstein,  Dienstmänner  die  von  Bernhausen, 
Cannstatt,  Plochingen,  Rommelshausen,  Feibach.  Stetten,  Neckarems,  Tannen 
fels.  Wirtembergische  Klostervogteien  waren:  Lorch  (schon  vor  1251)  und 
Denkendorf.    Vgl  Stälin  II,  485  ff. 

Dieser  recht  geringfügige  älteste  Besitz  im  Neckar  und  Remsthal  sollte 
aber  durch  Erwerbungen  seit  Ulrich  I.  (1241 — 1265)  eine  erhebliche  Vergrößerung 
erfahren.  Durch  ihn  kamen  die  Reiehsgüter  der  Uracher  Grafen  an  Wirtem- 
berg (1260).  Graf  Eberhard  der  Erlauchte  (1265—1325)  hatte  bis  1305 
erworben  die  Burg  Reichenberg  und  Backnang,  die  Herrschaft  Neifen  1301  in 
der  Schwäbischen  Alb  von  Konrad  von  Weinsperg.  der  Luitgard  von  Neifen 
zur  Gemahlin  hatte,  ferner  Dorf  Rutesheim  (westlich  von  Leon  berg),  1302,  und 
Güter  zu  Marbach,  Murr,  Laufen,  Kirchberg,  Rudersberg  und  Neckarweihingen 
1302  von  Herzog  Herrmann  von  Teck,  und  Dorf  Kornwestheim  1303  vom 
Grafen  Ulrich  von  Asperg.  (Stälin  III,  107  f.)  Von  letzterem  kaufte  er  1308 
Burg  und  Stadt  Asperg,  Burg  Richtenberg  (bei  Asperg,  wüst)  und  den  Glems- 
gau  mit  der  Grafschaft  und  Zubehör;  sowie  von  den  Grafen  von  Berg:  Burg 
und  Stadt  Calw.  In  der  Zeit  von  1316 — 1323  erwarb  er  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Gütern,  Dörfern  und  Burgen,  über  die  ausführlich  Stälin  III,  154  handelt. 
Er  residierte  schon  mit  Vorliebe  in  Stuttgart ;  unter  ihm  war  die  Grafschaft 
auf  das  Doppelte  angewachsen.  Sein  Sohn  Ulrich  III.  erhielt  1325  als  (später 
nie  eingelöstes)  Pfand  die  österreichische  Hälfte  der  Burg  Teck  und  der  Stadt 
Kirchheini,  ferner  die  österreichische  Burg  und  Stadt  Sigmaringen.  Auch  die 
Herrschaft  Horburg  und  Reichenweier  bei  Colmar  im  Elsafs  hatte  er  gekauft 
mit  der  Grafschaft  Witekisau  und  Burg  Bilstein  und  Burg  und  Stadt  Zellen 
berg  1324  noch  bei  Lebzeiten  des  Vaters  (Schöpflin,  Alsatia  illustr.  II,  132.); 
1325  ferner  Burg  und  Stadt  Winnenden,  1328  Ebersberg,  1330  Burg  Achalm, 
1332  Uihingen  bei  Göppingen,   1334  Burg  Aichelberg,  Weilheim,  Häringen, 


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282 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Hepsisau,  Holzmaden  und  Jesingen  vom  Grafen  Bruno  von  Kirehberg,  133;» 
Klein-Gartaeh,  13:56  Burg  und  .Stadt  Markgröningen.  1337  Burg  und  Stadt 
tirötzingen,  1338  die  halbe  Burg  Arneck,  1339  Burg  und  Stadt  Vaihingen, 
1339  Rechte  der  Grafschaft  Aichelberg  mit  Dürnau,  1342  Sehlofs  Ramstein 
bei  Sehlettstadt  im  Elsafs,  1342  Burg  und  Stadt  Tübingen  von  den  gleich 
namigen  Grafen  und  verschiedene  Güter  (Stalin  III.  177  f.,  225  f.)  sowie  die 
Schirm vogteien  über  die  Klöster  Hcrrenalb,  Denkendorf  und  Bebenhausen. 
Seine  Söhne  Eberhard  der  Greiner  und  Ulrich  IV.  regierten  bis  1361  gemeinsam. 
In  dieser  Zeit  erwarben  sie  1344  Burg  und  Stadt  Veringen  und  Beilstein,  Burgen 
und  Städte  Böblingen  und  Calw  (1345)  sowie  die  Feste  Zavelstein;  ferner  1347 
den  Schönbuch-Wald  mit  zwei  Dörfern,  Stadt  Sindeltingen  zur  Hälfte  mit  Ulrich 
von  Rechberg  1351.  in  demselben  Jahr  Dorf  Thamm  mit  Zubehör.  1352  Herr 
schaft  Hundersingen,  1355  Burg  Greifenstein  oberhalb  Reutlingen  und  Dorf 
Holzelfingen,  1356  Dorf  Thalheim,  1356  Städte  Horrheim  und  Haslach  und 
Burg  Eselsberg  bei  Ensingen  mit  Dörfern,  1356  den  Rest  der  Burg  Ranistein, 
1357  die  Burg  Lichtenberg  ob  Botwar,  die  Vogtei  über  Kloster  Oberstcnfeld. 
ferner  sechs  Weiler,  den  Stocksberg,  die  Orte  Breehfirst.  Algersberg,  Völkles- 
hofen, V  Öhrenberg,  Einöde  Klein- Asbach  und  Lembach,  1359  die  Pfandschaft 
der  Feste  Mägdeberg  im  Hegau  und  die  Güter  Mühlhausen  (Baden)  und 
Möhringen,  1360  Burg  Hoheneck  bei  Ludwigsburg,  1361  Burg  und  Stadt  Laufen, 
1363  Burg  und  Stadt  Nagold,  Stadt  Haiterbaeh,  Kloster  Reuthin,  sechs  Dörfer  und 
Weiler  und  Zubehör,  1363  flie  Stadt  Waldenbuch  und  acht  Dörfer,  1365  die 
Vogteien  über  die  Klöster  Murrhard  und  Zwifalten,  1367  Stadt  Ebingen  und 
niedere  Burg  und  Stadt  Haigerloch,  ferner  hall)  Magenheim,  Brackenheiin  und 
Klcebronn,  1369  die  halbe  Burg  und  Dorf  Neuhausen  auf  den  Fildern,  1372 
die  Schirmvogtei  über  Kloster  Lon  b  und  Adelberg  und  1373  Leipheim 
a.  d.  Donau,  1374  Schilzburg  im  Lautertal.    (Stalin  111,  290  ff..  353  f.) 

174.  Kleinere  Territorien  in  Schwaben.  Neben  der  Grafschaft 
Wirtemberg  war  eine  ganze  Reihe  kleinerer  Graf-  und  Herrschaften 
entstanden,  die  besonders  die  südliche  Hälfte  Schwabens  einnahmen. 

Grafschaft  Calw.  Das  im  XI.  Jh.  auftretende  Grafenhaus  spaltete  sich 
im  XII.  Jh.  in  drei  Linien:  Calw.  Löwenstein  und  Vaihingen,  Die  Hauptlinie 
Calw,  die  nach  der  Burg  (Calocn,  Calva)  hiefs,  starb  mit  Gottfried  1262  aus. 
Die  Löwensteiner  Linie,  die  von  einem  Sohn  Graf  Adalberts  IV..  Bertold 
(1152 — 1167),  sich  abzweigte,  bestand  auch  nur  einige  Jahrzehnte  länger;  ihre 
Burgen  Löwenstein  und  Wolfsölden  hatte  sie  an  das  Bistum  Würzburg  ver- 
kauft (1277).  Die  Vaihinger  Linie  hatte  nördlich  der  Enz  ihren  Besitz  und 
starb  in  der  Mitte  des  XIV.  Jh.  aus.  —  Sehr  ausgedehnt  war  der  Besitz  der 
(»raten  von  Calw  gewesen,  der  sich  von  den  Fildern  über  den  Würm-,  Glems-. 
Enz-,  Zaber-,  Murr-  und  Schotzaeh-Gau  erstreckte.  Es  gehörten  hierzu:  Calw, 
und  Zavelstein.  Ingersheim  mit  tiebiet;  Möhringen  mit  Plieningen,  Echter- 
dingen. Böblingen,  Sindellingen  u.  a. ;  der  ganze  Glemsgau  mit  Hohenasperg, 
Markgröningen ;  Vaihingen  mit  Herrschaft ;  Burg  Enzberg  im  Kraichgau,  Cann- 
statt, Laufen,  Heilbronn,  Löwenstein,  Beilstein  und  Wolfsölden.  Ferner  die 
Vogteien  über  die  Klöster  Hirschau.  Sindellingen  ,  Reichenbach  und  zeitweise 
Lorsch  an  der  Bergstrafse.  -  Dieser  ausgedehnte  Besitz  hatte  sich  bis  zum 
XIV.  Jh.  wieder  vollständig  aufgelöst  und  war  stückweise  in  Hände  benach- 
barter Herren  gelangt,  aufser  an  die  Grafen  von  Wirtemberg  auch  an  Weif  VI, 
der  als  Schwiegersohn  des  Grafen  Gottfried  von  Calw  (f  1113)  einen  grofsen 
Teil  von  dessen  Hinterlassenschaft  an  sich  rifs.  Es  gehörten  hierzu  der  Glems- 
gau, Möhringen,  Sindelringen  und  Ingersheim. 

Pfalzgrafsehaft  Tübingen.  Der  ursprüngliche  Landbesitz  lag  an  zwei 
entlegenen  Stellen :  am  mittleren  Neckar  und  oberen  Nagold  mit  der  Burg 
Hohentübingen  —  und  ferner  um  das  Sehlofs  Ruck  bei  Blaubeuren.  Mit 
Graf  Anselm,  dem  Stifter  des  Klosters  Blaubeuren,  tritt  das  Geschlecht  erst  in 


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174.  Kleinere  Territorien  in  Schwaben. 


283 


die  urkundlich  beglaubigte  Geschichte  ein.  Im  Jahre  1148  erhielt  es  <lie  Pfalz- 
grafenwürde  und  vergröfserte  seit  dieser  Zeit  seinen  Territorialbesitz  sehr  be- 
deutend. Das  schnell  Erworbene  ging  aber  ebenso  sehneil  verloren.  Zu  den 
älteren  Besitzungen  gehörte  der  Reichewald  Schönbuch  nördlich  von  Tübingen 
mit  den  Bezirken  von  Tübingen.  Herrenberg,  Nagold.  Horb  und  Dornstetten, 
Das  Gebiet  bei  Blaubeuren,  mit  dem  zum  grofsen  Teil  das  Kloster  ausgestattet 
wurde,  hatte  einen  geringeren  Umfang.  Durch  reiche  Heiraten  wuchs  der 
Territorialbestand.  Graf  Hugo  (t  1182)  erwarb  durch  seine  Gemahlin,  der  Erb- 
tochter des  Grafen  Rudolf  von  Bregcnz,  dessen  Land,  die  Grafschaft  des 
churisehen  Rätiens.  speziell  die  tiebiete  von  Bregenz,  Gettnang,  Feldkireh. 
Werdenberg,  Sonnenberg  und  Sargans.  Dieser  letzgenannte  Landbesitz  wurde 
freilich  alsbald  als  Grafschaft  Montfort  abgezweigt.  Durch  seine  Verwandtschaft 
mit  Weif  VI.  kam  Hugo  auch  in  den  Besitz  von  mehreren  ehemals  eal wischen 
Territorien:  Möhringen,  Böblingen,  Sindelfingen,  den  Fildern  und  dem  Glems* 
gau  mit  Hohenasperg.  Sein  Sohn  Rudolf  1.  (t  ca.  1219)  erwirbt  durch  Heirat 
die  Grafschaft  Giefsen .  die  1264  aber  wieder  an  Hessen  verkauft  wurde,  — 
Die  vielen  Teilungen  führten  seit  dem  Ende  des  XIII.  Jh.  zum  baldigen  Ver- 
fall. Von  Rudolfs  1.  Söhnen  erhielt  Rudolf  II.  den  Sitz  Jhrrenberg  mit  den 
oberen  Gegenden,  Wilhelm  den  Sitz  Asperg  mit  den  unteren.  —  Auch  Rudolfs  H. 
Söhne  teilten  :  Hugo  (f  ca.  1267)  erhält  den  Bezirk  von  Horb  und  gründet  die 
Horber  Linie,  die  1294  ausstirbt  und  ihren  Besitz  durch  Erbheirat  an 
Burkard  von  Hohenberg  überläfst;  der  andere  Sohn,  Rudolf  III.,  derScheerer 
(weil  er  von  den  Montfortern  die  Herrschaft  Seiner  an  der  Donau  erhalten 
hatte),  stiftete  die  Tübingen- H  erren  her  ger  Linie,  die  ihren  Besitz  (die 
Herrschaften  Tübingen  und  Herrenberg,  Teile  des  Sehünbuehwaldes,  Sindel- 
fingen  und  Blaubeuren  mit  den  Vogteien)  durch  weitere  Teilungen  zersplitterte 
und  schliefslieh  ganz  an  die  Helfensteiner,  die  Böblinger  Linie  und  Wirtcm- 
berg  veräufserte.  Sie  starb  ohnedies  1391  aus.  Die  Vettern  der  beiden 
Grafen  hatten  zwei  andere  Linien  gegründet:  Rudolf  IV.  die  Tübingen- 
Böblinger  Linie,  die  die  Gegend  um  Böblingen  und  mehrere  Orte  in  den 
Fildern  erhielt,  sehr  bald  aber  auch  die  halbe  Grafschaft  Calw,  Tübingen  und 
Sindelfingen  erwarb.  Bis  1344  war  aber  dieses  alles  an  Wirtemberg  verkauft 
worden.  Die  Familie  bestand  im  Breisgau  (Herrschaft  Lichteneck)  noch  bis 
1631;  sein  Bruder  ITrieh  I.  gründete  die  Asperger  Linie,  die  bis  1264  noch 
Giefsen  besafs,  im  übrigen  aber  nur  die  Herrschaft  Asperg  im  Glemsgau  und 
Beilstein  durch  Heirat  erwarb.  Asperg  wurde  1308,  Beilstein  1340  an  Wirtem- 
berg verkauft  Vgl.  Stalin  U,  425  ff.  III,  700  ff.  L.  S  ihm  id.  Gesch.  der  Pfalz- 
grafen von  Tübingen,  Tüb,  1853. 

Hugo  f  1182 

Rudolf  I.  Hugo,  (iraf  von  Montfort 

Rudolf  II.  v  1247  Wilhelm,  TTraf  v.  (Hefaen 

Hugo  f  12H7    Rudolf  III.  t  1277  Rudolf  IV.  Ulrich  I. 

Horber  Linie  Herrenbcrger  Linie  Böblinger  Linie       Asperger  Linie. 

Grafschaft  Hohenberg  (Hohinberc,  Honberc,  Hoenberch).  Das 
Grafenhaus  ist  eine  Zweiglinie  der  Zollern-llaigerloch,  die  in  der  zweiten  Hälfte 
des  XII.  Jh.  (zuerst  1179)  den  Namen  Hohenberg  nach  der  Burg  bei  Deilingen 
(Oberamt  Spaichingen)  annahm.  Das  Territorium  kommt  unter  dem  Namen 
Hohenberg  zuerst  1258  vor.  Den  Grundstock  bildeten  die  Herrschalten  Hohen- 
berg und  Haigerloch,  die  einen  beträchtlichen  Zuwachs  erfuhren  zunächst  durch 
den  Anfall  des  Territoriums  der  Horber  Linie  der  Tübinger  Pfalzgrafen  (s.  vorher), 
bestehend  aus  Gebietsteilen  der  jetzigen  Oberämter  Horb  und  Freudenstadt  (1294). 
Mehrmalige  Teilungen  trugen  auch  hier  zum  Niedergange  bei.  Die  erst«'  fand 
zwischen  den  Brüdern  Albrecht  und  Burkhanl  statt,  wobei  AI  brecht:  Hohen- 
berg, Horb,  Rotenburg  und  Haigerloch  mit  zugehörigen  Ämtern  und  Khingen 
erhielt,  Burkhard:  die  Herrschaft  Nagohl  und  Wildenberg.     Beide  stifteten 


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2X4  VI.  Politische  (ieographic  uui  das  Jahr  1375. 

neue  Linien,  <lie  ihre  Territorien  teilten  und  verloren.  Die  Albreehtsehe  Linvt. 
die  1387  im  Mannesstammc  erlosch,  verkaufte  1355  Herrschaft,  Burg  und 
Stadt  Triberg  und  Althornberg  an  Albrecht  von  Österreich  und  13*1 
(Rudolf,  der  letzte  des  Hauses)  alles  übrige,  wozu  die  Städte  Hohentarg. 
Schömberg,  Nusplingen,  Friedingen,  mehrere  Burgen  sowie  Oberndorf,  Horn 
Obernau,  Rotenbuch,  Haigerloch,  Buisdorf  u.  a.  gehörten,  ebenfalls  an  Üster 
reich.  Stalin  111,  297  f.  In  der  Burkbardschen  Linie  zersplitterte  sich  der 
Besitz  durch  Teilungen,  indem  seine  Söhne  zwei  neue  Linien  stifteten:  Otto 
(t  1299)  die  Nagolder  Linie,  Burkhard  (t  1353)  die  Wildberger  mit  entsprechendem 
Territorium,  von  denen  die  letztere  sich  1355  nochmals  spaltete  und  den  Besitz 
teilte.  Jener  Otto  verkaufte  jedoch  1362  die  Dörfer  Remingsheim  und  Wolfen 
hausen  an  Konrad  von  Tübingen,  13(13  Burg  und  Stadt  Nagold  und  Haiterbacli 
an  die  Wirtemberger.  Burkhard  (aus  der  Wildberger  Linie)  veräufserte  1360 
seine  Hälfte  an  Wildberg  und  der  Vogtei  des  Klosters  Reuthin,  1364  auch 
Bulach  mit  Gebiet  an  Ruprecht  von  der  Pfalz,  der  1377  auch  die  andere  Hälft* 
kaufte.  Nur  Altensteig  verblieb  den  Wildbergern  (welches  1400  an  den  Mark 
grafen  von  Baden  kam).    Stälin  II,  400  f.  III,  666  ff. 

 Burkhard  f  1253 

Albrecht  f  1298  Burkhard  f  1318 

I 

Rudolf  1. 


<  >tto  Burkhard 

  Gf.  v  H.-Natfold    <;raf  v.  H.-Wildberv 

Albrecht  Rudolf  II.  f  1299  r  1353 

BiMCh°i  To£rei8ing  „J  „  r.r   ,  ,ou,  Burkhard      Konrad  1856 


t  1359  Rudolf  IU  f  1387 

t  tt 


t  f  t 


ca.  1388 
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Grafschaft  Zollern.  Das  Kernstück  der  Grafschaft  bildete  die  Bun: 
Zollern  (Zolorin,  Zolre,  Zolrcn)  mit  umliegendem  Land,  welches  später  da> 
Fürstentum  Hechingen  umfafste,  ferner  das  nachher  wirtembergischc  Amt 
Balingen  mit  der  Feste  Schalksburg  (Sehalzburg).  Unter  den  älteren  Grafen 
dieses  Hauses,  von  welchen  eine  Nebenlinie  die  Grafen  von  Hohenberg  waren, 
tritt  Friedrich  III.  in  seinen  Beziehungen  zu  den  Staufern  bedeutsam  hervor, 
durch  seine  Heirat  mit  Sophie,  der  Tochter  des  Grafen  von  Hätz  und  Burg 
grafen  von  Nürnberg,  erwarb  er  das  Anrecht  auf  das  Burggrafenamt  sowie  auf 
die  Besitzungen  jenes  Grafen  in  Franken  und  Österreich,  speziell  der  Grafschaft 
Raabs  an  der  Thaya,  wo  auch  Rätz  gelegen  war.  Alles  dies  fiel  ihm  sehliefsluh 
auch  zu.  spätestens  im  Jahre  1192.  wo  er  zum  erstenmal  als  Burggraf  von 
Nürnberg  erscheint.  Unter  seinen  Söhnen  trat  eine  Spaltung  des  Hauset1  in 
zwei  Linien  ein :  Friedrich  IV.  gründete  die  schwäbische  Linie  und  erhielt  Vi 
der  Teilung  das  alte  Stammland,  während  Konrad,  dem  Stifter  der  fränkischen 
Linie,  die  Burggrafschaft  von  Nürnberg  mit  den  fränkischen  und  österreicliischen 
Besitzungen  zufiel.  Diese  Teilung  fand  um  1226-  1227  statt.  Die  Söhne  Friedrichs  IV 
teilten  nochmals,  indem  der  ältere.  Friedrich,  als  Gründer  der  Hechinger  Linie 
die  eine  Hälfte  des  Territoriums  erhielt,  der  jüngere,  Friedrich  (f  1302),  die 
Schalksburg  mit  Ortschaften  und  die  Herrschaft  Mühlheim  an  der  Donau; 
letztere,  die  sog.  Schalksburger  Linie,  starb  1408  aus,  ihr  Territorium  tiel  ab«r 
durch  Kauf  an  andere  Herren. 

Vgl.  v.  Stillfried  und  Märcker,  Hohenzollernsche  Forschungen,  Berlin 
1847.  Dies.,  Monumenta  Zollerana,  Berlin  1852,  Bd.  I.  Ein  Verzeichnis  der 
urkundlich  genannten  Ortschaften  im  Zollernschen  Besitze  gibt  auch  Stähl 
n,  506 

(Grafschaft  Fürstenberg  Die  Grafen  sind  eine  Zweiglinie  der  Grafen 
von  Urach,  deren  Stammburg  bei  der  Stadt  Urach  gelegen  hat.    Egino  IV 


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174.  Kleinere  Territorien  in  Schwaben. 


285 


von  Urach  it  1230)  war  mit  einer  Tochter  des  Herzogs  Bertold  IV.  von 
Zähringen,  Agnes,  vermählt  und  beanspruchte  nach  dem  Aussterben  der  Zähringer 
deren  Erbteil  (1218),  welches  die  Stadt  Freiburg  sowie  Güter  und  Rechte  im 
Breisgau  und  auf  dem  Sehwarzwalde  umfafste  (während  die  andere  Tochter 
Anna  die  zähringischen  Besitzungen  in  der  Schweiz  erhielt).  Nach  anfäng- 
lichen Streitigkeiten  mit  Kaiser  Friedrich  II.  kamen  sie  auch  grösstenteils  in 
den  Besitz  der  Güter.  Eginos  Söhne  teilten  das  Land:  Konrad  (t  1l'71)  erhielt 
Freiburg  und  die  Herrschaften  im  Breisgau,  Heinrich  aber  Fürstenberg  und 
die  Herrschaften  im  Schwarzwalde  (f  1284).  Das  Kernstück  dieser  Besitzungen 
umfafste  Güter  in  der  Baar  mit  Villingen  als  Mittelpunkt  und  ferner  Besitzungen 
im  Sehwarzwald  mit  dem  Hauptort  Haslach,  die  beide  Reichsleben  waren;  ferner 
die  Herrschaft  Dornstetten  an  der  Nagold.    1283  erhielt  Heinrieh  noch  die  Land- 

frafschaft  in  der  Baar  (früher  bei  den  Grafen  von  Sulz).  Dagegen  hatte  er 
265  die  Burg  Urach  und  die  sonstigen  Reichslehengüter  der  Grafschaft  Urach 
an  den  Grafen  von  Wirtemberg  verkauft  (s.  vorher).  Die  Teilstücke  der  Herr- 
schaft Urach  s.  bei  Stälin  II,  464.  Heinrichs  Söhne  teilten  abermals:  Friedrich 
gründete  die  F ürsten bc rge r  Linie  (noch  jetzt  blühend)  und  Egino  die  Has- 
lacher Linie  (stirbt  1386  aus).  Friedrich  erwarb  durch  Heirat  das  Gebiet  der 
Freien  von  Wolf  ach,  Heinrich  IL,  sein  Sohn,  erwarb  in  ähnlicher  Weise  die 
Herrschaft  Wartenberg.  Die  Haslach  er  Linie  hatte  infolge  von  Zwistigkeiten 
Villingen  an  Österreieh  1326  verloren  Nach  ihrem  Erlöschen  liel  die  Herr- 
schaft Haslach  als  erledigtes  Leben  an  das  Reich  und  kam  später  an  die 
Fürstenberg  aufser  Villingen  zurück.  Stälin  II,  451.  III,  658.  S.  Riezler, 
Gesch.  des  fürstl.  Hauses  Fürstenberg  und  seiner  Ahnen  bis  zum  J.  1509, 
Tüb.  1883. 

Markgrafschaft  Burgau.  Im  Jahre  1375  war  sie  mitsamt  den  Haus- 
gütern  ihres  letzten  Besitzers  in  der  Hand  der  Österreicher.  Dieser  ehemalige 
Besitzer  entstammte  dem  Hause  der  Grafen  von  Berg,  deren  Burg  über  dem 
Dorf  südöstlich  von  Ehingen  lag.  Ihr  Territorium  umfafste  die  Grafschaft 
Berg  (um  Ehingen)  sowie  nördlich  von  ihr  die  Herrschaft  Sehelklingen 
im  oberen  Blaubachtal  und  vermutlich  auch  Wart  stein.  Graf  Heinrich  III. 
von  Berg  vermehrte  diesen  Besitz,  als  er  das  Geschlecht  der  Markgrafen  von 
Ronsberg  nach  dessen  Aussterben  1212  beerbte.  Er  nahm  damals  den  Titel 
Markgraf  von  Burgau  (anfangs  von  Berg)  an.  Die  Ronsbergischen  Besitzungi  n, 
die  er  gewann,  umfafsten  die  Herrschaften  Roggenstein  und  Biebereck  und 
'  die  eigentliche  Markgrafschaft  Burgau  südlich  der  Donau  bis  östlich  zum  Lech. 
Den  Grundstock  von  Burgau  bildeten  alte  augsburgische  Stiftelande,  die  erst 
die  Roggensteiner,  dann  die  Bieberecker  bis  1180  und  schliefslich  die  Rons- 
herger von  Augsburg  zu  Lehen  hatten.  Unter  Heinrichs  III.  Söhnen  fand 
eine  Teilung  statt,  indem  Graf  Heinrich  IV.  Burgau  mit  dem  Markgrafentitel 
und  Ulrich  die  Stammlande  Berg  und  Schelklingen  erhielt.  Die  Burgauer 
Linie  existierte  bis  1301,  als  der  söhnelose  Markgraf  Heinrich  VI.  Burgau  vor 
seinem  Tode  noch  an  Herzog  Albrecht  von  Österreich  verkaufte.  Die  andere 
Linie  Berg-Schelklingen  hatte  unter  ihrem  Stifter  Ulrich  die  halbe  Herrschaft 
Calw  erworben,  sie  aber  1308  schon  an  Wirtemberg  wieder  veräufsert.  1343 
kam  nach  einigen  Zwischenfällen  das  Stammland  Berg,  Ehingen  und  Schelk- 
lingen durch  Kauf  an  Österreich.  Die  Grafschaft  Wartstein  im  Lautertal 
war  schon  frühzeitig  im  XII.  Jh  an  eine  Teillinie  des  Bergsehen  Grafenhauses 
gekommen  und  vom  Stammland  abgezweigt  worden.  Im  Jahre  1303  verkauften 
sie  die  Grafen  an  Osterreich,  mit  Ausnahme  der  Burg  Wartetein  selbst,  die 
1392  an  Baiern  fiel.  So  war  der  ehemals  ausgedehnte  Territorialbesitz  des 
Hauses  ganz  aufgelöst  und  in  andere  Hände  gekommen.  Stälin  II.  352  IT.  III. 
655  ff. 

Grafschaft  Hclfenstein.  Die  gesicherte  Geschichte  des  Grafenhauses 
beginnt  erst  im  XII.  Jh.  mit  Ludwig  (f  1200).  Das  territoriale  Gebiet,  welches 
erst  1268  als  solches  bezeichnet  wird,  umfafste  anfangs  jene  Bezirke  etwa,  die 


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286  VI.  Politische  Geographie  nm  das  Jahr  1375. 

heute  das  Oberamt  Geislingen  bilden.  Vor  1210  war  auch  noch  die  Graf 
schuft  Sigmaringen  auf  irgend  eine  Weise  dazugekommen,  alter  in  dem- 
selben Jahrhundert  an  die  (Jrafen  von  Montfort  gefallen.  Hauptburgen,  die 
auch  einzelnen  Grafenlinien  den  Namen  gegeben  haben,  sind:  Helfenstein  auf 
schroffem  Felsen  nordostlich  von  Geislingen  (j.  Ruinen);  Spitzenberg  bei 
Kuchen;  Hiltenburg  bei  Ditzenbach;  Wiesensteig;  Herwartstein  bei  König* 
bronn  (Il'87  niedergelegt),  (iraf  Ulrich  II.  hatte  durch  seine  Heirat  mit  der 
Erbtochter  lies  Grafen  Hartmann  111.  (r  1258)  von  Dillingen  einen  beträcht 
liehen  Güterbesitz  in  Oberdillingen.  Trugenhofcn,  Zöschingen,  Gundremmingen 
erworben.  In  demselben  Jahrhundert  kam  auch  die  Herrschaft  Blaubeuren 
mit  der  Vogtei  über  das  Kloster  hinzu.  Mit  dem  Ende  des  XIII.  Jh.  beginnt 
ein  vorübergehender  Verfall  des  grofsen  Besitzstandes,  mehrere  Burgen  mufsten 
verkauft  werden;  indessen  die  Gunst  Kaiser  Karls  IV.  verhalf  dem  Hause  zu 
neuem  Glanz,  da  die  Burgen  und  dazu  einige  Städte  wieder  erworben  wurden 
(1351).  Die  Sühne  Ulrichs  III.  (t  1:515)  hatten  zwei  Linien:  die  Wiesensteiger 
und  Blaubeurcr  gestiftet.  Unter  den  beiden  Enkeln  jenes  Ulrich  fand  die 
erste  unselige  Teilung  statt  (i:i5(i),  die  zum  Ruin  des  Hauses  führte.  Gral 
Ulrich  V.  (f  1372)  von  der  Wiesens  teiger  Linie  erhielt  die  ursprüngliche 
Grafschaft:  Ilelfenstein,  Geislingen.  Hiltenburg.  Wiesensteig.  Spitzenberg. 
Rommenthal  nebst  Dörfern,  den  Zoll  zu  Kuchen  und  die  Vogtei  über  Kloster 
Elchingen,  (iraf  Ulrich  VI.  (+1:1(11)  von  der  Blaubeurer  Linie:  Gerhausen. 
Ruck,  Blauenstein,  Blaubeuren,  Giengen,  Hellenstein,  Heidenheini,  Kaltenburg. 
Hürben.  Faimingen,  die  Klostcrvogtei  über  Blaubeuren,  Anhausen.  Herbrech- 
fingen,  Königsbronn  etc.  Aus  der  Teilungsurkunde  von  l:55t>  gewinnt  man 
♦'inen  Einblick  in  den  damaligen  Besitzstand  des  Hauses.  Vgl.  Kerler. 
Gesch.  der  Grafen  von  Helfenstein,  Ulm  1810.    Stiilin  II,  388  ff.  III.  6Ö0  fb 

Grafschaft  Kircliberg-Brandenburg.  Ihr  Territorium  lag  zu  beiden 
Seiten  der  unteren  Iiier  bis  nordlich  zur  Donau  mit  den  Burgen  Kirch berg 
a.  d.  Iiier,  Schwendi.  Holzheim.  Brandenburg  (in  der  Mitte)  und  Wullenstetten. 
Das  Grafenhaus  tritt  Ende  des  XI.  Jh.  zuerst  auf  und  spaltete  sich  im  XIII.  Jh. 
in  zwei  Linien:  die  Kirehberger  und  Brandenburg-Neuhauser  Linie,  von  denen 
letztere  aber  früh  ausstarb.  Einen  Zuwachs  erfuhr  die  Grafschaft  nicht;  im 
Gegenteil,  sie  wurde  seit  der  Mitte  des  XIV.  Jh.  als  Heiratsgut  der  Töchter 
an  fremde  Herren  gegeben  (zwei  Drittel  des  Ganzen).  In  einer  späteren  Zeit 
sollten  die  Grafen  aber  alles  wieder  zurückerwerben. 

Österreichischer  Landbesitz.  Nach  dem  Untergange  der  Staufer  war 
es  zur  Bildung  eines  Herzogtums  Schwaben  nicht  mehr  gekommen.  Schwabi  n 
behielt  gegenüber  dem  Reich  eine  unmittelbare  Stellung;  viele  Rechte  und 
Güter  waren  an  die  einzelnen  Stände  übergegangen,  und  die  Habsburger  hatten 
in  dem  Lande  nördlich  vom  Bodensee  noch  zu  wenig  Hausbesitz.  Sie  !«'■ 
safsen  nur  Waldshut  und  die  Stadt  Säckingen.  König  Rudolf  und  seine  Söhne 
waren  von  nun  an  eifrig  bemüht,  den  Territorialbestand  zu  vergröfsem  und 
Gebietsteile  von  verschuldeten  oder  ausgestorbenen  Grafen-  und  Herrenge- 
schlechtem  an  sich  zu  bringen,  wie  oben  schon  mehrfach  berührt  worden  ist. 
Unter  König  Rudolf  kamen  folgende  Territorien  an  die  Habsburger:  die 
Grafschaft  Ve ringen  von  den  Grafen  dieses  Hauses  nördlich  von  Sigma- 
ringen; halb  Kirchberg  vom  Grafen  Albrecht  von  Hohenberg;  1281 :  die 
Grafschaft  L ö w e nstei n  nebst  W« »lfsöh len  vom  Würzl »urger  Bisehof ;  1  L'88 : 
die  Herrschaft  Magenheim  und  Stadt  Bönnighcim  (Mainzer  Lehen 
Rudolfe  Sohne  erwarben  die  Grafschaft  im  Tiengau  nun  Hohentengen  in  der 
Nähe  der  Donau  unterhall)  Sigmaringen)  und  im  Eritgau,  ferner  die  Dörfer 
Hohentengen  und  Bioehingen,  sowie  die  Burg  Friedberg  von  den  N  eilen  bürgern; 
sodann  die  Burg  und  Stadt  Sigmaringen  und  die  Hälfte  von  Kallenberg  an 
der  Donau  vom  Grafen  von  Montfort -Bregenz.  Unter  König  Albrecht  kamen 
noch  folgende  Besitzungen  hinzu:  Stadt  Munderkingen,  vor  1297;  Stadt  Saul- 
gau  und  die  Vogtei  bis  zum  Federsee  durch  Kauf  vom  Truchsefs  von  Wart 


175.  Grafschaft  Hohenlohe. 


287 


bansen;  1801:  die  Markgraf schaff  Rurgau  mit  den  Lehen  der  Abtei 
Fulda;  1308:  die  Grafschaft  zu  Hol/heim  im  Burgau,  Sehlok  Pfaffenhofen 
u.  a.;  1303:  die  Lehensoberherrlichkeit  über  che  Burgen  Gerhausen,  Ruek  und 
Blauenstein,  die  Stadt  Blaubeuren  mit  Klostervogtei  vom  Grafen  von  Helfen- 
stein erkauft  (ohne  Eigentumsrecht);  1303:  die  halbe  Burg  Teck,  halbe  Stadt 
Kirchheim,  die  Burgen  Hohenkamm  und  Diepolsburg  (Ix'i  Unterlenningen) 
vom  Herzog  von  Teck;  1304:  Burg  Lupfen  von  Heinrieh  von  Lupfen;  1305: 
Ort  Bräunlingen  bei  Donauesehingen.  Andere  Besitzungen,  bei  denen  sieh  der 
Zeitpunkt  des  Erwerbes  nicht  angeben  läfst,  sind:  die  vordere  und  hintere 
Burg  auf  dem  Bussen,  Vogteirechte  in  Tissen,  die  Burg  Neuveringen  (s.  oben) 
bei  der  Stadt  Riedlingen.  Feste  Habsburg  zwischen  Veringen  und  Friedingen\ 
von  den  Grafen  von  Landau  gekauft,  die  Burg  Gutenstein  im  Donautal. 
Burg  und  Stadt  Scheer,  die  Grafschaft  zu  Wart  stein  im  Lautertal.  die 
Burg  Gundelfingen  ehendort,  die  Vogtei  über  Kloster  Zwiefalten  und  Radolfs- 
zell  und  Aach,  «lie  Hinterburg  zu  Thengen  mit  Städtehen  im  Hegau,  die  Burg 
Neuböwen  und  Amt  Krenkingen.  Im  übrigen  vgl.  StiUin  III,  .'57  ff.,  41  IT.. 
108  ff.  Unter  König  Albrecht  war  1303  eine  Aufzeichnung  des  Hausbesitzes 
in  den  Vorlanden  hergestellt  worden  durch  den  Geheimschreiber  Burkhard 
von  Frick;  s.  das  Habsburgisch-österreich.  Urbarbueh,  hergb.  von  Pfeiffer  in 
der  Bibliothek  d.  Liter.  Vereins,  Bd.  XIX. 

Herzogtum  Teck.  Das  Dynastenhaus  war  aus  einer  Nebenlinie  der 
Zähringer  hervorgegangen.  Einer  der  Sohne  Herzog  Konrads  von  Zähringen, 
Adalbert  I.,  ist  der  Stifter  der  Linie  in  der  Mitte  des  XII.  Jh.;  1187  erseheint 
er  zuerst  als  Herzog  von  Teck.  Die  Burg  liegt  bei  Owen  in  der  Rauhen  Alb. 
Den  Herzögen  gehörte  auch  die  Stadt  Kirchheim  nördlich  von  jener  (130:$  zur 
Hälfte  an  Österreich  verkauft),  ferner  die  Stadt  Rosenfeld  auf  dem  Sehwarzwald 
(1:557  an  Wirtembcrg  verkauft);  die  Herrschaft  Oberndorf  am  Neckar  wurde 
1374  an  die  Hohenberg  veräufsert.  Dagegen  kaufte  Herzog  Heinrieh  von  Teck 
1370  von  Heinrich  Hochlitz  die  Hälfte  der  Burg  Mindelberg,  der  Stadt  Mindel 
heim  und  der  Feste  Mindelburg.  1381  hatte  die  Familie  fast  alle  ihre  Be- 
sitzungen um  Teck  und  Kirchheim  veräufsert  und  war  immer  mehr  verarmt. 
Stälin  II,  300.  III,  695  ff. 

Kleinere  Herrschaften  in  Schwaben  sind  ferner  die  Nellenburgi- 
sehen  Gebietsteile  am  unteren  Ende  des  Bodensees  mit  reichem  Güterbesitz 
im  Klettgau  und  Hegau.  1 1 09  schon  starben  die  Herren  von  Nellenburg  aus. 
und  die  Erbtochter  des  letzten  aus  dem  Hause  brachte  den  Landbesitz  durch 
Heirat  an  den  Grafen  von  Veringen;  beider  Sohn  Mangold  stiftete  die  spätere 
Linie  Nellenburg.  —  Die  Herrschaft  Neifen  (Nifen,  Neuffen)  mit  der 
Stammburg  in  der  Schwäbischen  Alb.  Durch  Heirat  erwirbt  Bertold  III.  von 
Neifen  die  Würde  und  den  Namen  eines  Grafen  von  Marstetten  (Burg  an  der 
liier);  132Ü  erwerben  diese  Grafen  von  Marstetten  noch  die  Grafschaft 
Graisbach  links  der  Donau  unterhalb  Donauworth.  Die  Burg  Winnenden 
besafsen  sie  seit  1210.  —  Herrschaf  t  J  us fingen  nördlich  von  Ehingen 
lag  dicht  neben  Herrschaft  Schelklingen ;  ehendort  die  Herrschaft  Steufs- 
Ii  ngen,  deren  Geschlecht  1370  ausstarb;  1270  hatte  es  die  Burgen  Alt-  und 
Neusteufslingen  ( nordwestlich  von  Ehingen)  an  Wirtembcrg  zu  Lehen  aufgetragen.— 
Das  Gebiet  der  Freien  von  Urslingen,  Herzöge  von  Spoleto  lag  im  Westen 
von  Zollern;  das  Gebiet  kam  schon  1327  gröfstenteils  an  die  Grafen  von 
Hohenberg.  Die  Stammburg  Urslingen  (Irslingen)  lag  nördlich  von  Rottweil.  — 
In  nächster  Nähe  die  Herrschaft  Zimmern  (Cimberin  und  das  Gebiet 
der  Grafen  von  Sulz,  deren  Burtf  bei  dem  Salinenorte  S.  gelegen  war;  sie 
war  aber  bereits  im  XIII.  Jh.  in  der  Hand  der  Geroldsecker.  —  Alles  Nähere 
über  diese  und  noch  andere  kleinere  Herrschaften  und  sonstige  Territorien 
bringt  Stälin  a.  a.  O.  II,  421,  5:5:5  ff. 

175.  Grafschaft  Hohenlohe.    Das  Grafengeschlecht  läl'st  sich  bis 
in  das  XII.  .Jh.  zurückverfolgen,  wo  es  anfangs  unter  dem  Namen  der 


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2*8 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Herren  von  Weickershoim  auftritt;  seit  1178  nannte  es  sieh  nach  der 
Burg  Hohenlohe  (=  Hoher  Wald)  bei  Uffenheim.  Das  ursprüngliche 
Amtsgebiet  scheint  der  Komitat  Mergentheim  gewesen  zu  sein,  und  eben* 
dort  im  baierischen  Franken  lagen  auch  die  frühesten  Besitzungen.  Den 
Grafentitcl  nahmen  einige  Mitglieder  des  Hauses  erst  spät  (seit  1234)  an. 
und  erst  im  XV.  Jh.  findet  er  sich  allgemein.  Das  Haus  spaltete  sich 
Anfang  des  XIII.  Jh.  in  zwei  Hauptlinien:  in  dio  Hohenloh-Hohenlohe 
(Stifter  Gottfried  f  ca.  1255)  und  Hohenlohe-Brauneck  (Stifter  Konrad  1 12491 
Von  beiden  Brüdern  gingen  fünf  neue  Linien  aus,  die  teilweise  bald 
ausstarben,  so  dafs  auch  der  territoriale  Besitz  zeitweise  wieder  in  den 
Händen  einiger  weniger  vereinigt  ist. 

N. 


Gottfried 
Hohenloh-Hohenlohe 


Knnrad 
Hohenlohe-Brauneck 


Albert 
f  1269 
Linie  II.  Speck t'd. 
rtTenhciin  etc. 


1412 

t  f  t 


Kraft  L 
f  1313 
hin.  H.  Wciekernh. 

I 

Kraft  II  y  1344 

I 

Kraft  III  f  1371 
Linie  besteht  noch  " 


Konrad 
f  1271 

1290 

t  t  t 


Heinrich 
f  1270 
L.  Jirauncek- 
Haltcnbergst. 


Gottfried 
f  1273 
L.  Brau  neck 
Brau  neck 


1391 

t  t  t 


1390 
t  t  t 


Gottfried,  der  Stifter  der  einen  Linie,  war  um  1234  vom  Kaiser  zum 
Grafen  von  Romaniola  ernannt  worden.    Unter  ihm  nVl  auch  das  würzburgische 
Lehen  Langenberg  an  Hohenlohe.  Nach  der  Urkunde  von  122«;  gehörten  dazu: 
Langenburg  (Langenberg)  mit  Burg  und  Stadt,  Bechelingen,  Nesselbach,  Neissen- 
burnen  (wüst),  Pünzbach,  Forst,  Ködern  (wüst),  Michelbach,  Gerabronn,  Lindcl- 
brunnen,  Otzenrode  (Atzenroth)  und  Eberbach.    Stalin  H,  571.  Ferner  erwarb 
Gottfried  verschiedene  Burgen  (Schenkenberg,  Viernsberg,  Schupf )  und  Güter.  — 
Von  Gottfrieds  Söhnen  erhielt  AI  brecht  hei  der  Teilung:  die  östlichen  Herr- 
schaften mit  Uffenheim,  Speckfeld,  Entsee,  Wcrnsberg  und  Mockmühl ;  Kraft 
dagegen:  die  Gebiete,  um  die  Tauber.  .lagst  und  Ohr  ( Weickersheim,  Langen 
bürg,  Waldenburg,  Öhringen  etc.)  und  erwarb  noch  Schillingsfürst  und  Lichten 
eck  mit  Ingelfmgen.    Des  letzteren  Sohn,  Kraft  IL  (t  1344),  erwarb  zu  dem 
väterlichen  Besitz  noch  Forchtenberg  Burg  und  Stadt,  die  Grafschaft  Flügelau. 
Burg  Lohr  mit  der  Stadt  Crailsheim,  Burg  Ilonhard,  Sulz  bei  Kirchberg  a.  d. 
Jagst,  Burleswag,  Sindringen.  Böhringsweüer,  Anteile  an  Künzelsau,  Niedernhall 
u.  a.  —  Die  von  Konrad  gestiftete  Linie  Brauneck  spaltete  sich  unter  Beinen 
Söhnen  Heinrich  und  Gottfried  in  die  Linien  Haltenbergstetten  und  Brauneck 
Brauneck,  von  denen  jene  1391,  diese  1390  schon  erlischt.    Ihnen  gehörten 
die  Herrschaften  Brauneck  und  Reichelsberg.  —  Vgl.  Stalin.  Wirtemberg.  Gesch. 
II,  539  (S.  ;">47:  ein  Verzeichnis  der  urknndl.  nachweisbaren  hohenlohischen 
Besitzungen ) ;  III.  G77  ff. 


176.  Bistum  Würzburg.  Das  im  Jahre  741  gestiftete  Bistum  hatte 
bereits  im  ersten  Jahrhundort  seines  Bestehens  einen  ansehnlichen  L»and 
besitz  erworben  durch  viele  Schenkungen  und  die  Freigebigkeit  der 
Könige.  Es  waren  oftmals  nur  einzelne  Güter,  die  bis  zum  XII.  Jh.  an 
das  Stift  kamen,  aber  es  doch  mehr  und  mehr  zu  einem  geschlossen»  i> 
(tanzen  abrundeten.  Zugleich  hatten  die  Bischöfe  auch  durch  Er- 
werbungen von  Reichswäldern  und  Bannforsten  ihren  Machtbereich  in 
anderen  Gegenden  zu  vergröfsem  gestrebt.   Noch  mehr  aber  verstand»  !, 


177.  Grafschaft  Henneberg.  289 

sie  es,  die  Territorien  der  benachbarten  Graf-  und  Herrschaften  an  sieb 
zu  ziehen,  was  ihnen  überall  da  sehr  leicht  gelang,  wo  sie  schon  Lehens- 
herren  waren.  —  Aus  dem  Nachlais  der  einen  hennebergischen  Linie 
erwarben  sie  durch  Kauf  von  Eberhard  von  Wirtemberg:  Schlofs  Roden- 
stein, Markt  Steinach,  Königshofen,  Sternberg,  Irmelshausen,  Münner- 
stadt,  Wildberg  und  einige  Güter  zu  Schweinfurt.  Ein  Henneberger 
Graf,  Otto  von  Bodenlaube,  hatte  1254  bereits  Bodenlaube  bei  Kissingen 
mit  einigen  Gütern  an  den  Bischof  verkauft.  Andere  Stücke  der  Henne- 
berger kamen  durch  Herzog  Swantibor  an  das  Bistum.  Bertold  von 
Henneberg-Hartenberg  hatte  1353  Burg  und  Stadt  Ebenhausen  veräufsert. 
Aus  dem  Bestando  einer  Linie  der  Grafen  von  Rieneck,  die  die  Erb- 
truchsessen  des  Hochstiftes  waren,  erwarb  es  1342  nach  Aussterben  jener 
Linie  das  Amt  Rothenfels.  Die  Herren  von  Trimperg  hatten  nach  und 
uach  fast  ihre  ganze  Herrschaft  dem  Bistum  geschenkt.  Von  den  Hohen- 
lohe kaufte  es  1345  das  Amt  Röttingen. 

Abgesehen  von  den  üblichen  Dotationen,  die  jedem  Bistum  verliehen 
wurden,  kam  seit  dem  VIII.  Jh.  ein  grüfeerer  Landbesitz  hinzu.  lTnter  Bischof 
Bernwolf  kamen  damals  einige  Güter  an  das  Stift:  Vilchband  im  Badenachgau, 
Bürgel  und  Onolzbach  im  Rangau  mit  weiteren  Orten  im  Tullifeld  und  Win- 
garteiba.  Im  Jahre  840:  Benefizien  im  Gau  Waklsassen  zu  Immenstadt,  847  : 
ein  königlicher  Hof  zu  Ingolstadt,  883:  22  Hufen  zu  Vach,  Hausen  und  Hau- 
bach  und  9  zu  Schwabhausen,  889:  der  Zehnte  vom  slavischen  Tribut  der 
Ostcrstuofe ,  903:  Frickenhausen  und  Prosolzheim  im  Gosfelde  und  andere 
Güter  im  Badcnachgau,  Volkfeld  und  Grabfeld,  die  ehemals  babenbergisch 
gewesen  waren.  Durch  die  Ottonen  kamen  an  das  Stift:  Nordheün  im  Grab- 
felde,  Stockheim  an  der  Rhön,  Scheckenbach  im  Saalgau,  Teile  des  Reichs- 
forstes heim  Schlofs  Bernheim  und  der  Villa  Leutershausen  u.  a.  m.  im  späteren 
Amte  Neustadt  an  der  Saale,  ferner  1002:  Salza  im  Grabfelde  und  die  Abtei  Seligen- 
stadt im  Maingau,  1008:  die  Reichsdomänen  Meiningen,  Mengersrode,  Walaorf 
und  Altendorf,  1015:  der  Ilartenbachwald ,  1023:  der  Steigerwald,  1027:  der 
Murhardt,  1031 :  der  Reichsforst  bei  Melriclistadt  und  noch  mehrere  andere 
Waldungen.  Eine  lanjje  Reihe  von  einzelnen  kaiserlichen  Verleihungen  und 
sonstigen  Schenkungen  von  1033—1134  s.  bei  von  Lang,  Grafschaften  S.  262. 
Über  Erwerbungen  aus  dem  hennebergischen  Territorialbesitz  vgl.  das  bei  der 
Grafschaft  Henneberg  Bemerkte.  Desgl.  Grafseh.  Rieneck.  Ferner  Eckhardt. 
Comentiirii  de  rebus  Franciae  orientalis  et  episcopatus  Wirceburgensis ,  Würz- 
burg 1729.  Schöpf,  Histor. -Statist.  Besehreibg.  des  Hochstiftes  Würzbg., 
Hildburghsn.  1802.  Götz,  Geogr.  Besehreibg.  des  Mainkreises  1824.  Clar 
mann.  Gesch.  des  Stiftes  Würzbg.,  Wzbg.  1803. 

177.  Grafschaft  Henneberg.  Im  südlichen  Vorlande  des  Thüringer- 
waldes lagen  die  ausgedehnten  Besitzungen  der  Grafen  von  Henneberg, 
die  aber  auch  in  der  Rhön  sowie  südlich  am  Main,  oberhalb  Schweinflirt, 
gröfsero  Gebiete  ihr  Eigen  nannten.  Sie  scheinen  aus  den  ehemaligen 
Gaugrafen  des  Grabfeldes  hervorgegangen  zu  sein  und  benannten  sich 
nach  der  beim  Dorf  Henneberg  östlich  von  Meiningen  gelegenen  Burg. 
Als  erster  Graf  dieses  Namens  erscheint  Poppo  I.  (t  1078).  Unter  seinen 
Söhnen  fand  die  erste  Teilung  statt,  bei  welcher  Poppo  II.  (f  1119) 
Lichtenberg,  Irmelshausen  und  Wasungen  erhielt  und  Gotwald  I.  (f  1144): 
Römhild,  Themar,  Schleusingen,  Suhl,  Hallenberg  und  Schwarza;  überdies 
war  er  Burggraf  zu  Würzburg.  —  Von  Poppos  Söhnen  erwarb  Poppo  III. 
noch  Habichtsberg,  doch  starb  mit  dessen  Enkel  Heinrich  1199  diese 

Kretüchmer,  Histnrlsche  «Geographie.  19 


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1 


•290 


VI.  Politische  (Geographie  um  «Ins  Jahr  137». 


Linie  aus,  und  die  Besitzungen  fielen  an  die  Gotwaldsche  Linie,  die  durch 
-drei  Urenkel  Gotwalds  damals  vertreten  war:  Bertold  IL,  Poppo  VII. 
und  Otto  I.    Da  diese  von  neuem  teilten,  so  zersplitterte  sich  das  Gebiet 
abermals,  und  manches  ging  auch  dem  Hause  verloren;  so  besonders 
durch  jenen  Otto  I.  von  Bodenlaube  (den  Minnesänger),  der  die  Herr- 
schaft Bodenlaube  (bei  Kissingen)  1234  an  das  Stift  Würzburg  verkaufte, 
und  schon  vorher  durch  seinen  Sohn  Otto  IL,  der  1230  die  Herrschaften 
Lichtenberg,  Habichtsberg  und  Hildenburg  ebenfalls  an  Würzburg  ver- 
äufsert  hatte.    Da  die  Linie  Bertolds  IL  mit  seinem  Sohn  Bertold  III. 
1221  schon  ausstirbt,  so  vereinigt  Poppo  VII.  das  ganze  hennebergische 
Land  (aufser  den  veräufserten  Stücken)  wieder  in  seiner  Hand.  Unter 
seinen  Söhnen  Hermann  I.  und  Heinrich  III.  folgte  eine  abermalige 
Teilung,  bei  welcher  nur  Schweinfurt  mit  einigen  Gütern  gemein  schaftlieh 
blieben.    Die  Zersplitterung  wurde  unter  Heinrichs  drei  Söhnen,  die 
drei  neue  Linien  stifteten,  noch  weiter  getrieben.   Hermann  I.  hatte  aufser 
einem  Sohn,  der  ein  Jahr  nach  ihm  schon  starb,  keine  männliche  Nach 
folge  weiter,  sondern  nur  eine  Tochter  Jutta,  die  an  den  Markgrafen  Otto 
den  Langen  von  Brandenburg  vermählt  war;  schliefslich  fiel  das  Gebiet 
an  die  weibliche  Deszendenz  und  ging  teils  in  andere  Hände  über,  teils 
wurde  es  von  den  Hennebergern  zurückerworben. 

Poppo  I.  f  1078 


Poppo  II. 


Heinrich  1199 

tt  t 


Gotwald  I.  f  1144 

Bertold  I.  f  H57 

Poppo  VI.  f  1190 
I 


Bertold  II.  t  1212 

I 

Bertold  III.  f  1221 

t  f  t 


Poppo  VII.  f  1245 


Heinrich  IU. 


1262 


Hermann  1. 


Otto  II. 

Otto  III.  t  1244 

ff  t 

t  1290 


Bertold  V. 
f  1284 

SehleuHingeu) 
I 

 Bertold  VII. 

Heinrich  VIII.   Johann  I. 


f  1347 


t  1359 

I 


Hormann  II.  Heinrich  IV. 
f  1292         f  1317 
(Aschach)  (Hartenberg) 

I 

Poppo  IX. 

Bertold  X. 
t  1378 

t  t  t 


Poppo  VIII.  Jutta 
t  1291      X  Otto  d.  1.. 
f  f  r       v.  Brandbpr. 

Hermann  f  1308 


1549 

ttt 


Johann    Mathilde  Jutta 
f  1317  X  Heinr.  VIII 

v.  Hen neben» 


Elisabeth 
X  Kberhard 
von  Wirtemben: 


Sophie 

15H3  X  Albrecht 

t  ;•  f  Burggraf 

Anna 
X  Swantibor 
von  Pommern 

Poppo  VII.,  der  das  väterliche  Erbe  im  grofsen  ganzen  wieder  vereinigt 
hatte,  war  in  zweiter  Ehe  mit  Jutta  von  Thüringen,  der  Witwe  des  Markgrafen 
Dietriehvon  Meilsen,  vermählt  (1224).  Sein  Sohn  Hermann  erhielt  deshalb  :iJ> 
Entschädigung  für  das  mütterliche  Erbteil  die  Herrschaft  Schmalkalden.    —  \)\, 
Teilung  zwischen  Poppos  beiden  Söhnen  war  so  getroffen  worden.    daLs  Het 


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178.  Grafschaft  Castell.    179.  Grafschaft  Wertheim. 


291 


mann  I. :  Strauf,  Irmclshausen,  die  Hälfte  von  Münnerstadt,  Teile  von  Kissingen, 
ferner  Königshofen,  Markt  Steinach  und  Zubehör  mit  kleineren  Gebieten  im 
Koburgisehen  erhielt,  Heinrich  LH.:  die  Burgen  Hennoberg,  Aschach,  Eben- 
hausen, Hartenberg,  Osterburg  und  Hallenberg  mit  Zubehör  und  die  Städte 
und  Amter  Schleusingen,  Suhl.  Schwarza,  Wasungen,  Sand,  Malsfeld,  Bens- 
hausen, Themar,  Römhild  und  die  Hälfte  von  Münnerstadt.  —  Heinrichs 
Söhne  regierten  anfangs  gemeinsam,  1274  teilten  sie  aber  das  Land.  Die  von 
Bertold  V.  gestiftete  Schleusinger  Li n i e  erhielt:  Henneberg,  Schleusingen, 
Wasungen,  Mafsfeld.  die  Hälfte  von  Themar  und  die  Hälfte  des  Amtes  Bens- 
hausen; die  von  Hermann  II.  gestiftete  Asch  ach  er  Linie  bekam:  Aschach, 
Ebenhausen,  halb  Münnerstadt  und  die  Hälfte  des  Gerichts  zu  Sala,  und  die 
von  Heinrich  IV.  gestiftete  Hartenberger  Linie  erhielt  Hartenberg,  Oster- 
burg, Hallenberg  und  Schwarza  nebst  Römhild  und  halb  Themar,  ferner  die 
Hälfte  des  Amtes  Benshausen.  —  Die  von  Hermann  I.  abstammende  (Koburgen 
Linie  starb  mit  seinem  Sohn  Poppo  I.  1291  aus.  Seine  Tochter  Jutta,  die  an  Mark- 
grafen Otto  von  Brandenburg  vermählt  war.  brachte  ihrem  Gemahl  zu  :  Roden- 
stein, Markt  Steinach,  Königshofen,  Sternberg,  Irmelshausen,  halb  Münnerstadt, 
Wildberg  und  Anteile  an  Schweinfurt  und  Kissingen,  Burg  Hildburghausen 
und  Schmalkalden,  Königsberg  und  Schildeck.  Ihr  Sohn  Markgraf  Hermann 
und  dessen  Sohn  Markgraf  Johann  folgten  im  Besitz;  da  letzterer  1317  ohne 
Nachkommen  starb,  so  erbten  seine  Schwestern  Mathilde  und  Jutta.  Jutta 
war  an  Heinrich  VIII.  von  Henneberg-Schleusingen  vermählt,  beide  hatten 
aber  auch  nur  Töchter:  Elisabeth,  an  Eberhard  von  Wirtemberg  vermählt, 
brachte  1353  die  vorher  angeführten  Stücke  (Rodenstein  ...  bis  Schweinfurt) 
ihrem  Gemahl  in  die  Ehe,  der  sie  schon  1354  an  den  Bischof  von  Würzburg 
verkaufte.  Die  andere  Tochter  Sophie,  an  den  Burggrafen  Albrecht  von 
Nürnberg  vermählt,  bekam  Sehlofs  und  Amt  Kissingen;  beider  Tochter  Anna 
brachte  sie  hinwiederum  ihrem  Gemahl  Swantibor  von  Pommern  zu.  So 
hatte  sich  das  Besitztum  der  Hermannschen  Linie  vollständig  aufgelöst. 
Schult  es,  Diplomatische  Gesch.  des  gräfl.  Hauses  Henneberg,  Hildburghausen 
1788— 1791,  2 Up.  Sehöppach  und  Brückner,  Henneberg.  Urkundenbuch, 
Meiningen  1842—1877. 

178.  Grafschaft  Castell.  Von  der  alten  Gaugrafschaft  des  Iffigaues 
hatte  das  nach  der  Stammburg  Castell  im  Steigerwald  benannto  Grafen  - 
geschlecht  einen  grofsen  Teil  in  Besitz,  während  ein  anderer  Teil  würz 
burgisch  war.  Aufser  den  Amtern  Castell  und  Rüdenhausen  gehörten 
ihnen  Marktbreit,  Grofsenlankheim ,  Kleinlankheim ,  ein  Teil  von 
Wiesentheid,  Prichsenstadt,  Grafensteinfeld,  Scheinau,  Sommerach,  Sehlofs 
Vogelsburg  und  Haiburg,  Stadt  Volkach,  Dorf  Ostheim,  Sehlofs  Stetten- 
berg bei  Gaibach,  Stadt  Schwarzach,  Dorf  und  Gericht  Schnotzenbach, 
Sehlofs  Schwarzenberg,  Niederscheinfeld,  Neuenburg,  Helmitzheim  und 
Wielandsheim. 

Vieles  von  «lern  Aufgeführten  kam  sehr  bald  an  Würzburg,  Ansbach  u.  a. 
Schon  1321  hatte  Graf  Hermann  III.  sein  Sehlofs  Castell  an  den  Burggrafen 
von  Nürnberg  verpfändet.  —  Vgl.  Viehbeck,  Abrifs  einer  genealog.  Ge- 
schichte des  grärl.  Hauses  Castell  in  Franken.  1813.  Monumenta  Castel 
lana,  Urkundenbuch  1057 — 1546,  hergb.  von  Wittmann.  München  1890. 
v.  Lang,  1.  c.  S.  279  ff.  Das  Grafengeschlecht  leitet  sich  von  einem  Grafen 
Rudolf  um  800  her;  die  urkundliche  Geschichte  beginnt  erst  mit  der  Mitte 
des  XI.  Jh. 

179.  Grafschaft  Wertlieim.  Das  Grafengeschlecht,  welches  nach 
der  Burg  Wertheini  am  rechten  Mainufer,  gegenüber  der  Taubermündung 
(während  der  Ort  am  linken  Ufer  liegt),  den  Namen  führte,  war  im  Main- 

19* 


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292 


VI.  Politinche  Geographie  um  daH  Jahr  1375. 


und  Bachgau  begütert;  es  erscheint  unter  diesem  Namen  zuerst  im  XII.  Jh. 
Die  ersten  Grafen  waren  Lehensmänner  des  Bistums  Würzburg  und 
teilweise  der  Abtei  Fulda.    Von  ersterem  hatten  sie  den  Ort  Wertheim. 
Burg  Laudenbach  und  Freudenberg  sowie  die  Dörfer  Lengefeld,  Burno 
bach,  Waidenhausen,  Sachsenhausen  und  Dödesberg  zu  Lehen.  Im 
XIII.  Jh.  kauften  sie  nach  dem  Aussterben  der  Schenken  von  Klingen 
berg  die  Burg  Prozelten  am  Main  mit  Zubehör.    Damals  stand  die  Graf 
schaft  unter  den  beiden  Brüdern  Poppo  IV.  und  Rudolf  II.    Poppo  IV. 
(t  1281)  hinterliels  drei  Töchter,  die  bezw.  an  einen  Grafen  von  Eber- 
stein, einen  Grafen  von  Hohenlohe  und  Grafen  von  Schlüsselberg  ver- 
mählt waren.    Sie  teilten  mit  ihrem  Oheim  Rudolf  II.  das  Land  so,  dafe 
dieser  drei  Sechstel,  die  drei  Schwestern  je  ein  Sechstel  erhielten.  Nur 
Wertheim  und  Freudenberg  blieben  gemeinschaftlich.    Für  die  übrigen 
Gebiete  war  aber  die  Nichtveräufserung  zur  Bedingung  gemacht  worden, 
so  dafs  vieles  wieder  an  die  Wertheim  zurückkam,  bis  auf  das  an  die 
Kirche  vergebene  Gut.    Von  Rudolfs  II.  (t  1306)  Söhnen  hatte  Rudolf  IV. 
(Jung-Rudolf)  durch  seine  Heirat  mit  Elisabeth,  Tochter  des  Freien 
Eberhard  III.  von  Breuberg,  sein  Territorium  erheblich  vergrößert. 
Das  Breubergsche  Haus  war  1327  erloschen,  und  <lie  vier  Erbtöehter  der 
beiden  letzten  Herren  brachten  je  ein  Viertel  der  Herrschaft  ihren  Gatten 
zu.    Nach  einer  anfänglich  gemeinsamen  Vorwaltung  teilten  die  Erben 
1330  das  Land,  wobei  Rudolf  IV.  den  unteren  Teil  des  Salhofes  in 
Frankfurt  mit  den  daranstofsenden  Häusern,  das  Mainfach  mit  dem 
Fronschiffe,  den  breubergischen  Grundbesitz  in  Frankfurt  und  das  Dorf 
und  Gericht  Bergen  erhielt.   An  der  Burg  Breuberg  war  er  mit  Eppstein 
und  Trimberg  beteiligt.    Auch  die  oben  genannte  Burg  Laudenbach 
besafs  er  nur  teilweise  mit  den  Hennebergern,  erwarb  sie  aber  ganz  1359. 
Sein  Sohn  Eberhard  machte  Wertheim  zu  einem  böhmischen  Lehen; 
er  starb  1373  und  hatte  in  seinem  Sohne  Johann  I.  einen  Nachfolger 

Zu  der  Zeit,  als  Rudolf  II.  mit  seinen  drei  Nichten  die  Grafschaft  teilt- 
umfafste  sie:  Burg  und  Stadt  Prozelten  mit  Zubehör,  Besitzungen  im  Bach 
gaue;  Mosbach,  Sehlierbaeh,  Leider,  Eisenbach,  Wenigenumstätt;  als  würz 
burgisehes  Ix?hen :  Burg  und  Stadt  Laudenbach;  einzelne  Güter  in  Gerlaeh? 
heiin,  Kützbrunn.  Mengebür,  Schöllbrunn,  Neubrunn,  Bettigheini,  Obervolkach 
Hofstetten  ;  als  Mainzer  Lehen :  Eschenbach,  Sulburg,  Weilbach,  Massenheim. 
Wicker  und  Hausen;  als  Fuldaer  Lehen:  Remlingen  und  Pfandsehaften  auf 
die  mainzischen  Orte:  Werbach,  Eyersheim  und  Kulsheim. 

Die  Herrschaft  Breuberg  war  ein  Lehen  von  Fulda.  Die  Herren 
dieses  Namens  (ihre  Stammburg  Breuberg  liegt  jetzt  in  Ruinen  bei  Neustadt 
im  Mümlingtal)  hatten  ihr  kleines  Gebiet  im  XllL  Jh.  vergröfsert,  als  Eln-r 
hard  I.  eine  Erbtöehter  des  ausgestorbenen  Geschlechtes  der  Herren  von 
Büdingen  heiratete  (s.  auch  Herrsch.  Isenburg-Büdingen),  .\ndere  Töchter  dt* 
letzten  Herren  von  Büdingen  Gerlach  (f  1247)  waren  an  einen  Herrn  von 
Hohenlohe-Brauneck  bezw.  Herr  von  Trimberg,  von  Isenburg  und  von  Epj* 
stein  vermählt.  Das  Büdinger  Gebiet  umfafste  Burg  und  Stadt  Büdingen. 
Ortenburg,  Schotten,  Gedern,  Wonnings,  Seibold  und  Gründau. 


Vgl.  Leo,  Territorien  1,  252  ff.     Aschbach,   Gesch.  der  Grafen  \<>n 
Wertheim,  Frankf.  184.5. 


180.  Grafschaft  Rieneck  und  Hanau.  Sie  umfafste  das;  ganze 
untere  Sinntal  und  ein  Stück  des  Maintales  südlich  bis  über  Lohr  hinaus 


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I 


181.  Bistum  Bamberg.  293 

Auch  die  Grafen  von  Rieneck  waren  wie  die  von  Wertheim  Lehens- 
männer von  Würzburg.  In  der  ehemaligen  Gaugrafschaft  Waldsasscn 
besafsen  die  Grafen  freilich  nur  noch  die  erb-  und  eigentümlichen  Stamm- 
lande im  Sinngrund  und  Spessart:  die  Amter  Rieneck,  Bieber,  Lar 
haupten,  Schlüchtern,  Rothenfels.  Grumbach,  Lauda,  Lohr,  Prozelten  (zu 
unterscheiden  von  Stadt  Prozelten ,  unterhalb  der  Taubermündung). 
Gemünd,  Aura  und  Wildenstein. 

Rothenfels  (Rodenfels)  gehörte  den  Herren  dieses  Namens  und  kam  im 
XIII.  Jh.  durch  Heirat  der  Lrbtoehter  an  eine  Nebenlinie  der  Rieneck.  Als 
letztere  1342  ausstarb,  zog  Würzburg  das  Lehm  ein.  —  von  Lang,  Baierns 
Grafschftn.  S.  271  ff. 

Grafschaft  Hanau  bestand  aus  zwei  gröfseren  getrennt  hegenden  Terri 
torien,  von  denen  das  eine  zwischen  Büdmger  und  Mainzer  Gebiet  einge- 
schlossen war  und  das  kleinere  nordöstlich  zu  jenem  das  Gebiet  von  Schlüch- 
tern umfafste.  Die  eigentliche  Stammburg  des  Grafenhauses  war  Wachen-  * 
Buchen.  Später  nahmen  sie  ihren  Sitz  in  Hanau,  (Hagenowe).  Arnd,  Gesch.  der 
Provinz  Hanau,  1858.  Lehmann,  Urkundl.  Gesch.  der  Grafsch.  Hanau-Lichten- 
berg, Mannheim  1862—1864.  Rathgeber,  Die  Grafsch.  Hanau-Lichtenberg, 
Strafsburg  1876. 

181.  Bistum  Bamberg.  Das  Bistum  war  sogleich  nach  seiner 
Begründung  durch  Kaiser  Heinrich  II.  mit  grofsem  Güterbesitz  aus- 
gestattet worden.  Weitere  Schenkungen  vergröfserten  das  Stiftsgut,  so- 
lange sein  Stifter  noch  lebte;  aber  auch  nachher  fehlte  es  nicht  an 
Zuwachs.  Der  Tod  des  letzten  Grafen  von  Meran  (1248)  brachte  die 
eröffneten  Lehen  an  das  Stift  zurück,  und  letzteres  erwarb  aus  der 
meranischen  Erbschaft  selbst  grofse  Bezirke,  zum  Teil  durch  Kauf  von 
seiten  der  Grafen  von  Truhendingen  u.  a.  Freilich,  von  dem  ausgedehnten 
Landbesitz  ging  ein  Teil  durch  Veräufserungen,  Schenkungen  an  Klöster 
u.  s.  w.  dem  Stift  verloren,  aber  das  Stiftsgebiet  umfafste,  abgesehen 
von  den  truhendingischen  und  meranischen  Gebietsteilen,  ein  zusammen- 
hängendes Land  von  Schlüsselfeld  nordöstlich  bis  zum  Frankenwalde 
hinauf.  Aufserdem  aber  war  das  Stift  von  Kaiser  Heinrich  II.  noch 
im  Kärntnerlande  mit  Territorialbesitz  beschenkt  worden.  Kaiser  Heinrich 
hatte  als  ehemaliger  Herzog  von  Baiern  und  Kärnten  bei  Überlassung 
dieser  Länder  an  seinen  Schwager  Heinrich  drei  Grafschaften  sich  vor- 
behalten, von  denen  er  einen  Teil  der  alten  Grafschaft  Lurnfeld  und 
Villach  mit  der  Feste  Arnoldstein  an  das  Bistum  Bamberg  verlieh. 
Desgl.  kamen  Wolfsberg  im  Lavanttale  und  Griffen  im  oberen  Gurk- 
tale hinzu.  Auch  im  salzburgischen  Gebiet,  besonders  am  Atter-See, 
war  es  mit  Landbesitz  ausgestattet,  und  zahlreiche  Güter  besafs  es  über- 
dies im  Nordgau,  Main-  und  Niddagau  und  Thüringen. 

Zu  den  ersten  Dotationen  des  Stiftes  gehörten  Bamberg,  Altenburg, 
Aurach,  Haistatt  im  Rednitzgau,  Forchheim,  die  kärntnischen  Güter  in  Villach 
und  Wolfsberg;  Beilengries  im  Nordgau,  Ergaltingen,  Nittenau  im  Donaugau, 
Schambach,  Abbach,  ferner  sechs  Klöster :  Berching,  Gengenbach,  Haselbach. 
Kitzing,  Neuburg  a.  Donau,  Stein  am  Rhein,  u.  s.  w.  Im  Jahre  1008  wurde 
die  curtis  Salza  in  comitatu  Wilhelmi  geschenkt,  ferner  Eringun,  Velden, 
Auerbach,  Kemnat,  Königsfeld  bei  Weischenfeld,  Machindorf  im  Nordgau;  im 
Jahre  1009  Lintowa,  Linda  bei  Amberg;  1010:  Gut  Incerstedde  in  Nord- 
thüringen, Theres  (früher  Sintherinshausen),   Ingershausen,  Ober-,  Mittel-  und 


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294  VI.  Politisc  he  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

l'nterstrey  im  Grabfeld,  Förrenbach,  Hersbruck,  Form,  Crumbach.  Schnaittnch, 
Ristelbach,  Uettling;  1011:  Güter  Enchoven.  Loizenkirchen,  Geigin  u.a.m.  Zur 
Abrundung  des  Stiftsgebiets  wurden  einige  zu  entfernt  liegende  Gebiete  ausge- 
tauscht gegen  benachbarte.  Im  Jahre  1122  wurde  dem  Stift  von  Kaiser  Hein 
rieh  V.  die  Domäne  Crana  (—  Kronach)  überlassen,  wodurch  es  einen  be- 
deutenden Zuwachs  nach  O.  hin  erfuhr.  Im  Jahre  1160  wurden  von  Kaiser 
Friedrich  I.  als  eigene,  nicht  reichslehnbaren  Schlösser  im  Bistum  Bamberg  an 
erkannt:  Pottenstein,  Göfsweinstein,  Giechhurg,  Lichtenfels,  Nordeck.  Burg- 
kunstadt,  Nordhalben,  Höchstadt,  Winzer  in  Baiern,  Wassenberg  in  Sachsen. 
Griffen,  Frankenburg  und  Föderaun  in  Osterreieh-Kärntcn.  Um  dieselbe  Zeit 
benannte  das  Hochstift  seine  geschlossenen  weltlichen  Besitzungen  in  Franken 
Die  Grafschaft  im  Kerlnitzgau.  —  Beim  Aussterben  der  Meraner  Grafen  zog 
der  Bischof  als  Lehen  ein:  den  Wald  Hautsmor,  Gieeh,  Niesten,  Lichtenfels, 
und  1260  erwarb  er  noch  als  Ersatz  für  andere  von  ihm  beanspruchte  Gebiete 
der  meranischen  Erbschaft  die  Bezirke  von  Weifsmain,  Kronach,  Nonlhalben. 
Steinach,  Markt  Sehorgast  und  Kupferberg.  —  Über  andere  kleinere  RV 
Sitzungen  und  Erwerbungen  s.  von  Lang,  Grafschaften  S.  210  ff.  von  Straufs. 
Das  Bistum  Bamberg  in  seinen  drei  wichtigsten  Epochen,  Bamberg  182:»- 
Jäck,  Gesch.  der  Provinz  Bamberg  1006—1811.  Bambg.  1811.  Looshorn, 
Gesch.  des  Bistums  Bamberg,  München  1885.  Vonend.  Herrschaft  des 
Hochstiftes  Bamberg  in  Oberkärnten,  in  Hormayrs  Archiv  XVII  (1826).  .V.l. 

182.  Burggrafen  tum  Nürnberg.  Das  eigentlich  burggräfliche  Gebiet 
lag  auf  der  linken  Seite  der  Pegnitz  und  der  linken  der  Rednitz.  Es 
umfafste  aber  nicht  das  Gebiet  eines  einzelnen  Gaues,  sondern  setzte 
sich  aus  Bezirken  des  alten  Nordgaues,  des  Sualafeldes,  Rangaues  u.  a. 
zusammen.    Die  in  ihnen  zerstreut  liegenden  unmittelbaren  kaiserlichen 
und  herzoglichen  Güter  waren  dem  Schutze  des  Burggrafen  von  Nürnberg 
unterstellt  worden.   Im  Jahre  1105  wird  als  ein  von  Kaiser  Heinrich  IV 
ernannter  Burggraf  von  Nürnberg  Gottfried  von  Raabs  (Rätz)  genannt, 
der  in  der  Markgrafschaft  Österreich   unmittelbare  Reichslehen  schon 
besafs.   Mit  einem  seiner  Nachkommen,  Konrad,  stirbt  ca.  1190  die  männ- 
liche Linie  aus  und  die  zurückbleibende  Erbtochter  Sophie  brachte  das 
Burggraf entum  Nürnberg  zugleich  mit  der  Grafschaft  Raabs,  der  gräflich 
Abenbergischen  Allodialerbschaft  ihrer  Mutter  und  einigen  fränkischen, 
nicht  burggräflichen  Gütern  ihrem  Gemahl  Friedrich  von  Zollern  (f  1218» 
zu.    Seitdem  ist  das  Burggrafenamt  in  der  Hand  der  Zollern  gewesen. 
Kaiser  Rudolf  machte  es  im  Jahre  1273  für  die  Zollern  zu  einem  erb- 
lichen Reichslehen;  er  verlieh  dem  damaligen  Burggrafen  Friedrich  III., 
dem  Enkel  jenes  ersten  Friedrich,  die  ■  Comiciam  Burggraviae  in  Ntiretit- 
berg,  die  Burg,  welche  er  in  Nürnberg  hatte,  das  Besatzungsrecht  de« 
an  der  Burg  gelegenen  Tores,  das  Landgericht«  und  verschiedene  Gerecht- 
same, sowie  die  Orter  Werd,  Buch,  Schwandt  und  Schlofs  Kreusen  u.  a. 

Die  ehemalige  Verbindung  des  Burggraf entums  mit  der  Grafschaft 
Zollern  (s.  d  S.  284)  war  schon  unter  seinem  Vater  Konrad  (f  1261)  und 
Oheim  Friedrich  II.  (f  1252)  gelöst  worden,  da  beide  Brüder  als  Stifter 
neuer  Linien  das  Land  geteilt  hatten,  wobei  Friedrich  II.  die  Grafschaft 
Zollern,  Konrad,  die  fränkische  Linie  der  Zollern  begründend,  (von 
welcher  auch  das  heutige  Kaiserhaus  abstammt),  das  Burggrafentum 
Nürnberg  mit  den  fränkischen  und  österreichischen  Besitzungen  erhielt 
(1226—1227).    (Die  Grafschaft  Raabs  war  1218  schon  an  Herzog  Leopold 


182.  Bur^rgrafentuin  Nürnberg. 


295 


von  Österreich  verkauft  worden.)  Die  Nachfolger  Konrads,  sein  Sohn 
Friedrich  III.  und  sein  Enkel  Friedrich  IV.,  wufsten  den  Besitzstand  zu  ver- 
p-öfsern,  und  das  gleiche  gilt  von  den  Urenkeln  Johann  II.  (i  1357)  und 
dann  Friedrich  V.  (f  1398).  Letzterem  wurde  von  Kaiser  Karl  IV.  1363 
die  Reichsfürsten  würde  zuerkannt.  —  Der  ausgedehnte  Landbesitz,  auf 
welchen  der  Name  des  Burggrafentums  Nürnberg  in  seinem  weitesten 
l'mfang  übertragen  wurde,  setzte  sich  aus  zwei  getrennten  gröfseren 
Komplexen  schon  damals  zusammen,  von  denen  der  eine  die  Gebiete 
um  die  obere  Rednitz  und  Altmühl  umfafste,  der  andere  das  Land  am. 
oberen  Main,  Saale  und  Eger  begriff. 

Konrad  (f  1261) 
I 

Friedrich  III,  (t  1297) 
Johann  I.  f  1300    Friedrich  IV.  (f  1332 
Johann  II.  f  1357    Konrad  V.  f  1334    Albrecht  r  1361 

Margarete  Anna 

Friedrich  V.  (f  1398) 

Johann  VI.  t  1420  Friedrich  VI.  (f  1440) 

Kurf.  v.  Bmndbg. 

Zum  alten  Bestände  des  Burggrafentums  gehörte  also  das  linksseitige 
Pegnitzgebiet;  in  der  Nähe  von  Nürnberg  griff  es  bei  Doos,  Poppenreut,  Buch, 
firofc-  und  Klein-Rcut,  Erlenstegen  auf  das  rechtseitige  hinüber;  ferner  das 
Reichsschultheifsenamt  Neumarkt,  die  Gebiete  von  Altdorf,  Schönberg  und 
Kngelthal ;  Schwabach  im  Sualafeld  mit  Büchenbach,  Tennenlohe,  Kämmer- 
lein, Reichenbach,  Rohr,  Gustenfelden,  Wolkersdorf  und  Dietersdorf;  im 
Rangau :  Kadolzburg,  Langenzenn  und  Emskirchen.  —  Das  Schultheifsenamt 
Neiunarkt  mit  26  Ortschaften  (s.  diese  bei  von  Lang,  Baierns  alte  Grafschftn.^ 
>.  245)  fiel  1268  beim  Tode  Konradins  von  Hohenstaufen  an  dessen  Erbend 
die  Herzöge  von  Baiern. 

Durch  Burggrafen  Friedrich  III.  kam  ein  Teil  der  nieranischen  Erbschaft 
an  das  Haus.    Die  Grafen  von  Andeehs-Meran  (s.  über  diese  unter  Österreich. 
I>ande)  starben   mit  Graf  Otto  IL    aus.     Von  seinen  fünf  Schwestern  war 
Elisabeth    mit    jenem  Burggrafen   Friedrich  III.   vermählt     Der  sich  an- 
^hliefsende  Erbsehaftsstreit  wurde  erst  1260  beigelegt.    Aufser  den  Häusern 
ler  Orlamünde  und  Truhendingen  erbten  die  Hohenzollernschen  Burggrafen, 
und  zwar  die  Stadt  und  Herrschaft  Bayreuth  mit  Obernsecs,  Bindlocn  und 
Weidenberg.    Die  Orlamünder  verkauften  bald  darauf  (1290)  von  ihrem  Erbteil 
die  Herrschaft  Zwernitz  an  die  Burggrafen;  späterhin  (1336)  erhielten  letztere- 
von  jenen  auch  Kulmbach  als  Pfand  und  Johann  II.  sehliefslich  nach  dem 
Erlöschen  der  Orlamünder  Linie  die  den  Burggrafen  schon  vorher  verschriebene 
Herrschaft    Plassenburg,    Kulmbach    und    Berneck    im    Fichtelgebirge.  — 
Friedrich  IV.  hatte  ferner  Onoldesbach  oder  Onolzbach  =  Ansbach  käuflich 
von  den  Grafen  von  Ottingen  mitsamt  dem  dornbergi  sehen  Territorium 
erworben   1331).     Das  letztere  gehörte  als  ein  Teilstück  des  Rangaues  den 
Bischöfen  von  Würzburg;   diese  hatten  aber  Ansbach  schon  1259  verpfändet 
und  die  dort  fungierenden  Vögte  von  Dornberg  aus   dem  Hause  der  Herren 
von  Schalkhausen  hatten  ihr  Vogteigebiet  allmählich  zu  einer  eigenen  Herr- 
schaft umzugestalten  gewufst.    128H  starben  mit  Wolfram  die  Herren  von 
Schalkhausen  aus  bis  auf  drei  Erbtöchter,  die  ihr  Erbteil  durch  Heirat  an  den 
Grafen  von  Heideck  bezw.  an   die  (trafen  von  Öttingen  brachten.  Letztere 
verkauften  eben  1331  ihren  Anteil  (Burg  Dornberg  mit  Zubehör,  die  Vogtei 
über  Ansbach  und  das  Gumbert usstift  daselbst)  an  die  Burggrafen.   Diese  hatten 
von  dem  Heidecker  Anteil  auch  die  Rindsmaulische  Besitzung  von  Windsbach 


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2<)6 


VI.  Politische  (ieographie  um  das  Jahr  1375. 


schon  1202  käuflich  erworben.  —  Andere  Erwerbungen  waren  noch  die  beiden 
Burgen  Rauhen-  und  Schlechtenkulm  1282.  zwischen  denen  1370  Neustadt  am 
Kulm  entstand;  Schlofs  Wunsiedel  12Hf>;  131H:  Colmberg  und  Leutershausen 
von  den  Grafen  von  Truhendingen.  —  Unter  den  nächsten  Nachkommen  Burggrat 
Friedrichs  IV.  fand  zwischen  Friedrich  V.  und  seinem  Oheim  Albrecht  1858  eine 
Teilung  des  Landes  statt,  die  mit  Albrechts  Tod  1361  schon  wieder  aufgeholfen 
war.  Albrecht  selbst,  der  mit  Gräfin  Sophie  von  Henneberg  vermählt  war,  hatte 
durch  sie  die  Herrschaften  Schmalkalden,  Hildburghausen  und  Kissingen  mit 
Schildeck  im  Saalgau  und  Königsberg  im  Grabfeld  erworben.  1360  verkaufte  er 
Schmalkalden  und  anderes  im  Grabfeld,  um  Altorf  und  Heroldsberg  von  Nassau 
zurückzuerwerben.  Da  Albrecht  nur  zwei  Töchter  hinterliefs,  so  ging  <ia> 
Erbteil  seiner  Frau  an  die  Tochtermänner  über:  Margarete  brachte  einen 
Teil  der  hennehergischen  Besitzungen  ihrem  Gemahl  Markgraf  Balthasar  von 
Meilsen  zu,  und  Anna  Kissingen,  Altorf  und  Heroldsberg  ihrem  Gemahl. 
Herzog  Swantibor  von  Pommern.  —  Friedrich  V.,  der  nach  Albrechts  Tod  den 
burggräflichen  Anteil  wieder  zurückerhielt,  kaufte  1304  von  Nassau  die  Reichs- 
pfandschaften  Kammerstein,  Schwabach  und  Kornburg  zurück;  1368  von  den 
Seckendorf:  Günzenhausen;  1371  von  den  Hohenlohe:  Wassertrüdingen  uml 
137H  Uffenheim;  1373  die  letzten  Anrechte  im  Rekenitzlande  von  den  Vögten 
von  Weida.  —  von  Stillfried.  Genealogische  Gesch.  der  Burggrafen  von 
Nürnberg,  Görlitz  1844. 

188.  Grafschaft  Öttingen.  Das  Ries  bildet«  eine  alt«  Gaugrafschaft, 
in  der  ein  SUjehardm  comes  in  pago  Riezzin  im  Anfang  des  XI.  Jh.  schon 
genannt  wird.  Ein  comes  de  Oettingin  als  Vorsteher  des  Landgerichts  im  Ries- 
erscheint  1145;  von  ihm  beginnt  die  ununterbrochene  Stammreihe 
dieser  Grafen.  Sie  besafsen  neben  dem  Ries  noch  das  Härtfeld  mit  den 
Bargen  und  Herrschaften  von  Öttingen,  Wallerstein,  Allerheim,  Harburg. 
Flochberg,  Baldern  und  die  Vogtei  über  Kloster  Neresheim.  In  der 
Fehde  gegen  Kaiser  Heinrich  VTL  gingen  der  Grafschaft  aber  Crails- 
heim, Honhard,  Steinberg  bei  Günzenhausen,  Hilsbach  und  Wahrberg 
bei  Herrieden  verloren  (1310).  Unter  Kaiser  Ludwig  dem  Baiern  erhielten 
die  Grafen  Ludwig  und  Friedrich  die  Landgrafschaft  des  Unterelsafs; 
die  mit  dieser  verbundenen  Herrschaften  wurden  aber  sehr  bald  (1358 — 1362) 
von  ihnen  verkauft. 

Im  Ries  waren  neben  ihnen  noch  die  Herren  von  Hürnheim  ansässig 
die  einen  grofsen  Teil  ihrer  Güter  an  die  Öttinger  Grafen  verkauften;  so  1347 
die  Güter  Hochhaus.  Schmähing,  Niederaltheim,  den  Wald  zwischen  Bolstatt 
und  Hohenaltheim  sowie  die  Vogtei  über  Kloster  Deggingen  und  1364  Katzen 
stein.  —  Strelin,  Genealog.  Gesch.  der  Grafen  v.  uttingen,  Nördlingen  1799 
Stalin,  Wirt.  Gesch.  III,  090. 

Die  Grafschaft  Truhen  dingen  war  zum  gröfsten  Teil  in  den  Besitz 
der  öttinger  gekommen.  Die  Truhendingen  oder  Truwendingen  waren  ehemals 
Gaugrafen  im  Sualafeld  gewesen.  Aus  ihrem  Bezirk  gingen  hervor  die  eich 
stättischen  Ämter:  Herrieden,  Ahrberg  und  Ornbaum,  die  ansbachischen  Ämter 
Günzenhausen,  Wassertrüdingen  und  Hohen trüdingen  mit  den  Klostervogteien 
von  Heiden  heim  und  Solenhofen  und  die  Bezirke  von  Triesdorf,  Weidenbach, 
Merkendorf  sowie  das  Deutschordenshaus  in  Stadt  Eschenbach.  Hohentrüdingen 
war  der  eigentliche  Grafensitz.  Getrennt  von  diesem  Gebiet  besafsen  sie  ein 
zweites  im  oberen  Maingebiet,  welches  ihnen  aus  der  meranisehen  Erbschaft 
zugefallen  war,  da  ein  Truhending  eine  Grälin  von  Meran  geheiratet  hatte 
Seit  dem  XIII.  Jh.  ging  der  reiche  Landbesitz  durch  Heiraten,  Veräufserungen, 
Verpfändungen  an  die  Nachbarn  verloren:  die  Gebiete  im  Sualafeld  besonder- 


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184.  ReieliBMtiultc  in  Frauken  und  Schwaben. 


297 


an  die  Öttinger  und  Burggrafen  von  Nürnberg;  an  <lie  letzteren  und  das  Bam- 
berger Stift  die  der  meranischen  Erbsehaft,  von  Lang,  Grafschaften  8.  303  ff. 

184.  Reichsstädte  In  Pranken  und  Schwaben.  Eine  Reihe  von 
Städten  hatte  in  diesen  Landen  im  Laufe  der  Zeit  eine  der  fürstlichen 
Landeshoheit  nahekommende  Selbständigkeit  erlangt.  Besonders  das 
herzogliche  Schwaben  war  nach  dem  Aussterben  der  Hohenstaufen  reicher 
an  solchen  Städten  als  irgend  eine  deutsche  Landschaft.  Die  Stellung 
dieser  Reichsstädte  gegenüber  den  Landesherren  bildete  einen  Haupt- 
knotenpunkt der  schwäbischen  Geschichte  im  späteren  Mittelalter.  (Stälin.  ) 

Nürnberg  kommt  zum  erstenmal  als  Xovrenberg  in  einer  Urkunde 
Heinrichs  in.  vor.  Auf  der  den  Ort  überragenden  Anhöhe  befanden  sieh  zwei 
Burgen,  von  denen  die  westliche  die  burggräfliche,  die  östliehe,  kleinere,  die 
kaiserliche  Burg  war.  Anfänglich  lagen  die  gerichtlichen  und  militärischen 
Befugnisse  in  der  Hand  des  Burggrafen,  dann  aber  (XII.  Jh.)  nahm  der  Kaiser 
vermittelst  eines  ihm  untergebenen  Castellanus  und  kaiserlichen  Burgvogtes 
(butieularius,  Butigler)  die  Verwaltung  des  zur  Burg  gehörigen  Reichsgutes  selbst 
in  die  Hand,  —  schon  um  ein  Gegengewicht  gegen  die  mit  reichem  Allodial 
besitz  ausgestatteten  Burggrafen  zu  .schaffen.  Die  Stadt,  die  unter  dem  Schutze 
der  Burg  mächtig  emporblühte,  stand  schon  gegen  Ende  des  XI.  Jh.  unmittel- 
bar unter  kaiserlicher  Gewalt.  Die  Gerichtsbarkeit  war  auch  sehr  früh  schon 
aus  dem  Machtbereich  des  Burggrafen  ausgeschieden  worden  und  ihm  nur  die 
Aufsicht  über  die  Festungswerke  gelassen  worden.  Die  Stadt,  für  welche  im 
Jahre  1200  ein  Schultheifs  bezeugt  ist,  war  unabhängig  vom  Burggrafen.  Im 
Jahre  1219  stellte  ihr  Kaiser  Friedrieh  II.  den  ersten  Freiheitsbrief  aus.  Noch 
im  XIV.  Jh.  gelang  es  auch  dem  Rate,  die  Reichsvogtei  und  damit  die  hohe 
Gerichtsbarkeit  und  den  Rechtstitel  auf  die  Landeshoheit  über  das  Gebiet  des 
Reichswaldes  an  sich  zu  bringen.  —  Vgl.  im  übrigen  Mummenhoff,  Der 
Reichsstadt  Nürnberg  geschichtlicher  Entwiekelungsgang.  Lpz.  1898.  Riedel. 
Ursprung  und  Natur  der  Burggrafschaft  Nürnberg,  Berl.  1854.  Vgl-  auch  den 
Abschnitt:  Burggf.  Nürnberg. 

Rothenburg  ob  de  r  Tau  her.  Zur  königlichen  Landvogtei  zu  Rothen- 
burg gehörten  aufser  dieser  Reichsstadt  noch  die  nachfolgenden  drei.  Bis  1108 
war  Rothenburg  im  Besitz  der  Grafen  von  Rothenburg  und  Hornburg  gewesen; 
dann  kam  es  durch  die  Staufer  an  das  Reich.  Im  Jahre  1172  wurde  es  zur 
Reichsstadt  erhoben  und  den  Burggrafen  von  Nürnberg  unterstellt.  Im  Jahre 
1367  hatte  che  Stadt  die  Reichsburg  Endsee  mit  mehreren  Gütern  erworben. 
Noch  beträchtlicher  waren  die  Erwerbungen  im  XV.  Jh.  —  Vgl.  v.  Winter- 
bach, Gesch.  d.  St.  Rothenbg.,  1820.  Bensen,  Gesch.  u.  Beschrbg.  d.  St. 
Rothenbg.,  Erlangen  1856. 

Feucht wangen.  Neben  einem  Reichsstift  (Benediktinerabtei)  gab  es 
auch  eine  Reichsstadt.  Letztere  war  meist  verpfändet ;  seit  1376  ständig  im 
Besitz  der  Burggrafen. 

Dinkelsbühl  (Dingspill)  erhielt  eine  seil  »ständige  Verfassung  1305.  Seit 
1341  in  Pfandschaft  der  Grafen  von  Ottingen,  kaufte  es  sich  1351  für  immer 
los  und  wurde  als  Reichslehen  anerkannt.  Beck,  Übersicht  üb.  d.  Gesch. 
der  ehemaligen  freien  Reichsstadt  Dink.,  1886. 

Windsheim  erhielt  1295  eigene  Gerichtsbarkeit ,  war  aber  ebenfalls 
meist  in  Pfandschaft,  aus  der  es  sich  1360  selbst  loskaufte;  damals  erhielt 
es  auch  die  Reichsfreiheit.  Cber  diese  Städte  vgl.  auch  v.  Lang,  Baierns 
alte  Gfsch.,  S.  251  ff. 

W  ei  Isen  bürg  am  Sand,  an  der  Schwäbischen  Rezat,  wird  792  schon 
erwähnt.  Bis  1030  im  Besitz  Herzog  Einsts  II.  von  Schwaben,  kam  sie  damals 
an  das  Reich,  doch  erst  1296  erhielt  es  eigene  Gerichtsbarkeit  und  nach  und 
nach  auch  die  reichsstädtischen  Rechte. 


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298 


VI.  Politische  Geographie  um  »las  Jahr  1375. 


Wimpfen  am  Berg,  am  Neckar  unfern  der  Jagstmündung  gelegen. 
Anfangs  unter  dem  Bisehof  von  Worms  stehend,  machte  es  sich  allmählich 
seihständig.  Die  Vogtei  besafs  es  vom  Kaiser  als  Lehen ,  bis  es  im  XIV.  Jh. 
auch  Reichsfreiheit  erwarb.  Zu  Beinern  Gebiet  gehörte  nur  das  Dorf  Hohenstatt. 
Vgl.  Heid,  Gesch.  der  St.  Wimpfen,  Heilbr.  1846.  Frohnhäuser,  Gesch.  d. 
Reichsstadt  Wimpfen,  Darmst,  1870. 

Hall  (Schwäbisch-Hall)  war  durch  die  Saline  emporgekommen.  Nach 
dem  Aussterben  der  Grafen  von  Rothenburg  kam  es  an  die  Staufer  und  nach 
diesen  an  das  Reich;  1276  wurde  es  Reichsstadt.  Sehr  ausgedehnt  war  das 
zugehörige  Territorium,  welehes  aus  sieben  Ämtern  sich  zusammensetzte.  K  o  1  b, 
Gesehichtsquellen  der  St.  Hall.  Stuttg.  1894. 

Heilbronn  war  ehemals  eine  königliche  Pfalz  gewesen  und  seit  1073 
eine  Stadt.  Anfangs  dem  Bistum  Würzburg  gehörig,  kam  es  an  die  Staufer 
und  1268  an  das  Reich;  1360  wurde  es  zur  Reichsstadt  erhoben.  Jäger, 
Gesch.  von  Heilbr.,  1828.  Kuttler,  Heilbronn,  seine  Umgebungen  u.  s.  Ge- 
schichte, 1859. 

Laufen  war  nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Laufen  1212  an  das 
Reich  gefallen,  bald  aber  (1220)  an  den  Markgrafen  Friedrich  V.  von  Baden 
verpfändet  und  nie  wieder  eingelöst  worden. 

Efslingen  besafs  schon  886  Marktgerechtigkeit.  Kaiser  Otto  IV.  verlieh 
der  Stadt  1209  bürgerliche  Freiheiten.  1243  wurde  sie  an  den  Grafen  von 
Grüningen,  1260  an  Graf  Ulrich  v.  Wirtemberg  verpfändet.  —  Pf  äff,  Gesch. 
«ler  Reichsstadt  Kfslingen,  1852. 

Weil  der  Stadt  an  der  Würm;  seit  1275  foppidum  nosb-um  Wyk)  freie 
Reichsstadt. 

Gmünd  (Schwäbiseh-Gmünd),  früher  auch  Kaiserereut  genannt,  gelangte 
aus  hohcnstauHschem  Besitz  zur  Würde  einer  Reichsstadt.  Grimm,  Gesch. 
der  ehemaligen  Reichsstadt  Gmünd,  1867. 

Aalen  war  ehemals  im  Besitz  der  Grafen  von  Öttingen  gewesen,  ehe  es 
Reichsstadt  wurde.    Bauer,  Gesch.  der  Reichsst.  Aalen,  1884. 

Bopfi  ngen  und  Nor  dl  in  gen  liegen  im  Ries.  Letztere  Stadt  war  898 
an  das  Hochstift  Regensburg  gekommen,  wurde  aber  1215  von  Kaiser  Friedrich  11. 
gegen  andere  Gebiete  eingetauscht.  Seit  1250  war  sie  in  Pfandschaft  der  Öttingcr, 
von  der  sie  sich  im  XIV.  Jh.  loslöste.  Vgl.  Beyschlag,  Gesch.  «1.  St.  Nord- 
lünen, N.  1851. 

Donauwörth,  in  der  Grafschaft  Wöhrd  (Werid)  gelegen,  gehörte  ehe 
mals  den  Dillinger  Grafen,  kam  dann  an  die  Staufer  (1191)  und  arbeitete  sich 
im  XIII.  Jh.  zur  Reichsstadt  empor,  was  ihr  unter  König  Albrecht  I.  gelang. 
1376  wurde  es  an  Baiern  verpfändet. 

Giengen  an  der  Brenz  mit  einer  hohenstaufischen  Burg  (Kim)  wurde 
1307  Reichsstadt. 

Reutlingen  am  Fufse  der  Achalm,  ehemals  hohenstautisch.  Durch 
Kaiser  Otto  IV.  erhielt  es  gleichzeitig  mit  Efslingen  die  ersten  Freiheiten  und 
durch  Kaiser  Friedrich  II.  die  erste  Befestigung. 

Ulm  war  eine  karolingische  Villa  gewesen  und  kam  später  unter  ilie 
Reichsvogtei  der  Dillinger  Grafen,  vermochte  aber  nach  «lern  Aussterben  letzterer 
» 1258)  ein  unmittelbares  Verhältnis  zum  Reiche  anzubahnen;  mit  der  Vogtei 
wurde  Graf  Ulrich  von  Wirtemberg  belehnt.  Im  Jahre  1155  war  Ulm  Reichsstadt, 
1274  erhielt  es  besondere  Freiheiten.  Fischer.  Gesch.  d.  Stadt  Ulm,  U.  1863. 
Schultes,  Chronik  von  Ulm,  1881. 

Rott  weil  am  Neckar  in  der  Baar  war  ein  königlicher  Hof  (Roturüln 
rurtr  regali)  mit  Pfalz.  Andere  kleinere  Reichsstädte,  die  nicht  immer  zu 
grofser  Bedeutung  gelangten,  waren  noch  Pfu Mendorf  im  Linzgau  (seit  1220 


Ravensburg  (seit  1276).  Buchhorn,  ein  Teil  des  heutigen  Friedrichshafen 


185.  Herzogtum  Haiern. 


299 


seit  1275),  Buchau  mit  der  gleichnamigen  Reiehsabtei,  Biberac  h  im  Rifsthal 
(seit  l:J12),  Memmingen  an  der  Aach  (seit  1296),  Lindau  (seit  1274), 
Kempten  (Altstadt  1289  reichsfrei;  in  der  Neustadt  die  Reiehsabtei  Kempten 
seit  1:560),  Kaufbeuren  (seit  1286),    Leutkireh   an  der  Eschach  (seit 

xm.  Jh.). 

Zu  den  Reichsstädten  zählten  seit  dem  XIV.  Jh.  auch  verschiedene 
Bischofsstädte,  die  sich  der  Landeshoheit  des  Bischofs  mehr  oder  weniger  zu 
entziehen  vermocht  hatten:  Basel,  Strafsburg,  Speier,  Worms,  Mainz,  Cöln, 
Regens  bürg.  Augsburg,  Constanz,  Magdeburg.  Sehröder,  Dt.  Reehtsgeseh.,  S.  632. 

185.  Herzogtum  Baiern.  Die  territoriale  Entwicklung  gestaltete 
sich  für  Baiern  insofern  güustiger  als  bei  anderen  Ländern,  als  es  bereits 
den  ersten  Herzögen  aus  dem  Hause  Wittelsbach  gelang,  einen  grofsen 
Teil  der  alten  Grafschaften  zu  erwerben  und  zum  unmittelbaren  Herzogs- 
gebiet zu  schlagen.  Hiermit  war  einer  Zersplitterung  vorgebeugt,  wie 
sie  in  Schwaben  und  Franken  eintrat;  freilich  wurde  durch  mehrmalige 
Teilungen  des  Landes  unter  den  Mitgliedern  des  herzoglichen  Hauses 
und  die  hierdurch  hervorgerufenen  Zwistigkeiten  die  einheitliche  kraft- 
volle Entwickelüng  des  Landes  wieder  beeinträchtigt.  —  Seit  Herzog 
Heinrich  IV.  im  Jahre  1002  als  Heinrich  II.  den  deutschen  Kaiserthron 
bestiegen  hatte,  war  das  Herzogtum  aus  einer  Hand  in  die  andere 
gelangt,  doch  war  es  meist  den  Angehörigen  der  kaiserlichen  Familie 
verliehen  worden.  Im  Jahre  1061  fiel  es  an  Otto  von  Nordheim,  der 
es  1070  an  Weif  I.  abtreten  mufste.  Die  Herrschaft  der  Weifen  währte 
dann  bis  zum  Sturz  Heinrichs  des  Löwen  1180.  In  eben  dem  Jahre 
wurde  es  an  den  Pfalzgrafen  Otto  IV.  (I.)  von  Wittelsbach  aus  dem 
( iraf engeschlecht  der  Scheyern  vergeben,  und  hiermit  begann  die  Herr- 
schaft der  Wittelsbacher,  die  bis  zur  Gegenwart  anhält. 

Aufser  den  Grafschaften  in  Altbaiern,  die  gleich  anfangs  erworben 
wurden,  konnte  bereits  der  zweite  Wittelsbacher,  Ludwig  I.,  einen 
bedeutenden  Landgewinn  ausserhalb  Baierns  verzeichnen.  Da  der 
rheinische  Pfalzgraf  Heinrich  II.  1214  kinderlos  gestorben  war,  so  erbten 
seine  Schwestern,  von  denen  Agnes  mit  Ludwigs  Sohn,  Otto,  frühzeitig 
verlobt  worden  war.  Letzterer  wurde  daher  in  demselben  Jahre  vom 
König  mit  der  Pfalzgrafschaft  und  den  Reichslehen  belehnt.  Hiermit 
hatte  die  bairische  Herrschaft  dauernd  auf  linksrheinischem  Gebiet  Fufs 
gefafst.  —  Unter  den  Söhnen  Ottos  II.  fand  die  erste  Landesteilung  statt 
(1255),  bei  welcher  Ludwig  der  Strenge  die  Pfalz  und  den  oberen  Teil 
von  Baiern  erhielt  und  Heinrich  den  niederen  Teil  mit  der  Hauptstadt 
Landshut.  Zum  erstenmal  tritt  hier  die  Gegenüberstellung  von  Ober- 
baiern  und  Nie  derb  aiern  in  der  Geschichte  auf.  —  Nicht  unbeträchtlich 
war  das  Erbe  der  Hohenstaufen,  die  seit  Jahren  mit  den  Wittelsbachern 
zusammengehalten  hatten.  Nach  dem  Tode  Konradins  (1268)  fiel  das 
alte  Weifengut  im  bairischen  Augstgau  an  das  Herzogtum  zurück.  Auch 
sonst  wurden  mehrere  Neuerwerbungen  in  der  Nachbarschaft  (Schwaben, 
Nordgau)  gemacht,  die  1269  unter  die  beiden  Linien  geteilt  wurden. 
Der  ältere  von  den  Brüdern,  Ludwig,  hatte  noch  andere  Landerwerbungen 
gemacht  und  in  allen  seinen  Unternehmungen  eine  glücklichere  Hand 
als  sein  Bruder  Heinrich. 


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300  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Nach  dein  Tode  Ludwigs  des  Strengen  (1294)  nahm  sein  ältester 
Sohn  Rudolf  die  Zügel  der  Regierung,  zugleich  auch  für  seinen  jüngeren 
Bruder  Ludwig,  in  die  Hand.  Seit  1302  war  letzterer  Mitregent.  Doch 
die  fortdauernde  Uneinigkeit  zwischen  beiden  veranlafste  eine  Teilung 
(1310),  bei  der  Rudolf  den  südöstlichen  Teil  von  Oberbaiern  mit  München, 
Ludwig  den  Nordwesten  mit  Ingolstadt  erhielt.  Die  burggräflichen  Rechte 
in  Regensburg  und  die  Grafschaften  Hirschberg  und  Leuchtenberg  blieben 
ungeteilt,  ebenso  die  Pfalz.  —  Der  Münchener  Vertrag  (21.  Juni  1313) 
zwischen  beiden  Brüdern  hob  die  Landesteilung  freilich  wieder  auf  und 
führte  eine  gemeinsame  Regierung  ein,  doch  durfte  Rudolf  die  Kurstimme 
allein  führen. 

Weit  folgenreicher  wurde  der  Vertrag  von  Pavia  (4.  August  1329), 
der  zwischen  dem  nunmehrigen  Kaiser  Ludwig  und  den  Söhnen  und 
Enkeln  seines  Bruders  Rudolf  (t  1319)  zustande  kam,  denn  er  führte  zu 
einer  vier  und  einhalb  Jahrhundert  währenden  Trennimg  Baierns  und 
der  Pfalz.  Ludwig  selbst  erhielt  Oberbaiern  und  vom  Vitztumamte 
Lengenfeld :  Burg  und  Markt  Lengenfeld,  Kaimüntz,  Schwandorf  und 
«inige  andere  Burgen  und  Märkte,  die  burggräflichen  Rechte  in  Regens- 
burg und  die  Vorstadt  von  Regensburg,  desgl.  die  zur  Grafschaft 
Hirschberg  gehörigen  Landgerichte.  Alles  übrige  fiel  den  Nachkommen 
Rudolfs  zu:  die  Pfalz  und  der  gröfste  Teil  des  Vitztumamtes  Lengenfeld, 
der  sog.  Oberpfalz  (s.  unter  Pfalz  S.  260). 

Die  von  Heinrich  I.  (+  1290)  begründete  niederbairische  Linie  hatte 
bis  dahin  fortbestanden;  mit  dem  noch  jugendlichen  Johann  als  letzten 
seines  Hauses  starb  sie  1340  aus.  Der  Kaiser  ergriff  Besitz  von  Nieder- 
baiem,  und  nach  85  jähriger  Trennung  (seit  1255)  wurde  es  mit  Ober 
baiern  wieder  vereinigt. 

Nur  vorübergehend  war  der  Besitz  der  Mark  Brandenburg  (1323 — 1373) 
und  Tirols  (1342 — 1363),  wogegen  jener  des  Hennegau  und  Hollands  bis  in 
das  nächste  Jahrhundert  währte.  Als  1345  der  kinderlose  Graf  Wilhelm  IV. 
von  Holland  gestorben  war,  nahm  der  Kaiser  für  dessen  Schwester,  seine 
eigene  Gemahlin  Margarete  den  Hennegau  als  Frauenlehen  in  Anspruch, 
und  vermöge  des  ihm  zustehenden  Verleihungsrechtes  belehnte  er  seine 
Gattin  auch  mit  den  Grafschaften  Holland  und  Seeland  und  der  Herr- 
schaft Friesland. 

Für  die  Abrundung  seines  Landes  war  es  nicht  ohne  Bedeutung, 
dafs  er  die  Grafschaft  Graisbach  in  Oberbaiern,  die  letzte  noch  nicht 
unmittelbar  unterworfene,  als  Heiratsgut  seines  Enkels  Friedrich  erwarb 
und  damit  einen  geschlossenen  Landbesitz  hatte,  der  vom  Mondsee  bis 
Ulm  und  von  Rattenberg  im  S.  bis  über  Burglengenfeld  und  Wald 
münchen  hinausreichte. 

Die  Nachkommenschaft  Ludwigs  sorgte,  dafs  dieser  ausgedehnte 
Landbereich  nicht  allzulange  vereinigt  blieb,  und  wiederholte  Teilungen 
zersplitterten  das  Ganze.  Aus  seiner  ersten  Ehe  mit  Beatrix  von  Glogau 
stammten  Ludwig  der  Altere  und  Stephan  1.,  aus  sein  erzweiten  mit  Mar- 
garete von  Holland :  Ludwig  der  Römer,  Wilhelm  I.,  Albrecht  I.  und 
Otto  IV.    Die  Teilung  von  1349  schied  den  Gesamtbesitz  in  zwei  Teile. 


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185  Herzogtum  Baiern. 


301 


von  denen  Ludwig  der  Ältere,  Ludwig  der  Römer  und  Otto  ganz  Ober- 
haiern,  Brandenburg,  die  Erbschaft  Neifen-Marstetten-Graisbach,  Tirol 
und  verschiedene  Güter  in  Schwaben  und  Franken  erhielten  und  die 
drei  anderen,  Stephan,  W  ilhelm  und  Albrecht,  Nioderbaiern  und  die  ganze 
holländische  Erbschaft.  Durch  neue  Verträge  vom  10.  November  1350 
und  24.  Dezember  1351  trat  Ludwig  der  Altere  die  Mark  ganz  an  seine 
Brüder  Ludwig  den  Römer  und  Otto  IV.  ab.  Ebenso  fand  im  nieder- 
bairischen  Hause  am  3.  Juni  1353  zu  Regensburg  eine  Teilung  statt, 
nach  welcher  Stephan  den  gröfseren  Teil  Niederbaierns  mit  Landshut, 
Wilhelm  und  Albrecht  den  kleineren  nördlichen  Teil  mit  Straubing, 
Landau,  Cham  sowie  die  niederländischen  Gebiete  erhielten. 

Es  bestanden  somit  im  eigentlichen  altbairischen  Lande  drei 
getrennte  Landschaften:  1.  Oberbaiern  mit  Tirol  unter  Ludwig  dem 
Alteren  (V.);  2.  Ni e d er b ai er n- Landshut  unter  Stephan  I.  und 
3.  Nieder  baier  n -Straubing  unter  Wilhelm  I.  und  Albrecht  1.  Die 
oberbairische  Linie  stirbt  mit  Ludwigs  Sohn,  Meinhard,  1363,  bereits  aus, 
und  Stephan  I.,  der  von  dessen  Land  Besitz  ergreift,  vereinigt  Ober- 
baiern und  Niederbaiern-Landshut  wieder,  wahrend  der  Straubinger 
Landesteil  noch  bis  1429  getrennt  bleibt. 

Als  die  Grafen  von  Scheyern,  von  denen  Graf  Otto  V.  seit  1115  sieh  auch 
naeh  der  Burg  Wittelsbach  bei  Aichach  nannte,  unter  Otto  VI.  1180  zur  Herzog- 
Würde  gelangten,  besafsen  sie  ein  nicht  unbeträchtliches  Gebiet,  welches  sich 
teils  aus  Familiengut ,  teils  aus  anderen  erworbenen  Grafschaften  zusammen- 
setzte. Zu  ersterem  gehörte  eine  Grafschaft  im  Westergau  um  Paar,  Ilm  und 
Glon.  Eine  zweite  Grafschaft  lag  an  der  Donau  und  die  Burg  Kelheim  bis  an 
die  kleine  Laber  reichend.  Auch  weiter  abwärts  hatten  sie  Besitz  in  Regens- 
bürg  und  Umgegend,  um  die  Mündung  der  Aitrach  und  Isar,  in  der  Gegend 
von  Straubing  und  Deggendorf;  die  alte  Grafschaft  umfafste  etwa  die  späteren 
Ämter  Straubing  und  Natternberg.  Im  Nordgau  besafsen  sie  ferner  Güter  um 
Kreussen  und  Kronach,  um  Amberg,  Lengenfeld,  Pettendorf  und  Schwandorf. 
Auch  im  Gau  Lnterinntal  waren  sie  begütert.  Ferner  gehörten  ihnen  die  Graf- 
schaft Dachau,  nach  der  sich  eine  Linie  des  Hauses  nannte,  zu  beiden  Seiten  der 
Amper  und  viele  Güter  an  der  Würm  und  weiter  südlich.  Die  Grafschaft  Ebers- 
berg und  Sempt,  deren  Dynasten  1045  ausgestorben  waren,  erstreckte  sich  vom 
rechten  lsarufer  las  östlich  den  halben  Lauf  der  Isen  (Nebenflufs  des  Inn)  noch 
umfassend  und  von  Moosburg  bis  zur  NÜ.-Biegung  der  Mangfall.  Die  Grafen  von 
Scheyern  teilten  dieses  Gebiet ;  die  nördliche  Hälfte  mit  der  Hauptburg  Warten- 
berg bei  Erding  nahmen  die  Wittelsbacher,  die  südliche  die  Grafen  von  Valley 
(Falle»,  in  der  Nähe  der  Mangfall).  Vgl.  Riezler,  Gesch.  Baierns,  Gotha 
1878,  1,  850—53.  von  Lang,  Baierns  alte  Grafschaften  und  Gebiete,  Nürnberg 
1831,  S.  1  ff.  (z.  T.  veraltet).  Cf.  Hundt,  Beiträge  zur  Feststellung  der  histo- 
rischen Ortsnamen  in  Baiern  und  des  ursprüngl.  Besitzes  des  Hauses  Scheyern- 
Wittelsbach,  Abhdlg.  Akad.  Wiss.  1868,  III.  KL,  XI,  1.  Abt.  Kiez ler,  D.  Herzog 
tum  Baiern.  München  1X67.  S.  249—300. 

Der  in  mehrere  Linien  geteilte  Landbesitz  der  Grafen  von  Scheyern- 
Wittelsbach  war  nach  dem  Aussterben  aller  der  allein  fortbestehenden  herzog- 
lichen Linie  bis  zum  Jahre  123*  vollständig  zugefallen.  —  Das  Aussterben  zahlreicher 
anderer  bairischer  Grafenfamilien  vermehrte  den  Besitz  des  Herzogs.  Im 
Jahre  1189  starben  die  Regensburger  Burggrafen  aus;  1196  die  Landgrafen  von 
Sterfling;  1204  die  Grafen  von  Vohburg  und  Cham,  Markgrafen  des  Nordgaus ; 

1217  die  Grafen  von  Velburg,  Besitzer  der  österreichischen  Herrschaft  Klamm  ; 

1218  die  Bcilnsteiner  Grafen;  1228  die  Grafen  von  Kirchberg;  1229  die  Grafen 
von  Lebenau.    Herzog  Ludwig  I.  (1183—1231)  hatte  die  Territorien  aller  dieser 


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302 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Häuser  ganz  oder  teilweis»'  erworben.  Desgleichen  auc  h  diejenigen  einiger  salz- 
burgischen Familien,  in  die  er  .sieh  mit  dem  Er/hisehof  teilen  mufste;  so  ver- 
zichtete er  zu  dessen  Gunsten  1228  auf  den  Pinzgau.  Näheres  hei  Riezler. 
Cieseh.  B   I,  14  f. 

Unter  Herzog  Otto  II.  ,1231-1253)  starben  die  Grafen  von  Bogen  1242 
aus,  deren  Land  den  Wittelsbachern  zufiel;  desgleichen  erhielten  die  letzteren, 
wie  oben  bemerkt,  die  Grafschaft  Valley  und  Deggendorf,  1247  die  Grafschaft 
Wasserburg,  nach  dem  Aussterben  der  Andechser  1248  die  Grafschaften  Neu 
bürg  und  Schärding,  ferner  die  Grafschaften  Diessen,  Wolfratshausen,  das  Gras 
sauertal  und  durch  Erbschaft  einige  Güter  des  letzten  bairischen  Pfalzgrafen 
Rapoto  III.  von  Ortenburg.  Aufserdem  aber  erwarben  sie  Herrschaften  zahl 
reicher  kleiner  Dynasten  und  mehrere  Kirchenlehen  und  Vogteien.  Vgl.  die 
genannten  Quellen.  —  Über  die  Erwerbung  der  Pfalz  unter  Otto  I.  vgl  S.  25H. 

Die  Landesteilung  von  1255  brachte  die  erste  Trennung  in  den  ungeheuren 
Landbesitz.  Ludwig  erhielt  aufser  der  Pfalz  noch  Oberbaiern,  zu  welchem  da- 
mals grofse  Gebiete  von  Nordtirol  gehörten:  Kufstein,  Rattenberg,  Kitzbühcl 
und  das  Zillertal ;  ferner  erhielt  er  da*  Burggrafenreeht  in  Regensburg  und  einen 
Teil  der  Lande  nördlich  der  Donau,  Regenstauf,  Burglengenfeld,  Kaimünz.  Zu 
Heinrichs  Anteil  Niederbaiem  gehörte  auch  die  Gegend  um  Chiemsee,  Trost 
berg,  Traunstein,  Reichenhall.  Bosenheim  und  Erding  sowie  östlich  vom  Inn 
das  Innviertel,    über  die  Quellen  vgl.  Riezler.  Gesch.  I,  106  Anmkg. 

Das  staufische  Erbe  und  zahlreiche  andere  Erwerbungen  fielen  1268  an 
<lie  Wittelsbacher,  die  1261),  28.  September,  den  gesamten  Neuerwerb  teilten 
Die  nordgauischen  Besitzungen  wurden  geteilt,  die  altbairischen  und  schwä- 
bischen Teile  fielen  an  Ludwig  Letzterer  erhielt  im  Nordgau :  Amberg.  Barg 
Hohenstein,  die  Vogteien  Vilseck,  Auerbach.  Plech,  Hersbruck,  Neuhaus,  Neu- 
markt, Berngau  bei  Hemau ;  in  Schwaben :  Burg  und  Stadt  Donauwörth,  Burg 
Tapfheim  a.  d.  Donau,  Burg  Schwabeck,  Dorf  Dürkheim  a.  Wertach,  Stadt 
Schongau ;  ferner  im  bairischen  Augstgau  Mering  mit  dem  Heibisch,  Stoffen 
und  Igling  bei  Landsberg,  Peiting,  Ammcrgau  und  den  Berghof.  —  Hingegen 
erhielt  Heinrich  nur  die  Burgen  Flofs,  Parkstein,  Weiden  und  Adelnburg 
bei  Parsberg.  Gemeinschaftlich  sollten  bleiben:  Nürnberg,  Nördlingen,  Lauingen 
und  die  Vogtei  der  Augsburger  Kirche.  Doch  konnten  die  Brüder  nur  in 
Lauingen  ihre  Besitzansprüche  geltend  machen.  S.  die  Teilungsurkunde  in 
Quellen  und  Erörterungen  zur  Bairischen  u.  Dt.  Gesch.  V,  234. 

Ludwig,  der  den  gröfseren  Teil  des  staufischen  Erbes  erhalten  hatte 
machte  noch  mehrere  Landerwerbungen,  unter  denen  das  sulzbachische  Erbe 
der  jüngeren  Ortenburger  Linie  (1268 — 1272)  hervorzuheben  ist,  ferner  der  Er- 
werb der  Burg  Rotheneck  mit  den  Stammgütern  des  Bischofs  Heinrich  von 
Regensburg  sowie  der  Ankauf  der  Burgen  Brunn  bei  Riedenburg  im  Nordgau. 
Altmannstein,  Holnstein.  Wissing,  Neuburg.  Im  übrigen  vgl.  Riezler  I,  1393  f.,  wo 
auch  der  geringen  Landerwerbungen  Heinrichs  gedacht  wird  (1260:  MarOjUanl 
stein  und  Güter  in  der  Gegend  von  Eggenfelden,  Pfarrkirchen  und  Vilsnofen. 
ferner  1281  durch  Kauf  die  Allodialgüter  der  ausgestorbenen  Grafen  von  Moo- 


reich war  für  Heinrich  nur  vorübergehend  (1278 — 1279)  gewesen. 

Bei  der  Teilung  von  1310  zwischen  Rudolf  und  Ludwig  wurde  auch  da» 
Vitztumamt  Lengenfeld  geteilt.  Vgl.  Riezler,  Gesch.  II,  286.  —  Den  Münchener 
Vertrag  von  1313  s.  in  Quellen  u.  Erörtgn.  VI,  217.  —  Den  Vertrag  von  Pavia 
1329  s.  ibid.  VI,  298.  Vgl.  auch  Riezler  II,  389.  über  die  zur  Pfalz  und 
Oberpfalz  gehörigen  Teilstücke  s.  alles  Nähere  unter  Pfalz  S.  258;  daselbst  auch  die 
genealogische  Übersieht. 

Die  Grafen  von  Graisbach  waren  1327  ausgestorben.  Die  Grafschaft  fiel 
auf  Veranlassung  des  Königs  Ludwig  an  Bertold  von  Neifen.  vermutlich  einen 
Verwandten  der  Grafen.  Die  Herren  von  Neifen  waren  1295  durch  Erbschaft 
bereits  in  den  Besitz  der  Grafschaft  Marstetten  gelangt,  zu  der  nunmehr  auch 
Graisbach  kam.    Bertold  von  Neifen  starb  1342  und  hinterliefs  einen  Sohn. 


bürg  mit  den  Burgen  Moosburg 


Der  Besitz  von  Oberöster 


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186.  BuiriHche  Bistümer. 


303 


«Irr  auf  Veranlassung  des  Kaisers  in  den  geistlichen  Stand  treten  mufste, 
während  die  eine  der  Töchter  an  Friedrich,  den  Sohn  Herzog  Stephans,  ver- 
loht wurde,  und  diesem  die  vereinigte  Grafschaft  als  Heiratsgut  zubrachte. 
Riezler  H,  405  ff. 

18«.  Bairische  Bistümer.  Sie  gehören  zu  den  ältesten  in  Deutsch- 
land. Ein  grofses  Stiftsgebiet,  welches  ein  Stützpunkt  ihrer  Macht- 
stellung hätte  sein  können,  haben  sie  alle  nicht  besessen;  überdies  war 
ihr  Territorialbesitz  teilweise  über  die  Nachbarländer  verstreut. 

Bistum  Augsburg.  Schon  frühzeitig  ist  das  Stift  in  den  Besitz  von 
Gütern  und  Gerechtsamen  gekommen;  so  gehörten  zahlreiche  Besitzungen  am 
Staffelsee  ihm  im  IX.  Jh.  an.  Im  folgenden  Jahrhundert  war  es  die  Herr- 
schaft Geisenhausen,  die  ein  Bischof  dieses  Hauses  dem  Stifte  zuwendete,  die 
dann  aber  an  die  Grafen  von  Hals  kam.  Bischof  Bruno  schenkte  1C06  seine 
Erbgüter;  1059  kam  der  Wildbann  um  die  ganze  Gegend  der  Sinkel  hinzu; 
1184  Kissingen,  Erringen  und  Traiteried;  1186  folgte  eine  neue  Reihe  von 
Gütern:  1258  die  Grafschaft  Dillingen;  1346  wurde  die  Augsburger  Strafsen- 
vogtei  zwischen  Lech  und  Wertach  an  das  Hochstift  von  Herzog  Ludwig  ver- 
pfändet. Auch  nach  dem  Gebirge  hinauf  besafs  das  Stift  noch  die  Gebiete 
von  Füssen,  Nesselwang,  Sonthofen  und  Oberndorf.  Dillingen  war  die  Residenz 
der  Bischöfe,  während  Hauptkirche  und  Hof  in  Augsburg  waren.  Braun, 
Gesch.  der  Bischöfe  von  Augsburg,  A.  1829.  Lang,  Baierns  Gfschftn.,  S.  375. 
Steichele,  Das  Bist.  Augsburg,  histor.-statistisch,  A.  1861  ff.  —  Die  Stadt 
Augsburg  hat  sich  vom  Bischof  frei  zu  machen  vermocht  und  war  1276  freie 
Reichsstadt  geworden. 

Bistum  Eichstätt.  Im  X.  Jh.  bestanden  die  Besitzungen  erst  aus 
wenigen  Tafelgütern.  Die  ersten  gröfseren  Erwerbungen  brachte  das  XIII.  Jh.. 
und  zwar  meist  durch  Kauf  1277  Spalt,  1284  Wcmfels,  1296  Abenberg,  1382 
Sandsee,  1317  durch  Waffengewalt  Herrieden,  Ornbau  und  Ahrberg.  Am  be- 
deutsamsten aber  war  die  Rückgabe  der  Lehengüter  des  letzten  Grafen  von 
Hirschberg  1291,  der  noch  vor  seinem  Tode  dies  testamentarisch  verfügte.  Nach 
seinem  Tode  1305  traten  freilich  mit  den  verwandten  bairi sehen  Herzögen 
Differenzen  ein ,  die  bald  beigelegt  wurden,  da  Land  und  Leute  dem  Bischof 
zufielen,  die  Grafschaftsrechte  und  das  Landgericht  aber  den  Herzögen.  Es  ge- 
hörten hierzu  die  Herrschaft  Hirschberg  und  Beilngries  sowie  Bezirk  und  Ge- 
biet von  Eichstätt.  Sax.  Die  Bisehöfe  und  Reichsfürsten  von  Eichstätt, 
Landshut  1884—86.  Lefflad,  Regesten  der  Bischöfe  von  Eichst.,  1871—82. 
von  Lang,  S.  325. 

Bistum  Freising  hatte  sehr  lange  unter  dem  Einflufs  der  Herzoge 
gestanden;  erst  1300  gelang  es  den  Bischöfen,  sich  zu  befreien,  sie  mufsten  aber 
noch  besondere  Maßnahmen  ergreifen,  um  ihre  Immunität  gegen  die  Herzöge 
zu  Bchützen.  Ihr  Gebiet  beschränkte  sich  zunächst  auf  das  engste  Terrain  um 
Freising  zwischen  Amper  und  Isar.  Nicht  unbeträchtlich  waren  die  Besitzungen, 
die  sonst  noch  teils  in  Baiern,  teils  in  österreichischen  Landen  verteilt  lagen. 
Genannt  seien  noch  die  Herrschaft  Werdenfels  an  der  oberen  Isar  mit  Garmisch, 
Mitten wald,  Obernach,  Partenkirchen,  Kochelsee  u.  a.  seit  1294.  Innichen  im 
Pustertal  mit  Toblach,  Kartitsch,  Pürglein  etc.  Im  Herzogtum  Österreich 
Waidhofen;  auch  in  Krain  besafsen  sie  an  der  Save  ein  gröfseres  Territorium. 
Ein  Verzeichnis  aller  zugehörigen  Teilstücke  gibt  Lang  S.  14  ff.  Meie  h el- 
beck, Hist,  Frisingensis,  1854.  Deuting  er,  Beiträge  zur  Gesch.,  Topogr.  und 
Statist,  des  Erzbist,  München  und  Freising,  1871  ff. 

Bistum  Regensburg.  Die  Gebietsentwickelung  des  Hochstiftes  läfst 
sich  nur  schwer  im  einzelnen  verfolgen.  Es  gehörten  zu  ihm  die  Herrschaften 
Donaustauf  und  Wörth  mit  den  Burgen  Heilsberg,  Wisent,  Prennberg  und 
den  Hofmarken  Altenthan,  Adelmanstein,  Lichtenberg,  Schönberg,  Buch. 
Schwabelweis  und  Weinting.    1269  kam  die  Burg  Falkenstein  hinzu.  Weitere 


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304  VL  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Erwerbungen  machte  das  Stift  an  Teilen  der  Frontenhauser  Stammlande  ( Ebers - 
peunt  und  Hohenburg  am  Inn);  an  der  Herrschaft  Luppurg,  Grafschaft  Hohen- 
burg auf  dem  Nordgaue  sowie  an  einigen  Herrschaften  in  Niederbaiern.  wie  Eitting 
und  Schlofs  Wildenberg,  das  Brixental  in  Tirol  (1386  an  Salzburg  verkauft).  Im 
Österreichischen  besafs  das  Stift  Güter  an  dem  böhmischen  Gemärke  zwischen 
der  Nerde  und  der  Aist,  an  der  Tey  und  an  der  Donau  hinab  bis  Ips.  Im 
allgemeinen  war  der  Territorialbesitz  des  Bistums  doch  nur  ein  beschränkter. 

Bistum  Passau.  Der  anfängliche  Besitz  bis  zum  Ende  des  XII.  Jb. 
bestand  nur  aus  einzelnen  Gutem  um  die  Stadt,  mehreren  Stiften,  Klöstern 
und  Zehnten  etc.  Im  Jahre  1207  erwarb  es  käuflich  die  Grafschaft  des  Ilzgaues 
und  die  Grafschaft  Windberg  in  Osterreich,  womit  erst  der  Grund  zu  einem 
Territorium  gelegt  war;  im  Jahre  1227  folgte  die  Herrschaft  Viechtenstein  nach. 
Die  Reichsunmittelbarkeit  erwarb  es  1262.  Im  Jahre  1300  kamen  das  Schlots 
Johnstein  an  der  Donau  und  1303  die  Herrschaft  Haichenbach  hinzu.  Ein 
Verzeichnis  aller  zum  Stift  gehörigen  Besitzungen  bei  Lang,  S.  141 — 145. 
Schrödl,  Passavia  sacra.  Gesch.  des  Bistums  Passau,  1H79. 

Bistum  Co n stanz  mag  noch  hier  Erwähnung  finden.  Sein  kleines 
Territorium  lag  auf  der  Nordseite  des  Bodensees.  Die  Bischöfe  residierten  in 
.Meersburg,  da  die  Stadt  Constanz  selbst  sich  dem  bischöflichen  EinHufs  zu 
entziehen  suchte  und  seit  1192  Reichsstadt  geworden  war.  Regesta  episco- 
porum  Constantiensium,  hrgb.  von  Ladewig  u.  Müller,  Innsbruck  1886  ff. 

187.  Grafschaft  Ortenbunr.  Das  gräfliche  Haus  stammte  von  dein 
in  Kärnten  auftretenden  Geschlechte  ab;  Friedrich,  der  uns  zuerst  aus 
dem  kärntnischen  Hause  genannt  wird,  heiratete  Richardis,  die  Erbin 
der  Grafschaft  Lavant.  Er  baute  die  Burg  Artonburg  oder  Ortenhurg 
und  nannte  sieh  nach  ihr.  Die  Verpflanzung  des  Geschlechtes  auch  nach 
Baiern  wurde  erst  späterhin  durch  Engelbert  III.  bewirkt,  der  durch 
seine  Gemahlin  in  den  Besitz  der  Herrschaften  Kraiburg  am  Inn  und 
Markwardstein  (im  S.  und  W.  des  Chiemsees  bis  zum  Inn)  gekommen 
war.  Sein  jüngerer  Bruder  Rapoto  I.  (f  1100)  heiratete  die  Erbtoehtor 
des  gräflichen  Hauses  Sulzbach  und  erwarb  durch  sie  die  Gebiete  im 
Rottachgau  sowie  die  Grafschaft  im  Isengau,  später  Grafschaft  Kraiburg 
genannt.  Ihm  fielen  nach  dem  Tode  seines  Bruders  auch  dessen  vorher 
gonannte  bairische  Besitzungen  zu.  Durch  seinen  Sohn  Rapoto  IL  kam 
auch  der  Pfalzgrafentitel  an  das  Haus  (seit  1209);  des  letzteren  Bruder 
Heinrich  I.  war  mit  Richiza  von  Hohenburg  vermählt,  die  ihm  die 
Herrschaft  Retz  zubrachte.  Die  Herrschaften  Murach  und  Tirschenreuth 
stammten  aus  der  Sulzbacher  Erbschaft*  Letzteres  kam  1217  an  «las 
Klostor  Waldsassen.  Nach  dem  Erlöschen  der  Grafen  von  Hals  (1375) 
erwarben  die  Ortenburger  auch  einen  Teil  der  Hinterlassenschaft :  die 
Herrschaften  Leonberg,  Paumgarten.  Thann,  Harbach,  Ganghofen  und 
den  Hof  zu  Maining. 

Der  letzte  Pfalzgral  Rapoto  HL  starb  1248.  Seine  Tochter  Elisabeth 
heiratete  einen  (trafen  von  Werdenberg  (1256).  der  sich  seitdem  Pfalzgraf  von 
Kraiburg  nannte.  Elisabeth  hatte  als  Allodien  Griesbach  und  Reiehenberg  mit 
Zubehör,  die  Burgen  Mässing  und  Daxberg  und  die  Grafschaften  Kraiburg  und 
Markwardstein  zurückbehalten.  Im  Jahre  1259  verkaufte  ihr  Gatte  alle  pfalz- 
grü  (liehen  und  alt  ortenburgischen  Güter  an  den  Herzog  von  Niedcrbaiern.  —  Der 
weitzerstreute  Besitz  der  Ortenburger  hatte  aber  keinen  engeren  Zusammenhang, 
und  ihre  Besitzer  verfolgten  verschiedene  Interessen.  Überdies  kam  ein  Teil 
der  Besitzungen  für  immer  vom  Hause  ab;  so  wurden  im  Jahre  1271  die  Be- 


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188.  (irafschaft  Leuchtenberg. 


305 


Sitzungen  bei  Schwandorf,  Nabburg,  Lengefeld,  Amberg  und  Hirschau  an  Baiern 
überlassen,  desgleichen  1272  die  Burg  Murach  (auf  6  Jahre),  die  Orte  Murach, 
Viechtach,  Eigelberg,  Lind,  Winklarn  und  Weidinger  sowie  die  zerstreuten 
Besitzungen  zwischen  Donau  und  Böhmerwald,  von  Sehwarzenfeld  bis  Hirschau 
am  rechten  Naabufer.  —  Vgl.  Riezler,  Gesch.  Baiems  I,  869  f.  IU,  964  f. 
Huschberg,  Gesch.  des  herzogL  und  grätl.  Gesamthauses  Ortenburg,  Sulz- 
bach 1828. 

Engelbert  II. 

 Markgraf  von  Istricn  

Heinrich        Engelbert  III.  Rapoto  I. 

Herzog  von 


Kärnten 


Heinrich  I.  Rapoto  II. 


(seit  1122:  Dietpold  Kapoto  IV.  PfBtegraf 

I 

Ulrich  III.  K'V^J11 
f  12W 

t  t  t 


;-  1248 

I 

Elisabeth 


188.  Grafschaft  Leuchtenberg.  An  der  Luhe,  einem  linksseitigen 
Nebenflufs  der  Naab,  erhebt  sich  die  Burg  Leuchtenberg,  nach  welcher 
ein  Grafengeschlecht  den  Namen  führte.  Trotz  mehrfacher  Erwähnungen 
von  Mitgliedern  dieses  Hauses  hat  es  schwer  gehalten,  den  genealogischen 
Zusammenhang  zwischen  ihnen  für  die  älteste  Zeit  festzustellen.  Ein 
Dietpold  von  Leuchtonberg  erscheint  urkundlich  zuerst  1196  als  Landgraf 
im  Nordgau.  Aufser  dem  Gebiet  der  Luhe  bis  zur  Einmündung  in  die 
Naab  mit  den  Burgen  Leuchtenberg,  Rockenstein  und  Wernburg  treten 
die  Grafen  schon  frühzeitig  als  Besitzer  der  Grafschaft  Waldeck  im 
Nordgau  auf.  Als  solcher  erscheint  schon  Gebhard  L,  der  eine  der  Erb- 
töchter des  Grafen  Friedrich  von  Hopfenohe,  Plettendorf  und  Lengenfeld 
(Burglengenfeld)  heiratete.  Die  Grafschaft  Waldeck  mit  der  Stadt  Kemnat 
im  oberen  Naabtal  und  die  eigentliche  Grafschaft  Leuchtenberg  treten 
infolge  von  Teilungen  unter  Brüdern  des  Hauses  auch  mehrmals  getrennt 
auf;  so  unter  jenem  Dietpold  und  seinem  Bruder  Gebhard  III.  Dietpold, 
dem  der  leuchtenbergischc  Anteil  zufiel,  mufste  seine  gleichnamige  Burg 
infolge  finanzieller  Schwierigkeiten  1233  an  den  Grafen  von  Ortenburg 
und  Murach  verpfänden.  Unter  Gebhards  III.  Söhnen  trat  dieselbe 
Teilung  hervor:  Friedrich  III.  erhielt  Waldeek,  Gebhard  IV.  Leuchten- 
berg. Es  machte  sich  damals  ein  Verfall  der  gräflichen  Hausmacht 
geltend,  denn  eben  jener  Friedrich  verkaufte  die  Herrschaft  Wernberg 
im  Naabtal  unterhalb  der  Luhemündung,  an  Konrad  von  Paulsdorf  1282 
und  ferner  Rauhenkulm  (Castrum  Culmen)  mit  dem  Dorf  Fülchendorf, 
südwestlich  von  Kemnat,  an  den  Burggrafen  von  Nürnberg.  Noch 
bedeutsamer  war  der  Verkauf  des  Landgrafenamtes  (des  Landgerichtes 
und  Geleites)  an  Herzog  Ludwig  II.  von  Baiern  (1283),  an  welchen  auch 
Waldeck  veräufsert  wurde,  das  damals  aber  nicht  dauernd  im  Besitz 
des  Baiernherzogs  geblieben  ist.  Ebenso  hatte  Friedrich  allen  bairisehen 
Lehen  entsagt,  desgleichen  den  bambergischen  und  regensburgischen. 
Friedrichs  III.  Linie  starb  132*.>  mit  dem  Ebracher  Abt  Friedrich  IV. 
aus.  —  Gebhard  IV.  hatte  in  seinem  Sohn  Gebhard  V.,  der  sich  auch 
Landgraf  von  Falkenberg  nannte,  einen  Nachfolger.    Auch  er  hielt  nicht 

Kretichm»r,  Hi«tori«che  Geographie.  20 


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306  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

haus,  1284  verpfändete  er  Falkenberg  als  Reichslehen  an  den  Bürg- 
grafen. Sein  Solin  Ulrich  war  nach  ihm  (mit  Ausnahme  des  Abtes 
Friedrich),  der  einzige  männliche  Vertreter  des  Hauses,  welches  er  durch 
geschickte  Stellungnahme  zu  Kaiser  Ludwig  und  König  Johann  von 
Böhmen  einer  neuen  Blüte  entgegenführte.  Anfangs  mufste  er  an  Kloster 
Waldsassen  noch  das  Einlösungsrecht  von  Falkenberg  und  Burg  Neuhaus 
bei  Windisch-Eschenbach  sowie  Burg  Schwarzenwal  verkaufen,  um  aus 
den  ersten  Geldverlegenheiten  sich  herauszuhelfen.  Im  Jahre  1316  nahm 
er  aber  Flofs  und  Parkstein  in  Pfand  von  Kaiser  Ludwig,  der  ihm  ferner 
noch  Burg  Waldeck  und  Markt  Pressat  verpfändete.  Burg  Thurndorf  und 
Eschenbach  waren  vom  Könige  an  Konrad  von  Schlüsselberg  verpfändet 
gewesen  und  wurden  mit  Erlaubnis  des  Königs  von  Ulrich  eingelöst, 
der  dazu  noch  Schnabelweid  und  Pegnitz  erwarb.  Von  Herzog  Stephan 
von  Niederbaiern  nahm  er  Stadt  Waldmünchen  in  Pfand  und  bald  auch 
Burg  Störnstein  und  Neustadt  von  Kaiser  Ludwig.  Im  Jahre  1321  er 
warb  er  Burg  Wunsiedel  und  1322  die  Herrschaft  Pfreimt  im  Naabtal, 
die  vordem  noch  nicht  zu  dem  leuehtenbergischen  Territorium  gehört 
hatte.  Im  Jahre  1332  kaufte  er  von  Niederbaiern  Burg  Schwarzenburg 
und  Markt  Retz,  wofür  er  Burg  Falkenstein  abtrat.  Um  1340  ist  er 
gestorben,  und  es  folgten  seine  Söhne  Ulrich  und  Johann,  die  in 
Ankäufen  von  neuen  Landgebieten  fortfuhren.  Unter  diesen  ist  die 
Herrschaft  Stierberg  bei  Petzenstein  zu  nennen,  die  nach  dem  Erlöschen 
des  gleichnamigen  Herrenhauses  an  Leuchtenberg  kam.  Kaiser  Karl 
begünstigte  die  beiden  Grafen  in  jeder  Weise,  gab  ihnen  die  Reichspflege 
zu  Rothenburg  a.  d.  Tauber,  das  Münzrecht  daselbst,  den  Zoll  zu  Lauda 
und  andere  Gerechtsame.  Nach  anfänglich  gemeinschaftlicher  Regierung 
teilten  beide  Brüder  (1366)  ihr  Land  unter  der  Bedingung  gegenseitiger 
Erbfolge.  Einen  neuen  Zuwachs  erfuhr  ihr  Gebiet  schliefslich  noch  durch 
Erwerb  der  Grafschaft  Hals,  deren  bisherige  Besitzer  ausgestorben 
waren. 

Der  Name  Leuchtenberg  oder  Luken perge  wird  mit  dem  Flufv 
namen  Luhe  in  Zusammenhang  gebracht.  —  Der  spätere,  zerstreut  liegende 
Besitzstand  des  Grafenhauses  wird  aus  der  Teilung  von  1366  ersichtlich,  bei 
welcher  Ulrich  erhielt  :  die  Burgen  Leuchtenberg,  Pfreimt,  die  halbe  Burg  zum 
Stein,  die  Burgen  Stierberg,  Petzenstein  und  Troschcnreut  mit  den  zugehörigen 
Landgebieten;  Johann  erhielt  Pleystein  mit  der  Stadt  (1349  erworben),  Grafen 
wört  mit  Markt,  Reichenstein  mit  Markt,  Sehönsee,  Burg  Neuhaus,  das  Geleit 
zu  Eger,  den  Berg  Zwirenz  und  die  Güter  auf  dem  Böhmer  Walde.  Die  Buru 
Schwarzenburg  und  Burg  Retz,  ferner  Amt  und  Stadt  Waldmiinehen  blieben 
gemeinschaftlich.  —  Über  alle  anderen  kleineren  Erwerbungen  und  sonstigen 
Gebietsveriinderungen  s.  Wittmann,  Gesch.  der  Landgrafen  von  Leuchten 
berg,  in  Abhdlgn.  Baier.  Akad.  phil.-hist.  Kl.  18ö2,  S.  1  ff.,  237  ff.  Brunn  er. 
Gesch.  von  Leuchtenberg  und  der  ehemaligen  Landgrafen  v.  L.,  1862.  von 
Lang,  Grafschaften,  S.  204  ff.    Kiezler,  Gesch.  Baierns  I,  878;  HI,  959  ff. 

Grafschaft  Hals  an  der  Donau.  Die  Burg  erhebt  sich  steil  über  der 
Hz  nahe  bei  Passau.  Die  Herren  dieses  Namens  starben  im  XH.  Jh.  ans,  und 
die  letzte  Tochter  dieses  Hauses  Liutgard  brachte  das  Territorium  ihrem  Gemahl 
Freiherrn  von  Chambe,  Albert  I.,  zu,  dessen  Söhne  sich  nunmehr  von  Hals 
nannten.  Sein  Enkel  Albert  III.  wird  1280  in  den  Grafenstand  erhoben.  D»t 
letzte  des  Hauses,  Leopold,  starb  1375.   Auf  sein  Gebiet  erhoben  Graf  Heinrich 


189.  Grafschaft  Mont fort- Werdenberg. 


307 


von  Ortenburg  und  Johann  I.  von  Leuchtenborg,  dem  der  Kaiser  die  Graf- 
schaft zugesprochen  hatte,  trotzdem  er  dem  Verwandtschaftsgrade  nach  weniger 
Anrecht  hatte,  Anspruch.  Das  neu  erworbene  Gebiet  umfafste  die  Herrschaft 
Hals,  Burg  und  Amt  Bernstein  in  der  Herrschaft  Osterhofen,  die  Herrschaften 
Harbach  und  Heidenburg,  die  Grafschaften  Geifsenhausen  und  Leonberg. 
Johann  trat  hiervon  dem  Ortenburger  Leonberg  am  Inn,  Harbach  mit  Gang- 
kofen  an  der  Bina,  ferner  die  Herrschaften  Paumgarten  und  Thann  ab.  —  Vgl. 
L.  Brunner,  Die  Grafen  von  Hals,  Progr.  St.  Stephan  in  Augsburg  1857. 
Riezler  IH,  968  f. 

189.  Grafschaft  Montfort-Werdenbcrg.  Das  Grafengeschlecht  dieses 
Namens  ist  eine  Nebenlinie  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen  (s.  d.).  Pfalzgraf 
Hugo  (f  1182)  war  mit  einer  Tochter  des  letzten  Grafen  von  Bregenz- 
Pfullendorf  vermählt,  die  ihm  die  Grafschaft  des  churischen  Rätiens: 
die  Bezirke  von  Bregenz,  Tettnang,  Feldkirch,  Werdenberg,  Sonnonberg 
und  Sargans  zubrachte.  Von  Hugos  beiden  Söhnen  folgte  Rudolf  in  der 
Tübinger  Pfalzgrafenwürde  nach,  während  Hugo,  der  jüngere  Sohn,  das 
mütterliche  Erbteil  Bregenz  erhielt.  Er  nannte  sich  Graf  von  Montfort, 
nach  einer  Burg  nördlich  von  Rankweil  (bei  Feldkirch)  im  Rheintal. 
Dieses  Hugo  I.  Söhne  stifteten  zwei  neue  Linien :  Hugo  II.  die  Werden- 
berger  und  Rudolf  I.  die  Bregenzer  Linie,  die  das  Land  entsprechend 
teilten,  unter  ihre  Söhne  aber  noch  weiter  zersplitterten.  Es  bestanden 
fortan  drei  Hauptlinien :  die  Schwarze  Fahne  (Werdenberg-Bludenz),  die 
Weifse  Fahne  (Sargans-Vaduz)  und  die  Rote  Fahne  (Bregenz-Feldkirch). 
Die  letztere  stiftete  jener  Rudolf  I.,  während  die  beiden  andern  von  zwei 
Söhnen  Hugos  II.  ausgingen. 

Hugo  (t  118*2) 

II  lipo  I.  Gf.  v.  Montfort 
 (f  ca  1230  

Hugo  II.                         Rudolf  I. 
(t  1258)   Rote  Fahne  

Hugo  III.  Hartmann  Rudolf  II.  Ulrich  I.  Hugo 

Schwarze  Fahne  Weifse  Fahne      (Feld-    (Bregenz)  (Tettnang) 
(Werdenberg-        (Sargans-  kirch) 
Rludenz)  Vaduz.) 

Das  Geschlecht  der  Grafen  von  Bregenz  stammt  von  einem  Ulrich  von 
Bregenz  (X.  Jh.)  ab;  es  starb  Mitte  des  XII.  Jh.  aus.  Des  letzten  Grafen 
Schwestersohn,  Rudolf  von  Pf  Ullendorf,  folgte.  Doch  auch  er  starb  ohne 
männliche  Nachkommen,  und  das  reiche  Erbe  der  Grafen  von  Bregenz  kam 
durch  Heirat  seiner  Tochter  Elisabeth  an  den  Pfalzgrafen  Hugo  von  Tübingen, 
während  die  andere  Tochter  Itha  Pfullendorf  ihrem  Gemahl,  dem  Grafen 
Albrecht  in.  von  Habsburg,  zubrachte. 

Die  Grafen  von  Montfort- Werdenberg  hatten  sich  in  die  Linien  der 
Schwarzen  und  Weifsen  Fahne  gespalten.  Die  Schwarze  F  a h  n  e  (von  Hugo  HI. 
abstammend)  besafs  die  Grafschaft  Werdenberg  am  linken  Rheinufer  (nördlich 
von  Sargans),  die  Grafschaft  Bludenz,  die  Bezirke  von  Rheinegg  mit  dem 
Rheintal,  Freudenberg,  Warum,  die  Schirmvogtei  über  Kl.  St.  Gallen  und  die 
Grafschaft  Heiligenberg  in  Schwaben  (seit  1277).  Die  Weifse  Fahne  (von 
Hartmann  abstammend)  besafs  die  Gebiete  von  Sargans,  Vaduz,  Sonnenberg. 
Durch  Heirat  erwarb  sie  die  Güter  Vaz  in  Graubünden,  Ortenstein,  den  Dom- 
leschg.  Heinzberg  und  Schlams.    1348  verkaufte  sie  an  die  Pfullendorfer  Grafen 

20* 


Rudolf  Pfalzgrof 
v.  Tübingen 


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308 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


die  Herrschaft  Mayenfeld,  die  Besitzungen  zu  Prettigau  und  in  der  Länge  von 
Fragstein  bis  Davos.  Die  Rote  Fahne  (von  Rudolf  I.  gestiftet)  spaltete  sich 
unter  seinen  Söhnen  in  die  Feldkircher  (Rudolf  II.),  die  Bregenzer  (Ulrich  I.) 
und  die  Tettnanger  (Hugo)  Linie ;  jede  mit  entsprechendem  Landbesitz.  Dem  er- 
werbungslustigen Herzog  Leopold  III.  von  Habsburg  gelang  es,  den  Feldkircher 
Anteil  zu  gewinnen,  indem  ihm  Graf  Rudolf  III.  die  ganze  Grafschaft  Feld- 
kirch mit  dem  inneren  Bregenzer  Walde  für  30000  Gulden  verkaufte.  —  Vgl. 
im  übrigen  Vanotti,  Gesch.  der  Grafen  von  Montfort  und  Werdenherg, 
Constanz  1845. 

190.  Habsburg-Österreichische  Lande.  Das  Kernstück  des  späteren 
österreichischen  Staates  bildete  die  Ostmark,  Ostarrichi,  die  anfangs  nur 
eine  Vormark  des  bairischen  Herzogtums  war  und  im  wesentlichen  das 
Land  unter  der  Enns  (Niederösterreich)  umfafste.  Seit  977  stand  es,  wie 
oben  gezeigt,  unter  den  Babenbergern;  unter  Heinrich  II.  Jasomirgott 
wurde  die  Mark  Österreich  mit  ihren  drei  Grafschaften  und  Gerichts- 
sitzen Tuln,  Mautern  und  Korneuburg  zum  Herzogtum  Österreich 
erhoben  (20.  September  1156").  In  demselben  Jahrhundert  traten  auch 
noch  namhafte  Erweiterungen  des  Landes  ein.  So  wurde  nach  dem 
Sturze  Heinrichs  des  Löwen  und  der  Auflösung  des  bairischen  Stammes- 
herzogtums 1180  ein  Streifen  auf  dem  linken  Donauufer  von  der  Hasel 
bis  zur  Grofsen  Mühl  den  Herzogen  zugesprochen.  Noch  beträchtlicher 
war  die  Erweiterung  ihres  Machtbereiches,  als  ihnen  durch  Erbschafts- 
vertrag die  Steiermark,  die  unter  dem  letzten  steirischen  Markgrafen 
Ottokar  VI.  1180  ebenfalls  zu  einem  Herzogtum  erhoben  worden,  nach 
dessen  Tode  1192  zufiel.  Aber  auch  sonst  vermehrten  sie  ihren  Besitz 
durch  Erwerbungen  von  Landgebieten  ausgestorbener  Dynastengeschlechter 
im  eigenen  wie  im  Nachbarlande.  Nach  einer  vorübergehenden  Teilung 
unter  den  Söhnen  Herzog  Leopolds  V.  (f  1194)  waren  Österreich  und 
Steiermark  unter  Leopold  VI.  wieder  vereinigt.  Mit  Friedrich  dem 
Streitbaren  erlosch  1246  das  Babenberger  Herzogshaus  in  männlicher 
Linie,  und  es  folgte  eine  Zeit  politischer  Wirren,  das  sog,  Zwischenreieh 
(1246—1276).  Dem  böhmischen  Kronprinzen  Ottokar  (Sohn  Wenzels  I.) 
gelang  es,  im  österreichischen  Herzogtum  Fufs  zu  fassen;  doch  konnte 
er  Steiermark  gegen  die  Ungarn  (König  Bela  IV.)  nicht  behaupten.  Der  für 
die  territoriale  Gestaltung  wichtige  ÜfenerFrieden  (22.  September  1 254) 
lieferte  Steiermark  den  Ungarn  aus,  jedoch  mufsten  sie  von  diesem  Lande 
den  Püttner  Bezirk  zwischen  der  Piesting  und  dem  Semering,  Hartberg, 
und  Wechsel  an  Ottokar  abtreten,  des  gleichenden  Traungau.  Diese  Länder 
wurden  mit  dem  Herzogtum  Österreich  fortan  vereinigt  und  sind  es 
geblieben,  auch  als  die  Ungarn  von  Ottokar  durch  die  Schlacht  bei 
Kroissenbrunn  (1260)  aus  Steiermark  verdrängt  und  dieses  Land  mit 
Österreich  wieder  vereinigt  wurde. 

In  dieser  Zeit  fand  auch  eine  Trennung  des  Herzogtums  Österreich 
statt:  in  das  »Land  ob  der  Enns«  oder  »Ober Österreich«  und  das 
»Land  unter  der  Enns«  oder  »Niederösterreich«.  Ein  weiterer 
Erfolg  Ottokars  war  der  Erbvertrag  mit  dem  letzten  Sponheimer  Herzog 
Ulrich  III.  von  Kärnten  und  Krain  wegen  der  Anwartschaft  auf  diese 
Länder.    Nach  Ulrichs  Tode  1269  ergriff  er  von  diesen  Ländern  Besitz. 


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190.  HabBburg  ÖBterreichischo  Lande. 


Der  weitausgedehnte  Machtbereich  Ottokars  II.,  der  seit  1253  seinem 
Vater  auch  als  König  von  Böhmen  gefolgt  war,  sollte  ihm  nicht  lange 
beschieden  bleiben,  als  Rudolf  von  Habsburg  1273  den  deutschen  Thron 
bestieg.  Schon  1276  mufste  er  im  Wiener  Frieden  dem  ganzen  öster- 
reichischen Landgewinn  entsagen  und  Böhmen  und  Mähren  vom  König 
als  Lehen  annehmen.  Sein  erneuter  Versuch,  sich  wieder  in  den  Besitz 
der  Lünder  zu  setzen,  endigte  mit  seinem  Tode  auf  dem  Marchfelde 
(1278).  Rudolfs  Bestreben  war  es  nun,  die  Herzogtümer  an  seinen  Habs- 
burger Hausbesitz  zu  knüpfen,  und  er  bewirkte  zu  Augsburg  zunächst 
die  Belehnung  seiner  beiden  Söhne  Albrechts  I.  und  Rudolfs  II.  mit  Öster- 
reich, Steiermark  und  Krain.  Die  Reichsverwesung  über  Kärnten  wurde 
dem  Grafen  Meinhard  von  Görz  wegen  persönlicher  Dienste  übertragen, 
auch  Krain  noch  als  Pfandbesitz  ihm  überlassen;  1286  wurde  dieser  mit 
Kärnten  direkt  belehnt.  Seit  1283  war  Albrecht  I.  auch  als  alleiniger 
Herr  in  Österreich-Steiermark  eingesetzt  worden. 

Unter  den  späteren  Habsburgern,  Albrecht  II.  und  Otto,  die  nach 
dem  Tode  Friedrichs  des  Schönen  (f  1330)  gemeinsam  regierten,  wurde 
auch  das  Herzogtum  Kärnten  mit  Krain  als  Lehen  erworben.  Hier 
war  der  ehemalige  Böhmenkönig,  Herzog  Heinrich,  als  letzter  der  tirolisch- 
kärntnischen  Linie  des  Görzer  Hauses  gestorben;  das  Land  Krain,  welches 
er  nur  als  Pfand  besafs,  fiel  somit  von  selbst  an  Österreich  zurück. 

Auch  Tirol  sollte  alsbald  den  Habsburgern  zufallen.  Mit  Margarete 
Maultasch  hatte  Rudolf  IV.  einen  geheimen  Erbfolgevertrag  geschlossen 
und  hiermit  die  Absichton  der  Wittelsbacher  durchkreuzt.  Als  Margaretens 
Sohn  aus  ihrer  zweiten  Ehe  mit  Ludwig  von  Brandenburg,  Meinhard  III., 
der  eine  Schwester  Rudolfs  geheiratet  hatte,  frühzeitig  starb  (1363),  er- 
griff Rudolf  vom  Lande  Besitz  und  liefs  sich  huldigen.  Der  Schärdinger 
Friede  1369  bewirkte  die  endgültige  Verzichtleistung  der  Wittelsbacher 
auf  Tirol  gegen  verschiedene  Entschädigungen  (Kufstein,  Kitzbühel, 
Rattenberg  u.  a.). 

Im  Jahre  1375  kam  Habsburg  z.  T.  auch  in  den  Besitz  des  VJor- 
arlberger  Landes,  und  zwar  erstand  es  die  Grafschaft  Feldkirch  mit 
dem  inneren  Bregenzer  Wald  für  30000  G. -Gulden  von  Graf  Rudolf  V. 
aus  dem  in  viele  Linien  gespaltenen  Hause  Montfort. 

Herzogtum  Österreich.  Wie  S.  1*5  schon  bemerkt,  war  die  Ost 
grenze  der  Mark  unter  Heinrich  III.  bis  zur  Leitha  und  der  March  vorgeschoben 
worden.  Die  Nordgrenze  war  lange  Zeit  unsicher  geblieben.  Die  Waldeinöden 
des  Manharts  zu  beiden  Seiten  des  Kampflusses  bis  zur  Thava  bildeten  eine 
Schranke.  An  der  Thaya  entstand  eine  Grenzgrafschaft  Raabs  (Rakouz),  die 
im  XII.  Jh.  im  Besitz  der  Hohenzollern  war  und  dann  durch  Kauf  an  die 
Babenberger  kam.  Auch  das  ehedem  böhmische  Gebiet  von  Weitra  kam  im 
XII.  Jh.  an  Osterreich.  Im  SO.  bildete  der  Piestingflufs  (Bipmicha)  lange  die 
Grenze  gegen  Karantanien.  Der  Ofener  Friede  1251  fügte  hier  aber  noch  die 
sog.  Püttner  Mark  hinzu,  d.  i.  das  Gebiet  rechts  der  Piesting  bis  zum  Semering, 
Wechsel  und  der  Lafnitz<|iiellc  mit  dem  damals  wichtigen  Burgort  Putina 
(Pütten).  13(55  kam  dieses  Gebiet  vorübergehend  wieder  an  Steiermark.  Durch 
den  Frieden  von  1251  war  im  W.,  also  links  der  Enns,  noch  der  ganze  Traun- 
gau  an  Osterreich  gefallen,  so  dafs  dieses  nunmehr  ein  langgestrecktes  Länder* 
gefilde  zu  beiden  Seiten  der  Donau  umfafste.    Unter  König  Ottokar  scheint 


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310 


VI  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


auch  die  lüngsteilung  des  Landes  durch  die  Donau  aufgegeben  und  durch 
eine  Querteilung  ersetzt  worden  zu  sein.  Seit  1264  linden  sich  urkundlich  die 
Bezeichnungen  Oberösterreich  oder  Österreich  ob  der  Enns,  Austria  superior, 
Austritt  supra  Anamm,  und  Niederösterreich  oder  Österreich  unter  der  Enns, 
Austria  inferior  oder  einfach  Austria.  —  Innerhalb  des  Herzogtums  fanden  sich 
verstreut  noch  landesherrliche  Gebiete  geistlicher  und  weltlicher  Herren.  Be- 
sonders einige  Bistümer,  wie  Passau,  Regensburg,  Salzburg,  Freiburg,  waren  hier 
begütert  (vgl.  diese). 

Lampe  1,  Die  Einleitung  zu  Jans  Enenkels  Fürstenbuch,  Wien  1883.  — 
Die  Landesgrenze  von  1254  und  das  steirische  Ennstal,  im  Archiv,  Bd.  71, 
S.  297  ff.  Strnadt,  Die  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns,  1880.  Luschin, 
Österr.  Reichsgesch.,  S.  87  ff.  Krön  es,  Grundrifs,  S.  199  f.  Hormayr,  D. 
Land  ob  und  unter  d.  Enns  vom  IX. — XIII.  Jh.,  in  Taschenb.  D.  vaterländ. 
Gesch.,  1813,  S.  10  ff.  Weber,  Beiträge  z.  Landeskde.  Österr.  unter  d.E. 
S.  170  ff.  Lamp recht,  IEstor.-topographisehe  Matrikel  o.  geschichtl.  Orts- 
verzeichnis des  Landes  ob  d.  E.  (8—14.  Jh.),  Wien  1863.  Weitere  Nachweise 
bei  Krones  L  c.  und  den  S.  185  genannten  Darstellungen  der  österr.  Geschichte. 

Herzogtum  Steiermark.  Von  dem  ehemals  weit  ausgedehnteren 
Herzogtum  Karantanien  war  schon  in  der  Karolingerzeit  ein  Markgebiet  im 
nordöstlichen  Teile  des  Landes  ausgeschieden  worden.  Im  Jahre  1035  wurde 
dieses  Gebiet  gänzlich  von  Kärnten  getrennt.  Es  umfafete  das  Gebiet  der 
oberen  Enns,  Mur,  Mürz,  den  Oberlauf  der  Raab  und  reichte  südlich  bis  zum 
Pofsruck  und  den  Windisch-Büheln.  Eben  damals  wurde  diese  sog.  j  Karan- 
tanische  Mark«  den  Wels-Lambacher  Grafen  unterstellt,  die  im  Traungau  be- 
gütert waren.  Sie  erwarben  1043  auch  die  obengenannte  Püttner  Mark,  die 
sehr  bald  an  das  verschwägerte  Haus  der  Grafen  vom  Formbach-Neu  bürg  ge- 
langte, welche  sich  nach  der  Mark  Grafen  von  Pütten  nannten.  Als  die  Lam- 
bacher Grafen  1055  ausstarben,  kam  die  Karantanische  Mark  an  die  Grafen 
von  Steier,  die  ihren  Sitz  zu  Stiraburg  (Steyr)  an  der  Einmündung  dieses 
Flusses  in  die  Enns  (in  Oberösterreich)  hatten,  und  nach  denen  später  das 
Land  als  die  »Steiermark*  bezeichnet  wurde.  Sie  erweiterten  ihren  Landbesitz 
in  schneller  Folge.  So  Helen  ihnen  nach  dem  Erlöschen  der  Eppensteiner 
Herzogsfamilie  (1122)  die  ausgedehnten  Besitzungen  derselben  innerhalb  der 
Mark  zu.  Ferner  die  Herrschaft  Naun  (Cordenons)  in  Friaul.  Im  Jahre  1148 
erbte  Ottokar  III.  den  Nachlafs  seines  Oheims  Grafen  Bernhard  von  Sponheim, 
ein  Gebiet  längs  der  Drau  bis  zur  Mur  mit  Marburg  und  Radkersburg  sowie 
Güter  im  Sanntale.  Nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Pütten  gewannen 
sie  1158  auch  die  Püttener  Mark  (die  1254  an  Österreich  fiel).  Durch  den 
Sturz  Heinrichs  des  Löwen  kamen  sie  auch  in  den  Besitz  des  bis  dahin  bäuri- 
schen Landes  zwischen  der  Enns  und  dem  Hausruck.  Zu  gleicher  Zeit  (1180) 
wurde  unter  Ottokar  VI.  das  Land  zu  einem  Herzogtum  erhoben.  Mit  ihm 
starb  aber  das  Haus  auch  schon  aus  (1192);  auf  Grund  eines  Erbvertrages 
(17.  August  1186)  fiel  es  an  Leopold  V.  von  Österreich.  Muehar,  Gesch.  d 
Herzogt.  Steiermark,  Graz  1844  11.,  8  Bde.  Gebler,  Gesch.  des  Herzogt. 
Steierm.,  1862.    Reichel,  Abrifs  der  steirischen  Landesgesch.,  Graz  1882. 

Herzogtum  Kärnten  hatte  anfangs  ganz  in  Verbindung  mit  Baiern 
gestanden  bis  zum  Jahre  976,  wo  es  selbständig  wurde,  um  983 — 985  wieder  mit 
Baiern  vereinigt  zu  werden,  und  abermals  989,  bis  die  Trennung  1002  eine 
endgültige  wurde.  Es  hatte  ehedem  eine  weit  gröfsere  Ausdehnung  als  später, 
denn  es  umfafste  noch  die  spätere  Steiermark  und  Mark  Krain.  Am  östlichen 
Randgebiete  hatten  sich  noch  im  letzten  Viertel  des  X.  Jh.  einige  Markgebiete 
herausgebildet,  wie  die  Grafschaft  Markwards  an  der  unteren  Mur  und  Raab, 
jene  Raehwins  an  der  Drau  und  die  Grafschaft  Wilhelms  an  der  Sann  und 
Save.  Letztere  umfafste  den  alten  Pagus  Souna,  Sevne,  zu  beiden  Seiten  d.-s 
Sannflusses,  im  S.  im  allgemeinen  durch  die  Save.  im  O.  durch  die  Sottla  be- 


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190.  Habsburg-Östcn-eichische  Lande. 


311 


grenzt,  auch  Marchia  juxta  Souvani  genannt.  Die  Grafschaft  Rachwins,  die 
Marchia  transsylvana  oder  Pitouiensis  (mit  Poetovio,  Pettau)  umfafste,  den 
Pagus  Zitilinesfeld,  Zistanesfeld  zu  beiden  Seiten  der  Drau,  südlich  jener  Stelle, 
wo  die  Mur  der  ersteren  sich  nähert.  Sie  wurde  auch  kurz  die  Murk  (a.  d. 
Drau)  genannt  mit  der  Marchburg  =  Marburg.  Die  Grafschaft  Markwards 
umfafste  den  Gau  I lengist,  die  Mark  an  der  Raab,  Marca  ad  Rapam,  nördlich 
bis  zum  Röthelstein  reichend  und  westlich  bis  zur  Kor-Alpe  und  den  Gleiner 
Alpen.  Der  Mittelpunkt  war  Hengistiburg  (vermutlich  auf  dem  Sehlofsberge 
von  Graz),  die  spätere  fürstliche  Pfalzburg  Castrum  Graezze,  Graz,  Graz  im 
XU  Jh.  Die  übrigen  Gaue  des  alten  Karantaniens  waren  der  Lurngau  im 
Über-Drautal,  Crovati  zwischen  Gurk  und  Drau,  Gurcatul,  Lavanttal  und  Jaun- 
tal  (Pagus  Juna  südlich  der  Drau);  diese  umfafsten  etwa  das  heutige  Kärnten; 
ferner  der  Mürzgau ,  Ennstalgau  mit  dem  Paltentale,  Undrimatalgau  (Gebiet 
der  Ingering,  Undrima),  Leobnergau  (Pagus  Liubinctal  am  Knie  der  Mur).  Näheres 
über  diese  Gaue,  sowie  die  österreichischen  im  allgemeinen  bei  II  über,  Gesch. 
Osterr.  I,  207  ff.  Ders. ,  Osterr.  Reichsgesch.  S.  5  ff.  Krone s,  Geschichte  I, 
297  ff.;  Grundriß,  S.  209  f.  Luschin,  Reiehsgeseh.,  S.  82  ff.  —  Im  Jahre  1035 
macht  sich  zuerst  eine  allmähliche  Auflösung  dieses  ausgedehnten  Herzogtums 
bemerkbar,  als  Adalbero,  der  Eppensteiner,  als  Herzog  verdrängt  wurde.  Die 
Karantanische  Mark  (s.  bei  Steiermark)  wurde  als  selbständiges  Gebiet  abge- 
trennt. 1077  wurde  das  Herzogtum  dem  Kppensteiner  Liutold  wieder  zurück- 
begeben, doch  starb  das  Geschlecht  mit  Herzog  Heinrich  im  Jahre  1122  aus. 
Die  reichen  Besitzungen  des  Hauses  in  der  Mark  fielen  an  die  Markgrafen  von 
Steier.  Das  Grafenhaus  der  Sponheimer,  die  auch  die  Lavanttaler  Grafen  ge- 
nannt wurden,  kam  in  den  Besitz  des  Herzogtums  Kärnten  als  Reichslehen. 
Nach  ihrem  Aussterben  1269  ergriff  Ottokar  von  ihrem  Lande  Besitz;  doch 
üherliefs  es  späterhin  König  Rudolf  I.  den  Grafen  von  Görz.  1335  kam  es  als 
I>ehen  an  die  Habsburger.  Vgl.  Ankershofen,  Tan  gl  und  Hermann, 
Handb.  der  Gesch.  von  Kärnten,  1H43 — 5H,  teilweise,  auch  in  2.  Aufl. 

Herzogtum  Krain.    Man  hat  hier  zu  scheiden  zwischen  einer  Graf- 
schaft Krain  iCarniola,  Creina),  die  das  heutige  Ober-Krain  umfafste,  und  einer 
Mark  Krain,  die  das  heutige  Unter-Krain  bildete  bis  zur  Gurk,  doch  mit  Aus- 
echluifl  des  Gebietes  rechts  der  Save  von  der  Sann  bis  zur  Neuring.  Der 
krainische  Karstboden  gehörte  damals  zur  Mark  Istrien.    Creina  und  Camiola 
wurden  im  X.  und  XI.  Jh.  für  die  Marchia  und  Comitatus  gebraucht.  Erst 
1077  tritt  eine  Trennung  zwischen  beiden  ein;  die  Mark  fällt  an  das  Patri- 
archat von  Aouilcja,  der  Komitat  verliert  seinen  Charakter  als  Grafschaft, 
Huber  und  andere  bestreiten  den  Unterschied  von  Mark  und  Grafschaft;  hier« 
ul>er  vgl.  Meli,  Die  historische  und  territoriale  Entwickelung  Krains  vom  X. 
bia  ins  XIII.  Jh.,  Graz  1888,  S.  38  ff.    Die  Geschichte  beider  Landesteile  ist 
•  ine  sehr  wechselvolle,  da  sie  ihre  Herren  sehr  häufig  veränderten.    Von  der 
'»rafschaft  waren  zwei  Drittel  an  die  Stifte  von  Brixen  und  Freising  gekommen, 
♦las  übrige  unterstand  dem  Patriarchat  und  verschiedenen  Dynastengeschlechtern, 
von  denen  einige  ausstarben:  den  Weimar-Orlamündern  (bis  1112),  den  Eppen- 
rteinern  und  Sponheimern  als    Herzögen  Kärntens,  den  Andechs-Meramern 
(bifl  1209:.    Im  XIII.  Jh.  fafsten  auch  die  Babenberger  im  Lande  Fufs,  denn 
Herzog  Leopold  VI.  erwarb  durch  Lehenskauf  die  Freisinger  Güter  in  Unter- 
krain   Feudum  in  Marchia),  und  sein  Sohn  Friedrich  der  Streitbare  heiratete 
eine  Andechs-Meranierin  und  gewinnt  durch  sie  auch  grofsen  Güterbesitz  in 
<>l>er  Krain,  so  dafs  er  sieh     Herr  von"|Krain  .  Dominus  Camiolae,  nennen 
konnte.    Nach  dem  Aussterben  der  Babenberger  gelangten  die  Sponheimer 
Herzöge  in  den  Besitz  des  Fendilins,  als  Herzog  Ulrich  die  Witwe  jenes  Fried- 
rieh, des  letzten  Babenbergers,  geheiratet  hatte."  Die  Herrschaftsansprüche  des 
Patriarchen  wurden  von  diesem  immermehr  zurückgedrängt,  und  1261  war 
l  lrich   III.  (f  12G9)  fast  unumschränkter  Herr  im  Lande.    Nach  der  Zeit  des 
Zwisehenreiches  wurde  Graf  Meinhard  III.  von  Görz  mit  Kärnten  und  Krain 
letzteres  als  Pfandbesitz |  belehnt  (128<>),  wie  oben  schon  bemerkt;  1335  fiel 


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312  VI.  Politische  GeoKTupliie  um  da*  Jahr  1375. 

Krain  an  die  Habsburger  zurück.  Erst  unter  Rudolf  IV.  kam  1364  der  Titel 
>Herzug  von  Krain  <  auf.  Vgl.  Dimitz,  Gesch.  Krains  von  d.  öltest.  Zeit  bis 
1813,  Laibach  1874—1876.  Richter,  Beiträge  z.  Gesch.  Krains,  und  Forschungen 
zur  Gesch.  und  Geographie  von  Krain  im  Mittelalter,  in  Hormayrs  Archiv 
1H19,  1822,  1824.  Meli  1.  c,  S.  130  ff.  gibt  eine  Übersicht  über  "die  Besitz- 
verhältnisse des  Landes  im  XIII.  Jh. 

Grafschaft  Tirol.  Das  Tiroler  Land,  welches  sich  nur  sehr  allmäh- 
lich zu  einem  geschlossenen  Gebiete  abrundete,  gehörte  anfangs  mit  seiner 
nördlichen  Hälfte  zum  .Stammesherzogtum  Baiern .  das  noch  das  Eteeh- 
und  Eisacktal  bis  unterhalb  Bozen  umfafste,  mit  seiner  südlichen  zu  Italien. 
In  dieser  hatten  im  Anfang  des  XI.  Jh.  da.s  Bistum  Trient  und  nördlich  von 
diesem  das  Bistum  Brixen  sich  zu  reichsunmittelbaren  Territorien  entwickelt. 
Kaiser  Konrad  II.  hatte  bereite  1027  dem  Bischof  von  Trient  die  Grafschaft 
dieses  Namens  und  das  Land  nördlich  bis  zum  Brenner  und  zur  oberen  Etech 
mit  den  Grafschaften  Bozen  und  Vintechgau  und  einen  Teil  des  Engadin  als 
Lehnsfürstentum  übergeben.  Das  Bistum  Brixen  war  in  demselben  Jahre  mit 
den  Grafschaften  im  Inn-  und  Eisacktale  ausgestattet  worden,  zu  welchen  dann 
durch  Kaiser  Heinrich  IV.  (101)1)  noch  ein  Teil  des  Pustertales  (Riem  und 
oberes  Drautal  bis  kurz  vor  Innichen)  hinzukam,  so  dafs  dessen  Territorium 
im  allgemeinen  östlich  des  Eisack  und  des  Brennersattels  gelegen  war.  In- 
dessen, diese  Gebiete  vermochten  die  Bistümer  nicht  dauernd  im  Besitz  zu 
halten;  schon  dadurch,  dafs  sie  einzelne  Gebiete  als  Afterlehen  weitergalnm, 
beförderten  sie  das  Umsichgreifen  der  weltlichen  Herrschaft.  —  Unter  den 
Adelsgeschlcchtem  ragten  frühzeitig  die  bairisehen  Grafen  von  Andechs- 
Moran  hervor,  die  im  Inngebiet  grofse  Besitzungen  hatten  und  Vögte  des 
Bistums  Brixen  waren.  Ihr  Territorium  reichte  weit  nach  N. ;  es  gehörten 
ihnen:  1.  die  Grafschaft  Andechs  und  Diessen  zwischen  dem  Ammer-  und 
Starnbergersee  mit  dem  Gebiet  von  Weilheim  und  vom  Walchensee,  und  dem 
Wald  von  Diessen  bis  1  Vissel iberg.  Schlofs  Andechs  liegt  am  östlichen,  Diessen 
am  südlichen  Ufer  des  Ammersees;  2.  die  Grafschaft  Wolfratehausen,  südlich 
von  Dachau,  vom  Starnbergersee  bis  zur  Isar;  3.  die  Grafschaft  im  Ober-Inn 
tal  von  Strafe  bis  Kemnaten  mit  Ambras.  Hall,  Schwaz,  Achensee;  4.  das 
Norital  (die  alte  Grafschaft  Matrei)  mit  dem  Hauptort  Brixen;  5.  ein  Teil 
des  Pustertales,  soweit  es  zu  Tirol  gehörte,  war  schon  101)1  vom  Brixener 
Bischof  als  Lehen  an  die  Andechs  gekommen.  Abgesehen  von  ihren  sonstigen 
Besitzungen  in  Franken  und  Krain  waren  sie  1171  auch  Markgrafen  von 
Istrien  geworden  (letzteres  kam  1209  an  den  Patriarchen  von  Aquileja),  seit 
1181  Herzöge  von  Dalmatien  und  Kroatien  mit  dem  Titel  Herzog  von  Meran 
oder  Meranien,  unter  welchem  nicht  etwa  der  Ort  Meran,  sondern  das  Küsten- 
land von  Istrien  und  Dalmatien  zu  verstehen  ist.  Bertold  IV.  führt  zuerst 
den  Titel  von  Andechs-Meran  seit  11*1).  Im  Jahre  1218  starben  die  Andechser 
mit  Otto  IL,  dem  Gemahl  der  Elisabeth.  Tochter  Alberte  III.  von  Tirol,  aus, 
und  ihr  Land  wurde  an  die  benachbarten  Dynasten  aufgeteilt.  Andechs,  Diessen 
und  Wolfratehausen  fielen  an  die  bairisehen  Herz» ige,  das  Nori-  und  Pustertal 
zogen  zunächst  die  Bischöfe  von  Brixen  wieder  ein,  während  sie  einen  Teil 
des  Noritalcs  mit  Matrei  und  »lein  Brenner  an  Albert  III.  von  Tirol  zu  Lehen 
gaben.  Das  übrige  liel  auch  gröfstenteils  an  die  Tiroler  Linie  (s.  unten).  —  Die 
ehemals  weit  ausgedehnt«-  Grafschaft  Eppan  (da  Piano,  d'Appianoj  löste 
sich  auch  allmählich  auf  und  fiel  zumeist  den  Grafen  von  (Tirol-  Görz  an 
heim.  Ursprünglich  umfafste  sie  die  Grafsc  haft  Bozen  mit  Bozen  und  vielen 
anderen  Orten  und  einen  Teil  des  oberen  Inntalcs.  Doch  schon  11*9  mufsten 
die  Grafen  Greifenstein  und  Bozen  dem  Bischof  von  Trient  überlassen.  Ihr 
seitheriger  Besitz  beschränkte  sich  auf  die  Grafschaft  I  lten  (im  Ultental  süd- 
lich von  Meran),  den  nördlichen  Teil  des  Otztalcr  Gebirges  bis  zur  Wasser- 
scheide im  S.  und  zum  Inn  im  N.  und  W.  sowie  auf  die  Grafschaft  Hohen- 
Eppan  zu  beiden  Seiten  der  Etsch  von  der  lombardisehen  Grenze  an. 


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191.  Erebiutuin  Salzburg.  313 

Den  Kern  der  alten  Grafschaft  Tirol  bildeten  der  Vintschgau  (Ober- 
Etechtal)  und  ein  Teil  des  Engadin.  Die  Grafen  führten  den  Namen  nach 
ihrer  Stammburg  Tirol,  die  an  der  Stelle  eines  römischen  Castrum  Teriolis 
(Notitia  dignit.  Occ.  XXXV,  11,  ed.  Seeek)  errichtet  worden  war.  Sie  liegt  un- 
mittelbar nördlich  über  Meran,  dem  alten  Majas,  welches  angeblich  vom  Neufer 
Berg  verschüttet  worden  sein  soll  und  dann  als  Maias  am  Rain,  Mairain 
wiedererstand.  Als  Mairania  erscheint  es  urkundlich  schon  758  und  dann  erst 
wieder  als  Forum  Meran  1234.  Grafen  von  Tirol  werden  uns  seit  1140  ge- 
nannt. Ihr  Machtbereich  erweiterte  sich  sehr  bald.  Tm  XII.  Jh.  waren  sie 
Vögte  im  Bistum  Trient.  Vom  Bistum  Brixen  hatten  sie  die  Grafschaft  im 
Eisacktal  zu  Lehen  und  wurden  1214  auch  Vögte  dieses  Stiftes.  Im  Jahre  1248 
erwarb  Graf  Albert  III.,  der  letzte  der  alten  Tiroler  Grafen,  auch  einen  Teil 
des  Ober-Inntales  von  den  Grafen  von  Andeehs-Meran.  Albert  III.  hatte  zwei 
Töchter,  von  denen  die  älteste,  Elisabeth,  an  den  Grafen  Otto  II.  von  Meran 
vermählt  war,  die  jüngere,  Adelheid,  an  den  Grafen  Meinhard  von  Görz.  Otto  II. 
Starb  aber  schon  1248,  als  letzter  der  Andeehs-Meranier,  und  sein  grofser  Land- 
besitz löste  sich  auf  (s.  oben).  Auch  sein  Schwiegervater  Albert  III.  erwarb 
damals  die  Grafschaft  im  Inntal  sowie  im  Pustertal  und  die  übrigen  Besit- 
zungen der  Andechser  im  Gebirge.  Er  selbst  starb  1253  und  seine  Schwieger- 
söhne teilten  das  Land.  Graf  Gebhard  von  Hirschberg  (Niederbaiern),  welcher 
die  verwitwete  ältere  Tochter  Elisabeth  geheiratet  hatte,  erhielt  die  nördliche 
Hälfte,  Graf  Meinhard  von  Görz  «Ii«*  südliche,  d.  h.  den  Vintsehgau  von  Nau- 
ders  bis  I,andeck,  die  Besitzungen  im  Pustertal  und  Friaul.  Doch  fiel  1263 
auch  der  Gebhardsche  Besitzanteil  ihm  zu,  also  die  Vogtei  über  das  Bistum 
Brixen  und  das  Inntal.  Überdies  war  er  in  den  Besitz  der  erledigten  Stifts- 
lehen der  Grafen  von  Eppan  (s.  vorher)  gekommen.  Di«-  Grafschaft  Tirol  um- 
fafste  somit  damals  schon  den  gröfsten  Teil  des  heutigen.  Mit  jenem  Grafen 
Meinhard  von  Göns  und  Tirol  beginnt  die  neue  Dynastenlinie.  Sein  Sohn 
Meinhard  wurde  1286  mit  dem  Herzogtum  Kärnten  (und  Krain)  belehnt 
(s.  oben),  und  sein  Enkel  Heinrich  trug  vorübergehend  (1307 — 4310)  sogar  die 
böhmische  Krone.  Seine  einzig«'  überlebende  Tochter  Margarete  Maultaseh, 
die  in  zweiter  Ehe  mit  Ludwig  von  Baiern  vermählt  war,  wendete  nach  dem  Tode 
ihres  Sohnes  das  Tiroler  Land  den  Habsburgern  zu.  —  Die  grofse  Mehrzahl 
der  übrigen  GrafenKesehleehtcr  in  Tirol  war  teils  ausgestorben,  teils  hatte  sie 
ihren  Landbesitz  schon  an  Meinhard  II.  veräufsert,  Huber,  Gesch.  «1.  Ver- 
einigung Tirols  mit  Osterr..  1804.    Egger,  Gesch.  Tirols  1872— 1880. 

191.  Erzbistum  Salzburg.  Das  älteste  Stiftsgebiet  hatte  teilweise 
unter  der  Oberhoheit  der  bairischen  Herzöge,  teilweise  unter  gräflicher 
Gerichtsbarkeit  gestanden.  Im  Jahre  798  wurde  Salzburg  zum  Erzbistum 
erhoben  und  seitdem  wuchs  auch  sein  Güterbesitz  mit  Immunitätsrecht. 
Freilich  bestand  dieser  Besitz  anfänglich  aus  sehr  zerstreut  liegenden 
Parzellen.  Begreiflicherweise  strebten  die  Erzbischöfe  ihr  Gebiet  abzu- 
runden und  vor  allen  Dingen  auch  Grafschaftsrechte  zu  erringen.  So 
hatten  die  letzten  Grafen  von  Piain,  Otto  und  Konrad,  12:")0  ihre  Besitzungen 
dem  Erzstifte  zu  Lehen  aufgetragen  und  an  dieses  sogleich  auch  ver- 
pfändet. Als  die  Plainer  1200  dann  ausstarben,  nahm  sie  der  Erzbisehof 
endgültig  in  Besitz.  —  Abgesehen  von  dem  Territorialbesitz  im  Salzach- 
gebiet gehörten  zum  Stift  noch  gröfsere  Güterkomplexe  in  Steiermark, 
Kärnten  und  Tirol. 

Das  älteste  Güterverzeiehnis  ist  der  von  Bischof  Arn  Karl  dem  Grofsen 
überreichte  Indiculus  Arnonia  mit  den  gleichzeitigen  Breves  notitiae  Salzburgenses 
(mit  Erläuterungen  herausgegeben   von   F.  Keinz,  München   1H*;9).  —  Zum 
Territorialbestand  im  X.  Jh.  geborten  schon  die  beiden  Salzaufer  von  Straf.» 
walchen  bis  an  den  Pongau,  der  Salzburggau  und  Kuchelgau,  Pongau,  Lungau 


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314  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

(oberes  Murtal)  und  Pinzgau.  Über  den  schließlich  der  Landeshoheit  des  Erz- 
stiftes  unterstellten  Bezirk  und  seine  Abgrenzung  im  XIV.  Jh.  auf  Grund  der 
unverändert  gebliebenen  Landgerichtsgrenzen  vgl.  die  kritische  Arbeit  von 
Ed.  Richter,  Untersuchungen  z.  bist,  Geogr.  des  ehemaligen  Hochstiftes 
Salzburg.  Ergänzungsbd.  I  (1885),  S.  590—7.37  der  Mittlgn.  d.  Inst.  f.  österr. 
Geschichtskde.,  wo  auch  der  Besitz  der  Aribonen  (Plainer  Grafschaft)  eingehend 
behandelt  wird  (S.  r>38  ff.).  —  Zum  Erzstift  gehörten  ferner  Besitzungen  in 
Österreich  an  der  Url,  Ips,  Donau,  Wiener  Wald  bis  in  die  Püttner  Mark ;  in 
Kärnten:  die  Friesacher  (irafschaft  mit  Friesach  und  Hüttenberg,  aus  dem 
Nachlafs  der  (f  1043)  Friesacher  Grafen familie. ;  in  Steiermark:  die  Herrschaften 
I^mdsberg,  der  Wildforst  Sausal  an  der  Sulm-Lafnitz,  ferner  Gröbming  im 
Ennstal,  der  Drauboden  um  Pettau;  in  Tirol:  die  Ämter  Waidring,  Brixleck 
und  Söll.  Vgl.  hierzu  von  Koch- Sternfeld,  Salzburg  und  Berchtesgaden, 
2  Bde.  Salzbg.  1*10  von  Lang,  Baierns  alte  Grafschftn..  S.  91  ff.  von 
Krön  es,  Grundrifs  d.  österr.  Gesch.,  S.  204  mit  weiterer  Literatur.  Hau- 
thaler, Salzburger  Urkundenbuch  I.    Salzburg  1898. 

192.  Königreich  Böhmen  und  Markgrafschaft  Mähren.  Seit  der 
Verdrängung  des  Polenherzogs  Boleslaw  Chrobry  war  die  Regierungs- 
gcwalt  wieder  in  die  Hände  der  Przemysliden  zurückgelangt.  Nachdem 
die  Königskrone  vorübergehend  schon  1086  von  Wratislaw  II.  getragen 
worden  war,  wurde  sie  1158  durch  Kaiser  Friedrich  I.  erblich  dem  Stamm- 
hause erteilt.  Doch  erst  mit  Ottokar  I.,  der  die  Primogenitur  einführte, 
blieb  sie  dauernd  dem  Lande  erhalten.  —  Unter  Ottokar  II.  gelangte 
Böhmen  zu  höherer  Machtentfaltung,  da  auch  Österreich,  Kärnten  und 
Krain  vorübergehend  hinzuerworben  wurden.  Mit  Wenzel  III.  erlosch 
1306  der  Mannesstamm  der  Przemysliden,  und  bald  darauf  (1310)  gründeten 
die  Luxemburger  eine  erbliche  Dynastie  in  Böhmen.  —  Die  Przemysliden 
hatten  bereits  Mähren  erworben,  wolches  von  Kaiser  Friedrich  I.  zu 
einer  Markgrafschaft  erhoben  worden  war  (1182).  Wurde  es  10  Jahre 
später  auch  von  Böhmen  wieder  losgelöst,  so  hatte  es  Ottokar  I.  1198 
doch  von  neuem  wiedergewonnen,  und  seitdem  blieb  es  mit  Böhmen 
vereinigt, 

Böhmen  ist  allseitig  durch  natürliche  Grenzen  abgeschlossen,  doch  hinderte 
dies  nicht,  dafs  das  Königreich  über  diese  teilweise  hinausgriff.  So  hatte 
Karl  IV.  1353  einen  Teil  der  Obernfalz  hinzuerworben;  vgl.  hierüber  oben 
S.  2f»l.  Die  Przemysliden  hatten  auch  im  Meifsener  Lande  und  im  Voigtlande 
vorübergehend  Fufs  zu  fassen  vermocht,  der  Einflufs  Böhmens  auf  Schle- 
sien hatte  von  jeher  bestanden,  und  unter  Karl  IV.  war  letzteres  ein  liehen 
der  böhmischen  Krone.  —  Das  Egerland,  welches  von  Ostfranken  besiedelt 
worden  war,  war  lange  strittiges  Gebiet  gewesen,  weil  es  kirchlich  und  politisch 
immer  mehr  zum  Westen  hinneigt«'.  Ottokar  II.  hatte  dasselbe  12GG  in  Pfand  ge- 
nommen, doch  ging  es  1305  wieder  verloren,  und  erst  Karl  IV.  gelang  es,  es 
von  neuem  zu  okkupieren.  —  Mähren  war  seit  1209,  wo  es  der  Sohn  Brctis- 
laws  I.,  U  dal  rieh,  eroberte,  stets  nur  ein  Nebenland  von  Böhmen  gewesen  und 
wurde  mehrmals  an  die  jüngeren  Prinzen  vergeben. 

A.  Bachmann,  Gesch.  Böhmens  I.  Gotha  1899  (neueste  (juellenmälsige 
Darstellung).  Die  Spezialliteratur  führt  Krones,  Grundrifs.  S.  8f>  ff.  auf. 
Dudik,  Mährens  allg.  Geschichte,  Bd.  8  und  9:  Mährens  Kulturgesch.  1197 
bis  130t;,  1878—80.  Luschin  von  Ebengreuth,  Österr.  R.,  S.  288  ff. 
Bretholz,  Gesch.  Mährens,  3  Bde..  Brünn  1893. 

193.  Wettinisehe  Lande.  Im  mittleren  Deutschland  hatte  sich  ein 
grofses  Territorialgebiet  entwickelt,  welches  um  1375  aus  den  Markgraf- 


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193.  WettiniHche  Lande. 


315 


schaften  Meifsen  und  Osterland  und  der  Landgrafschaft  Thüringen  sich 
zusammensetzte.  Den  Ausgangspunkt  dieses  Machtbereiches  bildete  die 
Markgrafschaft  Meifsen,  die  sich  anfangs  in  der  Hand  verschiedener 
Geschlechter  befunden  hatte,  seit  1089  aber  dauernd  an  das  Haus  Wettin 
kam.  Die  erste  gröfsere  Erweiterung  des  Landbesitzes  bewirkte  der  tat- 
kräftige Markgraf  Konrad  der  Grofse  (1124 — 1156),  der  einen  beträcht- 
lichen Teil  auch  der  beiden  anderen  Markgrafschaften  Zeitz  und  Merse- 
burg in  seine  Gewalt  brachte.  Durch  Teilung  unter  seine  fünf  Söhne  trat 
freilich  eine  Zersplitterung  des  gesamten  Landes  ein,  die  auch  zu  Streitig- 
keiten unter  den  Verwandten  führte.  Durch  glückliche  Umstände  gelang 
es  aber  Dietrich  dem  Bedrängten  (1197 — 1221),  die  Landsplitter  wieder 
in  einer  Hand  zu  vereinigen,  und  sein  Sohn  Heinrich  der  Erlauchte 
(1221 — 1288)  erweiterte  die  wettinische  Macht  durch  namhafte  Neu- 
erwerbungen, insonderheit  des  Pleifsner  Landes  (1243)  und  nach  einem 
blutigen,  wechselvollen  Kriege  auch  der  Landgrafschaft  Thüringen  (1247, 
1264).  Hiermit  war  die  Hausmacht  bis  zur  Werra  ausgedehnt  worden. 
Die  Wirren  im  Innern  des  Reiches  unter  den  schnell  wechselnden  Wahl- 
königen machten  sich  auch  in  diesen  Ländern  bemerkbar,  und  die 
Schwäche  einzelner  Dynasten  führte  zu  einer  vorübergehenden  Auflösung 
des  ganzen  Territorialbestandes.  Erst  Friedrich  der  Freidige  (f  1324) 
legte  von  neuem  den  Grund  zu  einer  Machtentfaltung  seines  Hauses, 
indem  er  den  früheren  Landbesitz  wieder  in  seine  Hand  brachte.  Er 
wie  auch  seine  Nachfolger  wüteten  ihn  zu  erweitern  und  durch  Erwerb 
einer  Reihe  zerstreut  liegender  Herrschaften  mehr  und  mehr  abzurunden. 

Die  alte  Stammbesitzung  des  Wettiner  Geschlechtes  umfafste  ein  kleines 
Gebiet  an  der  Saale,  an  welcher  auch  die  Stammburg  Wettin  bei  der  gleich- 
namigen Stadt  sich  erhebt.  Zu  ihr  gehörten  ferner  die  Burgwart  Zörbig  und  die 
Grafschaft  Brene  mit  Camburg.  Durch  Erbschaft  erhielt  Konrad  der  Grofse 
von  der  Nebenlinie  der  älteren  Wettiner  noch  die  Grafschaft  Eilenburg.  Diese 
ältere  Linie,  an  die  unter  Heinrich  I.  von  Eilenburg  1089  die  Markgrafschaft 
Meifsen  übertragen  worden  war,  war  mit  Heinrich  dem  Jüngeren  1123  erloschen. 
Von  ihr  übernahm  Konrad  die  Markgrafschaft  Meifsen.  Im  Jahre  1136  ge- 
wann er  auch  die  Niederlausitz,  wo  das  Geschlecht  Wiprechts  von  Groitzsch 
ausgestorben  war;  desgleichen  das  Milzener  Land  (Oberlausitz)  und  1143  durch 
eine  Schenkung  Konrads  III.  die  Grafschaft  Rochlitz.  Auf  dem  Höhepunkt 
seiner  Macht  stehend,  trat  Markgraf  Konrad  1150  von  der  Regierung  zurück 
und  teilte  das  Land  unter  seine  fünf  Söhne:  1.  Otto  erhielt  die  Mark  Meifsen; 
2.  Dietrich  die  eilen  burgischen  Erbgüter  und  die  Markgrafschaft  Niederlausitz, 
die  seit  1180  kurz  die  Ostmark  genannt  wurde;  Dedo  bekam  die  Grafschaft 
Rochlitz  an  der  Zwickauer  Mulde  und  Groitzsch;  4.  Heinrich  die  Grafschaft 
Wettin  und  5.  Friedrich  die  Grafschaft  Brene. 

Hinsichtlich  der  beiden  letzten  Linien  ist  zu  bemerken,  dafs  die  Wettiner 
Linie  Heinrichs  mit  seinem  Enkel  1217  ausstarb  und  Wettin  an  die  Linie 
Brene  fiel.  Letztere,  die  vom  Erzbistum  Magdeburg  noch  mehrere  Lehen  ( Arnolds- 
hagen, Trebus,  Schweinitz,  Prettin,  Jessen,  Klöden,  Zwetau,  Belitz,  Zahne, 
Wiesenburg,  Werben,  Gommern)  erhalten  hatte,  erlosch  1290,  und  das 
alte  Stammschlofs  mit  der  Stadt  Wettin  und  ein  Teil  der  ehemaligen  Graf- 
schaft fielen  auf  Grund  einer  vorherigen  Vereinbarung  an  das  Erzstift  Magde- 
burg, während  die  Grafschaft  Brene  von  Kaiser  Rudolf  I.  als  eröffnetes  Reichs- 
lehen an  seinen  Enkel  Rudolf  von  Sachsen-Wittenberg  vergeben  wurde  (s.  S.  321). 
Die  Niederlausitz-Eilenburger  Linie  Dietrichs,  der  nach  dem  von  ihm 


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316 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


1  to  B 


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—  £.2. 

5-& 


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2  s 

es- 


erbauten  Schlofs  Lands 
berg  auch  als  Markgraf 
v.  Landsberg  erscheint, 
starb  mit  ihm  11  #5  aus. 
Die  eilenburgisehen  Erb 
guter  kamen  an  die  Ru- 
chlitzer  und  Meifsener 
Linie,  die  Lausitz  ganz 
an  die  entere  gegen  eine 
an  den  Kaiser  gezahlte 
Summe    (4000  Mark. 
Die  von  Dedo  gestiftete 
Rochlitzer  Linie, 
die  somit  die  Mark  Lau- 
sitz, Groitzsch,  Roehlitz, 
Eilenburg  und  Lands 
berg  besafs,    ging  mit 
Markgraf  Konrad  1210 
zu  Ende,  und  sein  Ge- 
biet fiel  an  den  Meifse 
ner  Markgrafen  Dietrich 
den  Bedrängten,  der  aber 
die  Mark  Lausitz  vom 
Kaiser  erst  wieder  ein- 
lösen mulste.  Die 
Meifsener  Haupt- 
1  i  n  i  e  war  von  Otto  dem 
Reichen  (1157—1190 
gestiftet  worden,  der 
Weifsenfeis  dazu  erwarb. 
Nach  heftiger  Fehde  mit 
seinem  Sohne  AI brecht 
dem  Stolzen  und  des 
letzteren     mit  seinem 
Bruder  Dietrich,  der  zu- 
nächst nur  Weifsenfe).» 
erhalten  hatte,  vereinigte 
dieser  (1197—1221)  den 
ganzen  Landbesitz  wie 
der  in  seiner  Hand,  da 
er,  wie  vorher  bemerkt, 
auch  die  Rochlitzer  Sei 
tenlinie  beerbte. 

Aus    seiner  Ehe 
mit  Jutta,  der  Tochter 
des    Landgrafen  Her 
mann   von  Thüringen 
stammte  H  e  i  n  r  i  c  h  der 
Erlauchte,    der.  an 
fangs  unter  Vormund 
schaff    seines  Oheim- 
Ludwigs    des  Heiligen 
stehend,  seit  1230  selb 
ständig    regierte.  Füt 
seinen    Sohn  Albrecht 
den  Entarteten,  der  die 
Tochter    Kaiser  Fried 


193.  Weltininche  Lande. 


317 


richs  EL,  Margarete,  heiratete,  erhält  er  unterpfändlich  das  Pleifsner 
Land,  einen  Teil  der  ehemaligen  südthüringischen  Mark,  in  der  .sieh  ver- 
schiedene Grafschaften  und  LanÜVOgteien  herausgehildet  hatten.  Kaiser  Fried- 
rich I.  hatte  1157  einen  grofsen  Teil  der  Grafschaften  durch  Kauf  an  sich 
gebracht  und  durch  Vögte  verwalten  lassen.  Diese  Terra  PlLsnensis  war  zeit- 
weise (1291  — 1311)  wieder  beim  Reiche  gewesen,  bis  sie  dann  dauernd  an  das 
Wettiner  Haus  fiel ;  unter  dieser  Bezeichnung  kommt  das  Land  zuerst  in  einer 
Urkunde  Kaiser  Friedrichs  I.  von  1172  vor.  Man  rechnete  dazu:  Altenburg, 
Schmölln,  Werdau,  Crimmitzschau,  Kolditz,  Leisnig,  auch  Chemnitz  und  Zwickau. 
Doch  herrscht  Ungewilsheit  insbesondere  über  Altenburg,  Chemnitz,  Zwickau. 
Vgl.  hierüber  Tittmann,  Gesch.  Heinrichs  d.  Erl.,  Dresden  1845,  I,  88. 

Die  La  ndgraf schaft  Thüringen  bildete  die  zweite  wichtige  Er- 
werbung Heinrichs.  Im  Jahre  1242  hatte  er  mit  Bestätigung  Kaiser  Friedrichs  II. 
die  Eventualbelehnung  mit  der  Landgrafschaft  Thüringen  empfangen,  in  welcher 
der  kinderlose  Heinrich  Raspe  herrschte.  Als  letzterer  1247  starb,  brach  der 
Streit  mit  den  weiblichen  Verwandten  bzw.  deren  Nachkommen  gleichwohl 
aus,  da  Friedrich  II.  nur  die  Reichslehen  zu  vergeben  berechtigt  war,  nicht 
aber  die  Stammgüter  und  die  sonstigen  Gerechtsame,  auf  welche  die  anderen 
Erben  Anspruch  machten.  In  dem  nun  folgenden  thüringischen  Erbfolgekrieg 
standen  sich  Heinrich  und  Sophie,  die  Tochter  Landgraf  Ludwigs  des  Heiligen 
und  der  h.  Elisabeth,  gegenüber,  da  die  anderen  Prätendenten  bald  ausschieden. 
Die  Entscheidungsschlacht  zwischen  Halle  und  Wettin  1 203  entschied  zugunsten 
Heinrichs.  Sophie  entsagte  für  ihren  Sohn  Heinrich  das  Kind  allen  Ansprüchen 
auf  Thüringen;  über  die  ihr  zufallenden  Gebietsteile  vgl.  unter  Hessen  S.  21(5. 
Auch  die  sächsische  Pfalzgrafschaft  fiel  ihm  damals  zu.  Mit  diesen 
Erwerbungen  Heinrichs  des  Erlauchten  hatte  der  wettinisehe  Machtbereich 
eine  bedeutende  Ausdehnung  erfahren.  Der  Umfang  der  Mark  Meilsen 
war  damals  ein  beschränkterer  als  später,  besonders  nach  S.  hin,  wo  gröfsere 
Teile  seit  1075  zu  Böhmen  gehörten.  Im  XU  Jh.  reichte  die  böhmische 
Grenze  bis  fast  nach  Dresden.  Der  Königstein  war  1241  noch  böhmisch; 
König  Wenzel  stellte  dort  eine  Urkunde  aus. 

Sehr  schwankend  ist  der  Begriff  des  Osterlandes  gewesen.  Schon  die 
Erklärung  des  Namens  bietet  Schwierigkeit.  Man  vermutet,  dafs,  weil  einzelne 
Teile  des  Osterlandes  zu  Mnrchia  Orientalis,  also  Niederlausitz,  gehörten,  der 
Name  der  östlichen  Mark  auf  dieses  Gebiet  übertragen  wurde  (Gretschel  I,  8<>i. 
Tittmann  (I,  87)  gibt  die  Grenzen  nur  ungefähr  an  :  von  der  Quelle  der  Elster 
bis  nach  Halle  und  Merseburg  westlich,  Roehlitz,  Kolditz,  Leisnig  östlich.  Im 
XIV.  Jh.  erfuhr  die  Bezeichnung  Osterland  eine  Erweiterung,  da  auch  noch 
das  Pleifsner  Land  und  Schönburg  mitbegriffen  wurden. 

Es  folgte  die  Zeit  der  Auflösung  der  wettinischen  Macht.  Das  Pleifsner 
Land  wurde  1290  von  Kaiser  Rudolf  eingezogen,  die  Grafschaft  Brene  vergab 
er  'an  Sachsen- Wittenberg.  König  Adolf  von  Nassau  zog  auch  Meifsen  und 
die  Lausitz  ein,  und  Albrecht  der  Entartete  verkaufte  ihm  auch  Thüringen 
noch  für  nur  12000  Mark.  An  Brandenburg  hatte  er  nach  Tutas  Tode  die 
sog.  Mark  Landsberg  mit  Delitzsch  und  Sangerhausen  und  wahrscheinlich  auch 
die  Pfalzstädte  Allstädt  und  Lauchstädt  verkauft.  —  Albrechts  Sohn.  Friedrieb 
der  Freidige  oder  »mit  der  gebissenen  Wangec,  vereinigte  den  gröfsten  Teil 
der  verlorenen  Länder  wieder,  woran  auch  sein  Bruder  Diezmann  hervorragen- 
den Anteil  hatte.  Die  Schlacht  bei  Lucka  im  Altenburgischen  i ,1307)  entschied 
zugunsten  der  Brüder  gegen  Konig  Albrecht.  Thüringen  und  Meifsen  kamen 
wieder  in  ihre  Gewalt,  und  da  Diezmann  in  demselben  Jahre  aus  dem  Leben 
schied,  so  war  Friedrich  alleiniger  Herr  der  wettinischen  Länder.  Durch  seine 
zweite  Gemahlin,  der  Grälin  Elisabeth  von  Arnshaugk,  war  er  noch  in  den 
Besitz  von  Ziegenrück.  Triptis,  Auma,  Neustadt  an  der  Orla  und  eines  Teiles 
von  Jena  gekommen.  Nur  die  Mark  Landsberg  und  die  Niederlausitz  blieben 
verloren;  letztere,  die  die  Markgrafsehaft  Diezmanns  bildete,  war  seit  1371  im 
Besitz  Karls  IV.,  der  sie  mit  Böhmen  vereinigte. 


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318 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Friedrich  der  Ernsthafte  (1324 — 1349)  erwarb  noch  minderjährig  1324 
die  Anwartschaft  auf  die  Burggrafschaft  Altenburg.  Durch  seine  Heirat  mit 
Mathilde,  der  Tochter  Kaiser  Ludwigs,  erlangte  er  noch  verschiedene  andere 
Vergünstigungen.  Späterhin  verheiratete  er  seinen  Sohn  Friedrich  den  Strengen 
an  eine  Tochter  des  Grafen  von  Henneberg,  der  die  Pflege  Coburg  als  Mitgift 
seiner  Tochter  hergeben  sollte.  Erst  nach  mancherlei  Zwischenfällen  gelang 
es  Friedrich  dem  Strengen  in  einer  Teilung  mit  seinen  beiden  Schwägern,  dem 
Grafen  Eberhard  von  Wirtcmberg  und  dem  Burggrafen  Albrecht  von  Nürn- 
berg wenigstens  Coburg,  Neustadt,  Sonneberg,  Neuhaus,  Schalkau,  Straut  und 
Rodach  zu  erhalten.  Friedrich  der  Ernsthafte  erkaufte  1346  ein  Drittel  der 
Stadt  Langensalza  von  den  Herren  von  Salza.  Die  Mark  Landsberg,  die  unter- 
dessen an  Herzog  Magnus  von  Braunschweig  gekommen  war,  verkaufte  dieser 
1347  an  Friedrich.  Es  gehörten  dazu  Mark  und  Fürstentum  Landsberg,  Stadt 
und  Schlofs  Delitzsch,  Scblofs  Reideburg  und  Altenhoff.  Sangerhausen  war 
damals  nicht  mit  eingeschlossen.  Dagegen  sind  die  zu  Lauchstädt  gehörigen 
Güter  miteinbegriffen. 

Die  drei  Söhne  Friedrichs  des  Ernsthaften:  Friedrich  der  Strenge,  Bal- 
thasar und  Wilhelm  regierten  gemeinsam.  Sie  machten  verschiedene  Erwer- 
bungen Im  Jahre  1353  kam  die  Pflege  Coburg  nach  dem  Tode  Juttas,  der 
Witwe  Heinrichs  XL  von  Henneberg,  endgültig  an  Meilsen.  Mit  dem  Vogte 
von  Plauen  kamen  sie  aber  wegen  der  ihm  s.  Z.  nur  unterpfändlich  überlassenen 
Gebiete  von  Auma,  Triptis  und  Ziegenrück  in  Streit,  der  1357  dahin  beigelegt 
wurde,  dafs  der  reufsische  Vogt  ihnen  die  genannten  Orte  und  aufserdem  noch 
Adorf,  Mühltroff,  Neukirchen,  Pausa,  Laban  u.  a.  tauschweise  gegen  die  Be- 
lehnung mit  Borna  und  Kohren  abtrat.  Ferner  kauften  sie  1352  die  ehemals 
wettinische  Stadt  Zörbig  wieder,  desgleichen  Haus  und  Stadt  Nebra,  Tuch  und 
die  Hälfte  des  Gerichtes  Riedeburg;  1358  erwarben  sie  che  Schlösser  Dornburg. 
Windberg,  Lobdaburg  nebst  dem  Lehen  an  Tautenberg;  1365  erhielten  sie 
Schlofs  Elgersburg  mit  Dorfschaften;  1367  kauften  sie  die  Schlösser  Wachsen- 
burg, Schwarzwald  und  Liebenstein;  1369  erwarben  sie  vom  Braunschweiger 
Herzog  noch  Sangerhausen  unterpfändlich  und  1372  käuflich.  Auch  durch 
die  Heirat  des  einen  der  Brüder  wurde  eine  Erwerbung  gemacht.  Die  Tochter 
des  Burggrafen  Albrecht  von  Nürnberg  und  Sophie,  die,  wie  bemerkt,  einen 
Anteil  an  der  Henneberger  Herrschaft  empfangen  hatte,  mit  Namen  Margarete, 
heiratete  jenen  Balthasar,  dem  sie  die  Ämter  und  Städte  Heldburg,  Hildburg- 
hausen, Eisfeld,  Ermannshausen  und  Ummerstadt  zubrachte.  (Die  andere 
Hälfte  des  Anteils:  Königsberg,  Schildeck,  Kissingen  und  Neutlingen  erhielt 
ihre  Schwester  Anna,  die  den  Herzog  Swantibor  von  Pommern  heiratete).  Vgl. 
S.  290  f.  Aufserdem  empfing  Margarete  als  Leibgedinge  die  Orte  Tenneberg, 
Gotha  und  Waltershausen. 

Gretschel,  Gesch.  des  sächs.  Volkes,  Leipz.  1863.  Böttiger,  Gesch. 
des  Kurstaates  und  Kgr.  Sachsen,  Gotha  1867  ff.  Tut zsch mann ,  Atlas  zur 
Gesch.  der  sächs.  Länder,  Grimma  1852.  Brecher,  Darstellung  der  Gebiets- 
veränderungen in  den  Ländern  Sachsens  und  Thüringens,  Berl.  1*88.  —  Wenck, 
Die  Wettiner  im  XIV.  Jh.,  Lpz.  1877.  Posse,  Die  Märkgrafen  von  Meifsen 
und  das  Haus  Wettin,  Lpz.  1881.  von  Posern-Klett,  Zur  Gesch.  der  Ver- 
fassung der  Markgrafschaft  Meifsen  im  XIII.  Jh.,  Lpz.  1863.  Märcker,  Das 
Burggraftum  Meifsen,  Lpz.  1842.  Tittmann.  Gesch.  Heinrichs  d.  Erlauchten, 
Dresden  1845. 

Landgrafschaft  Thüringen  machte  nur  einen  Bruchteil  des  heute  so 
genannten  Thüringer  Landes  aus.  Dieser  Landschaftsbegriff  war  nie  ein  fest- 
stehender gewesen,  und  die  jeweilige  Ausdehnung  und  Begrenzung  hat  in  den 
einzelnen  Jahrhunderten  sehr  gesehwankt.  Die  wechselnde  Begrenzung  erörtert 
übersichtlich  F.  Regel,  Thüringen,  1892,  I,  3  —  19.  Hier  war  eine  Anzahl 
von  kleineren  Dynasten  und  Grafengeschlechtern  emporgekommen,  unter  denen 
Ludwig  mit  dem  Barte  im  XL  Jh.  eine  gröfsere  Bedeutung  gewann.    Er  hatte 


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193.  Wettinischc  I^ande. 


319 


von  den  thüringischen  Grafen  Günther,  Biso  u.  a.  die  Dörfer  Altenberg,  Rein- 
hardsbrunn mit  zugehörigen  Gebieten  gekauft  und  1039  von  Kaiser  Konrad  II. 
einen  Teil  der  wüsten  Loibe  (des  Thüringer  Waldes:  Tenneberg,  Schwarzwald, 
Georgen thal,  Reinhardsbrunn  und  Ichtershausen  umfassend)  zum  Geschenk  er- 
halten. Durch  seine  Heirat  mit  der  Gräfin  Cäcilie  von  Sangerhausen  vergrößerte 
er  seinen  Güterbesitz.  Auf  seinen  Sohn  Ludwig  den  Salier,  oder  auch  der 
Springer  genannt,  den  Erbauer  der  Wartburg  (1067),  folgte  Ludwig  III.,  auf 
den  vom  Kaiser  Lothar  1130  die  Landgrafsehaft  übertragen  wurde.  letztere 
war  vordem  im  Besitz  der  Grafen  von  Winzenburg  gewesen,  deren  letztem  Ver- 
treter Hermann  II.  sie  genommen  worden  war.  Ludwig  III.  (I.  als  Landgraf) 
hatte  durch  die  Heirat  mit  einer  Tochter  Gisos  IV.,  des  Grafen  von  Gudens- 
berg, das  Kernstück  des  hessischen  Landes  erhalten,  in  welchem  er  aber  schon 
vorher  Rechte  und  Besitzungen  gehabt  haben  mufs.  Hiermit  war  die  längere 
Zeit  bestehende  Verbindung  Thüringens  mit  Hessen  angebahnt  worden.  Unter 
den  nachfolgenden  Landgrafen  erhielt  Ludwig  der  Milde  1181  auf  dem  Reichs- 
tage zu  Erfurt  endgültig  die  ihm  im  Jahr  vorher  schon  zugesprochene  Pfalz- 
grafschaft Sachsen  mit  dem  Reichslehen.  —  Mit  Heinrich  Raspe  erlosch  1247 
der  Mannesstamm  dieser  Landgrafenlinie. 

Pfalzgraf. schaff  Sachsen  war  nicht  mit  Thüringen  verbunden,  sondern 
Reichsgut  gewesen.  Ein  I'falzgraf  Berno  wird  hier  schon  973  genannt;  1040 
wird  sie  dem  thüringischen  Grafen  Dedo  von  Goseck  übertragen,  der  104* 
auch  mit  der  Herrschaft  Weifsenfeis  belehnt  wurde.  Sein  späterer  Nachkomme, 
Friedrich  IV.,  nannte  sich  nach  dem  Schlosse  Putelendorf  bei  Wiehe  und  All- 
stadt. Ihm  aber  wurde  vom  Grafen  Friedrich  von  Sommerschenburg  die  Pfalz- 
grafschaft entrissen.  Nach  dessen  Tode  kam  sie  1180  auf  dem  Reichstage  zu 
Gelnhausen  an  jenen  Ludwig  III.,  den  Milden.  Mit  Thüringen  fiel  sie  an 
Heinrich  den  Erlauchten,  der  sie  1291  mit  Landsberg,  Delitzsch  und  Sanger- 
hausen an  Brandenburg  verkaufte.  Lauchstädt  und  Allstädt  wurden  1318  an 
Agnes,  die  Witwe  Heinrichs  des  Alteren  von  Brandenburg,  als  Wittum  ver- 
geben. Erst  1347  kaufte  sie  Friedrieh  der  Ernsthafte  zurück.  Vgl.  Kurze, 
Gesch.  der  säclis.  Pfalzgrafschaft,  in  Neue  Mittlgn.  auf  dem  Gebiete  hist.-an- 
tiquar.  Forschen.  XVII  (1885).  Tittinann,  1.  c.  90,  der  die  zugehörigen  Ort- 
schaften aufzählt. 

Die  Lau  sitzen  waren  nach  dem  Tode  Geros  (9f>5^  als  Ostmark  aus- 
gesondert worden.  Sie  umfafsten  das  Land  der  Lusici  und  Milciener.  Anfangs 
noch  unter  den  Nachkommen  Geros  stehend,  kam  um  1031  Lusici  an  das  Haus 
der  Wettiner.  während  das  Milziener  Land  zum  gröfsten  Teil  dem  Bistum 
Meilsen  zutiel.  Mit  Lusici  (die  spätere  sog.  Niederlausitz)  wurde  1136  Markgraf 
Konrad  der  Grofse  von  Meilsen  belehnt,  als  die  andere  wettinisehe  Linie  aus- 
gestorben war.  1298  und  endgültig  1303  fiel  die  Niederlausitz  an  Brandenburg. 
Die  Oberlausitz  war  einige  Zeit  (1018 — 1029)  in  polnischen  Händen  gewesen, 
dann  die  längste  Zeit  in  böhmischen.  Sie  wurde  schon  im  XII.  Jh.  nach  der 
gleichnamigen  Stadt  Land  Budissin  (Terra  Budisin)  genannt.  1255  war  sie  an 
Brandenburg  gekommen.  Die  Nachkommen  der  Markgrafen  Johann  I.  und 
Otto  IQ.  teilten  1208  die  Oberlausitz  in  den  Budissiner  und  Görlitzer  Kreis. 
Die  johanncische  Linie  erhielt  den  ersteren  mit  Bautzen,  I/>bau,  Königsbrück 
und  halb  Hoyerswerda,  die  ottonische  Linie  den  letzteren  mit  Görlitz,  Lauban, 
der  Landskrone,  Schönberg  und  halb  Hoyerswerda.  Das  Löbauer  Wasser 
bildete  die  Grenze  —  Markgraf  Waldemar  vereinigte  aber  die  beiden  Lausitzen 
in  seiner  Hand  ;  doch  kamen  sie  nach  seinem  Tode  (1319)  in  fremden  Besitz. 
Die  Luxemburger  hatten  sogleich  die  Oberlausitz  erworben,  mit  Ausnahme 
von  Lauban,  welches  erst  1347  nach  dem  Tode  des  bisherigen  Besitzers,  Herzog 
Heinrichs  von  Jauer,  an  Böhmen  fiel.  Karl  IV.  verleibte  sie  1355  direkt  dem 
Königreich  Böhmen  ein.  Seit  134(>  wurde  sie  auch  das  »Land  der  Sechsstädte  « 
genannt,  weil  Bautzen,  Görlitz,  Zittau,  Lauban,  Löhau.  Kamenz  behufs  Be- 
friedung des  Landes  einen  Bund  geschlossen  hatten.   Von  Mitte  des  XIV.  Jh. 


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320 


VI.  Politische  (ieographie  um  das  Jahr  1375. 


an  treten  aueh  die  Bezeichnungen  Oberlausitz  und  Niederlausitz  auf, 
die  freilich  erst  im  XV.  Jh.  allgemeiner  wurden.  —  Die  Niederlausita  war  nach 
dem  Tode  Waldemars  an  die  Wittelsbacher  (Ludwig)  gekommen,  dessen  Söhne 
sie  aber  an  Markgraf  Friedrieh  den  Strengen  von  Meilsen  verpfändeten. 
Karl  IV.  löste  sie  13(14  ein,  gab  sie  vorübergehend  an  Herzog  Bolko  von  Jauer 
und  verleibte  sie  1370  in  sein  Königreich  Böhmen  ein,  so  dafs  er  nunmehr 
beide  Lausitzen  besafs. 

194.  Kurfürstentum  Sachsen(-Wittenber^).  Das  alte  Herzogtum 
Sachsen  war  mit  dem  Sturze  Heinrichs  des  Löwen  zertrümmert  und  in 
reichsunmittelbare  Gebiete  aufgelöst  worden.  Die  Ansprüche,  die  ein 
Vertreter  des  askanischen  Geschlechtes,  Otto,  machte,  der  die  Tochter 
des  letzten  Billunger  Herzogs  Magnus  geheiratet  hatte,  blieben  unberück- 
sichtigt. Aus  dieser  Ehe  entsproß*  Albrecht  der  Bär,  der  seinen  Besitz 
vergröfserte  und  1123  die  Ostmark  mit  Ausschluss  der  Niederlausitz  gewann. 
Für  letztere  erhielt  er  eine  Entschädigung  in  der  Nord  mark,  auch  Mark- 
grafschaft Nordsachsen  oder  Mark  Soltwedel  genannt,  die  durch  weitere 
Erwerbungen  östlich  der  Elbe  so  beträchtlich  vermehrt  wurde.  Sein 
Sohn  Otto  erhielt  später  die  Mark  Brandenburg,  sein  zweiter  Sohn 
Bernhard  von  Anhalt  die  Besitzungen  an  der  Elbe.  Er  war  es,  der 
nach  dem  Sturze  Heinrichs  des  Löwen  mit  dem  Herzogtum  Sachsen 
wieder  belehnt  wurde,  welches  jedoch  nur  noch  ein  bescheidener  Bruch- 
teil des  alten  Herzogtums  war  und  in  einigen  Gebieten  an  der  unteren 
Elbe:  Lauenburg,  Uatzeburg,  Dannenberg,  Lüchow  und  Holstein  bestand. 
Nach  seinem  Tode  (1211)  fand  eine  Teilung  unter  seinen  Sühnen  statt. 
Der  ältere,  Heinrich,  erhielt  die  wertvolleren  anhaltischen  Stammlande, 
während  Albrecht  I.  mit  den  noch  schwach  besiedelten  und  wenig  kulti- 
vierten Landstrichen  an  der  oberen  Elbe  abgefunden  wurde,  auf  welche 
aber  der  Titel  des  Herzogtums  überging.  Die  unterelbischen  Besitzungen 
im  Lauenburgischen  waren  schon  unter  seinem  Vater  wieder  verloren 
gegangen,  doch  kamen  sie  unter  Albrecht  an  das  Haus  zurück  (end- 
gültig 1227).  Als  er  1261  starb,  trat  eine  abermalige  Teilung  seines 
Landes  in  zwei  Hälften  ein:  Sachsen -Lauen  bürg  (s.  d.)  und  Sachsen- 
Wittenborg.  Jenes  erhielt  Johann,  dieses  Albrecht  II.  Die  herzogliche 
Würde  mit  dem  Wahlrecht  verblieb  zunächst  beiden  Linien ;  doch  wurde 
nach  mancherlei  Zwischenfällen  die  Kurwürde  durch  die  Goldene  Bulle 
der  Wittenberger  Linie  zugesprochen,  und  Rudolf  I.  erhielt  den  Titel  des 
Erzmarschalis. 

Albrecht  0.  Hör  f  1170 

Otto  I.  He  riihu  r<l 

v.  Brandenburg     v.  Sachsen  t  1212 

Albrecht  1.     Heinrich  I. 
 tlgjl  v-  Anhalt 

Johann     AI  brecht  11. 

t  1285  v  Sachsen- 
v.  Sachsen  Wittenberg 
tauenbarg  i 

RndoH  [.  v  1356 
Kurfst   v.  Sachsen 


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■  • 


195.  Bistum  Meifsen.    19G.  Kleinere  Territorien.  321 

Dar?  Kurfürstentum  umfafste  im  wesentlichen  den  späteren  Kurkreis  mit 
der  Hauptstadt  Wittenberg,  welches  schon  unter  Albrecht  L  als  Residenz  aus- 
ersehen worden  war.  Albrecht  II.  erwarb  1269  die  Burggrafschaft  Magde- 
burg, die  aufser  den  burggräflichen  Hechten  zu  Magdeburg  und  Halle  noch 
die  Ämter  Gommern,  Rahnis,  Elbenau  und  Gottau  (aussehliefslich  einiger 
bischöflich  brandenburgischer  Besitzungen)  umfafste.  Das  Burggrafenrecht  in 
Magdeburg  selbst  wurde  allerdings  1294  an  die  Bürger  der  Stadt  verkauft. 

Ferner  erwarb  das  Haus  (1290)  die  altwettinische  Grafschaft  Brene 
Bre  h  n  a)  westlich  von  Delitzsch  mit  Bitterfeld  und  Remberg,  welche  dem  jugend- 
lichen Rudolf  L  von  seinem  Grofsvater  Rudolf  von  Habsburg  verliehen  worden 
war.  Hierdurch  erfuhr  das  Kurgebiet  eine  willkommene  Abrundung.  —  Zu 
ihm  gehörte  schon  unter  Bernhard  der  spätere  Kreis  Beiz  ig  mit  der  gleich- 
namigen Burgwart  als  Grenzstadt.  Es  war  immer  im  sächsischen  Besitz  ge- 
wesen ;  nur  gegen  Ende  des  XIH.  Jh.  war  es  vorübergellend  unter  branden- 
bnrgischer  I>ehnsherrlichkeit.  Vgl.  Brandt,  Gesch.  d.  Kreisstadt  Beizig  I,  17. 
Ei  1  e rs ,  Beiziger  Chronik,  S.  300.  Bergbaus,  Landb.  d.  M.  Brandenbg.  I,  599.  — 
Im  übrigen  s.  Gretschel,  Gesch.  d.  sächs.  Volkes  I,  281  ff.  Jacobs,  Gesch. 
d.  Prov.  Sachsen,  1883,  S.  204  f. 

195.  Bistum  Meifsen.  Die  Dotation  scheint  anfangs  sehr  gering- 
fügig gewesen  zu  sein.  Die  erste  gröfsere  Erwerbung  machte  Bischof 
Eido.  Später  mehrten  sie  sich,  doch  waren  es  immer  nur  sehr  kleine 
Güterkomplexe,  die  noch  dazu  ziemlich  zerstreut  lagen. 

Bischof  Eido  empfing  995  von  Otto  III.  verschiedene  Lehensgüter:  Würzen, 
Buchen,  Fauch  bei  Bitterfeld,  Gerischo  bei  Eilenburg,  Lubanitz  (Löbnitz), 
Nerchau;  im  Jahre  1013  von  Heinrich  II  im  Gau  Daleminci:  die  schwer  zu 
identifizierenden  Dörfer  Glupp,  Difnowocettla,  Zenici,  Miratinacettla ;  im  Gau 
Chutici:  Golenzicacettla;  in  Nisani:  Brochodinacettla.  Im  Jahre  l()f»4  fielen 
dem  Domkapitel  50  Hufen  im  Burgwart.  Sehrabitz  bei  Mügeln  zu ;  im  Jahre  10*>8 
durch  Heinrich  IV.  2  Hufen  in  Liubitawc  (Loebta  bei  Dresden).  1071  kamen 
durch  Tausch  an  das  Stift:  5  Dörfer  im  Gau  Nisani;  ferner  durch  Heinrich  IV. 
H  Hufen  bei  Görlitz  und  1074:  Rothibgresdorf  (?);  1090  die  Besitzungen  von 
Cos.  einem  Vasallen  des  Markgrafen  von  Meifsen,  und  dsis  Dorf  Wisca  (Wint- 
schen  a.  d.  Gana).  Im  Jahre  1108  wurde  dem  Stift  von  Hugo  von  Warda 
das  Dorf  Zuitheca  (Zwitich  in  Daleminci)  geschenkt;  1130  von  Konrad  von 
Meilsen  das  Gut  Sremsnitze  (Schirmitz)  mit  Zubehör.  1217  erhielt  es  die  Burg 
hesna  von  Wenzel  von  Böhmen  zum  Geschenk,  und  1249  erwarb  es  durch 
Kauf  Mislewitz  und  Kupschiz  in  der  Bautzener  Gegend.  —  Machatschek, 
Gesch.  der  Bischöfe  des  Höchst.  Meifsen,  Dresd.  1*84. 

Bistum  Merseburg,  908  gestiftet  und  9$1  wieder  aufgelöst,  hatte 
nach  seiner  Neuerrichtung  1004  mancherlei  Schwierigkeiten,  um  den  ehemaligen 
lünderbestand  vor  der  Auflösung  wieder  herzustellen.  Die  allmähliche  Ver- 
gröfserung  des  Stiftsgebietes  behandelt  Leo,  Territor.  II.  1037  ff.  Schmekel, 
Histor.  topograph.  Beschrbg.  des  Höchst,  Merseburg,  Halle  1858. 

Bistum  Naumburg,  ursprünglich  in  Zeitz  gestiftet.  Das  Stift  bestand 
aus  dem  Amt  Naumburg  und  dem  an  der  Elster  gelegenen  Amt  Zeitz. 
Lepsius,  Gesch.  d.  Bischöfe  des  Hochstiltes  Naumburg,  Naumburg  1816. 
Lange,  Chronik  des  Bist.  Naumburg,  hrgb.  von  Koster,  1891. 

106.  Kleinere  Territorien.  Im  Gebiet  der  Mulde  lag  die  Herr- 
schaft Schönburg- Waiden  bürg.  Mit  Sicherheit  Hilst  sich  das 
Dvnastenhaus  bis  in  das  NIL  Jh.  zurück  verfolgen,  wo  Hermann  I.  (f  1182) 
als  Gründer  des  Nonnenklosters  Geringswalde  genannt  wird.  Die  ältesten 
Teile  ihrer  Herrschaft  sind  Glauchau  und  Geringswalde  als  unmittelbare 

Kretichmer,  Historische  Geographie  21 


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322 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Reichslehen.  Durch  Heirat  zweier  Enkelinnen,  Berta  und  Agathe,  traten 
sie  zu  Gerhardtsdorf  und  Crimitzschau  in  Beziehungen.  Auch  Lichten- 
stein mit  Hallnberg  besafsen  sie  damals  schon.  Friedrich  III.  (t  1338) 
nennt  sich  Herr  von  Lichtenstein  und  Crimmitzschau. 

Mehrere  Burggraf  schaften  existierten  innerhalb  der  wettinischen 
Lande,  von  denen  jene  von  Meilsen,  Altenburg,  Leisnig  und  Dohna  die 
wichtigsten  waren.  Die  Kaiser  suchten  sie  als  Stützpunkte  soviel  als 
möglich  zu  erhalten.  Den  Burggrafen  lagen  zunächst  militärische  Funktionen 
ob;  bei  dem  Altenburger  gesellten  sich  zu  diesen  noch  die  Gerichtsbarkeit 
und  Polizeigewalt  über  die  Stadt.  Altenburg  und  Meifson  sind  die  einzigen 
wirklichen  Burggrafschaften  zu  nennen.  Die  anderen  blieben  blofse 
Festungskommandanten  oder  bei  Teilung  in  mehrere  Linien  Titular- 
burggrafen.  So  sonderte  sich  von  Altenburg  eine  Burggrafschaft  Flügels- 
berg ab;  von  Leisnig:  Rochsburg,  Penig,  Mutzschen,  Strehla.  Durch 
die  mehr  und  mehr  um  sich  greifendo  Macht  der  Markgrafen  von  Mcifsen 
waren  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jh.  sämtliche  Burggraf  schaften 
im  Mcifsener,  Oster-  und  Pleifsener  Lande  entweder  spurlos  verschwunden 
oder  teils  der  Landesherrschaft  unterworfen,  teils  mit  derselben  ver- 
schmolzen (Märcker).  Nur  die  Burggrafschaft  Meifsen  behauptete 
sich  fortan  noch. 

Sehr  schwierig  ist  die  Ermittelung  des  Landbesitzes,  weil  diese  Burggraf- 
schaft Meifsen  »nicht  ein  geschlossenes  Gebiet,  sondern  der  Inbegriff  von  ein- 
zelnen unter  verschiedenen  Titeln  besessenen  Herrschaften,  Gütern  und  un- 
zähligen geographisch  undarstellbaren  Güteratomen«  war.  Ebenso  schwierig 
ist  die  Ermittelung  der  Lehenseigenschaft.  Zwei  Leheiteverzeichnisse  teilt 
Märcker  mit  in  seinem  kritischen  Werk:  Das  Burggraf entum  Meifsen,  Leipzig 
1842,  S.  270  ff.  Ein  Verzeichnis  aller  Besitzungen  im  burggräflichen  Amt* 
bezirk  gibt  er  S.  102—221,  aller  übrigen  Güter  und  Herrschaften  derselben 
S.  222-210. 

197.  Vogtland.  Kaiser  Otto  DL  hatte  999  dem  Kloster  zu  Quedlin- 
burg die  Landschaft  um  Gera  (Geraha)  geschenkt,  die  durch  Vögte  ver 
waltet  wurde.  Diese  Vogte  gehörten  der  Grafenfamilie  von  Gleifsberg 
an,  deren  Burg  unweit  Weida  auf  dem  Veitsberge  an  der  Elster  stand 
(jetzt  Kunitzburg).  Über  die  älteste  Geschichte  der  Grafen  herrscht 
wenig  Klarheit.  Der  erste,  der  aus  dem  Dunkel  der  Geschichte  bestimmter 
hervortritt,  ist  Heinrich  der  Fromme,  dem  Kaiser  Heinrich  IV.  die 
Vogteien  Gern  und  Weida  verlieh.  Sein  Enkel  Heinrich  der  Reiche, 
der  am  Ende  des  XII.  Jh.  lebte,  erwarb  aufserdem  die  Vogteien  von 
Greiz  und  Plauen,  die  ihm  durch  seine  Ehe  mit  der  Markgräfin  Berta, 
Tochter  Leopolds  von  Österreich,  zufielen.  Durch  die  Heirat  seines 
Sohnes  mit  einer  Gräfin  von  Orlamünde  kam  er  auch  in  den  Besitz  der 
Untervogtei  in  Hof  und  in  der  Regnitzlandschaft  (Terra  Reckenitz),  so 
genannt  nach  dem  Flüfschen,  welches  oberhalb  Hof  in  die  Saale  geht. 
Heinrich  war  somit  im  Besitz  aller  osterländisehen  Reichsvogteien.  Die 
Lehensbeziehungen  zu  Quedlinburg  waren,  was  Gera  betrifft,  immer 
bedeutungslos  gewesen;  seit  dem  XIV.  Jh.  fühlten  sich  die  Vögte  als 
wirkliche  Herren. 


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197.  Vogtland. 


323 


Dieses  nicht  unbeträchtliche  Territorialgebiet  der  Vögte,  die  Tora 
advocatorum  (Vogtland),  sollte  unter  den  Nachkommen  Heinrichs  des 
Reichen  oftmals  geteilt  und  teilweise  auch  wieder  vereinigt  werden.  Um 
1375  bestanden  sechs  Linien  nebeneinander. 

Unter  den  Enkeln  Heinrichs  des  Reichen  fand  eine  Teilung  in  drei 
Linien  statt,  deren  Stifter  sämtlich  Heinrich  hiefsen,  wie  dies  auch  bei  allen 
nachfolgenden  Generationen  bis  auf  den  heutigen  Tag  gehalten  wurde.  Hein- 
rich I.  stiftete  die  Linie  Weida  und  erhielt  bei  der  Teilung  (he  Herrschaft 
Weida  mit  Burg  Berga  und  Greiz  nebst  dem  Ostersteine  und  den  eigenen 
Herrschaften  des  Hauses  in  Werdau  und  Ronneburg.  Heinrich  II.  stiftete  die 
Linie  Plauen,  die  .mit  der  Stadt  Plauen  und  dem  Landstrich  von  Voigts- 
Wrg  und  Ölsnitz  an  der  Elster  hinauf  über  Adorf  bis  nach  Schönberg  und 
dem  Regnitzland  ausgestattet  wurde.  Heinrieh  III.  stiftete  die  Linie  Gera  und 
erhielt  Gera  mit  der  Pflege  Reichenfels  und  Zeulenroda.  Die  Vogtei  über  Hof 
und  das  Regnitzland  blieb  gemeinschaftlich. 

1.  Die  Linie  Weida  verkaufte  späterhin  Werdau  und  Ronneburg  an 
die  Plauensche  Linie  und  1237  den  Osterstein  mit  den  sonstigen  Besitzungen 
im  Geraischen  an  die  Linie  Gera. 

2.  Die  Linie  Gera  hatte,  wiesoeben  bemerkt,  den  östlich  der  Elster  ge- 
legenen Teil  der  Pflege  Gera  gekauft  (1237).    Der  Enkel  des  Stifters  dieser 
Linie  vermählte  sieh  mit  der  Erbin  der  Grafenlinie  von  Lobdaburg-Pausa 
Nebenlinie  von  Lobdaburg-Arnshaugk)  und  erwarb  so  die  unmittelbaren  Herr- 

*  haften  Pausa,  Mühldorf,  Lobenstein  und  Salburg.  Als  auch  die  Arnshaugker 
Linie  ausstarb,  gewann  er  noch  die  Herrschaften  Schleiz  und  Burg.  1270  waren 
auch  Greiz,  ferner  Mylau  und  Reichenbach  an  Gera  zurückgefallen.  Doch  er- 
warb Greiz  und  Mylau  die  Linie  Plauen  durch  Austausch  ihres  Drittels  vom 
Regnitolande  (dem  sog.  Höferlehen,  aus  28  Rittergütern  bestehend).  Eben 
dieser  Enkel  besafs  auch  schon  die  Burg  Sparenberg,  Reizenstein  und  Blanken- 
l*rg  mit  Zubehör  ;  1295  wurde  er  von  Albrecht  dem  Entarteten  von  Thüringen 
mit  Staschwitz  belehnt.  —  Wegen  der  Lobdaburger  Erbschaft  brach  nachher 
eine  Fehde  mit  den  drei  Linien  der  Arnshaugksehen  Familie  aus,  die  1316 
beigelegt  wurde.  Die  Geraer  blieben  in  ihrem  Besitz.  —  1328  erwarben  sie 
die  Reichspflege  Langenberg  von  Friedrich  von  Schönburg  durch  Kauf.  —  Die 
spateren  Vertreter  dieses  Hauses,  besonders  Heinrich  VII.  (f  1377),  kamen  in 
b  indliehe  Verwickelungen  mit  den  Landgrafen  und  dem  Kaiser  Karl  IV.  1371 
mufste  er  seine  freie  Reichsherrschaft  Lobenstein  als  thüringisches  Lehen  und 
bald  darauf  als  böhmisches  Lehen  annehmen  und  1371  über  Gera,  Schleiz. 
Burg,  Salburg  und  Reichenfels  die  thüringische  Lehensherrlichkeit  anerkennen, 
so  dafs  die  Linie  Gera  damit  alle  reichsun mittelbaren  Gebiete  eingebüfst  hatte. 
Auel)  die  Weidaer  Nebenlinie  zu  Hof  (Heinrieh  der  Rotel  mufste  1373  Hof 
und  das  Regnitzland  an  den  Burggrafen  von  Nürnberg  verkaufen. 

3.  Die  Linie  Plauen  hatte  sich  unter  den  Enkeln  des  Stifters  in  zwei 
Hauptlinien  gespalten:  die  ältere  Plauensche  Linie,  deren  Stifter  1316  starb 
und  Plauen  besafs,  und  die  jüngere  Linie  Rcufs  (Rewez)  mit  Greiz,  Ronne- 
burg, deren  Stifter,  Heinrich  der  Reufse,  ca.  1309  starb.  Es  heilst,  wegen  seines 
langen  Aufenthaltes  in  Rufsland  hätte  er  diesen  Beinamen  angenommen.  Ein 
dritter  Bruder,  der  Adorf  erhalten  hatte,  war  bereits  1298  gestorben.  In  der 
Reufsischen  Linie  trat  uuter  den  Söhnen  des  Stüters  abermals  vorübergehend 
eine  Teilung  ein,  indem  der  ältere  der  Söhne  Mühldorf,  Adorf  und  Pausa  er- 
hielt, der  ."jüngere,  Heinrieh  Reufs  der  Kleine:  Greiz  und  Ronneburg.  W  ährend 
<!ie  erstere  Linie  mit  dem  Sohn  des  Gründers  schon  ausstarb,  war  es  der 
letzteren  besehieden,  weiterzublühen.  Auf  Heinrich  den  Kleinen  r|-  1349),  der 
1325  Reichenbach  und  Mylau  vom  Kaiser  zu  Lehen  empfing,  folgte  sein  Sohn 
Heinrich  der  Strenge  (f  1359),  der  in  den  verderblichen  vogtlandisehen  Krieg 
mit  dem  Kaiser  verwickelt  war.    Er  verlor  an  Markgraf  Friedrich  von  Meilsen 

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VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


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Triptis,  Auma  und 
Ziegenrück.  Eine 
nochmalige  Tei- 
lung unter  den 
drei  Söhnen  Hein- 
rich Benfe1  des 
Strengen  bestand 
nicht  allzu  lange, 
da  die  beiden  jün- 
geren Brüder  ohne 
männliche  Nach- 
kommen (1372,  ca. 
1400  starben,  ihre 
pTemtorialanteüe 
Ronneburg  und 
Weida  aber  als 
erledigte  Lehen  an 
den  thüringischen 
Landgrafen  fielen. 
Nur  der  ältere 
Heinrich  in  Greiz 
setzt  den  Mannes 
stamm    fort.  — 

Brückner, 
Volks-  und  Lan- 
deskunde d.  Für- 
stent.  Reufs  jung. 
Linie,  Gera  1870. 
8.  329  ff.  Lim- 
mer, Entw.  einer 
urkundlichen  Ge- 
schichte des  ge- 
samt. Vogtlandes, 
4  Bde.,  Gera  1825 
bis  1828.  Ders., 
Kurze  Gesch.  des 

Hauses  Reufs. 
Ronneburg  1829. 

Mit  den  drei 
Enkeln  jenes  Hein- 
rich des  Reichen 
kommt  die  Be- 
zeichnung Vogte 
auf.  Sie  besafsen 
kein  geschlossenes 
Territorium  ,  da 
noch  andere  reichs- 
unmittelbare Dy- 
nastendazwischen- 
safsen.  Dire  Sitze 
waren  V  o  i  g  t  s  - 
berg  bei  Ülsnitz, 
wo  der  Vogt  des 
Gebietes  Plauen, 
welches  sich  längs 
der  Elster  bis  über 
Adorf  hinauf  er- 


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198.  Grafschaft  Schwareburg-Kafernburg.  325 

streckte,  residierte.  Erst  später  gelang  es  den  Vögten,  Plauen  als  Lehen  von 
den  Ebersteinern  zu  bekommen.  Kegnitz-Hof  wurde  Sitz  des  Vogtes  über 
das  Regnitzland.  d.  i.  das  sog.  bairische  Vogtland,  die  Gegend  um  Hof 
und  im  Tale  der  Regnitz  (Nebenflufs  der  Saale).  Die  anderen  drei  Vogteien 
waren :  Gera,  Weida  und  Greiz.  Daneben  und  zwischen  lagen  gräfliche  und 
herrschaftliche  Gebiete,  so  die  Herrschaft  Dobenau  im  Besitz  der  Eber- 
steiner, etwa  ein  Drittel  des  heutigen  Plauensehen  und  Voigtsberger  Reviers 
ausmachend;  ferner  die  Grafschaft  Orlamünde  im  Orlagau  und  die  Graf 
schaft  Lobdaburg  (Lobeda).  In  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jh.  bringt 
Konrad  Arnshaugk  Neustadt  a.  Orla  als  Grafschaft  an  sicli ;  ferner  erwarb  er 
damals  Auma,  Triptis,  Pöfsneck,  Ranis,  Oppburg  und  Besitzungen  des  Grafen 
Wipprecht  H.  von  Groitzsch.  Die  Grafen  gründeten  Sehlofs  Lobenstein  (Lob- 
denstein),  anfangs  des  XH.  Jh. :  Burgk  an  der  Saale,  Saalburg,  Schleiz,  Pausa, 
Mühldorf.  Vgl  im  übrigen  Limmer,  Gesch.  d.  Vogtlandes  I,  119  ff.,  133  f., 
136  ff.  Alberti,  Zur  Gesch.  des  Schlosses  Burgk,  Schleiz  1879.  E.  Schmid, 
Die  Lobdaburg,  Jena  184«  >. 

198.  Grafschaft  Sehwarzburg-Kafernburg.  Über  die  Entstehung 
der  Schwarzburg  und  der  Käfernburg  bei  Arnstadt  herrscht  wenig 
Klarheit,  wie  auch  über  die  älteste  Geschichte  des  Grafenhauses,  untor 
dessen  Ahnen  ein  Graf  Sizzo  im  Anfang  des  XI.  Jh.  genannt  wird.  In 
der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jh.  tritt  unter  den  Söhnen  Günthers  IV. 
eine  Spaltung  in  zwei  Linien  ein  und  mit  ihr  eine  Teilung  des  Besitzes 
unter  Heinrich  IV.  von  Schwarzburg  (t  1230)  und  Günther  V.  von 
Käfernburg  (t  1220).  Heinrichs  Enkel,  Heinrich  VII.,  gründete  die  sog. 
ältere  Blankenburger  Linie,  welcher  jener  Günther  XXI.  angehörte,  der 
als  deutscher  König  1349  starb.  Während  sein  eigener  Stamm  mit  seinem 
Sohne  1357  erlischt,  setzen«  seine  Neffen  Heinrich  XIV.  (f  1373)  und 
Günther  XXIV.  (f  1368)  den  ihrigen  fort. 

Die  ältesten  Besitzungen  lagen  vermutlich  zwischen  Ohrdruf  und  Ichters- 
hausen. Doch  auch  Reinhardsbrunn  und  Altenberga,  die  1039  an  Ludwig 
den  Bärtigen  verkauft  wurden,  gehörten  ihnen.  Auch  Blankenburg  mit  der 
Burg,  die  ehedem  Greifenstein  hiefs,  sowie  die  halbe  Stadt  Ihn  waren  frühzeitig 
in  ihrem  Besitz. 

Die  Neuerwerbungen  waren  sehr  beträchtlich,  doch  kam  ein  grufser  Teil 
bald  wieder  abhanden.  Im  Jahre  1228  erhielt  Graf  Heinrich  IL  Saalfeld  und 
Ranis  als  Lehen  von  Kaiser  Friedrich  1.  Vorübergehend  nur  war  der  Besitz 
der  Schlösser  Kirchberg  und  Ehrich  nebst  Toba  und  Abtsbessingen,  die  Hein- 
rich III.  1230  als  Mitgift  erhielt,  die  1259  aber  an  Hohnstein  wieder  zurück- 
fielen. Im  XIII.  Jh.  besafsen  sie  auch  Königssee  und  Ehrenstein,  desgleichen 
Pöfsneck  und  Remda.  Letzteres  wurde  1342  an  die  Grafen  von  Gleichen  ver- 
kauft. Die  Hälfte  von  Jena  hatten  sie  Anfang  des  XIV.  Jh.  von  den  Herren 
von  Leuchtenburg  pfandweise  übernommen,  traten  sie  aber  1332  an  Land- 
graf Friedrich  den  Ernsthaften  ab.  Im  Jahre  1306  kauften  sie  von  den 
letzten  (trafen  von  Käfernburg  die  Hälfte  der  Herrschaft  Arnstadt  mit  Wachsen- 
burg, Schwarzwald  und  Liebenstein.  Letztere  drei  werden  allerdings  13»>8  an 
den  Landgrafen  von  Thüringen  wieder  verkauft.  Durch  Kauf  erwarben  Hein- 
rich X.  und  Günther  XXI  die  andere  Hälfte  von  Arnstadt  vom  Stift  Uersfeld. 
1333  erhielten  Heinrich  IX.  und  Günther  XVIH  die  Leuchtenburg  nebst  den 
Städten  Kahla  und  Roda  vom  Grafen  von  Arnshaugk.  1339  kaufen  Hein- 
rich XIV.  und  Günther  XXV  Stadt  und  Sehlofs  Schlotheim  mit  den  Dörfern 
Schwalborn  (ausgegangen),  Mehler  und  der  Hälfte  von  Mehrstadt  vom  Grafen 
Heinrich  V.  von  Hohnstein.  Im  Jahre  134')  erhielten  sie  die  Stadt  Rudolstadt 
nach  Absterben  der  Ürlaniünder  mit  Otto  VII.  auf  Grund  eines  Vergleiches 


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32G  VI.  Politische  Geographie  um  da»  Jahr  1375. 

von  1334.  Im  Jahre  1340  kauften  Günther  XXI.  und  Heinrich  XII.  Haus  und 
Stadt  Frankenhausen  vom  Grafen  von  Beichlingen  und  1341  die  Hälfte  des 
Rathsfeldes  vom  Grafen  Friedrich  von  Beichlingen.  1342  und  1344  erwarben 
sie  ferner  die  Herrschaft  Dornburg  von  den  »Schenken  von  Dornburg,  die  je- 
doch schon  1358  an  die  I^andgrafen  von  Thüringen  kam.  Dem  König  Günther 
wurden  Stadt  und  Burg  Gellihausen,  die  Städte  Goslar,  Nordhausen,  Mühlhausen 
u.  a.  von  Karl  IV.  verpfändet.  1351  Avurden  auch  Stadt  und  Amt  Ilmenau 
vom  Grafen  von  Henneberg  an  Heinrich  IX.  von  Schwarzburg  verpfändet. 
Nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Gleichen  kam  1361  die  niedere  Herr- 
schaft Kranichfeld  an  die  Schwarzburger.  1367  kauften  Heinrich  XX.  und 
(iünther  XXIX.  das  Dorf  Esperstedt  vom  Grafen  von  Hohnstein.  Vgl.  zu 
obigem  besonders  Apfelsted t,  Heimatskunde  für  die  Bewohner  des  Fürsten- 
tums Schwarzburg-Sondershausen,  1854,  S.  4  ff.  Hesse,  Das  sog.  Kevern- 
burgische  Gemähide  und  die  Gesch.  des  Schlosses  Kevernburg,  in  Rosenkranz 
Z.  f.  die  Gesch.  der  german.  Völkerl,  S.  1  ff.  König,  Genealogie  des  hoch- 
fürstl.  Hauses  Schwarzburg.  Rudolstadt  1865. 

199.  Grafschaft  Orlamttnde.  Wilhelm  I.  Graf  von  Weimar  (f  963) 
gilt  als  Stammvater  der  Grafen  von  Orlamünde.  Sein  Enkel,  Wilhelm  III. 
(f  1034),  hinterliefs  vier  Söhne,  von  denen  Wilhelm  IV.  das  Grafenamt 
im  Eichsfeld  und  Helmegau  (1046  auch  die  Markgrafschaft  Meifsen)  er- 
hielt; Otto  (f  1067):  Orlamünde,  nach  dessen  Burg  er  sich  als  erster 
benannte;  der  dritte  Sohn  Poppo:  Weimar.  Des  letzteren  Nachkommen- 
schaft starb  aber  1112  schon  aus,  und  Weimar  fällt  an  eine  jüngere 
Linie  Orlamünde.  Denn  jener  Otto  hatte  nur  Töchter  hinterlassen,  und 
ein  Sohn  von  ihnen,  Siegfried  von  Ballenstedt,  wurde  der  Erbe.  Dessen 
Sohn  Wilhelm  erbte  nun  Orlamünde  mit  Weimar.  Da  auch  er  kinderlos 
starb  (1140),  so  fiel  beides  an  Albrecht  den'  Bären.  Dessen  Sohn  Her- 
mann I.  Ist  der  Stifter  der  zunächst  fortlaufenden  Grafen  von  Orlamünde. 
Im  XIV.  Jh.  trat  dann  eine  Teilung  des  Stammes  in  drei  Linien  ein : 
die  Orlamünder,  Lauensteiner  und  Weimarer  Linie.  In  der  Orlamünder 
Linie  hatte  Heinrich  V.  Orlamünde  an  den  Landgrafen  von  Thüringen 
verkauft;  der  hierüber  ausbrechende  Grafenkrieg  mit  Weimar,  Schwarz- 
burg u.  a.  wird  1346  dahin  beigelegt,  dal's  Orlamünde  bei  Thüringen 
bleibt,  Weimar  und  Rudolstadt  aber  an  Thüringen  zu  Lehen  auf- 
getragen werden. 

Hermann  II. 

Hermann  III.         Otto  II. 
(Orlamünde)  (Weimar) 

Heinrieh  II.  if  V14T       Hermann  IV. 
(Orlamünde)  (Lancnstein) 

Der  Territorialbestand  ergibt  sich  aus  der  Teilung  des  Landes  in  tlie^- 
drei  Linien.  Heinrich  II.  erhielt  :  Orlamünde  und  das  Kammergut  Schaunforst 
mit  Zubehör;  Hermann  IV.:  die  Herrschaften  Lauenstein  (zwischen  Gräfental 
und  Ludwigsstadt''  und  Vollradiswald,  später  durch  Erbschaft  noch  die  Herr- 
schaften Habenswalde  und  Bucha.  —  Otto  Ii.  besafs  vorher  den  meranisehen 
Besitz  in  Franken  (die  Plassenburg1,  Rudolstadt  und  Weimar.  Plaj*senburg. 
Kulmbach  und  Berneck  kamen  bald  darauf  an  die  Burggrafen  von  Nürnberg. 
Rudolstadt  kam  1335  ganz  an  Schwarzburg.  —  R e i tz enstein ,  Regesten  der 
Grafen  von  Orlamünde,  Bnvreuth  1*71.  Jovius.  Chronik  der  Grafen  von 
Orlam.,  hrgb.  v.  Mitzschke,  i.pz  1S8G. 


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200.  Crafschaft  Maimfeld.    201.  Grafschaft  Hohnstein. 


327 


200.  Grafschaft  Hansfeld.  Die  älteren  Grafen  dieses  Namens 
reichen  bis  in  das  XL  Jh.  zurück.  In  der  älteren  Generation  ist  der 
Xame  Höver  allgemein.  Eines  Hoyer  (f  1183)  Sohn,  Burkhard  (f  ca.  1230), 
hinterliefs  nur  Töchter,  von  denen  Sophie  ihren  Vetter  Burkhard  VI. 
von  Querfurt  heiratete  und  mit  ihm  eine  neue  Linie  Mausfeld  Querfurt 
13.  d.)  stiftete.  Zu  dem  bisherigen  Stammlande  der  Grafen  von  Mansfeld 
kam  unter  Burkhard  III.  die  Grafschaft  Hardeck  hinzu,  sowie  als  Reichs- 
lehen Allstedt  und  Mohrungen.  Burkhard  IV.  erwarb  die  Herrschaft 
Seeburg,  die  einer  Nebenlinie  der  Querfurter  Herren  gehörte  und  1192 
ausgestorben  war;  ferner  kaufte  er  Bornstedt.  Die  Herrschaft  Schraplau 
rar  den  Herren  dieses  Namens  genommen  und  mit  Mansfeld  vereinigt 
worden. 

Höver  Gf  v  Mansfeld 
:  Iis:; 

Gchhard  IV.  Liutjrard  Burkhard 

v.  Querfurt  t  1280 


Gebhard  V.  Burkhard  VI.  (I)  Sophie 
v.  Querfurt  f  1244 

t  1260  Burkhard  II. 

v.  Mansfeld  Querfurt 
1496  t  1278 


t  t  f 


Burkhard  III.  t  1331 
I 

Burkhard  IV.  f  1354 


Die  Grafschaft  Hardeck  gehörte  einem  Hause,  das  mit  den  Grafen 
von  Piain  bei  Reichcnhall  zusammenhing.  Mit  den  BjüdVrn  Otto  und  Konrad 
■'tarb  1260  die  Familie  aus.  Konrads  Witwe  heiratete  dann  einen  (Jrafen 
Albert  von  Görtz  und  brachte  diesem  wohl  eine  Hälfte  der  Gratschaft  zu; 
Ottos  Witwe  Wilbirgis  heiratete  zum  drittenmal  einen  Grafen  von  Rabens- 
wald,  der  die  andere  Hälfte  von  Hardeck  somit  erwarb.  Dessen  Schwester 
( nsela  war  an  Burkhard  II.  von  Mansfeld  verheiratet  und  erbte  wiederum 
Hardeck  von  ihrem  kinderlos  gestorbenen  Bruder.  —  Schraplau  war  eine 
Kaubritterburg  nördlich  von  Querfurt  mit  zugehöriger  Herrschaft.  —  Der  grofse 
Reichtum  der  Maxisfelder  Grafen  schreibt  sich  nicht  so  vom  Landbesitz  her, 
als  vielmehr  von  den  Bergwerken,  die  von  Kaiser  Karl  IV.  1364  mit  dem 
Bergregal  an  das  Haus  kamen.  Niemann,  Gesch.  der  Grafen  von  Mans- 
Md,  Aschersleben  1H34. 

201.  Grafschaft  iTohnsteiii  (Hohenstein).  Am  Südrande  des 
Harzes  erhob  sich  bei  Neustadt,  östlich  von  Ilfeld,  die  Stammburg  Hohn- 
stein. Als  ihr  Erbauer  gilt  der  Enkel  Ludwigs  des  Bärtigen  von 
Thüringen,  Konrad  von  Sangerhausen.  Der  weitere  genealogische  Zu- 
sammenhang ist  nicht  klar,  ob  Elger  I.  sein  Sohn  oder  der  Sohn  seines 
Vetters  Beringer  von  Linterbeck-Bilstein  (letzteres  wüster  Ort  bei  Ilfeld) 
war.  Jener  Elger  I.  erbaute  die  Ilburg  und  nannte  sich  Graf  von  Bilstein, 
Ilburg  und  Ilohnstein.  Unter  seinem  Enkel  trat  eine  Spaltung  des; 
Hauses  ein,  indem  Dietrich  II.  (t  1248)  die  Ilohnsteiner  Ilauptlinie  fort- 
>etzte,  während  der  jüngere,  Heinrich  I.,  die  Linie  Stolberg  begründete. 
Dietrichs  Sohn  Heinrich  II.  wurde  vom  I  lalbcrstädter  Stift  12.")7  mit  der 
Grafschaft  Klettenberg  belehnt,  mit  welcher  auch  die  Vogtei  über  Kloster 


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3'J,S  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Walkenried  verknüpft  war.  Von  seinen  Söhnen  begründete  Heinrich  III. 
(t  1306)  die  Sondershausoner  Linie,  die  mit  dessen  Sohn  Heinrich  V. 
schon  1356  erlosch  und  einen  Teil  des  Territoriums  der  Grafschaft  für 
immer  entzog.  Ein  anderer  Sohn,  Dietrich  III.  (t  1309),  stiftete  die 
Hohnstein- Klettenberger  Linie,  die  sich  späterhin  in  mehrere  Linien 
spaltete.  In  dieser  hatte  Dietrichs  Sohn  Heinrich  IV.  (1309 — 1356)  noch 
die  südlich  an  Klettenberg  anstofsende  Grafschaft  Lohra  mit  Bleicherode 
als  Halberstädtor  Lehen  hinzuerworben,  und  von  Reichlingen  die  Burgen 
Kiffhausen,  Rothenburg  und  Wallhausen. 

Ludwig  der  Bärtig  hatte  durch  seine  Gemahlin  die  Herrschaft 
Sangerhausen  mit  erheiratet,  die  Später  zur  sächsischen  l'falzgrafschaft  kam. 
Menzel,  Die  Herren  von  Sangerhausen,  in  Harz-Ztschr.  1881.  —  Die  Schwester 
Heinrichs  IL,  Sophie,  trat  1258  an  ihren  Bruder  die  Burgen  Kirchberg  (bei 
Lohra)  und  Erich  käuflich  ab.  —  Heinrichs  11.  Söhne  teilten  so,  dals  Hein- 
rich III.  (Sondershausener  Linie)  Kirchberg.  Straufsberg.  Sondershausen,  Erich 
und  Grenfsen  erhielt  ;  von  seinen  drei  Söhnen  ist  Heinrich  V.  (1306—1356) 
der  letzte  des  Hauses.  Auf  Grund  eines  Erbvertrages  mit  seinen  Schwieger- 
söhnen Heinrich  und  Günther  von  Schwarzburg  1347  tielen  nach  Heinrichs  V. 
Tod  Sondershausen  mit  Dörfern  an  Schwarzburg.  —  Die  Grafschaft 
Kletten berg  (Clettenberg)  umfafste  die  westliche  Hälfte  des  thüringischen 
Helmegaues  oberhalb  Nordhausen.  In  der  ältesten  Zeit  erscheinen  die  Grafen 
von  Klettenberg  als  Gaugrafen  (1233);  in  Nordhausen  waren  sie  Reichsvögte. 
Die  Burg  Klettenberg  lag  auf  einem  Gipsfelsen  östlich  vom  gleichnamigen 
Dorf  (südlich  von  Walkenried)  und  war  im  Anfang  des  XII.  Jh.  erbaut  worden ; 
im  30jährigen  Kriege  wurde  sie  zerstört.  Klettenberg  war  Halberstädter  Lehen; 
erst  1257  war  Bischof  Volrath  durch  Austausch  der  Schlösser  zu  Alvensleben 
an  das  Erzstift  Magdeburg  in  Besitz  von  Burg  Klettenberg  und  Arensberg  ge- 
kommen. Mit  der  Grafschaft  belehnte  der  Bischof  dann  Heinrich  IL  von 
Hohnstein.  Südlich  von  ihr  lag  im  oberen  Wippertal  (oberhalb  Sonders- 
hausen) die  (iraf schaft  Lohra,  so  nach  dem  am  Nordrand  der  Hainleite 
gelegenen  Schlofs  (Ruinen)  genannt,  welches  im  Anfang  des  XII.  Jh.  erbaut  worden 
ist.  Die  Grafschaft  war  im  Anfang  des  XII.  Jh.  gebildet  worden.  Das  Graf  en- 
geschlecht von  Lohra  oder  Lare  (Burg  bei  Bleicherode),  welches  noch  eine 
Grafschaft  im  Eichsfelde  (  Worbis,  Harburg,  Bodenstein,  Bischofferode,  Holungen) 
besafs,  starb  nach  1221  aus  Im  Jahre  1231  waren  jedenfalls  die  Grafen  von 
Beichlingen  schon  im  Besitz  der  Grafschaft  Lohra,  die  sie  1289  an  die 
Landgrafen  von  Thüringen  verkauften.  Aus  deren  Besitz  kam  sie  Anfang  des 
XIV.  Jh.  an  die  Hohnstein.  Vgl.  K.  Mover,  Zur  Wüstungskarte  der  Gfsch. 
Honstein  (!) -Lohra  Clettenberg,  in  Harz-Zischr.  1877,  111  ff.  mit  Karte. 
Wolf,  Geschichte  des  Eichsfeldes,  S.  83  ff.  Meyer,  Chronik  der  Grafschaft 
Hohnsteül-Klettenberg-Lohre.  Nordhsn.  1875.  II  och  e,  Gesch.  d.  Gfsch.  Hohen- 
stein, Halle  WM). 

Grafschaft  Stolberg.    Jener  obengenannte  Heinrich  I.  von  Hohn 
stein  hatte  1222  Stolberg  erworben  und  wurde  der  Stifter  einer  neuen  Zweig- 
linie.    Die  kleine  Grafschaft,  die  später  in  anderen  Gegenden  Mitteldeutsch- 
lands durch  Heiraten  eine  Vergröfserung  erfuhr,  lag  am  südliehen  Abhang  des 
Harzes,  das  Talgebiet  der  Tyra  umfassend. 

202.  Grafschaft  Wernigerode.  Das  Geschlecht  Adalberts  von 
Haimar,  einem  Dorfe  zwischen  Ilildesheini  und  Lehrte,  war  in  der  ersten 
Hälfte  des  XII.  Jb.  mit  dem  Grafenamte  in  Teilen  des  alten  Derlin- 
gaues  und  Astfala  betraut.  Adalbert  führte  deshalb  den  Grafentitel,  und 
1121   erscheint  er  zum  erstenmal  als  Adalbert  mt  romos  de  Wern'ußjerode. 


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203.  Grafschaft  Blankenburg-Regenstein.  329 

Der  beiliegende  Ort  ist  jedenfalls  älter  als  dio  damals  aufgeführte  Burg. 
Die  obengenannten  Grafschaftsbezirke,  die  Lehen  von  Halberstadt  und 
von  den  Weifen  waren,  mufsten  die  späteren  Grafen  im  Laufe  des 
XIII.  Jh.  an  diese  zurückgeben.  Im  Jahre  1268  trugen  sie  ihr  Allod 
Wernigerode  an  die  Markgrafen  von  Brandenburg  zu  Lehen  auf.  Eine  . 
wertvolle  Erwerbung  machten  sie  im  nachfolgenden  Jahre,  da  die  Grafen 
von  Woldenberg  ihnen  die  Harzburg  verpfändeten,  die  aber  nie  eingelöst 
worden  ist.  Während  sie  bisher  den  Grafen  titel  immernoch  von  ihrer  früheren 
Amtstätigkeit  her  führten  und  auch  ihr  Ländchen  1324  urkundlich  Graf- 
schaft genannt  wird,  so  fand  diese  Benennung  doch  erst  ihre  volle 
Berechtigung  im  Jahre  1343.  Es  lag  damals  der  Graf  von  liegenstein 
in  Fehde  mit  dem  Bischof  Albrecht  von  Halberstadt,  und  dem  Grafen 
Konrad  von  Wernigerode  glückte  es  als  Parteimann  des  Bischofs,  den 
Regensteiner  gefangen  zu  nehmen,  der  als  Lösegeld  ihm  die  Grafschaft 
bei  Wernigerode  abtreten  mufste. 

Der  Verkauf  der  Grafschaft  von  Seiten  des  Regensteiner  Grafen  an  Cord 
(Curt,  Konrad)  von  Wernigerode  ist  uns  in  einer  Urkunde  vom  26.  Juni  1343  noch 
erhalten,  und  es  werden  in  ihr  sämtliche  Dörfer  namhaft  gemacht,  die  hierzu 
gehörten.  Der  damals  erworbene  Grafsehaftsdistrikt  erstreckte  sich  im  Ver- 
gleich zu  heute  im  Norden  und  Osten  weit  über  die  Grenzen  hinaus.  Das 
Bistum  Halberstadt  suchte  nämlich  den  Machtbereich  der  Grafen  zu  beschränken, 
und  der  Norden  und  Osten  wurde  von  Halberstadt  eingezogen,  weil  die  Graf- 
schaft ein  von  Halberstadt  gehendes  Mannlehen  war.  —  Die  Wernigeroder  be- 
safsen  die  Harzburg  von  1269—1369.  Damals  mufsten  sie  dem  Braunschweiger 
Herzog  Otto  dem  Quaden  die  Hälfte  der  Burg  abtreten,  die  andere  Hälfte 
von  ihm  als  Lehen  annehmen.  —  Die  Stammgüter  der  Wernigeroder  Grafen 
bei  Haimar  hatten  sie  im  Xn.  Jh.  zum  gröfsten  Teil  schon  an  Klöster  u.  a.  m. 
fortgegeben.  —  Vgl.  besonders  G.  Bode,  Gesch.  der  Grafen  von  Wernigerode 
und  ihrer  Grafschaft,  in  Harz  Ztschr.  1871.  S.  1—45,  350—390.  Über  Ort  und 
Sehlofs  Wernigerode  (1121 :  Werniggerode,  1141  Wereningerothe,  1187  Wernigherote) 
vgl.  Jacobs,  Wernig.  am  Sehlufs  des  Mittelalters,  in  Härz-Ztsehr.  1879,  S.  329—397 . 

203.  Grafschaft  Blankenburg-Regenstein.  Im  Anfang  des  XII.  Jh. 
erscheint  Poppo  als  Graf  von  Blankenburg  und  allem  Anscheine  nach 
als  Lehensgraf  der  Weifen.  Späterhin  treten  seine  Nachfolger  für  einen 
Teil  ihrer  Besitzungen  wenigstens  als  Lehensträger  des  Halberstädter  Stiftes 
auf.  Poppos  Söhno  stifteten  zwei  Linien,  von  denen  diejenige  Konrads  1. 
mit  seinem  Enkel  Konrad  II.  1246  schon  ausstarb.  Siegfried  I.  (—  1182) 
ist  der  Stammvater  zweier  neuer  Linien,  die  auch  das  Territorium  unter 
sich  teilen.  Sein  Sohn  Siegfried  II.  (f  1245)  begründete  die  Linie 
Blankenburg  mit  Stadt  und  Sehlofs  Blankenburg  und  dem  zugehörigen, 
recht  beträchtlichen  Teile  des  Harzgaues  mit  Hasselfelde  und  Stiege1, 
ferner  dem  Gebiet  von  Blankenburg  bis  zur  Bode  mit  Sehlofs  Wester- 
hausen und  dem  Gericht  Warnstedt.  Da  diese  Linie  1368  ausstarb,  so 
wurde  das  Territorium  in  der  Linie  Regenstein,  die  von  Heinrich  I.  (1241) 
begründet  worden  ist,  wieder  vereinigt.  Auch  in  ihr  war  unter  den 
Söhnen  Heinrichs  eine  Spaltung  des  Landes  eingetreten,  da  Ulrich  I. 
(t  1267),  als  Stifter  der  Linie  Heimburg,  Heimburg  mit  Benzingerode 
und  Börnecke  erhielt,  Siegfried  III.,  als  Stüter  der  Linie  Regenstein,  die 
Herrschaft  Regenstein  mit  Derenburg  und  Sehlanstedt  bekam.    Alles  fiel 


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330 


VI.  Politische  Geographie  um  da«  Jahr  1375. 


nach  dem  Aussterben  dieser  Linie  1365  an  die  Heimburger;  doch  war 
der  gröfste  Teil  ihres  Besitzes  schon  vorher  an  die  Heimburger  Linie 
und  an  das  Halberstädter  Stift,  mit  dessen  Bischof  Albrecht  sie  eine 
heftige  Fehde  auszukämpfen  hatten,  gekommen.  An  Wernigerode  mufsten 
sie  einen  Teil  ihres  Grafschaftsbezirkes  abtreten  (1343)  und  an  die 
Heimburger  Linie  die  Burg  Regenstein  mit  Zubehör,  alles  Gut  auf  dem 
Harz  u.  a.  An  die  Braunschweiger  Herzöge  verkauften  sie  die  noch 
übrigen  Besitzungen  im  Westen ,  während  sie  von  der  Blankenburger 
Linie  Westerhausen  und  Gericht  Warnstedt  erwarben.  Schliefslich  mufsten 
sie  1348  nach  ihrer  unglücklich  abgeschlossenen  Fehde  noch  Lauenburg, 
Gersdorf  und  Crottorf  an  den  Bischof  abtreten. 

Stübner,  Denkwürdigkeiten  des  Fürstentums  Blankenburg,  Wernigerode 
1788.  Lei  brock,  Chronik  der  Stadt  und  des  Fürstentums  Blankenburg. 
Blankbg.  1864,  1865.  Steinhoff,  Der  Regenstein,  Blankbg.  1883.  Ders., 
Gesch.  der  Grätsch.  Blankenburg,  Quedlinburg  1890. 


Konraci  1.  f  C  1197  Siegfried  I.  j  1182 

Heinrich  I.  1241      ~~Sicgfried  II.  1245 
(Linie  Regenstein)      (Linie  Blankenburg) 

1246  Ulrich  1.  1267  Siegfried  III. 

t  f  f  (Linie  Heim  1251 

bürg)         Linie  Regen - 
stein) 

1365  1368 
Johann  Ernst        t  t  t  'r  t  t 

1599 

t  t  t 

204.  Herrschaft  (Juerfurt.  Die  Herren  dieses  Hauses  gehen  auf 
Eginos  Sohn  Burkhard  zurück.  Des  letzteren  Sohn,  Bruno  I.  (t  1015), 
ist  der  Vater  jenes  Bruno  von  Querfurt,  der  als  Missionar  unter  den 
heidnischen  Preufsen  den  Märtyrertod  fand.  Ein  anderer  Sohn,  Geb- 
hard I.  (starb  schon  vor  dem  Vater  982),  setzte  die  Stammreihe  fort.  Von 
den  Nachfolgern  interessiert  hier  nur  Gebhard  IV.,  der  um  1212  starb 
und  zwei  Söhne  hinterliefs,  von  denen  Gebhard  V.  (von  anderen  der  III. 
genannt)  die  Hauptlinie  der  Querfurter  fortsetzte,  während  Burkhard  VI. 
(I.)  durch  seine  Heirat  mit  Sophie  eine  neue  (jüngere)  Linie  Mansfeld 
stiftete.  Das  Territorium  der  Herren  von  (Juerfurt  mit  dem  gleich- 
namigen Hauptort  südlich  von  Eisleben  war  ein  sehr  beschränktes, 
eng  eingeschlossenes  und  hat  niemals  eine  erhebliche  Vergrößerung 
erfahren. 

Durch  Gebhard  III.  (f  112(5  wurde  eine  Nebenlinie  der  Querfurter  ge- 
stiftet, die  auf  die  Herrschaft  Seeburg  abgeteilt  worden  war,  aber  mit  Wichinann, 
dem  Erzbischof  von  Magdeburg  (f  H92>,  schon  ausstarb. 

205.  Bistum  nildesheiin.  Wie  bei  den  meisten  Bistümern  setzte 
sich  das  weltliehe  Stiftsgut  anfangs  nur  aus  einzelnen  Höfen  zusammen, 
von  denen   einige    überdies   ziemlieh   weit    vom  Stiftssprengel  entfernt 


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205.  Bistum  Hildesheim. 


331 


lagen.  Aber  die  Güterschenkungen  und  Grafschaftsrechte  mehrten  sich ; 
im  XIII.  und  XIV.  Jh.  bildete  das  Stiftsgut  schon  einen  geschlossenen 
Bestand  zwischen  der  Leine  und  der  :Oker.  In  ihrem  Streben  nach 
Vergröfserung  der  weltlichen  Macht  liefsen  es  sieh  die  Bischöfe  angelegen 
sein,  die  Vogteien  nach  und  nach  einzulösen.  Besonders  Bischof  Konrad  IL 
(1221—1240)  war  hierbei  sehr  tatig  gewesen. 

Im  X.  Jh.  lugen  die  Güterkomplexe  des  Bistums  noch  sehr  zerstreut. 
Bischof  Othwin   hatte  Gysenheim   (vielleicht  Geisenheim  a./Rh.)  geschenkt, 
Osdag  seinen  Hof  Algermissen,  Kaiser  Otto  I.  einen  Weinberg  zu  Boppard  etc. 
Otto  III.  und  Heinrich  II.  spendeten  gleichfalls  sehr  freigebig  nicht  blofs  dem 
Stifte,  sondern  auch  den  Klöstern.    1049  schenkte  Kaiser  Heinrich  III.  das 
Gut  Poppenburg,  1051 :  Grafschaftsrechte  in  Bezirken  von  sechs  Gauen  (Nord- 
thürintfen,  Derlingo,  Ostfala,  Saltga,  Gretinge,  Mulbeze-Flutwide),   1052:  Wien- 
hausen bei  Celle  mit  Markt-,  Zoll-  und  Münzrecht,  1053:  mehrere  Güter  des 
geächteten  Tiemo  im  Levagau  und  Ostfala.    Unter  Heinrich  IV.  kamen  1062 
und  1065  ausgedehnte  Bannforsten  an  der  Leine  hinzu,  1068  Grafschaftsrechte 
in  Gebieten  des  Valothungon,  Aringo,  Guddingo.  Auch  die  Erwerbungen  von 
I.ehenshoheiten  über  weltliche  Grundherren  sowie  Belehnungen  mit  bereits  er- 
worbenem Gebiet  (Poppenburg,  Burg  Schladen,  Winzenburg)  waren  zahlreich. 
-Vgl.  Lüntzel,  Gesch.  d.  Diözese  und  Stadt  Hildesh.,  1858,  I,  45  ff.,  143  1., 
243  ff.,  252,  273—278,  H,  26.    Wachsmuth,  Gesch.  v.  Hochstift  und  St. 
Hildesh.,  1863,  15—17,  29—31.    Bertram,  Gesch.  d.  Bist.  Hildesh.,  1899,  I, 
101,  122,  126,  wo  auch  die  urkundlichen  Belege  gegeben  sind  nach  Jan  icke, 
ÜB.  des  Höchst,  Hildesh.  und  seiner  Bischöfe.    1183  kam  die  Homburg  an 
•las  Stift,  welehes  sie  teils  an  die  Grafen  von  Dassel,  teils  an  die  nach  Dir  be- 
nannten Herren  von  Homburg  als  Lehen  vergab.   Auch  die  Güter  der  Grafen 
von  A  sie  bürg  zwischen  Wolde  und  Burgdorf  wurden  unter  Bischof  Adelog 
erworben;  Schlofs  Hallermund  nahm  er  in  Pfand,    (über  den  Erwerb  von 
Vogteien  vgl.  Bertram  1.  c.  I,  228  f.)  Unter  Bischof  Konrad  II.  wurden  Sehlofs 
Oepenau  an  der  Aue  bei  Steinwedel  und  Rosenthal  erworben;  ferner  1236 
<lie  sog.  »Kleinere  Grafschaft*  Lauen  rode  beim  Nordwalde  (den  jetzigen 
Häineler,  Stein  wedeler  und  Bockmer  Holzungen).    Die  »Grofse  Grafschaft« 
umfassend  Amt  Ilten,  die  »Grofse  und  Kleine  Freie«  bis  dicht  an  die  Ostseite 
von  Hannover)  kam  bald  darauf  an  Otto  von  Braunschweig.    Unter  Bischof 
Johann  I.  (f  1260)  kam  Peine  durch  Kauf  an  das  Stift;   ebenso  Lutter  am 
Barenberge.    Noch  bedeutsamer  waren  die  Erwerbungen  Ottos  I.  (f  1279):  die 
Burg  Woldenberg,  die  Grafschaft  von  Holle,  die  Gografschaft  über  15  Dörfer, 
die  Vogtei  über  Baddekenstedt  und  eine  andere  sog.  ;  Grofse  Grafschaft«  (als 
die  vorhergenannte),  die  von  Sehirbeck  bei  Harlessem,  also  südlich  von  es- 
heim  sieh  über  den  Heberberg  bis  Sebexen  (bei  Gandersheim)  und  Olxheim  er- 
streckt; ferner  kaufte  er  den  vierten  Teil  der  Grafschaft  im  Ambergau.  Sieg- 
fried IL  erwarb  1310  vom  Grafen  Simon   von  Dassel  das  Schlofs  Hunsrüek 
und  die  Stadt  Dassel  nebst  der  umliegenden  Grafschaft.    Heinrichs  IL  wichtigste 
Erwerbung  ist  die  Stadt  Bockenem  von  der  Äbtissin  von  Gandersheim  Auch 
die  Poppenburg  kam  an  das  Stift  zurück.    Unter  Otto  II.  (f  1331):  Schlofs 
Lindau  im  Untereichsfelde,  das  Sehlofs  Lutter  a.  Bar.  nebst  Gericht  um!  Vogtei, 
ferner  die  Grafschaft  Westerhof,  das  Gericht  zu  Berka  u.  a  m.    Unter  Hein- 
rich III. :  1341  Haus  Wiedelah,  1353  Haus  Sehladen.  1357  Schlofs  Wohlenstein. 
Wachsmuth  1.  e.  40  f.,  59  f.     Näheres  über  die  einzelnen  Erwerbungen 
sjwie   über  verschiedene  weniger  bedeutende  gibt  Bertram  1.  c.  I,  1S3  f., 
229  f.,  282,  284,  3<M>.  317.  322,  333.  Anfser  den  Urkunden  hei  Döbner,  Guden- 
dorf. Janicke  ist  das Chronicon  epise.  Hildesh.,  eontin  1071» — 147-J.  MG.  SS.  VII, 
sö4  ff   besonders  heranzuziehen.    A.  Barth,  das  bischöfliche  Beamtentum  im 
Mittelalter  in  den  Diözesen  Halberstadt,  Hildesheim,  Magdeburg  und  Merse- 
burg.   Ciöttin^er  Dissertation  von  1900. 


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332  VX  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

206.  Bistum  Halbcrstadt.  Das  Stiftsgebiet  lag  zwischen  braun 
schwedischem  und  erzbischöflich  inagdeburgisehem  Gebiet  auf  der  einen 
und  den  Harzgrafschaften  auf  der  anderen  Seite  eng  eingeschlossen. 
Die  ersten  Bischöfe  hatten  um  den  Bestand  ihrer  Stiftung  zu  kämpfen; 
denn  wie  die  Diözese  ihnen  infolge  Gründung  benachbarter  Bistümer 
verkürzt  wurde,  so  auch  das  weltliche  Gebiet. 

Ohne  hier  die  kleineren  Erwerbungen  im  einzelnen  zu  verfolgen,  erhielt 
das  Stift  im  Jahre  1052  durch  Heinrich  III.  eine  gröfsere  Zuwendung  in  den 
beiden  Komitaten  des  Harzgaues  mit  weiteren  Besitzungen  im  Derlingau.  Nord- 
tlniringau  und  Beizern.  Teile  dieser  Gebiete  wurden  an  Dynasten  weiter  ver- 
liehen (so  an  die  Reinstein  und  Blankenburg).  Nach  Heinrichs  d.  L.  Sturz  er- 
langte es  Reiehsunmittelbarkeit.  —  Der  besonders  tatkräftige  Bischof  AI  brecht 
hatte  1319  auch  die  Grafschaft  Askanien  hinzuerworben,  und  1332  fiel  auch 
Ennsleben  an  das  Stift.  —  über  alle  Einzelheiten  der  Erwerbungen  s.  Leo, 
Territorien  II,  917 — 962,  der  gerade  dieses  Bistum  ausführlicher  behandelt. 
Frantz,  Gesch.  des  Bistums,  nachmaligen  Fürstentums  Halbcrstadt,  Halbcrst. 
1853.   Vgl.  auch  die  benachbarten  Territorien. 

207.  Reichsstädte  in  Thüringen  und  Sachsen.  Die  Zahl  der  Reichs 
Städte  ist  gegenüber  den  rheinischen  und  süddeutschen  Landen  eine 
beschränkte.  Aufser  Bremen  und  Hamburg  sind  hier  nur  Nordhausen, 
Mühlhausen,  Goslar  und  Lübeck  zu  nennen. 

Wegen  Bremen  und  Hamburg,  die  damals  noch  nicht  eigentliche 
Reichsstädte  waren  s.  $j  IIS,  119. 

Nordhausen  wird  zuerst  874  als  kaiserliche  Pfalz  genannt.  Seit  1220 
gehörte  sie  dem  Reich  und  wurde  1253  zur  Reichsstadt  erhoben.  Förste- 
mann, Urkundl.  Gesch.  der  Stadt  Nordhausen  bis  1250.  Nordh.  1828—1840. 
Ders.,  Kleine  Schriften  zur  Gesch.  der  Stadt  Nordhsn.,  1855. 

Mühl  hausen  war  anfangs  ein  königlicher  Hof,  der  im  Anfang  des 
XIII.  Jh.  städtische  Privilegien  erhielt  und  1251  freie  Reichsstadt  wurde. 
Pf  äff,  Chronik  der  Stadt  Mühlhausen  in  Thüringen,  Nordhsn.  1874.  Stephan, 
Vcrfassungsgeseh.  der  Reichsstadt  Mühlhsn.,  Sondershsn.  1886. 

Goslar  ist  aus  Zusammenziehung  dreier  Dörfer  entstanden.  Lediglich 
die  Bergwerke  im  Rammeisberg  haben  die  Stadt  gehoben,  die  von  den  sächsi- 
schen und  salischen  Kaisern  gern  aufgesucht  wurde.  Seit  1219,  wo  ihr  em 
erstes  Privilegium  von  Kaiser  Friedrich  II  verliehen  worden  ist,  hat  sie  sich 
mehr  und  mehr  selbständig  zu  halten  gewuTst  und  war  als  Mitglied  der  Hansa 
emporgeblüht.  Crusius,  Gesch.  der  vorm.  kaiserl.  freien  Reiehsst.  Goslar. 
1842—1843.  Wolfstieg,  VerfassungSgesch.  v.  Goslar,  Berl.  1883.  Auch  die 
Einleitung  zu  Bode.  Urkundenbuch  d.  St,  Gosl.,  Halle  1893. 

Lübeck  lag  anfänglich  an  der  Einmündung  der  Schwartau  in  die  Trave. 
Nach  seiner  Zerstörung  durch  die  Rugier  1138  wurde  das  neue  Lübeck  1143 
zwischen  Wackenitz  und  Trave  erbaut.  Erst  durch  Heinrich  den  Löwen  wurde 
der  Grund  zu  seiner  späteren  Bedeutung  gelegt.  Von  1201 — 1225  stand  es  unter 
dänischer  Hoheit;  1226  wurde  der  Stadt  von  Kaiser  Friedrich  II.  Reichsfreiheit 
verliehen.  Ho  ff  mann,  Geseh.  der  Freien  und  Hansestadt  Lübeck,  1889 
bis  18.92. 

208.  Fürstentum  Anhalt.    Aus  dem  Länderbereiche  Albrechts  des 
Bären  hatte  sich  infolge  mehrmaliger  Teilungen  jenes  Territorium  als 
selbständiges  Gebiet  herausgelöst,  dessen  Fürsten  sich  zum  Unterschiede 
von  den  anderen  Askaniern  nach  einer  Burg  im  Selketal  benannten 
Heinrich  L,  ein  Enkel  Albrechts  des  Bären,  erscheint  1218  als  erster 


208.  Fürstentum  Anhalt. 


333 


Fürst  von  Anhalt,  Nach  dem  Tode  seines  Vaters  Bernhard,  des  Herzogs 
von  Sachsen  (s.  d.),  1212  erhielt  er  bei  der  Teilung  mit  seinem  Bruder 
Albrecht  die  väterlichen  Stammgüter  auf  beiden  Ufern  der  Elbe;  auf 
dem  rechten  Ufer  gehörten  hierzu  freilich  nur  Koswig  und  ein  Teil  des 
Amtes  Rofslau.  Wurde  das  Land  auch  späterhin  von  neuem  geteilt,  so 
war  doch  der  engere  Zusammenhang  durch  die  Familienbande  gesichert, 
und  eine  spätere  Erbvereinigung  (1388)  gab  eine  rechtliche  Unterlage 
hierfür  ab.  Schon  unter  den  Söhnen  Heinrichs  I.  (f  1251)  fand  eine 
Teilung  statt:  Bernhard  I.,  der  Stifter  der  Bernburger  Linie,  erhielt 
Bernburg,  Ballenstodt,  Sandersleben,  Gröbzig  und  einen  Teil  der  köthen- 
schen  Lande.  Siegfried,  der  Begründer  der  älteren  Zerbster  Linie  erhielt, 
Röthen,  Dessau  und  Koswig,  und  Heinrich  II.,  Stifter  der  Ascherslebener 
Linie,  bekam  Aschersleben,  die  Vogtei  über  Gernrode,  die  Harzgebiete, 
und  die  Grafschaften  Kroppenstedt  und  Hadmersleben.  Aus  dieser 
Teilung  ergibt  sich  der  damalige  Umfang  des  Fürstentums.  —  Die  Linie 
Heinrichs  II.  starb  mit  seinem  Enkel  Otto  II.  bereits  1315  aus,  und  sein 
Land,  mit  Ausnahme  von  Aschersleben,  fiel  an  die  Bernburger  Linie, 
an  seinen  Vetter  Bernhard  II.  Aschersleben  war  der  Witwe  Ottos  IL, 
Elisabeth,  als  Witwensitz  gelassen  worden,  und  Bernhard  liefs  sich  deshalb 
in  der  Grafschaft  Aschersloben  huldigen.  Sein  Bruder  Albrecht,  der 
Bischof  von  Halberstadt,  erhob  Ansprüche  auf  diese  Grafschaft  für  sein 
Stift.  Trotzdem  nun  Kaiser  Ludwig  IV.  dem  anhaltischen  Fürsten  bei- 
stand und  ihn  1318  und  nochmals  1323  mit  der  Grafschaft  förmlich 
belehnte,  so  entschied  doch  der  vom  Bischof  und  seinem  Nachfolger  mit 
Entschiedenheit  durchgeführte  Krieg  zu  seinen  Ungunsten,  und  Halber- 
stadt behielt  die  Grafschaft  Aschersleben  zurück,  die  somit  für  immer 
dem  anhaltischen  Hause  entzogen  blieb.  Auch  sein  Sohn  Bernhard  IV. 
wurde  1348  nochmals  mit  Aschersleben  von  Karl  IV.  belehnt,  ohne 
besseren  Erfolg  zu  haben.  —  Die  Zerbster  Linie  hatte  ihr  Territorium 
nicht  unerheblich  vergröfsert.  Schon  Siegfrieds  I.  (f  1290)  Nachfolger, 
Albrecht  L,  der  in  Kothen  seinen  Sitz  hatte,  hatte  1307  von  den  Herren 
von  Barboy  das  Schlofs  und  einen  Teil  der  Stadt  Zerbst  erworben. 
Diese  Gebiete,  in  denen  die  Linien  bereits  mehrere  Güter  besafsen,  unter- 
standen der  Oberhoheit  des  Markgrafen  von  Brandenburg  und  kamen 
erst  in  jener  Zeit  unter  anhaltische  Herrschaft.  —  Albrechts  I.  Söhne: 
Albrecht  II.  und  Waldemar  I.  hatten  gemeinschaftlich  regiert.  Des  Erst- 
genannten Sohn  Johann  I.  war  schließlich  der  einzig  überlebende  Ver- 
treter der  Zerbster  Linie.  Im  Jahre  1370  erwarb  er  von  den  Grafen 
von  Lindau  dio  gleichnamige  Stadt  mit  zugehörigem  Gebiet  im  NW.  seines 
Territoriums.  Beim  Schlufs  dieser  Periode  war  also  das  Anhalter  Land 
auf  zwei  Linien  verteilt:  die  Bernburger  Linie,  die  damals  noch  durch 
Otto  III.  (f  1404)  und  Heinrich  IV.  (f  1377)  vertreten  war  und  ihr 
Ländchen  nochmals  geteilt  zu  haben  scheint,  und  die  Zerbster  Linie,  die 
in  Röthen,  dann  in  Zerbst  ihren  Sitz  hatte  und  in  Johann  I.  (f  1382) 
ihren  alleinigen  Vertreter  besafs. 

Von  der  Burg  Anhalt  sind  heute  nur  noch  Trümnierreste  vorhanden ; 
aber  auch  sonst  haben  wir  nur  wenige  Nachrichten  über  sie.   Auf  dem  Grofsen 


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334 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Hausberge  am  rechten  Ufer  der  Selke,  ungefähr  in  der  Mitte  des  Gebirgslaufes 
des  Flusses,  lag  der  Anhalt.  Vermutlich  hatten  die  Grafen  von  Badenstedt 
Ende  des  XI.  Jh.  daselbst  eine  Burg  gebaut.  Im  Jahre  1140  wurde  die  Burg 
wieder  zerstört;  doch  wird  von  einem  Wiederaufbau  nichts  gemeldet.  Vgl. 
().  von  Heinemann,  Die  Burg  Anhalt  mit  ihrem  Zubehör,  in  Harz-Ztechr.  III. 
130  ff.  —  Die  zur  Grafschaft  Aschersleben  gehörigen  Teilstücke  werden  nach 
einer  Urkunde  von  1330  aufgeführt  von  von  Heinemann,  Die  Grafsch. 
Aschersleben  bis  zu  ihrem  Übergehen  in  den  Besitz  des  Ilochstiftes  Halberstadt, 
in  Harz-Ztschr.  187(5,  1 — 25.  Im  Anschlufs  hieran  vgl.  die  Polemik  zwischen 
Winter  und  Heinemann,  ibid.  1876,  313—322.  —  Heine,  Gesch.  des  Landes 
Anhalt  und  seiner  Fürsten,  Kothen  1866.  Siebigk,  Das  Herzogtum  Anhalt, 
Dessau  1867.    von  Heinemann,  Cod.  diplomat.  Anhaltinus,  Dessau  1867  ff. 


Ascherslbn.  Linie 


Heinrich  I.  f  1251 
Hernburger   |  Linie 


Zerbster  Linie 


Heinrich  II. 
I 

Otto  I. 
I 

Otto  II.  f  1315 

t  t  t 


Bernhanl  I.  t  1*16 
I 

Hernhard  II.  t  131« 

I 

Bernhard  III. 


Bernhard  IV. 
t  1354 
t  t  t 


Otto  III. 
t  1404 


Heinrich  IV. 
t  1377 


Siegfried  I  +  1290 

I 

Albrecht  I.  f  1316 

Albrecht  II.  Waldemar  I. 
|  f  1367 

I  I 
Johann  I.   Waldemar  II. 
t  1382  f  1370 

t  t  t 


209.  Erzbistum  Magdeburg.  Im  Jahre  937  hatte  Kaiser  Otto  I. 
auf  Bitten  seiner  Gemahlin  Editha  in  Magdeburg  ein  Benediktinerkloster 
der  hh.  Petrus,  Mauritius  und  Innocentius  gegründet.  Die  ersten  Dotationen 
bestanden  in  dem  Königshof  in  Magdeburg  und  einer  Reibe  von  Ort- 
schaften in  der  Nachbarschaft.  Kurz  nachher  folgten  neue  Schenkungen 
an  das  Kloster,  die  in  Gütern,  Zöllen  und  Zuweisung  von  Hörigen  etc. 
bestanden.  Damals  bereits  erhielt  es  oine  Fülle  von  Gütern,  die  im 
späteren  sog.  Saalkreis  um  Halle  lagen,  so  Giebichenstein  mit  der  Saline, 
Würzen,  Eilenburg,  Zörbig,  Wettin,  Löbejün,  Löbnitz,  Trebnitz,  Roda 
u.  a.  m.;  bald  darauf  (965)  auch  Calbe  an  der  Saale  und  Rosoburg,  dann 
Loburg  und  Tuchheim.  Auch  weit  entfernt  liegende  Güter,  wie  ein  Hof 
in  Oberwesel,  die  Klöster  Hagenmünster  bei  Mainz,  Jugenheim  im  Nahe- 
gau, Speierdorf  im  Speiergau,  wurden  ihm  zugewendet.  Die  ungewöhnlich 
reichen  V ergabungen  an  da«  Kloster  hatten  darin  ihren  Grund,  dafs 
Kaiser  Otto  schon  vorher  die  Gründung  eines  Erzbistums  im  Auge  hatte 
und  diese  trotz  der  Widersacherschaft  von  Halberstadt  und  Mainz  im 
Jahre  908  endlich  durchsetzte.  Zur  Ausstattung  des  Stiftes  wurde  die 
Dotation  des  Klosters  verwendet,  und  die  Mönche,  die  auf  dem  Johannis- 
berge eino  neue  Klosterstätte  fanden,  wurden  von  Kaiser  Otto  mit  Gütern 
bei  Hochheim,  mit  Rothenburg  a.  d.  Saale,  dem  Gut  Retha  bei  Münden 
und  Bornstedt  im  Nordthüringgau  entschädigt.  Abgesehen  von  kleineren 
Schenkungen,  welche  die  Nachfolger  Ottos  I.  machten,  vergröfserten  auch 
bedeutende  Landerwerbungeii  das  Stiftsgebiet,  und  Austausch  mit  ent- 
fernteren Gebietsteilen  rundete  es  ab.  So  wurden  Oberwesel  und  Jugen- 
heim gegen  Jerichow,  Ploten,  Luithin,  Wranechenstein  und  Erxleben 
ausgetauscht.    Das  Jüterboger  Land  kam  um  1170  an  das  Stift,  Im 


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210.  Mark  Brandenburg.  335 

Jahre  1180  gewann  Erzbischof  Wichmann  auch  die  Grafschaft  Som- 
mersell enburg,  in  der  damals  der  letzte  Graf  des  Hauses  gestorben  war, 
gegen  die  Absichten  Heinrichs  des  Löwen;  auch  Haldensleben,  welches 
zerstört  als  Neuhaidensleben  wieder  erstand,  wurde  mit  Sommerschen- 
burg  dem  Stift  bestätigt.  Nach  dem  Sturze  Heinrichs  gewann  der  Erz- 
bischof auch  das  ganze  Gebiet  zwischen  der  Abtei  Lütter,  Magdeburg 
und  dem  Drömling  (1193),  sodann  das  Bruchgebiet  von  Hornburg  bis 
zur  Bode  und  von  der  Bode  zur  Saale.  Im  Streit  mit  den  Markgrafen 
von  Brandenburg,  die  1196  dem  Erzstifte  die  Altmark  zu  Lehen  auf- 
getragen hatten,  wurde  diesen  die  Grafschaft  Hadmersleben  abgenommen. 
Bedeutsam  war  auch  der  Erwerb  der  Grafschaft  Seehausen,  die  Erzbischof 
Rudolf  vom  Halberstädter  Stift  erkaufte.  So  hatte  sich  das  Erzbistum, 
abgesehen  von  zerstreut  liegenden  Besitzungen,  allmählich  ein  geschlos- 
senes Territorium,  welches  von  der  unteren  Havel  westlich  bis  zur  oberen 
Aller  und  Unstrut  reichte,  und  ein  zweites,  kleineres  Gebiet  weiter  ober- 
halb an  der  Saale  erworben. 

Infolge  der  Aufhebung  des  Bistums  Merseburg  wurde  nicht  nur  dessen 
Diözesangebiet,  sondern  auch  das  Stiftsgebiet  an  die  anderen  Bistümer  auf. 
geteilt.  Neun  Städte  mit  Zubehör  (Schkeuditz,  Chotug,  Würzen,  Puchen,  Eilen- 
burg, Düben,  Pouch  a.  d.  Mulde,  Löbnitz  und  Gescerica)  kamen  damals  an 
.Magdeburg  (981).  Doch  wurden  nach  Wiedereinrichtung  des  Bistums  Merseburg 
diese  Städte  später  wieder  zurückgegeben.  —  Das  Land  zwischen  Elbe  und  Havel 
mit  Plaue.  Genthin,  Sandow  kam  in  den  unsicheren  Zeiten  des  falschen 
Waldemar  an  das  Stift,  wenn  auch  die  Grenzverhältnisse  erst  sehr  viel  später 
geregelt  wurden.  —  Regesta  archiepiscopatus  Magdeburgensis,  hrgb.  von  M  ü  1  - 
v e r s t e d t ,  Magdeburg  1877—1886.  Uhlirz,  Gesch.  des  Erzb.  Magdebg.  unter 
den  sächsischen  Kaisern,  Magdeburg  1887.    Leo,  Territorien  II,  968  ff. 

Die  Grafschaft  Sommersell  enburg  war  im  Besitz  der  gleich- 
namigen Familie,  welche  durch  Erbschaft  auch  die  pfalzgräfliche  Würde  von 
Sachsen  erhalten  hatte  (XI.  Jh.).  Mit  Adalbert  starb  1 18t)  das  Grafenhaus  aus. 
I >ie  Pfalzgrafschaft  kam  an  die  Landgrafen  von  Thüringen,  die  Grafschaft  aber 
durch  die  Schwester  jenes  Adalbert,  die  Äbtissin  Adelheid  von  Quedlinburg 
und  Gandersheim,  an  aas  Erzstift  Magdeburg.  Die  Grafschaft  Seehausen, 
jrröfsten teils  im  Nordthüringgau  gelegen  (mit  Oschcrsleben,  Wegersleben,  Velt- 
heim, Althaidensleben,  Seehausen,  Kilsleoen,  Uhrsleben  und  vielen  anderen), 
war  ehedem  als  Ilaiberstädter  Lehen  im  Besitz  der  Stadeschen  Familie 
gewesen  und  kam  durch  Luitgard  von  Stade  an  Friedrich  von  Sommerschen- 
burg; als  letztgenanntes  Haus  1180  ausstarb,  brachte  die  Witwe  des  letzten 
< Trafen  sie  ihrem  zweiten  Gemahl,  Markgraf  Dedi  von  Groitzsch  und  Roehlitz, 
zu.  Nach  dessen  unbeerbtem  Tode  1207  wurde  die  Grafschaft  von  Halberstadt 
wieder  eingezogen.  Bischof  Ludolf  II.  verkaufte  dieselbe  an  die  Markgrafen  von 
Brandenburg;  der  Papst  billigte  den  Kauf  aber  nicht,  und  Bischof  Vollrath 
gab  sie  1247  erblich  an  das  Erzstift  Die  Brandenburger  Markgrafen  traten  die 
letzten  Teilstücke  erst  1328  an  Magdeburg  ab. 

Die  Burggrafschaft  Magdeburg  war  etwas   vom  Erzbistum  Ver- 
schiedenes.   Sic  umfafste  die  gerichtlichen  Befugnisse  in  Magdeburg  und  Halle 
dgl.,   und  die  Burggrafen  trugen  die  Ämter  Gommern,  Ranis,  Eibenau 
und  G rottau  zu  Lehen. 

810.  Mark  Brandenburg.  Albrecht  der  Bär  war  1134  mit  der 
Nordmark  belehnt  worden  und  einige  Jahre  spater  auch  mit  dem 
Herzogtum  Sachsen.    Da  er  hier  sich  gegen  die  Weifen  nicht  behaupten 


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330 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


konnte,  so  wendete  er  sich  den  sla vischen  Gebieten  rechts  der  Elbe  zu, 
welche  seit  dem  grofsen  Aufstande  von  983  sich  meist  selbst  überlassen 
waren.  Er  gewann  von  den  Brissanern  die  Prieguitz  und  auf  friedlichem 
Wege  von  dem  in  Brennabor  residierenden  Slavenfürsten  Pribislav  die 
Zauche,  das  Havelland  und  den  südlichen  Teil  des  Barnim.  Im  Jahre 
1143  wurden  ihm  diese  Gebiete  als  erbliches  Reichsfürstentum  vom  Kaiser 
Konrad  III.  zugesprochen.  Er  selbst  bezeichnete  sich  fortan  als  Mark- 
graf von  Brandenburg.  Von  seinen  Nachfolgern  machten  Johann  I. 
und  Otto  III.  (1220—1266  [1267])  namhaftere  Gebietserwerbungen.  Durch 
Heirat  kam  Otto  III.  in  den  Besitz  der  Oberlausitz,  die  aber  1355 
wieder  an  Böhmen  fiel);  von  den  pommerschen  Herzögen  gewannen  sie 
die  Ukermark  und  das  Land  Stargard  (letzteres  von  Waldemar 
wieder  an  Mecklenburg  abgetreten),  ferner  die  Lande  Barnim  und 
Teltow  zu  beiden  Seiten  der  unteren  Spree,  das  Land  Sternberg 
rechts  und  Lebus  links  der  Oder  (um  1250),  desgleichen  stückweise  die 
spätere  Neumark  östlich  bis  zur  Drage  und  nördlich  bis  über  Sehivel- 
bein  hinaus.  Unter  diesen  beiden  Markgrafen  fand  auch  eine  vorüber- 
gehende Teilung  des  ausgedehnten  Landgebietes  unter  die  Stendaler  und 
Salzwedeler  Linie  statt,  die  mit  dem  Erlöschen  der  letzteren  1317  wieder 
aufgehoben  war.  Otto  IV.  (f  1308)  kaufte  die  Mark  Landsberg,  von 
Delitzsch  über  die  Saale  bis  zur  Unstrut  reichend,  mit  Sangerhausen 
(1320  fiel  sie  an  Herzog  Magnus  von  Braunschweig,  1347  an  die  Wettiner 
zurück),  ferner  1303  die  Niederlausitz  (1339  von  Böhmen  wieder  ein- 
gezogen). Nach  dem  Aussterben  des  askanischen  Hauses  (1320)  drohte 
das  zusammengebrachte  Gebiet  der  Mark  zu  zerfallen,  indem  die  Naehbar- 
fürsten  sich  an  ihm  schadlos  halten  wollten,  doch  gelang  es  Kaiser 
Ludwig  dem  Baiern,  der  die  Mark  für  ein  erledigtes  Reiehslehen  er- 
klärte, dem  Unheil  vorzubeugen  und  dieselbe  seinem  unmündigen 
Sohne  Ludwig  dem  Alteren  zu  übertragen  (1324).  Der  ehemalige  Terri- 
torial bestand  konnte  freilieh  nicht  aufrechterhalten  werden.  Aber  die 
Ilauptterritorien  der  Mark  blieben  damals  vereinigt  und  blieben  es  auch 
späterhin,  als  Kaiser  Karl  IV.  den  letzten  Wittelsbacher,  Otto  den 
Faulen,  1373  zur  Abtretung  der  Mark  zwang  und  sie  somit  an  das  luxem- 
burgische Haus  brachte.  Durch  die  Goldene  Bulle  war  die  Markgraf- 
schaft, zu  einem  Kurfürstentum  erhoben  worden  (mit  Ausschlufs 
der  Neumark). 

Eine  wertvolle  Quelle  für  die  territoriale  Gestaltung  und  Topographie 
bildet  das  Landbml»  di  r  Mark,  welches  Karl  IV.  zur  Erhebung  der  Abgaben 
und  Feststellung  der  Einkünfte  1H75  hatte  herstellen  lassen:  Landbuch  des 
Churfürstentums  und  der  Mark  Brandenburg,  welches  Kaiser  Karl  IV.  im 
Jahre  IH75  anfertigen  lassen,  wie  auch  das  Register  des  Landschosses  einiger 
Kreise  der  Chunnark  vom  Jahre  1451.«    Hrgb.  von  E.  F.  von  Herzberg,  17*1. 

Nach  den  dortigen  Angaben  wird  die  Mark  Brandenburg  (Marchia 
lirandenburgensis)  in  drei  Ilaupttcilc  geschieden:  Marciiia.  Transalbanea,  Trans- 
oderana et  Media;  und  zwar  mit  der  weiteren  Erläuterung  Marchia  Transalbanea 
alio  nomine  Antiqua  Marchia.  —  Marchia  Media  est  inter  Albeam  et  (Mleram  sihuita 
.  .  .  subdivitur  in  IX.  territoria :  Luhns,  Barnym,  Czncha,  Telthow,  Terra  Obule 
(Havelland),  Glyn,  Prignitz,  Ukera,  Comitatus  Lyndowensis  (Grafseh.  Ruppin).  — 
Marchia  Transoderana  (später  Neumark)  subdivitur  per  flumen  .  .  .  Wurtam  .  .  . 


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210.  Mark  Brandenburg. 


337 


cuius  pars  major  trans  ßumen  Warte  versus  Septentrionem  tendens  usque  Prussiam. 
Alia  pars  transoderana  versus  Orienten,  que  territorium  Sterneberg  appelatur. 
(Karolin.  Ldb.  S.  41,  43). 

Der  ältere  Kollektivname  des  ganzen  Landes  bis  zur  Oder  war,  wie 
selion  bemerkt,  Nord  mark.  Seit  U43  wird  dureh  Albrecht  den  Bären  die  Be- 
zeichnung »Mark  Brandenburgs  üblich,  einschliefslich  des  linkselbisehen  Teils. 
Der  letztere  war  nach  dem  Erlöschen  des  askanischen  Hauses  an  Otto  den 
Milden  von  Braunschweig  gekommen  durch  seine  Gattin  Agnes,  der  er  auf 
Lebenszeit  zugesprochen  war.  Man  nannte  ihn  nunmehr  die  Alt  mark;  ur- 
kundlich erscheint  dieser  Name  zuerst  1324.  Der  reehtselbische  Teil  erscheint 
im  Karolinischen  Landbuch  als  Mittel  mark  zugleich  mit  Bezugnahme  auf 
die  rechts  der  Oder  gelegenen  Gebiete,  die  Terra  transotlerana,  die  damals 
noch  nicht  als  Neumark  bezeichnet  wurde.  Dies  war  zuerst  1402  der  Fall; 
s.  unten. 

Die  Alt  mark,  Marchia  antiqua,  ist  das  links  der  Elbe  gelegene  Gebiet, 
dessen  damalige  Westgrenze  mit  der  heutigen  annähernd  übereinstimmte, 
während  die  Nordgrenze  etwas  weiter  hinausgereicht  zu  haben  scheint.  Die 
»Südgrenze  bildete  die  Ohre,  die  damals  schon  bei  Wolmirstedt  in  die  Elbe 
mündete.  Noch  während  des  ganzen  XIII.  Jh.  reichte  das  Territorium  der 
Markgrafen  über  die  Ohre  nach  Süden  hinaus,  über  Frohse  bis  gegen  Sehneit- 
lingen,  wo  es  mit  der  Grafschaft  Aschersleben  zusammenstiefs.  Markgraf 
Waldemar  verpfändete  diese  ehemalige  Grafschaft  Billingesho  im  Jahre  1316 
an  das  Erzstift  Magdeburg.  Vgl.  im  übrigen  Riedel.  Die  Mark  Brandenburg 
im  Jahre  1250,  Berl.  1831  8.  192  ff. 

Auch  rechts  der  Elbe  reichte  die  Altmark  ehemals  bis  zur  Havel  hinüber 
und  südwärts  bis  Ziesar.  Dieser  zwischen  beiden  Flüssen  gelegene  Landstreifen 
war  Anfang  des  XII.  Jh.  der  Maik  hinzugefügt  worden,  wurde  aber  Mitte  des 
XIV.  Jh.  an  das  Erzstift  abgetreten.  Eine  ausführliche  historisch-geographische 
Beschreibung  des  Landes  (des  Salzwcdelschen,  Osterburgschen,  Stcndalsehen 
und  Gardelegenschen  Bezirkes)  gibt  Riedel,  1.  c.  I,  41 — 235.  Mehr  historisch  ist 
Wohlbrück,  Gesch.  der  Altmark,  Berl.  1855,  Zahn,  Gesch.  der  Altmark, 
Stendal  1891. 

Die  Prignitz.  deren  Name  sich  aus  dem  slavischen  Stammesiiämen  der 
Brissani  entwickelt  hat,  wurde  noch  bis  zum  Ende  des  XIII.  Jh.  das 
»Land  Havelberg«  genannt,  Urkundlicher  Nachweis  bei  Riedel  I.  277.  Seit 
dem  XIV.  Jh.  heifst  sie  auch  die  Vorn mrk.  Cf.  Ledebur,  Die  Landschaften 
des  Havelbergischen  Sprengeis,  in  Märkische  Forschungen  1,  224.  Immerhin 
tritt  schon  im  XIV.  Jh.  auch  der  Name  Prignitz,  Pregnitz.  Prigeniz  auf  und 
dieser  blieb  seit  Friedrich  Wilhelm  II.  allein  in  Geltung,  während  »Vormark« 
seit  1780  mehr  zurücktrat.  Vgl.  Beckmann,  1.  c.  S.  2—0;  Büsching,  Topo- 
graphie S.  19.  Berghaus,  Ldb.  I.  BIG.  Die  Grenzen  waren  in  jener  Zeit  be- 
sonders gegen  Mecklenburg  noch  schwankend:  gegen  S.  sind  es  die  Dosse, 
Havel  und  Elbe,  gegen  NW.  reichte  damals  das  Land  bis  zur  Eide,  im  NO. 
bis  zum  Daberfiüfsehen  auf  Grund  einer  Vereinbarung  zwischen  dem  Bischof 
von  Havelberg  und  den  mecklenburgischen  Fürsten  von  Wcrle  im  Jahre  1274; 
hierüber  Riedel  I,  415. 

Das  Havelland,  «las  Land  der  Heveller.  meist  Heveldun,  Hcvellim,  auch 
Stodorania  genannt.  Annal.  Quedlinbg.  a.  997 :  Ztodorania,  quam  xmlgo  Heveldun 
rocant.  Bei  Thietmar  IV,  20:  Stodorania,  quae  Hcvellim  dicitur.  Im  Karolini- 
schen Landbuch  Terra  Obnle  et  Merica.  Unter  Merica  ist  die  Heide  bei  Spandau 
verstanden,  unter  der  eigentlichen  Terra  Obnle  das  Gebiet  um  Nauen  *und 
Rathenow.  Die  Grenzen  waren  durch  die  Havel.  Rhin  und  Dosse  gegeben. 
Riedel,  1.  c.  I,  318. 

DieZauche,  Terra  Zucha,  Szuche,  Zucheda,  Czucha,  erscheint  als  Provinz- 
name  im  XII.  Jh.    Sic  umfafst  die  Plateauhöhe  zwischen  den  Niederungen 

K  retaehmer,  Historische  <;eo»rr*phie  22 


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338 


VI.  Politische  Geographie  um  dm  Jahr  1375. 


der  Havel,  Plane,  Nieplitz  und  Nuthe;  doch  wird  nach  dem  Karolinisehen 
Landbuch  der  Name  auch  auf  die  (Gebiete  westlich  bis  Ziesar  und  südlich  bis 
über  (Treueu-)Brietzen  ausgedehnt.  Über  die  Grenzen  im  einzelnen  vgl.  Riedel  I, 
244  ff.  Berghaus  1,  582  ff. 

Teltow,  im  XTTX  Jh.  Teltoue,  Telthawe.  Die  Spree  schied  es  im  N. 
vom  Barnim,  während  im  W.  die  Nuthe  die  Grenze  bildete.  Trebbin  und 
Mittelwalde  waren  die  südlichsten  Grenzorte.  Der  Barnim,  Barnoue  oder 
ßontove  wurde  in  den  sohlen«  und  »nyen  Barnem«  geteilt,  zwischen  welchen 
beiden  der  FinowHuTs  (Alveum  Vinauie)  die  Grenze  bildete.  Bis  1320  mag 
diese  Teilung  in  Gebrauch  gewesen  sein.  Dann  verlor  sie  sich.  Im  Landbuch 
Karls  IV.  ist  nur  von  einem  Barnim  die  Hede.  Im  N.  grenzte  der  Alte  Barnim 
an  die  Ukermark.  Im  O.  bildeten  die  Oder  und  das  Land  Lebus  die  Grenze 
(s.  d.),  im  \V.  im  allgemeinen  die  Havel  und  im  S.  die  Spree.  Zur  Zeit 
Karls  IV.  war  der  Barnim  in  die  drei  Distrikte:  Berlin,  Bisdal  (Biesenthal)  und 
Strausberg  geteilt.  Im  kurmärkisehen  Landsehofs  von  1451  wird  er  in  den 
»Nedern  Barnym  ume  Berlyn«  und  den  »Hoghen  Barnym  den  nördlichen, 
geschieden.  Bis  z.  Z.  des  Grofsen  Kurfürsten  fandet  sich  letztere  Bezeichnung 
noch  vor.  Seit  1(380  etwa  heifst  er  dann  »Ober- Barnim«.  Riedel,  L  c.  I,  388  ff. 
Berghaus,  Ldb.  II,  373  ff. 

Lebus,  in  älterer  Form  Litlnts,  Lnbis,  IAubusua,  nach  der  slavischen 
Völkerschaft  der  Ljubusaner  oder  Leubuzzi.  Die  moderne  Schreibart  ist  aber 
auch  schon  Mitte  des  XIII.  Jh.  nachweisbar.  Anfangs  war  das  Land  im  Besitz 
schlesischer  Herzöge,  dann  im  teilweisen  Besitz  der  Brandenburger  Markgrafen 
und  des  Erzstiftes  Magdeburg.  Um  1285  scheint  es  ganz  mit  der  Grafschaft 
vereinigt  worden  zu  sein.  Die  Grenzen  des  alten  Landes  Lebus  griffen  weit 
in  das  rechte  Odergebiet  hinüber  und  umschlossen  die  Landschaft  Sternberg; 
seit  1535  ist  der  Name  ganz  auf  das  linksseitige  Gebiet  beschränkt  (s.  später). 
Für  die  damalige  Grenzbestinimung  ist  die  Urkunde  des  Erzbischofs  von  Magde- 
burg an  Markgraf  Ludwig  von  Brandenburg  1336  wichtig,  die  wegen  ihres 
Alters  freilich  angezweifelt  worden  ist.  Die  Grenze  ging  etwa  von  Küstrin 
durch  das  Warthebruch  bis  Kriescht,  dann  südlich  zur  oberen  Pleiske,  diese 
abwärts  bis  etwa  nach  Sandow  und  von  dort  zum  Oderknie  unterhalb  der 
Neifsemündung;  weiterhin  westlich  zum  Schwielugsee,  die  Spree  abwärts  bis 
Hangelsberg  und  durch  das  Tal  der  Loehnitz  und  Stoberow  zum  Oderbruch.  Der 
Verlauf  der  Grenze  irn  einzelnen  auf  Grund  jener  Urkunde  ist  trotzdem  sehr 
zweifelhaft  geblieben,  da  die  meisten  Ortenamen  unbekannt  sind.  Vgl.  Wohl 
brück,  Gesch.  d.  Bistums  Lelms,  1829,  I,  33  ff.  von  Ledebur,  Archiv 
1831,  VII,  86  ff.  Worbs,  ibid.  VII,  53—56.  Berghaus,  Ldb.  III,  154—166. 
Freier,  Das  Land  Sternberg,  Zilenzig  181)2,  S.  152  ff. 

Der  Glin,  auch  Schelyn  (Urk.  von  1212),  umfafste  etwa  die  Nordost- 
ecke des  heutigen  Kreises  Ost-Havelland.  Er  wird  im  N.  teilweise  durch  das 
Rhinluch  und  den  Ruppiner  Kanal,  im  O.  durch  die  Havel  und  im  S\V.  durch 
ein  Stück  der  heute  von  Spandau  nach  Fehrbellin  führenden  Chaussee  l>e- 
grenzt.  Das  Landbuch  Karls  IV.  rechnet  fünf  Burgen  zu  diesem  kleinen  Bezirk, 
unter  ihnen  Cremmen,  Bötzow  und  Vehlefanz.  Cf.  Riedel,  1.  c.  I,  373  f.  Berg- 
haus I,  413. 

Die  Ukermark,  Terra  l'kera,  in  der  Stiftungsurkunde  für  das  Bistum 
Brandenburg  1*49:  Yuucri  (MG.  DD.  n.  105);  die  slavische  Bevölkerung  waren 
die  Vucrani,  Ucrant  (s.  S.  172),  der  Flufs  hiefs  Ukera.  Am  Ende  des  XV.  Jh. 
kommt  erst  die  Bezeichnung  Ukermark  auf.  Bergbaus  II,  258  f.  Die  noch 
heute  beobachtete  dialektische  Eigentümlichkeit,  das  u  in  ü  herüberzuziehen, 
war  die  Veranlassung,  dafs  Land  und  Flufs  auf  unseren  Karten  auch  als  Oker 
und  Okermark  erscheinen;  vgl.  Berghaus  II,  286,  der  auch  für  die  Schreibung 
Oker  (nicht  Ocker)  eintritt.  Die  Grenze  bildeten  im  0.  die  Welse  und  Randow 
(der  heutige  Landgraben).    Das  Karolmische  Landbuch  erlaubt  nach  den  ver- 


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•210.  Mark  Brandenburg.  339 

zeichneten  Ortschaften  auch  einige  Grenzbestinimungen  im  S.,  da  Wesendorf 
bei  Zehdenik,  <  Jollin,  Angermünde  und  Stolpe  a.  d.  Oder  zur  Ukermark  ge- 
rechnet werden ;  ebenso  im  W.  Tempi  in,  Boizenburg  und  Strasburg.  Im  N. 
wurden  auch  Päse  walk  und  Torgelow  vorübergehend  als'  feste  Plätze  des 
Ukcrlandes  angesehen  (Karol.  L<lb.  S.  43).  Doch  waren  diese  sehr  bald  wieder 
in  pornmerischen  Besitz.    Vgl.  Riedel  I,  459  f. 

Die  Neu  mark  hiefs  bis  Ende  des  XIV.  Jh.  und  teilweise  auch  später 
noch  das  »Land  jenseits  der  Oder  «.  Bereits  1266  erscheint  es  als  Terra  frans 
Oderam;  im  Neumärkischen  Landbuch  von  1137  :  Terra  transoderana ;  im 
Karolinisehen  Landbuch:  Marchia  transoderana.  Erst  1302  tritt  sie  als  »Nuwe 
Mareke  uff  dissit  der  Odert  auf;  1405:  Terra  novae  Marchiae ;  auch  »Mark  obir 
der  Oder  v.  Die  Bezeichnungen  mit  Bezugnahme  auf  die  Oder  traten  seit  dem 
XV.  Jh.  mehr  zurück,  bis  sie  Mitte  des  XVII.  Jh.  ganz  verschwanden.  —  Bis 
zur  Mitte  des  XIII.  Jh.  war  die  Oder  die  Grenze  gegen  Pommern  und  Polen 
und  die  Warthe-Netze  die  umstrittene  Grenze  zwischen  letzteren  beiden.  Seit 
1250  beginnt  die  Eroberung  einzelner  Teilstücke  der  späteren  Neumark;  im 
Jahre  1260  waren  die  Landschaften  Königsberg,  Bärwalde  und  Küstrin  (d.  i. 
der  heutige  Königsln-rger  Kreis)  und  Laadsberg  (der  gleichnamige  Kreis)  sowie 
ein  Teil  der  Landschaft  Soldin  in  den  Händen  der  Markgrafen.  Bis  1290 
waren  die  Polen  bis  hinter  die  Drage  zurückgedrängt  worden.  Im  Jahre  1276 
war  das  Land  Lippehne,  ein  Besitz  des  Stiftes  Kamin,  käuflich  erworben 
worden,  und  1280  erwarben  die  Markgrafen  auch  Bernstein.  Bis  1292  waren 
ferner  die  Iiinder  Schildberg,  Dramburg  und  Schievelbein  in  ihrem  Besitz. 
Hiermit  hatte  die  Neumark  einen  Umfang  erreicht,  den  sie  bis  1816  beibehielt, 
indem  damals  Dramburg  und  Schievelbein  wieder  zu  Pommern  geschlagen 
wurden.  Die  Markgrafen  hatten  schliefslich  von  Polen  auch  das  Gebiet  jenseits 
der  Drage  bis  zur  Küddow  erworben,  doch  mufste  Ludwig  der  Ältere  diese 
Gebiete  1334  wieder  abtreten.  Vgl.  Berghaus,  Ldb.  III,  337—344.  Für  die 
Geographie  des  inneren  Landes  ist  das  um  1337  zusammengestellte  Landbuch 
Markgmf  Ludwigs  des  Älteren  wichtig.  G.  W.  von  Raum  er,  Die  Neumark 
Brandenburg  im  Jahre  1337  oder  Markgraf  Ludwigs  des  Älteren  Neumärkisches 
Landbuch,  Bcrl.  1837. 

Die  Neumark  wurde  mich  dem  Landbuch  in  I>andschaften  {terrae)  ein- 
geteilt:  1.  Land  Küstrin  (Custerhvn)  war  anfangs  von  Tempelherren  besetzt 
gewesen,  stand  aber  kirchlich  und  politisch  mehr  zu  Lebus  in  Beziehimg, 
weshalb  es  im  Landbuch  gerade  nicht  genannt  wird;  doch  wurde  es  später 
der  Neumark  angeschlossen.  2.  I>and  Bär  wähle  (Bernwolde),  nördlich  von 
jenein,  mit  dem  Distrikt  des  Cisterzienser-Nonnenklosters  Zehden.  3.  Land 
Königsberg  (Konigesberghe),  von  der  Oder  bis  östlich  zum  Land  Schildberg 
reichend,  mit  einem  urkundlich  oft  genannten  Waldgebiet,  der  Hohen  Heide 
(A\ia  merica).  4.  Land  Schi  ldberg  (Schiltberghe),  östlich  bis  an  den  Soldiner 
See  und  Mietzelflufs  reichend,  mit  der  Merica  Schiltberg  im  NW.  und  der 
Merica  Doltzick  im  S.  5.  Land  Lippehne  (Lipana,  Leppene,  Lippen)  östlich 
vom  Soldiner  See.  6.  Land  Solu  in  (Sold  vir)  von  der  Mietzel  im  W.  bis 
ostlieh  zum  Land  Friedberg  und  südlich  von  Lippehne.  7.  Land  Bernstein 
(Berrenstein,  Berenslen)  kam  1315  vom  Bistum  Kamin  an  die  Markgrafen, 
die  es  sogleich  an  den  Herzog  von  Stettin  weiterverkauften.  Doch  liefs  sich 
Ludwig  1328  in  Bernstein  huldigen,  obwohl  es  pommerisch  war  (bis  1479). 
X.  Land  Lands berg  südlich  von  Schildberg  und  Soldin  bis  an  die  Warthe.  Die 
Westgrenze  gegen  Küstrin  ist  uns  urkundlich  sehr  genau  bestimmt.  Wohlbrück, 
Lebus  I,  400.  9.  Land  Friedeberg  (Fredeberg,  Vredeberg),  von  Landsberg 
bis  an  die  Drage  reichen«!,  im  N.  noch  einen  Teil  des  jetzigen  Arnswalder 
Kreises  umfassend.  10.  Land  Arnswalde  (Arnswolde);  hierzu  gehörte  auch 
die  Landschaft  Dramburg  (Drawenburg,  Drahenburg).  Beide  reichten  ostwärts 
bis  zur  Drahe.  11.  Land  Schivelbein,  den  gleichnamigen  Kreis  und  Teile 
des  Dramburger  umfassend. 

22« 


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340 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Die  Grafschaft  Ruppin  (auch  1238  Rapin,  1246  Rupyn,  1256  Ruppin) 
gehörte  den  Grafen  von  Lindow,  deshalb  im  Karolinischeu  Landbuch  p.  42t: 
Comitatus  Lyndowensis  genannt.  Sie  nannten  sich  erst  nur  Herren  zu  Ruppin,  seit 
dem  XIII.  Jh.  aber  Grafen  von  Ruppin  und  Lindow.  Eine  eigentliche  Graf- 
schaft bildete  ihr  Territorium  trotz  des  Titels  nicht.  Es  bestand  aus  der 
Herrschaft  Ruppin,  zwischen  Temnitz,  Rhin  und  Ruppiner  See  gelegen,  dem 
Lande  Wusterhausen  im  Westen  bis  zur  Dosse  und  Rhin  reichend  und  dem 
Land  Gransec.  Das  Karolinische  Landbuch  nennt  als  feste  Orte:  Ruppin 
antiqua,  Ruppin  nova,  Lindow,  Gransoye,  Rynsberg,  Wusterhusen  und  Rynotc.  Berg- 
haus II,  1  ff.  Riedel  I,  375  ff. 

Bekmann,  Historische  Beschreibung  der  Chur-  und  Mark  Brandenburg, 
Berl.  1751  ff.,  5  Bde.  Buch  holz,  Vers,  einer  Gesch.  der  Churmark  Brandenbg, 
Berl.  1765.  Bratring,  Statist. -topograph.  Beschreibung  der  M.  Brandenbg., 
Berl.  1801—1809,  3  Bde.  Riedel,  Die  Mark  Brandenbg.  im  J.  1250,  Berlin 
1831,  2  Bde.  Berghaus,  Landbuch  der  M.  Brandenbg.,  Brandenbg.  1854  ff., 
3  Bde.  Fidicin,  Die  Territorien  der  M.  Br.,  Berlin  1857  ff.,  4  Bde.  Fix, 
Territorialgesch.  des  preufsischen  Staates,  3  Aufl.,  Berl.  1884. 

211.  Bistum  Harclberg.  Die  Dotation  des  Stiftes  war  anfangs  eine 
bedeutende  gewesen,  wie  die  Stiftungsurkunde  von  946  zeigt,  aber  der 
Bischof  war  nicht  in  den  wirklichen  Besitz  der  zugewiesenen  Güter 
gekommen.  Erst  später  konnten  die  Bischöfo  ihr  Stift  vergröfsern ;  so 
erwarben  sie  käuflich  das  Land  Bellin,  die  Plattenburg  mit  Wilsnack 
und  Zechlin.  Zum  ältesten  Bestände  gehörten  Wittstock  mit  Goldbeck 
und  das  Land  Klietz  im  Kreise  Jerichow. 

Ober  den  Umfang  des  Wittetocker  Gebietes  geben  spätere  Ortsverzeichnisse 
Auskunft.  Vgl.  hierüber  Berghaus,  Landbuch  I,  639.  Goldbeck  war  als  Havel- 
berger  Lehen  1325  im  Besitz  der  Grafen  von  Lindow,  Herren  zu  Ruppin,  später 
(1375)  in  dem  der  Familie  Bösel;  Mitte  des  XV.  Jh.  kam  es  wieder  an  Ruppin. 
Das  Landbuch  der  Herrschaft  Ruppin  von  1525  von  Wolfgang  Redorf  ver- 
zeichnet die  zugehörigen  Ortschaften.  Die  Plattenburg  wird  1316  zuerst  genannt 
und  damals  vom  Markgrafen  Waldemar  an  den  Bischof  verkauft.  Das  Land 
Bellin  im  Havellande  war  schon  1294  von  den  Markgrafen  käuflich  erworben 
worden.  Über  die  Ortschaften  dieser  Landschaften  und  die  kleineren  Er 
Werbungen  s.  Berghaus,  1.  c.  und  die  dort  verzeichneten  Stellen  bei  Riedel. 

212.  Bistum  Lcbus.  Wie  über  die  Gründung  des  Bistums,  so  sind 
wir  auch  über  den  anfänglichen  Besitz  sehr  wenig  unterrichtet,  Das 
Stiftsgebiet  war  innerhalb  des  Landes  Lelms  jedenfalls  ein  sehr 
beschränktes.  Es  bestand  späterhin  aus  zwei  Territorien,  von  denen 
das  gröfsere  bei  Lelms  zu  beiden  Seiten  der  Oder  lag,  das  andere  bei 
Fürstenwalde. 

Vgl.  unten  das  über  die  Diözese  Lebus  Bemerkte.  Das  Stift  war  auch  in 
Galizien  (Lublin,  Sandomir,  Krakau)  begütert  gewesen.  —  Der  Gebietsteil  um 
Lebus  bestand  aus  den  Vorwerken  Lelms,  Seelow,  Werder,  Wollup,  den  Städten 
Lebus,  Seelow  und  Göritz  und  26  Dörfern  (diesseits  der  Oder  14,  jenseits  12). 
Der  Gebietsteil  Fürstenwalde  bestand  aus  der  gleichnamigen  Stadt,  den  Vor- 
werken zu  Fürsten walde  und  Beerfelde  und  sieben  Dürfern.  Wohlbrück,  Gesch. 
des  Landes  Lebus  UI,  133  f.    Berghaus  HI,  169  ff. 

213.  Schlesien.  Das  Oderland  war  seit  dem  Tode  Boleslaw  Chrobrys 
(f  1025)  noch  immer  ein  Teil  des  polnischen  Reiches,  wurde  diesem 
aber  seitens  der  Böhmen  (Brotislaw)  streitig  gemacht.    Der  Friede  von 


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213.  Schlesien. 


341 


Glatz  1137  sicherte  Boleslaw  III.  von  Polen  den  Besitz  des  Landes. 
Nach  langwierigen  Streitigkeiten  zwischen  seinen  Söhnen  Wladislaw  II. 
und  Boleslaw  IV.  kommt  es  erst  unter  den  Söhnen  jenes  Wladislaw  zu 
einer  Einigung  und  Teilung  des  schlesischen  Landes  in  zwei  Hälften, 
Ober-  und  Nied  ersc  hie  sie  n ,  welche  für  die  ganze  folgende  Zeit  von 
Bedeutung  blieb.  Der  merkwürdige  Grenzhag  (Preseca)  bildete  die  Scheide- 
linie. Jedes  der  beiden  Herzogtümer  wurde  später  unter  die  Söhne 
Boleslaw  V.  und  Mieslaw  (Mesko)  und  deren  Nachkommen  wieder  geteilt 
und  entwickelte  sich  selbständig  weiter. 

Der  Name  Schlesien  steht  mit  dem  bei  Thietmar  genannten  Pagus 
Süensis  in  Verbindung,  d.  i.  dem  Gebiet  um  Breslau,  Schweidnitz  und  Nimptsch. 
Er  hiefs  angeblich  so  nach  einem  bei  den  heidnischen  Slaven  geheiligten  Berg, 
unter  welchem  nur  der  Zobten  verstanden  werden  kann,  der  uns  urkundlich 
bis  ins  XIV.  Jh.  als  Slenz,  Zlenz,  auch  Möns  Sylencii  (1223)  namhaft  gemacht 
wird.  Das  Nimptsch  berührende  Flüfschen  Lohe  hiefs  entsprechend  Slenza. 
Man  hat  Silensis,  Slenz  mit  der  germanischen  Völkerschaft  der  Silingen 
(2ihyyut,  Ptolem.)  in  Beziehung  gebracht,  eines  Vandalenstammes,  der  in  der 
Völkerwanderung  406  über  den  Rhein  nach  Spanien  zog.  Cf.  Zeufs,  I).  Deutschen, 
S.  663,  Schafarik,  Slav.  Alt.  U,  405  ff.,  Müllenhoff,  DA.  II,  92.  Dies  würde 
allerdings  zur  Voraussetzung  haben,  dafs  ein  Teil  der  Silingen  im  Lande  zurück- 
geblieben wäre  und  die  hereinflutende  slavische  Bevölkerung  den  germanischen 
Namen  auf  Berg,  Flufs  und  Gau  übertragen  hätte.  Über  den  Namen  cf.  P. 
Kühne  1,  in  Jahresheft  d.  Ges.  f.  anthrop.  Urgesch.  d.  Oberlausitz  II,  76 — 93. 
Partsch,  Schlesien  1896,  I,  32  f.,  330. 

Boleslaw  III.  (f  1138)  hatte  das  polnische  Reich  unter  seine  Söhne  geteilt 
hinterlassen,  mit  der  Bestimmung,  dafs  der  älteste,  Wladislaw  IL,  der  Krakau 
und  Schlesien  erhielt,  im  Interesse  der  Einheit  des  Reiches  eine  höhere  Gewalt 
als  Grofsherzog  über  die  anderen  Brüder  haben  sollte.  In  dem  unausbleiblichen 
Streit  gewann  der  Bruder  Boleslaw  IV.  die  Oberhand;  Wladislaw  starb  1162 
aufserhalb  des  Landes.  Boleslaw  übertrug  aber  dennoch  Wladislaws  Söhnen 
das  schlesisehe  Land,  die  es  teilten,  so  dafs  Boleslaw  V.  Glogau,  Liegnitz, 
Breslau  und  Oppeln  erhielt,  während  Mesko  mit  Ratibor  und  Teschen  ab- 
gefunden wurde.  Als  später  ein  dritter  Bruder,  Konrad,  ebenfalls  Besitzansprüche 
erhebt,  erhält  er  1178  die  Markgrafschaft  Glogau,  während  Mesko  duren  Ver- 
mittel ung  des  Grofsfürsten  Kasimir  zu  seinem  Herzogtum  Ratibor  noch  die 
Gebiet«'  von  Beuthen  und  Auschwitz  sowie  Zator,  Siewierz  und  Plefs  erhält. 
Nach  Konrads  baldigem  Tode  zog  Boleslaw  in  Glogau  wieder  ein,  doch  trat  er 
seinem  eigenen  Sohne  Jaroslaw,  der  1198  Bischof  von  Breslau  wurde,  Oppeln 
mit  Pieschen,  Knuzburg  und  das  Neifse-Ottmachauer  Gebiet  ab.  Freilich  kam 
nach  dessen  Tode  1201  Oppeln  wieder  in  den  Besitz  des  Vaters,  doch  war  das 
Ottmachauer  Gebiet  von  Jaroslaw  an  das  Bistum  bereits  geschenkt  worden, 
und  dieses  bildete  später  den  Grundbesitz  des  bischöflichen  Fürstentums  Neifse. 
Alles  Nähere  vgl.  in  den  Darstellungen  von  Stenzel,  Gesch.  Schlesiens,  1853, 
I,  30  ff.  Grünhagen,  Gesch.  Sehlen.,  1884,  I,  33—36.  mit  Quellenangaben 
am  Sehlufs.  Nach  dein  Tode  Boleslaws  1201  eroberte  Mesko  aber  von  dessen 
Sohne  Heinrieh  I.  das  Gebiet  von  Oppeln,  und  dieses  verblieb  seitdem  der  öst- 
lichen Hälfte  des  Landes,  wie  denn  seit  jenem  Jahre  1202  die  Begriffe  Ober- 
und  Niederschlesien.  wenn  auch  noch  nicht  unter  dieser  Bezeichnung,  sich 
bestimmter  herausbildeten.  Für  die  Ausdehnung  des  Namens  Schlesien  ist  es 
bezeichnend,  dafs  dieser  zunächst  nur  Mittel-  und  Niederschlesien  umfafste, 
während  der  östliche  Teil  als  Oppeln  bezeichnet  wurde.  Noch  in  der  Urkunde 
Karls  IV.  vom  30.  November  1H58,  werden  wiederholt  die  duces  Slezie  et  Opulienses 
unterschieden. 

Diese  Trennung  in  zwei  Ländergebiete  wurde  von  den  feindseligen  Herren 
derselben  noch  durch  Festlegung  einer  bestimmten  Grenzniarke  nachdrücklich 


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342  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

gesichert.  Schon  vordem  Instand  gegen  das  zu  Böhmen  gehörige  Glatzer  Land 
eine  Grenzmarke,  che  Preseka,  am  Fufse  des  Eulen-  und  Reichensteiner 
Gebirges  entlang  ziehend;  sie  war  ein  Grenzhag,  in  welchem  man  zahlreiche 
Stämme  gefällt  und  diese  zwischen  den  stehengelassenen  zum  Blockzaune  auf- 
geschichtet hatte.  Diese  Preseka  wurde  damals  seitens  des  Herzogs  Heinrich  1. 
nach  N.  mier  über  die  Oder  weitergeführt,  wovon  sich  Spuren  noch  erhalten 
haben.  Sie  ging  von  Friedeberg  nach  Ziegenhals  und  von  hier  nördlich  auf 
der  rechten  Seite  der  Neifse  entlang  bis  zur  Oder,  weiterhin  am  Stober  und  auf 
der  Grenze  zwischen  den  Kreisen  Namslau  und  Kreuzburg.  Grünhagen, 
Der  schlesische  Grenzwald.  Z.  Gesch.  Altert.  Schles.  12,  1  — 18.  Partschi,  34. 
Von  Markgraf  und  Schulte  (Cod.  dipl.  Siles.  XIV,  S.  XXXH)  wird  bestritten,  dafs 
die  Preseka  ein  W  erk  Heinrichs  I.  sei.  Sie  sehen  in  der  Preseea,  que  totam  cir- 
cuibat  terratn  Slczie  (nach  dem  Heirichauer  Gründungsbuch),  die  natürliche 
Grenze  gegen  das  Glatzerland  bzw.  Böhmen  und  Mähren  und  von  Lindewiese 
nördlich  auf  Namslau  zu  gegen  das  Herzogtum  Oppeln.  Denn  auch  das  Neifser- 
land,  welches  Grünhagen  zu  Oppeln  rechnet,  wäre  samt  Ottmachau  ein  Teil 
Terrae  Slezie. 

Auf  eine  Schwierigkeit  weist  Grünhagen  noch  hin.  Die  Gebiete  von 
Rosenberg,  Kreuzburg  und  Pitsehen  lagen  östlich  der  Preseka,  also  in  Ober- 
schlesien. Gleichwohl  verfügte  Herzog  Heinrich  I.  über  die  genannten  Bezirke. 
Indessen,  die  zugehörigen  Urkunden  in  Kopialbüchern  des  Sandstiftes  sind  nicht 
zuverlässig;  vgl.  Grünhagen,  Gesch.  Schles.  I,  Anmkgn.  S.      16  f. 

Erst  seit  dem  Ende  des  XIV.  Jh.  nennen  sich  einige  oberschlesische 
Herzöge  auch  duces  Siesie  ;  der  Ausdruck  Oberschlesien  erscheint  zum  ersten  mal 
urkundlich  146'J.  Die  Umstände,  die  zur  Ausdehnung  des  Namens  Schlesien 
auf  das  ganze  obere  Oderland  geführt  haben,  erörtert  Partsch  1.  35  f. 

214.  Xicderschlesien  hatte  unter  dorn  nächsten  Nachfolger  Boles- 
laws  V.  eine  beträchtliche  Ausdehnung  erfahren.  Unter  Heinrich  I. 
(1202—1238)  reichte  die  Macht  des  niederschlcsischen  Herzogs  von  den 
Grenzen  Pommerns  bis  zum  Tatragebirge.  Aber  schon  unter  Heinrich  II., 
der  1241  in  der  Mongolenschlacht  bei  Wahlstatt  fiel,  wurde  sie  stark 
eingeschränkt.  Er  war  der  Stifter  der  zahlreichen ,  sich  mehrfach 
spaltenden  Fürstenlinien,  die  das  Land  als  Privateigentum  betrachteten 
und  es  durch  wiederholte  Erbschaftsteilungen  zersplitterten  und  schwächten. 
Die  territoriale  Entwickelung  war  folgende:  Von  Heinrichs  II.  Söhnen 
teilten  sich  drei  in  das  Land:  Boleslaw  II.  erhielt  Liegnitz,  Heinrich  III. 
Breslau  und  Konrad  II.  Glogau  (Teilung  von  1255).  Sie  begründen 
neue  Linien,  von  denen  die  Breslauer  mit  Heinrich  IV.  aber  schon  1290 
ausstarb.  Sein  Gebiet  geht  unter  heftigen  Fehden  an  die  beiden  anderen 
Linien  über.  Unter  den  Söhnen  Boleslaws  IL  (f  1278)  fand  eine  Zwei- 
teilung des  Landes  statt,  indem  Heinrich  V.  Herzog  von  Liegnitz  und 
1290  auch  von  Breslau  wurde  und  der  andere,  Bolko  I.,  Herzog  von 
Fürstenberg.  Sie  wurden  die  Stammväter  neuer  Linien,  von  denen 
einige  bald  wieder  erloschen.  Heinrichs  V.  (f  129*5)  Söhne  teilten  1311: 
Boleslaw  III.  erhielt  Brieg.  Wladislaw  Liegnitz  und  Heinrich  VI. 
Breslau.  Liegnitz  fiel  aber  nach  Verdrängung  Wladislaws  sehr  bald  an 
Boleslaw,  und  Heinrich  VI.,  der  ohne  männliche  Nachkommen  1335  starb, 
hatte  Breslau  an  die  böhmische  Krön«'  abgetreten.  Auch  Bolkos  I.  Söhne 
hatten  1303  sieh  in  die  Erbschaft  das  Vaters  geteilt.  Der  älteste,  Bern- 
hard, wurde  Herzog  von  Fürstenberg  und  erhielt  Schweidnitz,  Bolko  II. 
Münsterberg  und  Heinrich  Jauer.   Der  dritte  Sohn  Heinrichs  II.  endlich, 


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214.  Niederechlosien.  343 

der  Glogauer  Herzog  K  on  rad,  hatte  in  Heinrich  I.  seinen  Nachfolger; 
von  seinen  Söhnen  setzt  Heinrich  II.  die  Reihe  der  Herzöge  von 
Glogau  fort,  während  Konrad  I.  die  neue  Linie  Öls  begann.  —  Das 
Endgeschick  aller  einzelnen  Fürstentümer  war,  dafs  sie  z.  Z.  Karls  IV. 
teils  unmittelbar  der  Krone  Böhmen  einverleibt  waren,  teils  im  Lebens- 
verhältnis zu  ihr  sich  befanden. 

Die  territoriale  Herausbildung  der  kleinen  Fürstentümer  ist  eine  sehr 
komplizierte.  Die  durch  Erbschaft  an  mehrere  Nachkommen  nötig  gewordenen 
Länderteilungen,  bei  welchen  sieh  bald  dieser,  bald  jener  Bruder  oder  Vetter 
übervorteilt  glaubte,  führten  zu  endlosen  Kämpfen,  weiteren  Zersplitterungen 
und  neuen  Vereinigungen  der  Teilgebiete.  Für  die  geographische  Orientierung 
ist  die  heutige  Kreiseinteilung  Schlesiens  beachtenswert.  Auch  Grünhagen 
hebt  hervor,  dafs  die  jetzigen  Kreisgrenzen  zum  gröfsten  Teil  uralt  sind;  cf. 
Lehens-  und  Besitz  Urkunden  Schlesiens  und  seiner  einzelnen  Fürsten- 
tümer im  Mittelalter,  hrgb.  von  Grünhagen  und  Markgraf  1,  484 ;  —  im  fol- 
genden stets  unter  »LBUrk.«  abgekürzt;  Bd.  I,  18*1,  Bd.  II,  1883  in  Publikationen 
aus  den  Preufs.  Staatsarchiven  Bd.  VII  und  XVI. 

Die  erstmalige  Teilung  des  Landes  unter  die  Söhne  Heinrichs  IL:  Boleslaw, 
Heinrich.  Konrad  und  Wladislaw  war  ursprünglich  nur  eine  Zweiteilung,  da 
die  beiden  letzteren,  für  den  geistlichen  Stand  bestimmt,  den  beiden  anderen 
als  Mitregenten  beigegeben  waren.  Boleslaw  und  Konrad  nahmen  Liegnitz 
mit  Niederschlesien  und  Lebus.  Heinrich  III.  und  Wladislaw  Breslau  mit 
Neumarkt,  Schweidnitz,  Heiehenbach,  Nimptseh,  Neifse,  Grottkau,  Münsterberg, 
Brieg,  Kreuzburg.  Öls,  Wartenberg  und  Stroppen.  Da  Konrad  aber  vom  geist- 
lichen Stand  zurücktrat  und  seinen  Landanteil  verlangte,  so  wurde  der  Boles- 
lawschc  Teil  nach  heftiger  Fehde  nochmals  geteilt.  Boleslaw  erhielt  Liegnitz 
mit  Hainau,  Bunzlau,  Goldberg,  Löwenberg,  Greifenberg,  Hirschberg,  Landshut 
und  .lauer,  Konrad  dagegen  den  grösseren  Teil :  Glogau  mit  Wohlau,  Winzig, 
Herrnstadt,  Guhrau,  Steinau,  Lüben,  Sprottau,  Sagau,  Grimberg  und  K rossen. 
(Lebus  war  1249  an  die  Markgrafen  Johann  und  Otto  von  Brandenburg  und 
den  Erzbischof  von  Magdeburg  verkauft  worden;  an  letzteren  auch  Krossen, 
welches  1276  von  Heinrich  IV.  zurückgekauft  wurde.)  Dem  ländergierigen 
Boleslaw  II.  gelang  es  auch,  den  dritten  Teil  der  Erbschalt  seines  Oheims 
Wladislaw  von  Heinrich  IV.  1277  zu  erzwingen,  nämlich  die  Länder  von 
Striegau  und  Neumarkt.    Die  genau  verzeichnete  Grenze  in  LBUrk.  I,  484  f. 

In  einem  späteren  Stadium  der  Entwicklung  (Anfang  des  XIV'.  Jh.)  ist 
durch  Aufteilung  des  Landgebietes  Heinrichs  IV.  von  Breslau  (t  12'JO)  und  durch 
verschiedene  Wecbselfälle  der  Besitzstand  ein  anderer  geworden.  Die  bedeutendsten 
Landgebiet«»  südlich  der  Oder,  Breslau,  Brieg.  Schweidnitz,  Münsterberg,  waren 
an  die  Nachkommen  Boleslaws  II.  gefallen,  dagegen  Ols,  Steinau,  Guhrau, 
Militsch.  Trebnitz.  Polnisch- Wartenberg,  Namslau.  Konstadt,  Kreuzburg.  Püschen, 
Landsberg  an  jene  Konrads,  speziell  Herzog  Heinrich  I.  (f  1309).  Bunzlau 
und  Hainau,  welches  er  von  Heinrich  V.  von  Liegnitz  erzwungen  hatte  (vgl. 
hierüber  Urk.  1294  6.  Mai  in  LBUrk.  II,  3  IT.,  wichtig  für  Umfang  und  Grenz- 
bestimmung),  mufste  er  1297  teils  an  die  Söhne  Heinrichs  V.,  teils  an  Bolko  I. 
zurückgeben.  Auch  Namslau,  Bernstadt,  Konstadt,  Kreuzburg,  Pitschen,  Lands- 
berg, Bolcslawice  und  zwei  andere  Burgen  kamen  1323  an  Boleslaw  III.  von 
Liegnitz  (LBUrk.  IL  12).  Von  dem  grofsen  Herzogtum  Liegnitz  hatte  er 
einen  bedeutenden  Teil  verpfändet,  den  Rest,  die  westlich«'  Hälfte  von  Liegnitz, 
Hainau,  Goldberg,  trat  er  1841  an  sein«-  Sohne  Wenzel  und  Ludwig  I.  ab,  die 
1345  und  nach  des  Vaters  Tode  nochmals  teilten  (Urk.  1369,  23.  Juli,  LBUrk  1. 
337).  Aber  nur  Ludwig  verstand  seinen  Besitz  zusammenzuhalten,  indem  er 
«He  Land«*  Brieg,  Oldau.  Lüben,  nachher  auch  Kreuzburg  und  Pitschen  wieder 
«Hängte;  cf.  Grünhagen,  Mesch.  Selilcs.  I,  I8f>  f. 


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VI.  Politische  Geographie  um  du*  Jahr  1375. 


Im  Herzogtum  Breslau  wirkte  Heinrieh  VI.,  der  dureh  seinen  Bruder 
Boleslaw  \nel  zu  leiden  hatte  und  bereite  1327  6.  April  sein  Land  an  den 
böhmischen  König  Johann  zu  Lehen  auftrug  (LBUrk.  I,  66),  der  jenem  dafür 
die  Grafschaft  Glatz,  die  schon  immer  ein  Teil  Böhmens  gewesen  war,  auf 
Lebenszeit  verlieh.  Dieser  hatte  auch  Boleslaw  zu  drängen  gewulst,  dafs  er 
1329  9.  Mai  von  ihm  seine  ererbten  Länder  Liegnitz,  Brieg,  Hainau,  Goldberg, 
Ohlau,  Grottkau,  Nimptech,  Namslau,  Bernstadt,  Kreuzburg,  Landsberg,  Pitschen 
als  Lehen  zurückempfing  (LBUrk.  I,  302,  ferner  Urk.  1331,  ibid.  I,  306.  und 
Wiederholung  der  Belehnung  unter  Boleslaws  Söhnen  1343,  LBUrk.  I.  321,  und 
1345  ibid.  I,  328). 

Der  Landbesitz  Bolkos  I.  umfafste  anfänglich  Jauer  und  Löwenberg; 
1291  mufste  ihm  sein  Bruder  Heinrich  V.  noch  Striegau,  Schweidnitz,  Reichen 
bach,  Frankenstein,  Münsterberg  und  Strehlen  abtreten.  Auch  Bunzlau  (s.  oben) 
hatte  er  erworben.  Er  gründete  die  Burg  Fürstenberg  (an  der  Stelle  des 
heutigen  Schlosses  Fürstenstein)  und  nannte  sich  nach  ihr  Herr  von  Fürsten 
berg.  Stenzel  I,  110,  Grünhagen  I,  123.  Das  weite  Gebiet,  welches  bis  auf 
die  Höhen  der  Sudeten  hinaufreichte,  wurde  1301  unter  die  drei  Söhne  geteilt, 
und  es  entstanden  drei  neue  Fürstentümer  Sehweidnitz,  Münster- 
berg und  Jauer.  Da  Heinrich  von  Jauer  1346  starb,  so  ging  sein  Land  an 
Bolko  III.  von  Schweidnitz  über.  Bolko  II.  von  Münsterberg  trug  1336  sein 
Land  an  Böhmen  als  Lehen  auf;  es  bestand  aus  den  Gebieten  Münsterberg. 
Reichenbach,  Frankenstein,  Strehlen,  Zobten  (Sobotka)  und  Patschkau 
(LBUrk.  II,  129).  —  Auch  Schweidnitz- Jauer  sollte  bald  für  die  böhmische 
Krone  gesichert  werden,  da  Bolko  III.  keine  Nachkommen  hatte  und  von 
seinem  Bruder  Heinrich  nur  eine  Tochter  Anna  zurückgeblieben  war.  Diese, 
zuerst  für  den  Sohn  Kaiser  Karls  IV.  bestimmt  (LBUrk.  I,  494),  heiratete  (nach 
dem  frühzeitigen  Tode  des  Sohnes)  Karl  IV.  selbst,  und  Bolko  vermachte  dieser 
Nichte  sein  Land,  welches  bestand:  aus  den  Gebieten  von  Schweidnitz,  Striegau, 
Bolkenhain,  Landshut,  Reichenbach  (welches  inzwischen  von  Münsterberg  als 
Pfand  in  die  Hände  des  Schweidnitzer  Herzogs  gekommen  war;  cf.  auch 
LBUrk.  II,  488),  Nimptech,  Jauer,  Löwenberg,  Hirschberg,  Bunzlau,  Zobten  (auch 
letzteres  war  von  Münsterberg  1343  durch  Kauf  an  Schweidnitz  gekommen, 
LBUrk.  I,  489).  Cf.  LBUrk.  I,  497.  Über  weitere  Landerwerbungen  (Hälfte 
von  Brieg  und  Ohlau,  ferner  Grottkau,  halb  Glogau  und  1364  die  Niederlausitz), 
die  Karl  IV.  begünstigte,  da  ihm  später  doch  alles  zufallen  sollte,  cf.  Grün- 
hagen I,  183  f.  Bolko  starb  1368,  und  nach  mancherlei  Zwischenfällen  (Grün 
hagen  1.  c.)  wurde  Schweidnitz- Jauer  an  Wenzel,  Karls  Sohn,  vergeben,  der 
das  Land  im  Todesfalle  seinem  Vater  vermachte. 

Für  die  Entwickelung  des  Herzogtums  Glogau  ist  das  Jahr  1312 
mafsgebend,  da  damals  die  Teilung  des  lindes  Heinrichs  I.  (f  1309)  stattfand, 
welches  noch  einen  Teil  von  Grofspolen  mit  Posen,  Gnesen  und  Kaiisch  um 
fafste.    Eis  wurde  unter  die  fünf  Söhne  geteilt,  «loch,  um  einer  erneuten  Zer 
splittcrung  vorzubeugen  so,  dafs  nur  zwei  Teile  geschaffen  wurden,  ein  west- 
licher, der  den  Brüdern  Heinrich,  Johann  und  Primko  zufiel,  und  ein  östlicher 
für  Bolko  und  Konrad.    Die  Urk.  1312  29.  Februar  (LBUrk.  I.  120)  gibt  den 
Umfang  an.    Der  westliche  Teil  von  Öls,  Kaiisch  und  Gnesen  umfafste 
Lubus,  Wohlan,  Winzig,   Herrnstadt,  Trachenberg,   Militech,  Auras,  Trebnitz. 
Öls,  Bernstadt,  Kaulwitz,  Namslau.  Konstadt,  Kreuzburg,  Landsberg,  Pitschen. 
Boleslawice  (im  russ.  Gouv.  Kaiisch),  Polnisch-Wartenberg,  Orla  (bei  Koschmin), 
Sehroda,  Pobedist,  Kletzko,  Nakel.  Gnesen,  Peisern,  Wrimstadt  (?),  Konin,  Neu 
Stadt  (?).    Der  östliche  Teil  mit  den  Hauptstädten  Posen  und  Sagan  um 
fafste:  Steinau,  Lüben,  Sprottau.  Sagau,  Naumburg  a.  Bober,  Grünberg.  Krossen. 
Panitz  (Provinz  Posen),  Guhrau,  Kosten,  Schrim,  Posen,  Rogasen,  Usch,  Obornik. 
Wronke,  Grätz,  Kriewen,  Gostyn,  Priment,  Brandorf,  Bentechin,  Sehlawa,  Frau 
Stadt,  Liebenau  (Kr.  Züllichau).     Es  reichten  die  beiden  Gebietehälften  also 
nördlich   bis  an   die  Netze ;  allerdings  blieben  die   polnischen  Länder  nicht 
lange  in  den  Händen  der  schlesischen  Herzöge.  Bereits  1329  hatten  aufser  Primk«» 


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215.  Oberechleaion. 


345 


auch  die  Herzöge 
Johann  von  Steinau, 
Heinrich  von  Sagan 
und  Konrad  von  Olfl 
ihre  Lande  an  die 
Krone      Böhmen  zu 

Lehen  aufgetragen 
(LB.-Urk.I,12!);U,17,19 
in  welchen  die  I^andge- 
biete  einzeln  namhaft 
gemacht  werden).  Grün« 
hagen  1.  144  f.  Nach 
dem  Tode  Primkos  1331 
huldigten  auch  Stadt  und 
Land  Glogau  dein  böh- 
mischen König. 

Als  Karl  IV.  den 
Thron  bestiegen  hatte, 
war  er  auf  einen  feste- 
ren Anschluß*  Schlesiens 
bedacht;  1348  und  1355 
verleibte  er  der  böhmi- 
schen Krone  die  Lehens- 
fürstentümer  von  Schle- 
sien und  Polen  (d.  i. 
Oberschlesien) .  ebenso 
die  Marken  von  Bautzen 
und  Görlitz  ein.  Auch 
der  unmittelbare  Besitz 
des  Königs  wird  in  der 
Urk.  1355  9.  Oktober 
aufgeführt:  Breslau, Neu- 
markt, Bautzen,  Görlitz, 
Steinau,  Guhrau,  halb 

Glogau  (seit  1331), 
Frankenstein  und  Nams- 
lau.  Grünhagen  I,  1 78  f. 

Stenzel   I,    130  ff. 
(LBVrk.  I,  8—13). 

215.0berschlesien. 

Wie  oben  angegeben, 
hatte  Mesko  I.  zu 
seinem  väterlichen 
Erbteil  Ilatibor  und 
Tesches  noch  durch 
Vermittelung  des  pol- 
nischen Königs  Kasi- 
mir die  Landschaften 
Betitheil,  Auschwitz, 
Zator ,  Siewierz  und 
Plefs  erhalten ,  und 
1201  gewann  er  nach 
dem  Tode  Boleslaws 


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VL  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


noch  Oppeln.  Dieser  gesamt«  oberschlesische  Besitz  wurde  unter 
seinen  Nachkommen  mehrmals  geteilt  und  teilweise  wieder  vereinigt. 
Doch  vollzog  sich  die  territoriale  Ent Wickelung  sehr  viel  ruhiger  als 
unter  den  niederschlesischen  Herzögen.  Erst  unter  seinem  Enkel  Wladislaw 
trat  eine  Teilung  1278  ein.  Da  die  genealogischen  Verhältnisse  der 
späteren  Nachkommen  nicht  hinreichend  klargestellt  sind,  so  ist  der 
innere  erhschaftliche  Zusammenhang  nicht  durchgehends  sicher  (s.  Tabelle). 
—  Die  oberschlcsischen  Teilftirsten  hatten  schon  1289  dem  böhmischen 
König  Wenzel  II.  gehuldigt,  1327  erfolgte  die  neue  Huldigung  und 
Lehensauftragung  ihrer  Länder  an  König  Johann. 

Die  vier  Huhne  Wladislaws  I.  hatten  das  Land  geteilt,  so  dafs:  Mesko 
Teschen  und  Auschwitz  erhielt;  Kasimir  (f  1812)  Beuthen  und  Kusel;  Bole- 
slaw  (f  1313)  Oppeln,  Falkenberg  und  Strehlitz;  Przemislaw  (f  I3<>6)  Ratibur 
mit  Sohrau  und  Plefs.  Unter  deren  Söhnen  landen  weitere  Teilungen  statt. 
Die  Lehensauftragung  aller  Teilfürstentümer  an  König  Johann  von  Böhmen 
1327  gibt  am  besten  einen  Einblick  in  die  Verteilung  der  Landgebiete.  Die 
zugehörigen  Urkunden  (bei  Grünhagen-Markgraf,  LBUrk.  II.)  führen  auch  die 
zugehörigen  Gebietsteile  regelmässig  auf.  Johann  (f  ca.  1371),  der  Urenkel 
jenes  Wladislaw  L,  führt  in  der  Lehensurkunde  auf:  das  Land  Auschwitz 
(poln.  Oswencin,  jetzt  Oswiecim)  mit  Stadt  und  Burg  gleichen  Namens,  Stadt 
Autor  östlich  von  jener  sowie  die  kleineren  Städte  Kentv,  Saybusch,  beide 
an  der  Sola,  Wadowice  an  der  Skawa,  Spytkowiee  östlich  von  Zator  unweit 
der  Weichsel.  LBUrk.  II,  577.  Bierniann,  Zur  Gesch.  der  Herzogtümer  Zator 
und  Auschwitz,  Sitzher.  Wien.  Akad.  phil  hist.  Kl.  1H(\'2,  S.  f,07.  R.  Temple. 
im  Notizenblatt  der  hist.statist.  Sekt,  der  mährischschles.  Gesellseh.  1871. 
13  ff.,  1«73,  49  ff.  Kasimir  (f  1358)  besafs  Land  Teschen  mit  Stadt  und 
Burg,  ferner  Freistadt,  Skotsehau,  Bielitz,  Jablunkau  (Jemnicz)  und  Mahriseh- 
Ostrau  (Ost  ra  via),  also  die  östliche  Hälfte  vom  heutigen  Ostcrreichisch-Sehlesien, 
LBUrk.  II.  559  f.  Bierniann,  Gesch.  d.  Herzogtums  Teschen,  1862;  Wladi- 
slaw (f  ca.  1351):  das  Land  Kosel  mit  den  Städten  Kosel,  Beuthen,  Peiskret- 
scham  und  den  Burgen  Tost  und  Sehlawentzitz  a  d.  Klodnitz,  LBUrk.  II,  417  f. 
Ihm  gehörte  ferner  das  1337  von  Teschen  zurückgekaufte  Gebiet  Siewierz 
(Severien)  unmittelbar  östlich  des  Beuthencr  Landes  mit  Sehlofs  Siewierz 
(Sevor),  LBUrk.  IL  625;  Bolko  IL  (f  1362):  das  Land  Falkenberg  und 
Strehlitz  mit  den  Städten  Falkenberg,  OberGlogau  <  ( Uogoviti  minor/,  Zülz 
(Czuloss),  Grofs-Strehlitz  und  Prainscn  im  SW.  von  Zülz,  LBUrk.  H,  303. 
Hierzu  kam  1337  durch  Kauf  vom  böhmischen  Könige  Land  und  Stadl 
l'rudnik  (Xova  civihut,  Neustadt  an  der  Prudnik),  LBUrk.  II.  305;  Boleslaw  II. 
(f  1356):  das  Land  Oppeln  mit  der  Stadt  Oppeln  (Opol),  Hosenberg  und 
Sehlofs  Craaslow  (Kraskau  im  Kr.  Hosenberg V;.  LBUrk.  IL  304;  Leskt» 
it  1836):  das  Land  Ratibor  mit  Stadt  und  Sehlofs.  ferner  Loslau,  Sohrau  i. 
Oberschles.,  Plels.  Gleiwitz  (Klewicz)  und  Rybnik  (Hibinek).  LBUrk.  II,  371». 
Statt  Loslau  stellt  in  der  Urkunde  Cosla  also  =  Kosel),  vermutlich  ein 
Irrtum.  \'trl.  hierzu  die  genealogischen  Tabellen  von  Grotefend  i Stammtafeln 
der  sebles.  Fürsten  bis  1740)  t.  V— VII,  die  freilich  nicht  ganz  einwandfrei  zu 
sein  scheinen. 

Als  Boleslaw,  der  Knkel  jenes  Kasimir  von  Kosel  und  Beuthen  1355 
ohne  männliche  Nachkommen  gestorben  war.  wurde  der  Krbstrcit  übet  die 
Nachfolge  in  diesem  Herzogtum  durch  Karl  IV.  zugunsten  der  Herzöge  Konrad 
von  Ols  und  Przemislaw  (franko)  von  Teschen,  dem  Schwiegersohn  Boleslaws, 
entschieden.  LBUrk.  II.  423  und  die  Landesteilung  zwischen  Konrad  und 
Primko  (ibid.  II,  4*J5  ff.),  die  sich  zwanzig  Jahre  lang  hinzog. 


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216.  Neifse. 


347 


216.  Nelfsc.  Über  die  Gründung  des  Bistums  Breslau  ist  uns 
wenig  bekannt.  Erst  in  einer  Urkunde  Papst  Hadrians  IV.  (1155)  werden 
die  dem  Bistum  von  Fürsten  und  Grofsen  geschenkten  Güter  und 
Besitzungen  in  18  Burggrafschaften  (Kastellaneion),  nämlich  die  Burgen 
Ottmachau  und  Militsch  und  (50  Dörfer,  namhaft  gemacht.  Eine  bedeutende 
Vergröfserung  erfuhr  der  Grundbesitz  des  Bistums  durch  Jaroslaw,  den 
Sohn  Boleslaws  V.  (s.  oben),  indem  er  als  Bischof  von  Breslau  (1198 — 1201) 
die  angrenzende  Terra  Nissensis  für  das  Bistum  erwarb.  Hiermit  war  der 
Grund  zu  dem  späteren  bischöflichen  Fürstentum  Neifso  gelogt.  Doch 
waren  mit  dieser  Güterschenkung  keine  hoheitlichen  Rechte  verbunden, 
vielmehr  übten  die  Breslauer  Herzöge  die  landesherrlichen  Rechte  über 
jenes  Gebiet  aus.  Auch  wird  Neifse  in  der  Bulle  Innocenz'  IV.  (1245), 
in  der  alle  Besitzungen  der  Breslauer  Kirche,  unter  anderen  Ottmachau, 
aufgeführt  werden,  nicht  genannt.  Um  1222  waren  Ujest  in  Oppeln  und 
1236  das  Städtchen  Steinau  in  Oberschlesien  noch  hinzugekommen. 
Die  Fehde  zwischen  Herzog  Heinrich  IV.  und  dem  Bischof  Thomas,  die 
1288  beigelegt  wurde,  erhöhte  die  Machtstellung  des  Bistums;  in  dem 
sog.  grofsen  Privilegium  Herzog  Heinrichs  für  den  Bischof  Thomas  (1290) 
wird  diesem  Freiheit  von  allen  Lasten  und  das  fürstliche  Recht  innerhalb 
des  Neifse-Ottmachauischen  Gebietes  zugesprochen.  1344  erfuhr  der 
weltliche  Besitz  des  Bistums  einen  erheblichen  Zuwachs  durch  Ankauf 
von  Stadt  und  Land  G  rottkau  von  dem  geldbedürftigen  Herzog 
Boleslaw  von  Liegnitz-Brieg.  Noch  in  demselben  Jahre  nahm  der  Bischof 
das  Gebiet  vom  böhmischen  König  Johann  als  Lehen  entgegen. 

Bis  zur  Mitte  des  XI.  Jh.  waren  die  Bischöfe  wegen  der  Einfälle  der 
Böhmen  genötigt,  ihren  Sitz  in  der  Burg  Rczen  (Ritsehen)  am  rechten  Oder- 
ufer zwischen  Brieg  und  Ohlau  zu  nehmen.  Erst  nachher  konnte  der  Sitz 
wieder  nach  Bn»slau  verlegt  worden.  Stenzel,  Oeseh.  Schles.  S.  27.  Morgen- 
hesser,  Gesch.  v.  Schles.  S.  6. 

über  die  Urkunde  Hadrians  IV.  von  1154  23.  April  vgl.  Wattenbach 
in  Z.  f.  Gesch.  Schles.  (1858)  II,  11)1 — 4.  Heyne,  Kirchen-  und  Diözesan- 
gesch.  Schlesiens,  1.860,  I,  104  If.  Schulte  in  Z.  f.  Gesch.  Schles.  XXIX 
(1895).  73—80.  --  Die  Urkunde  Innocenz'  IV.  von  1245  9.  Aug.  bei  Stenzel. 
l'rkk.  z.  Gesch.  d.  Bistums  Breslau,  1845,  Urk.  V  S.  7  ff. 

Die  Überweisung  von  Ujest  an  der  Klodnitz  mufs  1222  erfolgt  sein, 
da  in  diesem  Jahr  Herzog  Kasimir  von  Oppeln  dem  Bischof  deutsehe  Ansiede- 
lungen auszusetzen  gestattet.  Urk.  bei  Tzschoppe  und  Stenzel,  Urkunden- 
sammig.  z.  (iesch.  d.  Ursprunges  «1er  Städte  in  Schles.  und  Oberlausitz,  S.  2s0  f.  — 
(Jraf  Zbrozlaw  schenkt  1236  Steinau  (Stynavia)  in  Ob.-Schles.  Die  Urk.  bei 
Heyne  I.  317.   Tzschoppe,  1.  c.  8.  300. 

In  dem  grofsen  Privileg  wird  speziell  die  Terra  Khensis  und  Ofmacho- 
vienm  mit  dem  Jus  ducale  zugesprochen.  Die  Urk.  1290  2:t.  Juni  in  LBUrk.  II, 
198.  Indessen  hatten  die  Bisehöfe  damals  noch  nicht  den  Titel  eines  Fürsten 
geführt,  den  sie  erst  weit  später,  noeh  nach  der  Erwerbung  von  Grottkaa,  er- 
hielten. Stenzel,  Gesch..  S.  106.  Die  Kastellanei  Ottmachau  war  das  ur- 
sprüngliche Patrimonium  der  schlesisehen  Kirche;  es  war  ihr  sicher  vor  1155 
verliehen  worden.  Durch  Jaroslaw  wurde  das  Neifserland,  nach  dem  alten 
slav.  Ort  Ncifse  benannt,  hinzugefügt.  Erst  unter  Bischof  Prezlaw  wird  es 
üblich,  beide  Gebiete  unter  dem  gemeinsamen  Namen  des  N'eifsesehen  zu- 
sammenzufassen. Vgl.  Cod.  dipl.  Silesiae  t.  XIV  (1889),  S.  XV— XVII;  ebenda 
der  Liber  ftutdationis  episcopatus  Vratishtviensis .  der  ein   Einnahmeregister  des 


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VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375 


Breslauer  Bistunis  aus  dem  Anfang  des  XIV.  Jh.  enthält,  hrgb.  von  Markgraf 
u.  Schulte.  Der  Text  der  Register  von  Breslau,  Ujest  (Wyasd),  Liegnitz  und 
Glogau  ist  von  geographisch  wichtigen  Anmerkungen  begleitet. 

Grottk.au  war  von  Boleslaw  schon  1343  an  das  Bistum  verpfändet 
worden,  1344  wurde  es  verkauft  und  abgetreten.  LBUrk.  II,  205,  206.  Die 
von  den  böhm.  Königen  immer  von  neuem  bestätigten  Belehnungen  ibid.  II, 
208  ff. 

Ferner  kamen  an  das  Bistum:  die  Stadt  Patschkau  durch  Kauf  vom 
Herzog  Nikolaus  von  Münsterberg.  Dieser  verzichtet  auch  (1350)  auf  alle  Hoheits- 
rechte  im  Gebiet  von  Wansen  (nordostl.  von  Strehlen).  LBUrk.  II,  213. 

Kleinere  Erwerbungen  waren  Sehlofs  Kaldenstein  (südöstl.  von  Fried- 
berg) 1345,  Schlofs  Jauernick  1348,  Burg  Friedeberg  1358,  u.  a.  Näheres 
bei  Heyne,  1.  c.  I.  750  ff.,  757  ff. 

217.  Polen.  Die  östlichsten  Landschaften  Mitteleuropas  standen 
jahrhundertelang  in  engsten  Beziehungen  zum  polnischen  Reiche. 
Wenn  letzteres,  auf  dem  Übergange  von  Mittel-  nach  Osteuropa  gelegen, 
seinen  Machtbereich  besonders  nach  Rufsland  hinein  ausgedehnt  hat  und 
nach  dorthin  gravitierte,  so  mufs  68  doch  auch  an  dieser  Stells  eine 
nähere  Berücksichtigung  erfahren,  um  so  mehr,  als  das  Kernstück  des 
späteren  Königreiches  noch  zu  Mitteleuropa  gehört  und  einzelne  Pro- 
vinzen, wie  Posen,  zeitweise  auch  Preufsen  und  Pommern,  Teilstücke  des 
Reiches  waren.  —  Schon  unter  der  Herrschaft  des  Piasten  Boleslaw  I. 
mit  dem  Beinamen  Chrobry  (992 — 1025)  hatte  es  eine  grofse  Ausdehnung 
angenommen.  Jener  hatte  Pomereilen  mit  Danzig  gewonnen,  ferner 
Schlesien,  Krakau  und  Sandomir  und  Teile  von  Rotrufsland.  Auch  die 
Lausitz  fiel  ihm  zu;  nur  Böhmen  konnte  er  nicht  dauernd  behaupten. 
Doch  schon  unter  seinem  Nachfolger  wurden  einzelne  Teile  wieder  los- 
gerissen und  das  Bestreben,  sie  wieder  zu  erlangen,  was  teilweise  auch 
gelang,  füllte  einen  Teil  der  folgenden  Jahrhunderte  aus.  Die  Aus- 
dehnung des  polnischen  Reiches  im  XII.  Jh.  ergibt  sich  aus  der  Teilung, 
welche  Boleslaw  III.  (f  1139)  für  seine  vier  Söhne  vornahm.  Nach  ihr 
erhielt  der  älteste,  Wladislaw  II.,  den  Primat  über  das  ganze  Reich 
sowie  Krakau,  Sieradien,  Lentschitz,  Schlesien  und  Pommern;  Mesko 
(Mieczyslaw):  Gnesen,  Posen  und  Kaiisch  mit  ihrem  Zubehör;  Boleslaw  IV. : 
Masowien,  Dobrzin,  Kujawien  und  die  Kulmer  Kastellanei;  Heinrich 
erhielt  Sandomir.  Das  XIII.  Jh.  führte  aber  wieder  zur  Loslösung 
gröfserer  Länderbezirke,  die  ohnedies  nur  in  loser  Beziehung  zu  Polen 
gestanden  hatten.  Die  Einwanderung  von  Deutschen,  die  Begründung 
von  deutschen  Dörfern  und  Städten,  dann  die  zeitweilige  Herrschaft  eines 
schlesischen  Piasten  Heinrich  IV.  von  Breslau  (1288 — 1290),  der  unter 
deutscher  Überhoheit  stand,  schienen  das  polnische  Land  immer  mehr 
nach  Westen  hinüberzuziehen  und  zu  einem  Teil  des  Deutschen  Reiches 
machen  zu  wollen.  Zwistigkeiten  im  Innern  und  ferner  die  wiederholten 
Landesteilungen  liefsen  den  Primat  über  das  Reich  immer  tiefer  sinken, 
und  damit  war  den  Nachbarstaaten  auch  die  Möglichkeit  gegeben,  sich 
auf  Kosten  Polens  zu  bereichern  und  strittige  Gebiete  an  sich  zu  reifsen. 
Die  Grenze  Polens  war  in  diesem  ganzen  Zeitraum  niemals  eine  bestimmte 
gewesen  und  hatte  gegen  das  Deutschordensland,  Pommern,  Branden- 


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217.  Polen. 


349 


bürg  und  Schlesien  unausgesetzt  geschwankt,  wie  die  politischen  Ver- 
hältnisse und  die  Kriege  es  fügten.  Diese  andauernden  Feindseligkeiten 
gegen  die  Nachbarn  stärkten  die  nationale  Seite  des  Polentums  und  ver- 
tieften den  Gegensatz  gegen  das  deutsche  Element,  obwohl  die  deutsche 
Einwanderung  auch  im  XIV.  Jh.  noch  anhielt  und  von  den  Polen 
befördert  wurde.  Das  in  mehrere  Herzogtümer  gespaltene  Land  sollte 
unter  Wladislaw  Lokietek  (1306—1333)  wieder  in  engeren  Verband 
gebracht  werden;  seine  Machtstellung  äufserte  sich  auch  darin,  dafs  er 
1320  zum  König  gekrönt  wurde.  Unter  ihm  und  durch  ihn  verschob 
sich  auch  der  Sitz  der  Regierungsgewalt,  der,  sonst  in  Grofspolen  gelegen, 
Posen  und  Gnesen  gewesen  war,  nach  Kleinpolen,  wo  Krakau  die 
Krönungs-  und  Residenzstadt  wurde.  Sein  Nachfolger  Kasimir  der  Grofse 
(1333 — 1370),  der  letzte  polnische  Piast,  sicherte  das  Reich  nach  aufsen- 
hin  durch  Friedensschlüsse  und  festigte  es  im  Innern. 

Der  I^andcsname  Polen,  lat.  Polonia,  ist  ein  echt  slavischer;  Polje  heilst 
das  Feld  mit  der  Nebenbedeutung:  Ebene,  Flachland.  So  erklären  es  schon 
die  Chronik  des  Abtes  Theodosius  von  Kiew  (XI.  Jh.),  ebenso  die  Kaiser- 
geschichte des  Gervasius  (f  1235):  inter  Alpes  Hunine  et  oceanum  est  Polonia  sie 
dicta  in  eorum  idiomate  quasi  campania,  und  viele  andere  bis  zur  Gegenwart.  Cf. 
Egli  s.  v. 

Schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Mittelalters  hatten  sich  die  .späterhin 
allgemein  üblichen,  unterscheidenden  Bezeichnungen  der  einzelnen  polnischen 
Ijandschaftsbezirke  gebildet,  wie  Grofspolen  (Major  Polonia),  Kleinpolcn, 
Kujawien,  Masowien,  Sieradien  u.  a.  m.  Sehen  wir,  wie  bemerkt,  von  den 
schwankenden  Grenzverhältnissen  in  den  verschiedenen  Perioden  der  polnischen 
Geschichte  ab,  so  gestaltet  sieh  der  Umfang  von  Grofspolen  im  Mittelalter 
nach  Lekszyeki  (Poln.  Grodbücher  I,  5)  folgendermafsen.  »Der  den  Namen 
Grofspolen  führende  Landesteil  des  alten  Polens  «leckt  sich,  in  der  Hauptsache 
wenigstens,  mit  der  Provinz  Posen.  Nur  nach  Osten  hin  greift  er  über  das 
oreufsischc  Gebiet  hinaus,  indem  er  über  Kaiisch  hinweg  bis  auf  wenige 
Meilen'  an  die  Warthe,  ungefähr  bis  zur  Stadt  Warta  sich  erstreckt.  Von  da 
läuft  die  Grenze  etwas  zurückspringend  nach  Norden,  überschreitet  die  Warthe 
in  der  Biegung  bei  Kolo,  geht  dann  in  nordwestlicher  Richtung  und  wendet 
sich  in  der  Gegend  von  Kwieciszewo  der  Netze  zu.«  Nicht  zu  (irofspolen  ge- 
hörten dagegen  die  nordöstlichen  Teile  der  heutigen  Provinz  Posen,  die  Gebiets- 
teile von  Kujawien  ausmachten.  Chr.  Meyer,  Geschichte  der  Provinz  Posen, 
Gotha  1891,  S.  37,  257  ff.  Bei  der  Bestimmung  der  ältesten  Landesgrenzen 
von  Polen  wird  man  sich  an  die  ethnischen  Verhältnisse  halten  müssen. 
Gegen  Norden  bildete  die  Netze  die  altangestammte  Grenze  zwischen  Pommern 
und  Polen.  Hier  war  Nakel  pommerische  Grenzfeste  gegen  die  polnischen 
Nachbarn.  Nakel  Castrum  tibi  confinit  Polania  cum  Pomerania  (MG.  SS.  XI,  466 !. 
Fluvium  Notez  nuneupatum,  tibi  metae  Polonorum  terminantur  (  Urk.  1296  10.  März). 
Weiter  nach  W.  wurde  die  Grenze  durch  einen  dichten  Urwald  vervollständigt, 
durch  welchen  Boleslaw  einen  notdürftigen  Weg  hatte  sehlagen  lassen,  wie 
die  Vita  des  Bischofs  Otto  von  Bamberg  II,  10  bemerkt.  Da  letzterer  von 
Polen  nach  Pommern  über  das  Kastell  Uzda  reicht  in  extremis  Poloniae  Jinibus 
und  dieses  an  anderer  Stelle  in  confinis  ntriusque  terrae  liegend  genannt  wird 
(das  heutige  Usch),  so  scheint  auch  hier  die  Netze,  wie  weiter  unterhalb 
Santoch  die  Warthe,  die  Teilungslinie  neben  den  unzugänglichen  Waldungen 
gebildet  zu  haben.  Bis  zum  Ende  des  XI.  Jh.  hatten  die  nommerisehen  Fürsten 
sich  mit  Erfolg  zu  behaupten  vermocht,  dann  drangen  die  Polen  nach  Norden 
vor,  besonders  seit  der  Entscheidungsschlacht  von  1109,  als  der  Polenherzog 
Nakel  und  sechs  andere  Festungen  wiedergewann.  Doch  blieb  es  ein  schwan- 
kender Besitz.    Seit  1269  setzten  sich  überdies  die  Brandenburger  Markgrafen 


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VI.  Polit'iHche  Geographie  um  da*  Jahr  1375. 


in  dem  Lande  zwischen  Drape,  Netze  und  Küddow  fest.  —  In)  W.  scheint  die 
älteste  ethnische  Grenze  die  Oder  gewesen  zu  sein.  Bei  Rahewin  in  der  Fort- 
setzung zu  Otto  von  Freising  heilst  es:  Odera  .  .  .  qui  ex  iüa  parte  totam  Polo- 
nium quasi  mnriis  ambit.  Zeitweise  (seit  Mesko  I.)  reichte  die  polnische  Macht 
westlich  über  die  Oder,  doch  schon  1163  ging  das  Land  Lelms  zu  beiden 
Seiten  der  Oder  (s.  S.  338)  Polen  wieder  an  Schlesien  verloren.  Im  Jahre  1249 
verkaufte  dann  Boleslaw  der  Kahle,  der  Sohn  Herzog  Heinrichs  des  Frommen 
von  Schlesien,  den  einen  Teil  von  Lebus  an  die  Markgrafen  Johann  und  Otto 
von  Brandenburg  und  den  anderen  an  den  Erzbischof  von  Magdeburg  (doch 
fiel  des  letzteren  Anteil  133b"  ebenfalls  an  Brandenburg). 

Seit  Heinrieh  I.  (dem  Bärtigen)  von  Schlesien  hatte  der  ganze  westliche 
Teil  von  Grofspolen  bis  zur  Warthe  zu  jenem  Lande  gehört.  Unter  seinem 
Enkel  Boleslaw  dem  Kahlen  Hei  ein  grofser  Teil  an  Polen  zurück,  jedoch  die 
westliehen  Landesteile  verblieben  bei  Schlesien.  Die  Gegend  von  Schwerin 
a.  d.  Warthe  südwärts  über  Meseritz,  Brätz,  Bomst  gehörte  noch  Anfang  des 
XIV.  Jh.  den  Glogauer  Herzögen,  die  Gebiete  von  Birnbaum,  Betsehen,  Tirsch- 
tigel  (forstete]),  Bentsehen,  Köbnitz  und  Fraustadt  dagegen  den  Polen.  Das 
Land  nördlich  der  Obra  wurde  den  Glogaucrn  1312  und  1323  aber  durch 
Wladislaw  entrissen,  während  Unruhstadt,  Bomst.  Brätsch,  Tirschtigel  an  den 
Markgrafen  Konrad  1319  verloren  gingen;  doch  kamen  diese  Gebiete  der  Neu- 
mark  sehr  bald  wieder  abhanden.  Köbnitz,  Bomst  und  Bentsehen  gewann  der 
Herzog  von  Sagan  wieder.  Die  Grenze  Polens  wurde  aber  sehr  bald  über  die 
Obra  hinaus  verschoben.  Noch  Wladislaw  Lokietek  gewann  das  Land  am 
rechten  Ufer  der  Faulen  Obra  von  deren  Mündung  in  die  Oder  an  und  das 
Land  am  linken  Ufer  der  Obra  bis  Meseritz.  Im  Jahre  1343  kam  die  Gegend 
um  Fraustadt  wieder  hinzu,  1345  waren  Biesen,  Schwerin,  Meseritz,  Brätz. 
Bomst  jedenfalls  polnisch.  Vgl.  im  übrigen  Meyer,  1.  c.  23  fT.  Wuttke, 
Städtebuch  des  Landes  Posen,  Lpz.  1877,  S.  197  IT.  Ferner  die  Untersuchungen 
im  Cod.  dipl.  Majoris  Poloniae  IV,  352  iL 

Was  die  innere  Einteilung  des  Landes  anbelangt,  so  zerfiel  es  (ähnlich 
wie  Schlesien)  in  sog  Kastellaneien,  die  nach  der  Burg  (Kastell)  genannt 
wurden ;  ihnen  standen  militärische  Befehlshaber  (Kastellane,  Burggrafen)  mit 
administrativen  und  richterlichen  Befugnissen  vor.  Die  Abgrenzung  der 
Kastellaneien  ist  jetzt  nicht  mehr  festzustellen.  Genannt  werden  folgende: 
1.  Nakel,  2.  Palnki  südlieh  von  Nakel,  3.  Gnesen.  4.  Lad,  5.  Ostrowo,  6.  Kaiisch, 
7.  Kriewen,  8.  Kröben,  9.  Priment,  10.  Bentsehen,  11.  Meseritz,  12.  Driesen, 
13.  Filehne,  14.  Czarnikau,  15.  Usch,  1(5.  Sutrogrod,  17.  Xions  (Kschonz  in 
der  Nähe  der  Warthe),  18.  Bnin  (bei  Kurnik),  19.  Biechowo,  20.  Giccz,  21.  Kosten. 
22.  Posen,  23.  Hogasen,  24.  Scbrimm.    Vgl.  Meyer  S.  45. 

Über  dem  Kastellan  stand  der  Woiwode  (poln.  Wojewoda)  als  Statthalter 
eines  größeren  Landschaftsbezirkes.  Woiwodschaft.  Grofspolen  war  in  zwei 
Woiwodschaften  geteilt  :  1.  Land  Ka  lisch  mit  Gnesen,  Tschemesno,  Strelno, 
Usch.  Schneidemühl,  Mogilno,  Powidz,  Kletzk,  Wongrowitz.  Polnisclv  Krone. 
Nakel,  Exin,  Sennin,  Grabow;  2.  Land  Posen  (Terra  PowianietmisJ  umfafste 
das  übrige  Gebiet.  So  in  einer  Lrkunde  von  1524;  doch  werden  anderwärts 
Strelno,  Polnisch-Krone  als  kujawische  Orte  bezeichnet,  wie  überhaupt  die 
Abgrenzung  der  Woiwodschaften  und  die  Schaffung  neuer  durch  Teilung  der 
gröfseren  eine  sehr  wechselnde  war. 

Ku  ja  Wien,  auf  deutsch  Kuja,  Knjan,  auch  Wladislawa  genannt  nach 
der  ehemaligen  Hauptstadt  Wladislaw,  heute  Wlozlawck  a.  d.  Weiehsel  mit 
dem  Beinamen  Velus  (im  Gegensatz  zu  dem  neuen  Wladislaw,  Jungleslau  oder 
Innowladislawia,  heute  Inowrat/.law;,  mit  zwei  Woiwodschaften:  Innowladislaw 
(seit  140(1)  und  Brzesc.  Das  Land  zu  beiden  Seiten  der  Weichsel  oberhalb 
Thorn  gelegen  gehört  jetzt  größtenteils  zu  Russisch-Polen.  Von  der  heutigen 
Provinz  Posen  geborten  noch  dazu  die  Gegenden  um  Bromberg,  Jungleslau, 
Kraschwitz,  Schulitz,  Gnifkow,  Strelno,  Polniseh-Krone.  Die  Bromberger 
Gegend  wurde  lange  auch  zu  Masowien  gerechnet.    Cf.  Wuttke,  S.  198.  Das 


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218.  DoutHch -OrdensKebict  (Preufsön). 


351 


Herzogtum  Dobrzyn  rechts  der  Weichsel  bildete  ein  Teilstück  von  Kujawien. 
Um  diese  Länder  wurde  mit  dem  Deutsehen  Ritterorden  im  XIV.  Jh.  ein  er- 
bitterter Krieg  geführt,  den  Kasimir  1843  durch  den  Kalischer  Frieden  be- 
endigte ;  er  behielt  Kujawien  und  Dobrzyn,  mufste  aber  auf  das  Kulmerland, 
Michelau  und  Pomerellen  verzichten,  Pawinski,  Gesch.  des  Landes  Kuja- 
wien, Warschau  1888  (poln).   Borucki,  Das  Land  Kujawien,  1883—86  (poln.). 

Masow  ien  (Masovia)  schliefst  sieh  östlich  an  Kujawien  an  und  umfafst 
das  Land  zu  beiden  Seiten  der  Weichsel  mit  der  Hauptstadt  Warschau.  Es 
soll  seinen  Namen  von  einem  Mundschenken  des  Königs  Mcsko  IL,  Masos 
haben,  der  sich  zum  Landesherrn  aufschwang,  aber  bald  unterlag.  Die  äufsere 
und  innere  Entwickelung  des  Landes 'gehört  ganz  der  polnischen  Geschichte  an. 

218.  Deutsch-Ordensgebiet  (Preufsen).  Das  Land  östlich  der 
unteren  Weichsel  bis  zum  Meere  war  seit  alters  von  baltischen  (aistischen) 
Völkern  bewohnt  gewesen:  von  den  heidnischen  Preiiisen  (Pruzzi)  und 
weiter  östlich  von  den  Litauern.  Bis  zum  Endo  des  X.  Jh.  waren  sie 
noch  nicht  in  den  Kulturkreis  des  Deutschen  Reiches  getreten.  Der 
Märtyrertod  des  hl.  Adalbert  von  Prag  im  Jahre  997  und  bald  darauf 
das  gleiche  Geschick  des  Bruno  von  Querfurt  brachten  die  ersten  Ver- 
suche, in  das  Preufsenland  vorzudringen,  zu  einem  vorläufigen  Abschlufs. 
Erst  im  Anfang  des  XIII.  Jh.  wurde  das  Werk  der  Christianisierung 
von  neuem  in  die  Hand  genommen,  aber  es  hätte  unter  Christian,  dem 
ersten  Bischof  der  Preufsen  (1215),  keinon  dauernden  Bestand  gehabt, 
wenn  nicht  zugleich  auch  eine  Eroberung  des  Landes  eingeleitet  worden 
wäre.  In  einem  53  jährigen  blutigen  Vernichtungskampfe  warf  der  von 
Bischof  Christian  und  Konrad  von  Masowien  herbeigerufene  Deutsche 
Ritterorden  das  Preufsenvolk  nieder  (1230—1283).  Von  Kaiser 
Friedrich  IL  waren  dem  Orden  schon  vorher  das  Kulmerlan  dund  Preuisen 
als  Reichsleben  zugleich  mit  der  Reichsfürstenwürde  verliehen  worden. 
Nach  dem  glücklich  beendeten  Eroberungskriege  begann  man  mit  einer 
wirtschaftlichen  Eroberung.  Waren  schon  während  des  Kampfes  zahl- 
reiche Deutsch-Ordensburgen  (Kulm,  Thorn  1232,  Marienwerder  1233, 
Elbing  1237)  als  militärische  Stützpunkte  begründet  worden,  neben 
welchen  sich  Städte  mit  deutschen  Einwanderern  entwickelten,  so  wurde 
nun  die  Gennanisierung  des  Landes  in  den  nachfolgenden  Zeiten  des 
Friedens  systematisch  betrieben.  Zugleich  hoben  sich  dadurch  Handel 
und  Wandel;  wie  Marienburg  seit  1309  die  Residenz  des  Hochmeisters 
wurde,  so  erblühte  als  Handelsmittelpunkt  das  im  Küstenbereich  gelegene 
Danzig.  Letzteres  war  mit  dem  ehemals  pomraerischen  Fürsten  gehörenden 
Pomerellen  (westlich  der  Weichsel)  vom  Orden  erst  1310  hinzuerworben 
worden.  So  war  hier  im  äufsersten  Nordosten  des  Reiches  ein  neues 
Herrschaftsgebiet  entstanden,  welches  unter  der  Regierung  des  Hoch 
meisters  Winrich  von  Kniprode  (1351—1382)  den  Gipfel  seiner  Blüte 
erreicht  hatte. 

Der  Name  von  Land  und  Volk  tritt  zuerst  am  Ende  des  X.  Jh.  auf. 
Während  vordem  das  Volk  in  Ermangelung  eines  spezielleren  Namens  noch 
Asticr  genannt  wird  (so  bei  Cassiodor  im  Anfang  des  VI.  Jh.;  auch  Einhard 
spricht  von  den  Aisten.  die  an  dem  nach  0.  sich  erstreckenden  Meerbusen 
wohnen),  bezeichnet  es  die  Vita  et  passio  S.  Adalberti  als  Pruzzi  und  Prutheni 


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352 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


und  das  Land  als  Pruscia  und  Pruzzia,  bei  Martinus  Gallus  (88.  IX,  428)  heilst 
es  Prima,  bei  Thietmar  (VI,  58)  Prucia,  beim  Chronisten  Petrus  Dusburg  Prussia. 
Adam  von  Bremen  (II,  19,  83,  IV.  18)  nennt  sie  Pruzzi,  führt  den  Landes- 
namen aber  nicht  auf,  vielmehr  nennt  er  das  Volk  auch  Semben  (Sembi  rel 
Pruzzi),  und  das  Land  heifst  bei  ihm  Setnland,  ohne  dafs  er  aber  von  der  geo- 
graphischen Situation  eine  richtige  Vorstellung  hätte,  denn  er  sieht  in  ihm  eine 
Insel.    Es  dürfte  schwer  halten,  dem  damaligen  Preufsenlande,  d.  h.  dem 
Begriff  Pruzzia,  eine  bestimmte  Abgrenzung  zu  geben.    Wie  Thietmar  schon 
unter  Preufsen  auch  Litauen  (LituaJ  mit  zu  begreifen  scheint,  so  wird  auch  in 
dem  v  Erdbuch«  Waldemars  (Anfang  des  XIII.  Jh.)  unter  Pruzzia  auch  LUtoxia,  ja 
selbst  Kurland  und  Semgallen  verstanden ;  auch  die  päpstlichen  Urkunden  geben 
dem  Landesnamen  eine  gröfsere  Ausdehnung.  Vgl.  Töpjpen,  Geogr.  v.  Preufsen, 
S.  35  ff.    Dusburg  (XIV.  Jh.)  gibt  als  Grenzen  an:  die  Weichsel,  das  Meer, 
die  Mcmel  sowie  Kufsland  und   Polen.    Jedoch  deckt  sich  der  Name  des 
Preufsenlandes  in  diesem  Falle  nicht  mit  dem  von  den  eigentlichen  Pruzzi 
bewohnten  Gebiet  ;  abgesehen  davon,  dafs  bis  zum  alten  I*auf  der  Nogat  der 
pommerische  Bereich  sich  erstreckte,  war  auch  das  so  abgegrenzte  Gebiet  nicht 
ausschliefslich  von  Preufsen  bevölkert  gewesen ;  vielmehr  griffen  Litauer  und 
Polen  von  O.  und  S.  her  in  die  Preufsenländer  hinein.    Krst  im  XIII.  Jh.  er- 
fährt der  Name  eine  engere  territoriale  Begrenzung.   Vgl.  Lohmeyer,  Gesch. 
v.  Ost-  u.  Westprcufsen,  S.  10  ff.    Unklar  ist  immer  noch  die  etymologische 
Deutung  des  Namens;  von  den  vielen,  recht  abenteuerlichen  Versuchen  führe 
ich  lieber  keinen  an.    Schon  die  Frage,  ob  der  Name  aus  dem  Preufsisch- 
Litauischen  oder  Slavischen  zu  erklären  ist,  ist  noch  nicht  entschieden.  Möllen- 
hoff (DA.  IL  14;  vgl.  auch  II,  348)  trat  mit  Entschiedenheit  für  slavischen 
Ursprung  ein.    Die  Namenbildung  Borussia  läfst  sich  zuerst  im  Anfang  des 
XIV.  Jh.  nachweisen  und  ist  seit  der  Königskrönung  1701  offiziell  geworden.  — 
Näheres  über  den  Namen  vgl.  bei  Voigt,  Gesch.  Preufs.  I,  6Ö7— 673.  Loh- 
meyer in  den  Wiss.  Monatsbl.  VII,  7  ff.;  im  übrigen  Egli,  Nom.  geogr.,  S.  743. 

Das  ganze  Land  war  ehemals  in  Gaue  eingeteilt,  deren  Namen  sich  in 
späterer  Zeit  erhalten  hatten,  ja  noch  in  der  Gegenwart  im  Munde  des  Volkes 
sind.    1.  Kulinerland  erfüllt  den  Raum  zwischen  der  Weichsel  und  ihren 
Nebenflüssen  Ossa  und  Drewenz.    Es  ist  oftmals  mit  Unrecht  zum  eigentlichen 
Preufsenlande  gezählt  worden,  war  vielmehr  ein  Teil  von  Polen;  erst  jenseits 
der  Ossa  begann  Preufsen.    Im  O.  schlofs  sich  2.  die  preußische  Lübau  an. 
die  bis  zur  Grofsen  Wicker  reichte.    3.  Pomesanien  umfafste  das  Land  von 
der  Weichsel-Nogat  im  W.  bis  Elbing  abwärts  und  zum  Drausensee,  im  0.  bis 
zur  Weeske  und  südwärts  am  Ostrande  der  oberländischen  Seen  bis  zum  Dre- 
wenzsee  und  ein  Stück  die  Drewenz  abwärts.    4.  Ermland   oder  Warmien 
begriff  die  zwischen  Pomesanien  und  dem  Frischen  Haff  befindliche  Küsten- 
landschaft, die  bis  zum  Pregel  gereicht  zu  haben  scheint.    Jenseits  des  Pregel 
folgte  als  weitere  Küstenlandschaft  5.  das  Samland  von  Pregel,  Deime,  den 
beiden  Haffen  und  dem  Meer  umschlossen.    Mitten  im  Lande  lag  6.  Poge- 
sanien,  dessen  I-age  und  Begrenzung  immer  am  meisten  Schwierigkeit  gemacht 
hat.  im  Gebiet  der  Passarge  und  oberen  Alle,  etwa  um  das  Städteviereck  Wonnditt. 
Heilsberg,  (Buttstädt,  Liebstadt.    An  Ermland  schlofs  sich  7.  Natangen  an. 
welches  im  übrigen  vom  Pregel  und  der  Alle  (mit  Ausnahme  ihres  untersten 
Laufes)  umschlossen  war.    Im  SO.  von  dieser  Landschaft  lag  8.  Barten,  in 
< irofs-lJarten  und  Klein  Barten  oder  Plica- Barten  zerfallend;  letzteres  das  süd- 
westliche Ende  von  Barten  bildend.    I  ber  die  Ausdehnung  von  Grofs  Barten 
sind  wir  durch  die  Grenzbegehreibung  von  1323  unterrichtet.   Es  umfafste  das 
Land  von  der  Alle  an  südostlich  nicht  ganz  bis  an  den  Mauersee.   Im  S.  folgen, 
östlich  an  Lübau  sich  anschließend,  9.  Sassen  (Hasenland),  nördlich  bis  zum 
Drewenz  und  Schillingsee  und  östlich  bis  zur  oberen  Neide   reichend,  und 
weiterhin  10.  Galindien   bis  an  den  Spirdingsee.    Den  SO.  des  Preufsen- 
landcs  umfafst    11.  Su dauen,   auch   Jatwesen,    Jadwisze   und  Jatzwingen 
genannt  und   bewohnt  von  den  Jadzwingern  oder  Jatwiagen,  von  den  Polen 


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218.  Deutsch  Ordensland  (PreoTaen). 


353 


Polexianer  genannt,  die  ein  vermutlich  selbständiger  Zweig  der  baltischen 
Völkerfamilie  sind.  Sie  bewohnten  das  Gebiet  von  Inster,  Angerapp  und  den 
grofsen  niasurischen  Seen  bis  zum  Narew.  12.  Nadrauen  (Nadrue,  NadroweJ 
zu  beiden  Seiten  des  mittleren  Pregels  östlich  vom  Samland.  Nördlich  schliefst 
sich  als  letzte  Landschaft  13.  Sc h alauen  (Scalwe,  Scalowe)  zu  beiden  Seiten 
der  Memel  an.  Beide  letztgenannten  I>andschaften  waren  aber  nicht  von 
Preufsen,  sondern  Litauern  bevölkert.  —  Wir  haben  es  hier  stellenweise  mit 
sehr  alten  Namen  zu  tun,  denn  bereits  bei  Ptolemäus  werden  unter  den  Völkern 
jener  Gegend  die  ruXivdm  und  Sovitroi  genannt  (Ptol.  III.  5,  9),  von  denen 
jene  mit  den  Galindiern,  diese  mit  den  Sudauen  in  Parallele  gestellt  worden 
sind  (vgl.  Möllenhoff,  DA.  II,  19  ff.).  —  Aufser  den  aufgeführten  gröfseren  Land- 
schaftsnamen treten  auch  solche  von  beschränkteren  Gebieten  als  Teile  der 
grofsen  Gaue  auf,  wie  Pasluk  um  Preufsisch-Holland,  Unsatrapis  (Wohnsdorf) 
an  der  unteren  Alle,  Wuntenowe  um  Balga  u.  a. 

Als  der  Deutsehe  Orden  auf  dem  Höhepunkt  seiner  Machtentfaltung  stand, 
hatten  historische  und  Verwaltungsverhältnisse  zu  einer  anderen  Einteilung 
geführt.  Der  Schofs  der  Städte  von  1395  unterscheidet  fünf  Bezirke:  I.  Kulmer- 
land  und  Bistum  Pomesanien  mit  11  Ordens-  und  10  Bischofsstädten.  II.  Pommern 
mit  Marienburg  und  Neuteich  mit  22  Ordensstädten.  III.  Das  übrige  Ordensland 
und  Balga  mit  26  Ordensstädten.  IV.  Bistum  Ermland  mit  14  Bischofsstädten. 
V.  Die  Niederlande  mit  11  Ordens-  und  einer  Bischofsstadt,  Doch  ist  hierbei 
zu  berücksichtigen,  dafs  einzelne  Städte  doppelt,  Königsberg  sogar  dreifach 
mitgezählt  ist.  Vgl.  Weber,  S.  329  ff.  —  Aufser  solchen  summarischen  Ein- 
teilungen (zu  welchen  auch  die  volkstümliche  in  vier  Teile  :  Pommern  [Pomereilen  j, 
Kulmerland,  Oberland  von  Ossa  bis  Passarge  und  Niederlande  gestellt  werden 
kann)  gab  es  noch  eine  politische  in  Komturcien  und  Vogteien.  Vgl.  letztere 
Imü  Weber  S.  337—553,  mit  Kommentar. 

Die  bedeutendste  Erwerbung  des  Ordens  zu  dem  eigentlichen  Stammlande 
des  Ordensgebietes  war  das  Land  Westrich  der  unteren  Weichsel :  Pomer  eilen 
mit  der  schon  damals  blühenden  Handelsstadt  Danzig.  Nach  dem  Tode  des 
Pommernfürsten  Mestwin  II.  (1295)  hatte  Grofspolen  Ostpommern  als  Erbe  in 
Anspruch  genommen.  Nach  dem  Fall  des  polnischen  Königs  Przemislaus  II. 
legten  aber  die  böhmischen  Könige,  die  Markgrafen  von  Brandenburg  und 
Bogislaw  IV.  von  Pommern-Wolgast  das  Land  mit  Beschlag.  Der  als  Statt- 
halter von  Pomerellen  fungierende  Peter  Swenze  suchte  nun  gegen  den  neuen 
polnischen  König  Wladislaw  Lokietek  am  Markgrafen  Waldemar  einen  Bundes- 
genossen ,  während  Wladislaw  einen  solchen  im  Deutschritterorden  fand. 
Letzterer  hatte  in  Danzig  Fufs  gefafst  und  nicht  ganz  uneigennützig  die  pol- 
nische Besatzung  verdrängt;  1309  wurde  auch  Hirschau  vom  Orden  eingenommen 
und  bald  darauf  Sehwetz.  Mit  Wladislaw  zerfallen  verfolgte  der  Orden  seine 
eigenen  Ziele  und  wufste  schließlich  auch  den  Markgrafen  Waldemar  zu  einem 
Verkauf  seiner  Anrechte  auf  das  Weichselland  zu  bestimmen.  1309  überliefs 
Waldemar  dem  Deutschen  Orden  die  Städte  Danzig,  Dirschau  und  Sehwetz 
mit  den  zugehörigen  Gebieten  für  10000  Mark  Silber.  Kaiser  Heinrich  VII. 
Instätigte  1313  dem  Orden  diese  Erwerbung.  Späterhin  wurden  die  Grenzen 
näher  präzisiert;  als  Westgrenze:  die  Leba  und  weiter  eine  zuerst,  nach  S.,  dann 
mehr  nach  SW\  ">s  z"r  oberen  Küddow  laufende  Linie,  so  dafs  Stolpe,  Schlawe 
und  Rügen walde  den  Markgrafen,  Lauenburg  und  Bütow  aber  dem  Orden  zu- 
Helen. Die  Südgrenze  der  neuen  Erwerbung  bildeten  die  Flü Ischen  Dohlinka 
und  Kamionka  (zwischen  Küddow  und  Brahe)  und  ihre  Verlängerungslinie  bis 
zur  Weichsel,  denn  das  Gebiet  der  Weichsel  selbst  und  der  unteren  Brahe  war 
in  den  Händen  der  Polen.  Lohmeyer,  Gesch.,  S.  133  f.  —  Aufser  Preufsen 
besafs  der  Deutsche  Orden  aber  noch  in  ganz  Deutschland  zerstreut  eine  lange 
Reihe  von  einzelnen  Gütern,  die  zum  Teil  vom  Hochmeister,  zum  Teil  von  dem 
in  Mergentheim  a.  d.  Tauber  residierenden  Deutschmeister  verwaltet  wurden. 

Voigt,  Geschichte  Preufsens  I,  Königsberg   1*27;  S.  475  ff.  enthält 
speziell  die  Geographie  des  Landes.  Toeppen,  Iiistor. -eomparative  Geographie 

Kri> Uchnier,  Historische  «.eosrraphle  2a 


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354 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


von  Preufsen.  Gotha  1858  m.  Atlas.  Weber,  Preufsen  vor  500  Jahren  in  kul 
turhistor.,  Statist,  und  militärischer  Beziehung  nebst  Spezial-Gcographie,  Danzig 
1878.    Lohmeyer,  Gesch.  von  Ost  und  Westpreufsen,  Gotha  1880,  I.  Teil. 

219.  Herzogtum  Pommern.  Am  Ende  des  XIII.  Jh.  war  das 
pommerische  Land  im  Besitz  von  drei  Fürstenlinien,  als  deren  Stamm 
vater  Swantibor  (t  1107)  angegeben  wird.  Entsprechend  zerfiel  das  Land 
auch  in  drei  Herrschaftsgebiete:  Pommern- Wolgast,  Pommern  Stettin  und 
Pomerellen.  Der  Besitz  ihrer  Territorien,  deren  Grenzen  überdies  ziemlich 
schwankende  waren,  war  ihnen  unter  fortwährenden  Kämpfen  mit  den 
Polen,  Dänen  und  den  askanischen  Markgrafen  ermöglicht  worden.  Im 
Jahre  1295  starb  die  Linie  in  Pomerellen  mit  Mestwin  II.  aus,  und  sein 
Land  wird  ein  Streitobjekt  zwischen  dem  Deutschen  Orden,  Polen  und 
Brandenburg;  letzteres  begründete  seine  Ansprüche  durch  die  ihm  von 
Kaiser  Friedrich  II.  übertragenen  Lehensrechte  auf  das  Herzogtum  Pommern. 
Beim  Friedensschlufs  1310  verzichtete  Markgraf  Waldemar  auf  die  Gebiete 
von  Danzig,  Schwetz  und  Dirschau,  die  an  den  Deutschen  Orden  fielen; 
aber  auch  das  Land  zwischen  Grabow  und  Leba  ging  ihm  an  \YTratislaw  IV. 
verloren,  so  dafs  nur  das  Gebiet  um  Dramburg  in  seinem  Besitz  blieb. 

In  Westpommern  hatten  Barnims  I.  Söhne  sich  im  Besitz  des  väter- 
lichen Erbes  geteilt.  Otto  I.  erhielt  bei  der  Teilung  das  Land  Stettin  und 
Bogislaw  IV.  das  Land  Wolgast.  Ein  dritter  Sohn,  Barnim,  starb  bereits 
1295.  Pommern  zerfiel  somit  in  zwei  Herzogtümer.  Die  Grenze  bildete 
auf  der  rechten  Oderseite  die  Ihne,  .auf  der  linken  .  eine  von  Demmin 
bis  Ukermünde  gezogene  Linie.  Das  südlich  dieser  Grenze  gelegene 
Gebiet  gehörte  zum  Herzogtum  Stettin,  das  nördliche  zu  Wolgast. 

Bogislaw  IV.  (f  1309)  war  der  Stifter  der  Linie  Pommern-Wolgast. 
Sein  Sohn  Wratislaw  IV.,  der  mit  dem  Fürsten  von  Rügen  eine  Erb- 
verbrüderung geschlossen  hatte,  erwarb  auf  Grund  dieser  bereits  1325 
ganz  Rügen  mit  dem  auf  dem  Festland  liegenden  Herzogtum  Barth. 
Nach  seinem  Tode  1326  trat  abermafe  eine  Teilung  in  zwei  Linien  ein 
durch  die  beiden  Söhne  Bogislaw  V.  und  Barnim  IV.  (t  1365).  Auch 
eine  Teilung  des  Landes  fand  1372  zwischen  Bogislaw  und  seinen  beiden 
Neffen  statt.  Die  Swine  bildete  hierbei  die  Grenze,  indem  Bogislaw  V. 
das  Land  jenseits  der  Swine,  d.  h.  Ilinterpommern  bis  zur  Leba  mit 
Stargard,  erhielt  und  die  Neffen  Bogislaw  VI.  und  Wratislaw  VI.  das 
Land  diesseits  der  Swine,  also  Wolgast  und  Rügen. 

In  der  ältesten  Zeit  umfafste  das  Land  Po  m  m  e  r  n  ( Potnwaniü,  Pomona, 
Pomeria,  Pomaria)  das  von  dem  lechischen  Stamme  der  Pomeranen  bewoluite 
Gebiet,  welches  sich  von  der  unteren  Oder  bis  zur  Weichsel  und  von  der  See 
bis  südlich  zur  Warthe  und  Neifse  erstreckte.  Nach  Abschüttelung  des  pol 
nischen  Joches  dehnten  die  pommerischen  Fürsten  ihren  Machtbereich  westlich 
über  die  Oder  bis  in  das  heute  mecklenburgische  Gebiet  aus.  In  der  Lebens 
beschreibung  des  Bischofs  Otto  von  Bamberg  wird  eine  ausführliche  Darstellung 
von  der  Ausdehnung  und  äufseren  Gestalt  des  Landes  gegeben,  die  trotzdem 
manche  Unklarheit  enthält;  es  heilst  dort  II,  c.  1:  »Es  bildet  aber  dieses  I^and, 
wenn  wir  seine  ganze  Lage  sowohl  in  den  Sümpfen  und  Einbuchtungen  des 
Meeres,  als  auch  auf  dem  festen  Lande  betrachten  wollen,  gleichsam  ein  Dreieck, 
da  es  drei  Seiten,  wie  drei  mit  ihre»  Enden  zu^arnmenstofsende  Linien,  und 
drei  Winkel  hat,  so  jedoch,  dafs  der  eine  Winkel  gröfser  ist  als  die  beiden 


219.  Herzogtum  Pommern. 


355 


anderen,  der  sich  auch  bis  nach  Leuticien  und  gegen  Sachsen  hin,  nach  N. 
zum  Meere  hin  allmählich  zurückgebogen  ausdehnt.  Daher  hat  Pommern  im 
Ozean  hinter  sich  Dänemark  und  die  kleine,  aber  volkreiche  Insel  Rügen,  über 
sich  aber,  d.  h.  vom  N.  aus,  rechts  Slavien  und  Preufsen  und  Rufsland,  vor 
sich  aber,  d.  h.  nach  S.t  liegt  es  gegen  die  sich  eine  kurze  Strecke  berührende 
Grenze  von  Ungarn  und  Mähren.  Endlich  berührt  es  sich  weithin  bis  an  die 
Grenze  Leuticiens  und  Sachsens  mit  dem  benachbarten  Polen.«  Unverständlich 
bleibt  hier  die  weite  Ausdehnung  nach  S.  bis  Ungarn.  Unter  Leuticien  scheint 
er  das  Land  der  Liutizen  zu  verstehen,  welches  hiemach  einen  Teil  von 
Mecklenburg  mit  umfafste. 


Swantibor  (f  1107) 


Westpommern 
Wratislaw  I.  und  Ratibor 


Barnim  I.  (t  1278) 


Linie  Wolgast 
Bogi8law  IV.  (f  1304) 

Wratislaw  IV.  (f  1326) 


Linie  Stettin 
Otto  I. 
(t  1345) 


Bogislaw  V. 
(t  1374) 
Hinter- 


Barnim  IV. 
(f  1365) 


I 
I 

Erich  L 
(t  1459) 
t  t  t 


Botfislaw  VI. 
Wolgast 


Wratislaw  VI. 
Rügen 


I 

Otto  III. 
t  1464 
t  t  t 


Wratislaw  IX.  (f  1457) 


Erich  II. 
f  1474 
I 

Boginlaw  X. 
t  1523 


Wratislaw  X. 
/  f  1478 

/    t  +  t 


Ostpommern 
Swantepolk  und 
Bogislaw 


Swantepo 


k  (f  1266) 


Mestwin  II.  (f  1295) 
t  tt 


Als  unter  den  Söhnen  Swantibors  im  ersten  Jahrzehnt  des  XII.  Jh.  eine 
Teilung  des  ganzen  Landes  stattfand,  trat  auch  zum  erstenmal  eine  Trennung 
in  West-  und  Ostpommern  hervor.  Zwischen  beiden  bildete  im  allgemeinen 
die  Persante  die  Grenze ;  sie  schwankte  hier  allerdings,  da  die  westpommerischen 
Fürsten  das  Land  östlich  bis  zur  Leba  beanspruchten  und  zeitweilig  auch  im 
Besitz  hatten.  Die  südliche  Grenze  bildete  jedenfalls  die  Netze;  in  der  Vita 
Ottonis  episc.  wird  jenes  grofsen  Waldgebietes  gedacht,  quod  Pommoraniam 
Pobmiamque  dividit  (II,  c.  10).  Es  gehörten  damals  die  Neumark  und  Ukermark 
noch  zu  Pommern.  Gegen  W.  hin  reichte  letzteres  bis  nach  Mecklenburg 
hinein  an  den  Müritzsee  und  die  Gegend  von  Güstrow.  Schwankender  war 
sie  gegen  NW.,  wo  die  Peene  die  Seheide  bildete.  Doch  griffen  auch  hier  die 
pornmerisehen  Fürsten  hinüber,  und  bis  zur  Mitte  des  XII.  Jh.  hatten  sie  das 
Land  bis  Barth  hinauf  in  Besitz  genommen,  doch  wurde  es  noch  in  demselben 
Jahrhundert  an  die  Rüginner  wieder  abgetreten.  Diese  standen  seit  längerer 
Zeit  unter  dem  Druck  der  dänischen  Herrschaft,  die  im  Jahre  1214  von  Kaiser 
Friedrich  dem  dänischen  König  Waldemar  II.  über  die  Insel  und  das  an- 
stoßende Festland  feierlich  bestätigt  wurde.  Doch  nach  dem  Sturze  Waldemars 
rissen  sich  diese  Länder  wieder  los,  und  auch  die  pornmerisehen  Fürsten  er- 
oberten sich  wieder  die  Distrikte  von  Demmin  und  Loitz  und  die  Grafschaft 
Gützkow,  so  dafs  der  Rickgraben  nunmehr  die  Grenze  zwischen  Pommern  und 
Rügen  bildete.  Wie  die  Rügianer  zur  Sicherung  ihres  Gebietes  um  1209  die 
Stadt  Stralsund  begründet  hatten,  so  schufen  sich  auch  die  pommerischen 
Herzöge  einen  solchen  Stützpunkt  in  der  Stadt  Greifswald. 

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356 


VL  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Im  Xin.  Jh.  waren  die  Grenzveränderungen  gegen  Mecklenburg  und  die 
Mark  sehr  beträchtliche.  Die  Ukermark  und  die  Neumark  fielen  stückweise  an 
Brandenburg  (s.  d.). 

Das  Herzogtum  in  Ostpommern  mit  dem  Hauptort  Danzig  hatte  bis  1295 
bestanden,  als  das  Herrscherhaus  mit  Mestwin  II.  erlosch.  Ostpommern  wurde 
späterhin  allgemein  Pomereilen  genannt  (Pomerei  bei  Joh;  von  Pos.,  SS. 
rruss.  IH,  139).  Zur  Zeit  seiner  gröfeten  Ausdehnung  unter  Swantepolk  (f  1266) 
reichte  es  südlich  bis  an  die  Netze  und  Brahe  und  östlich  bis  an  die  Weichsel. 
Nach  W.  ist  die  Grenze  unsicherer  ;  sie  scheint  bis  an  den  Grabowflufs  damals 
gereicht  zu  haben. 

Um  1375  setzte  sich  das  Herzogtum  Pommern  aus  drei  Teilfürstentümern 
zusammen:  1.  Pommern-Stettin  zu  beiden  Seiten  der  unteren  Oder  bis  zur  Dina 
bzw.  Peene,  jedoch  mit  Ausschlufs  von  Demmin  und  Anklam;  2.  Hinter- 
pommern, das  Land  jenseits  der  Swine  bis  zum  Lebaflufs  ;  3.  Vorpommern, 
Wolgast  und  Rügen  umfassend,  als  Land  diesseits  der  Swine. 

In  Hinterpommern  lag  noch  das  Bistum  Kamin.  Die  Gründung 
des  Bistums  fand  1140  in  \V ollin  statt;  infolge  der  mehrfachen  Bedrohungen 
seitens  der  Dänen  wurde  es  1180  nach  Kamin  verlegt.  Die  Bestätigungsbulle 
Papst  Innocenz'  H.  für  Wollin  ist  vom  14.  Oktober  1140  datiert.  Sie  bezeichnet 
als  Grenze  der  Gerichtsbarkeit  des  Sprengeis  und  als  Kirchengut  die  Stadt 
Wollin  mit  dem  Markt  sowie  den  dortigen  Tabernen  und  allem  Zubehör,  die 
Kastellaneien  Demmin,  Tribsees,  Gützkow,  Wolgast,  Usedom,  Grolswin,  Piritz. 
Stargard,  Stettin,  Kamin  mit  der  Taberne  und  dem  Markt,  allen  Dörfern  und 
Zubehör,  Kolberg  mit  dem  Salzwerk  und  dem  Zoll,  Markt,  Taberne;  endlich 
aus  ganz  Pommern  bis  zur  I^eba  von  jedem  Pfluge  zwei  Mafs  Getreide  jährlich 
und  fünf  Denare  sowie  den  Zehnten  des  Marktes  zu  Ziethen.  Um  einen  Streit 
zwischen  den  Erzbischöfen  von  Magdeburg  und  Gnesen  zu  verhindern,  nahm 
der  Papst  das  neue  Bistum  in  seinen  unmittelbaren  Schutz.  In  den  genannten 
Kastellaneien  standen  den  Bischöfen  nur  bestimmte  Hebungen  zu,  von  eigent- 
lichein Landbesitz  konnte  damals  noch  keine  Rede  sein.  Barthold  n,  121  ff. 
Erst  späterhin  trat  ein  Zuwachs  an  Gütern  ein.  Besonders  durch  Herzog 
Barnim  I.  wurde  der  Grundstock  des  Stiftsgebietes  in  Hinterpommern  gelegt, 
welches  etwa  die  heutigen  Kreise  Köslin,  Kolberg  und  Bublitz  (das  spätere 
sog.  Fürstentum)  umfafste.  Zu  eigentlicher  Reichsunmittelbarkeit  hatten  es 
aber  die  Bischöfe  trotz  aller  Anstrengungen  damals  nicht  bringen  können. 

Seil,  Gesch.  des  Herzogt.  Pommern,  Berl.  1819  (veraltet).  Barthold, 
Gesch.  von  Rügen  und  Pommern,  Hamburg  1839  ff.  Fock,  Rügensch-pom- 
mernsche  Geschichten,  Lpz.  1861  ff.  Berghaus,  Landbuch  des  Herzogt. 
Pommern,  9  Bde.,  Anklam- Wriezen  1862—1876  (sehr  ausführlich). 

220.  Mecklenburg.  Das  Geschlecht  des  alten  Obotritenfürsten  Niklot 
(t  1160)  hatte  in  Heinrich  Borwin  II.  einen  tatkräftigen  Fürsten  gehabt. 
Das  Land  stand  damals  unter  dem  Drucke  des  siegreichen  Dänenkönigs 
Waldemar  IL,  der  sich  König  der  Dänen  und  Wenden  und  Herr  von 
Nordalbingien  nennen  konnte.  Im  Verein  mit  dem  Grafen  von  Schwerin 
und  dem  Erzbischof  von  Bremen  gelang  es  Borwin  1225  seine  Macht 
zu  brechen.  Doch  erst  nach  seinem  Tode  1226  wurde  durch  seine 
Söhne  bei  Bornhöved  (1227)  der  Dänenherrschaft  eine  Schranke  gezogen. 
Seine  vier  Söhne  teilten  das  Land  in  vier  Territorien,  Mecklenburg, 
Güstrow  (Werle),  Rostock  und  Parchim,  von  denen  das  letztgenannte  sich 
sehr  bald  wieder  auflöste.  Auch  das  Gebiet  der  Rostocker  Linie,  die 
1314  erlosch,  wurde  an  die  beiden  anderen  aufgeteilt.  Übrigens  befanden 
sich  Teile  des  übrigen  Landes  noch  in  anderen  Händen,  so:  die  Stifts- 
gebiete der  Bistümer  Schwerin  und  Ratzeburg  und  die  sog.  Grafschaft 


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220.  Mecklenburg.  357 

Schwerin  im  südwestlichen  Teil  des  Landes,  die  Heinrich  der  Löwe  s.  Z. 
für  den  Grafen  Gunzel  von  Hagen  gestiftet  hatte.  Die  Werlesche  und 
mecklenburgische  Linie  blühten  kraftvoll  auf,  und  besonders  die  letztere 
machte  auch  namhafte  Landerwerbungen  (Land.  Stargard,  Grafschaft 
Schwerin  u.  a.).  Bei  beiden  traten  auch  Teilungen  ein:  die  Mecklen- 
burger Linie  hatte  sich  1352  in  zwei  neue  gespalten,  von  denen  die 
Hauptlinie  (Albrecht  II.)  Mecklenburg  -  Schwerin  erhielt,  die  andere 
(Johann  II.)  das  Land  Stargard.  Schon  vor  der  Teilung  waren  beide 
Fürsten  von  Kaiser  Karl  IV.  zur  Herzogs  würde  und  das  Land 
Mecklenburg  zu  einem  roichsunmittelbaren  Herzogtum  erhoben  worden 
(1348).  Die  Werlesche  Linie  hatte  sich  [ebenfalls  geteilt  (1337)  in  die 
Güstrowsehe  (Johann  II.)  und  Parchimsche  (Johann  HL).  Letztere  starb 
1375  aus,  und  ihr  Territorium  fiel  an  die  andere  Linie,  die  im  Jahre  1347 
sich  abermals  gespalten  hatte  in  die  Linie  Güstrow  (Nikolaus  III.)  und 
Waren  (Bernhard).  Das  Mecklenburger  Land  zerfiel  somit  um  das  Jahr 
1375  in  die  vier  Teilgebiete:  Mecklenburg -Schwerin,  Stargard,  Werle- 
Güstrow  und  Werle- Waren. 

Das  0  bot  rite  nlandi  welches  in  der  ältesten  Zeit  bestimmter  Grenzen 
ermangelte,  schlofs  sich  erst  im  Verlauf  der  vielen  Kämpfe  mit  den  Nachbarn 
bestimmter  ab.  Das  von  den  Obotriten  selbst  besetzte  Gebiet  umfafste  die 
heutigen  Distrikte  von  Schwerin,  Mecklenburg,  Wismar,  die  Ostseeküste  bis 
Doberan,  Bützow,  Sehwan,  Güstrow,  Goldberg  bis  südöstlich  nach  Malchow 
hin.  Ein  Hauptort  und  auch  ein  religiöser  Mittelpunkt  des  wendischen  Kultus 
fehlten.  Die  alte  Hauptfeste  Mikilinburg  hatte  sich  seit  der  Zerstörung  durch 
die  Dänen  (Anfang  des  IX.  Jh.)  nicht  wieder  zur  alten  Bedeutung  erhoben. 
Andere  Burgen  sind  (nach  Helmold  I,  87):  Howe,  Zwerin,  Dobin,  Wurle  oder 
Werle  an  der  Warnow. 

In  der  älteren  Zeit  hat  auch  Wagrien  mit  dem  Obotritenlande  in  engerer 
Beziehung  gestanden,  besonders  seit  es  durch  Godschalk  mit  demselben  ver- 
einigt worden  war.  Wagrien  umfafste  die  heute  noch  so  genannte  Halbinsel 
des  östlichen  Holstein  westlich  bis  zur  Swentine  und  dem  Plönersee,  mit  den 
Orten  Lutilinborg  (jetzt  Lütjenburg)  und  Oldenburg  (Bischofssitz)  oder  Aldenburg 
(Helm.  I,  2). 

Südlich  hiervon  lag  das  Polabenland,  meist  unter  Herrschaft  der  Obo- 
triten. Es  reichte  südlich  bis  zur  Eide,  im  NW.  bis  an  die  Bille  und  Trave 
und  umfafste  «las  soätere  Herzogtum  Idenburg,  das  westliche  Mecklenburg 
und  das  Amt  Schönberg  bis  Lübeck  hin.   Hauptort  war  Racisburg  (Ratzeburg). 

An  das  Obotritenland  schlofs  sich  im  ().  das  der  Kissiner  (Kiciner)  an. 
Östlich  bis  an  die  Reknitz  und  Trebel  reichend  und  südöstlich  bis  an  das  Land 
der  Redarier.  Letzteres  umfafste  das  Scengebiet  des  Müntz-,  Malchiner-  und 
Kummero wer- Sees,  mit  dem  Tempel  zu  Rhetra,  dessen  I^age  nicht  mehr  zu  er- 
mitteln ist  ;  es  war  ein  Kultmittelpunkt  des  Götzen  Radigast  (Adam  II,  18. 
Thietmar  VT,  17).  F.  von  Liitzow,  Gesch.  v.  Mecklenburg.  Berlin  1827, 
I.  101  ff. 

Hei  der  Teilung  des  Landes  unter  die  Söhne  Borwins  U.  erhielt  Johann  I. 
als  Ältester  das  Stanimsehlofs  zu  Mecklenburg  und  die  Städte  und  Lande  Wismar, 
Gadebusch,  Buckow  und  Brüel,  das  ganze  Land  Bresen  mit  Grewesmühlen, 
Burg  Dassow  und  Klütz,  ferner  die  Insel  Poel.  das  Kloster  Rehna  und  die 
Burgen  Ilow  und  Neuburg  bei  Wismar;  Heinrich  Borwin  III.:  die  Städte 
und  Lande  Rostock,  Marlow  und  Sülz  nebst  Kloster  Doberan;  Nikolaus  I.: 
die  Städte  und  Lande  Güstrow,  Malchow,  Malchin,  Röbel,  Penzlin,  Turne  und 
Liez,  die  Schlösser  Werle  und  Schwan,  und  Pribislaw:  Städte  und  Lande 


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VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


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Parchim,  Sternberg,  Goldberg, 
Plau,  Land  Türe,  Kloster  Do 
bertin  und  Schlots  Riehen- 
berg.  —  Pribislaws  Territorium 
wurde  aufgelöst,  da  dieser  sein 
Gebiet  teils  verpfänden,  teils 
verkaufen  mufste.  Graf  Gun- 
zel  III.  von  Schwerin  erhielt 
hierbei  Parchim  und  Richen- 
berg; Johann  TL:  Sternberg; 
Nikolaus:  Plau  und  Gold- 
berg; der  Bischof  von  Schwe- 
rin das  übrige.  Lützel,  L  c. 
II,  12  ff. 

Im  weiteren  Verlaufe 
hatten  diese  Territorien  man- 
cherlei Veränderungen  erfah- 
ren. So  war  das  Gebiet  der 
Mecklenburgischen  Linie 
erheblich  vergröfsert  worden 
durch  die  Herrschaft  Star- 
gard,  die  Heinrich  II.  durch 
seine  Gemahlin  Beatrix  (eine 
Tochter  de«  Markgrafen  A1- 
brecht)  gegen  die  anfänglichen 
Einsprüche  ihrer  Vettern  zu 
behaupten  gewufst  hat  (1304). 
Nur  die  Münze  und  das  Eisen- 
werk zu  Lychen  wurde  jenen 
überlassen.  Es  gehörten  zu 
jener  Herrschaft  die  Städte 
Stargard  ,  Neubrandenburg, 
Lychen  und  Woldeck.  Ein 
anderer  Erwerb  war  die  Herr 

schaft    Rostock  mit 
Gnoien  und  Schwan,  von  der 
er  nach  dem  Tode  des  letzten 
Fürsten  ein  Teilstück  schon 
erhalten  hatte  (s.  unten);  mit 
ihr  wurde  er  nun  von  Köni£ 
Erich  von  Dänemark  belehnt 
(1317).    Im  Frieden  zu  Ny 
köping  1323  wurde  sie  ihm 
auch     vom  nachfolgenden 
König  Christoph  als  erbliches 
Lehen  zuerkannt.  —  Unter  der 
vormundschaftlichen  Regie- 
rung für  seine  noch  unmündi- 
gen Söhne  wurde  die  dänische 
Belehnung  mit  der  Herrschaft 
Rostok    und    die  branden 
burgische  mit  der  l>andschaft 
Stargard  erneuert.  Auch  wurde 
Meienburg   an  Brandenburg 
zurückgegeben    und  hierfür 
Strelitz,  Arensberg  und  Neuen 
dorf  erworben. 


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220.  Mecklenburg. 


359 


Der  älteste  Sohn  Albreeht  II.,  der  um  1335  grofsjährig  geworden  war, 
whlüfe  mit  der  Werleschen  Linie  sowie  mit  den  Grafen  von  Schwerin  -Witten- 
burg und  Schwerin-Schwerin  einen  Erbvertrag.  Ihm  und  seinem  Bruder 
Johann  II.  wurde  die  Herrschaft  als  unmittelbares  Reichslehen  übergeben  und 
Mecklenburg  zum  Herzogtum  erhoben.  In  den  Kämpfen  mit  dem  Markgrafen 
Ludwig  von  Brandenburg  gewannen  die  Brüder  Stadt  und  Land  Fürsten- 
berg  mit  den  Schlössern  Strelitz  und  Arensberg  und  einigen  Stargardschen 
Dörfern,  welches  sie  alles  an  die  Dewitz  zu  Lehen  gaben.  Im  Jahre  1352 
25.  November  fand  in  Wismar  eine  Teilung  des  Landes  unter  ihnen  statt,  bei 
welcher  Johann  II.  die  Lande  Stargard  (aulser  Fürstenberg),  Sternberg,  die 
Eidenburg  mit  dem  Land  Türe  und  die  vom  Markgrafen  verpfändeten  Güter 
und  Ortschaften  erhielt.  Albrecht  erhielt  das  übrige.  —  Im  Streite  mit  Otto 
von  Schwerin  hatten  die  Brüder  in  demselben  Jahre  Boizenburg  erworben.  — 
Im  Jahre  1355  fand  eine  Modifizierung  jener  Teilung  statt,  bei  welcher 
Johann  noch  die  Städte  und  Lande  Lyehen,  Wesenberg  mit  der  Liez,  Arens- 
berg und  Ramelow  sowie  die  Landes-  und  Lehensherrlichkeit  über  die  Graf- 
schaft Fürstenberg  erhielt. 

Auch  die  Grafschaft  Schwerin  sollte  der  Mecklenburger  Linie  bald 
zufallen.  Sie  war  s.  Z.  von  Heinrich  dem  Löwen  von  Sachsen  gegründet  und 
an  den  Grafen  Gunzel  von  Hagen  verliehen  worden.  Nach  der  ersten  Nieder- 
lage des  Dänenkönigs  Waldemar  II.  1225  war  von  der  Grafschaft  Ratzeburg, 
die  nicht  wieder  restituiert  wurde,  noch  Wittenburg  an  die  Grafschaft  ge- 
kommen. Später  ist  das  Grafenhaus  in  drei  Linien  geteilt  :  Schwerin-Schwerin, 
Schwerin -Wittenburg  und  Schwerin-Boizenburg.  Im  Jahre  1357  starb  Otto 
von  Schwerin -Wittenburg,  mit  dem  Albrecht  und  Johann  von  Mecklenburg 
noch  kurz  vorher  in  Fehde  gelegen  hatten,  als  letzter  der  Schweriner  Grafen. 
Er  hinterliefs  keine  männlichen  Nachkommen,  jedoch  einen  Bruder  Nikolaus 
Grafen  von  Tecklenburg.  Entgegen  den  Erbselmftebestimmungen  ergriff  Albrecht 
von  dem  I>ande  Besitz,  wurde  jedoch  von  Nikolaus  zur  Herausgabe  gezwungen, 
(»leichwohl  hielt  es  Nikolaus  für  geratener,  die  Grafschaft,  die  von  seinem 
Tecklenburger  Besitz  zu  weit  gelegen  war,  an  die  Mecklenburger  Herzöge  zu 
verkaufen  (7.  Dezember  1358).  An  diese  fiel  somit  das  ganze  Land  mit  den 
Städten  Schwerin,  Wittenburg,  Neustadt,  Marniz  und  dem  halben  I^and  Lenzen. 
Vgl.  Lützow,  1.  c.  II,  193  f. 

Kleinere  Erwerbungen  Albrechts  waren  ferner  die  Pfandschaft  der  Städte 
Röbel,  Krakow  und  des  halben  Landes  Flau  von  der  Werle-Güstrowschen  Linie. 
Im  Lüneburger  Erbfolgekrieg  gewann  er  Stadt  und  Land  Dömitz  mit  Weningen, 
(iorlosen  und  Redesin,  die  früher  einen  Teil  der  Grafschaft  Dannenberg  ge- 
bildet hatten  und  dann  als  eröffnetes  Lehen  an  Sachsen -Wittenberg  zurück- 
gefallen waren. 

Das  Gebiet  der  Werl  eschen  Linie  stand  in  dem  angegebenen  Um 
fange  anfangs  unter  Nikolaus  I.    Im  Kampfe  mit  den  Markgrafen  von  Branden- 
burg mufste  er  diesen  Freienstein,  Wesenberg  und  einen  Teil  von  Turne  ab- 
treten.   Dagegen  erwarb  er  vom  Grafen  Gunzel  III.  von  Schwerin  1273  Stadt 
und  Land  Parchim ;   über  die  Vorgeschichte  dieser  Landschaft  s.  Lützow  H, 
*>4  f .  —  Unter  seinen  Söhnen  Heinrich  I.  und  Johann  I.  trat  eine  Teilung  des 
Landes  in  Werle-Güstrow  und  Werle-Parchim  ein.    Da  ersterer  von  seinen 
♦igenen  Söhnen  ermordet  und  diese  deswegen  aus  dem  Lande  vertrieben  worden 
waren,  so  vereinigte  Johanns  Sohn,  Nikolaus  IL,  wieder  sämtliche  Besitzungen. 
Sein  Vater  und  sein  Oheim  hatten  1282  von  ihrem  Verbündeten,  Herzog  Bogislaw 
von  Pommern  Stettin,  noch  Stadt  und  Land  Stavenhagen  erworben,  sowie  das 
im  Jahre  1252  gestiftete  Nonnenkloster  zu  Iwenack.  —   Im  Jahre  1314  war 
mit  Nikolaus  dem  Kinde  die  Rostocker  Linie  ausgestorben  (s.  unten),  und  die 
demselben  noch  verbliebenen  Lande  Kaldcn  und  Hanl  teilte  Nikolaus  II.  mit 
seinem  Vetter  Heinrich  von   Mecklenburg.    Sein  Territorium  wurde  lüerbei 
beträchtlich  erweitert.    Es  war  die  östliche  Hälfte  der  zwischen  den  Städten 


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360  VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 

Lage,  Gnoien,  Demmin,  Malchin  und  Teterow  liegenden  Landschaft  nebst  der 
Stadt  Neukalden.  welche  in  dieser  Teilung  Nikolaus  zufiel.  —  Nikolaus  II. 
starb  13  Iß;  das  Land  wurde  nach  ihm  zwischen  seinem  Bruder  Johann  II.  und 
seinem  Sohn  Johann  III.  in  Werle-Güstrow  und  Werle-Parchim  geteilt  (2.  De- 
zember 1316).  Johann  III.  von  Parchim,  der  in  Goldberg  seinen  Sitz  hatte, 
brachte  durch  Heirat  mit  der  Tochter  des  Herzogs  von  Pommern -Stettin 
Stavenhagen  mit  Ivenack,  welche»  1282  nur  unterpfändlich  dem  Werleschen 
Hause  gehörte,  als  völliges  Eigentum  an  sich.  Ferner  kaufte  er  die  Schlösser 
Meienburg  und  Freiensteiii,  mit  denen  er  vom  Markgrafen  Ludwig  belehnt  worden 
war.  (4.  Oktober  1332 — 23.  November  1334).  Mit  seinem  Enkel  Johann  IV.  starb 
das  Parehimer  (oder  Goldberger)  Haus  1375  aus  und  sein  Landgebiet  fiel  an 
die  Güstrower  Linie. 

In  der  Güstrower  Linie  war  nach  dem  Tode  Johanns  II.  (f  1337)  eine 
Teilung  unter  seinen  Söhnen  vorgenommen  worden,  nach  welcher  Nikolaus 
die  Lande,  Städte  und  Schlösser  Güstrow,  Krakow,  Plau  und  Kalden  erhielt. 
Bernhard  aber  jene  von  Röbel,  Wredenhagen,  Waren  und  Penzlin  (14.  Juli 
1347).    Sie  begründeten  die  Linien  Güstrow  bzw.  Waren. 

Das  Gebiet  der  Kostocker  Linie  hatte  unter  den  Nachkommen 
Borwins  Hl.  gestanden.  Sein  Enkel  Nikolaus  das  Kind  hatte  sich  in  be- 
drängter Lage  an  König  Erich  von  Dänemark  gewendet,  der  auch  zu 
seinen  Gunsten  eintrat,  im  Frieden  von  Schwan  aber  (22.  Juli  1301)  die  Herr- 
schaft Rostock  an  sich  brachte  und  jenem  Nikolaus  nur  die  Lande  Kaland 
und  Hard  (zwischen  Kalden  und  Malchin)  liefs.  Im  Jahre  1314  starb 
Nikolaus,  und  der  Rest  seines  Landbesitzes  wurde  an  die  anderen  Linien  auf- 
geteilt (s.  oben). 

Lü  tzow,  Versuch  einer  pragmatischen  Geschichte  von  Mecklenburg, 
3  Teile,  Berlin  1827—1835.  Boll,  Geschichte  Mecklenburgs,  2  Teile,  Neu- 
brandenburg 1855  f.    Pentz,  Geschichte  Mecklenburgs,  Wismar  1872. 

221.  Bistümer  Ratzeburg  und  Schwerin.  Das  Bistum  Ratzeburg 
war  bei  seiner  Gründung  mit  300  Hufen  Landes  ausgestattet  worden. 
Der  Bischofssitz  war  anfänglich  auf  dem  St.  Georgsberge  vor  der  Stadt, 
später  räumte  Graf  Heinrich  ihm  die  Insel  bei  seiner  Burg  ein  (die 
heutige  Stadt),  wo  die  Stiftskirche  an  der  Nordseito  des  alten  Polaben- 
berges  erbaut  wurde  (vor  1172).  Noch  im  XII.  Jh.  hatte  das  Stifts- 
gebiet einen  grofsen  Umfang  angenommen.  Es  reichte  von  der  Mündung 
der  Trave  bis  südlich  nach  Ratzeburg. 

Die  anfängliche  Ausstattung  des  Bistums  Schwerin  ist  durch  die 
Urkunde  vom  9.  September  1171  festgesetzt  worden.  Auch  ihm  wurden 
300  Hufen  Landes  zugesprochen  mit  zwei  Dörfern,  Borist  und  Virichim ; 
hierzu  gewisse  Parzellen  in  der  Stadt  Schwerin.  Abgesondert  von  diesem 
lag  ein  zweiter  Güterkoniplex  im  Lande  Pribislaws  ■  das  Land  Bützow, 
die  Insel  Lieps  bei  Dobbin,  sechs  Dörfer  im  Lande  Ilow  und  Goderac 
und  einige  andere. 

Wegen  Ratzeburg  vgl.  Masch,  Geschichte  des  Bistums  Ratzeburg,  Lübeck 
1835.  von  Kobbe,  Geschichte  und  Landesbeschreibung  des  Herzogtums 
Lauenburg,  Altona  189t»,  I.  285  IT..  288  IT.,  wo  ein  Verzeichnis  aller  zugehörigen 
Ortschaften  gegeben  ist.  Ein  bischöflicher  Hof  war  Verchow  am  Südufer  des 
Sees,  wo  die  Bischöfe  auf  einem  Berge  ein  Schlofs  hatten,  welches  sie  oft  zu 
ihrem  Wohnsitz  wählten,  weil  sie  ungern  in  Ratzeburg  neben  den  Herzögen 
residierten. 


222.  Herzogtum  LauenbuiR. 


361 


Wigger,  Die  Ausstattung  des  Bistums  Schwerin,  in  Mecklenburg.  Jahrbb. 
28,  197 — 212;  erörtert  ausführlich  die  einzelnen  Teilstücke  des  Stiftes  und  ihre 
Grenzen. 

222.  Herzogtum  Lauenburg.  Das  l'olabenland  war  voii  dem  Herzog 
von  Sachsen,  Heinrich  dem  Löwen,  erobert  worden,  der  das  Land  als 
freies  Eigentum  betrachtete,  ohne  vom  Kaiser  belehnt  zu  sein.  Es  um- 
fafste  das  Gebiet  bis  zur  Steckenitz.  Östlich  von  ihr  lag  die  Grafschaft 
Ratzeburg.  Diese  nach  dem  Hauptort  Racesburg  benannte  Grafschaft 
war  an  Heinrich  von  Badewide  gegeben  worden,  als  dieser  aus  Nord- 
albingien  verdrängt  worden  war.  Seine  Nachkommen  blieben  in  der 
Grafschaft  bis  1200,  als  mit  Bernhard  III.  der  letzte  des  Hauses  starb. 
Sein  Stiefvater  Adolf  von  Dassel  folgte,  doch  wurde  er  von  dem  siegreich 
vordringenden  Dänenkönig  Waldemar  II.  vertrieben.  Letzterer  ernannte 
seinen  Verwandten,  Albrecht  von  Orlamünde,  zum  Statthalter  der  nord- 
elbischen Lande  mit  den  Titeln  und  Würden  der  vier  Grafschaften 
Holstein,  Stormarn,  Ratzeburg  und  Wagrien.  Sein  Gebiet  im  späteren 
Herzogtum  Lauenburg  erstreckte  sich  weiter  als  das  der  bisherigen 
Grafen  von  Ratzeburg,  da  auch  Lauenburg  dazu  gerechnet  wurde,  sowie 
die  Landschaft  Sadelbande  nebst  Bergedorf.  Dies  änderte  sich  alles,  als 
Waldemar  II.  1227  bei  Bornhöved  gesehlagen  und  verdrängt  worden  war. 
Seit  diesem  Jahre  datiert  auch  das  Herzogtum  Lauenburg,  welches  Herzog 
Albrecht  I.  von  Sachsen,  der  Sohn  Bernhards  von  Sachsen,  erhielt.  Es 
umfafste  noch  einen  Teil  der  ehemaligen  Grafschaft  Ratzeburg.  Sein 
Sohn  Johann  I.  wurde  der  Stifter  der  Herzogslinien  von  Lauenburg. 
Unter  dessen  Söhnen  fand  um  1305  eine  Teilung  des  Landes  statt.  Der 
ältere  Bruder,  Johann  IL,  erhielt  den  dritten  Teil  des  Landes  Bergedorf 
und  Mölln,  während  Erich  I.  und  Albrecht  III.  (der  aber  1308  schon 
ohne  Nachkommen  starb),  Lauenburg  und  Ratzeburg  erhielten.  Da  Erich 
somit  zwei  Drittel  im  Besitz  hatte,  wurde  nach  mancherlei  Streitigkeiten 
1321  nochmals  geteilt.  Auch  das  Land  II  ad  ein,  ehemals  ein  Teil  der 
Grafschaft  Stade  und  seit  Kaiser  Lothar  im  weifischen  Besitz  gewesen, 
wurde  entsprechend  geseilt.  So  stand  das  Läudchen  einige  Zeit  lang 
unter  zwei  Linien,  der  Bergedorfer  und  der  Lauenburger  Linie. 

Heinrich  von  Badewide  war  vom  Grafen  Albrecht  von  Ballenstedt  (der 
Bär)  in  Nordalbingien  eingesetzt  worden,  als  dort  Adolf  II.  als  Parteigänger 
Heinrichs  des  Stolzen  vertrieben  war.  Nach  manchen  Zwischenfällen  wurde 
Heinrich  von  Badewide  wieder  verdrängt  und  auf  Ratzeburg  beschränkt.  Er 
übertrug  hierbei  die  schon  über  Holstein  und  Wagrien  behaupteten  Grafentitel 
auf  das  Ratzenburger  Land.  Diese  Grafschaft  umfafste  die  drei  Landschaften 
Ratzeburg,  Wittenburg  und  Gadebusch  nebst  Rehna,  Zarrentin  und  Vogtei 
Mölln.  Die  Lande  Sadelbande  und  Gammc  gehörten  dem  sächsischen  Herzog 
eigentümlich.  Die  Steckenitz  schied  Sadelbande  von  der  Grafschaft.  Kobbe, 
Gesch.  u.  Landesbeschrbg.  des  Hzgt  Lauenburg,  Altona  1836,  I,  12X. 

Als  Albrecht,  Herzog  von  Sachsen,  an  dem  Kampfe  gegen  Waldemar  II. 
sich  beteiligte,  liefs  er  sich  zuvor  die  Grafschaft  Ratzeburg  abtreten  und  nach 
Gefangennahme  Albrechts  von  Orlamünde  von  diesem  auch  das  Lauenburger 
Land.  So  kam  dieses  Gebiet  an  die  Bächsischen  Herzöge  und  verblieb  ihnen 
bis  zum  Jahre  1089. 


362 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


Die  Teilungsurkunde  von  1321  ist  nicht  erhalten,  doch  sind  wir  durch 
anderweitige  Nachrichten  über  die  Abteilung  unterrichtet.  Die  Herzöge  zu 
Bergedorf  und  Mölln  besafsen  Bergedorf  und  die  Vierlande  nebst  Hagede  und 
einen  Teil  des  Sachsen waldes ;  ferner  im  N.  des  Landes  Panten  unweit  der 
Steckenitz,  Behlendorf,  Gieseldorf  u.  a.  Die  Lauenburger  Herzöge  besafsen 
aufser  Lauenburg  und  Ratzeburg  acht  Reinbecksche  Dörfer,  die  Riefsenburg, 
den  Krawel  und  Amt  Steinhorst.  Von  Hadeln  gehörte  der  gröfste  Teil  den 
Bergedorfern,  mit  Otterndorf,  der  andere  Teil  den  Lauenburgern,  mit  den 
Dörfern  Wolden  und  Groden  und  das  Kirchspiel  zu  Northlede.  Auch  Ritzebüttel 
gehörte  ihnen.    Kobbe,  1.  c.  II,  48  ff. 

22$.  Grafschaft  Holstein  stand  unter  den  Nachkommen  des  Grafen 
Adolf  IV.,  der  sich  1239  von  der  Herrschaft  des  Landes  zurückgezogen 
hatte.    Seine  beiden  Söhne  gründen  zwei  Linien-  Johann  I.  die  Kieler 
Linie  und  Gerhard  I.  die  Itzehoer  Linie.    Johann  I.  starb  1263  unter 
Hinterlassung  zweier  unmündiger  Söhne  (Adolf  V.  und  Johann  IL).  Als 
sie  herangewachsen,  fand  1273  eine  Teilung  des  Landes  im  Verein  mit 
ihrem  Oheim  Gerhard  I.  statt.    Gerhard  I.  behielt  für  sich  die  Stamm 
herrschaft  Schauenburg  an  der  Weser  (s.  d.)  und  von  Holstein  den  nord- 
westlichen Teil  von  der  Elbe  bis  zur  Eider,  ferner  im  S.  einen  Land- 
strich von  der  Elbe  bei  Wedel  bis  zur  Ostsee  bei  Travemünde  und  den 
nördlichen  Teil  von  Wagrien.    In  das  übrige  teilten  sich  seine  Neffen, 
von  denen  Adolf  V.  zu  Segeberg  seinen  Sitz  nahm  und  Johann  II.  zu 
Kiel.   Unter  den  drei  Söhnen  Gerhards  I.  fand  1294  nochmals  eine  Teilung 
statt  und  eine  Spaltung  in  drei  Linien:  Adolf  VI.  erhielt  die  Stamm- 
herrschaft  Schauenburg  und  hierzu  im  südlichen  Holstein  die  Herrschaft 
Pinneberg,  während  Gerhard  II.  die  Plönsche  Linie  stiftete  und  Heinrich  1. 
die  Rendsburgische,  beide  mit  zugehörigen  Territorien.    Es  zerfiel  die 
Grafschaft  Holstein  somit  in  fünf  Einzelherrschaften,  die  trotz  der  Teilung 
staatsrechtlich  eine  Einheit  bildeten.   Durch  Erlöschen  einiger  Linien  trat 
eine  Veränderung  im  Territorialbestande  der  anderen  ein.    Adolf  von 
Segeberg  starb  kinderlos,  und  der  gröfsere  Teil  seines  Landes  fiel  an 
Johann  II.  von  Kiel.    Da  des  letzteren  Söhne  vor  dem  Vater  starben, 
so  ist  auch  sein  Territorium  1316  erledigt;  dieses  erhält  nun  nach  einigen 
Zwischenfällen  Johann  III.  aus  der  Plöner  Linie.   Auch  die  Anteile  dieser 
Linie  an  Holstein  fielen  Johann  III.  (mit  dem  Reinamen  der  Milde)  zu. 
als  sein  Neffe  Gerhard  V.  1350  gestorben  war.    Die  bedeutendste  Per- 
sönlichkeit des  Grafenhauses  ist  im  XIV.  Jh.  Gerhard  III.,  der  Grofs*- 
gewesen.    Er  legte  den  Grund  zu  der  späteren  Vereinigung  mit  dem 
Herzogtum  Schleswig.  Denn  nach  Besiegung  dos  Dänenkönigs  Christoph  II 
verhalf  er  seinem  Neffen  Waldemar  V7.  zur  dänischen  Krone  und  liefs 
sich  von  ihm  1326  das  Herzogtum  Schleswig  erblich  als  Lehen  über- 
tragen.    Die  Constitutio  Wahlemariana  bestimmte,  dafs  das  Herzogtum 
niemals  wieder  mit  dem  dänischen  Königreich   unter  einem  einzigen 
Herrscher  verbunden  werden  solle.    Später  erreichte  er  es  noch  von 
dem  wiedereingesetzten  König  Christoph  IL,  dafs  nach  dem  Aussterbt-n 
des  herzoglichen  Hauses  das  Herzogtum  Schleswig  an  ihn  bzw.  sehn- 
Erben  fallen  sollte.    Im  Jahre  1375  trat  dieser  Fall  ein.    Die  herzogliche 
Linie  in  Schleswig,  ebenso  wie  die  königliche  Linie  in  Dänemark  starben 


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3(U 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


aus,  und  Gerhards  Söhne,  Heinrich  der  Eiserne  und  Klaus,  liefseu  sich 
im  Herzogtum  huldigen. 

Holstein,  das  Land  der  Holsaten  (Holtsassen),  wurde  naeh  seinen  Be 
wohnern  Holsatia  genannt;  in  dieser  Form  urkundlich  zuerst  im  Jahre  1141. 
Indessen  begriff  man  im  Mittelalter  unter  diesem  Namen  nicht  die  ganze 
heutige  Provinz  Holstein.  Diese  bestand  viebnehr  aus  vier  Landschaften,  die 
nach  ihren  Stämmen  benannt  wurden:  1.  Dithmarschen,  im  W.  an  der  Nord- 
seeküste  zwischen  Eider  und  Elbe;  2.  das  eigentliche  Holstein,  zwischen  der 
Schwentine,  Eider,  Gieselau  und  Stör;  3.  Stormarn,  zwischen  der  Bille,  Trave 
und  Stör;  4.  Wagrien,  an  der  Ostsee  bis  zur  Schwentine  und  Trave.  —  Den 
Grundstock  der  Bevölkerung  der  drei  ersten  Landschaften  bildeten  die  nord- 
albingischen  Sachsen,  während  in  Wagrien  ursprünglich  Slaven  salsen  (S.  171). 

Durch  Kaiser  Heinrich  I.  war  die  deutsche  Reichsgrenze  über  die  Eider 
hinaus  bis  zur  Schlei  und  dem  Danewirk  vorgerückt  worden.  Diese  sog. 
Mark  Schleswig  wurde  aber  unter  Kaiser  Konrad  II.  1028  an  Knud  den 
(Jrofsen  abgetreten,  und  fortan  bildete  die  Eider  wieder  die  Grenze. 

Im  Jahre  9(51  war  das  Herzogtum  Sachsen,  zu  welchem  auch  Holstein 
und  Stormarn  gezählt  wurden,  von  Kaiser  Otto  I.  an  Hermann  Billung  ver 
geben  worden.  Durch  letzteren  wurde  ein  Graf  über  Holstein  und  Stormarn 
eingesetzt,  der  meist  in  Hamburg  seinen  Sitz  hatte.    Dithmarschen  mit  der 


trennt  gewesen  und  gehörte  zur  Grafschaft  Stade.  Wagrien  stand  aber  als 
tributärpf lichtiges  Land  damals  noch  unter  wendischen  Fürsten.  Bis  1106 
hatten  die  BUlungischen  Herzöge  und  deren  Grafen  Holstein-Stonnam  be- 
herrscht, dann  folgte  Lothar  Graf  von  Supplinburg,  der  den  Grafen  Adolf 
von  Schauenburg  1110  als  Grafen  über  jene  Lande  einsetzte,  die  von  da 
an  häufig  unter  dem  gemeinsamen  Namen  ^Holstein«  zusammengefafst  wurden. 
Waitz  I,  49  ff.    Bremer,  S.  50. 

Im  Jahre  1139  wird  auch  Wagrien  erobert,  1143  mit  Holstein  vereinigt 
und  der  wendischen  Herrschaft  in  jenem  Lande  für  immer  ein  Ende  gemacht. 

Im  übrigen  vgl.  Waitz,  Schleswig-Holsteins  Geschichte,  Göttingen  1851. 
I.  Bd.  Bremer,  Geschichte  Schleswig  -  Holsteins,  Kiel  1864.  Frölich. 
Geschichte  Schleswig-Holsteins,  Flensburg  1896  (ist  in  den  Abschnitten  der 
älteren  Geschichte  nur  «'in  Auszug  aus  Bremer). 

224.  Herzogtum  Schleswig  hatte  von  Anfang  an  mehr  in  engeren 
Beziehungen  zum  dänischen  Königreich  gestanden,  wurde  aber  innerhalb 
desselben  als  ein  gesondertes  Land  behandelt  und  durch  Teilung  des 
Hauses  in  eine  königliche  und  herzogliche  Linie  als  Familien-Erblehen 
in  Anspruch  genommen.  Seit  Knud  dem  Grofsen  reichte  Schleswig  wieder 
bis  zur  Eider  und  Levensau  (1028).  Die  Versuche  seiner  Nachfolger, 
den  Machtbereich  weiter  nach  S.  auszudehnen,  führten  zu  fortwährenden 
Konflikten  mit  den  holsteinsehen  Grafen.  Knud  Laward  erreichte  es 
1115  vom  Dänenkönig  Niels,  dafs  ihm  die  Statthalterschaft  über  Schleswig 
verliehen  und  er  selbst  zum  Herzog  über  dieses  Land  ernannt  wurde 
Hiermit  war  der  Grund  zu  einer  selbständigen  Stellung  des  Landes 
gelegt.  Eine  Vereinigung  mit  dem  Königreich  trat  unter  den  Nachfolgern 
aber  mehrfach  wieder  ein,  da  die  Herzöge  von  Schleswig  (Waldemar  I. 
und  II.)  auch  auf  den  dänischen  Königsthron  gelangten;  jedoch  suchten 
sie  dann  das  schleswigsche  Land  als  ihre  persönliche,  von  der  Verwaltung 
Dänemarks  getrennte  Domäne  zu  behaupten.  Unter  Waldemar  II.  war 
auch  Holstein  nach  Vertreibung  des  dortigen  Grafen  Adolf  III.  (1202) 


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225.  Königreich  Dänemark. 


365 


zeitweilig  an  Schleswig  gefallen ;  die  Schlacht  von  Bornhöved  1 227  setzte 
dem  Siegeslaufe  Walderaars  aber  ein  Ziel.  Unter  seinen  Söhnen  trat 
die  Teilung  in  zwei  Linien  ein,  von  denen  Abel  als  Herzog  von  Schleswig 
die  herzogliche  Linie  begründete.  Ihr  gehörte  auch  Waldemar  V.  an, 
der  mit  Hilfe  seines  Oheims,  Gerhards  des  Grofsen  von  Holstein,  zum 
Thron  gelangte  und  Schleswig  als  ein  dänisches  Lehen  an  Gerhard  verlieh 
(8.  Holstein).  Mit  Waldemars  V.  Sohn  Heinrich  starb  die  herzogliche 
Linie  1375  aus,  und  mit  Berufung  auf  die  getroffenen  Vereinbarungen 
ergriffen  die  holsteinschen  Grafen  von  dem  Lande  Besitz,  nicht  ohne 
Widerspruch  von  seiten  Dänemarks. 

Das  Herzogtum  Schleswig  erscheint  erst  seit  dem  Jahre  1393  unter 
diesem  Namen,  und  erst  seit  1448  ist  er  der  politisch  allein  geltende  geblieben. 
Als  Knud  Laward  1115  Herzog  ward,  nannte  man  das  Land  »Jütland«  und 
wohl  auch  Süd-Jütland  (dänisch:  Söndcrjülland)  im  Gegensatz  zum  nörd- 
lichen Teil. 

Im  XLV.  Jh.  bestand  es  noch  aus  drei  Provinzen,  von  denen  1.  die 
südlichste  die  ehemalige  Mark  Schleswig  zwischen  Eider  und  Schlei  umfafste 
(1028  von  Kaiser  Konrad  II.  abgetreten)  und  einen  besonderen  Bestandteil 
bildete;  2.  das  eigentliche  Schleswig  (Süd-Jütland)  reichte  von  der  Skodborg- 
Aue  an  der  Grenze  Nord-Jütlands  bis  an  die  südlichen  Buchten  der  Schlei : 
Haddebyer  Noer  und  Selker  Noer.  Von  hier  ging  das  Danewirk  nach  W. 
und  der  sog.  Osterwall  bis  zur  Eckernförde  nach  O. ;  3.  Nordfriesland  war 
gegen  Süd-Jütland  durch  die.  Treene  sowie  die  Soholm-  und  Leck -Aue  ge- 
schieden. Die  trotzige,  freiheitliebende  Bevölkerung  dieses  Landes  hatte  eine 
vollständige  Angliederung  an  Jütland  lange  Zeit  verhindert.  Erst  nach  den 
grofsen  Überschwemmungen  von  1354  und  1362  fand  ein  loser  Anschlufs  statt. 
Cf.  Ba  ggesen,  Der  dänische  Staat,  Kopenhagen  1847,  II,  174  f.  —  Da.« 
eigentliche  Schleswig  war  in  drei  Gaue  oder  Svssel  geteilt:  Barwith-Syssel,  der 
nordöstliche  Teil,  Ellum-Syssel,  der  mittlere  teil,  westlich  und  südlich  von 
ienem,  und  lstate-Syssel,  der  südlichste  Teil.  Diese  Syssel  zerfielen  in  kleinere 
Verwaltungsbezirke,  sog.  Harden.  Bremer,  Geschichte  Schleswig-Holsteins, 
1864,  S.  48.    Waitz,  Schlcsw.-Holst.  Gesch.  I,  149. 

Nordfriesland  hat  niemals  eine  staatliche  Einheit  gebildet;  nur  das 
Gefühl  nationaler  Zusammengehöhrigkeit  hatte  in  Zeiten  der  Not  einen  Zu- 
sammenschlufs  zur  Folge.  Das  Land  war  ebenfalls  in  Harden  eingeteilt.  Die 
friesische  Vorgeest  bestand  aus  den  drei  Geestharden,  Karrharde,  Nordergoes- 
harde  und  Südergoesharde,  und  gehörte  zum  Herzogtum  Schleswig.  Dagegen 
hielten  sieh  die  Bewohner  der  Utlande  (Aufsenlande),  d.  h.  der  Marsehharden 
und  Inseln :  die  sog.  Königsfriesen,  lange  Zeit  noch  mehr  oder  weniger  unab- 
hängig. Die  Aufsenlande  umfafsten :  die  Landschaft  Eidelstedt,  aus  drei  Inseln 
und  Harden  Eiderstedt,  Eversehop  und  Utholm  bestehend,  ferner  den  Strand, 
eine  Landschaft  mit  fünf  Harden,  die  bis  auf  einige  Stücke  vom  Meere  ver- 
schlungen wurden,  so  dafs  noch  blieben  die  Bökingharde  und  Horsbüllharde, 
die  Inseln  Föhr  und  Svlt,  Aufserdem  gehörte  hierzu  die  ferne  Insel  Helgoland. 
Cf.  Bremer,  L  c.  S.  178  f.    W  aitz,  Seh  lesw.  Holst.  Gesch.  I,  12«  ff. 

225.  Königreich  Dänemark.  Infolge  der  Lage  und  natürlichen 
Umgrenzung  war  das  Königreich  immer  ein  geschlossener  Staat  gewesen. 
Eine  weitere  Mach tent Wickelung  konnte  daher  nur  in  einer  Eroberungs- 
politik zum  Ausdruck  kommen.  Wie  nach  Skandinavien  hinüber,  von 
dem  die  südliche  Landschaft  Schonen  schon  immer  einen  Teil  des 
dänischen  Reiches  ausgemacht  hatte,  so  gritV  der  Machtbereich  auch 


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366 


VI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1375. 


nach  S.  und  O.  zeitweise  weit  aus.  König  Waldemar  II.  (1202—1241) 
hatte  die  Eroberung  der  Ostseeländer  sich  zum  Ziel  gesetzt.  Die  Reichs- 
gebiete zwischen  der  Eide  und  Elbe  waren  ihm  vom  Kaiser  Friedrich  II. 
förmlich  abgetreten  worden,  und  der  Kreuzzug  gegen  die  Esten  hatte 
die  Ostküste  des  Baltischen  Meeres  in  seine  Gewalt  gebracht.  Rügen 
und  Vorpommern  waren  gleichfalls  dänisches  Gebiet;  auch  in  Mecklenburg 
konnte  er  herrisch  auftreten.  Die  Schlacht  von  Bornhöved  (1227)  brach 
seine  Macht.  Nur  das  Herzogtum  Schleswig  (s.  vorher)  blieb  in  loser 
Verbindung  mit  dem  Königreich.  —  Eine  innere  Gliederung  und  Zer- 
splitterung des  Staates  durch  Erbteilung  war  durch  die  Verfassung  aua- 
geschlossen; der  nächste  Erbe  empfing  allein  die  Krone,  sobald  er  die 
huldigende  Anerkennung  des  Volkes  gefunden  hatte.  Dies  hinderte 
freilich  nicht,  dafs  eine  Zerstückelung  des  Reiches  durch  Belelmungen 
und  Verpfändungen  vorübergehend  eintrat,  wie  es  besonders  beim  Tode 
König  Christophs  II.  1333  der  Fall  war.  Doch  hatte  Waldemar  IV.  alles 
wieder  zu  einem  Ganzen  vereinigt,  ohne  es  indessen  zusammenhalten  zu 
können. 


VII.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1375. 


226.  Die  germanische  Kolonisation.    Karl  der  Grofse  und  die 
sächsischen  Kaiser  hatten   die   ersten  erfolgreichen  Vorstöfse   in  die 
Slavenländer  östlich  der  Elbe  getan.   Indessen,  das  Werk  der  Christiani- 
sierung und  Germanisierung  machte  infolge  des  heftigen  Widerstandes 
seitens  der  slavischen  Bevölkerung  nur  sehr  langsame  Fortschritte.  In 
<leu  Sorbenländern  östlich  der  Saale  bis  zum  Bober  ist  es  seit  Kaiser 
Otto  I.  freilich  zu  einer  gröfseren  Reaktion  nicht  mehr  gekommen,  um 
so  mehr  aber  in  den  Ländern  nördlich  bis  zur  Ostseeküste.'  Der  grofse 
Slavenaufstand  des  Jahres  983  hatte  die  erstmaligen  Erfolge  wieder  zu- 
nichte gemacht.   Erst  mit  dem  XII.  Jh.  wird  das  Werk  der  Kolonisierung 
wieder  in  grofsem  Stile  in  Angriff  genommen;  die  slavische  Bevölkerung 
wird  teils  verdrängt  oder  wenigstens  eingeschränkt,  teils  geht  sie  unter 
*ler  deutschen  auf.    Graf  Adolf  II.  von  Schauenburg,  Heinrich  der  Löwe, 
Albrecht  der  Bär,  dann  auch  geistüche  Fürsten  wie  Erzbischof  Wich- 
.?ram  von  Magdeburg,  sowie  der  Orden  der  Zisterzienser  und  Prämon- 
stratenser  sind  die  tatkräftigsten  Förderer  der  Germanisierung  Ostelbiens 
gewesen.    Eine  dauernde  Herrschaft  über  das  Land  liefs  sich  nicht  durch 
♦  ine  einfache  Eroberung  bewerkstelligen,  sondern  nur  durch  eino  mit 
System  und  Methode  betriebene  Kolonisierung.    Der  in  der  Kultur  zurück- 
gebliebene Slave  wurde  im  wirtschaftlichen  Betriebe  vom  Deutschen  sehr 
leicht  überholt,  und  da  der  deutsche  Einwanderer  von  vornherein  mit 
besonderen  Vorrechten  ausgestattet  worden  war,  so  machte  er  ihn  auch 
sozial  von  sich  abhängig.    Die  Germanisierung  war  in  den  Ländern  bis 
zur  Oder  im  XII.  und  XIII.  Jh.  im  grofsen  ganzen  durchgeführt,  bis 
zum  Schlufs  des  XIV.  Jh.  folgten  auch  die  östlicher  liegenden  Länder  nach. 

Von  den  deutschen  Volkselementen,  die  im  Koloniallande  Fufs 
fafsten,  kommen  besonders  niederfränkisch-flämische,  säehsisehe,  thürin- 
gische und  friesische  Kolonisten  in  Betracht.  Die  Küstengebiete  der 
Ostsee,  nämlich  Ostholstein,  Mecklenburg,  Pommern  bis  zur  Oder  mit 
Rügen,  sind  vorzugsweise  von  Sachsen  besiedelt  worden,  die  binnenwärts 
gelegenen  Gebiete,  besonders  die  märkischen,  dagegen  von  Niederländern ; 
doch  lassen  sich  auch  hier  sächsische  Kolonisten  nachweisen,  wie  denn 


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368  VII.  Kulturgeographie  um  daa  Jahr  1376. 

überhaupt  nicht  immer  ausschließlich  das  eine  oder  andere  Stammes- 
element in  einem  Gebiet  vertreten  war.  In  den  südlichen  Landschaften 
Nordostdeutschlands  waren  neben  den  Franken  besonders  Thüringer  zu 
finden ;  dies  gilt  für  die  Länder  östlich  der  Saale,  für  Sachsen  und  Schlesien. 

Die  Hauptquelle  für  die  Kolonisation  Ostdeutschlands  bildet  die 
Slavenchronik  Helmolds,  der  vielfach  aus  eigener  Anschauung  berichten 
konnte,  aber  sich  nicht  immer  frei  von  Übertreibungen  gehalten  hat. 
Seine  Angaben  von  der  grol'sen  Masse  der  Einwanderer  sind  von  der 
Kritik  angezweifelt  worden.  Neben  den  direkten  historischen  Nachrichten 
dienen  auch  die  Orts-  und  Strafsennamen  als  Quelle,  sowie  teilweise  die 
sprach  wissenschaftliche  Erforschung  der  Mundarten. 

Das  weitaus  gröfste  und  verbreitetste  Kontingent  scheinen  die 
niederländischen  oder  niederfränkisch-flämischen  Kolonisten  gebildet  zu 
haben.  Ihr  Auftreten  reicht  bis  in  den  Anfang  des  XII.  Jh.  zurück, 
wo  sie  zunächst  als  Kolonisten  der  Marschgebiete  an  der  deutschen 
Nordseeküste  bekannt  werden.  Denn  nicht  immer  handelte  es  sich  um 
eine  Germanisierung,  sondern  vielfach  um  eine  Neubesiedelung  unbewohnter 
Landstriche.  Die  in  der  Wasserbaukunst  schon  erfahrenen  Niederländer 
wurden  mit  Vorliebe  in  den  Marschländern  der  Nordseeküste  und  den 
Bruchgebieten  der  ostelbischen  Länder  als  Kolonisatoren  verwendet. 
Zuerst  war  es  Erzbischof  Friedrich  I.  von  Bremen,  der  einem  Zuge 
holländischer  Auswanderer  aus  der  Gegend  von  Utrecht,  die  um  Land 
baten,  das  Gebiet  zwischen  Weser  und  Wümme  anwies  (1106).  Das 
Hollerland  östlich  von  Bremen  weist  schon  dem  Namen  nach  auf  sie 
hin.  Auch  das  nördlich  von  Bremen  gelegene  Blockland  wurde  schon 
in  der  ersten  Hälfte  des  XII.  .Jh.  teilweise  kultiviert,  desgleichen  das 
Worderland  zwischen  Lesum  und  Weser.  In  Osterstade  scheint  Anfang 
des  XII.  Jh.  eine  bedeutende  Hinwanderung  stattgefunden  zu  haben,  wie 
die  Ortsnamen  zeigen,  wenn  auch  urkundliche  Nachrichten  nicht  vor 
liegen.  Noch  beträchtlicher  war  die  Kolonisation  auf  dem  linken  Weser- 
ufer von  der  Hunte  aufwärts,  im  oldenburgischen  Stcdingerland  und 
bremischen  Vieland.  Auch  nach  dem  Elbgebiet  griff  die  Kolonisation 
hinüber.  Das  Alte  Land  und  Kehdingen  (1204  als  Terra  Stadensis  zu- 
sammengefafst)  wurden  in  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jh.  von  Nieder- 
ländern besetzt;  um  die  Kolonisierung  «lieser  Gebiete'  hatte  sich  Erz- 
bischof Hartwig  von  Stade  grofse  Verdienste  erworben.  In  Nordalbingien 
hatte  besonders  der  hl.  Vicelin  gewirkt.  Durch  ihn  wurden  die  Kremper 
Marsch  zwischen  Stör  und  Ell»-  und  die  westlich  gelegene  Wüster  Marsch 
kultiviert.  Am  folgenreichsten  wurde  das  Eingreifen  des  Grafen  Adolf  II. 
von  Schauenburg,  der  neben  seinem  Ilolsteiner  Lande  1139  auch  noch 
das  den  Slaven  abgenommene  Land  Wagrien  erhielt,  Helmold  T,  57 
bemerkt  hierzu:  »Weil  aber  das  Land  menschenleer  war,  so  sandte  er 
Boten  aus  in  alle  Lande,  nach  Flandern  und  Holland,  nach  Utrecht, 
Westfalen  und  Friesland,  und  liefs  alle  die,  welcho  um  Land  verlegen 
wären,  auffordern,  mit  ihren  Familien  hinzukommen  .  .  .  Diesem  Auf- 
rufe folgend,  erhob  sich  eine  unzählige  Menge  aus  verschiedenen  Völkern 
und  sie  kamen  mit  ihren  Familien  und  ihrer  Habe  in  das  Land  der 


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22t».  Die  germanische  KoloniHation. 


369 


Wagiren  zum  Grafen  Adolf,  um  das  Land,  das  er  ihnen  versprochen, 
in  Besitz  zu  nehmen.  Zuerst  erhielten  die  Holzaten  Wohnsitze  an  sehr 
sicheren  Orten  im  W.  bei  Sigeherg  am  Travenaflufs ;  auch  das  Gefilde 
von  Zwentinefeld  und  alles,  was  sich  vom  Sualenbache  bis  nach  Agri- 
mesou  (bei  Tensebeck  östlich  von  Bornhöved)  und  bis  zum  Plunersee 
erstreckt.  Das  Darguner  Land  (Gegend  von  Ahrensboek)  bezogen  die 
Westfalen,  das  Utiner  (Eutin)  die  Holländer,  Susle  (Süsel  im  Amt 
Ahrensboek)  die  Friesen.  Das  Pluner  Land  war  noch  unbewohnt. 
Aldenburg  aber  und  Lutilenburg  sowie  die  anderen  Küstengegenden  gab 
er  den  Slaven  zu  beziehen,  und  diese  wurden  ihm  zinspflichtig.«  Das 
Gebiet,  in  welchem  die  Kolonisten  angesiedelt  wurden,  reichte  demnach 
von  Plön  und  Segeberg  bis  östlich  an  die  Neustädter  Bucht.  Um  dieselbe 
Zeit  (1142)  wurden  auch  im  Mecklenburgischen,  im  Lande  der  Polaben 
(Ratzeburg  und  Lauenburg),  Westfalen  angesiedelt  (Helmold  I,  91);  des- 
gleichen im  Obotritenlande  (1160),  wo  Heinrich  der  Löwe  mehrere  Burg- 
vögte eingesetzt  hatte,  unter  anderen  einen  Edelmann  Heinrich  von 
Scathen  zu  Mikilinburg  (südlich  von  Wismar),  der  auch  von  Flandern 
eine  Menge  Leute  herbrachte  und  sie  in  Mikilinburg  selbst  und  auf  dem 
ganzen  Gebiet  der  Stadt  sich  anbauen  liefs*  (I,  87).  Diese  wurden  vier 
Jahre  später  von  den  Slaven  sämtlich  niedergemetzelt  (II,  2).  Gleich- 
wohl waren  noch  an  anderen  Orten  des  Landes  immerhin  Kolonisten 
vorhanden,  »Fläminger  und  Holländer,  Sachsen  und  Westfalen«.  Helmold 
konnte  1171  seine  Chronik  mit  den  Worten  schliefsen:  >  Das  ganze 
Gebiet  der  Slaven  von  der  Eider  an  der  Grenze  des  Dänenreichs  zwischen 
dem  Baltischen  Meere  und  der  Elbe  durch  weite  Länderstreekan  hin  ist 
jetzt  gleichsam  eine  einzige  grofse  Ansiedelung  der  Sachsen  geworden, 
in  der  Städte  und  Dörfer  erbaut  werden  und  die  Zahl  der  Kirchen  und 
Diener  Christi  zunimmt,  -  Aber,  auch  die  slavisehen  Fürsten  beförderten 
schliefslich  die  deutsche  Einwanderung;  eben  jener  Pribislaw,  der  Mikilin- 
burg zerstört  hatte,  trat  zum  Christentum  über,  stiftete  das  Kloster 
Doberan  und  begünstigte  hierdurch  den  deutschen  Zuzug. 

Nicht  weniger  umfassend  war  die  deutsche  Ansiedelung  in  der 
Altmark  und  Mittehnark  z.  Z.  Albrechts  des  Bären.  Auch  hierfür  ist 
Helmold  (I,  *K)  die  wichtigste  Quelle:  Zuletzt,  da  die  Slaven  allmählich 
verschwanden,  schickte  er  (Albrecht)  nach  Utrecht  und  den  Rhein- 
gegenden, ferner  zu  denen,  die  am  Ozean  wohnen  und  von  der  Gewalt 
des  Meeres  zu  leiden  hatten,  nämlich  an  die  Holländer,  Seeländer  und 
Fläminger,  und  zog  von  dort  gar  viele  Ansiedler  herbei,  die  er  in  den 
Burgen  und  Flecken  der  Slaven  wohnen  liel's.  Durch  die  herbeikommenden 
Fremden  wurden  auch  die  Bistümer  Brandenburg  und  Havelberg  sehr 
gehoben,  weil  die  Kirchen  sich  mehrten  und  die  Zehnten  zu  einem 
ungeheuren  Ertrage  erwuchsen.  Aber  auch  das  südliche  Elbufer  begannen 
zu  derselben  Zeit  die  Holländer  zu  bewohnen.  Sie  besai'sen  von  der 
Burg  Soltwedel  an  alles  Sumpf-  und  Ackerland,  nämlich  das  Balsemer 
und  Marschier  Land  mit  vielen  Städten  und  Flecken  bis  zum  Böhmer- 
walde hin.  Mag  dieser  Bericht  auch  manche  Übertreibungen  enthalten, 
so  lälst  sich  ein  starker  Zuzug  holländischer  Familien  nicht  in  Abrede 

Kretschiner,  Eliatori  sehe  <;eoernj>bie.  24  . 


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370 


VII.  Kulturgeographie  um  daB  Jahr  1375. 


stellen,  denn  auch  sonst  liegen  uns  Zeugnisse  hierfür  vor.  Im  Elbgebiet 
weiter  südlich  hatte  Erzbischof  Wichmann  von  Magdeburg  eine  fruchtbare 
Tätigkeit  entfaltet.  Besonders  die  Gegend  von  der  mittleren  Havel  bis 
südwärts  zur  Elbe  verdankt  ihm  eine  umfangreiche  Kolonisierung  mit 
Hilfe  von  Flamändern.  Das  rechtselbische  Gebiet  wurde  geradezu  die 
flämische  Seite  genannt,  und  jener  sandige  Hügelzug  in  der  südlichen 
Mark  heifst  noch  heute  der  Fläming.  Jüterbog  war  in  den  60  er  Jahren 
des  XII.  Jh.  Mittelpunkt  einer  lebhaften  Kolonisation.  Im  Anhaltischen 
waren  die  Abte  Arnold  von  Ballenstedt  und  Arnold  von  Nienburg  nach 
dieser  Richtung  tätig  gewesen.  Auch  hier  liegen,  wie  überall,  zahlreiche 
Zeugnisse  für  niederländische  Einwanderung  vor:  Ortsnamen,  wie  Flenis- 
dorf  (Vlemingdorp).  Frankenfelde,  Strafsen-  und  Brückennamen,  wie 
flämischer  Damm,  pons  Flammingeroruin  u.  a.,  sowie  anderseits  Ortsnamen, 
die  an  holländische  Orte  erinnern  und  von  den  Kolonisten  in  Erinnerung 
an  die  alte  Heimat  gegeben  wurden.  Nicht  blofs  im  ostelbischen  Lande, 
auch  in  den  sächsischen  und  thüringischen  Gebieten  westlich  von  Elbe 
und  Saale,  besonders  in  der  Goldenen  Aue,  trafen  Kolonisten,  durch 
Zisterzienser  herbeigezogen,  ein. 

Im  Altenburger  und  Meifsener  Lande,  in  der  Lausitz  und  in 
Schlesien  hatte  die  Kolonisierung  durch  Holländer,  Sachsen  und  Thüringer 
im  XII.  und  XIII.  Jh.  Eingang  gefunden.  Im  Meifsen sehen  war  sie 
durch  Bischof  Gerung  und  Markgraf  Konrad  von  Meifsen  gefördert 
worden.  In  Schlesien  hätte  sich  nie  ein  befriedigendes  Staats-  und 
Gemeindewesen  entwickeln  können,  wenn  nicht  die  von  den  Fürsten 
begünstigte  Herbeiziehung  deutscher  Kolonisten  eine  veränderte  Grund- 
lage für  die  Kultur  geschaffen  hätte.  Boleslaw  der  Lange  und  sein 
Sohn  Heinrich  der  Bärtige  (f  12'iH)  wirkten  hierbei  besonders  mit.  Die 
Stiftung  des  Zisterzienserklosters  Leubus  im  Jahre  1175  bildete  den 
Anfang  dieser  Bestrebungen.  Die  Klosterleute  wufsten  viele  ihrer  Lands- 
leute  nach  Schlesien  zu  ziehen,  und  in  kürzester  Zeit  entstand  dort  eine 
ganze  Reihe  von  deutschen  Dörfern,  zunächst  im  Liegnitzschen  Gebiet. 
Weitere  Klosterstiftungen  erweiterten  den  Horizont  der  Kolonisation  und 
griffen  bereits  in  die  Waldgebiete  nördlich  der  Oder  hinüber.  Neben 
den  Dörfern  entstanden  auch  deutsche  Städte.  Auch  das  Posener  Land 
hat  im  XIII.  Jh.  seine  Kolonisationszeit  gehabt.  Die  früheste  Schenkung 
von  Land  an  ein  Kloster  zur  Anlegung  deutscher  Dörfer  fällt  in  das 
Jahr  1210.  als  Herzog  Wladislaw  dem  Abt  Winemar  von  Pforta  zur 
Gründung  eines  Zisterzienserklosters  Ländercien  im  Bezirk  von  Priment 
gab.  Die  schlesischen  Klöster,  wie  Leubus,  Heinrichau  und  Trebnitz, 
wurden  gleichfalls  mit  Land  im  Posenschen  bedacht,  womit  der  deutschen 
Kolonisation  der  Boden  geebnet  war.  Das  an  der  brandenburgischen 
Grenz«'  gelegene  Kloster  Paradies  hat  für  die  deutsche  Kolonisation  ganz 
hervorragend  gewirkt.  Ilinterpommern  ist  verhältnismäfsig  spät  germani- 
siert worden,  denn  erst  das  XIV.  Jh.  bringt  dort  eine  wesentliche 
Änderung  in  den  nationalen  und  Kulturverhältnissen  hervor,  aber  auch 
nur  teilweise,  da  polnische  Stämme  (heute  noch  die  Kassuben)  die  Ger- 
manisation überdauerten. 


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226.  Die  germanische  Kolonisation.  371 

In  Preufscn  hatte  der  Deutsche  Ritterorden  den  Grund  zur  Koloni- 
sation gelegt,  wobei  auch  die  Bisehöfe  von  Ernaland  und  Samland  tätig  mit- 
wirkten. Weit  früher  als  in  Hinterpommern  hat  hier  schon  in  der  ersten 
Hälfte  des  XIII.  Jh.  die  Germanisierung  begonnen.  Die  maritime  Lage  scheint 
auch  die  Einwanderung  auf  dem  Seewege  begünstigt  zu  haben ;  gerade  die 
Küstenstädte  müssen  auf  Grund  der  Rechtsverhältnisse  mit  niederdeut- 
schen Ansiedlern,  speziell  Westfalen,  besetzt  worden  sein.  Das  Binnenland 
dagegen  hat  zum  weitaus  gröTsten  Teil  ebenfalls  niederländische  Kolonisten 
aufgenommen,  wofür  neben  allerdings  wenigen  urkundlichen  Angaben  wie- 
der die  Orts-  und  Personennamen,  dann  das  flämische  Recht  in  einigen 
Städten,  wie  Kulm  und  Thorn,  sprechen.  Teilweise  ist  hier  wohl  auch  eine 
Einwanderung  von  den  schon  kolonisierten  Gebieten  aus  anzunehmen. 

Sehr  reichhaltig  ist  die  Literatur  über  diesen  Gegenstand.  Von  älteren 
Werken  seien  genannt:  J.  Ee Iking,  Dissertatio  historico  juridiea  de  Belgis 
seeulo  XII  in  Gcrmaniam  advenis  variisque  institutis  atque  juribus  ex  eorum  ad- 
ventu  ortis,  Göttingen  1770.  J.  G.  Ho  che,  Historische  Untersuchungen  über  die 
niederländischen  Kolonien  in  Norddeutschland,  Halle  1791.  A.  von  Wersebe, 
Über  die  niederländischen  Kolonien,  welche  im  nördlichen  Teutschland?  im 

XII.  Jh.  gestiftet  worden,  2  Tie.  Hannover  1815  f.  (das  erste  kritische  Werk, 
welches  die  Hehnoldschen  Berichte  prüft).  L.  Giesebrecht,  Wendische  Ge- 
schichten  aus  den  Jahren  780—1182,  3  Bde.,  Berlin  1843.  E.  de  Borchgrave, 
Histoire  des  colonies  Beiges  qui  s'ctablirent  en  Allcniagne  pendant  le  Xll.  et  le 

XIII.  siecle,  Bruxelles  1865  (ist  scharf  angegriffen  und  zurückgewiesen  worden). 
Winter,  Die  Cistercienser  des  nordöstlichen  Deutschlands,  3  Bde.,  Gotha  1868  ff. 
von  der  Kopp,  Deutsche  Kolonien  im  XII.  und  XIII.  Jh.,  Gleisen  1886  (Vor- 
trag). Kümmel,  Die  Germanisierung  des  deutschen  Nordostens,  Z.  f.  allg. 
Gesch.  1887,  721—736.  Ernst,  Die  Kolonisation  von  Ostdeutschland,  Proer., 
Langenberg  1888.  Wen  dt,  Die  Germanisierung  der  Länder  östlich  der  Elbe, 
2  Tie.,  Liegnitz  1884,  1889  (Programme).  Salow,  Lothar  HI.  und  das  Wenden- 
land, Progr.,  Friedland  in  Meckl.  1889.  Blumenschein,  Über  die  Germani- 
sierung der  Länder  zwischen  Elbe  und  Oder,  Progr.,  Cöln  1894.  R.  Schröder, 
Die  niederländischen  Kolonien  in  Norddeutschland  z.  Z.  des  Mittelalters,  Berlin 
1880.  Beh e im- Sc h warzbach,  Die  Besiedelimg  von  Ostdeutschland  durch 
die  zweite  germanische  Völkerwanderung,  Berlin  1882.  Vogel,  Ländliche 
Ansiedelungen  der  Niederländer  und  anderer  deutscher  Stämme  in  Nord-  imd 
Mitteldeutschland  während  des  XII.  und  XIII.  Jh.,  Progr..  Döbeln  1897. 
Bremer,  in  Pauls  Grundrifs  d.  germ.  Philologie,  1900,111,  873  f.,  894  ff., 
943  ff.  Meitzen,  Siedelung  und  Agrarwesen  der  West  und  Ostgermanen, 
1895,  II,  343  ff..  475  ff.  Lamprecht,  Deutsche  Geschichte,  1893,  III,  324  ff.. 
357  ff..  381  ff.    Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirtsch  Gesch.  II,  1  ff. 

Die  Spezialliteratur  über  einige  Landschaften  und  Provinzen  ist  nicht 
weniger  umfassend.  E.  O.  Schulze,  Niederländische  Siedelungen  in  den 
Marschen  an  der  unteren  Weser  und  Elbe  im  XII.  und  XIII.  Jh..  Diss.,  Breslau 
1889.  Auhagen,  Die  niederländ.  Ansiedelungen  in  den  Weser-  und  Elb- 
marschen, in  Landwirtschaftl.  Jahrbb.  XXV.  (1896),  737  ff.  Gloy,  Der  Gang 
der  Kolonisation  in  Ost-Holstein,  Kiel  1894.  Boll,  Mecklenburgs  deutsche 
Kolonisation  im  Xll.  und  XIII.  Jh.,  in  Jbb.  Ver.  f.  Iiiecklenbg.  («cseh.  1848, 
XIII.,  57  ff.  Ernst,  Die  Kolonisation  Mecklenburgs  im  XII.  und  Xlll.  Jh., 
Rostock  ls?5.  Wiese,  Die  Cistercienser  in  Dargun  von  1172 — 1300,  Diss., 
Rostock  1888.  Salow,  Die  Nculnsiedelung  Mecklenburgs  im  XII.  u.  XIII.  Jh., 
Progr.,  Friedland  i.  M.  1896.  W.  von  Sommerfeld,  (ieschichte  der  Gex- 
manisierung  des  Herzogtums  Pommern  oder  Slavien  bis  zum  Ablauf  des 
XIII.  Jh.,  Lpz.  18«J6.  Riedel,  Die  Mark  Brandenburg  im  Jahre  1250.  Berlin 
1831,  IL  Btl.  Rudolph,  Die  niederländischen  Kolonien  der  Altmark  Branden- 
burg im  XII.  Jh.,  Diss..  Berlin  1888.    Bartels,  Der  Niederbarnim  unter  den 

24* 


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372 


VH.  Kulturgeofiruphio  um  daH  Jahr  137:*>. 


Anhaltinern,  Progr.,  Berlin  1892.  Guttmann,  Die  Germanisierung  der  Slaven 
in  der  Mark,  in  Forsch,  z,  brand.-preufs.  Gesch.  IX,  395—514.  E.  0.  .Schulze. 
Die  Kolonisierung  und  Germanisierung  der  Gebiete  zwischen  Saide  und  Elbe, 
Lpz.  1*96.  Knothe,  Zur  Gesch.  der  Germanisation  in  der  Oberlausitz,  in 
An  h.  f.  sächs.  Gesch.  1876,  II,  237  ff.  289  tT.  M.  Schmidt,  Zur  Gesch.  der 
Besiedelung  des  sächs.  Vogtlandes,  Progr.,  Realseh.  Dresden- Johannstadt  1897. 
Schulze,  Die  Germanisierung  des  westelbischen  Kursachsen,  Wiss.  Beil.  der 
Leipz.  Zt.  1897  Nr.  16.  Tzse  Hoppe  und  Stenzel,  Urkundensammlung  zur 
Gesch.  des  Ursprungs  der  Städte  in  Schlesien  und  der  Oberlausitz,  Hamburg 
1832;  besonders  wichtig  die  Einleitung.  Stenzel,  Gesch.  Schlesiens,  1M53.  1. 
203—253.  G  r  ü  n h  a g e  n ,  < ieseh.  Schlesiens  I,  36  ff.,  58  ff.,  87  ff.  \V einhold, 
Die  Verbreitung  und  Herkunft  der  Deutschen  in  Schlesien,  in  Forsch,  zur 
deutsch  Land-  und  Volkskunde  IT,  157—244.  Partseh,  Schlesien,  Breslau 
1896,  I,  350  ff.  \Y.  von  Zeschau.  Die  Germanisierung  des  vormals  tschechi- 
schen Glatzer  Landes  im  XIII.  und  XIV.  Jh.  und  die  Stammeszugehörigkeit 
der  deutschen  Einwanderer,  in  Vierteljahrssehr.  f  Gesch.  von  Glatz  1888,  VII.  Bd. 
Thoma,  Die  kolonisatorische  Tätigkeit  des  Klosters  Leubus  im  XII.  und 
XIII.  Jh.,  Diss.,  Lpz.  1894.  W.  Schulte,  Die  Anfänge  der  deutschen  Ko- 
lonisation in  Schlesien,  in  Silcsiaea,  Festech r.  f.  Grünhagen,  1898,  35 — 82 
Kämme),  Die  Entstehung  des  Deutschtums  in  Osterreich.  Bachmann,  Ge- 
schichte Böhmens,  Gotha  1899,  S.  399.  470—495.  Chr.  Meyer,  Gesch.  der 
Provinz  Posen,  Gotha  1891,  S.  55  ff. 

227.  Ortsnamen.  Die  Namen  der  geographischen  Objekte  gewähren 
häufig,  wo  alle  geschichtlichen  Quellen  versagen,  eine  Auskunft  über 
die  ehemaligen  Verhältnisse  der  Örtlichkeiten.  Sie  sind,  ihrem  Inhalt 
nach  richtig  gedeutet ,  oft  die  einzigen  Führer  in  die  Vergangenheit 
zurück.  Die  Völker,  die  jene  Namen  gegeben  haben,  sind  zum  Teil  unter- 
gegangen, aber  ihre  einstige  Existenz  lebt  in  diesen  fort.  Es  handelt 
sieh  bei  den  Ortsnamen  nicht  blofs  um  dio  Namen  der  Ortschaften, 
sondern  auch  um  jene  der  Berge,  Täler,  Seen,  Flüsse,  Inseln  und  Meere, 
also  aller  geographischen  Ortlichkeiten  schlechthin.  Diese  Namen  geben 
uns  Aufschlufs  über  die  verschiedensten  Zustände  und  Umstände  früherer 
Zeiten,  ethnographische  wie  sprachliche  und  kulturhistorische.  Sie 
unterrichten  uns  bald  über  die  Lage,  bald  über  die  Bodenbeschaffenheit 
oder  die  vegetativen  und  leninistischen  Verhältnisse  des  Landes.  Sie 
geben  oft  auch  einen  Fingerzeig  für  die  Wanderungsgeschiehte  der 
Völker.  Die  keltischen  und  slavischen  Namen  lassen  die  ehemalige  Aus- 
breitung der  Kelten  und  Slaven  erkennen.  Besonders  haben  auch  die 
charakteristischen  Namenendungen,  wie  wir  sie  bei  deutschen  Orts- 
bezeichnungen finden,  zu  weitgehenden  Schlufsfolgerungen  Veranlassung 
gegeben.  Statistische  Ubersiebten  der  geographischen  Verteilung  der 
Namen  auf  Grund  ihrer  Endungen  Helsen  erkennen,  dafs  gewisse  Endungen 
einzelnen  deutschen  Stämmen  eigentümlich  sind.  So  sind  bei  den  Ale- 
mannen besonders  häufig  Namen  auf  ucitor,  -hofen,  ingen,  -ach,  -beurm, 
-wang,  bei  den  Franken  auf  -hack,  -darf,  -feld,  -heim,  -hausen,  -scheid,  bei 
den  Thüringern  auf  -leben,  -stedt,  bei  den  Sachsen  auf  -büttcl  u.  v.  a. 
Doch  ist  auch  hier  die  Regel  nicht  ohne  viele  Ausnahmen,  und  Namen  auf 
-hausen  und  -stillt  haben  sich  schliefslich  auch  in  anderen  Gegenden  Deutsch- 
lands nachweisen  lassen;  nicht  immer  hat  man  in  solchen  Fällen  die  Prove- 
nienz der  Namen  auf  gentilizische  Verhältnisse  zurückzuführen  vermocht. 


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227.  Ortsnamen.  373 

Wie  für  die  stammesgesehichtlichen  Erscheinungen,  so  bat  man 
<iie  Namen  auch  für  die  chronologischen  Verhältnisse  verwendet.  Auch 
auf  diesem  Gebiet  hat  besonders  W.  Arnold  gewirkt.  Er  suchte  zu 
zeigen,  dafs  die  Ortsnamen  oft  auf  das  politische  und  kulturelle  Leben 
zurückweisen,  und  dafs  diese  Namen  die  Phasen  der  geschichtlichen 
Entwicklung  erkennen  lassen.  Während  die  älteren  Ortsnamen  eine 
Hauptquelle  für  die  Ethnographie  sind,  zeigen  die  jüngeren  uns  den 
fortschreitenden  An-  und  Ausbau  des  Landes.  Die  Zeit  der  Wanderungen 
reicht  bis  in  den  Anfang  des  VI.  Jh.;  mit  ihm  treten  wir  in  eine  neue 
Periode  der  Ortsgründungen  ein,  die  sich  auch  in  den  Namen  wieder- 
spiegelt. Sie  umfafst  die  Zeit  des  V.  bis  VIII.  Jh.;  ihr  gelieren  vorzugs- 
weise die  Namen  auf  -back,  berg,  -dorf,  -fehl,  hausen,  -heim  an.  Sie  deuten 
auf  den  ersten  ausgebreitetem!  Anbau  des  Landes  hin;  auch  die  ersten 
grüfseren  Waldrodungen  reichen  bis  in  diese»  Zeit  zurück.  Mit  dem 
IX.  Jh.  beginnt  dann  die  Periode  des  intensiveren  Ausbaues  und  der 
Rodungen  im  grofsen  Stile.  Sie  ist  charakterisiert  durch  ihre  Ortsnamen 
auf  -bürg,  -Cappel,  -hagen,  Kirchen,  -rode,  -zeit.  Weltliche  und  geistliche 
Herren,  Stifter  und  Klöster  entfalteten  hierbei  eine  fruchtbare  Tätigkeit. 
Auch  die  Namen  der  herrschenden  Adelsgeschlechter  treten  in  den  <  )rts- 
aainen  bedeutsam  hervor.  Dafs  die  angedeuteten  chronologischen  Grenzen 
für  die  Entstehung  der  Ortsnamen  nicht  immer  scharf  hervortreten  und 
zahlreiche  Ausnahmen  zulassen,  bedarf  kaum  hervorgehoben  zu  werden. 

Von  einer  Skizzierung  der  Methode  und  Theorie  der  gesamten  Ortsnamen- 
kunde muÜB  hier  begreiflicherweise  Abstand  genommen  weiden.  Neben  den 
deutschen  Ortsnamen  müfsten  hier  ebenso  die  keltischen,  rätischen,  slavischen 
etc.  Berücksichtigung  linden.  Das  unten  folgende  Literaturverzeichnis  gibt 
über  die  wichtigsten  Vorarbeiten  auf  diesem  (leinet  genügend  Auskunft.  Über- 
dies interessiert  den  Geographen  weniger  die  rein  linguistische  als  die  kultur- 
geschichtliche Seite  der  Namenkunde.  Wie  über  die  Kultur  des  Landes,  so 
?ehen  die  Namen  aber  auch  über  seine  natürliche  Beschaffenheit  Aufsehlufs; 
in  ihrer  Gesamtheit  vermögen  sie  geradezu  eine  Vorstellung  von  der  ursprüng- 
lichen BodenbeschafFenheit  zu  geben.  Die  auf  die  Bewaldung  und  ihre  Baum- 
arten  anspielenden  Namen  orientieren  uns  über  die  ehemalige  Verbreitung  des 
Wahles  und  seine  Zusammensetzung;  die  auf  Quellen  und  Bäche  hinweisenden 
Bezeichnungen  deuten  den  grofsen  Wasserreichtum  fies  Landes  an,  der  an 
vielen  Stellen  besonders  in  entwaldeten  Gebieten  in  das  Gegenteil  sich  verkehrt 
hat;  die  mit  Sumpf,  Moor  u.  ä.  zusammengesetzten  Namen  geben  Aufsehlufs 
Über  die  BodenbesehatTenheit  von  damals.  Arnold  hat  in  seinem  Werk  S.  4'JH  ff. 
ein  ganzes  Kapitel  diesem  Gegenstande  gewidmet. 

Auf  den  ehemaligen  oder  noch  vorhandenen  Waldbestand  weisen  die  mit 
Wald  zusammengesetzten  Namen  besonders  von  Gebirgen  schon  hin  (Sehwurz- 
wald, Böhmerwold).  Oder  die  Namen  endigen  auf  -hard,  -kaard,  -Hardt,  -hurt 
Spessart,  die  Haart  in  der  Pfalz,  Harz,  auch  in  Namen  von  Waldorten,  Hard- 
fefd,  Hardgraben) ;  auf  loh  dat.  lucus),  -la.  -le  Oberloh,  Veitsloh);  auf  holz 
•Jägerholz,  Steinholz);  auf  -hörst  und  -forst,  erst  eres  mehr  in  Niederdeutschland, 
letztens  in  Mittel-  und  Oberdeutschland;  ferner  auf  -husch  und  -st rauch  oft 
gleichbedeutend  mit  Wald.  Nicht  blofs  am  Kode,  sondern  auch  am  Anfang 
erscheinen  diese  Bezeichnungen :  Bornstrauch,  Strauchberg.  Für  das  Unterholz 
rindet  sieh  auch  Hecke  (Herkenhausen).  Zweifelhaft  ist  die  Bedeutung  von 
-strut,  welches  bald  als  Sumpf,  bald  als  Wold  gedeutet  wird,  vermutlich  eine 
Kombination  von  beiden  ist.  In  Zusammensetzungen  tritt  es  meist  in  Ver- 
bindungen mit  Laubbäumen  auf.  Birkenstrut,  Krlenstrut,  Lindenstrut.   Auf  den 


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374  VII.  Kulturgeoffraphie  um  das  Jahr  1375. 

Wald  weist  auch  die  Endung  -rode  hin,  in  Schwaben  -ried,  in  der  Schweiz  -rüti. 
-riitli,  in  Franken  -reut,  in  Thüringen  -roda,  am  Niederrhein  -rath.  Diese  Namen- 
zusammensetzungen gehören  zu  den  jüngsten,  sie  entstammen  gröfstenteils  der 
grofsen  Rodeperiode.  Die  so  benannten  Orte  liegen  meist  auf  der  Höhe,  im 
Walde  und  in  entfernten  Seitentälern. 

Für  die  hydrographischen  Verhältnisse  sind  da  Namen  mit  brück  (Nord- 
bruch,  Bruchhausen)  charakteristisch ;  ferner  brühl,  ahd.  brogil,  broil,  für  sumpfige 
Wiese,  ebenso  horo  (Horbach,  Horwieden),  fenna,  fenni  (Rittervenne.  Fambach), 
mar,  merre,  adh.  mari,  meri  (lat.  mare)  für  stehendes  Wasser  (Hadamar,  Velmar, 
Weimar,  Merbaeh,  Merrewiesen),  ferner  siek,  siech,  sich  für  Sumpf  (Fuhlensiek. 
Herrensichen,  Sickenberg,  auch  der  Flufsname  Sieg  wird  hierzu  gestellt)  und 
moos  oberdeutsch,  mör  niederdeutsch  (Mosbach,  Mosgrund,  Moorwiesen);  in 
ähnlichem  Sinne  räd,  röd  und  sahl,  sähl,  sohl,  ferner  schade,  Schlote,  dann  sutte, 
pfütze,  phul,  lache,  see.  —  Auf  das  fliefsende  Wasser  nehmen  Bezug:  Namen 
mit  -au,  ahd.  owa,  mhd.  owe,  awe  (Blankenau,  Hanau,  Auhof),  mit  back  ;  letztere» 
mit  Ausnahme  der  Alemannen  und  Baiern  allen  deutschen  Stämmen  eigen. 
Ferner  mit  born  oder  brunn,  erstere  Form  mehr  dem  niederdeutschen,  letztere 
dem  oberdeutschen  Sprachgebiet  angehörig;  born  ist  mehr  fränkisch  und 
sächsisch,  brunn  dagegen  alemannisch  und  thüringisch  (Paderborn,  Heilhronn, 
Reinhardsbrunn). 

Auf  das  Terrain  beziehen  sich  Namen  mit  berg.  Meist  führte  zuerst  der  Berg 
den  in  Frage  kommenden  Namen ;  dann  wurde  er  auch  auf  die  Siedelung  be- 
zogen. Synonyma  für  Berg  sind  brink  im  nördlichen  Hessen  und  der  Graf- 
schaft Schaumburg  (Heidbrink,  Sehwarzenbrink),  bühl  (Fleckenbühl,  Eisenbühl), 
bürgel  (Bürgeln),  liede  (Soislieden),  lanue,  lehne,  lenne,  linne  (Lanneshof,  Lenne- 
born), s/om/  (Staufenberg),  tarn,  rück  (Bachrain.  Mühlrain,  Dickenrück).  Ferner 
thal,  tal  auch  tel  tFreudenthal,  Mittelthal,  Haehtel).  Auch  fehl  gehört  hierher, 
bei  dem  anfangs  der  Begriff  der  Ebene,  Fläche,  im  Gegensatz  zum  Bergland 
vorherrschte,  dann  mehr  der  Begriff  des  bebauten  Landstückes,  des  Ack«*rs 
sich  einbürgerte.  Die  Orte  auf  hagen  und  -hain  sind  gröfstenteils  in  ungünstiger 
Lage,  auf  schlechtem  Boden,  im  Wald  oder  Gebirge  angelegt.  Beide  Endungen 
sind  gleichbedeutend  und  nur  mundartlich  verschieden,  kommen  auch  zuweilen 
bei  ein  und  demselben  Namen  als  Varianten  vor  (Wolfshagen,  WolfshainV  Die 
Bedeutung  von  -hagen  ist  die  von  abgeschlossenem  Raum,  Gehege  mit  wirk- 
licher Umzäunung  oder  nur  markierter  Begrenzung  (Altenhagen,  Fuldbain). 

Für  die  Verteilung  der  Baumgattungen  bilden  die  Ortsnamen  eine 
wichtige  Hilfsquelle;  siehe  hierüber  in  dem  Abschnitt  über  »Wald«.  Des- 
gleichen gestatten  sie  auch  einen  Rückschlufs  auf  die  ehemalige  Fauna  des 
Landes.  Namen  wie  Auerbach,  Wolfshagcn,  Bieberstein,  Falkenbach,  Otters- 
bach, Rofsberg,  Ziegenberg,  Rabenstein,  Habichscheid  u.  a.  m.  weisen  hier- 
auf hin. 

Ein  grofser  Teil  der  Ortsnamen  nimmt  auf  die  Siedelungen  selbst  Bezug ; 
so  die  Namen  auf  -stedt,  -statt  und  -stadt,  die  allgemein  verbreitet  sind.  Die  be- 
griffliche Unterscheidung  zwischen  -statt  und  -Stadt  zeigt  sieh  erst  seit  dem 
XVI.  Jh.  (Arnold  340).  Die  Endung  -hof,  -hofen  findet  sich  besonders  in  ober- 
deutschen Namen  (Schwaben  und  Baiern")  und  weist  auf  alemannischen  Einllufs 
hin.  Im  Gegensatz  zu  -hof  ist  -darf  die  allgemein  verbreitete  Bezeichnung  einer 
gemeinschaftlichen,  von  mehreren  bewohnten  Niederlassung.  Meist  tritt  sie  in 
Verbindung  mit  Personennamen  auf.  Auf  eine  bleibende  Niederlassung  weist 
auch  -heim,  hem,  -em,  -im,  -n;  ferner  -hausen,  ganz  allgemein  in  fränkischen 
Ländern  verbreitet.  Die  Endung  -leben  tritt  in  zwei  getrennten  Gebieten  häutig 
auf :  im  alten  Thüringerlande  und  in  Jütland,  den  dänischen  Inseln  und 
Schonen.  Nebenformen  sind  -leiba,  -leca,  -lere.  Seelmann  (Zur  Geschichte  der 
deutschen  Volksstiimme  Norddeutsehlands  und  Dänemarks  im  Altert,  und  Mittela. 
18*7,  S.  7)  führt  es  auf  die  Warnen  zurück.  Auf  Befestigungsanlagen,  und 
zwar  meist  in  erhöhter  Lage  weisen  die  Namen  auf  -barg,  -fels  und  -stein  hin. 
Mit  ihnen  beginnt  eine  neue  innere  Entwickelung.    Auf  die  kirchlichen  Ein- 


'221.  Ortsnamen. 


375 


richtungen  deuten  Namen  mit  -kirchen,  -Cappel  (Spiescappel,  Waldcappel)  und 
-zell;  auf  Verkehrsverhälnisse  Namen  auf  fürt  una  brücke. 

Wegen  dieser  sowie  vieler  anderer  noch  auftretenden  Ortsnamen,  ihrer 
Herkunft  und  geographischen  Verbreitung  sei  auf  das  schon  mehrfach  genannte 
Werk  von  Arnold  sowie  die  unten  angeführte  Literatur  verwiesen. 

In  dem  Koloniallande  östlich  der  Elbe  haben  sich  die  alten  sl avischen 
Ortsnamen  vielfach  erhalten  und  sind  auf  die  neugegründeten  deutschen  Städte 
übertragen  worden.  Oder  es  sind  neue  deutsche  Namen  geschaffen  worden 
(s.  unter  Siedelungen). 

In  dem  nachfolgenden  Literaturverzeichnis  haben  nur  diejenigen  Ab- 
handlungen Aufnahme  gefunden,  die  mehrere  Namen  behandeln. 

Förste  mann,  Die  Erforschung  der  deutschen  Ortsnamen,  Anz.  f.  Kde. 
d.  dt.  Vorz.  IX  (18G2),  5 — 8.  Ders.  D.  deutschen  Ortsnamen,  Nordhausen 
1863.  Petters,  Zur  Kunde  altdeutscher  Ortsnamen,  Pfeiffers  Germania 
XII,  469  ff.  Bender,  D.  deutschen  Ortsnamen  in  geogr.,  histor.  u.  spracht 
Hinsicht,  Wiesbaden  1855.  Pf  äff,  Deutsche  Ortsnamen,  Berl.  1896.  Egli, 
Geseh.  der  geogr.  Namenkde.  Leipzig  1886.  Nagl,  Geographische  Namenkunde, 
Lpz.  1903.  Arnold,  Studien  z.  dt.  Kulturgeseh ,  Stuttg.  1882.  Dütschke, 
Sprachliches  z.  Heimatkunde  des  Kreises  Schwelm,  sowie  zur  Einführung  in 
Art  u.  Ergebnisse  der  ON.-Forschung,  Schwelm  1899.  A.  Bac  meist  er,  Orts- 
namen der  keltisch-römischen  Zeit.  Slavische  Siedelungen,  Stuttg.  1867. 
Glück,  Die  bei  J.  Caesar  vorkommenden  keltischen  Namen,  München  1857. 
Süfsmilch,  Verz.  mehrerer  Länder,  Städte  und  Dörfer  von  verschiedenen 
Namen  in  der  deutschen  und  wendischen  Sprache,  N.-Laus.  Magaz.  8.  493— 508. 
Miklosich,  Die  slavischen  ON.  aus  Appellativen,  Denkschr.  Ak.  Wiss.  XXI, 
75  ff.  XXIII,  141  ff.  Beyersdorf,  Slavische  Streifen,  Baltische  Studien  1881, 
1883.  Gerland,  Die  Ortsnamen  auf  -leben,  Z.  vergl.  Spracht  X,  210. 
K.  Christ,  D.  ON.  auf  -leben,  Z.  f.  wiss.  Geogr.  IH,  199—201.  Langer, 
Die  altmärkischen  ON.  auf  -ingen  und  -leben,  Progr.  Gymn.  Zeit«  1898. 
Vogt,  D.  Ortsnamen  auf  -scheid  u.  -auel  (ohl).  Beitrag  z.  Gesch.  d.  fränk. 
Wanderungen  u.  Siedlgn.  Progr.,  Neuwied  1895.  Buck,  Uber  ON.  auf  -losen, 
in  German.  XVI,  297  ff.  J.  Müller,  Nicdersüchs.  Namen  auf  -hude,  Nieder- 
sachsen I  (1895),  S.  240.    v.  Schwanewede,  ON.  auf  -hude,  ibid.  S.  255. 

Q.  Esser,  Über  einige  gallische  ON.  auf  -acum  in  der  Rheinprovinz, 
Progr.,  Andernach  1874.  Marjan,  Keltische  u.  latein.  ON.  in  der  Rheinprovinz, 
Aachen  1882  (Progr.).  Ders.,  Rheinische  ON.,  Aachen  1884.  Leonard)', 
über  die  Verbreitung  des  Grundwortes  -rath  in  ON.  d.  Reg.-Bez.  Trier,  Jb.  Ges. 
f.  nütz].  Forsch.  1874,  59  ff.  Bofsler,  Die  ON.  von  Starkenburg  und  Rhein- 
hessen,  German.  XXIX  (1884),  307—36.  Armbrust,  Hunsrücker  Ortsnamen 
in  den  Kreisen  Simmern  u.  Zell.  Bonn  1897.  Heeger,  Beiträge  z.  pfälzischen 
Ortsnamen  kde..  Pfalz.  Muscum"'l898,  S.  15—24,  107  f.  Grimm,  Über  hessische 
ON.,  Z.  hess.  Gesch.  II,  132 — 154.  Arnold,  Ansiedelungen  u.  Wanderungen 
deutscher  Stämme  zumeist  nach  hess.  ON  ,  Marburg  1881.  Piderit,  Die  Orts- 
namen in  der  Prov.  Niederhessen,  Z.  hess.  Gesch.  I,  283—315  (1837).  Friede- 
mann, Zur  Erklärung  nassauischer  ON.,  Ann.  Ver.  Nass.  Alt.-Kde  IV,  382. 
(iareis.  ON.  aus  der  Umgegend  von  Giefsen  nach  den  ältesten  Urkk.  d. 
Lorseher  Traditionskodex.  Jb.  oberhess.  Ver.  Lokalgesch.  I  (1878).  Kellner, 
Die  ON.  des  Kreises  Hanau,  Progr.  Realseh.  Hanau  1871. 

LT i  bei  eisen.  Altdeutsche  ON.  in  Wälseh-Lothringen.  Anz.  f.  Kde.  dt. 
Vorzt.  XXIV  (1874).  Rathgeber,  Elsassische  Orte-.  Flur-  u.  Personennamen, 
in  Aleman.  II,  272  f.  (1875).  Bofsler,  ON.  des  Unterelsaff,  Z.  f.  dt.  Phil. 
VI,  404  ff.  und  des  Oberelsafs,  ibid.  IX,  172  -*4.  Arnold,  Die  deutschen 
Stämme  in  Elsafs  u.  Lothringen,  Z.  f.  dt,  Phil.  XI,  366  ff.  Fufs,  Probe  eines 
erklärenden  Verzeichnisses  elsafs  lothring.  Flurnamen,  Progr.  Stephansschule 
Strafsbg.  1884.  Ui beleisen,  Über  lothring.  ON.  vornehmlich  d.  Kreises  Metz, 
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87(5  VII.  Kulturneojrraphie  um  «Ihm  .liilir  l.'l7.r>. 

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romanischen  ON.  des  Kantons  St.  Gallen,  1891.    Wäber.  Die  Bergnamen  de* 
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1893),   235 — 2(14.     Gatsehet.   Lokalbenennungen  aus  dem  Berner  Oberhuvl 
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1898.  34.  59—200.    (iuttenherg,  Ortsnamenforschung  im  Herrschaf  tslanJe 
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1.  Heft.    Lntcrf orseher,  Die  romanischen  ON.  aus  dem  Pustertal,  Progr. 
Gymn.  Leitnieritz  1885     A.  Unterforcher,  Slav.  Namenreste  a.  d.  Osten 
des  Pustertales,  2  Tie.  Leitmeritz  1889—90.  Ch.  Schneller,  Tirolische  Namen 
forsch u ngen.    Orts-  u.  Personennamen  des  Lagertales  i.  Südtirol,  Innsbr.  1890. 
Osw.  Beil  Ii  eh.  Ortsnamen  der  östl.  Alnenländer  u.  ihre  Bedeutg.,   Z.  'lt. 
österr.    Alpenver.    28.   ~J    87.     Ii.  Müller.   Vorarbeiten   zur   alt  Österreich 
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26,  8:;  IT.,  330  IT.    Seibert,  Keltische  u.  slav.  ON.  in  Ober  Österreich.  Z.  ober 
Österr.  Lehrer-Ver.,  Linz  1880,  n.  10.  Oöhlert.  Die  Bedeutung  der  ON.  Nieder- 
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in  Nied.Österreich,  Bl.  Ver.   Landkde.  Nicd.-Ostcrr.  VI  (1872).  Kümmel. 
Die  slavischen  ON.  im  nordöstl.  Teil  Nied.-Osterr.  Arch.  slav.  Phil.  VII  (1883 
Kasper.   Erklärung  einiger   ON.,   Bl.    V.  Ldkde.   Nied -Österr.   IX  (1875 
Lust  hin  von  Kbengreuth,  Über  Orts  u.  Personennamen  in  Krain.  Mitt. 
anthrop.  Oes.  Wien  X    1x80.    Jaksch,  Ortsnamen  u.  Ortsnamen  forsch  unu' 
mit  Unsoliderer  Rücksicht  auf  Kärnten.  Klagenflirt  1891.    R.  Müller,  Kleine 
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53  ff.    Redlich,  Über  ON.  der  östlichen  Alpenländer  und  ihre  Bedeutung. 


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227.  Ortsnamen.  377 

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18J8,  S.  269—273. 

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XXI  (18*7),  239  ff.  Nehring,  Schlcs.  Ortsnamen  auf  -witz  und  -itz,  Schlcs. 
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die  Verbreitg.  einiger  ON.  in  Ostpreufsen,  ibid.  XX,  123—128.  Kattner,  Die 
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boten  1876,  292—301.  W.  Kctrzvnski,  Die  polnischen  ON.  der  Provinz 
PrenTsen  und  Pommern  und  ihre  deutsehen  Benennungen,  Lemberg  1879  (poln.). 
Heyersdorf,  Slavische  Städtenamen  Pommerns.  Balt.  Studien  XXV 
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künde  VII,  135  ff.  Subert,  Rügen,  Wittow.  Arkona,  Zudar  und  Peerd,  in 
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d.  slavischen  des  Kr.  Greifenhagen,  Monatsbl.  Ges.  Pommer.  Gesch.  II,  115  bis 


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378 


VII.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1375. 


152,  161—174,  181.  Kühnel,  Die  slavischen  ON.  in  Mecklenburg.  Jahrb.  für 
mecklenb.  Gesch.  XLVI  (1881),  3—186. 

Gradl,  Die  ON.  am  Fichtelgebirge,  Eger  1892  f.,  2  Hefte.  Stech  eh-. 
Die  von  7<X) — 900  vorkommenden  thüring.  ON.  Z.  Ver.  thür.  Gesch.  IX,  117 
bis  134.  B(ogenhardt),  Über  den  Rinfluffl  deutscher  Volksetymologie  auf  die 
Gestaltung  slaviseher  ON.  in  Thüringen,  Mitt.  Arch.  vogtld.  Alt.-Ver.  40  Jb. 
(1871),  14  ff.  (Anonym),  über  deutsche  ON.  mit  bes.  Beziehung  auf  Thü- 
ringen. Jahrb.  Ak.  Wiss.  Erfurt  X  (1880),  143 — 188.  Cassel,  Über  thüringische 
Ortsnamen,  Wiss.  Ber.  Erfurt.  Akad.  II,  III,  1854.  86.  Baabe,  Über  die  ON. 
zwischen  Elbe,  Saale,  Bode  und  Sülze,  Magdeb.  Gesehbit,  XI  (1876)  51  ff. 
266  ff.  Schatte,  Die  thüringischen  Siedelungsnamen  in  ihrer  Bedeutung  für 
die  altdeutsche  Landes-  u.  Volkskde.,  Diss.  Halle  1903.  G.  Jacob,  Die  ON. 
des  Hzgt.  Meiningen,  Ilildburghs.  1894.  Gröfsler,  Ortsnamen  des  Mansfelder 
Gebirgskreises,  Harz-Z.  1886,  323—361,  des  Mansf.  Seekreises,  ebend.  18*3. 
102—128.  K.  Schulze,  Erklrg.  der  Namen  der  Städte,  Dörfer  .  .  des  Hzgt. 
Anhalt,  Mitt.  Ver.  f.  anhält.  Gesch.  6  (1891).  K.  Schulze,  Bedeutung  der 
Namen  einiger  anhält.  Ortschaften  u.  Wüstungen  vor  dem  Harze,  Mitt,  V.  f. 
anhält,  Gesch.,  II.  165 — 222.  H.  Meyer,  Die  alte  Sprachgrenze  der  Harzlande, 
Dissert.  Göttingen  1894.  Mucke,  Zur  deutschen,  insbesondere  westfälischen 
ON.-Kunde,  Monatsschr.  f.  rhcin.-westfäl.  Gesehichtsforsch.  II  (1877),  417—431. 
Lohme  ver,  Zur  Etymologie  hauptsächlich  westfälischer  Flufs-  und  Gebirgs- 
namen,  Herrigs  Arch*  XXXIV  (1880),  347—376.  Jellinghaus,  Die  west- 
fälischen Ortsnamen  nach  ihren  Grundwörtern,  Kiel  1896.  Woeste,  Iserlohn 
u.  Umgegend,  Beiträge  z.  ON.  Deutung  etc.,  Tserl.  1871.  Leithäuser,  ON. 
im  Wuppergebiet,  Z.  bergischen  Gesch.- Ver.  34  (1899),  97—122.  Derselbe, 
Bergigehe  ON.,  Elberfeld  1901.  Vgl.  dazu  Iiistor.  Zeitschr.  89,  S.  328.  Volk- 
mar, D.  Ortsnamen  des  Kr.  Höxter,  Progr.  Gymn.  Höxter  1896. 

Rhode,  Die  ON.  des  Amtes  Ritzebüttel,  Cuxhaven  1894.  Handel  mann, 
Einige  ON.  in  Norder-Dithmarsehen,  Z.  f.  schlesw.-holst.  Gesch.  XII  (1882), 
396  ff.  P.  Lauridsen,  Om  Nordfrisernes  Invandring  i  Sönderjylland,  Histor. 
Tidskr.  (1893)  6.  R.  IV.  Sunder  mann,  Über  ältere  Namen  der  friesischen 
Inseln,  Ausland  XLVI1  (1874),  999  f.  Sundermann,  Friesische  und  nieder- 
sächs.  Bestandteile  in  den  Ortsnamen  Ostfrieslands,  Emden  1901.  Nomina 
geographica  Neerlandica,  hergb.  v.  d.  Niederl.  geogr.  Ges.,  Amsterdam,  188  ff. 
Kreglinger,  Mein,  historimie  et  etymologiijue  sur  les  noms  des  communes 
de  la  prov.  d'Anvers,  ibid.  III  (1847).  Willems,  Mein,  sur  les  noms  des 
communes  de  la  Flandre  Orientale,  Bull.  ('omni.  Centr.  Statist,  II  (1845),  287  ff. 
J.  de  Smet,  Essai  sur  les  noms  des  villes  .  .  de  la  Flandre  Orientale,  Mem. 
Acad.  XXIV  (1850).  Chotin,  Etudes  etymologiques  sur  les  noms  des  villes  etc. 
de  la  prov.  de  Hainaut,  1857.  Ders. ,  Etudes  etym.  .  .  .  de  Brabant,  Brüx.  1859. 
G  randgagnagc,  Vocabulaire  des  anciens  noms  de  lieux  de  la  Belgitjue 
Orientale,  Liege  1859. 

228.  Siede I Kursverhältnisse.  Die  zunehmende  Bevölkerung  und 
in  ihrem  Gefolge  die  fortwährende  Landnot  der  Germanen  hatte  in  den 
früheren  Zeiten  des  Mittelalters,  wrie  schon  im  Altertum,  immer  von 
neuem  zu  Übergriffen  in  das  Nachbarland,  zu  Völkerwanderungen  und 
-Schiebungen  geführt.  Die  germanische  Kolonisation,  die  nach  den 
anfänglich  kriegerischen  Vorstöfsen  doch  zum  gröfsten  Teil  auf  friedliche 
Weise  sich  abspielte,  kann  als  die  letzte  Äufserung  der  expansiven  Kraft 
germanischen  Volkstums  angesehen  werden.  Um  ihr  zu  genügen,  hatte 
das  westliche  Deutschland  schon  seit  dem  IX.  Jh.  einen  intensiveren 
Ausbau  erfahren.  Auch  jene  Gebiete,  die  wegen  ihrer  dichten  Bewaldung 
schwer  zugänglich  waren,  wurden  nunmehr  herangezogen;  die  llode- 
periode.  die  bis  zum   XIII.  Jh.  reichte,  schuf  im  Innern  des  Landes 


238.  Sietlelnnga Verhältnisse.  379 

neuen  Raum  für  die  stetig  wachsende  Volksmenge.  Wie  hier  eine  Reihe 
von  Waldhufendörfern  entstanden,  so  im  Bereich  der  Küste  die  Marschen* 
Dörfer.   In  den  Küstenlandschaften  lagen  andere  Schwierigkeiten  für  die 
Besicdelung  vor;  die  Trockenlegung  sumpfigen,  moorigen  Bodens  und 
künstliche  Schutzanlagen  gegen  die  Flutwellen   erforderten  besondere 
technische  Fertigkeiten.    Die  Herbeiziehung  niederländischer  Kolonisten 
seit  dem  Anfang  des  XII.  Jh.  ermöglichte  den  weiteren  Ausbau  der 
Küstenstriche,  wie  im  vorhergehenden  Paragraphen  schon  angedeutet 
worden  ist.  —  Ein  neues  weites  Feld  zu  wirtschaftlicher  Betätigung 
bot  das  östliche  Deutschland,  welches  bis  dahin  eine  vermutlich  doch 
iehr  wenig  dichte  slavische  Bevölkerung  innehatte.    Das  Land  mufs  im 
wesentlichen  noch  dasselbe  Aussehen  gehabt  haben  und  mit  Wald  und 
Sumpf  besetzt  gewesen  sein  wie  tausend  Jahre  früher  zu  Tacitus'  Zeiten. 
Die  primitive  slavische  Kultur  kann  hieran  nur  wenig  verändert  haben. 
Raum  war  in   Fülle  vorhanden ;  die  Mafseinheit ,  nach  welcher  den 
deutschen  Kolonisten  das  Land  zugemessen  wurde,  war  nicht  die  im 
germanischen  Stammlande  meist  übliche  Volkshufe,  sondern  die  doppelt 
so  grofse  Künigshufe.    So  wurden  die  Kolonisten  von  vornherein  mit 
verhältnisrnäfsig  grofsen  Landflächen  bedacht.  Die  slavischen  Siedelungen 
aber  bestanden  nur  in  Dörfern,  und  ihre    Städte?-,  die  zwar  als  duitates 
aufgeführt  wurden,   scheinen   mit  Ausnahme   der  Befestigungen  sehr 
wenig  den  Charakter  einer  abendländischen  Stadt  gehabt  zu  haben.  Die 
'k'Utschen  Einwanderer  gründeten  nun  entweder  neue  Dörfer,  oder  sie 
besetzten  die  alten,  die  sie  nach  ihrer  Weise  umgestalteten.   Sie  genossen 
besondere  Vorrechte  und  wurden  sämtlich  zu  deutschem  Recht  ausgesetzt. 
Indessen  wurde  die  Befreiung  von  persönlichen  Lasten,  eine  Art  Selbst- 
verwaltung unter  einem  Schulzen  und  Ackerteilung  nach  deutscher  Art 
schliefslich  auch  einigen  slavischen  Dörfern  mit  slavischer  Bevölkerung 
zuteil ,  so  dafs  man  aus  der  Verleihung  des  deutschen  Rechtes  nicht 
immer  auf  eine  deutsche  Einwohnerschaft  zurückschliefsen  darf.    An  der 
Begründung  neuer  Dorfschaften  sind  in  hervorragender  Weise  die  geist- 
lichen Orden  beteiligt  gewesen;  allen  anderen  voran  die  Cistercienser, 
die  übrigens  nicht  nur  im  östlichen,  sondern  auch  im  westlichen  Deutsch- 
land ebenso  segensreich  gewirkt  haben.    Neben  deutschen  Fürsten  und 
Bisehöfen  waren  es  auch  slavische  Fürsten,  welche  die  deutschen  Kolo- 
nisten in  ihr  Land  zogen.    Da  ihre  eigenen  slavischen  Untertanen  in 
der  Kultur  sehr  zurückstanden,  auch  keine  Abgaben  zahlen  konnten,  so 
war  eine  finanzielle  Ausnutzung  des  fürstlichen  Domänenlandes  nur  durch 
Ansiedelung  von  Deutschen  möglich,  die  auch  allein  die  technischen 
Kenntnisse   und  Erfahrungen  besafsen,   aber  auch   ausdauernd  genug 
uaren,  um  den  Boden  der  Wildnis  zu  kultivieren. 

Im  germanischen  Stammlande  westlich  der  Elbe  fand  der  Ausbau  und 
die  Besiedelung  des  Landes  nicht  systematisch  statt.  Erst  wo  es  die  Not- 
wendigkeit gebot,  griff  man  über  «las  anfänglich  besetzte  Flurgebiet  hinaus; 
soweit  es  anging,  erweiterte  sich  der  wirtschaftliche  Horizont  in  radialer  Rich- 
tung, indem  die  zunächst  gelegenen  Stücke  der  Allmende  mit  in  den  Hebauuirgs- 
hezirk  gezogen  wurden.  Dadurch  wurde  die  Anlage  von  neuen  Dörfern  not- 
wendig, die  durch  den  Gang  der  Entwicklung  herbeigeführt  wurde,  wenn  auch 


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380 


VII.  Kulturgeographie  um  da«  Jahr  1375. 


eine  von  den  Grundherren  ganz  systematisch  betriebene  Besiedelang  dieser  Art 
nicht  ausgeschlossen  war.  Während  schon  in  der  Zeit  vom  VI.  bis  zum  IX.  Jh. 
infolge  der  anwachsenden  Volksmenge  ein  teilweiser  Ausbau  der  Allmenden 
stattfinden  mufste,  so  bildeten  das  XI.  Die  XIII.  Jahrhundert  eine  zweite  Periode, 
während  deren  man  noch  weiter  und  ausgedehnter  in  das  Wald-  und  Sumpf 
land  eingriff.  Die  Siedelungsformen  hatten  sich  hierbei  der  geographischen 
Situation  anzupassen.  Hierzu  gehören  die  Wald  hu  fendörfer,  die  besonders 
in  gebirgigem  Waldterrain  sich  finden.  Die  Gehöfte  liegen  in  der  Talsohle  zu 
beiden  Seiten  des  dort  rinnenden  Baches,  und  die  dem  Besitzer  gehörigen 
Ackergrundstückc  zogen  in  Gestalt  schmaler  Streifen  vom  Gehöft  aus  an  den 
Talgehängen  bis  zur  Wasserscheide  aufwärts.  Da  die  Gehöfte  der  Talsohle  ent- 
lang in  langer  Reihe  aufeinander  folgten  und  sich  im  Laufe  der  Zeit  immer 
neue  talaufwärts  (oft  kilometerweit)  anschliefsen  konnten,  hat  man  diese  Gattung 
auch  als  Reihendörfer  bezeichnet.  Die  deutschen  Mittelgebirge,  wie  Schwarz- 
wald, Odenwald,  Spessart  etc.,  das  südliche  Hannover,  iin  Weser-  und  Allcr- 
gebiet  zeigen  uns  viele  Dörfer  in  dieser  Anlage.  Ganz  besonders  sind  sie  aber 
in  den  nördlichen  Randgebirgen  Böhmens  und  Mährens  vertreten,  wo  sie  im 
XII .  und  Xin.  Jh.  in  grofser  Zahl  entstanden.  Diese  Siedelungsform  geht  bis 
auf  Karl  den  Grofsen  zurück;  die  Waldhufe  läfst  sieh  zuerst  für  das  Jahr  793 
nachweisen.  In  den  Marschen  entstand  eine  andere  Siedelungsform,  das 
Marschhufendorf.  Die  Dorfstrafse  bildete  hier  der  Deich  und  die  Gehöfte 
liegen  an  der  inneren  Böschung.  An  die  Gehöfte  schliefsen  in  langen,  gerad- 
linigen, parallelen  Streifen  die  zugehörigen  Grundstücke.  Diese  von  den  Nieder- 
ländern aufgebrachte  Siedelungsform  wurde  110G  auch  in  Deutschland  ein- 
geführt. Sie  findet  sich  nicht  nur  in  der  Küstenmarschen  von  der  Scheide  bis 
zur  Elbemündung,  sondern  auch  in  den  Flufsmarsehen,  wie  der  Wische  an  der 
Elbe,  ferner  im  unteren  Weser-  und  Emslande  und  den  Moorlandschaften,  so- 
weit sie  überhaupt  zu  kultivieren  gingen. 

Im  Koloniallande  des  Ostens  linden  wir  eine  grofse  Mannigfaltigkeit  in 
den  Siedelungsformen.     Die  Siedelungen  der  Kolonisten  schlössen  sieb  hier 
entweder  an  die  vorhandenen  slavisehen  Ortschaften  an,  also  die  Rund-  un<l 
Strafsendorfer  (s.  S.  19(5),  oder  die  Kolonisten  gründeten  neue  Dörfer  in  Form 
von  Waldhufen-  und  Marschendörfern  oder  in  Form  von  slavisehen  Strafsen- 
dörfern,  die  sie  als  praktisch  erkannt  hatten.  —  Die  systematische  Anlage  von 
solchen  Dorfsehaften  seheint  immer  in  derselben  Weise  vorgenommen  worden 
zu  sein.    Ein  Unternehmer  (locator)  mit  einigen  zur  Ansiedelung  bereiten  Leuten 
steekte  die  Grenzen  der  DorfHur  ab,  vermafs  das  Ackerland  zu  Hufen,  von 
denen  jeder  Bauereine  erhielt,  und  schied  die  Gemeindeweide  und  den  Gemeinde- 
wald aus.     Der  Unternehmer,  der  auch  die  niedere  Gerichtsbarkeit  ausübte, 
hiefs  Schultheis,  BCholtisse,  scholtis,  Sc  holz,  srolUtus.    In  der  Regel  waren  die 
Bauern  in  den  ersten  Jahren  ihrer  Ansiedelung  von  allen  Abgaben  ganz  oder 
teilweise  befreit.    Die  deutsehen  Dörfer  bildeten  freie  Gemeinden  mit  eigener 
Verwaltung,  mit  Teilnahme  an  der  Rechtspflege,  mit  festen  mäfsigen  Leistungen, 
deren  keine  die  Freiheit  minderte.    In  den  slavisehen  Dörfern  safsen  dagegen 
unfreie  Leute  mit  zahlreichen  und  schweren  Lasten,  träge  auf  einem  Boden 
arbeitend,  der,  wie  es  scheint,  nicht  fest  verteilt  war  und  von  dem  sie  nach 
des  Gutsherrn  Belieben  verjagt  werden  konnten    (Weinhold  S.  14).    —  Wo 
slavisehe  Dörfer  vorhanden,  wurde  das  deutsche  meist  neben  jenes  gesetzt.  Der 
Name  wurde  wohl  beibehalten,  aber  beide  Dorfer  durch  Beiworte  unterschieden, 
indem  das  deutsehe  Dorf  durch  das  Wort  »Grofs  ,  das  slavisehe  durch  »Klein« 
oder  »Wenig«  charakterisiert  wurde  (Grofs-Monau  und  Wenig-Monau,  Grofs 
Wandris  und  Weuigen-Wandris).    In  anderen  Dörfern  war  die  slavisehe  Be- 
völkerung ganz  verdrängt  worden,  oder  sie  hatte  sich  in  kleinen  Fischerdörfern 
neben  Städten  und  gröfseren  Dorfern  erhalten.   In  der  Mark  Brandenburg  s-üxi 
es  die  sog.  Kietze,  deren  es  dort  etwa  10  gibt.    So  heilst  es  1315:  anHqtiaw 
ntriaut  prope  vilUnn  Lunoire  (bei  Oderberg)  sitam  et  vicum  slnvicalem,  qui  \mlqarii>:> 
Khycz  voralnr;  bei  Brandenburg  1321:  cum  Slavi$  in  vico,  qui  dicitur  Kitz  ;  1373 


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229.  Städte.  381 

suburbium  ante  Brandenburg,  quod  dicitnr  Kytz.  Vgl.  auch  Wen  dt,  Germani- 
sier. II ,  35. 

Hinsichtlich  der  geographischen  Verteilung  der  verschiedenen  Siedelungs- 
fonnen  in  Mitteleuropa  vgl.  da*  mehrfach  genannte  Werk  von  M eitzeil, 
Siedelungen  und  Agrarwesen  der  Westgermanen  und  Ostgermanen  etc.,  3  Bde. 
mit  Atlas,  Berlin  1895.  Der«.,  Beobachtungen  über  Besiedclung,  Hausbau 
und  landwirtschaftliche  Kultur,  in  Kirchhorts  Anleitung  zur  dt.  Landes-  u. 
Volksforschung  18*9,  S.  IM  ff.  (ist  ein  vor  jenem  Werk  erschienener  Auszug 
desselben,  der  die  wesentlichen  Einzelheiten  enthält).  Ebenso  Schlüter,  Die 
Formen  der  ländlichen  Siedelungen  nach  A.  Meitzen,  in  Geogr.  Zeitschr.  VI 
(1900),  S.  248  ff.,  mit  Karte.  —  Vgl.  auch  Henning  in  der  Z.  f.  dt,  Alt.,  Bd.  43 
(1899).  Eine  eingehende  Darstellung  aller  sonstigen  Eigentümlichkeiten  in 
den  Siedelungsverhältnissen  der  einzelnen  Landschatten  und  Provinzen  in  ihrer 
historischen  Entwicklung  würde  den  Kähmen  des  Buches  überschreiten.  Für 
diese  ist  die  in  den  vorhergehenden  Paragraphen  genannte  Literatur  heran- 
zuziehen. Einige  Spezialarbeiten,  die  neben  den  modernen  Siedelungsverhält- 
nissen auch  die  historischen  und  ethnischen  Grundlagen  mehr  oder  weniger 
behandeln,  sind  noch:  Hanke,  Feldmarken  der  Münchener  Umgebung  und 
deren  Beziehung  zur  Urgeschichte,  1882.  Schi  her,  Die  fränkischen  und 
alemannischen  Siedelungen  in  Gallien,  besonders  im  Elsafs  und  Lothringen, 
Strafsb.  1*91.  Schlatterer,  Die  Ansiedelungen  am  Bodensee  in  ihren  natür- 
lichen Voraussetzungen,  Stuttgart.  Hart  mann.  Die  Besiedclung  Württem- 
bergs von  der  Urzeit  bis  zur  Gegenwart,  Württembg.  Neujahrsbit.  11.  Blatt, 
Stuttg.  1894.  F.  von  Krön  es.  Die  deutsche  Besiedclung  der  östlichen  Alpen- 
länder, insbesondere  Steiefmarks,  Kärntens  und  Krains,  Stuttgart,  Grund, 
Die  Veränderungen  der  Topographie  im  Wiener  Walde  u.  Wiener  Becken 
(Pencks  geogr.  Abhandlgn.  VIII,  1.  Heft),  Lpz.  1901. 

Weise,  Die  slavischen  Siedelungen  im  H/.gt,  Sachsen- Altenburg,  ihre 
Gründung  und  Germanisierung,  Progr.  Gymn.  Eisenach  1883.  Hey,  Die 
slavischen  Siedelungen  im  Kgr.  Sachsen,  Dresden  1893.  Pfau,  Topographische 
Forschungen  über  die  ältesten  Siedelungen  der  Rochlitzer  Pflege,  Rochlitz  1900. 
Reise  hei,  Beiträge  zur  Ansiedelungskunde  von  Mittelthüringen,  Mitt.  Ver. 
Erdkde.,  Halle  188;*>.  Schlüter,  Die  Siedelungen  im  nordöstlichen  Thüringen, 
Z.  Ges.  f.  Ekde.,  Berlin  19<>2  S.  850  ff.  Hagenberg,  Innere  Kolonisation  im 
Nordwesten  Deutschlands,  Strafsburg  1>-91.  Gloy.  Beiträge  zur  Siedelungs- 
kunde  Nordalbingiens,  Stuttg.  1*92.  Jansen,  Poleographie  der  eimbrischen 
Halbinsel,  Stuttg.  1896. 

229.  Stählte.  Vor  dem  XI.  Jh.  gab  es  grofse,  volkreiche  Ortschaften 
wohl,  die  in  wirtschaftlicher  Beziehung  die  kleineren  Siedelungen  über- 
ragten, aber  es  fehlte  ihnen  doch  das  eigentlich  städtische  Wesen,  durch 
welches  sie  sich  auch  in  rechtlicher  Beziehung  vor  dem  einfachen  Dorfe 
unterschieden.  Mit  dem  genannten  Zeitpunkt  tritt  plötzlich  eine  Wendung 
ein;  deutsche  Städte  und  deutsches  Bürgertum  treten  aus  dem  Dunkel 
hervor,  ohne  dafs  wir  imstande  sind,  die  schnelle  Entwickelung  dieses 
Umschwunges  im  einzelnen  zu  verfolgen.  Das  XII.  und  XIII.  Jh.  zeigen 
das  städtische  Leben  auf  dem  Höhepunkt  seiner  Ausbildung,  und  in 
dieser  damals  geschaffenen  Form  ist  es  Ins  auf  die  neueste  Zeit,  die 
erst  wieder  einen  abermaligen  Wendepunkt  bezeichnet,  sich  im  wesent- 
lichen gleichgeblieben.  —  Die  äufseren  Merkmale  der  mittelalterlichen 
Stadt  waren:  Markt  und  Mauer.  Ohne  hier  auf  die  Frage  nach  dem 
Ursprung  der  deutschen  Stadtverfassung  näher  einzugeben,  so  scheint 
das  immer  lebhafter  hervortretende  Bedürfnis  nach  Handel  und  Gewerbe 
das  Aufkommen  der  Städte  gefördert  zu  haben;  die  rasche  Aufeinander- 


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382 


VII.  Kulturgcographie  um  dan  Jahr  1375. 


folge  von  Städtegründungen  im  XII.  bis  XIV.  Jh.  war  vornehmlich  durch 
wirtschaftliche  Interessen  mitbegünstigt  worden,  und  der  Markt  war  der 
Mittel-  und  Treffpunkt,  in  welchem  sie  zum  Austausch  gelangten.  In- 
dessen nicht  jeder  Ort,  der  Marktgerechtigkeit  besafs,  war  somit  schon 
eine  Stadt  geworden  ;  als  weitere  Erfordernisse  gehörten  hierzu  rieben 
dem  besonderen  Gerichtsbezirk  und  verschiedenen  Vorrechten  vorder  Land- 
gemeinde noch  die  Befestigungsanlage.  Bei  der  im  Mittelalter  allgemein 
herrschenden  Unsicherheit  auf  dem  freien  Lande  waren  gröfsere  Ort- 
schaften als  Sitze  eines  materiellen  Wohlstandes  ganz  besonders  räube- 
rischen Überfällen  ausgesetzt  und  noch  mehr  in  Kriegszeiten  bedroht 
gewesen.  Einen  sicheren  Schutz  gewährte  hier  die  Stadtmauer,  die  aufser 
den  anderen  Privilegien  dem  Orto  ausdrücklich  zugebilligt  werden  mufste. 
was  oftmals  erst  einige  Zeit  später  geschah. 

Die  Entstehungsweise  städtischer  Wohnplätze  ist  allerdings  eine 
sehr  verschiedenartige  gewesen.  Abgesehen  von  jenen,  die  schon  in  der 
voraufgehenden  Zeit  eine  politische  und  wirtschaftliche  Bedeutung 
beanspruchten  und  als  urbs.  civitas  oder  oppidum  in  der  Karolinger-  und 
Ottonenzeit  bezeichnet  wurden,  die  teilweise  auch  noch  mit  den  alten 
Römermauorn  versehen  waren,  kommen  hier  die  eigentlichen  Grün 
dungsstädte  in  Frage,  die  aus  einem  Dorfe  oder  mehreren  erwuchsen, 
die  im  Anschlufs  an  eine  Kirche,  Abtei  oder  Burg  entstanden  oder 
schliefslich  »von  wilder  WurzeL  waren,  d.  h.  von  Grund  aus  neugebaut 
und  sogleich  mit  allen  städtischen  Gerechtsamen  begabt  wurden.  Das 
letztgenannte  Verfahren  war  im  Koloniallande  das  allgemein  übliche, 
und  jeder  Landesherr  war  bedacht,  sein  Territorium  mit  Städten  zu 
besetzen,  die  ihm  mittelbar  manchen  Vorteil  brachten.  Bei  den  meisten 
Städten  ist  uns  auch  das  Gründungsjahr  bekannt,  von  einigen  selbst  die 
Stiftungsurkunden  erhalten.  Solche  Gründungen  wurden  nach  bestimmten 
Grundsätzen  rein  geschäftsmäfsig  betrieben  und  auch  die  rechtlichen  und 
administrativen  Verhältnisse  nach  einem  allgemein  gültigen  Schema 
geordnet,  indem  die  Stadtrechte  einer  älteren  Stadt  der  neubegründeten 
verliehen  wurden.  So  wuchs  die  Zahl  der  Städte  bis  zum  Ende  des 
Mittelalters  auf  etwa  1000  an,  von  denen  aber  die  weitaus  meisten  in 
der  ersten  Periode  bis  zum  Schlufs  des  XIV.  Jh.  bereits  gegründet  waren. 

Es  war  unausbleiblich,  dafa  die  Städte  infolge  ihrer  hohen  wirtschaft- 
lichen Blüte  alsbald  auch  ihr  politisches  Selbstbewußtsein  dem  Stadtherrn 
Weltlichen  oder  geistlichen  Standes  gegenüber  hervorkehrten.  Die  ziel- 
bewufste  Leitung  der  städtischen  Interessen  seitens  der  im  XII.  bis  XIII.  Jh. 
auftretenden  Gemeindeverwaltung,  des  Stadtrates  mit  einem  Bürgermeister 
an  der  Spitze,  drängte  auf  politische  Unabhängigkeit  hin,  die  oftmals 
aber  erst  nach  langen,  heftigen  Kämpfen  wirklieh  erreicht  wurde.  Jede 
Stadt  war  von  Anfang  an  einem  Herrn  unterstellt,  and  nach  ihm  unter- 
schied man  die  verschiedenen  Kategorien  von  Städten.  Wo  die  Herr- 
schaft, dem  Reiche  selbst  zustand,  war  die  Stadt  eine  königliche  oder 
Reichsstadt;  auch  die  aus  Pfalzen  hervorgegangenen  Pfalzstädte 
gehörten  zu  dieser  Gattung  der  königlichen  Städte.    Eine  zweite  Klasse 


229.  Städte.  383 

bildeten  die  Bischof sstädte.  Ein  Teil  von  ihnen  blieb  in  Abhängig- 
keit vom  Bischof,  der  seine  Macht  zu  einer  landesherrlichen  erweiterte ; 
andere  wurden  zu  Reichsstädten,  indem  die  Bürgerschaft  in  ihren 
Kämpfen  mit  dem  Bischof  um  das  Stadtregiment  den  Anschlufs  beim 
Reich  suchte  und  Reichsunmittelbarkeit  erstrebte.  Zur  dritten  Klasse 
gehörten  die  Territorial-  oder  Landstädte,  die  dem  Landesfürsten 
unterstanden ;  sie  hatten  sich  aus  kleinen  ländlichen  Ansiedelungen  ge- 
bildet, oder  sie  waren  als  königliche  Städte  unter  das  Regiment  eines 
Fürsten  gekommen,  oder  schliefslieh  —  der  häufigste  Fall  —  sie  waren 
vollständig  Neugründungen. 

Die  Blüteperiode  einzelner  Städte  war  aber  noch  durch  verschiedene 
äufsere  Umstände  mitbedingt,  wie  durch  die  geographische  Lage  und 
historische  Ereignisse.  Der  Levantehandel  hatte  ehemals  mit  Vorliebe 
die  Donaustrafse  benutzt,  und  die  an  ihr  liegenden  Städte  (Wien,  Regens- 
burg) blühten  mächtig  empor.  Als  durch  die  Kreuzzüge  eine  Verlegung 
der  Handelswege  über  Italien  und  die  Alpen  eingeleitet  war,  da  zogen 
andere  oberdeutsche  Städte  vermöge  ihrer  günstigen  Lage  (Augsburg, 
Nürnberg,  Ulm,  Basel)  den  Haupt  vorteil.  Ein  Gegenstück  zum  ober- 
deutschen bildete  der  niederdeutsche  Handel,  der  eine  Stütze  in  den 
beiden  Randmeeren,  Nord-  und  Ostsee,  fand.  Wie  die  flandrischen 
Städte,  so  nahmen  auch  die  niederdeutschen  im  Handel  einen  gewaltigen 
Aufschwung,  und  der  grofse  Städtebund  dor  deutschen  Hansa  beherrschte 
vom  XIII.  bis  XVI.  Jh.  das  Handelslebeu  Nordeuropas.  Nicht  weniger 
als  70  Städte  waren  in  ihm  vereinigt.  Auch  im  Binnenlande  waren 
Städtebünde  geschlossen  worden,  wie  der  Rheinische  Städtebund  mit 
tK)  Städten  (1254)  zur  Sicherung  der  Strafsen  und  Beseitigung  lästiger 
Zölle;  ferner  der  Schwäbische  Städtebund  im  XIV.  Jahrhundert, 
der  die  Selbständigkeit  der  Gemeinden  gegen  die  Landesherren  ver- 
teidigte. 

Die  verschiedene  Entstehungsweise  der  Städte  gibt  sich  auch  in  ihrer 
ätifseren  Anlage,  dem  Verlauf  der  Strafsen,  der  I>age  der  Plätze  u.  dgl.  zu  er- 
kennen. Daher  haben  sie  in  der  westlichen  Hälfte  Deutschlands  mit  ihrer 
älteren  Kultur  eine  andere  Physiognomie  als  im  östlichen  Koloniallande;  im 
Westen  zeigen  sie  mehr  Mannigfaltigkeit  und  Unregelmäfsigkeit  in  der  Anlage, 
im  Osten  weit  mehr  Schematismus.  Wo  nicht  unmittelbar  eine  Neugründung 
vorliegt,  sondern  die  Stadt  vielmehr  aus  einer  älteren  Siedelung  erwachsen  ist, 
da  hat  sich  das  topographische  Bild  erhalten  und  gibt  sich  auch  im  modernen 
Stadtplan  noch  zu  erkennen.  Im  Rhein-  und  Donaulande  sind  die  alten 
Homerstädte  für  die  topographische  Entwicklung  der  Städte  mafsgebend  ge- 
wesen. Sind  sie  freilich  auch  z.  Z.  der  Völkerwanderung  teilweise  zerstört 
worden,  so  konnten  sie  von  den  Germanen  doch  nicht  vollständig  vernichtet 
werden,  und  die  Niederlegung  der  massiven  Mauerwerke  erforderte  eine  tech- 
nische Leistungsfähigkeit,  zu  welcher  die  Germanen  in  ihrer  Zerstörungswut 
sieh  nicht  die  Zeit  nahmen.  Mit  Hilfe  der  modernen  Strafsenzüge  läfst  sich 
das  alte  Strafsennetz  und  auch  die  Ausdehnung  der  antiken  und  der  mittel- 
alterlichen Stadt  noch  leicht  erkennen  (so  bei  Cöln,  Aachen,  Strafsburg,  Wien). 
Meist  sind  ja  die  modernen  Städte  über  das  alte  Weichbild  hinausgewachsen, 
zuweilen  füllen  sie  aber  auch  den  alten  Stadtbezirk  nicht  mehr  vollständig 
aus  (Trier).  Die  symmetrische  Form  der  römischen  Castra  bewirkte  es,  dafs 
Solche  Städte  in  der  Anordnung  ihrer  sieh  rechtwinklig  schneidenden  Strafsen 


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384 


Vit  Kulttirgeotfraphie  um  dtw  Jahr  1375. 


immer  noch  einige  Regelmäfsigkeit  erkennen  lassen.  Dies  gilt  besonders  ini 
Gegensatz  zu  den  nicht  auf  römischer  Grundlage  entstandenen  ursprünglich 
deutschen  Anlagen.  Viele  Städte  sind  aus  einfachen  Dörfern  entstanden 
(Würzburg)  oder  auch  aus  mehreren  Siedelungen,  so  dafs  jede  einzelne  zur  Stadt 
erhohen  mit  eigenem  Rathaus  und  Mauerring  sich  gegen  die  andere  abschlofs. 
Braunschweig  ist  ein  bekanntes  Beispiel  hierfür,  die  Stadt  der  fünf  Städte-, 
nämlich  Altstadt,  Neustadt.  Hagen.  Altewik  und  Sack,  die  erst  1345  zu  einer 
einzigen  Stadt  vereinigt  sind.'  Auch  Hildesheim,  Bielefeld  und  Münster  gehen 
auf  mehrere  Bauernschaften  zurück.  Da  jede  der  ehemaligen  Teilstädte  einen 
besonderen  Mittelpunkt  mit  Markt,  Kirche  und  Rathaus  hatte,  von  dem  die 
Strafsen  ausstrahlten,  so  konnte  sieh  das  Strafsennetz  nach  Vereinigung  der 
Gemeinden  nicht  regelmäfsig  gestalten,  wenn  es  auch  vorher  in  jeder  der  Teil- 
städte leidlich  symmetrisch  war.  Der  Plan  des  deutschen  Haufendorfes  kehrt 
hier  im  Grundrifs  der  Städte  mit  ihren  engen,  krummen  und  winkligen  Gamsen 
wieder.  Noch  komplizierter  gestaltete  sieh  die  Strafsenanlage,  wenn  auch  noch 
die  Terrainformation  mitbestimmend  wirkte.  So  bietet  hierfür  das  alte  Mar 
bürg,  welches  sich  am  Abhang  des  Berges,  auf  dem  die  Burg  stand,  entwickelte 
ein  interessantes  Beispiel  dar.  Wie  hier,  so  bestimmt  auch  in  anderen  Fällen 
die  über  dem  Ort  auf  einer  Anhöhe  gelegene  Burg  den  baulichen  Charakter 
solcher  Städte.  In  Bischofsstädten  nimmt  sehr  häutig  die  Domhmnunität  mit 
der  Kathedrale,  den  Gebäuden  des  Kapitels  u.  s.  w.  die  höchstliegenden  Teile 
des  Stadtterrains  ein  (Halberstadt,  Bremen). 

Die  auf  ehemals  slavischem  Gebiet  gegründeten  deutschen  Städte  des 
Koloniallandes  zeigen  von  vornherein  einen  symmetrischen  Grundrifs.  In  der 
Mitte  liegt  der  meist  viereckig  gestaltete  Marktplatz,  der  sog.  Ring,  mit  dem 
Rathaus  in  der  Mitte  und  einem  sich  anfangs  aus  Buden  (von  Krämern  und 
Fleischern)  zusammensetzenden  Häuserblock  mit  ganz  engen  Durchgängen 
Den  Ring  umgeben  die  mit  ihrer  Giebelseite  nach  vorn  gekehrten  Bürgerhäuser. 
Alle  anderen  Strafsen  laufen  mit  den  Seiten  des  rechteckigen  Marktplatz«* 
parallel  und  .schneiden  sich  daher  meist  rechtwinklig  untereinander.  In  nächster 
Nähe  des  Ringes  ist  ein  zweiter  Platz  ausgespart,  auf  dem  gewöhnlich  dir 
Stadtkirche  steht.  Das  Strafsennetz  reicht  Iiis  an  die  mit  Toren  und  Tünnen 
versehene  Stadtmauer  und  Graben  heran.  Für  die  spätere  Weiterentwickelung 
solcher  Kolonialstädte  ist  letztere  bedeutsam  geworden,  da  die  an  Stelle  der 
Mauer  angelegten  Btrafsenzüge  peripherisch  verlaufen  und  die  an  die  Tore  sich 
anschliefsenden  Strafsen  radial  auseinanderstrahlen,  infolgedessen  auch  die 
aufserhalb  der  Mauer  angelegten  neuen  Strafsen  sich  peripherisch  (nicht  recht- 
eckig) anordnen.  —  Auch  die  Slaven  hatten  vor  der  germanischen  Kolonisation 
schon  Städte  aufzuweisen  (Kamin,  Wollin  -Julin,  Wittst«»ck\  die  etwas  mehr  als 
einfache  Dörfer  gewesen  sind;  indessen  bauten  die  deutsehen  Kolonisten  höchst 
selten  eine  vorhandene  slavische  Siedelung  zu  einer  Stadt  aus;  meist  gründeten 
sie  die  neue  Stadt  neben  einem  älteren  slavischen  Ort  und  übertrugen  auch 
dessen  Namen  auf  jene,  doeh  haben  wir  es  hier  in  adjtrto  mit  zwei  verschiedenen 
Siedelungen  zu  tun. 

Von  einer  Einzelbchandlung  der  bis  1:575  vorhandenen  Städte  Mittel- 
europas mufs  hier  begreiflicherweise  Abstand  genommen  werden;  aber  auch 
ein  einfaches  Herzählen  der  Städte  hätte  wenig  praktischen  Nutzen.  Da  auch 
die  monographische  Literatur  über  die  einzelnen  Städte  ins  Ungemessene  geht, 
so  können  im  folgenden  nur  solche  \\  erke  namhaft  gemacht  werden,  welche 
die  Städtekunde  des  ganzen  Gebietes  oder  einzelner  Landschaften  behandeln. 
Die  aufgeführten  Werke  sind,  was  Inhalt  und  Umfang  anbelangt,  allerdings 
sehr  angleichwertig  untereinander.  Das  Material,  aus  dem  eine  historisch«- 
Siedclungsgeographie  sieh  zusammensetzt,  besteht  heute  noch  aus  sehr  ver 
schiedenartigen  Bausteinen. 

Über  Städtewesen  im  allgemeinen  (mit  Aussehlufs  der  verfassungsgeschicht- 
lichen Fragen)  vgl.  Waitz,  DV.  Bd.  VII.  II  IT,  M\  ff.  VIII,  77  ff.  Ml  ff 
von  I  n  am  a-  Stern  egg,  Wirtschalt  in  Pauls  Grundrifs  d.  germ.  Phil.  III, 


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229.  Städte. 


385 


23  ff.     Schröder,  Lehrb.,  8.  008  fF.  mit  reichen   Literaturangaben.  von 
Bclow,  Das  ältere  deutsche  Städtewesen  und  Bürgertum,  Bielef.  1898. 

Fritz,  Deutsche  Stadtanlagen,  Progr.  Lyzeum  Strafsbg.  1894  (behandelt 
vergleichend  den  Grundrifs  der  deutschen  Städte).  Kallsen,  Gründung  und 
Entwicklung  der  deutsclien  Städte  im  Ma.,  Halle  1891  (bespricht  alle  einiger- 
maßen bedeutenden  Städte,  leider  ohne  Quellen  und  Literaturangaben). 
F.  II  ahn,  Die  Städte  der  Norddeutsehen  Tiefebene  in  ihrer  Beziehung  zur 
Bodengestaltung,  Stuttg.  1885.  H.  Schmidt,  D.  Einflufs  d.  alten  Handels wege 
in  Niedersachsen  auf  die  Städte  am  Nurdrande  des  Mittelgebirges,  Z.  bist.  Ver. 
f.  Niedersachs.  1896,  S.  44.i  ff.  —  Vgl.  im  übrigen  die  auch  auf  Städte  bezüg- 
liche Literatur  der  vorhergehenden  Paragraphen. 

Über  die  Städte  einzelner  Landschaften  in  bald  mehr,  bald  weniger  histo- 
rischer oder  geographischer  Behandlungsweise  vgl.  »Das  Grofsherzogt.  Baden«, 
Karlsr.  1*85.  »Das  Königr.  Württembergs  3  Bde.,  1882—1886;  ferner  die  Bc- 
s.hreibung  der  einzelnen  Oberamtsbezirke.  1824—1886  und  seit  1893.  »Bavaria«, 
München  1860  ff.,  5  Bde.  Götz  und  Förster,  Geogr.-histor.  Handb.  von 
Baiern.  München  1894  ff.  Vogel,  Beschrbg.  des  Herzogt,  Nassau,  Wiesb.  1843. 
Wagner,  Statist,  Beschr.  des  Grofshzgt.  Hessen,  Darmst.  1829.  Landau, 
Beschrbg.  von  Hessen,  1842.  Stramberg,  Rheinischer  Antiquarius  .  .  . 
■Schannat,  Eiflia  illustrata,  hrgb.  v.  Bärseh,  C'öln- Aachen  1824—55,  3  Bde. 
Guthe,  D.  Lande  Braunschweig  u.  Hannover,  1867.  Houtrouw,  Ostfries- 
land,  Aurich  1889.  Jansen,  Poleographie  der  eimbrischen  Halbinsel,  Stuttg. 
Rieck.  Städtisches  Leben  in  Mecklenburg.  Progr.  Neustrelitz  1897.  Heil, 
Die  Gründung  der  norddeutschen  Kolonialstädte,  Progr.  Wiesbaden  1896. 
Kratz,  Die  Städte  der  Prov.  Pommern,  1865.  Struve,  Entstehung  der  Städte 
in  der  Prov.  Brandenburg,  Progr.  Steglitz  1891.  Bork,  Städte  und  Burgen  in 
Altpreufsen,  Königsberg  1895.  Wuttke,  Städtebuch  des  Landes  Posen,  1864. 
Tschoppe  und  Stenzel,  1.  c. 

Auch  die  geschichtlichen  Darstellungen  der  einzelnen  Länder  und  Pro-  . 
vinzen  enthalten  beachtenswerte  Darstellungen  über  die  Städte,  z.  B. :  Riezler, 
Gesch.  Baierns  H,  194—205.    Pi  renne,  Gesch.  Belgiens  I,  186—222.  Blok, 
Gesch.  d.  Niederlande  I,  395—437.    Bachmann,  Gesch.  Böhmens  I.  483  ff. 

Ein  wertvolles,  fast  unentbehrliches  Hilfsmittel  für  die  Städtekunde  be- 
sonders nach  der  topographischen  Seite  sind  die  für  die  meisten  Provinzen 
und  Staaten  Deutschlands  angefertigten  Beschreibungen  der  Bau-  und  Kunst* 
Denkmäler,  die  oft  auch  mit  selten  zu  beschaffenden  Stadtplänen  versehen 
sind:  F.  X.  Kraus,  Kunst  und  Altertum  in  Elsafs- Lothringen,  4  Bde.,  Strafsbg. 
1*76  ff.  —  »Baudenkmale  der  Pfalz«,  Ludwigshafen  1884  ff.  —  »Die  Kunst- 
denkmäler des  Grofsherzgt.  Baden«,  hrgb.  von  Kraus  u.  a.,  3  Bde.,  1887  ff.  — 
Paulus,  Die  Kunst-  und  Altertumsdenkmale  im  Kgr.  Württemberg,  Stuttg. 
1**9  ff.  —  Zingeler  und  Laur.  Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  in  den  hohen- 
zollemschen  I^anden,  Stuttg.  1896.  —    Die  Kunstdenkmäler  des  Kgr.  Baiern«, 
München  1892  ff.  —  Denkmälertopographie  der  Schweiz,  hrgb.  v.  d.  antiepiar. 
Ges.  Zürich  1890  ff.  —  »Mitteilungen  der  k.  k.   Centraikommission  zur  Er- 
forschung der  Baudenkmale.,  Wien  1856  ff.  —  Giemen,  Die  Kunstdenk- 
mäler der  Rheinprovinz.   1891  ff.    -   x  Kunst-  und  Geschichtsdenkmäler  West- 
falens«! Münster  1880  ff.        Mithoff,  Kunstdenkmale  und  Altertümer  im 
Hannoverschen,  Hann.    1871  ff.,  7  Bde.   —   Haupt.  Bau-  und  Kunstdenk- 
mäler Schleswig-Holsteins,  3  Bde.,  Kiel  1887  ff.  —  Bergaus,  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler der  Prov.    Brandenburg,   Berlin   1885.     »Beschreibung  der  Kunst- 
denkmäler d.  Prov.  Posen«,  Berl.  1895  ff.  —  > Baudenkmäler  der  Prov.  Pommern, 
Stettin  1881  ff.  —  »Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Prov.  Ostpreufsen  ,  Königsbg. 
1«91  ff.  —  vBau-  und  Kunstdenkmäler  d.  Prov.  Westpreufsen <.  Danzig  1884  11. 
—  Lutsch,  Verzeichnis  der  Kunstdenkmäler  d.   Prov.  Schlesien,   1886  ff. 
Beschreibende  Darstellung  der  älteren   Bau-    u.   Kunstdenkmäler   des  Kgr. 
Sachsen x,  Dresden  1882  ff.  —  Lehfeldt,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens, 
Jena  1888  ff.  —  Büttner,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Anhalts,  Dessau  1892  ff. 

Kretschmer.  Historische  «enfrruphie.  25 


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380 


VII.  K ulturgeographie  um   «las  Jahr  137r>. 


230.  Landwirtschaft.  Eine  tiefgreifende  Umwälzung  hatte  im 
früheren  Mittelalter  in  den  Grundbesitzverhältnissen  wie  auch  in  der 
wirtschaftlichen  und  sozialen  Lage  Platz  gegriffen.  Die  grofsen  Grund 
herrschaften.  die  sich  im  IX.  und  X.  Jh.  gehildet  hatten,  blieben  nicht 
einheitliche  Wirtschaften;  sie  wurden  von  ihren  Herren  in  Teilstücken 
an  andere  Personen  zu  zeitweisem  oder  dauerndem,  oft  auch  erblichem 
Besitz  gegeben.  Besonders  waren  es  die  Verwaltungsbeamten  (viÜici)  oder 
Meier  (majoren),  die  zu  erblichen  Grundbesitzern  aufrückten.  Wenn  auch 
die  meisten  Grundherrschaften  immerhin  bestehen  blieben,  so  wurde 
doch  ihr  Besitz  in  ritterliche  Güter  und  bäuerliche  Höfe  von  kleinstem 
Umfange  zerlegt.  Von  der  Veränderung  der  Besitz  Verhältnisse  wurde 
aber  auch  die  soziale  Ordnung  berührt:  es  entwickeln  sich  Berufsstände 
auf  wesentlich  volkswirtschaftlichen  Grundlagen.  Durch  das  Empor- 
kommen und  die  Gründung  von  Städten  mit  politischer  Selbstverwal- 
tung wurde  schon  ein  Gegensatz  zwischen  der  städtischen  Bevölkerung 
der  Bürger  und  der  ländlichen  Bevölkerung  geschaffen.  Aber  auch 
bei  dieser  trat  eine  weitere  Differenzierung  in  Ritter  und  Bauern 
ein.  Die  Gleichartigkeit  der  wirtschaftlichen  Grundlagen  innerhalb  die- 
ser drei  Kategorien  hat  erst  die  Gegensätze  zwischen  ihnen  zum  Auf- 
druck gebracht  und  damit  die  Konsolidierung  von  Berufsständen  zur 
Folge  gehabt.  Ein  eigentlicher  Bauernstand  erscheint  erst  im  XII.  Jahr 
hundert, 

Der  grofse  Fortschritt  der  Landwirtschaft  zeigte  sich  vor  allem  in 
der  beträchtlichen  Yergröfserung  des  landwirtschaftlich  benutzten  Boden 
areals.    Nicht  blofs  die  durch  die  Kolonisation  gewonnenen,  wenn  auch 
noch  stark  bewaldeten  Flächen  des  östlichen  Deutschland  standen  hierfür 
nunmehr  zur  Verfügung,  sondern  auch  im  W.  war,  wie  schon  bei  den 
Siedelungsverhältnissen  angedeutet  worden  ist,   das   nutzbar  gemachte 
Land  vermehrt  worden,  teils  durch  Rodungen,  teils  durch  Gewinnuu^ 
von   Marschland   und  Trockenlegen   von   Sümpfen   und   Mooren.  Ein 
grofses  Feld  segensreicher  Tätigkeit  eröffnete  sich  hier  den  Oistercienser- 
mönchen,  die  seit  dem  XII.  Jh.,  seit  der  Gründung  von  Kloster  Alten- 
kampen  (im  Jahre  1122),  ihr  Kulturwerk  begannen  und  es  bis  auf  den 
fernsten  Osten  von  Deutschland  ausdehnten.    Altenkampen  bei  Geldern 
wurde  das  Mutterkloster  der  meisten  norddeutschen  Klöster;  von  ihn» 
gingen  zunächst  Walkenried  und  Atnelungshorn  aus,  die  neue  Toehter 
klöster  gründeten  in  Thüringen,  Sachsen,   Brandenburg,  Mecklenburg. 
Pommern,  Schlesien  etc.    Kloster  Walkenried  hat  in  der  Urbarmachung 
der  sumpfigen   Niederungen    des   Helinetales  Hervorragendes  geleistet 
(seit  1144).    Die  Bruchgegenden  um  Heringen  sowie  jene  an  der  Helme- 
mündung  bei  Allstedt  wurden  entwässert;  die  ganze  Talstrecke  unterhalb 
Nordhausen  war  durch  sie  in  reiches  Fruchtland  verwandelt  worden  und 
führte  seitdem  mit  Recht  den  Namen  der  Goldenen  Aue.    In  derselben 
Weise   hatte   das  Tochterkloster  Pforte  auf  seine  sumpfige  Umgebung 
gewirkt  und  auch  an  anderen  Stellen  bei  Jena,  Leipzig  etc.  seine  Tätig 
keit  entfaltet.    Seit  dem  Jahre  1170  datiert  die  Gründung  zahlreicher 
Cistercienserabteien  im    Wendenland   bis   nördlich   hinauf  nach  Däne 


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230.  Lnnd Wirtschaft. 


387 


mark.  Überall  haben  sie  die  Melioration  des  Bodens  betrieben,  Sümpfe 
entwässert,  Wälder  gerodet,  Meierhöfe  begründet  und  aus  Einöden  frucht- 
bare Gefilde  geschaffen.  Sie  haben  aber  auch  anregend  auf  die  übrigen 
deutschen  Einwanderer  gewirkt,  die,  abgesehen  von  den  Niederländern, 
welche  die  gleichen  Ziele  wie  die  Oistercienser  im  Auge  hatten,  aus  Ver- 
tretern der  verschiedensten  deutschen  Stämme  (Franken ,  Sachsen, 
Thüringer)  sich  zusammensetzten.  Nicht  nur  im  nordöstlichen  Deutsch- 
land, sondern  auch  in  den  österreichischen  Landen  finden  wir  geistliche 
Orden  in  der  Kultivierung  des  Landes  tätig.    Die  erste  Hälfte  des 

XII.  Jh.  liefs  in  den  österreichischen  Alpenländern  24  neue  Klöster  ent- 
stehen, unter  welchen  auch  solche  des  Cistercienserordens  waren.  — 
Man  darf  nicht  alle  Kulturtätigkeit  den  geistlichen  Stiftungen  zuschreiben 
wollen;  auch  die  weltlichen  Herren  hatten  ein  begreifliches  Interesse  an 
der  wirtschaftlichen  Nutzbarmachung  des  Landes  und  einer  gesteigerten 
Ertragfähigkeit. 

Eine  Änderung  im  landwirtschaftlichen  Betriebe  war  nicht  ein- 
getreten und  die  Ackerbau  Wirtschaft  hatte  damit  auch  keine  wesentlichen 
Fortschritte  zu  verzeichnen.  Mit  dem  Aufkommen  der  Städte  und  der 
dadurch  entstehenden  Konsumbedürfnisse  wurde  nicht  nur  der  Bau  der 
Handelsgewächse  und  Gemüse  sowie  der  von  Wein  und  Obst  gefördert,  auch 
neue  Gattungen  wurden  eingeführt.  Die  meisten  vortrefflichen  Obstarten 
wurden  von  den  Cisterciensern  aus  Frankreich  und  Italien  mitgebracht  ; 
die  Kunst,  Obstbäume  durch  Pfropfreiser  zu  veredeln,  wurde  von  ihnen 
auch  dem  Landvolk  gelehrt.  Selbst  mit  Rebengeländen  wollten  die 
Alten  berger  Mönche  die  Hügel  der  Heimat  schmücken;  aber  die  edle 
Burgunderrebe,  welche  das  Stammkloster  umrankte,  wollte  hier  nicht 
recht  gedeihen. 

Über  die  Agrar-  und  ( Jrundbesitzverhältnisse  im  allgemeinen  sowie  üDer  die 
Entstellung.  Bedeutung  und  Stellung  des  Bauernstandes  vgl.  I  n  am  a- Sternegg, 
Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  Bd.  III,  46  ff.,  197  IT.,  311  ff.  von  der  Goltz. 
Gesch.  d.  dt.  Landwirtschaft  1,  153  ff.,  170  ff.  (z.  T.  nach  Inama).  Ober  die 
Kultivierung  des  Landes  vgl.  die  im  §  371  aufgeführte  Literatur;  über  die 
Oistercienser  speziell  das  W  erk  von  Winter,  Die  Cistere.  des  nordöstlichen 
Deutschlands,  3  Bde.  1868  ff. 

Die  wichtigsten  Nahrungsgewächse  waren  Weizen,  Roggen,  Dinkel,  Gerste, 
Hafer,  Erbsen,  Linsen,  Bohnen,  Wicken,  also  nur  Getreidearten  und  Hülsen- 
früchte. Besonders  hat  der  Weizen  eine  gröfsere  Ausbreitung  erfahren.  In 
Baiern  wird  er  häufig  genannt,  auch  in  Österreich  und  Mitteldeutschland  tritt 
er  mehr  an  die  Stelle  des  Roggens.  Im  W.  hat  er  im  westlichen  Mosellande 
sowie  bei   Daun  (Eifel),    Bernkastel,   Coblenz,  Maifeld,   Kreuznach  bis  zum 

XIII.  Jh.  Fufs  gefafot.  Der  Weizen  heilst  sonst  allgemein  ariticum;  im  Luxem- 
burgischen und  Lothringischen,  wo  man  französisch  sprach,  wird  die  gewöhn- 
liche Bezeichnung  für  Getreide  =  fnmienhim  für  den  AVeizen  speziell  (frommt) 
verwendet.  In  einer  Trierer  Urkunde  von  1246  heifst  es:  Fnnneitlum,  quod  teutonice 
weiz  dicittir  {et.  Langethal  II,  337.  Lamprecht,  Dt.  Wirtseh.  I,  545»).  Ähnlich 
bezeichnet  nnomt  zuerst  allgemein  Getreide  oder  Korn  und  wird  seit  dem 
XI II.  Jh.  mehr  als  Koggen  spezialisiert.  Unter  dem  Namen  rugone  kommt 
er  auch  in  lateinischen  Urkunden  vor.  Er  ist  in  Deutschland  die  wichtigste 
Brotfrucht,  in  Raiern  und  Sachsen  ganz  allgemein  verbreitet  Der  Dinkel 
oder  Spelz  war  seit  alters  in  Sehwaben  und  der  Schweiz  zu  linden,  ferner  im 
Rheinlande,  wo  er  ursprünglich  auch  die  späteren  Weizengebiete  innehatte, 

25* 


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388  VII.  Koltargeographie  am  das  Jahr  1375. 

und  wo  sich  drei  Gebiete  für  den  Spelzbnu  in  jener  Zeit  nachweisen  lassen 
(Lamprecht  DW.  I,  550).    Hafer  wurde  das  ganze  Mittelalter  über  gebaut, 
aber  nicht  so  ausschliefslieh  als  Genulsmittel,  sondern  mehr  als  Viehfutter. 
Zugleich  aber  wurde  auch  viel  Gerste  gebaut,  besonders  in  Gegenden,  wo 
die  Bierbereitung  betrieben  wurde.    Nötigenfalls  wurde  das  Malz  fbraxt  au.« 
Hafer  oder  (ferste  hergestellt.    Der  Hirse  kommt  selten  vor.    Dagegen  tritt 
der  Gemüsebau  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund,  und  besonders  in  der 
Nähe  von  Städten;  desgleichen  der  Anbau  von  Handelspflanzen  wie  Flachs. 
Hanf,  Krapp  und  Waid.    Für  solche  Zwecke  wurde  meist  das  Sommerfeld  (im 
System  der  Dreifelderwirtschaft)  oder  auch  das  Brachfeld  benutzt,  und  schliefe- 
lieh  wurden  in  der  Nähe  von  einigen  Städten  ohne  Rücksicht  auf  irgendein 
Feldsystem  das  Land  nur  mit  Garten-  und  Handelepflanzen  bestellt.  Mainz. 
Würzl  mrg,  Bamberg,  Frankfurt  a.  M.,  Nürnberg,  Augsburg  und  vor  allen  Erfurt 
zeichneten  sich  in  der  Gemüsekultur.  Blumenzucht  und  Erzeugung  von  Nutz- 
pflanzen aus.    Die  wichtigste  Färberpflanze  war  in  Thüringen  der  Waid  (isntis 
titictoria)  zur  Herstellung  einer  blauen  Farbe:  Erfurt,  Gotha,  Langensalza,  Tenn- 
stedt, Mühlhausen,  Weimar,  Arnstadt  waren  Verkaufsplätze  von  Waid.  Aufser 
üi  Thüringen  wurde  Waid  auch  in   Franken,  Hessen,  am  Niederrhein,  in 
Brandenburg  und  den  Ostseeländern  erzeugt;  Krapp  zum  Kotfärben  am  01»er- 
rhein,  in  Schlesien  und  ebenfalls  an  der  Ostsee.    Zum  Gelbfärben  dienten 
Safran  (in  Österreich  und  Steiermark  gebaut)  und  Saf lor  {carüuimus  tinetoriush 
der  1241  zuerst  genannt  wird  und  in  Thüringen  (Erfurt)  und  Schlesien  ge- 
wonnen  wurde.    Zur  Tuchfabrikation  diente  die  Weberkarde.    Auch  der 
Flachsbau  hatte  eine  weitere  Ausbreitung  erfahren.    Schließlich  ist  noch 
des  Hopfen-  und  Weinbaues  zu  gedenken     Die- Hopfengärten  wiegen  in 
Norddeutschland  vor:  in  Thüringen,   Brandenburg,   Schlesien,  Mecklenburg. 
Schleswig-Holstein,  Lübeck.     Dagegen  stand  Süddeutschland  im  Bierkonsum 
zurück;  in  Böhmen,  Österreich  und  Altbaiern  wird  Hopfen  zwar  schon  gepflanzt, 
doch  stand  dort  die  ganze  Kultur  noch  in  den  Anfängen.     Der  deutsche 
Weinbau  machte  in  dieser  Zeit  seine  bedeutendsten  Fortschritte.   Die  mittel 
und  süddeutschen  Urkunden  geben  hiervon  Zeugnis,  die  Rheingegenden  stehen 
begreiflicherweise  obenan.     Aufser  an  der  Mosel  und  am  Rhein  wurde  seit 
dem  XI.  Jh.  auch  an  der  Saar  Wein  gebaut.    Alle  Orte,  welche  Terrassenbau 
erforderten,  blieben  bis  Mitte  des  XII.  Jh.  von  der  Weinkultur  unberührt. 
Seit  dieser  Zeit  regt  sieh  der  Terrassenbau ;  im  XIII.  Jh.  ist  er  schon  weit  ver- 
breitet (Lamprecht.  DW  I,   572,  II,  54  ff.    Hierzu  Karte  7  daselbst:  Verteilung 
der  Weinorte  um  1237  und  1825).    Der  Weinbau  hatte  sich  auch  im  übrigen 
Deutschland  erheblich  ausgebreitet.    Nicht  nur  nach  Schwaben,  Kranken,  Tirol 
und  Österreich,  auch  nach  Norden  war  er  vorgedrungen.    Im  XHI.  Jh.  finden 
wir  bei  fast  allen  Klöstern  Sachsens  Weinberge,  deren  Benennung  sich  bis  auf 
den  heutigen  Tag  erhalten  hat.    Aber  schon  damals  fingen  die  Klöster  an. 
ihren    Bedarf  von    Rhein,   Mosel    und   Main   herzubeziehen.     Corvey  kaufte 
mehrere  Weinberge  an  der  Mosel,  Walkenried  besafs  Weinberge  und  Kellereien 
bei  Würzburg  (Havemann,   Hannov.  I,  573).     Besonders  lebhaft  wurde  die 
Kultur  auch  in  Thüringen  und  Obersachsen  betrieben,  wo  die  ersten  Anfange 
bis  in  das  X.  Jh.  zurückreichen.     Weinberg««   in  der  Diözese  Brandenburg 
werden  im  Jahre  1184  erwähnt,    Wein  war  vor  der  Einführung  des  Christen 
tums  im  Wendenlande  sonst  nicht  gezogen  worden.    Nach  Bommern  kamen 
die  ersten  Reben  1128;  es  war  fränkisches  Gewächs.    Der  erste  urk um  11  ich  er 
wähnte  Weinberg  lag  bei  Grabow-Stettin  (Giesebreeht,  Wend.  Gesch.    I.  18:. 
Mögen  auch  die  an  den  Weingenufs  gewöhnten  Geistlichen  den  Anbau  in 
solchen  (iegenden  verbreitet  und  gefördert  haben,  so  scheinen  mir  doch  die 
kirchlichen   Zwecke  (Wein  beim  Abendmahl)  wesentlich  ausschlaggebend  ge 
wesen  zu  sein.  —  Der  Obstbau  scheint  keine  bedeutenden  Fortschritte  ge- 
macht zu  haben,  aber  auch  nicht  stellen  geblieben  zu  sein.    Er  war  in  ganz 
Deutsehland  vertreten,  insonderheit  wieder  im  Rheinland,  von  wo   aus  auch 
die  Einführung  neuer  Arten  betrieben  wurde  (Langethal  II,  335).  Daneben 


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231.  Wald. 


389 


ra^te  Siidtirol  hervor.  Apfel  und  Birnen  waren  allgemein  verbreitet;  seit  dem 
XIV.  Jh.  auch  Kirschen  und  Quitten.  Dagegen  sind  Beerensträucher  als  Obst 
in  «1er  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jh.  kaum  noch  bekannt;  statt  deren  hielt  man 
steh  an  die  Waldheeren.  Der  Nufsbaum  in  Gärten.  Höfen  und  freien  Plätzen 
wurde  wegen  der  Ölbereitung  (Brennöl)  und  seines  Holzes  geschätzt,  Seit  dem 
XI.  Jh.  tritt  auch  die  Edelkastanie  in  kleinen  Wäldern  mehrfach  auf. 

Die  Pferdezucht  hatte  an  Bedeutung  zugenommen,  da  der  Bedarf  für 
kriegerische  Zwecke  und  die  landwirtschaftliche  Arbeit,  schliefslich  aber  auch 
für  den  Fraehtenverkehr  immer  mehr  stieg.    Man  machte  auch  schon  einen 
Unterschied  zwischen  den  edleren  Reitpferden  und  einfachen  Arbeitepferden. 
Es  gab  auf  herrschaftlichen  Gütern  grofee  Gestüte,  und  einzelne  Landschaften, 
wie  Oberbaiern,  Nordtirol,  der  Pinzgau  und  Lungau  (oberes  Murtal),  zeichneten 
sich  in  dieser  Zucht  aus.    Neben  den  Stallpferden  gab  es  wilde  Pferde  (equi 
pilvestres,  equi  vagi),  die  im  Freien  weideten  und  nur  selten  in  einen  Stall 
gebracht  wurden  (Sachsenspiegel  I,  24).    Die  Rinderzucht  stand  wie  auch 
früher  der  Pferdezucht  nach,  hatte  sich  aber  etwas  gehoben.    Mit  dem  Auf- 
kommen der  Städte  nahm  der  Konsum  an  Mastvieh  sowie  an  Produkten  der 
Viehzucht,  Milch  und  besonders  Käse  ganz  ungewöhnlich  zu     Butter  kam 
weniger  in  Betracht;  auch  wurde  im  Mittelalter  mehr  Kalbfleisch  genossen. 
Ks  wird  von  grofsen  Rindenvirtschaften  berichtet,  sog.  Schwaigen,  Viehhöfen, 
wo  die  Zucht  in  gröberem  Umfange  betrieben  wurde.    In  den  Alpen  bestand 
<lie  Sennerei  schon  in  derselben  Form  wie  heute.    Im  Frühling  fand  die  Auf- 
fahrt der  Herde  statt ;  die  Alpenmatten  wurden  bis  zum  Hochsommer  in  immer 
größeren  Höhen  abgegrast  (Langethal  II,   300  f.).    Die  Alpen  Wirtschaft  war 
auf  Sommerbetrieb  der  Viehzucht  eingeschränkt  und  beruhte  zumeist  auf  der 
Mimendenutzung  (Inama  Sternegg  III,  360  f.).   Weit  mehr  als  das  Rind  diente 
das  Schwein  als  Fleischtier.   Es  war  für  damalige  Zeiten  deshalb  ein  wichtiges 
Haustier ;  schon  die  grofsen  Zahlen  sprechen  hierfür,  da  es  Herden  von  1000 
und  2000  Stück  gab.    Die  Schweineweide  bildeten  die  Buchen-  und  Eichen- 
wälder, deren  Wert  und  Bedeutung  von  der  Anzahl  der  zu  weidenden  Tiere 
abhängig  war.  Westfalen  ragte  schon  damals  in  der  Schweinezucht  hervor  (Seihertz, 
I/lgesch.  Westf.  III,  323).    Wie  im  Winter  das  Schwein,  so  scheint  im  Sommer 
das  S  c  h  a  f  die  hauptsächlichste  Fleischspeise  gebildet  zu  haben.    Weit  mehr 
aber  war  es  die  Wollproduktion  und  die  steigende  Nachfrage  nach  Wolle,  die 
mit  der  Entwicklung  des  Tuchraachergewerbes  in  den  Städten  in  Zusammen- 
hang stand,  wodurch  die  Schafzucht  eine  Hebung  und  Ausbreitung  erfuhr. 
Die  oberrheinischen  Gebiete,  Schwaben,  Franken,  das  niederrheinische  und 
Moselgebiet  sowie  die  nordöstlichen  Teile  des  Reiches  bis  nach  Preufsen  hin- 
auf besafsen  wichtige  Standorte  für  den  ( Jrofsbetrieb  der  Schafzucht  (Inama  III, 
355).    Das  Moselland  und  besonders  die  Hochplateaus  waren  schon  in  römischer 
und  fränkischer  Zeit  berühmt    In  der  Karolingerzeit  scheint  dann  ein  Rück- 
gang eingetreten  zu  sein,  aber  am  Ende  des  XI.  und  besonders  Ende  des 
XIII.  Jh.   blühte  die  Schafzucht  im  Ardennen-  und  Eifellande  im  grofsen 
wieder  auf,  um  dem  gesteigerten  Fleisch-  und  Wollkonsum  zu  genügen.  Die 
-Anzahl  der  Schafe  in  den  Schwaigen  belief  sich  im  XIII.  Jh.  sogar  auf 
250  Stück,  im  XIV.  bis  XV.  Jh.  auf  500  Stück,  während  im  Anfang  unseres 
Jahrhunderts    höchstens    100—150  Stück   bei    Privatherden   gezählt  wurden 
Umprecht  DW.  I,  536  f.). 

Alles  Nähere  vgl.  bei  Inama-Stern egg,  Dt.  W.  IH,  330—371.  Lange- 
thal, Gesch.  d.  deutschen  Landwirtschaft,  1850,  II,  2<J5  IT..  336  ff..  378  ff.  v.  d. 
Goltz,  1.  c.  I,  125  ff.  Lamprecht,  DW.  I,  332  ff.,  547  ff.  Ferner  Fraas, 
Gesch.  d.  Landwirtsch.,  Prag  1852.  Löhe,  Gesch.  d.  dt.  Landwirtsch.,  Berlin  1873 

231.  Wald.  Die  Waldrodungen,  die  im  VI.  Jh.  begonnen  hatten, 
wurden  in  dieser  Periode  in  verstärktem  Mafse  fortgesetzt  und  erreichten 
im  XII.  .und  XIII.  Jh.  ihren  Höhepunkt,  zugleich  aber  auch  einen  vor- 
läufigen Abschlufs.  Während  vorher  vorzugsweise  der  Westen  Deutschlands 

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390 


VII.  Kulturgcojp-aphie  "m  ,l»8  Jah*  137». 


hiervon  betroffen  worden  war,  griff  die  Waldlichtung  nunmehr  auch 
auf  die  östliche  Hälfte  Mitteleuropas  über,  und  in  einem  verhältnismäßig 
schnelleren  Tempo  als  vordem  wurden  hier  Breschen  in  den  deutschen 
Urwald  gelegt.     Bis  zum   XI.  und  XII.  Jh.   hatte  man  besonders  in 
der  westlichen  Hälfte  der  deutschen  Waldgebirge  vom  Schwarzwald  bis 
zum  Thüringer  Wald  und  dem  sächsischen  Vogtlande  eine  eifrige  Rode 
tätigkeit  entfaltet,  im  XII.  und  XIII.  Jh.  drang  man  auch  in  die  böhmi- 
schen Randgebirge  und  in  die  dichten  Waldgebiete  des  grofsen  Tieflandes 
nördlich  von  ihnen  ein.    Das  Rodungswesen  ging  mit  der  germanischen 
Kolonisation  der  Slavenländer  Hand  in  Hand;  Adel  und  Fürsten  selbst 
slavischer  Abkunft,  hatten  ein  persönliches  Interesse,  das  Land  zu  kulti- 
vieren und  wirtschaftlich  ertragfähig  zu  machen.    Sie  begünstigten  den 
Zuzug  deutscher  Kolonisten,  da  die  slavischen  Bewohner  nicht  die  tech- 
nische   Fertigkeit   besafsen,    die   dichten    Urwälder    zu   lichten.  Die 
bedeutsamste   Förderung   aber   erfuhr    das   Rodungswesen   durch  die 
Klöster,  die  im  XII.  und  XIII.  Jh.,  wie  Arnold  sich  ausdrückt,  geradezu 
auf  Spekulation  gegründet  worden  und  nichts  weiter  als  grolse  Rode- 
anstalten waren.    So  lichtete  sich  der  Wald  zusehends  und  hiermit 
ändert«»  sich  auch  das  Landschaftsbild.    Die  Verteilung  von  WaldlanA 
und  offener  Feldflur  wurde  eine  andere,  wenn  auch  noch  nicht  beständige; 
denn  noch  bis  zum  XIV.  Jh.  haben  feste  Grenzen  zwischen  beiden  nicht 
bestanden.  Die  Wirtschaftsweise  bedingte  überdies  einen  Wechsel  zwischen 
Waldbau  und  Feldbau;  wenn  die  Nährstoffe  aus  den  humösen  Boden- 
schichten herausgezogen  waren,  liefs  man  das  Land  brachliegen,  welche* 
sich  dann  von  neuem  bestocken  konnte.   —  Die  Waldnutzung  hatte 
anfangs  noch  keine  wesentliche  Änderung  erfahren.    Mast-  und  Weide 
nutzung  standen  nach  wie  vor  in  erster  Reihe,  dann  die  Jagd  und 
zuletzt  die  Holznutzung.    Jedem  Mitgliede  einer  Markgenossenschaft  war 
es  verstattet,  Holz  nach  Belieben  zu  schlagen.    Es  konnte  daher  nicht 
ausbleiben,  dafs  in  den  dichter  besiedelten  Gegenden  des  westlichen 
Deutschland,  dann  besonders  auch  in  der  Nähe  der  Salinen  und  Hütten- 
orte das  Holz  im  nächsten  Bereiche  abzunehmen  begann,  wenn  auch 
noch  nicht  ein  eigentlicher  Holzmangel  eingetreten  war.    Indessen  war 
die  Sorge  um  einen  später  eintretenden  Holzmangel  stets  die  geringere 
gewesen,  weit  mehr  war  man  auf  den  Schutz  der  Jagd  bedacht,  die  durch 
allzuviel  Xeubrüche  leicht  eine  Einschränkung  und  tiefergehende  Schädi 
gung  erfahren  kennte.    In  den  Bannforsten  war  das  Roden  schon  ans 
diesem  Grunde  untersagt.    Im  Laufe  der  Zeit  stellte  sich  die  Notwen- 
digkeit heraus,  den  Rodungen  Grenzen  zu  setzen;  es  wurden  zunächst 
nur  für  einzelne  Waldgebiete  Rodungsverbote  erlassen.    Anfangsi  traten 
sie  spärlich  und  meist   wohl  mit  Rücksicht  auf  den  Jagdschutz  auf. 
später  wurden  sie  immer  häutiger  und  allgemeiner.   So  wurde  im  Jahre 
1165  im  Lorscher  Walde  das  Roden  verboten,  1226  im  Rheingau,  1291 
in  der  Mörler  Mark,  in  letzterer  zum  Schutze  der  Mast  und  Weide.  Im 
Jahre   1237  untersagte  Erzbisehof  Elterhard  von  Salzburg  im  Interesse 
des  Salinenbetriebs  die  Umwandlung  von  abgeholzten  Landstrichen  in 
Ackerland,     damit  auf  ihnen  wieder  Holz  nachwachsen  könne*.  Wie 


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231.  Wald.  391 
t 

in  diesem  Falle,  so  wurde  eine  Förderung  der  Waldkultur  auch  durch 
eine  Verfügung  Kaiser  Albrechts  im  Jahre  1304  beabsichtigt,  in  welcher 
er  Neubrüche  im  Ilagenauer  Forst  untersagte  und  die  Wiederbestockung 
der  in  Feldfluren  umgewandelten  Teile  anordnete  (Schwappach  I,  154—156). 
Die  Waldverhältnisse  hatten  also  an  vielen  Orten  schon  eine  erhebliche 
Veränderung  erfahren.  Auch  da,  wo  keine  dichtsitzende  Bevölkerung 
für  den  eigenen  Bedarf  den  Wald  rodete,  fand  eine  Lichtung  desselben 
durch  Holzverkauf  und  -handel  nach  holzärmeron  Ländern  statt,  besonder* 
dann,  wenn  natürliche  Wasserstraßen  es  begünstigten.  So  wurde  schon 
im  XIII.  Jh.  auf  der  Ostsee  ein  schwunghafter  Handel  mit  Holz 
getrieben.  Die  Holzausfuhr  der  Stadt  Danzig  erstreckte  sich  bis  Holland, 
Spanien  und  England.  Im  Jahre  1342  durfte  Holz  auf  Würm,  Nagold, 
Enz  und  Neckar  geflöfst  werden.  Auf  der  Spree  im  1  Havel  begann  die 
Holzflößerei  auch  schon  im  XIII.  Jh.,  um  aufserdeutsche  Länder  zu 
versorgen  (Enders  6f>  ff.). 

Die  unter  gemeinsamen  Interessen  organisierten  Markgenossensehaften 
iH  safsen  den  Wald  als  Gesamteigentum.  Neben  diesen  Markwaldungen  blieben 
aber  noch  grofse  Gebiete  übrig,  die  als  herrenloses  Land  anfangs  nominell  dem 
Konige  gehörten,  dei  sozusagen  der  gröfste  Grundbesitzer  im  Lande  war.  Das 
Reichsgut  fand  aber  im  Laufe  der  Zeit  eine  beträchtliche  Verminderung  durch 
die  freigebigen  Schenkungen,  welche  die  Könige  an  geistliehe  und  weltliche 
Herren  und  an  die  Klöster  machten.  Die  Ausbildung  des  Lehenswesens 
^forderte  die  Zerbröckelung  des  fiskalischen  Besitzes  immer  mehr,  und  Teile 
-i<-s  Reichsgutes  gingen  sehliefslich  in  den  persönlichen  Besitz  des  Belehnten 
und  seiner  Erben  über.  Da  überdies  die  Kaiser  in  finanziellen  Verlegenheiten 
Reichsgut  zu  verpfänden  oder  zu  verkaufen  pflegten,  so  schrumpfte  der 
fiskalische  Besitz  immer  mehr  zusammen,  und  nicht  zum  wenigsten  betraf  dies 
die  grofsen  Bannforste  und  Reichswaldungen.  Aber  auch  in  den  Besitzver- 
hältnissen der  Markgenossenschaften  trat  eine  Wendung  ein ;  ihre  Autonomie 
wurde  ulimählich  beschränkt,  die  Markwaldungen  wurden  geteilt,  und  seit  dem 
XU.  Jh.  verschwand  «'ine  Markgenossenschaft  nach  der  anderen.  Um  das 
XIII.  Jh.  lagen  die  Waldeigentumsverhältnisse  so.  dafs  die  landes-  und  grund- 
herrlichen  Waldungen  die  gröfsten  Flächen  einnahmen  und  nur  noch  Reste 
der  früheren  grofsen  Reichsforste  übrig  waren.  Vgl.  Schwapp  ach,  Handb. 
d.  Jagd-  u.  Forstgeseh.  I,  109  IT.,  126  IT.  Enders,  Die  Waldbenutzung  vom 
13.  bis  Ende  des  18.  Jh.,  Tübingen  1888.  p.  2  ff. 

Es  möge  hier  ein  Überblick  über  die  wichtigeren  grofsen  Waldterritorien 
Deutschlands  folgen  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Reichswaldungen 
in  der  westlichen  Hälfte  und  mit  einigen  Angaben  über  Beschaffenheil  und 
Zusammensetzung  der  Wälder.  Als  Vorarbeiten  sind  hier  zu  nennen:  Chr.  Fr. 
Meyer,  der  frühere  und  dermalige  Zustand  der  staatswirtschaftlichen,  forst- 
lichen und  rechtlichen  Verhältnisse  bei  den  Waldungen  in  Deutschland  und 
namentlich  bei  den  «lasigen  Reichsforsten,  Nürnberg  1851.  von  Berg,  Gesch. 
d.  deutschen  Wälder,  p.  287 — 316.  Roth,  Gesch  d.  Forst-  und  Jagdwesens, 
8.  144  ff.  Schwappach,  Handb.  I,  111 — 121.  Über  die  dendrologischen 
Verhältnisse  s.  die  oben  8.  207  genannte  Literatur;  lerner  Krause,  Floren- 
karte von  Norddeutschland  für  das  XII.— XV.  Jh..  in  Bctermanns  Mittlgn. 
1892,  231  ff.,  mit  Karte  Tat.  18. 

1.  Bannforst  bei  Aachen,  ein  Teil  des  Ardennerwaldes.  In  Urkunden 
Karls  d.  Gr.  804:  forestum  nostri  Aqiustfratmtn  genannt  ;  er  dehnte  sieh  südlich 
Über  Cornelimünstei  bis  nach  Montjoie  aus  an  das  Hohe  Venn  and  kam  in 
den  Besitz  der  genannten  Abtei  und  der  Herren  von  Montjoie,  deshalb  auch 
als  Reichswald  von  Montjoie  bezeichnet.  —  2.  Der  Kondelwald  bei  dem 


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392 


VII.  Kultunreojrraphie  um  «hm  Jahr  137f>. 


alten  Königshofe  Cröve  oberhalb  Cochem  am  linken  Moselufer,  schon  in  Urkunden 
Pippins  752  genannt,  —  3.  Königlicher  Wahl  zwischen  Boppard  und  Ober- 
weid, 8*2»)  genannt.  Hier  herrschte  überall  die  Buche  und  Eiche  vor,  wie 
überhaupt  auf  dem  ganzen  Eifelplateau.  Näheres  über  diese  Waldungen  hei 
Lamprecht,  Dt.  Wirtschaf tsg.  I,  93  ff.  —  4.  Im  Nahegau  der  Soonwald, 
der  ehemals  gröfser  gewesen  zu  sein  scheint  und  den  Idarwald  mit  um- 
schlossen hat;  heute  im  Kreise  Kreuznach  gelegen;  er  war  ganz  mit  Eichen 
bestanden.  —  5.  Der  Reichsforst  bei  dem  Königshofe  Lutara  (Kaiserslautern) 
im  Nahegau  bis  an  die  (ilan  reichend.  Im  XIV.  Jh.  kam  er  an  das  kur- 
pfälzische Haus.  —  6.  Die  Buchenwaldungen  der  bairischen  Vorderpfalz, 
in  welcher  neuerdings  auch  die  Kiefer  angepflanzt  worden  ist.  —  7.  Der 
Winter  hauch  an  der  oberen  Nahe,  961  genannt,  —  8.  Der  heilige  Forst 
bei  Hagenau  im  Elsafs,  auch  Heiligen  f  orst  genannt,  mit  Eichen-  und 
Buchenbeständen,  nördlich  von  Hagenau  zwischen  den  Yogesen  und  tlem 
Rhein.  Über  die  Eigentumsverhältnisse  an  demselben  handelt  ausführlieh 
Ney,  Geschichte  des  heiligen  Forstes,  Strafsburg  1888/89.  —  9.  Auf  der  rechten 
Rheinseite  der  Königsforst  bei  Bensberg,  östlich  von  Cöln.  —  10.  Der 
Zand  er  hart  in  der  Wetterau  südlich  von  Fulda  kam  durch  Kaiser  Heinrich  II. 
an  die  Abtei  Fulda.  In  dem  Schenkungsbrief  wird  die  Grenze  näher  bezeichnet, 
—  11.  Der  Forst  bei  der  Burg  Friedberg  zwischen  Frankfurt  und  Giefsen 
in  der  Wetterau  von  geringerer  Bedeutung.  —  12.  Östlich  von  ihm  der 
B  ü  d  i  n  g e  r  R  e  i  c  h  s  w  a  1  d ,  auch  Reichs  »Schirmwald,  bei  Gelnhausen.  Ein  Weis- 
tum  von  1380  gibt  die  Grenzen  an;  der  gröfste  Teil  lag  in  Überhessen  bis  zur 
Höhe  des  Wogalsberges  hinaufsteigend.  —  13.  Der  Spessart  in  der  vier- 
eckigen Mainschleife  war  im  Mittelalter  nachweisbar  nur  mit  Laubholz  bestanden, 
besonders  mit  herrlichen  Eichenwäldern  und  deshalb  geschätzt  wegen  seiner 
reichen  Mast.  14.  Der  Dreieicher  Reichsforst  (Trieich,  Drieich.  Dri- 
eichuhi),  dessen  Grenzen  aus  einem  Weistum  von  1338  bekannt  sind.  Er  wird 
schon  im  IX.  Jahrhundert  genannt  und  gehörte  zu  den  Pfalzen  Frankfurt  und 
Tri  hur.  Er  lag  in  dem  Winkel,  den  Rhein  und  Main  bilden,  griff  aber  noch 
ein  Stück  nördlich  über  den  Main  bis  Vilbel  aus  und  reichte  östlich  bis  an 
den  Main  bei  Asehaffenburg  und  südlich  bis  Reinheim.  Zu  ihm  gehörte  auch 
der  Königsforst  bei  Frankfurt  (Chnnüjesforst).  —  15.  Der  Forehahi  uinfafste 
die  ganze  heutige  Bergstrafse  zwischen  dem  Rhein  und  Neckar  und  der  Berg 
zone.  —  16.  Der  Odenwald  zwischen  Main  und  Neckar;  die  Bergstrafse 
schied  ihn  vom  vorigen.  Er  ging  an  das  Kloster  Lorsch  über,  über  die  letzt- 
genannten drei  Waldungen  vgl.  Wenck,  Hessische  Landesgeschichte,  1783,  I, 
69  ff.  Das  ganze  obere  rechte  Rheingebiet  von  Karlsruhe  bis  Mainz  sowie 
der  westliche  Teil  des  Odenwaldes  waren  ausschliefslich  von  Laubwaldungen 
erfüllt.  —  17.  Der  Luizhard,  Lufshard  im  Kraiehgau,  nördlich  von  Bruchsal, 
bis  an  den  Rhein  reichend,  kam  an  das  Bistum  Speier.  Eine  Trkunde  Heinrichs  IV. 
von  1063  gibt  den  Umfang  an.  —  18.  Königsforst  zwischen  Neckargemünd 
und  Laufen,  südlich  des  Neckars  zu  beiden  Seiten  der  Eisenz.  —  19.  Reichs- 
forst Walle  übe  rg  im  Gardachgau,  nach  der  Gardaha  (Leinbach)  benannt, 
in  der  Nähe  von  Wimpfen.  —  20.  Reichswald  bei  Altdorf  und  Weingar  teil 
nördlich  vom  Bodensee  im  Amte  Ravensburg.  —  21.  Schönbuch,  1187  ge- 
nannt, auch  Silva  Schainbuoch  1191,  nördlich  von  Tübingen.  —  22.  Uttinger 
Forst  bei  Aufkirchen  an  der  Wörnitz,  1347  Truhendinger  Porst  genannt. 
23.  Der  Steigerwald,  dessen  Grenze  die  Schenkungsurkunde  Heinrichs  LI. 
an  das  Stift  Würzburg  1023  enthält.  Er  erfüllte  den  ganzen  Bogen  der  Main- 
schleife bei  Sehweinfurt.  —  24.  Die  Hafs berge  zwischen  Hafsfurt  und 
Bamberg.  25.  Der  Frankenwald,  früher  Nordwald,  mit  dem  Fichtel- 
gebirge. —  26.  Der  Forst  von  Weifsenburg  am  Sand  im  Rezatgebiet.  - 
27.  Der  Nürnberger  Reichswald,  dessen  Teile  nach  den  beiden  Nürn- 
berger Kirchenheiligen  benannt  wurden.  Die  Pegnitz  trennt  ihn  in  den  Reichs- 
wald St.  Sehaldi,  nördlich  bis  fast  nach  Erlangen  reichend,  und  den  Reichswald 
St.  Laurenz!  am  linken  Tier.     Über  ihn  handelt  die  Festschrift  f.  d.  Vers. 


232.  Bergbau. 


303 


deutscher  Forst-  u.  Landwirt*1 :  Beschreibung  des  Reichswaldes  bei  Nürnberg 
in  geschichtl.  und  Wirtschaft!  Beziehung ,  Nürnberg  1853.  —  28.  Auch  der 
Ba irische  Wald  war  zum  grofsen  Teil  Reichsgut  gewesen.  —  Was  die  Ver- 
teilung von  Laub-  und  Nadelwald  in  diesen  Gebieten  Süddeutsehlands  an- 
belangt, so  herrschte  der  letztere  besonders  in  der  östlichen  Hälfte  vor.  Das 
fränkische  Plateau,  der  Böhmer  Wald  und  das  Fichtelgebirge,  desgleichen  die  süd- 
lichen Landschaften  einsehliefslich  der  Alpen,  ferner  die  hol  leren  Teile  des 
Schwarzwaldes  u.  a.  in.  gehörten  dem  Nadelwaldgebiete  an,  wenn  auch  kleinere 
Laubwaldbestände  nicht  ganz  .ausgeschlossen  waren. 

In  Norddeutschland  bildete  29.  der  Harz  einen  Bannwald.  Die  Grenzen 
sind  nirgends  angegeben,  doch  scheinen  sie  durch  das  Gebirge  gegeben  zu  sein. 
Im  Jahre  1157  belehnte  Kaiser  Friedrich  1.  Heinrich  den  Löwen  u.  a.  auch  mit 
dem  Forst  auf  den  Gebirgen,  welche  Harz  genannt  werden.  Seitdem  blieb  er 
in}  Besitz  der  Weifen,  über  Laub-  und  Nadelwald  auf  dem  Harz  vgl.  oben 
S.  2t  »7.  —  Im  Sachsenspiegel  werden  neben  dem  Harz  noch  zwei  andere  Bann- 
wälder genannt:  30.  Die  Magetheide,  in  der  allgemein  die  Lüneburger  Heide, 
die  ehemals  mit  Eichen  bestanden  war,  vermutet  wird.  Andere  suchen  sie  im 
Meifsenschen  Gebiet  bei  einem  Orte  Brcthin  zwischen  Torgau  und  Wittenberg, 
weil  sie  auch  die  Brettinsehe  (Prettinsehe)  Heide  hiefs.  —  31.  Die  Lage  der 
Heide  zu  Koyne  ist  uns  ebensowenig  genau  bekannt.  Hüllmann  verlegt 
sie  in  den  Thüringer  Wald,  Neumann  nach  der  Niederlausitz  (im  Kreise  Guben 
liegt  ein  Dorf  Koyne),  von  Berg  in  die  Gegend  von  Zeitz,  wo  südöstlich  von 
der  Stadt  ein  Flecken  Kaina  genannt  wird;  daselbst  hielt  Friedrich  I.  1179 
einen  Reichstag  ab.  Vgl.  Berg,  1.  c.  313.  Neben  den  königlichen  Wäldern 
gab  es  im  westlichen  Deutschland  eine  Fülle  von  grundherrlichen  und  frei- 
eigenen Markwal« hingen,  die  hier  unmöglich  alle  hergezählt  werden  können. 
Einen  grofsen  Teil  von  ihnen  bespricht  Roth,  1.  c.  S.  165  ff. 

Dafs  im  östlichen  Deutschland  der  Wald  noch  sehr  viel  dichter  stand, 
ist  mit  Sicherheit  anzunehmen.  Die  böhmischen,  mährischen  und  schlesischen 
Wälder  werden  noch  als  reine  Urwälder  geschildert.  Auch  eine  Reihe  von 
Waldnamen  sind  uns  überliefert:  die  Silva  Delvunder  an  der  Delvenau,  die  Silva 
Travena  an  der  oberen  Trave,  der  Wald  Isamho  an  der  Schwentine,  Hehnold 
(I,  83)  kommt  zum  Fürsten  Pribislaw  in  Wagricn  durch  einen  Wald  von  Eichen ; 
die  Silva  Iiesut  auf  der  Grenze  der  Länder  Havelberg  und  Müritz,  der  Wald 
Porti  im  Gau  Zemzizi  (Urk.  Ottos  I.),  die  Merica  Werbelt/n  westlich  des  gleich- 
namigen Sees  (heute  Schorfheide),  ein  beliebtes  Jagdrevier  der  Markgrafen  und 
Kurfürsten ,  die  Merica  versus  Streit  (Sehweit)  zwischen  Königsberg  i.  NM., 
Zehden  und  dem  Odertal;  ferner  der  Zotzen  im  Havellande,  von  Nauen  bis 
Spandau  und  der  grofse.  oft  erwähnte  Wald  auf  der  Grenze  von  Polen  und 
Pommern,  der  in  Herbords  vita  Ottonis  sehr  anschaulich  beschrieben  wird, 
und  bis  an  die  Netze  reichte.  Eine  Zusammenstellung  aller  in  Urkunden  und 
anderen  Quellen  genannten  Waldgebiete  existiert  noch  nicht;  sie  würde 
wenigstens  einen  Anhalt  für  die  geographische  Verbreitung  des  Waldes  bieten. 

232.  Bergbau.  Während  in  der  voraufgehenden  Periode  die  Quellen, 
welche  eine  bergbauliche  Tätigkeit  bezeugen,  verhältnismäfsig  spärlich 
fliefsen  und  auch  spärlich  fliefsen  müssen,  weil  diese  Tätigkeit  an  vielen 
Orten  erst  in  den  Anfängen  stand  oder  noch  gar  nicht  eingeleitet  worden 
war,  ändert  sich  dies  mit  dem  Eintritt  in  das  XI.  Jh.  und  in  der  nach- 
folgenden Zeit.  Zahlreiche  Bergwerksorte  werden  genannt,  ganze  Land- 
schaften treten  mit  einem  regen  Betriebe  plötzlich  in  den  Vordergrund, 
die  stärkere  Produktion  von  edlen  und  unedlen  Metallen  übt  ihren 
EinHufs  auf  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  aus.  Die  Bedeutung  und 
Wichtigkeit,  die  dem  Bergwesen  nunmehr  beigemessen  wird,  äul'sert  sich 
auch  auf  staatsrechtlichein  Gebiet.     Der  König  besitzt  das  Bannrecht 


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394 


VII.  Kultuiyeogmphie  um  das  Jahr  1375. 


über  die  Wälder,  die  Jagd-  und  Fischereigründe,  über  Mühlen,  Brauereien 
und  Backöfen;  er  malst  sieb  auch  das  Berg-  und  Salzregal  an, 
welches  im  XII.  Jh.  voll  entwickelt  ist.  Der  anfängliche  Betrieb  lag 
ganz  in  den  Händen  der  grofsen  <  irundherren;  er  erforderte  viel  Er- 
fahrung und  technische  Kenntnisse,  und  es  war  daher  unausbleiblich, 
dnfs  die  Bergleute,  auf  deren  Geschicklichkeit  der  ganze  Erfolg  der 
Förderung  beruhte,  sich  unentbehrlich  wufsten  und  ihre  Stellung  dein 
Grundherrn  gegenüber  unabhängiger  zu  gestalten  suchten.  Dies  führte 
späterhin  zu  einem  genossenschaftlichen  Betrieb  durch  Gewerkschaften, 
wodurch  der  Grundherr  immer  mehr  zurücktrat  und  schliefslich  nur  noch 
auf  Anteile  beschränkt  war.  Seit  dem  XIII.  Jh.  treten  daher  eine  Reihe 
von  Bergwerksordnungen  für  verschiedene  Städte  auf,  von  denen  einige 
(ähnlich  wie  die  Städteordnungen)  als  mustergültig  auch  auf  andere  Berg- 
werksorte übertragen  wurden. 

('herschauen  wir  den  Gesamtbetrieb  in  deutschen  Landen  z.  Z. 
Karls  IV.,  so  hat  er  schon  rein  räumlich  genommen  eine  gröfsere  Ent- 
faltung erfahren.  Neben  den  älteren  Bergwerken  treten  besonders  der 
Harz,  das  Sächsisch«'  Erzgebirge,  Niederschlesien  und  Böhmen  als  Pro- 
duktionsstätten von  Gold,  Silber,  Zinn,  Kupfer,  Blei  und  Eisen  hervor. 
Die  Entdeckung  neuer  Erzgänge,  der  bedeutende  Erfolg  in  der  Gewin- 
nung wirkten  anziehend  auf  die  Bevölkerung  der  nachbarlichen  und  oft- 
mals sehr  weit  entlegenen  Länder.  Eine  Bewegung  innerhalb  der 
Bevölkerung  war  die  Folge.  Sächsische  und  fränkische  Bergleute  fanden 
sich  ein  und  zogen  andere  Ansiedler  nach  sich.  Einsame  Waldeinöden 
belebten  sich  plötzlich  und,  amerikanischen  Verhältnissen  ähnlich,  wuchs 
infolge  der  zunehmenden  Bevölkerung  eine  Anzahl  von  Bergstädten  in 
rascher  Folge  empor.  Deutsche  Bergleute  zogen  aber  auch  weit  über 
die  Grenzen  deutschen  Landes  hinaus.  Südtirol,  das  ( Jberungarisehe  Erz 
gebirgo  und  Siebenbürgen  wurden  ebenso  von  ihnen  aufgesucht. 

Die  Salinen  hatten  in  dieser  Zeit  einen  gewaltigen  Aufschwung 
genommen.  Einige  neue  waren  hinzugekommen;  die  älteren  aber  wurden 
intensiver  ausgebeutet.  Die  zunehmende  Bevölkerung  machte  eine  reich 
liebere  Ausnutzung  notwendig.  Die  Salzquellen  waren  aber  höchst 
ungleich  über  das  Land  verteilt.  Der  Süden  und  die  gröfsere  ostliche  Hälfte 
zählten  die  meisten,  während  der  äufserste  Westen,  besonders  die  Rhein 
lande,  mit  ihrer  sehr  viel  dichteren  Bevölkerung  verhält nismäfsig  weniger 
mit  Salz  von  der  Natur  beschenkt  worden  waren.  Hier  kamen  allein 
die  lothringischen  Salinen  in  Betracht. 

Aus  dem  Jahre  1172  ist  eine  kurze  Nachricht  erhalten  über  einen  Streit 
zwischen  dem  Grafen  von  Nassau  und  Erzbisehof  Arnold  von  Trier  über  Silber- 
gruben in  der  Umgebung  von  Ems  an  der  Lahn.  Die  Einser  Silberbergwerke 
gehören  zu  den  ältesten  in  Deutschland.  Es  wurde  auf  beiden  Seiten  der  Lahn, 
am  frühesten  auf  der  linken  Seite  derselben  gebaut.  Auch  weiter  unterhalb 
hat  es  damals  Silberproben  gegeben.  Der  Erzhischof  Siegfried  von  Mainz  liefs 
1211»  bei  Oberlahnstein  auf  dem  Berge  Dietenthal  ein  Silberwerk  betreiben.  Die 
Grafen  von  Katzenelnbogen  hatten  dergleichen  in  der  Umgegend  von  Brau 
bach  (1301),  w<>  die  Fundgruben  stark  ausgearbeitet  worden  sind.  Wenck,  lies.*. 
I^ndesgesch.  I,  156.  Sehliephake,  Gesch.  v.  Sassau  I,  i>7i»  f. 


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232.  Bergbau.  395 

Die  Gegend  bei  Siegen  war  seit  altera  wegen  ihrer  Bergbauschätze 
bekannt;  1079  wird  der  Ort  schon  in  einer  Schenkungssurkunde  genannt;  1288 
der  Stahlbelg  bei  Müsen.    Festenberg,  S.  11. 

Über  die  Eitel-  und  das  Moselland  liegen  uns  frühzeitige  Nachrichten 
über  eine  bergbauliche  Tätigkeit  vor.  Besonders  wurde  Eisen  gefördert.  Das 
älteste  Zeugnis  hiefür  bietet  die  Gegend  von  Bitburg  um  1030.  Aber  auch  die 
Bezirke  von  Coblenz,  Simmern,  Prüm,  Daun,  Wittlieh,  Bernkastel,  Trier  u.  a. 
lieferten  Eisen.  »Sehr  viel  geringfügiger,  fast  verschwindend  war  die  Silber 
gewinnung  (Bernkastel).  Dieses  sowie  Kupfer,  Blei  und  Zinn  mufsten  deshalb 
eingeführt  werden.    Lamprecht,  Dt.  W.  II,  329 — 331. 

Erster  urkundlicher  Beleg  über  einen  eigentlichen  Bergbau  am  Oberrhein 
ist  die  Belehnung  des  Hochstiftes  Basel  mit  der  Nutznießung  etlicher  Silber- 
gruben im  breisgauseben  Münstertal  durch  König  Konrad  II.  im  Jahre  1028. 
Mit  dem  Jahre  1(128  beginnt  also  die  urkundliche  Geschichte  des  Bergbaues 
im  sw.  Sehwarzwald.  Seine  I lau ptsitze  waren :  1.  Sulzburg  und  Badenweiler, 
2.  .Münstertal  und  das  Bergstädtchen  Münster,  3.  Todtnau  (Tottennowe),  bereits 
im  XII.  Jh.  eine  Kolonie  von  Bergleuten,  4.  Kirchgarten  und  Hofsgrund,  in 
alten  Zeiten  Besitzungen  des  Klosters  St.  Gallen,  5.  das  Glotter-  und  Sucken- 
tal.  Der  Bergbau  ging  von  der  Ebene  und  den  dieser  zunächst  liegenden 
Hügeln  aufwärts  in  die  Täler  und  mit  ihm  die  Bevölkerung,  welche  er  nach 
sich  zog  und,  nachdem  abgebaut  worden,  zurücklief».  So  wirkte  der  Bergbau 
kolonisierend. 

Die  Gänge  des  Schwarzwaldes  werden  durch  Verwerfungen  oft  taub. 
Dieser  Umstand  erklärt  die  grofse  Menge  von  Gruben,  indem  Verwerfungen 
ein  Verlassen  der  Gruben  herbeiführten.  Hieraus  erklären  sich  auch  die  vielen 
neuen  Belehnungen  während  des  ganzen  Mittelalters  und  die  Tatsache,  dafs 
die  Reviere  des  Schwarzwaldes  ganz  durchwühlt  sind,  ohne  dafs  Gänge  von 
grofser  Länge  vorhanden  sind.    Trenkle,  S.  190  fT.    Gothein,  S.  584,  587. 

Dafs  im  Waldeckschen  schon  vor  1244  Gold  in  Winnenbach  gewaschen 
wurde,  beweist  die  Nachricht,  dafs  der  Abt  von  Corvey  sich  den  Goldzehnten 
in  Immighausen  vorbehielt.  Jener  Bach  geht  in  die  Itter,  diese  in  die  Eder 
(Edder).  Besonders  der  letztgenannte  Flufs  war  als  Goldrlufs  berühmt.  Auch 
sonst  wurde  im  Waldeckschen  nach  Gold  gesucht;  1250  wird  des  Goldes  am 
Eisenberge  bei  Corbach  gedacht.  Curtze,  Waldeck,  S.  67,  73.  —  Eine  Urkunde 
von  1150  gestattete  dem  Abt  Willibald  von  Corvey,  am  Breuberg  nach  Metallen 
zu  graben  und  sie  zu  verhütten.  Seihertz,  I  B.  z.  westfäl.  Gesch.  I,  67.  Im 
hennebergiseben  Gebiet  wurde  auch  im  XIII.  Jh.  gebaut.  Im  reufsischen 
Gebiet  war  der  Bergbau  auch  in  derselben  Zeit  nachweisbar  vorhanden.  Alt 
sind  auch  die  Bergwerke  bei  Salfeld.  die  angeblich  schon  1295  auf  Silber  und 
Bleiglanz  abgebaut  worden  sind.  Im  XIV.  Jh.  werden  die  Bergwerke  von 
Siebenlehn  genannt,  wo  auf  Silber  gebaut  wurde;  1320  wird  der  Abt  zu  Zella 
mit  diesen  belehnt.    Cf.  Gmelin,  S.  381,  369,  150,  253. 

Am  Harze  war  die  Produktion  nicht  immer  eine  gleichmäßige  gewesen.  Die 
politischen  Ereignisse  trugen  hieran  die  Hauptschuld.  Im  Jahre  1005  stand 
aas  Bergwerk  im  Ilammelsberg  still  und  wurde  erst  1016  von  fränkischen  Berg 
leuten  wieder  aufgenommen.  1105  blieb  es  abermals  unbebaut  bis  zum  Jahre 
1111.  Dafs  Goslar  durch  eleu  Bergbau  aulblühte,  dafs  die  vielen  dort  an- 
gehäuften Schätze  auch  raublustige  Feinde  anloc  ken  mufsten,  ist  leicht  erklärlich. 
Besonders  unter  Otto  IV.  hatte  es  1205  zu  leiden,  als  auch  ein  Teil  der  Silber- 
hütten zerstört  wurde.  Auch  Heinrich  der  Löwe  hatte  1180  durch  Entziehung 
der  Arbeitskräfte  und  Zerstörung  der  Hüttenwerke  die  Staat  geschädigt.  Bis 
1209  blieb  das  Werk  wieder  liegen.  In  der  Mitte  des  XIV.  Jh.  wurde  überdies 
das  Bergwerk  im  Ilammelsberg  durch  Einstur/  geschädigt,  bei  dem  400  Berg- 
leute umkamen. 

Am  Fichtelgebirge  mufste  auc  h  schon  seit  langer  Zeit  gebaut  worden  nein, 
Karl  IV.  bestätigte  den  Burggrafen  von  Nürnberg  das  Hecht  auf  alle  Gold-. 
Silber-.  Kupfer-,  Eisen-,  Blei-  und  Zinnbergwerke  (1363).    Bei  Goldkronach  im 


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396  VII.  Kulturgeographie  um  da».  Jahr  1375. 

Fichtelgebirge  wurde,  wie  der  Name  besagt,  Gold  gewonnen;  1365  ist  vom  Mark- 
grafen Friedrich  die  Fürstenzeehe  erbaut  worden.    Gmelin,  S.  15t)  f. 

Der  Anfang  des  Mansfelder  Kupfersehieferbergbaues  wird  von  Spangen 
berg  in  das  Jahr  llt<9  verlegt.   Jedenfalls  war  er  im  XIII.  Jli.  schon  im  Gange. 
1223  wird  zuerst  der  Kupferberg  (Möns  cttpreusj  bei  Hettstedt  erwähnt.  Der 
älteste  erhaltene  Lehensbrief  Karls  IV.  für  den  Grafen  von  Mansfeld  (1364) 
enthält  eine  Besehreibung  der  Berggrenze.    Cf.  Gröfsler,  8.  3  f.,  6  f. 

Die  Freiberger  Bergschätze  wurden  im  XII.  Jh.  entdeckt,  Die  Angabe 
des  Jahres  der  Entdeckung  schwankt  zwischen  1154  und  1172.  Die  Entdeckung 
veranlagte  den  Anbau  der  Stadt  Freiberg  an  Stelle  von  Christianisdorf.  Daß 
die  Bergwerke  dort  von  fränkischen  Bergleuten  des  Fichtelgebirges  oder  böh- 
mischen Bergleuten  angelegt  worden  seien,  ist  nicht  erwiesen.  Goslarische 
Bergleute  zogen  z.  Z.  der  Kämpfe  Friedrichs  und  Heinrichs  des  Löwen  in 
grober  Zahl  nach  Meilsen,  und  sie  haben  den  Markgrafen  Otto  veranlafst,  die 
Stadt  Freiberg  anzulegen  (1171);  in  ihr  hatten  sie  die  sog.  Sachsenstadt  inne. 
Freiberg  ist  die  Mutter  aller  übrigen  meifsnischen  und  sächsischen  Bergwerke 
geworden.  Von  dort  aus  wurden  im  Laub-  der  Zeit  Schneeberg,  Annaberg  und 
Marienberg  begründet,  die  ihrerseits  neue  Bergwerke  einrichteten.  Der  Frei- 
berger Bergbau  entwickelte  sich  in  der  Folgezeit  zu  immer  gröberer  Blüte  und 
begründete  auch  den  Reichtum  der  damaligen  Markgrafen.  Bergwerke  bei 
Meilsen  waren  schon  im  Anfang  des  XIII.  Jh.  erschlossen.  1269  war  das 
Seharfenbergisehe  eingerichtet  worden.  Bei  Chemnitz  scheint  der  Bergbau  im 
XIV.  Jh.  in  Betrieb  gewesen  zu  sein.  1375  wird  der  Eisen-  und  Kupfer- 
gruben Erwähnung  getan.  Bei  Wolkenstein  hat  der  Bergbau  urkundlich  auch 
schon  Ende  des  XIII.  Jh.  begonnen.    Cf.  Gmelin,  S.  265  ff. 

Schlesien  hatte  damals  in  der  Edelmetallproduktion  nicht  zurückgestanden. 
Der  Kupferbergbau  bei  Kupferberg  reicht  trotz  der  mangelhaften  Nachrichten 
in  die  frühesten  Zeiten  der  Kolonisation  zurück,  und  das  gleiche  gilt  von 
Sehmiedeberg.  In  den  Diluvialschichten  am  Sudetenrande,  auf  der  Linie  von 
Jaucr — Bunzlau — Löwenberg,  traten  in  den  Sandlagen  neben  Halbedelsteinen  feine 
Goldkörner  auf,  deren  Gewinnung  bereits  im  XIII.  Jh.  lebhaft  betrieben  wurde. 
In  Goldberg,  Löwenberg.  Bunzlau  wurde  der  Abbau  fast  zu  gleicher  Zeit 
betrieben.  Deutsche  hatten  ihn,  wie  es  scheint,  zuerst  in  die  Hand  genommen. 
In  einer  Urkunde  von  1217  erkennt  Heinrich  I.  alle  Zechen  zwischen  Plagwitz. 
Höfel,  Lauterseifen,  Deutmannsdorf,  Ludwigsdorf  und  Görrisseifen  als  der  Stadt 
Löwenberg  zugehörig  an.  Goldberg  bildete  ein  besonderes  Revier  (1227  ur- 
kundlich erwähnt).  Auch  bei  Niekoisdorf  wurde  viel  Gold  gewaschen,  so  dafs 
die  Herzöge  von  Liegnitz  es  zur  Stadt:  Nickolstadt  erhoben.  Der  Erfolg  war 
an  den  verschiedenen  Orten  ein  verschiedener.  Nach  der  anfänglichen  Blüte 
war  ein  allmähliches  Nachlassen  unverkennbar.  Steinbeck  I,  94  f..  104  ff., 
II,  125  IL  Über  Bergwerke  in  Oberschlesien  ist  uns  aus  dieser  Periode  wenig 
überliefert.  Frühestens  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jh.  ist  der  Blei-  und 
Silberl  »ergbau  um  Beuthen  in  Angriff  genommen  worden.  Steinbeck  I,  95  f., 
II,  140  ff. 

Berühmt  waren  von  jeher  die  böhmischen  Silberbergwerke,  so  Deutseh- 
brod  an  der  Sazawa  schon  im  XUL  Jh.  Gottesgab  im  Erzgebirge  verdankt 
dem  Bergbau  auf  Silber  und  Zinn  seinen  Ursprung.  Bei  Budweis  wurde' im 
XIV.  Jh.  Silber  entdeckt.  1385  wurde  die  erste  Bergfreiheit  erteilt  auf  die 
Silbeigruhcii  beim  Dörfehen  Wesch  (spater  Rudolfstadt).  Das  berühmteste  und 
einträglichste  von  allen  Silberbergwerken  war  schon  im  XIII.  Jh.  Kuttenberg, 
östlich  von  Prag.  Die  Silbererzgänge  sitzen  hier  im  Gneis  auf.  Wie  der  Name 
der  schnell  erblühten  Stadt  schon  zeigt,  waren  es  deutsche  Bergleute,  die  ihre 
Tätigkeit  dort  entfalteten.  Die  gröfste  Blütezeit  reichte  von  der  Mitte  des 
XI IL  bis  zum  ersten  Viertel  des  XIV.  Jh.  Der  böhmische  Zinnbergbau  reicht 
in  nordwestlicher  Richtung  von  Graupen  bei  Teplitz  bis  nach  Schlaggenwald 
(westlich  von  Elbogen).  In  letzterem  Orte  soll  er  schon  im  XIII.  Jh.  bestanden 
haben,  ebenso  in  Schönfeld.    In  Graslitz  wurde  137<>  der  Bergbau  auf  Kupfer 


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232.  Bergbau. 


397 


betrieben.  In  Bergreichenstein  am  Abhänge  des  Böhmerwaldea  bestand  zu 
Karls  IV.  Zeiten  eine  Ansiedelung  von  Goldwäschern.  Auch  in  Eule  (Jilowa), 
südwestlich  von  Prag,  ist  früh  auf  Gold  geschürft  worden,  wenn  wir  auch  die 
fibelhaften  Nachrichten  von  Hageks  Chronik  für  unzuverlässig  halten.  Da- 
neben wurden  auch  Goldwäschereien  betrieben.  Pisek  soll  Ursprung,  Namen 
und  Reichtum  den  reichen  Ausbeuten  der  Goldseifen  der  Wottawa  ver- 
danken. 

In  den  Ostalpenländern  wurde  neben  Silber  und  Kupfer  besondere  Eisen 
gewonnen ,  welches  die  Krzberge  zwischen  Vordernberg  und  Eisenerz  vor- 
nehmlich lieferten.  Der  Hochofenanlagen  des  Klosters  Admont  wird  1137 
Erwähnung  getan  (Annal.  Admont,.  MG.  SS.  IX,  579). 

Wie  der  Bergbau  in  Tirol  schon  zur  Römerzeit  betrieben  worden,  so  tritt 
er  auch  im  Mittelalter  hervor,  wenn  auch  die  Zeugnisse  sich  anfangs  recht 
spärlich  einstellen.  In  der  Mitte  des  XI.  Jh.  ist  von  einem  Silberbergwerk 
Vilanders  im  Eisackviertel  die  Rede;  1177  wird  es  abermals  genannt.  Vgl.  von 
Sperges,  S.  32,  34.  Die  aus  dem  XII.  und  XIII  Jh.  stammenden  Urkunden 
betreffen  vorzugsweise  die  Bistümer  Trient  und  Brixen.  Auf  dem  Calesberge 
bei  Trient  fand  ein  bedeutender  Silbererzbergbau  statt.  In  Trient  wurde  llb5 
zwischen  Bischof  Albert  und  den  Gewerken  wegen  des  Calenberges  ein  Vertrag 
abgeschlossen. 

Re ichenhall  hatte  auch  in  dieser  Periode  seine  Bedeutung  als  Haupt- 
saline  Deutschlands  gewahrt,  trotzdem  der  Ort  mehrfach  eingeäschert  worden 
war  (1196,  1205,  1266)  und  die  Wildwasser  zunahmen,  welche  die  Gediegenheit 
der  Quellen  schädigten.    Man  hatte  aber  in  der  Technik  schon  Fortschritte 
gemacht   und   war  zu  einem  maschinellen  Betrieb  mit  einheitlicheren  und 
grofseren  Verhältnissen  übergegangen.    Im  Anfang  des  XII.  Jh.  scheint  man 
auch  die  Salzquellen  bei  Unken  entdeckt  und  bebaut  zu  haben.    Jene  bei 
Tuval  zwischen  Salzach  und  Niederalben  sind  um  dieselbe  Zeit  in  Betrieb,  an 
denen  Salzburg   und   Berchtesgaden   teilhatten.     Um  1300  war  dieses  Salz- 
werk aber  schon  aufgegeben.    Ferner  werden  genannt  die  Salinen  von  Ilallein 
oder  Mühlbach  (Mulbach  1198),  deren  gewaltiger  Salzreichtum  den  Nachbar- 
ländern (Böhmen,  Franken)  zugute  kam.    An  24  Pfannen  bestanden  dort,  die 
um  1300  zu  neun  gröfseren  eingerichtet  wurden.    Frühzeitig  war  Gmunden 
die  grobe  Salzniederlage  gewesen ;   die  Maut  daselbst  warf  im  XIII.  Jh.  jähr- 
lich an  1400  Talente  ab.    Auch  in  Gösau  war  ein  Salzwerk,  welches  in  der 
Fehde  zwischen  Österreich  und  Salzburg  1295  niedergebrannt  wurde,  weil  der 
Enbischof  seine  Saline  II  allein  durch  jenes  beeinträchtigt  glaubte.   130H — 1313 
wurde  unmittelbar  über  Hallstatt  auf  den  Salzkern  selbst  eingeschlagen.  Auch 
der  Sündling  bei  Aussee  wurde  frühzeitig  in  Angriff  genommen.    Um  1147 
haben  die  Cistercienser  vom  Kloster  Rain  zu  Altaussee  Salz  gesotten.    In  der 
Nähe  entstand  Neuaussee.    In  Hall  bei  Admont  an  der  Knns  waren  die  Salinen 
in  Betrieb;   besonders  Salzburg  hatte  das  Aufkommen  dieser  HalJstätter  be- 
fördert. 

Auch  Herzoghall  (das  kleinere  Hall),  Minus  Halle,  quoil  Ducis  nnncupatur, 
war  in  Betrieb  und  wurde  1184  der  Abtei  Admont  bestätigt.    Cf.  Koch-Stern 
fehl,  L  c.  II,  44,  59  f.,  6H. 

Sulzburg  oder  -berg  (Möns  salmtginu)  im  Breisgau  wird  als  Saline  in  den 
Urkunden  früh  genannt.  An  den  Salzquellen  Bruchsals  waren  mehrere  Stifter 
beteiligt.  1056  kam  es  zum  gröfsten  Teil  in  den  Besitz  des  Bischofs  von 
Speier.  Orb  wird  als  praedimu  cum  sulinurttm  fontibus  schon  1064  urkundlich 
genannt.  Saline  Sulz  am  Neckar  hatte  die  Stadt  zur  Blüte  gebracht.  Auch 
Wimpfen  war  als  Stadt  lediglich  durch  seine  Salzlager  emporgekommen.  An 
Schwäbisch-Hall  sind  mehrere  Dynasten  beteiligt  gewesen.  Später  entwickelte 
es  nich  zur  freien  Reichsstadt.  Das  ganze  wirtschaftliche  und  soziale  Leben 
war  natürlich  von  der  Saline  beherrscht.    Koch-Sternfeld  II,  87,  94  ff. 

Die  Sülze  zu  Lüneburg  war  durch  Heinrich  den  Löwen  eifrig  gefördert 
worden,  der  zu  ihren  Gunsten  die  Salzquellen  zu  Oldesloe  in  Holstein,  die  da- 


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39* 


VII.  Kultnrgeo^rnplüe  um  «las  Jahr  1375. 


mals  angelegt  waren,  wieder  versehliefsen  Hofe.  Helmold  I.  76.  Lüneburg 
versorgte  den  gröfsten  Teil  von  Norddeutschland  von  der  Oder  bis  zum  Nieder- 
rhein mit  Sulz.  126U  wurde  neben  der  alten  Saline  eine  neue  entdeckt. 
Salzhemmendorf  im  Calenbergischen  ist  als  Saline  sehon  seit  dem  XI.  Jh.  be- 
kannt, ebenso  Münder  und  Salzderhelden.  Die  Quelle  von  Salzuflen  wurde 
im  XIV.  Jh.  entdeckt;  es  fand  sieh  dort  ein  Dorf  vor,  welches  von  Hernhanl  VII. 
von  Lippe  Stadtrecht  erhielt;  ferner  Fried richshall  an  der  Weira  bei  Rümhilri 
mit  einer  Quelle,  die  sehon  1150  benutzt  wurde.  Auch  Salzungen  war  als 
Saline  in  der  Henneberger  Grafschaft  von  Bedeutung  und  urkundlich  oft  Be- 
nannt. Allendorf  a.  d.  Werra  wird  1182  zuerst  als  Salzwerk  genannt  ;  Sulza 
als  Saline  1064.  Ebenso  war  Frankenhausen  in  Betrieb,  über  welches  die 
Grafen  von  Reichlingen  als  Eigentümer  erscheinen  bis  1340,  wo  es  an  <lie 
Schwarzburger  Grafen  kam.  Eimen  oder  Alten-Salza  war  unter  den  magde- 
burgischen Salzwerken  1230  in  Betrieb.  Nach  Zerstörung  desselben  während 
der  Kriege  erstand  in  der  Nähe  (irofsen-Salza ,  welches  die  Sole  aus  zwei 
Quellen  zuleitete.    Koch-Sternfeld  II,  31  ff.,  43  ff. 

Im  norddeutschen  Flachlande  werden  aufser  den  Salzquellen  von  Lüne- 
burg und  Oldesloe  noch  einige  in  Mecklenburg  erwähnt,  wie  Sülte  oder  Sülze 
an  der  Reknitz  (schon  1298  genannt)  und  eine  andere  in  C'okla  (unbekannt), 
desgleichen  auf  Gütern  des  Klosters  Chorin  (1258).  Riedel,  Mark  Brandenburg 
im  Jahre  1250,  I,  458.  Auch  die  Kolberger  Salinen  waren  noch  im  regen 
Betrieb  (l'rk.  Friedrich  L  1182). 

Gmelin,   Beiträge  zur  Gesch.  des  teutschen  Bergbaues,  Halle  1783. 
Mo sc)i,  Zur  Gesch.  des  Bergbaues  in  Deutschland,  Liegnitz  1829  (war  mir 
in  Berlin  nicht  zugänglich),    von  Flurl,  Ältere  Gesch.  der  Saline  Reichenhall, 
in  Denkschriften  der  Bairischen  Akad.  1809.     von  Koch-Stern  fei  d  ,  Die 
teutschen  insbesondere   baierischen   u.   österr.   Salzwerke   zunächst  im  Ma.. 
München  1836.    Koch,  Geschieht!.  Entwickig.  d.  Bergbaus  u.  Salineubetriebs 
in  Elsafs-Lothring.,  in  Brasserts  Z.  f.  Bergrecht  XV,  159  ff.    Feste nberg- 
I'ackisch,  I).  deutsche  Bergbau,  Berlin  1886,  S.  7  ff.  Inama-Sternegg 
Deutsche  Wirtschaftsgesch.   II,    329 — 361.     Klostermann,  Wanderungen 
deutscher  Bergleute,  in  Z.  f.  Bergrecht  XIII  (1872),  46—57.    Gothein,  Wirt 
schaftsgesch.  d.  Schwarzwaldes  I,  583  ff.    Trenkle,  Gesch.  des  Bergbaus  im 
südwestl.  Schwarzwalde,  1028—1869,  in  Z.  f.  Bergrecht  XI,  185  ff.    Neu  bürg. 
Goslars  Bergbau  bis  1552,  Hannover  1892.    Gröfsler,   Die  geschichtl.  Ent- 
wickelung  des  Martfelder  Kupferschieferbergbaues,  Eisleben  1900.  Stein beck, 
Gesch.  des  schlesischen  Bergbaues,  2  Bde.,  Breslau  1857.    Mosch,  Über  den 
früheren  Bergbau  um  Niekolstadt,   in  Ledeburs  Archiv  IV  (1831),  320—  348. 
Zöllner,  Der  erzgebirgische  Bergbau  im  Ma.,  1889.   Schurtz,  Das  Alter  de? 
mitteldeutschen  Zinnbergbaues,  in  Ausland  64,  846  ff.   Schurtz,  Der  Seifen* 
bergbau  im  Erzgebirge  und  die  Walensagen,  Forschungen  z.  dt.  Land- Volkskde. 
V,  3,  1890.    Blattner,  Gesch.  des  Bergbaues  der  östlichen  Schweiz,  Chur  1  s> 
Peithner  von  Lichtenfels.  Gesch.  der  böhmischen  u.  mährischen  Berg- 
werke, Wien  17*0.    Graf  Kaspar  Sternberg,  Umrisse  einer  Geschichte  der 
böhmischen  Bergwerke,  2  Bde.,  Prag  1836 — 1838.    Schmidt  von  BergenhoM. 
Gesch.  des  Bergbau    u.  Hüttenwesens  im  Kgr.  Böhmen  von  den  ältesten  bi> 
auf  die  neuesten  Zeiten,  l'rag  1873. 

233.  Verkehr.  Die  Entwickclung des  Verkehrswesens  steht  in  engsten 
Beziehungen  zum  Siedelungswesen  und  zum  Handel.  Alle  drei  Faktoren 
greifen  so  vielseitig  ineinander  und  stehen  in  Wechselwirkung  untereinander, 
dafs  es  oft  schwer  fällt,  in  jedem  Einzelfalle  Ursache  und  Wirkung  festzu- 
stellen. Neben  den  wirtschaftlichen  Interessen  haben  auch  häufig  politisch« 
Interessen  mitgesprochen,  und  das  erste,  was  der  Römer  zum  Zweck 
einer  dauernden  Besitzergreifung  des  Landes  tat,  war  die  Herstellung 


233.  Verkehr. 


399  ' 


von  Strafsenzügen.  Wenn  für  das  Altertum  die  Römerherrschaft  den 
Höhepunkt  der  Entwickelung  des  Strafsenbaues  in  Mitteleuropa  bezeichnet 
und  für  das  frühere  Mittelalter  bis  zum  Jahre  1000  entsprechend  die 
Karolingerzeit,  so  wird  die  hier  zu  behandelnde  Periode  in  dieser  Be- 
ziehung gekennzeichnet  durch  das  Zeitalter  der  Hohenstaufen.  Im 
Westen  des  Reiches  hatten  die  alten  Römerstrafsen  immer  noch  her- 
halten müssen.  Mit  der  Zeit  wendete  sich  der  Verkehr  von  ihnen  ab. 
Schon  im  XII.  Jh.  macht  sich  dies  bemerkbar  und  seit  dem  XIII.  Jh. 
mehren  sich  dann  die  Fälle.  Au  die  Stelle  der  alten  Römerstrafse  von 
Koblenz  über  Mayen  nach  Trier  tritt  die  neue  Strafse  an  der  Mosel 
über  Winningen,  Kobern,  Lonnich  bis  Polch.  Auch  die  Strafse  Trier — 
Kirchberg — Simmern— Bingen — Mainz  wird  um  1331  verlassen,  und  der 
Weg  führt  fortan  über  Bornkastel — Ockenheim — Kirchberg — Kreuznach.  Im 
aufserrömischen  Bereiche  hatte  es  schon  um  1000  eine  Reihe  von  erofsen 
Diagonalstrafsen  gegeben,  die  bis  an  die  Reichsgrenzen  führten  und  den 
Verkehr  mit  den  halbkultivierten  Nachbarstämmen  unterhielten.  Zunächst 
waren  es  die  Länder  bis  zur  Elbelinie,  in  denen  sich  ein  ausgebildetes 
Strafsennetz  entwickelte;  mit  der  germanischen  Kolonisation  dehnte  es 
sich  weiter  nach  O.  hin  aus,  wo  vordem  in  den  Urwaldwildnissen  zur 
Slavenzeit  kaum  einige  Andeutungen  von  Verkehrsstrafsen  zu  finden 
waren.  Die  zahlreichen  Städte,  die  im  Laufe  von  zwei  Jahrhunderten 
im  Koloniallande  emporwuchsen ,  wirkten  notwendig  auch  auf  das 
Verkehrswesen  ein  und  brachten  es  erst  zur  Entwickelung.  Freilich 
waren  es  nicht  Landstrafsen  nach  moderner  Auffassung.  Zwar  existieren 
genaue  Vorschriften  über  die  Anlage  der  Wege,  besonders  über  ihre 
Breite,  die  entweder  zahlenmäfsig  für  die  verschiedenen  Kategorien 
von  Strafsen  festgelegt  war  (so  soll  nach  dem  Schwabenspiegel  die  König- 
strafse  16  Fufs  breit  sein),  oder  nach  Erfahrungsgrundsätzen  sieb  ergab, 
(dafs  z.  B.  ein  Brautwagen  und  ein  Leichenwagen  auf  der  Strafse  vorbei- 
fahren können,  ohne  anzustofsen).  Der  Strafsenkörper  selbst  aber  war 
so  gut  wie  gar  nicht  künstlich  hergerichtet  worden.  Es  waren  lediglich 
Geleisespuren,  welehe  die  Wagen  im  Erdreich  zurückgelassen  hatten; 
von  Beschotterung  und  Feststampfen  des  Baumaterials  oder  gar  Pflas- 
terung auch  nur  innerhalb  der  Ortschaften  konnte  keine  Rede  sein. 
Es  kann  sich  daher  bei  diesen  sogenannten  Strafsen  immer  nur  um  die 
allgemein  innegehaltene  Wegerichtung  handeln,  die  zum  Teil  durch 
äul'sere  Umstände  (wie  leichte  Übergangsstellen  über  Flüsse  oder  gar 
Brücken)  bestimmt  war.  Für  den  Verlauf  der  Strafsen  ist  charakteristisch, 
dafs  sie  nicht  in  den  Tälern,  sondern  vorzugsweise  auf  der  Höhe,  wenn 
es  anging  auf  der  Wasserscheide  entlang  geführt  wurden.  Hierauf 
weist  schon  ihre  Bozeiehnung  hin:  Hochstrata,  Hoher  Weg,  Berg- 
straf se,  und  weil  auf  der  Höhe  der  anstehende,  feste  Fels  des  Unter- 
grundes hervortritt  und  eine  gesicherte  Unterlag»1  für  die  Strafse  abgibt, 
auch  St  ein  weg,  via  lapidea  genannt,  wobei  also  nicht  immer  an  eine 
gepflasterte  Strafse  gedacht  werden  darf.  Die  breiton,  flachen  Täler 
eigneten  sich  damals  weniger  für  Strafsenzügc,  da  sie  leicht  der  Überschwem- 
mung ausgesetzt  waren  und  kostspielige  Dammbauten  nötig  machton.  Dafs 


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400 


VII.  Kultur^eographip  tun  da«  Jahr  1375. 


der  grftfste  Teil  der  Strafsen  trotzdem  in  <ler  Niederung  unter  möglichster 
Vermeidung  des  Inundationsterrains  der  Flüsse  sieh  befand  und  be- 
finden mufste,  ist  leicht  erklärlich.  Auf  die  Bestimmung  der  Strafsen 
weisen  andere  Bezeichnungen  hin,  wie  via  publica,  folnveg,  diotuvcc,  dictum . 
ferner  strata  regia,  cliuningemuec,  via  militaris,  hcristrata,  heriwcc,  hrcryassc. 
Freie  Strafse,  via  peblcia  oder  harbarisca.  Die  Bezeichnung  Chaussee  wird 
erst  in  sehr  viel  späteren  Jahrhunderten  allgemeiner  üblich.  Doch  findet 
sie  sich  bereits  in  einer  Brabanter  Urkunde  von  1140:  stratae  publica?, 
quas  chaucidas  vocant.  Neben  König-  und  Heerstrafse  ist  in  Westfalen 
auch  die  Bezeichnung  Hellweg  üblich. 

Neben  den  Landstrafsen  wurden  immer  noch  die  W  asser  strafsen 
viel  benutzt,  die  anfangs  besonders  in  den  weniger  kultivierten  Gegenden 
die  bequemsten  Zugangsstrafsen  bildeten.  Überdies  müssen  die  Flüs.-e 
damals  alle  sehr  viel  wasserreicher  gewesen  sein,  denn  es  wurden  auch 
kleine  Flüsse  für  die  Schiffahrt  verwendet,  die  heute  für  den  Verkehr 
völlig  bedeutungslos  geworden  sind.  Die  damals  noch  sehr  viel  dichtere 
Bewaldung  scheint  die  Hauptursache  für  den  gröl'seren  Wasserreichtum 
gewesen  zu  sein. 

Neben  den  Flüssen  gewinnen  aber  die  beiden  Randmeere. 
Nordsee  und  Ostsee,  eine  hervorragende  Bedeutung.  Schon  frühzeitig 
hatte  die  Nordsee  dem  internationalen  Verkehr  gedient.  Flandern  hatte 
bereits  im  XII.  und  XIII.  Jh.  eine  Suprematie  im  Handelsleben  besessen, 
und  das  Meer  bildete  die  Folie  seiner  regen  kommerziellen  Betätigung. 
Bald  darauf  traten  auch  Holland  und  Brabant  in  den  Wettbewerb  mit 
ein.  Die  mit  grofsen  trichterförmigen  Flufsmündungen  ausgestattete 
deutsche  Nordseeküste  bot  gleichfalls  günstige  Bedingungen  für  den 
Handel  dar;  er  entwickelte  sich  hier,  als  gleichzeitig  auch  die  Ostsee  in 
den  wirtschaftlichen  Horizont  des  Westens  getreten  war.  Die  erste 
Annäherung  an  die  Ostsee  erfolgte  an  der  Südwestecke,  wo  Lübeck 
emporblühte,  welches  anfangs  in  den  Bahnen  des  gotländischen  Handels 
mit  dem  russischen  Nowgorod  in  Beziehungen  trat,  dann  aber  immer 
selbständiger  sich  stellte  und  in  Verbindung  mit  anderen  deutschen 
Ostsee-  und  Nordseestädten,  sowie  vielen  Städten  des  Hinterlandes  (Hansa) 
die  deutsche  Vorherrschaft  über  die  Küstenmeere  sicherte. 

Der  Verkehr  auf  den  Land-  und  Wasserstrafsen,  die  sich  um  ihren 
Verlauf  von  vornherein  der  geographischen  Situation  angepafst  hatten, 
wurde  durch  das  Zollwesen  sehr  beeinträchtigt.  Wenn  die  Zollerhebung 
mit  Rücksicht  auf  die  gebotenen  Vorteile  (Verkehrserleichterung,  Sicherheit 
etc.)  anfänglich  von  wohltätigem  Einflufs  war,  so  wurde  sie  schliefslicli 
zu  einer  ungewöhnlichen  Verkehrsbelastung,  als  man  die  Zollstellen 
durch  Verleihung  an  weltliehe  und  geistliehe  Herren,  an  Städte  und 
Stiftungen  ins  Ungeme*sene  vennehrte.  Andere  Mafsnahmen,  wie  da< 
Geleitsrecht  und  das  Grundruhrrecht,  waren  auch  danach  angetan,  den 
Kaufmann  von  der  Benutzung  solcher  Strafsen  abzuschrecken.  Kein 
Wunder,  dafs  er  sie  zu  umgehen  suchte  und  Umwege  auf  anderen  Strafsen 
nicht  scheute,  die  etwas  günstigere  Bedingungen  noch  aufwiesen.  Die?- 
führte  zum  i- Strafsen  zwange,  der  dem  Kaufmann  einen  bestimmton  Wejr 


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233.  Verkehr.  40 1 

vorschrieb,  damit  den  Zollbereehtigten  ihre  Einnahme  nicht  verkürzt 
werden  könnte.  Wie  die  Landstraßen,  so  waren  auch  die  Flüsse 
mit  Zollstationen  in  dicliter  Folge  versehen  worden.  Die  Zahl  der 
Rheinzollstiitten  betrug  am  Ende  des  XII.  Jh.  19,  im  XIII.  Jh.  44,  im 
XIV.  Jh.  64,  jene  der  Elbe  35,  und  in  Unterösterreich  gab  es  77  Donauzölle 
(Sommeilad).  Trotzdem  wurde  der  Wasserweg  jahrhundertelang  be- 
vorzugt, weil  er  auch  genügenden  Schutz  gegen  räuberische  Überfälle 
bot.  Erst  im  Anfang  des  XIV.  Jh.  ist  infolge  der  übergrofsen  Belastung 
der  Schiffahrt  eine  Abnahme  des  Flugverkehrs  zugunsten  der  Land- 
strafsen  zu  bemerken. 

Über  das  Verlassen  der  Kömerstrafsen  und  die  Wegeverhältnisse  im  Rhein- 
und  Mosellande  im  allgemeinen  vgl.  Lamprecht  DW.  II,  241  f.  —  Die  ver- 
schiedenen Kategorien  der  Straften  erörtert  Gafsner,  S.  75 — 78.  Aufser  den 
obengenannten  Bezeichnungen  treten  noch  zahlreiche  andere  besonders  für  die 
kleineren  Lokalwege  auf. 

Eine  Zusammenstellung  der  in  Mitteleuropa  vorhandenen  Straf  sc  n  am 
Ende  des  XIV.  Jh.  existiert  leider  nicht.  Die  untengenannten  Werke  führen 
nur  einige  des  westlichen  oder  gar  nur  des  mittleren  Deutschlands  auf.  Das 
nachfolgende  Verzeichnis  kann  aus  begreifliehen  Gründen  sich  nur  auf  die 
wichtigeren  Strafsenzüge  beschränken. 

1.  Die  Rheinstrafse  von  Utrecht  über  Köln — Mainz  auf  dem  linken  Ufer 
nach  Basel.  2.  Die  ötrafse  von  Mainz  über  Höchst  südlich  am  Rande  des 
Odenwaldes  entlang,  als  sog.  Bergstrafse,  Platea  Montana,  als  welche  sie  schon 
loo2  auftritt.  Beim  späteren  Heidelberg  führte  sie  über  den  Neckar  nach 
Bruchsal  und  über  Offenburg,  Freiburg  nach  Basel.  Sie  führt  dicht  am  Ge 
birgsrande  entlang.  Bei  Rastatt  zweigte  sich  eine  Parallelstrafse  ab,  die  sich 
mehr  in  der  Nähe  des  Rheinufers  hielt  und  über  Alt-Breisach— Neuenburg  eben- 
falls nach  Basel  ging.  3.  Strafse  von  OfTenburg  über  Villingen — Donaueschingen 
zum  Bodensee.  4.  Strafse  von  Speier  nach  Bruchsal,  hier  die  Bergstrafse 
kreuzend  und  dann  südöstlich  über  Bretten,  Cannstatt,  Geislingen  nach  Ulm, 
sowie  weiter  das  Ulertal  aufwärts  über  Kempten  zum  Fernpafs  nach  Nasscrcith 
in  das  Inntal.  5.  Strafse  von  Würzburg  südlich  nach  Aub  (wo  sie  mit  der  von 
Mainz  über  Babenhausen,  Miltenberg,  Tauberbischofsheim  verlaufenden  zu- 
sammentrifft) uud  über  Rothenburg,  Dinkelsbühl,  Nördlingen.  bei  Donauwörth 
die  Donau  überschreitend  nach  Augsburg  lief.  Von  hier  führten  zwei  Strafsen 
über  die  Bayerischen  Alpen,  die  eine  über  Kaufbeuren,  Füssen  zum  Fernpafs, 
die  andere  von  jener  sieh  abzweigend  über  Schongau,  Partenkirchen  durch  die 
Scharnitz  (Porta  Claudia,  Scarbia)  nach  Innsbruck.  6.  Strafse  von  Würzburg 
nach  Nürnberg  und  Regensburg,  in  der  Nähe  der  Donau  sich  haltend,  nach 
Wien.  7.  Die  Salzstrafse  von  Salzburg  nach  München.  8.  Strafse  von  Regens- 
burg über  Waldsassen  nach  Eger  und  Hof.  9.  Strafse  von  Nürnberg  über 
Sulzbach,  Schwandorf  nach  Cham  am  Regen  und  durch  die  Senke  von  Furth 
nach  Böhmen  hinein,  nach  Pilsen  und  Prag.  10.  Strafse  von  Nürnberg  nach 
Bamberg  und  von  hier  das  Maintal  aufwärts  und  abwärts. 

Die  Strafsen  durch  »las  mittlere  Deutschland  in  mehr  west-östlicher  Rieh 
tung  hatten  ihren  Ausgangspunkt  in  Frankfurt  a.  M.  und  in  Cöln.  Sehr  wichtig 
waren  die  Frankfurter  Strafsen  nach  Thüringen :  11.  Die  Strafse  von  Frankfurt 
durch  das  Kinzigthal  nach  Fulda  zur  Werra.  wo  bei  Vach  oberhalb  des  Werra- 
knies  eine  altberühmte  Übergangsstelle  sich  befand.  Von  hier  führten  zwei 
Strafsen  über  den  Thüringer  Wald  nach  Eisenach,  die  eine  direkt  über  Mark- 
Bllhl,  die  andere  in  östlicher  Ausbiegung  erst  nach  Salzungen  und  dann  über 
das  Gebirge.  12.  Strafse  von  Frankfurt  nordwärts  nach  Giefsen  und  hier  öst- 
lich einlenkend  nach  Alsfeld,  Hersfeld  und  Vach;  es  war  der  sog.  »  Weg  durch 

KreHcbmer,  Historische  Geographie.  2<i 


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402 


VII.  Kulturgeojrraphie  um  das  Jahr  1375. 


die  kurzen  Hessen  <  und  13.  Strafse  von  Frankfurt  nach  Gietsen  über  Kirch- 
hain, Treisa,  Waldkappel  und  dann  südöstlich  über  die  Werra  nach  Eisenadi: 
der  »Weg  durch  die  langen  Hessen  s  Die  beiden  letzteren  sind  jahrhunderte- 
lang die  gewöhnlichen  Handels-  und  Vcrkehrsstrafsen  zur  Frankfurter  Messe 
gewesen,  welche  die  Kaufleute  nicht  blofs  von  Thüringen,  sondern  auch  von 
Schlesien,  Polen  und  Rufsland  her  benutzten.  —  Von  Cöln  führten  vielbe- 
gangene Strafsen  durch  Westfalen  nach  Niedersachsen:  14.  ein  uralter  Hell 
wreg  ging  von  Cöln  über  Dortmund,  Soest,  Lippstadt  nach  Paderborn  und 
führte  weiter  über  die  Egge  nach  Corvey  an  die  Weser  oder  über  den  Lippe- 
schen Wald  nach  Herford  und  Minden.  Minden  selbst  bildete  wieder  den 
Ausgangspunkt  zweier  anderer  wichtiger  Strafsen:  15.  Strafse  von  Minden  auf 
der  rechten  Weserseite  als  sog.  II  esse  weg  über  Nienburg  nach  Verden  und 
weiter  nach  Bremen.  lt>.  Strafse  von  Minden  ostwärt«  um  das  Nordende  des 
Deisters  herum  nach  Hannover  oder  nach  Pattensen,  Sarstedt  und  Hildesheini. 
Sie  wurde  als  Hell  weg  vor  dem  Saut  forde  bezeichnet.  Nach  Stedler 
führte  sie  diesen  Namen  nach  einem  Walde  zwischen  Minden  und  Bückebarg. 
17.  Strafse  von  Cöln  über  Altena  und  Iserlohn,  also  südlich  von  obengenanntem 
Hellweg  nach  Soest.  18.  Die  »Hohe  Strafse  «  von  Cöln  über  den  Westerwald 
nach  Limburg  und  Frankfurt.  19.  Von  Hillesheim  führte  die  Hauptstrafst' 
teils  nach  Wolfenbüttel,  teils  nach  Goslar  und  dem  Harzrande  entlang  nach 
Halberstadt  (sowie  Quedlinburg)  und  Magdeburg.  20.  Strafse  von  Hannover 
über  Braunschweig  nach  Magdeburg. 

Südlich  vom  Harz  war  Thüringen  ein  wichtiges  Durchgangsland  in  west- 
östlicher Richtung  geworden.    Von  Eisenach  gingen  zwei  Anschlufsstrafsen  an 
die  vorher  genannten  hessischen  aus:  21.  Die  sog.  Oberstrafse  über  Gotha, 
Erfurt,  Buttelstädt.  Eckartsberga,  Naumburg,  Weifsenfeis  und  Leipzig  (wie  auch 
nördlich  nach  Halle).    22.  Eine  zweite  Strafse  ging  von  Eisenach  nordöstlich 
nach  Langensalza  über  Tennstedt  nach  Weifsensce,  Cölleda  und  Eckartsberg;», 
wo  der  vorige  Strafsenzug  erreicht  wurde.    23.   Von   Weilsensee  ging  ein 
Strafsenzug  ab  nach  Querfurt,  Halle  und  Dessau  mit  Fortsetzimg  nach  Berlin 
Ebenso  zweigte  sich  24.  bei  Erfurt  eine  Strafse  ab  nach  Weimar,  Jena.  Eisen 
berg,  Altenburg.  Waldheim  a.  d.  Zschoppau  und  Meilsen  (Dresden).    25.  Die 
von  Weifsensce  nach  N.  führende  Strafse  überschritt  bei  Kinderbrück  die 
Wipper  (die  Furt  des  Chindo)  und  ging  durch  den  Sachsenburger  Pafs  (Durch 
bruehstal  der  Unstrut)  nach  Artern  und  Sangerhausen  (wie  auch  nach  Querfurt, 
s.  Nr.  23).    Auch  der  südliche  Harzrand  war  im  Flufsgebiet  der  Helme  früh- 
zeitig mit  Strafsen  bedacht  gewesen.    Die  von  Tilleda  nach  Nordhausen  führende 
wird  für  die  älteste  des  Helmegaues  gehalten  (vor  dem  X.  Jh.  schon  vorhanden). 
Ferner  die  Strafse  von  Nordhausen  nach  der  Pfalz  Watthausen,  aus  dem  X.  Jb. 
stammend.    Bei  Nordhausen  trafen  von  W.  her  einige  Strafsenzüge  zusammen, 
von  Northeim,  Göttingen  und  Heiligenstadt  her,  sie  führten  gemeinsam  ost 
wärts  weiter  26.  über  Sangerhausen,  Eislebcn  nach  Halle.    27.  In  Halle  mündete 
auch  die  wichtige  Strafse  von  Braunschweig,  Halberstadt,  Aschersleben,  die 
weiter  nach  Leipzig  führte. 

Neben  diesen  W. — 0.  Strafsen  sind  die  N.—  S.  verlaufenden  zu  berücksich- 
tigen, von  denen  einzelne  Strecken  schon  aufgeführt  und  bei  den  erstgenannten 
berührt  werden  mufsten  :    28.  Die  Strafse  von  Bremen,  Minden  nach  Cassel 
führte  das  ganze  Fuldatal  aufwärts  nach  Würzburg.    29.  Die  Strafse  von  Braun 
schweig,  teils  um  den  Westrand  des  Harzes  herum  nach  Duderstadt,  Mühl- 
bausen und  Erfurt,  teils  um  den  Ostrand  (s.  Nr.  27  und  23)  ebenfalls  nach 
Erfurt  und  von  hier  über  den  mittleren  Thüringer  Wald  auf  der  sogr.  Wald- 
o<ler  Laubenstrafse  .  die  über  Apfelstedt,  Oberhof  nach  Suhl  führte  und  weiter 
südlich  nach  Bamberg.  -    Von  Leipzig  führten  zwei  Strafsen  nach  NürnWri 
die   eine  30.  ging  über  Naumburg,  Jena.  Saalfeld,  Gräfenthal,  Judenbach,  Co- 
burg. Bamberg  nach  Nürnberg;  die  andere  31.  über  Altenburg,  Zwickau,  Plauen. 
Hof,  Berneck,  Creufsen  nach  Nürnberg. 


233.  Verkehr. 


403 


Von  bedeutenderen  Strafsen,  die  in  der  vorherrschenden  Richtung  von 
W  — O.  das  Kolonialland  östlich  der  Elbe  durchzogen,  sind  zu  nennen  :  32.  Die 
Stralse  von  Magdeburg  nach  Brandenburg,  Berlin,  Frankfurt,  Zilenzig  und 
Posen.  Von  Berlin  liefen  die  Strafsen  der  Mark  aus:  33.  Die  Strafse  über 
Oderberg  nach  Stettin,  dann  34.  jene  über  Küstrin,  Landsberg,  Usch,  Nakel 
und  weiterhin  über  Bromberg  nach  Thorn,  sowie  über  Tuchel  nach  Danzig. 
Auch  durch  die  südliche  Mark  führte  eine  Stralse  von  Leipzig  und  Dessau  nach 
iJerlin  (s.  Nr.  23).  Von  Leipzig  ging  35.  eine  Strafse  ostwärts  über  die  Elbe 
l<ei  Strehla  nach  Spremberg,  Guben  und  Krossen  und  im  weiteren  nach  Posen, 
Gnesen  und  Thorn;  sowie  36.  die  sog.  Hohe  Strafse  von  Leipzig  über 
Grimma,  Oschatz,  Riesa,  Kamenz,  Bautzen,  Löbau,  Görlitz,  Lauban,  Löwenberg, 
Liegnitz,  Breslau  und  weiter  das  Odertal  aufwärts  nach  Ratibor  und  Teschen. 
Von  einer  Aufzählung  der  übrigen  Teil-  und  Verbindungsstrafsen  mufs  hier 
abgesehen  werden. 

Von  den  Alpenstrafsen  haben  im  frühen  Mittelalter  drei  eine  hervor- 
ragende Bedeutung  gehabt:  der  Grofse  St.  Bernhanl,  der  Septimer  und  der 
Brenner.    Vgl.  hierzu  das  über  die  antiken  Alpenstrafsen  Gesagte  S.  159  f.  Der 
Grofse  St.  Bernhard  war  seit  der  Karolingerzeit  die  beliebteste  Verkehrs- 
strafse  von  Frankreich  und  Westdeutsehland  nach  Italien  gewesen,  wogegen 
der  Kleine  St.  Bernhanl  wenig  benutzt  wurde.    Nahe  der  Pafshöhe  des  ersteren 
hatte  schon  am  Anfang  des  IX.  Jh.  ein  Kloster  gestanden,  die  Ablatio,  montis 
Jovis  snncti  Petri;  aber  wie  dieses  seheinen  auch  andere  schon  vorhandene 
Hospize  von  den  Sarazenen  seit  dem  Ende  des  IX.  Jh.  zerstört  worden  zu  sein. 
Das  später  weltberühmte  Hospiz  auf  dem  Grofsen  St.  Bernhard  wurde  von 
«lern  Archidiakon  von  Aosta,  Bernhard  von  Menthon  (f  1086),  begründet  und 
dem  hl.  Nikolaus  von  Myra  geweiht.    Bald  aber  wurde  Bernhards  Name  auf 
das  Kloster  und  den  Berg  übertragen.    Verhältnismäfsig  gering  war  der  Ver- 
kehr über  den  Simplon,  auf  dem  ein  Johanniterhospiz  (urkundlich  seit  1235 
genannt)  bestand :  Hospitale  s.  Johannis  de  Collilus  de  Seinplon.    Ein  bedeutsames 
Ereignis  in  der  Geschichte  der  Alpenstrafsen  war  die  Eröffnung  des  Gotthard- 
passes  für  Handel  und  Verkehr.    Der  Grund,  dafs  gerade  dieser  Pafs  im  Alter- 
tum und  frühen  Mittelalter  nicht  benutzt  werden  konnte,  ist  wesentlich  in  der 
Unzugänglichkeit  der  Schöllencnschlucht  der  oberen  Reufs  zu  suchen.  Erst 
die  Anlage  einer  eisernen  Hängebrücke  (die  »stiebende  Brücke  x)  durch  die 
vom  Flufs  durchbrauste  Felsspalte  schuf  eine  Verbindung  zwischen  Reufs-  und 
Tessintal.    Ihre  Herstellung  fällt  in  die  Zeit  von  1218—1225  und  deutsche 
Kolonisten  im  Ursercntal  scheinen  sie  veranlafst  zu  haben ;  cf.  Schulte  I,  169  ff. 
Bei  Albert  von  Stade  wird  dieser  Weg  ȟber  den  Berg  Elvelinus  (d.  i.  der 
Gotthard),  den  die  Lombarden  Ursare  nennen  *  schon  erwähnt.    Als  St.  Gotthard 
erscheint  er  urkundlich  im  Anfang  des  XIV.  Jh.    Auf  der  Pafshöhe  stand  die 
Kapelle  dieses  Heiligen  (1331  zuerst  erwähnt);  cf.  Öhlmann  III,  288. 

Östlich  vom  Gotthard  führten  mehrere  Pässe  über  den  Kamm,  die  ihren 
Ausgangspunkt  in  Chur  hatten.    Der  Lukmanierpafs  (1917  m)  führte  vom 
Kloster  Disentis  im  Vorderrheintal  hinüber  nach  Biasca,  wo  der  Weg  die 
Gotthardstrafsc  erreichte.    Der  Pafs  wurde  nachweisbar  schon  von  Kaiser  Otto  I. 
benutzt  (Schulte  I,  62).    Die  Bezeichnung  Ilansweg,  nach  dem  Orte  Ilanz  im 
Rheintal  angeblich  benannt,  wird  von  Schulte  (I,  100)  nicht  auf  den  Lukmanier, 
sondern  auf  die  Strafse  aus  dem  Gebiet  der  Rhonemündung  über  Monealieri, 
Asti,  Stradella  bezogen.    Abt  Johann  von  Disentis  hatte  1374  das  oberste  der 
drei  Hospize  des  Medelsertales,  St.  Maria,  errichtet.       Der  St.  Bernhardin- 
pafs  (2063  m)  führt  von  Chur,  Dorf  Splügen  hinüber  nach  Bellinzona;  er  hiefs 
im  Mittelalter  Möns  avium.  Monte  ulzello.    Seinen  späteren  Namen  führte  er 
n«K-h  dem  hl.  Bernhardin  von  Siena  ff  1414),  dem  zu  Ehren  auf  «lern  Vogel- 
berge  eine  Kapelle  errichtet  worden  war.    Der  Name  findet  sich  zuerst  bei 
Tschudi  in  der  Gallia  comata  (Schulte  I,  374).  —  Chiavenna  bildete  den  Aus- 
gangspunkt von  drei  Fassen.    Der  Splügen  (2117  m)  war  nur  ein  Saumpfad 

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404  VII.  Kulturfreojrraphie  um  das  Jahr  1376. 

geblieben,  und  zwar  im  Interesse  der  Bischöfe  von  Cliur,  die  den  Septimer 

Eafs  besafsen.  Dieser  war  neben  dem  Grofsen  St.  Bernbard  einer  der  am  meisten 
enutzten  Pässe  im  Mittelalter:  Möns  Septimits,  Möns  Set*  s,  bei  Gottfried  von  Stras- 
burg Setmunt  und  in  der  Dietriehsage  Septmer,  Das  Xenodocbium  saneti 
Petri,  831  erwähnt,  scheint  das  älteste  Hospiz  hier  gewesen  zu  sein.  Es  wurde 
durch  die  Sarazenen  im  X.  Jh.  zerstört;  im  Jahre  1120  wurde  hier  ein  neues 
Hospiz  vom  Bisehof  begründet.  Etwas  umständlicher  war  der  Verkehr  über 
den  im  Altertum  benutzten  Julierpafs,  der  gegenüber  den  beiden  vorher 
genannten  einen  Umweg  bedeutete.  Septimer  und  Julier  führen  über  Tiefen- 
kasten direkt  nach  Chur,  während  Bernhardin  und  Splügen  zuvor  noch  eine 
schwer  zugängliebe  Stelle  zu  passieren  haben,  ehe  sie  Chur  erreichen,  nämlich 
die  Via  Mala.  Der  Verkehr  fand  hier  im  XIV.  Jh.  nur  auf  Schleichwegen 
statt,  da  die  Bischöfe  von  Chur  es  von  Karl  IV.  1359  erreicht  hatten,  da  fr  <lie 
Benutzung  aller  Graubündener  Pässe  mit  Ausnahme  des  Septimer  verboten 
wurde.  Doch  liefr  sich  der  Rückgang  des  Septimer- Verkehrs  in  der  Folgezeit 
nicht  aufhalten,  besonders  als  1473  die  Via  Mala  zu  einer  Fahrstrafse  ausgebaut 
worden  war. 

Von  den  Pässen  der  Ostalpen  hatte  nur  der  Brenner  seine  Bedeutung 
von  früher  gewahrt.  Seine  mäfsige  Höhe  von  1362  m,  die  Kürze  des  Weges 
mit  einmaligem  Aufstieg  und  Abstieg  gegenüber  den  weiter  östlich  liegenden 
Alpenstrafsen,  die  mehrere  Parallelketten  zu  übersteigen  haben,  sicherte  ihm 
stets  eine  hervorragende  Stellung  und  Beliebtheit.  Einen  besonderen  Namen 
hatte  er  im  Mittelalter  nicht;  er  bildete  die  Strafse  durch  die  Vallis  Tridentina. 
—  Östlich  vom  Brenner  bildete  der  Weg  von  Salzburg  durch  das  Salzacbtal 
und  von  hier  in  das  Ennstal  nach  Radstadt  und  über  die  Tauern  nach 
St.  Michael  in  das  Tal  der  Mur  einen  wenig  bequemen  Übergang,  zumal  von 
hier  aus  nochmals  die  Kärntner  Aloen  zu  überqueren  waren,  um  nach  Spittal 
in  das  Drautal  zu  gelangen.  In  den  Ostalpen  bildeten  die  durchgreifenden 
Längstäler  allerdings  bequeme  Ausgangsstrafsen,  oft  nach  beiden  Seiten  bin. 

Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeseh.  IV.  Bd.  Gafsner,  Zum  deutschen 
Strafsenwcsen  von  der  ältesten  Zeit  bis  zur  Mitte  des  XVII.  Jh.,  Leipzig  1889. 
Landau,  Die  alten  Heer-  und  Handelsstrafsen  in  Deutschland,  Zeitschr.  f.  dt. 
Kulturgesch.  1*56.  Götz,  Die  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welthandels. 
Stuttg.  1888.  S.  533  ff.  Reise  hei,  Die  alten  Heer-  und  Handelsstrafsen  und 
ihr  Einllufr  auf  die  Besiedelung,  Mitt.  Ver.  Kkde.  Halle  1885.  Sommer  lad, 
Verkehrswesen  im  dt.  Mittelalter,  in  Conrads  Handwörterbuch  der  Staat«wissen- 
sehaften,  1.  Aufl.  (!),  Suppl  Bd.  II,  1897,  S.  938—917.  Wimmer,  Histor. 
Landschaftskde.  S.  168  ff.  Meuskens,  Handel  und  Verkehr  in  Deutschland 
während  des  XIII.  Jh..  in  Aich.  f.  Post  u.  Telegr.  1897.  25,  601—612. 

Von  handelsgesehichtliehen  Darstellungen  u.  ä.  seien  genannt  v.  Inama- 
Sternegg,  Dt,  Wirtschaftsgeschichte  II,  III,  1  pass.  Falke,  Gesch.  des 
deutschen  Handels,  1859.  He  yd,  Gesch.  des  Levantehandels  im  Mittelalter, 
Stuttg.  1879.  Ders.,  Der  Verkehr  süddeutscher  Städte  mit  Genua  während 
des  Mittelalters  in  Forsch,  z.  dt.  Gesch.  Bd.  24  (1884),  213—230.  Roscher. 
Svstem  der  Volkswirtschaft,  Bd.  III,  7.  Aufl  1899.  Schulte,  Gesch.  d.  mittel 
alterl.  Handels  und  Verkehrs  zwischen  Westdeutschland  und  Italien  mit  Aus 
seblufr  von  Venedig,  Leipzig  1900  (vgl.  hierzu  v.  Below,  in  Histor.  Zeitschr. 
1902,  S  215  ff.).  Jacob,  Der  nordisch-baltische  Handel  der  Araber  im  Mittel- 
alter, Dissert,  Leipzig  1887. 

Quetsch,  Gesch.  des  Verkehrswesens  am  Mittelrhein  von  den  ältesten 
Zeiten  bis  zum  Ausgang  des  XVIII.  Jh.,  Freiburg  i.  B.  1891.  Sommerlad, 
Die  Rheinzölle  im  Mittelalter,  Halle  1804  Hummel,  Die  Mainzolle  von 
Wertheini  bis  Mainz  bis  zum  Ausgang  des  XV.  Jh.,  Westdt,  Z.  1891,  109  IT., 
320  ff.  Landau,  Die  Strafsen  aus  den  Niederlanden  und  vom  Niederrhein 
durch  Westfalen  nach  Leipzig  u.  Nürnberg,  in  Korresp.  Bl.  d.  Gesamtver.  d.  dt. 


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233.  Verkehr. 


405 


Gesch.  Ver.  1862,  47  ff.  Zöllner,  Hie  Bedeutung  der  Elbe  für  den  mittelalter- 
lichen Handel.  Progr.  Realsch.  Chemnitz  1896.  Weissenborn,  Die  Elbzölle 
und  Elbstapelplätze  im  Mittelalter.  Halle  1901.  H.  Schmidt,  Der  Einflufs 
der  alten  Handelswege  in  Niedersachsen  auf  die  Städte  am  Nordrande  des 
Mittelgebirges,  Z.  bist.  Ver.  f.  Niedersachsen  1896,  443—518.  Wiechel,  Die 
ältesten  Wege  in  Sachsen,  mit  einer  Karte,  Dresden  1901.  Simon,  Die  Ver- 
kehrsstrafsen  in  Sachsen  und  ihr  Einflufs  auf  die  Städteentwicklung  bis  zum 
Jahre  1500,  Stuttg.  1892.  Nie  mann,  Die  alten  Verkehrsstrafsen  des  Erz- 
gebirges. Archiv  f.  Post  u.  Telegr.  25,  569— 574.  Falke,  Zur  Gesch.  der  hohen 
Landstraße  in  Sachsen,  Archiv  sächs.  Gesch.  VII  (1869),  113—143.  Schön- 
wälder,  Die  hohe  Landstrafse  durch  die  Oberlausitz  im  Mittelalter,  N.  Lausitz. 
Magazin  56  (1880),  342—368.  Regel,  Handbuch  »Thüringens  1896,  in,  275  ff. 
F.  Günther,  Der  Harz,  1888,  S.  126  ff.  Kietz  er,  Beitrag  z.  Gesch.  d.  Ver- 
kehrswege in  Posen  vom  Jahre  1000  bis  zum  Jahre  1893,  in  Arch.  f.  Post  u. 
Tel.  21,  591—605.  Ostreich,  Die  Handelswege  Thorns  im  Mittelalter,  Dissert. 
Danzig  1890. 

über  Alpenstrafsen  vgl.  die  genannten  Werke  von  Schulte,  Wimmer  etc., 
ferner  Ohl  mann,  Die  Alpenpässe  des  Mittelalters,  Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch. 
III,  165  ff.,  IV,  163  ff.  He  yd,  Die  Alpenstrafsen  der  Schweiz  im  Mittelalter, 
Ausland  1882,  461 — 467.  Reinhard,  Topogr.-histor.  Studien  über  die  Pässe 
in  den  Walliser,  Tessiner  und  Bündener  Alpen,  Progr.  Luzern  1901.  Berger, 
Die  Septimerstrafse,  Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  XV,  1 — 180.  Nüscheler,  Histor. 
Notizen  über  den  Gotthardpafs,  Jahrb.  Schweizer  Alpenklubs  VII  (1872).  von 
Liebenau,  Urk.  u.  Regesten  z.  Gesch.  d.  Gotthardweges  von  dessen  Ursprung 
bis  zum  Jahre  1315,  in  Arch.  f.  Schweizer  Gesch.  19  (1874).  Berlepsch,  Die 
Gotthardbahn,  Ergänzungshefte  von  Petermanns  Mitteilgn.  Nr.  65.  Ferner  die 
Arbeiten  von  Wanka  über  den  Brennerund  Pontebba  sowie  Predilpafs  (siehe 
S.  162).  • 


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VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas 

im  Mittelalter. 


234.  Kirchliche  Einteilung  Deutschlands.  Die  kirchliche  Verwal- 
tung des  Landes  hatte  bei  zunehmender  Ausbreitung  des  christlichen 
Glaubens  sehr  bald  die  Einteilung  in  Bezirke,  Diözesen,  nötig  gemacht. 
Die   Anfänge    der    hierarchischen   Ordnung   in   Deutschland  datieren 
seit  Karl  dem  Grofson,  und   zwar  konnte  sie  zunächst  nur  im  west- 
lichen und  südlichen  Deutschland  zur  Ausführung  kommen.    Nach  Ge- 
winnung der  Slavenländor  östlich  der  Elbe  folgte  in  der  sächsischen 
Kaiserzeit  die  Gründung  einer  ganzen  Reihe  von  neuen  Bistümern.  Frei 
heb  währte  es  noch  geraume  Zeit,  ehe  die  Abgrenzung  der  Diözesan 
Sprengel  gegeneinander,  die  Unterordnung  der  Suffraganbischöfe  unter 
die  Metropolitane  (Erzbischöfe)  etc.   zu   einem   vorläufigen  Abschluß 
gelangt  war.    In  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  zerfiel  das  Gebiet, 
soweit  es  hier  von  uns  berücksichtigt  wird,  in  zehn  Kirchenprovinzen: 
Cöln,  Trier,  Mainz,  Salzburg,  Bremen,  Magdeburg,  Prag,  Gnesen,  Preufsen 
und  Lund.    Jede  von  diesen  Provinzen  (Erzdiözesen)  zerfiel  wieder  in 
eine  Anzahl  von  Bistümern  (Diözesen).    Diese  Einteilung  in  grofse  und 
kleine  Kirchensprengel  ist  ohne  Rücksichtnahme  auf  die  politische  Ein 
teilung  des  Landes  getroffen  worden ;  ein  Ansehluis  an  die  bestehende 
Gaueinteilung  hat  sieh  nur  bedingungsweise  erkennen  lassen;  von  einer 
vollständigen  Identität  beider  kann  keine  Rede  sein  (vgl.  S.  192).  Aber 
auch  mit  den  Gebietsgrenzen  der  einzelnen  deutschen  Stämme  steht  die 
kirehliche  Einteilung  in   keiner  Beziehung.    So  gehörte  Franken  nicht 
weniger  als  drei  Erzdiözesen  an:  Cöln,  Trier  und  Mainz;  das  sächsische 
Stammesgebiet  sogar  vier:  Magdeburg,  Bremen,  Mainz  und  Cöln.  Da 
gegen  beherbergte  Schwaben  überhaupt  keinen  Metropolitansitz,  und  nur 
bei  Baiern  läfst  sich  ein  annäherndes  Zusammenfallen  der  Stammesgrenzen 
mit  der  salzburgischen  Kirehenprovinz  erkennen,  ein  Umstand,  der  dem 
Einflufs  des  Baiernherzoge  auf  die  Kirche  in  seinem  Lande  in  früherer 
Zeit  eine  wesentliche  Stütze  verlieh.    Das  Bistum  Bamberg  nimmt  eine 
besondere  Stellung  ein,  insofern  es  keiner  Erzdiözese  zugeteilt  war,  sondern 
unmittelbar  dein  Papst  unterstellt  war.    Das  Gleiche  gilt  von  Kamin 


234.  Kirchliche  Einteilung  Deutschland«. 


407 


Die  allmähliche  Entwicklung  der  kirchlichen  Organisation  Mitteleuropas 
kann  hier  nicht  im  Gesamtüberblick  dargestellt  werden.  Die  wichtigsten  Einzel- 
heiten sind  bei  den  Bistümern  im  nachfolgenden  hervorgehoben  worden.  Als 
die  Mehrzahl  aller  Bistümer  gegründet  und  ihre  Einordnimg  in  die  Erzdiözesen 
—  nach  mancherlei  Streitigkeiten  und  Abänderungen  —  erfolgt  war,  gestaltete 
sich  die  kirchliche  Einteilung  nach  Erzdiözesen  und  Diözesen  folgendermafeen : 

4.  Freising. 

5.  Brixen. 

6.  Gurk. 

7.  Seckaii. 

8.  Lavant. 

VI.  Erzbistum  Magdeburg. 

1.  Magdeburg. 

2.  Merseburg. 

3.  Naumburg-Zeitz. 

4.  Meifsen. 

5.  Brandenburg. 

6.  Havelberg. 

7.  Kamin  (bis  1251). 

VII.  Erzbistum  Prag. 

1.  Prag. 

2.  Olmütz. 

VIII.  Erzbistum  Gnesen. 

1.  Gnesen. 

2.  Breslau. 

3.  Posen. 

4.  Lebus. 

5.  Kntkau. 

6.  Wloelawek. 

7.  Block. 

IX.  Preufsische  Kirchen provinz. 

1.  Kulmerland. 

2.  Pomesanien. 

3.  Warmien  (Ermland). 

4.  Samland. 

X.  Erzbistum  Lund. 

1.  Schleswig. 

2.  Ripen. 

3.  Aarhuus. 

4.  Odense. 

5.  Roeskilde. 


I.  Erzbistum  Cöln. 

1.  Cöln. 

2.  Münster. 

3.  Minden. 

4.  Osnabrück. 

5.  Utrecht. 

6.  Lüttich. 

II.  Erzbistum  Trier. 

1.  Trier. 

2.  Metz. 

3.  TouL 

4.  Verdun. 

III.  Erzbistum  Mainz. 

1.  Mainz. 

2.  Worms. 

3.  Speier. 

4.  Strafsburg. 

5.  Constanz. 

6.  Chur. 

7.  Augsburg. 

8.  Eichstätt. 

9.  Würzburg. 

10.  Paderborn. 

11.  Hildesheim. 

12.  Verden. 

13.  Halberstadt. 


1. 


Unmittelbar  unter  Rom. 
Hamberg. 


IV.  Erzbistum  Bremen-Hamburg. 

1.  Bremen. 

2.  Aldenburg-Lübeck. 

3.  Ratzeburg. 

4.  Mecklenburg-Schwerin. 


1. 


V.  Erzbistum  Salzburg. 
■SUzburg. 


2.  Regensburg. 

3.  Passau. 


6.  Wiborg. 

7.  Vendsyssel. 


Wir  besitzen  ein  Metropolitan-  und  Diözesanverzeichnifl  aus  dem  Xni.  Jh. 
wahrscheinlich  vom  Kardinal  Cenci  verfafst;  hergb.  von  Weidenbach,  Calend. 
histor -Christ.,  Ratisb.  1855.  XIII,  2«8.  Nach  diesem  zerfiel  Deutsehland  in 
sechs  Erzdiözesen  :  I.  Mainz  mit  den  SufTragandiözesen :  Prag,  Olmütz.  Eichstätt, 
Würzburg,  Constanz,  Chur.  Strafsburg.  Speier,  Worms,  Verden,  Hildesheim, 
Halberstadt,  Paderborn  und  Bamberg  (letzteres  ist  ein  Irrtum,  da  es  exemt 
war).  II.  Cöln  mit  Lüttich,  Utrecht,  Münster,  Minden.  Osnabrück.  III.  Bremen 


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408  VIII   Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  iui  Mittelalter. 

mit  Bardowiek,  Schleswig,  Ratzeburg.  Mecklenburg,  Lübeck.  Riga.  IV.  Magde- 
burg mit  Ilavclbcrg.  Brandenburg,  Meilsen,  Merseburg,  Zeitz.  V.  Salzburg 
mit  Passau.  Regensburg.  Freising,  Gurk,  Brixen,  Chiemsee,  Lavant,  Seekau. 
VI.  Trier  mit  Metz.  Toni  und  Verdun.  Riga  wurde  1255  zum  Erzbistum  er- 
hoben und  ihm  die  zwischen  1217 — 1250  neugegründeten  Sprengel  von  Kulm, 
Dorpat,  Ennland.  Ösel,  Pomesanien,  Samland  und  Semgallen  unterstellt.  Über 
die  weiten*  Entwicklung  der  Diözesanteilung  und  Einordnung  vgl.  Weber  bei 
Wetzer-Welte  III.  1634  ff. 

Von  den  auf  Deutschland  bezüglichen  kirchengeschichtlichen  Darstellungen 
sind  zu  nennen:  Rettberg,  Kirchengeschichte  Deutsehlands,  2  Bde.  Göttingen 
184G— 48.    Friedrich,  Kircbeiigesch.  Deutschlands,  2  Tie.,  Bamberg  1867— 69. 
Das  wichtigste  moderne  Werk  ist  Haucks  Kirchengesch.  Deutschlands,  8 Bde. 
Leipzig  1887  ff.    Ferner  die  einzelnen  Artikel  der  Bistümer  (meist  ebenfalls 
von  Ilauck  geliefert)  in  der  Realen c yklopädie  f.  p rötest.  Theologie 
2.  Aull.,  und  ebenso  jene  bei  Wetzer  und  Welte.  Kirchenlexikon.  Freiburg 
(kath.)  —  Wiltsch,  Handbuch  der  kirehl.  Geographie  und  Statistik  von  den 
Zeiten  der  Apostel  bis  zum  Anfang  des  XVI.  Jh..  1846     Neher,  Kirehl.  Geo- 
graphie u.Statistik  mit  steter  Rücksicht  auf  die  frühere  Zeit.  1864  ff.  (Letztere 
Beiden  Werke  bieten  für  unsere  Zwecke  trotz  des  Titels  nur  wenig.)  Garns. 
Series  episcoporum  eccles.  catholic.  Regensburg  1873.  —  Egli,  Kirchengesch, 
der  Schweiz  bis  auf  Karl  d.  Gr.,  Zürich  1893.    Gelpke,  Kirchengeschichte  d. 
Schweiz,  2  Bde.,  Bern  1856 — 61.    Wolny,  Kirehl.  Topographie  von  Mähren, 
10  Bde.,  Brünn  1855—60.    Frind,  Kirchengesch.  Böhmens,  4  Bde.    Prag  1862 
bis  1878.  Klein,  Gesch.  des  Christentums  in  Österreich  und  Steiermark,  Wien 
1840  ff.    Ileppe.  Kirchengesch,  beider  Hessen,  2  Bde  ,  Marburg  1876.  Geb- 
hardt, Thüring.  Kirchengeschichte,  3  Bde.,  Gotha  1879 — 82.    Jensen  und 
Mich  eisen,  Schleswig-IIolsteinsche  Kirchengesch.,  Kiel  1873  ff. 

235.  Erzbistum  Ctfln.  Das  Vorhandensein  einer  christlichen  Gemeinde 
tätet  sich  frühestens  bis  ins  IL  Jh.  zurückverfolgen.  Der  erste,  sicher  nachweis- 
bare Bischof  ist  Maternus,  der  an  der  Synode  von  Arles  teilgenommen  hat. 
Ob  die  Bischöfe  schon  in  der  frühfränkischen  Zeit  Metropolitangewalt  be- 
safsen,  ist  fraglich;  erst  unter  Bischof  Ilildebold  wurde  Cöln  wirklich  zur  Me- 
tropole erhoben  (795).  Das  Diözesangebiet  Cölna  uinfafste  das  Ripuarierland 
auf  beiden  Rheinufern  und  das  westfälische  Süderland,  und  zwar  scheint  die 
Diözesangrenze  auch  damals  erst  festgestellt  worden  zu  sein.    Sie  lief 
vom  Rhein  oberhalb  Breisig  über  Kesseling  nach  Kyllburg,  dann  zwischen 
Stadtkyll  und  Prüm,  Malmedy  und  Stablo,  <  ornelimünster  und  Aachen, 
Neufs  und  Gladbach  bis  unterhalb  Venlo  an  die  Maas,  folgte  derselben 
bis  an  ihre  Mündimg  in  die  Waal,  ging  dann  flufsaufwärts  bis  Emmerich, 
wo  sie  den  Rhein  überschritt  und  umschlofs  auf  dem  rechten  Rheinufer 
noch  das  Gebiet  von  Rees  und  Reynen;  von  der  Mündung  der  Lippe 
lief  sie  dieser  entlang  bis  in  die  Nähe  von  Paderborn,  dann  südlich  um 
Medebach,  überschritt  den  Siegflufs,  ging  der  oberen  Wied  entlang;  und 
zwischen  Erpel  und  Linz  an  den  Rhein.  —  SulTraganbistümer  waren  das 
fränkische  Bistum  Lüttich,  das  friesische  Ttrecht  und  späterhin  die 
sächsischen  Münster,  Minden,  Osnabrück. 

Vgl.  Hauek\  KD.  I,  127.  II,  208.  Binterim  und  Mooren,  Die  Erz 
diözese  Köln.  2.  Aufl.  Düsseidf.  1892.  Podlech,  Gesch.  d.  Erzdiözese  Köln, 
Mainz  1871>.    Lev,  Die  Kolnische  Kircheng»  schichte  etc  ,  Colli  1883. 

Die  alte  Diözese  war  in  22  Dekanate  geteilt,  Der  bei  Binterim  veröffent- 
lichte LH*er  valoris  enthält  ein  Verzeichnis  aller  Pfarrkirchen  der  Cölner  Diözese 


236.  Bistum  Münster.    237.  Bistum  Minden. 


409 


im  XIV.  Jh.  nach  ihrer  Einteilung  in  Dekanate,  mit  ausführliehem.  auch  geo- 
graphisch beachtenswertem  Kommentar, 

Die  Archidiakonatscinteilung  von  Cciln  war  keine  vollstUndig  durch- 
greifende. Es  werden  uns  vier  Arehidiakonate  genannt  :  Cöln,  Bonn,  Xanten 
und  Soest.  Neben  diesen  vier  Archidiaconi  majores  standen  noch  einige  Ärchidiaconi 
minores  mit  beschränkterer  Machtbefugnis.  Vgl.  Binteritn-Mooren,  l.  c.  I,  3; 
ferner  Podlech,  Gesch.  d.  Erzdiözese  Köln,  1879,  S.  7  f.,  der  sich  im  wesent- 
lichen auf  Mooren  stützt,  von  Mering,  Die  Bischöfe  und  Erzbischöfe  von 
Köln  nebst  Gesch.  der  Kirchen  und  Kleister  d.  8t.  Köln  u.  d.  Erzdiözese,  2  Bde. 
1844;  enthält  eine  Geschichte  der  Gründung  von  Kirchen  und  geistl.  Stiftungen. 

Zahlreich  waren  natürlich  die  Klöster  in  der  Diözese.  Von  den  bedeu- 
tenderen ist  vor  allem  die  Ruichsabtei  zu  Werden  an  der  Ruhr  zu  nennen, 
eine  Stiftung  des  Liudger,  Bischofs  von  Münster.  Es  war  reich  mit  Schenkungen 
auch  in  Sachsen  und  Friesland  bedacht  worden.  Ilauck,  KD.  II,  107.  Das 
Kloster  Avar  auf  einem  Gut  W'erethinum  zwischen  zwei  Bächen,  die  in  die 
Ruhr  gehen,  also  einem  »Werth,  Werder«,  gegründet  und  später  sehr  reich  mit 
(ȟtem  ausgestattet  worden.  Seh  unken,  Gesch.  der  Reichsabtei  Werden. 
Neuis  1865.  Jacobs,  Gesch.  der  Pfarreien  im  Gebiet  des  ehemal.  Stiftes 
Werden,  Düsseldorf  1893—94.  Beiträge  z.  Gesch.  der  Stadt  Werden,  1—8, 
Düsseldorf  1891 — 98.  Kötzschke.  Studien  z.  Verwaltungsgeseh.  d.  Grofs- 
grundherrsch.  Werden,  Lpz.  1901.  —  Das  Frauenkloster  (später  Reichsabtei) 
Essen,  8-15  von  Rabanus  Maurus  gestiftet,  zwischen  Ruhr  und  Emscher, 
zwischen  Franken  und  Sachsen. 

230.  Bistum  Münster.    Am  Ende  des  VIII.  Jh.  waren  von  Karl 
dem  Grofsen  neue  sächsische  Bistümer  gegründet  worden,  u.a.  zu  Münster, 
als  dessen  erster  Bischof  Liudger  wirkte,  der  seit  787  bereits  in  fünf 
friesischen  Gauen  seine  Missionstätigkeit  entfaltete.    Die  Bistümer  Cöln 
und  Utrecht  schlössen  den  Diözesansprengel  von  Münster  im  W.  ,S.  und  NW. 
ab ;  im  O.  und  NO.  gegen  Osnabrück  zog  sich  die  Grenze  durch  die  da- 
mals noch  unbewohnten  Heide-,  Moor-  und  Waldstriche  hin.    In  Münster 
gründete  Liudger  ein  Stift  für  Kanoniker.    Zur  Diözese  gehörten  ferner 
die  getrennt  liegenden  fünf  friesischen  Gaue  an  der  unteren  Ems:  Hug- 
merki,  Ilunusgau,  Fivelgau,  Federitgau  und  Emsgau,  sowie  die  Insel 
Bant,   von  der  als  Reste  heute  noch  Borkum,  Juist  und  Norderney  zu- 
rückgeblieben sind  (s.  S.  109). 

Ilauck,  KD.  II,  406.    Tibus,  Gründungsgesch.  der  Stifter,  Pfarrkirchen 
etc.  im  Bist.  Münster,  Münster  1855    Dcrs. ,  Der  Gau  Lermerike,  1877. 

Stiftungen  waren  aufser  dem  Domstift  zu  M  imigernef  ord  (Münster) 
selbst  (805 — 809)  das  Nonnenkloster  zu  Nottuln,  jenes  zu  Freckenhorst 
vor  857  gestiftet)  und  Metelen,  ferner  Kloster  Liesborn,  Herzfeld  dlirut- 
fel«l)  an  der  Lippe.  In  Ostfriesland :  das  Kloster  Reepsholt  (Hripesholt), 
98H  von  zwei  Schwestern  gestiftet;    Marienthal,  Benediktinerinnenkloster, 
angeblich  im  VIII.  Jh.  gegründet;  Nonnenkloster  Palmar,   1H53  gestiftet, 
Ib'JÖ  im  Dollart  versehwunden;  ebenso  Langen;  Aland,  auch  Insula  oder 
Ripa  brate  Mariae  genannt,  1288  gegründet.  Für  Zisterzienserinnen  Meerhausen. 
Timmel,  Thedinga  nördlich  von  Leer,  ferner  Sielmönken,  sämtlich  im  XIII.  Jh. 
gestiftet;  Kloster  Marienkamn  im  Harlingerland  westlich  von  Esens.  Vgl, 
im   übrigen  Suur,  Gesch.  der  Klöster  in  der  Prov.  Ostfriesland,  1838.  Für 
bring  er,  Emden  in  Gegenwart  und  Vergangenheit,  1892,  S.  252 — 258. 

237.  Bistum  Minden.  In  derselben  Zeit  als  Bremen  ist  auch  Minden 
als  Bistum  entstanden:  es  scheint  aus  einer  um  780  gegründeten  Missions- 
Btation  hervorgegangen  zu  sein.  Ercambert  wurde  der  erste  Bischof;  die 
Stiftun^surkunde  fehlt.     Das   Diözesangebiet   umfafste  im  allgemeinen 


410  VIII.    Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

die  Gaue  Tilithi,  Bucki,  Lidbekegowe,  Morstem,  Derve,  Loingo,  Es  lag 
also  ganz  im  Lande  der  Engem  und  erstreckte  sich  nach  O.  über  die 
Aller  hinaus  bis  nach  Celle,  nach  W.  bis  zur  Hunte. 

Wann  zuerst  Archidiakonate  eingerichtet  wurden  ist  ungewifs.  1230  hatte 
das  Bistum  bereit«  fünf.  Ein  älteres  Archidiakonateverzeichnis  ist  nicht  vor- 
handen, das  erhalten  gebliebene,  ziemlich  fehlerhafte,  entstammt  erst  dem 
XVII.  Jh.:  in  den  Acta synodalia  Osnabrugensis  ecclesiae  ab  a.  Chr.  MDCXXVIII. 
Cöln  1653  S.  254 — 256.  In  diesem  werden  12  Archidiakonate  fbannij  Benannt: 
Osen,  Apelern,  Obernkirehen,  Pattensen,  Wunstorf,  Mandelsloh,  Ahlden,  Leo, 
Sulingen,  St.  Martini  in  Minden,  Lübbeke  und  Rehme.  Vgl.  Holseher, 
Beschr.  des  vormaligen  Bistums  Minden,  Münster  1877  (auch  in  Z.  f.  Gesch. 
u.  Altkde.  Westf.  Bd.  33 — 35)  mit  einer  Karte  der  Diözese  und  sehr  ausführ- 
licher Grenzbeschreibung.  Schröder,  Chronik  des  Bist.  u.  der  Stadt  Minden.  18*<6. 

Auch  in  Minden  war  frühzeitig  (um  790)  ein  Domstift  St.  Peter  entstan- 
den; ferner  871  das  Nonnenkloster  Wunstorf  und  8U6  Möllenbeck  ( Mulin- 
peche). 

Der  Sprengel  reichte  nach  < ).  über  die  Aller  bis  nach  Celle,  nach  W.  bis 
zur  Hunte. 

238.  Bistum  Osnabrück  wird  für  das  älteste  unter  den  sächsischen 
Bistümern  gehalten.  Eine  Organisation  erfuhr  es  freilich  erst  unter 
Ludwig  dem  Frommen.  Die  Stiftungsurkunde  fehlt;  die  Grenze  des 
Kirchensprcngels  wurde  aber  wohl  erst  später  im  Zusammenhang  mit 
den  Nachbarbistümern  festgestellt.  Der  Diözesansprengel  war  der  gröfste 
in  Westfalen.  ' 

Die  Diözese  umfafste  die  Gaue  Agredingo,  Leri,  Hasugo,  Dersaburg. 
Threcwiti  und  Grainga,  d.  h.  in  späterer  Zeit  das  ganze  Niederstift  Münster, 
einen  Teil  vom  Westenvaide  und  das  alte  Amt  des  Gröninger  Landes,  die 
Grafschaft  Tecklenburg  Lingen.  das  Kirchspiel  Riesenbeck  im  Stifte  Münster, 
die  Herrschaft  Rheda,  die  Grafschaft  Ritberg,  Ravensberg  mit  Ausnahme  von 
Bielefeld,  Herford,  Vlotho  und  den  östlich  von  dort  gelegenen  Kirchen,  endlich 
die  Grafschaft  Diepholz  nebst  Wildeshausen  und  dem  oldenburgischen  Kirch 
spiel  Werdenburg. 

Wir  finden  13  Archidiakonate,  die  aber  nicht  alle  Kirehensprengel  der 
Diözese  umfassen,  da  dieselben  auch  nicht  immer  geschlossene  Bezirke  dar- 
stellen. Dem  oft  gemachten  Versuche,  aus  den  Archidiakonatcn  die  Gaugrenzen 
zu  ermitteln,  widersprechen  die  Osnabrücker  Einrichtungen  ganz  entschieden. 

Die  Nachrichten  über  die  Archidiakonate  sind  ungenügend,  soviele  Streit- 
schriften aus  den  20er  Jahren  des  XVIII.  Jh.  auch  veröffentlicht  sind.  Eine 
Übersicht  in  Acta  ( Ksnabrugensia  I,  S.  30-1. 

Cf.  Stüve,  Gesch.  d.  Hochstifte  Osnabrück,  Jena  1872.  II,  561  f..  682. 
über  den  genauen  Verlauf  der  Grenze  cf.  Stüve,  1.  c.  I,  Ii. 

£39.  Bistum  Utrecht.  Nach  der  Unterwerfung  Frieslands  bis  zum 
Fli  durch  Pippin  von  Ileristal  (>89  wurde  dieses  Gebiet  nebst  benach- 
barten sächsischen  und  fränkischen  Gegenden  dem  Wilibrord  mit  dem 
Bischofssitz  in  Utrecht  überwiesen  096.  Als  734  auch  Friesland  zwischen  Fli 
und  Laubach  unterworfen  war.  wurde  dieser  Teil  mit  angrenzenden  sächsi- 
schen Landschaften  hinzugefügt.  Anfangs  als  selbständiges  Erzbistum  in 
Aussicht  ge  nommen,  kam  das  Bistum  unter  Karl  dem  Grofsen  an  die 
Erzdiözese  Cöln.  Es  bestand  bis  1559,  wo  es  von  Cöln  gelöst  zum  Erz 
bistum  erhoben  wurde. 


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240.  Bistum  Lüttich.    241.  Erzbistum  Trier.  411 

Die  Gründung  des  Stiftes  bei  Beda  (ed.  Stevenson)  I,  S.  'Abi.  Pinpin 
verlieh  dem  Wilibrord  einen  Bischofssitz  in  seinein  Kastell,  welches  von  alters 
her  Viltaburg,  d.  i.  oppidum  Viltortim  hiefs.  in  der  Sprache  Galliens  aber  Trajecfum. 
Über  die  Gründung  cf.  von  Rieht hofen,  tnters.  fries.  Rcchtsgesch.  II, 
352  f.,  oll  ff.  In  den  Urkunden  wird  Wilibrord  bald  archiepiscopus,  bald  nur 
episcopus  genannt.  Ober  die  Ansprüche  Cölns  als  Erzdiözese  und  die  spätere 
Unterordnung  unter  diese  s.  v.  Kichthofen  II,  518 — 522.  Was  die  Grenzen 
des  Bistums  betrifft,  so  umfafste  der  westlichste  Teil  die  spätere  Provinz  Zee- 
land  (vom  Sinkfal  bei  Brügge  bis  zur  alten  Maas),  nebst  den  vier  von  Sachsen 
bewohnten  Ämtern  (Ami  lachten)  bei  Brügge.  An  der  Ostgrenze  gegen  die 
Münstersehe  Diözese  lagen  im  Dekanat  Deventer  die  Kirchspiele  Deutikem, 
flummelo,  Docsburg,  Voorden,  Lochern.  Von  hier  ging  sie  an  den  sächsischen 
Utrechter  Dekanaten  Oldensaal  und  Drenthe  nach  Groningen.  Näheres  bei 
Richthofen  II.  522  ff.,  584,  72fi  f. 

Die  Bistümer  in  den  friesischen  Ländern  wurden  in  Dekanate  geteilt. 
Später  trat  zwischen  den  Dekan  und  den  Bischof  ein  Archidiakon.  Der  Archi 
diakon  ist  für  gewisse  Teile  der  Utrechter  Diözese  zwischen  Fli  und  Laubach 
ein  Kanonikus  von  St.  Johann  aus  Utrecht,  für  andere  von  St.  Salvator  und 
St.  Maria;  für  manche  Orte  sind  es  Äbte  aus  Friesland.  cf.  Richthofen  II,  978. 
Ein  Utrechter  Dekanatsregister  existiert  von  1406  in:  Bueherius  Belgium 
Romanum  (für  die  westlich  vom  Zuiderzee  gelegenen  Dekanate).  Die  Dekanate 
bespricht  sehr  eingehend  v.  Richthofen  II,  523 — 728. 

240.  Bistum  Lüttich.  Schon  im  IV.  Jh.  hat  eine  christliche  Kirche 
in  Tongern  bestanden,  die  von  ihrem  angeblichen  Stifter  Bischof  Ser- 
vatius nach  Maastricht  versetzt  worden  sein  soll,  wo  das  Bistum  längere 
Zeit  bestand.  Bischof  Hugbert  verlegte  es  dann  abermals  nach  Lüttich 
(Leodium),  damals  noch  ein  sehr  kleiner  Ort  an  der  Mündung  der  Legia 
in  die  Maas,  der  erst  durch  diese  Übertragung  an  Bedeutung  gewann. 

Die  Grenzen  des  Diözesansprengels  erstreckten  sich  nach  den  Dekanats- 
verzeichnissen des  XIII.  und  XIV.  Jh.  von  der  Scheide  bei  Antwerpen  in 
nördlicher  Richtung,  den  Ufern  der  Stricne  entlang  bis  zu  den  Maasmündungen  ; 
die  Maas  war  Grenze  bis  Venlo,  westlich  von  Aachen  vorbei.  Eupen  noch  ein- 
schliefsend bis  zur  Einmündung  der  Semoy  in  die  Maas  (Wetzer  u.  Welte  II, 
275);  dann  nördlich  bis  Nivelles,  im  Bogen  zur  Strien  e  zurück.  Vgl.  auch 
Bert  eis.  Notice  sur  les  limites  du  l'ancicn  dioeese  de  Liege,  Bruxelles  185t). 

Es  sei  an  dieser  Stelle  bemerkt,  dafs  die  kirchliche  Einteilung  der  Nieder- 
lande, Flanderns  etc.  durch  die  Bulle  Papst  Pauls  IV.  1559  eine  gänzliche  Uni- 
gestaltung erfuhr,  da  diese  Gebiete  von  den  Metropolitanen  von  Cöln,  Trier. 
Metz  und  Münster  unabhängig  gemacht  wurden.  Es  wurden  damals  14  Bis- 
tümer gebildet :  Gent,  Brügge,  Vpem,  St.  Omer,  Atrecht  (Arras).  Hertogenbusch, 
Antwerpen,  Mecheln,  Roermond,  Namur,  Harlem,  Deventer,  Middelburg.  Leu- 
warden und  Groningen;  —  die  niederländischen  Bistümer  standen  unter  dem 
Erzbisehof  von  Utrecht;  die  andern  unter  denen  von  Kamervk  und  Mecheln. 

241.  Erzbistum  Trier.  Als  Bistum  scheint  es  schon  im  III.  Jh. 
bestanden  zu  haben,  als  Erzbistum  wird  es  811  aufgeführt,  mufs  aber  schon 
früher  diese  Rangstellung  eingenommen  haben.  Die  zugehörige  Kirchen- 
provinz mit  Metz.  Toul  und  Verdun  als  SurTraganen  umfafste  wahrschein- 
lich schon  frühzeitig  die  Gebiete  der  ehemaligen  Provinz  Belgica  prima. 

Ihrem  Umfange  nach  reichte  die  Diözese  Trier  von  Mousson  und  Juvigny 
an  der  Maas  im  \\\,  Iiis  Wetzlar  im  <). ;  im  N.  umschlofc  sie  Prüm.  Maria- 
Laach,  Andernach  und  Montabaur;  Ini  S.  Kronau.  Bacharach.  Tholey  und 
Wadgassen.    Marx  bei  Wetzcr-Welte  XII,  7.  —  Auch  die  Arehidiakonatsein- 


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412 


VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  Im  Mittelalter. 


teilung  scheint  in  frühe  Zeiten  zurückzugehen  und  die  Einteilung  in  fünf  Archi 
diokonate  für  den  Anhing  des  X.  Jh.  gesichert  zu  sein. 

Marx,  Gesch.  d.  Erzst.  Trier,  5  Bde.,  Trier  1858—1864.  Schannat, 
Eiflia  illustrata  oder  geogr.  und  histor.  Beschreibung  der  Ei  fei,  edit,  Bärsch, 
Aachen  Lpz.  1825— 1855,  8  Tie.  Schorn,  Eiflia  illustrata  oder  Gesch.  der 
Klöster  u.  geistl.  Stifter  der  Eitel,  2  Bde..  Bonn  1888—1892.  de  Lorenei. 
I  i« •  i t r .  z.  Gesch.  sämtlicher  Pfarreien  zur  Diözese  Trier,  2  Bde.,  Trier  1887. 

Die  sicher  nachweisbaren  Klostergründungcn  gehen  frühestens  bis  in  den 
Anfang  des  VII.  Jh.  hinauf.  Zu  den  ältesten  gehört  das  berühmteste: 
St.  Max  im  in  nördlich  von  Trier,  ferner  St.  Eucharius  (seit  XII.  Jh. 
St.  Matthias  genannt),  St.  Martin,  Mettlach  a.  d.  Saar,  und  das  vom  hl. 


zeit  stammen  Prüm  (um  762),  St.  Goar  und  das  Frauenkloster  Juvignv,  874. 
Spätere  Gründungen  sind  Oberwerth  bei  Koblenz  (1020),  Maria-Laach 
(1093 — 1112),  Abtei  Münster  bei  Luxemburg  (1033),  Apollinarisberg  bei 
Remagen  (1117).  Im  XII.  Jh.  folgen  zahlreiche  Neugründungen,  im  XIII. 
dann  die  Stiftungen  der  Mendikantenorden.  Hierüber  Marx  XII.  27.  Rettberg 
KI).  I,  477  ff. 

242.  Bistum  Metz.  Die  Gründung  reicht  auch  hier  wohl  bis  in 
das  IV.  Jb.  zurück;  die  frühesten  Bischofskataloge  sind  freilich  sehr 
fragwürdig,  und  das  Gleiche  gilt  von  den  benachbarten  Bistümern  Toni 
und  Verdun.  Die  Diözesansprengel  dieser  drei  umfassen  das  obere 
Mosel-  und  Maastal.  Seit  1552  waren  sie  im  französischen  Macht- 
bereich und  gehörten  nach  dem  Westfälischen  Frieden  endgültig  zum 
französischen  Reich. 

Der  Metzer  Sprengel  erstreckte  sich  von  den  Höhen  der  nördlichen 
Vogesen,  das  obere  Saar-  und  Nahegebiet  umfassend  bis  zur  Mosel,  über  die 
die  Grenze  ein  Stück  unterhalb  I Jedenhofens  hinüberführte.  Die  Südgrenze 
verfolgte  den  linken  MoselzuHufs  Hupt  de  Mad,  dann  die  Mosel  aufwärts  bis 
zur  Meurthemündung  und  im  {lachen  Bogen  zur  oberen  Meurthe.  Südlich  der 
Metzer  Diözese  lag  der  Sprengel  von  Toul,  westlich  von  jener  der  kleinere 
von  Verdun  zu  beiden  Seiten  der  Maas.  —  Döring.  Beiträge  zur  ältesten 
Gesch.  des  Bist.  Metz,  Innsbruck  1886. 

Klöster  im  Gebiet  von  Metz:  Gorz,  westlich  von  Metz,  gestiftet  von  Bischof 
Chrodegang ;  N  o  va  c ella,  Hilariacu  m,  gestiftet  von  Bischof  Siegbold,  östlich 
von  Metz  zwischen  Mosel  und  Saar;  Hornbach,  Gamundias,  bei  Zweibrücken, 
vom  hl.  Pirmin  gestiftet.  —  Im  Sprengel  von  Toul  lagen:  Bon  Moutier 
(Bodonis  monaster.),  von  Bisehof  Bodo  für  Nonnen  gestiftet;  Kloster  Habendi  ander 
oberen  Mosel  in  Kemiremont;  Kloster  Senones  am  Kabadeaubach ;  St.  Deodat 
gestiftet  von  Bischof  von  Nevers  selbst.  —  Im  Sprengel  von  Verdun:  Kloster 
St.  Michael  (St.  Mihiel);  St.  Vitanus  (St.  Vanne)  in  Verdun;  Beaulieu. 
Waslogium,  gestiftet  6T>8  von  Groding. 

243.  Kr/. bist  um  Mainz.  Über  die  Anfänge  des  Bistums  sind  wir 
nur  mangelhaft  unterrichtet,  Die  in  den  Katalogen  aufgeführten  vierzig 
Bischöfe  vor  Bonifaz  können  nicht  als  gesichert  gelten.  Erst  in  der  Zeit 
<lc8  Bonifaz  tritt  Mas  Bistum  mehr  in  das  Licht  der  Geschichte  und  es 
gewinnt  durch  ihn  eine  hervorragende  Stellung  über  alle  die  übrigen 
Bistümer  in  deutschen  Landen.  Im  Jahre  747  wird  er  zum  ersten  Erz 
bischof  in  Deutschland  ernannt.  Als  Sitz  wurde  Mainz  bestimmt.  Während 
er  selbst  Cöln  als  solchen  gewünscht  hatte.  Als  Suffraganbistümer 
wurden  ihm  unterstellt  :  Tongern  (Lüttich),  Cöln.  Worms,  Speier,  Utrecht. 


243.  Erzbistum  Mainz.  413 

Würzburg,  Eichstätt,  Buraburg,  Erfurt,  Strafsburg  und  Constanz.  Von 
diesen  aber  wurden  einige  sehr  bald  wieder  abgezweigt  und  dem  neuen 
Erzbistum  Cöln  zugewiesen,  andere  gingen  ganz  ein;  dafür  traten  später 
neue  hinzu.  In  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jh.  zählte  Mainz  14  Suffra- 
gane:  Worms,  Speier,  Strafsburg,  Würzburg,  Eichstätt,  Augsburg,  Con- 
ütanz,  Chur,  Ilalberstadt,  Hildesheim,  Verden.  Paderborn,  Olmütz  und 
Prag.  Die  beiden  letzteren  wurden  aber  1343  abgezweigt,  so  dafs  die 
obengenannnten  zwölf  noch  verblieben.  Die  Erzdiözese  war  somit  eine 
der  ausgedehntesten  in  Deutschland.  Aber  auch  die  Diözese  Mainz  um- 
fafste  ein  umfangreiches  Gebiet,  da  aufser  dem  Lande  am  Rhein  und 
unteren  Main  noch  Hessen  und  Thüringen  bis  an  den  Harz  dazu  gehörten. 

Das  Diözcsangebiet  erstreckte  sich  besonders  gegen  0.  und  NO.  hin  weit 
hinauf  bis  zum  Harz  und  zur  l'nstrut,  sowie  östlich  zur  Saale  und  stellenweise 
ül>er  sie  hinaus,  während  der  Thüringer  Wald  den  südliehen  Absehlufs  bildete. 
Im  N.  durch  die  Diözesen  von  Hildesheim,  Paderborn  und  Cöln  abgeschlossen, 
im  S.  durch  die  Würzburger  uinfafste  es  somit  den  gröfsten  Teil  des  Hessen- 
landes,  bis  südlich  über  den  Main  hinaus.  Auch  links  des  Rheins  war  das 
pinze  mittlere  und  untere  Nahegebiet  dem  Mainzer  Stuhl  unterstellt.  Vielleicht 
im  XI.  Jh.  schon  hat  eine  Archidiakonatseinteilung  bestanden.  Die  Zahl  von 
11  Arehidiakonaten  mag  aber  erst  später  festgesetzt  worden  sein. 

Sehr  bedeutend  waren  auch  einige  der  Klöster  innerhalb  der  Diözese. 
Zu  nennen  sind:  1.  Lorsch  f Laureshutn,  Lauresheim,  monnst.  Laureaceusc,  La/t- 
rmense.  Laurissa)  in  der  Rheinebene,  vier  Meilen  von  Heidelberg  an  der  Wesch- 
nitz, war  774  als  Benediktinerabtei  gegründet  worden,  seit  1340  Präinonstra- 
tenserkloster.    Noch  heute  eine  Grabkapelle  erhalten.    Falk,  Gesch.  d.  ehe- 
maligen Klosters  Lorsch,  Mainz  18(jf>.  —  2.  Bleidenstadt  am  Rhein  bei  Mainz, 
htetantium  locus  von  bilde,  ahd.  Midi  =  fröhlich.  — 3.  Disibodenberg,  Möns 
S.  Disibodi.  auf  steilem  Felsen  beim  Einflute  der  Glan  in  die  Nahe  bei  Odern- 
heim.  Disibod,  vermutlich  ein  Irländer,  hatte  dort  als  Klausner  gehaust.  Angeb- 
lich 675  gestiftet,  seit  1259  Cistercicnserkloster,  1768  säkularisiert.  —  4.  Seligen- 
stadt,  Benediktinerabtei  am  Main.    Der  Ort  (anfangs  Mühlheini)  war  von 
Ludwig  dem  Frommen  8l5an  Einhard  geschenkt  worden,  der  dortein  Kloster  stiftete 
und  die  Gebeine  der  hh.  Petrus  und  Marcellinus  daselbst  aufbewahrte,  weshalb 
der  Ort  Mühlheim  seinen  Namen  nach  dem  Kloster  allmählich  in  Seligenstadt 
umwandelte.    Steiner,  Gesch.  d.  Stadt  u.  Abtei  Seligenst.,  1820.  —  In  Hessen 
-ind  zu   nennen:    5.  Fritzlar,   732  als  Abtei  neben  der  Peterskirche  von 
Bonifaz  gegründet,  am  linken  Ederufer.  —  6.  Buraburg,  welches  Bonifaz  741 
als  »Sitz  eines  Bistums  ausersehen  hatte.   Die  Lage  des  Ortes  ist  nicht*ganz  sicher 
zu  ermitteln.    Falckenh einer  (Gesch.  hess  Städte  u.  Stifter  S.  7)  vermutet, 
dafs  es  der  Burberg  bei  Fritzlar  sei.  Das  Bistum  ging  sehr  bald  ein  und  wurde 
dem  Mainzer  Stift  einverleibt,  —  7.  Kloster  Amöneburg,  richtiger  Amanaburg 
nach  der  benachbarten  Arnana,   Ohm,  benannt,  auf  einem  steilen  Basaltberg, 
von   Bonifaz  gegründet  722,   die  Michaelskirche  daselbst  732.    Die  Stiftung 
bestand  noch  1058.    Seit  dem  XII.  Jh.  geht  das  Kloster  ein.  —  8.  Hersfeld, 
Heroljesfeld,  Heresfeld,  war  von  Sturm  im  Buchonischen  Walde  an  der  Fulda 
zum  Sitz  eines  Stiftes  ausersehen  worden.    Bonifaz  fand  die  Örtlichkeit  unge- 
eignet und  sandte  Sturm  zum  zweitenmal  aus,  der  weiter  stromaufwärts  Fulda 
gründete.    Erst  später  stiftete  Lullus  in  dem  verlassenen  Uersfeld  ein  Kloster 
als   Rival  von  Fulda  (759).    Die  Abtei  stand  unmittelbar  unter  dem  Papst, 
1648  säkularisiert.    Cf.  Hauck,  KD.  II,  58.    Hafner,  Die  Reichsabtei  Hers- 
feld bis  zur  Mitte  des  XIII.  Jh.,  Ilersf.  18K9.  —  9.  Fulda,  744  von  Sturm 
gestiftet  auf  Wunsch  des  Bonifaz.    Nach  des  letzteren  Tod  erhebt  Erzbischof 
LulJus  Anspruch  auf  das  Kloster,  obwohl  dieses  bereits  717  von  bischöflicher 
Gewalt  befreit  war.    Sehr  ausgedehnt  war  der  Grundbesitz  und  berühmt  die 


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414  VIII.  Kirchliche  Geographie  Mittcleuropaa  iiu  Mittelalter. 

Klostorschule  und  Bibliothek.  Gegenbaur.  Das  Kl.  Fulda  im  Karolinger- 
zeitalter, 1871—1874.  Arnd,  Gesch.  d.  Hochstiftes  Fulda,  1860.  Dronke. 
Cod.  diplotnat.  F'uldensis,  Cassel  1H50.  Ders. ,  Traditiones  et  antiqq.  Fuldenses. 
Cassel  1844. 

Ober  die  zahlreichen  Klöster  in  Thüringen  vgl.  Jacobs,  Gesch.  d.  Prov. 
Sachsen  1883,  S.  75  ff.  Winter,  Die  Cisterzienser  des  nordöstl.  Deutschlands, 
Gotha  1871,  II,  184  ff.  Regel,  Handbuch  von  Thüringen  II,  545  ff.  mit 
weiterer  Literatur. 

Hauck,  KD.,  I,  34  f.,  292.  Heimes,  Die  Erzbischöfe  von  Mainz,  3.  Aufl. 
Mainz  1879.  Böhmer- Will,  Regesten  zur  Gesch.  der  Mainzer  Erzbischöfe 
(bis  1288),  Innsbruck  1877  ff.  Die  Archidiakonatseinteilung  bei  Würdtwein, 
Dioeeesis  Mogunt.  in  archidiaconatibus  divisa,  4  vol.,  Mannheim  1769.  Wagner, 
Die  vormaligen  geistlichen  Stifte  im  Grofsherzgt,  Hessen,  2  Bde.,  Darmstadt 
1873 — 1878.  Heppe,  Kirchengesch,  beider  Hessen,  2  Bde..  Marburg  1876 — 1878. 

244.  Bistum  Worms.  Bereits  im  IV.  Jh.  scheint  das  Christentum 
in  Worms  eingedrungen  zu  sein.  Über  den  Anfang  des  Bistums  selbst 
verlautet  nichts.  Erst  für  den  Anfang  des  VII.  Jh.  ist  uns  der  Name 
eines  Bischofs  urkundlich  bezeugt.  Seit  dem  VIII.  Jh.  war  das  Bistum 
als  Suffragan  dem  Erzbistum  Mainz  unterstellt.  Die  Diözese  war  zwischen 
die  Mainzer  und  Speierer  eng  eingeschlossen  und  reichte  quer  über  den  Rhein. 

Hauck,  KD.  I.  35  f.  Friedrich,  KD.  I,  81.  Wigand,  Die  Wormser 
Bischöfe  und  Erzbischöfe,  Worms  1855.  Auch  Boos,  Gesch.  d.  rheinischen  Städte- 
kultur  mit  bes.  Berücks.  v.  Worms,  4  Bde.,  Berlin  1897—1901.  —  Der  rechts- 
rheinische Teil  der  Diözese  unifafstc  das  ganze  untere  Neckargebiet  bis  zur 
Kocher-  und  Jagstmündung ;  der  linksrheinische  reichte  als  ein  schmaler  Streifen 
bis  in  die  Hardt  hinauf. 

Ober  Klöster  speziell  vgl.  Rcmling,  Urkdl.  Gesell,  der  ehemaligen  Ab- 
teien und  Klöster  im  jetztigen  Rheinbaiern,  Neustadt  lh36.  Wagner,  Die 
vormaligen  geistlichen  Stifte  im  Grofsherzogt.  Hessen,  Darmstadt  1873—1878. 
Zu  nennen  sind:  Das  Augustinerkloster  zu  Kirsch  garten  (kortus  cerasomm) 
bei  Worms,  zu  F  r  a  n  k  e  n  t  h  a  1 ,  Sinsheim  und  Höningen;  Minoritenklöster 
zu  Heidelberg,  Kaiserslautern,  Oppenheim;  Cistercienserklöster  zu  Schönau 
bei  Heidelberg.    Auch  Nonnenklöster  waren  zahlreich  vertreten. 

245.  Bistum  Spcier.  Die  christliche  Gemeinde  reicht  hier  in  die- 
selbe Zeit  hinauf  wie  bei  Worms;  doch  läfst  sich  eine  Bischofsweihe 
kaum  bis  in  das  VII.  Jh.  zurückverfolgen.  Der  Diözesansprengel  hatte 
einen  grosseren  l'mfang  als  jener  von  Worms,  an  den  er  sich  südlich 
anschlofs.  Das  linksrheinische  Gebiet  reichte  westlich  ebenfalls  bis  auf 
die  Hardt  an  die  .Metzer  Diözese  heran  und  südlich  bis  an  den  Hagen 
auer  Wald.  Der  rechtsrheinische  Teil  umfafste  aufser  der  Rheinniederung 
noch  das  ganze  Enzgebiet  bis  an  den  mittleren  Neckar  und  den  Murr 
hardter  Wald. 

Rcmling,  Gesch.  der  Bischöfe  zu  Speyer,  2  Bde.,  Mainz  1852 — 1854. 

Kloster  Weifsenburg,  Wizenburg,  Album  Castrum,  an  der  Lauter,  den 
Aposteln  Peter  und  Paul  geweiht  und  vielleicht  Ende  des  VII.  Jh.  gegründet, 
nahm  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Die  Propstei  ging  1545  auf  die  Bischöfe 
von  Speier  über.  Blidenfeld,  nach  dem  benachbarten  Klinga  auch  Klingen* 
münster  genannt,  stammt  aus  derselben  Z»it.  Benediktinerkloster  Hirschau, 
gestiftet  um  H30,  geriet  seit  der  Mitte  in  Verfall  und  wurde  auf  Betreiben 
Papst  Leos  IX.  1045*  wieder  neugestiftet.  Zisterzienserkloster  Maulbronn, 
ursprünglich  in  Eckenweiher,  in  den  40er  Jahren  des  XII.  Jh.  gestiftet,  bald 


246.  Bistum  Strafshurg.    247.  Bistum  Constans.  415 

* 

nachher  (1148)  nach  Maulbronn  verlebt.  Cistercienserkloster  Herrenalb, 
Alba  dominorum,  gestiftet  um  die  Mitte  des  XII.  Jh.  durch  Bertold  v.  Eberstein. 
Klöster  für  Cistercienserinncn  Rechens hofen  1240  und  Frauenzimmern 
1246  gestiftet,  für  Dominikanerinnen  St  ein  he  im  an  der  Murr  1255. 

246.  Bistum  Strafsburg:.  Die  Anfänge  des  Bistums  sind  ebenso- 
wenig klar,  wie  die  der  Nachbardiözesen.  Für  das  IV.  Jh.  wird  freilich 
schon  ein  Bischof  Amandus  genannt,  doch  sichere  Daten  bringt  erst 
«las  VII.  Jh.  Längere  Bischofsreihen  lassen  sich  aber  für  die  ersten 
Jahrhunderte  nicht  aufstellen. 

Die  Diözese  umfafste  einen  Teil  der  Oberrheinischen  Tiefebene  vom 
Schwarzwald  bis  zu  den  Vogesen  hinüber,  im  S.  an  die  Constanzer  und  Baseler 
Diözese,  grenzend.  Der  Rhein  durchflofs  sie  von  Breisach  bis  kurz  oberhalb 
dor  Lautermündung. 

Glöckler,  Gesch.  des  Bist.  Strafsburg,  2  Bde.,  Strafsburg  1879 — 1880. 
Weitere  Literatur  bei  Marckwald,  Elsafs-Lothring.  Bibliographie,  Stralsbg. 
1869,  I,  und  in  der  Z.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins,  NF.  1891  ff. 

Über  die  Klöster  der  Diözese  vgl.  Hauck  KD.  I,  292  und  Rettberg  KD. 
II.  78  ff.  —  Zu  nennen  sind  Kloster  Odilienberg  an  den  Vogesen,  gestiftet 
von  Herzog  Kthico  I.,  der  seine  Tochter  Odilia  als  erste  Äbtissin  einsetzte;  Kloster 
Hönau,  anfangs  auf  einer  Rheininsel,  dann  am  rechten  Ufer;  Etten heim- 
ln iui  s  t e  r  am  Eingang  des  Schwarzwälder  Münstertals,  734  neu  errichtet ;  Ebers- 
heimmünster  fNovimtum),  auf  einer  Insel  der  111  unterhalb  Schlettstadt; 
Suraburg  im  Heiligen  Forst  bei  Hagenau;  Hasel  ach  in  den  Vogesen; 
Münster  im  Gregoriental ,  um  660  von  König  Childcrich  II.  gestiftet; 
Schwarzach,  auf  einer  Rheininsel  Arnolf sau  unterhalb  Strafsburg,  G e n g e n - 
bach  a.  d.  Kinzig,  Neu  weil  er  nordöstlich  von  Zabern;  Maurmoutier, 
Mauri  inonasterium.  Maursmünster,  in  der  Nähe  von  Zabern;  Leberau 
westlich  von  Schlettstadt;  Murbach  kam  später  an  Basel,  726  von  Pinnin 
gestiftet ;  Masmünster  fiel  auch  an  Basel. 

247.  Bistum  Constanz.  Der  Sitz  eines  Bischofs  war  in  den 
frühesten  Zeiten  des  Mittelalters  Vindonissa  (Windisch)  gewesen,  wo  ein 
Bischof  für  das  VI.  Jh.  bezeugt  ist.  Doch  verschwindet  der  Name  dieses 
Bistums  bald  und  es  tritt  an  seine  Stello  ein  neues  in  Constanz  auf. 
Vermutlich  ist  der  Sitz  nach  dorthin  verlegt  worden;  Gaudentius  (t  *513) 
ist  der  erste  sicher  nachweisbare  Bischof.  Die  Umgrenzung  des  Sprengeis 
wird  bereits  dem  König  Dagobert  zurzeit  des  Bischofs  Marcianus  zuge- 
schrieben. 

Für  die  Abgrenzung  ist  die  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  1.  vom  27.  November 
1155  mafsgebend;  sie  nimmt  auf  die  von  König  Dagobert  gegebene  Umgrenzung 
Bezug  und   wird  jetzt  allgemein   für  echt   gelullten.     Gegen  die  Augsburger 
Diözese  bildete  die  Iiier  die  Grenze  bis  zur  Mündung  in  die  Donau,  von  liier 
mit  der  fränkisch  alemannischen  Staminesgrenze  übereinstimmend  ging  sie  an 
den  Neckar  oberhalb  Marbach,  weiter  südwestlich  /.um  Rhein  unterhalb  Brei- 
sach, diesen  aufwärts  bis  zur  Aar  und  ebenso  diese  aufwärts  bis  zum  Gotthard, 
dann  auf  den  nördlichen  Talhohen  des  Yordcrrheins  entlang,  den  die  Grenze 
oberhalb  des  Bodensees  kreuzte,  bis  östlich  zur  lllerquelle.    Vgl.  Hauck  KD.  I, 
33U  f.    Funk  bei  Wetzer- Welte  VII,  970.  —  Im  übrigen  Regesta  episcopor. 
Constant.,  517—1496,  hrgb.  v.  Ladewig,  Innsbr.  1886  IT. 

Innerhalb  des  Sprengeis,  allerdings  nicht  dem  Bischof  unterstellt,  liegt 
das  altberühmte  Kloster  St.  Gallen.  In  der  Wildnis  hatte  der  hl.  Gallus  um 
♦J14  eine  Klause  errichtet,  welche  spater  vom  hl.  Othmar  720  zu  einem  Kloster 


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416  VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropan  im  Mittelalter. 

nach  Benediktinerregel  erweitert  worden  ist.  Unter  Ludwig  dein  Frommen 
wurde  es  unabhängig  vom  Grafen  und  Rischof.  von  Arx,  Gesch.  des  Kan- 
tons St.  Gallen,  ibid.  1810—1813.  von  Baumgartner,  Gesch.  d.  Schweiz. 
Freist,  u.  Kant.  St.  Gallen,  18t>3.  —  Wie  St.  Gallen,  so  wurde  auch  Kloster 
Reichenau,  eine  Pflanzstätte  der  Kultur  und  besonders  der  Wissensehaft 
(Walahfried  Strabo,  Hennannus  Contractu«),  724  gegründet  vom  hl.  Pirmin 
auf  einer  Insel  im  Bodensee,  Augia  benannt.  Schönhuth,  Chronik  des  ehe- 
maligen Klosters  Reichenau,  Freibg.  183ti.  Quellen  u.  Forschungen  z.  Gesch. 
d.  Abtei  Reichenau,  1890  ff.  Kloster  Rheinau,  auf  einer  Insel  des  Rheins 
unterhalb  des  Rheinfalls,  um  778  gestiftet.  Kloster  L  ü  t  z  e  1  a  u ,  auf  einer  Insel  im 
Züricher  See  (Luzilunania,  inmla  minor J.  Kloster  Benken  (Bainchau  östlich  vom 
See).  Kloster  S  c  h  ö  n  e  n W er d ,  W  e  r t  h ,  oberhalb  Aarau.  Kloster  Buchau 
am  Federsee  für  Frauen.  Benediktinerkloster  Weingarten,  XI.  Jh.  Reichen 
bach,  Blaubeuren  (zuerst  in  Kgelsee,  dann  10x5  nach  Blaubeuren  verlegt. 
Zwif  alten,  108«*  gestiftet;  Wiblingen  (1093),  AI  pirsbaeh  (1J»95).  Cister 
eienserkloster  Beben  hausen  (1190).  In  der  Schweiz  Benediktinerkloster 
Engelberg  ( Möns  angelornm),  1 120  gestiftet;  Kloster  Kempten,  Campidunumn 
752  gegründet;  Säckingen,  eine  Stiftung  Fridolins.  Im  Schwarzwald  Cell 
St.  Trudperti,  Cella  St.  Blasii.  Vgl.  über  die  Klöster  auch  Stalin,  Wirtem. 
berg.  Gesch.  I,  588 ;  II,  697  ff. 

248.  Bistum  Chur  stand  anfangs  (bis  ca.  850)  unter  der  Mailänder 
Metropole.  Für  die  Mitte  des  V.  Jh.  scheint  ein  Bischof  bezeugt  zu 
sein.  Die  Abgrenzung  des  Sprengeis  war  erst  allmählich  zum  Abschlufs 
gekommen.  Unter  Bischof  Verendar  1.  wurde  durch  König  Dagobert  die 
Grenze  zwischen  den  Bistümern  Chur  und  Constanz  gezogen,  welche  mit 
der  Grenze  zwischen  Rätien  und  Burgund  zusammenfiel.  Nach  dem 
Vertrag  von  Verdun  843  wurde  die  Diözese  dem  Mainzer  Stuhl  unterstellt. 

Zum  Sprengel  gehörten  nach  heutiger  Geographie  «ler  Kanton  Graubünden 
mit  Ausnahme  von  Poechiavo  (zu  Como),  das  Urserental  in  Uri,  das  Sarganser 
und  Gasternland  bis  l'znach  in  St.  Gallen,  das  Fürstentum  Liechtenstein  mit 
Vorarlberg,  der  Vintschgau  und  das  Burggrafenamt  Tirol  bis  zur  Passer. 

Rettberg,  KD.  I.  21«',;  II,  132.  Hauck  in  Herzogs  RealencykJ.  IV, 
111.  Planta,  Das  alte  Rätien  1*72.  Fetz,  Das  Bist.  Chur  histor.-statist.  Im- 
schrieben,  1*03— 1869. 

Berühmte  Klöster  sind  Disentis  ( Desertina),  in  der  ersten  Hälfte  des 
VII.  Jh.  durch  den  hl.  Sigisbert,  einem  Gefährten  Columbans.  gestiftet;  Kloster 
Pf  äf  fers  (Fabarial,  vom  hl.  Pirmin  im  VIII.  Jh.  gegründet;  Kloster  Seh uls 
im  Engadin,  1095  gestiftet  vom  Bisehof  Ulrich,  1150  nach  Marienberg  bei  Mals  in 
Tirol  verlegt;  Kloster  Schänis  fScattdium,  ScenmumJ,  Nonnenkloster  zwischen 
Züricher  und  Walenstädtcr  See;  Nonnenkloster  Catz  oder  Kaetzis  im  Dom- 
leschger  Tal  (Valli.s  domestica),  Ende  des  VII.  Jh.  gestiftet. 

24JJ.  Bistum  Augsburg.  Von  Oberitalien  aus  hatte  sich  das  Christen- 
tum nach  der  Donau  ausgebreitet,  denn  im  VI.  Jh.  ist  dort  das  Bistum  Augs 
bürg,  welches  von  der  Römerzeit  her  bestand,  unter  dem  Metropolitan  von 
Aquileja  nachweisbar.  Im  VIII.  Jh.  ist  es  dem  Mainzer  Stuhl  unterstellt. 
In  eben  jene  Zeit  fallen  auch  die  meisten  Klostergründungen.  Um  801 
erfuhr  der  Diözesansprengel  eine  festere  Umgrenzung  unter  Bischof 
Sintbert.  Er  umfafste  alamannische  und  teilweise  auch  bairische  Gebiete. 
Dieser  bairische  Anteil  wurde  unter  Wicterp  zu  einem  besonderen  Bistum 
mit  dem  Sitze  Neuburg  (Nova)  an  der  Donau  erhoben,  war  jedoch  um 
800  durch  Sintbert  wieder  mit  Augsburg  vereinigt  worden. 


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250  Bistum  EichMttttt.    251.  Bistum  Wartburg.  417 

Die  auffallende  Tatsache,  dafs  die  Diözese  zwei  verschiedenen  Stämmen, 
Alamannen  und  Bajuwaren,  angehörte,  erklärt  sieh  dahin,  dafs  das  Bistum  in 
römischer  Zeit  schon  den  nachfolgend  angegebenen  Umfang  besessen  haben 
mufs,  und  dafs  dann  erst  Baiern  und  Alamannen  ins  Land  kamen,  zwischen 
denen  der  Lech  zum  Grenztlufs  wurde.   

Die  Diözese  umfafste  das  Gebiet  von  der  111er  bis  östlich  über  den  Lech 
hinaus;  nördlich  der  Donau  zog  sich  die  Grenze  über  die  Haube  Alb  bis 
Gmünd,  von  wo  aus  die  Anfänge  der  Rocher  und  Jagst,  dann  die  Wörnitz 
gegen  das  Bistum  Würzburg,  das  Sualafeld  gegen  Eichstätt  abschlössen.  Jen- 
seits des  Lechs  bildete  auf  bairischem  Gebiet  die  Donau  die  Grenze,  östlich 
ging  sie  bis  südlich  von  Geiscnfeld  und  in  einem  Hachen  Bogen  zum  Starn- 
berger See  und  schied  längs  der  Dm  den  Würm-  und  Kochelsee  von  der 
Diözese  Freising.  Im  S.  umfafste  sie  das  ganze  obere  Ix-ehtal  (Streber  bei 
Wetzer-Welte,  und  Hauck). 

Braun,  Gesch.  der  Bischöfe  von  Augsburg,  Augsbg.  1813 — 1815,  4  Bde. 
Steiehele,  Das  Bist.  Augsburg,  histor.  und  Statist,  beschrieben,  5  Bde.,  Augsbg. 
1864—1895. 

Kloster  Füssen  gestiftet  durch  den  hl.  Mang ;  Kloster  B  e  n  e  d  i  k  t  b  e  u  r  e  n 
(BuraJ  von  Bonifaz  und  Bischof  Wicterp  740  gestiftet;  Kloster  Wessobrunn 
(Wezzinbrunnen,  Wessofontium)  nach  der  Tradition  von  Tassilo  753  gestiftet; 
Poll  in  gen,  ein  Frauenstift  aus  eben  jener  Zeit,  ebenso  Kloster  Staffelsee 
(Stnphala  stagna)  und  Koch  eis ee  (Cohalun,  Quochalnn)  ;  Kloster  Ottcnbeuren 
(Ottemburamim)  nördlich  von  Füssen  im  Günztal,  Kloster  Ellwangen,  ebenso 
wie  jenes  764  gegründet;  Feuchtwangen  an  der  Sulzach  um  die  Wende  des 
VI  IL— IX  Jh.  gestiftet;  Thier  hau  pten ,  760  gestiftet,  am  Bache  Ach.  Vgl. 
Rettberg,  KD.  II,  163  ff. 

250.  Bistum  Eichstätt.  Zum  ersten  Bischof  hatte  Bonifatius  den 
Willibald  geweiht  (741).  Erst  745  fand  die  Abgrenzung  der  Diözese 
statt,  nachdem  Herzog  Oatilo  von  Baiern  in  die  Abtretung  des  westlichen 
Teiles  des  Nordgaues  an  die  Franken  zu  willigen  gezwungen  war;  sonst 
hätte  Bonifaz  Eichstätt  zu  einer  bairischen  Diözese  gemacht.  Es  blieb 
aber  unter  Mainz,  als  späterhin  Salzburg  zur  Metropole  erhoben  worden  war. 

Die  Diözese  umfafste  Teile  des  Nordgaues  und  Sualafeldes.  Sie  begriff 
das  obere  Rednitzgebiet  bis  nördlich  zur  Pegnitz  (das  Teilstück  nördlich  dieses 
Flusses  mufste  an  Bamberg  abgetreten  werden),  sowie  das  Altmühltal  teilweise 
bis  an  die  Donau  unterhalb  Neuburg.  Suttner,  Bibliotheca  Eystettensis  dioe 
eesana,  Eichst,  1866—67.  Lefflad,  Regesten  der  Bischöfe  von  Eichstätt.  1875  ff. 
Falkenstein,  Antiqq.  Nordgavienses,  2  Tie.,  1733.  Sax,  Gesch.  des  Hoch- 
stiftes  und  der  Stadt  Eichstätt,  1884. 

An  Klöstern  sind  zu  nennen:  Heidenheim.  gegründet  von  Wunnebald 
um  750.  Ebenfalls  dem  VIII.  Jh.  schon  angehörig  Solnhofen  (Cella  Solae), 
die  Zelle  des  frommen  Einsiedlers  Sola,  am  rechten  L'fer  der  Altmühl  ober- 
halb Eichstätt,  ferner  Kloster  Hasen  ried,  später  Herrenried  genannt,  an  der 
Altmühl,  angeblich  von  einem  Abt  Deocharus760 — 770 gestiftet ;  Kloster  Wil /.bürg 
bei  der  Stadt  Weifsenburg;  Kloster  Monheim  aus  dem  Ende  des  IX.  Jh., 
Jungfrauenstift. 

251.  Bistum  WUrzbur^:.  Den  Grund  zum  Christentum  hatte  da- 
selbst der  hl.  Kilian  gelegt,  der  ca.  689  den  Märtyrertod  starb.  Die 
Organisation  des  Bistums  ist  ebenfalls  ein  Werk  des  Bonifaz  ,  der 
741  den  Burehard  zum  ersten  Bischof  weihte.  Gleichzeitig  wunle  damals 
das  Bistum  Buraburg  für  Hessen  (auf  dem  Bürberge  bei  Fritzlar)  und 
Erphesfurt  (Erfurt)  für  Thüringen  gegründet,  die  aber  nur  einmal  besetzt 

Krotschmer,  Hiatoriiche  Geographie.  •_>7 


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418  Vm.  Kirchliche  Geograi>l»ie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

dann  wieder  eingingen.  —  Die  weltliche  Machthaberschaft  des  Bistums 
hatte  sich  frühzeitig  entwickelt;  schon  in  der  Mitte  des  VIII.  Jh.  erlangte 
es  für  sein  umfangreiches  Besitztum  die  Immunität. 

Die  Diözese  reichte  vom  Thüringer  Wahle,  im  0.  durch  das  Bamberger 
und  Eichstätter  Bistum  begrenzt  südlich  bis  an  den  Murrhart  und  westlich  bis 
zum  Neckar  und  Spessart. 

Hauck,  KD.  I,  370,  497.  —  Schöpf,  H ist.  statistische  Beschreibung 
des  Hoehstiftes  Würzburg,  1802.  Stamminger,  Franconia  saneta.  Würz- 
burg 1881. 

Kloster  St.  Burghardi,  anfangs  St.  Andreas  genannt,  am  linken  Main- 
llfer,  von  Burghard  selbst  begründet  und  später  nach  ihm  benannt  ;  Kloster 
Megingaudeshausen  am  Leimbach,  81(5  gestiftet  nach  Benedikts  Kegel.;  Frauen 
kloster  Schwarzach  zwischen  Würzburg  und  Schweinfurt ;  Kloster  Neustadt 
am  Main,  von  Megingoz  gestiftet ;  Kloster  Kit  zingen  oberhalb  Würzburg  am  Maüi 
für  Nonnen;  Jungfrauenkloster  Bischofsheim  a.  d.  Tauber,  VIII.  Jh.  gestiftet; 
Kloster  Amorbaeh  am  nördlichen  Abhang  des  Odenwalds;  Kloster  M  ur- 
bar dt  am  Kocher;  Nonnenkloster  Milz,  Milize,  zwischen  Werra  und  Frän- 
kischer Saale ;  Benediktinerkloster  Komburg,  1078  gestiftet;  Zisterzienserkloster 
Sehönthal.  1157  gestiftet;  Zisterzienser-Nonnenkloster  Frauenthal  (1232), 
Gnaden  thal  (1243)  u.  a. ;  Prämonstratenserkloster  Schef tersh ei  m. 

252.  Bistum  Paderborn.  Nachdem  von  Karl  dem  Grofsen  ein 
Missionssprengel  daselbst  begründet  worden  war,  wurde  795  auch  eine 
Diözese  eingerichtet,  die  zunächst  noch  dem  Bischof  von  Würzburg 
unterstellt  wurde.  Erst  späterhin,  und  zwar  nicht  vor  80(5  wurde  ein 
eigener  Bischof  (Hathumar)  eingesetzt.  • 

Ober  das  Gründlingsjahr  vgl.  Giefers,  Die  Anfänge  des  Bistums  Pader- 
born. 18G0,  S.  22.  Schef  fer-Boiehorst,  Annales  Pathcrburnenses ,  1*70. 
S.  37.  —  Auch  hier  fehlt  die  Stiftungsurkunde,  welche  über  den  Umfang  Auf 
klärung  geben  könnte.  Das  Bistum  umfafste  etwa  die  Gaue  Nihthersi,  Almunga, 
Patherga,  Wehsiga,  Auga,  Netga  und  den  sächsischen  Hessengau.  also  im 
wesentlichen  Gebiete  im  W.  der  Weser.  B essen  (Gesch.  des  Bistums  Pader- 
born, 1820,  S.  2  f.)  führt  die  einzelnen  Ortschaften  auf,  die  sicher  zum  Sprengel 
des  Bistums  gehört  halten.  Im  übrigen  müssen  die  späteren  Archidiakonats- 
verzeichnisse  aushelfen.  Kosen  kränz  (die  Verf.  des  ehemaligen  Hoehstiftes 
Paderborn  in  älterer  und  späterer  Zeit,  in  Z.  f.  vaterl.  Gesch.  und  Alt.  Westf. 
NIL  gibt  eine  Bistumskarte,  die  nicht  ganz  zuverlässig  ist.  Eine  sehr  genaue 
Angabe  der  Grenzlinie  auf  Grund  der  Grenzörter  liefert  Holscher,  Die  ältere 
Diözese  Paderborn,  Z.  f.  vaterl.  Gesch.  XXXVII  (18791  S.  37  IT.  -  Archidiakonats 
register  finden  eich  bei  Schaten,  Annales  Paderborn.  II,  15.  Fürstenberg. 
Monum.  Paderborn..  Lemgo  1714.  S.  12*.  Bissen,  1.  c  I,  71 — 77,  294— li. 
Sehr  ausführlich  in  der  genannten  Arbeit  bei  Hölscher  und  den  Fort- 
setzungen das.  XXXVIII,  2  Abt.  1    102,  XXXIX,  2.  105-163,  XL,  2.  52-S7. 

Die  Diözese  umfafste  im  allgemeinen  den  gröfsten  Teil  der  jetzigen  Fürsten 
tümcr  Lippe,  Waldeck  und  fast  die  Hälfte  der  ehemaligen  Grafschaft  Ravensberg. 
Nach  S.  bildete  die  Diemel  und  Twiste  die  ungefähre  Grenze;  im  IV.  <lie  alte 
Seheide  zwischen  Engern  und  Westfalen,  im  0.  reichte  sie  bis  über  die  Weser 
hinaus.    Wurm  bei.  Wetzer- Welte  IX,  1233. 

253.  Bistum  BUdeshelni.  Karl  der  Grofse  hatte  den  Ort  Klze 
(Aulica)  an  der  Leine  im  Gau  Guddingo  als  Sitz  eines  Bistums  in  Aus- 
sicht genommen  und  den  Bau  einer  Kirche  begonnen.  Ludwig  der 
Fromme  verlegte  ihn  aber  nach  Hildesheim.    Das  Jahr  der  Gründung 


oogle 


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254.  Bistüm  Verden  419 

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ist  nicht  gesichert,  ebensowenig  das  der  Verlegung,  welche  zwischen  814 
bis  822  erfolgt  sein  mufs.  Der  Diözesansprengel  liegt  fast  ganz  im  Ge- 
biet der  Aller  und  ihrer  Nebenflüsse;  er  unifafste  otwa  die  Gaue  Gre- 
tinge,  Flutwide  oder  Mulbeze,  Astfala  mit  der  Bischofsstadt  Hildesheim, 
den  Untergau  Seotelingon,  Guddingo,  Wikanavelde,  Aringon,  Valothungon, 
Flenithi,  Ambergau,  Saltga,  Densiga,  Leriga. 

Die  Fmulatio  Ecclesie  Hildensemensis,  welche  die  Gründungslegende  enthält, 
gehört  einer  späteren  Zeit  an.  Die  Annalen  von  Pöhlde  gehen  das  Jahr  817 
als  Stiftungsjahr  an,  der  Annalista  Saxo  815,  andere  Quellen  814,  818  und  822. 
Der  erste  Bischof  war  Gunthar,  über  die  Grenzen  der  Diözese  besonders  auch 
die  Quellen  und  Bearbeitungen  vgl.  Lüntzel,  Die  ältere  Diözese  Hildesheini, 
Hildesheini  1837,  S.  7  IT.  Böttger,  Diözesan-  und  Gaugrenzen  II,  307  ff. 
Bertram,  Gesch.  des  Bistums  Hildesheini,  18«J9,  I,  25  ff. 

Die  Archidiakonate  erseheinen  seit  dem  zweiten  Viertel  des  XII.  Jh. 
häufig.  Die  erste  allgemeine  Bestimmung  über  die  Rechte  der  Archidiakonen 
enthält  das  magnum  Privilegium  Adelogi  episeopi,  von  1179  März  28.  Lüntzel 
legt  das  Arehidiakonatsverzeiehnis  aus  dem  XVI.  Jh.  zugrunde;  doch  mufs 
die  Einteilung  schon  im  XIV.  Jh.  dieselbe  gewesen  sein.  Vgl.  Lüntzel,  ö.  176-  324 
und  428  ff. 

K  Loste rgrü n d u ngen.  Hier  ist  als  eine  der  ältesten  Gandersheim 
zu  nennen,  ein  Jungfrauenkloster  und  Stiftung  der  Liudolfingcr,  856  hierhin 
verlegt,  während  es  vorher  etwsis  nördlicher  zu  Brunshausen  im  Gau  Flenithi 
sich  befand.  881  war  der  Klosterbau  fertig.  Erste  Äbtissin  war  Hathumod 
(t  874).  Die  Blütezeit  des  Klosters  war  das  X.  Jh.,  als  die  Nonne  Roswitha 
als  Dichterin  hier  wirkte.  Lamspringe,  Jungfrauenkloster  nördlich  von 
Gandersheim  unter  Bischof  Altfrid  um  872  gestiftet ;  Ringelheini,  Jungfrauen- 
kloster,  von  Graf  Immed  gestiftet,  von  Otto  I.  bestätigt;  Augustinerkloster 
Marienrode  südlich  von  Hildesheini,  1125  gegründet ;  Augustiner-Chorherren- 
stii't  Riechen  he  rg  bei  Goslar,  1117  gestiftet;  Benediktinerkloster  Clus  am 
Nordabhange  des  Clusberges  bei  Gandersheim,  von  der  Äbtissin  Adelheid  IH. 
gegründet;  Kloster  Amelungsborn  auf  dem  Auersberge,  1135  von  Cister- 
ciensern  aus  Altencampen  gestiftet ;  W  ö  1 1  i  n  g  e  r  o  d  e  nordöstlich  von  Goslar, 
1174  von  den  gleichnamigen  Grafen  gestiftet;  erst  1206  wird  uns  eine  Äbtissin 
urkundlich  genannt  Vor  1201  war  es  jedenfalls  mit  Cistercienserinnen  besetzt 
worden.  Ebenfalls  für  Cistercienserinnen  (anfangs  Benediktinerinnen  i  ist  das 
Kloster  Mariengarten  oder  Neuwerk  zu  Goslar  bestimmt  worden.  1188 
nahm  es  Kaiser  Friedrich  1.  in  seinen  Schutz.  Ferner  Kloster  Wien  hausen, 
1233  von  der  Pfalzgrätin  Agnes  gestiftet  mit  den  Nonnen  zu  Nienhagen, 
wo  seit  1216  ein  Stift  bestanden  hat;  Kloster  Isenhagen  am  rechten  Ufer 
der  Ise,  1243  für  Cistereienser  gegründet,  die  12511  nach  Backenrode  bei  Hildes- 
heim übersiedelten.  An  ihre  Stelle  traten  Cistercienserinnen,  die  wegen  Ungunst 
der  LrÜicbkeit  1329  nach  Hankesbüttel  übersiedelten,  wo  das  Kloster  Neu- 
isenhagen cutstand.  Stederburg,  das  gleichnamige  Schlots,  war  1003  durch 
Friederunna  in  ein  Frauenkloster  umgewandelt  worden;  Wülfinghausen, 
für  Augustincrinnen  1236  bei  Eldagsen  gestiftet;  das  Kreuzkloster  auf  dem 
Rennelberge  vor  dem  Petritor  von  Braunschweig,  1241  vom  Ritter  Balduin  von 
Campe  für  Cistercienserinnen  gestiftet  ;  Kloster  Escherde,  1203  in  dem  gleich- 
namigen Dorf  gegründet.  Die  Benediktiner  siedelten  aber  nach  dem  Dörfchen 
Bovingehusen  über,  auf  welches  der  Name  Escherde  überging. 

254.  Bistum  Verden.  In  derselben  Zeit  wie  Bremen  ist  auch  das 
Bistum  Verden  organisiert  worden.  Zum  ersten  Bischof  wurde  Abt  Patto 
von  Amorbach  geweiht.  Die  Stiftungsurkunde  Karls  von  789  hat  sich 
als  gefälscht  erwiesen.  Der  Diözesansprengel  reichte  durch  die  Lüne- 
burger Heide  Iiis  in  die  Altmark. 

27* 


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420  VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

Der  Sprengel  wurde  im  N.  im  allgemeinen  durch  die  Elbe  begrenzt, 
unterhalb  Hamburg  beginnend  aufwärt«  bis  zur  Mündung  der  Jeetze,  die  selbst 
bis  zur  Quelle  die  Grenze  bildete.  Im  weiteren  verlief  sie  der  Ohre  entlang 
zur  Quelle  der  Ilmenau  und  von  hier  im  Bogen  durch  die  Lüneburger  Heide 
nach  Verden,  welches  also  wenig  günstig  ganz  an  den  westlichen  Rand  seiner 
Diözese  gerückt  war. 

Hauck.  KD.  II,  390.  P f  a n n k u c h e ,  Altere  Gesch.  des  vormal.  Bistums 
Verden,  Verden  1830.  Ders. ,  Neuere  Gesch.  d.  vorm.  B.  Verden  (bis  1648),  1834 

255.  Bistum  Halberstadt.  Auch  die  Gründung  dieses  Bistums  wird 
auf  Karl  den  Grofsen  zurückgeführt;  es  ist  aber  jedenfalls  erst  von  Ludwig 
dem  Frommen  organisiert  worden.  Als  erster  fungierte  Hildegrim,  der 
Bischof  von  Thalons,  der  zugleich  die  Mission  in  Sachsen  leitete,  wo 
Osterwieck,  damals  auch  Seligenstadt  genannt,  der  Missionssitz  nur  war. 
Erst  nach  seinem  Tode  (827)  wurde  ein  eigener  Bischof  für  Halberstadt 
ernannt.  Der  anfänglich  sehr  bedeutende  Diözesansprengel  wurde  durch 
Gründung  der  Ottonischen  Bistümer  auf  ein  Viertel  eingeschränkt. 

Die  Urkunde  für  Ilaiberstadt  (Böhmer  Mühlbacher  516)  wird  von  Mühl- 
bacher and  Ilauck  für  echt  erklärt,  wenn  auch  einzelnes,  wie  gerade  die  geo- 
graphische Begrenzung  interpoliert  ist.  —  Die  ehemalige  Diözese  lag  zwischen 
Elbe,  Saale,  Unstrut,  Harz,  Oker,  Aller,  Ohre  und  Milde.  Als  jedoch  967  die 
Diözesen  Magdeburg  und  Merseburg  gegründet  wurden,  mufste  Bischof  Hildi- 
ward  im  Jahre  9t58  (Thietmar  II,  30)  ein  grofses  Gebiet  an  diese  beiden  abtreten 
(s.  Magdeburg  und  Merseburg). 

Vgl.  Hauck,  KD.  II,  410.  Ders.,  Artikel  Halberst,  in  Realencvkl. 
f.  prot.  Theol.  VII,  853.  Kettberg,  KD.  II,  470.  Reinecke,  Die  Einführung 
des  Christentums  im  Harzgau,  Osterwick  18SS.  G.  Schmidt,  UB.  des  Hoch- 
stiftes  Halberst.  u.  seiner  Bischöfe,  Lpz.  1H83  ff.  4  Bde.  v.  Mülverstedt. 
Verzeichnis  der  Stifter,  Klöster  der  Stadt  Halberst.,  Z.  d.  Harzver.  IV.  390. 

An  Augustinerklöstern  sind  zu  nennen :  jenes  zu  Wendhausen  bei  der 
Rofstrappe  (IX. Jh.),  zu  Rofsleben  1140  gegründet,  1265  in  ein  Jungfrauen- 
kloster  umgewandelt,  zu  Marien  bor  n,  1191  gestiftet  von  Erzbisehof  YVich- 
mann;  an  Benediktinerklöstern:  St,  Wiperti  in  der  Pfalz,  zu  Quedlinburg 
841  gegründet  (seit  114H  PrämonstraU,  zu  Groningen  a.  «1.  Bode,  zu  Hillers- 
leben,  anfangs  Nonnenkloster,  seit  1000  für  Benediktiner,  zu  Arneburg,  zu 
Ilsenburg  1003,  Huysburg,  Goseck;  für  Benediktinerinnen :  Drübeck, 
um  877  gegründet,  Hornburg-Celle  im  Kreise  Querfurt,  Had  m  e  rsl  eben  . 
Münzenberg  bei  Quedlinburg,  G arbstedt  1118,  Walbeek,  Zscheiplitz 
1089,   Bohrbach  1115;   für  Zisterzienserinnen:    Hedersleben  a.  d.  Selkt 
1253,  Hedersleben  bei  Eisleben  1291,  Marienstuhl  bei  Egeln  1258,  Alt- 
haid ensl eben,  9t>5  für  Benediktiner,  seit  1228  für  Cist.,  Abbenrode,  lUö 
für  Bened.,  dann  ('ist.     t  ber  sonstige  Klöster  vgl.  Jacobs,  Gesch.   d.  ProY. 
Sachsen,  1883,  S.  75  ff. 

256.  Bistum  Bamberg.  In  dem  Slavenland  am  oberen  Main,  «1er 
Wiesent  und  Aiseh,  welches  anfänglich  zum  Würzburger  Sprengel  ge- 
hörte, hatte  Kaiser  Heinrich  II.  1007  ein  eigenes  Bistum  begründet, 
welches  in  Papinberc  im  fränkischen  Gau  Volkfeld  seinen  Mittelpunkt 
hatte.  Die  Abgrenzung  der  Diözese  war  nur  unter  Zustimmung  der 
Bischöfe  von  Würzburg  und  Eichstätt  möglich.  Im  Jahre  lOOs  war  sie 
festgestellt.  Papst  Bonifaz  VIII.  unterstellte  das  Bistum  102O  unmittel- 
bar dem  päpstlichen  Stuhl. 


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257.  Erzbistum  Bremen  -Hamburg.    258.  Bistum  Aldenburg-Lübeck.  421 

Der  Sprengel  umfafste  einen  Teil  des  Volkfeldcs,  der  durch  Main,  Red 
nitz.  Aurach  und  Viertbach  begrenzt  ist,  und  den  nordöstlichen  Teil  des  Radenz- 
irauts.    Später  wurde  noch  ein  nördlich  der  Pegnitz  gelegener  Teil  vom  Eieh- 
stütter  Bisehof  abgetreten.    Hauek,  in  Herze  »gs  Eneykl.  IT.  :*87 ;  Kl).  III,  417. 
Looshorn,  Gesch.  d.  Bist.  Bamberg,  München  18Ä,  I,  11H  ff. 

Kloster  Banz,  1071  gestiftet  von  Bisehof  Hermann.  Benediktinerkloster 
Herrenauraeh  1108,  Ehrach  1126,  Cistercienserkloster  Langheim  1132. 

257.  Erzbistum  Bremen  Hamburg.  Im  Jahre  831  war  von  Ludwig 
'lern  Frommen  das  Erzbistum  Hamburg  (allerdings  ohne  SufTragane) 
gegründet  und  mit  Ansgar  besetzt  worden. 

Der  bischöfliche  Sprengel  umfafste  das  nordalbingische  Sachsen,  wes- 
halb Bremen  auf  Ditmarschen  und  Verden  auf  Hamburg  verzichten  mufsten. 
*45  wurde  aber  Hamburg  durch  die  Wikinger  zerstört,  der  nordalbingische 
Sprengel  ging  verloren  und  dem  Ansgar  wurde  der  damals  zufällig 
erledigte  Bremer  Bischofsstuhl  überlassen.  Bremen  setzte  sich  mit 
Verden  hinsichtlich  der  Grenze  auseinander;  letztere  erhielt  848  ihre 
definitive  Gestalt  (Dehio  I,  13  und  Anmerkung  S.  13).  Seitdem  besteht 
das  vereinigte  Erzbistum  Bremen-Hamburg,  welches  8f>4  durch  Papst 
Nieolaus  I.  (Hambg.  IIB.  n.  14)  bestätigt  wurde  trotz  der  Einsprüche 
von  seiten  Cölns,  welches  Bremen  ehedem  als  SufTraganbistum  be- 
hauptet hatte. 

Seit  780  wirkte  Willehad  als  Missionar  in  dem  Lande  zwischen  unterer 
Elbe  und  Weser.  787  wurde  er  zum  Bisehof  ernannt  mit  tiein  Sitz  in  Bremen ; 
<*in  eigentliches  Bistum  war  hiermit  noch  nicht  geschaffen  worden.  Die  Urkunde 
von  ;Adam  I,  Li)  ist  sicher  eine  Fälschung.  Die  Grenzbeschreibung  in 
ihr  ist  materiell  zwar  richtig,  aber  vom  Standpunkt  des  XI.  Jh.  gefafst  und 
unter  Berücksichtigung  der  Grenzregulierung  von  84H;  s.  D ehio  Gesch.  d,  Erz- 
bistums Hamburg-Bremen,  1H77,  I.  Exc.  1,  2.  Nach  ihr  umfafste  der  Sprengel 
die  säehsisch-engrisehen  Gaue.  10  an  Zahl,  die  zu  zwei  Provinzen  Wigmodien 
rechts  und  Lorgoe  links  der  Weser  zusam menge fafst  wurden,  sowie  die  friesischen 
Gaue  an  der  Nordsee  zwischen  Weser-  und  Emsmündung.  Erst  unter  dem 
Nachfolger  Willerich  erfolgt  nach  Beendigung  der  sächsischen  Unruhen  804 
'lie  endgültige  Konstituierung  des  Bistums  in  der  angegebenen  Ausdehnung 
und  dessen  Unterordnung  unter  den  Erzbisehof  von  Cöln  (Dehio  S.  22; 
van  Bippen,  Gesch.  v.  Bremen  1,  13).  Hl 4  kam  ein  Teil  von  Nordalbingien 
hinzu;  hierüber  cf.  Dehio  I,  3!».  Im  Jahre  Hf,4  wurde  es  aus  dem  Verbände 
mit  Cöln  wieder  gelöst. 

Wenn  die  Erzbischöfe  sich  nach  der  Auflösung  des  Hamburger  Stiftes 
meist  nach  Bremen  genannt  hatten,  so  wurde  1223  der  erzbischöfliche  Titel  auch 
formell  auf  Bremen  übertragen,    van  Bippen,  Gesch.  v.  Bremen  I,  123  f. 

Mit  Einverleibung  der  Hamburger  Kirche  wurde  deren  Gebiet  zur  Erz- 
diözese geschlagen.  Hclmold  I,  17  gibt  den  Umfang  der  Hamburger  Kirche 
an:  Nordalbingien  (las  Land  der  Tetmarsen,  Holsaten  und  Sturmarn)  und  die 
Slavenländer  (der  Wagrier,  Obotriten,  Kyzinen  und  Circipanen)  bis  zum  Flufs 
l'anis  (Peene)  und  Burg  Dimin  (Deramin). 

£58.  Bistum  Aldenburg-Lübeck.  In  dem  Hauptort  der  Wagrier 
Aldenburg  (heute  Oldenburg),  welcher  bei  den  Slaven  gleichbedeutend 
Starigard  hiefs,  bei  den  Dänen  Brandehuse,  hatte  Otto  der  Grofse  in 
der  ersten  Hälfte  des  X.  Jh.  ein  Bistum  begründet,  welches  dem  Hamburger 
Erzbistum  untergeordnet  wurde.  Nach  Adam  hiefs  der  erste  Bischof 
Egward,  nach  Hclmold  (I,  12)  Marco.    Ihm  wurde  »das  ganze  Land  der 


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422  VIII.  Kirchliche  Geograpliio  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

Obotriten  bis  an  die  Peene  und  die  Burg  Ditnine  (Demmin)  untergeordnet  . 
Gebiete,  die  später  teilweise  an  andere  Bistümer  fielen.  Eine  Stift  ungs- 
urkunde  ist  nicht  erhalten,  daher  ist  auch  das  Gründungsjahr  ungewifs. 
Die  Dotation  betreffend  seien  die  Bischöfe  nach  Helmold  mit  zeitlichen 
.Gütern  im  Überflufs  versehen  worden.  Der  grofse  Slavenaufstand  hatte 
auch  das  Bistum  heimgesucht  ;  denn  angeblich  seien  in  Nordalbin^ien 
alle  Kirchen  verbrannt  und  die  Briester  ermordet  worden.  Von  der 
Aldenburger  Kirche  wird  dies  wenigstens  berichtet.  Doch  scheint  der 
Fortbestand  des  Bistums  nicht  auf  die  Dauer  gefährdet  gewesen  zu  sein. 
Unter  dem  Slavenfürstcn  Gottschalk  wurde  der  frühere  Zustand  wieder 
hergestellt,  die  Kirchen  neugebaut  und  die  Klöster  gestiftet.  Nach  seinem 
Tode  (1066)  trat  infolge  neuer  Aufstände  abermals  ein  Rückschlag  ein. 
Erst  geraume  Zeit  später  gelang  es  seinem  Sohne  Heinrich  im  Verein 
mit  dem  hl.  Vicelin  dem  Christentum  wieder  eine  gesicherte  Grundlage 
zu  schaffen.  Doch  war  bei  Vicelins  Tode  (1 154)  das  zerstörte  Wagrische 
Bistum  noch  nicht  eigentlich  wiederhergestellt,  wenn  dieser  auch  zum 
Bischof  von  Aldenburg  nominell  erhoben  worden  war  (1149).  Es  geschah 
dies  unter  dem  Erzbisehof  Hartwig.  In  jener  Zeit  fand  auch  eine 
Teilung  des  Bistums  in  drei  statt:  Aldenburg,  Ratzeburg  und  Mecklen- 
burg. —  Vicelins  Nachfolger  auf  dem  Aldenburger  Stuhl  wurde  Gerold, 
der  eine  neue  Kirche  in  Aldenburg  weihte  (1156).  Er  war  es  auch, 
der  die  Verlegung  des  Bischofssitzes  nach  Lübeck  anregte,  weil  diese 
Stadt  volkreicher  und  fester  und  überhaupt  in  jeder  Beziehung  gelegener 
wäre.- 

Unsere  ältesten  Nachrichten  über  die  Geschichte  des  Bistums  gründen 
sich  auf  die  Chroniken  Adams,  Helmolds  und  Alberts  von  Stade,  die  in  ihren 
Angaben  sehr  häufig  abweichen.  —  Eine  genaue  Umgrenzung  der  Diöze>»- 
scheint  anfangs  nicht  festgesetzt  gewesen  zu  sein,  wenn  man  nicht  die  Grenze 
des  im  Jahn-  946  gegründeten  Havelbergcr  Sprengeis  als  mitbestimmend  für 
jene  ansieht.  In  den  frühesten  Zeiten  war  der  Peeneflufs  und  die  Stadt 
Demmin  stets  als  Grenze  angesetzt  worden,  im  IX.  Jh.  für  das  Verdener  Bis- 
tum, im  X.  Jh.  für  das  Hamburger  und  dann  das  Aldenburger  Bistum  im 
besonderen.  Unter  Bischof  Hartwig  im  XII.  Jh.  erfolgte  dann  die  divisio 
episcopatiis  Aldenbunfnusis  in  die  drei  Diözesen  Aldenburg.  Ratzeburg  und  Mecklen- 
burg. Nach  Helmold  I,  6!)  sei  diese  Teilung  sehen  unter  Adalbert  erfolgt,  der 
die  Teilung  wohl  schon  beabsichtigt  haben  mag 

Ungewifs  ist  auch  das  Datuni  der  Gründung,  welches  die  einen  in  das 
fünfte  Jahrzehnt  des  X.  Jh.  setzen,  andere  erst  vom  Jahre  968  an  datieren. 
Das  erstere  ist  das  wahrscheinlichere.  Vgl.  über  alle  diese  Fragen  Laspeyres, 
Die  Bekehrung  Nord  Albingiens  und  die  Gründung  des  Wagrischen  Bistums 
Aldenburg  Lübeck.  Bremen  18(34.  Uber  die  Verlegung  des  Bischofssitzes  nach 
Lübeck  und  die  Gründe  hierzu  vgl.  ebenda  S.  202  ff. 

Zur  Diözese  Lübeck  gehören  die  Kirchspiele  Oldenburg,  Hansühn  ( Hosüne  i, 
Eübeck.  Reinfeld.  Segeberg,  Lütjenburg.  Ellerbeck,  Plön  (Plone),  Bosau  (Bosowe), 
Latin  (Uthin),  Ratkau  (Ratheeowe),  Travemünde,  Oldesloe  (Todeslo),  Leezen 
beseitige),  Bornhöved,  Schlamersdorf.  Gnissau  (Gneshowe),  Wesenberg. 

Die  westliche  Hälfte  des  Holsteinsehen  Landes  von  der  Elbe  bis  nord- 
wärts zur  Eider  bildete  das  Bistum  Hamburg.    Helmold  I,  6  nennt  bei 
Besprechung  der  Hamburger  Diözese  diesen  Teil  an  erster  Stelle;  er  umfafst 
den  äufsersten  Teil  Sachsens,  welcher  jenseits  der  Elbe  liegt,  Nordalbingien 
heifst  und  drei  Volker  enthält,  die  Tetmarsen,  die  Holsaten  und  die  Sturmaren  -. 


uig 


I 


259.  BiHtum  Katzcburtf.    260.  BiMtum  Mecklenburg  Schwerin.  423 

Er  unterstand  späterhin,  als  weiter  östlich  die  anderen  Bistümer  entstanden, 
noch  immer  dem  Erzbisehof  von  Bremen-Hamburg.  Die  bisehöfliehe  Gewalt 
und  Gerichtsbarkeit  wurde  liier  von  dem  Domprobst  zu  Hamburg  in  Vertretung 
des  Erzbisehofs  ausgeübt. 

Eine  Reihe  von  Klöstern  war  in  Holstein  und  Wagrien  entstanden.  Neu- 
minister,  eine  Stiftung  Vieelins,  der  in  dem  Orte  Faldera  eine  Kirche  errichtet 
hatte  (1125).  Unter  Bisehot  Gerold  wurde  sie  dureh  den  Erzbisehof  geweiht, 
»ler  ferner  verordnete,  dafs  der  Ort  fortan  novum  monasterium  genannt  werden 
solle.  Bisher  war  er  nämlich  Faldera  oder  Wippenthorp  genannt  worden,  t 
Hehnold  I,  93.  Das  Augustinerkloster  Segeberg  (Sigebereh).  ebenfalls  von 
Vicelin  gestiftet,  am  Fufse  des  Oilbereh,  auf  dem  die  Burg  Sigeberch  angelegt 
worden  war  (1134).  Vier  Jahre  später  ging  es  durch  Pribislaw  zugrunde  und 
Vicelin  legte  es  in  einem  benachbarten  Orte  Cuzalina  oder  Hagerestorp  an 
(Helmold  l,  53,58).  Ferner  das  Cistercienserkloster  Hei  n  fei  d,  1186  gestiftet; 
das  Benediktinerinnenkloster  zu  Preetz,  von  Albert  von  Orlamünde  12l6  ge- 
stiftet; das  ('istercienserinnenkloster  zu  Ivenfleth  um  1230.  das  1265  nach 
Itzehoe  verlegt  wurde.  Demselben  Orden  gehörten  die  Klöster  zu  Beinbeck 
und  Uetersen  an,  1235.  Das  Benediktinerkloster  zu  Cismar,  1237  von 
Lübeck  dorthin  verlegt;  das  Franziskanerkloster  zu  Kiel,  1243  von  Adolf  F\*. 
gestiftet,  und  das  zu  Ilarostehude  bei  Hamburg  1242  von  seiner  Gemahlin. 

259.  Bistum  Katzeburg  wTar  durch  Abtrennung  von  dem  Alden- 
burger Bistum  entstanden.  1154  wurde  Evermodus,  Probst  zu  Magde- 
burg, als  Bischof  eingesetzt.  Sein  Sitz  war  anfangs  auf  dem  St.  Georgs- 
berge vor  der  Stadt,  später  räumte  Graf  Heinrich  dem  Bischof  die 
Insel  bei  seiner  Burg,  das  heutige  Ratzeburg,  ein,  wo  die  Stiftskirche 
erbaut  wurde.  1158  erfolgte  die  päpstliche  Bestätigung  durch  Hadrian  IV, 
nach  welcher  die  Landschaft  Sadelbanflia  und  das  ganze  Polabenland  zur 
Diözese  gehörten. 

über  die  Entstehung  des  Bistums  vgl.  die  Bemerkungen  über  Aldenburg- 
Lübeck.  Nach  Helmold  I,  61»  hätte  schon  Erzbisehof  Adalbert  in  der  Mitte 
des  XI.  Jh.  einen  Bischof  Aristo  zu  Katzeburg  (Racisburg)  ernannt.  Dann  wäre 
der  Bischofsitz  angeblich  84  Jahre  lang  nach  dem  Slavenaufstande  leer  geblieben 
bis  auf  Bischof  Hartwich.  —  Die  anfängliche  Grenzbestimmung  des  Sprengeis 
scheint  nur  eine  ungefähre  gewesen  zu  sein :  das  Lübeckische  Kirchengebiet, 
die  Elbe  und  die  Bille;  im  O.  war  eine  Abgrenzung  noch  nicht  getroffen  worden. 
Das  Bistum  war  mit  300  Hufen  zunächst  ausgestattet  worden.  —  Im  Jahre  1162 
fand  eine  nähere  Grenzbestimmung  der  Diözese  statt.  Im  S.  sollte  die  Bille 
bei  ihrer  Einmündung  in  die  Elbe  die  Grenze  bilden.  Als  Grenzorte  werden 
genannt  Bilncmuthe,  Boyeene,  Wilredesfleth,  Vrenflcth,  Hasfleth,  Anremuthe, 
Kagit  Cucliz.  —  Im  O.  fand  schliefslich  mit  dem  Bistum  Mecklenburg  ein 
Ausgleich  statt  dahingehend,  dafs  die  Grenze  von  der  Bucht  von  Wismar  an 
zur  Stivina  fStepenitz)  laufen  sollte,  weiterhin  vom  Einflufs  der  Terinza  in  die 
Sude  zur  Eide  und  diese  abwärts  bis  zur  Elbe.  —  An  Archidiakonaten  der 
Diözese  werden  genannt  :  Lauenburg,  Stapel,  Kehna  und  Schlagestorp.  —  Das 
Kloster  zu  Kehna  wurde  vom  Bischof  Ludolf  von  Katzeburg  1236  gestiftet. 

Masch,  Geschichte  des  Bistums  Ratzeburg,  Lübeck  1835.  P.  von  Kobbe, 
Gesch.  d.  Herzogt.  Lauenburg,  1836,  I,  2*1  ff.,  28H  ff.  Neuendorff,  Die 
Stiftsländer  des  ehemal.  Bistums  Katzeburg  topographisch  u.  geschichtl.  dar- 
gestellt, Rostock  1832.  Arndt,  Das  Zehntenregister  des  Bist.  Ratzebg.  aus  dem 
XIII.  Jh.,  Progr.  Katzeburg  1833. 

260.  Bistum  Meeklcnburg-iSeh worin  war  als  drittes  Bistum  aus 
dem  Aldenburger  »Sprengel  hervorgegangen.    Als  Sitz  war  Mikilenburg 


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424  VIII.  Kirchliche  (iengrapliic  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

auaersehen  worden;  der  erste  tatkräftige  Bischof  war  Berne.  Auf  seine 
Veranlassung  wurde  der  Sitz  von  Mikilenburg  nach  der  Grafenstadt 
Zwerin  (Schwerin)  verlegt,  welche  zum  Ratzehurger  Sprengel  gehörte, 
weshalb  ein  Gebietsaustausch  stattfand.  1171  wurde  die  Verlegung  vom 
Herzoge  bestätigt  und  die  Begrenzung  des  Stiftes  festgelegt.  Die  Bischofs- 
kirche zu  Schwerin  war  der  Maria  und  dem  Evangelisten  Johannes 
geweiht. 

Von  llelniold  I,  <J9  wird  schon  für  das  XI.  Jh.  «  in  Bischof  von  Mikilen- 
lmrg namhaft  gemacht,  ebenso  wie  für  Ratzeburg  (s.  d.).  Dann  trat  die 
*l  jahrige  Vakanz  ein.  Unter  Krzbischof  Hartwich  wurde  dann  Knimehard 
unliniert,  dem  jener  Berne  folgte  (f  1191).  —  Die  Urkunde  von  1170  gibt  die 
Grenzen  der  Diözese  besonders  ausführlieh  an.  Sie  schlefs  sieh  an  die  Ratze- 
burger im  0.  an  und  umfafste  die  mecklenburgischen  und  Hommerschen  Wenden- 
lande  bis  zur  Peene.  Als  die  Verlegung  des  Bistums  von  Mikilenburg  nach 
Schwerin  stattfand,  wurde  vom  Bischof  Evennodus  von  Ratzeburg  das  Schweriner 
Land  abgetreten,  wogegen  das  I^and  Brexen  (Brezcn)  ausgetauscht  wurde.  Die 
Bucht  von  Wismar  bildete  die  Grenze;  die  Insel  Peel  gehörte  aber  noch  zur 
lühischen  Diözese.  Anfangs  gehörte  zum  Schweriner  Sprengel  noch  die  halbe 
Insel  Rügen,  deren  andere  Hälfte  Rosebild  (Rocskilde;  einverleibt  war;  »loch 
war  sie  1189  von  Schwerin  wieder  getrennt.  Nachträglich  waren  auch  noch 
Demmin,  Tolenze,  Plote  Lositze,  Tribsees  und  Cireipanien  zum  Sprengel 
geschlagen  worden. 

Wiggers,  Kirchengeschichte  Mecklenburgs.  Parehim  1840.  Lützow, 
Gesch.  von  Mecklenburg,  Bcrl.  1827,  I,  2*.M>  ff.  Boll,  Cber  die  Verlegung  des 
Bistums  von  Mecklenburg  nach  Schwerin,  18f>.'{  (zweifelt  die  Echtheit  der 
Dotationsurkunde  an).  Wigger,  Sprengelgrenzen  des  Bistums  Schwerin,  in 
Mecklenburg.  Jahrbb.  28,  ls<l- 197.  * 

An  bedeutenden  Klöstern  sind  zu  nennen :  Dargun  im  alten  Cireipaner- 
lande,  gestiftet  von  Bischof  Berne,  mit  Cisterciensern  aus  der  Doberanischen 
Abtei;  Doberan,  gestiftet  vom  Fürsten  Pribislaw  nach  seiner  Rückkehr  aus 
dem  heiligen  Lande  (c.  1171),  der  es  reich  mit  Land  dotierte.  Berne»  besetzte 
es  mit  ('istereiensern ;  Sonnenkamp,  von  Heinrich  Borowin  auf  den  Wunsch 
seiner  Gemahlin  Adelheid  gestiftet  1219,  für  Benediktinerinnen.  Es  war  anfangs 
für  Parchow  bestimmt,  dann  nach  Kussin  unter  dem  Namen  Sonnenkamp 
verlegt  worden;  Dobertin,  Stiftungsjahr  unbekannt.  Die  Klöster  zu  Zar- 
rentin und  Eldena  von  den  Grafen  von  Schwerin  und  Dannenberg  gegründet, 
Kloster  Rühn  vom  Bischof  Brunward. 

261.  Erzbistum  Salzburg.  Bonifaz  hat  die  bairisehe  Kirche  organisiert 
und  ihre  Unterordnung  unter  Rom  betrieben.  Einer  Aufforderung  Herzog 
Oatilos  Folge  leistend  teilte  er  mit  seiner  Zustimmung  die  bairisehe 
Kirche  in  vier  Sprengel:  Regensburg,  Freising,  Salzburg  und 
Lorch- Passau,  eine  Teilung,  die  bis  in  die  neuere  Zeit  sich  erhalten 
hat.  Die  Diözese  Passau  bestand  schon  von  römischer  Zeit  her,  in  den 
drei  anderen  Orten  waren  Ruprecht.  Emmeran  und  Corbinian  schon 
vor  Bonifaz  tätig  gewesen.  Ein  Schreiben  Papst  Gregors  III.  von  7:>9 
deutet  das  Vorhandensein  dieser  Organisation  an.  Im  südlichen  Tirol 
bestand  ferner  noch  das  Bistum  Seben,  für  welches  schon  Ende  des 
VI.  Jh.  ein  Bischof  genannt  wir«].  Erst  unter  Tassilo  III.  kam  diese 
Kirche  an  Baiern.  Einen  Metropolitansitz  errichtete  Bonifaz  für  Baiern 
nicht,  denn  als  Erzbisehof  und  Generallegat  wollte  er  in  diesem  Lande 
keinen  Nebenbuhler   haben.     Auf  Betreiben   Karls  des  Grofsen  erhob 


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2G2.  Bistum  Regensburg.  425 

aber  Papst  Leo  III.  798  Salzburg  zu  einem  Erzbistum  mit  den  Suffragan- 
«liözcsen  Passau,  Regensburg,  Neuburg,  Freising  und  Seben.  Neuburg 
wurde  sehr  bald  an  die  Diözese  Augsburg  (s.  d.)  angescblossen,  die 
zur  Mainzer  Erzdiözese  geborte.  —  Zum  ersten  Erzbischof  von  Salzburg 
wurde  Arn  erboben. 

Hauck  KD.  II,  207.    Weitere  Literatur  bei  Hanthaler  *in  Wetzer- 
Welte  X,  1632  f. 

Die  Gründung  der  Kirehe  in  Salzburg  geht  auf  den  hl.  Rupert  zurück, 
der  auf  den  Ruinenfeldern  des  alten  Juvavum  Kirehe  und  Kloster  erbaute. 
Wie  wir  über  seine  Lebenszeit  wenig  unterrichtet  sind,  so  auch  über  die  Folge- 
zeit bis  Bonifaz.  Unter  den  Nachfolgern  ragt  der  in  »schotte  Vergil  (seit  745) 
durch  seine  Organisationen  und  Bauten  hervor.  Der  Diözesansprengel  hatte 
eine  grofse  Ausdehnung  über  das  östliche  Alpenland,  alter  wegen  der  Ab- 
grenzung kam  der  Erzbisehof  oft  genug  in  Streit  mit  den  Nachbardiözesen,  so 
besonders  mit  Passau  und  Aquileja.  Der  Sprengel  reichte  längs  des  linken 
Orauufers  hinab  bis  an  die  ungarische  Donau  unterhalb  Fünfkirchen.  Der 
Streit  mit  Aquileja  wurde  Hll  dahin  entschieden,  dafs  der  Drau  Hufs  die  Grenze 
bilden  sollte  und  damit  das  nördliche  Karantanien  an  Salzburg,  das  südliche 
an  Aquileja  schlofe. 

Kloster  Admont  an  der  Erms  in  Obersteiermark,  gestiftet  von  der 
hl  Hemma  als  Benediktinerabtei  (vor  1015);  1074  wurde  die  Kirche  zu  Ehren 
des  hl.  Blasius  geweiht.  Wi  ebner,  Gesch.  der  Benediktinerabtei  Admont, 
4  Bde..  Graz  1874—80. 

Zur  Salzburger  Erzdiözese  gehörte  auch  das  nur  kleine  Bistum  Gurk, 
welches  vom  Erzbischof  Gebhard  von  Salzburg  (1060—1088)  begründet  worden 
war,  weil  das  Territorium  von  seinem  erzbischöflichen  Sitz  zu  entfernt  war.  Papst 
Alexander  II.  bestätigte  es  1070.  Das  Recht  der  Bischofswahl  besafs  der  Erz- 
bischof allein.  Die  Residenz  der  Bischöfe  war  nicht  in  Gurk,  sondern  in  einem 
Schlofs  bei  dem  Städtchen  Strafsburg.  Die  Diözesangrenzen  wurden  erst  unter 
Erzbischof  Konrad  I.  (110(1- -1 147)  festgestellt. 

Kloster  Ossiach  ist  die  älteste  Benediktinerabtei  in  Kärnten,  im  X.  Jh. 
von  Karlmann  gestiftet;  das  Frauenstift  St.  Georgen  am  Längsee,  990  ge- 
giftet; Abtei  Millstadt,   1001  gestiftet;  Victring,  Cistercienserabtei  1142  ge 
stiftet.  —  Wetzer- Welte  V,  1371. 

Das  Bistum  Lavant  wurde  im  Jahre  1228  von  Erzbischof  Eberhard  II. 
mit  dem  Sitz  zu  St.  Andreae  im  Lavanttal  gegründet,  von  sehr  geringein  Um- 
fing   Weber  bei  Wetzer- Welte,  Art.  Kärnten. 

Das  Bistum  Seckau  wurde  ebenfalls  1218  auf  Veranlassung  eles  Erz 
bischofs  Eberhard  II.  von  Salzburg  gestiftet  wegen  der  zu  grofsen  Ausdehnung 
der  Salzburger  Diözese.    Papst  Honorius  III.  und  Kaiser  Friedrich  IL  erteilten 
hierzu    ihre   Einwilligung.    Die  Stiftungsurkunde    des   Erzbischofs    ist  vom 
17.  Februar  1219  datiert,  nach  der  der  Sprengel  von  der  Pfarre  Kumhenz  (Ko- 
ben/, in  welcher  das  Stift  Seckau  lag  bis  zum  Ende  der  Pfarre  St,  Laurentii 
in  Hengsberg  bei  Wildon)  in  die  Läntre,  und  von  der  Kirche  St.  Maria  in 
Prank  (bei  Knittelfeld)  bis  zum  Pfarrgebiet  von  J^afsnitz,  zwischen  Muran  und 
St  Lambrecht  in  die  Breite  sich  erstreckte.    Die  Diözese  umfafste  die  Pfarreien 
Lind,  Weifskirchen,  Fiber,  Margareten  bei  Voitsberg,  Mooskirchen,  Dobel  und 
Margareten  bei  Wildon  mit  allen  Kapellen  und  Zubehör,    über  die  weitere 
Entwicklung  des  Bistums  vgl.  O.  Schmid  bei  Wetzer-Welte  V.  10.">x  ff. 

26*3.  Bistum  Regensburg.  Durch  Emmeran  fafste  das  Christentum 
auch  in  Regensburg  Fufs.  Das  nach  ihm  benannte  Kloster  daselbst 
blieb  auch  nachher  lange  noch  der  kirchliche  Mittelpunkt  des  nächst- 
liegenden Landes  und  die  Äbte  des  Klosters  haben  hier  bis  zur  Zeit 


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426  VJU.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

des  Bonifaz  die  bischöfliche  Verwaltung  ausgeübt  und  sich  auch  wohl 
Bischöfe  genannt.  Der  erste  von  Bonifaz  ernannte  und  vom  Papst 
bestätigte  Bischof  ist  Gawibald  (739—761).  Der  Sprengel  hatte  eine  be- 
trächtliche Ausdehnung,  besonders  als  seit  dem  IX.  Jh.  Böhmen  zur 
Diözese  Regensburg  hinzukam  und  ihr  verblieb  bis  zur  Begründung  des 
Bistums  Prag. 

Lipf,  Gesch.  der  Bisehofe  von  Regensburg,  18.V>.  Jan  n  er.  Osch.  »1. 
Bischöfe  von  Regensburg,  1**3 — 8ii. 

Aufser  dem  altberühmten  Kloster  St.  Em  nie  ran  in  Regensburg  exi- 
stierten daselbst  noch  das  Obermünster  und  Niedermünster;  KlosUr 
Metten  (Matena)  zwischen  Uber-  und  Niederaltaich;  im  IX.  Jh.  begründet 
Weltenburg  am  rechten  Donauufer  oberhall»  Regensburg;  Oberaltaich 
am  linken  Uh  r 

Das  Chorherrenstift  zu  Spalt,  U>37  gegründet,  ebenso  das  Nonnenkloster 
Gebenfeld  a.  d.  Ilm;  im  XII. Jh.  entstanden  St.  Jacob,  Mallersdorf  (Hey/. 
Prüfening,  von  Otto  von  Bamberg  begründet.  Reichenbach  1118.  Kits 
dort"  1121.  Rohr,  Schamhaupten  1136,  Paring  1141,  Windberg  (Prä- 
monstratenser)  Uli»  und  Speinshart  114f>;  für  Cistercienser  Walderbach,  Raiten- 
haslach. 

203.  Bistum  Passau.  Der  Sitz  des  Bistums  war  anfangs  Lorch 
(Laureacum)  gewesen  und  wurde  dann  738  durch  Bischof  Vi vilo  infolge 
eines  A Wareneinfalls  nach  Passau  verlegt.  Mit  Salzburg  lagen  die  Bischöfe 
lange  Zeit  in  Streit,  da  Lorch  angeblich  einen  Sprengel  bis  nach  Pannonien 
hin  und  sogar  die  Metropolitan  würde  besessen  haben  sollte. 

Das  Diözesangebiet  fand  799  eine  Erweiterung  dadurch,  dafs  nach 
Beendigung  des  Awarenkrieges  das  Gebiet  zwischen  Enns  und  Raab 
ihm  zufiel. 

Buchinger.  Gesch.  d.  Fürsten!.  Passau,  München  1816 — 24.  Schöller- 
Die  Bischöfe  von  Passau,  1844.  Sehrödl,  Passavia  sacra.  Passau  187!».  Das 
histor.  Alter  der  Diözese  Passau  in  seinem  gegenwärtigen  Umfange,  1880. 

Von  den  Klöstern  ist  Niederaltaich  zu  nennen,  gestiftet  zu  Ehren 
des  hl.  Mauritius  um  714  von  Herzog  Oatilo  auf  Veranlassung  Pirmins.  Ihm 
wird  auch  das  Nonnenkloster  Niedern  bürg  am  linken  Donauufer  und 
Pfaffe  n  m  ü  n  s  t  e  r  ( Paphomonagterium)  zugeschrieben.  Dem  XII.  Jh.  entstammt 
Osterhofen.  Mondsee  {Lunadaau)  am  gleichnamigen  See ;  ferner  Mattsee 
(Matheaeo),  westlich  von  jenem  um  7(>0  von  Tassilo  gestiftet ;  Kremsmünster 
(Cremifanium)  im  VIII.  Jh.  begründet,  mit  Gütern,  Salzquellen  etc.  reich  au- 
gestattet. Sehr  viele  Klöster  entstanden  im  XII.  Jh.  unter  Reginniar  (1121 
bis  1138):  Gleink,  Hanshofen,  Klosterneuburg,  Heiligenkreuz,  Klein-Mariazell , 
unter  Bisehof  Reginbert  (1138—1147):  Kloster  Zwettl,  Baumgartenberg,  Suben 
am  Inn,  Altenburg  in  Nietlerösterreich,  Wilhcring,  Waldhausen. 

204.  Bistum  Freising.    Corbinian  hat  den  Grund  zur  Freisinge» 

Kirche  gelegt.    Sein  Bruder  wurde  dann  der  erste  Bischof.    Der  Diözesan 

Sprengel  umfafsto  das  obere  Isargebiet  bis  östlich  zum  Inn  und  südlich 

bis  zur  Wasserscheide  von  Inn  und  Isar.    Mit  Regensburg  bestanden 

Streitigkeiten  wegen  der  Diözesangrenzen,  die  1157  durch  Schiedsrichter 

lieben  Spruch  festgestellt  wurden. 

M.  von  Deutinger,  Besehrbg.  d.  Bist.  Freising,  München  1820.  Dert- 
Die  älteren  Matrikel  des  Bist.  Fr.,  3  Rae,  184!» — 50.    Ders. ,  Beiträge  zur  Gesch  . 
Topogr.  u.  Statist,  des   Krzb.   München  Freising.    1850.    Mayer,  Statistische 
Beschreibt;,  des  Krzb.  München-Freising.  1874  fT. 


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265.  Bistum  Brixen.    266.  Erzbistum  Magdeburg.  427 

Bertthmte  Klöster  waren  Tegernsee  am  gleichnamigen  See,  von  den 
Grafen  Adalbert  und  Otgar  z.  Z.  des  Papstes  Zacharias  gestiftet;  Ilmmünster 
(Ilma,  Ilmin),  aus  derselben  Zeit  stammend;  Altenmünster,  Altoniß  mona- 
sterium,  zwischen  Kreising  und  Augsburg,  von  einem  Schotten  Alto  z.  Z.  des 
Bonifaz  gegründet;  Seheftlarn  (Scaftilare)  an  der  Isar  mit  der  um  762 
erbauten  Dion ysuskirche ;  Schliersee  am  gleichnamigen  See,  von  Adalunc 
gegründet;  Rot  unweit  des  linken  Ufers  des  Inn. 

205.  Bistum  Brixen.  Es  war  ursprünglich  in  Seben  (Sabiona) 
beim  Städtchen  Klausen  gegründet  und  erst  durch  Bischof  Albuin  am 
Kode  des  X.  Jahrhunderts  nach  Brixen  verlegt  worden.  Die  Gründung 
von  Seben  gehört  dem  Ende  des  VI.  Jh.  an,  wo  ein  Bischof  Ingenninus 
genannt  wird.  Das  Jahr  der  Verlegung  ist  nicht  gesichert;  967  findet 
sich  ein  Episcopus  Prihsinensis  bereits  erwähnt. 

Der  Umfang  der  Diözese  war  bis  zum  Anfang  des  letzten  Jahrhunderts 
immer  der  gleiche  gebleiben.  Sie  erstreckte  sich  über  das  l\istertal  bis  zum 
Justcinerbach,  über  das  Eisacktal  bis  zum  Tinnebach  und  gegen  Kardaun,  über 
das  ganze  Wipptal,  das  Oberinntal  mit  Ausnahme  des  Patznauntales  und  der 
Scharnitz,  sowie  das  Unterinntal  bis  zum  Ziller. 

Sinnacher,  Beiträge  z.  Gesch.  d.  Kirche  Sähen  und  Brixen,  1821 — 37. 
Tinkhauser,  Topogr  -bist. -Statist.  Bcschrbg.  der  Diözese  Brixen,  2  Bde.. 
Brixen  1851—56.    Friedrich,  KD.  I,  334. 

Im  XII.  Jh.  entstanden  die  zum  Teil  nur  neubegründete  Benediktiner- 
abtei St.  Georgenberg  im  Unterinntal  und  Marienberg  im  Vintschgau,  sowie 
Mehrerau  bei  Bregenz.  Bischof  Eberhard  gründete  1200  die  Bistümer  Chiemsee, 
Seckau  und  Lavant. 

266.  Erzbistum  Magdeburg:.   Es  ist  eine  Gründung  Kaiser  Ottos  I., 
der  den  Gedanken  hierzu  bereits  im  Jahre  955  gefafst  hat,  ihn  aber  wegen 
des  Widerstandes  des  Erzbischofs  von  Mainz  und  des  Bischofs  von  Halber- 
stadt nicht  sogleich  verwirklichen  konnte,  weil  diese  ihre  Sprengel  nicht 
verkürzt  sehen  wollten.    Erst  968  waren  alle  Hindernisse  beseitigt  worden 
und  Magdeburg  wurde  damals  die  Metropole  noch  für  das  ganze  nord- 
östliche Deutschland,  soweit  es  unter  deutschem  Einflufs  stand;  das  Kloster 
des   hl.  Moritz,  die  Begräbnisstätte  der  Königin  Editha,   wurde  zum 
Dom-  und  Hochstift  erhoben.    Erster  Bisehof  wurde  Adalbert  und  968 
als  solcher  feierlich  geweiht.    Als  SulTragane  wurden  ihm  und  teilweise 
erst  seinen  Nachfolgern  Brandenburg,  Havelberg,  (Lebus),  (Kamin),  Merse- 
burg, Zeitz  und  Meilsen  unterstellt,  von  denen  er  die  letzteren  drei  erst 
selbst  geweiht  hatte.    Kamin  war  zeitweise  der  Erzdiözese  einverleibt 
gewesen,  ihr  aber  1251  dauernd  entzogen  und  unmittelbar  dem  Papst 
unterstellt;  ebenso  kam  Lebus  dem  Erzbistiun  abhanden  und  fiel  sehliels- 
lich  an  Gnesen. 

Die  Diözese  Magdeburg  bestand  in  ihrem  nördlichen  Abschnitt  aus 
Teilen  des  Halberstädter  Sprengels,  welche  der  dortige  Bischof  Hildeward  ab- 
treten rnufste:  nämlich  das  Gebiet  zwischen  Elbe,  Obre,  Bode,  Saale  und  der 
via  Friderici  (etwa  zwischen  Hadmersleben  und  Hillersleben,  und  ferner  Teilen 
des  Ilassegaues  und  Friesenfeldes  bis  zum  Wilderbaeh,  Salzigensee  und  Sachs- 
graben (fovea,  qnae  est  iuxia  Valeshtsttu,  d.  i.  Walhausen).  Thietmar.  II,  14.  — 
Zu  diesen  deutschen  Landen  bekam  Magdeburg  jenseits  der  Saale  noch  wen- 
dische Territorien :  die  slavischen  Gaue  Serimunt,  Nudzizi,  Nclctici,  Nisici.  Im 
Jahre  981  erhielt  Magdeburg  auch  Teile  des  Merscburj:er  Sprengels,  die  aber 
1<»15    zum  gröfsten  'leil   zurückgegeben  werden  muteten.    Während   wir  die 


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428  VUL  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

Grenze  gegen  den  Merseburger  Sprengel  nur  ungefähr  bestimmen  können,  hielt 
später  die  Mulde  von  Püchau  Iiis  Bitterfeld  genau  die  Grenze  zwischen  beiden 
Diözesen.  Eine  Linie  von  der  Mündung  der  Schwarzen  Elster  auf  Bitterfeld 
gezogen  bildete  sie  dann  im  weiteren.  Endlich  gehörte  zur  Magdeburger  Diözese 
noch  die  Stadt  Baruth  mit  fünf  Parochien.  —  Der  Sprengel  zerfiel  in  Arehi- 
diakonate Doch  Im -sitzen  wir  leider  kein  älteres  Verzeichnis  von  Magdeburg; 
ein  dem  Jahre  1400  entstammendes  fand  sich  auf  einem  Buchumschlug.  Die 
Arehidiakonate  waren  Magdeburg,  Wanzleben.  Weddingen.  Kalbe,  Kothen,  Halle 
und  die  lJropsteien  Mildensee  und  Pratau. 

Vgl.  F.  Winter,  Umfang  und  Einteilung  der  Diözese  Magdeburg,  in 
Geschbl.  f.  Stadt  u.  Ld.  Magdeburg  II  (1807),  56—71;  daselbst  auch  die  Be- 
sprechung der  Arehidiakonate.  Jacobs,  Beitrag  zur  Grenzbestimmung  des 
Magdeburger  Sprengeis,  ibid.  1867,  178 — 18i».  Böttger  u.  Winter,  Die  Diöz. 
Magdeburg,  ibid.  1868,  S.  162 — 181.  Jacobs,  Gesch.  der  in  d.  Prov.  Sachsen 
vereinigten  Gebiete,  Gotha  1883,  S.  53—57.  von  Mülverstedt,  Regesta 
archiepiscopatus  Magdebg.,  1876,  I,  woselbst  die  Literatur  für  die  ältere  Zeit. 

Zahlreich  waren  die  Augustiner-Chorherrenstifter  in  dieser  Diözese,  welche 
Jacobs  verzeichnet.  Der  Benediktinerabteien  waren  drei  vorhanden :  Das  968 
zum  Domstift  erhobene  St.  Moritzkloster,  das  J  o  h  an  n  es  k  1  os  t  er  zu 
Berge  vor  Magdeburg  und  jenes  in  Am  nien sieben  (1120  gestiftet);  für  Cister- 
cienserinnen  das  Kloster  zu  Wolmirstädt  (1228)  und  Glaucha  (vor  1192), 
zu  Magdeburg  das  Lorenzkloster  und  Agnetenkloster ;  das  Prämonstraten- 
serkloster  G ottesgna d e n  bei  Kalbe  und  das  M a  r i e n  k  1  o s t e r  (Unser  Lieben 
Frau)  in  Magdeburg,  welches  aufser  erstcrem  viele  Töchterklöster  begründete. 
Vgl.  im  übrigen  Jacobs,  Gesch.  d.  Prov.  Sachsen,  S.  75  ff.  von  Mülver- 
stedt, Verzeichnis  der  früher  und  noch  jetzt  bestellenden  Klöster,  Kapellen, 
Calandc  etc.,  in  Geschbl.  f.  Magdebg.  1866  und  1867. 

267.  Bistum  Merseburg.  Ebenfalls  967  gestiftet.  Als  erster  Bischof 
wurde  968  Boso  eingesetzt.  Unter  Otto  II.  wurde  es  auf  Betreiben  des 
Magdeburger  Erzbischofs  Gisiler,  der  vorher  Bischof  von  Merseburg 
gewesen  war,  981  wieder  aufgehoben  und  der  Sprengel  an  die  benach- 
barten Bistümer  aufgeteilt,  Doch  stellte  Kaiser  Heinrich  II.  1004  das 
Bistum  wieder  her  und  stattete  es  von  neuem  aus.  Freilich  kam  das 
aufgeteilte  Gebiet  nicht  wieder  vollständig  an  das  Stift  zurück.  Der 
Sprengel  umfafste  auf  dem  linken  Saaleufer  den  Hosgau  und  Frisono- 
feld ;  auf  der  rechten  Seite  reichte  er  bis  an  die  Mulde.  Die  beiden 
erstgenannten  Gaue  fielen  dann  an  die  Diözese  Halberstadt. 

Über  die  Wiederbegründung  des  Bistums  s.  Hauck  III,  410  f.  Die  Auf 
hebung  wurde  damit  begründet.  dafs  sie  sine  consensu  atque  subscriptione  canonici* 
des  Halberstädter  Bischofs  erfolgt  wäre.  —  Ober  den  ursprünglichen  Umfang 
des  Sprengeis  vgl.  Hauck,  KD.  III,  13.1  Anni.,  der  ihn  im  Gegensatz  zu 
anderen  Forsehern  (Posse,  Winter,  Uhlirz)  auf  Grund  von  Thietmar  III,  16  bis 
zur  Elbe  ausdehnt.  Das  Bistum  umfafste  Teile  des  Hessengaues  und  die  slavi- 
schen  Gaue  Chutizi,  Susali  und  teilweise  Daleminzia,  welches  sonst  zur  Meifsener 
1  >iözese  gehörte. 

Nach  Ilauck  lief  die  älteste  Grenze  vom  unteren  Lauf  der  Elster  in  einem 
Bogen  zur  Mulde  bis  unterhalb  Pouch,  jring  von  hier  südöstlich  gegen  die  Elbe 
in  der  Gegend  von  Strehla,  wandte  sieh  südlich  zur  Chemnitz  und  Mulde  und 
van  dieser  nordwestlich  zur  Saale,  die  sie  bei  der  Mündung  der  Hippach  erreichte. 

Bei  der  Wiederherstellung  des  Bistums  kam  freilich  nicht  alles  an  Merse- 
burg wieder  zurück.  Der  von  Arnulf  von  Halberstai.lt  abgetretene  Burgwart 
Merseburg  war  nur  ein  Teil  des  früheren  Besitzes  jenseits  der  Saab-.  Bischof 
Thietmar  mufste  sieh  ferner  1017  zu  einem  Vergleich  mit  Meilsen  bequemen. 


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268.  Butam  Naumburg(-Zeite).    269.  Bistum  Meifsen.  429 

bei  dem  er  auf  das  östlich  der  Mulde  gelegene  Gebiet  verzichtete  und  dafür 
auf  dem  westlichen  Ufer  eine  unzureichende  Entschädigung  erhielt.  Hauck, 
KD.  III,  412  mit  den  Anmerkgn. 

Aufser  Hauck  vgl.  Jacobs,  Gesch.  d.  Prov.  Sachsen,  S.  68. 

Schiucckel,  Ilistor.-topogr.  Beschreibimg  des  Hochstiftcs  Merseburg, 
Halle  1*58. 

268.  Bistum  Naumburg(-Zeitz).  Es  war  als  SurTraganbistum  von 
Magdeburg  ebenfalls  968  von  Otto  I.  begründet  worden.  In  dem  befestigten 
Zeitz  war  anfänglich  Boso  als  Seelsorger  tätig  gewesen.  Als  die  Schwierig- 
keiten mit  dem  Halberstädter  Bischof  beseitigt  worden  waren,  wurde  Zeitz 
auch  Sitz  des  Bistums,  dessen  erster  Leiter  der  Benediktiner  Hugo  (f  979) 
wurde.  Da  dieser  Ort  durch  slavische  Angriffe  stets  gefährdet  war,  so 
wurde  mit  Bewilligung  des  Papstes  der  Sitz  1032  nach  Naumburg  ver- 
legt, welches  die  Markgrafen  Hermann  und  Eckard  II.  dem  Bistum 
schenkten. 

Der  Sprengel  lag  zwischen  der  Mainzer,  Merseburger  und  Meifsener 
Diözese  und  umfafste  hier  den  Raum  zwischen  Saale  und  Mulde  bis 
hinauf  zu  den  Höhen  des  Erzgebirges. 

L  e  p  s  i  u  s ,  Geseh.  der  Bischöfe  des  Hochstiftes  Naumburg,  1846.  II  a  u  c  k , 
KD.  III,  134. 

Von  den  Klöstern  ist  «las  bekannteste  Pforta  (^fonasterimn  S.  Marine 
de  Porta),  südwestlich  von  Naumburg.  Von  einem  Grafen  Bruno  wurde  zu 
Schmölln  ein  Benediktinerinnenkloster  gestiftet,  dasselbe  aber  1132  mit  Cistcr- 
ciensern  aus  Wolkenried  besetzt  und  1136  nach  Pforta  verlegt.  Es  wurde  ein 
Stützpunkt  der  Kultur  in  jener  Wildnis,  besonders  der  Wein-  und  Obstbau 
wurden  eifrig  gepflegt.  Für  Cistercienserinnen  waren  die  Klöster  zu  Beutitz 
1218  und  zu  Langendorf  1230.  Andere  Klöster  waren  Rode,  MUdenworde 
und  Grünhain. 

269.  Bistum  Meilsen  wurde  968  von  Kaiser  Otto  I.  gestiftet;  als 
erster  Bischof  wird  Burchard  genannt.  Urkundlich  wurden  zum  Diözesan- 
sprengel  gerechnet  die  Gaue  Dalaminza,  Nisane,  Diedesa,  Milzane  und 
Lusiza.  In  einer  Urkunde  Kaiser  Konrads  III.  1144  wird  als  sechster 
Gau  Zagost  genannt.  Seit  dem  XIII.  Jh.  scheint  letzterer  aber  zum  Bis- 
tum Prag  gehört  zu  haben. 

Über  (he  Ausdehnung  des  Sprengeis  vgl.  Hauck,  KD.  III,  135.  Die 
Urkunde  Ottos  I.  von  1*7 1  (Diplom.  I,  8.  552)  gibt  die  find  Gaue  an,  aus  welchen 
der  Zehnte  erhoben  werden  durfte.  Nach  O.  reichte  der  Sprengel  bis  zur 
Oder,  nach  N.  bis  an  die  mittlere  Spree  und  südlieh  bis  zu  den  Höhen  des 
Erzgebirges.    Vgl.  auch  Bistum  Merseburg. 

Nach  einer  von  1346  beginnenden  Meifsener  Bistumsmatrikel  dehnte  sieh 
die  Diözese  von  den  Grenzen  Böhmens  und  der  Mulde  mit  den  Orten  Penig, 
Stollberg,  Würzen.  Colditz  bis  zur  Mündung  der  Neifse  und  dem  Queis  aus. 
Sie  umfafste  die  fünf  Propsteien :  Meilsen,  Riesa,  Würzen,  Großenhain,  Bautzen; 
die  vier  Arehidiakonate :  Nisani  (Meilsen),  Chemnitz.  Zsehillen  (Wechselburg)  und 
Niederlausitz;  die  zwei  Diakonate:  Meilsen,  Bautzen. 

Karl  IV.  wollte  Meilsen  zum  Prager  Bistum  sehlagen,  was  ihm  nicht 
glückte.  Im  Jahre  1402  kam  Meilsen  vielmehr  durch  Benedikt  IX.  unmittelbar 
unter  den  römischen  Stuhl. 

Machatschek,  Gesch.  der  Bischöfe  des  Hochstiftes  Meilsen,  Dresden 
1*84,  S.  4—6.  Böttger,  Diözesan-  u.  Gaugrenzen  IV,  172  ff.  Posse  im 
Cod.  diplomat.  Saxoniae  regni.  I. 


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430  VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

Unter  den  Cistereienscrklöstern  ragte  Dobrilugk,  ebenfalls  ein  Mittel- 

E linkt  germanischer  Kolonisation,  sowie  Kencelle  in  der  Lausitz,  1267  gestiftet, 
ervor;  für  Cistcrcienserinuen  das  Kloster  Heilige nkreuz  am  linken  Elbufer 
unterhalb  Meilsen;  Kloster  Mühlberg  (Güldenstem^  1228;  Kloster  Marien  - 
thal  (vallis  S.  MariaeJ  1234,  bei  Zittau;  Kloster  Marienstern  Stella  S. 
Manne}  an  der  Weifsen  Elster, 

270.  Bistum  Brandenburg  wurde  von  Kaiser  Otto  I.  948  gegründet. 
Die  Stiftungsurkunde  verzeichnet  die  zugehörigen  Gaue,  die  aber  nicht 
allo  vollständig  zur  Diözese  gehört  haben  können,  da  einige  von  ihnen 
auch  als  Teile  anderer  benachbarter  Diözesen  genannt  werden.  Auch 
scheinen  hier  bald  nach  der  Gründung  besonders  im  Norden  Gebiets- 
veränderungen mit  der  Kaminer  Diözese  stattgefunden  zu  haben.  In 
der  Stiftungsurkunde  werden  als  Grenzen  angegeben :  im  O.  die  Oder, 
im  VV.  und  S.  die  Elbe  und  im  N.  die  Provinzen  Wucri  (Ukermark), 
Riaciani,  Dassia.  —  Das  Bistum  hatte  im  Slavenaufstande  983  sehr 
gelitten  und  wurde  erst  1161  durch  Albrecht  den  Hären  wieder  ein- 
gerichtet. 

Die  Stiftungsurkunde  vom  1.  Oktober  948  in  MG.  DD.  I.  —  Die  dort 
verzeichneten  Gaue  sind:  Moraciani,  Ciervisti,  Phni.  Zpriawani,  Hereldun,  Wttrri, 
Riaciani,  Zamcici,  Dassia,  Lnsici.  Terminum  vero  eidem  parrochiae  constituimus 
orientem  vertut  ad  flumen  Odern  et  occidentem  ac  austrum  vertut  ad  Albiam  flamm, 
ad  aquilonem  vero  mque  ad  flnes  proviliciarum  supra  nomimtarum:  Wucri,  Riaciani. 
Dassia.  Hierzu  cf.  die  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  I.  vom  20.  Juni  11G1,  wo 
dieselben  10  Gaue  wiederkehren,  und  ebenso  jene  Bulle  des  Papstes  Clemens  III 
vom  29.  Mai  118.S.  —  Die  Ukermark  und  die  Lausitz  wurden  später  bei  der 
Stiftung  der  Nachbarbistümer  von  Brandenburg  getrennt.  —  Ledebur  (in 
seinem  Archiv  f.  d.  Gesch.  d.  preufs.  St.  I,  27  behauptet,  dafs  die  Gaue 
Riaciani,  Zamcici,  Dassia,  Lusici  zum  brandenburgischen  Sprengel  gehörten. 
Gegen  ihn  wendet  sich  Böttger  ;Diözesan-  u.  Gaugrenzen  4,  hO  IT.).  der  seinem 
Prinzipe  treu  Zemzizi  des  Havclberger  Sprengeis  für  einen  andern  Gau  als 
Zamcici  des  Brandenburger  Sprengcls  halten  will ,  während  sie  beide  ohne 
Zweifel  identisch  sind  und  die  beiderseitige  Diözesangrenze  den  Gau  eben 
schnitt.  Das  Gleiche  gilt  von  Wucri.  Vgl.  über  diesen  Riedel.  1).  Mark- 
Brandenburg  im  J.  1250,  II,  55!'  IT.  Nach  ihm  hätte  die  Diözese  anfangs  bis 
zur  Finow  gereicht  und  wäre  dann  über  diese  hinaus  bis  in  die  südliche  Uker- 
mark erweitert  worden.  Denn  das  Dorf  Parstein ,  wo  das  Kloster  Chorin 
gegründet  wurde,  gehörte  1233  noch  zum  Sprengel  Kamin,  wenige  Dezennien 
danach  al»er  zum  Brandenburger  Sprengel.  —  Über  die  (taue  und  Diözesen 
vgl.  noch  das  allerdings  veraltete)  Werk  von  Leutsch.  Markgraf  Gero,  S.  1K<>  ff. ; 
ebenso  (Je reken,  Ausführliche  Stiftshistorie  von  Brandenburg,  Wolfenbüttel 
17o6.  Fr.  Curschmann  ist  im  Begriff,  eine  Monographie  über  »die  Diözese 
Brandenburg«  zu  veröffentlichen. 

An  wichtigeren  Klöstern  sind  zu  nennen:  Lohnin,  wohin  Markgraf 
Otto  von  Brandenburg  eine  Cistercienscrkolonie  aus  «lern  Kloster  Sittichenbach 
berief.  Am  Ende  der  Seenreihe,  die  sich  südostlich  der  Stadt  Brandenburg 
hinzieht,  wurde  auf  einer  Anhöhe  in  dem  damals  noch  dichten  Waldgebiet, 
an  einem  Ort  der  bei  den  Wenden  Jelenin  hiefs  (=  Hirsehberg\  das  Kloster, 
welches  in  deutscher  Umformung  Lehnin  genannt  wurde,  1 180  gebaut  und  11*3 
bezogen.  1512  wurde  es  aufgehoben.  Cf.  Winter,  Die  Cistercienser  des  nord- 
östlichen Deutschlands  [,  142  ff.,  II,  268,  Sehr  ausgedehnt  war  der  nach  und 
nach  verliehene  Grundbesitz,  der  an  vier  Stellen  der  Mark  verteilt  lag.  Als 
Kolonisatoren  haben  die  Mönche  daselbst  eine  änfserst  fruchtbare  Tätigkeit 
entfaltet.  He ffter,  Gesch.  des  Kl.  Lehnin,  Brandenburg  1851.  Sello,  I^chnin. 


I 


271.  Bistum  Havelberg.  431 

Berlin  1881.  —  Ein  Tochterkloster  von  Lehnin  ist  Kloster  Himmclpfort  in 
dem  Seengebiet  von  Lvchen,  welches  Markgraf  Albrocht  1299  durch  Zuweisung 
von  6  Dürfern  und  39  Seen  unterstützte.  Gründungsjahr  1290  oder  1296. 
Kirchner,  Das  Cist. -Kloster  Himmelpfort,  in  Mark.  Forschungen  VI,  3.  — 
Kloster  Zinna,  nördlich  von  Jüterbog  im  Flufgebiet  der  Nuthe,  wurde  von 
Erzbisehof  Wichinann  von  Magdeburg  1170  gegründet  mit  Cisterciensern  von 
Altenbergen.  Genannt  ist  das  Kloster  noch  einem  wendischen  Dorf  Zinna; 
im  Anklang  an  diesen  Namen  latinisiert  Coeiia  S.  Markte;  1 1 79  wurde  es  durch 
<lie  Wenden  zerstört.  Da  der  verliehene  Landbesitz  sehr  klein  war,  so  konnte 
«•>  erst  nach  Überweisung  neuer  Landgebiete  im  Anfang  des  XIII.  Jh.  sich 
wieder  heben  und  eine  Kirche  bauen;  1227  scheint  es  vollendet  gewesen  zu 
sein.  1547  wurde  es  aufgehoben.  Winter,  1.  c.  1,  139 — 142;  II,  271;  über 
«lie  rege  Kulturtätigkeit  der  Mönche  ibid.  S.  274  ff.  Berghaus,  Landb.  d. 
M.  Br.  I,  510  ff.  Kloster  Chorin;  die  Markgrafen  Johann  und  Otto  haben 
zunüehst  auf  einer  Insel  im  Parsteiner  See  ein  Kloster  mit  Namen  Mariensee 
durch  Lehniner  Mönche  um  1255 — 1256  gründen  lassen.  Spätestens  1272  ver- 
legten diese  das  Kloster  nach  Chorin,  wo  sie  eine  prächtige,  noch  jetzt  teilweis«' 
erhaltene  Kirche  bauten.  Der  Name  wird  anfangs  Corin,  Korin  und  Komi 
^»'schrieben,  seit  1274  auch  Chorin.  Die  Markgrafen  hatten  das  Kloster  reich 
beschenkt.  Nach  ihrem  Aussterben  war  die  Zeit  des  Landerwerbe«  vorüber. 
Winter,  I.e.  II,  277  IT.  Bergbaus,  1.  c.  II,  299.  Im  Jahre  1542  wurde  es 
aufgehoben.  —  An  Cistercienscr- Nonnenklöstern  sind  zu  nennen:  Kloster 
I'lötzky  im  Amte  Gommern  bei  Magdeburg,  1228  von  Herzog  Albrecht  I.  von 
Sachsen  gestiftet;  Kloster  Zehdenick  an  der  Havel,  1249  von  Markgraf 
•Johann  und  Otto  gegründet;  Kloster  Seehausen  oder  Marienwerder 
Insula  S.  Mariae)  auf  einer  Halbinsel  des  Ober-UkeraccB ,  um  dieselbe  Zeit 
entstanden;  Nonnenkloster  in  Jüterbog  >  zum  heiligen  Kreuz  ,  von  Magde- 
burg aus  gestiftet  1282,  anfangs  in  Jüterbog  selbst,  seit  1307  bei  der  Marien- 
kirche vor  dem  Westtore  der  Stadt.  —  Kloster  in  der  Vorstadt  Ankum  bei 
Zerfost  1214,  seit  1298  in  Zerbst  selbst.  Über  alle  diese  Klöster  vgl.  Winter 
II,  92  ff. 

271.  Bistum  Harelberg.  wurde  im  Jahre  94(>  durch  Kaiser  Otto  I. 
gestiftet,  dessen  Stiftungsurkunde  noch  erhalten  ist.  Der  Diüzesansprengel 
war  anfangs  sehr  grol's  bemessen  worden  und  eine  ganze  Reihe  von 
<  iauen  weiden  namhaft  gemacht;  später  wurde  aber  ein  Teil  zur 
Schweriner  und  Kaminer  Diözese  geschlagen. 

Die  Stiftungsurkunde  ist  datiert  9.  Mai  946  (MG.  DD.  I,  n.  76).  Nach 
ihr  gehörten  zur  Diözese  die  Gaue  Zenizici,  Liezizi,  Nielitiei,  Dessen,  Linagga, 
Mintga.  Murizzi,  Tholenz,  Ploth,  Mizerez,  Brotwin,  Wanzlo.  Wostroze.  Auch 
der  Umfang  im  grofsen  ganzen  wird  angegeben.    Terminum  verO  eidein  parochiae 
constituimas  ab  ortu  fluvii  qni  dicitur  Vene  ad  nrirutem.  nbi  idem  ßurius  iiitrat  in 
mare;  ab  ortu  rero  ßuminis  qxod  dicitur  Eldia  '  Eide!  ad  occid entern,  tibi  idem  Jlumen 
uifinit  in  Albiam:  ab  aqttilone  wäre  Bugianorum,  «  meridie  Strumma Jiuvins  (Stremme, 
PJaueschcr  Kanal)  est  Jinis  praedictarnm  prorinciarnm.   In  der  Urkunde  Papst  Inno- 
zenz  II.  vom   14.  Oktober  1140  für  Wollin   werden  aber  Demmin,  Usedom 
Gros  Wim.  Stettin  als  diesem  zugehörig  genannt,  obwohl  sie  in  den  oben  genannten 
<  iauen  lagen.    Sie  müssen  also  schon  damals  abhanden  gekommen  sein.  Die 
U  rkunde  Kaiser  Konrads  HI.  (3.  Dezember  1150)  spricht  zwar  noch  von  den  ehe- 
maligen 13  Provinzen,  vermerkt  über  als  wirklich  zugehörig  nur  die  Gaue 
Ze-mzizi,  Liezizi,  Nielitiei,  Dessen,  Linagga.  Morizi,    Die  Urkunde  Friedrichs  I. 

j'.t.  Juni  1179)  erwähnt  ebenfalls  die  starke  Einschränkung  der  Diözese  und 
kann  nur  noch  den  Zehnten  der  Provinzen  Zemzizi,  Liezizi,  Nielitizi.  Dessen 
lind  Morizi  bestätigen.    Vgl.  Böttger,   Diözesan-  u,  Gaugrenzen   IV,  124. 
Ledebur,  Der  Umlang  insbesondere  die  Nordwestgrenze  des  Ilavelbergischen 
Sprengeis,  in  dessen  Archiv  XI,  32 — 41.   Cursehmann,  Die  Stiftungsurkunde 
Bistums  Havelberg,  Neues  Archiv  der  lies.  f.  ält.  d.  GK.  28,  S.  393  IT. 


432  VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropas  im  Mittelalter. 

Kloster  Marien  f  lieft:  für  Cistercienserinnen,  123<>  von  Johann  Ganz, 
lullen  zu  Putlitz  gestiftet,  1231  bestätigt.  Es  lag  an  der  Stepenitz  in  der  öst- 
lichen Priegnitz  und  erhielt  den  Namen  Rivus  S.  Mariae.  Kloster  zum 
heiligen  (irabc,  1289  durch  Markgraf  Otto  den  Langen  gestiftet  für  Cister- 
cienserinnen.  Ursprünglich  im  Dorfe  Techow.  dann  hei  jener  Kapelle  errichtet, 
wo  «las  heilige  Blut  aufbewahrt  wurde.  Wahrscheinlich  für  denselben  Orden 
das  Kloster  Wanzka  nordöstlich  von  Neustrelitz,  1290  von  Markgraf  Albrecht 
von  Brandenburg  gestiftet,  Kloster  Broda  am  Nordende  des  Tollense-Sees. 
1170  vom  Fürsten  Kasimar  von  Pommern  gestiftet. 

272.  Bistum  Kamin.  Die  Bekehrung  der  Pommern  war  unter 
heftigem  Widerstande  erfolgt.  Herzog  Boleslaw  von  Polen  und  Wratislaw  I. 
waren  in  ihren  Bestrebungen  unermüdlich,  die  heidnischen  Pommern 
zu  bekehret».  Nach  den  ersten  fruchtlosen  Versuchen  glückte  es  erst 
dem  Bischof  Otto  von  Bamberg,  die  ersten  Keime  des  Christentums 
zu  pflanzen.  Platte  er  schon  auf  seiner  ersten  Missionsreise  die  Grün 
düng  eines  Bistums  ins  Auge  gofafst,  so  verzögerte  sich  doch  die  Durch- 
führung bis  zur  zweiten  Reise  (1128);  vornehmlich  durch  die  Tat- 
kraft jenes  Wratislaw  kam  es  zustande.  Der  Sitz  des  Bischofs  wurde 
Wollin,  und  erster  Bischof  wurde  Adelbert  aus  Franken,  ein  Mönch 
von  Magdeburg.  Erst  nach  der  Ermordung  Wratislaws  1.  (1134)  ge- 
lang es  seinem  Nachfolger  Ratibor,  die  päpstliche  Bestätigung  zu  er- 
wirken, welche  durch  Innocenz  II.  am  14.  Oktober  1140  erfolgte.  Die 
furchtbaren  Verwüstungen,  denen  das  schutzlos  daliegende  bischöfliche 
Wollin  ausgesetzt  war,  veranlafston  aber  die  Verlegung  des  Bischofssitzes 
nach  Kamin  um  1180.  Fürst  Kasimar  gründete  zu  Kamin  die  Dom- 
kirche zu  Ehren  der  hl.  Jungfrau  und  des  hl.  Johannes,  berief  Dom- 
herren an  dieselbe  und  stattete  sie  mit  grofsen  Privilegien  aus.  Die 
Bestätigung  durch  Papst  Clemens  III.  erfolgte  im  Jahre  1188,  und  der 
erste  Epismpus  Caminrnsis  war  Bischof  Konrad.  —  Bischof  Sigwin  sali 
sich  1205  gezwungen,  unter  die  Erzdiözese  Magdeburg  zu  treten.  Gegen 
1251  ist  das  Bistum  aber  wieder  unabhängig  und  dem  Papst  unterstellt. 
Auch  (inesen  inachte  im  XIV.  Jh.  mehrfach  Versuche,  es  seinem  Erz 
Sprengel  einzuverleiben. 

Anfangs  wurde  das  Bistum  nicht  nach  Wollin  benannt,  sondern  hiefs 
kurz  Pommersches  Bistum,  episcopntns  Pomeranomm.  Bei  Helmold  II,  4  wird  es 
episcoj>ati(.s  Vzna  (Usedom)  genannt.  Nach  der  Verlegung  des  Sitzes  nach 
Kamin -nannten  sich  auch  die  Bischöfe  nach  dem  neuen  Sitz.  —  Die  Lrkunde 
von  114(1  gibt  auch  che  Avisdehnung  des  Kirchensprengels  an,  der  östlich  bis 
zur  Leba  reichte  (s.  S.  35*J).  Im  westlichen  Pommern  wurde  jedoch  das 
Diözesangel >iet  erheblich  eingeschriinkt,  da  im  Land  der  Circinani  Bischof 
Berno  von  Schwerin  gewirkt  hat,  und  die  Länder  Demmin,  Tollense,  Plote. 
Lositz  und  Tribsees  wurden  dem  Schweriner  Bistum  einverleibt.  Die  Peene 
bildete  fortan  die  Grenze  zwischen  beiden.  Vgl.  Seil,  Gesch.  von  Pommern  I. 
184  ff.  Barthold,  Gesch.  von  Rügen  und  Pommern  1840,  II,  103  ff  . 
120  ff.  Wiesener,  Die  Grenzen  des  Bistums  Kamin,  in  Baltische  Studien 
43.  Bd.  Grotefend,  Die  Grenzen  des  Bistums  Kamin,  in  Mecklenburg 
Jahrb.  G6  (1901),  S.  1—6. 

Das  Bistum  wurde  anfangs  dem  Papst  unterstellt,  um  den  Streit  zwischen 
dem  Erzbisehof  von  (inesen  und  jenem  von  Magdeburg,  die  es  ihrer  Metro 
politangewalt  einverleiben  wollten,  beizulegen.  Seit  Anfang  des  XIII.  Jh. 
rinden  wir  es  gleichwohl  der  Magdeburger  Diözese  zugeteilt.  —  Neben  «lein 


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273.  Krzhistuiu  Prag 


433 


Kapitel  in  Kamin  gab  es  auch  ein  solches  in  Kolberg;  jedenfalls  wird  auf- 
fallend früh  ein  praepositus  Colbergensis  genannt.  Das  Kollegiatstift  mufs  schon 
vor  der  jetzigen  Marienkirche  bestanden  haben.  Karthold,  1.  c.  II,  246.  Die 
Residenz  der  Bischöfe  war  zuerst  die  Domimmunität  zu  Kamin,  innerhalb 
deren  Befestigung  der  Rischofshof  lag;  auch  in  Kolberg  und  Köslin  residierten 
sie  zeitweise  und  um  die  Mitte  des  XIV.  Jh.,  als  ihre  Grenze  nach  SO.  ge- 
sichert war.  auch  in  Köslin.    Barthold.  1.  c.  III,  327. 

Die  erste  Klostergründung  war  jene  zu  Stolp  an  der  Peene,  die 
durch  Ratibor  und  Adelbert  ins  Leben  gerufen  worden  ist.  Eine  Kirche 
St.  Johannis  bestand  dort  schon  vorher;  Benediktinermönche  des  Klosters  Berg 
bei  Magdeburg  wurden  dorthin  berufen  (1149).  —  Grobe  bei  Usedom  war 
mit  August inennönehen  besetzt  und  durch  Ratibor  reich  dotiert  worden.  Cf. 
Barthold  II,  112  f.  1151»  wurden  diese  Schenkungen  bestätigt  ;  Kloster  Belbuck 
bei  dem  Dorfe  Gummin  an  der  Rega,  von  Kasimar  gestiftet  mit  Mönchen  aus 
Lund  (1170).  Trotz  der  gebotenen  Privilegien  verliefsen  die  Mönche  die  Stätte 
wieder  und  38  Jahre  später  erhob  sich  ein  neues  Belbuck,  inselartig  in  der 
Rega  befestigt.  Die  Mönche,  die  die  pommerschen  Herzöge  1208  hierher  ver- 
setzten, stammten  aus  dem  friesischen  Kloster  Mariengarten;  Kloster  Colbatz 
(Colbas),  um  1173  von  Wratislaw  II.  westlich  des  Madü-Sees  gegründet,  mit 
Cisterciensermönchen  besetzt.  Um  1240  wurde  von  Franziskanern  ein  Kloster 
in  Stettin  erbaut;  von  Augustinern  in  Stargard  und  Ueckermünde  (später  in 
Jasenitz);  von  Dominikanern  zu  Kamin,  Demmin.  Nonnenklöster  ent- 
standen aufserdem  zu  Treptow  a.  d.  Tollense;  letzteres  wurde  nach  dem 
nahen  Klatzow  übertragen,  von  da  nach  der  St.  Marieninsel  unweit  Dargun, 
im  Jahre  1243  nach  V  er  eben  verlegt;  ferner  zu  Treptow  a.  d.  Rega.  zu 
Mari  en  fliefs,  Köslin,  Kolberg  und  Wollin. 

273.  Erzbistum  Prajsr.  Die  ersten  Spuren  christlicher  Bestrebungen 
roichen  in  Böhmen  bis  in  das  Jahr  845  zurück,  als  14  böhmische  Edle 
sich  in  Regensburg  taufen  liefsen.  Während  die  Anfänge  der  böhmischen 
Kirche  zur  mährischen  in  Beziehung  standen,  trat  sie  895  in  den  Diözesan- 
verbaod  von  Regensburg.  Erst  zur  Zeit  Kaiser  Heinrichs  I.  erfuhr  sie 
durch  Herzog  Wenzeslaus  eine  festere  Grundlage,  und  sein  Neffe  Boleslaw  IL 
erwirkte  es  971  vom  Papst  und  973  von  Kaiser  Otto  I.,  dafs  Prag  zum 
Sitz  eines  eigenen  Bistums  erhoben  und  vom  Regensburger  Sprengel 
losgelöst  wurde.  Auch  wurde  es  nicht  der  Salzburger  sondern  Mainzer 
Erzdiözese  unterstellt.  —  In  die  weitreichenden  Pläne  Karls  (IV.,  damals 
nur  Mitregent  in  Böhmen)  war  auch  die  Errichtung  eines  eigenen  Bistums 
daselbst  mit  aufgenommen  worden,  und  Papst  Clemens  VI.  erhob  mittels 
Bulle  (30.  April  1344)  Prag  zum  Erzbistum  mit  den  SufTraganbistümern, 
dem  neu  gegründeten  Bistum  Leitomischl  und  Olmütz.  (Das  Bistum 
Leitmeritz  wurde  erst  später  gegründet.) 

Das  Präger  Bistum  besafs  zur  Zeit  seiner  Gründung  einen  sehr  grofsen 
Sprengel,  der  aufscr  Böhmen  auch  Mähren,  Schlesien,  Südpolen,  Galizien  und 
Ungarn  umfafste.  Im  Jahre  1063  wurde  aber  das  Bistum  Olmütz  gegründet 
und  Mähren  somit  abgetrennt,  und  um  das  Jahr  1000  waren  Breslau  und 
Krakau  mit  Schlesien  und  einem  Teil  Polens  ebenfalls  ausgeschieden,  so  dafs 
die  Diözese  Prag  s«it  1063  auf  Böhmen  beschränkt  war. 

Das  Bistum  Olinütz  war  im  XI.  Jh.  als  Suffragan  von  Pnig  ausersehen 
worden  durch  Herzog  Wratislaw,  der  Prag  schon  damals  zu  einem  Erzbistum 
erheben  wollte.  Im  Jahre  1063  wurde  der  Benediktiner  Johannes  zum  ersten 
Bischof  von  Olmütz  geweiht,  von  dem  auch  das  Kloster  Hradisch  bei  Olmütz 
1078  gegründet  worden  ist.    Anfangs  ebenfalls  unter  Mainz  stehend,  kam  es 

KreUchmer,  Historisehe  üeoyruphie.  38 


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434  Vril.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropa»  im  Mittelalter. 

1314  an  <lie  Erzdiözese  Prag.  Da  aber  damals  ein  neues  Bistum  Le i to- 
niisch 1  (LitomisliumJ  gegründet  wurde,  so  mufste  Olmütz  von  seiner  Diöaese 
.'50  Pfarreien  an  dieses  abtreten.  Nachdem  dieses  Bistum  in  den  Hussiten- 
kriegen fast  aufgelöst  war.  wurde  es  durch  Kaiser  Leopold  I.  1655  wieder  neu 
errichtet,  der  Sitz  aber  nach  Königgrätz  verlegt. 

Frind,  Kirchengesch.  Böhmens,  2  Bde.,  Prag  1862—1860.  Borowv 
bei  Wetzer  u.  Welte  II,  051»  IT.  Der«.,  Gesch.  der  Prager  Diözese.  Prag  1874. 
Frind,  Gesch.  der  Bischöfe  und  Erzbischöfe  von  Prag,  das.  1873.  Wolny, 
Kirchl.  Topographie  von  Mähren,  Brünn  1855  IT.  (Bd.  I— V:  Olmützer  Diözese). 

274.  Erzbistum  Gnesen.  Kaiser  Otto  III.  hatte  es  gelegentlich 
seiner  Wallfahrt  nach  Gnesen  zum  Grab  des  hl.  Adalbert  von  Prag 
im  Jahre  1000  gestiftet.  Als  Suffragane  wurden  ihm  Kolberg.  Breslau 
und  Krakau  unterstellt,  die  damals  mitgegründet  sein  müssen.  Das 
Bistum  Posen  blieb  zunächst  bei  Magdeburg;  ob  Posen  erst  im  XI.  oder 
XII.  Jh.  Gnesen  zugesprochen  wurde,  bleibt  fraglich.  Seit  Anfang  dos 
XII.  Jh.  gehört  es  jedenfalls  zu  diesem.  Kolberg  hat  als  Bistum  nur 
wenige  Jahre  bestanden.  Kamin,  welches  noch  im  XII.  Jh.  seine  Stelle 
einnahm,  wurde  der  Erzdiözese  im  XIV.  .Ihr.  entzogen.  Dagegen  waren 
im  XII.  Jh.  noch  die  Bistümer  Lebus,  Leslau  (Wloclawek)  und  Plock 
(lies  Ploz-k)  hinzugekommen;  Ende  des  XIV.  Jh.  (1387)  Bistum  Wilna 
und  Lutzk  in  Wolhynien,  Anfang  des  XV.  Samogitien. 

Die  Diözese  von  Gnesen  umfafste  den  südlichen  Teil  von  Pomerellen 
rechts  vom  Brdallufs  mit  den  Woiwodschaften  Kaiisch,  Sieradz,  Leneyza,  Teilen 
von  Hawa  und  Sandomir. 

Likowski  bei  Wetzer -Welte  V,  755  ff.  Friese.  Kirchengesch.  d.  Kgr. 
Polen,  Bresl.  17KG. 

275.  Bistum  Posen.  Das  Christentum  wurde  in  Polen  durch  den 
ersten  christlichen  Herzog  Miecyslaw  eingeführt,  der  unter  Mitwirkung 
Kaiser  Ottos  I.  W>8  das  Bistum  Posen  gründete,  das  der  Erzdiözese 
Magdeburg  einverleibt  wurde.  Die  definitive  Loslösung  von  Magdeburg 
erfolgte  im  XII.  Jh.,  nachdem  Erzbischof  Norbert  von  Magdeburg  noch 
1133  seine  Metropolitanrechte  energisch  vertreten  hatte. 

Die  Diözese  umfafste  das  Warthegebiet  zwischen  Oder  und  mittlerer 
Netze  nebst  dem  Archidiakonat  Warschau  in  Masowien.  —  Mover,  Gesch.  d. 
Prov.  Posen,  Gotha  1891,  S.  10  f.  Röpell,  Gesch.  Polens,  Hambg  1840,  I, 
Beil.  4.    Neher  bei  Wetzer- Welte  X,  226. 

27«.  Bistum  Breslau.  Die  Wallfahrt  Kaiser  Ottos  III.  nach 
Gnesen  und  seine  Zusammenkunft  mit  Boleslaw  Chrobry,  dem  Polenher- 
zoge, hatte  auch  die  Gründung  des  Bistums  Breslau  im  Jahre  1000  zur  Folge. 
Es  wurde  von  vornherein  der  Metropolitankirehe  von  Gnesen  unter- 
stellt und  nicht  von  Magdeburg,  obwohl  dieses  letztere  Lrzstift  hei  seiner 
Gründung  durch  Otto  I.  die  Anwartschaft  auf  die  im  Slavenlande  zu 
gründenden  Bistümer  erhalten  hatte. 

Die  Stiftungsurkunde  fehlt,  daher  läfst  sieh  die  ursprüngliche  Grenze 
des  Breslauer  Bistums  nur  aus  späteren  päpstlichen  Bestätigungshullen  der  Be- 
sitzungen der  Breslauer  Kirche  einigenuafsen  bestimmen;  hierher  gehören  die 
Bulle  Hadrians  IV.  von  1155,  vgl.  II  e y  n  e ,  Denkwürdigkeiten  aus  der  Kirchen 
und  Diözesangesch.  Schlesiens,  18»>ü,  I,  104  fT.    W.  Schulte  in  Z.  f.  Gesch. 


277.  Bistum  Lebus.    278.  PriMiIsisdie  Bistümer. 


435 


Schles.  XXIX  (1895),  S.  73  ff.;  ferner  die  Bulle  Innoeenz'  IV.  von  1245  bei 
Stenzel,  Urkunden  z.  Gesch.  des  Bistums  Breslau  im  Mittelalter,  1845,  Urk. 
V,  8.  7  ff. 

Das  Bistum  umfafste  das  ganze  heutige  Schlesien  mit  Aussehlufs  der  zu 
den  Erzbistümern  Frag  und  Olmütz  geschlagenen  Landstriche.  Vun  Teschen 
DlU  Aussehlufs  der  Dekanate  Plefs  und  Beuthen,  die  zu  Krakau  gehörten,  bis 
Krassen  dehnte  sich  das  Gebiet  aus,  innerhalb  dessen  das  Bistum  Breslau  lag. 
Heyne,  1.  c.  I,  107. 

In  der  Mitte  des  XIV.  Jh.  hatte  das  Bistum  an  Umfang  und  Bedeutung 
so  gewonnen,  dafs  es  in  vier  Archidiakonate :  Breslau,  (Jlogau,  Liegnitz  und 
Oppeln  zerfiel.  Verzeichnis  der  Archipresbyterate  und  Kirchen  bei  Heyne  I, 
697—727;  ferner  bei  Jungnitz,  Beiträge  zur  mittelalt.  Statistik  des  Bistums 
Breslau,  Z.  d.  Ver.  f.  Gesch.  u.  Alt.  Schles.  XXXIII  (1899),  385—402.  — 
A.  Schade,  Einteilung  des  Bist.  Breslau  in  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jh. 
t  Gesch.  Schles.  VII  (186G),  S.  285—302  (Ergänzung  zu  Heyne).  A.  Weitzel' 
t>.  Archidiakonat  Oppeln  von  1250—1810,  Z.  Gesch.  Schles.  Xn  (1875),  379' 
bis  394. 

Das  älteste  Kloster  war  das  am  Zobten  von  Peter  Whist  begründete  zu 
Burkau  11» >9,  mit  Augustinern  aus  Artois  besetzt.  Die  meiste  Kulturarbeit 
haben  die  Cistercicnserklüster  geleistet,  so:  das  Kloster  Leubus,  1175  von 
Boleslaw  gestiftet,  ferner  Heinrichau,  von  Heinrich  dem  Bärtigen  1222  ge- 
giftet, Kloster  Kamenz  (seit  1248  ebenfalls  Cistercienserabtei),  Kloster  Gr üs- 
9an  1249  (seit  1290  Cistercienser),  Kloster  Bauden  1255  und  Himmel witz; 
Nonnenkloster  Trebnitz,  1203  von  Heinrich  I.  gestiftet;  Pramonstratenser- 
idoster  waren  das  Vincenzklostcr  in  Breslau  (seit  1193)  und  jenes  in  Czarnowanz 
1228  ! anfangs  in  Kybiiik).  —  Neuling,  Schlesiens  ältere  Kirchen  u.  kirchl. 
Stiftungen,  Breslau  1884.  Winter,  D.  Cistercienser  d.  nordöstl.  Deutschld.  H, 
:J17  ff.    Partsch,  Schlesien  I,  351  ff. 

277.  Bistum  Lelms.  Über  die  Zeit  der  Stiftung  und  diese  selbst 
sind  wir  sehr  wenig  unterrichtet.  Polnische  Chronisten  suchten  es  mit 
den  Polenherzögen  in  Verbindung  zu  bringen.  Erst  für  das  Jahr  1133 
ist  es  uns  sicher  beglaubigt.  Wegen  der  Diözesangreuze  waren  mehr- 
mals Streitigkeiten  mit  den  benachbarten  Bistümern  Kamin,  Branden- 
burg und  Meifsen  entstanden,  wobei  der  Papst  als  Schiedsrichter  ange- 
rufen wurde.  Bekannt  ist  uns  der  Vergleich  von  1266,  wonach  das 
Land  Küstrin  zum  Lebusischen,  das  ganze  Land  Chinetz,  Chinz  oder 
Kienitz  (Soldiner,  Landsberger  und  teilweise  Königsberger  Kreis)  zum 
Kaminschen  Sprengel  gehören  sollten.  —  Metropolit  war  zuerst  der  Erz- 
bischof  von  Gnesen,  später  jener  von  Magdeburg. 

Einen  festen  Wohnsitz  scheinen  die  Bischöfe  zuerst  nicht  gehabt  zu 
haben.  Von  1276 — 1325  residierten  sie  in  Göritz,  seitdem  auf  einem  Berge  bei 
der  Stadt  Lebus,  wo  die  Stiftskirche  errichtet  wurde;  nach  deren  Zerstörung 
.-«•it  1385  in  Fürstenwalde.  —  Die  Grenzen  des  Landes  Lebus  scheinen  zum 
Teil  für  jene  der  Diözese  bestimmend  gewesen  zu  sein,  soweit  nicht  späterhin 
Einschränkungen  stattfanden.  Wo  hl  brück.,  Gesch.  des  ehemaligen  Bistums 
Lebus,  3  Bde.,  Berlin  1829—1832.  Breitenbach,  Das  Land  Lebus  unter 
den  Piasten,  Fürsten walde  1H«»0. 

278.  PreufsIscllC  Bistümer.  Die  dort  bestehenden  vier  Bistümer : 
Kulm,  Pomesanien,  Ermland  (Warmicn)  und  Samland  waren  anfänglich 
SutYrngane  des  Erzstiftes  Riga  gewesen,  wurden  dann  aber  unmittelbar 
•  lern  Papst  unterstellt.  Die  Gebiete  nördlich  vom  Memel  gehörten  zum 
/Ji^tum  Curland.  Nachdem  bereits  Bisehof  Christian  von  Oliva  mit  der 
Errichtung  von  Bistümern  angefangen  hatte,  wurde  diese  erst  von  dem 


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436  VIII.  Kirchliche  Geographie  Mitteleuropan  im  Mittelalter. 

päpstlichen  Logaten  Wilhelm  von  Modena  1243  durchgeführt  und  jene  vier 
damals  geschaffen.  Die  vier  Bistümer  und  ihre  Leiter  standen  unbeschadet 
ihrer  eigenen  Territorialheit  zum  Deutschen  Orden  in  einem  gewissen 
Lehensverhältnis,  da  der  Orden  den  Schutz  des  ganzen  Landes  zu  ver- 
sehen hatte.  Kr  erlangte  aber  sehr  bald  weitgehende  Privilegien  über 
die  Bisehöfe,  die  schliefslieh  meist  dem  Orden  selbst  entnommen  wurden. 

Die  Diözesansprengel  der  preußischen  Bisehöfe  fielen  vermutlich  absieht 
lieh  nicht  mit  den  Komturcihezirksgrenzen  zusammen.  Das  Bistum  Eng- 
land reichte  vom  Pregel  und  der  Angerapp  bis  zur  Weeske  und  dem  Elbing; 
es  umfafste  also  die  komtureien  Balga,  Brandenburg  und  Teile  von  Königsberg. 
Elbing  und  Osterode.  Vgl.  Weber,  I'reufsen  vor  500  Jahren,  Danzig  1878. 
S.  2r>9.  Es  Umfafste  also  von  den  altpreufsischen  Landschaften  Warmien, 
Natangen,  Barten,  Galindien,  die  nördliche  Hälfte  von  Pomesanien  und  die 
BÜdliche  von  Nadrauen  und  Sudauen.  Innozenz  III.  hatte  1211  diese  Lande 
dem  Erzbistum  Gnesen  unterstellt,  1246  wurde  ein  eigener  Metropolit  eingesetzt, 
der  seinen  Sitz  in  Kiga  hatte.  Seit  1512  war  das  Bistum  aber  exemt.  Vgl. 
Thiel  bei  Wetzer  Welte  IV,  815  ff. 

Das  Bistum  Kulm  gehörte  als  ehemals  polnisches  Gebiet  zur  Diözese 
Plock,  seit  1222  aber  zum  preufsischen  Bistum  Christians.    Nach  der  Circum 
scriptum  und  Organisation  1243  umfafste  es  das  eigentliche  Kulmerland  und 
das   Löbauer  Gebiet  zwischen   Drewenz,   Branitza   und   I>andschaft  Sassen. 
Näheres  Rosentreter  bei  Wetzer- Welte  III,  1218. 

Das  Bistum  Pomesanien  erhielt  als  Grenzen  die  Ossa,  Weichsel,  den 
Drausensee,  die  Weeske  aufwärts.    Esser  bei  Wetzer- Welte  X,  157  ff. 

Dem  Bistum  Saniland  wurde  in  der  Teilunp^urkunde  das  Gebiet  vom 
Pregel  im  S.  bis  zum  Memel  im  N.,  und  von  der  Ostsee  bis  zur  Grenze 
Litauens  zugewiesen.    Zu  einer  wirkliehen  Organisation  kam  es  hier  erst  1255. 

Der  Deutsche  Orden  war  dein  Mönchswesen  wenig  geneigt  gewesen. 
Aufser  den  beiden  übernommenen  Klöstern  Oliva  und  Pelplin  bestanden  nur 
die  vom  Orden  selbst  gegründeten  Klöster. 

279.  Erzbistum  Lund.  Ein  Bistum  Lund  existiert  seit  Mitte  des 
XI.  Jh.  Unter  Bischof  Adzer  (1089 — 1137)  wurde  es  zur  Metropole  er- 
hoben und  zwar  vermutlich  zwischen  1103  und  1104.  Die  Metropole 
Hamburg-Bremen  beanspruchte  freilich  ihr  Recht  auf  diese  Gegenden 
unter  Beistand  Papst  Innozenz"  IL  (1133);  doch  erkannte  Hadrian  IV. 
Lund  als  Metropole  an.  Die  ersten  Suffraganate  waren  Ripen  (gestiftet 
800),  Schleswig  (934),  Aarhuus  (940),  Odense  (980),  Roeskilde  (1012),  Wi- 
borg  und  Vendsyssel  oder  Borglum  ( 1005). 

Zeitweise  .standen  auch  Lübeck,  Ratzeburg  und  Schwerin  unter  Lund, 
wurden  jedoch  unter  König  Waldemar  (1202  -1241)  aus  dem  Verbände  wieder 
gelöst.    Neher  bei  Wetzer  Welte  VIII.  295. 

280.  Bistum  Schleswig.  Erzbischof  Ansgar  von  Bremen  hatte  den 
Landschaften  nördlich  der  Eider  seine  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Als 
es  ihm  gelungen  war  mit  König  Horich  (Erich)  ein  friedliches  Verhält- 
nis anzubahnen,  konnte  er  im  Jahre  850  die  erste  christliche  Kirche  in 
Schleswig  (Sliaswic,  damals  auch  Heidiba  genannt)  errichten.  Auch  seinen 
gleichnamigen,  dem  Christentum  anfangs  nicht  geneigten  Sohn  vermochte 
Ansgar  zur  Anlegung  einer  zweiten  Kirche  in  einem  anderen  Hafenorte 
Ripeu  zu  bestimmen  (800).    Doch  erst  unter  Kaiser  Otto  1.  kam  es  zu 


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280.  Bistum  Schleswig  437 

einer  Einrichtung  von  Bistümern  im  dänischen  Lande,  und  zwar  auf 
Betreihen  des  Erzbischofs  Adaldag  von  Bremen,  welcher  Schleswig,  Iiipen 
und  Aarhuus  zu  Bischofssitzen  ausersah.  Sie  waren  somit  Suffragane  des 
Bremer  Erzbistums.  Als  1 104  in  Lund  auf  der  Halbinsel  Schonen  ein 
eigenes  Erzbistum  eingerichtet  wurde,  wurde  diesem  auch  der  Bischof 
von  Schleswig  unterstellt,  Doch  erstreckte  sich  dessen  Gewalt  nicht  über 
das  ganze  Schleswig,  da  der  nordwestliche  Teil  des  späteren  Herzogtums 
unter  dem  Bischof  zu  Ripen,  die  Inseln  Alsen,  Arröe  und  Fehmarn  zum 
Bistum  Fünen  gehörten. 

Die  Errichtung  der  drei  Bistümer  Schleswig,  Ripen,  Aarhuus  wird  nach 
Adam  v.  Brem.  II,  4  und  IV,  1  in  das  Jahr  948  verlegt.  Doch  scheint  aus 
verschiedenen  Gründen  die  Errichtung  nicht  an  ein  einzelnes  Jahr  gebunden 
werden  zu  dürfen ;  die  Diözesan- Organisation  scheint  nur  allmählich  aus  den 
missionarischen  Einrichtungen  sich  entwickelt  zu  haben.  Vgl.  Laspeyres, 
D.  Bekehrung  Nordalbingiens,  S.  70  ff.  —  Nach  Adam  U,  44,  IV,  2  ging  das 
Bistum  von  Aarhuus  (Arhusan)  wieder  ein,  so  dafs  damals  nur  zwei  Bistümer 
Schleswig  und  Ripen  bestanden.  Nach  dem  Tode  des  Bischofs  Wal  von  Ripen 
(1065)  wurde  dessen  Sprengel  in  vier  Bistümer  zerlegt  (Adam  IV,  2):  Ripen, 
das  neugebildete  Aarhuus,  Wiborg  und  Vcndsyssel  (Wendila).  —  Seit  Abtretung 
der  Mark  Schleswig  an  Dänemark  durch  Kaiser  Konrad  II.  (1028)  brachten 
die  nationalen  Gegensätze  eine  Loslosung  des  Landes  vom  Deutschen  Reich  in 
politischer  und  kirchlicher  Beziehung  zuwege.  —  Das  Schlcswiger  Bistum 
umfafste  von  den  drei  Sysseln  nur  den  südlichsten  Istate-Syssel  sowie  die  ehe- 
malige Markgrafschaft  und  Nordfriesland.  Die  westliche  Hälfte  von  Barwith- 
Syssel  und  die  nördliche  von  Ellum-Syssel  vergrößerten  die  Ripener  Diözese. 
König  Knud  hatte  in  Odense  ein  Bistum  für  Fünen  und  die  in  der  Nähe  ge- 
legenen kleineren  Inseln  errichtet  und  wies  das  von  ihm  in  Roeskilde  be- 
gründete Bistum  Seeland  zugleich  auf  Schonen. 

An  Klöstern  sind  zu  nennen:  Lügumklostcr  für  Cistercienser,  zuerst 
in  Seem  gestiftet,  1173  nach  dem  Orte  verlegt;  Guldholm  auf  einer  Halb- 
insel des  Langsees  in  Angeln  unweit  Schleswig,  1192  gestiftet,  1210  unter  dem 
Namen  Rüde  k  lost  er  nach  einem  Platz  in  der  Nähe  des  Flensburger  Meer- 
busens verlegt  (Schlofs  Glücksburg);  das  Johanniskloster  zu  Schleswig 
für  Benediktinerinnen  1196;  Franziskanerklöster  zu  Hadersleben  1232, 
Tondern  1238,  Schleswig  1240;  Dominikanerkloster  in  Schleswig  1235. 


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IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


281.  Kreiscinteilung   des  deutschen  Reiches.    Schon  auf  dem 
Nürnberger  Reichstage  von  1438  und  dem  Frankfurter  von  148G,  auf 
dem  ein  zehnjähriger  Landfrieden  verkündet  wurde,  war  zur  praktischen 
Handhabung  des  Friedens  die  Teilung  des  Reiches  in  Kreise  in  Vorschlag 
gebracht  worden.    Der  Versuch  stiefs  hei  den  Fürsten  aber  auf  Wider- 
stand.   Erst  der  Reichstag  von  1500  zu  Augsburg  legte  den  Grund  für 
die   spatere   Kreisverfassung.     Ein    Reichsregiment   sollte  eingerichtet 
werden  und  für  die  teilweise  Wahl  seiner  Mitglieder  das  Reich  in  sog. 
Kreise  eingeteilt  werden.     Das  Reichsregiment  sollte  aus  dem  Kaiser 
oder  seinem  Statthalter  und  20  Räten  bestehen  ;  sechs  von  diesen  sollten 
aus  sechs  zu  diesem  Zweck  zu  errichtenden  Provinzen  genommen  werden. 
Diese  Kreise  werden  in  der  Regimentsordnung  nach  ihren  Bestandteilen 
aufgeführt,  ohne  dafs  aber  jeder  schon  einen  der  späteren  Gesanitnamen 
hatte  (Reichstagsabschiede  NF.  II,  S.  5fc,  §6 — 11).    Dieses  Regiment  hatte 
aber  nur  kurze  Zeit  bestanden;  schon  1502  wurde  es  aufgelöst.  Der 
Versuch,  das  Reich  in  Kreise  einzuteilen  und  auf  diese  die  Exekutive 
zu  gründen,  wurde  auf  den  nachfolgenden  Reichstagen  wiederholt  unter- 
nommen, aber  auch  immer  wieder  verworfen.  Der  vom  Kaiser  Maximilian  1. 
berufene  Reichstag  von  1512  zu  Trier,  der  bald  darauf  nach  Cöln  verlegt 
wurde,  brachte  endlich  eine  Teilung  des  Reiches  zustande.    Zehn  Kreise 
wurden  angesetzt,  indem  man  zu  den  bereits  in  Augsburg  bestimmten 
sechs  Kreisen  vier  neue  hinzufügte.    Böhmen,  Mähren  und  Schlesien 
blieben  aber  aufserhalb  der  Kreisordnung.    Unter  Karl  V.  wurde  auf 
dem  Reichstage  zu  Worms  1521  die  Errichtung  der  zehn  Kreise  von  1512 
bestätigt    und  nur  zum  Zweck  der  Abrundung  einige  Veränderung«  n 
vorgenommen,   wie  denn   auch   in  späterer  Zeit  einige  Abänderungen 
eintraten.    Die  zehn  Kreise,  für  welche  eine  bestimmte  Rangordnung 
nicht  festgesetzt  war,  sind  : 

1.  der  Österreichische,  b\  der  Schwäbische, 

2.  der  Burgundische,  7.  der  Oberrheinische, 

3.  der  Kurrheinische,  8.  der  Niederrhein. -Westfälische, 

4.  der  Fränkische,  9.  der  Obersächsische, 

5.  der  Bairisehe,  10.  der  Niedersächsische. 


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282.  Lanclgrnfechaft  Heswen.  439 

Auf  der  Wormser  Tagung  (1521)  tauchen  zuerst  diese  Kreisnamen 
auf;  ob  sie  auf  dieser  zuerst  geschaffen  wurden,  ist  nicht  zu  entscheiden.  — 
Bestanden  hat  die  Kreiseinteilung  bis  zum  Jahre  1803. 

Zum  Cölner  Reichstag  1512  vgl.  Rcichstagsabsehiede  NF.  II,  13fJ  IT.  be- 
sonders £  II,  12.  Die  Kreisteilung  des  Wormser  Reichstages  und  im  Ansehlufs 
die  Exekutionsordnung  von  Nürnberg  1522  s.  RA.  II,  230  f.  —  Für  die  geo- 
graphische Betrachtung  ist  die  ganz«'  Kreiseinteilung  bedeutungslos.  Man  hat 
erkennen  wollen,  dafs  die  alte  Stammcseinteilung  in  ihr  noeh  nachgewirkt  habe, 
was  ich  nicht  billigen  kann.  Schon  die  Benennung  der  Kreise  ist  uicht  immer 
eine  zutreffende,  wenn  beispielsweise  zum  obersäehsisehen  Kreise  noch  die 
Mark  Brandenburg  und  Pommern  gesehlagen  werden.  Überdies  sehliefsen  sieh 
die  Kreise  nicht  gegenseitig  aus,  da  mit  Rücksicht  auf  die  damalige  politische 
Zugehörigkeit  innerhalb  eines  Kreises  sich  Enklaven  eines  anderen  Kreises  be- 
finden. Mehrfach  wurden  auch  Reichsstände  zu  Kreisen  gerechnet,  welche  in 
diesen  auch  nicht  einen  Quadratfufs  Land  besafsen. 

Über  die  Entstehung  und  Entwickelung  der  Kreiseinteilung  orientiert  am 
lösten  Langwerth  von  Simmern,  Die  Kreisverfassung  Maximilians  I.  und 
«ler  schwäbische  Reichskreis,  Heidelberg  lH'Jd.  S.  11—61  (dazu  Brandi,  GGA. 
1898);  ferner  vgl.  von  Kraus,  Das  Nürnberger  Reichsregiment,  1883.  S.  50. 
von  LancizoTle,  Übersicht  der  deutschen  Rcichsstandschafts-  und  Terri- 
torialverhältnisse, 1830,  S.  12 — 32.  von  Daniels,  Hdb.  d.  deutschen  Reichs- 
und Staatenreehtsgesehichte,  1863,  IV,  556  ff.  Berghaus,  Deutschland  vor 
100  Jahren,  S.  2  ff.    Schröder,  Dt.  Reehtsgeseh.,  S.  807  IT. 

282.  Landgxafsehaft  Hessen.  Unter  Ludwig  I.  erfuhr  das  Land 
1450  durch  Erbschaft  von  Ziegenhain-Nidda,  wo  das  Grafengeschlecht 
erloschen,  eine  erhebliche  Gebietsvergröfserung.  Die  anfangs  getrennten 
Teile  der  Landgrafschaft  wurden  hierdurch  zu  einem  Ganzen  zusammen- 
geschlossen. Bald  darauf  fand  unter  Ludwigs  Söhnen,  Ludwig  II.  und 
Heinrich  III.,  eine  Teilung  des  Landes  in  Niederhessen  (Kassel)  und 
Oberhessen  (Marburg)  statt,  die  mit  dem  Aussterben  der  Marburger 
Linie  1500  wieder  beseitigt  war.  Letztere  hatte  1479  noch  die  Grafschaft 
Katzenelnbogen  durch  Erbheirat  erworben ,  wodurch  das  hessische 
Gebiet  bis  au  den  Rhein  und  über  den  Main  hinausreichte?  Unter  der 
kraftvollen  Regierung  Philipps  des  Grofsmütigen  gewann  es  eine  hervor- 
ragende Stellung  unter  den  deutschen  Territorien. 

Die  vereinigte  Grafschaft  Ziegen  hain -Nidda  war  von  dem  letzten 
'trafen  des  Hauses  Johann  II.  für  geleistete  Vorschüsse  an  Landgraf  Ludwig  I. 
(1413 — 1458)  als  Erbschaft  zugesprochen  worden.  Die  Grafschaft  war  ein  Mann- 
lehen  von  Fulda  und  Hersfeld.  Letztere  hatten  auch  die  Vereinbarung  zwischen 
Johann  und  Ludwig  6.  Mai  1131  bestätigt.  Vgl.  die  l'rkunden  bei  YVenck, 
Hess.  Landesgesch.  III,  221)  -4<l  d.  Beilage.  Von  Uersfeld  wurde  die  Lehens- 
herrschaft  erteilt  über:  Stadt  und  Grafschaft  Ziegenhain,  Treisa,  Neukirchen, 
Sehwarzenborn,  Gemünden  an  der  Strafse  und  mehrere  Dorfer  an  der  Schwalm, 
—  von  Fulda  über  Grafschaft  Burg  und  Stadt  Nidda,  die  fuldisclie  Mark  in 
der  Wetterau,  Burg  Stormfels,  Stadt  Rauschenberg,  die  Vogteien  von  Kraien- 
fehl  und  Burghards,  die  Hüllte  von  Ober-Aula  und  andere  von  Fulda  her- 
rührende bereits  im  hessischen  Besitz  befindliche  Güter,  die  Stadt  Alsfeld,  Schlott 
Altenburg,  Burg  und  Stadt  Sjmngenberg,  Gericht  Schemmernmark  mit  Schlofs 
Zierenberg,  Kloster  Heyda  unweit  Morschen,  Gericht  Heringen  und  einige 
Dörfer.  Rommel,  Gesch.  v.  Hessen  II.  2t»4  ff.  --  Bei  der  Teilung  (14»»0, 
1466),  welche  beide  Brüder  in  eine  heftige  Fehde  verwickelte,  erhielt  Ludwig  H. 
i  1458  -1471)  Niederhessen  mit  der  Hauptstadt  Kassel,  und  Heinrich  III.  (U5N 


440  IX.  Politincho  Geographie  iiui  das  Jahr  1550. 

bisl483)  Oberhessen  mit  der  Hauptstadt  Marburg,  nebst  Ziegenhain  und  Nidda. 
Beide  Teilgebiete  wurden  auch  vom  Standpunkt  Kassels  aus  als  »Land  dies- 
seits des  Spiefses *  und  Land  jenseits  des  Spiefses  unterschieden.  Der  Spiefs 
war  ursprünglich  ein  Wald  nordöstlich  von  Ziegenhain.  Später  wurde  der 
Name  auf  einen  am  Rande  des  Waldes  stehenden  Wartturm  übertragen,  neben 
dem  ein  Sehlagbaum  zum  Scbliefsen  der  Strafse  errichtet  war.  Soldan.  Gesch. 
d.  Grofeherzogtums  Hessen,  S.  58.  —  Der  Kasseler  Anteil  Niederhessen  hiefs 
auch  kurz  das  >  Land  zu  Hessen  .  der  Marburger  Teil  Oberhessen  :  das  >Land 
an  der  Lahn«. 

Die  vorgeschlagene  Teilung  von  3.  September  1-466,  die  übrigens  auch  noch 
nicht  die  endgültige  war.  sei  liier  ausführlicher  dargestellt,  weil  sie  zugleich 
einen  geographischen  überblick  über  das  damalige  Hessen  und  seine  Teile 
gewährt, 

Niederhessen,  das  Land  diesseits  des  Spiefses  oder  Luid  zu 
Hessen  genannt,  begriff  22  meist  mit  Schlössern  versehene  Städte:  Kassel, 
Gudensberg,  Wolfhagen.  Zierenberg,  Trendelenburg,  Grebenstein,  Immenhausen, 
Witzenhausen ,  Allendorf,  Eschwege,  Wanfried,  Schmalkalden.  Rotenburg, 
Spangenberg,  Waldkappel,  Lichtenau,  Melsungen,  Felsberg,  Niedenstein,  Hom- 
berg, Borken,  Vach;  —  ferner  9  freie  Landesburgen:  der  Weideisberg  hei 
Wolfshagen,  Scharteilberg,  Sababurg,  Veckerhagen,  Sensenstein,  Bilstein,  Reichen- 
bach,  Heiligenberg,  Hauneck ;  —  aufserdem  8  verpfändete  I^andesburgen :  die 
Gleichen,  Ziegenberg,  Ludwigstein,  Treffurt  (mit  Sachsen  und  Mainz  gemein- 
sam ),  Wildeck,  Friedewald,  Barchfeld,  Altenburg  a.  d.  Eder. 

Oberhessen,  das  »Land  jenseits  des  Spiefses«  oder  »Land  an  der 
Lahn«  genannt,  zu  welchem  auch  Ziegenhain  und  Nidda  gehörten,  begriff  15 
freie  mit  Schlossern  versebene  Städte  :  Marburg,  Biedenkopf,  Wetter,  Franken - 
berg,  Rausehenberg,  Gemünden  a.  d.  Wohra,  Treysa,  Ziegenhain,  Schwarzen- 
born, Neukirchen,  Alsfeld.  Grünberg,  Nidda,  Giefsen.  Kirchhain;  —  7  ver- 
pfändete Städte:  Urichstein,  Schotten,  Driedorf  (zum  Drittel),  Staufenberg  zur 
Hälfte),  Allendorf  a.  d.  Lumda,  Burggemünden,  Homburg  a.  d.  Ohm;  —  ferner 
7  freie  Landesburgen :  Blankenstein,  Schönstein,  Romrod,  Altenburg  hei  Alsfeld, 
Hirzberg,  Lüsberg,  Hessenstein  a.  Eder;  —  11  verpfändete  Landesburgen :  Storni- 
fels,  Oleen,  Hermannstein,  Frauenberg,  Nordeck,  Merlau  nebst  Dorf  Flensungen. 
Landsburg  bei  Ziegenhain,  Königsberg,  Bürgeln  (halb),  Wolckersdorf.  Des 
Ausgleiches  halber  sollten  einige  niederhessische  Orte  noch  hinzugefügt  werden, 
wie  Borken,  Homberg,  Sontra,  Hauneck;  doch  blieb  Sontra  niederhessisch, 
Homberg.  Schmalkalden  und  Vach  wurden  geteilt.  Borken,  Hauneck  und  das 
strittige  Friedewald  zu  Oberhessen  geschlagen.  Alles  Nähere  über  die  Land 
teilung  bei  Rommel  II,  2  f.,  23—28,  30  f. 

Der  letzte  Graf  von  Katzenelnbogen  hatte  seine  Tochter  Anna  dem 
Landgrafen  Heinrieh  III.  von  Oberhessen  zur  Gemahlin  gegeben  und  ihm  1458 
die  Erbschaft  seines  Gebietes  in  sichere  Aussicht  gestellt.  1471)  starb  er  und 
Heinrich  nahm  von  der  oberen  und  unteren  Grafschaft  Besitz  mit  den  Anteilen 
an  der  Grafschaft  Diez  a.  d.  Lahn  und  an  Stadt  und  Amt  Butzbach. 

Nach  dem  Tode  von  Heinrichs  einzigem  Sohn  Wilhelm  III.  1500  fällt 
Oberhessen  mit  Ziegenhain,  Nitida,  Katzenelnbogen  an  die  ältere  Linie,  die  unter 
Wilhelm  II.  alles  Land  vereinigt.  Letzterer  erhielt  auch  von  allen  Lehensherren, 
aufser  Pfalz,  die  Belehnungen  über  jenes  Erbe.  Aus  der  bairiseh-pfälzischen 
Fehde  um  das  Erbe  des  Herzogs  Georg  des  Reichen  von  Landshut  hatte 
Wilhelm  II.  1505  nur  die  Hälfte  von  Umstadt,  Bickenburg  und  Homburg  vor 
der  Hohe  erhalten. 

In  der  Herrschaft  Ep penstein  war  1433  eine  Teilung  eingetreten 
unter  den  Söhnen  Eberhards  1.    1357—  1391).    Dieser  .hatte  durch  seine  Ge- 
mahlin aus  der  Falkensteinschen  Erbschaft  die  Herrschaft  Königstein  geerbt. 
Verzeichnis  der  zu  ihr  gehörigen  Orte  bei  Vogel,  Nassau,  S.  237).    Von  Eber- 
hards Söhnen  erhielt  Gottfried  VIII.  den  alten  Bestand  der  Herrschaft  mit  den 


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283.  (Jrnf schaft  Nassau.  441 

beiden  Landgerichten  Heitels  und  Mechtshausen.    Er  stiftete  die  (nur  bis 
zum  Enkel  Gottfried  X.  f  1522  bestehende)  Linie  Eppenstein-Münzenberg.  — 
Der  andere  Sohn  Eberhard  IL  stiftete  die  Linie  Eppenstein-Königstein. 

Die  Herrschaft  Eppenstein  war  durch  die  fortdauernde  Geldnot  seiner 
Besitzer  aufgelöst  worden.  Gottfried  IX.  von  Eppenstein  (Sohn  Gottfrieds  VIII. ) 
hatte  sein  Vierteil  an  der  Grafschaft  Diez  dem  letzten  Grafen  von  Katzeneln- 
bogen, ebenso  Schlofs  Ziegenberg,  seinen  Teil  an  Butzbach,  am  Dorf  Bisehofs- 
heim  und  Schlofs  Breuberg  veräufsert;  Gottfried  X.  ebenso  an  Landgraf 
Wilhelm  III.  1492  die  Hälfte  von  Schlofs  und  Herrschaft  Eppenstein  und 
seinen  Anteil  von  Tal  und  Schlofs  ( )berrofsbach  v.  d.  Höhe.  (Die  andere 
Hälfte  von  Eppenstein  fiel  an  Mainz.)  —  Wilhelm  III.  hatte  ferner  vom  Grafen 
Philipp  II.  von  Hanau-Lichtenberg  die  Hälfte  von  Stadt  und  Schlofs  Klingen- 
berg  a.  Main  mit  allen  Dörfern  und  Gerichten  gekauft.  Dieser  gesamte  Erwerb 
Hei  1500  an  Wilhelm  II. 

283.  Grafschaft  Nassau  bestand  unter  den  beiden  Linien,  der 
Wal  ramschen  und  Ottonischen  und  deren  Nebenlinien  fort.  Die  Wal- 
ra rasche  Linie  war  in  die  Idst einer  und  Weilburger  gespalten.  Von 
«liesen  beiden  hatte  die  letztere  beträchtliche  Erwerbungen  gemacht. 
Schon  Johann  L,  der  durch  Heirat  die  Herrschaften  Merenberg  und 
Gleiberg  1328  erworben,  gewann  durch  eine  zweite  Heirat  Saarbrücken. 
Aber  auch  sein  Sohn  Philipp  I.  (t  1429)  hatte  durch  seine  Frau,  eine 
Tochter  des  Grafen  Craft  von  Hohenlohe,  die  Boland-Sponhoimsehen 
Herrschaften  auf  dem  Gau  :  Kirchheim,  Boland,  Stauf,  Tannenfels,  Franken- 
stein und  kleinere  Grundherrlichkeiten  erworben.  Allerdings  fand  unter 
seinen  Söhnen  1442  wieder  eine  Teilung  statt  in  die  Weilburger  Haupt- 
und  die  Saarbrücker  Nebenlinie. 

Die  Ott  onische  Linie  war  in  «He  Alte  Dillenburger  und  Hadamarsche 
Linie  gespalten.  Die  letztere  war  ca.  1394  ausgestorben  und  ein  Erbschafts- 
streit die  Folge.  Ein  Teil  des  Erbgebietes  fiel  an  Johann  L  (t  141(5) 
aus  der  Dillenburger  Linie.  Diese  hatte  durch  Erbheiraten  ihren  Länder- 
besitz zu  vermehren  gewufst,  wenn  es  auch  hier  nicht  ohne  langjährige 
Streitigkeiten  abgegangen  war.  Bedeutende  Erwerbungen  waren  durch 
Heiraten  auch  in  den  Niederlanden  und  in  Frankreich  (Orange)  gemacht 
worden.  Seit  1516  hatte  sich  von  der  Dillenburger  Linie  die  sog.  Bredasehe 
Linie  (im  Besitze  Oraniens)  mit  Heinrich  III.  (f  1538)  abgezweigt,  die  aber 
bald  ausstarb.  Nebenher  bestand  auch  noch  die  von  Heinrich  gestiftete 
Linie  Nassau-Beilstein. 

Von  der  Walramschen  Linie  hatte  die  Idsteiner  innerhalb  dieser  Periode 
keine  erheblichen  Erwerbungen  gemacht,  desto  mehr,  wie  oben  angedeutet,  die 
Weilhurger.  Puter  Philipp  1.  (t  1421»)  kamen  mehrere  Landesteile  durch  die 
verschuldeten  Grafen  von  YVeilnau  an  das  Haus;  so  im  Jahre  1405  die  Herr- 
schaft Neuweilnau.  1413  als  Pfandschaft  die  Stadt  Mengerskirchen  und 
der  Calenberger  Cent  für  600  Gulden.  Näheres  über  andere  Erwerbungen 
s.  bei  Vogel,  1.  c.  S.  337.  —  Unter  seinen  Söhnen  fand  1442  die  Teilung  statt; 
Philipp  II.  erhielt  die  Grafschaft  Nassau  auf  der  rechten  Rheinseite;  Johann 
die  Grafschaft  Saarbrücken  und  die  Herrschaft  Commerey.  Gemeinsam 
blieb  die  Herrschaft  auf  dem  Gau  und  vor  dem  Donnersberge  mit  Tannenfels, 
Kirehheim,  Stauf,  Frankenstein,  Welsteiu  und  Altenbevmburg. 

Von  der  Ottonischen  Linie  hatte  die  Dillenburger  zur  Vergröfserung  des 
Landbesitzes  eifrig  beigetragen.    Die  alte   Hadamarsche  Nebenlinie  war  mit 


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442 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


Kniit  h  II  T.  ca.  1394  ausgestorben.  Dessen  Schwester  Anna  war  mit  Diether  VI. 
von  Katzenelnbogen  vermählt,  der  für  seine  Gemahlin  gegenüber  Johann  I. 
von  Nassau-Dillenburg  die  Erbschaft  beanspruchte.  Nach  dem  langjährigen 
Streit  gewann  Johann  einen  Teil  der  Herrschaften  Ellar,  Hadamar. 
Esterau  und  die  Hälfte  der  Vogtei  Ems.  Heine  Söhne  wurden  durch  ihre 
Grofsmutter  Adelheid  Erben  der  Grafschaft  Vianden  und  der  Herrschaften 
S  t.  Vit,  B  u  t g  c  n  b  a  c  h ,  D  a  e  s  b  u  r g  und  G  r i  m  b  e  r g  e  n.  Von  diesen  Söhnen 
war  Adolf  mit  Jutta  von  Diez  vermählt.  Nach  dem  Aussterben  der  Grafen 
von  Diez  (1388)  fiel  die  Grafschaft  an  Adolf.  Aus  dieser  Ehe  ging  aber  nur 
eine  Tochter  Jutta  hervor,  die  1401  an  Gottfried  von  Eppenstein  vermahn 
wurde.  Als  ihr  Vater  Adolf  1420  starb,  erhielt  Gottfried  indessen  nur  die 
Hälfte  von  Diez,  während  die  andere  an  die  Brüder  Adolfs  als  gemein- 
samer Besitz  fiel  (s.  Schlufs  dieses  Paragraphen;.  —  Von  den  Brüdern  war 
Engelbert  I.,  der  allein  männliche  Nachkommen  hatte,  mit  Johanna,  der  Erb 
tochtcr  Johanns  von  Polanen  und  Leck  14<»3  vermählt  und  legte  so  den  Grund 
zu  den  niederländischen  Besitzungen:  nämlich  Polanen,  Leck,  Breda. 
Osterhout,  Rosendael.  Nispen,  Dongen.  Terheyden,  Steenbergen,  Gertruydenl«  rg, 
Nievart  und  Klundert.  —  Auch  sein  Sohn  Johann  IV.  ff  1475)  hatte  durch 
seine  Heirat  mit  der  Tochter  Johanns  von  Loen  und  Heinsberg,  Marie,  die 
Herrschaften  Millen,  Gangelt,  Vü cht  (Waldfeucht)  und  ein  Viertel  de- 
Herzogtums Jülich  erworben.  Docli  fielen  diese  Stücke  bald  «lern  Herzig 
von  Jülich  zu.    Vgl  Lacomblet,  UB.  4.  Nr.  484. 

Ebenso  wäre  dessen  Sohn  Johann  V.  (f  1516)  durch  seine  Gemahlin 
Elisabeth  in  den  Besitz  der  Grafschaft  Katzenelnbogen  gekommen, 
wenn  ihm  diese  nicht  von  Seiten  der  hessischen  Linie  streitig  gemacht  worden 
wäre.  Als  nämlich  Philipp,  der  letzte  Graf  von  Katzenelnbogen,  147!)  in> 
Grab  gesunken  war,  brachte  seine  Tochter  Anne  die  Grafschaft  ihrem  Gemahl 
Heinrich  III.  von  Hessen  zu,  der  sie  auf  seinen  Sohn  Wilhelm  III.  vererbte. 
Doch  starb  dieser  ohne  männliche  Nachkommen  1500.  Sein  Vetter  Wilhelm  II. 
ergriff  Besitz  von  den  erledigten  Landen;  doch  Johann  V.  erhol»  Einspruch 
dagegen  vor  dem  Reichskammergericht.  Der  Katzenelnbogensche  Erbschaft- 
streit zog  sic  h  über  die  nächste  Generation  fort  Ins  zum  Jahre  1557  (v^l 
Hessen). 

Johanns  V.  Sohne  Heinrich  III.  und  Wilhelm  der  Reiche  gründen  zwei 
neue  Linien,  von  denen  die  erstere  schon  mit  Heinrichs  Sohn  Renatus  1541 
erlosch.  Aber  durch  Heinrich,  der  schon  von  seinem  Oheim  Engelbert  11.  die 
niederländischen  Besitzungen  geerbt  hatte,  war  ein  zweites  und  zwar  in  Frank 
reich  gelegenes  Landgebiet  an  das  Nassauische  Haus  gebracht  worden,  denn 
durch  seine  Heirat  mit  Claudia.  Tochter  des  verstorbenen  Prinzen  Johann  von 
Chalons  und  Oranien  (Orange  im  unteren  Rhonegehiet)  erwarb  er  das  Fürsten- 
tum Oranien  und  die  Chalonsschen  Herrschaften.  Da  seine  Linie  1544  scholl 
ausstarb,  so  ging  der  reiche  Länderbesitz  an  den  Sohn  Wilhelms  des  Reichen. 
Wilhelm  I.  über,  der  eine  neue  Linie  N  ass  a  u  -  O  r  a  n  i  e  n  stiftete. 

Vgl.  über  diesen  Abschnitt  die  schon  genannten  Werke  von  Schlier 
h  a  k  e  -  M  e  n  z  e  I   und  Vogel.     A  r  n  o  1  d  i ,   ( «eseh.   der  ( )ranien-Nassauischen 
Länder  und  ihrer  Regenten,  Hadamar  1799 — 1816.    Pontbriant,  Histoired>- 
la  prineipaute  d  Orange,  Paris  1891. 

Grafschaft  Diez.  Nach  dem  Tode  Adolfs  1420  entbrannte  «ler  Stielt 
um  Diez,  weil  Adolf  die  Grafschaft  seinem  Schwiegersohn  Gottfried  VI  IL  wn 
Eppenstein  zugesprochen  hatte,  nachdem  er  sie  vorher  schon  an  Ciraf  Eber- 
hard V.  von  Katzenelnbogen  und  dann  an  seinen  Bruder  Engelbert  verpfändet 
hatte.  1441  trugen  Gottfried  und  Engelbert  die  Grafschaft  an  Trier  zu  Lehen 
auf.  Gottfried  Vlll.  stirbt  14.J7  und  sein  Sohn  verkauft  schulden  Halber  145i> 
die  Hälfte  seines  Anteils  (also  ein  Viertel  der  ganzen  Grafschaft)  an  Philipp 
von  Katzenelnbogen.  Wcnck,  Hess.  Landesg.  1,  560  f.  und  Beilage  CCCXL.l. 
S.  252.  WO  die  einzelnen  Landstücke  näher  angegeben  sind. 


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284.  Grafschaft  Solms.  285.  Grafschaft  Isenburg.  286.  Herrschaft  Runkel  etc.  443 

284.  Grafschaft  Solms.  Das  Grafenhaus  hatte  1419  auf  dem  Erb- 
schaftswege die  Herrschaften  Lieh,  Hungen  und  Laubaeh  erworben. 
Graf  Otto  war  mit  Agnes  von  Falkenstein  vermählt  gewesen  und  deren 
Söhne  Bernhard  und  Johann  erbten  nach  dem  Aussterben  der  Falken- 
steiner die  genannten  drei  Herrschaften.  Die  Landgrafen  von  Hessen 
besafsen  das  ehemals  Solmsehe  Gebiet  von  Königsberg.  Im  Jahre  1468 
gab  Landgraf  Heinrich  IV.  einen  Teil  dieses  Amtes  (die  an  der  Dill  und 
Lemp  gelegenen  Dörfer)  als  Mannlehen  an  Graf  Otto  zurück. 

Laubach  mit  Gebiet  gehörte  erst  den  Herren  von  Münzenberg,  dann 
denen  von  Hanau.  Von  diesen  kam  es  durch  Pfand  und  Kauf  1335,  1341  an 
die  Falkensteiner.    Das  Falkensteiner  Haus  starb  1419  aus. 

285.  Grafschaft  Isenburg.  Von  den  zahlreichen  Linien  dieses 
Hauses  bestanden  um  1375  noch  folgende:  1.  Die  Linie  Isenburg- 
Büdingen  unter  Johann  I.;  2.  die  Linie  Isenburg-Grenzau  (ältere  Grenzauer) 
unter  Eberhard ;  3.  die  Linie  Isenburg- Limburg  unter  Johann  HL; 
4.  die  Linie  Isenburg  -  Wied  unter  Wilhelm  I.:  5.  die  Salentinische 
Linie  unter  Halentin  III.  Von  diesen  starb  die  ältere  Grenzauer  Linie  1431) 
aus  und  ihr  Land  fiel  mit  der  letzten  Erbtochter  Katharina  als  Heiratsgut 
an  Salentin  V.,  also  an  die  Salentinische  Linie,  die  seitdem  als  jüngero 
Grenzauer  Linie  auftritt.  Auch  die  Linie  Isenburg- Wied  starb  14G2 
mit  Wilhelm  III.  aus  und  das  Gebiet  fiel  mit  der  Erbnichte  Anastasia 
an  Dietrich  IV.  von  Runkel  (s.  d.).  Ebenso  erlosch  1406  die  Limburger 
Linie  mit  Johann  III.  Seine  Tochter  Kunigunde  war  an  Adolf  von 
Xassau-Dillenburg  vermählt,  der  das  mit  hohen  Summen  schon  seit 
lange  an  Trier  verpfändete  Limburger  Land  in  Besitz  nahm ;  nach  seinem 
Tode  1420  zog  es  jedoch  Trier  als  Pfandobjekt  ein. 

Die  den  einzelnen  Linien  gehörigen  Territorien  sind  schon  vorher  namhaft 
gemacht  worden.    Die  1373  erloschene  Linie  Isenburg- Arenfels  war  durch  die 
Erbtöchter  Lisa  und  Adelheid  an  die  Wiedische  und  Salentinische  Linie  ge- 
fallen.   1376  fand  unter  diesen  eine  Teilung  derselben  statt,  nach  der  dann 
die  Wiedische  Linie:  Alsbach,  Grenzhausen,  Hilgerod,  Hundsdorf  und  Remse 
erhielt,  —  die  Salentinische:  die  Gerichte  Ransbach  und  zur  Heide.  —  Die 
Herrschaft  Herschbach  fiel  anfangs  ganz  an  Wied,   wurde  dann  an 
Katzenelnbogen  verpfändet,  aber  15»  0  von  der  Salentinischen  Linie  zurück- 
gekauft. —  Die  Isenburg-Bü dingische   Linie,   die  Büdingen  besafs, 
spaltete  sich  im  Anfang  des  XVI.  Jh.  nochmals  in  die  Rom  lebu  rasche  (Philipp) 
und  die  Birsteinische  Linie  (Johann).  —  Die  14311  erloschene  ältere  Grenzaucr 
Linie  besafs  die  Burg  Grenzau  mit  dem  Kirchspiel  Nauort,  Rachdorf,  Breitenau, 
Mend  und  Almesbach.    Alles  fiel  an  Salentin  V.    Vgl.  Vogel,  1.  c.  S.  266. 

286.  Herrschaft  Runkel  und  Grafschaft  Wied.  Die  älteste  Reihe 
der  eigentlichen  Grafen  von  Wied  war  im  XIII.  Jh.  ausgestorben  und 
infolge  Erbheirat  durch  die  Isenburg- Wieder  Linie  ersetzt  worden.  Auch 
diese  starb  1462  mit  Wilhelm  III.  aus,  und  durch  Heirat  seiner  Nichte 
Anastasia  kam  die  Grafschaft  an  ihren  Gemahl  Dietrich  von  Runkel  (t  1459) 
bzw.  dessen  Sohn  Friedrich,  mit  dem  die  dritte  Grafenreihe  von  Wied 
beginnt.  Es  vereinigt  die  Herrschaft  Runkel  mit.  jener  Grafschaft  und 
nennt  sich:  Herr  von  Runkel  Graf  von  Wied  und  Herr  von  Isenburg. 

DieeinzehienTeilecb'silunnuiunehrgchörigenTerritoriuniSß.  bei  Vogel  I.e.  255  f. 


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444 


IX.  Politische  Geographie  um  daH  Jahr  1650. 


287.  Grafschaft 
Sayn  Wittgenstein. 

Dort  bestanden  die 
Johannsche  und 

Engelbertsehe 
Linie  nebenein- 
ander fort.  Die 
erstere  hatte  1362 
Dorf  und  Gericht 
Oberroßbach  von 
Isenburg- Wied  als 
Pfand  erhalten ; 
1460  kam  es  end- 
gültig in  ihren  Be- 
sitz. Im  Jahre  1446 
hatte  sie  ferner  das 
Amt  Reinbach  ge- 
kauft.   Die  Engel- 

bertsche  Linie 
hatte  ihren  ganzen 
Besitz  1493  dem 
Landgrafen  von 
Hessen  zu  Lehen 
aufgetragen. 

28S.  Grafschaft 
Waldeck.  Heinrich 
des  Eisernen  Söhne 
hatten  die  Graf- 
schaft 1308  geteilt: 
Adolf  residierte  in 
Landau  und  be- 
gründete die  Ältere 
Landauische  Linie 
und  Heinrich  VII. 
besafs  Waldeck  und 
stiftete  die  Neuere 

Waldeckische 
Linie.      Die  Lan- 
dauische Linie 
starb     aber  mit 
Otto  IV.  1495  schon 
aus  und  ihre  Güter 
fielen  an  die  Wald- 
eckische. Diese 
hatte  sich  in  eben 
i"ncr  Zeit  nochmals 


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289.  Grafschaft  Pyrmont.    290.  Grafschaft  Schauenburg  (Schaumburg).  445 

gespalten  in  zwei  Aste:  Philipp  II.  (f  1524)  stiftete  die  Altere  Eisen- 
berger  Linie  und  Heinrich  VIII.  (f  1513)  die  Ältere  Wildunger  Linie. 

Heinrich  VIII.  besafs  von  der  Grafschaft  die  Ämter  Wildungen  und 
Numburg  mit  dem  Schlote,  die  Hälfte  des  Amtes  Rhoden  und  die  Burg  Itter. 
Philipp  II.  erhielt  Schlote  und  Amt  Eisenberg,  Schlote,  Stadt  und  Amt  Mering- 
hausen  und  Wetterburg,  Schlote  und  Amt  Waldeck  halb,  ebenso  die  Hälfte 
vi»n  Rhoden  und  einen  Teil  von  Itter.  Die  Städte  Corbach,  N. -Wildungen. 
Sachsenhausen  und  Sachsenberg  sollten  ihnen  gemeinschaftlich  gehören 
(  urtze,  1.  c.  S.  606,  608. 

289.  Grafschaft  Pyrmont.  Seit  1376  hatten  die  Grafen  ihre 
Residenz  in  Lügde.  Im  Jahre  1494  starb  die  männliche  Linie  mit 
Moritz  aus.  Dessen  Schwester  Ursula  bringt  das  Ländchen  ihrem  Gemahl 
Johann  von  Spiegelberg  zu;  des  letzteren  Söhne  Friedrich  VI.  und 
Moritz  und  schliefslich  sein  Enkel  Philipp  folgen  in  der  Regentschaft. 

290.  Grafschaft  Schauenburg  (Schaumburg)  hatte  1377  noch 
unter  Otto  I.  durch  Kauf  der  Grafschaft  Sternberg  eine  Vergröfserung 
erfahren;  doch  mufste  er  sie  schon  1399  wieder  an  die  Grafen  zur 
Lippe  verpfänden  (s.  d.)  Unter  den  gemeinsam  regierenden  Brüdern 
Anton  und  Johann  fand  1518  ein  engerer  Anschlufs  an  Hessen  statt,  Die 
Kriegswirren,  besonders  die  Hildesheimer  Stiftsfehde,  die  für  die  beiden 
eine  Achtserklärung  zur  Folge  hatten,  liefsen  es  ihnen  ratsam  erscheinen, 
fast  die  Hälfte  der  ganzen  Grafschaft  an  Philipp  den  Grofsmütigen 
unter  der  Verpflichtung  gegenseitigen  Schutzes  zu  Lehen  aufzutragen. 

Otto  II.  (f  1464^  hatte  1460  allen  Ansprüchen  auf  Holstein  endgültig 
entsagt;  doch  führen  er  und  seine  Nachfolger  den  Titel  eines  Grafen  von  Holstein 
fürt.    Piderit,  Gesch.  v.  Schaumburg,  S.  8.?. 

Die  Brüder  Anton  (f  1526)  und  Johann  (j  1527)  teilten  einträchtigen 
Sinnes  vorübergehend  die  (Trafschaft,  indem  jener  die  Ämter  Schauenburg  und 
Rodenberg  übernahm ,  dieser  ßtadthagen  und  Bückeburg.  —  Johann  hatte 
durch  Heirat  mit  Cordula,  des  letzten  Herrn  von  Gehmen  Tochter,  diese  aus 
einem  Flecken  Gehmen  und  10  Bauernschaften  bestehende  Herrschaft  im 
Münsterlande  erworben.  —  Die  Lehensauftragimg  der  halben  Grafschaft  an 
Hessen  (1518)  betraf  die  östliche  Hälfte,  nämlich  Hodenberg,  Hagenburg  und 
Arensburg.  Cf.  Piderit,  1.  c.  S.  86,  90  f.  Die  Grafschaft  Wunstorf  hatte  die 
Stadt  Oldendorf,  die  Vogteien  Lachem  und  Fischbeck  an  Schaumburg  in  Pfand 
gegeben. 

291.  Grafschaft  Lippe.  Simon  III.  hatte  seine  Herrschaft  1399 
am  die  Grafschaft  Sternberg  vergröfsert,  dagegen  Lippstadt  erst  an  Köln, 
später  an  die  Grafen  von  Mark  verpfändet.  Erst  Bernhard  VII.  gelang 
es  1445  die  Hälfte  von  Lippstadt  zurückzuerwerben.  Sein  Enkel  Simon  V. 
(1511 — 1536)  erscheint  zuerst  als  Graf  von  der  Lippe. 

Die  Grafschaft  Stern berg  war  1377  durch  Kauf  an  die  Schaumburger 
gekommen,  von  diesen  aber  bald  darauf  stückweise  an  die  Herren  von  Lippe 
verpfändet  worden.  Sie  bestand  aus  dem  Sehlofs  Sternberg  mit  den  Vogteien 
Humfeld,  Exten  und  Bösingfelde  (also  dem  nordöstlichen  Teil  des  heutigen  Fürsten- 
tums Lippe).  —  Die  Annahme  des  Grafentitels  erfolgte  1528,  die  Bestätigung  als 
Reichsgraf  1529. 

202.  Herzogtum  Braunschwcig-Ltiueburg.    Der  Lüneburger  Erh 
folgekrieg  hatte  1388  zu  einem  Anschlufs  des  Landes  an  das  braun 


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44<; 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


schweinische  Gebiet  geführt.  Friedrich,  Bernhard  und  Heinrich,  die 
Sühne  Magnus'  II.  teilten  sich  in  den  Besitz.  Nach  dem  Tode  des  erst- 
genannten nahmen  die  überleitenden  Brüder  1409  nochmals  eine  Tei- 
lung vor,  bei  der  Bernhard  das  Land  Braunschweig  und  Hannover 
mit  der  Herrschaft  Everatein  und  dem  Land  zwischen  Deister  und  Leine, 
Heinrich  das  Land  Lüneburg  erhielt. 

Heinrichs  Söhne,  Wilhelm  I.  und  Heinrich  der  Friedfertige  wufsten 
aber  1428  ihren  Oheim  Bernhard  zu  einer  neuen  Teilung  zu  bestimmen, 
die  im  wesentlichen  in  einem  Austausch  der  fraglichen  Gebietsteile 
bestand,  so  dafs  Bernhard  jetzt  die  Lüneburger  Lande,  Wilhelm  I.  und 
Heinrich  der  Friedfertige  Braunschweig- Wolfeubüttel  erhielten.  I  >a 
Heinrich  1473  starb,  so  vereinigte  Wilhelm  den  ganzen  Besitz  in  seiner 
Hand  ;  zwei  Regentonhüuser  bestanden  somit  nebeneinander:  die  mittlere 
Lüneburger  und  die  mittlere  Braunschweiger  Linie  (diese  bis 
1034).  Der  letzteren  fiel  auch  das  Göttinger  Land  zu,  als  die  Göttinger 
Linie  (s.  oben  S.  229)  mit  Otto  Codes,  dem  Sohne  Ottos  des  Quaden,  146H 
ausstarb.  Der  so  vergröfserte  Braunschweig- Wolfenbütteische  Besitz  wurde 
1495  unter  die  Enkel  jenes  Wilhelm  L  geteilt,  indem  Heinrich  (i"  151 4 1 
das  Braunschweig- Wolf en bütteler  Land,  Erich  I.  (t  L">40)  Güttingen- 
Calenberg  erhielt.  Die  Beilegung  «1er  Hildesheimer  Stiftsfehde  1523 
brachte  beiden  Teilen  auf  Kosten  des  Stiftes  einen  neuen  Landzuwachs 

In  der  mittleren  Lüneburger  Linie  ist  es  weit  weniger  zu  Land- 
teilungen und  Gebietsvergrüfserungen  gekommen.  Von  den  beiden 
Sühnen  Heinrichs  des  Mittleren  (der  wegen  seiner  Stellungnahme  in 
der  Hildesheimer  Fehde  1520  abdanken  mufste),  wurde  Otto  wegen  einer 
Mesalliance  mit  dem  Harburger  Ländchen  abgefunden,  während  Ernst 
der  Bekenner  die  Hauptlande  bekam. 

Neben  Braunsehweig  und  Lüneburg  hatte  auch  das  Fürstentum 
(i  rubenhagen  (s.S.22Hf.'|  noch  Bestand,  war  allerdings  in  mehrere  Linien 
gespalten  und  ohne  grol'se  Aktionsfähigkeit.  — ■  Es  bestanden  also  um  1550 
nebeneinander:  1.  Das  Herzogtum  Braunschweig- Wolfenbüttel,  2.  Braun- 
schweig -Calenberg,  3.  Braunschweig  -  Grubenhagen,  4.  Braunseh  weig- 
Lüneburg. 

Die  Teilung  des  Lüneburger  Landes  unter  die  drei  Sühne  Magnus'  II.  in 
einer  Urkunde  zu  Üben  138H  bei  Klcinschmidt,  Sammlung  von  Landtags 
abschieden  II,  2.  cf.  Havemann  I,  525.  Heinemann  II,  119.  —  Die  Grafschaft 
Everatein  (S.  229),  «regen  deren  sie  mit  dem  letzten  Grafen  diese«  Hauses 
Hermann  in  Fehde  gelegen  hatten,  fiel  ihnen  14<>8  (nicht  1418)  durch  Erbheirat 
KU;  sie  umfafste  Blomberg,  Ärt/.en,  Hämelschenburg,  Ottenstein,  sowie  Anteile 
an  Ohsen  und  I lol/.minden.  Orig.  guelf.  IV,  HI5.  von  Spilcker,  Gesch.  d.  Gm. 
von  Everatein,  S.  2!»3  f.  —  Über  die  Teilung  von  14<>'.>  zwischen  Bernhard  und 
Heinrich  liegt  nur  eine  kurze  Notiz  vor;  Hävern.  I,  5»*>3,  Heinemann  11.  176. 
Erath,  Braunschw.  Lünebg.  Krbteilgn.  33.  —  Bernhard  vergrößerte  seinen  Besitz 
durch  Kaut  der  Herrschaft  Homburg  (üstlieh  der  Weser  und  der  Grafschaft  Ever- 
stein)  im  Jahre  1409  (Orig.  guelf.  IV,  509,  Hävern.  I.  657^  und  Pfändung  der 
Harzburg  (Ileinem.  II,  179  f.).  1411  erwarb  er  käuflich  die  Grafschaft  Haller - 
mund.     Scheid.  Cod.  dipl.  S.  634  f. 

Die  wichtige  Teilung  von  1428  bewirkte,  dafe  entgegen  jener  von  1409  Lüne 
l.urg  an  den  älteren  Bruder  Bernhard,  Braunwhweig- Wolfen  Mittel  an  die  beiden 
Sohne  des  jüngeren  Bruders  Heinrich  (f  1416):  Wilhelm  I.  und  Heinrich  den  Fried 


292.  Herzogtum  Braunsen weig-Lüneburg. 


447 


fertigen  fiel.  Der  Wolfen  bütteler  An- 
teil umfafste  Wolfenbüttel,  Vechelde»  Neu* 
brück,  Meinersen,  Thune,  Campen,  Wend- 
bausen, Brunsrode,  Bardorf,  Vorsfelde, 
Kalvörde,  Lutter,  Sehöningen,  Helmstedt, 
Weferlingen,  Jerxheim,  Hessen,  die  Asse- 
burg, Langelen,  Voigtsdahlum,  Harzburg, 
Lichtenberg,  Gebhardshagen,  Calenberg, 
Greene,  Lüthorst  (Luthardessen),  Hohen- 
büchen (Homboiken),  Homburg,  Stadt- 
Oldendorf,  Holzminden,  Ohsen.  Polle, 
Eldagsen,  das  Rath,  Ottenstein,  Neustadt, 
Lauenau,  Ricklingen,  Wölpe,  Rehburg, 
Münder.  .Vlies  übrige  umfafste  der  Lüne- 
burger Anteil.  Nur  die  Stadt  Braun- 
schweig, Lüneburg,  die  Altstadt  Hannover 
(die  Neustadt  sollte  ganz  zu  Wolfenbüttel  ge- 
hören), sowie  verschiedene  Gerechtsame 
sollten  gemeinsames  Eigentum  sein.  Erath, 
Erbteilgn.,  35  ff.  Hävern.  I,  G22  f .  Heinem. 
II,  182. 

Eine  Fehde  zwischen  den  Brüdern 
Wilhelm  und  Heinrich  bewirkte,  dafs 
auch  diese  ihren  Wolfenbüttcler  Anteil 
im  Vertrage  zu  Schöningen  1432 
nochmals  teilten,  durch  welchen  Wilhelm 
das  Calenberger  I^and  mit  den  Everstcin- 
schen  und  Homburgschen  Teilstücken  er- 
hielt. Näheres  bei  Hävern.  I  ,  669  f. 
Heinem.  199  f.  Doch  da  Heinrich  1473 
starb,  fiel  sein  Teil  wieder  an  Willielm  zu- 
rück. Letzterer  hatte  überdies  seinen  Be- 
sitz erheblich  vergröfsert.  Das  durch  den 
Tod  von  Otto  Codes  1463  erledigte  Göt- 
tinger Land  war  im  Besitz  der  Braun- 
schweiger Linie  trotz  der  berechtigten 
Ansprüche,  welche  die  Lüneburger  hatte, 
die  erst  1512  (Vertrag  von  Münden)  end- 
gültig auf  dies  Land  verzichtete.  Erath, 
Erbt,  66,  98,  114.  Ferner  erwarb  Wil- 
helm 1446  durch  Lehnsanfall  dieHerrschaft 
Dorstadt,  südlich  von  Wolfenbüttel  und 
durch  Kauf  1447  die  Grafschaft  Wun- 
storf; Scheid,  Cod.  dipl..  p,  558.  —  Wil- 
helms Sohne  , Wilhelm  II.  (f  1503).  wurde 
sehliefslieh  1490  die  Stadt  Helmstedt 
von  dem  Abte  von  Werden  abgetreten; 
Krefs,  Vindiciae,  p.  431.  Hävern.  I,  733. 
Heinem.  II,  216. 

Wilhelm  II.  trat  seine  Regierung  an 
seine  Söhne  Heinrich  den  Alteren  und 
Erich  I.  ab  und  veranlafstc  sie  zu  einer 
Teilung,  die  den  Grund  legte  für  die 
noch  heute  bestehende  Gestaltung 
des  Braunschweigischen  Herzog- 
tums und  des  Königreiches  (Provinz) 
Hannover  (exkl.  Lüneburg).  Heinrich 


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448  IX.  Politische  Geographie  um  clas  Jahr  1550. 

erhielt  das  Braunschweig- Wolfenbütteler  Land  mit  Wolfenbüttel,  Lichtenberg. 
Harzburg  mit  dem  Rammelsbcrg,  Sehöningen,  Hessen,  Lutter,  Bahrdorf. 
Kalvörde.  Neuhaus,  Gebhardshagen,  Dahlum,  Neuhriiek,  Wendhausen,  Seesen 
mit  den  Forsten,  Gandersheim,  Staufenburg,  Greene,  Luthersen.  Hohenbüchen 
(Homboiken),  Hornburg,  Everstein.  Fürstenberg,  Asseburg.  Vechelde,  Brunsrode. 
Thune,  Braunschweig.  Helmstedt,  Schöppenstedt,  Stadt-Oldendorf,  Aimdungs 
born.  Erich  I.  übernahm  Braunschweig-Calenberg  mit  Münden,  IJar 
degsen,  Uslar,  Moringen,  Siehelstein.  Harste,  Friedland,  Niedeck,  Brunstein. 
Lauenberg,  Bramburg,  Brackenberg,  Hol/münden  (jetzt  zu  Braunschweig},  I^auen- 
fördc,  Lauenau,  Springe,  Calenberg,  Neustadt,  Blumenau,  Rehburg,  Welpe. 
Nienover,  Polle,  Ohsen,  Ottenstein,  Hannover.  Pattensen,  Wunstorf,  Eldagsen. 
Münder,  Göttingen,  Nordheim,  Dransfeld.  Vgl.  Urkunde  bei  Erath,  Erbtlgn., 
101  ff.    Hävern.  I,  735.    Heinem.  U.  217. 

Die  Hildesheimer  Stiftsfehde  brachte  beiden  Brüdern  nach  ihrer  Beilegung 
1523  einen  Gebietszuwachs,  da  das  Hildesheimer  Stift  auf  die  Ämter  lVin<\ 
Steuerwald  und  Marienburg  beschränkt  und  fortan  das  kleine  Stift  im  Gegen- 
satz zum  früheren  »grofsen  <  genannt  wurde.  Auch  diesen  Zuwachs  teilten  si< . 
so  dafs  zu  Heinrichs  Wolfenbütteler  Lande  noch  hinzukamen:  die  Schlösser 
und  Amt  er  Winzenburg,  Woldenberg,  Steinbrück,  Lutter,  Woldenstein,  Schladen, 
Liebenburg,  Wiedelah,  Vienenburg.  Westerhof,  die  Stiidte  Alfeld.  Bockenem. 
Salzgitter  und  die  Klöster  Lamspringe,  Heiningen,  Dorstadt,  Wöltingerode, 
Ringelheim,  Rieehenberg.  Erichs  Calenberger  Land  wurde  vergro Isert  durch 
die  Schlösser  und  Ämter  Hunnesrück  mit  Markt-Oldendorf,  Ärtzen,  Lauenstein, 
Grohnde,  Hallerburg,  Poppenburg,  Ruthe,  Coldingen,  die  Städte  Dassel.  Boden 
werder,  Elze,  Gronau,  Sarstedt,  die  Hälfte  von  Hameln,  die  Kloster  Marienau, 
Escherde,  Wittenburg,  Wülfinghausen  und  Derneburg.  Hävern.  II,  tiO  f.  Heinem. 
II,  302. 

Das  Lüneburger  Land  hatte  seit  der  Teilung  von  1428  keine  wesent- 
lichen Änderungen  erfahren.     150t»  gelang  es  Heinrich  dem  Mittleren 
das  Sehlofs  Winsen  a.  d.  Luhe  von  den  Herzögen  von  Lauenburg  wieder  ein 
zulösen. 

Da  er  1520  abdanken  mufstc,  so  folgten  seine  Sohne,  von  denen  Ernst 
der  Bekenner  seit  1527  bis  auf  das  Harburger  Land  fast  alleiniger  Erbe 
von  ganz  Lüneburg  wurde.  Als  er  1546  starb,  waren  seine  Söhne  noch  minderjährig. 

Auch  das  Gruben hagen er  Gebiet  war  seit  Albrecht  IL  (S.  228)  nicht 
bedeutend  gewachsen.  Die  erledigte  Grafschaft  Scharzfeld-Lauterberg 
liel  nach  dem  Erlöschen  des  Hauses  1497  an  Grubenhagen,  wurde  jedoch  von 
Herzog  Friedrich  1502  an  die  Grafschaft  Honstein  versetzt.  Sein  Neffe  Herzog 
Erich  (f  1427)  empfing  von  der  Äbtissin  zu  Gandersheim,  seiner  Tochter  Agnes. 
Sehlofs  und  Forst  Elbingerode  zu  Lehen.  14*1  kam  es  auch  in  Grubenhagen 
zu  einer  vorübergehenden  Teilung  zwischen  Heinrich  IV.  und  seinem  Onkel 
Albrecht  III.,  wonach  jener  Salzderhelden,  dieser  Ilerzberg  erhielt,  während 
Grabenhagen  jedem  zu  gleichem  Anteil  verblieb.  Hävern.  I,  715  IT.  Nach  dem 
Tode  des  kinderlosen  Heinrich  IV.  folgten  die  Söhne  Albrechts. 

293.  Bistümer    Münster,  Minden,  Osnabrück  und  Päd  er 
born.    Von  ibnen  batten  einige  gröfsere  Veränderungen  im  Territorial- 
bestande erfahren,  —  am  wenigsten   wohl  Osnabrück,  welches  durch 
innere  Fehden  sehr  zu  leiden  hatte. 

Bistum  Paderborn.  Mit  dem  Tode  des  (»rufen  Moritz  von  Pyrmont 
1494  fiel  die  Grafschaft  als  altes  Paderbornisches  Lehen  wieder  an  das  Bistum 
zurück.  Mit  ihr  wurden  vorübergehend  die  Grafen  von  Lippe  belehnt,  jedoch 
1522 — 152b*  war  sie  wieder  in  der  Hand  des  Bistums,  als  sie  an  die  Spiegelbergisehe 
Familie  kam.  Bischof  Hermann  belehnte  15«  M)  den  Grafen  Anton  von  Holstein 
und  Schauenburg  mit  der  Grafschaft  Stern  berg,  zu  der  die  Burg  Berentrop,  das 
Dorf  Uleln  (jetzt  Stadt)  und  die  Vogtei  Müddcn hörst  gehörten.    Bessen,  Gesch. 


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294.  Grafschaft  Hoya.    296.  Grafschaft  Diepholz.    296.  Erzbmtum  Bremen.  449 

d.  Bist.  Päd.  II,  20.  Er  löste  auch~1505  [den  Teil  [der  Burg  Krukenberg  und 
Stadt  Helmershausen  wieder  ein. 

Bistum  Minden  hatte  noch  im  14.  Jh.  eine  Vergröfserung  erfahren, 
ak  Bischof  Otto  (1384 — 1498)  vom  Berge  als  letzter  Sprofs  seiner  Familie  seine 
Herrschaft  von  Schalksberg  an  das  Bistum  abtrat. 

Bistum  MünsteV.    Das  Hochstift  hatte  sich  1406  durch  den  Ankaut 
der  Herrschaft  Ahaus  im  äufsersten  Westen  vergröfsert  und  im  Osten  durcli 
die  Besitznahme  der  Burgherrschaft  Stromberg.    Nach  dem  Aussterben  der 
Herren  von  Ahaus  war  deren  Gebiet  an  die  einzige  überlebende  Tochter 
Johanna  von  Ahaus  und  deren  Gemahl  gekommen.    Doch  am  2.  Januar  1406 
verkaufte  sie  die  Herrschaft  an  das  Bistum.    Leo,  Territor.  H,  585.    Auch  die 
Herrschaft  Strom berg  war  zu  Lebzeiten  des  letzten  Deszendenten  teilweise 
schon  (1403)  an  das  Bistum  verkauft  worden;  nach  seinem  Tode  fiel  sie  ganz  an 
Münster.    Weit  bedeutsamer  war  die  Abrundung  des  Niederstiftes,  da  die  Teck- 
lenburger das  ganze  Gebiet  um  Cloppenburg  und  Oyte  1400  abtreten  mufsten. 
1429  kam  vom  Bremer  Erzstifte  auch  Wildeshausen  an  Münster;  hingegen  war 
die  Grafschaft  Delmenhorst  nur  zeitweise  (1483 — 1547)  münsterscher  Besitz  ge- 
wesen und  um  1550  wieder  oldenburgisch.    Durch  den  Vertrag  von  Münster 
25.  Oktober  1400  mulste  Nikolaus  von  Tecklenburg  auf  den  nördlichen  Teil  Beiner 
Grafschaft   Cloppenburg,   Sehnappenburg  und  Burg  to  Oyte  zugunsten 
Münsters  verzichten.    Vgl.  S.  451  unter  Tecklenburg,  wo  alle  Teilstücke  der 
abgetretenen  Gebiete  namhaft  gemacht  smd.  —  Wildeshausen  war  bis  1429 
erzbischöflich  bremisches  Land,  als  es  von  Nikolaus  von  Bremen  an  Bischof 
Heinrich  von  Münster  verpfändet  wurde.     Doch  auch  Münster  hatte  es  1458 
his  1465  an  Graf  Johann  von  Hoya  und  späterhin  nochmals  1493  an  Wilhelm 
von  der  Busch  verpfändet.   Nach  dessen  Tode  (1523)  nahm  es  Bischof  Friedrich 
wieder  in  Besitz.  —  Delmenhorst  war  1483  durch  Bischof  Heinrich  II.  an 
Münster  gekommen,  wurde  jedoch  1547  durch  Anton  L  von  Oldenburg  wieder 
zurückerobert.    Cf.  hierüber  unter  Oldenburg  S.  151. 

294.  Grafschaft  Hoya.  Seit  Erwerbung  von  Neu-  Bruch  hausen  war 
'ler  Länderbestand  unverändert  geblieben.  Die  ältere  Linie  (Niedere 
Herrschaft)  war  1503  ausgestorben  und  die  jüngere  Linie  (Graf  Jobst  I.) 
nahm  kraft  eines  Erbvertrages  von  1459  von  jener  Besitz.  Doch  schon 
vorher  erfolgte  Verfügungen  durch  Kaiser  Maximilian  und  den  Erzbischof 
von  Bremen  führten  zur  Lehensauftragung  über  Hoya  an  den  Grafen  Jobst 
von  Seiten  Heinrichs  des  Mittleren  von  Braunschweig-Lüneburg  und  des 
ehemaligen  Bruchhausenschen  Anteils  (d.  h.  Alt-  und  Neu*Bruchhausen  mit 
Syke,  Freuden  berg  und  Harpstedt)  von  Seiten  des  Bremer  Erzbischofs. 

295.  Grafschaft  Diepholz  hatte  durch  Erwerb  gröfserer  Güter 
um  Schlofs  Auburg  und  Dorf  Wagenfeld  1441  eine  Vergröfserung  er- 
fahren. Das  ITnvermOgen,  sieh  gegen  die  Bischöfe  von  Minden  zu  schützen, 
veranlafste  Rudolf  von  Diepholz  1510  sein  Land  als  Lehen  an  Heinrich 
den  Mittleren  von  Lüneburg  aufzutragen,  was  Kaiser  Max  1517  bestätigte. 
Auch  Auburg  und  Wagenfeld  wurde  lf)21  an  Landgraf;  Philipp  von 
Hessen  aufgetragen.  1532  erscheint  zum  erstenmal  die  Grafenwürde 
im  Hause  Diepholz. 

Im  Jahre  1585  starb  das  Grafenhaus  aus  und  ihr  Territorium  fiel  1593 
und   lGO.i  an  Lüneburg-Celle  is.  unten  unter  diesem). 

296.  Erzbistum  Ii  remen.    Die  Frieseil  des  Marschlandes  Wursten 
an    der  rechten  Seite  der  Wesermündung  hatten  trotzig  ihre  Freiheit 

29 


47)0  IX.  Politische  Geographie  um  (las  Jahr  1550. 

gewahrt.  Erzbisch oi*  Christoph  verlangte,  gestützt  auf  einen  Lehenbrief 
des  Kaisers  Maximilian,  ihre  Unterwerfung,  die  erst  nach  einer  blutigen 
Schlacht  1517  gelang.  Doch  währte  es  bis  zur  Mitte  des  Jahrhunderts, 
ehe  die  unter  ihnen  immer  wieder  auflebenden  Freiheitsgelüste  endgültig 
niedergeschlagen  worden  waren. 

297.  Reichsstadt  Hamburg.  Das  Territorialgebiet  hatte  durch  die 
Erwerbung  des  Amtes  Ritzebüttel  im  Jahre  1394  eine  neue  Vergröfserung 
erfahren,  wodurch  die  Stadt  einen  wichtigen  Stützpunkt  im  Verein  mit 
der  vorliegenden  Insel  Neuwerk  erhielt.  Ebenso  bedeutend  war  die  Er- 
werbung des  Amtes  Bergedorf  und  der  Vierlande  durch  den  Vertrag  zu 
Perleberg  1420  mit  Sachsen- Lauenburg.  Im  Jahre  1510  wurde  Hamburg 
durch  Kaiser  Maximilian  I.  zur  Reichsstadt  erhoben. 

Die  Herrschaft  Ritzebüttel  an  der  Elbmündung  gehörte  dem  edel- 
freien  Geschlecht  der  Lappen.  Haniburg  wufste  ein  freundschaftliches  Ver- 
hältnis mit  ihnen  anzubahnen,  woran  der  Stadt  wegen  ihres  Leuchtfeuers  auf 
der  Insel  Neuwerk  viel  gelegen  war.  Als  die  Lappen,  in  Geldnot  geraten, 
immer  tiefer  sanken  und  mit  Hamburg  in  Fehde  kamen,  mufsten  sie  sehliefs- 
lieh  (1892)  kapitulieren  und  ihr  Gebiet  fiel  an  die  Stadt. 

Mit  Herzog  Erich  V.  von  Sachsen  I^auenburg  hatten  Lübeck  und  Ham- 
burg gemeinsam  einen  Straufs  auszufechten.  Er  wurde  am  24.  August  1420 
dahin  beglichen,  dafs  der  Herzog  die  Schlösser  Bergedorf  und  Riepenburg  nebst 
dem  Zoll  zu  Eislingen,  wie  auch  den  halben  herzoglichen  Wald  den  beiden 
Städten  abtrat,    Vgl  Kobbe,  Gesch.  d.  Herzogtums  Lauenburg,  1836,  I,  139. 

298.  Stadt  Bremen.  Schrittweise  hatte  die  Stadt  ihren  Machtbereich 
erweitert  und  Erfolge  errungen  über  benachbarte  Stämme  wie  auch  über 
die  Erzbisehöfe,  die  in  mehrfacher  ( ieldnot  ein  Stück  Land  nach  dem 
andern  an  die  Stadt  verpfändeten.  Auf  dem  Reichstag  zu  Regensburg 
1541  wurde  sie  von  Karl  V.  in  ihrem  Besitze  bestätigt. 

Noch  im  XIV.  Jh.  erhielt  die  Stadt  (1376)  Schlofs  und  Vogtei  zu  Lang- 
wedel, ferner  1375  Herrschaft  und  Schlofs  zu  Stotel,  1876  Schlots,  Vogtei 
und  Stadt  Wildeshausen,  1377  das  schon  einmal  verpfändete  Theding- 
hausen, 1380  von  Graf  Otto  von  Delmenhorst  das  halbe  Sehlofs  und  den 
vierten  Teil  seiner  Herrschaft  Delmenhorst,  1382  die  Hälfte  des  Schlosses 
und  der  Herrschaft  Bederkesa.  Cf.  van  Bippen,  Gesch.  v.  Bremen  I. 
234  ff.  Freilich  blieb  die  Stadt  nicht  im  ungestörten  Besitz  dieser  Landschaften, 
besonders  Bederkesas,  auf  welches  auch  der  Erzbischof  Anspruch  erhol»,  bis  er 
1412  der  Stadt  den  alleinigen  Besitz  (nach  seinem  Tode)  einräumte.  Inzwischen 
war  auch  die  andere  Hälfte  von  Bederkesa,  die  den  Lauenburgischen  Herzögen 
gehörte,  an  die  Stadt  verpfändet  und  1542  diese  im  Besitz  bestätigt  worden, 
van  Bippen  I,  271  f.  Im  Jahre  1384  war  auch  das  Stadland  den  Friesen 
entwundem  worden,  aber  infolge  der  erneuten  Revolten  und  trotz  Erbauung 
der  Friedeburg  bei  Atens  im  Hutjadinger  Lande  mutete  die  Stadt  1424  von 
dem  Besitz  Abstand  nehmen,  van  Bippen  1,  242  f.,  272  ff.,  283.  Buchenau 
S.  281,  und  Taf.  VI,  Bremen  im  Mittelalter. 

Von  den  obengenannten  Landschaften  gingen  viele  sehr  bald  der  Stadt 
wieder  verloren.  Langwedel  (nördlich  von  Verden)  war  nur  vorübergehend 
in  ihrem  Besitz  gewesen  und  wurde  immer  von  neuem  verpfändet;  1419  war 
es  abermals  Pfandobjekt  und  kam  1482  als  solches  an  die  Grafen  von  Hoya; 
cf.  die  Geschichte  bei  Mithoff,  Kunstdenkmäler  V,  58  f.  Stohel  (in  der 
Gegend  der  Wesermündung)  kam  1877  an  Christian  von  Oldenburg,  cf.  Mit- 
hoff V,  106.    Auch  Wildeshausen  fiel  bald  wieder  an  das  Erzstift  zurück. 


299.  Grafschaft  Oldenburg.    300.  Grafschaft  Tecklenburg  und  Lingen.  451 


Durch  die  auf  dem  Reichstage  zu  Regensburg  1541  von  Karl  V.  er- 
lassenen Privilegien  an  die  Bremer  war  der  letzte  Rest  der  Abhängigkeit  vom 
Erzbischofe  gelöst  worden.  Es  wurde  dem  Rat  der  Stadt  die  Herrschaft  in 
den  vier  Gohen  bestätigt:  Vieland,  Werderland,  Hollerland  und  Blockland  nebst 
Walle  und  Gröpelingen,  ferner  Neuenkirchen,  Blumenthal,  Bederkesa  und  Lehe 
und  die  Zölle  zu  Burg  und  Warturm.    Cf.  van  Bippen  H,  114  f. 

299.  Grafschaft  Oldenburg  hatte  unter  seinem]  Grafenhause  bis 
1550  eine  gröfsere  Ausdehnung  wieder  angenommen. 

1.  Die  friesische  Wede  (das  Land  um  Varel,  Bockhorn  und  Zetel), 
deren  Bewohner  schon  1386  Oldenburgs  Hoheit  anerkannt  hatten.  Aber  erst 
nach  langwierigen  Kämpfen  mit  den  ostfriesischen  Häuptlingen  fiel  jene  Land- 
schaft 1481  an  Oldenburg.    Böse,  Oldenburg,  8.312. 

2.  Stad-  und  Butjadinger  Land.  Für  die  Bremer  war  der  Besitz 
der  Wesermündung  von  hoher  Bedeutung.  Die  zu  Gewalttaten  immer  geneigten 
friesischen  Häuptlinge  jener  Landschaften  waren  nach  Erbauung  (1407)  der 
Zwingfeste  Friedeburg  bei  Atens  1420  bewältigt  worden;  Bremen  mufste  aber 
schon  1424  wieder  das  Land  räumen.  —  An  ihrer  Stelle  suchen  sich  später 
die  Oldenburger  in  den  Besitz  des  I>andes  zu  setzen  und  in  Verbindung  mit 
den  Herzögen  von  Braunschweig,  Lüneburg  und  Calenberg  wurden  sie  1514 
desselben  Herr.  Bei  der  Teilung  erhält  Graf  Johann  XIV.  von  Oldenburg  das 
Stadland,  während  die  Herzoge  sich  in  das  Butjadinger  Land  teilen.  Braun- 
schweig- Wolfenbüttel  erhielt  Eckwarden,  Tossens  und  die  Hälfte  von  Lang- 
warden ;  die  andere  Hälfte  nebst  Burhave  bekam  Braunschweig-Lünehurg,  und 
Waddens  und  Blexen  Braunschweig-Calenberg.  Doch  veräußerten  diese  sehr 
bald  ihren  Landbesitz,  so  dafs  Johann  XIV.  schon  1523  das  ganze  Stad-  und 
Butjadinger  Land  in  seiner  Hand  vereinigt  hatte.  1534  wurde  ihm  der  Besitz 
von  Karl  V.  bestätigt.  Böse,  1.  c.  S.  158 — 162.  Kohli,  Beschr.  des  Herzog- 
tums Oldenburg  1824,  I,  18  f. 

3.  Delmenhorst  war  infolge  Verschuldung  der  Grafen  trotz  des  Haus- 
vertrages von  1360  an  das  Bremer  Erzstift  1380  verpfändet  und  1423  verkauft 
worden.  Doch  1436  mufste  der  Erzbischof  Nikolaus  von  Bremen,  der  selbst 
ein  Graf  von  Delmenhorst  war,  jene  Landschaft  wegen  Schulden  an  die  Olden- 
burger (Dietrich  den  Glücklichen)  verkaufen. 

So  waren  unter  Dietrich  und  seinem  Sohne  Gerhard  beide  Grafschaften 
wieder  vereinigt  bis  zum  Jahre  1483,  wo  Bischof  Heinrich  II.  von  Münster 
und  Bremen,  den  Räubereien  Gerhards  ein  Ende  machend,  Delmenhorst  be- 
setzte. Seit  1497 — 1547  war  es  allein  in  der  Hand  des  münsterschen  Stiftes. 
Graf  Anton  I.  von  Oldenburg  nahm  es  1547  mit  Gewalt  und  führte  so  von 
neuem  eine  Vereinigung  herbei.  Kohli,  Oldenburg  I,  20.  Böse,  L  c.  S.  461  ff., 
3HS  f. 

300.  Grafschaft  Tecklenburg* und  Lingen.   Die  (um  die  gräflich 
Lippesche  Burgherrschaft  Rheda  vergrößerte)  Grafschaft  Tecklenburg 
wurde  1400  stark  verkleinert,  indem  Nikolaus  II.  an  das  Bistum  Münster 
fast  die  ganze  nördliche  Hälfte  seines  Landes  abtreten  mufste.    Das  ihm 
allein  verbliebene  Stammland  mit  Rheda  teilten  1508  seine  Enkelkinder 
Otto  VII.  (f  1541)  und  Nikolaus  IV.,  so  dafs  seitdem  zwei  Grafschaften 
Tecklenburg  und  Lingen  nebeneinander  bestanden.  Nach  Nikolaus' 
Tode  (f  1534)  verlieh  Karl  V.  die  erledigte  Grafschaft  Lingen  an  den 
Grafen  von  Büren. 

Die  fortwährenden  Feindseligkeiten  zwischen  Nikolaus  II.  und  den 
Bischöfen  von  Osnabrück  und  Münster  führten  1394  zur  Eroberung  der  Clop- 
penburg, Schnappenburg  und  Burg  to  Oyte  und  nach  einem  erneuten  Einfall 

29* 


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452 


IX.  Politische  Geographie  um  da«  Jnhr  1550. 


Nikolaus'  zur  endgültigen  Niederwerfung  desselben  und  dem  Vertrag  von  Münster 
25.  Oktober  1400.  Auf  diesem  wurden  von  der  Grafschaft  Tecklenburg  an 
Münster  abgetreten:  Herrschaft,  Amt  und  Burg  Cloppenburg,  Burg  und  Stadt 
Oyte,  Burg  Schnappe  mit  allen  Herrlichkeiten  in  den  Kirchspielen  Oyte,  Crapen- 
dorf,  Lastrup,  Essen  a.  Hase,  Löningen,  Lindern,  Molbergen,  am  Waterstrom 
(Barssel),  im  Saterlandc  und  Scharlevresen  (Markhausen),  im  Emslande  besonders 
dem  Hümmeling;  ferner  Amt,  Burg  und  Stadt  Bevergen  mit  allen  Herrlich- 
keiten etc.  in  den  Kirchspielen  Bevergen,  Riesenbeck,  Saerbeck,  Greven,  Hem- 
bergen, Detten,  Rheine,  die  Hälfte  von  Schapen  und  Gravenhorst  mit  Kloster. 

Otto  VII.  und  Nikolaus  IV.  teilten  1508  die  Grafschaft.  Nikolaus  erhielt 
das  fortan  als  neue  Grafschaft  auftretende  Amt  Li n gen  mit  den  vier  im 
NW.  von  Tecklenburg  gelegenen  Kirchspielen  Ibbenbüren,  Recke,  Mettingen 
und  Brochterbeck.  Otto  behielt  Tecklenburg  und  Rheda.  Esselen,  Gesch. 
der  Grafschaft  Tecklenburg  127.  —  Nach  Nikolaus' Tode  1541  nahm  Konrad  I, 
der  Sohn  jenes  Otto  (f  1534),  die  Grafschaft  Lingen  für  sich  in  Anspruch, 
ohne  die  Belehnung  des  Kaisers  nachzusuchen.  Doch  war  Konrad  schlielslich 
gezwungen,  zurückzutreten  und  Karl  V.  verlieh  die  Grafschaft  Lingen  1548 
an  Graf  Max  von  Büren.  Holsche,  Beschr.  v.  Tecklenburg,  S.  63.  Konrad 
blieb  auf  seine  Grafschaft  Tecklenburg  und  Rheda  beschrankt. 

301.  Grafschaft  Bentheim.  Nach  dem  Tode  Bernhards  I.  (1365 
bis  1421),  der  keine  Nachkommen  hatte,  ging  die  Grafschaft  an  das  Hau* 
Güterswyk  über.  Bernhards  Schwester  hatte  Everwin  von  Güterswyk  ge- 
heiratet. Ihr  Enkel  Everwin  I.  (1421 — 1454)  wurde  der  Nachfolger  Bernhards. 
Durch  seine  Ehe  mit  Metta  (Mathilde)  von  Steinfurt  füllt  ihm  1421  diese 
Herrschaft  zu,  sowie  in  demselben  Jahre  durch  den  Tod  seines  Grofr 
oheims,  eben  jenes  Bernhard,  die  Grafschaft  Bentheim.  Nach  seinem  Tode 
1454  fand  jedoch  eine  Trennung  von  Bentheim  und  Steinfurt  statt,  die 
aber  unter  Arnold  II.  wieder  vereinigt  wurden. 

Der  Stammsitz  des  ehemaligen  reichsunmittelbaren  Hauses  Güterswyk. 
(Goterswyk,  Gruterswic)  lag  im  Herzogtum  Cleve,  eine  halbe  Meile  von  Wesel 
(1003  in  Urkunde  Heinrichs  II.  schon  genannt)  v.  Raet  v.  Bögelskamp,  L  c.  I,  222 
225  f.  Möller,  L  c.  S.  223.  —  Das  1324  verkaufte  Amt  Emblichheim  war 
von  den  Herren  von  Borkclo  an  die  Herren  von  Gramsbergen  und  von  diesen 
1440  wieder  an  Bentheim  verkauft  worden;  von  Raet,  S.  118.  Möller. 
S.  230.  —  Everwin  I.  hatte  für  seinen  Sohn  Bernhard  H.  die  Grafschaft  Bentheim, 
für  Arnold  Herrschaft  Steinfurt  bestimmt.    Die  Söhne  beider  hiefsen  Everwin , 
sie  schlössen  1487  eine  Erbvereinigung.    Da  Everwin  von  Bentheim  1530  ohne 
männliche  Nachkommen  starb,  so  fiel  Bentheim  gemäfs  dem  Vertrage  an  Stein 
fürt,  welches  inzwischen  zur  Grafschaft  erhoben  worden  war.    Everwin  von 
Steinfurth  Sohn  Arnold,  14518 — 1553,  hatte  überdies  die  Tochter  des  Bentheimer 
Grafen  Maria  geheiratet.    Möller,  236. 

303«  Jeverland  war  eines  der  sieben  friesischen  Seelande,  gebildet 
aus    den    drei  Landschafton  Rüstringen,  Ostringen  und  Wangerland 
die  um  1359  sich  unter  einen  Häuptling  Edo  Wimken  stellten.  Dieser 
baute  Schlofs  Friedeburg  und  Jever,  welches  dem  ganzen  Land  den 
Namen  gab.    Ein  späterer  Nachkomme  Hayo  Harles  nimmt  eine  Teilung 
vor  (1433),  indem  er  seiner  Schwester  Kniphausen  und  den  dritten 
Teil  von  Rüstringen  abtrat.   Es  lag  dieser  Gebietsteil  innerhalb  des  Jever 
landes,  bestehend  aus  der  Herrschaft  Kniphausen,  d.  h.  den  Kirchspielen 
Fedderwarden  und  Accum  und  der  Herrschaft  Inhausen,  d.  i.  dem  Kirch 
spiel  Sengwarden.   Harles'  Sohn  (1441)  führto  zuerst  den  Titel:  Häuptling 


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303.  Grafschaft  Ostfriesland.  453 

zu  Jever,  Rüstringen,  Ostringen  und  Wangerland.  —  Um  sich  gegen  die 
Ansprüche  der  ostfriesischen  Grafen  zu  wehren,  die  sich  vom  Kaiser  mit 
Ostfriesland  und  Jever  hatten  belehnen  lassen,  schlofs  sich  Edo  Wimken  II. 
von  Jeverland  an  den  oldenburgischen  Grafen  Johann  XIV.  an.  Die 
langjährigen  Fehden  wurden  erst  beigelegt,  als  Maria,  die  überlebende 
Tochter  Edos,  1532  ihr  Land  von  Karl  V.  als  Erblehen  zurückempfiug. 

Vgl.  im  einzelnen  Boso,  Oldenburg,  S.  216,  252  f.  Arends,  Ostfries- 
land u.  Jever,  1819,  II,  285. 

303.  Grafschaft  Ostfrlesland  hatte  seit  Mitte  des  XIV.  Jh.  unter 
Häuptlingen  gestanden,  von  denen  einzelne  ihren  Machtbereich  zu  ver- 
gröTsern  wufsten,  natürlich  nicht  ohne  heftige  Fehden  untereinander. 
1430  schlofs  ein  grofser  Teil  der  Friesen  den  sogenannten  »Bund  der 
Freiheit  und  erkannte  Edzard  Cirksena,  den  ehemaligen  Häuptling 
von  Greetsiel  und  Norden,  als  gemeinsamen  Anführer  an.  Sein  Bruder 
Ulrich  Cirksena  (1441 — 1466)  wurde  durch  Kaiser  Friedrich  III.  in 
den  Reichsgrafenstand  erhoben  und  mit  dem  Lande  zwischen  Ems  und 
Weser  belehnt.  Den  Hausbesitz  hatten  er  und  seine  Nachfolger  zum 
Teil  durch  Heiraten  vergröfsert,  doch  war  es  ihnen  nicht  gelungen, 
die  Grafenwürde  in  dem  ihnen  vom  Kaiser  zugesprochenen  Lehens- 
gebiete zur  Geltung  zu  bringen. 

Edzard  hatte  als  Anführer  des  Bundes  noch  lange  mit  einigen  wider- 
spenstigen Häuptlingen  zu  kämpfen.  1436  und  1438  huldigten  ilim  die  Städte 
Norden  und  Aurich.  Durch  zweimalige  Heirat  hatte  er  Pilsum  und  Berum 
ererbt. 

Auch  Ulrich  erwarb  so  Esens  und  Stedesdorf  und  durch  Heirat  mit 
Theda,  der  Enkelin  Fokke  Ukenas,  des  alten  Erbfeindes  der  Cirksenas,  auch 
dessen  Gebiet  (Moormer-,  Oberledinger-  und  Lengenerland).  Perizonius, 
Gesch.  Ostfrieslands,  Weener  1868,  I,  169. 

Im  Jahre  1454  trug  Ulrich  dem  Kaiser  sein  Land  zu  Lehen  auf  und  er- 
hielt es  als  Reichsgraf schaft  Ostfriesland  von  ihm  zurück.  Die  Lehens- 
urkunde führt  als  zugehörig  auf:  »die  Schlösser,  Städte  und  Ämter,  Emden, 
Norden,  Greetsiel,  Berum,  Esens,  Jever,  Friedeburg,  Aurieh,  Leerort,  Stick 
hausen  und  Lengen,  und  die  anderen  Schlösser  und  Dörfer,  die  da  liegen  von 
der  Wester-Ems  ostwärts  bis  an  die  Weser  mit  Butjadingen  und  Stadland  mit 
allen  Eilanden,  die  neben  dem  ganzen  Lande  Ostfriesland  in  der  See  nord 
wärts  liegen  und  südwärts  bis  zu  den  deutsehen  Pfählen  von  der  Ae  (einem 
Flüfschen,  welches  westlich  der  Ems  durch  das  Gebiet  des  heutigen  Dollart 
Hofs,  so  dafs  also  auch  ein  Teil  des  Rheiderlandcs  hierzu  gehörte)  bis  Detern 
(a  d.  Jumme),  Lengen  und  dem  Hampol  mitsamt  der  Friesischen  Wedec 
Cf.  Perizonius,  1.  c.  I,  170,  177.    Klopp,  Gesch.  Ostfr.  I,  228. 

Über  die  Urkunde  cf.  H  c  r  q  u  e  t ,  Die  Echtheit  des  ersten  kaiserl.  Lehnbriefes 
f.  Ostfr.  von  1454  u.  s.  Verh.  z.  d.  beiden  anderen  1463  u.  64,  in  Emdener 
Jahrb.  f.  Kunst  u.  Alt.  V,  1,  1—13  u.  VI,  2,  149—164.  Alle  halten  ihn  für  echt, 
aufser  v.  Bippen,  in  Hist.  Z.  44,  301  ff.  u.  Hansische  Bl.  1884,  III.  Ulrich  u. 
seine  Nachfolger  vermochten  aber  im  O.  ihrer  Grafschaft  nicht  Boden  zu  ge- 
winnen und  Ulrich  liefs  in  späteren  I,ehenbriefen  sich  seinen  Besitz  nochmals 
bestätigen,  doch  fehlen  in  diesen  schon  Jever,  Friedeburg  und  Esens.  Cf. 
O.  Klopp,  Gesch.  Ostfrieslds.,  1854,  I,  237. 

Das  Butjadinger  Land  ging  1514  unter  Edzard  I.  (f  1528)  endgültig  an 
Oldenburg  verloren.  Desgleichen  Jever,  wo  Fräulein  Maria  1532  belehnt 
worden  war  (s.  d.).  Harlinge  Hand  schied  ebenfalls  aus,  weil  hier  der  Häuptling 
und  Seeräuber  Balthasar  mit  Hilfe  des  Geldrischcn  Hofes  sich  von  Enno  II. 


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454 


IX  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


unabhängig  gemacht  hatte.  Bal- 
thasars Schwester  Unna  war  an 
den  Grafen  Iiietberg  verheiratet 
und  machte  nach  Balthasars  Tode 
(1540)  Ansprüche  auf  das  Ilar- 
lingerland  gegenüber  Bremen , 
welches  es  an  sich  gerissen.  1547 
belehnte  aber  Karl  V.  jene  Onna 
von  Rietberg  mit  dem  Lande, 
cf.  Klopp,  1.  c.  I,  387  f.  Peri- 
zonius  II,  99. 

304.  Habsburglsche  Nieder- 
lande. DicVeränderungen,  die 
sich  hier  vollzogen  hatten,waren 
lediglich  durch  das  Aussterben 
der  alten  Grafen-  und  Fürsten- 
häuser in  männlicher  Linie  und 
die  Vererbung  ihrer  Lande  an 
die  Töchter  und  deren  Gatten 
hervorgerufen  worden.  Die 
schliefsliche  Vereinigung  des 
gröTsten  Teiles  der  Niederlande 
im  Hause  der  burgundischen 
Valois  wurde  eingeleitet  durch 
die  Vermählung  Philipps  des 
Kühnen  von  Burgund  (t  1404) 
mit  Margarete,  der  Tochter  des 
letzten  Grafen  von  Flandern, 
Ludwigs  III.  (1384).  —  In  der 
Grafschaft  Holland  hatten  seit 
1345  die  Baiern  regiert;  die  Erb- 
tochter Wilhelms  VI.  Jakobäa, 
die  vorübergehend  mit  Herzog 
Johann  von  Brabant  vermählt 
war,  mufste  ihre  Grafschaft 
sich  von  ihrem  Oheim  Johann, 
dem  ehemaligen  Bischof  von 
Lüttich,  erst  erkämpfen.  In- 
dessen auch  Philipp  der  Gute, 
der  Enkel  Philipps  des  Kühnen, 
machte  Ansprüche  auf  Hol- 
land und  besonders  nach  dem 
Tode  Johanns  1425,  zumal 
seine  Mutter  Margarete  eine 
Schwester  Wilhelms  VI.  und 
Johanns  war.  Der  blutige  und 
von  Jakobäa  mit  Energie  ge- 
führte Streit  endigte  1428,  in- 


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304.  Habsburpische  Niederlande.  455 

dem  sie  durch  mancherlei  Schicksalsschläge  gebrochen,  an  Philipp  den 
Guten  Hennegau,  Holland  und  Zeeland  abtreten  mufste.  —  Im  Herzogtum 
Brabant  hatte  der  Lützelburger  Wenzel  (Bruder  Kaiser  Karls  IV.)  die 
Erbtochter  Johanna  zur  Ehe.  Als  Wenzel  1383  kinderlos  starb,  setzte 
sie  Philipp  den  Kühnen  zum  Erben  von  Brabant  und  Limburg  ein ;  doch 
erst  dessen  jüngster  Sohn  Anton  gelangte  nach  dem  Tode  Johannas  1406 
zur  Regierung.  Anton  war  mit  Elisabeth  von  Görlitz,  einer  Enkelin 
Kaiser  Karls  IV.,  vermählt,  der  ihr  1411  das  Herzogtum  Lützelburg 
(welches  er  seit  seines  Onkels  Wenzel  Tode  1383  besafs),  geschenkt  hatte. 
Da  Antons  Söhne  1430  kinderlos  starben,  so  fielen  Brabant  und  Limburg 
an  deren  Vetter  Philipp  den  Guten.  Auch  Lützelburg  trat  Antons 
Witwe  Elisabeth  1441  an  letzteren  ab.  —  Philipp  der  Gute  hatte  überdies 
schon  1429  Namur  von  dem  verschuldeten  und  kinderlosen  Fürsten 
gekauft. 

Philipps  Sohn,  Karl  der  Kühne  (1467 — 1477),  hatte  1472  Arnold  von 
Egmond  das  Herzogtum  Geldern  abgekauft.  Dort  war  nach  dem  Tode 
Rainalds  III.  1371  ein  Erbfolgekrieg  ausgebrochen,  nach  dessen  Beendigung 
1379  sein  Neffe  Wilhelm  von  Jülich  zur  Regierung  gelangte,  der  auch 
Jülich  selbst  erbte;  da  er  (1402)  und  auch  sein  Bruder  Rainald  IV.  1423 
kinderlos  starben,  so  folgte  sein  Grofsneffe,  jener  Arnold.  In  den  nach- 
folgenden Wirren  (nach  Karls  des  Kühnen  Tod  1477),  hervorgerufen 
durch  Arnolds  Sohn  Adolf  und  dann  seinen  Enkel  Karl,  brachte  es 
schliefslich  Kaiser  Karl  V.  dahin,  dafs  letzterer  Geldern  und  Zütphen 
ihm  zu  Lehen  auftragen  mufste  (1528). 

Karls  des  Kühnen  Tochter  Maria  war  die  reiche,  vielumworbene 
Erbin  des  burgundischen  Herzogtums  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  im 
Norden  und  Süden.  Ihre  Vermählung  mit  Maximilian,  dem  Sohn  Kaiser 
Friedrichs  III.,  brachte  den  ganzen  Länderbesitz  an  das  Habsburger 
Haus.  Nach  Marias  Tod  1482  folgte  ihr  Sohn  Philipp  der  Schöne 
(seit  1494),  anfangs  unter  Vormundschaft  seines  Vators,  und  auf  Philipp 
dessen  Sohn  Karl  V.,  durch  welchen  die  noch  fehlenden  Gebiete  der 
Niederlande  (mit  Ausnahme  des  Bistums  Lüttich)  hinzuerworben  wurden. 
Zunächst  war  es  das  Stift  Utrecht,  welches  durch  Streitigkeiten  bei 
den  Bischofs  wählen  immer  viel  zu  leiden  gehabt  hatte,  und  1527  teilweise 
in  die  Gewalt  Karls  von  Geldern  gekommen  war.  Der  Bischof  Heinrich 
knüpfte  mit  dem  Habsburgischen  Hause  an  und  trat  1529  die  weltliche 
Herrschaft  über  das  Utrechtsche  Stiftsland  an  den  Kaiser  Karl  V.  als 
Herzog  von  Brabant  und  Grafen  von  Holland  ab.  Einige  Jahre  vorher 
war  auch  Friesland  den  Habsburgischen  Niederlanden  einverleibt  worden. 
Der  nicht  zu  bändigende  Freiheitssinn  der  Friesen  hatte  alle  Versuche 
der  holländischen  Grafen,  aulser  Westfriesland  sich  auch  Mittelfrieslands 
östlich  der  Zuidersee  zu  bemächtigen,  vereitelt;  trotz  der  Parteiungen 
unter  den.  Friesen  selbst,  trotz  mancher  Erfolge  seitens  der  Gegner 
bewahrten  sie  ihre  Unabhängigkeit.  Sie  wurde  ihnen  erst  durch  den 
Erbstatthalter  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  1498  endgültig  genommen. 
Sein  Sohn  Georg  trat  diese  Würde  1524  käuflich  an  Karl  V.  ab.  Nach 
langem  Widerstande  wurde  1538  auch  Groningen  erworben.  Geldern, 


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456  IX.  Politische  Geographie  um  da»  Jahr  1550. 

iin  Lehensverhältnis  zu  Habsburg  stehend,  hatte  inzwischen  seinen  Herrn 
gewechselt.  Dem  letzten  Herzog  von  Cleve  wurde  das  Land  1543  im 
Vertrage  von  Venlo  von  Karl  V.  abgenommen. 

So  hatte  Karl  V.  das  gesamte  burgundische  Reich  in  seiner  Hand  ver- 
einigt und,  was  die  Niederlande  anbetrifft,  vergröfsert.  Die  Niederlande,  eine 
Bezeichnung,  die  übrigens  schon  im  XII.  Jh.:  Terra  inferior.  Terrae  inferiores 
auftritt  (vgl.  Waitz,  DV.  V,  16H),  umfalsten  die  17  Provinzen:  Bntbant,  Limburg. 
Lützelburg  (Luxemburg),  Gelderland,  Flandern,  Artois,  Hennegau,  Holland. 
Zeeland,  Namur,  Friesland,  Ryssel  mit  Französisch-Flandern,  Doornick,  Mecheln, 
Utrecht,  Overyssel  mit  Drenthe  und  Groningen.  (Noch  nicht  einbegriffen 
waren  die  Bistümer  Lüttich  und  Cambray.)  Auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg 
1548  wurden  sie  zusammen  mit  der  Franche-Comte  zum  burgundischen  Reiche 
vereinigt.  Doch  sollte  die  Zugehörigkeit  zum  Deutschen  Reich  nicht  lange 
währen,  da  sich  noch  vor  Schlufs  des  XVI.  Jh.  die  nördlich  der  unteren 
Scheide  und  Maas  gelegenen  Provinzen  als  Republik  losrissen. 

305.  Erzbistum  Cöln  hatte  auch  in  dieser  Periode  mehrere  Er- 
werbungen zu  dem  bisherigen  Territorialbestande  gemacht:  Stadt  und 
Land  Linn  und  Ürdingen,  das  ehemalige  Reichsgut  Kaiserswerth,  aber 
auch  einige  Verluste  zu  verzeichnen. 

Stadt  und  Land  Linn  mit  sechs  Dörfern  wurden  von  der  Herzogin  Mathilde 
von  Geldern  an  das  Erzstift  1378  in  Pfand  gegeben.  Kaiserswerth  war  lange 
an  Cöln,  dann  an  Jülich  (1306)  verpfändet,  1368  an  Ruprecht  von  der  Pfalz, 
1399  an  die  Grafen  von  Cleve,  von  denen  es  1424  an  das  Erzstift  durch  Kauf 
überging.  —  Unter  Erzbisch of  Dietrich  von  Moers  (1444 — 1449)  wurde  die  Graf 
schaft  Recklinghausen  (in  Westfalen)  verpfändet.  Auch  che  Stadt  Soest  ging 
infolge  der  Soester  Fehde  1447  an  Cleve  verloren. 

306.  Herzogtum  Jülich  -  Cleve  -  Berg,  Grafschaft  Mark  -  Ravensberg, 
Herrschaft  Ravenstein.  Alle  die  genannten  Territorien  waren  im  Jahre 
1550  in  einer  Hand  vereinigt.  In  Cleve -Mark  safsen  «He  Nachkommen 
Adolfs  (f  1347)  von  Mark  und  der  Margarete  von  Cleve,  von  denen 
besonders  Adolf  IL  (VI.)  sich  hervorgetan  hat  (Lymers  und  Ravenstein); 
von  Sigismund  wurde  er  zum  Herzog  von  Cleve  erhoben  (1417).  Unter 
Johann  III.  (f  1539)  fand  die  Vereinigung  mit  Jülich  -  Berg- Ravens- 
berg statt. 

Im  Herzogtum  Jülich  war  die  Regentschaft  von  Wilhelm  IL  1393  auf 
seinen  Sohn  Wilhelm  III.  übergegangen,  der  durch  Erbschaftsansprüche 
seiner  Mutter,  Maria  von  Geldern,  bereits  1379  zum  Herzog  von  Geldern 
ernannt  worden  war.  Da  er  1402  kinderlos  starb,  so  gingen  Land  und 
Titel  an  seinen  ebenfalls  kinderlosen  Bruder  Reinhold  IV.  über.  Nach 
dessen  Tode  1423  fiel  Jülich  (Geldern  wurde  abgetrennt  und  kam  an 
Arnold  von  Egmond)  an  die  Nebenlinie  des  Jülichschen  Hauses,  welche 
Wilhelms  II.  Bruder  Gerhard  I.  (+  13*50)  mit  der  Erbin  von  Berg  und 
Ravensberg  begründet  hatte.  In  dem  Berg- Ravensbergischen  Hause  war 
aber  inzwischen  eine  Teilung  unter  den  Söhnen  des  1380  zum  Herzog 
erhobenen  Wilhelm  I.  (f  140H)  eingetreten :  Wilhelm  II.  erhielt  Ravensberg, 
der  ältere  Adolf:  Berg.  An  diesen  fiel  zunächst  das  Herzogtum  Jülich 
und  nach  seinem  Tode  1437  an  seinen  Neffen  Gerhard  IL  (f  1475).  Doch 
schon  mit  dessen  Sohne  starb  die  männliche  Nachfolge  1511  aus  und  «lie 
einzige  Erbin  der  vereinigten  Herzogtümer  Marie  hatte  Johann  III.,  dem 


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307.  Grafschaft  Manderscheid.    308.  Erzbistum  Trier. 


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Erben  von  Cleve-Mark-Ravenstein  die  Hand  gereicht  und  damit  die  Ver- 
einigung auch  mit  diesen  Territorien  herbeigeführt.   (Vgl.  Tabelle  S.  251.) 

307.  Grafschaft  Manderscheid.  Das  in  zwei  Linien  (Manderscheid 
und  Kerpen)  geteilte  Dynastenhaus  sollte  in  dieser  Periode  zu  einem 
grösseren  Länderbesitz  kommen.  Die  Kerpener  Linie  starb  1507  mit 
Friedrich  HI.  aus  und  seine  Tochter  Margarete  von  Sombreff  bringt  die 
Herrschaft  Kerpen  ihrem  Gemahl  Dietrich  IV.  von  Manderscheid -Schleiden 
zu.  Eine  bedeutende  Erwerbung  hatte  vorher  Dietrich  III.  gemacht,  indem 
er  durch  Heirat  mit  Elisabeth,  der  Erbtochter  des  Hauses  Schleiden,  die 
Herrschaften  Schleiden  und  Blankenheim  erbte  (1468).  Von  Dietrichs 
Söhnen  wurden  drei  neue  Linien  gestiftet,  von  denen  die  ältere  von  Kuno 
gestiftete,  Manderscheid-Sehleiden,  durch  Heirat  noch  Virneburg,  Cronen- 
burg  und  Neuerburg  erwarb.  Kunos  Sohn  war  jener  vorher  genannte 
Dietrich  IV.,  der  Kerpen  erwarb.  Die  von  Dietrichs  III.  Sohne  Johann 
gestiftete  Linie  Manderscheid-Blankenheim  besafs  Blankenheim,  Gerolstein, 
.Junkerrath,  Erp  und  Bettingen.  Die  vom  dritten  Sohn  Dietrichs  Wilhelm 
gegründete  Linie  Manderscheid  -  Kail  besafs  die  Herrschaft  Kail  mit  der 
Burg  Oberkail,  Eisenschmidt,  Solmlmch,  Karlshütte,  Bier,  Eulendorf, 
Gelsdorf  und  Schwarzenborn.  Wilhelms  Sohn  Jakob  (f  1562)  ererbt 
durch  seine  Frau  Anna  die  Herrschaft  Dollendorf. 

308.  Erzbistum  Trier.  Zu  den  Vergrößerungen  des  ErzstitVs 
gehörten  die  Herrschaften  Schönberg  und  Schönecken;  letzteres  wurde 
mit  13  Ortschaften  dem  König  Wenzel  abgekauft  (1384);  ferner  die  Herr- 
schaft Limburg  a.  d.  Lahn  1414,  als  die  dortige  Dynastenlinie  ausge- 
storben war. 

309.  Wild-  und  Rheingrafsehaft.    Unter  Johanns  II.  Söhnen  trat 
abermals  eine  Spaltung  in  zwei  Linien  und  Territorien  ein,  indem  der  eine 
Sohn  Johann  III.  das  wildgräfliche  Erbe,  der  andere  Friedrich  das  rhein- 
gräfliche erhielt.    Des  letzteren  Nachkommenschaft  starb  1491  aus.  Einen 
erheblichen  Gebietszuwachs  hatte  die  Johannsche  Linie  zu  verzeichnen. 
Durch  die  Heirat  Johanns  V.  (f  1495)  mit  Johanna  von  Obersalm  gewann 
er  die  Hälfte  der  Herrschaft  Salm;  sein  Nachfolger  Johann  VI.  (t  1499) 
auf  dieselbe  Weise  durch  seine  Gemahlin  die  Herrschaften  Dimringen, 
Vinstingen  u.  a. ;  überdies  fiel  ihm  die  Rheingrafschaft  der  ausgestorbenen 
Linie  Friedrichs  zu.    Seine  Söhne  teilten  das  Territorium  wieder  und 
stifteten  zwei  Linien,  Philipp  (t  1521)  die  Linie  Dhaun,  Johann  VIT.  (f  1531) 
die  Linie  Kirburg. 

Die  wildgräfliehe  Linie  Kirburg  war  mit  Otto  1409  erloschen  (s.  Tafel 
S.  257).    Johann  III.  mit  Adelheid  von  Kirburg,  einer  Nichte  jenes  Otto  ver- 
mählt, war  von  seinem  Schwiegervater  Gerhard  und  Otto  selbst  in  den  Mitbesitz 
des  gesamten  Kirburger  Landes  gesetzt  worden.    Der  hierüber  mit  anderen 
Verwandten,  den  Herren  von  Dune  und  Oberstein  ausgebrochene  Streit  wurde 
1414  beigelegt.    Johann  III.  blieb  im  Besitz  von  Kirburg.   Schneider,  Gesch. 
d.  wild-  und  rheingräfl.  Hauses,  S.  80  f.    Johann  V.  erwarb  dureh  seine  Heirat 
1474  die  Herrschaft .  Kotslar  am  Nordende  des  Waldes  von  Soigne  mit  den  vier 
Orten  Rotseiare,  Meerbecke,  Eversbergs  und  Cadenberge;  ferner  1475  die  Hälft«' 
der  .Lehensherrschaft  Salm  im   Wasgau ,  die  Lehensherrschafteu  Mörchingen 
(Morange)  und  Püttlingen  (Putelange)  südwestlieh  von  Saargemünde  in  Lothringen. 


458 


IX.  Politische  Geographie  um  da«  Jahr  1550. 


Johann  VI.  erheiratete  mit  Johannette  Gräfin  von  Saarwerden  die  freien 
Herrschaften  Dimringen  mit  der  Stadt,  Herrschaft  Vinstingen  (Fenestrange)  in 
der  Nähe  von  Salm  im  Wasgau  und  Ogewiler  (Eigenweiler)  westlich  von  Sahn, 
Rayon  südwestlich  von  Luneville,  Asinenz  (Asmas,  Amance)  nordöstlich  von 
Nancy,  Neufwiller  südöstlich  von  Dimringen.  Die  zu  jenen  Herrschaften  gehörigen 
Orte  verzeichnet  Sehneider,  S.  56  f.  Ihm  fiel  auch  die  Rheingrafschaft  auf  dem 
Hunsrück  und  an  der  Nahe  zu.  Ks  gehörten  hierzu  die  Amter  Kirburg,  Wilden- 
burg, Thronecken  und  die  Mark  Thalfang,  Dhaun  mit  dem  Hochgerichtsland, 
Grumbach  mit  der  Heide  von  Sien,  das  Amt  Rheingrafenstein  mit  den  andern 
Besitzungen  an  der  Nahe  und  auf  dem  Gau. 

Nach  der  Teilungsurkunde  vom  6.  Januar  1520  zwischen  den  Söhnen 
Johanns  VI.  erhielt  Rheingraf  Philipp  als  Stifter  der  Linie  Dhaun:  1.  die 
Wildgrafschaft  Dhaun  (bestellend  aus  Tal  Dhaun,  Simmern  unter  Dhaun,  Über- 
hochstetten, Nechsthoehstetten,  St.  Johannisberg;  ferner  aus  dem  Amt  Rhaunen 
mit  Stipshausen,  Bollenbaeh,  Cromenau,  Oberkirn,  Weitersbach,  Sidzbach, 
Schwerbach ;  und  aus  dem  Gericht  Hausen  mit  Woppenrodt,  Wickerodt,  Gösen- 
roth, Raversbeuren);  2.  die  Rheingrafsehaft  Rheingrafenstein  (bestehend  aus 
Obersaulheini,  Eschenloch,  Bornheim,  Ober-  und  Nieder-Wendelsheim,  Stein- 
bockenheim, Münster  am  Stein,  Oberhausen,  Münsterappel,  Winterborn,  Nieder, 
hausen,  Hochstetten  a.  d.  Alsenz,  Alsenz);  3.  die  Grafschaft  Salm;  4.  die 
Herrschaften  Neufwiller,  Ogewiler,  Pouligny  und  Bayon. 

Rheingraf  Johann  VII.  erhielt  als  Stifter  der  Linie  Kirburg:  1.  die 
Wildgrafschaft  Kirburg  (bestehend  aus  Sien,  Lölbaeh,  Schweinsehied,  */■  Ober- 
reidenbaeh,  Niederhundsbach  [wüst],  Oberhachenbach  [wüst],  Otzweiler,  Bergen, 
Berschweiler,  Griebelschied,  Staufenberg  fwüst],  Staudernheim,  Oberstreits  Berg- 
weiler, Sulzbach,  Weierbach,  Meckenbach,  Niedermeckenbach  (wüst],  Kirchen- 
bollenbach, Wickenhof,  Wiesel-  und  Ehlenbach,  Zaubach  und  Kerbersheim ; 
2.  die  Herrschaft  Wildenburg  (bestehend  aus  Veitsrodt,  Kirschweiler,  Bruch- 
weiler, Schauern,  Kempenfeld,  Asbach,  Oberhusenbach,  Breitentheil,  Sonn- 
schied, Sensweiler,  Baalsbach  [wüst];  3.  Herrschaft  Dimringen;  4.  Herrschaft 
Merchingen;  5.  Herrschaft  Püttlingen;  6.  Herrschaft  Flonheim  mit  Uffhoven: 
7.  Herrschaft  Asmenz  und  die  Öffnung  des  Schlosses  Salm.  Gemeinschaftlich 
blieben  die  Herrschaften  Vinstingen,  Grumbach,  die  Bergwerke  bei  Rheingrafen- 
stein, Plaine,  Grandfontaine  und  Gemaingonte,  die  Waldung  von  Wildenburg 
und  Cromenau,  ferner  Kirn,  Sulzbach,  Meddersheim  und  Kirschroth.  Vgl.  Schnei- 
der, S.  133,  154  ff.    Fabricius,  Erläutrgn.  II,  468  ff. 

310.  Erzbistum  Mainz  hatte  zu  seinem  Territorialbesitz  einige 
Neuerwerbungen  gemacht. 

Greifenstein  im  NO.  von  Eschwege  wurde  1397  vom  Erzbischof  erobert. 
Eine  weitere  Erwerbung  wurde  im  Freigericht  Wilmundsheim  oder  Alzenau 
(nordwestlich  von  AsehalTenburg)  damals  angebahnt.  1400  hatte  Mainz  in  Alzenau 
schon  Fufe  gefafst,  bald  darauf  erwarb  es  von  den  Eppensteinern  käuflich 
weitere  Rechte  daselbst,  die  es  (bis  1736)  mit  den  Hanauern  gemeinsam  inne- 
hatte; es  betraf  dies  Somborn,  Hörstein  und  Alzenau.  15O0  wurde  beiden 
Teilhabern  das  Landgericht  von  König  Maximilian  als  Reichslehen  übertragen. 
—  Die  Eppenstciner  hatten  1424  auch  Steinheim  am  Main  mit  14  Dörfern 
verkauft. 

In  den  Jahren  1491,  1502  und  1505  war  Klingenberg  am  Main  durch 
Kauf  an  Mainz  gekommen.  —  Im  Jahre  1434  hatte  Mainz  die  Hälfte  von  Burg 
und  Vogtei  Lindau  (bei  Gieboldehausen)  von  Hildesheini  als  Pfand  erhalten. 
1492  wird  der  andere  Teil  verpfändet.  —  Das  ehemals  zu  Lorsch  gehörig» 
Gernsheim  am  Rhein,  das  an  Katzenelnbogen  und  dann  an  Hessen  verpfändet 
war,  wird  1621  vom  Erzstift  wieder  eingelöst.    Es  gehörten  drei  Dörfer  hierzu 

311.  Kurpfalz.  Die  Pfalzgrafschaft  hatte  unter  Ruprecht  I.  (j  1390) 
die  halbe  Oberpfalz  [an  Karl  IV.  eingebüfst,  doch  war  der  gröfste  Teil 


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311.  Karpfalz.  459 

unter  seinen  Nachfolgern  Ruprecht  II.  (f  1398)  und  Ruprecht  III.  (t  1410, 
seit  1400  König)  wieder  zurückerworben  werden.    Die  vier  Söhne  des 
letzteren  teilten  das  Land:  der  älteste  Ludwig  III.  erhält  die  Kurwürde 
und  die  altpfälzischen  Stammbesitzungen,  Johann  die  oberpfälzischen 
Lande  mit  Ausnahme  von  drei  Städten  und  fünf  Burgen,  der  dritte  Sohn 
Stefan  das  Gebiet  der  später  Simmerschen  und  Zweibrückischen  Pfalz- 
jirafenlinien  und  Otto  die  Besitzungen  in  den  Neckargegenden.    Die  Kur- 
linie hatte  unter  Ludwig  III.  (t  1436)  und  Ludwig  IV.  (t  1449)  eine  Reihe 
von  neuen  Erwerbungen  gemacht;  übertroffen  aber  wurden  diese  durch 
jene  Friedrichs  des  Siegreichen  (1449—1476),  der  durch  seine  Kämpfe  mit 
den  Lützelsteiner  Grafen,  mit  Ludwig  von  Veldenz,  sowie  mit  Mainz, 
Wirtemberg,  Baden  seinen  Machtbereich  beträchtlich  erweiterte.  Weniger 
glücklich  war  sein  Nachfolger  Philipp  ( —  1508),  der  in  den  bairisch- 
pfälzisehen  Erbfolgekrieg  verwickelt,  für  seino  Enkel  nur  ein  mäfsiges 
Stück  Land  im  Gebiete  von  Neuburg  an  der  Donau  erhielt.    Sehr  viel 
gröfser  aber  waren  seine  Gebietsverluste  an  Hessen,  Wirtemberg,  Nürn- 
berg sowie  an  die  Grafen  von  Ottingen  und  Ortenburg.   Seine  Schulden- 
last zwang  ihn  schliefslich  auch  zur  Veräufserung  einer  Reihe  von 
Besitzungen. 

Ruprecht  I.,  der  Gründer  der  Heidelberger  Universität,  hatte  gegen  Ende 
seiner  Regierung  noch  einige  Erwerbungen  gemacht:  1385  Kaiserslautern,  Zwei- 
briicken,  Hornbach  und  Bergzabern,  ferner  Burg  Triefeis,  Germersheini  und 
Anweiler;  durch  Kauf:  Ladenburg,  Mosbach,  Sinsheim,  Neckargemünd,  Sickingen, 
Flehingen,  Gimpern  und  Weingarten.  Ruprecht  II.  erwarb  Umstadt  und 
Otzberg ;  Ruprecht  III. :  Lauda  an  der  Taubor,  Herrschaft  Kirchberg  am  Hunds- 
rück, sowie  den  fünften  Teil  der  Grafschaft  Sponheim. 

Bei  der  Landesteilung  nach  Ruprechts  Tode  erhielt  Ludwig!  III.,  der  die 
Hauptlinie  mit  der  Kurwürde  fortsetzte:  Bacharach  und  Burg  Stahleck,  das 
Tal  Steeg  und  Feste  Stahlberg,  Lauburg,  den  Pfalzgrafenstein  und  Fürsten- 
berg, Diebach  und  Manebach,  Sürberg,  Alzei.  Neustadt,  Wolfsberg,  Mannheim 
und  Burg  Rheinhausen,  Wemheim,  Lindenfels,  Heidelberg  mit  seinen  zwei 
Burgen  und  Dilsberg;  in  der  Oberpfalz  die  Städte  Amberg,  Kemnat,  Nabburg, 
die  Burgen  Murach,  Waldeck,  Helfenberg,  Hurbsburg  und  Rüden,  aufserdem 
Stromberg  am  Rhein  imd  Neckargemünd,  sowie  gemeinsam  mit  den  Brüdern 
einige  Ortschaften  und  Recht  auf  Gefälle  und  Güter.  Näheres  bei  II  ausser, 
I,  264  ff.    Aufserdem  erwarb  er  zwei  Fünftel  der  Grafschaft  Sponheim  (1417). 

Ludwig  IV.  (1437 — 4149)  kaufte  den  letzten  Grafen  von  Löwenstein  1441 
ihre  Grafschaft  ab  und  erwarb  Meckmühl  a.  d.  Jaxt,  Aglasterhausen  u.  a. 

Sehr  umfassend  sind  die  Erwerbungen  Friedrichs  des  Siegreichen.  Häusser 
(1.  c.  I,  396—99)  gibt  ein  ausführliches  Verzeichnis  aller  Besitzungen  der  Pfalz 
zur  Zeit  Friedrichs,  auf  welches  hiermit  verwiesen  sei.  Durch  ihn  waren  hinzu- 
erworben worden:  Kaiserswerth,  Böckelnheim,  Ruprechtseck,  Pfeddersheim  und 
Armsheim;  zu  beiden  Seiten  des  Mittelrheins:  Lambsheim,  Dirmstein,  Wachen- 
heim, Alt-  und  Neu-Lciningen,  Bissesheim,  Erfenstein,  Grevenstein,  Hafsloch, 
Böhl,  Igelheim,  Stolzeneck,  Hornberg,  Wellersau,  Reilingen,  Hokenheim,  Rothen- 
burg; längs  der  neuerworbenen  Bergstrafse:  Handschuhsheim,  Dossenheim, 
Sehauenheim,  Schriesheim  mit  der  Strahlenburg,  Heppenheim  mit  der  Starken- 
burg und  Bensheim;  im  Württemberg-Badischen  Gebiet  das  Amt  Weinsberg, 
Besigheim,  Heidelsheim,  Eppingen;  im  Elsafs:  Lützelstein,  Einartshausen, 
Beinheim,  Cleeburg,  Hohenburg,  Löwenstein,  Wachsenstein,  Hohkonigsburg, 
Geispolzheim,  Bietenheim  u.  a.  —  Alle  diese  Besitzungen  wurden  in  18  Ämter 
eingeteilt. 


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460  I*  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 

Unter  Philipp  (1476—1508)  kam  die  sog.  Junge  Pfalz  hinzu,  im  wesent- 
lichen das  Gebiet  um  Neuburg  zu  beiden  Seiten  der  Donau.  Verzeichnis  der 
Orte  bei  Häusser  I,  490,  Anmkg.  3.  Verloren  gingen  durch  den  Krieg  an 
Hessen:  die  Orte  Umstadt,  Otzberg,  Rheinberg,  Schönberg,  Stein,  Bickenbach, 
Homburg  v.  d.  Höhe  und  Caub;  an  Wirtemberg:  Weinsberg,  Marbach,  Maul- 
bronn, Neustadt  a.  K.,  Meckmühl,  Besigheim,  Heidenheim,  Hellenstein:  an  den 
Pfalzgrafen  von  Veldenz:  Landsberg  und  Moschel;  an  die  Stadt  Nürnberg: 
Altdorf,  Bezenstein,  Hersbruck,  Hohenstein,  Grünsberg  u.  a.  Häusser,  1.  c.  491: 
daselbst  auch  S.  492  f.  das  Verzeichnis  der  verkauften  und  verpfändeten  Güter. 
—  Unter  seinen  Nachfolgern  Ludwig  V.  (—  1544)  und  Friedrich  II.  (—  155<i; 
trat  dann  keine  Veränderung  mehr  ein. 

312.  Pfalz  Simmern  und  Pfalz-Zwelbrücken.  Der  dritte  der  Söhne 
König  Ruprechts  Stefan  hatte  bei  der  Teilung  einen  Teil  der  Güter  auf 
dem  linken  Rheinufer  erhalten.  Durch  die  Heirat  mit  der  Erbgräfin 
Anna  von  Veldenz  ererbte  er  die  gleichnamige  Grafschaft  und  mit  ihr 
einen  Anspruch  auf  die  Grafschaft  Sponheim.  Der  ganze  Landbesitz 
wurde  unter  die  Söhne  Stefans  (f  1459)  geteilt.  Der  älteste  Sohn  Friedrich 
erhielt  den  veldenzischen  Anteil  an  Sponheim  und  von  seinem  väter- 
lichen Erbe  die  simmernschen  Besitzungen;  er  stiftete  die  hiernach  be- 
nannte Linie  Pfalz-Simmern.  Der  andere  Sohn  Ludwig  erhielt  Zwei- 
1  »rücken  und  Veldenz  und  gründete  die  Linie  Pfalz-Zweibrücken. 

Von  den  beiden  anderen  Söhnen  König  Ruprechts  hatte  Johann 
(t  1443)  die  Neumarkter  Linie  in  der  Oberpfalz  gestiftet,  die  mit  seinem 
Sohn  Christoph  III.  (zugleich  König  von  Dänemark)  schon  144H  aus 
stirbt.  Der  vierte  Sohn  Otto  I.  (Linie  Mosbach)  hatte  auch  nur  noch 
einen  Nachfolger,  der  1499  starb.  Die  Besitzungen  der  beiden  Linien 
fielen  somit  an  das  Kurhaus  zurück. 

Die  Besitzungen  Johanns  in  der  Oberpfalz  werden  verzeichnet  von 
Häusser  I,  323,  jene  Ottos  I.  auf  dem  Odenwalde,  am  Neckar  und  der  Berg- 
strafse  mit  den  beiden  bedeutenderen  Orten  Mosbach  und  Sinsheim  ibid.  1,  328. 

Die  Grafschaft  Sponheim-Kreuznach  (Vordere  Grafschaft,  vgl. 
S.  255)  war  mit  Simon  IV.  im  Mannesstamme  1414  erledigt.  Er  hatte  noch 
durch  seine  Gattin  die  Grafschaft  Vianden  mit  St.  Vith,  Bütgenbach  und 
Dasburg  im  Lützelburgischen  und  die  Herrschaft  Grimbergen  in  Brabant  ge- 
erbt. Seine  Tochter  Elisabeth  war  an  Ruprecht  Pipan  von  der  Pfalz  verrnählt. 
Sie  hatte  ein  Fünftel  der  Vorderen  Grafschaft  an  die  Kurpfalz  abgetreten, 
während  che  anderen  vier  Fünftel  bei  ihrem  Tode  1417  an  Johann  V.  von 
Spouheim-Starkenburg  fielen.  Johann  hat  ein  anderes  Fünftel  1422  abermals 
an  die  Kurpfalz  (Ludwig  III.)  verkauft.  Da  er  keine  Aussicht  auf  männliche 
Nachkommen  hatte,  so  bestimmte  er  1425  die  übrigen  drei  Fünftel  der  Vorderen 
und  che  ganze  Hintere  Grafschaft  für  seine  Vettern  Markgraf  Bernhard  von 
Baden  und  Friedrich  111.  von  Veldenz.  Letzterer,  ebenfalls  ohne  männliche 
Erben,  hatte  nur  eine  Tochter  Anna,  die  an  jenen  Stefan  von  Pfalz-Simrnern 
vermählt  war.  Als  Friedrich  von  Veldenz  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  starb 
fiel  sein  Anteil  an  der  Vorderen  und  die  halbe  Hintere  Grafschaft  an  Stefans 
Sohn:  Friedrich.  Veldenz  selbst  hei  an  den  anderen  Sohn  Ludwig  den 
Schwarzen.    Beide  begründen  die  obengenannten  Linien. 

Geographisch  verteilten  sich  die  Besitzungen  folgendermafsen: 

Pfalz -Simmer  n  (Friedrich)  bestand  aus  dem  veldenzischen  Anteil  an 
Sponheim  und  dem  Simmerachen  Gebiet:  Simmern,  Laubach,  Hohenrein. 
Argental,  Ravengersburg,  Waldeek,  Ehrenberg,  Wilburg,  Daubenheini,  Wachen 


313.  Grafschaft  Inningen. 


461 


heim,  Oggersheim,  Lamsheim,  teilweise:  Freinsheim,  Hügelheim,  Stromberg 
und  Landstuhl. 

Pf  alz -Zweibrücken  (Ludwig)  bestand  aus  der  ehemaligen  Grafschaft 
Veldenz  mit:  Veldenz,  Lichtenberg,  Cusel,  St.  Remigiusberg,  Nahfelden,  Pfedders- 
heim, Lauterecken,  Meisenheim,  Landsberg,  Moschel,  Odernheim,  Armsheim; 
hierzu  als  väterliches  Erbteil  die  Grafschaft  Zweibrücken  mit:  Zweibrücken. 
Hornbach,  Bergzabern,  Anteil  zu  Homburg,  Feste  Kirkel,  Öffnung  zu  Bunten- 
bock, Duchrod,  Hussen,  Gemeinschaft  zu  Gutenberg,  Falkenburg,  Minfeld,  Feste 
Wegelburg,  Neukastel,  Trifels,  Teile  zu  Nanstuhl.  Hochfelden,  Marlei,  Alten- 
wolf stein. 

Ruprecht  III.  f  1410 
von  der  Pfalz  (Konip  1400) 


Ludwig  III. 
f  1436 
Alte  Kurlinie 


Stefan  f 
mern-Zt 


1455) 
eibrürk 


Ludwig  IV 
t  1449 

I 

Philipp 
f  1508 


Friedrich 
d.  Siegreiche 
t  1476 


Friedrich 
Simmem 
f  1480 


Ludwig 
Zxceibriicken 
f  1489 


Johann 
Oherpfälz. 
Linie 
I 

Christoph  in. 
Kg.v.  Pancm. 

f  1448 

ttt 


Otto  I 
MoHbacher  L. 


1499 
ttt 


Friedrich  d  Fromme  (hentigo  köngl. 
"ttoHeinrich  mittlere  Kurlinie     Linie  in  Baiern ^ 

t  1559  f  1576 

ttt 

Von  seinem  Besitz  verlor  Ludwig  aber  durch  den  unglücklichen  Krieg 
gegen  Friedrich  den  Siegreichen  von  kurpfalz  (s.  d.)  einen  beträchtlichen  Teil 
1471.    Vgl.  das  Verzeichnis  bei  Häusser  1,  392. 

313.  Grafschaft  Leiningen.  Die  Grafenfamilie  war  in  zwei  Linien 
gespalten  (S.  261).  Die  ältere  Linie  Friedrichs  V.  war  mit  Hesso  1467 
erloschen  und  dessen  Schwester  Margarete,  die  an  Reinhard  V.  von 
Westerburg  (t  1449)  vermählt  gewesen  war,  wendete  einen  Teil  ihres 
Erbes  ihrem  Sohn  Kuno  (t  1450),  bzw.  ihrem  Enkel  Reinhard  VI.  zu. 
Die  Linie  nannte  sich  hiernach  Lein ingen- Westerburg.  Kunos  II. 
(t  1547)  Söhne  gründen  drei  neue  Linien  mit  entsprechendem  Territorial- 
hesitz:  Philipp  I.  erhielt  die  Grafschaft  Leiningen,  Alt-  und  Xeu-Neiningen; 
Reinhard :  die  Schlösser  Westerburg,  Schadeck  mit  einigen  Orten  und 
Georg  I.:  Schlofs  Schaumburg,  Cleeberg  mit  Zubehör. 

Die  jüngere  Linie  Gottfrieds  hatte  sich  unter  Emichs  IX.  (f  1541) 
•Söhnen  in  zwei  Linien  gespalten  :  Leiningen-I)agsburg-IIartenburg  (Johann 
Philipp  I.)  und  Leiningen-Dagsburg-Falkenburg  (Emich  X.). 

Jene  Margarete  von  Leiningen  hatte  nicht' das  ganze  'väterliche  Erbgut 
zu  behaupten  vermocht,  da  die  wormsischen  und  kurplälzischen  Lehen  als 
erledigt  angesehen  wurden  und  das  allodiale  Erbe  auch  von  der  Hartenburger 
Linie  angefochten  wurde.  Cf.  Brinckmeier,  Gesch.  des  Hauses  Leiningen 
II,  111. 

Von  Fritzmann  (f  1345),  einem  Sohne  Gottfrieds  I.,  war  eine  Nebenlinie 
Rixingen  {Ruxingen)  begründet  worden.  Kixingen  (Rechicourf)  war  eine  Herr- 
schaft  in  Ix)thringen,  deren  Herren  mit  Konrad  ausstarben.    Seine  Tochter 


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402 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


bringt  das  Territorium  ihrem  Gemahl 
Fritzmann  zu.  Doch  stirbt  diese 
Leiningensche  Linie  1506  sehon  aus. 
Die  Hälfte  fiel  an  das  Bistum  Metz, 
das  übrige  an  die  beiden  letzten 
Erbtöchter. 

314.  Bistum  Worms.  Das 

Städtchen  Neu-Leiningen  war 
wormsisches  Lehen,  und  das 
Stift  zog  es  1467  ein,  als  Graf 
Hesso  von  Leiningen  gestorben 
war.  Doch  gab  dieses  es  zur 
Hälfte  an  Pfalzgraf  Friedrich  von 
neuem  zu  Lehen,  während  die 
andere  Hälfte  an  die  Georgische 
Linie  von  Leiningen  kam,  die  es 
selbst  an  das  Bistum  verpfändete. 

315.  Herzogtum  Lothringen. 

Das  Aussterben  der  Dynastie  in 
männlicher  Linie  hatte  zu  wechsel- 
vollen Verwickelungen  geführt. 
Herzog  Johann  L  hinterliefs  1389 
zwei  Söhne,  Karl  I.  und  Fried- 
rich (t  1415),  von  denen  letzterer 
mit  Margarete,  der  Erbin  von 
Vaudemont  und  Joinville  ver- 
mählt war;  sie  war  die  Tochter 
des  Grafen  Heinrich  V.  von 
Vaudemont.  Karl  I.,  der  als 
Herzog  seinem  Vater  folgte,  hatte 
nur  eine  Tochter  Isabella,  die 
an  den  Grafen  von  Anjou  und 
Herzog  von  Bar  Renatus  L  ver- 
mählt war.  Gegen  beide  erhob 
Friedrichs  Sohn  Anton  An- 
spruch auf  die  Nachfolge  im 
Herzogtum,  wurde  aber  in  einer 
für  ihn  ungünstig  ausfallenden 
Schlacht  1431  zum  Verzicht  ge- 
zwungen. Renatus  (Rene")  I.  er- 
kannte 1452  seinen  Sohn  Johann 
als  Herzog  von  Lothringen  an 
(f  1470);  auf  letzteren  folgte 
dessen  Sohn  Nikolaus,  der  aber 
schon  1473  starb.  Damit  fiel  das 
Herzogtum  an  den  Mannosstamm 
der  Lothringer  zurück,  und  zwar 


316.  Grafschaft  Obei-aalm.    317.  Habsburg-ÖHtcrroichiache  Territorien.  463 


an  den  Sohn  Graf  Friedrichs  von  Vaudemont,  der  die  Tochter  Renatus'  I. 
Jolantha  geheiratet  hatte;  dieser  Sohn  war  Renatus  IL,  bei  dessen  Nach- 
folgern das  Herzogtum  zunächst  verblieb. 


Johann  I.  f  1389 


Karl  I.  f  1431  Friedrich  f  1415 

Graf  v.  Vaudemont 

I  I 
Isubcllii  Anton 

X  Renatus  I.  v.  Anjou 
t  1480 

,  > 

Johann  II.      Jolantha  Friedrich 

t  1470  

j  Renatus  II.  f  1&08 

Nikolaus 
t  1473 


316.  Grafschaft  Obersalm  hatte  sich  unter  den  Söhnen  Johanns  VI. 
im  XV.  Jh.  in  zwei  Hälften  geschieden.  Simon,  der  mit  Johanna  von 
Rotselar  vermählt  war,  hatte  nur  eine  Tochter  Johanna  hinterlassen,  die 
an  den  Rheingrafen  Johann  V.  (s.  d.)  vermählt  war  und  diesem  somit 
die  eine  Hälfte  zubrachte,  und  Johann  VII.  hatte  die  andere  Hälfte. 
Sein  Sohn  Johann  VIII.  erwarb  durch  Erbschaft  von  seiner  Grofsmutter 
mütterlicherseits  die  Herrschaft  Vinstingen  (Fenestrange).  Es  umfafste 
sein  Gebiet  die  halbe  Grafschaft  Salm,  dazu  Vivier,  Vinstingen,  Fauque- 
mont  (Falkenberg),  Ubexy,  Brandenburg  im  Lützclburgischen,  Stainville 
und  Loupy. 

317.  Habsburg-Österreichische  Territorien  waren  die  Grafschaft 
Pfirt,  die  Herrschaften  Landser,  Masmünster,  Ensisheim,  Isenheim,  Boll- 
weiler, Landsberg,  Weilerthal  und  Königsburg. 

Einige  von  diesen  waren  als  Lehen  weitergegeben  oder  verpfändet  worden- 
Das  Sehlofs  Hohkönigsburg  war  1472  durch  Erzherzog  Sigismund  von  öster. 
reich  und  andere  wegen  Räubereien  erobert  und  bald  darauf  verlehnt"  worden. 

318.  Herrschaft  Rappolstein  und  andere  Territorien.  Rapp Oi- 
ste in  hatte  Ende  des  XIV.  Jh.  Zellenberg  mit  Bennweier  erworben. 
Bergheim  war  verpfändet  und  seit  1495  in  österreichischem  Besitz.  Die  ' 
Plixburg  (Blicksberg,  Pflichteburg)  mit  den  Dörfern  Günsbach  und  Gries- 
bach war  vorher  in  verschiedenen  Händen  gewesen ;  1434  wurde  sie 
von  Rappolstein  käuflich  erworben.  Wasserburg  kam  1428  pfandweise 
in  ihren  Besitz  (1575  als  Lehen  von  Colmar).  1437  war  auch  die  Herr- 
schaft Hohenack  wieder  an  sie  zurückgegeben  worden.  1495  kauften  sie 
den  Hettenschlag  (den  Kostenwald). 

Grafschaft  Horburg  war  noch  in  der  Hand  der  Wirtemberger,  die 
.seit  1397  auch  die  burgundische  Grafschaft  Möinpelgard  (Montbeliard)  besafsen. 

Reichsabtei  Murbach  hatte  die  in  der  Niederung  liegenden  Besitz- 
anteile wegen  der  Entfernung  nicht  zu  halten  vermocht,  um  so  entschiedener 
aber  sich  im  Murbach-Gebweiler-  und  St.  Amarintal  auch  fernerhin  behauptet. 

Reichsabtei  Andlau  bestand  als  reiehsuninittelbare  Benediktinerinnen- 
abtei fort. 


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464  IX.  Politische  Geographie  um  dun  Jahr  1550. 

319.  Reichsstadt  Mülhausen  war  mit  Albrecht  II.  an  das  öster- 
reichische Kaiserhaus  gekommen.  1469  an  Karl  den  Kühnen  von  Burgund 
verpfändet,  trat  sie  aus  dem  Zehnstädtebunde  aus  und  der  schweizerischen 
Eidgenossenschaft  bei. 

Im  Jahre  1437  erwarb  die  Stadt  zu  dem  eigentlichen  Stadtgebiet  noch 
die  Dörfer  lllzach  und  Modenheim  käuflich  hinzu. 

Zehnstädtebund.  Die  zehn  Reichsstädte  des  Elsafs,  die  der  Land- 
vogtei  als  nicht  ganz  reichsunmittelbar  unterstellt  waren,  hatten  1515  Mülhausen 
aus  dem  Bunde  ausscheiden  sehen.  Dafür  war  bereits  1511  Landau  in  der 
Pfalz  dem  Bunde  beigetreten. 

320.  Bistum  Strafsburg  hatte  ebenfalls  einige  Gebietsteile  verlehnt 
und  verpfändet.  So  war  Mutzig  mit  Hermolsheim  und  Wege  1429  an 
Wirich  II.  Puller  von  Hohenburg  in  Pfand  gegeben  worden,  wurde  aber 
1510  wieder  zurückerworbeu.  Auch  Dachstein  war  lange  Zeit  an  die 
Stadt  Strasburg  verpfändet  gewesen;  desgleichen  der  Bezirk  Kochers- 
berg 1448-1538. 

Getrennt  von  dem  eigentlichen  Stiftsgebiet  war  das  Territorium  des  Strafe 
burger  Domkapitels.  Die  Herrschaft  Frankenburg  im  südlichen  Teile  des 
Weilertales  wird  133(5  als  Lehen  von»  Bistum  Strafsburg  an  die  Grafen  von 
Werd  genannt.  Als  Pfandobjekt  war  sie  durch  verschiedene  Hände  gegangen 
und  kam  1411  als  solches  an  das  Domkapitel.  Auch  andere  Gebiete,  wie  die 
von  Kestenholz,  Ehersheim,  Eschau,  Borsch  und  Erstein  gingen  aus  dem  Besitz 
des  Strafsburger  Bistums  in  die  Hand  des  Domkapitels  ül>er. 

321.  Reichsstadt  Strafsburg  hatte  anfangs  nur  ein  beschränktes 
Stadtgebiet  gehabt;  im  Laufe  des  XV.  Jh.  erweiterte  sich  das  Territorium 
durch  Erwerbungen  verschiedener  Ämter,  die  im  Elsafs  verstreut  lagen 
und  fast  alle  aus  altem  Reichsgute  stammten. 

Den  Bezirk  von  Iiikirch  (südlich  von  Strafsburg)  kaufte  die  Stadt  14  18 
von  Kaiser  Siegismimd.  Dorlisheim  (südlich  von  Molsheim)  wurde  seit  149r» 
stückweise  erworben,  Ittenheim  und  Handschuhheim  1507.  Marlenheim  (in 
der  fränkischen  Zeit  durch  die  Pfalz  berühmt)  wurde  stückweise  1480,  150* 
und  1004  erworben.  Wasselnheim  14ÜG.  Letztgenannte  Gebiete  liegen  westlich 
von  Strafsburg  im  Berglande.  Die  Herrschaft  Herrenstein  (bestehend  aus  Det- 
weiler  und  Dossenheim  nordöstlich  von  Zabern)  war  Metzer  Bistumslehen  und 
seit  1380  zu  3/-i  in  Händen  von  Zweibrüeken-Bitseh  und  V4  vo11  Lichtenberg 
und  Bistum  Metz.  Von  diesen  erwarb  sie  die  Stadt  in  einzelnen  Teilen  KW*. 
1422,  1429,  1404,  1478  und  1480.  Die  Herrschaft  Barr  wurde  1560  käuflich  er- 
worben aus  dem  Besitz  der  Familie  Ziegler. 

332.  Abtei  Maursmünster.    Die  Marca  aquilensis  hat  an  ihrem  ehe 

maligen  Umfange  durch  Teilung  in  vier  Teile  Einbufse  erlitten.  1390 
war  das  Haus  Geroldseck  erloschen.  Die  Mark  kam  zur  Hälfte  an  die 
LIerren  von  Ochsenstein  und  Wangen,  zur  anderen  Hälfte  an  Lützelstein, 
aus  deren  Besitz  §de  in  verschiedene  andere  Hände  überging. 

323.  Herrsehalt  Fleekenstein  hatte  eine  Vergröfserung  erfahren 
Niedersteinbach  und  Pfaffenbronn  waren  L>20  durch  Kauf  ganz  an  die 
Fleckensteiner  gekommen.  Auch  das  spätere  Amt  Rödern  mit  Niederröden: 


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324.  Herrschaft  Lichtenberg-Hanau.    325.  Markgrafschaft  Baden.  465 

und  sieben  Orten  fiel  ihnen  als  kurpfitlzisches  und  markgräflich  badisches 
Lehen  zu.  Dagegen  war  die  Herrschaft  Beinheim  mit  drei  Dörfern  1402 
an  Markgraf  Bernhard  von  Baden  verkauft  worden.  Zu  Zutzendorf  war 
das  getrennt  liegendo  Weitersweiler  hinzuerworben  worden. 

Die  Herrschaft  bestand  damals  aus  den  Ämtern :  Fleckenstein,  Sulz  unterm 
Wald,  Rödern,  Riedgau  oder  Grafschaft  UtTried,  Weitereweiler  und  Kuten- 
hausen. 

324.  Herrschaft  Lichtenberg-Hanau.  Die  Familie  der  Lichtenberg 
war  1480  in  männlicher  Linie  ausgestorben.  Das  Territorium  fiel  an 
die  Nichten  des  letzten  Lichtenberger  Herrn  bzw.  an  deren  Gatten,  und 
zwar:  zur  Hälfte  an  den  Grafen  von  Hanau,  zur  Hälfte  an  den  Grafen 
von  Zweibrücken-Bitsch. 

Nicht  unbeträchtlich  waren  die  Neuerwerbungen  zu  dem  Hanau-Lichten- 
berger Anteil.  Die  Herrschaft  Hüneburg  war  1493  schliefslich  ganz  an  diese 
neue  Linie  gefallen.  Ebenso  hatte  das  Amt  Brumath  einigen  Zuwachs  erfahren 
(Eckwersheim  1454).  Oberbronn  war  1480  der  Zweibrücken-Bitscher  Linie  zu- 
gefallen. Auch  Niederbronn,  ehemals  den  Landgrafen  von  Werd,  dann  (1330) 
den  Herren  von  Ochsenstein  gehörig,  kam  nach  dem  Tode  des  letzten  Herrn 
von  Ochsenstein  an  seinen  Neffen  Heinrich  von  Zweibrücken-Bitsch.  1535 
waren  Oberbronn  und  Niederbronn  in  der  Hand  einer  Nebenlinie:  Zweibrücken- 
Bitech-Lichtenberg  vereinigt,  doch  1541  von  Zweibrücken-Bitsch  abgezweigt 
worden.  1551  kam  Oberbronn  durch  Heirat  an  den  Grafen  Philipp  I.  von 
Leiningen- Westerburg.  Niederbronn  war  bereits  1543  an  Zweibrücken-Bitsch 
zurückgekommen. 

Die  Grafschaft  bestand  aus  den  Ämtern:  Buchsweiler,  Ingweiler,  Pfaffen- 
hofen, Brumath,  Wörth,  Offendorf,  Hatten,  Niederbronn  (um  1550  nicht  in 
ihrem  Besitz),  Wolfisheim,  Westhofen. 

325.  Markgrafschaft  Baden.  Rudolfs  VI.  Söhne,  Bernhard  I.  und 
Rudolf  VII.  hatten  1388  geteilt;  da  letzterer  1391  kinderlos  starb,  so  fiel 
alles  an  Bernhard  I.  wieder  zurück.  Er  vergröfserte  sein  Land  durch 
mehrere  Erwerbungen,  von  denen  der  Ankauf  von  Hochberg  von  der 
mit  Otto  1418  aussterbenden  Linie  die  bedeutendste  ist.  Sein  Sohn 
Jakob  I.  erwarb  einen  Teil  der  Grafschaft  Sponheim,  auf  welche  schon 
sein  Vater  durch  den  Vertrag  zu  Beinheim  mit  Johann  von  Sponheim- 
Starkenburg  1425  eine  Auwartschaft  begründet  hatte.  —  Christoph  I. 
erhielt  nach  dem  Aussterben  der  Sausenberger  Linie  1503  auch  die 
Herrschaft  Sausenberg.  Unter  seinen  Söhnen  fand  die  bedeutsame 
Teilung  von  1533  statt  in  Baden -Baden  und  Baden  -  Durlach,  die  beinahe 
zweiundeinhalb  Jahrhundert  lang  bestanden  hat. 

Die  Markgrafse Ii a f t  H a c h b e r g  oder  H 0 c h b e r g  war  noch  im  Besitz 
der  beiden  Teillinien  gewesen,  der  Haehberger  und  Sausenberger  (s.  oben  S.  274). 
In  der  Haehberger  hatte  Hesso  1388  noch  Sulzburg  gekauft  und  1392  von  Anna 
von  Urenberg  einen  Teil  von  Burg  und  Herrschaft  Höhingen,  dessen  anderer 
Teil  auch  schon  erworben  war,  somit  auch  die  ganze  Oberherrschaft  Usenberg ; 
ferner  erwarb  er  1403  und  1404  die  lichtenbergsehen  Güter  in  Ingweiler,  Sponeck, 
Busweiler  und  Weifsweiler.  Sein  Sohn  Otto  verkaufte  aber  in  Geldverlegen- 
heit die  beiden  Herrschaften  Hachberg  und  Usenberg  an  Markgraf  Bernhard 
von  Baden  (1414).  —  Die  Sausenberger  Linie  hatte  die  Herrschaften  Röteln 
und  Badenweiler  erworben  und  erloseh  mit  Philipp  1503;  ihr  Gebiet  fiel  eben- 
falls an  die  Badener  Hauptlinie. 

Kretachmer,  Historische  Geographie. 

30 


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466  IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550.] 

In  der  Baden-Badener  Linie  hatte  Rudolf  VII.  noch  Gernsbach,  Gochs- 
heim, Neu-Kberstein  und  Muggensturm  erworben;  Bernhard  L  gewann  Herren- 
berg, llcchingen,  Messingen  und  Masbach,  ferner  Langenalb,  Liedolsheim  u.  a.  — 
Unter  Jakob  I.  kam  1422  noch  halb  Lahr  und  Mahlberg,  Bergheim  und  Schauen- 
burg hinzu.  —  Durch  den  Loskauf  Karls  I.  aus  der  Gefangenschaft  wurde  an 
Kurpfalz  der  Anteil  an  Sponheim,  Besigheim  (1529  eingelöst)  und  Beinheini 
wieder  verpfändet  und  Pforzheim  wurde  pfälzisches  Lehen  (1463).  —  Sein  Sohn 
Christoph  erhielt  als  Reichslehen  die  Herrschaften  Rodemachern,  Reichersberg, 
Herspringen,  Bolcheren  und  Ufeldingen  in  Luxemburg  (1492),  und  1497  die 
andere  Hälfte  von  Lahr  und  Mahlberg.  —  Mit  der  Linie  Sausenberg  war  eine 
Erbeinigung  1490  zustande  gekommen  (Rötelnsches  Gemächt);  indessen,  die 
Erbtochter  Johanna  heiratete  einen  Herzog  von  Longueville,  infolgedessen  mit 
der  Badener  Linie  ein  Erbstreit  entstand  (bis  1581). 

Bei  der  Teilung  von  1533  wurden  die  drei  Söhne  Christophs  I.  gleich 
mäfsig  bedacht ;  da  der  eine  Philipp  in  demselben  Jahre  verstarb,  so  beschränkte 
sich  die  Teilung  auf  zwei  Hälften.  Bernhard  HI.  erhielt  die  Sponheim-  und 
Lützelburgischen  Lande  (Rodemachern  etc.,  s.  vorher),  ferner  die  Städte,  Schlösser, 
Ämter  Baden,  Bühl,  Steinbach,  Iberg,  Stollhofen,  Rastatt,  Rheinau,  Kuppen- 
heim, Ettlingen  mit  der  oberen  Hardt  bis  zum  Rhein,  die  Herrschaften  Lahr, 
Mahlberg,  Geroldseck,  halb  Gernsbach,  Beinheim  jenseite  des  Rheines  und 
mehrere  Dörfer  und  Vogteien.  Ernst  erhielt:  Hachberg,  Usenberg,  Sausenberg, 
Röteln,  Badenweiler,  die  Städte  und  Ämter  Pforzheim,  Stein,  Durlach,  Mühl- 
berg, Hochstetten  mit  der  unteren  Hardt,  Eggenstein,  Graben,  Stafforth,  Alten- 
steig, Liebenzell,  Besigheim,  Mundelsheim  mit  Dörfern  und  Schirmrechten  über 
Kloster  Gottesau.  —  Bernhard  hatte  die  sog.  Obere  Grafschaft  Baden- 
Baden,  Ernst  die  Untere  Grafschaft  Baden -Pforzheim.  Sem  Sohn 
Karl  verlegt  1565  die  Residenz  nach  Durlach,  weshalb  Linie  und  Territorium 
fortan  Baden -Durlach  hieben. 

Die  Herren  von  Geroldseck  hatten  ihren  Hauptbesitz  westlich  um 
Hohengeroldseck  und  Schuttern;  seit  dem  XIII.  Jh.  besafsen  sie  Lahr,  seit 
Anfang  des  XI V.  auch  Anteil  an  Mahlberg.  J^ahr  und  Mahlberg  kamen  1426 
durch  Adelheid  von  Geroldscck  an  Graf  Johann  von  Saarwerden,  dann  an  die 
Nassauer  Grafen  von  Saarbrücken  und  schließlich  an  Baden,  doch  erst  nach  einem 
langen  Rechtsstreit  (1629  beendet). 

326.  Land  der  Eidgenossen.      Das  XIV.  Jh.  war  das  der  Ent- 
stehung  und  Befreiung  der  Eidgenossenschaft,  das  XV.  das  der  Erweiterung 
und  Verstärkung.«     Während   der  Bund   der   acht  alten  Orte  (Uri, 
Schwyz,  Unterwaiden,  Luzern,  Zürich,  Glarus,  Zug,  Bern)  sich  im  Laufe 
eines  halben  Jahrhunderts  zusammengefunden  hatte,  sollte  doch  län- 
gere Zeit  vergehen,  ehe  wieder  neue  Bundesgenossen  mit  aufgenommen 
wurden.     Die  rivalisierende  Eifersucht  unter  den  Eidgenossen  selbst, 
besonders  zwischen  den  Land-  und  Stadtkantonen  bewirkte,  dafs  man 
nur  schwer  und  ungern  Verbindungen  mit  neuen  Mitgliedern  auf  Gleich- 
berechtigung einging.    Man  suchte  trotzdem  durch  Bündnisse  den  Macht- 
kreis zu  erweitern,  indem  man  anderen  Orten  eine  freilich  sehr  ein- 
geschränkte Teilnahme  an  der  Eidgenossenschaft  zugestand.    Es  waren 
dies  die  sog.  ^Zugewandten  Orte«.  —  Vollberechtigte  Bundesmitglieder 
wurden  14H1  :   Freiburg  und  Solothurn,   1501   Basel  und  Schaffhausen 
und  1513  Appenzell,  welches  seit  1411  schon  unter  dem  Schutz  der  Eid 
genossen  gestanden  hatte;  sie  bildeten  fortan  die  Eidgeno ssons ch aft 
der  dreizehn  Orte.    Zu  den  Zugewandten  Orten  gehörten:  Genf, 
Neuenburg,  Bistum  Basel,  Abtei  St.  Gallen,  Stadt  St.  Gallen,  Mülhausen, 
Biel  und  Rottweil  in  Wirtemberg,  Graubünden  und  Wallis. 


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326.  I^and  der  Eidgenossen. 


467 


Das  Verhältnis  der  Eidgenossen  zu  Österreich  hatte  sich  infolge 
ihres  kraftvollen  Auftretens  seit  den  Burgunderkriegen  immer  gelockert, 
wenn  auch  Österreich  immer  wieder  Versuche  machte,  die  Oberhoheit 
sich  zu  wahren.  Der  Entscheidungskampf  1499  bei  Dorneck  a.  d.  Birs 
führte  zum  Frieden  von  Basel  und  damit  zur  vollständigen  Loslösung 
der  Schweiz  vom  Deutschen  Reiche. 

In  den  Kämpfen  mit  Österreich  hatte  auch  der  Territorialbcstand  gelegentlich 
Vergröfeerung  erfahren.  Zunächst  hatten  die  einzelnen  Kantone  selbst  neue 
Erwerbungen  gemacht.  S  c  h  w y  z  hatte  1402  Küfsnacht  erworben ;  L  u z  e  r  n  1380 
die  Herrschaft  Wäggis  mit  Vitznau,  ferner  das  Entlebuch,  Sempach,  die  Herr- 
schaften Wollhusen  und  Rothenburg  und  1407  Willisau  durch  Kauf;  Zürich 
hat  erst  in  dieser  Periode  sein  Gebiet  wesentlich  begründet  und  vergröfsert: 
1384  erwarb  es  die  Herrschaften  Küfsnacht  (später  an  Schwyz)  und  Goldbach- 
ferner Höngg;  1385  Vogtei  Thalwcil,  1390  Pfäffikon  und  Wollrau,  1400  Erlen- 
bach, 1402  Greifensee,  1405  Männedorf,  1406  Maschwanden,  Horgen,  Rüsch, 
likon ,  1408  Herrschaft  Grüningen,  1409  Regensberg  und  Bülach,  1410  Vogtei 
Meilen;  auch  Uri,  eng  zwischen  Bergen  eingeschlossen,  versuchte  im  XV.  Jh. 
über  den  Gotthard  sich  auszubreiten,  und  das  Livinental,  bis  dahin  im  mai- 
ländischen  Besitz,  kam  damals  an  Uri  (1441). 

Im  Jahre  1415  hatten  die  Schweizer  auch  den  Aargau  den  Österreichern 
angenommen,  1460  desgleichen  den  Thurgau;  der  alte  Zürichkrieg  zwischen 
Zürich  und  Schwvz  nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Toggenburg  (1436) 
führte  zu  einer  Niederlage  der  Österreicher.  Auch  der  Krieg  gegen  Karl  den 
Kühnen  von  Burgund,  der  1477  zu  Nancy  sein  Leben  beschlofs,  trug  zur 
politischen  Stärkung  der  Eidgenossen  und  zur  Auffassung  bei,  ein  selbständiger 
Staat  zu  sein.  —  Zwist  und  Eifersucht  der  Kantone  untereinander  führten  zu 
sonderbaren  Verhältnissen,  zumal  einige  Orte  nur  von  einzelnen  Kantonen  als 
Mitglieder  aufgenommen  worden  waren,  und  auch  die  IMvilegien  der  einzelnen 
Kantone  sehr  verschiedene  waren. 

Genf  hatte  sich  seit  dem  Anfang  des  XIV.  Jh.  dem  Vizedomue  und  Bischof 
gegenüber  immer  selbständiger  zu  machen  vermocht.    Als  das  Haus  Savoyen 
nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Genf  sich  die  Suprematie  über  die 
Stadt  anmafste,  suchte  Genf  einen  Anschlufs  an  die  Eidgenossenschaft  und 
konnte  1530  seine  Unabhängigkeit  dem  Herzog  von  Savoyen  gegenüber  erzwingen. 
—  In  der  Grafschaft  Neuenburg  war  1395  das  Grafenhaus  ausgestorben 
und  das  Land  seitdem  durch  Erbschaft  in  verschiedene  Hände  gelangt,  zuletzt 
1504  an  den  Prinzen  Ludwig  von  Orleans,  Herzog  von  Longueville.    Mit  ver- 
schiedenen Kantonen  (Solothum  1369,  Bern  1406,  Freiburg  1495,  Luzern  1501) 
hatte  das  Land  vorher  schon  mehrmals  Bündnisse  geschlossen  und  war  dadurch 
in  ein  engeres  Verhältnis  zur  Kidgenossenschaft  getreten.  —  Die  Stadt  St.  Gallen 
hatte  sich  von  der  Abtei  St.  Gallen  immer  mehr  befreit  und  war  1454  als 
Zugewandter  Ort  der  Eidgenossenschaft  beigetreten ;  kurz  vorher  hatte  auch  der 
Abt  sich  als  Mitglied  aufnehmen  lassen  (1451).  —  Die  Stadt  Mülhausen  im 
Oberelsaff  war  1466  mit  Bern  und  Solothurn  ein  Bündnis  eingegangen  und 
1515  in  die  Eidgenossenschaft  aufgenommen  worden.    In  ein  ähnliches  Ver- 
hältnis war  die  Stadt  Rott  weil  in  Schwaben  1463  und  1519  getreten.  — 
Die  Stadt  Biel  hatte  vordem  in  Abhängigkeit  des  Bistums  Basel  gestanden, 
aber  mit  einzelnen  Kantonen  schon  1279  und  1352  Bündnisse  geschlossen,  bis 
sie  im  XV.  Jh.  als  Zugewandter  Ort  Aufnahme  fand. — Wallis,  das  Rhonetal, 
hatte  politisch  eine  Teilung  in  Oberwallis  und  Unterwallis  erfahren ;  in  letzterem 
hatten  seit  1260  die  Grafen  von  Savoyen  die  Herrschaft  an  sich  gerissen,  in 
jenem  wufste  der  Bischof  von  Sitten  in  Verbindung  mit  den  Landgemeinden, 
den  sieben  Zenden,  sich  zu  behaupten.    Im  Jahre  1416  hatten  sie  schon  mit 
Luzern,  Uri  und  Unterwaiden  ewige  Bündnisse  geschlossen,  1475  traten  sie  in 
die  Eidgenossenschaft  ein,  nachdem  sie  auch  das  Unterwallis  wieder  zurück- 

30» 


468  IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 

erworben  hatten.  Gay,  Histoire  du  Valais,  Genf  1888.  Wolf  und  Ceresole, 
Wallis  und  Chanionix,  Zürich  1888.  —  In  Churrätien  hatte  der  Bischof  von 
Chur  seit  alters  die  geistliche  und  weltliche  Herrschaft  inne.  Die  Absicht  des 
Bischofs  Peter,  das  Land  der  österreichischen  Oberhoheit  zu  unterstellen,  führte 
zu  einer  Koalition  des  Domkapitels  und  der  Stadt  Chur,  die  den  sog.  Gotteß- 
hausbund  stifteten  (Engadin).  Ebenso  hatte  der  Abt  von  Disentis  mit  den 
Herren  von  Sax  und  Käzüns  und  den  Grafen  von  Werdenberg  1395  einen 
Bund,  den  Oberen  oder  Grauen  Bund  geschlossen  (in  den  beiden  Oberrhein- 
tälern). Auch  in  den  Gebieten,  welche  die  Grafen  von  Toggenburg  in  Rätien 
besessen  hatten  (Prätigau,  Davos,  Churwalden),  entstand  ein  Bund  1436,  der 
Zehngerichtenbund.  Im  Jahre  1450  traten  die  drei  Bünde  in  eine  engere 
Vereinigung  ein  und  1497  und  1498  traten  sie  mit  den  Eidgenossen  in  ein  Freund- 
schaftsbündnis (der  Zehngerichtenbund  erst  1590),  wenn  auch  Graubünden 
immer  eine  gewisse  politische  Selbständigkeit  der  Schweiz  gegenüber  bewahrte. 

Neben  den  zuständigen  Orten  gab  es  auch  noch  gemeine  Herr- 
schaften oder  Vogteien,  die  von  einzelnen  Kantonen  abwechselnd  regiert 
wurden.  Zu  diesen  gehörten  die  Städte  Bremgarten,  Mellingen  imd  Baden, 
die  Grafschaft  Baden,  die  Freien  Ämter,  der  Thurgau  und  die  Städte  Frauen 
feld  und  Diessenhofen,  das  Rheintal  und  die  Grafschaft  Sargans;  ferner  die 
Vogteien  nach  der  italienischen  Seite  hin,  wo  sie  1503  vom  französischen  König 
abgetreten  erhielten :  Bellinzona,  Blegno  und  Riviera  und  1513  Lugano,  Men- 
drisio,  Locarno,  Valmaggia,  Bormio,  Veltlin  und  Chiavenna. 

327.  Herzogtum  Wirtemberg.    In  dieser  Periode  hatte  der  Terri- 
torialbesitz namhafte  Erweiterungen  erfahren.    Hatte  schon  Eberhard  III. 
der  Greiner  (f  1392)  nach  dieser  Richtung  erfolgreich  gewirkt  und  durch 
den  für  ihn  glücklich  beendeten  Städtekrieg  auch  sein  Ansehen  und 
seine  Machtstellung  in  Schwaben  befestigt,  so  blieb  auch  sein  Enkel  und 
Nachfolger  Eberhard  der  Milde  (f  1417)  im  Landerwerb  nicht  zurück, 
wenngleich  er  auch  in  Geldverlegenheiten  beträchtliche  Stücke  veräufsern 
mufste :  Im  Jahre  1394  kam  auf  diesem  Wege  die  Burg  Neu-Rofswag  an 
das  Kloster  Maulbronn  und  1399  überliefs  er  die  Herrschaften  Sigmaringen 
und  Veringen,  die  Vogteien  über  die  Klöster  Heiligkreuzthal,  Habsthal, 
Wald  und  Hedingen  (österreichische  Pfandschaften)  an  den  Grafen  Eberhard 
von  Werdenberg  für  7212  Goldgulden  und  1409  versetzte  er  an  denselben 
die  Dörfer  Langenenslingen  und  Billafingen,  wodurch  dieser  Besitz  für 
immer  dem  Hause  Wirtemberg  entfremdet  worden  ist.    Sein  Sohn  Eber- 
hard V.  der  jüngere  (f  1419)  machte  freilich  den  eingetretenen  Verlust 
wieder  gut,  und  zwar  durch  seine  Heirat  mit  der  Erbnichte  des  letzten 
Grafen  von  Mömpelgard,  Henriette,  durch  welche  ihm  die  Grafschaft 
Mömpelgard,  die  Herrschaften  Brundrut,  Granges,  Etobon,  Saulnot,  Clerval. 
Passavant  und  die  Oberlehensherrlichkeit  über  La  Roche  zufiel.    Später  fiel 
ihm  durch  den  Tod  seiner  Schwägerin  Margarete  ein  weiterer  Besitz  im 
Waadtland  zu,  den  er  aber  1414  sofort  wieder  an  den  Herzog  von  Savoyen 
veräulserte.  Als  nach  seinem  Tode  1419  seine  herrschsüchtige  Gattin  Hen- 
riette für  ihre  unmündigen  Söhne  Ludwig  I.  und  Ulrich  V.  unter  Mitwirkung 
eines  Vormundschaftsrates  dio  Verwaltung  übernahm  und  die  vom  Reiche 
rührenden  Lehen  und  Rechte  bestätigt  haben  wollte,  liefs  Kaiser  Sigis- 
mund zuvor  ein  Verzeichnis  über  die  Lehen-  und  Eigengüter  des  Hauses 
Wirtemberg  verfassen  (1420),  welches  einen  guten  Uberbück  über  den 
Territorialbesitz  gibt.    Wie  Henriette  während  der  vormundschaftlichen 


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327.  Herzogtum  Wirtemberg. 


469 


Regierung  einige  Neuerwerbungen  gemacht  hatte,  so  bald  darauf  auch 
ihre  Söhne,  von  denen  Ludwig  L  seit  1426,  Ulrich  V.  seit  1433  die 
Regierung  führte.    Im  Vertrage  zu  Nürtingen  teilten  sie  1442  ihr  Land, 
wobei  Ludwig,  der  Stifter  der  Uracher  Linie,  die  westliche  Hälfte,  Ulrich, 
als  Stifter  der  Stuttgarter  (oder  Neuffener)  Linie,  die  östliche  Hälfte 
von  Wirtemberg  erhielt,  welche  beide  durch  Neuerwerbungen  vergröfserten. 
Ulrich  V.  erlitt  freilich  auch  manche  Einbufse    und  trat  1480  die  Re- 
gierung an  seinen  Sohn  Eberhard  den  Jüngeren  ab.    Sein  anderer  Sohn 
Heinrich   war  mit  Mömpelgard  und  den  burgundischen  Herrschaften 
bedacht  worden,  welche  dieser  aber  1482  ebenfalls  seinem  Bruder  über- 
liefs,  während  Heinrich  nur  die  Herrschaften  Horburg,  Reichenweiher 
und  Bilstein  behielt.    Ludwigs  Sohn  Eberhard  im  Bart  (der  Gründer  der 
Universität  Tübingen  1477)  suchte  das  Unheil,  welches  die  einzige  Teilung 
im  Hause  Wirtemberg  angerichtet  hatte,  wieder  gut  zu  machen,  indem 
er  eine  Unteilbarkeit  des  Landes  anstrebte.    Der  Vertrag  zu  Münsingen 
1482  hob  die  Teilung  der  beiden  Linien  auf  und  knüpfte  die  Regierung 
an  das  Seniorat,  in  diesem  Falle  also  an  Eberhard  im  Bart.    Er  verlegte 
seinen  Sitz  von  Urach  nach  Stuttgart.    Nach  mancherlei  durch  Eberhard 
den  Jüngeren  hervorgerufenen  Wirren  fand  dieser  Vertrag  durch  den 
Efslinger    von    1492    seine   Bestätigung.     Eberhard    im   Bart  wurde 
schliefslich  wegen  seiner  grofsen  Verdienste  um  das  Reich  auf  dem 
Reichstag  zu  Worms  1495  von  Kaiser  Maximilian  zum  Herzog  von 
Wirtemberg  und  Teck  erhoben.    Die  ganze  Landschaft  Wirtemberg 
wurde  in  ein  Reichsherzogtum  vereinigt;  nur  Mömpelgard,  Horburg 
und  Reichenweiher  wurden   zur  Versorgung  anderer  Mitglieder  der 
Familie  ausgenommen.    Da  Eberhard  im  Bart  1496  kinderlos  starb,  so 
folgte  sein  unruhiger  Vetter  Eberhard  der  Jüngere  und  nach  dessen  Ab- 
setzung 1498  des  letzteren  Neffe  Ulrich  VI.    Auch  er  hatte  eine  sehr 
bewegte  Regierungszeit;  1519 — 1534  war  sein  Land  sogar  in  der  Hand 
der  Österreicher  gewesen.    Durch  seine  Teilnahme  am  Bairischen  Erb- 
folgekriege hatte  er  1505  die  Städte  und  Ämter  Weinsberg,  Nouenstadt 
Heidenheim,  Möckmühl,  Besigheim,  die  Grafschaft  Löwenstein,  Steten- 
fels,  Gruppenbach,  die  Lehensherrschaft  über  Gochsheim,  die  Schirmherr- 
schaft über  die  Klöster  Anhausen,  Herbrechtingen  und  Maulbronn,  sowie 
den  Zehnten  in  Heilbronn  erworben.    Ulrich  starb  1550. 

Eberhard  der  Greiner  hatte  zu  seinen  oben  (8.  282)  genannten  Besitzungen 
1377  noch  Tuttlingen  erworben  und  1381  von  den  Herzögen  von  Teck  die 
zweite  Hälfte  der  Burg  Teck  und  Stadt  Kirchhciin;  dann  die  Feste  (Jutenberg, 
Stadt  Owen  und  Sehiltach ;  1382  Burg  und  Stadt  Herrenberg  mit  Burg  Borau 
und  13  Dörfern  vom  Pfalzgrafen  von  Tübingen. 

Eberhard  der  Milde  hatte  die  Feste  und  Herrschaft  Sehalksburg  1403 
vom  Grafen  Friedrich  von  Zollern,  genannt  Milli,  erworben  mit  der  Stadt 
Balingen,  sieben  Dörfern  und  verschiedenen  Reehten  ;  1 105  Oberefslingen  gekauft, 
1406  Burg  Neckartenzlingen,  1407  den  gröfseren  noch  nicht  wirtem  bergischen 
Teil  von  Auenstein,  1408  den  Rest  von  Bietigheim,  1410  Burg  Rechtenstein 
und  einiges  andere;  vgl.  Stalin  III,  408  f.  —  Sein  Sohn  Eberhard  der  Jüngere 
erwarb  die  Stadt  Oberndorf  mit  der  Feste  Wasseneck  1416,  Ottenhausen  1418, 
einzelne  Dörfer  und  Gerichte;  vgl.  Stalin  III,  416. 


470 


IX.  Politische  Geographie  uin  das  Jahr  1550. 


Eberhard  III.  d.  Grciner 
t  1392 

I 

Ulrich  f  1388 
I 

Eberhard  IV.  d.  Milde 
f  1417 

Eberhard  V.  d.  Jüngere 
t  1419 

Uracher  Linie  ßtuttg.  Linie 

Ludwig  1.  f  1450  Ulrich  V.  f  1480 


Eberhard  i.  Bart    Eberhard  d  Jüngere  Heinrich 
f  1496  t  1504  v.  Mompelgard 

Ulrich  VI.  Georg  I. 

f  1550  f  1558 


Das  oben  erwähnte  Verzeichnis  der  Lehen-  und  Eigengüter  des  Hauses 
Wirteinbcrg  gibt  für  das  Jahr  1420  folgenden  Territorialbestand.  1.  Reichs- 
lehen  der  Herrschaft  Wi rteinberg:  Die  Grafschaft  zu  \Virtemberg  mit 
den  Städten  Stuttgart,  Cannstatt,  I^onberg,  Waiblingen  und  Schorndorf  mit 
Dörfern,  Weilern  und  Zubehör.  Der  Zoll  zu  Göppingen.  Die  Grafschaft  zu 
Aichelberg  mit  der  Stadt  Weilheim,  der  Vogtei  zu  Jesingen  u.  a.  Zubehör. 
Das  Herzogtum  Teck  mit  den  Städten  und  Schlössern  Kirchheim,  Owen,  Guten- 
berg, \Vieland8tein,  Hahnenkamm.  Die  Grafschaft  Neifen  mit  Stadt  Keifen. 
Die  Grafschaft  Urach  mit  Stadt  Urach,  Wettlingen.  Münsingen.  Die  Pfalzgraf- 
schaft zu  Tübingen  mit  den  Städten  Tübingen,  Herrenberg,  Böblingen,  Sindel 
fingen,  dem  Schönblich  u.  a.  Zubehör.  Die  Grafschaft  Calw  mit  Stadt  Calw,  dem 
Wrildhad,  Zavelstein.  Die  Grafschaft  Vaihingen  mit  den  Städten  Vaihingen. 
Rixingen,  Horrheim,  Haslach  u.  Zubehör.  Die  Herrschaft  Magenheim  mit  »1er  Stadt 
Brackenheim.  Markgröningen.  Die  Grafschaft  Asperg.  Die  Herrschaft  Hor- 
burg und  die  Grafschaft  Wickisau  mit  der  Stadt  Reichenweiher,  der  Feste 
Sponeck  und  Zubehör.  Die  Herrschaft  Waldhausen.  Die  Herrschaft  Nagold  mit 
den  Städten  Nagold  und  Haiterbaeh.  Die  Herrschaft  Urslingen  mit  Stadt  Rosen 
feld.  Die  Grafschaft  Sigmaringen  mit  der  Stadt  Sigmaringen.  Hornberg,  die 
Feste  und  die  Herrschaft  und  Stadt  zur  Hälfte.  2.  Lehen  von  Böhmen. 
Neuenburg,  Burg  und  Stadt.  Beilstein,  Burg  und  Stadt.  Lichtenberg  und 
Botwar.  3.  Eigengüter  der  Herrschaft  Wirtemberg:  Tuttlingen,  Nür- 
tingen, Grötzingen,  Waldenbuch,  Lichtenstein,  Leofels,  Schiltach,  Dornhan. 
Vogtsberg,  Gartaeh,  Güglingen,  Laufen,  Backnang,  Winnenden,  Marbach, 
Göppingen,  Sehilzburg,  Ilundersingen,  Sterncnfels.  Bilstein  bei  Reichenweiher, 
Harnstein,  Ebersberg,  Reichenberg,  Waldenstein,  Bittenfeld,  Hoheneck,  Schalks- 
burg, Balingen,  Blanckenhorn,  Bietigheim.  Blankenstein,  halb  Rechtenstein. 
Ingersheim,  Ebingen,  Veringen,  Achalm,  Hohenstaufen,  Lauterburg,  Rosenstein. 
Gundelfingen,  Oberndorf  und  Wasseneck. 

Die  Herrschaft  über  Mompelgard  hatte  die  Gräfin-Mutter  Henriette  bis 
zu  ihrem  Tode  1444  in  der  Hand  behalten ,  wonach  die  beiden  Söhne  die 
gemeinschaftliche  Regierung  Mömpelgards  erst  antreten  konnten.  Mit  den 
burgundischen  Lehen,  welche  mit  Mömpelgard  verbunden  waren,  liefs  sieh 
Ludwig  in  Brüssel  von  Herzog  Philipp  dem  Schönen  belehnen.  Nach  dem  Los 
übernahm  Ludwig  Mömpelgard  allein  und  zahlt»'  hierfür  dem  Bruder  eine 
Entschädigungssumme.  Stalin  III,  109  ff.,  431,  4(i()  f.  —  Die  beiden  Brüder 
erwarben  überdies  noch  1434  ein  Viertel  an  der  Burg  Laufen.  Wildberg,  Burg 
und  Stadt,  die  Stadt  Neubulach  und  12  Dörfer  und  Weiler  1440;  Stalin,  III, 
45(5.  —  Wegen  der  Teilung  des  Landes  unter  die  beiden  Brüder  vgl.  ebenda  457. 


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328.  Kleinere  Territorien  in  Schwaben. 


471 


Anfangs  sollte  der  Neckar  die  Grenze  bilden,  indem  Ludwig  den  Teil  zur 
Rechten  und  Ulrich  den  zur  Linken  erhielt.  Sehr  bald  schritt  man  zu  einem 
anderen  Mafsstab  der  Verteilung,  wobei  man  die  einzelnen  Teilungsobjekte  nach 
ihrem  Werte  bemafs.  Verzeichnis  der  Teilstücke  bei  Stalin  a.  a.  O.,  wo  auch 
die  übrige  Literatur  gegeben  Ist.  Glücklicherweise  bestand  diese  Teilung  nur 
40  Jahre  (bis  1482).  —  Ludwig  hatte  nach  der  Landesteilung  weitere  Erwerbungen 
gemacht:  1442  die  Nutzniefsungen  der  Orte  Gräfenhausen,  Rudmersbach, 
Schwann,  Conweiler,  Dobel,  Feldrennach,  Ober-  und  Unter-Niebelsbach,  Neuen- 
burg, Dennach,  Langenalb;  1443  Teile  von  Heimsheim;  1443  Häfnerslaeh,  die 
Hälfte  der  Feste  Hornberg  nebst  einem  Viertel  von  Stadt  und  Herrschaft,  1447—1448 
die  andere  Hälfte;  1444  Sickenhausen,  Altenburg,  Rommelsbach  und  Deger- 
schlacht, ferner  die  Hälfte  der  Burg  und  des  Dorfes  Hemmingen,  den  Hof  zu 
Böhringen,  die  Feste  Unter- Falkenstein  mit  Dörfern  und  Zubehör,  Schlofs 
Hohenkarpfen,  Hausen  ob  Verena,  Aldingen,  den  Berg  und  Burgstall  Lupfen 
und  fünf  Dörfer,  den  Burgstall  Waldau  (östlich  von  Buchenberg),  Büchenberg, 
Martinsweiler,  Brogen,  Peterzell;  1446  die  Burg  Dufslingen  und  verschiedene 
Dörferanteile;  1447  die  übrigen  Dorfanteile  von  Dufslingen  u.  a. ;  1447  Stadt 
und  Amt  Blaubeuren  mit  der  Vogtei  über  das  Kloster;  1448  Bempflingen; 
1449  Anteile  an  Thalheim  und  Schlofs  Andeck  u.  a.  Stalin  III,  492  f.  —  Auch 
Ulrich  hatte  trotz  aller  finanziellen  Schwierigkeiten  einzelne  Erwerbungen 
gemacht,  unter  anderen  die  Städtchen  Gamertingen,  Hetlingen  mit  Dörfern 
von  Hans  von  Rechberg,  1453  die  Burg  Rodelshausen,  1456  Schlofs  Helfenberg 
und  Anteile  an  verschiedenen  Dörfern,  s.  Stälin  HI,  598  f. 

328.  Kleinere  Territorien  In  Schwaben.  Von  den  früher  genannten 
Kleineren  Grafschaften  und  Herrschaften  waren  einige  durch  Erlöschen 
der  Dynastenfamilie  aufgelöst  worden  und  in  anderen  Herrschaftsbezirken 
aufgegangen.  Als  selbständig  existierten  noch  die  nachfolgenden  als 
die  bedeutendsten. 

Grafschaft  Hohenberg.  Von  den  zahlreichen  Linien  dieses  Hauses 
bestanden  im  Anfang  dieser  Periode  noch  drei :  die  von  Rudolf  II.  gestiftete 
starb  mit  seinem  Sohn  Rudolf  III.  1387  aus  und  ihr  Landbesitz  ging  an  Österreich 
über  (s.  S.  284);  die  von  Otto  gestiftete  Nagolder  Linie  erlosch  ca.  1388,  nach- 
sie  fast  alles  Land  veräufsert  hatte,  und  auch  die  von  Burkhard  gegründete  Wildberger 
Linie,  die  allerdings  bis  1486  noch  bestanden  hat,  hatte  nur  das  Amt  Altensteig 
von  seinem  grofsen  Hausbesitz  zurückbehalten.  1400  fiel  es  aber  bereits  an  die 
Markgrafen  von  Baden;  vgl.  Stälin  III,  668,  Anmkg.  4. 

Grafschaft  Fürstenberg.  Die  Fürsten  berger  Hauptlinie  hatte  fort- 
bestanden; sie  war  im  Besitz  der* Landgrafschaft  in  der  Baar.  der  Graf- 
schaft Fürstenberg,  der  Herrschaft  Dornstetten,  Wartenberg  u.  a.  (S.  285).  Die 
Haslaeher  Linie  starb  mit  Johann  1386  aus  und  ihre  Herrschaft  Haslach  fiel 
als  eröffnetes  Lehen  an  das  Reich  und  wurde  von  König  Wenzel  an  Benetsch 
von  Tusnick,  dann  an  das  Hochstift  Strafsburg  verliehen  (1388).  Bischof 
Friedrich  gab  es  bald  darauf  an  Friedrich  IV.  von  Fürstenberg  (t  1408)  zurück. 

Grafschaft  II  e  l  f  e  n  s  t  e  i  n.  Auch  hier  war  der  Wohlstand  des  Hauses 
im  raschen  Sinken  begriffen.  Die  Wiesensteiger  Linie  hatte  1396  die  Stamm- 
burg Helfenstein  und  das  Amt  Geislingen  an  die  Stadt  Ulm  verkauft.  Es  ver- 
blieb ihr  nur  die  Herrschaft  Wiesensteig.  Die  jüngere  Blaubeurer  Linie,  die 
1445  sich  nochmals  das  Gebiet  geteilt  hatte,  veräufserte  1447  das  Amt  und  die 
Klostervogt  ei  Blaubeuren  an  Ludwig  von  Wirtemberg  und  1448  das  Amt  Heiden  - 
heim  und  die  Vogtei  über  die  drei  Klöster  im  Brenztal  an  Ulrich  von  Wirtem- 
berg, so  dafs  ihr  kaum  noch  etwas  verblieb.  Mit  Graf  Georg  starb  diese  Linie 
1517  aus.    Stälin  III,  662. 

Grafschaft  Kirchberg- Brandenburg.  Das  Territorium  war  an 
Tochtermänner  zersplittert  und  verteilt  worden.    Indessen,  Graf  Konrad  von 


-  VI*: 


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472 


IX.  Politische  Geographie  um  dan  Juhr  1550. 


Kirchberg  hatte  1398  bereits  mit  dem  Rückcrwerb  der  Grafschaft  be- 
gonnen, sein  Sohn  Eberhard  liefs  sich  1417  f.  einige  andere  Anteile  noch 
verpfänden  und  ebenso  seine  Enkel.  So  war  die  Grafschaft  wieder  an  das 
Dynastenhaus  allmählich  zurückgekommen.  Indessen  neue  Teilungen  schwächten 
das  Haus  und  grofse  Teile  des  Gebietes  wurden  an  Georg  den  Reichen  von 
Baiern  veräufsert.  Mit  Philipp  erlosch  das  Haus  1510  im  Mannesstanim.  Seine 
Tochter  war  an  Graf  Johann  von  Montfort-Tettnang  verheiratet.    Stälin  III,  679  f. 

Grafschaft  Hohen  zollern.  Während  die  jüngere  fränkische  Linie 
durch  die  Erwerbung  der  Mark  Brandenburg  zur  Kurwürde  gelangt  war,  hatte 
die  ältere  schwäbische,  gräfliehe  Linie  nur  sehr  allmählich  emporkommen 
können.  Sie  war  in  die  Hechinger  und  Schalksburger  Linie  gespalten,  von 
denen  letztere,  die  die  gleichnamige  Feste  mit  zugehörigen  Orten  und  die  Herr- 
schaft Mühlheim  a.  d.  Donau  besafs,  1408  bereits  ausstarb.  Im  Jahre  1391 
^yar  die  Herrschaft  Mühlheim  an  Konrad  von  Weitingen  und  1403  Herrschaft 
Schalksburg  an  Wirteinberg  verkauft  worden.  Die  Hechinger  Linie  kam  erst 
durch  Jost  Nikolaus  (f  1488)  wieder  empor.  Sein  Sohn  Eitel  Friedrich  IV. 
(f  1512)  erwarb  sogar  die  Erbkämmererwürde  und  durch  Eintausch  von  Räzüns 
in  Graubünden  die  Herrschaft  Haigerloch  im  Jahre  1497.  Dessen  Sohn  Karl  L 
(t  1576)  wurde  vom  Kaiser  mit  den  Herrschaften  Haigerloch  und  Wöhrstein 
(Werstein)  belehnt,  aufserdem  1435  mit  den  Grafschaften  Sigmaringen  und 
Veringen,  die  im  Besitz  der  Grafen  von  Werdenberg  und  nach  deren  Aus 
sterben  1534  in  jenem  Österreichs  gewesen  waren. 

329.  Grafschaft  Wertheim.  Graf  Johann  I.  hatte  durch  zweimalige 
Heirat  neue  Gebiete  hinzuerworben,  die  er  zum  Teil  verkaufte  und  für 
das  Kaufgeld  besser  gelegene  Gebiete  eintauschte,  so:  die  Herrschaft 
Riedern  mit  Anteil  an  Burg  Homburg,  Besitzungen  bei  Brauberg  und 
Anteile  an  Klingenberg,  sowie  verschiedene  Güter.  Er  teilte  1398  das 
ganze  Besitztum  in  ein  Majorat  und  Minorat,  Johann  II.  erhielt  das 
Majorat:  Burg  und  Stadt  Wertheim  mit  Zubehör,  Burg  und  Stadt  Freuden - 
berg,  Laudenbach,  Remlingen  und  die  Herrschaft  Riedern  mit  Anteil 
an  Homburg  und  Klingenberg.  Johann  II.  starb  1444.  Mit  seinem  Enkel 
Johann  III.  erlosch  1497  die  Hauptlinie  und  das  Majorat  wurde  mit  dem 
Minorat  wieder  vereinigt.  Letzteres  umfafste  Schweinburg,  Buttart  und 
Anteile  an  Kitzingen,  Bartenstein,  Rieneck,  Külsheim  und  Bickebach. 
Es  war  seinerzeit  zunächst  an  einen  Sohn  jenes  Johann  I.  gefallen :  Michael  I. 
(+  1440).  Auf  dessen  Sohn  Wilhelm  (f  1482)  folgte  des  ersteren  Enkel 
Michael  II.  (t  1532),  unter  welchem  die  Wiedervereinigung  mit  dem 
Majorate  erfolgte.    Mit  Michael  III.  starb  1550  das  Grafenhaus  aus. 

330.  Bistum  Würzburg;.  Das  Stiftsgebiet,  welches  sich  aus  Teilen 
des  alten  Iffigaues,  Taubergaues,  Badenachgaues,  Gotzfeldes,  Waldsassen, 
Volkfeldes  und  Grabfeldes  zusammensetzte,  wurde  in  der  Folgezeit  durch 
weitere  Erwerbungen  von  angekauften,  als  Lehen  eröffneten  Territorial- 
gebieten dor  Nachbarschaft  vergrölsert.  Das  Schlofs  Ascha  mit  Dörfern, 
ehemals  im  Besitz  der  Henneberger,  kam  1402  als  Pfandobjekt  durch 
die  Herren  von  Bibra  an  das  Hochstift.  Aus  dem  hennebergischen  Besitz 
stammt  auch  das  Amt  Mainberg,  welches  1541  gegen  Amt  Meiningen  von 
Ifenneberg -Schleusingen  eingetauscht  wurde.  Aus  dem  Güterbestande 
der  Herren  von  Trimperg  erfuhr  das  Stift  noch  1376  einen  Zuwachs: 
Bischofsheim  an  der  Rhön,  Alh-nhaslau  und  Schlüchtern;  die  letzteren 


331.  Fürstentümer  Ansbach  und  Baireuth. 


473 


wurden  1377  gegen  Amt  Bütthard  an  die  Grafen  von  Hanau  eingetauscht. 
Aus  don  Hohenloheschen  Stammlanden  war  «las  Amt  Jagstberg  als  Pfand- 
objekt über  Baiern  1406  an  das  Bistum  gekommen.  Von  Stadt  und  Amt 
Kitzingen  war  ein  Drittel,  der  Speckfelder  Anteil  1406  angekauft  worden. 
Von  den  Grafen  von  Castell  erhielt  das  Bistum  deren  ganze  Grafschaft 
1457  als  Lehen  aufgetragen;  Stadt  und  Amt  Volkach,  welche  in  Form 
von  Anteilen  im  Besitz  verschiedener  Herren  waren,  hatte  das  Stift  1509 
vollständig  an  sich  gebracht. 

331.  Fürstentümer  Ansbach  und  Baireuth.  Das  Burggraftum 
Nürnberg  bestand  aus  zwei  getrennten  Landgebieten :  das  um  das  Fichtel- 
gebirge gelegene  Gebiet  wurde  das  »Land  auf  dem  Gebirge«  oder  »ober- 
halb des  Gebirges*  genannt,  das  um  obere  Rednitz  und  Altmühl  gelegene 
das  »Land  unterhalb  des  Gebirges« ;  auch  die  abkürzenden  Bezeichnungen 
Oberland  und  Niederland  waren  im  Gebrauch.  Burggraf  Friedrich  V. 
hatte  noch  vor  seinem  Tode  (1398)  eine  Teilung  des  Landes  unter  seine 
Söhne  dahin  getroffen,  dafs  Johann  III.  das  xobergebirgische«  Fürstentum, 
das  Fürstentum  Baireuth  oder  Kulmbach  erhielt,  Friedrich  VI.  das  »unter- 
gebirgische«  Fürstentum,  das  Fürstentum  Onolzbach  (=  Ansbach,  Anspach). 
Letzterer  wurde  überdies  1415  von  Kaiser  Sigismund  zum  Statthalter 
der  Altmark  und  Mittelmark  Brandenburg  ernannt  und  1417  mit  der 
Markgrafschaft  und  Kurwürde  erblich  belehnt.  Da  1420  sein  Bruder 
Johann  III.  starb,  so  fiel  auch  das  Fürstentum  Baireuth  an  ihn.  Doch 
schon  unter  seinen  Söhnen  fand  eine  Teilung  statt  (Hausvertrag  zu 
Kadolzburg  1437).  Der  älteste  Sohn  Johann  erhielt  das  Fürstentum 
Baireuth,  der  zweite  Friedrich  II.  die  Mittelmark  samt  der  Kurwürde, 
Albrecht  das  fränkische  Fürstentum  Ansbach  und  Friedrich  der  jüngste 
die  Altmark  und  Priegnitz  (unter  Oberhoheit  Friedrichs  II.)  mit  dem  Sitz 
in  Tangermünde.  Friedrich  II.  trat  die  Regierung  der  Mark  an  seinen 
Bruder  Albrecht  Achilles  1470  ab.  Letzterer  hatte  überdies  das  Fürsten- 
tum Baireuth  von  seinem  1460  kinderlos  verstorbenen  Bruder  Johann 
geerbt.  Um  weiteren  Zersplitterungen  vorzubeugen,  wie  sie  damals  in 
anderen  Häusern  allgemein  üblich  waren,  erliefs  er  1473  ein  Hausgesetz 
(dispositio  Achillea)  über  die  gesamten  zu  Brandenburg  gehörigen  Lande ; 
in  ihm  war  speziell  für  die  fränkischen  Fürstentümer  die  Bestimmung 
getroffen,  dafs  sie  fortan  höchstens  zwei  regierende  Herren  haben  sollten. 
Entsprechend  wurden  nach  dem  Tode  Albrechts  (1486)  die  Lande  unter 
seine  drei  Söhne  geteilt  ;  Johann  Cicero  erhielt  als  Kurfürst  die  Mark, 
Friedrich  der  Ältere  (f  1536)  Ansbach,  Sigismund  (r  1495)  Baireutli. 
Nach  des  letzteren  Tode  hatte  dann  Friedrieh  der  Altere  die  fränkischen 
Lande  wieder  vereinigt,  doch  seine  Söhne  hatten  sie  wieder  getrennt 
(Kasimir:  Baireuth,  Georg  der  Fromme:  Ansbach). 

Auch  einige  Erwerbungen  hatten  die  Burggrafen  in  der  Zwisehenzeit 
gemacht,  Noeh  Friedrieh  V.  hatte  1378  Uffenheini  von  den  Grafen  (Herren) 
von  Hohenlohe  erworben,  1386  Sehauenstein  von  den  Herren  von  Wolfstriegel, 
und  Karl  IV.  hatte  ihm  die  Reiehsstadt  Feuehtwangen  verpfändet,  die  Die 
wieder  eingelöst  wurde  (1376).  1401  erwarben  die  Burggrafen  noeh  einige  kleinere 
Restetücke  der  truhendingisehen  Erbsehaft,  1404  Hohentrüdingen  und  Zubehör 


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474  IX.  Politische  Geographie  um  da**  Jahr  1550. 

von  Baiern  erst  pfandweise,  dann  ganz.  Georg  der  Fromme  hatte  überdies 
1523  von  Georg  von  Schellenberg  das  schlesische  Fürstentum  Jägerndorf  gekauft; 
desgleichen  erwarb  er  die  Herrschaft  Oderberg,  die  ihm  nach  1532  von  Kaiser 
Ferdinand  I.  streitig  gemacht  wurde.  Doch  kaufte  letzterer  ihm  das  Anrecht 
auf  sie  ab  und  gab  Oppeln,  Ratibor  und  Beuthen  in  Pfand  (s.  auch  Schlesien). 
—  Mit  Kasimirs  Sohn  Albrecht  Alcibiades  teilte  Georg  1541  das  Land,  indem 
er  jenem  Baireuth-Kulmbach  gab. 

Albrecht  Achilles  f  1486 


Johann  Cicero                  Friedrich  d.  Ältere  Siegmund 

(Brandenburg)                        (Ansbach)  (Baireuth } 

f  1499                              f  1536  f  1495 

I 


Joachim  L  Kasimir  Georg  d.  Fr. 

t  1535  (Baireuth)  (Ansbach) 

f  1527  f  1543 

I  I 

Albrecht  Alcib.  Georg  Friedrich 
f  1557  f  1603 

tt  t  t  t  t 

332.  Grafschaft  Ottingen.  Die  Spaltung  des  Grafenhauses  in 
mehrere  Linien  hatte  auch  zu  Teilungen  des  Landes  geführt.  Von  den 
Söhnen  des  Grafen  Friedrich  (t  1423)  gingen  drei  Linien  aus:  Johann 
(t  1449)  stiftete  die  Altwallersteiner  Linie,  die  mit  seinem  Sohn  1486 
schon  erlosch,  Ulrich  (f  1477)  die  Flolchberger  Linie,  die  mit  seinem 
Enkel  1549  ebenfalls  ausstarb  und  Wilhelm  die  Altöttinger  Linie,  die 
allein  fortblühte. 

333.  Grafschaft  Hohenlohe.  Von  den  vier  bestehenden  Linien 
des  Hauses  war  die  in  zwei  Äste  gespaltene  Braunecker  Linie  (s.  Tabelle 
S.  288)  sehr  bald  wieder  (1390,  1391)  erloschen,  und  1412  traf  das  gleiche 
Geschick  auch  die  von  Albert  gestiftete  Zweiglinie  im  Hause  Hohenloh 
Hohenlohe,  so  dafs  nur  Hohenlohe -Weickersheim  fortbestand  und  den 
ganzen  Territorialbesitz  wieder  vereinigte. 

Der  Letzte  der  A 1  brechtechen  Linie  Johann  starb  1412.  Von  dem  Besitz- 
tum war  UlTenheim  mit  Hohenlohe  und  Teil  von  Goilhofen  1378  an  die  Burg 
grafen  von  Nürnberg  verkauft  worden.  Die  Hinterlassenschaft  (Speckfeld. 
Haltenbergstetten,  Winterhausen,  Sommerhausen  etc.)  kam  teilweise  an  die 
beiden  Sehwäger  des  letzten  Grafen  (nämlich  die  Grafen  Lienhard  von  Castell 
und  Friedrieh  Sehenken  von  Limpurg;  doch  nur  der  dritte  Teil  der  Mann- 
schaften an  Hohenlohe  Weickersheim.    Stalin  III.  675. 

334.  Herzogtum  Baiern.  Herzog  Stefan  I.  war  1375  gestorben 
und  hatte  sein  Land,  welches  ganz  Oberbaiern  und  einen  Teil  Nieder- 
baierns  umiafste,  seinen  drei  Söhnen  hinterlassen,  die  es  nach  anfangs 
gemeinschaftlicher  Regierung  1392  unter  sich  teilten  und  die  drei  Linien 
Ingolstadt  (Stefan  IL),  L  a n  d  s h  u t  (Friedrich)  und  München  (Johann) 
stifteten.  Überdies  bestand  noch  von  früher  die  Niederbairisch-Strau 
binger  Linie  (Albrecht  I.).  —  Von  diesen  Linien  erlosch  die  Ingolstädter 
aber  bereits  1447,  die  Landsbuter  mit  Georg  dem  Reichen  1503,  so  dafs 
die  Münchener  Linie  unter  Albrecht  IV.  dem  Weisen  wieder  ganz  Baiern 


334.  Herzogtum  Baiern. 


475 


vereinigte.  —  Die  Straubinger  Linie  war  1425  erloschen  und  ihr  Land 
nach  langen  Streitigkeiten  1429  an  die  drei  anderen  Linien  aufgeteilt 
worden,  befand  sich  nunmehr  also  ebenfalls  im  Besitze  Albrechts  IV.  Um 
einer  weiteren  Zersplitterung  vorzubeugen,  führte  er  die  Primogenitur  ein. 

Die  Gebietsvergröfserungen  unter  der  Herrschaft  der  drei  Herzöge  waren 
keine  bedeutenden  gewesen ;  so  1379 :  die  Stadt  Mohnheim  von  Ruprecht  von 
Seckendorf  und  die  Herrschaft  Liechtenberg  am  Lech ;  ferner  in  Niederbaiern 
1378  das  Erbe  Schweigers  des  Tuscheis  mit  den  Festen  Säldenau,  Perkheim 
and  Pering;  1379  Markt  Gangkofen,  Herrschaft  und  Burg  Paumgarten  und 
der  Stein  zu  Sandbach;  1386  die  Herrschaft  Teisbach  durch  Kauf  vorn  Bistum 
Regensburg  und  Herrschaft  Leonberg  von  den  Grafen  zu  Ortcnburg;  1377  die 
Herrschaft  J ulbach  am  linken  Innufer  bei  Braunau,  erst  als  Pfand,  1382  end- 
gültig; 1387  als  Pfand  die  Herrschaft  Wörth  an  der  Donau;  1377  aus  der 
Erbschaft  der  1375  erloschenen  Grafen  von  Hals:  die  Herrschaften  Erneck  bei 
Simbach  und  Ratzenhofen  bei  Abensberg;  1392  die  Herrschaft  Wartstein  in 
Schwaben.  Aus  der  Hinterlassenschaft  der  Reichsdienstmannen  von  Stein 
(Hilpoltstein)  (ftt  1385)  kauften  die  Herzöge  die  Stadt  Freistadt  und  Hilpoltstein. 
Vgl.  Riezler,  Gesch.  Baierns  III,  166  ff. 

Die  grolse  Teilung  unter  den  drei  Brüdern  fand  19.  November  1392 statt; 
•lie  Urkunde  in  Quell,  u.  Erört.  VI,  551.  Johann  erhielt:  die  südliche  Hälfte 
Oberbaierns  mit  München  und  im  X.  die  Ämter  Schwandorf,  Regenstauf,  Lengen- 
feld, Velburg,  Hcmau,  Riedenburg,  Vohburg,  Rotheneck,  Pfaffenhofen  und  die 
Regensburger  Rechte.  Stefan  erhielt  den  nordwestlichen  Teil  Oberbaierns 
mit  Ingolstadt  und  im  S.  die  Gerichte  Rattenberg,  Kufstein,  Kitzbühel ;  ferner 
zwischen  Münchener  und  Landshuter  Anteil  die  Ämter  Wasserburg,  Falkenberg, 
Kling  und  die  schwäbischen  Besitzungen  meist  längs  der  Donau :  Höchstädt, 
I^auingen,  Faimingen,  Gundelfingen,  Giengen,  Wartstein,  Wcifsenhorn,  Buch 
und  Landgericht  zu  Marstetten.    Friedrich  erhielt  das  übrige  mit  Landshut. 

Die  Straubinger  Nebenlinie  erlosch  1425  mit  Johann  und  der  freigewordene 
J^andesanteil  wurde  ein  Streitobjekt  zwischen  den  drei  Linien  bzw.  deren  vier 
Repräsentanten.  Erst  1429  kam  eine  Einigung  und  Vierteilung  des  Straubinger 
Landes  zustande.  Ludwig  VII.  (Ingolstadt)  erhielt  noch  zu  seinem  bis- 
herigen Besitz:  Schärding,  Dingolfing,  Kirehberg,  die  Losung  auf  Schwarzen- 
bürg,  Waldmünchen,  Retz,  die  Juden  zu  Regensburg;  Heinrich  III.  der 
Reiche  (Landshut):  Vilshofen,  Hilkersberg,  Hengersberg,  Landau,  Natternberg. 
Die  Münchener  Linie  hat  in  Johanns  Söhnen  zwei  Vertreter:  Ernst  erhielt 
Straubing,  Mitterfels,  Bogen,  den  Herzogshof  und  die  Rechte  zu  Regensburg: 
Wilhelm:  Kelheim,  Dietfurt,  Eschelkamm,  Furt,  Kötzting,  die  Losung  auf 
Cham  und  Deggendorf.    Vgl.  Riezler  III,  279. 

Das  Aussterben  der  Ingolstädter  Linie  mit  dem  streitsüchtigen  Ludwig  VII. 
(1447)  führte  zu  neuen  Streitigkeiten  zwischen  Heinrich  III.  (Landshut)  und 
Albrecht  IH.  (München).  Nach  Heinrichs  Tode  1450  fand  der  Streit  ein  Ende 
im  Erdinger  Vertrage,  wonach  die .  Münchener  Linie  auf  ihr  berechtigtes  Erbe 
verzichtete  und  nur  Deggendorf  zurückerhielt,  ferner  das  Gericht  Schwaben 
und  die  Herrschaften  Liechtenberg  und  Baierbrunn.  Durch  eine  Anleihe  wurde 
es  Albrecht  auch  ermöglicht,  die  noch  verpfändeten  Teile  des  Nordgaues,  die 
1392  der  Münchener  Linie  zugefallen  waren,  auszulösen;  so  1452:  Sulzbach, 
Schwandorf,  Rosenberg  u.  a..  1459  Hern  au ,  Burglengen  fehl ,  Velburg  und 
Kalmünz.    Vgl.  Riezler  IH,  355  und  die  dort  angeführte  Literatur. 

Das  Aussterben  der  Landshilter  Linie  (1503)  führte  zu  noch  weit  heftigeren 
Kämpfen,  zumal  der  Schwiegersohn  des  letzten  Herzogs  Georg,  Ruprecht 
von  der  Pfalz,  auf  die  Erbschaft  Anspruch  erhob  und  der  Kaiser  Maximilian 
zugunsten  Albrechts  des  Weisen  (Münchener  Linie)  in  den  Streit  mit  eingriff. 
Die  blutige  Erbfehde  wurde  1505  auf  dem  Cölner  Reichstag  beigelegt.  Für 
Ruprechts  (j  1504)  Söhne  Otto  Heinrich  und  Philipp  wurde  ein  neues  Fürstentum 


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476 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1560. 


Pfalz-Neuburg  begründet,  die  sog.  »Junge  Pfalz« ;  sie  begriff  Neuburg  a.  d.  Donau 
und  alles,  was  Herzog  Georg  vom  Oberlande  nördlich  der  Donau  (aufser  Ingol- 
stadt) hinterlassen  hatte.  Aus  diesen  Gebietsteilen  nördlich  der  Donau  haben 
sich  späterhin  die  Fürstentümer  Neuburg  und  Sulzbach  gebildet.  Alles  übrige 
fiel  an  den  Münchener  Herzog  Albrecht  IV.  Doch  hatte  auch  Kaiser  Maxi- 
milian bei  der  Gelegenheit  einige  Stücke  an  sich  gebracht:  Vogtei  und  Kloster 
Mondsee,  Schlöfs  Wildeneck  und  das  Landgericht  Kitzbühel  mit  20  Bergwerken. 
Vgl.  Riezler  HI,  581—638. 

Eine  Erwerbung  machte  noch  Herzog  Wilhelm  IV.   1517:  die  Graf 
schaft  Hals  an  der  Donau  durch  Kauf  von  den  Herren  von  Deggenberg. 


Ludwig 
v.  Brandenburg 
f  1361 

I 

Meinhard 
1362 
ttt 


Ludwig  IV. 


Stefan  I. 

Baiern 
Ingolstadt 


Stefan  IL 
f  1413 

Ludwig  VH. 
t  1447 

ttt 


Ruprecht 
v.  d.  Pfalz 


Landshut 


München 


Albrecht  L 
Straubing 


Friedrich 
f  1393 

Heinrich  III. 
f  1450 

I 

Ludwig  IX. 
t  1479 


Johann 
f  1397 


Ernst 

I 


Wilhelm 


Albrech 


der  Reiche 
t  1503 


Elisabeth 


Otto  Heinrich 


Philipp 


t  m. 

t  1460 

Albrecht  IV. 
der  Weise 
f  1508 

Wilhelm  IV. 
f  1550 

I 

Albrecht  V. 
f  1579 


Johann 
f  1425 

ttt 


335.  Mainsche  Bistümer.  Grofse  Territorialveränderungen  sind 
nicht  eingetreten.  Das  Regensburger  Stift  hatte  einzelne  Stücke  veräufsert; 
so  die  Feste  Itter  bei  Hopfgarten  nebst  Tiroler  Besitzungen  an  Erzbischof 
Pilgrim  von  Salzburg  und  die  Herrschaft  Teisbach  mit  Fronten  hausen, 
Pilsting  und  Essenbach  an  die  bairischen  Herzöge  (s.  vorher).  —  Bistum 
Passau  hatte  1398  Herrschaft  Mattsee  käuflich  von  Salzburg  erworben.  — 
Erzbischof  Friedrich  von  Salzburg  tauschte  die  Gerichte  im  Landgericht 
Tittmoning  und  gegen  Trostberg  hin  gegen  das  Halsgericht  zu  Mühldorf 
und  in  der  Herrschaft  Mattsee  mit  Herzog  Heinrich  dem  Reichen  aus  (1442). 
Riezler  III  f.,  819. 

336.  Habsburg  -  Österreichische  Länder.    Der  ausgedehnte  Land 
besitz  der  Habsburger  erfuhr  unter  den  Nachkommen  Albrechts  II.  mehr 
fache  Aufteilungen.    Die  Uneinigkeit  der  Brüder  und  Vettern  unterein- 
ander mufste   auch  das  politische  Gewicht    nach  aufsen  schwächen 
Zunächst  hatten  Albrecht  III.  und  Leopold  III.  sich  den  Besitz  geteilt, 
wobei  jener  Österreich  ob  und  nid  der  Enns  erhielt,  dieser  alles  übrige 
Die  fortan  bestehenden  Linien  der  AI  bertiner  und  Leopoldiner  regierten 
infolge  der  fortgesetzten  Spannungen  untereinander  die  Länder  nicht  zu 
ihrem  Heil.    Durch  Albrecht  V.  kam  1438  die  deutsche  Kaiserkrone  an 


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336.  Hababurg  österreichische  Länder. 


477 


das  Habsburger  Haus  und  verblieb 
diesem  über  300  Jahre.  Mit  Albrechts 
Sohn  Ladislaus  Posthumus  starb 
die  Albertiner  Linie  aber  1457 
schon  aus  und  die  beiden  Vettern 
Friedrich  III.  und  Albrecht  VI.  teilen 
sich  in  das  Erbe,  von  dem  Kaiser 
Friedrich  III.  Niederösterreich  be- 
hielt, während  er  Oberösterreich  an 
Albrecht  VI.  abtrug,  der  sich  jedoch 
hiermit  nicht  begnügte.  Nach  einer 
längeren  Fehde  mufs  der  Kaiser  im 
Korneuburger  Frieden  auch  Wien 
und  Niederösterreich  bis  zur  Grenze 
an  der  Piesting  an  Albrecht  abtreten, 
während  er  selbst  nur  das  Gebiet 
von  hier  bis  zum  Semmering  mit 
Wiener-Neustadt  behielt. 

Unter  eben  jenem  Friedrich  III. 
sollten  aber  die  gesamten  Habs- 
burgischen Lande  wieder  vereinigt 
werden.  Zunächst  starb  sein  viel- 
befehdeter Bruder  Albrecht  VI. 
1463  ohne  Nachkommen  und  ferner 
trat  sein  Vetter  Sigismund ,  der 
die  auf  Tirol  abgeteilte  Nebenlinie 
vertrat,  sein  Land,  welches  er  den 
Wittelsbachern  in  die  Hände  spielen 
wollte,  an  Friedrich  bzw.  dessen 
Sohn'Kaiser  Maximilian  I.  1490  ab. 
Durch  glückliche  Heiraten  gelang 
es  den  Habsburgern,  ihren  Macht- 
bereich über  einen  grofsen  Teil  von 
Europa  auszudehnen.  Kaiser  Maxi- 
milian sicherte  sich  durch  die 
Heirat  mit  Maria  von  Burgund  die 
burgundische  Erbschaft  und  machte 
auch  noch  sonstige  Erwerbungen. 
Da  späterhin  (14%)  sein  Sohn  Philipp 
die  Erbin  der  spanischen  Krone, 
Johanna  von  Castilien,  heiratete, 
fiel  auch  Spanien  sehliefslich  in  den 
Habsburgischen  Machtbereich.  Eine 
weit  bedeutsamere  Erwerbung,  so- 
weit Mitteleuropa  in  Frage  kommt, 
war  diejenige  des  Königreiches 
Böhmen    und   Ungarn,  indem 


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478 


IX.  Politische  Geographie  um  daa  Jahr  1550. 


Ferdinand  I.  Anna,  die  Tochter  König  Wladislaws  von  Böhmen  und  Ungarn, 
heiratete.  Beide  Länder  fielen  an  Österreich  (Ungarn  freilich  zunächst 
nur  teilweise),  als  Wladislaws  Sohn  Ludwig  II.  in  der  Schlacht  von 
Mohacs  einen  frühen  Tod  fand.  Böhmen  blieb  seitdem  für  immer  mit 
Osterreich  vereinigt. 

Bei  der  Teilung  zwischen  Albrecht  III.  und  Leopold  III.  erhielt  letzterer 
1379  Steiermark,  Kärnten  und  Krain,  ferner  die  Gebiete  von  Möttling  (die 
Windische  Mark)  und  auf  dem  Karst  (Poik)  die  istrische  Grafschaft  mit  Pisino- 
Mitterburg,  Tirol  und  Vorderösterreich  (d.  h.  die  noch  Habsburgischen  Gebiet»- 
in  der  Schweiz,  Schwaben  und  Elsals).  Vom  eigentlichen  Österreich  wuroV 
auch  das  altsteirische  Gebiet  zwischen  Piesting  und  Semmering  w  ihm  zu- 
gesprochen. 

Das  Küstenland  der  Adria  hatte  unter  venetianischer  Oberhoheit  ge- 
standen. Triest,  als  bedeutendster  Hafenplatz  an  der  istrischen  Küste,  hatte 
sich  von  der  Oberhoheit  des  Bischofs  immer  selbständiger  zu  machen  vermocht 
und  war  1295  völlig  unabhängig  von  ihm.  Dagegen  konnte  es  sich  der  Ein 
griffe  Venedigs  nur  mit  Mühe  erwehren  und  suchte  schon  1369  einen  Anschluß 
an  die  Habsburger  zu  gewinnen,  der  ihnen  aber  erst  1382  gelang.  Seitdem 
gab  es  ein  österreichisches  Istrien  mit  Triest  und  Pisino-Mitterburg,  während 
von  Capo  d'Istria  bis  Pola  ein  venetianisches  Istrien  bestand. 

Eine  weitere  Erwerbung  hatte  Österreich  in  dem  Lande  jenseits  des  Ali 
berges  gemacht.  Aus  dein  ehemaligen  Territorialbestandc  der  Grafen  von 
Montf  ort-  Werdenberg  waren  B 1  u  d  e  n  z  und  das  MontafonerTal  auf  Grund 
eines  Erbvertrages  an  Habsburg  gefallen  (1418),  und  1451  kam  aus  dem  Hohen 
bergischen  Länderbesitz  die  Hälfte  von  Bregenz  durch  Kauf  hinzu.  Auch  die 
vorderösterreichischen  Lande  in  Schwaben  erfuhren  einige  Vcrgröfserungen 
durch  die  Nellenburger  Grafschaft,  die  Landgrafschaft  im  Hegau  und  die 
Landvogtei  am  nördlichen  Rande  des  Bodensees.  Im  Jahre  1459  war  mit 
Ulrich  III.  der  letzte  Graf  von  Cilli  ins  Grab  gesunken.  Das  Grafengeschlecht 
stammte  von  Friedrich  von  Soneck  ab,  welcher  seit  1341  als  Graf  von  Cilli 
auftritt.  1436  wurden  die  Grafen  in  den  Reichsfürstenstand  erhoben.  Stadt 
Burg  Alt-Cilli  und  das  zugehörige  Territorium  fielen  damals  an  Österreich. 

Maximilian  L  erwarb  ferner  in  Friaul  auf  Grund  eines  Erbvertrages  die 
Grafschaft  Görz,  wo  der  letzte  Graf  1500  gestorben  war.  Mit  ihr  fielen  ihm 
aber  auch  reiche  Güter  und  Liegenschaften  in  der  weiteren  Nachbarschaft  zu. 
Hatten  die  Habsburger  in  der  Schweiz  den  gröfsten  Teil  ihrer  Lande  auch  an 
die  Eidgenossen  bis  auf  geringe  Teilstücke  am  oberen  Rhein  im  XV.  Jh.  ver 
loren,  so  gewann  Maximilian  hinwiederum  vom  Kurfürsten  von  der  Pfalz  die 
Landgrafschaft  Hagenau  und  (he  Orten  au  in  der  Oberrheinischen  Tief 
ebene.    Seine  Einmischung  in  den  Bairischen  Erbfolgestreit  hatte  die  Rückgabe 
der  im  Frieden  von  Schärding  (1359)  abgetretenen  Herrschaften  von  Kitz 
bühel,  Kufstein  und  Rattenberg  zur  Folge,  sowie  den  bairischen  Anteil  de> 
Zillertales.    Der  Krieg  gegen  Venedig  (1508)  trug  beim  Friedensschlufe  ihm 
noch  die  Stadt  Roveredo,  die  sog.  vier  Vikariate  und  die  Gebiete  von  Cortina 
di  Ampezzo,  Peutelstein  u.  a.  ein. 

Im  einzelnen  vgl.  Krones,  Grundrifs,  S.  370  ff.,  390  ff.,  413  ff.,  443  ft 
wo  auch  die  Spezialliteratur  verzeichnet  ist.    Huber,  Österr.  Gesch.  HI,  266  Ö" 
Krones,  Handbuch  II,  493  ff.    Luschin  von  Ebengreuth,  österr.  Reich- 
geschichte,  259  ff. 

337.  Herzogtum  Schlesien.  Die  in  viele  Teillinien  gespaltenen 
Fürstenhäuser  von  Ober-  und  Niederschlesien  hatten  ihren  Territorialbesiu 
mehrfach  weitergetoilt,  ausgetauscht  und  wieder  zusammengelegt.  Um 
die  Mitte  des  XVI.  Jh.  bestanden  die  nachfolgenden  Territorien. 


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337.  Herzogtum  Schle«ien. 


479 


OIs.  Die  von  Konrad  I.  (f  1366)  begründete  Linie  (s.  genealog.  Tab. 
8.  345),  welche  die  Iünder  Öls-Wohlau-Wartenberg  in  dem  S.  344  angegebenen 
Umfange  besafs,  zu  welchem  unter  Konrad  II.  pfandweise  noch  die  Hälfte 
von  Glogau,  Steinau,  Guhrau  und  Rützen  hinzukam,  erlosch  1492  mit  Konrad 
dem  Weifscn.  König  Wladlslaw  von  Böhmen  trat  nun  das  Land  1495  an 
Herzog  Heinrich  von  Münsterberg  (ausschliefslich  Militsch-Tnichenberg) 
ab.  LBUrk.  II,  id.  108f.,  die  einzelnen  Teilgebiete  ibi  S.  110.  Doch  gingen  unter 
seinen  Nachfolgern  einige  Gebiete  wieder  verloren;  so:  1517  Wohlau  mit  Steinau, 
Raudten,  durch  Verkauf  an  Johann  Turzo  (LBUrk.  I,  289),  der  es  seinerseits 
1523  an  Friedrich  II.  von  Liegnitz  verkaufte  (LBUrk.  I,  293).| 

Münsterberg.  Mit  Johann  war  1428  die  Linie  Bolkos  II.  (s.  Tab.)  aus- 
gestorben und  das  Land  ging  an  seine  Neffen  Ernst  und  Wilhelm  von  Troppau 
über,  von  denen  letzterer  1454  starb.  Das  Fürstentum  fiel  an  Böhmen  und 
König  Georg  von  Podiebrad  gab  es  1465  seinen  Söhnen  (LBUrk.  H,  156)  mit 
der  Grafschaft  Glatz  und  dem  dritten  Teil  des  Herzogtums  Troppau.  1472 
teüten  die  Söhne,  so  dafs  Heinrich  der  Ältere  Münsterberg  und  Frankenstein, 
sowie  Glatz  erhielt  (LBUrk.  H,  159).  Unter  ihm  wurde  (1495)  Öls  (s.  o.)  mit 
Münsterberg  vereinigt. 

Das  vereinigte  Gebiet  blieb  auch  fernerhin  noch  unter  den  Podiebrads. 

Liegnitz-Brieg- Wohlau.  Liegnitz-Brieg  war  unter  die  Söhne  Boleslaws  III. 
(t  1352)  geteilt  worden,  so  dafs  Wenzel  Liegnitz,  Ludwig  I.  (f  139H)  Brieg 
und  Lüben  zufiel.  Ludwigs  Anteil:  Brieg- Lüben  wurde  später  unter  seinen 
Enkeln  1400  nochmals  geteilt,  so  dafs  Ludwig  H.  (f  1436):  Brieg,  Kreuzburg, 
Pitschen,  Konstadt  und  vier  Dörfer  im  Ohlauer  Bezirk  erhielt,  Heinrich  IX. 
(f  ca.  1420)  den  Rest:  Ohlau,  Nimptsch,  halb  Hainau  und  Lüben  (LBUrk.  I, 
352);  Wenzels  Anteil:  Liegnitz  und  Goldberg  wurde  durch  seinen  Sohn 
Wenzel,  Bischof  von  Breslau,  1409  an  Ludwig  II.  abgetreten  (LBUrk.  I,  357  ff.). 
Durch  eine  Heirat  des  Enkels  von  Heinrich  Johann  mit  der  Tochter  Ludwigs  II. 
wird  der  ganze  Länderbesitz  wieder  vereinigt  (1445);  jedoch  Kaiser  Friedrich  III. 
verlangt  Liegnitz  und  Goldberg  als  heimgefallenes  Lehen  für  sein  Mündel 
König  Ladislaus.  In  der  hierdurch  herbeigeführten  Fehde  unterlag  aber  Johann 
1452;  er  verzichtete  daher  auf  das  Liegnitzer  und  Goldberger  Land.  Näheres 
bei  Grünhagen  I,  274 — 280.  Morgenbesser,  Gesch.  von  Schlesien,  1892,  S.  95  ff., 
98  f.  Unter  den  böhmischen  Königen  Wladislaw  und  Georg  von  Podiebrad 
herrschten  noch  immer  unsichere  Zustände;  erst  als  Matthias  Corvinus  1469 
den  böhmischen  Thron  bestiegen  hatte,  sprach  er  dem  Herzog  Friedrich  I. 
(Sohl)  Johanns)  das  Liegnitzer  I^and  endgültig  zu.  Unter  der  langen  Regierung 
Friedrichs  II.  (1488 — l.">47)  kamen  die  Lande  Wohlau-Steinau-Raudten 
durch  Kauf  1523  an  Liegnitz  (s.  o.  Öls).  Er  war  es  auch,  der  den  Erbvertrag 
mit  Kurfürst  Joachim  II.  von  Brandenburg  1537  abschlofs,  nach  welchem  im 
Falle  des  Erlöschens  des  Liegnitzer  Manncsstammes  Liegnitz-Bricg-Wohlau  an 
Brandenburg  fallen  sollte,  eine  Vereinbarung,  die  König  Ferdinand  1546  für 
ungültig  erklärte.  Friedrich  II.  starb  1547.  Von  seinen  Söhnen  übernahm 
Friedrieh  III.  das  Hauptland  Liegnitz  mit  der  Pfandschaft  Münsterberg,  Georg  II. 
(f  1586)  Brieg  und  Wohlau. 

Glogau-Sagan.  Das  Glogauer  I^and  war  in  eine  herzogliche  und  könig- 
lich böhmische  Hälfte  geschieden;  letztere  hatte  im  Jahre  1331  Johann  von 
Steinau  an  König  Johann  von  Böhmen  verkauft  (LBUrk.  I,  134).  Die  böhmi- 
schen Könige  hatten  sie  zeitweise  anderen  Fürsten  überlassen;  1384  war  sie 
durch  König  Wenzel  an  Przemislaw  (Primko)  von  Teschen  vergeben  worden, 
d.  h.  also  halb  Glogau  mit  Steinau  und  Guhrau  (LBUrk.  1,  196).  —  In  der 
herzoglichen  Hälfte  hatte  Heinrich  IV.  (f  1369)  alles  zugehörige  Land  vereinigt; 
dasselbe  war  nach  einer  vorübergehenden  Teilung  unter  seinem  Sohne  Hein- 
rich VIII.  (f  1397)  der  Fall.  Nach  seinem  Tode  fand  eine  neue  Teilung  statt 
unter  drei  seiner  Söhne,  indem  Johann  I.  als  Herzog  von  Sagan  eine  eigene 
Linie  begründete.    Im  Jahre  1467  besitzt  sein  Sohn  Johann  II.  das  Saganer 


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480  IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 

Land,  während  die  andere  Linie  unter  Heinrich  XI.  halb  Glogau,  Freistath 
Krossen,  Sprottau  und  Lüben  hat.  Da  Heinrieh  kinderlos  war,  so  vererbt«;  er 
als  Schwiegersohn  des  Kurfürsten  Albrecht  Achilles  von  Brandenburg  sein  Lud 
an  seine  Frau  und  somit  auch  an  jenen.  Dem  widersetzte  sich  aber  Johann  II 
von  Sagan  und  schließlich  auch  König  Matthias.  W  ie  oben  bemerkt,  hatten 
die  Herzüge  von  Teschen  halb  Glogau  im  Besitz;  Kasimir  von  Teschen  tritt 
nun  Glogau  1479  an  Matthias  ab,  wofür  er  Kosel  erhält.  Hierüber  wir»! 
Johann  auch  gegen  Matthias  aufsässig  und  sucht  ganz  Glogau  sich  anzueignen 
Der  Frieden  von  1481  liefs  freilich  das  Glogauer  Land  dem  Herzog  Johann 
der  aber,  falls  er  ohne  männliche  Nachkommen  stürbe,  es  an  Matthias  und 
dessen  Nachkommen  vererben  müfste;  Krossen,  Züllichau,  Sommerfeld  und 
Bobersberg  wurden  damals  vorn  Glogauer  Lande  abgetrennt  und  Albreclit 
Achilles  überlassen.  LBUrk.  I,  232,  236,  242.  Doch  entstanden  zwischen 
Johann  und  Matthias  neue  Differenzen  wegen  der  Nachfolge ;  Johann  unterW 
aber  1488  und  mufste  auf  alle  seine  Länder  verzichten.  —  Das  Glogauer 
Land  erhielt  später  Matthias'  Sohn,  Johann  Corvinus,  der  es  jedoch  an  den 
neuen  böhmischen  König  Wlaidslaw  abtreten  mufste.  1508  wurde  es  der 
böhmischen  Krone  inkorporiert.  LBUrk.  I,  256,  258.  —  Das  Land  Sagau 
war  1500  an  den  Herzog  Georg  von  Sachsen  gekommen,  dann  1539  an  seinen 
Bruder  Heinrich  und  1541  an  dessen  Sohn  Moritz,  der  es  1548  an  Könijj  Fer- 
dinand gegen  Eilenburg  austauschend  abtrat. 

Militsch  und  Trachenberg  waren  ehemals  Bestandteile  des  Fürstentum! 
Öls  (s.  d.)  und  wurden  1494  von  diesem  getrennt.  Schon  vorher  (1471 
waren  sie  als  militärisch  wichtige  Festen  mit  Herrnstadt  und  Suhlau  an  König 
Matthias  abgetreten  worden  (LBUrk.  II,  91).  1494  verleiht  König  Wladislaw 
beide  Herrschaften  seinem  Kämmerer  Siegmund  Kurzbach.  Es  war  damit  der 
Anfang  sog.  Standesherrschaften  gemacht  worden,  die  selbständig  neben  den 
Fürstentümern  standen.  LBUrk.  II,  106,  107.  Grünhagen  I,  362.  Karl  I.  veii 
Öls  verkauft  1512  an  Kurzbach  noch  Bezirk  und  Stadt  Winzie,  Bezirk  Wü« 
soska  (Herrnstadt)  und  Rzetiensky  (Rützen)  und  Schlofs  Suhlau,  LBUrk.  H.  114 
Bestätigung  des  gesamten  Gebietes  durch  König  Wladislaw  1514,  LBUrk.  U 
116.    Die  Söhne  Kurzbachs  teilen  1521  das  Land,  LBUrk.  II,  119,  120. 

Wartenberg,  ebenfalls  ein  Teil  von  Öls,  war  durch  König  Matth):* 
als  Standesherrschaft  abgegliedert  und  an  Hans  Haugwitz  vergeben  worden 
ebenso  Herrnstadt  an  dessen  Bruder  Hinko.  Doch  Konrad  der  Weilse  von 
Öls  nimmt  nach  dem  Tode  Matthias'  beide  Herrschaften  mit  Waffengewalt  ein 
Wartenberg  erscheint  dann  im  Besitz  verschiedener  Familien. 

Ratibor.  Nach  dem  Tode  Leskos  1336  geht  das  Land  an  seinen  Schwager 
Nikolaus  von  Troppau  über,  dessen  Nachkommen  in  gerader  Linie  einander 
folgen  bis  auf  Valentin,  mit  welchem  1521  das  Haus  ausstirbt.  Nachdem  schon 
1517  das  Land  Plefs  abgetrennt  und  .seitdem  als  eigene  Herrschaft  dtueb 
Kauf  an  ehe  Familie  Turzo  gekommen  war,  wird  Ratibor  1521  mit  Oppeln 
vereinigt. 

Oppeln  war  geteilt  in  Falkenberg  und  Oppeln  (S.  346).  Heinrich  IH.  von 
Falkenberg  starb  1382  kinderlos.  Sein  Land  fiel  an  die  andere  Linie  (Wh 
dyslaw);  schon  1372  war  hierüber  eine  Verfügung  getroffen,  cf.  LBUrk.  n,  809. 
Da  aber  auch  Wladislaw  (f  1401)  ohne  männliche  Nachkommen  war,  so  ver- 
erbte er  sein  Land  an  seines  Bruders  (Bolko)  Söhne:  Johann,  Bolko  IV.  und 
Bernhard.  Bolkos  Sohn,  Bolko  V.  (1460)  ist  sehliefslich  wieder  alleiniger  Erbe 
Unter  seinem  Neffen  Johann,  der  1509  Cosel  noch  erhielt,  fällt  das  Ratiborer 
Land  1521  an  Oppeln  (s.  o.).  Da  Johann  kinderlos  war,  hatte  er  mit  dem 
ebenfalls  kinderlosen  Valentin  von  Ratibor  und  beide  hinwiederum  mit  dem 
Markgrafen  Georg  von  Brandenburg  (Vetter  Kurfürst  Joachüns  I.)  eine  ErK 
Verbrüderung  getroffen  (1512,  LBUrk.  II,  345,  848),  die  auch  1519  die  Bestätigung 
durch  König  Ludwig  von  Böhmen  fand  (LBUrk.  H,  355;  für  Georg  speziell 


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338.  Kurfürstentum  Sachsen. 


1522,  ibid.  III,  362).  Vgl.  im  übrigen  Grünhagen,  Gesch.  Schlesiens  I,  374  ff. 
Gegen  diese  Vereinbarung  protestierte  späterhin  König  Ferdinand  von  Böhmen, 
weise  an  Markgraf  Georg  übergehen  sollte,  der  ausserdem  noch  Oderberg, 
1531  fand  aber  ein  Vergleich  statt,  dahingehend,  dafs  Oppeln-Ratibor  pfand- 
Jägerndorf  und  Beuthen  besals.  Grünhagen  II,  55  ff.  1532  starb  Johann  von 
Oppeln,  und  Georg  (j  1543)  und  dann  sein  Sohn  Georg  Friedrich  waren 
nominell  Herren  des  Landes. —  Kosel  und  Beuthen  war  1471  von  Konrad 
dem  jungen  Weifsen  von  Öls  an  König  Matthias  abgetreten  und  seit  1476 
durch  königliche  Hauptleute  verwaltet  worden;  Kosel  erhielt  1479  Kasimir 
von  Teschen  im  Austausch  gegen  Glogau.  Schliefslich  fiel  es  1509  an  Johann 
von  Oppeln.  Beuthen  verschrieb  König  Ludwig  1526  nach  dem  dereinstigen 
Tode  Herzog  Johanns  von  Oppeln  an  den  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg 
(LBUrk.  II,  454).  Auch  Oderberg  tritt  Johann  von  Oppeln  an  den  Mark- 
grafen ab  und  König  Ludwig  bestätigt  es.    LBUrk.  II,  409. 

Teschen.  Die  Nachkommen  Przemislaws  (f  1409)  teilen.  Sein  Sohn 
Boleslaw  I.  (f  1431)  erhält  Teschen,  sein  Enkel  Kasimir  (f  1433)  Ausch- 
witz und  Zator;  letztere  waren  naeh  dem  Aussterben  der  dortigen  Fürsten- 
linie mit  Johann  II.  (f  1405)  an  jenen  Przemislaw  gefallen  (LBUrk.  II,  580). 
—  Unter  Kasimirs  Sohn  Johann  III.  (f  nach  1495)  gingen  Auschwitz  und 
Zator  durch  Kauf  an  Polen  1457  verloren  und  waren  somit  für  immer  von 
Schlesien  getrennt.  (LBUrk.  II,  606,  617).  Teschen  blieb  dagegen  unter  den 
Nachkommen  Boleslaws  I.  zunächst  bis  auf  Wenzel  III.  (f  1579). 

Troppau  und  Jägerndorf.  Das  Land  Troppau  war  1336  mit  Ratibor 
vereinigt  worden.  1377  fand  unter  den  vier  Söhnen  Nikolaus'  II.  (f  1365)  eine 
Teilung  statt,  in  welcher  Johann  I.  und  Nikolaus  III.  Jägemdorf,  Wenzel  und 
Primko  das  eigentliche  Troppau  erhielten.  Die  wichtige  Teilungsurkunde 
(LBUrk.  II,  484  ff.)  verzeichnet  sehr  ausführlich  sämtliche  Ortschaften,  von 
denen  sich  einzelne  allerdings  schwer  ermitteln  lassen.  Die  eine  Hälfte  um- 
fafste  den  Nordwesten  des  alten  Fürstentums  Troppau,  der  von  jetzt  ab  das 
selbständige  Fürstentum  Jägerndorf  bildet  mit  den  Städten  Jägerndorf, 
Leobschütz,  Freudenthal,  Zuckmantel,  Deutech-Neukirch  und  viele  kleinere  Orte 
(LBUrk.  1.  c).  Die  andere  Hälfte  begriff  den  Südosten  des  ehemaligen  Fürsten- 
tums, der  sich  die  Oppa  aufwärts  über  Troppau  hinaus  in  den  anderen  Teil 
hineinschiebt  und  im  engeren  Sinne  Fürstentum  Troppau  genannt  wird,  mit 
Stadt  Troppau,  Burg  Landeck,  Koblau,  Markersdorf,  Boorownik,  Hultschin  usw. ; 
im  übrigen  vgl.  die  Urkunde.  —  Jägerndorf  kam  nach  dem  Aussterben  der 
dortigen  Dynastcnlinie  durch  Heirat  der  überlebenden  Enkelin  Johanns  IL 
Barbara  als  Mitgift  an  deren  zweiten  Gemahl  Georg  von  Schellenberg.  Von 
letzterem  kaufte  Markgraf  Georg  von  Brandenburg  1523  Jägerndorf  und  Leob- 
schütz, Schlofs  Lobenstein  unfern  der  Oppa,  sowie  die  Städtchen  Bennisch  und 
Bauerwitz  (LBUrk.  II,  547)  und  mehrere  Dörfer.  Georg  von  Brandenburg  starb 
1543  und  Jägerndorf  ging  an  seinen  Sohn  Georg  Friedrich  über.  —  Troppau 
war  unter  Wilhelm  und  Ernst  mit  Münsterberg  vereinigt  worden  (s.  d.)  und 
kam  an  Georg  Podiebrad  bzw.  dessen  Sohn  Victorin.  Dieser  überliefs  es  1485 
an  Matthias  Corvinus.  Dessen  Sohn  Johann  trat  es  1501  an  König  Wladislaw 
ab  und  dieser  übergab  es  1515  dem  Herzog  Kasimir  von  Teschen.  Seit  1526 
gehörte  es  unmittelbar  zur  böhmischen  Krone. 

Plel's,  im  Besitz  der  Freiherren  von  Turzo  (s.  Ratibor)  seit  1517,  ging  1542 
durch  Kauf  an  den  Fürstbischof  von  Breslau,  Balthasar  von  Promnitz,  über. 

338.  Kurfürstentum  Sachsen.  Es  erscheint  in  dieser  Periode  in 
einer  ganz  anderen  Machtstellung  und  zugleich  auch  anderem  Umfange 
als  um  das  Jahr  1375.  Nach  dem  Aussterben  der  alten  Kurfürstenlinie 
von  Sachsen  -  Wittenberg  (1422)  wurde  das  Land  an  der  mittleren  Elbe 
mitsamt   der  Kurwürde  auf  den  Wettiner   Friedrich  den  Streitbaren 

Kretichmer,  Uiitoriache  Geographie 

31 


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482  IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 

für  seine  Verdienste  in  den  Hussitenkriegen  übertragen  (1423).  Die  Er- 
werbung  des  Titels  eines  Kurfürsten  von  Sachsen  hatte  im  weiteren  die 
Übertragung  des  Landesnamens  Sachsen  auf  die  Wettinisehen  Herrschafts- 
gebiete im  Laufe  der  Zeit  zur  Folge.  Die  Wettinischen  Lande  bestanden 
aus  den  drei  Hauptteilen,  den  Markgrafschaften  Meifsen,  Osterland  und 
der  Landgrafschaft  Thüringen,  die  infolge  der  häufigen  Teilungen  im 
Hause  Wettin  mehrmals  getrennt  und  dann  wieder  vereinigt  auftreten 
Im  XV.  Jh.  trat  eine  definitive  Trennung  des  Hauses  in  zwei  Haupt- 
linien, die  Ernestiner  und  Albertiner,  ein.  Die  Kurwürde  besafsen  die 
Ernestinen  denen  bei  der  Teilung  der  thüringische  Anteil  im  wesentlichen 
zugefallen  war.  Durch  die  politischen  Ereignisse  kam  aber  schliefslich 
der  Kurfürstentitel  an  die  Albertinische  Linie  (1548),  aber  der  Landes- 
name Sachsen  ist  beiden  geblieben;  trotz  der  Zersplitterung,  die  der 
Ernestinische  Anteil  erfuhr,  werden  die  einzelnen  Teilstücke  auch  heute 
noch  im  offiziellen  Titel  als  Sachsen  bezeichnet. 

Die  Söhne  Friedrichs  des  Ernsthaften  (f  1349):  Friedrieh  der  Strenge, 
Balthasar  und  Wilhelm  I.  hatten  in  brüderlicher  Einigkeit  gemeinschaftlich 
regiert.  Als  Friedrich  1381  starb  und  drei  Söhne  hinterliefs,  gestalteten  sich 
die  Verhältnisse  schon  schwieriger  und  man  schritt  1382  in  Chemnitz  zu  einer 
regelrechten  Erbteilung,  bei  der  Wilhelm  Meifsen,  Balthasar  Thüringen  und 
Friedrichs  Söhne:  Friedrieh  der  Streitbare,  Wilhelm  II.  und  Georg  das  Oster 
land  erhielten.  Da  Wilhelm  I.  aber  1407  kinderlos  starb  und  Balthasars  Linie 
mit  seinem  Sohne  1440  ebenfalls  erlosch,  so  ist  der  gesamte  Besitz  in  jenen» 
Jahre  in  der  osterländischen  Linie  wieder  vereinigt,  die  damals  aus  den  t>eiden 
Vertretern  Friedrieh  den  Streitharen  und  Wilhelm  II.  noch  bestand. 

Unterdessen  hatte  sich  aber  der  territoriale  Besitz  nicht  unwesentlich  ver 
gröfsert.    Besonders  war  es  jenem  Wilhelm  I.  gelungen,  sein  Meifsener  Land 
zu  erweitern.    Die  Herrschaft  Riesenburg  in  Böhmen  mit  Doxaw  und  Kloster 
Ossegk  kaufte  er  1398,  doch  kam  sie  1459  dem  Meifsener  Lande  wieder  aln 
handen.    Wichtiger  war  der  Erwerb  von  kleineren  Territorien,  wie  der  Burg 
grafschaft   Dohna,   die   zum   Teil   unter  meifsnischer,   zum   Teil  unter 
böhmischer  Ixmenshoheit  stand;  es  gehörten  dazu  Dohna,  Königstein.  Wesen 
stein,  Rabenau,  Königsbrück  und  Auerbach  im  Vogtlande.    Desgleichen  die 
Herrschaft  Colditz,  die  seit  1368  ebenfalls  unter  böhmischer  Lehenshoheit  stand. 
1402  und  1404  erwarb  sie  Wilhelm  durch  Kauf  mitsamt  den  Gütern,  welche 
die  Herren  von  Colditz  im  Eilenburgischen  besafsen.    Schliefslich  brachte  er 
auch  Pirna,  welches  vordem  mehrmals  unter  bald  meifsnischer,  bald  böhmi 
scher  Herrschaft  gestanden  hatte,  an  sich.    Als  er  1407  starb,  trat  der  unver 
meidliche  Erbschaftsstreit  zwischen  der  osterländischen  und  thüringischen  Linie 
sowie  noch  anderen  Prätendenten  ein.  Zu  Naumburg  einigte  man  sieh  am  31.  Juli 
1410  dahin,  dafs  die  Osterländer  Linie  die  an  ihre  Besitzungen  grenzenden  Teil- 
stücke jener  Hinterlassenschaft  erhielten  (Zörbig,  Delitzseh,  Düben.  Mittweida. 
Chemnitz,  Schellenberg  etc.),  die  Thüringer  Linie  (Friedrich  der  Friedfertige; 
den  nach  Böhmen  liegenden  Teil   (Großenhain,  Dresden.  Pirna,  Tharandt. 
Dohna,  Königstein,  Riesenburg  u.  a.). 

Die  thüringische  Linie  hatte  unter  Balthasar  1385  die  Grafschaft 
Käfern  bürg  erworben,  deren  Geschlecht  damals  ausstarb. 

Der  osterländischen  Linie  unter  Friedrich  den  Streitbaren  und  Wilhelm 
war  allein  eine  fernere  Zukunft  besehieden.  Beide  kauften  1389  von  den 
Grafen  von  Schwarzburg  Schloß  und  Stadt  Saal  fei  d,  welche  sie  seit  1270 
besafsen;  ferner  1393  Schloß  Altenberg  bei  Jena  von  dem  Burggrafen  Diether. 
1396  Schlots  Leuchtenburg  mit   Kahla  und  Roda.    Von  den  Reufsen  von 


338.  Kurfürstentum  Sachsen. 


483 


Plauen  erwarben  sie  nach  deren  Aussterben  noch  Ronneburg,  Werdau,  Voigts- 
berg und  Schmölln.  1410  und  1411  wurde  auch  Weida  teils  durch  Tausch, 
teils  durch  Kauf  gewonnen.  Die  umfassendste  Erwerbung  war  das  Herzogtum 
Sachsen  (s.  d.)  mit  der  Kurwürde,  1423. 

Seine  Söhne  Friedrich  der  Sanftmütige  (1428 — 1464),  unter  dem  derHussiten- 
krieg  im  Lande  von  neuem  wütete,  und  Wilhelm  III.  kamen  in  Differenzen, 
als  der  thüringische  Landgraf  Friedrich  der  Friedfertige  1440  gestorben  war. 
1445  verglichen  sie  sich  zu  Altenburg,  wobei  Wilhelm  Thüringen  und  einen 
Teil  des  Osterlandes  erhielt.  Trotzdem  war  der  verheerende  Bruderkrieg  nicht 
zu  vermeiden  gewesen,  der  erst  1451  endete.  An  Erwerbungen  Friedrichs  sind 
zu  nennen :  Lichtenwalde,  Sayda  und  Purschenstein,  die  ihm  nach  dem  Aus- 
sterben der  Meifsner  Burggrafen  mit  Heinrich  II.  (von  Hartenstein)  zufielen, 
und  1439  auch  Schlofs  Frauenstein  ;  1429  hatte  er  auch  die  Burggrafschaft 
Altenburg  erworben,  1443  Hohnstein,  1451  Wildenstein,  1451  Hoyerswerda  und 
Senftenberg.  Demgegenüber  hatte  der  Egersche  Vergleich  von  1459  erhebliche 
Verluste  zur  Folge ;  denn  Riesenburg,  Dux  und  Brüx  fielen  an  Böhmen  zurück 
und  Friedrich  mulste  über  63  meifsnische  Städte  die  böhmische  Lehenshoheit 
anerkennen  (Plauen,  Rudolstadt,  Sondershausen,  Glaucha,  Waldenburg,  Loben- 
stein, Colditz,  Eilenburg,  Leisnig,  Pirna,  Königstein,  die  Hälfte  von  Dohna, 
Dippoldiswalde,  Voigtsberg,  Ölsnitz,  Tharant,  Mylau,  Reichenbach,  Auer- 
bach usw.). 

Mit  seinen  beiden  Söhnen  Ernst  und  Albrecht  beginnt  eine  neue 
Ära.  Sie  herrschten  anfangs  gemeinsam,  während  Ernst  die  Kurwürde  allein 
besals.  Sic  erringen  auch  manchen  Vorteil ;  so  gewinnen  sie  1466  die  Herr- 
schaft Plauen  von  den  Reufsen,  1472  und  1477  grofse  Gebietsteile  in  Schlesien 
(Sagan,  Sorau,  Beeskow,  Storkow)  als  böhmische  Lehen,  die  allerdings  sehr 
bald  wieder  abhanden  kamen;  1477  erkämpfen  sie  die  Vogtei  über  Quedlin- 
burg, 1483  jene  über  Erfurt.  Im  Jahre  1482  starb  endlich  auch  ihr  Oheim 
Wilhelm  III.  und  Thüringen  fiel  ihnen  somit  zu. 

Unter  den  Brüdern  herrschte  aber  nicht  immer  das  beste  Einvernehmen 
und  der  neue  Länderzuwachs  bestimmte  sie,  eine  Teilung  des  Ganzen  vor- 
zunehmen, die  zu  einer  dauernden  Trennung  führen  sollte.  Die  sog.  Leipziger 
Teilung  vom  26.  August  1485  wurde  bestimmend  für  die  weitere  territoriale 
Entwickelung  Thüringens  und  Sachsens.  Die  Teilungsurkunde  in  Lünigs 
Reichsarchiv,  part.  .spec,  Cont.  II,  246  ff. 

1.  Ernst  erhielt:  Weimar  mit  Magdala,  Rofsla,  Sulza,  Weida,  Auma, 
Triptis,  Arnshaugk,  Neustadt,  Pöfsneck,  Ziegenrück,  Leuchtenburg,  Kahla,  Roda, 
Burgau  mit  Lobeda,  Orlamünde,  Reinstädt,   Saalfeld,  Wachsenburg,  Gotha, 
Ualtershausen,  Salzungen,  Kreinberg,  Wartburg,  Eisenach,  Gerstungen,  Kreuz- 
burg, Breitenbach,  Haineck,  Neumark,  Büttstedt.  Buttelstedt,  Schwarzwald,  das 
Geleit  zu  Erfurt,  Coburg,  Heldburg,  Hildburghausen,  Eisfeld,  Sonneburg,  Neu- 
stadt,  Neuhaus.  Rodach,   rmmerstadt,  Zwickau.   Adorf,  Voigtsberg,  Ölsnitz, 
Plauen,  I>eida,  Pausa,  Werdau,  Crimmitzsehau,  Schmölln,  Ronneburg,  Alten- 
burg, Lucka,  Borna,  Colditz,  Läfsneck,  Grimma,  Eilenburg,  Torgau,  Schiida, 
Dommitzsch,  Gräfenhainichen,  ferner  die  Lehensherrlichkeit  über  die  schwarz- 
burgischen  Besitzungen  zu  Arnstadt,  Blankenburg,  Rudolstadt.  Ilm,  Leutenberg, 
über  die  Grafen  von  Gleichen,  zu  Tonna,  Blankenhain  und  Remda,  über  die 
Vögte  von  Gera  und  die  Reufsen  von  Plauen,  die  Herrschaft  Wildenfels  und 
die  Schutzherrschaft  über  das  Bistiun  Nauinburg-Zeitz. 

2.  Albert  erhielt:  Meilsen  mit  Lommatzsch,  Dresden,  Pirna,  Rathen- 
fwönigßtein,  Hohnstein,  Radeburg,  Senftenberg,  Finsterwaldau,  Ortrandt,  Grofsen- 
hain,  Oschatz,  Döbeln,  Rochlitz,  Mittweida,  Kochsberg,  Kreinitz,  Schellenberg, 
ÖfJerau,  Zschoppau,  Wolkenstein.  Geyer,  Thum,  Freiberg.  Frauenstein,  Dippol- 
diswalde, Tharandt,  Leipzig,  Dölzig,  Pegau,  Weifsenfeis,  Freiburg,  Mühl,  Jena- 
Dornt»urg,  Camburg,  EcKartsberga,  Sangerhausen,  die  Vogtei  zu  Quedlinburg, 
->achsenhau8en,  Tennstedt,  Langensalza,  Thamsbrück,  die  Lehensherrlichkeit  über 

3f 


484 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


die  sehwarzburgischen  Besitzungen  zu  Sondershausen  und  Frankenhausen,  die 
Grafen  von  Stolberg  und  Mansfeld,  die  Schenken  von  Tautenburg  und  die 
Schutzherrschaft  über  Merseburg.  —  Da  Alberts  Anteil  gröfser  war,  so  sollte 
dieser  an  Ernst  noch  100000  Gulden  zahlen;  an  Stelle  von  50000  Gulden  trat 
Albert  Stadt  und  Amt  Jena  an  Ernst  ab. 

3.  Gemeinsam  blieben:  Das  Bistum  Meilsen,  Sagan  und  die  Biber- 
steinischen Herrschaften  (Sorau,  Beeskow,  Storkow),  der  Schneeberg  mit  dem 
Neustädtel,  alle  Bergwerke,  sowie  verschiedene  Revenuen,  aber  auch  Schulden. 

Bei  der  Teilung  war  also  nicht  eine  einfache  Demarkationslinie  gezogen 
worden.  Die  beiderseitigen  Anteilstücke  lagen  vielmehr  ineinander  verschlungen, 
was  nicht  ohne  Absicht  geschehen  war,  um  die  frühere  Gemeinschaft  und  den 
innigen  Zusammenhalt  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Doch  sollte  diese  Teilung  keine  endgültige  bleiben.  Die  weltbewegenden 
Ereignisse  der  Reformation,  die  gerade  in  diesen  Gebieten  ihren  Ausgang  nahm, 
riefen  grofse  Veränderungen  abermals  hervor.  Der  für  den  Kurfürsten  Johann 
Friedrich  mit  der  Schlacht  von  Mühlberg  (1547)  so  unglücklich  endende 
Schmalkaldische  Krieg ;  beschränkte  den  Ernestinischen  Machtbereich  und  hatte 
auch  den  Verlust  der  Kurlande  und  Kurwürde  zur  Folge,  die  beide  damals 
auf  die  Albertinische  Linie,  auf  Herzog  Moritz,  übertragen  wurden.  Auch  die 
Johann  Friedrich  abgenommenen  Güter  fielen  an  Moritz.  Die  von  der  Krone 
Böhmen  als  Lehen  gehenden  Gebiete  wurden  von  dieser  requiriert.  Doch  ge- 
lang es  Moritz  1549,  die  Herrschaften  und  Ämter  Colditz,  Eilenburg  und  Leisnig 


Adorf,  Neukirchen,  Schöneck)  verlieh  Kaiser  Ferdinand  an  den  Titularburg- 
grafen  von  Meilsen  Heinrich  V.  Ebenso  wurden  die  von  Böhmen  belehnten 
reufsischen  Herrschaften  Gera,  Burg,  Lobenstein,  Schleiz  und  Greiz  eingezogen. 
Die  Schirmvogtei  über  die  beiden  Stiftelande  Magdeburg  und  Halberstadt  fiel 
an  den  Brandenburger,  den  Erzbischof  Johann  Albrecht.  Moritz  erhielt  dagegen 
Gotha  und  Wittenberg  und  verpflichtete  sich,  den  Kindern  Johann  Friedrichs 
eine  Jahresrente  von  50000  Gulden  zu  zahlen,  an  deren  Stelle  er  aber  ilinen 
folgende  Ämter,  Städte  und  Orte  anwies:  Gerstungen,  Breitenbach.  Berka. 
Eisenach  mit  der  Wartburg,  Salzungen  (teilweise),  den  sechsten  Teil  von 
Treffurt,  Kreuzburg,  Weimar,  Gotha,  Tenneberg,  Waltershausen,  Kahla  mit 
Leuchtenburg,  Roda,  ürlamünde,  Jena,  Kapellendorf,  Rpfsla,  Wachsenburg. 
Dornburg,  Camburg,  Büttstedt,  Buttelstedt,  Amshaugk,  Weida,  Ziegenrück,  die 
Dörfer  und  Jagdhäuser  Friedebach,  Hummelshain  und  Truckenbom,  dasGeleit 
zu  Wiegendorf.  Aufserdem  mehrere  Klöster  (Reinhardsbrunn,  Ichtershausen, 
Bürgel  etc.),  sowie  die  Herrschaft  Saalfeld. 

Johann  Friedrichs  Bruder  Johann  Ernst,  der  die  Coburger  Pflege  besals, 
mufste  von  ihr  das  Amt  Königsberg  an  Albrecht  von  Brandenburg-Kulnibach 
abtreten  (1551  kaufte  das  Amt  Kurfürst  Moritz  an  sich). 

Die  Urkunde  über  die  Wittenberger  Kapitulation  s.  bei  Lünig,  Reich- 
archiv, I.  c.  S.  289  ff.    Vgl.  Beck,  Joh.  Friedr.  der  Mittlere,  1858,  S.  29. 

330.  Vogtland.  Im  Jahre  1550  bestanden  nur  noch  die  beiden 
Hauptlinien  Weida  und  Plauen,  während  der  letzte  Vertreter  der  Linie 
Gera  in  eben  jenem  Jahre  ins  Grab  gesunken  war.  Innerhalb  der 
Plauenschen  Linie  war  eine  neue  Teilung  eingetreten.  Neben  der  älteren 
Plauenschen  Linie,  hat  die  jüngere  Reufsische  Linie  sich  in  drei  neue 
gespalten,  indem  die  drei  Söhne  Heinrichs  XVI.  die  Stifter  dreier  Zweige 
wurden,  unter  denen  späterhin  (1564)  eine  Teilung  stattfand, 

Im  Besitzstande  der  einzelnen  Häuser  waren  in  der  Zwischenzeit  manche 
Veränderungen  vor  sich  gegangen.     Die  Linie  Weida,  die  schon   1373  d** 


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340.  Grafschaft  Schwarzburg. 


485 


Regnitzland  verkauft  hatte,  sah  sich  veranlafst,  in  den  Jahren  1406 — 1427  auch 
ihre  Anteile  an  Weida  an  die  Meifsener  erst  zu  verpfänden,  dann  ganz  zu  ver- 
äufsern,  so  dafs  sie  schliefslich  weder  von  Weida,  noch  vom  Regnitzlande  etwas 
besafs.  Die  beiden  Söhne  Heinrichs  des  Alteren  (f  1435)  kauften  1454  Schlots 
Wildenfels  und  stiften  die  Linien  Weida-Wildenfels  und  Weida  zu  flauenstein, 
letztere  Linie  starb  bald  aus,  aber  auch  erstere  besteht  nur  bis  1535.  Die 
letzte  Tochter  des  Hauses  Margarete  ist  an  den  Grafen  von  Schwarzburg- 
Leutenberg  vermählt.  Schlofs  Wildenfels  wird  wieder  an  Wildenfels  verkauft, 
und  von  dem  reichen  Besitz  der  Linie  Weida  verbleiben  nur  die  Güter  Tims 
und  Caaschwitz  dem  Hause  Reufs.    Vgl.  Brückner,  1.  c.  S.  339. 

Auch  die  Linie  Gera  hatte  vor  ihrem  Erlöschen  empfindliche  Einbufse 
erlitten.  Nicht  blofs  die  Hussitenkriege  hatten  das  I>and  materiell  geschädigt, 
als  besonders  der  Krieg  des  Kurfürsten  Friedrichs  des  Sanftmütigen  gegen 
t*einen  Bruder  Wilhelm  (1446 — 1451).  Heinrich  XII.  hatte  sich  auf  des  ersteren 
Seite  gestellt.  Gera  wurde  verwüstet  und  niedergebrannt;  Heinrich  starb  in 
der  Gefangenschaft  1452.  Die  Söhne  seines  Bruders  setzten  den  Stamm  fort 
und  teilten  den  Besitz  in  Gera-Schleiz- Lobenstein.  Der  mittlere  Sohn  Heinrich  XV. 
vereinigt  alles  wieder,  doch  seine  Söhne  teilten  abermals  1502;  der  überlebende 
jüngere  mufste  nach  dem  Schmalkaldisehen  Krieg  die  böhmische  Lehenshoheit 
anerkennen  und  Gera  an  den  Burggrafen  von  Meilsen,  damals  Heinrich  von 
Plauen,  abtreten.    Mit  ihm  starb  1550  das  Haus  aus. 

Im  Hause  Plauen  war  die  ältere  Linie  (Heinrich  XI.)  in  den 
Fürstenstand  erhoben  und  1426  mit  der  Burggrafschaft  Meilsen  beliehen 
worden.  Doch  mufste  schon  sein  Nachfolger  sie  an  dcir  Kurfürsten  1433  für 
eine  Summe  von  16000  Gulden  wieder  abtreten.  Auch  die  vogtländisehen 
Besitzungen  gingen  1482  an  Kursachsen  verloren,  kamen  aber  1547  an  die 
Linie  zurück  und  nach  dem  Erlöschen  der  Geraer  Linie  fielen  jener  auch 
Sehleiz,  Lobenstein  und  Saalburg  zu.    Über  Gera  s.  o. 

Die  jüngere  Plauensche  Linie  Reufs  wurde  durch  die  drei  Söhne  Heinrichs  XVI. 
repräsentiert,  die  1564  teilten  (s.  später).  1451  hatte  diese  Linie  die  Herr- 
schaften Ober-  und  Nieder  Kranichfeld  erworben. 

$44).  Grafschaft  Schwarzburg.  Alle  ihr  zugehörigen  Territorien,  die 
infolge  der  oft  sich  abzweigenden  Nebenlinien  zersplittert  wurden,  sollten 
um  1550  wieder  in  einer  Hand  vereinigt  sein.  Die  Altere  Blankenburger 
Linie  hatte  sich  unter  den  Nachkommen  der  Brüder  Heinrich  XIV.  und 
Günther  XXV.  in  zwei  Linien  gespalten:  die  Schwarzburg- Blankenburger 
und  die  Schwarzburg-Sondershausener,  die  sich  beide  in  den  Landbesitz 
teilten  (1374).  Die  erstere  starb  jedoch  1418  bereits  aus,  während  die 
andere  fortbestand  und  mit  Heinrich  XXVIII.  (f  1488)  als  Jüngere 
Blankenburger  Linie  fortblühte.  Die  Linie  seines  jüngeren  Sohnes 
Günther  XXXIX.  erlischt  mit  dessen  Nachkommen,  während  jene  seines 
älteren  Sohnes  Günther  XXXVIII.  im  Urenkel  Günther  XL.  mit  dem 
fetten  Maule  den  Stammvater  der  späteren  Sondershausener  und  Rudol- 
städter  Linien  erhält,  der  zugleich  die  Schwarzburger  Territorien  wieder 
vereinigt. 

Der  Territorialbesitz  hatte  in  diesem  Zeitraum  eine  Vergröfserung  erfahren. 
Im  Jahre  1377  hatten  die  Grafen  Schlofs  und  Dorf  Ichstedt,  Dorf  Borxleben 
und  Udersleben  vom  Grafel!  von  Beichlingen  gekauft,  und  1378  von  dem 


Hälfte  von  Ilm.  139(J  kauften  sie  das  Dorf  Gänseroda.  Dagegen  ging  ihr  Er- 
werb des  Jahres  1333  (s.  o.)  an  den  Markgrafen  Friedrich  von  Meilsen  1392 


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486 


IX.  PolitiHche  Geographie  um  da«  Jahr  1550. 


wieder  verloren.  Im  XIV.  Jh.  besafsen  sie  auch  die  Vogtei  Hafsleben,  Grofc- 
Sömmerda  und  Sehellenberg  (letzteres  allerdings  1418  an  Erfurt  wieder  ver- 
kauft). Von  den  Erben  des  Grafen  Dietrich  von  Hohnstein  kauften  sie  1417 
und  1439  in  Gemeinschaft  mit  den  Grafen  von  Stolberg  Stadt  und  Schlots 
Heringen.  1424  erwarben  sie  von  den  Hohnsteinern  auch  die  Hälfte  von 
Benneckenstein.  1428  wurde  Dorf  Ringleben  bei  Frankenhausen  gekauft,  und 
in  demselben  Jahre  Schlofs  und  Stadt  Kelbra  von  den  Herzögen  Friedrich 
und  Sigismund  von  Sachsen.  Wichtig  war  der  Ankauf  der  Herrschaft  Käfeni 
bürg  vom  Herzog  Wilhelm  HI.  von  Sachsen  1446.  Die  Herrschaft  Wiehe  er- 
warben sie  1448  vom  Grafen  von  Beichlingen,  1464  kauften  sie  Schlofs  Ger- 
terode von  Eckard  von  Guttern.  —  Die  1361  erworbene  Herrschaft  Kranichfeld 
hatten  sie  1390  an  Burggraf  Albrecht  von  Kirchberg  verkauft,  bald  darauf 
aber  zurückerworben,  um  sie  1398  an  Meilsen  zu  verkaufen.  Wieder  zurück- 
gekauft, ging  sie  1412  in  den  Besitz  des  Burggrafen  von  Kirchberg  über.  Vgl. 
Apfelstedt,  1.  c.  S.  4  ff. 

Als  die  sächsischen  Ijande  1445  geteilt  wurden  (s.  o.),  kamen  die  schwarz- 
burgischen  Territorien  unter  die  Oberhoheit  des  Herzogs  Wilhelm.  Bei  der 
Länderteilung  von  1485  fand  auch  eine  Teilung  der  Oberhoheit  statt;  Kur 
Sachsen  erhielt  sie  über  die  obere  Grafschaft,  die  Ernestiner  über  die  unten'. 

Heinrich  VII.  (Ältere  Blankenburger  Linie) 


Heinrich  X.  Günther  XXI. 

f  1337  deutscher  König  f  1349 


I 


Heinrich  XIV.  Günther  XXV.  Heinrich  XUI.  f  1357 

f  1373  f  1368  f  f  f 


Heinrich  XXU.    Günther  XXIX.  Heinrich  XX.  Günther  XXVHI  f  1415 

f  1384  f  1418  f  1413  | 

 7—7   f  f  t  Heinrich  XXVI. 

ttt  | 

Heinrich  XXVHI. 
f  1488 

(Jüngere  Blankenburger  Linie) 


Günther  XXXVIU.  Günther  XXXIX 
t  1484  f  1531 

I  I 
Heinrich  XXXIII    Heinrich  XXXIV. 

I  ttt 
Günther  XL 
t  1562 

341.  Grafschaft  Mansfeld.    Durch  eine  Reihe  glücklicher  Erwer 
bungen  hatte  die  Grafschaft  einen  Zuwachs  erfahren.    Durch  den  Grafen 
Günther!  war  die  Herrschaft' Arnstein  dem  Grafen  Ulrich  von  Rein 
stein  abgekauft  worden  (1387).    Diese  Herrschaft  grenzte  im  N.  un 
mittelbar  an  Mansfeld  und  war  im  übrigen  von  anhaltischem  Gebiet 
umschlossen.   Im  Jahre  1377  war  Alberstedt  (im  N.  von  Querfurt)  erworben 
worden,  1442  kam  Friedeburg  als  magdeburgisches  Lehen  hinzu,  1480  die 
Herrschaft  Heldrungen,  die  Graf  Johann  von  Hohnstein  an  Mansfeld 
verkaufte.  Im  Jahre  1439  wurde  Hettstedt  von  den  Herzögen  von  Sachsen 
gekauft,  1 440  Burg  und  Herrschaft  Wippra,  1448— 1452  Artern  mit  Zubehör 


342  Grafschaft  Hohnstein  und  Stoiber^.    343  Grafschaft  etc.  487 


Die  Herrschaft  Heldrungen  lag  unterhalb  des  Unstrutdurchbruehes 
am  Nordabhang  der  Schmücke.  Der  letzte  Herr  starb  1414;  sie  fiel  dann  an 
Hohnstein  und  kam  dann  an  Mansfeld.  —  Der  Erwerb  von  Zörbig,  Bitterfeld 
und  Gräfenhainichen  1471,  die  den  Herzögen  von  Sachsen  gehörten,  war  nur 
ein  vorübergehender. 

$42.  Grafschaft  Hohnstein  und  Stolberg.  Die  Grafschaft  Hohnstein 
.«(and  unter  den  vielen  Teillinien  des  Klettenberger  Astes,  von  denen 
die  Heringer  Linie  (von  Dietrich  VI.  (t  1368)  gestiftet)  1417  erlosch,  die 
Heldrunger  Linie  (von  Ulrich  III.  f  1414)  1609  mit  Tode  abging,  während 
zugleich  die  von  Heinrich  IV.  gestiftete  Hauptlinie  fortbestand  bis  1593. 
Während  in  ihrem  territorialen  Bestände  keine  nennenswerten  Ver- 
änderungen vor  sich  gegangen  sind,  hatte  Stolberg  durch  die  Heirat 
Graf  Bothos  VI.  (t  1455)  mit  der  Erbtochter  des  Grafen  Heinrich  IV.  von 
Wernigerode  (f  1429)  dessen  Grafschaft  am  Nordrande  des  Harzes 
geerbt.  Bodo  II.  hatte  überdies  Kelbra  und  Heringen  von  Dietrich  IX. 
von  Hohnstein  gekauft.  Unter  den  Söhnen  seines  Enkels  Bodo  III. 
t  1538)  fand  eine  Teilung  der  Territorien  statt :  Wolfgang  bekam  das 
Stammland  Stolberg,  Heinrich  X.  (f  1572)  die  Grafschaft  Wernigerode, 
Ludwig  (+  1574)  die  Herrschaft  Rochefort  und  später  die  Herrschaft 
Königstein. 

Die  Grafschaft  Rochefort  (Itutschfort)  in  Lothringen  war  durch 
Heirat  an  die  Grafen  von  Eppenstein  und  dann  durch  Heirat  Bodos  III.  an 
die  Stolberg  gekommen  und  fiel  auf  dieselbe  Weise  (1574)  schliefslich  den 
Grafen  von  Löwenstein  zu,  da  Ludwigs  Tochter  Anna  an  einen  (trafen  dieses 
Hauses  vermählt  war.  —  Die  Herrschaft  Königstein  hatte  in  Ulrich  1236  seinen 
Herrn  verloren.  Er  hinterließt  fünf  Schwestern,  von  denen  die  eine  an  einen 
(irafen  von  Falkenstein  vermählt  war,  dessen  Haus  die  Hinterlassenschaft  im 
Laufe  der  Zeit  fast  vollständig  ankaufte.  Als  die  Falkensteiner  auch  aus- 
starben, waren  wieder  fünf  Schwestern  vorhanden,  die  an  die  Häuser  Sayn, 
Virneburg,  Solms,  Eppstein  und  Isenburg  vermählt  waren.  1419  verglichen 
sich  die  Schwäger  danin,  dafs  Eppstein  den  dritten  Teil  des  Erbes,  die  anderen 
das  übrige  bekommen  sollten,  im  Jahre  1535  starb  das  Haus  Eppstein  mit 
Graf  Eberhard  aus,  dessen  Schwester  Anna  an  Bodo  von  Stolberg  vermählt 
war  und  ihm  auch  die  Herrschaft  Königstein  zubrachte. 

Grafschaft  Wernigerode.  Unter  den  letzten  Grafen  dieses  Namens 
war  infolge  einer  Fehde  mit  dem  Erzbischof  Ludwig  von  Magdeburg  diesem 
Stadt  und  Schlofs  Wernigerode  1381  zu  Lehen  aufgetragen  worden,  während 
die  brandenburgische  Lehenshoheit  nicht  mehr  Berücksichtigung  fand.  Doch 
brachte  Kurfürst  Friedrich  II.  die  alten  seit  V2i\$  datierenden  Lehenrechte 
wieder  zur  (ieltung,  und  1441)  trat  Erzbischof  Friedrich  das  Lehenrecht  an 
Brandenburg  wieder  ab.  —  Mit  Graf  Heinrich  war  1429  die  alte  Wernigerodcr 
Grafenlinie  ins  Grab  gesunken  und  das  Territorium  kam  durch  Heirat  an  die 
Stolberg  (Graf  Botho  VI.,  den  Älteren  1402-  1455). 

343.  Grafschaft  Blankenburg- Regenstein.  Das  gesamte  Gebiet 
war  im  Besitz  der  Heimburger  Linie.  Das  Unglück,  welches  das  Haus 
in  der  voraufgehenden  Periode  betroffen,  verfolgte  es  auch  in  dieser  neuen: 
die  (»rafen  sahen  sich  infolge  fortwährender  Geldverlegenheiten  genötigt, 
ein  Stück  nach  dem  andern  zu  veräufsern.  Sie  waren  Lehensträger 
teils  von  Halberstadt,  teils  von  Braunschweig;  1426  verpflichteten  sie 
sich  letzterem  von  neuem  zur  Lehenspflicht.   Unter  den  Gebietsverlusten 


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IV.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


sind  zu  nennen,  1387 :  der  regenst einsehe  Anteil  an  der  falkensteinschen 
Erbschaft  und  Burg  Arnstein  mit  24  Ortschaften  an  Mansfeld.  Die 
Quedlinburgor  Lehen,  die  die  Äbtissin  1477  den  Herzögen  von  Sachsen 
zugesprochen,  rissen  diese  1490  tatsächlich  an  sich.  Teils  verkauft  auf 
Wiederkauf,  teils  verpfändet  wurden  Heimburg  1504,  Westerburg  1500 
und  die  Herrschaft  Derenburg  an  Botho  von  Stolberg,  drei  Dörfer  1540, 
Schlofs  und  Amt  Stiege  1548. 

344.  Bistum  Hildeshelm.  Das  Stift  hatte  am  Ende  des  XIV.  Jh. 
und  in  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jh.  noch  beträchtliche  Landerwerbungen 
gemacht,  aber  die  mehr  und  mehr  zunehmende  Schuldenlast  zwang  die 
Bischöfe,  eine  Reihe  von  Besitzungen  und  besonders  Burgen  an  die 
Dynasten  und  Herrengeschlechter  der  Nachbarschaft  zu  verpfänden. 
Den  empfindlichsten  Sehlag  erfuhr  das  Stift  nach  dem  Austrag  der 
Hildesheimer  Stiftsfehde  unter  Bischof  Johann  IV.,  durch  welche  der 
Landbesitz  eine  erhebliche  Einbufse  erlitt,  das  »Grofse  Stifte  in  das 
sogenannte  »Kleine  Stift«  eingeschränkt  wurde. 

Unter  Bischof  Gerhard  war  Vienenburg  mit  allem  Zubehör  vom  Wer- 
nigeroder  Grafen  gekauft  worden,  1380  wurde  nach  einer  Fehde  mit  Albrecht 
von  Sachsen  und  Lüneburg  Schlofs  Co  Idingen  an  der  Leine  an  das  Stift 
abgetreten.  1384  erwarb  (ierhard  vom  Grafen  Otto  von  Hallermund  ein  Viertel 
von  Eldagsen,  dann  1388  ein  Viertel  von  Burg  Hallerspring.  Nach  dem 
Aussterben  der  Grafen  von  Wolde  übe  rg  1383  fielen  die  Güter,  die  jene  von 
Hildesheini  zu  Lehen  trugen,  endgültig  an  das  Stift  zurück.  —  Nach  Beilegung 
der  Fehde  mit  Herzog  Bernhard  von  Braunschweig  um  die  Herrschaft  Honi- 
burg (nach  dem  Tode  des  letzten  Homburgers  1401)  *  fiel  das  Anrecht  auf  Grene, 
Lüthorst  und  Hohenbüchen  an  das  Stift,  welches  aber  auf  die  Herrschaft  Hom- 
burg verzichten  mufste. 

Noch  beträchtlicher  waren  die  Erwerbungen  unter  Bischof  Magnus,  der 
1433  von  den  Herzögen  Otto  und  Friedrich  von  Braunschweig  einen  Land- 
strich im  mittleren  Wesergebiete  südlich  und  östlich  von  Hameln  als  Pfand 
schaft  erwarb;  es  waren  Teile  der  Herrschaften  Everstein  und  Homburg 
mit  Grohnde,  Ärzen  mit  der  Hämelschen  Burg.  Boden werder,  halb  Everstein, 
Lauensteiii,  Wallensen  und  Hallerburg  und  die  Vogtei  auf  der  Hamel,  wogegen 
der  Bischof  die  erst  1430  erworbene  Feste  Dachtmissen  den  Brüdern  zur  Bürg- 
schaft überliefs.  —  Cf.  Wachsmuth,  Gesch.  v.  Hildesh.,  S.  GO  f.,  Bertram. 
Gesch.  d.  Bist.  H.,  I,  350,  372  f.,  394.  Die  von  den  Bischöfen  zur  Deckung 
von  Schulden  an  andere  in  Pfand  gegebenen  Orte  und  Burgen  verzeichnet 
Bertram  I,  352,  371,  392. 

Das  Pfandschaf tsunwesen  hatte  den  Staatshaushalt  sehr  geschmälert  und 
Johann  IV.  suchte  die  Pfänder  wieder  einzulösen,  wobei  er  mit  den  Pfaml- 
besitzern,  die  sich  schon  als  Erbeigentümer  fühlten,  in  Fehde  geriet;  aber  auch 
die  braunschweigisehen  Herzüge  wünschten  umgekehrt  jene  1433  an  das  Stift 
in  Pfand  gegebenen  Everstein-Homburgischen  Gebiete  zurückzulösen,  was  Bischof 
Johann  seinerseits  ablehnte.  Die  hierdurch  hervorgerufene  Hildesheimer 
Stiftsfehde  wurde  1523  durch  den  Vertrag  von  Quedlinburg  beigelegt,  wo- 
nach dem  Stifte  von  seinen  7  Grafschaften  und  21  Schlössern  nichts  blieb  als 
die  Burgen  und  Ämter  Peine,  Steuerwald,  Marienburg  und  die  Domprobsui. 
welche  seitdem  das  Kleine  Stift  bildeten.  —  Cf.  Wachsmuth,  S.  104 — 1Ä 
Hävern  an  n,  Gesch.  v.  Braunsehw.-Lünebg.  II,  1—62. 

345.  Fürstentum  Anhalt.  Das  Land  war  in  der  angegebenen  Weise 
zwischen  die  ältere  Bernhurger  und  Zerbster  Linie  geteilt  gewesen.  Im 


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345.  Fürstentum  Anhalt. 


489 


bei  weiteren  Teilungen  einem  Verlust  einzelner  Landesteile  vorzubeugen, 
schlössen  sämtliche  Mitglieder  des  Fürstenhauses  1388  eine  Erbvereinigung. 
Die  Bernburger  Linie  starb  mit  Bernhard  VI.  1468  aus,  nachdem  dieser 
noch  einmal  den  ganzen  Hausbesitz  der  Linie  vereinigt  hatte.  Sein 
Erbe  fiel  an  die  Zerbster  Linie,  und  zwar  an  Georg  I.    Diese  Linie 
hatte  sich  in  den  Söhnen  Johanns  L  nochmals  gespalten  in  die  Sieg- 
mundsche  und  Albrechtsche  Linie.    Unter  den  Nachfolgern  der  beiden 
Stifter  fanden  mehrfach  Streitigkeiten  wegen  der  Teilung  des  Landes 
statt.    Der  Vergleich  von  1460  bestimmte,  dafs  Georg  I.  von  der  Sieg- 
mundschen  Linie  Röthen  und  alles  Land  auf  dem  linken  Elbufor  erhielt, 
Adolf  I.  und  Albrecht  V.  von  der  Albrechtschen  Linie  aber  Stadt  und  Schlofs 
Zerhst  und  das  Land  auf  dem  rechten  Elbufer.    Diese  Teilung  bestand 
aber  nur  bis  zum  Jahre  1508,  als  die  letzten  Nachkömmlinge  Adolfs 
und  Albrechts  freiwillig  von  der  Regierung  des  Landes  zurücktraten  und 
es  der  Siegmundschen  Linie  überlielsen.    In  dieser  war  aber  unter  den 
Söhnen  Georgs  I.  (t  1474)  abermals  eine  Spaltung  in  zwei  Linien  mit 
entsprechender  Länderteilung  eingetreten  (bereits  1471):  Kothen  und 
Dessau  bildeten  die  beiden  Hälften,  während  die  Bernburgischen  Lande 
ungeteilt  blieben;  doch  fand   1497  eine  Aufteilung  auch  dieser  statt. 
Der  Anfall  des  Albrechtschen   Landesanteils  1508   führte   zu  neuen 
Veränderungen  in  der  Teilung,  die  sich  im  einzelnen  nicht  mehr  feststellen 
lassen.    Es  erhielt  hierbei  Waldemar  VI.  das  Köthensche  Land  mit  den 
Harzer  Landen,  halb  Bernburgund  Zerbst,  Ballenstedt  undKoswig,  während 
Dessau,  Jefsnitz,  Plötzkau,  halb  Zerbst  und  Bernburg  u.  a.  an  Ernst  I. 
fiel.    Die  Unzweckmafsigkeit  dieser  Teilung,  die  sich  besonders  in  der 
Verwaltung  bemerkbar  machte,  veranlalste  später  die  Söhne  beider  zu 
einem  Austausch  der  Gebiete   und  einer  Teilung  in  vier  Abschnitte. 
Der  Teilungsvertrag  von  1544  bestimmte  endlich  folgendes:  Fürst  Wolf- 
gang erhielt  für  die  Hälfte  von  Zerbst  vielmehr  den  ganzen  Bernburger 
Anteil  mit  Ausnahme  von  Plötzkau  und  Warmsdorf;  aufserdem  besafs 
er  Kothen,  Nienburg,  Sandersleben,  Ballenstedt,  Hoym  und  Koswig;  von 
seinen   Vettern  erhielt  Johann  II.  das  Zerbster  Land  aufser  Koswig, 
Georg  III.  Plötzkau,  Warmsdorf,  Güsten,  auch  vielleicht  Harzgerode  und 
Güntersberge,  und  Joachim  Dessau,  Jefsnitz,  Raguhn  und  Lippehne. 

Bernhard  VI.  hat  in  Voraussicht  seines  Todes  146t>  Beine  Erbgüter  (Bern- 
hurg,  Sandersleben,  (iröbzig,  Warmsdorf,  Erxleben,  (üinsefurt,  Mönehen-Nien- 
l»urg  u.  a.)  dem  Erzstijjfc  Magdeburg  zu  Lehen  aufgetragen.  —  Aber  auch  die 
Zerbster  Fürsten  hatten  die  von  Magdeburg,  Quedlinburg  und  (ternrode  als 
Lehen  gehenden  Gebiete  sich  von  diesen  verbriefen  lassen.  —  Bernhard  VI. 
hatte  übrigens  nach  dein  Tode  seines  Vetters  Bernhards  V.  1420  auch  dessen 
Erbteil  übernommen. 

In  der  Zerbster  Linie  hatte  Siegmund  I.  als  der  Ältere  das  rechte  Elb- 
uferland mit  Zerbst  erhalten,  Albrecht  III.  das  linksseitige  Gebiet  Letzterer 
hatte  1413  noch  Schlofs  Dornburg  erworben  und  1414  Burg  Hundeluft  von 
den  Quitzows  erobert.  —  Dem  Fürsten  Ernst  I.  war  bei  der  Teilung  des  Landes 
1471  aufser  Dessau,  Jefsnitz,  Raguhn,  hall»  Zerbst  und  Hernburg  auch  das  Amt 
Wörlitz  (mit  Wörlitz,  Griesen  und  Schönitz)  zugefallen,  es  aber  an  drei  seiner 
J  »rüder  verkauft,  die  es  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  weiterveräufserten; 
«loch  wurde  es  1523  wieder  eingelöst.  —  S.  Tabelle  auf  folgender  Seite. 


V 


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IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


846.  Mark  Brandenburg.  Nach  dem 
Tode  Karls  IV.  und  noch  mehr  zur  Zeit 
der  Pfandherrschaft  hatte  die  Mark  an  ihrem 
Territorialbestande  viel  eingebüfst.  Di«* 
Neumark  war  ganz  losgelöst  und  an  den 
Deutschen  Orden  verkauft  worden.  Als 
Friedrich  I.  als  Kurfürst  die  Mark  1415 
übernahm,  bestand  sie  noch  aus  der  Alt 
und  Mittelmark,  der  Priegnitz,  Ukermark, 
Lebus  und  Sternberg;  aber  innerhalb  des 
Landes  waren  viele  Güter  an  den  räube- 
rischen Adel  des  Landes  verpfändet;  in 
der  Ukermark  hatten  die ,  Herzöge  von 
Pommern  Fufs  gefafst,  in  der  Priegnitz 
walteten  die  Mecklenburger  Herzöge  als 
Statthalter.  Die  Neuordnung  der  Verhält- 
nisse zu  den  Nachbarstaaten,  wie  sie  Fried- 
rich I.  eingeleitet  hatte,  setzte  sein  Sohn 
Friedrich  II.  fort;  er  wufste  auch  durch 
Neuerwerbungen  sein  Territorium  zu  ver- 
gröfsern.  Im  Jahre  1442  gewann  er  von 
Mecklenburg  die  Grenzstadt  Lychen  und 
Kloster  Himmelpfort.  1449  wurden  im 
Vertrage  zu  Kloster  Zinna  auch  die  Grenzen 
gegen  das  Erzstift  Magdeburg  reguliert. 
Der  Vertrag  zu  Guben  1462  brachte  ihm 
die  böhmischen  Lehensherrschaften  Kottbus, 
Peitz,  Teupitz  mit  Wusterhausen,  das  Land 
Beerwalde  und  den  Hof  Grofslübben  ein. 
Im  Vertrag  zu  Mewe  1455  kaufte  er  vom 
Deutschen  Orden  dieNeuniark  nebst  Schievel- 
bein  und  Driesen  zurück.  Albrecht  Achilles 
gewann  aus  dem  Glogauschen  Erbschafts- 
streit Krossen,  Züllichau,  Sommerfeld  und 
Bobersberg  (1482),  und  Johann  Cicero  kaufte 
die  Herrschaft  Zossen  (1490).  Als  der  letzte 
Graf  von  Ruppin  1524  gestorben  war,  zog 
Joachim  L  die  erledigte  Lehensherrschaft 
ein.  Unter  Joachim  IL,  der  die  Refor- 
mation einführte,  kam  es  auch  zu  einer 
vorübergehenden  Teilung,  indem  sein  Bruder 
Johann  von  Küstrin  die  Neumark  mit  Stern- 
berg, Krossen,  Kottbus  und  Peitz  erhielt. 

Besonders  im  S.  hatte  die  Mark  einen 
erheblichen  Zuwachs  erfahren.  Zunächst  das 
Fürstentum  Krossen,  auf  welches  Albrecht 
Achilles   Anspruch    erhob   für  seine  Tochter 


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346.  Mark  Brandenbarg. 


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Barbara,  deren  Gemahl  Heinrich  XI.  von  Glogau  1476  gestorben  war.  Der 
Vertrag  von  1482  mit  Johann  von  Sagan  und  König  Matthias  bestimmte, 
Crossen  Schlote  und  Stadt  mitsamt  dem  Bobergischen  Ländchen  und  allem 
seinem  Zubehör,  Züllichau  (Czulch)  Schlols  und  Stadt,  Sommerfeld  Schlofs 
und  Stadt  init  aller  Verschreibung  und  Gerechtigkeit  etc.«  unter  Vorbehat  des 
Wiederkaufs  an  den  Kurfürsten  abgetreten  würden.  Die  letzte  Klausel  wurde 
erst  unter  Joachim  II.  aufgehoben,  der  im  Jahre  1537  wirklicher  Lehensbesitzer 
von  Krossen  und  Züllichau  wurde.    Berghaus,  Landb.  III,  729 — 31. 

Von  dem  Gebiet  der  Niederlausitz  waren  durch  den  Gubener  Vertrag 
ferner  die  Herrschaften  Kottbus  und  Peitz  als  böhmische  Lehen  hinzu- 
gekommen. Die  damalige  Herrschaft  Kottbus  bestand  aus  der  Stadt  und  dem 
Schlofs  Kottbus  nebst  11  Dörfern  und  dem  Lande  Kottbus,  die  zahlreichen 
Ortschaften  der  Vasallen  der  Freiherren  von  Kottbus  enthaltend,  die  als  Ritter- 
güter zum  nachmaligen  Kreise  Kottbus  gehört  hatten.  Die  Herrschaft  Peitz 
bestand  aus  der  Stadt  und  dem  Schlofs  Peitz  (»an  der  Pytze«)  mit  16  Dörfern; 
s.  Berghaus  III,  517.  —  Auch  die  Herrschaft  Teupitz  (Tupcz,  Tupitz,  seit 
1543  auch  Teupitz)  wurde  mit  seiner  Herrlichkeit  und  Zubehör  im  Gubener 
Lehenbrief  dem  Kurfürsten  zugesprochen.  Teupitz  war  ein  altes  Besitztum  der 
Schenken  von  Landsberg,  die  es  schon  im  XIII.  Jh.  besafsen.  Das  Schlofs 
Wusterhausen  mit  Zubehör  fiel  ihnen  erst  später  vermutlich  von  der  Familie 
Schlieben  zu.  Der  so  vereinigte  Bezirk  hiefs  seitdem  das  Schenkenland,  doch 
mehr  im  Volksmunde  als  in  offiziellen  Urkunden.  Alles  nähere  bei  Berghaus 
II,  482  ff.  —  Das  Ländchen  Beerwalde  liegt  im  SO.  von  Jüterbog;  der  Hof 
<irofslübben  westlich  von  Kottbus. 

Die  Herrschaft  Zossen  kam  1490  aus  dem  Besitz  des  Georg  von  Stein 
für  16000  rheinische  Gulden  an  den  Kurfürsten  Johann  Cicero.  Von  den 
zahlreichen  Orten  der  Herrschaft,  die  Bergbaus  II,  481  aufzählt,  seien  genannt: 
Stadt  und  Haus  Zossen,  Tüpchin,  Neuhof,  Sperenberg,  Glinick,  Kummeredorf. 

Im  N.  war  die  Ukermark  zur  Zeit  der  Pfandherrschaft  teilweise  in  die 
Gewalt  der  pommerschen  Herzöge  gekommen.  Friedrich  L  und  II.  wufsten 
diese  Landschaft  wieder  zu  gewinnen ;  Pasewalk  und  Torgelow  mufsten  freilich 
abgetreten  werden.  Nach  dem  Aussterben  der  Stettiner  Herzöge  gewannen  sie 
aber  im  Jahre  1472  von  deren  Gebiet  die  Ortschaften  Vierraden,  Löcknitz, 
(Garz),  Klempenow  und  Altcn-Torgelow.  —  Im  \V.  der  Ukermark  waren  Lychen 
und  Kloster  Himmelpfort,  die  schon  1236  vorübergehend  zu  Brandenburg  ge- 
hörten, durch  den  Wittetocker  Vertrag  1442  durch  Friedrich  I.  von  Mecklen- 
burg zurückgewonnen  worden.  —  Das  vorher  genannte  Garz  wurde  1479  vom 
Kurfürsten  an  Pommern  abgetreten,  wofür  jener  das  Land  Bernstein  in  der 
N  eu  mark  erhielt.  —  Für  die  Bestimmung  des  damaligen  Territorialumfanges 
sind  die  Urkunden  von  28.  und  30.  März  1493  (Riedel,  Cod.  dipl.  Brandcnbg.  V, 
483  —  03)  betreffend  den  Vertrag  zwischen  dem  Kurfürsten  und  Herzog  Bogislaw 
von  Pommern  wichtig. 

Die  gräfliche  Familie  von  Lindow  war  1524  ausgestorben  und  die  sog. 
Grafschaft  Ruppin  fiel  an  das  Kurhaus  zurück.  Die  Kurfürsten  führten 
daher  im  landesherrlichen  Titel  auch  die  Bezeichnung  Grafen  von  Ruppin. 

Trotz  der  dispositio  Achillea  war  die  Mark  zwischen  Kurfürst  Joachim  IL 
und  Johann  von  Küstrin  geteilt  worden.  Das  Land  Lelms,  welches  immer  zur 
Kurmark  gehört  hatte,  wurde  hierdurch  geteilt,  indem  der  rechts  der  Oder  ge- 
legene Teil  mit  Sternberg  an  Johann  fiel.  Als  mit  Johanns  Tode  1571  alle 
Gebiete  wieder  in  einer  Hand  vereinigt  waren,  wurde  die  Teilung  zwischen 
dem  Lebuser  Kreise  links  und  dem  Sternbergsehen  rechts  der  Oder  aufrecht- 
erhalten (bis  1816).    Berghaus,  Landbuch  III,  169. 

Die  Neu  mark  war  seit  1402  im  Besitz  des  Deutschen  Ordens  gewesen. 
Trotz  aller  Bemühungen  Kurfürst  Friedrichs  IL,  wieder  in  ihren  Besitz  zu  ge- 
langen, mufste  er  1443  gegen  eine  Geldentechädigung  auf  das  Land  ausdrück- 
lich Verzicht  leisten.    Doch  die  eigenen  Geldverlegenheiten  des  Ordens  führten 


492 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


schliefslich  zu  einem  Wiederverkauf  an  den  Kurfürsten.  Im  Vertrag  zu  Mewe 
(19.  September  1455)  trat  der  Orden  die  Neumark  ab  mit  allen  dazugehörigen 
Landen,  Schlössern,  Städten  und  Rechten,  namentlich  auch  mit  den  Schlössern 
und  der  Stadt  Schievelbein  und  Driesen.  Der  Orden  behielt  sich  das  Wieder- 
kaufsrecht nach  dem  Tode  des  Kurfürsten  vor,  doch  ist  von  diesem  niemals 
Gebrauch  gemacht  worden.  Vgl.  .1.  Voigt,  Die  Erwerbung  der  Neuraark, 
Berlin  1863,  S.  362  ff. 

347.  Polen.  Kasimir  der  Grofse  war  1370  ohne  Söhne  gestorben 
und  die  Krone  auf  seinen  Neffen  Ludwig  von  Anjou,  König  von  Un- 
garn (f  1382),  übergegangen.  Da  auch  er  keine  männlichen  Nachkommen 
hatte,  so  wurde  seine  Tochter  Hedwig  1384  zum  »König  von  Polen«  gekrönt 
Durch  ihre  Ehe  mit  dem  Grofsfürst  von  Litauen  Wladislaw  Jagello  im 
Jahre  1380  fand  die  Vereinigung  Litauens  mit  Polen  statt  und  letzteres 
erfuhr  hierdurch  einen  gewaltigen  Aufschwung  in  seiner  Machtstellung. 
Mit  Jagello  war  auch  Litauen  dem  Christentum  gewonnen  worden.  Die 
Interessensphäre  des  Deutschen  Ordens  hatte  hierdurch  eine  erhebliche 
Einschränkung  erfahren  und  ein  Krieg  mit  diesem  Rivalen  war  unaus- 
bleiblich; das  Kampfobjekt  war  Samogitien.  Obwohl  der  Orden  in  der 
Schlacht  von  Tannenberg  eine  empfindliche  Niederlage  erlitt,  blieben 
die  Grenzen  zwischen  dem  polnischen  und  dem  Ordensgebiet  bestehen; 
nur  Samogitien  fiel  an  Polen.  Der  Friede  von  Brzesc  (1435)  sicherte 
diesen  Besitz.  —  Auch  im  S.  hatte  das  Königreich  Polen  einen  grofsen 
Machtzuwachs  erfahren;  so  war  1387  Rotrufsland  ihm  angegliedert  worden 
und  1431  fiel  ihm  auch  Podolien  zu. 

348.  Herzogtum  Preufscn.  Der  Orden  hatte  am  Ende  des  XIV.  Jh 
auf  dem  Höhepunkt  seiner  Machteatwickelung  gestanden.  Auch  die 
Insel  Gothland  und  ferner  Estland  waren  ihm  zugefallen,  und  die  wirren 
Zustände  in  der  Mark  Brandenburg  zur  Zeit  der  Pfandherrschaft  hatten 
es  ihm  ermöglicht,  auch  die  Neumark  von  Sigismund  käuflich  zu  erwerben. 
Bereits  1384  hatte  der  Orden  Schievelbein  angekauft;  später  folgten  Stadt 
und  Gebiet  Dramburg  nach  und  1402  das  übrige  Gebiet  der  Neumark. 
Auch  der  glücklich  abgeschlossene  Krieg  gegen  Litauen  hatte  1380  den 
Anschlufs  des  westlichen  Litauen,  d.  h.  Samogitien  (Szamaiten) ,  zur 
Folge  gehabt.  Indessen,  die  rivalisierende  Haltung  Polens,  die  Vereini- 
gung Polens  mit  Litauen  (1386),  dann  auch  die  innere  Zerrüttung 
des  Ordensstaates  und  der  Zwist  mit  Adel  und  Städten  führten  alsbald 
zum  Verfall  und  zur  Beschränkung  des  ausgedehnten  Ordenslandes. 
Die  Schlacht  bei  Tannenberg  (1410)  brachte  den  ersten  Verlust  ;  im 
Frieden  zu  Thorn  1411  mufste  der  Orden  Dobrzin  und  Samogitien  an 
Polen  wieder  abtreten.  Der  Anschlufs  des  Preufsischen  Bundes,  zu 
welchem  sich  Adel  und  Städte  vereinigt  hatten,  an  Polen  (Kasimir  IV.) 
führte  zu  einem  neuen  13jährigen  Krieg  mit  dem  Orden  (1453—1466). 
dessen  Hochmeister  sich  veranlagst  sah,  eine  Reihe  von  Ordensburgen, 
ja  selbst  die  Residenz  Marienburg  zu  verpfänden  und  mancherlei,  so  die 
Neumark  145")  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg,  zu  veräufsern,  um 
den  kostspieligen  Krieg  führen  zu  können.  Im  Jahre  1456  wurde  die 
Marienburg  von  den  Söldnern,  die  sie  in  Pfand  hatten,  an  Polen  verkauft, 


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349.  Herzogtum  Pommern. 


493 


und  der  Hochmeister  mufste  1457  seine  Residenz  nach  Königsberg  ver- 
legen.   Der  völlig  erschöpfte  Orden  mufste  sich  1466  zu  einem  zweiten 
Frieden  von  Thorn  verstehen,  der  seinen  Besitz  auf  Schalauen,  Samland, 
Nadrauen,  Sudauen,  Natangen,  Galindien  und  Teile  von  Pomesanien  und 
Pogesanien  unter  polnischer  Lehnshoheit  beschränkte.    Polen  ergriff  da- 
gegen von  Westpreufsen  links  der  Weichsel  Besitz,  ferner  vom  nördlichen 
Teil  von  Pomesanien  am  Frischen  Haff,  von  Kuhnerland  und  Ermeland. 
Diese  Teilung  des  politischen  Besitzes  hatte  mehrere  Jahrhunderte  (bis  zum 
Jahre  1772)  Bestand  gehabt.  —  Auch  die  beiden  nachfolgenden  Hoch- 
meister, die  deutschen  Fürstenhäusern  entstammten,  vermochten  nicht 
mehr  den  Grund  zu  einer  neuen  Blüte  des  Ordensstaates  zu  legen.  Im 
Gegenteil,  der  Hochmeister  Albrecht  von  Brandenburg  hielt  es  für  ge- 
ratener, die  nach  innen  und  aufsen  haltlose  Ordensrepublik  ganz  auf 
zuheben  und  in  ein  weltliches  Herzogtum  zu  verwandeln ,  einer 
Mafsnahme,  der  auch  der  König  von  Polen  beipflichtete.    Auf  dem 
Vertrage  zu  Krakau  8.  April  1525  wurde  Albrecht  vom  König  Siegmund  I. 
mit  Preufsen,  als  einem  weltlichen  Herzogtum,  belehnt.    Die  Grenzen 
des  zweiten  Thorner  Friedens  wurden  beibehalten;  der  gröfste  Teil  des 
heutigen  Westpreufsen  (d.  h.  links  der  Weichsel  mit  Kulmerland  und 
Ermland  rechts  von  ihr)  blieb  als  königlicher  Teil  Polnisch  -  Preufsen 
bestehen,  während  das  übrige  Land  (Ostpreufsen  aufser  Ermeland)  fortan 
das  herzogliche  Preufsen  bildete. 

$49.  Herzogtum  Pommern  stand  im  Anfang  noch  unter  den 
drei  Linien  Hinterpommern,  Wolgast-Rügen  und  Stettin,  die  sich  öfters 
in  mehrere  Linien  zerteilten,  um  sich  bald  darauf  wieder  zu  vereinigen. 
Die  Hinterpommersche  und  Stettiner  Linie  starben  1459  und  1464  aus 
und  so  war  eine  Vereinigung  des  gesamten  Landes  in  der  Wolgaster 
Regentenlinie  ermöglicht  worden,  wenn  auch  nicht  ohne  heftige  Streitig- 
keiten mit  den  Nachbarn,  insonderheit  Kurbrandonburg. 

In  Hinterpommern  hatten  die  Nachfolger  Bogislaws  V.  geherrscht, 
die  in  direkter  Linie  bis  zum  Tode  Bogislaws  IX.  1447  einander  folgten. 
Des  letzteren  Vetter  Erich  L,  König  von  Dänemark,  folgte,  doch  starb 
mit  ihm  1459  das  Haus  aus  und  ganz  Hinterpommern  fiel  auf  Grund 
des  Vertrages  zu  Rügen walde  an  Erich  II.  von  Wolgast. 

Die  Herzöge  von  Pommern-Stettin  hatten  von  jeher  ihr  Augen- 
merk auf  die  Wiedergewinnung  der  Ukermark  gerichtet,  und  die  Zeit  der 
märkischen  Pfand herrschoft  kam  ihnen  bei  ihren  Bestrebungen  wesentlich 
zustatten.  Doch  gelang  es  dem  Ilohenzollern  Friedrich  L,  die  Ukermark 
wieder  zurückzuerobern.  Als  mit  Otto  III.  1464  die  Linie  erlosch, 
erhob  Kurfürst  Friedrich  II.  Anspruch  auf  das  erledigte  Territorium  auf 
Grund  der  Lehensherrlichkeit  über  dieses  Land.  Doch  mufste  er  den 
Herzog  von  Po  mm  ern-Wolgast  Erich  II.  (f  1474)  im  Besitz  des  Landes 
lassen.  Sein  Bruder  Wratislaw  X.,  der  seinerzeit  Rügen  und  Barth 
erhalten  hatte,  starb  bald  nachher  1478  und  sein  Gebiet  fiel  somit  an 
Erichs  H.  Sohn  Bogislaw  X.,  der  seit  jenem  Jahre  alle  pommerschen 
Lande  wieder  vereinigt  in  seinem  Besitz  hatte.    Wegen  der  Ukermark 


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494 


IX.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1550. 


hatte  er  sich  1493  mit  Johann  Cicero  dahin  geeinigt,  dafs  dieser  auf  die 
Lehensherrlichkeit  Verzicht  leistete  und  dafür  das  Erbfolgerecht  in  Pom- 
mern erhielt.  Der  Vertrag  zu  Grimnitz  in  der  Ukermark  1529  zwischen 
Kurfürst  Joachim  I.  und  Bogislaws  Söhnen  stellte  diese  Erbfolgeansprüche 
sicher. 

350.  Mecklenburg  war  anfangs  noch  im  Besitz  der  Mecklenbur 
gischen  und  Werleschen  Linie;  die  letztere  war  wieder  in  die  Güstrowsche 
und  Warensche  gespalten  mit  entsprechendem  Landbesitz.  Beide  hatten 
vom  Kaiser  Sigismund  die  nominelle  Standeserhöhung  als  »Fürsten 
zu  Wenden«  erwirkt  (1415)  und  hiermit  die  Reichsunmittelbarkeit  er- 
reicht. Eine  Erbverbrüderung  zwischen  den  werleschen  und  mecklenbur 
gischen  Fürsten  (1418)  sollte  im  Falle  des  Erlöschens  der  einen  deu 
Eingriffen  benachbarter  Fürsten  vorbeugen.  Die  Linie  Waren  starb 
mit  Christoph  1426  aus  und  sein  Gebiet  fiel  somit  zunächst  an  die 
Güstrowsche  Linie,  so  dafs  Wilhelm  von  Werle-Güstrow  nunmehr  wieder 
den  ganzen  werleschen  Landbesitz  in  seiner  Hand  vereinigte.  Da  aber 
auch  er  ohne  Nachkommen  1436  starb,  so  fielen  die  Lande  an  das  Haus 
Mecklenburg  zurück. 

In  diesem  war  der  Landbesitz  gleichfalls  geteilt  gewesen  zwischen  der 
Schweriner  und  Stargarder  Linie.  Da  die  letztere  mit  Ulrich  II.  1471 
erlosch,  so  wurde  Heinrich  IV.  von  Mecklenburg-Schwerin  der  alleinige 
Besitzer  der  Mecklenburgischen  Lande  —  mit  Ausnahme  der  Bistümer 
Schwerin  und  Ratzeburg. 

Unter  Heinrich  II.  von  Stargard  wurde  im  Frieden  von  Perleberg  (8.  Mai 


1442)  Lydien  und  Kloster  Himmelpfort  an  Friedrich  II.  von  Brandenburg  ab- 
getreten. —  Albrecht  VI.  und  Magnus  I.  von  Mecklenburg-Schwerin  hatten  von 
den  Lützowern  die  Herrschaft  Grabow  erworben. 

351.  Herzogtümer  Schleswig  und  Holstein.  Heinrich  der  Eiserne 
und  Klaus  waren  1375  rechtlich  in  den  Besitz  von  Schleswig  gekommen. 
Erst  aber  nach  dem  Tode  Heinrichs  (1385)  erkannte  die  dänische  Königin 
Margarete  seinen  Sohn  Gerhard  VI.  als  Herzog  beider  Länder  an.  Im 
Jahre  1390  starb  die  Kieler  Linie  aus,  deren  Territorium  somit  an  die 
Rendsburger  fiel.  Eine  Teilung  zwischen  Gerhard  VI.  und  seinen  Brüdern 
Albrecht  und  Heinrich  fand  1397  statt,  bei  welcher  Gerhard  VI.  Schleswig, 
das  nördliche  Wagrien  nebst  der  Insel  Fehmarn  und  einige  Teile  im  W 
Holsteins  erhielt.  Das  übrige  fiel  an  die  beiden  Brüder.  Die  Ritterschaft 
und  Hamburg  blieben  ungeteilt  Albrecht  starb  kinderlos  schon  1403 
Gerhard  VI.  fiel  im  Kampfe  gegen  die  Dithmarschen  1404  und  Heinrich 
war  Bischof  von  Osnabrück  geworden.  Bald  brach  der  Streit  um  Schleswig 
mit  Dänemark  von  neuem  aus,  der  nach  langen  blutigen  Kämpfen  erst 
1435  beigelegt  wurde.  Der  Sohn  Gerhards  VI.  Adolf  VIII.  erhielt  hier- 
bei das  Herzogtum  Schleswig  nebst  Nordfriesland  und  Fehmarn,  doch 
mit  Ausnahme  von  der  Insel  Arroe,  des  Amtes  und  der  Stadt  Haders 
leben,  des  westlichen  Teiles  von  Föhr  und  der  Nordspitze  von  Sylt. 
Indessen  kamen  Arroe  und  Hadersleben  1439  doch  in  den  Besitz 
Adolfs  VIII.  Mit  ihm  starb  das  Schauenburgische  Grafenhaus  nach 
350jähriger  Herrschaft   über  Schleswig   und  Holstein   aus.    Trotz  der 


351.  Herzogtümer  Schleswig  und  Holstein.  495 

Ansprüche,  die  die  Holstein-Pinneberger  Linie  der  Sehauenburger  machte, 
wurde  dennoch  König  Christian  I.  von  Dänemark  zu  Ripen  1460  von 
den  Landständen  zum  Herzog  von  Schleswig  und  Grafen  von  Holstein 
gewählt,  entgegen  der  Constitutio  Waldemariana,  die  Christian  1448  be- 
schworen hatte.  Man  glaubte  aber  die  Bestimmung  der  Constitutio  da- 
durch gewahrt  zu  haben,  dafs  Christian  I.  nicht  in  seiner  Eigenschaft 
als  König  zu  Dänemark,  sondern  als  gewählter  Fürst  von  Schleswig- 
Holstein  zur  Regierung  gelangt  wäre.  Somit  traten  jene  Lande  auf  vier 
Jahrhunderte  mit  Dänemark  wieder  in  Verbindung.  Der  Wunsch  einer 
dauernden  Veinigung  der  beiden  Länder  Schleswig  und  Holstein  unter 
sich  hatte  hierzu  geführt.  Holstein  war  ein  Teil  des  Deutschen  Reiches, 
Schleswig  aber  ein  Lehensstaat  von  Dänemark.  Christian  I.  erwirkte 
vom  Kaiser  Friedrich  III.  noch,  dafs  die  Grafschaft  Holstein  zu  einem 
Herzogtum  erhoben  wurde;  auch  Dithmarschen  wurde  1474  demselben 
einverleibt,  rifs  sich  aber  1500  wieder  los. 

Unter  den  drei  Söhnen  des  Königs  und  Herzogs  Friedrich  I.  (f  1533) 
fand  eine  Teilung  statt.  Die  drei  Anteile  wurden  nach  drei  Schlössern 
benannt:  Gottorp,  Sonderburg  und  Hadersleben.  Der  älteste  Sohn, 
König  Christian  III.  erhielt  Sonderburg,  Johann  Hadersleben  und  Adolf 
Gottorp. 

Die  Kiel -Plöner  Linie  (S.  363)  war  mit  Adolf  VH.  erloschen.  Sein 
Vater  Johann  III.  hatte  seinen  Besitz  noch  durch  die  Hascldorfer  Marsch  ver- 
mehrt, die  ihm  1375  und  1378  vom  Erzbischof  zu  Bremen  pfandweise  über- 
tragen, aber  nie  mehr  eingelöst  worden  ist. 

Während  des  Streites  um  Schleswig  hatte  die  Königin  Margarete  die 
Besitzungen  «1er  adeligen  Familie  Limbeck  in  Nordschleswig  ins  Pfand  erworben 
und  sie  mit  Jütland  zu  vereinigen  gesucht.  Beim  Friedenschlufs  1435  ver- 
zichtete Adolf  VIII.  grolsmütig  auf  die  Güter  und  einige  andere  Enklaven. 
Es  verblieben  daher  die  Lohharde-  d.  i.  Mögeltondern,  die  Grafschaft  Schacken- 
hurg,  das  GutTroyburg,  die  nördliche  Landzunge  der  Insel  Sylt,  List  genannt, 
Wetterland f öhr,  der  südliche  Teil  der  Insel  Komöe  und  die  Insel  Amrum  beim 
Königreich  Dänemark.  Erst  nach  dem  Kriege  von  1801  wurden  diese  Enklaven 
ganz  zum  nunmehr  preufsischen  Schleswig  geschlagen. 

Bei  der  Teilung  von  1544  zwischen  König  Christian  III.  und  den  Her- 
zögen Johann  und  Adolf  blieben  unter  gemeinschaftlicher  Regierung  die  Ritter- 
schaft, die  adeligen  Güter,  die  Klöster  zu  Preetz,  Itzehoe,  Uetersen  und  das 
St.  Johanniskloster  zu  Schleswig,  die  Rechte  an  Hamburg  und  die  Ansprüche 
auf  Dithmarschen,  ferner  die  Städte.  Die  Bezirke  der  drei  Landesherren  lagen 
ganz  durcheinander  gewürfelt.  König  Christian  III.  hatte  den  Sonderburger 
Anteil:  Alsen,  Sundewitt,  Stadt  und  Amt  Flensburg  nebst  dem  Ruhekloster, 
Stadt  und  Amt  Segeberg,  Oldesloe,  Amt  Steinburg,  die  Städte  Itzehoe,  Krempe 
und  Wilster,  die  Klöster  Reinfeld  Ahrensbök  und  zu  Segeberg  und  das  Dorf 
Fockbeck  bei  Rendsburg;  Herzog  Johann  erhielt  den  Ha d ersieh ener  An- 
teil :  die  Städte  und  Ämter  Hadersleben,  Tondern,  ferner  Nordstrand,  Töming- 
lehn,  Lügumkloster,  Fehmarn,  Kloster  Bordeshohn,  die  Dörfer  Borehstedt, 
liehnibeck  und  Kämpen;  Herzog  Adolf  erhielt  den  Gottorp  sehen  Anteil: 
die  Ämter  Gottorp  und  Hütten,  die  Landschaften  Eiderstedt  und  Stapelholm, 
die  Städte  und  Ämter  Husum,  Apenrade,  Kiel  und  Oldenburg,  die  Ämter  Neu- 
münster und  Trittau,  die  Stadt  Neustadt,  die  Klöster  Mohrlurehen,  Reinbeck 
und  Cismar.    Cf.  Bremer,  1.  c.  226  f. 


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X.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1550 


352.  Bevölkerungsverhältnlsse.    Es  hat  seine  grofsen  Schwierig- 
keiten, eine  richtige  Vorstellung  von  der  Bevölkerungsstärke  und  der 
Verteilung  der  Bevölkerungsdichte  in  Mitteleuropa  während  des  Mittelalters 
zu  gewinnen.   Allgemeine  Volkszählungen  sind  begreiflicherweise  niemals 
vorgenommen  worden  oder  wenigstens  nur  aus  einigen  Städten  liegen 
solche  ausnahmsweise  vor.   Wenn  sonst  irgendwo  Zahlengröfsen  in  den 
Quellenschriften  angegeben  werden,  machen  sie  sich  wegen  ihrer  Höhe 
meist  verdächtig.  Man  ist  daher  lediglich  auf  ungefähre  Berechnungen  oder 
Schätzungen  angewiesen,  indem  z.  B.  auf  Grund  der  zahlenmäfsig  ange 
gebenen  Bewaffneten  oder  Waffenfähigen,  der  Getauften  und  Beerdigten 
oder  der  Häuseranzahl  und  Haushaltungen  oder  des  Konsums  einiger 
Nahrungsmittel  u.  dgl.  m.  auf  die  mutmafsliche  Bevölkerungsgröfse  zurück- 
geschlossen wird.  —  Wenn  man  aber  auch  nicht  mehr  in  der  Lage  ist, 
fortlaufende  zuverlässige  Zahlengröfsen  für  die  einzelnen  Jahre  und  Jahr 
hunderte  zu  ermitteln,  so  hat  sich  doch  aus  verschiedenen  Umständen  ein 
allmähliches  Anwachsen  der  Bevölkerung  seit  dem  Altertum  konstatieren 
lassen.    Die  fortwährende  Landnot  der  Germanen  wurde  später  durch 
den  kolonisatorischen  Ausbau  des  Ostens  z.  T.  ausgeglichen.    Die  über- 
schüssige Volksmenge  flofs  nach  dieser  Richtung  ab;  ihr  Vorhandensein 
läfst  auf  den  beträchtlichen  Zuwachs  zurückschliefsen. 

Diese  natürliche  Vermehrung  hatte  bis  zur  Mitte  des  XIV.  Jh. 
angehalten,  als  zum  erstenmal  die  Pest,  der  »Schwarze  Tode,  134  ^ 
ihren  Einzug  in  Europa  hielt  und  zahllose  Opfer  forderte.  Nach  dem 
ersten  grofsen  Sterbenc,  welches  bis  1351  wütete,  folgte  1356,  1357, 
1358  eine  neue  Seuchenperiode,  die  mit  einigen  Unterbrechungen 
auch  in  den  folgenden  Jahrzehnten  sich  wiederholte.  Wie  das  XIV.  Jh.. 
welches  fast  jedes  Jahr  irgendwo  ein  > Sterben «  aufzuweisen  hatte,  *o 
bringt  auch  das  XV.  Jh.  neue  Pestausbrüche.  Die  Gröfse  des  Menschen 
Verlustes  in  Mitteleuropa  läfst  sich  freilich  nicht  mehr  feststellen,  denn 
die  hierfür  überlieferten  Zahlen  sind  meist  wertlos.  Moderne  Forscher 
haben,  gestützt  auf  diesen,  den  Verlust  auf  60  —  75%,  ja  sogar 
auf  00°/0  der  Bevölkerung  gosiliätzt.  was  natürlich  übertrieben  ist. 


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352.  Bevölkerung«  Verhältnisse.  497 

Indessen,  trotz  des  enormen  Verlustes  an  Menschenleben  machte  sich 
doch  die  nach  grofsen  Seuchen  oft  beobachtete  Erscheinung  geltend, 
dafs  eine  rasche  Volksvermehrung  folgte  und  das  ganze  wirtschaft- 
liche Leben  nicht  nur  keinen  Niedergang  oder  auch  nur  Stillstand  zeigte, 
sondern  in  fortdauernd  aufsteigender  Linie  begriffen  war. 

Besser  als  über  die  Bevölkerung  des  freien  Landes  sind  wir  über 
jene  einzelner  Städte  unterichtet.  Für  einige  läfst  sich  die  Bevölkerungs- 
zahl mittelbar  noch  berechnen,  für  andere,  wie  Nürnberg  und  Strafsburg, 
liegen  genauere  Zählungen  zugrunde.  Jedenfalls  darf  man  sich  von 
der  Gröfse  mittelalterlicher  Städte  keine  übertriebenen  Vorstellungen 
machen;  aus  allem  ergibt  sich,  dafs  gegen  Ende  des  Mittelalters  nur 
wenige  Städte  20 — 30000  Einwohner  hatten.  Cöln,  Strafsburg  und  Nürnberg 
mögen  die  gröfsten  gewesen  sein,  dann  folgte  Ulm.  Aber  schon  Frankfurt 
zählte  nur  9 — 10000  Seelen,  und  anfänglich  ebensogrofse  Städte  wie  Basel 
und  Zürich  blieben  in  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jh.  sehr  erheblich 
hinter  10000  zurück.  Überhaupt  machte  sich  bis  zum  Anfang  des  XVI.  Jh. 
eine  unverkennbare  Abnahme  der  städtischen  Bevölkerung  geltend. 
Weniger  die  Seuchen  als  vielmehr  die  Abnahme  des  Zuzugs  der  Land- 
bevölkerung mag  hierbei  mitgewirkt  haben.  Doch  darf  man  auch  hier  nicht 
vergessen,  dafs  das  Quellenmaterial  sehr  ungleichwertig  ist,  da  häufig  nur  die 
Bürger  oder  Steuerzahler  berücksichtigt  worden  sind,  nicht  aber  die  in  der 
Stadt  sich  aufhaltenden  bäuerlichen  Personen  und  die  Vorstadtbewohner. 

.Vis  in  der  Mitte  des  XIV.  Jh.  die  Pest  nach  Europa  eingesc  hleppt  worden 
war,  war  sie  seitdem  niemals  ganz  erloschen  oder  hatte  jedenfalls  nur  lokal 
kürzere  und  längere  Unterbrechungen  erfahren.    Als  das  Ursprungsland  sahen 
die  zeitgenössischen  Schriftsteller  China  an,  während  es  mit  gröfserer  Wahr- 
scheinlichkeit Indien  gewesen  zu  sein  scheint.    Die  Seuche  nahm  ihren  Weg 
durch  das  südliche  Rufsland  und  verbreitete  sich  schnell  über  das  südöstliche 
Europa.    Sie  drang  von  S.  über  Österreich  und  die  Schweiz  nach  Mitteleuropa 
ein,  aber  auf  Umwegen  hatte  sie  auch  von  W.  her  (Burgund,  Lothringen) 
Eingang  gefunden,  sowie  von  N.  über  Jütland  und  Schleswig.   Ein  Verzeichnis 
aller  Pestjahre  und  -perioden  gibt  C.  Martin,  Versuch  einer  geographischen 
Darstellung  einiger  Pestepidemien,  in  Peterrnanns  Mitt.  1879,  S.  257  ff.  mit 
Karte.     Im  übrigen  vgl.  R.  Höniger,  Der  Schwarze  Tod  in  Deutschland, 
Berlin  18X2,  besonders  S.  38,  64  ff.,  86  ff.,  93  f.    Haeser,  Lehrb.  d.  Gesch. 
der  Medizin,  Jena  1879,  III,  98.    Heck  er,  Die  grofsen  Volkskrankheiten  de« 
Ma.,  ed.  Hirsch,  Berlin  1885.    Lech  n er,  Das  grofse  Sterben  in  Deutschland 
1348—1351,  Innsbruck  18H4.    Iiistor.  Ztschr.  91,  S.  450. 

Eine  Vorstellung  von  der  Verteilung  der  relativen  Bevölkerungsdichte 
gewinnt  man  aus  der  Gesamtzahl  der  vorkommenden  Ortschaften.  Auf  Grund 
(lieser  bezeichnet  v.  Inama-Stcrnegg  (UI,  23)  die  Territorien  des  Rheiagebietes, 
des  Mosellandes,  Westfalens  und  die  schwäbischen  Gebiete  in  der  Zeit  bis  zum 
XV.  Jh.  als  die  volkreichsten  Teile  Deutschlands.  Erst  in  zweiter  Reihe  stehen 
•lann  Niedersachsen,  Thüringen,  Vogtland,  Raiern  und  Tirol.  Am  schwächsten 
besiedelt  ist  der  ganze  Osten  des  Reiches,  besonders  der  Nordosten. 

Hinsichtlich  der  Gröfse  der  Städte,  von  denen  uns  nur  wenige  Zählungen 
vorliegen,  wie  z.  B.  von  Nürnberg  vom  Jahre  1449  (s.  Jastrow,  1.  c.  177  ff.),  ist 
man  auf  die  Steuerlisten  angewiesen  (so  für  Dresden,  Meifsen,  Rostock,  Basel) 
oder  auf  die  Eid-  und  Bürgerbücher  (Frankfurt)-  Auf  Grund  solcher  Hilfs- 
mittel hat  man  für  einzelne  Städte  folgende  Bevölkerungszahlen  veranschlagt: 
Nürnberg  25—30000  Einwohner  {im  Jahre  1449),  Strafsburg  25000  (2.  Hälfte 
des  XV.  Jh.),  Cöln  37000  (XVI.  Jh.),  Augsburg  1*000  U475),  Frankfurt  a.  M. 

KretBchmer,  Historische  Geographie  32 


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49* 


X.  Kultur^eographie  um  das  Jahr  1550. 


10000  (1387)  und  ca.  9000  ;H40).  Mainz  5707  (XV.  Jh.),  Ulm  20000  (1427;, 
Würzburg  12000  (1538),  Hamburg  7000  (1311);  22000  (1419);  12000  (1526); 
19000  (1594),  Dresden  3190  (1474);  5000  (1491),  Breslau  218G6  (1348).  Für 
Lübeck  glaubt  Reisner  (Einwohncrzalil  Lübecks,  Jena  1903)  für  das  XIV.  bis 
XVI.  Jh.  ein  Anwachsen  von  17—30000  feststellen  zu  können.  S.  die  Tabellen 
bei  v.  Inama,  DW.  III,  425  und  in  Conrads  Handwörterbuch.  —  Die  Zahl 
der  über  10000  Einwohner  zählenden  Städte  mufs  eine  sehr  beschränkk- 
gewesen  sein.  Die  meisten  Reichsstädte  und  Residenzen  mögen  noch  weniger 
als  10000  Seelen  beherbergt  haben.  Alle  übrigen  aber,  zu  denen  auch  die 
Kolonialstädte  des  Ostens  gehören,  mögen  kaum  die  50U0  überschritten  haben. 

von  Inama-Sternegg,  Dt.  Wirtech.  III,  21  ff.,  425.    Ders.,  Bevölke- 
rungsverhältnisse «.les  Mittelalt.,  im  Handwörterb.  der  Staatswiss.  von  Conrad. 
Lexis  etc.  II.    Ders.,  Die  Quellen  der  histor.  Bevölkerungsstatistik,  in  Statist 
Monateschrift.  XH.    Ders.,  Die  Entwickele,  der  Bevölkerung  Europas  seit 
1000  Jahren,  im  Ber.  über  den  VII.  internat.  Kongr.  f.  Hygiene  u.  Demographie 
1887,  25.  Heft.    Jastrow,  Die  Volkszahl  deutscher  Städte  zu  Ende  des  Ma. 
und  zu  Beginn  der  Neuzeit,  Berlin  1886.    Höniger,  Die  Volkszahl  deutscher 
Städte  im  Mittelalter,  in  Jahrb.  für  Gesetzgebung,  Verwaltung  und  Volkswirt- 
schaft im  D.  R.,  NF.  XV.  Paasch e,  Die  städt.  Bevölkerung  früherer  Jahrb.,  ini 
Jahrb.  f.  Nat.  Okon.  NF.  V  (1882),  303  ff.    Bücher,  Bevölkerung  von  Frank- 
furt a.  M.  I,  Tübingen  1886.    Pfaff,  Württembergs  Bevölkerung  in  früheren 
Zeiten,  in  Württ.  Jahrbb.  I  (1847),  94  ff.    Eheberg,  Strafsburgs  Bevölkerungs- 
zahl seit  Ende  des  XV.  Jh.,  in  Conrads  Jbb.  f.  Nationalök.  41  (1883),  297—314. 
42  (1884),  413 — 430.    Fabricius,  Die  Bevölkerungsaufnahmen  in  Hessen- 
Darmstadt  bis  1858,  in  Beiträge  z.  Stat.  des  Grofsh.  Hessen  IH  (1864).  1—86. 
Richter,  Zur  Bevölkerungs-  u.  Vermögensstat.  Dresdens  im  XV.  Jh.,  im  N.  Arch. 
f.  sächs.  Gesch.  IL  273  ff.   Ders.,  Zur  Bev.-  u.  Verm.-Stat.  Meilsens  im  Jahre 
1481,  in  Mitt.  Ver.  f.  Gesch.  d.  St.  Meilsen  I  (1882),  1  ff.  Hingst,  Freibergs 
Bevölkrg.  im  XVI.  Jh.,  in  Mitt.  d.  Freibg.  Alt.  Vereins,  1869,  571  ff.  Michaelis, 
Die  Bev.  Freibergs  in  den  letzten  drei  Jahrh.,  ibid.  1865,  331—340.  Bergius. 
Die  Einwohnerzahl  Breslaus  gegen  Ende  des  XVI.  Jh.,  in  Z.  Ver.  f.  Gesch. 
Schles.  III  (1860).  165  ff.  Schönberg,  Basels  Bevölkerungszahl  im  XV.  Jh.. 
Tübingen  1879.   Süfsmilch,  Der  Königl.  Residente  Berlin  schnelles  Wachstum 
u.  Erbauung,  Berl.  1752.    Otto,  Bevölkg.  d.  Stadt  Butzbach  i.  d.  Wetterau 
während  des  Ma.,  1893.    Weitere  Literatur  speziell  für  das  Mittelalter  geben 
tlie  Werke  von  Inama,  Jastrow  und  Reisner. 

353.  Landwirtschaft.  Die  expansive  Ausbreitung  der  Wirtschaft 
liehen  Kultur  zur  Zeit  der  germanischen  Kolonisation  hatte  im  XIV.  Jh. 
ihren  Höhepunkt  erreicht.  Seitdem  machte  sich  schon  eine  intensivere 
Ausnutzung  des  Bodens  bemerkbar.  Eine  solche  war  aber  nur  bei  einer 
fortschreitenden  Entwickelung  des  landwirtschaftlichen  Betriebes  nach 
der  technischen  Seite  hin  möglich,  und  es  ist  bedeutsam,  dafs  auch  die 
oberen  Schichten  der  Bevölkerung  sich  auf  diesem  Gebiete  zu  betätigen 
suchten  und  in  der  Landwirtschaft  eine  ihnen  würdige  Beschäftigung 
sahen.  Das  Streben  der  Fürsten  und  Klöster,  ihre  Einnahmen  zu  ver 
mehren,  der  Niedergang  des  Ritterwesens  und  anderes  mehr  wirkten 
hierbei  mit,  und  die  ersten  Anfänge  einer  landwirtschaftlichen  Literatur 
lassen  sich  bis  in  jene  Zeiten  zurück  verfolgen.  Dennoch  war  der  Stan«i 
der  Landwirtschaft  gegen  das  Ende  dieser  Periode  kein  glänzender  un«l 
besonders  wurde  es  dem  armen  Bauern  nicht  möglich,  die  Vorzüge  des 
Fortschrittes  recht  zu  geniefsen.  Die  ewig  geldbedürftigen  weltlichei. 
und  geistlichen  Herren  sogen  ihn  systematisch  aus;  er  inufste  zahlen 
was  jene  verprafsten  und  in  ihren  Fehden  verloren.    Die  Rache  de> 


353.  Landwirtschaft. 


499 


Feindes  richtete  sich  auch  meist  gegen  das  schutzlos  daliegende  offene 
Land,  welches  an  Stelle  des  Herrn  büfsen  mufste.  Der  allgemeine  Un- 
wille des  tief  herabgedrückten,  rechtlosen  Bauernstandes  kam  in  den 
Bauernkriegen  (1525)  zum  Ausdruck.  Besonders  das  südwestliche  Deutsch- 
land, das  Elsafs,  Baden,  Schwaben,  Franken,  Thüringen,  Hessen,  Pfalz 
und  Lothringen  hatten  unter  dem  Kriege  zu  leiden;  denn  in  diesen 
Landschaften  safs  die  Bevölkerung  verhältnismäfsig  dicht,  auch  die  Teilung 
des  Bodens  war  am  weitesten  fortgeschritten  und  die  Ritterschaft  zahl- 
reich vertreten.  Im  ostelbischen  Deutschland  waren  die  Bauern-  und 
Rittergüter  von  vornherein  gröfser  gewesen  und  die  Bevölkerung  stellen- 
weise noch  recht  spärlich',  fo  dafs  es  hier  weniger  zu  Reibungen  kommen 
konnte.  Der  Krieg  hatte  jedoch  für  den  Bauern  nicht  den  gewünschten 
Erfolg  und  gestaltete  sein  Los  nur  noch  trauriger. 

Im  System  der  Ackerkultur  war  keine  Veränderung  eingetreten. 
Die  Dreifelderwirtschaft  bzw.  auch  Neunfelderwirtschaft  mit  langjähriger 
Brache  war  allgemein  üblich,  wenn  auch  nicht  durchgehends,  wie  z.  B. 
in  der  Hanna  im  Marchtal.    Die  Hauptnahrungsmittel  waren  neben  dem 
Getreide  Rüben,  Kohl  und  Hülsenfrüchte.    Der  Leguminosenbau  wurde 
aber  auch  für  die  Viehzucht  wichtig  und  durch  sie  wieder  die  Dung- 
produktion vermehrt.    Zugleich  ist  das  XVI.  Jh.  auch  eine  Blütezeit 
für  die  Kultur  der  Handelsgewächse  geworden,  besonders  der  Färber- 
pflanzen und  ölhaltigen  Gewächse.  Bedeutsam  waren  auch  die  Fortschritte 
in  der  Obstkultur,  die  durch  die  Bedürfnisse  der  gebildeten  Welt  befördert 
wurde.    Die  Wiesenwirtschaft  war  durch  das  Dreifeldersystem  immer  be- 
hindert gewesen  und  ebenso  vom  Weidegange  abhängig  und  der  Brache 
unterworfen.  —  Einzelne  Landschaften  aber  bevorzugten  nur  bestimmte 
Zweige  der  Landwirtschaft;  so  z.  B.  Westfalen  die  Viehzucht,  wogegen 
der  Ackerbau  nur  für  den  eigenen  Bedarf  eingerichtet  war.    Die  Acker- 
felder der  Höfe  waren  daher  auch  nur  klein;  den  Weideflächen  wurde 
dagegen  eine  besondere  Pflege  zugewendet.    Man  pflanzte  Schattenbäume 
für  das  Vieh;  auch  der  Wald  wurde  im  Interesse  der  Viehzucht  geschont. 

Von  der  zeitgenössischen  landwirtschaftlichen  Literatur,  die  auch  für 
geographische  Fragen  wichtig  ist,  sei  zunächst  genannt  das  Werk  von  Conrad 
Heresbach,  Rei  rusticae  libri  quatuor,  universam  rusticam  disciplinam  com- 
plectens,  Coloniae  apud  Joannem  Birckmannum,  1571 ;  dos  erste  Buch  handelt 
von  der  Landwirtschaft  im  allgemeinen,  das  zweite  vom  Garten-  und  Obstbau, 
das  dritte  von  der  Viehzucht,  dos  vierte  vom  Hühnerhof,  Teichfischerei,  Bienen- 
zucht und  Jagd.    In  seiner  Darstellung  hat  er  freilich  mehr  die  Landwirtschaft 
der  Rheinlande  im  Auge.    Ferner  Joachim  Camerarius,  Opuscula  de  re 
ni8tica,  1577,  und  das  von  Melchior  Sebitz  übersetzte  Werk  des  Franzosen 
Charles  Etienne,  Sieben  Bücher  vom  Feldbau,  1580.    Am  verbreitetsten 
von  allen  war  wohl  die  Oeconomia  ruralis  et  domestica  des  Johannes  Coler. 
Auch  Spezialwerke  über  einzelne  Zweige  der  Landwirtschaft  entstanden  schon ; 
vgl.  über  die  Literatur  Langethal,  Gesch.  d.  teutsch.  Ldw.  HI,  131  ff. 

Von  den  Feldfrüchten  waren  am  meisten  verbreitet  Weizen,  Gerste  und 
Hafer,  dann  besonders  auch  der  Roggen,  der  in  Schwaben,  wo  Spelt  gebaut 
wurde,  aber  fehlte.  Aufser  Schwaben  hatte  auch  die  Schweiz  und  das  Mittel- 
rheingebiet  den  Speltbau  beibehalten.  Roggen  wurde  vorherrschend  die  Brot- 
frucht und  sein  Anbau  nur  in.  einigen  Gegenden  Mitteldeutschlands  und  Öster- 
reichs  durch  den  Weizen,  und  in  den  Gebieten  der  Bierbrauerei  durch  die 

32« 


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500  X.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1550. 

Gerste  verdrängt.  Aber  auch  letztere  tritt  als  Nahrungsmittel  ebenso  wie  der 
Hafer  mehr  und  mehr  zugunsten  des  Roggens  zurück.  Dagegen  findet  im 
XVI.  Jh.  noch  der  Buchweizen  eine  allgemeine  Verbreitung.  Von  Hülsen- 
früchten sind  Erbsen  und  Bohnen  schon  früher  verbreitet  gewesen,  wahrend 
Linsen  nur  strichweise  gebaut  wurden.  Dagegen  tritt  jetzt  auch  die  Luzerne 
auf,  die  von  Frankreich  in  die  Rheingegenden  herüberkam.  —  Flachs,  Hanf 
und  Lein  waren  nicht  blofs  im  herrschaftlichen,  sondern  auch  im  bäuerlichen 
Wirtschaftsbetriebe  vertreten;  einige  Gegenden  Tirols  hatten  im  Flachsbau 
einen  Ruf  erlangt.  —  In  Obst-  und  Gartenkultur  waren  neue  Gewächse  einge- 
führt und  verschiedene  Spielarten  erzeugt  worden,  besonders  im  Rheinland; 
Amarellen,  Honigbirnen  und  Borsdorfer  Apfel  werden  schon  genannt.  —  Der 
Weinbau  hat  im  XVI.  Jh.  wohl  seine  gröfste  Ausbreitung  erfahren.  Schätzte 
man  auch  schon  damals  die  bessere  Qualität  des  Rheinweines,  so  begnügten 
sich  die  Fürsten  meist  mit  ihrem  selbstgewonnencn  Landwein,  und  insonder- 
heit ragte  unter  den  norddeutschen  Ländern  die  Mark  Brandenburg  hierin 
hervor.  Neben  den  Rheinlanden  genossen  aber  auch  die  tirolischen  und  öster- 
reichischen Weingebiete  einen  grofeen  Ruf,  und  ferner  Schwaben,  Franken 
und  Thüringen. 

Auch  in  der  Viehzucht  waren  manche  Fortschritte  zu  verzeichnen; 
selbst  einzelne  Städte  (Nordhausen,  Quedlinburg)  legten  sich  auf  einen  ratio- 
nellen Betrieb.  In  der  Pferdezucht  hatte  man  nicht  nur  den  landläufigen  Be 
darf  zu  decken  (für  die  Arbeit  und  das  Heer),  sondern  mutste  auch  den  An- 
forderungen einer  Veredelung  der  Rasse  durch  Einführung  spanischer  und 
türkischer  Pferde  entgegenkommen.  Fürsten,  Adelige  und  Bauern  beschäftigten 
sich  mit  der  Zucht.  —  »Während  des  XVI.  Jh.  hatte  sich  das  Quantum  der 
Haustiere,  vorzüglich  aber  der  Schafe  sehr  gesteigert,  während  die  Qualität  sich 
mit  Ausnahme  der  Pferde  so  ziemlich  gleich  geblieben  war.«  Weniger  Förde- 
rung und  Verbesserung  hatten  die  Rindvieh-  und  Schweinezucht  erfahren,  wo- 
gegen die  Schafzucht  während  des  XVI.  Jh.  der  Schweinezucht  an  Bedeutung 
gleichgekommen  war.  Die  Tuchfabrikation  hatte  sie  in  erster  Reihe  begünstigt ; 
sie  wurde  daher  auch  im  grofsen  Stile  betrieben  und  neben  den  Grundherren 
und  Bauern  warfen  sich  auch  die  Städte  auf  diese  Zucht.  Die  Gebiete  des 
Oberrheins  und  Niederrheins,  wie  der  Mosel,  Schwaben,  Franken  und  das  nord- 
östliche Deutschland  (der  Deutsche  Orden)  zeichneten  sich  hierin  aus. 

Langethal,  1.  c.  HI,  33  ff.,  95  ff.,  248  ff.  Michelsen  u.  Nedderich, 
1.  c.  S.  134.  Inama-Sternegg  III,  S.  311—371;  S.  360  handelt  er  über  die 
Alpen  Wirtschaft,    v.  d.  Goltz  I,  196  ff. 

354.  Wald.  Während  die  Rodungen  im  XII.  und  XIII.  Jh.  die 
ersten  grofsen  Veränderungen  im  Waldbestande,  man  darf  sagen  seh 
der  Eiszeit  hervorgerufen  hatten,  bildeten  das  XIV.  und  XV.  Jh.  die 
Periode  der  mehr  lokalen  Veränderungen  in  dem  Areal  der  Waldungen 
Das  rücksichtslose  Niederholzen  hatte  an  vielen  Orten  schon  zu 
empfindlichem  Holzmangel  geführt,  wenn  hierbei  auch  immer  noch  ein 
Unterschied  zwischen  den  Ländern  des  westlichen  und  des  östlichen 
Deutschland  bestanden  haben  mufs.  Die  zunehmende  Zahl  der  Ro- 
dungsverbote, die  Regelung  der  Waldnutzung,  die  Beschränkung  des 
Brennholzbezuges,  die  Erlaubnis  zur  Fällung  von  Bauholz,  die  Termin- 
bestimmung für  Fällung  und  Abfuhr,  die  Regelung  der  Kohlenbrennerei, 
der  Harznutzung,  der  Mastnutzung  und  Grasweide  sowie  der  Jagd 
beweisen,  dafs  man  dem  Walde  eine  volkswirtschaftliche  Bedeutung  bei- 
zumessen begann.  Es  steht  fest,  dafs  die  Wälder  Mitteleuropas  während 
des  Mittelalters  eine  wesentliche  Verminderung  erfahren  haben,  wenn 
wir  auch  nicht  mehr  in  der  Lage  sind,  die  Fläch engröfsen  des  noch 


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354.  Wald. 


501 


bewaldeten  und  waldlosen  Gebietes  für  irgendeinen  Zeitpunkt  zahlenmäfsig 
zu  bestimmen.  Weit  eher  besteht  die  Möglichkeit,  uns  von  der  Be- 
schaffenheit der  Wälder  und  den  ersten  Veränderungsversuchen  im  Laub- 
und Nadelholzbestande  durch  Eingreifen  des  Menschen  ein  Bild  zu 
machen.  Mancherlei  Nachrichten  liegen  hierüber  vor,  nur  mufs  man  sich 
hüten,  sie  für  das  ganze  Land  verallgemeinern  zu  wollen.  Dafs  man 
sein  Augenmerk  auch  auf  Wiederbewaldung  richtete,  ist  aus  den  S.  391 
erwähnten  Verordnungen  Kaiser  Albrechts  und  Heinrichs  VII.  zu  er- 
sehen. Doch  scheint  man  damals  noch  nicht  an  eine  regelrechte 
Neuanpflanzung  von  Bäumen  gedacht  zu  haben ;  man  überliefs  solche 
Stellen  vielmehr  sich  selbst,  bis  sie  auf  natürlichem  Wege  sich  von 
neuem  bestockten.  Erst  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jh.  besitzen 
wir  Nachrichten   von  künstlichem  Anbau   und  noch  mehr  aus  dem 

XV.  Jh.,  als  man  Versuche  mit  der  Anpflanzung  von  Bäumen  machte, 
die  vordem  an  solchen  Orten  nicht  heimisch  waren,  —  Versuche,  die 
die  ersten,  zunächst  freilich  nur  geringfügigen  Veränderungen  im  Laub- 
und Nadelholzbestande  bildeten.  Das  Verhältnis  im  Arealbestande 
beider  Holzarten  hatte  eine  Verschiebung  zum  Nachteile  des  Laubholzes 
schon  dadurch  erfahren,  dafs  letzteres  vorzugsweise  den  fruchtbaren 
lehmreichen  Boden  innehat  und  solche  Bodenstellen  gerade  durch 
Roden  für  die  Feldkultur  nutzbar  gemacht  worden  waren.  Auch  sonst 
finden  wir  Angaben  von  natürlichen  Veränderungen,  dafs  das  Nadelholz 
stellenweise  das  Laubholz  verdrängt,  wie  auch  umgekehrt;  z.  B.  im 
Salzburgischen,  wo  das  Schwarzholz  vom  Laubholz  überwachsen  werde. 
Für  gewisse,  besonders  die  masttragenden  Bäume  war  ja  die  Erhaltung 
der  Bestände  nach  wie  vor  die  Norm ,  und  dies  galt  auch  noch  im 

XVI.  Jh.    Eine  Verordnung  im  Osnabrückischen  besagte,  dafs,  wem 
ein  Stamm  zum  Fällen  bewilligt  wrar,  der  sollte  fünf  oder  sechs  junge 
Eichen  als  Ersatz  pflanzen.    Auch  im  grofsen  Stile  fanden  Anpflanzungen 
statt,  so  bei  Seligenstadt  a.  M.,  wo  man  1491  schlüssig  wurde,  jährlich 
20  —  30  Morgen    Landes  mit    Eicheln  zu  bestecken.     Dafs  man  an 
anderen  Stellen  auch  dem  Nadelwald  Rücksicht  auf  Erhaltung  angedeihen 
liefs,  bezeugt  eine  Aufforderung  an  den  Salzburger  Waldmeister,  dafs 
er  die  Lärchenwälder  nicht  durch  eine  weitgetriebene  Gewinnung  des 
Terpentins  schädigen  lassen  sollte,  und  Schweizer  Weistümer  enthalten 
ähnliche  Bestimmungen.   Gegenüber  diesen  Bestrebungen,  gewisse  Baum 
gattungen  zu  erhalten,  werden  an  anderen  Stellen  Versuche  gemacht, 
neue  Baumarten  einzuführen.    Im  Jahre  1420  erbat  die  Stadt  Frank- 
furt von  Nürnberg  die  Überlassung  von  Kiefernsamen,  um  den  Versuch 
zu  machen,  ob  Nadelholz  in  jenen  Laubholzgebieten  fortkomme.  Neben 
Kiefern  wurden  auch  Tannen  und  Fichten  angepflanzt  und  dies  mehrere 
Jahre  lang  fortgesetzt,  wobei  sich  zeigte,  dafs  die  Kiefern  nicht  gedeihen 
wollten.    Die  Familie  der  Hülpüchel  in  Nürnberg  hatte  sich  schon  einen 
Huf  auf  diesem  Gebiete  erworben.   Auch  Markgraf  Christoph  von  Baden 
wendete  sich  1498  nach  Nürnberg  zu  dem  gleichen  Zweck.    Der  Zu- 
stand des  Waldes  war  trotz  aller  der  obengenannten  Verordnungen  und 
Mafsregeln  kein  glänzenderer  geworden ;  es  war  dies  die  natürliche  Folge 


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502 


X.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1550. 


der  ganzen  Wirtschaftsweise.  Selbst  inmitten  grofser  Wälder,  wie  im 
Harz  und  im  Salzburgischen  wurde  über  Verwüstung  und  Verschlechte- 
rung geklagt.  Vom  Sturm  entwurzelte  Bäume  sowie  durch  Windbruch 
erzeugtes  Holz  wurden  nicht  immer  beseitigt  und  benutzt,  und  wieder- 
holte Verordnungen  wurden  nötig.  Das  in  den  Waldungen  zu  Tausen- 
den sich  herumtummelnde  Mastvieh  konnte  an  und  für  sich  schon  zu 
einer  Besserung  nicht  beitragen.  Auch  die  jüngeren  Baumbestände  und 
ein  kräftiger  Nachwuchs  wurden  durch  den  übermäfsigen  Wildstand 
geschädigt.  So  ging  es  noch  geraume  Zeit  fort,  ehe  man  zu  einer 
rationellen  Forstkultur  fortgeschritten  war;  eine  solche  war  aber  uur 
mit  nicht  unbeträchtlichen  Mitteln  und  Kenntnissen  möglich. 

Vgl.  alles  Nähere  bei  Schwappach,  Handb.  I,  156  ff.,  181 — 188.  Bern- 
hardt, Waldeigent.  I,  169  ff.  En  (fers,  Waldbenutzung,  S.  129.  von  Berg. 
Dt.  Wälder,  S.  329  ff.,  350  ff.  Letzterer  führt  auch  eine  Reihe  von  Pflanzungen 
in  Norddeutschland  an;  so  eine  in  der  Görlitzer  Heide  vor  1329,  wohl  die 
älteste,  bis  jetzt  bekannte  gröfsere  waldkulturelle  Unternehmung. 

855.  Bergbau.  In  dieser  Periode  hatte  der  deutsche  Bergbau  grofse 
Fortschritte  in  technischer  Beziehung  gemacht  und  die  hierdurch  be- 
wirkte intensivere  Ausbeutung  der  inneren  Bodenschätze  übte  auch  auf 
die  volkswirtschaftlichen  Verhältnisse  ihren  Einflufs  aus.  Die  Bergbau 
künde  des  Georg  Agricola  (Basel  1557)  gibt  Zeugnis,  welche  Höhe  die 
bergbauliche  Technik  bereits  erreicht  hatte,  mit  welcher  Geschicklichkeit 
man  die  Ungunst  der  natürlichen  Verhältnisse  oftmals  zu  überwinden 
verstand. 

Ein  gesteigerter  und  ausgedehnter  Betrieb  machte  aber  auch  die 
Herbeiziehung  gröfserer  Kapitalien  notwendig,  wie  sie  die  einlachen  Ge- 
werkschaften aufzubringen  [nicht  in  der  Lage  waren.    Fürsten,  reiche 
Kaufleute  und  Städte  beteiligten  sich  dann  finanziell  an  Bergbau  Unter- 
nehmungen.   Unter  den  bergbauenden  Ländern  in  Mitteleuropa  nahmen 
damals  das  sächsische  Erzgebirge  und  ;die  österreichischen  Länder  in 
ihrem  weitesten  Umfange,   besonders   Böhmen,  den   ersten  Rang  ein. 
Freilich  hatten  die  Zeitereignisse  an  vielen  Orten  hemmend  eingewirkt, 
und  besonders  waren  es  die  Hussitenkriege ,  die  in  den  von  ihnen 
heimgesuchten  Ländern  den  Bergbau  ins  Stocken,  stellenweise  auch  zum 
Erliegen  gebracht  haben.    Die  gewaltige  Ausdehnung  des  Bergbaues 
hatte  aber  auch  eine  einheitlichere  Gestaltung  der  Rechtsformen  und 
der  iVerwaltungspraxis  zur  Folge  gehabt.    Kaiser  Maximilian  hatte  in 
seinen  österreichischen  Erblanden   nach  dieser  Richtung  hin  gewirkt 
Ihm  hatte  auch  der  Bergbau  daselbst  den  grofsen  Aufschwung  zu  ver- 
danken. 

In  Baiern  suchte  besonders  Herzog  Albrecht  IV.  den  Bergbau  in  Auf- 
nahme zu  bringen  und  ebenso  seine  Söhne,  wie  die  vielen  Vergabungen  un<l 
Rergfreiheitserklärungen  beweisen.  Im  eigentlichen  Herzogtum  Baiern  tritt 
der  Bergbau  erst  im  XV.  Jh.  stärker  hervor.  1426  wird  bei  Fischbaeh  in 
Oberbaiern  ein  Silberbergwerk  genannt  ;  1446  das  Eisenbergwerk  bei  Fischbachau, 
in  demselben  Jahrhundert  die  Silber-  und  Kupferbergwerke  zu  Bodenniais  in 
Niederbaiorn,  ferner  das  Gold-,  Silber-,  Kupfer-  und  Bleibergwerk  zu  Ammer- 
gau.   Im  Gebiet  von  Kloster  Tegernsee  werden  im  XV.  Jh.  Bergwerke  auf 


355.  Bergbau.  503 

Silber  und  Blei  erwähnt.  In  der  Freisingischen  Grafschaft  Werdenfels  wurden 
schon  1418  Eisengänge  aufgedeckt.  1476  wurden  dort  auch  Silberadern  ge- 
funden, die  aber  oald  erschöpft  waren.  Die  Sulzbacher  Eisengruben  waren 
im  XVI.  Jh.  noch  gut  im  Gange.  In  der  Herrschaft  Bicistein  bei  Lam  werden 
1463  Bergwerke  erwähnt.  Der  Aniberger  Eisenbergbau  ist  im  XV.  Jh.  in 
vollem  Betrieb.  Um  1477  wurde  bei  Neilla  (Markgrafschaft  Brandenburg-Kulm- 
bach)  ein  Eisenbergwerk  aufgenommen,  welches  sicherlich  vorher  schon  einmal 
in  Betrieb  war.    Cf.  Gmelin,  S.  162,  395,  399,  404  ff. 

In  Tirol  entwickelte  sich  der  Bergbau  im  XV.  und  XVI.  Jh.  zu  voller 
Blüte.  Besonders  der  Silberbergbau  trat  hier  hervor.  Das  Bergwerk  am  Falken- 
stein bei  Schwaz  war  eins  der  reichsten.  Zur  Zeit  Kaiser  Ferdinands  I.  waren 
36  Gruben  in  Betrieb  mit  30000  Arbeitern.  v.Sperges,  Tirol.  Bergwerke,  S.  112  f. 
Im  XV.  Jh.  wurde  in  den  ehemals  bairischen  (jetzt  tirolischen)  Herrschaften 
Rattenberg,  Kitzbühel  und  Kufstein  gebaut,  besonders  auf  Silber  und  Kupfer. 
1468  wird  ein  Goldbergwerk  im  Stubaital  genannt.  Bald  entwickelte  sich 
auch  der  Bergbau  auf  Silber,  Kupfer,  Blei  am  Feigensteiii,  auf  dem  Schnee- 
berg hinter  Gossensafs,  in  Aren  und  bei  Lünz  im  Pustertal,  zu  Terlan  und 
Nalles  an  der  Etsch,  zu  Praxi,  Stilves  und  Goldran  im  Vintschgau,  im  Tale 
Montafon.  Im  XV.  Jh.  wurde  auch  zu  Gerenstein,  Puchenstein  und  Cavril 
Bergbau  betrieben.    Cf.  v.  Sperges,  S.  80. 

Böhmen  hatte  durch  die  Hussitenkriege  in  seiner  bergbaulichen  Ent- 
wicklung zu  leiden  gehabt.    Das  Goldbergwerk  zu  Eule  war  1422  in  den 
Hussitenkriegen  zerstört  worden,  ebenso  andere  in  der  Nähe  liegende.  Nur 
langsam  erholten  sie  sich  von  diesem  Schlage.   Knin  wurde  1479  zur  Bergstadt 
erhoben.   Auch  das  Städtehen  Freiheit,  welches  ebenfalls  Goldbergwerke  besafs, 
wurde  1546  Bergstadt,    Von  den  Silberbergwerken  war  auch  Deutschbrod  1422 
hart  mitgenommen  worden.    Andere  Silberbergwerke  blühten  auf,  so  die  bei 
Budweis,  welches  1547  Bergfreiheit  erhielt  ;  1549  wurde  ein  neuer  Erzgang  ge- 
öffnet. Bei  Joachimsthal  im  Erzgebirge  waren  1516  reiche  Silberadern  entdeckt 
worden  ;  schon  1518  brachten  sie  61000  Gulden  ein.  Klostergrab,  eine  Stunde  von 
Teplitz,  mit  seinem  Silberbergwerk  wurde  1504  zur  Bergstadt  erhoben.  Den 
empfindlichsten  Schlag  hatte  wohl  Kuttenberg  in  den  Hussitenkriegen  erfahren. 
Ziska  hatte  hier  mehrere  tausend  Bergleute  und  Knappen  in  die  Schächte 
hinabstürzen  lassen  (1422—1424)  und  das  Bergwerk  somit  zum  Stillstand  ge- 
bracht.   1522  war  es  dann  überdies  durch  einen  Wolkenbrueh  ersäuft  und  ganz 
ruiniert  worden.    Michclsberg  im  Pilsener  Kreise  stand  mit  seinem  Silberberg- 
werk im  Anfang  des  XVI.  Jh.  in  Blüte.    Bei  Nikiasberg  nordöstlich  von  Bilin 
war  1540  ein  reicher  Silbergang  entdeckt  worden;  1543  wurde  die  erste  Berg- 
freiheit erteilt.   Der  späterhin  so  bedeutende  Bergbau  von  Pribram  (südwestlich 
von  Prag)  scheint  erst  Ende  des  XV.  Jh.  in  Gang  gekommen  zu  sein,  wenn 
auch  der  Ort  als  Bergflecken  schon  zur  Zeit  Karls  IV.  genannt  wird;  1536  bis 
1538  kam  die  Silbergewinnung  auf  1400  Mark  (1  Mark  wurde  zu  11  Gulden 
damals  vermünzt).    In  Ratiboritz  (Bergstadt)  kam  der  Silberbergbau  Anfang 
fies  XVI.  Jh.  in  Aufnahme.   Mit  wechselndem  Glück  wurde  der  Betrieb  bis  1552 
fortgeführt.    Tabor  hatte  seit  dem  zweiten  Jahrzehnt  des  XVI.  Jh.  bedeutende 
Silberbergwerke  im  Betrieb.    Auch  in  Krumau  wurde  auf  Silber  gebaut,  des- 
gleichen bei  Ledetsch.    Der  Zinnbergbau  blühte  im  XVI.  Jh.  in  Goldenhöhe 
(nordwestlich  von  Joachimsthal),  Gottesgab,  Graupen.    Letzteres,  eine  Meile 
nördlich  von  Teplitz,  war  der  Hauptpunkt  für  Zinngewinnung.    1531  kam  der 
Zinnbergbau  bei  Platten  (Kreis  Eger)  auf,  ebenso  zu  Peringen.   Schönfeld  hatte 
an  Bedeutung  zugenommen  und  war  von  Ferdinand  I.  1547  zur  Bergstadt  er- 
hoben worden.   In  .Vithütten  nordöstlich  von  Beraun  waren  grofse  Eisenwerke 
in  Betrieb.   Cf.  Schmidt,  l.  c.  166,  170,  176,  183  ff..  190  IT.,  201,  214  ff. 

Zu  Kolbnitz  bei  Jauer  fand  schon  Mitte  des  XVI.  Jh.  Bergbau  auf  Blei 
und  Silber  statt.  Besonders  wurde,  wie  auch  schon  früher,  eifrig  auf  Gold 
gebaut.  Freilich  brachten  die  Goldberger  Bergwerke  nicht  mehr  soviel  als 
früher,  auch  die  Löwenberger  und  Bunzlauer  waren  stellenweise  ganz  zum  Er- 


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504 


X.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1550. 


liegen  gekommen.  Weit  mehr  waren  die  Bestrebungen  der  Hirsehberger  von 
Erfolg  begleitet,  die  auf  ihrem  Stadtgut  Grünau  seit  1498  Gold  und  Silber 
förderten.  Besonders  aber  war  es  Reichenstein,  welches  an  Stelle  der  älteren 
Goldbergwerke  emporblühte  (seit  1465^;  1191  wird  Reiehenstein  zur  Bergstadt 
erhoben.  Bei  Altenberg  wurde  Ende  des  XV.  Jh.  und  Anfang  des  folgenden 
gebaut,  ebenso  bei  Ketschdorf  und  Flachenseifen.  Dagegen  ging  der  Goldberg- 
bau bei  Zuckmantel  im  XVI.  Jh.  zurück,  hob  sich  aber  dann  wieder  besonders 
durch  Bischof  Balthasar.  Die  Entstehung  des  Gottesberger  Bergbaues  führt  in 
das  Jahr  1530  zurück.  Von  dem  Silber-  und  Bleibergbau  bei  Beuthen  wird  uns  sehr 
wenig  gemeldet;  er  mufs  aber  Anfang  des  XVI.  Jh.  in  gutem  Betrieb  gewesen 
sein,  dann  liefs  er  nach  und  zog  sich  mehr  in  die  Gegend  von  Tarnowitz.  wo  er 
um  152«  schon  geblüht  hat.  Infolge  der  Schwierigkeiten  der  Wasserbewältigung 
trat  vorübergehend  ein  Rückgang  ein,  doch  1544  sind  daselbst  wieder  13  Hütten 
im  Gange.    Cf.  Steinbeck,  1.  c.  II,  31,  I,  139  ff.,  II,  71  ff.,  107  ff. 

Auch  in  dieser  Periode  hatten  die  Freiberger  Bergwerke  an  Produktion 
nicht  nachgelassen.  Bei  den  Länderteilungen  des  sächsischen  Fürstenhauses 
wurde  Freiberg  auch  stets  als  gemeinsamer  Besitz  angesehen.  Das  Bergwerk 
bei  Marienberg  ist  1519  entdeckt  worden.  Das  damalige  Dorf  Sehleiten  ent- 
wickelte  sich  hierdurch  erst  zur  Stadt.  Der  Ertrag  war  ein  grolser,  besonders 
im  Jahre  1540.  Anfang  des  XV.  Jh.  wurde  bei  Schneeberg  das  Bergwerk  *der 
hohe  Forst«  erschürft,  das  sehr  beträchtlich  war,  aber  durch  die  Hussiten  sehr 
gelitten  hat  und  durch  Wassernot  ganz  in  Verfall  kam.  Das  Zinnbergwerk 
zu  Altenberg  begann  etwa  1458  und  warf  in  den  ersten  Jahren  an  6000  Zentner 
Zinn  ab.  Doch  wurde  im  XVI.  Jh.  der  Abbau  schwierig.  Die  Silberbergwerke 
zu  Schneeberg,  wo  früher  auf  Eisen  gebaut  wurde,  wurden  1471  entdeckt.  Ihr 
Ertrag  überstieg  alle  Erwartungen.  Herzog  Albrecht  und  Kurfürst  Johann  Fried- 
rich konnten  Kirchen  und  Schlösser  bauen  und  die  Kosten  langwieriger  Kriege 
bestreiten.  1479  nahm  die  Produktion  etwas  ab,  um  bald  nachher  wieder  zu 
steigen.  Die  weitere  Entwickelung  s.  bei  Gmelin,  S.  310  ff.  Die  Bergwerke 
bei  Annaberg  sind  gegen  Ende  des  XV.  Jh.  entdeckt  worden ;  sie  kamen  sehr 
schnell  zur  Blüte  und  gaben  zur  Entstehung  der  Stadt  Annaberg  Veranlassung 
(1497 — 1505).  1429  war  das  Scharfenbergische  Werk  von  den  Taboriten  zer- 
stört worden  und  später  nicht  mehr  zu  der  alten  Blüte  gebracht  worden.  Im 
Anfang  des  letzten  Viertels  des  XV.  Jh.  wurden  die  Schneebergischen  Berg- 
werke entdeckt.  Ende  des  XV.  Jh.  hat  der  Silberbergbau  bei  Tschoppau  an- 
gefangen. Auch  das  Bergwerk  bei  Glashütte  (Kupfer,  Eisen)  kam  um  dieselbe 
Zeit  auf.  Zu  Ehrenfriedersdorf  wird  auf  Zinn,  Gold  und  Silber  gebaut,  in 
Wolkenstein  und  Tretbach  auf  Silber,  in  Thum  auf  Zinn.  Jetzt  findet  sieh 
dort  nichts  mehr  (aufser  in  Ehrenfriedersdorf).  In  Chemnitz  und  Umgegend 
hatte  sich  das  Bergwesen  inzwischen  auch  langsam  weiterentwickelt.  Im 
XVI.  Jh.  war  in  Kursachsen  noch  eine  ganze  Reihe  von  Bergwerken  in  Be- 
trieb: Eibenstock  (Zinn),  Jugel,  Fletschmaul,  Laucnstein  (Zinn),  Ölsnitz,  Cotten- 
heide,  Steinheide  (Gold)  u.  a.  m.    Cf.  Gmelin,  S.  276  ff.,  300  ff.,  357. 

Das  Bergwerk  im  Rammeisberg  am  Harz  war  mehrfach  unterbrochen 
gewesen.  Bis  zur  Mitte  des  XV.  Jh.  hatte  es  wieder  einmal  fast  100  Jahre 
stillgestanden.  Um  1419  hatte  es  ein  Edelmann  aus  Prag,  Broda,  in  Gang 
zu  bringen  gesucht.  Seitdem  ist  es  nie  mehr  ganz  unterbrochen  worden. 
Durch  Herzog  Heinrich  den  Jüngeren  kommt  der  Bergbau  im  Oberharz  erst 
recht  eigentlich  in  Aufnahme  (seit  1524).  Die  Bergstadt  Wildemann  wurde 
1529  erbaut  lund  bald  darauf  die  schon  1532  vorhandene  Silberhütte  dasel\*?t. 
Das  Eisenbergwerk  bei  Grund  soll  zu  Anfang  des  XVI.  Jh.  eröffnet  worden 
sein ;  1530  wurde  dort  der  Magdeburger  Stollen  gebaut  und  1543  mehr  Silber 
gewonnen  als  zu  Zellerfeld  und  Wildemann.  Auch  bei  Gittelde  wurde  schon 
damals  Blei  und  noch  mehr  Eisenerze  gewonnen. 

356.  Verkehr.  Das  Verkehrsnetz  hatte  in  der  Zwischenzeit  natur- 
gemäfs  eine  weitere   Ausgestaltung  und   Verbesserung  erfahren.  Die 


356.  Verkehr. 


505 


immer  mehr  zunehmende  Benutzung  der  Landstrafsen  im  Gegensatz  zu 
den  früher  gern  bevorzugten  Wasserstrafsen  hatte  entsprechende  Mafs- 
nahmen  nötig  gemacht,  sowohl  hinsichtlich  der  Sicherheit  der  Strafsen 
als  auch  ihrer  technischen  Verbesserung.  Ein  entschiedener  Aufschwung 
war  erst  möglich,  als  mit  dem  XVI.  Jh.  die  landeshoheitliche  Macht  der 
Fürsten  einen  bedeutsamen  Fortschritt  gemacht  hatte  und  damit  auch 
das  Strafsenwesen  eine  vorteilhafte  Regelung  erfuhr.  —  Soweit  uns  hier 
das  Verkehrswesen  nach  der  geographischen  Seite  interessiert,  so  waren 
die  alten  Strafsenzüge  in  ihrem  Verlauf  und  ihrer  Bedeutung  im  wesent- 
lichen dieselben  geblieben.  Die  zunehmende  Bedeutung  einzelner  Städte 
als  Handels-  und  Mefsplätze  hatte  wohl  zu  einer  Konzentrierung  des 
Verkehrs  auf  einzelne  Punkte  geführt,  während  andere  Orte  wenigstens 
ais  Zwischen-  und  Durchgangsstationen  einen  günstigen  Einflufs  genossen. 
Eine  durchgreifende  Verlegung  der  Verkehrswege  aber  war  bis  zur  Mitte 
des  XVI.  Jh.  jedenfalls  nicht  eingetreten.    Auch  die  weltbewegenden 
Ereignisse,  wie  die  Entdeckung  Amerikas  und  jene  des  Seeweges  nach 
Ostindien,  machten  sich  damals,  trotzdem  schon  ein  halbes  Jahrhundert 
seitdem  vergangen  war,  in  verkehrsgeographischer  Beziehung  noch  nicht 
geltend.    Freilich  suchten  die  oberdeutschen  Kaufleute  dem  sich  vor- 
bereitenden Umschwung  der  Handelskonjunkturen  in  weiser  Voraussicht 
»'ich  anzupassen  und  strebten,  neue  Anknüpfungspunkte  über  Lissabon  zu 
gewinnen,  was  ihnen  allerdings  nur  zum  Teil  gelang.    Aber  der  über 
Venedig  und  die  Alpenpässe  geleitete  Levantehandel  hatte  doch  nicht 
so  schnell  eine  entschiedene  Stockung  erfahren  können. 

Über  das  Verkehrswesen  jener  Zeit  im  allgemeinen  siehe  das  schon  mehr- 
fach genannte  Buch  von  Gatsner  und  die  obengenannte  Literatur;  ferner 
A.  Köberlin,  Der  Obermain  als  Handelsstraße  im  späteren  Mittelalter,  Er- 
langen 1899.    Rübsam,  Zur  Gesch.  d.  Verkehrs  in  Klsafs  und  Lothringen, 
1505—1809,  im  Arch.  f.  Post  u.  Telegr.  21,  537  ff.  •  Heller.  Die  Handelswege 
Inncrdeutschlands  im  XVI.  bis  XVIlL  Jh.  und  ihre  Beziehungen  zu  Leipzig, 
mit  Karte,  Dresden  1884.    Gerbing,  Beiträge  zum  Thüringer  Geleitswesen  im 
XVI.  und  XVII.  Jh.,  Mitt.  Geogr.  Ges.,  Jena  13,  50—02.    Hertel,  Zur  Gesch. 
<ler  Schiffahrt  auf  der  Saale,  Geschbll.  f.  Magdeb.  32  (1897).  Rauprich,  Bres- 
Jaus  Handelslage  im  Ausgange  des  Ma.,  in  Schles.  Ztschr.  26  (1892),  1  —  26. 
F.  Bruns,  Lübecks  Handelsstrafsen  am  Ende  des  Ma.,  Hans.  Geschbll.  1896, 
41—87.    Lau  ff  er,  Danzigs  Schiffahrts-  u.  Warenverkehr  am  Ende  des  XV.  Jh., 
Z.  d.  westpreufs.  Gesch. -Ver.,  Heft  33  (1893). 


XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


357.  Der  Dreißigjährige  Krieg.  Das  Jahr  1650  steht  noch  unter 
dem  unmittelbaren  Eindruck  des  grofsen  Krieges,  der  durch  den  West- 
fälischen Frieden  einen  nominellen  Abschlufs  gefunden  hatte.  Grofse 
Veränderungen  waren  auf  politischem  wie  wirtschaftlichem  Gebiete  vor 
sich  gegangen.    Das  Deutsche  Reich  war  in  seinen  Grundfesten  er- 
schüttert, der  Reichsgedanke  zu  einem  schwankenden  Begriff  geworden 
Weder  war  es  eine  Demokratie,  noch  eine  Monarchie,  noch  auch  nur  ein 
Staatenbund,   sondern  jene  krankhafte  Zwitterbildung  zwischen  allen 
diesen,  welche  Samuel  von  Pufendorf  mit  der  drastischen  Bezeichnung 
eines  »Monstrums  ,   beehrt  hatte.    Die  Zentralgewalt  war  ohnmächtig 
gegenüber  der  Vielheit  von  Territorien,  von  denen  auch  nur  die  gröfseren 
den  Kern  gesunder  staatlicher  Entwicklung  in  sich  trugen.  —  Einen 
empfindlichen  Schlag  hatte  die  materielle  Kultur  durch  den  Krieg  er 
fahren.  Die  Bevölkerung  war  an  Zahl  zurückgegangen,  Deutschland  ein 
menschenarmes  Land  geworden.    Ein  grofser  Teil  der  Acker  war  ver 
wüstet  und  blieb  auch  in  der  folgenden  Zeit  zunächst  noch  unbestellt, 
so  dafs  ein  junger  Wald  auf  ihnen  sich  ansiedeln  konnte.   Überall  fehlte 
es  an  Menschen.    Wie  einzelne  Städte  auch  äufserlich  die  Spuren  de^ 
Krieges  zeigten,  so  war  es  noch  mehr  auf  dem  freien,  schutzlos  ds 
liegenden  Lande  der  Fall.    Ganze  Dorfschaften  hatte  der  Krieg  vom 
Boden  gefegt  und  einen  grofsen  Teil  der  Wüstungen  geschaffen.  Indessen 
sind  viele  der  haarsträubenden  zeitgenössischen  Berichte  (Ibertrieben  und 
von  anderen  in  unzulässiger  Weise  verallgemeinert  worden.  Eine  kritisch-? 
Geschichtschreibung  hat  auch  hier  zwischen  Wahrheit  und  Legende  zu 
scheiden.    Denn  einmal  sind  einige  Landschaften  (z.  B.  die  Österreich* 
schon)  vom  Krieg  direkt  wenig  oder  gar  nicht  berührt  worden  und  dan;i 
haben  auch  nicht  alle  Länder  volle  30  Jahre  hindurch  sich  im  Kriep- 
zustande  befunden. 

Der  Westfälische  Friede  hatte  im  politischen  Bestände  des  Deutscher. 
Reiches  sehr  wesentliche  Veränderungen  gebracht.  Schweden  und  Franzosen 
hatten  den  Fufs  auf  deutschen  Boden  gesetzt,  und  nicht -unbeträchtliche  Geint  te 
wann  ihnen  tatsächlich  eingeräumt  worden.    Schweden  erhielt  hierbei  Vor 


358.  Landgrafschaft  Hessen  Kussel. 


507 


pommern  mit  der  Insel  Rügen,  Teile  von  Hinterpommern  mit  Stettin,  die 
mecklenburgische  Stadt  Wismar  sowie  das  Erzbistum  Bremen  und  das  Bistum 
Verden.   Frankreich  war  ein  gut  Teil  der  westlichen  Grenzlande  als  Beute 
zugefallen.    Die  Bistümer  Metz,  Toul  und  Verdun  waren  schon  unter  König 
Heinrich  II.  1552  dem  Deutschen  Reiche  entrissen  worden  und  wurden  beim 
Kriedensschlufs  Frankreich  endgültig  zugesprochen.    Auch  über  das  Elsafs 
erlangte  es  damals  die  Suprematie.    Freilich  wurden  die  Rechte  der  Reichs- 
stände und  ihre  Reichsfreiheit  aufrechterhalten.    So  blieben  auch   die  zehn 
Reichsstädte  bestehen  und  Frankreich  erhielt  nur  die  Landvogtei  über  sie; 
ferner  die  bisher  Österreich  zugehörige  Landgrafschaft  im  Ober-  und  Unter- 
elsals  nebst  dem  Sundgau,  desgleichen  die  Stadt  Breisach.    Die  ganze  Fassung 
des  betreffenden  Artikels  in  der  Friedensurkunde  ist  aber  so  unklar,  dafs  Frank- 
reich im  Laufe  der  Zeit  sich  die  territoriale  Landeshoheit  im  Elsafs  anmafsen 
konnte.    Vgl.  Erdmannsdörffer  I,  39  ff.  —  Eine  Anzahl  geistlicher  Territorien 
war  durch  den  Frieden  aufgehoben  und  anderen  einverleibt  worden  (die  Bis- 
tümer Minden,  Halberstadt,  Kamin,  Bremen,  Verden,  Magdeburg,  Schwerin, 
Ratzeburg).    Für  die  Pfalz  war  eine  achte  Kurwürde  geschaffen  worden.  Die 
Schweiz  und  die  Niederlande  schieden  aus  dem  deutschen  Rcichskörper 
aus  und  wurden  als  selbständige  Staaten  anerkannt. 

J.  G.  von  Meiern,  Acta  pacis  Westphalicae  publica,  6  Bde.,  Hannover 
1734  — 1736.  —  Severinus  de  Monzambano  (S.  von  Pufendorf),  De 
statu  imperii  Germanici  liber,  1667  u.  öfter.  Hierzu  vgl.  II.  von  Treitschke, 
S.  von  Puf.,  in  Preufs.  Jahrbb.  35,  36.  Jastrow,  Pufendorfs  Lehre  von  der 
Monstrosität  der  Reichsverfassung,  Berlin  1882.  Über  die  Folgen  des  30 jähr. 
Krieges  vgl.  besonders  die  lichtvolle  Darstellung  von  Erdmannsdörffer, 
Deutsche  Gesch.  vom  Westfäl.  Frieden  bis  zum  Regierungsantritt  Friedrich  d. 
Gr.,  Berlin  1892,  I.  Bd.  in  den  ersten  drei  Kapiteln. 

Über  die  wirtschaftlichen  und  sozialen  Folgen  handeln  im  einzelnen: 
Hanser,  Deutschland  nach  dem  Dreifsigj.  Kriege,  Lpz.  1862.  —  vonlnama- 
Sternegg,  Die  volkswirtsehaftl.  Folgen  des  Dreifsigj.  Krieges  für  Deutschland, 
im  Hist.  Taschenb.  1864,  Nr.  866.  —  Heigel,  Deutschland  nach  dem  Dreifsigj. 
Kriege,  in  »Aus  drei  Jahrhunderten«,  Wien  1881.  —  Roscher,  Gesch.  d.  Na- 
tional-Ökonomik  in  Deutschld.,  München  1874,  S.  219  ff.  Für  einzelne  Land- 
schaften liegen  auch  Spezialarbeiten  vor:  Gothein,  Die  oberrheinischen  Lande 
vor  und  nach  dem  Dreifsigj.  Kriege,  Z.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins,  1886.  1  ff.  — 
Kius,  Statist.  Mittlgn.  aus  Thüringen  und  Franken  aus  d.  Dreifsigj.  Kriege,  in 
Hildebrands  Jahrbb.  f.  Nationalök.  XIV,  1  ff.  —  Punt schert,  Kriegsschäden 
in  Retz  und  Umgebung  im  Jahre  1645,  in  Bll.  d.  Ver.  f.  Landeskde.  Nieder- 
österreiehs,  Bd.  14 — 15  u.  a.  m. 

358.  Landfrrafschaft  Hessen-Kassel.  Philipp  der  Grofsmütige  hatto 
sein  Land  seinen  vier  Söhnen  hinterlassen  mit  der  testamentarischen 
Bestimmung,  dafs  sie  das  Land  nicht  teilen  sollten.      Im  Fall  aber,  so 
sie   nicht   beieinander  wohnen  könnten  oder  wollten«,  bestimmte  er, 
welches  Krbteil  ein  jeder  haben  sollte.    Der  älteste  Sohn  Wilhelm  er- 
hielt  die   Hälfte  des  ganzen  Gebietes :    Niederhessen   mit  Cassel,  den 
gröfsten   Teil  von  Ziegenhain  und  halb  Schmalkalden,  Ludwig  den 
vierten  Teil:  Oberhessen  mit  Marburg  und  Giefsen,  die  Grafschaft  Nidda 
und  Herrschaft  Eppstein,  Philipp  ein  Achtel:  die  niedere  Grafschaft 
Katzenelnbogen  mit  Rheinfels  und  St.  Goar,   Georg  gleichfalls  ein 
Achtel:    die  obere  Grafschaft  Katzenelnbogen  mit  Darmstadt.    Für  die 
sieben    Söhne  von    der  Margareta   bestimmte  er  kleinere  Gebietsteile. 
Die  vier  fürstlichen  Brüder  ordneten  ihre  gemeinsamen  Angelegenheiten 
durch   eine  Erbeinung  auf  dem  Tage  zu  Ziegenhain  (28.  Mai  1568).  — 


508 


XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


Da  die  beiden  mittleren  Brüder  1604  bzw.  1583  starben,  ebenso  die 
Söhne  aus  Philipps  Nebenehe  1577  ohne  männliche  Nachkommen  starben 
oder  aufser  Betracht  kamen,  so  fielen  alle  Landgebiete  an  die  beiden 
überlebenden  Brüder  Wilhelm  und  Georg,  die  die  Erbschaften  teilten 
und  so  den  Grund  für  zwei  fortan  sich  selbständig  entwickelnde  Land- 
grafschaften :  Hessen-Darmstadt  und  Hessen-Kassel  legten. 

Der  Anteil  Wilhelms:  Niederhessen  mit  der  Hauptstadt  Kassel  umfalste 
alle  Schlösser,  Städte  und  Ämter  an  der  Diemel,  Fulda,  Schwaliri  und  Werra, 
samt  den  gleichen  bei  Göttingen  und  dem  Anteil  an  Treffurt,  ferner  die  Graf- 
schaft Ziegenhain,  die  Herrschaft  Itter,  Hunech,  Barchfeld  und  die  Ämter 
Friedewald,  den  hessischen  Anteil  an  Hersfeld  und  am  Amt  Landeck,  Heringen 
a.  d.  Werra,  Vach,  den  hessischen  Anteil  und  die  Anwartschaft  von  Schmal- 
kalden und  die  (ierechtigkeit  an  Herrenbreitungen  sowie  eine  Reihe  kleinerer 
Besitzungen.  —  Ludwig  erhielt  Oberhessen  mit  der  Hauptstadt  Marburg  von 
Boreken  und  Frankenberg  an  bis  nach  Grünberg  und  Giefsen,  ferner  die  Graf- 
schaft Nidda,  die  Fuldaische  Mark  zu  Bingenheim,  die  Erbgerechtigkeit  an 
Wetzlar,  die  Pfandschaft  von  Limburg,  Rofsbach  und  Butzbach  in  der  Wetterau, 
Hünfeld,  Rockenstuhl  und  Geisa  im  Hochstift  Fulda,  den  dritten  Teil  des 
waldeckischen  Goldbergwerkes  auf  dem  Eisenberg  sowie  die  Klöster  Wiesenfeld, 
Georgenberg  bei  Frankenberg  und  das  Antoniterhaus  zu  Grünberg.  —  Philipp 
erhielt  Nicder-Katzenelnbogen  am  Rhein,  nämlich  Rheinfels  mit  St.  Goar  und 
dem  Rheinzoll  daselbst,  Neu-Katzenelnbogen,  St.  Goarshausen,  Alt-Katzeneln- 
bogen. Reichenberg,  Hohenstein,  Braubach,  Rens,  Embs  und  den  Wartpfennig 
zu  Boppard.  —  Georg  erhielt  Ober-Katzenelnbogen,  nämlich  Darmstadt,  Küssels- 
heim, Dornberg,  Reinheim,  Lichtenberg,  Zwingenberg  und  Auerbach.  —  Die 
sieben  Söhne  aus  Philipps  Nebenehe  erhielten  Lifsberg,  Bickenbach,  Umstadt, 
Ulrichstein,  Schotten,  Stornfels,  Homburg  v.  d.  Höhe  und  kleinere  Gerecht- 
same. —  Alles  Nähere  bei  Rommel,  Gesch.  v.  Hessen  5,  43—46,  sowie  über  die 
Erbeinung  von  1568  ebenda  76  ff.  mit  Urkunde. 

Philipp  d.  Grofsmütige  f  1567 

Wilhelm  IV.  Ludwig  III.  Philipp  II.  Georg  I 

f  1592  f  1604  f  1583  f  1596 

(Hessen-Cassel)  (Marburg)  (Rhoinfols)  (H.-Daimstadt) 

xi^-w»  K  ißüo  Ludwig  V.  Friedrich 

Monte  f  1632  f  16|6  (U..Hombrg0 


Wilhelm  V.    Hermann      Friedrich  Ernst 
r  1637     ■/..  Rothenbrg.  zu  Eschwego  zu  Rheinfels 

J  Rothenburger  Quart  G?°!$<.\1 

Wilhelm  VI.  *  f  1661  184$ 

f  1663  (Grofsherzogl.     f  +  t 

Linie) 

Als  Philipp  II.  1583  starb,  erhielt  Hessen-Kassel  aus  der  Erbschaft  die 
Ämter  Rheinfels  mit  St.  Goar,  Reichenberg  und  Hohenstein.  Philipps  Sohn 
Moritz  trat  in  den  Wirren  des  30  jährigen  Krieges  die  Regierung  an  seinen  Sohn 
Wilhelm  V.  ab,  der  sich  aber  mit  Reinen  drei  Brüdern  einigen  mufste  und  ihnen 
einen  Teil  des  Landes,  den  sog.  Rothenburg  er  Quart,  überliefs.  Zu  diesem 
gehörte  nach  dem  Vertrage  von  1628:  die  Ämter  Rothenburg,  Sontra,  Ksehwegv 
mit  ^Gericht  Bilstein  und  Germerode,  Wanfried,  Anteil  an  Treffurt,  Ludwig 
stein,  Witzenhausen,  Plesse  und  Neuengleichen.  —  Nach  Beilegung  des  Mar 
burger  Erbschaftsstreites  erhielt  Hessen-Kassel  alles,  aufser  den  wenigen  an 
Darmstadt  fallenden  Teilen  (s.  Hessen  -  Darmstadt,  wo  das  Nähere  über  den 
Streit  angegeben  ist),  nämlich:  die  Ämter  Marburg  mit  Kirchhain,  Rausehen 
berg,  Schönstein,  Wetter,  Frankenberg,  Viermünden,  Wölkersdorf,  Gemünden, 
halbe  Herrschaft  Itter  (über  diese  s.  Hessen-Darmstadt)  und  Hessenstein. 


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369.  Landgrafechaft  HeHsen  Darmstadt.    360.  Grafschaft  Hunau-Milnzcnberg.  50*> 

Nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Schauenburg  (Sehaumburg)  1640 
einigte  sich  He&sen-Cassel  mit  dem  Fürsten  zu  Lippe  und  den  Braunschweig- 
Lüneburger  Herzögen  dahin,  dafs  es  die  Ämter  Schauenburg  mit  Rinteln,  Roden- 
kirchen und  einen  Teil  von  Sachsenhagen  erhielt.  Diese  Exklave  hessischen 
I^andes  besteht  heute  noch. 

Der  Westfälische  Friede  sprach  Hessen-Cassel  noch  die  in  ein  weltliches 
Fürstentum  umgewandelte  Abtei  Hersfeld  zu.  Die  Landgrafen  von  Hessen 
hatten  zu  ihr  seit  dem  XIV.  Jh.  schon  in  Beziehungen  gestanden  und  ihr  ihren 
Schutz  angedeihen  lassen. 

359.  Landgrafschaft  Hessen- Darmstadt.  Georg  I.  wurde  der 
Stifter  einer  neuen  Fürstenlinie,  die  bis  zur  Gegenwart  fortbesteht. 
Seinen  anfangs  recht  kleinen  Anteil  an  der  Hinterlassenschaft  seines 
Vaters  wufsten  er  und  noch  mehr  seine  beiden  Nachfolger  Ludwig  V.  und 
Georg  II.  zu  vermehren,  wenn  es  letzterem  auch  nicht  gelang,  das  1604 
erledigte  Marburger  Land  ganz  für  sich  zu  gewinnen.  Hessen-Darmstadt 
war  ursprünglich  kein  offizieller  Titel,  sondern  ist  erst  zur  Unterschei- 
dung von  Hessen-Kassel  entstanden. 

Die  Erwerbungen  Georgs  I.  waren  :  1572  Kranichstein  und  der  Sensfelder 
Hof  durch  Kauf;  1578  Schlofs  Bickenbach  (jetzt  Alsbacher  Schlots),  die 
Kaplanei  Alsbach  und  ein  Viertel  des  mit  Kurpfalz  gemeinschaftlichen  Umstadt ; 
1583  die  Ämter  Schotten  und  Stornfels,  Homburg  v.  d.  H.  und  die  Anwart- 
schaft auf  ein  Drittel  von  Braubach. 

Ludwig  V.  erwarb  von  dem  Grafen  Heinrich  von  Isenburg  das  Amt 
Kelsterbach  mit  den  Orten  Langen,  Egelsbaoh,  Mörfelden,  Kelsterbach,  Nau- 
heim, Ginsheim  und  dem  Gundhof;  vom  Erzstift  Mainz  den  Mönchsbruch, 
einen  Teil  der  Knoblochsau  und  das  erbachische  Dorf  Langwaden. 

Der  1604  erfolgte  Tod  Ludwigs  IV.  von  Marburg  führte  zu  einer  Teilung 
seines  Landes,  welches  er  übrigens  durch  die  Fuldaer  Mark  mit  Bingenheim, 
Echzell,  Berstadt,  Blofelden,  Dauernheim,  Leidhecken  noch  vermehrt  hatte. 
Das  Schiedsgericht  hatte  den  nördlichen  Teil  mit  Marburg  der  Kasseler  Linie, 
den  südlichen  mit  Giefsen  der  Darmstädter  zugeteilt.  Der  Testator  Ludwigs^IV. 
hatte  testamentarisch  bestimmt,  dafs  seine  dereinstigen  Erben  die  Religion  nicht 
ändern  dürften.  Da  Landgraf  Moritz  jedoch  der  reformierten  Lehre  sich  zu- 
wandte, so  sali  Ludwig  V.  hierin  eine  Verletzung  jener  Bestimmung  und  nahm 
das  ganze  Erbe  für  sich  in  Anspruch.  Es  folgte  der  jahrelange  Marburger 
Erbschaftsstreit,  der  1627  durch  einen  Vergleich  beendigt  werden  sollte,  jedoch 
erst  am  14.  April  1658  endgültig  beigelegt  wurde.  Georg  H.  erhielt  damals  von 
der  Marburger  Erbschaft  das  Amt  Braubach,  das  Kirchspiel  Katzenelnbogen 
und  die  Herrschaft  Eppstein,  ferner  die  Ämter  Königsberg,  Blankenstein  mit 
dein  Breidenbacher  Grund,  Biedenkopf,  Battenberg,  die  Hälfte  der  Herrschaft 
Itter  (die  andere  Hälfte  wurde  1650  von  Hessen-Kassel  gegen  das  Amt  Rosen- 
thal, Wiesenfeld,  Münchhausen  und  einige  Dörfer  eingetauscht),  das  Amt  Giefsen 
mit  dem  Busecker  Tal,  die  Ämter  Allendorf,  Grünberg,  Homberg  a.  d.  Ohm, 
Burg-Gemünden,  Alsfeld,  Grebenau,  Ulrichstein,  Nidda,  Lifsberg,  Bingenheim, 
Butzbach  mit  Philippseck,  Rosbach,  den  hessischen  Anteil  am  Hüttenberg,  so- 
wie die  Gebiete  der  Herren  von  Riedesel.  Sold  an,  Gesch.  des  Grofshzgt.  . 
Hessen,  S.  125  f.,  135  f.,  143,  148  f. 

360.  Grafschaft  Hanau -Mttnzenberg- Lichtenberg.  Das  Hanauer 
Grafengesch  locht  war  seit  dem  XIII.  Jh.  im  Besitz  von  Teilen  der  Herr- 
schaft Münzenberg  und  seit  1481  durch  Erbheirat  auch  im  Besitz  von 
lichtenbergischen  Gebietsteilen  gewesen.  Es  spaltete  sich  damals  in  die 
Münzenbergische  und  Lichtenbergische  Linie.    Die  erstere  starb  1042  aus, 


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510 


XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


so  dafs  nunmehr  der  ganze  Landbesitz  wieder  in  einer  Hand  ver- 
einigt war.  An  Hessen-Kassel  hatten  die  Grafen  verschiedene  Gebiete 
(Kellerei  Naumburg,  Ämter  Schwarzenfels,  Altengronau  und  Branden- 
stein) in  Pfand  gegeben  und  mit  Amalie  Elisabeth  von  Hessen-Kassel 
1643  einen  Vertrag  wegen  der  Erbfolge  im  Hanauer  Lande  geschlossen 
im  Fall  des  Erlöschens  der  männlichen  Nachkommenschaft  (was  1736 
erst  eintrat). 

361.  Grafschaft  Nassau  bestand  noch  unter  den  beiden  Hauptlinien, 
der  Walramschen  und  Ottonischen,  und  deren  Nebenlinien  fort.  (Vergl. 
hierüber  S.  218  f.).  Der  Walramsche  Zweig  war  um  1560  gedreiteilt  (Id- 
steiner, Weilburger  und  Saarbrückener  Linie)  und  jede  Linie  mit  einem 
Landgebiet  ausgestattet.  Durch  Aussterben  von  zwei  dieser  Linien  wurde 
die  ganze  Hausmacht  schliefslich  in  der  Hand  des  Grafen  Ludwig  (Weil- 
burger Linie)  1605  vereinigt,  um  unter  seinen  Söhnen  abermals  gedrei- 
teilt und  bald  darauf  gefünfteilt  zu  werden.  —  Der  Ottonische  Zweig 
bestand  anfangs  noch  als  Dillenburger  und  Beilsteiner  Linie.  Letztere 
starb  1561  aus  ;  doch  gingen  von  den  Söhnen  Johanns  VI.  (t  1606)  fünf 
neue  Linien  aus,  die  eine  Teilung  des  Landes  hervorriefen. 

Die  Alte  Idstein  er  Linie  starb  mit  Johann  Ludwig  1605  aus.  Graf 
Ludwig  der  Nassau-Weilburger  Linie  nahm  das  Land  in  Besitz,  nachdem  er 
sich  mit  den  weiblichen  Nachkommen  jenes  Johann  Ludwig  auseinander- 
gesetzt hatte. 

Die  Weil  burger  Linie,  anfangs  unter  Philipp  IU.  (f  1559).  hatte  sich 
unter  seinen  Höhnen  Albrecht  und  Philipp  IV.  vorübergehend  geteilt;  da  letz- 
terer ohne  männliche  Nachkommen  starb,  war  der  Landbesitz  bald  wieder 
vereinigt.  Beide  Brüder  erbten  1574  bei  dem  Erlöschen  der  Alten  Saar- 
brückener Nebenlinie  deren  ganzen  Nachlafs  an  Land.  Nach  dem  Tode 
Philipps  IV.  1602,  folgten  die  drei  Söhne  seines  Bruders  Albrecht ;  von  diesen 
hatte  nur  der  älteste,  Ludwig  II.  (f  1627),  eine  Nachkommenschaft.  Nachdem 
er  1602  nach  dem  Tode  seiner  Brüder  und  1605,  wie  bemerkt,  durch  Aussterben 
der  Alten  Idsteiner  Linie  alles  Land  in  seiner  Hand  vereinigt  hatte,  teilten  es 
seine  vier  Söhne,  die  (aufser  Otto)  auch  neue  Linien  begründeten:  Wilhelm 
Ludwig  (Neue  Saarbrückener  Linie)  erhielt  die  Grafschaft  Saarbrücken. 
Amt  Ottweiler,  Herbisheim  und  Gemeinschaft  Wellingen;  —  Johann  (Neue 
Idsteinische  Linie)  die  Herrschaften  Idstein  und  Wiesbaden,  Sonnenberg, 
der  Weher  Grund  und  Amt  Burg-Schwalbach ;  —  Ernst  Casimir  (Neue  Weil- 
burgische  Linie)  die  Herrschaften  Weilburg,  Gleiberg  und  Merenberg,  die 
Gemeinschaften  Hüttenberg,  Löhnberg  und  Cleeberg;  —  Otto  (stirbt  schon 
1632)  erhielt  die  Herrschaften  Kirchheim,  Stauf!,  Neu-Weilnau,  Usingen,  da* 
Stockheimer  Gericht  und  die  Gemeinschaft  der  Rheindörfer.  —  Gemein 
schaftlich  blieben  Sarwerden,  Lahr,  Mahlberg,  Bliescastel,  Homburg,  Rosen 
thal,  Rodenkirchen,  Reichelsheim,  Ober-  und  Nieder-Rofsbach,  Alt-Weilnau  u.  a 
Teilungsurkunde  26.  Januar  1629  bei  Lünig,  Reichsarchiv  I,  708  ff.,  Vogei 
Beschreibung  von  Nassau,  S.  345. 

Während  des  30jährigen  Krieges  wurden  die  Länder  der  drei  Brüd»r 
nach  der  Schlacht  von  Nördlingen  konfisziert;  doch  der  Westfälische  Fried- 
setzte sie  wieder  in  deren  Besitz. 

Die  Beiist  einsehe  Linie  starb  1561   aus  und  das  zugehörige  Terri 
torium  fiel  an  Johann  VI.  von  Nassau-Dillenburg. 

Die  Dillenburger  Linie  blühte  unter  Wilhelm  dem  Reichen,  der  15!>7 
bei  Beendigung  des   Kateenelnbogischen  Erbschaftsstreites  von  Hessen  da« 


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361.  Grafschaft  Nassau. 


511 


512 


XL  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


hessische  Viertel  der  Grafschaft  Diez  mit  den  Ämtern  Camberg,  Weilnau, 
Wehrheim,  Ellar,  Driedorf  und  die  Hälfte  von  Hadamar  erhielt.  Von  .seinen 
vier  Söhnen  stiftete  Wilhelm  (von  Oranien),  der  alle  niederlandisch-nassauischen 
Besitzungen  geerbt  und  auf  die  rechtsrheinischen  ganz  verzichtet  hatte,  eine 
eigene  Linie,  die  Oranische.  Sein  Bruder  Johann  VI.  setzte  die  Hauptlinie 
fort,  die  sich  unter  seinen  Söhnen  (1607)  in  fünf  neue  Linien  spaltet:  Wil- 
helm Ludwig  starb  kinderlos  1620.  Sein  Anteil  fällt  an  seinen '  Bruder 
Georg  (Neue  Beilstein-Dittenburger  Linie);  Johann  der  Mittlere  '(Siegener 
Linie);  Ernst  Casimir  (Diezsche  Linie);  Johann  Ludwig  (Hadamarsche 
Linie.) 

362.  Grafschaft  Wied.    Nach  dem  Tode  des  Grafen  Johann  1595 
teilte  sich  das  Grafenhaus  in  die  beiden  Linien  Wied-Runkel  und  Wied- 
Neuwied  und  das  Land  entsprechend  in  die  obere  und  untere  Graf 
schaft. 

363.  Grafschaft  Sayn- Wittgenstein.  Die  Johannsche  Linie  war 
mit  dem  Grafen  Heinrich  1606  erloschen.  Seine  Nichte  Anne-Elisabeth 
war  mit  Wilhelm  III.  (f  1623)  Graf  zu  Sayn-Wittgenstein  (der  Engel- 
bertschen  Linie)  vermählt,  so  dafs  die  Landesteile  alle  vereinigt  waren. 
Wilhelm  war  der  Sohn  des  Grafen  Ludwig  des  Alteren,  der  seine  Besitz 
ungen  unter  seine  drei  Söhne  geteilt  hatte.  So  entstanden  drei  Linien, 
deren  Stifter  Georg:  Linie  Sayn- Wittgenstein-Berleburg,  Wilhelm  HI.: 
Linie  Sayn  -  Wittgenstein  -  Sayn  und  Ludwig:  Linie  Sayn  -  Wittgenstein- 
Hohenstein  waren.  Die  mittlere  Linie  Wilhelms  III. ,  welche  die  Graf 
schaft  Sayn  geerbt  hatte,  war  mit  dessen  Sohn  Ernst  1632  im  Mannes- 
stamme erloschen.  Doch  des  letzteren  Gemahlin  Luise  Juliane  wufste 
es  trotz  der  Wirren  des  30jährigen  Krieges  gegen  die  übrigen  Ange- 
hörigen des  Saynschen  Hauses  durchzusetzen,  dafs  ihren  beiden  Töchtern 
1648  die  Grafschaft  Sayn  zurückgegeben  wurde. 

364.  Grafschaft  Waldeck.  Es  bestanden  um  1550  zwei  Linien :  die 
Altere  Wildunger  Linie,  die  schon  1598  mit  Wilhelm  Ernst  ausstarb, 
und  die  Ältere  Eisenbergische  Linie.    Auch  diese  wieder  war  seit 

gel  eilt  in  zwei :  die  Mittlere  Eisenbergische  Linie  und  Neuere  Landauische 
Linie  (stirbt  1597  aus),  so  dafs  vorübergehend  drei  Linien  nebeneinander 
bestanden.  Da  zwei  von  diesen  aussterben  (1597  und  98),  so  war  das 
Land  ganz  an  die  Mittlere  Eisenberger  Linie  gefallen,  die  sich  inzwischen 
1588  abermals  geteilt  hatte  in  die  Neue  Wildunger  und  Neue  Eisen- 
berger Linie.  Die  Namen  der  Linien  sind  nach  den  Residenzen  ihrer 
Stifter  gewählt  worden.  Die  Waldecker  Grafschaft  erfuhr  eine  erhebliche 
Vergröfserung  durch  die  Erbschaft  der  Grafschaft  Pyrmont  1625. 

Über  die  Regulierung  der  nordwestlichen  Grenze  gegen  Cölnisches  Gebiet  s 
Wigand,  im  Archiv  f.  Gesch.  u.  Altert,  Westfal.  II,  129.  Curtze,  L  c.  7  f.  —  Di» 
Grafschaft  Pyrmont  hatte  unter  den  Grafen  von  Spiegelberg  gestanden.  als 
diese  1557  ausstarben,  bis  auf  zwei  Töchter:  Ursula,  ctie  Gemahlin  des  Grafen 
Hermann  Simon  von  Lippe,  und  Walburg,  Gemahlin  des  Grafen  Georg  von 
Gleichen.  Bis  1583  war  Pyrmont  in  der  Hand  des  Lippeschen  Hauses,  da.nii 
riel  es  an  die  Gleichen,  deren  letzter,  Hans  Ludwig,  ohne  Aussicht  auf  Leibe? 
erben,  die  Grafschaft  noch  bei  Lebzeiten,  lf>25,  an  die  Grafen  Christian  un«l 
Wolrad  IV.  von  Waldeck  abtrat. 


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* 


365.  Grafschaft  Lippe.    366.  Grafschaft  Schaumburg- Lippo.  513 
Henrich  VI.  1397  f 



Adolf  f  1431  Henrich  VII.  f  1444 

Ältere  Landau.  Linie  Neuere  Waldeck.  Linie 


;  Philipp  II.  f  1487  Heinrich  VIII.  f  1513 

Otto  IV   1495  ;ut  Eisenberg.  Linie  Alt,  Wüdung.  Linie 


t  t  t 


~*  Wilh.  Ernst  159S 


Wolrad  H.  f  1578  Johann  f  1567         f  f  f 

Mittl.  Eisenberg.  Neuere  Landau. 

Linie  Linie 


Franz  HI. 


Christian  1638  Wolrad  IV.  f  1640        f  1597 
Neuere  Wüdung.  Neuere  Eisenberg.         f  t  t 

Linie  Linie 
jetzt  noch  regier.  Georg  Friedr.  1692 

t  f  t 

365.  Grafschaft  Lippe  hatte  unter  der   kraftvollen  Regierung 

Simons  VI.  (1563—1613)  gestanden.  Mit  Bezugnahme  auf  testamentarische 

Bestimmungen  des  Vaters  hatten  seine  vier  Söhne  sich  1616  über  die 

Form  der  Regierung  geeinigt.    Nach  dem  Tode  des  einen  der  Söhne 

wurde  1621  eine  neue  Vereinbarung  getroffen  und  Teilung  des  Landes  in 

3  Abschnitte  vorgenommen:  Lippe  mit  Detmold,  Brake  und  Bückeburg. 

Bei  der  erstmaligen  Teilung  hatte  Simon  VII.  Lippe  mit  Detmold  erhalten, 
Otto  H.  (f  1659):  Brake,  Hermann  IV.  (f  162<y) :  Sternberg  und  Philipp  II. 
(f  1681):  Alverdissen  und  Lipperode.  Nach  dem  bald  erfolgten  Tode  Hermanns 
erhielt  Simon  VH.  zu  seiner  Grafschaft  Lippe  noch  Sternberg,  während 
Otto  U.  auf  Brake,  Blomberg  und  Barntrup  beschränkt  blieb  und  Philipp  II. 
nur  Alverdissen  und  Lipperode  behielt,  aber  sein  Gebiet  durch  Erbschaft  sehr 
bald  bedeutend  erweiterte  (s.  unter  Schaumburg). 

366.  Grafschaft  Schaumburg-Lippe.  Unter  dem  tatkräftigen  Grafen 
Otto  IV.,  der  1531 — 1537  Bischof  von  Hildesheim  gewesen  war  und 
später  ein  eifriger  Protestant  wurde,  hatte  die  Reformation  Eingang 
gefunden,  leider  nicht  ohne  wirtschaftliche  Schädigungen,  wie  sie  Kriege 
und  Truppendurchzüge  mit  sich  brachten.  Sein  Sohn,  der  nicht  minder 
rührige  Ernst  III.,  hatte  beim  Kaiser  Ferdinand  II.  die  Verleihung  der 
Fürstenwürde  nachgesucht;  doch  da  er  im  Titel  als  Graf  zu  Holstein 
aufgeführt  sein  wollte  (vgl.  S.  445),  so  führte  dies  zu  kriegerischen  Ver- 
wickelungen, in  denen  er  den  kürzeren  zog.  Der  Dreifsigjährige  Krieg 
brachte  neue  Leiden  über  das  Land.  Währenddessen  starb  1640  Otto  VII., 
der  letzte  Graf  des  Schauenburgischen  Hauses.  Sein  Land  ging  (aller- 
dings unter  Abtretung  einiger  Teile  an  Hessen  und  Braunschweig)  an 
einen  Verwandten,  Philipp  II.  von  Lippe,  über,  der  von  seinem  väter- 
lichen Erbteil  nur  Alverdissen  und  Lipperode  besafs.    Er  wurdo  der 

Stammvater  der  neuen  Linie  Schaumburg-Lippe. 

Otto  IV.  hatte  mit  Erich  dem  Jüngeren  von  Braunschweig  1573  einen 
Vertrag  geschlossen,  nach  welchem  dieser  ihm  das  Amt  Lauenau  zu  Lehen 
gab,  wogegen  Otto  jenem  die  Ämter  Bokeloh  und  Mesmerode  zu  Lehen  über- 
liefs.  Dafür  sollten  die  Stadt  Oldendorf,  die  Vogtei  Lachem  und  Fischbeck 
als  ehemalige  Wunstorfsehe  Pfandschaften  nicht  von  Braunschweig  eingezogen 
werden.    Piderit,  I.  c.  109  f. 

Kretschmer.  Historische  <;cographio. 


> 


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514 


XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


Ernst  III.  starb  Hi22  ohne  Kinder;  die  Regierung  ging  auf  die  Nachfolger 
seines  Onkels  Jobst  (Justus)  II.  (f  1581)  über,  der  Gehmen  als  Apanage  besafc 
und  sein  Besitztum  durch  Ankauf  der  Herrschaft  Bergen  in  Nordholland  ver 
gröfsert  hatte. 

Jobst  I.  1527—1533 


Otto  IV.  1533-1576  Jobst  II.  f  1581 

   >  ,  Snaon  VI. 


Adolf  XII.  Ernst  III.       Heinrich  III.  Georg 
(1576-1601)  1601-1622  f  1593  Hermann 


Gern  :  Meta      f  1616 

SifiÄ       Gem.  Elisa"  Philipp  II. 

beth  v.  Lippe  von  Lippe 


Bronkhorst 

J  o  b  s  t  II  e  r  • 
mann 


Otto  VII. 


1622-1635  1635-1640 

Nach  dem  kinderlosen  Tode  Ottos  VII.  suchte  seine  Mutter  Elisabeth. 
Tochter  Simons  VI.  von  Lippe,  die  (Grafschaft  zu  retten  gegen  die  Ansprüche 
Hessens  und  des  Bistums  Minden     Verloren  ging  zunächst  die  Herrschaft 
Gehmen  im  Münsterland  an  den  Grafen  von  Limburg-Bronkhorst.  Herrn  zu 
Stimm,  dessen  Tochter  Meta  Heinrich  III.  geheiratet  hatte.    Die  Herrschaft 
Bergen  wurde  1641  wiederverkauft,  die  holsteinsche  Grafschaft  Pinneberg, 
die  nach  der  Verzichtleistung  1460  (vgl.  S.  536)  den  Schaumburgera  noch  ver- 
blieben war,  an  Christian  IV.  von  Dänemark  durch  Kauf  abgetreten.  —  Im  Jährt 
1643  übertrug  Elisabeth  die  Grafschaft  Schaumburg  ihrem  Bruder  Philipp  II.,  Gra 
fen  zur  Lippe,  Herrn  von  Alverdissen.  Doch  in  dem  nachfolgenden  Prozefs  sprach 
der  Reiehshofrat  1645  den  Besitz  des  Landes  dem  Bistum  Minden  zu,  aus- 
schliefslich  natürlich  jener  drei  östlichen  Ämter  (Rodenberg,  Hagenburg  und 
Arensburg),  die  nach  Vertrag  von  1518  an  Hessen  (Landgräfin  Amalie  Eli 
sabeth)    —    und   der  Ämter  Lauenau   und  Mesmerode  mit  Borkeloh,  die 
laut  Vereinbarung  von  1573  (s.  oben)  an  Braunschweig- Lüneburg  fallen 
sollten.  Philipp  IL,  der  mit  Sophie,  Tochter  des  Landgrafen  Moritz  von  Hessen. 
(1644)  vermählt  war,   suchte  daher  Anschlufs  und  Schutz  bei  der  vielver- 
mögenden Amalie  Elisabeth,  die  ihm  die  vier  von  Minden  beanspruchten  Ämter 
wieder  verschaffen  sollte,  wogegen  er  zu  einer  Teilung  der  Grafschaft  mit 
Hessen  erbötig  sei.    Ein  Vergleich  stellte  1647  che  Teilungsobjekte  fest.  Auch 
mit  Christian  von  Braunschweig- Lüneburg  setzte  sich  Amalie  friedlich  ausein 
ander;  sie  entsagte  1647  den  Ämtern  Lauenau,  Mesmerode  und  Bokeloh,  den 
Ansprüchen  auf  Dorf  Hübsedc  (südl.  von  Lauenau,),  das  Dachtelfeld  und  klei 
nere  Lehen  sowie  11  Dörfer  der  ehemals  wunstorfsehen  Vogteien  Fisehl>eek 
und  Lachen ;  der  Rest  (speziell  das  Gebiet  südlich  des  Süntel)  fiel  an  Hessen 

Der  Westfälische  Friede  bestimmte  endgültig  folgende  Teilung  :  Graf  Philipp 
erhielt  Schlofs  und  Amt  Bücke  bürg  Schlote  und  Amt  Stadt  ha  gen,  Hau;-. 
Flecken  und  Amt  Hagen  bürg.  Haus  und  Amt  Arensburg  nebst  dem 
anderen  Teil  des  Amtes  Sachsenhagen  (ohne  gleichnamigen  Ort)  und  du 
Städte  Bückeburg,  Stadthagen,  Hagenburg  und  Flecken  Steinhude.  —  An 
Hessen  fielen  die  Ämter  Schaumburg  und  Rodenberg,  die  Städte  Rinteln,  Olden 
dorf,  Obernkirchen  und  Rodenberg,  ein  Teil  des  Amtes  Sachsenhagen  mit  den 
Ort  und  die  Dörfer  Auhagen  und  Düdinghausen  sowie  drei  Waldungen.  — 
Über  die  Geschichte  der  Teilung  bringt  alles  Nähere  Piderit,  Gesch.  von 
Schaumbg.,  1831,  S.  132—150. 

• 

367.  Welfenlandc.  Das  Land  war  um  1550  in  der  Hand  von 
fünf  Linien  des  Weifenhauses  (S.  446):  Wolfenbüttel,  Calenberg,  Lünt 
bürg,  Harburg  und  Grubenhagen.  Sie  starben  im  Laufe  eines  Jahr 
hunderte  sämtlich  bis  auf  die  Lüne'burgcr  aus.    Ernst  von  Lüneburg 


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367.  Weifenlande. 


51  f> 


hinterliefs  1546  mehrere  Söhne,  von  denen  Heinrich  und  Wilhelm  nach 
anfangs  gemeinschaftlicher  Regierung  1569  das  Land  in  zwei  sehr  un- 
gleiche Teile  schieden;  sie  waren  die  Stifter  zweier  fortan  allein  noch 
bestehender  Weifenlinien,  jener  der  Dannonberger  (herzoglichen),  dieser 
«ler  Lüneburg-Celleschen  (später  königlichen)  Linie.  Die  Gebiete  der 
übrigen  nach  und  nach  aussterbenden  Häuser  wurden  diesen  beiden 
allerdings  nicht  ohne  langjährige  Erbstreitigkeiton  angeschlossen. 


Calenberg 

Erich  L  1540 
I 

Krich  n.  1584 
tt  t 


Dannenbg. 


Grubenhagen 

Albrecht  UI.  1486 
I 

Philipp  L  1551 

Philipp  TL  1596 

t  t  t 


Lüneburg-Celle 

ErnHt  f  1546 


Wolfcnbüttel 

Heinrich  d.  Jüng. 
f  1568 

Julius  1589 

Heinr.  Julius  1613 

I 

Friedr.  Ulrich  1634 

t  t  t 

Lüneburg 


Harburg 

Otto  I.  1549 

Otto  II.  1603 
I 

Wilhelm  1642 

t  t  t 


Heinr.  1598 
I 

August  d.  Jung. 
1666 
Dannenbg.- 
Wolfenb. 


Wilhelm  1592 


Ernst  II.     Christian   August  d  Alt.    Friedrich  Georg 
1611  1633  1636  164S  1641 

Lünebg.-Celle  Calenberg 


L  Calenberg- Göttin  gen  hatte  zu  seinem  bisherigen  Bestände  nur 
noch  (mit  Wolfenbüttel  gemeinschaftlich)  die  obere  Grafschaft  Hoya  mit  den 
Ämtern  Stolzenau,  Steierberg,  Ehrenburg,  Syke,  Siedenburg.  Diepenau  und 
Barenburg  nach  dem  Aussterben  der  Grafen  1583  erhalten.  Nach  dem  Tode 
Erichs  II.  (1584)  fiel  sein  Land  an  Herzog  Julius  von  Wolfenbüttel  und  schlief? 
lieh  an  Lüneburg  (s.  u.). 

2.  Grubenhagen.  1596  starb  mit  Philipp  die  Linie  Grubenhagen  aus, 
und  der  Wolfenbütteler  Herzog  (Heinrieh  Julius)  nahm  es  sogleich  in  Besitz, 
mufste  es  aber  1617  an  die  Lüneburger  wieder  abtreten.  Hävern.,  2,  494.  Max, 
Gesch.  v.  Grbhgn.,  1,  395  ff.,  406  ff. 

3.  Wolf enbüttel.    Unter  Herzog  Julius  fiel  Calenberg  an  diese  Linie 
s.  o.),  unter  Heinrieh  Julius  vorübergehend  (bis  1617)  Grubenhagen.  Nach 

•lern  Aussterben  der  Grafen  von  Honstein  1593  fällt  ihnen  deren  Gebiet  mit 
Scharzfeld,  Lauterberg,  Lohra  und  Clettenberg  zu.  Hierüber  Hävern.  2,  423  f. 
Als  1599  der  letzte  Graf  von  Reinstein  (Regenstein)  gestorben  war,  erwarb 
Heinrich  Julius  auch  dessen  Land  mit  den  Schlössern  und  Gebieten  von  Blanken- 
burg, Reinstein  und  Heimenburg.  Hävern.,  2,  427.  Das  Hildesheimer  »Grofse 
Stift«  wurde  jedoch  Friedrich  Ulrich  infolge  des  Restitutionsediktes  1629  wieder 
•ntrissen.    Hävern.,  2,  602. 

4.  Harburg.    Die  Linie  starb  1642  aus,  nachdem  sie  in  der  Teilung 
von  1635  (s.  unter  5)  noch  eine  Gebietsvergröfserung  erfahren  hatte. 

5.  Lüneburg.  Die  Teilung  von  1569  zwischen  den  Söhnen  Emsts  des 
Bekenners  bestimmte,  dafs  Heinrich  mit  einem  verbal  tnismäfsig  kleinen  Anteil  : 
Sehlofs,  Stadt  und  Amt  Dannenberg  und  Kloster  Scharnebeck  abgefunden 
wurden  während  Wilhelm  ganz  Lüneburg  erhielt.  Heinrich  vergröfserte  zwar 
meinen  Besitz  1592  durch  die  Ämter  Hitzacker,  Luclu  '  und  Warpke.  Sehr 
viel  bedeutender  waren  aber  die  Erwerbungen  WillieM  der  1583  die  untere 
Grafschaft  Hoya  erwarb,  bestehend  aus  Sehlofs  und  /ant  Hoya,  Stadt  und 
Amt  Nienburg,  Liebenau,  Alt-  und  Neubruclihau«en ;  ferner,  nach  dem  Aus- 
sterben der  Grafen  von  Diepholz  1585,  auch  deren  Gebiet  aufser  Wagenfeld 

33* 


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516  XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 

und  Sehlofs  Auburg.  Hävern.,  2,  481.  Nieberding,  Gesch.  d.  Niederstifts  Münster. 
I,  CHI.  —  Nach  Wilhelms  Tode  folgten  nacheinander  seine  Söhne  Ernsi  IL 
—  dann  Christian,  durch  welchen  das  von  Wolfenbüttel  in  Besitz  genommene 
Grubenhagen  1614  an  Lüneburg  kam,  —  schliefslieh  August  der  Ältere.  Zu 
seiner  Zeit  starb  1637  das  Haus  Wolfenbüttel  mit  Friedrich  Ulrich  aus,  und 
sein  Land  wurde  Zankapfel  zwischen  den  drei  Lüneburger  Häusern.    Uni  eine 
Einmischung  des  Kaisers  zu  verhindern,  einigte  man  sich  am  14.  Dez.  1635.  Der 
Teilungsrezefs  legte  den  Grund  für  die  in  der  Folge  sich  entwickelnden  Staaten 
Braunschweig  und  Hannover:  1.  Die  Harburger  Linie  erklärte  sich  mit 
der  Grafschaft  Hoya  wolfenbüttelschen  Teiles  und  der  Grafschaft  Reinstein- 
Blankenburg  zufrieden ;  2.  die  Dannenberger  Linie  erhielt  Wolfenbütte] 
(nach  Form  und  Umfang)  etwa  das  heutige  Herzogtum  Braunschweig) ;   3.  die 
Lüneburg- Celler  Linie  erwarb  Calenberg  -  Göttingen  und  die  Homburg 
Eversteinschen  Besitzungen  (nämlich  Ärtzen,  Hämelschenburg,  Gronde,  Boden 
werder,  Lauenstein,  Hallerburg,  Wallensen,  halb  Everstein  mit  der  Pfandschaf: 
an  Hameln),  welche,  1433  an  Hildesheim  verpfändet,  sich  trotz  Protestes  der 
Lüneburger  in  den  Händen  der  Wolfenbütteler  befunden  hatten.  —  Die  Hoch 
schule  zu  Helmstedt  blieb  gemeinschaftlich;  desgleichen  die  Bergwerke  des 
Harzes,  die  Forsten  von  Zellerfeld,  der  Rammeisberg,  das  Salzwerk  zu  Julius 
hall  und  das  Hüttenwerk  zu  Gittelde,  die  Städte  Zellerfeld,  Wildemann ,  Gruna 
und  Lautenthal.    Von  diesem  sog.  Kommunionharz  fielen  3/7  ^  Lüneburg 
2/7  an  Wolfenbüttel  und  2/7  an  Harburg.    Da  1642  Harburg  (s.  u.)  ausstarb 
wurde  deren  Anteil  unter  die  beiden  überlebenden  Linien  geteilt.  Dagegen 
blieb  der  südwestliche,  grubenhagensche,  sog.  einseitige  Oberharz  ausschliefe 
lieh  Lüneburger  Besitz.    Hävern.,  2,  706  f.   Schaumann  228—233.  Heinemann 
3,  89.    Urk.  bei  Ribbentrop,  Sammlung  von  Landtagsabsehieden  II,  86.  —  E? 
sei  sogleich  hier  bemerkt,  dafs  späterhin  in  dem  Teilungsrezefs  von  1788  die 
Besiteverhältnisse  dahin  geregelt  wurden,  dafs  Hannover  *f7,  d.  h.  im  wesent 
liehen  die  sieben  hannoverschen  Bergstädte  (KJausthal,  Zellerfeld,  Andreasbeiv 
Lautenthal,  Altenau,  Grund,  Wildemann)  mit  den  Bergwerken,  erhielt,  Braun 
schweig  aber  wertvollem  Waldbestand.    Der  Unterharz,  d.  h.  der  Ram 

melsberg,  Juliushall  mit  Bergwerk  und  Hütten,  blieb  als  Kommunion-Unterhun 
beiden  Linien  gemeinsam.    Heinem.,  3,  303. 

Eine  allerdings  auch  nur  vorübergehende  Änderung  in  der  Verteilung 
der  Welfenlande  trat  1636  ein,  indem  die  Lüneburger  Brüder  August,  Friedrieb 
und  Georg:  Calenberg-Güttingen  und  Grubenhagen  als  selbständigst. 
Staat  mit  der  Hauptstadt  Hannover  absonderten  und  jenem  Georg  überliefsen, 
der  allein  verheiratet  war  und  eine  Nachkommenschaft  aufwies.  —  Als  164- 
die  Harburger  Linie  ausstarb,  erhielt  Lüneburg  nur  die  Ämter  Harburg  und 
Moisburg  zurück,  während  der  Anteil  an  Hoya  (s.  o.),  ferner  Reinstein  und 
Blankenburg  vorenthalten  wurde.  —  Die  Unbilden  des  30jährigen  Krieges 
welche  Niedersachsen  besonders  heimgesucht  hatten,  veranlafsten  die  des  Krieg« 
überdrüssigen  weltischen  Herzöge,  nach  gemeinsamer  Übereinkunft  mit  dem 
Kaiser  Frieden  zu  schliefsen.  Der  voreilig  geschlossene  Frieden  von  Goslar 
bestimmte,  dafs  die  Herzöge  auf  das  »grofse  Stift  Hildesheim*  endgültig  ver- 
zichten mufsten  mit  Ausnahme  der  Häuser  Lutter  am  Barenberg,  Coldingen. 
Westerhof  und  Dachtmissen.  Das  Stift  mit  18  Ämtern  fiel  an  Kurfürst  Fer 
dinand  von  Cöln,  «1er  auf  Everstein  und  Homburg  verzichtete.  —  Hävern..  2, 
378;  cf.  2,  602.    Heinem.  3,  99. 

Der  nachfolgende  Westfälische  Frieden  ergab  daher  für  die  Weifen 
so  gut  wie  nichts,  als  wenig  bedeutende  Zusagen  (alternierende  Besetzung  des 
Osnabrücker  Bischofstuhles  mit  einem  braunschweigischen  Prinzen)  und  die 
Erwerbung  des  kleinen  Stiftes  Walkenried  mit  dem  zugehörigen  Hofe  Schauen 
als  freies  Reichslehen.  1648  war  mit  Friedrich  der  letzte  der  Söhne  Wilhelms 
des  Jüngeren  gestorben,  und  nach  einem  Hausgesetze  (Georgs  von  1641;  Retli- 
raeyers  Chronik,  S.  1653'  wurde  es  an  Friedrichs  Neffen  aufgeteilt.  Es  waren 
somit  die  Wellenländer  um  1650  auf  drei  Herzogtümer  beschränkt:  Braun 


368.  Bistum  Münster.    371.  Bistum  Hildesheim.  517 

schweig  Lüne  bürg  mit  der  Residenzstadt  Celle  (unter  Christian  Ludwig), 
Braunschweig- Culenberg  mit  Hannover  (unter  Georg  Wilhelm)  und  Braun- 
schweig-Wolfenbüttel  mit  Wolfenbüttel  als  Residenz  (unter  August). 

368.  Bistum  Münster  hatte  bis  auf  den  Verlust  von  Wildeshausen 
keinerlei  erhebliche  Veränderungen  erfahren. 

Bis  1634  war  Wildeshausen  mit  Zubehör  münstcriseh,  als  es  durch  schwe- 
dische Gewalt  an  das  Erzstift  Bremen  wieder  zurückgegeben  wurde.  Durch 
den  Frieden  von  1648  wurde  nach  Aufhebung  des  Erzstiftes  das  Land  von 
den  »Schweden  an  Gustav  von  Wasaburg,  den  natürlichen  Sohn  Gustav  Adolfs 
zu  Lehen  gegeben. 

869.  Bistum  Osnabrück,  durch  den  Krieg  oft  heimgesucht,  hatte 
sich  in  seinem  Territorialbestande  nicht  verändert.  Der  Friede,  der  in 
der  Hauptstadt  des  Bistums  geschlossen  wurde,  bestimmte,  dafs  der  da- 
malige Bischof  Franz  Wilhelm  im  Besitze  des  Bistums  zeitlebens  bleiben, 
nach  seinem  Tode  aber  ein  evangelischer  Administrator  des  Hauses 
ßraunschweig-Lüneburg  mit  einem  katholischen  alternieren  sollte. 

Cf.  von  Meiern,  Westfälische  Friedenshandlungen,  VI,  S.  397  ff. 

370.  Bistnm  Paderborn.  Die  Bischöfe  hatten  sich  mit  den  benach- 
barten Dynasten  mehrfach  auseinanderzusetzen  gehabt. 

Bischof  Salentin  (1574—77)  hatte  die  Burg  Beverungen  a.  d.  Weser  wieder 
eingelöst,  wie  auch  das  Sehlofs  in  Salzkotten.  Er  wirkte  auch  auf  eine  Bei- 
legung des  Streites  mit  Cöln  wegen  Erwitte  und  Westernkotten  hin.  Die  Uni- 
versität Freiburg  als  Schiedsrichterin  bestimmte:  Das  Halsgerieht  und  Be- 
steuerungsrecht bleibt  bei  Cöln,  alles  übrige,  was  die  einfache  Jurisdiktion  nicht 
übersteigt,  bei  Paderborn.  Cf.  Besse n,  Bist,  Päd.  II,  71  f.  —  Unter  Bischof 
Heinrich  wurde  1597  ein  Vergleich  über  die  Grafschaft  Schwalenberg  ge- 
schlossen, worin  betreffs  des  paderbornischen  Viertels  alles  genau  bestimmt 
wurde,  was  bisher  unbestimmt  war.    Bessen  II,  88. 

Bischof  Theodor  traf  1597  mit  dem  Landgrafen  von  Hessen  einen  Ver- 
gleich, nach  welchem  Stadt  und  Kloster  Helmarshausen  und  der  Krukenberg 
dem  Landgrafen  als  männliches  Erblehnen  bleiben  und  mit  deren  Erlöschen 
an  Paderborn  zurückfallen  sollen.  Dagegen  kamen  die  Herrschaften  Schönen- 
berg, Festung  Trennelburg,  Schlofs  und  Stadt  Liebenau  und  der  Reinhards 
wald  erblich  an  den  Landgrafen,  der  deshalb  auf  Calenberg,  Schwalenberg, 
Altenburg  und  Beverungen  verzichtete.  Es  wurde  damals  die  neue  Grenze 
zwischen  Hessen-Kassel  und  dem  Bistum  Paderborn  so  bestimmt,  wie  sie  noch 
jetzt  besteht.    Bessen  II,  99. 

371.  Bistum  Hildesheim.  In  das  nunmehrige  *  Kleine  Stift«  hatte 
die  Reformation  unter  Schwierigkeiten  Eingang  gefunden,  die  seit  1576 
die  Jesuiten  im  Verein  mit  den  dem  bayerischen  Hause  entstammenden 
Bischöfen  (Ernst  II.  1573—1612;  Ferdinand  1613— 1650)  bereiteten.  Der 
grofse  Krieg  hatte  das  Land  und  nicht  zum  wenigsten  die  Stadt  Hildes- 
heim furchtbar  heimgesucht,  aber  er  hatte  zur  Restitution  des  Grofsen 
♦Stiftes  geführt.  Am  9.  April  1643  wurde  der  Rezefs  darüber  unter- 
zeichnet. 

Den  weifischen  Herzögen  verblieben  die  Ämter  Coldingen ,  Lutter  am 
Harenberg,  Westerhof  und  das  Haus  Dachtmissen,  ebenso  die  everstein  -  hom- 
burgischen Ortschaften ,  während  der  Bischof  seinen  Machtbereich  über  das 
(irofse  Stift,  wie  es  vor  1523  bestanden  hatte,  aufser  den  genannten  Stücken 


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518  XL  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 

wieder  ausdehnen  konnte.  Wachsmuth,  Gesch.  v.  Hild.,  S.  187.  Have 
mann,  Gesch.  Braunsen w.-Lüneb.  II,  738.    Vgl.  auch  S.  516. 

872.  Stadt  Bremen.  Das  Landgebiet  hatte  in  dieser  Zeit  kein*- 
erhebliche  Vergrößerung  erfahren.  Nur  im  Jahre  1595  hatte  der  Rat 
vom  Junker  Claus  von  der  Lith  den  halben  Anteil  am  Gericht  BorgfeM 
(an  der  Wümme)  gekauft.  —  Auch  der  Westfälische  Frieden  hatte  kein»- 
Gebietsveränderung  gebracht.  Die  von  der  Stadt  vorher  schon  mehr 
fach  erstrebte  Erhebung  zur  freien  Reichsstadt  war  ihr  durch  kaiser 
liches  Privileg  vom  1.  Juni  1646  zwar  bestätigt  worden,  doch  wollte 
Schweden  die  Reiehsunmittelbarkeit  nicht  zugestehen,  und  erst  sehr  viel 
später  (1731)  erlangte  sie  die  Anerkennung. 

van  Bipptn  II,  232,  396  u.  Urk.,  S.  404.    Buchenau,  S.  282. 

373.  Grafschaft  Oldenburg.     Nach   dem  Tode  Antons  I.  (1573t 

wurde  das  Land  abermals  in  Grafschaft  Oldenburg  (Johann  XVI.)  und 

Delmenhorst  (Anton  II.)  geteilt.   Doch  da  des  letzteren  Sohn  1647  ohne 

männliche  Erben  starb,  so  wurde  Delmenhorst  wieder  mit  Olden 

bürg  vereinigt  und  ist  es  bis  auf  den  heutigen  Tag  geblieben.  —  Im 

Jeverlande  war  mit  Maria  die  letzte  aus  dem  Gesehleehte  der  Papinga 

ins  Grab  gesunken;  sie  hatte  ihren  Vetter  Johann  XVI.  als  Erben  ein 

gesetzt,  der  sofort  auch  die  Erbschaft  antrat,  die  ihm  gegen  die  Ein 

sprüche  der  ostfriesischen  Grafen  1588  und   1591  durch  das  Reichs 

kammergericht  zugesichert  wurde.  — ■  Das  gleiche  gilt  von  der  Herr 

schaft  Kniphausen,  die  Johann  1592  durch  Prozefs  erhielt;  doch  er-t 

1623  unter  Anton  Günther  wurde  der  Graf  von  Oldenburg  in  den  Besitz 

der  Herrschaft  gesetzt. 

Durch  die  endgültige  Vereinigung  von  Oldenburg  und  Dehnenborst  h- 
wie  die  Besitznahme  des  Jeverlandes  mit  Kniphausen  hatte  die  oldenbur 
gische  Herrschaft  die  Ausdehnung  des  jetzigen  Grolaherzog- 
tums  excl.  der  südlichen  Hälfte  (Wildeshausen  und  Münsterland)  erreicht. 
(Iber  die  angeführten  Einzelheiten  vgl.  Kohli,  1.  c.  I,  29.    Bös«-,  1.  c.  39ö. 
464.  Arends,  Ostfriesland  u.  Jever  II,  287. 

374.  Grafschaft  Hoya.  Mit  dem  Grafen  Otto  starb  1588  das  Ge 
schlecht  der  hoyasehen  Grafen  aus,  und  das  Land  kam  an  die  drei 
Weifenlinien  Calenberg,  Wolfenbüttel  und  Celle.  Die  beiden  ersteren 
erhielten  die  Amter  der  oberen  Grafschaft :  Stolzenau,  Ehrenburg,  Sycke. 
Steyerberg,  Siedenburg,  Diepenau  und  Barenburg;  Celle  die  Ämter  der 
unteren  Grafschaft:  Hoya,  Nienburg,  Liebenau,  Alt-  und  Neubruehhauseu 
Da  1584  die  Calenberger  und  1034  die  Wolfenbütteler  Linie  ausstarben 
so  fiel  alles  an  Celle.  —  Die  Ämter  Uchte  und  Freudenberg  waren  1583 
an  Hessen-Kassel  (s.  d.)  gefallen. 

375.  Herrschaft  Diepholz.  Das  Herrengeschlecht  war  1585  er- 
loschen. Herzog  Wilhelm  von  Celle  nahm  damals  Besitz  von  dem  Lan<l^ 
auf  Grund  eines  Vertrages  und  der  Anwartschaftserklärung  von  1517 
und  1550. 

376.  Orafschaft  Bentheim.  Durch  Heiraten  Everwins  III.  (1553 
bis  1502)  und  seines  Sohnes  Arnold  IV.  (1502  bis  1(500)  war  die  Graf- 


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377.  Grafschaft  Tecklenburg.    378.  Grafschaft  Lingen. 


519 


schaft  mit  anderen  Ländergebieten  vereinigt  worden,  die  jedoch  unter 
die  fünf  Söhne  Arnolds  wieder  verteilt  und  getrennt  wurden. 

Aus  Arnolds  IL  (f  1553)  Ehe  mit  Maria  stammten  Everwin  III.  und 
Arnold  III.,  von  denen  jener  Bentheim,  dieser  Steinfurt  erhielt.  Da  Arnold 
1561  starb,  wurden  beide  Länder  wieder  vereinigt.  Everwin  hatte  die  Tccklen- 
burger  Gräfin  Anna  geheiratet,  weshalb  nach  dem  Tode  ihres  Vaters  1566  auch 
dessen  Land  Tecklenburg  an  Bentheim  fiel.  Möller,  1.  c.  288.  von  Raet 
von  Bögelskamp,  1.  c.  II,  2.  Beider  Sohn,  Arnold  IV.  (1562—1606),  heiratete 
1573  die  Gräfin  Magdalena  von  Neuenar  und  Limburg,  durch  welche  ihm  die- 
Herrschaften  Bodenburg,  Alpen  und  Helfenstein  zufielen  und,  als  ihr  Vetter,  Graf 
Adolf,  starb,  auch  noch  die  Grafschaft  Limburg,  Herrschaft  Lennep  und  die 
Erbvogtei  über  Stadt  und  Erzstift  Köln.  Möller,  S.  291.  Diesen  ausge- 
dehnten Länderbesitz  teilten  1610  Arnolds  Söhne,  und  zwar  erhielt:  1.  Graf 
Adolf  die  Grafschaft  Tecklenburg  mit  Rheda ;  2.  Arnold  Jobst :  Bentheim ; 
3.  Wilhelm  Heinrich:  Steinfurt,  Erbvogtei  Cöln  und  Bodenburg;  4.  Konrad 
•  Jumprecht:  Limburg;  5.  Friedrich  Ludwig:  Herrschaft  Alpen. 

Durch  den  Tod  Wilhelm  Heinrichs,  1632,  fielen  Steinfurt  und  Bodenburg 
über  wieder  an  Bentheim,  desgleichen  die  Herrschaft  Alpen  durch  Friedrieh 
Ludwigs  Tod  1629,  während  Limburg  1618  an  Tecklenburg  kam.  Cf.  Ess ei- 
len, Grafschaft  Teckl.,  S.  174.    Möller,  S.  304,  329. 

Der  Bentheimer  Landbesitz  wurde  nach  Arnold  Jobsts  Tode  (1613)  unter 
seine  Söhne  geteilt.  Ernst  Wilhelm  erhielt  Bentheim  und  wurde  Stifter  der 
Linie  Bentheim-Bentheim  und  Philipp  Konrad  erhielt  Steinfurt  als  Stifter 
der  Linie  Bentheim-Steinfurt. 

377.  Grafschaft  Tecklenburg.  Wie  soeben  bemerkt,  war  bei  der 
Teilung  der  Territorien  des  Grafen  Arnold  III.  von  Bentheim  die  Graf- 
schaft Tecklenburg  mit  der  Grafschaft  Rheda  an  den  ältesten  Sohn 
Adolf  gefallen.  Bei  dem  Tode  eines  der  jüngeren  Brüder  fiel  1618  auch 
noch  Limburg  an  Adolf.  —  Während  des  grofsen  Krieges  hatte  auch 
diese  Grafschaft  viel  zu  leiden.  Jedoch  fand  beim  Friedensschlufs  eine 
Vereinigung  mit  Lingen  nicht  statt. 

378.  Grafschaft  Lingen  war  von  Karl  V.  in  Besitz  genommen 
und  der  Oberstatthalterschaft  der  Niederlande  eingeordnet  worden,  bis 
sie  1578  an  die  üranier  kam.  Das  Ländchen,  welches  in  eine  Ober- 
und  Niedergrafschaft  zerfiel,  hatte  zur  Zeit  des  Aufstandes  der  Nieder- 
lande durch  Brandschatzungen  seitens  der  Spanier,  aber  auch  der  Hol- 
länder viel  zu  leiden. 

Die  ehemals  im  Tecklenburger  Gebiet  eingeschlossene  Grafschaft  zerfiel 
in  zwei  voneinander  getrennte  Teil«',  indem  das  bei  Tecklenburg  verbliebene 
Dorf  Schale  (24  km  südöstlich  von  Lingen)  die  Trennung  bildete.  —  Der  süd- 
östlich von  diesem  etwas  höher  gelegene  Teil,  die  Obergrafschaft,  umfafste 
die  fünf  Kirchspiele:  Brochterbeck,  Ibbenbüren,  Mettingen,  Kecke  und  Hal- 
verde. Die  Niedergrafschaft  lag  nordwestlich ,  zum  Teil  in  der  Enis- 
niederung,  und  umfafste  zwölf  Kirchspiele:  Baccum,  Bawinkel,  Beesten,  Bramsche, 
Freren,  Lengerieh,  Lingen,  Messingen,  Plantlünne,  Schapen,  Spelle  und  Thuine. 
Cf.  J.  C.  Möller,  Gesch.  d.  vormal.  Grafschaft  Lingen,  1874,  S.  1  f.,  141  f. 
—  Nach  dem  Tode  des  Grafen  Max  von  Büren  verkaufte  seine  Tochter  Anna 
die  Grafschaft  an  ihren  Gemahl  W  ilhelm  L  von  Nassau-Oranien ;  ihr  Vormund 
verkaufte  Lingen  aber  an  Karl  V.  Nach  dem  Rücktritt  Karls  V.  kamen  die 
Niederlande  und' mit  ihnen  die  Grafschaft  Lingen  an  seinen  Sohn  Philipp  IL, 
der  die  Oberstatthalterschaft,  die  1531 — 1555  in  der  Hand  der  Maria,  verwitweten 
Königin  von  Ungarn,  gelegen,  im  Jahre  1559  an  Margarete.  Herzogin  von  Parma. 


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520  XI.  Politische  Geographie  um  dos  Jahr  1650. 

verlieh.  1578  willigte  er  in  die  Übertragung  der  Grafschaft  Lingen  an  Wilhelm 
von  Oranien.  Im  Besitz  der  Oranier  war  sie  bis  1702.  mit  Ausnahme  der  Jahre 
1605—1632,  wo  sie  wieder  in  spanischer  Hand  war.  Cf.  Möller,  1.  c.  159  f.. 
162,  165. 

879.  Grafschaft  Ostfriesland.    Unter  Enno  III.  (f  1625)  wurde 
das  Harlingerland  für  immer  mit  Ostfriesland  verbunden. 

Das  Harlingerland  (Esens,  Stedesdorf  und  Wittmund)  war  im  Besitz  der 
Gräfin  Onna  von  Rietberg  (S.  454).  Ihre  Enkelinnen  Armgard  und  Walburg 
erbten  später  das  Gebiet,  jene  die  Grafschaft  Rietberg,  Walburg  das  Harlinger- 
land. Letztere  heiratete  Enno  in.  1 151*9 — 1625)  im  Jahre  1581  und  envarl» 
so  das  lang  ersehnte  Gebiet  und,  da  seine  Schwägerin  Armgard  bald  stark 
auch  Rietberg.  Da  Walburg  und  ihr  Söhnehen  (10  Tage  alt)  1586  starben  und 
nur  zwei  Töchter  noch  zurückblieben,  so  schien  die  Hoffnung  auf  den  dauern- 
den Besitz  von  Harlingerland  vereitelt,  da  dieses  ein  Frauenlehen  (von  Geldern) 
war  und  somit  auf  die  Töchter  überging.  Indessen  die  älteste  Tochter  Sabina 
Katharina  heiratete  ihren  Oheim  Johann  (Bruder  Ennos),  mufste  dafür  aber  mit 
ihrer  Schwester  gegen  entsprechende  Entschädigungen  das  Harlingerland  an 
ihren  Vater  endgültig  abtreten.  Cf.  Klopp,  Gesch.  Ostfrieslands  II,  25.  124 
Perizonius,  Gesch.  Ost  fr.  II,  204. 

380.  Moderlande.  Karl  V.  hat  die  siebzehn  niederländischen  Pro- 
vinzen zu  einer  staatsrechtlichen  Einheit  verbunden;  sie  bildeten  den 
burgundischen  Kreis.  Nach  Karls  Abdankung  kamen  diese  Länder  an 
die  spanische  Linie  des  Hauses  Habsburg.  Es  fällt  unter  ihre  Herrschaft 
die  bewegteste  Zeit  der  niederländischen  Geschichte.  Die  Unzufrieden- 
heit mit  dem  spanischen  Regiment  führte  zu  jener  allgemeinen  Erhebung, 
die  als  Endergebnis  eine  Teilung  des  Landes  zur  Folge  hatte.  Die 
sieben  nördlichen  Provinzen  Geldern,  Holland,  Zeeland,  Utrecht,  Fries- 
land, Overijssol  und  Groningen  hatten  es  in  dem  blutigen  Befreiungs 
kämpfe  vermocht,  sich  zu  einer  Republik  der  vereinigten  Nieder- 
lande zusammenzuschliefsen,  während  die  südlichen  Provinzen  Brabant, 
Flandern,  Hennegau,  Namur,  Limburg  und  Lützelburg  als  Spanische 
Niederlande  fortbestanden.  Der  Westfälische  Frieden  erkannte  die 
Selbständigkeit  der  niederländischen  Republik  und  ihre  Loslösung  vom 
deutschen  Reichskörper  an. 

381.  Grafschaften  Blankenheim  und  Gerolstein  waren  als  Lehen 

des  Herzogtums  Jülich  im  Besitz  der  Grafen  von  Manderscheid,  die 

seit  1488  und  1Ö24  in  vier  Zweige  gespalten  waren  und  das  Land  unter 

sich  aufgeteilt  hatten. 

Die  Blanken  he  im  er  Linie  besafs  als  reichsunmittelbar  die  Grafschaft 
Blankenheim,  Herrschaft  Jünkerath.  Anteil  an  Herrschaft  Mechernich  sowie  als 
landsässig  Herrschaft  Erp  (unter  Cohn  und  Anteil  an  Monzel  und  Osann 
(unter  Trier).  —  Die  Gerolsteincr  Linie  besafs  als  reichsunmittelbar  die 
Grafschaft  Gerolstein,  als  landsässig  Anteil  an  Monzel  und  Osann  und  Herr 
Schaft  Bettingen  (unter  Luxemburg).  Diese  Linie  erlosch  1697.  —  Die  Schlei- 
dener Linie  besafs  als  reichsunmittelbar  die  Herrschaften  Kasselburg  und 
Kerpen.  Manderscheid,  Schleiden  und  Kronenburg,  seit  1545  die  Grafschaft 
Virneburg  und  Herrschaft  Saffenburg,  als  landsässig  Herrschaft  Neuerburg 
(unter  Luxemburg).  Teil  am  Hof  Hamel  und  seit  1586  Herrschaft  Malberg. 
Diese  Linie  starb  1503  aus.  Linie  Kail  besafs  Dorf  Salm,  Vogtei  Luxem 
und  seit  1527  die  Herrschaft  Dollendorf  in  der  Eifel,  als  landsässig  die  Herr 


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382.  Kurpfalz. 


521 


Schäften  Oberkail  und 
Falkenstein  (unter 
Luxemburg) ,  Hoch- 
gericht Demerath  und 
Zenterei  Musweiler. 
DieLinie  erlosch  1742. 
—  W.  Fabricius,  Er- 
läuteren, zum  gesell. 
Atlas  d.  Rheinprov. 
II.  347  f. 

m.  Karpfalz. 

Mit  Otto  Heinrich 
war  1559  die  alte 
Kurlinie  ausgestor- 
ben und  die  Kur- 
würde fiel  an  Fried- 
rich III.  aus  der  Li- 
nie Pfalz-Simmern, 
bei  der  sie  bis  zum 

Erlöschen  1685 
blieb.    Die  Kurfür- 
sten waren  während 
des  XVI.  Jh.  ganz 
mit  der  reformato- 
rischen Bewegung 
in    Anspruch  ge- 
nommen ;  eine  we- 
sentliche Änderung 
des  Territorialbe- 
standes trat  anfangs 
nicht    ein.  Beim 
Schlufs  des  grofsen 
Krieges   hatte  die 
Pfalz  aber  den  Ver- 
lust der  ganzen 
Oberpfalz    zu  be- 
klagen, während  die 
rheinischen  Besit- 
zungen wie  vor  1618 
ihr  vollständig  er- 
halten blieben,  mit 
Ausnahme  der  Am- 
ter  an    der  Berg- 
strafse ,  die  Mainz 
1463  an  Friedrich  I. 
verpfändet  hatte. 
Die  Oberpfalz  und 
mit  ihr   die  Kur- 


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522  XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 

würde  fiel  an  Baiern,  während  für  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  eine  acht«1 
Kur  geschaffen  wurde. 

888.  Pfalz-Simmern  und  Pfalz-Zwcibrttcken.  Als  Friedrich  III 
zur  Kurwürde  gelangte,  überliefs  er  das  väterliche  Erbe,  Pfalz-Simmern. 
seinem  Bruder  Georg.  Die  appanagierten  Pfalzgrafen  des  Simmernschen 
Hauses  starben  erst  1673  aus,  wo  ihr  Erbteil  an  Kurpfalz  zunickfiel.  — 
In  Pfalz-Zweibrücken  residierte  um  1550  Wolfgang,  der  seinem  Vor 
munde  (bis  1543)  und  Oheim  Ruprecht  die  Grafschaften  Veldenz  und 
Lauterecken  überlassen  hatte.  (Ruprechts  Linie  bestand  bis  1689 1 
Wolfgangs  Gebiet  erfuhr  eine  Vergröfserung  durch  die  Gebiete  von 
Neuburg  und  Sulzbach,  die  ihm  Kurfürst  Otto  Heinrich  freiwillig  abtrat. 
An  ihn  und  seine  Söhne  knüpft  sich  die  ganze  weitere  Entwiekelum: 
des  pfälzischen  Hauses,  welches  mit  Baiern  sehliefslich  vereinigt  wer- 
den sollte. 

Einen  bedeutenden  Landerwerb  erzielte  die  Linie  Pfalz-Neuburi: 
aus  dem  Jülich-Cleveschen  Erbschaftsstreit  (s.  unten  Brandenburg  und 
S.  251),  nach  dessen  Beilegung  1614  ihr  die  Herzogtümer  Jülich  und 
Berg  zufielen. 

Die  Teilungen  des  zweibrückischen  Landbesitzes  führten  zu  vielfacher  Zer 
splitterung  an  die  Nebenlinien.  Zur  Orientierung  diene  folgendes:  Unter 
\Volfgangs  Söhne  waren  die  Lande  geteilt  worden. 

Drei  von  diesen  gründen  neue  Linien,  die  längere  Zeit  bestandeo. 
Philipp  Ludwig  f  1614)  erhielt  Neuburg,  Johann  I.  (t  1604):  Zweibrücken. 
Otto  Heinrieh  (f  1604):  Sulzbach,  Friedrieh  (f  1597)  :  Vohenstraufs  und  Karl 
(f  KJOO):  Birkenfeld.  Ott«  Heinrieh  und  Friedrieh  starben  ohne  männlich»- 
Nachkommen,  und  ihr  Erbteil  fällt  an  den  Kurfürsten  Philipp  Ludwig.  Aufser 
dafs  die  Neuburgische  Linie  durch  diesen  Besitz  bereichert  wurde,  hatte 
Philipp  Ludwig  durch  seine  Gattin  Anna  von  Cleve  auch  einen  Anspruch  auf 
Jülieh-Cleve-Berg  erworben  und  wurde  hierdurch  mit  in  den  Erbscliaftsstreit 
verwickelt.  Der  Vertrag  zu  Xanten  10.  November  1614  sprach  Jülich  und 
Berg  dem  Kurfürsten  von  Pfalz-Neuburg  zu.  Unter  den  Söhnen  Philipp 
Ludwigs  fand  eine  nochmalige  Teilung  statt.  Wolfgang  Wilhelm  führte  nie 
Hauptlinie  fort  mit  dem  Besitz  von  Neuburg,  zu  welchem  nach  dem  Tode  de? 
jüngsten  Bruders  Johann  Friedrich  noch  Hippolyt  ein,  Heideck,  Allersberg 
und  Gizzin  hinzukamen.  Der  zweite  Sohn,  Pfalzgraf  August,  erhielt  Sulzbach 
—  Die  Z w ei brüe keusche  Linie  teilte  sich  nach  dem  Tode  Johanns  1604 
in  drei  Linien:  Zweibrücken,  Landsberg  und  Kleeburg.  —  Die 
Birke nfelds che  Linie  unter  Karl  (f  1600)  erfuhr  eine  Teilung  in  Birken- 
feld  und  Bise  Ii  w  ei ler. 

384.  Wild-  und  Kheimrrafsehatt.  Von  der  Nachkommenschaft 
Johanns  VI.  (f  1499)  waren  zwei  Linien  hervorgegangen,  die  Dhaunsche 
(Philipp)  und  Kirburger  Linie  (Johann  VII.).  Vgl.  Tabelle  S.  257.  Die 
Dhaunsehe  hatte  sich  unter  den  Enkeln  Philipps  in  drei  weitere  gespalten, 
«lie  das  Land  1574  entsprechend  teilten:  die  Linie  Salm  (Stifter:  Friedrich 
f  1608),  welche  den  lothringischen  Teil  der  Rheingrafschaft  (Grafschaften 
Salm  und  Langenstein,  Grafschaft  Dillec  mit  den  Baronien  Vinstingen. 
den  Herrschaften  Ogewiller,  Bayon  und  Neufwiller)  besafs;  ferner  die 
Linie  Grumbach  (Stifter:  Johann  Christoph  f  1585)  mit  den  Herr- 
schaften Grumbach  und  Rheingrafenstein  und  die  Linie  Dhaun 
(Stifter:  Adolf  Heinrich  f  1606). 


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385.  Erzbistum  Main«.  386.  Grafschaft  Inningen.  387.  Markgrfsch.  Baden.  523 

In  der  anderen  Hauptlinie,  der  Kirburger,  war  schon  unter  den 
Söhnen  Johanns  VII.  (t  1531)  eine  Teilung  eingetreten  in  die  Linie 
Merchingen  (Johann  VIII.  f  1548)  und  Kirburg  (Thomas  f  1553).  Da 
letzterer  ohne  männliche  Nachkommen  war,  so  fiel  Kirburg  an  die  erste 
Linie  zurück.  Diese  Mörchinger  Linie  teilt  sich  unter  den  Enkeln  jenes 
Johann  VIII.  abermals  in  drei  Linien,  die  nacheinander  ausstarben: 
Linie  Tronecken  (starb  schon  mit  ihrem  Stifter  1637  aus),  Linie  Kirburg 
(tff  1681)  und  Linie  Merchingen  (ftf  1688).  Die  Teilung  des  Landes 
unter  diese  drei  Linien  hatte  1607  stattgefunden. 

Während  des  Dreißigjährigen  Krieges  waren  die  Rheingrafen  aus  den  väter- 
lichen Besitzungen  und  Residenzen  vertrieben  worden,  kehrten  aber  nach  dem 
Friedenssehlufs  wieder  zurück.  -  Schneider,  Gesch.  d.  Wild-  u.  Rheingräfl. 
Hauses,  8.  145,  149,  201,  215.  Fabricius,  Erläuterungen  zum  geschieht!. 
Atlas  der  Rheinprovinz,  S.  46G  mit  Tabelle. 

885.  Erzbistum  Mainz  hatte  das  1428  an  Hanau  verpfändete  Orb 
und  Wirtheim  im  Spessart  1565  wieder  eingelöst.  Wichtiger  war  die 
Erwerbung,  welche  es  1581  machte  mit  den  eppensteinischen  und  könig- 
steinischen  Reichslehen  am  Taunus.  Da  ferner  1632  das  Lehen  der 
Herren  von  Hirschhorn  durch  Aussterben  des  Hauses  erledigt  war,  so 
zog  es  Mainz  damals  ein. 

Der  Mannesstainm  der  Eppcnsteiner  war  1535  erloschen.  Ein  Schwester- 
sohn des  Herrn,  Graf  Ludwig  von  Stolberg,  folgte;  doeli  auch  er  und  sein 
Bruder  starben  ohne  Nachfolger.  Darauf  ergriff  Mainz,  welches  schon  1575 
sich  dessen  versichert  hatte,  Besitz  von  Königstein  mit  Zubehör  und  behauptete 
sich  in  demselben  trotz  des  Rechtsstreites  mit  anderen  Stol bergischen  Anver- 
wandten.   Vogel,  Beschr.  v.  Nassau,  S.  238  f. 

386.  Grafschaft  Leiningen  stand  noch  immer  unter  den  beiden 
Linien,  der  Friedrichschen  und  der  (fottfriedschen.  Die  Friedrichsche 
(Leiningen- Westerburg),  die  im  Besitz  der  landgräflichen  Würde  war, 
war  in  die  (S.  461)  genannten  drei  Nebenlinien  gespalten,  die  1557  eine 
Erb  Vereinigung  eingegangen  waren.  Die  Gottfriedsche  (Leiningen-Dags- 
burg-Hartenburg)  war  in  zwei  Sonderlinien  gespalten:  Lein'mgen-Harten- 
burg  und  Leiningen-Falkenburg  (Ileidesheim). 

Ober  die  Erbgrundteilung  von  1557  unter  den  drei  Söhnen  Kunos  11., 
vgl.  Brinckmier,  Gesch.  d.  Hauses  Leiningen,  1800.  I,  143  f. 

$87.  Markgrafschaft  Baden.  Seit  dem  Jahre  153:1  war  die  Dynastie 
und  ebenso  das  zugehörige  Territorium  in  Baden-Baden  und  Baden- 
Durlach  geteilt.  Im  Hause  Baden  Baden  war  unter  Bernhards  III. 
Söhnen  eine  Teilung  eingetreten,  die  indessen  nur  bis  1588  bestanden 
hatte.  Sehen  wir  von  den  Wechselfällen  ab,  denen  Baden-Baden  unter- 
lag (zeitweilig,  1581  —  1600,  hatte  es  Ernst  Friedrich  von  Baden-Durlach 
mit  Beschlag  belegt),  so  waren  keine  erheblichen  territorialen  Verände- 
rungen eingetreten. 

Im  Hause  Baden-Durlach  war  auf  Markgraf  Ernst  sein  Sohn  Karl  II. 
(1553 — 1577)  gefolgt,  unter  dessen  drei  Söhnen  eine  Teilung  des  Landes 
erfolgte.     Doch  war  1604  wieder  alles  in  der  Hand  Georg  Friedrichs 


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524  XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 

vereinigt.  Die  Wirren  des  Dreifsigjährigen  Krieges  suchten  das  Land 
heim.  Friedrich  V.  verlor  es  auch  zeitweise,  doch  bringt  der  Westfälische 
Friede  es  wieder  in  seinen  Besitz. 

Die  Ämter  Stein  und  Remchingen  waren  1629  als  Pfand  von  Baden 
Durlach  an  Baden -Baden  gekommen.  Deich  fielen  sie  beim  Westfälischen 
Frieden  an  Baden  Durlaeh  wieder  zurück.  —  Ernst  Friedrich  von  Baden-Dur 
lueh  hatte  1595  die  Ämter  Besigheim,  Mundelsheim,  Löchgau,  Hessigheim  und 
Walheim  an  Wirtemberg  verkauft,  aufserdem  1603  die  Ämter  Altensteig  und 
Liebenzell  gegen  Malsch,  Langensteinbach,  Rhodt  und  einige  Orte  des  Klosters 
Herrenalb  mit  Wirtemberg  ausgetauscht. 

388.  Herzogtum  Wirteinberg.  Nach  Herzog  Ulrichs  Tode  (1550j 
führte  sein  Sohn  Christoph  (1550 — 1568)  die  Regierung.  Er  trat  an 
seinen  Onkel  Georg  die  linksrheinischen  Lande  mit  Mömpelgard  ah.  Da 
mit  Christophs  Sohn  Ludwig  die  Hauptlinie  1 593  erlosch,  so  wurde  der 
gesamte  Landbesitz  in  der  Hand  Friedrichs  von  Mömpelgard  (Georgs 
Sohn)  wieder  vereinigt.  Indessen  fand  unter  Friedrichs  Söhnen  wieder 
eine  Dreiteilung  statt  (1017),  bei  der  Johann  Friedrich  die  Hauptlande 
behielt,  Ludwig  Friedrich  aber  Mömpelgard  und  die  burgundischen  Herr- 
schaften bekam  und  Julius  Friedrich :  Weiltingen  und  Brenz.  —  Unter 
Eberhard  III.  (1628—1674)  wütete  der  grofse  Krieg  im  Lande.  Da  er 
auf  schwedischer  Seite  stand,  mufste  er  schliefslich  ins  Exil  wandern, 
doch  setzt  ihn  der  Westfälische  Friede  wieder  in  den  Besitz  seiner  Lande. 

Über  den  Ankauf  Herzog  Friedrichs  von  mehreren  Ämtern  und  (tütern 
vom  Markgrafen  von  Baden  siehe  vorher  unter  Baden.  —  Der  Sohn  jenes  Julius 
Friedrich,  Sylvius  Nimrod,  hatte  die  Erbtochter  des  letzten  Podiebrad,  Herzogs 
von  Öls,  geheiratet.  Nach  dessen  Tode  1647  fiel  Öls  an  die  Brenzer  Linie  (siehe 
unter  Schlesien)  und  blieb  ihr  bis  zu  ihrem  Erlöschen  1762. 

389.  Grafschaft  Hohenzollern.  Graf  Karl  I.  hatte  die  Herrschaften 
Haigerloch  und  Wöhrstein  sowie  Sigmaringen  und  Vöhringen  (Veringeu) 
als  Lehen  von  Österreich  erworben,  sowie  durch  Heirat  mit  Anna  von 
Borselen  mehrere  Güter  in  den  Niederlanden.  Unter  seinen  Söhnen 
trat  die  Teilung  in  zwei  Linien:  Hohenzollern  Hechingen  (Eitel  Friedrich  III. 
und  Hohenzollern-Sigmaringen  (Karl  II.)  ein.  Beide  wurden  162.3  zu 
Reichsfürsten  erhoben.  Wahrend  aber  das  Gebiet  des  ersteren  reichs 
unmittelbar  wurde  mit  unumschränkter  Landeshoheit,  blieben  Haigerloch. 
Vöhringen  und  Wöhrstein  österreichische  Lehen. 

390.  Grafschaft  Löwenstein-Wertheim.  Die  Grafen  von  Wertheini 
waron  in  männlicher  Linie  1556  mit  (traf  Michael  III.  ausgestorben 
Die  würzburgischen  Lehen  gingen  damals  auf  das  Haus  Stolberg  über, 
und  zwar  auf  die  Witwe  Katharina  Gräfin  von  Stolberg  Königstein,  die 
das  Erbrecht  aber  ihrem  Vater  Ludwig  von  Stolberg  überliefs.  Er  nahm 
auch  seine  ältesten  Töchter  in  die  Lehensgemeinschaft  mit  auf,  nicht 
jedoch  die  jüngste,  Anna,  die  an  Ludwig  III.  Grafen  von  Löwenstein 
vermählt  war.  Da  die  älteren  Töchter  ohne  Nachkommenschaft  starben, 
so  zog  das  Bistum  Würzburg  seine  Lehen  (die  Amter  Freudenberg, 
Schwanenberg,  Laudenbach  und  Anteil  an  Remlingen)  ein,  und  erst  nach 
längeren  Zwistigkeiten  gelang  es  den  Löwensteinern,  seit  dem  Anfang 


391.  Kurfürstentum  Baiern.    393.  Land  der  Eidgenossen. 


525' 


des  XVII.  Jh.,  in  den  ruhigen  Besitz  der  Grafschaft  Wertheini  zu  ge- 
langen. Ihre  eigene  Grafschaft  stand  schon  seit  langer  Zeit  unter 
wirtem bergischer  Landeshoheit.  Ludwig  III.  nannte  sich  seit  1600  Graf 
von  Löwenstein-Wertheiin.  Zwischen  seinen  Söhnen  Christian  Ludwig 
und  Johann  Dietrich  fand  eine  Teilung  des  Besitzes  statt;  sie  sind  die 
Stammväter  zweier  noch  blühender  Linien :  Löwenstein-Wertheim- Virne- 
burg (letzteres  in  der  Eifel  wurde  1803  gegen  Amt  Frendenberg  ausge- 
tauscht) und  Löwenstein-Wertheim-Rochefort  (in  der  belgischen  Provinz 
Namur  wurde  1803  gegen  Amt  Rothenfels  in  Unterfranken  ausgetauscht). 

891.  Kurfürstentum  Baiern.  Unter  Albrecht  V.  war  die  Reichs- 
grafschaft Haag  in  Oberbaiern  1566  an  das  Herzogtum  gefallen,  als 
Graf  Ladislaus  als  letzter  gestorben  war.  Auch  die  Herrschaft  Hohen- 
schwangau wurde  1575  eingezogen,  nachdem  sie  längere  Zeit  in  der 
Hand  der  Herren  von  Frundsberg  gewesen  war.  Einen  glänzenden 
Aufschwung  erfuhr  Baiern  unter  Maximilian  I.  dem  Grofsen  (1597—1651), 
trotzdem  der  Krieg  auch  seinem  Lande  übel  mitgespielt  hatte.  Aber 
für  seine  dem  Kaiser  geleisteten  Dienste  erhielt  er  1623  die  Kurwürde, 
deren  Friedrich  V.  von  der  Pfalz  verlustig  gegangen  war  (für  dessen 
Sohn  Karl  Ludwig  1652  eine  achte  Kur  als  Ersatz  geschaffen  wurde). 
Der  Westfälische  Friede  bestätigte  ihn  in  derselben,  wie  ihm  damals  auch 
die  Oberpfalz  mit  der  Grafschaft  Cham  zugesprochen  wurde. 

Weitere  Erwerbungen  Maximilians  waren  die  Reichsstadt  Donauwörth 
(1007),  an  der  er  die  Reiehsacht  zu  vollziehen  hatte;  ferner  die  Herrschaft 
Min delhe im  (1617),  die  vorher  in  verschiedenen  Händen  gewesen  war  (Teck, 
Rechberg,  Frundsberg,  Herzog  von  Marlborough).  Auch  die  Grafschaft 
Leuchtenberg  fiel  1646  an  das  Kurfürstentum.  Der  letzte  Graf  Maximilian 
Adam  hatte  sie  an  Herzog  Albrecht  in  Baiern  vererbt,  und  dieser  trat  sie  seinem 
Bruder  Maximilian  I.  ab. 

392.  Fürstentümer  Ansbach  und  Baireuth.  Albrecht  Alcibiades 
war  infolge  seiner  Beteiligung  am  Sehmalkaldisehen  Krieg  seines  Fürsten- 
tums Baireuth-Kulmbach  verlustig  gegangen  und  1557  in  der  Verban- 
nung gestorben  (s.  Tab.  S.  474).  Dagegen  hatte  Georg  Friedrich,  der 
Sohn  Georgs  des  Frommen,  Ansbach  weiter  behauptet  und  war  durch 
den  Wiener  Vertrag  auch  in  den  Besitz  des  Baireuther  Fürstentums 
gekommen.  Da  vorauszusehen  war,  dafs  er  kinderlos  sterben  würde, 
so  bestimmte  der  Geraer  Hausvertrag  (1598),  dafs  die  fränkischen  Fürsten- 
tümer an  die  kurfürstliche  Linie  in  der  Mark  fallen  und  an  zwei  Mit- 
glieder des  Hauses  übergehen  sollten.  Es  waren  dies  zwei  Söhne  Johann 
Georgs  aus  seiner  dritten  Ehe:  Christian,  der  Baireuth  erhielt,  und 
Joachim  Ernst,  dem  Ansbach  zufiel.  Beide  stifteten  neue  Linien,  die 
bis  in  die  zweite  Hälfte  des  XVI IL  Jh.  hinein  die  beiden  Fürstentümer 
getrennt  hielten. 

Georg  Friedrich  hatte  1577  auch  die  Administration  des  Herzogtums 
Preufsen  übernommen  (s.  d.).  Wegen  der  schlesischen  Fürstentümer  siehe 
unter  Schlesien. 

393.  Land  der  Eidgenossen.  Die  religiösen  Interessen  hatten  das 
Land  zur  Reformationszeit  heftig  in  Aufruhr  versetzt  und  den  Bund 


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Ö26  XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 

der  Eidgenossen  der  Auflösung  nahe  gebracht.  —  Eine  Gebietserweite- 
rung war  durch  Bern  bewirkt  worden.  Nachdem  es  bereits  1636  dem 
Herzog  von  Savoyen  Genf  sowie  die  Waadt,  Gex,  Genevois  und  Chablais 
abgenommen  hatte,  mufste  es  die  drei  letzteren  1564  wieder  zurück- 
geben, behielt  dagegen  die  Landschaft  Waadt  nördlich  des  Genfer  Sees. 
—  Von  den  Wirren  des  Dreifsigjährigen  Krieges  ist  die  Schweiz  nicht 
berührt  worden,  doch  wurde  der  Westfälische  Friede  dennoch  für  sie 
insofern  von  Bedeutung,  als  ihre  Souveränität  durch  ihn  endgültige  An 
erkennung  fand. 

394.  Österreichische  Lande.  Die  Söhne  Kaiser  Ferdinands  I 
(t  1564)  hatten  sich  in  den  österreichischen  Machtbereich  geteilt.  Der 
älteste  Sohn,  Maximilian  IL,  folgte  in  der  Kaiserwürde  und  behielt  sich 
Ost  erreich,  Böhmen  und  Ungarn  vor,  während  sein  Bruder  Ferdinand 
Tirol  erhielt  und  Karl  Steiermark,  Kärnten,  Krain  und  Görz.  Während 
die  kaiserliche  Linie  Maximilians  schon  mit  seinen  Söhnen  1621  erlosch, 
jene  Ferdinands  1665  ausstarb,  wurde  die  Steiermärker  Linie  seit  161*.+ 
die  Trägerin  der  Krone.  —  Der  Dreifsigjährige  Krieg  war  nicht  zum 
Vorteil  des  Kaiserhauses  beschlossen  worden.  Infolge  des  Eingreifens 
Frankreichs  mufste  Osterreich  auf  das  Elsafs  unter  Wahrung  sehr 
geringfügiger  Zusicherungen  Verzicht  leisten,  so  dafs  seitdem  jenes  Land 
kaum  als  zum  Reich  noch  gehörig  betrachtet  werden  konnte  (s.  oben 
S.  507). 

Die  Markgraf schaffen  der  Ober-  und  Niederlausitz,  die  seit  1526 
österreichisch  waren,  hatte  Ferdinand  TL  schon  vorher  (1635)  an  Sachsen  wieder 
abtreten  müssen.  —  Da  nach  dem  Tode  König  Matthias'  1619  die  Steiennärk«-r 
Linie  mit  Ferdinand  IL  den  Thron  bestieg,  so  wurden  Steiermark,  Kärnten  etc. 
wieder  mit  dem  Hauptlande  vereinigt.  Tirol  hei  beim  Tode  jenes  Ferdinand 
1595,  der  mit  Philippine  Weiser  keine  erbfolgefähigen  Söhne  erzeugt  hatte, 
wieder  an  die  Hauptlinie.  Dann  kam  Tirol  an  Rudolfs  II.  Bruder,  Maximilian 
(bis  1618),  sodann  an  Erzherzog  Leopold  von  Steiermark,  nach  dessen  Todr 
seine  Gattin  Claudia  von  Medici  (bis  1646)  und  deren  Söhne  (bis  1665)  <LV 
Grafschaft  regierten,  worauf  sie  wieder  an  das  Kaiserhaus  fiel. 

395.  Schlesien  hatte  in  denselben  Beziehungen  zu  Österreich  bzw. 
Böhmen  gestanden  wie  vorher.  Über  die  einzelnen  Teilfürstentümer  ist 
folgendes  zu  bemerken. 

üels  war  durch  die  finanziellen  Mißstände  des  Fürstenhauses  immer 
mehr  zusammen  geschmolzen.  Frankenstein  hatte  sich  von  ihm  losgekauft 
und  1569  unter  die  Oberhoheit  des  Kaisers  gestellt;  bald  darauf  1570'  auch 
Münsterberg  in  derselben  Weise.  1647  war  der  letzte  Podiebrad,  Karl 
Friedrich,  gestorben  ;  das  Land  fiel  an  seinen  Schwiegersohn,  den  Prinzen  Syl 
vius  Nimrod  von  Wirteinberg  Brenz. 

Liegnitz-Brieg-Wohlau.  Seit  dem  Tode  Herzog  Friedrichs  IL  1547 
war  das  Land  unter  die  beiden  Söhne  und  deren  Nachkommen  geteilt,  jedoch 
nach  dem  Tode  der  einzelnen  Familienmitglieder  1596  wieder  in  der  Hand 
Joachim  Friedrichs  (j  1602)  vereinigt  worden.  Dessen  Söhne  teilen  abermals 
1613:  Johann  Christian  Brieg),  Georg  Rudolf  (Licgnitz-Wohlau).  Morgenbesser. 
S.  188  f. 

(ilogau-Sagan.  Das  Glogauer  Land  war  seit  1508  unmittelbar  unter 
Böhmen  gewesen  (mit  Ausschlufs  von  Crossen).    Sagan,  welches  seit  1548  eben 


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3%.  Kurfürstentum  (Albertinischeft)  Sachsen.  527 

falls  hierzu  gehörte,  war  1552  an  Georg  Friedrich,  den  Sohn  des  Markgrafen 
Georg  von  Brandenburg,  verpfändet  worden.  1558  wurde  es  wieder  eingelöst, 
bald  aber  von  neuem  verpfändet  bis  1622.  Kaiser  Ferdinand  II.  belehnte 
1628  Wallenstein  mit  Sagau  (bis  1634).  1646  wurde  es  an  den  Fürsten  Wenzel 
Eusebius  von  Lobkowitz  verkauft. 

Trochenberg  mit  Prausnitz  war  nach  dem  Aussterben  der  Freiherren 
von  Kurzbach  1593  an  die  Freiherren  von  Schaff gotsch  gelangt,  1641  aber  den- 
selben wieder  entzogen  worden  und  von  Kaiser  Ferdinand  III.  damals  dem 
Grafen  Melchior  von  Hatzfeld  und  Gleichen  geschenkt  worden. 

M  ilitsoh  mit  Suhlau,  Winzig,  Hermstadt  undJUitzen  kam  1590  durch 
Kauf  an  die  Freiherren  von  Maltzan. 

Oppeln-Ratibor  waren  seit  1532  an  die  Markgrafen  von  Brandenburg 
verpfändet  und  wurden  1552  durch  König^  Ferdinand  von  Böhmen  wieder 
eingezogen.  Nachdem  sie  vorübergehend  in  die  Hand  der  Witwe  Zapolyas 
bis  4556  übergegangen  waren,  blieben  sie  böhmische  Erbfürstentümer.  Abermals 
verpfändet  an  Sigismund  Bathori,  Grofsfürsten  von  Siebenbürgen,  fiel  es  159H 
wieder  an  die  Krone.  1621  fiel  es  an  Bethlen  Gabor,  doch  war  es  1625  in 
der  Hand  Ferdinands;  1645  wurde  es  an  Polen  verpfändet, 

loschen.  Mit  dem  Enkel  Wenzels  III.,  Friedrich  Wilhelm,  war  1625  der 
männliche  Stamm  jener  Linie  ausgestorben,  und  das  Fürstentum  fiel  an  die 
böhmische  Krone. 

Jägerndorf  hatte  Georg  Friedrich  von  Brandenburg  (f  1603)  dem  Kur- 
prinzen Joachim  Friedrich  zugesprochen,  der  es  1607  seinem  Sohn  Johann 
<  ieorg  überliefs.  Über  diesen  wurde  aber  wegen  seiner  Parteistellung  im  Kriege 
1621  die  Keichsacht  verhängt,  und  der  Kaiser  verlieh  das  eingezogene  Fürsten- 
tum dem  Fürsten  Karl  von  Liechtenstein.  Auch  Beuthen  und  Oder  her  g 
waren  1617  und  1618  wieder  von  Böhmen  in  Besitz  genommen  worden. 

Trupp  au  war  1614  durch  Konig  Matthias  ebenfalls  jenem  Karl  von 
Liechtenstein  übertragen  worden. 

Plefs  war  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Balthasar  von  Promnitz  1562 
an  die  Linie  seines  Bruders  Kaspar  zu  Lessendorf  gekommen,  dessen  Nach- 
kommen 1612  aussterben.  Die  freie  Standesherrschaft  ging  an  eine  andere 
Nebenlinie  des  Hauses  über. 

$96.  Kurfürstentum  ( Vlbertiniscb.es)  Sachsen.  Moritz  von  Sachsen 
hatte  den  Kurstaat  als(  ein  abgerundetes  Gebiet  von  ca.  530  Quadrat- 
meilen hinterlassen.  Seinem  Bruder  August  (1553 — 1586)  war  es  be- 
schieden, den  Landbesitz  noch  weiter  zu  vergröfsern,  da  das  1547  wieder 
verloren  gegangene  Vogtland,  ferner  ein  Teil  des  Mansfeldischen  Gebietes 
und  der  Grafschaft  Henneberg  sowie  auch  die  unter  sächsischer  Ad- 
ministration stehenden  Bistümer  Merseburg,  Naumburg  und  Meifsen  an 
den  Kurfürsten  fielen.  Einen  erheblichen  Zuwachs  brachte  ferner  der 
Westfälische  Friede,  der  Johann  Georg  I.  die  Lausitzen  (ca.  180  Quadrat- 
moilen)  einbrachte,  die  er  bereits  im  Prager  Frieden  (1635)  als  böhmische 
Lohen  erworben  hatte. 

Die  Spannung  mit  den  Ernestinern  hatte  fortgedauert.  Sie  wurde  durch 
den  Naumburger  Vertrag  vom  24.  Februar  1554  zunächst  beigelegt,  indem 
Kurfürst  August  mehrere  Gebietsteile  an  Johann  Friedrich  abtrat  (s.  Emest. 
Sachsen).  Von  diesen  mufsten  freilich  nach  der  Gefangennahme  Johann 
Friedrichs  die  Ernestiner  als  Unterpfand  für  die  Kriegskosten  1567  die  sog. 


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528 


XL  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


assekurierten  Ämter  Weida,  Ziegenrück,  Arnshaugk  und  Sachsenburg  an  Kur- 
fürst August  abtreten. 

Gröfsere  Gebietsteile  des  Vogtlandes,  die  seit  1485  beim  Ernestinischen 
Hause  gewesen  waren,  waren  durch  den  Prager  Vertrag  (14.  Okt.  1546)  als 
eröffnete  Lehen  an  den  böhmischen  König  gefallen.  Mit  ihnen  belieh  König 
Ferdinand  unter  Mitbelehnschaft  der  Albertiner  den  böhmischen  Kanzler  Hein- 
rich V.  von  Plauen,  Titularburggrafen  von  Meilsen.  Doch  schon  seine  Söhne 
mufsten  Schulden  halber  den  Besitz  wieder  veräufsern,  und  Kurfürst  August, 
der  bereits  155G,  diesen  Fall  voraussehend,  sich  das  Verkaufsrecht  gesichert 
hatte,  nahm  die  vogtländisehen  Besitzungen  gegen  ein  Darlehen  von  60000 
rheinischen  Gulden  in  Pfand ;  es  waren  dies  Amt  und  Schlofs  Vogtsberg,  die 
Städte  Plauen,  Ülsnitz  und  Adorf  sowie  die  Flecken  Neukirchen  und  Schöneck. 
Die  1563  eingeleitete  Wiedereinlösung  mifslang,  und  1569  wufste  Kurfürst 
August  den  letzten  Burggrafen  Heinrich  VH.  zum  Verzicht  auf  die  Ämter,  zu 
welchen  auch  noch  das  Amt  Pausa  geschlagen  wurde,  zu  bestimmen.  Doch 
erst  1575  erteilte  König  Maximilian  H.  von  Böhmen  ihm  hierzu  die  Belehnung. 
Seit  1577  wurden  diese  Besitzungen  als  vogtländischer  Kreis  zusammengefaßt. 

Die  Grafschaft  Henneberg,  deren  Herren  auszusterben  drohten,  war 
durch  den  Erbverbrüderungsvertrag  zu  Kahla  (1.  Sept.  1554^)  der  sächsisch- 
ernestinisehen  Linie  im  Falle  des  Aussterbens  der  Grafenlinie  zugesichert 
worden,  wofür  die  Ernestiner  die  Schuldenlast  der  Grafen  tilgten.  Am  20.  Januar 
des  Jahres  1555  wurde  der  Vertrag  durch  Kaiser  Karl  V.  bestätigt.  Kurfürst  August 
wufste  aber  die  noch  unmündigen  Söhne  des  Emestiners  Johann  Wilhelm 
durch  geschickte  Operationen  zu  übervorteilen  und  hierfür  auch  die  Zustimmung 
des  Kaisers  zu  finden.  1573  sprach  dieser  den  unmündigen  Söhnen  neben 
Zwölftel  der  Grafschaft  Henneberg  zu  und  dem  Kurfürsten  fünf  Zwölftel.  Im 
Jahre  1583  starb  nun  der  letzte  Henneberger  Graf  Georg  Ernst,  und  Kurfürst 
August  nahm  die  ganze  Grafschaft  zunächst  in  Administration;  1585  drang 
dieser  auf  eine  Teilung  mit  den  Ernestinern,  doch  starb  er,  ehe  diese  durch 
geführt  wurde  (1586),  und  das  hennebergische  Land  wurde  zunächst  gemein- 
schaftlich regiert,  Auch  als  später  der  eine  der  (ehedem  unmündigen)  Söhne: 
Friedrich  Wilhelm  Administrator  für  die  unmündigen  Söhne  jenes  Kurfürsten 
August  wurde  und  seine  Rechte  nachträglich  geltend  machen  wollte,  kam 
man  zu  keiner  Entscheidung;  erst  1660  trat  sie  ein. 

Auch  einen  Teil  der  Grafschaft  Mansfeld  und  zwar  jenen  der  vorder 
ortischen  Linie,  brachte  er  in  seine  Hand.  Die  stark  verschuldeten  Herren 
dieser  Linie  besafsen  drei  Fünftel  der  Grafschaft.  Über  diesen  Anteil  hatte 
Kursachsen  drei  Viertel  der  Lehensherrlichkeit,  während  das  andere  Viertel 
magdeburgisches  und  halberstädtisches  Lehen  war.  Am  26.  Oktober  des  Jahres 
1573  schlofs  August  mit  dem  Stifte  Halberstadt  einen  Rezefs,  in  welchem  er  die 
ehemals  hohensteinsche  Herrschaft  Lohra  mit  den  Städten  Elrich  und  Bleiche- 
roda und  dem  Schutz  über  das  Kloster  Walkenried  an  Halberstadt  abtrat  und 
hierfür  che  Lehnsherrlichkeit  des  Stiftes  über  die  Gebiete  der  Grafen  von  Man>- 
feld  (Eisleben,  Hettstedt,  Bolleben,  Kloster  und  Dorf  Wimmelburg,  Volk- 
stedt etc.)  erhielt.  Im  Jahre  1579  wurde  ein  ähnlicher  Rezefs  mit  Joachim 
Friedrich  von  Brandenburg,  dem  Administrator  des  Erzstiftes  Magdeburg,  ge- 
schlossen. Der  Kurfürst  erhielt  hierbei  die  drei  Vorstädte  und  die  Neustadt 
von  Eisleben,  das  Amt  Rammelburg  mit  dem  Flecken  Wipra  und  dem  Forst, 
doch  mufste  er  Bolllebcn,  Volkstadt  und  Ziegelrode  wieder  abtreten,  desgleichen 
das  burggräfliche  Recht,  wogegen  die  vier  dem  Burggrafen  ausgesetzten  Ämter 
Gommern,  Rani",  Elbenau  und  Plötzkau,  dem  Kurfürsten  verblieben. 

Die  Ober-  und  Niederlausitz  waren  seit  der  Heirat  der  Tochter  des 
Böhmenkönigs  Wladislaw  (f  1516)  mit  Ferdinand  von  Österreich  beständig  bei 
diesem  Hause  verblieben.  Erst  1623  wurden  sie  von  Kaiser  Ferdinand  II.  an 
den  Kurfürsten  Johann  Georg  I.  von  Sachsen  pfandweise  überlassen.  Im  Frieden 
von  Prag  1635  wurden  sie  ihm  abgetreten.  Über  diesen  vgl.  Gretschel,  Gesch. 
d.  sächs.  Volkes  II,  300  £f. 


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397.  Ernestinisches  Sachsen.  529 

397.  Ernestinisches  Sachsen.  Die  drei  Söhne  Johann  Friedrichs 
des  Grofsmütigen  hatten,  den  Verfügungen  des  Vaters  entsprechend,  an- 
fangs gemeinsam  regiert.  Nach  dem  Tode  des  einen  der  Söhne  (1565) 
teilten  die  beiden  anderen  derartig,  dafs  Johann  Friedrich  II.  den 
weimarischen  Teil  erhielt  und  seine  Residenz  zu  Gotha  nahm,  Johann 
Wilhelm  den  coburgischen  empfing  (1566).  Das  letztgenannte  Gebiet 
Instand  zum  gröfsten  Teil  aus  der  Hinterlassenschaft  ihres  kinderlos 
verstorbenen  Oheims  Johann  Ernst  (f  1553)  von  Coburg.  Jener  Johann 
Friedrich  II.  schied  aber  1567  durch  seine  lebenslängliche  Gefangen- 
schaft aus,  und  sein  Bruder  Johann  Wilhelm  vereinigte  die  Ernestinischen 
Lande  in  seiner  Hand.  Freilich  mufsto  er  den  coburgischen  Anteil 
1572  mit  den  Söhnen  Johann  Friedrichs  II.  teilen;  doch  starben  beide 
kinderlos  in  den  dreifsiger  Jahren  des  XVII.  Jh.  Auch  unter  den 
Nachkommen  der  beiden  Söhne  Johann  Wilhelms  trat  eine  Teilung  ein, 
doch  erst  nach  dem  Tode  des  älteren  Sohnes,  Friedrich  Wilhelm  I. 
1602),  indem  dessen  Söhne  Johann  Philipp  und  Friedrich  Wilhelm  II. 
mit  ihrem  Oheim  Johann  den  Besitz  teilten.  Die  ersteren  gründeten 
die  Linie  Altenburg,  die  allerdings  1672  schon  ausstarb;  Johann  stiftete 
die  in  ihren  weiteren  Verzweigungen  noch  bestehende  Linie  Weimar. 
Von  seinen  acht  Söhnen  lebten  um  1650  noch  zwei,  Wilhelm  und  Ernst 
der  Fromme.  Da  die  Linien  Coburg  und  Eisenach  1633  bzw.  1638 
«'Höschen  waren,  so  war  der  Ernestinische  Besitz  bis  auf  den  Alten- 
luirger  Anteil  in  der  Weimarer  Linie  vereinigt.  Im  Jahre  1641  hatten 
Johanns  Söhne,  Wilhelm,  Ernst  und  Albert,  abermals  eine  Teilung  vor- 
genommen; da  aber  Albert  bereits  1644  starb  und  sein  Land  unter  seine 
Brüder  aufgeteilt  wurde,  so  bestanden  im  Ernestinischen  Sachsen  um 
1650  noch  drei  Linien  mit  entsprechendem  Territorialbesitz:  1.  die 
Altenburger  (stirbt  1672  aus),  2.  die  Weimarer  unter  Herzog  Wilhelm 
und  3.  die  Coburger  unter  Ernst. 

SUchsische  Ernestiner. 

Johann  der  Beständige  f  1532 

Joh.  Friedrich  I  der  Grofsmütige  t  1554  Johann  Ernnt  von 

Coburg  v  1553 


f  t  t 


Joh.  Friedrieh  II.  Johann  Joh.  Wilhelm 

gefangen  1567  Friedrich  III.  f  1573 

Coburg  Eisenach      t  ,5(>5      Altenburp  ^  Weimar 

Mi.  Kasimir  Joh.  Ernst                          Friedr.  Willi.  I.  Johann 
t  1633  f  1638    v  1602  t  1605 

Joh  Philipp  Fr.  wiih  ii.  Weimar     Eisenach  Gotha 

t  H>3!)  f  IHW)  

+  ff  I  Wilhelm     Albert  Ernst 

Fr  Wilh  III      t  1«62      f  1614     d  Fromme 

f  1672  t  t  t        t  16'r> 

t  t  t 

Ober  die  Naumburgor  Kapitulation  von  1554  Vgl.  den  voriges  Abschnitt; 
ebenso  über  den  Efbverbriiderungsvertrag  mit  den  (traten  von  Henneberg.  — 
Zu  bemerken  ist  ferner,  dafs  die  Brüder  Johann  Friedrich  II.,  Johann  Wilhelm 

Kretschmer,  Historische  Geographie  31 


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530 


XI.  Politische  Geographie  um  dag  Jahr  1650. 


und  Johann  Friedrich  III.  1555  von  den  Grafen  von  Mansfeld  die  Herrschaft 
Römhild  mit  den  beiden  Pfandschaften  Lichtenberg  und  Brückenau  gegen  da- 
Kloster  Oldisleben  eingetauscht  haben.  Vgl.  Gruner,  Gesch.  Joh.  Friedrichs  (II.  ■ 
d.  Mittleren,  S.  217. 

Von  vorübergehender  Bedeutung  war  die  Teilung  Johann  Wilhelms  mit 
seinen  Neffen  Johann  Kasimir  und  Johann  Ernst  vom  6.  November  1572 

1.  Johann  Kasimir  und  Johann  Ernst  erhielten  den  coburgischen  Anteil, 
nämlich  die  Pflege  Coburg  aufser  Königsberg,  Volkenroda,  Krainberg. 
Gerstungen,  Hausbreitenbach,  Treffurt,  Kreuzburg,  Eisenach,  Tenneberg,  Gotha 
und  die  hennebergischen  Ämter  Römhild,  Lichtenberg,  Salzungen  und  AÜendorf. 
ferner  das  Einlösungsrecht  der  vier  verpfändeten  Ämter  Weida,  Ziegenrück, 
Arnshaugk  und  Sachsenburg  sowie  die  Hälfte  der  Pfandschaft  Allstedt.  — 

2.  Johann  Wilhelm  erhielt:  Weimar.  Jena,  Rofsla,  Bürgel,  Stift  Lausnitz.  Dorn 
bürg,  Kapellendorf  (1557  von  Erfurt  abgetreten),  Ringleben,  Büttstedt,  Buttel 
stedt,  Magdala,  Rastenberg,  Lobeda,  Neumark,  Leuchtenburg,  Eisenberg,  Alten 
bürg,  Camburg.  Roda,  Saalfeld,  Ichtershausen.  Wachsenburg,  Georgenthal. 
Schwarzwald,  Reinhardsbrunn,  die  Hälfte  von  Allstedt  und  das  Amt  Könige 
berg.  Gemeinsam  blieb  die  Lehensherrlichkeit  über  die  Schwarzburger ;  jen« 
über  die  Gleichenschen  Besitzungen  zu  Ton  na  fiel  an  die  Coburger,  diejenigen 
über  den  anderen  Gleichenschen  Besitz  an  Johann  Wilhelm,  dem  auch  die 
alleinige  Erbfolge  in  Henneberg  zugesichert  war. 

Die  coburgische  Linie  wafd  in  Coburg  und  Eisenach  geteilt.  Nach  an- 
fänglicher provisorischer  Teilung  schlössen  die  Brüder  1596  einen  Krbteilungs 
vertrag  (b.  Arndts  Säehs.  Archiv,  III,  400  ff.).  Johann  Ernst  erhielt  in  diesem 
Stadt  und  Amt  Eisenach.  Salzungen,  Lichtenberg  mit  Ostheim,  Allendorf  und 
die  Hälfte  von  Allstedt,  Kreuzburg,  Volkenroda,  Gerstungen,  die  Hälfte  von 
Breitenbach  und  Langensalza  und  Amt  Krainberg;  —  Johann  Kasimir  erhielt 
Coburg  und  die  Ämter  Gotha,  Tenneberg,  Treffurt.  Nach  ihrer  beider  Tod»- 
fiel  aber  alles  an  Weimar  und  Altenburg. 

Schon  vor  dem  Tode  Johann  Emsts  hatten  sich  die  Weimarer  und  Alten 
burger  Erben  16.34  dahin  geeinigt,  dafs  bei  der  eventuellen  Erbschaft  Weimar 
zwei  Drittel  und  Altenburg  ein  Drittel  von  der  dereinstigen  Hinterlassenschaft 
erhalten  sollten.  Dieser  Fall  trat  um  1638  ein.  Weimar  bekam  hierbei  den 
gothaischen  und  eisenaehisehen  Anteil,  Altenburg  den  Coburger.  Vgl.  den  Ver 
trag  bei  Hellfeld.  Beiträge  z.  Staatsrecht  in  der  Gesch.  von  Sachsen-Eisenaeli. 
1785  ff.,  III,  132.  Das  Verzeichnis  der  zugehörigen  Teilstücke  gibt  auch  Rege!. 
Thüringen,  II,  564. 

Die  weimarische  Linie  wurde  bis  1605  durch  Herzog  Johann  vertreten, 
der  seinen  Neffen  Johann  Philipp  und  Friedrich  Wilhelm  IL  nach  dem  Tod« 
ihres  Vaters  (1602)  den  Altenburger  Anteil  abgetreten  hatte.  —  Von  Johann? 
acht  Söhnen  kamen  bei  der  Teilung  von  1640  nur  drei  noch  in  Frage,  von 
denen  zwei  die  Stifter  noch  heute  blühender  Linien  wurden.    Da  kurz  vorher 
der  Heimfall  der  Coburger  Erbschaft  erfolgt  war,  so  gestaltete  sich  die  terri 
toriale  Gliederung  folgendermafsen :  1.  Wilhelm,  Stifter  der  weimarischen 
Linie,  erhielt :  Stadt  und  Amt  Weimar.  Brembach,  Schwansee,  Gebstädt,  Mag 
dala,  Schlots,  Stadt  und  Amt  Jena,  Burgau.  Kapellendorf,  Ringleben.  Berka 
a.  d.  Ilm  und  die  Städte  Büttstedt,  Buttelstedt.  Rastenberg,  Lobeda.  Neumark 
und  Magdala.  —  2.  Albert,  als  Stifter  der  Ei  sc  nach  er  Linie,  erhielt  Sta<it 
und  Amt  Eisenach,  Wartburg,  Völkenrode,  Kreuzburg,  Marksuhl,  Burkersroda 
Krainberg.  Gerstungen,  Hausbreitenbach,  Allendorf,  Lichtenberg  mit  Ostheim. 
Heldburg,  Ummerstadt,  Eisfeld,  Veilsdorf.  —  3.  Ernst,  als  Stifter  der  Gothaer 
Linie,  erhielt:  Stadt  und  Amt  Gotha,  Reinhardsbrunn,  Tenneberg,  Walters 
hausen.  Georgenthal,  Schwarzwald,  Wachsenburg  und  Ichtershausen,  Amt  un<l 
Stadt  Königsberg,  Amt  und  Schlofs  Tonndorf  und  Amt  Salzungen  mit  den 
Salzwerken. 

Da  die  von  Albert  gestiftete  Eisenacher  Linie  mit  ihm  selbst  1644  schon 
wieder  erlosch,  s<>  wird  sein  Anteil  unter  den  Brüdern  aufgeteilt,  und  zwar 


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398.  Vogtland.  399.  Grafschaften  Schwarzburg-Sondershauaen  etc.  531 


erhielt  die  Weimarer  Linie:  Stadt  und  Amt  Eisenach  mit  der  Wartburg,  Stadt 
und  Amt  Kreuzburg  mit  dem  Kloster,  die  Gerichte  Marksuhl  und  Burkersroda, 
Amt  Genstungen  mit  Ilausbreitenbach  und  Amt  Lichtenberg  mit  Ostheim;  — 
dir  Gotha  er  Linie  :  Schlofs  und  Amt  Heldburg  mit  Ummerstadt,  Veilsdorf, 
Kisfeld,  Stadt  und  Amt  Salzungen,  Kloster  Allendorf,  Amt  Krainberg  und 
Völkenrode  (s.  Lünigs  Reichsarchiv,  II,  438). 

Für  die  territoriale  Entwiekelung  vgl.  die  Karte  von  A.  Brecher,  Dar- 
stellungen der  Gebiets  Veränderungen  in  den  Ländern  Sachsens  und  Thüringens 
von  dem  12.  Jh.  bis  heute,  Berlin  1888. 

398.  Vogtland.  Von  den  beiden  um  1550  noch  bestehenden 
Hauptlinien  war  die  ältere  Linie  Plauen  mit  Heinrich  VI.  1572  erloschen, 
nachdem  sie  kurz  vorher  noch  Plauen  und  ihre  sonstigen  vogtländischen 
Besitzungen  1569  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  abgetreten  hatte  (s.  bei 
Sachsen).  —  Die  reufsische  Linie  blühte  in  den  drei  Söhnen  Hein- 
richs XVI.  fort,  die  1564  das  Land  teilten.  Der  Ältere  erhielt  Unter- 
Greiz, der  Mittlere  Ober-Greiz  mit  Schleiz  und  Burgk,  der  .Jüngere  Gera 
mit  Zubehör.  Der  Mittlere  hinterliefs  zwar  drei  Söhne,  die  jedoch  ohne 
Nachkommen  bis  1616  ausstarben.  Dir  Anteil  Ober-Greiz  fiel  an  die 
ältere  Nebenlinie,  die  Unter-Greiz  schon  besafs,  das  übrige  an  die  jüngere 
Nebenlinie,  die  nunmehr  Gera,  Schleiz,  Saalburg,  Lobenstein,  Köstritz, 
Ebersdorf,  Hirschberg  (seit  1549  zu  Reufs 'gehörig)  besafs.  Im  Hause 
Greiz  fand  1625  wieder  eine  Teilung  in  Ober-  und  Unter-Greiz  zwischen 
den  Söhnen  ihres  Stifters  statt.  —  Die  reufsische  Linie  zu  Gera  erfuhr 
unter  den  Enkeln  ihres  Stifters  eine  Teilung  (1647)  in  drei  Häuser: 
Gera  (Heinrich  IL),  Schleiz  (Heinrich  IX),  Lobenstein  (Heinrich  X.), 
während  Saalburg  an  einen  Enkel  Heinrich  I.  kam. 


399.  Grafschaften  Schwarzburg-Sondershausen  und  Schwarzburg- 
Rudolstadt.  Unter  den  Söhnen  Günthers  XL.  fand  die  bis  zur  Gegen- 
wart fortbestehende  Teilung  der  Grafschaft  statt.  Als  der  älteste  Sohn 
Günther  XLI.  1552  gestorben  war,  teilten  die  beiden  anderen  Brüder 
und  stifteten  zwei  neue  Linien:  Johann  Günther  dio  Linie  Schwarzburg- 
Arnstadt  (Sondcrshausen)  und  Albreeht  VII.  Sehwarzburg-Rudolstadt. 
Während  im  Rudolstädter  Hause  keine  weitere  Teilung  stattfand,  spal- 
tete sich  die  Arnstädter  Linie  schon  unter  den  Enkeln  Johann  Günthers 
in  drei  neue  Linien :  Arnstadt,  Sondershausen  und  Ebeleben,  von  denen 
aber  die  erste  und  dritte  sehr  bald  wieder  ausstarben  (1669,  1681). 

Bei  der  Teilung  1584  erhielt  die  Linie  Schwarzburg- Arnstadt,  die 
später  Sondershausen  hiefs,  2/3  der  unteren  Grafschaft  mit  den  Ämtern  Son- 


Heinrieh  XVI.  f  1535 


Heinr.  d.  Ältere  Heinrich  d.  Mittlere  Heinr.  d.  Jung.  (I) 


Iblb        .  1 

fff     Heinr.  II.  Heinr.  IX.  Heinr.  X. 

(Gera)     (Schleiz  (Ix>hen- 
t  1666  stein} 


84« 


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332 


XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 


dershausen,  Ebeleben,  Böchingen,  Keula,  Scherenberg,  die  Vogtei  Hasleben  und 
die  Städte  Sondershausen,  Greufsen  und  Ehrich  sowie  Vs  der  oberen  Grafschaft 
mit  der  Herrschaft  Arnstadt,  den  Ämtern  Käfernburg  und  Gehren.  Die  Linie 
Schwarz burg-Rudolstadt  erhielt  2/8  der  oberen  Grafschaft,  nämlich  die 
Amter  Rudolstadt,  Blankenburg,  Schwarzburg,  Paulinzelle,  Leutenberg,  Ehren- 
stein,  Ihn,  Könitz  und  die  Vogtei  Seeberg,  ferner  Va  der  unteren  Grafschaft 
mit  den  Ämtern  Frankenhausen,  Arnsburg,  Straufsberg,  Kelbra,  Heringen  und 
Schlotheim. 

Hinsichtlich  der  territorialen  Veränderungen  ist  noch  zu  bemerken,  dat 
Schwarzburg-Söndershausen  15U3  die  Grafschaft  Hohnstein  gemeinsam  mit  den 
Stolbergern  zufolge  eines  Vergleiches  von  1433  erwarb.  Vgl.  Apfelstedt, 
1.  c.  S.  8,  wo  ein  Verzeichnis  der  meist  kleinen  Ortschaften  sich  findet. 
Infolge  der  Ansprüche ,  die  Herzog  Julius  von  Braunschweig  machte .  ge- 
lang den  Grafen  nur  der  Erwerb  der  Amter  Grofsbodungen,  Uttenrode,  Craja, 
Wallrode,  Bockelnhagen,  Zwinge  u.  a.  —  Bedeutsam  war  ferner  der  Erwerb 
der  unteren  Grafschaft  Gleichen  i.  Jahre  1631  zufolge  eines  Erb  Vertrages  von 
1623  mit  dem  Grafen  Hans  Ludwig  von  Gleichen.  Sie  bestand  aus  den  Dörfern 
Gunthersleben,  Ingersleben,  Sülzenbrücken,  Freudenthal  u.  a. 

Günther  XL.  t  1552 


Gunther  XLI       Joh.  Günther  Albrocht  VII. 

f  1582  f  1586  f  1605 

Christ.  Günther  I.  Ludw.  Günther 

-  An**  äzzzzz — 55sr  T 

1669         Anton  Günther  I.         1681  Albr  Anton  U 

t  t  t  I   t  t  t  f  1710 

 N 

Christ.  Wilhelm  Anton  Günther  II. 

(bis  1720)  f  1716 

tt-t 

400.  Fürstentum  Anhalt.    Die  Zerbster  Linie  des  Fürstenhauses 
bestand  in  den  beiden  Zweigen  der  Köthener  und  der  Dessauer  fort 
(s.  Tab.  S.  490);  da  jene  mit  Wolfgang  im  Jahre  1566  ausstarb,  so  führte 
die  Dessauer,  dio  in  Johann  LT.,  Georg  III.  und  Joachim  ihre  Vertreter 
hatte,  allein  das  Regiment.    Da  aber  auch  die  beiden  letzteren  ohne 
Nachkommen   (1553  bzw.   1561)   starben   und   von   den   drei  Söhnen 
Johanns  II.  (t  1551)  auch  nur  Joachim  Ernst  zurückblieb,  so  war 
das  ganze  Anhalter  Land  in  seiner  Hand  wieder  vereinigt.    Doch  sollte 
es  nicht  lange  ein  Ganzes  bilden,  denn  Johanns  Söhne  teilten  von  neuem 
das  Land  in  vier  Teilfürstentümer  (1603).    Nur  eino  von  den  fünf  Linien 
starb  mit  der  folgenden  Generation  schon  aus  (die  Köthener  1665i 
während  die  anderen  (die  Bernburger  1863,  Röthen- Augustäische  1847 
Zerbster  Linie  1793)  länger  bestanden  und  allein  die  Dessauer  bis  heute 
fortblüht.    Diese  Besitzteilung  des  Jahres  1603  trug  insofern  einen  an 
deren  Charakter,  als  das  gesamte  Fürstenhaus  1635  sich  dahin  einigte 
das  allerdings  schon   1606  und  1611   eingesetzte  Seniorat  einzuführen, 
nach  welchem  der  Alteste  die  oberste  Leitung  haben  und  die  allgemeinen 
Landes-  und  Hausangelegenheiten  besorgen  sollte.  —  Beim  FrieMiens 
schlufs  1648  behielt  Anhalt  zwar  die  eingezogenen  Gernröder  Stifts^üter 
aber  die  1315  dem  Lande  verloren  gegangene  Grafschaft  Ascherslebeu 
kam  nicht  wieder  zurück. 


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401.  Mark  Brandenburg.  533 

Die  Teilung  vom  17.  und  19.  Juni  1603  bestimmte,  dafs  nur  vier  Landes- 
teile angesetzt  werden  sollten,  während  einer  der  Brüder,  August,  durch  Geld 
sieh  entschädigen  liefs.    Johann  Georg  I.  erhielt  als  Altester  Dessau  mit 
Lippene,  Raguhn,  Wörlitz,  Sandersleben,  Freekleben  und  Zubehör,  Christian: 
Birnburg,  Plötzkau,  Gröbzig,  Ballenstedt  und  Hoym,  Harzgerode,  Günther» 
berge  mit  Zubehör,    Rudolf:  Zcrbst,  Kermen,  Lindau,  Rofslau  und  Koswig. 
Ludwig:  Kothen  und  den  Brambach,  Wulfen  mit  den  Jeser  und  Palberger 
Marken,  das  Mönchsholz,  die  Abtei  hinter  Sollnitz  und  das  schwarze  Land, 
Warnsdorf  samt  Kölbick  und  das  Vorwerk  Deupzig  mit  Zubehör.  Bergwerke 
und  Salzwerke  etc.  blieben  gemeinschaftlich.    Das  Stift  Gernrode,  die  Propstei 
zu  Grofe- Aisleben  u.  a.  wurde  dem  Ältesten  zugesprochen.  —  Im  Jahre  1611 
ül>erliek  Johann  Georg  aus  praktischen  Gründen  das  Amt  Plötzkau  seinem 
Bruder  August.    Als  die  Köthen-Ludwigsche  Linie  1665  erlosch,  fiel  aas  zuge- 
hörige Gebiet  an  die  Nachkommen  Augusts,  die  die  Kothen- Augustäischc  Linie 
bildeten,  während  Plötzkau  an  den  älteren  Bruder  zurückgegeben  wurde.  — 
Wegen  der  Grafschaft  Lindau  (die  1372  vom  Grafen  Ulrich  an  den  Fürsten 
Johann  von  Anhalt  verpfändet  und  1457  wieder  käuflich  abgetreten  worden 
war),  war  nach  dem  Erlöschen  der  Grafcnfamilic  (1524)  ein  Streit  mit  dem 
Kurfürsten  von  Brandenburg  ausgebrochen,  der  Anspruch  erhob,  weil  jene 
Grafen  auch  che  Herrschaft  Ruppin  besafsen,  die  berechtigterweise  an  Branden- 
burg fiel.  Der  Streit  wurde  1577  beigelegt,  so  dafs  Anhalt  die  Grafschaft  zu  einem 
erblichen  Mannlehen  von  den  Markgrafen  (Kurfürsten)  zu  Brandenburg  empfing. 

401.  Mark  Brandenburg.    Die  geteilten  Marken  waren  nach  dem 
Tode  des  ohne  männliche  Nachkommen  gestorbenen  Johann  von  Küstrin 
1571  wieder  in  der  Hand  des  Kurfürsten  Johann  Georg  vereinigt.  Von 
Lebus  hatte  Johann  von  Küstrin  155(3  die  Herrschaften  Beeskow  und 
Storkow  gekauft,  die  somit  gleichfalls  an  das  Kurhaus  fielen.  Einen 
bedeutenden  Zuwachs  erfuhr  Brandenburg  durch  die  Belohnung  Johann 
Sigismunds  mit  dem  Herzogtum  Preufsen  (1618).    Hier  war  schon 
1511  Albrecht  von  Brandenburg  (aus  einer  der  fränkischen  Nebenlinien) 
zum  Hochmeister  ausersehen  gewesen.    Durch  den  Vertrag  zu  Krakau 
l.">25  wurde  der  Ordensstaat  Preufsen  zu  einem  weltlichen  Herzogtum 
unter  polnischer  Lehenshoheit  erhoben  und  Albrecht  mit  diesem  erblich 
belehnt.    Im  Jahre  15(59  erhielt  Kurfürst  Joachim  II.  auf  dem  Reichstage 
zu  Lublin  für  sich  und  seine  Erben  die  Mitbelehnung  über  jenes  Herzog 
tum.    Als  1618  die  herzogliche  Linie  mit  dem  schwachsinnigen  Herzog 
Albrecht  Friedrich  erlosch,  fiel  das  Herzogtum  Preufsen  unter  polnischer 
Lehenshoheit  an  Johann  Sigismund.    Der  Besitz  war  aber  ein  sehr  un- 
sicherer, und  nur  mit  grofsen  Opfern  konnten  Georg  Wilhelm  und  der 
Grofso  Kurfürst  1641  die  Wiederbelehnung  von  Preufsen  erreichen.  — 
Kine  andere  Gebietserweiterung  war  aus  der  jülich-cleveschen  Erbschaft 
erzielt  worden.    Der  letzte  Herzog  von  Jülich-Cleve-Berg,  Graf  von  Mark- 
Ravensberg,  Herr  zu  Ravenstein,  Johann  Wilhelm  war  1609  gestorben. 
Der  Kurfürst  von  Brandenburg  Johann  Sigismund,  wie  der  Pfalzgraf 
Wolfgang  Wilhelm  waren  die  Hauptprätendenten,  die  sich  um  das  Erbe 
.stritten.    Nach  einer  durch  die  Umstände  herbeigeführten  gemeinschaft- 
lichen Regierung  kam  es  1614  zu  einem  Vergleich,  bei  welchem  Branden- 
burg die   Länder  Cleve,    Mark,   Ravensberg  und  Ravenstein 
und  die  kleinen  flandrischen  Herrschaften  Winendael   und  Breskesand 
erhielt,  Pfalz-Ncuhurg  dagegen  :  Jülich  und  Berg.  Doch  verzichtete  Später* 


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534  XI.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1650. 

hin  Georg  Wilhelm  1624  auf  die  Herrschaft  Ravenstein  zugunsten  von 
Pfalz-Neuburg,  und  1629  wurde  für  Ravensberg  eine  gemeinschaftliche 
Verwaltung  durchgeführt. 

Durch  den  Dreifsigjährigcn  Krieg  ist  auch  Brandenburg-Preufsen 
in  Mitleidenschaft  gezogen  worden,  doch  wurde  es  im  Westfälischen 
Frieden  reichlich  entschädigt.  Es  erhielt  Hinterpommern,  das  Bistum 
Halberstadt  mit  den  Herrschaften  Lohra,  Klettenberg  und  der  Grafschaft 
Hohnstein,  das  Bistum  Minden,  das  Hochstift  Kamin,  die  Anwartschaft 
auf  das  Erzstift  Magdeburg  (mit  Ausnahme  der  an  Sachsen  schon  vorher 
vergebenen  Ämter  Querfurth,  Jüterbog,  Dahme  und  Burg.) 

Das  dem  brandenburgischen  Kurfürsten  gehörige  Gebiet  hatte  somit  in 
dieser  Periode  eine  erhebliche  Ausdehnung  angenommen.  Während  das  Mar- 
kische Land  unter  Kurfürst  Friedrich  I.  ein  Areal  von  ca.  23751  qkm  um- 
fafste,  war  das  Staatsgebiet  unter  Johann  Sigismund  auf  ca.  81000  qkm  an- 
gewachsen und  unter  dem  Grofsen  Kurfürsten  nach  dem  Friedensschluß  auf 
ca.  109540  qkm. 

Das  Herzogtum  Pommern  war  nach  dem  Tode  Bogislaws  X.  1523 
imter  seine  Söhne  Georg  I.  (Wolgast)  und  Barnim  XI.  (Stettin  und  Hinter- 

Sommern  mit  Kamin)  wieder  geteilt  worden  und  blieb  es  auch  unter  den 
[achkommen  Georgs  1.  (f  1531);  Barnim  XI.  war  kinderlos  geblieben.  Unter 
Bogislaw  XIV.  fand  die  Wiedervereinigung  sämtlicher  pommerscher  Länder 
statt  (1625),  aber  mit  ihm  starb  das  pommersehe  Herzogshaus  1037  aus. 
Nach  dem  Erbfolgerecht  hatte  nunmehr  Brandenburg  die  Herrschaft  erhalten. 
Doch  in  den  Wirren  des  Dreifsigjährigen  Krieges  war  Pommern  von  den 
Schweden  besetzt  gehalten  worden,  und  im  Westfälischen  Frieden  konnte  der 
Grofse  Kurfürst  nur  Hinterpommern  erlangen,  von  welchem  er  einen  Streifen 
östlich  der  Oder  mit  Stettin,  Garz,  Damm,  Gollnow  an  Schweden  noch  mit 
abtreten  mufste.  Die  Auslieferung  Pommerns  von  seiten  Schwedens  hatte  sich 
aber  bis  1653  noch  verzögert. 

402.  Herzogtum  Mecklenburg.  Nach  dem  Tode  Heinrichs  V. 
war  sein  Neffe  Johann  Albrecht  Alleinherrscher  im  Lande  (seit  15"»2). 
Doch  verlangte  späterhin  sein  Bruder  Ulrich  eine  Landesteilung,  die 
denn  1556  durch  den  »Ruppinsehen  Machtspruchs  auch  zustande  kam. 
Johann  Albreiht  sollte  Schlofs  und  Amt  Schwerin,  Ulrich  dagegen 
Schlofs  und  Amt  Güstrow  erhalten.  Von  den  eingezogenen  geistlichen 
Stiftungen  sollte  Johann  Albrecht  die  Klöster  Rhena  und  Zarrentien. 
Ulrich  Kloster  Dargun,  alle  übrigen  Stiftungen  und  Komtureien  sollten 
gleichmäfsig  verteilt  werden.  Ulrich  starb  1603  und  sein  Gebiet  fiel  an 
seinen  jüngeren  Brtider  Karl.  Da  auch  dieser  1610  ohne  männliche 
Nachkommen  starb,  so  fiel  Güstrow  wieder  an  Schwerin  zurück. 

Nicht  lange  sollte  das  Land  vereinigt  bleiben,  da  Herzog  Adolf 
Friedrich  auf  eine  abermalige  Teilung  drang.  Im  Jahre  1611  kam  in 
einem  zu  Fahrenholz  vorläufig  abgeschlossenen  Vertrage  eine  solche  zu- 
stande, bei  welcher  Adolf  Friedrich  den  schwerinschen  Anteil,  Johann 
Albrecht  den  güstrowschen  erhielt.  Zur  besseren  Abrundimg  der  Landes- 
teile fand  am  3.  März  1621  zu  Güstrow  ein  Austausch  einzelner  Gebiets 
teile  statt. 

Der  Dreifsigjährige  Krieg  rief  auch  in  Mecklenburg  vorübergehend 
eine  Umwälzung  hervor,  da  Kaiser  Ferdinand  II.  das  ganze  Land  an 


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102.  Herzogtum  Mecklenburg.  535 

Wallenstein  verpfändete  (19.  Januar  1628).  Nach  Wallensteins  Abdankung 
wurden  die  Herzöge  durch  Gustav  Adolf  wieder  eingesetzt  und  1635 
vom  Kaiser  bestätigt.  Im  Westfälischen  Frieden  nmfsten  sie  aber  in 
die  Abtretung  von  Wismar,  der  Insel  Poel  und  Neukloster  willigen, 
wogegen  sie  die  Bistümer  Schwerin  und  Ratzeburg  erhielten. 


Heinrich  V.  Albrecht  VII. 

f  1552  f  1547 

Joh.  Albrecht   Ulrich  Kurl 
f  1576       t  1603     f  1610 

I 

Johann  VII.  f  1592 

Adolf  Friedrich  I.      Joh.  Albrecht  11. 
(Schwerin)  (Güstrow) 
t  1658  f  1636 

,  ■   | 

Christ.  Lud-       Adolf      Gustav  Adolf  f  1695 
wig  Friedr.  H.  t  t  t 

|  (M.-Strelitz) 
sein  Neffe: 
Friedr.  Wilh. 
(M.'  Schwerin) 

Der  Vertrag  zu  Fahrenholz  (9.  Juli  1611)  bestimmte,  dafs  zur  schweri ti- 
schen Hälfte  gehörten:  die  Ämter  Schwerin,  Criwitz,  Tempzin,  Neubukow, 
Doberan  mit  Marienehe,  Mecklenburg,  Gadebusch,  Goldberg,  Wredenhagen, 
Zarrentien,  Neustadt,  Strelitz,  Fürstenberg,  Iwenack,  Wanzke,  Eldena,  Dömitz,  die 
Höfe  Poel  und  Wichmannsdorf  sowie  die  damaligen  Wittumsämter  Lübz,  Witten- 
burg, Rehna.  Zur  güstrowsehen  Hälfte  gehörten:  die  Ämter  Güstrow, 
.Sternberg,  Schwan,  Ribniz  und  Gnoien  mit  dem  Sülzer  Salzwerk,  Dargun,  Neu- 
kalden,  Stavenhagen,  Stargard,  Broda,  Feldberg,  Wesenberg,  Plau,  Marniz,  Neu- 
kloster und  Boizenburg,  das  Wittumsamt  Grabow  mit  Gorlosen  und  Walsmühlen, 
Grewismühlen ;  letzteres  sollte  nach  dem  Tode  der  Witwe  Ulrichs  gegen 
Ivenack  und  Wanzke  ausgetauscht  werden.  Weiteres  bei  Lützow,  Gesch.  von 
Meckl,  EU,  148  f. 

Im  Vertrage  zu  Güstrow  (3.  März  1621 1  wurde  die  Teilung  der  herzog- 
liehen Ämter  auch  auf  die  Kitterschaft  und  die  Städte  ausgedehnt.    Zur  Arron- 
dierung der  beiden  Landesteile  wurden  die  Ämter  Grabow,  Marnitz,  Neukloster, 
Sternberg  und  Walsmühlen  zu  Schwerin  gelegt,  während  dieses  hiergegen 
seine  Ämter  Strelitz,  Goldberg,  Wredenhagen,  Fürstenberg,  Ivenack  und  Wanzke 
abtrat.    An  Schwerin  kamen  ferner  die  Städte  Wismar,  Partium,  Waren, 
Kröpelin  und  die  adeligen  Städte  und  Flecken  Brüel,  Malchow  undDassow;  — 
an  Güstrow:  Lage,  Krakow,  Malchin.  Röbel,  Teterow,  Neubrandenburg,  Fried- 
land, Woldegk  und  die  adligen  Städte  Penzlin,  Sülz  und  Marlow.    An  Güstrow 
fiel  ferner  wegen  gleichmäfsiger  Verteilung  der  Elb-  und  Schaalzölle  Boizen- 
burg, an  Schwerin:  Dömitz  und  Zarrentien.  —  Rostock  mit  Warnemünde  und 
die  vier  Landesklöster  Dobertin.  Malchow,  Ribnitz  und  zum  Heiligen  Kreuz  in 
Rostock  blieben  gemeinsam.    Cf.  Lützow,  1.  c.  III,  160  f. 

Die  Entschädigung,  welche  der  Westfälische  Frieden  für  die  abgetretenen 
Gebiete  (Wismar,  Poel,  Neukloster)  brachte,  bestand  in  dem  Bistum  Schweri  n, 
dessen  Administrator  Adolf  Friedrich  bereits  war;  es  umfafste  Bötzow  und 
Warin  mit  26  Dörfern,  das  Klosteramt  Rühn  mit  13  Dörfern,  einen  Teil  der 
Stadt  Schwerin  (die  Schelfe)  und  21  Tafelgüter.  Das  Bistum  Ratzeburg, 
dessen  Administrator  Gustav  Adolf  von  Güstrow  war  (seit  1636),  bestand  aus 
einem  Teil  der  Stadt  Ratzeburg  und  der  Vogtei  Schönberg  mit  27  Dörfern. 
Ferner  erhielt  Schwerin  die  Johanniterkomturei  Mirow  und  Güstrow  die  Kom 
turei  Nemerow. 


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536  XL  Politische  Geographie  uru  dan  Jahr  1650. 

403.  Herzogtümer  Schleswig  und  Holstein  waren  dänischer  bzw. 
deutscher  Lehenstaat.  Um  1559  standen  sie  in  der  angegebenen 
Dreiteilung  unter  Friedrich  L  (königliche  Linie)  und  seinen  Oheimen 
Johann  der  Altere  (Haderslebener  Linie)  und  Adolf  (Gottorper  Linie) 
Die  endgültige  Niederwerfung  Dithmarschens  1559  führte  zum  Anschlufs 
dieses  Landes  an  Schleswig -Holstein;  os  bildete  aber  eine  besondere 
Landschaft,  die  unter  die  drei  Landesherren  geteilt  wurde.  —  Als  Johann 
der  Altere  1580  kinderlos  starb,  fand  eine  Teilung  zu  Flensburg  statt 
(19.  September  1581).  Der  Haderslebener  Anteil  wurde  zwischen  dem 
König  Friedrich  II.  und  Adolf  von  H.-Gottorp  geteilt.  Seinem  Bruder, 
Johann  dem  Jüngeren,  hatte  der  König  einen  Teil  seines  Gebietes  ab 
getreten,  doch  hatte  Johann  keinen  Teil  an  der  Landesherrschaft. 
Vielmehr  stand  Schleswig-Holstein  seit  dieser  Teilung  bis  1773  immer 
unter  zwei  regierenden  Landesherren :  dem  König  von  Dänemark  un<] 
einem  Herzog  der  Gottorper  Linie.  —  Johanns  des  Jüngeren  Anteil 
wurde  unter  seiner  zahlreichen  Nachkommenschaft  weiter  zersplittert 
Es  gingen  aus  ihm  vi»*r  kleinere  Herrschaften  hervor  und  entsprechend 
fürstliche  Linien :  Sonderburg,  Norburg,  Glücksburg  und  Plön,  die  sich 
im  weiteren  spalteten,  jedoch  von  einer  weiteren  Landzersplitterung 
absahen. 

Die  Teilung  von  1581  war  ho  getroffen  worden,  dafs  die  Gebietsteile  de.- 
königlichen  und  herzoglichen  Anteils  keinen  geschlossenen  Bestand  bildeten 
sondern  in  der  Anordnung  miteinander  abwechselten.    Hierdurch  sollte  auch 
der  Auffassung  vorgebeugt  werden,  als  sei  das  Land  wieder  in  zwei  gesondert« 
Staaten   zerfallen.    Der  königliche   Landesanteil   utnfafste   die  Stadt« 
Hadersleben.  Flensburg,  Segeberg,  Rendsburg,  Oldesloe,  Heiligenhafen,  Itzehoe. 
Krempe  und  Wüster,  die  Ämter  Hadersleben,  Törning,  Flensburg  nebst  Bred 
stedt.  Segeberg,  Rendsburg,  Steinburg  und  die  Landschaft  Süderdithmarschen. 
Der  gottorpsche  Anteil  mit  dem  Rcsidenzsehlofs  bei  Schleswig  enthielt  die 
Städte  Tondern,  Apenrade,  Schleswig,  Eckernförde,  Husum,  Kiel.  Oldenburg 
und  Neustadt,  die   Ämter   und   Landschaften  Nordstrand,  Tondern,  Liigum 
klostcr,  Apenrade,  Gottorp.  Hütten  mit  Wittensee,  Mohrkirchen,  Stapelholm. 
Husum.  Eidelstedt,  Kiel  nebst  Kronshagen,  Oldenburg,  Cismar,  Reinbeck,  Trems- 
büttel, Trittau,  Norderdithmarschen  und  die  Insel  Fehmarn  mit  der  Stadt  Burg. 
Den  gemeinschaftlichen  Anteil  bildeten  die  vier  Klöster  zu  Uetersen. 
Itzehoe,  Preetz  und  Schleswig  mit  ihren  Besitzungen  und  sämtliche  adlige  Güter 
des  Landes;  hierzu  gehörte  auch  die  Stadt  Lütgenburg,  die  später  zum  könig 
liehen  Anteil  kam.    Der  Anteil  Johanns  des  Jüngeren,  der  ihm  von  Fried 
rieh  II.,  seinem  Bruder,  überlassen  war.  umfafste  die  Inseln  Alsen,  Arröe  mit 
den  Städten  Sonderburg  und  Aeröeskiöhing,  die  Halbinsel  Sundewitt,  das  Ruhe 
kloster  (an  dessen  Stelle  1582  von  Johann  das  Schlofs  Gliieksburg  erbaut  wurde 
nebst  Gebiet,  die  Stadt  Plön,  die  Ämter  Plön,  Ahrensbök  und  Reinfeld,  wozu 
snäter  die  Amter  Rethwisch  und  Traventhal  kamen.   Bremer,  I.e.  S.  239.  — 
t  her  die  weiteren  Teilungen  von  Johanns  Anteil  innerhalb  seiner  Familü- 
s.  Bremer,  S.  250  f. 

Die  kleine  Herrschaft  llolstein-Pinneberg  war  seit  dem  XIV.  Jh.  im 
Besitz  der  Grafen  von  Schauenburg  gewesen.  Als  die  Linie  mit  Otto  VI.  1640  (siehe 
Schauenburg  ausstarb,  erhoben  die  beiden  Schleswig  holsteinschen  Landesherren 
König  Christian  IV.  und  Friedrich  HL,  Anspruch  auf  diese  Herrschaft,  weicht 
aus  den  drei  Ämtern  Pinneberg,  Hatzburg  und  Barmstedt  bestand.  Trotz  d<- 
Widcrspruehs  anderer  Verwandten  blieben  sie  im  Besitz  des  Landes,  welche? 


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403.   Herzogtümer  Schleswig  und  Holstein. 


537 


sie  teilten.  Das  Amt  Barmstedt  bekam  der  Herzog,  das  übrige  der  König. 
Waitz,  Sehlesw.-holst.  Gesch.  II,  556  f. 

Reichsgrafschaft  Ranzau.  Im  Jahre  1649  trat  Herzog  Friedrich  HI. 
seinen  Anteil  an  der  Pinncberger  Herrschaft,  nämlich  das  Amt  Barmstedt,  an 
den  königlichen  Statthalter  Christian  Ranzau  (Rantzau)  ab.  Letzterer  wurde  in 
diesem  Besitz  vom  Kaiser  1650  bestätigt  und  sein  Ländchen  zu  einer  unmittel- 
baren Grafschaft  des  Deutschen  Reiches  erhoben  (1726  fiel  sie  an  Dänemark). 
Waitz,  L  C.  II,  600. 


XII.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1650. 


404.  BeviUkerungsrerMItnlsse.     Der  empfindlichste  Schlag,  der 
Deutschland  durch  den  grofsen  Krieg  getroffen  hat,  war  der  Verlust  an 
Menschenleben ;  die  Entvölkerung  des  Landes  war  eine  allgemeine,  wenn 
sie  auch  in  den  einzelnen  Landschaften  sehr  verschieden  war,  je  nach 
dem  die  Kriegsfurie  gehaust  hatte.    Die  fortwährenden  Verwüstungen. 
Brandschatzungen,  Truppendurchzüge  und  Einquartierungen  hatten  den 
materiellen  Besitz  zum  Teil  vernichtet,  aber  auch  die  Träger  des  Besitzes 
heimgesucht.    Es  ist  begreiflich,  dafs  die  Bauernschaft  auf  dem  freien 
Lande  ohne  jeden  Schutz  am  härtesten  durch  die  brutale  Soldateska 
mitgenommen  wurde,  während  die  Städte,  an  und  für  sich  über  mehr 
Mittel  verfügend,  überdies  mit  Mauer  und  Graben  versehen,  sich  oft 
gegen  einen  raublustigen  Feind  zu  halten  vermochten  oder  auch  sicli 
rechtzeitig  loszukaufen  wußten.   Es  hat  dies  alles  aber  nicht  verhindern 
können,  dafs  auch  so  manche  Stadt  dem  Kriegssturm  zum  Opfer  gefallen 
ist.    Eine  zahlenmäfsige  Bestimmung  des  durch  jenen  Krieg  herbei 
geführten  Menschenverlustes   in   Deutschland   ist   oft   genug  versucht 
worden.    Die  Angaben,  dafs  das  Land  die  Hälfte  oder  fast  zwei  Drittel 
der  Bewohnerschaft   verloren  hätte,  dafs   12 — 13  Millionen  Menschen 
ums  Leben  gekommen  wären,  lassen  sich  nicht  erweisen  und  sind  durch 
aus  haltlos.    Dagegen  liegen  besser  beglaubigte  Nachrichten  wenigstens 
von  einigen  Landschaften  und  Bezirken  vor.    Es  ist  hierbei  zu  berück 
sichtigen,  dafs  innerhalb  der  Bevölkerung  aber  auch  eine  starke  Fluk 
tuation  stattgefunden  hat,  dafs  die  Bevölkerung  sich  vor  den  Drangsalen 
des  Krieges  nach  anderen  Stellen  flüchtete,  und  manches  Dorf,  welches 
vom  Erdboden  verschwand,  hatte  seine  Einwohnerschaft  nur  an  andere 
Ortschaften  abgegeben.    Ein  Rückschlufs  von  der  Anzahl  der  damals 
entstandenen  Wüstungen  auf  einen  entsprechenden  Verlust  an  Menschen 
ist  daher  nicht  immer  zulässig.   Trotzdem  darf  die  Einbufse  an  Menschen 
leben  nicht  unterschätzt  werden,   zumal  nicht  blofs  der  Krieg  direkt, 
sondern  auch  verschiedene  Folgeerscheinungen  des  Krieges,  wie  Hungers 
nöte  und  Krankheiten,  mit  dazu  beigetragen  haben.    Besonders  waten 
es  die  wiederholten  Ausbrüche  der  Pest,  die  seit  1621  in  Deutschland 


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405.  Wüstungen. 


539 


wrieder  in  verstärktem  Mafse  auftrat;  sehr  stark  im  Jahre  1625  und  zwar 
ziemlich  allgemein  (in  Amsterdam,  Kopenhagen,  Rostock,  Bremen,  Berlin, 
Leipzig,  Dresden,  Braunschweig,  Erfurt,.  Halberstadt,  Strafsburg),  ferner 
1634  in  Württemberg  und  Baiern. 

Der  Bevölkerungsstand  von  Deutschland  vor  und  nach  dem  Kriege  läfst 
>ich  mit  einiger  Zu vcrliissigkeit  auch  nicht  annäherungsweise  schätzen.  Scherr 
Deutsche  Kultur-  und  Sittengeschichte,  1897,  S.  323)  gibt  die  Bevölkerung  von 
1618  zu  16 — 17  Millionen  Seelen  an,  welche  bis  zum  Jahre  1649  auf  4  Millionen 
zusammengeschmolzen  sei,  ohne  aber  anzudeuten,  auf  welcher  Grundlage  er  zu 
diesen  Zahlen  gekommen  ist.  —  Für  einzelne  Landschaften  liegen  nähere  An- 
gaben vor,  welche  einiges  Licht  auf  das  Mafsvcrhältnis  der  Verluste  gegenüber 
•lern  früheren  Stande  werfen,    von  Inama- Stern  egg ,  Die  volkswirtschaft- 
lichen Folgen  des  Dreißigjährigen  Krieges,  in  Raumers  Histor.  Taschenb.  1864, 
•S.  14  IT.,  hat  das  einschlägige  Material  zusammengestellt.    In  Wirtemberg  hat 
M  1634  noch  313000  Seelen  gegeben,  die  bis  1641  auf  kaum  48000  zurück- 
gegangen seien  und  bis  1645  sich  wieder  auf  65267  vermehrt  haben.  Von  den 
18158  Einwohnern  des  Kreises  Henneberg  im  Jahre  1631  seien  1649  nur  noch 
5840  übrig  gewesen.    In  der  Lausitz  waren  von  299  Bauern  und  436  Kossäten 
in  21  Dörfern  nach  dem  Kriege  nur  noch  58  Bauern  und  81  Kossäten  vor- 
handen; in  Thüringen  zählte  man  von  1773  Familien  in  19  Dürfern  später  nur 
noch  316.    Im  nassauischen  Flecken  Miehlen  waren  von  130  Haushaltungen 
nur  20  Familien  noch  vorhanden,  und  in  Einrichenhain  im  Amt  Rennerod  war 
alles  bis  auf  eine  Familie  verschwunden.    In  Böhmen  hätte  es  vorher  an 
3  Millionen  Einwohner  gegeben,  nach  dem  Kriege  nur  noch  780000.  —  Die 
Städte  waren  hart  mitgenommen  worden,  wie  die  grofse  Zahl  von  verlassenen 
Häusern    zeigt.    Die  sächsische  Stadt  Freiberg  zählte  im  Jahre  1640  von 
1700  Häusern  kaum  noch  500.    Chemnitz  hat  drei  Viertel  seiner  Häuser  ver- 
loren. Meiningen  hatte  von  seinen  4000 — 5000  Einwohnern  schliefslieh  nur  noch 
1300  behalten  ;  von  600  Häusern  waren  an  350  vernichtet  worden.  In  Göttingen 
lagen  noch  im  Jahre  1664  290  Häuser  niedergerissen,  in  Helmstedt  standen 
1637  295  Häuser  leer.    Ravensburg  in  Schwaben  hatte  seine  wohlhabenden 
1400  Bürger  bis  auf  400  verloren,  Memmingen  zwei  Drittel  seiner  Einwohner 


nügen,  um  die  für  einzelne  Orte  behauptete  Höhe  des  Verlustes  zu  kennzeichnen. 
<janz  unberechenbar  ist  der  materielle  Schaden  an  Gütern  anderer  Art  gewesen. 

405.  Wüstungen.  Nicht  alle  Siedelungen  haben  dauernden  Bestand 
gehabt.  Eine  grofse  Anzahl  von  ihnen,  die  uns  in  historischen  Quellen 
namhaft  gemacht  werden,  ist  spurlos  verschwunden ;  von  anderen  ist 
uns  die  Stelle,  an  der  sie  sich  ehemals  befunden  haben,  noch  bekannt, 
"der  der  Name  lebt  als  Bezeichnung  der  Flur  noch  fort.  Solche  Stellen 
abhanden  gekommener  Ortschafton  bezeichnet  man  als  >  Wüstungen, 
Odungen ,  ab-,  aus-,  eingegangene  oder  abgekommene  Orte,  vi  IIa 
deserta  oder  desolata,  vastitudo  .  Ein  spurloses  Verschwinden 
ist  natürlich  nur  bei  Kleinsiedelungen,  wie  Dörfern,  Weilern,  Einzel- 
höfen etc.,  möglich  gewesen;  doch  hat  dieses  Schicksal  auch  gröfsere 
Ortschaften  (kleine  Städtchen)  betroffen,  wenn  dies  auch  nur  seiton  der 
Fall  war.  —  Die  volkstümliche  Auffassung  hat  das  Entstehen  solcher 
Wüstungen  allgemein  auf  den  Dreilsigjährigen  Krieg  zurückgeführt.  Dafs 
unter  den  Greueln  dieses  Krieges  die  Bewohnerschaft  ganzer  Dörfer  bis 
auf  den  letzten  Insassen  aufgerieben  worden  ist,  oder  dafs  jene  aus 
Furcht  ihre  Siedelung  freiwillig  verlassen  haben,  ohne  je  wieder  zurück- 


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540  XII.  Kulturgeogniphie  um  das  Jahr  1650. 

zukehren,  ist  an  zahlreichen  Beispielen  nachzuweisen.  Der  starke  Hück 
gang  der  Bevölkerungsziffer  macht  ohnedies  das  Verschwinden  von  Ort 
schatten  erklärlich.  Es  hat  sich  indessen  herausgestellt,  dafs  ungleich 
mehr  Dörfer  schon  in  den  voraufgehenden  Jahrhunderten  eingegangen 
sind,  und  dafs  der  Dreilsigjährige  Krieg  jedenfalls  nur  einen  Bruchteil 
an  Wüstungen  beigesteuert  hat.  Das  XIII.  und  XIV.,  aber  auch  die 
beiden  nachfolgenden  Jahrhunderte  haben  besonders  viele  Ortschaften 
vom  Boden  verschwinden  lassen.  Die  Ursachen  hierfür  scheinen  je- 
weilig auch  verschiedene  gewesen  zu  sein;  nicht  immer  sind  sie  auf 
kriegerische  Ereignisse  zurückzuführen. 

Über  den  Begriff  der  Wüstung  vgl.  H.  Besch orn er,  Denkschrift  übet 
d.  Herstellung  eines  histor.  Orteverzeichnisses  für  das  Kgr.  Sachsen,  Dresden 
1903.  S.  16.  Ders. ,  Die  Wüstungen  und  ihre  Entstehung,  Montags-Beil,  des 
Dresdener  Anzeigers,  16.  Juni  19U2.  Ferner  G.  von  Below,  Territorium  u. 
Stadt,  190<>,  S.  55,  Anmkg.  2.  Weitere  Literaturangaben  in  den  genannten  Ab- 
handlungen. 

Was  die   Ursachen   des    massenhaften   Versehwindens  von  Ortschaften 
anbelangt,  so  sind  sie  ohne  Zweifel  zu  einem  grofsen  Teil  1.  auf  kriegerische 
Verwüstungen  zurückzuführen,  und  die  früheren  Kriege  haben  hier  ebensoviel 
verschuldet  als  der  Dreifsigjiihrige  Krieg.  In  der  Altmark  stammen  die  meisten 
Wüstungen  aus  der  Zeit  nach  dem  Tode  des  Markgrafen  Waldemar.  Im  Dreißig- 
jährigen Krieg  dagegen  ist  nur  ein  einziges  Dorf  untergegangen  (Danneil  in 
Ledeburs  Archiv  IV,  208).    Bessen  (Gesch.  d.  Bist.  Paderborn  I,  284  f.)  führt 
mehrere  schon  vor  1375  durch  Krieg  untergegangene  Orte  im  Paderbornischen 
auf,  unter  anderen  auch  eine  Stadt  Blankerode  auf  dem  Gipfel  eines  Berges 
zwischen  Kleinenberg  und  Stadtberg.    Gelegentlich  der  Fehde  des  Erzbisehof > 
Theoderich  von  Cöln  (XV.  Jh.)  wurden  in  der  Grafschaft  Pyrmont  80  Dörfer 
verbrannt,  von  denen  nur  10  wieder  aufgebaut  worden  sind.  —  2.  Eine  andere 
tiefgreifende  Ursache  war  die  Gründung  von  neuen  Städten  und  die  Ver 
gröfserung  schon  bestehender.    In  Hessen  entstammen  die  meisten  Städte  dem 
XIII.  und  XIV.  Jh.,  und  ihre  Bevölkerung  wurde  aus  den  benachbarten  Dörfern 
beschafft,  die  sogleich  oder  nach  und  nach  verschwanden  und  ihre  Fluren  an 
den  Stadtbezirk  anschlössen.    Je  mehr  Städte  aufkamen,  um  so  mehr  Dörfer 
wurden  verlassen.    Neben  der  grösseren  Sicherheit  und  Schutz  vor  Bedrückung 
waren  es  auch  die  günstigeren  Lebens-  und  Erwerbsverhältnisse  der  Stadt,  dit- 
den  Dorfbewohner  hierzu  anreizten.    Wie  mehrere  Dörfer  sich  zu  einer  Stadt 
zusammenschlössen,  so  vereinigten  sich  auch  mehrere  kleine  Dörfer  zu  einem 
grofseren,  wobei  ebenfalls  der  Gesichtspunkt  des  gröfseren  Schutzes  mafsgebend 
war.  —  3.  Ein  weiterer  Grund  für  die  Entstehung  von  Wüstungen  war  die 
Ungunst  der  geographischen  Lage,  sei  es  dafs  diese  durch  klimatische  Verhält 
nisse  oder  durch  zu  schlechten  Boden  sich  bemerkbar  machte.    Besonders  im 
Walde  oder  auf  rauhen  Gebirgen  angelegte  Orte  hatten  hierunter  zu  leiden 
und  wurden  deshalb  verlassen ;  schon  für  das  XII.  Jh.  liegen  Beispiele  vor. 
Vgl.  über  diese  Frage  im  allgemeinen  Arnold,  Ansiedelung,  u.  Wanderungen 
dt,  Stämme,  S.  597— 604.  Die  rein  geographischen  Ursachen  betont  A.  Grund. 
Die  Veränderungen  der  Topographie  im  Wiener  Walde  und  Wiener  Becken 
(Pencks  Geogr.  Abhandlngn.  VIII,  1),  Lpz.  1901,  S.  121  —  139.    Im  übrigen  s 
auch  Landau,  in  Z.  d.  Ver.  f.  hess.  Gesch.  VII,  381  IT. 

Vollständige  Wüstungsverzeichnisse  liegen  uns  von  nur  wenigen  J-m«l 
schatten  vor;  überdies  ist  die  Literatur  sehr  zerstreut.  Das  nachfolgende  Ver 
zeiehnis  kann  natürlich  nicht  auf  Vollständigkeit  Anspruch  machen.  Im  übrigen 
vgl.  Grund  L  c.  der  auch  vereinzelt»-  literarische  Notizen  noch  aufführt. 

J.  Plafs,  Untergegangene  Orte  in  der  Oberpfalz.  Verhdl.  d.  hist.  Ver 
d.  Oberpf.,  49.  231—  2G8.  Heintz,  Verschollene  pfälzische  Ortsnamen.  Mittlen 


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405.  Wüstungen. 


541 


hist.  Ver.  d.  Pfalz,  V,  49  ff.  Straub,  Die  abgegangenen  Orte  des  Elsafs, 
Strafsburg  1887.  Poinsignon,  Ödungen  und  Wüstungen  im  Breisgau,  Z.  f. 
Gesch.  d.  Oberrheins,  II  (1887).  Baumann,  Abgegangene  und  unbenannte 
Orte  der  badischen  Bar  u.  d.  Herrschft.  Hewen,  in  s.  Forsch,  z.  Schwab.  Gesell., 
1899,  343 — 364.  Bossert,  Abgegangene  Orte  in  Franken.  Uers.,  Zur  Topo- 
graphie von  Württembg.  Franken,  1881.  Pregizer,  Verzeichnis  alter,  nament- 
lich abgegangener  Burgen.  Württembg.  Jahrbb.  f.  Statist,  u.  Landeskde.,  1880, 
Suppl.,  S.  91  ff.  Sehäffler  und  Brandl,  Über  die  Konstatierung  von  Wü- 
stungen im  bair.  Kreis  Unterfranken  u.  Aschaffenburg.  Löhers  Archiv.  Z., 
1880,  V,  205  ff.  Schranzhuf  er,  Abgekommene  Ortschaften  im  Gerichtsbez. 
Schwechat,  Bll.  f.  Ldkde.  Nied.-Österr.,  1881.  Ebenda  1882,  1883  Artikel  von 
Neill. 

Wenck,  Hessische  Landesgeschichte  I,  S.  28,  Cber  die  Wüstungen  der 
Gfsch.  Kat/.enellenbogen.    E.  von  Sobbe,  Ausgegangene  Ortschaften  u.  An- 
siedelungen in  der  Umgebung  von  Salzkotten,  in  der  Z.  f.  G.  u.  Alt.  v.  Westfal., 
35  ßd.    Nachträge  hierzu  im  50.  Bd.  (1892),  2  Abt.,  153  ff.  Schwanold, 
Fürstentum  Lippe,  1899,  S.  84:  Die  Wüstungen  das.   Wagner,  Die  Wüstungen 
im  Grofsherzogtum  Hessen.    Darmstadt  1854,  62,  65.    L  a  n  d  a  u ,  Histor.-topogr. 
Beschreibg.  der  wüsten  Ortschaften  im  Kurfürstentum  Hessen.    Cassel  184*. 
Hof fme ister,  Flurbenennungen  aus  dem  Amtsbez.  Wetter,  Z.  hess.  Gesch., 
X.  238—261.  Lyncker,  Die  Wüstg.  Schützeberg  bei  Wolfhagen,  Z.  hess.  Gesch.. 
VI,  105 — 119  (1*854).    Armbrust,  Verschwundene  Burgen  u.  Ortschaften  bei 
Melsungen.  Hessenland,  X  (1896),  6,  20.    Weber,  Über  die  Wüstg.  Berring- 
hausen, Z.  hess.  Gesch.,  VI,  350.    Max,  Die  ausgegangenen  Orte  des  Fürstent. 
'»rubenhagen,  in  dessen  Gesch.  d.  F.  Grub.,  I,  492 — 535    Lüntzel,  im  2.  Jahres- 
l>er.  d.  Ver.  f.  Kunde  der  Natur  u.  Kunst  in  Hildesheim  (30.  Juli  1846).  von 
Mengershausen,  Wüste  Ortschaften  im  Fürstent.  Göttingen,  Neu.  vaterl. 
Areh.  1832.  II,  282.    Grotefend,  Wüstg.  Loese  bei  Catlenburg,  Z.  h.  Ver. 
Niedersachs.,  1853,  224.    Fiedler,  Die  jetzt  wüsten  Ortschftn.  Gilgen,  Soersen, 
Golzheimer,   Ankensen,  Pewelschmehr ,  Z.  h.  V.  Niedersachs.,   1873,   125  ff. 
Dürre,  Wüstgn.  des  Kreises  Holzminden,  Z.  h.  Ver.  Niedersaehs.,   1878,  175 
bis  223.    Bode  mann,  Wüste  Ortschaften  in  d.  Prov.  Hannover  (1715),  in 
L  h.  V.  Niedersachs.,  1887,  242—255.   Deppe,  Wüstgn.  im  Kreise  Güttingen, 
Prot.  bist.  Ver.  Göttingen  4,  26-86. 

We  rneburg.   D.  Namen   der  Orte  u.  Wüstgn.  Thüringens,  m.  1  K., 
lahrbb.  Erfurt.  Akad.,  N.  F.  XH  (1884),  1  -213.    von  Wi  ntzingeroda- 
fvnorr,  D.  Wüstungen  des  Kreises  Duderstadt,  Heiligenstadt,  .Mühlhausen  und 
Worbis  (im  Erscheinen).    Weyhe,  Wüstgn.  in  und  am  Klinkener  Luch,  Anh. 
f  L.  u.  Volkskde.  d.  Prov.  Sachs.,  IX  (1899),  89  ff.    Reise  hei,  D.  Wstg. 
Breitenfurt  bei  Wenigensömmern,  Mitt.  Ver.  Ekde.  Halle,  1897,92.    Reise  hei, 
0.  Wstg.  Sömmeringen  bei  Papstorf  im  Kr.  Osehersleben,  Mitt.  V.  Ekde.  Halle 
1897,  74.    Hertel,  Die  Wüstungen  im  Nordthüringgau,  1899.  Groefsler, 
l'rkundl.  Nachweise  über  den  Lauf  der  Saale  und  die  an  demselben  gelegenen 
Wüstungen,  Arch.  f.  L.  u.  Volkskde.  d.  Provinz  Sachsen,  VII  (1897).  Lange, 
Wüste  Dorfstätten  der  Mosigkauer  Heide,  Mittlgn.  Ver.  f.  anhält.  Gesch.  III, 
236.    Stenzel,  Zur  Gesch.  der  Wüstgn.  Anhalts,  Mittlgn.  Ver.  f.  anhält.  Gesch., 
VI,  114  ff.,  323  ff,  337  ff.  Schulze,  Bedeutung  der  Namen  einiger  anhaltischer 
Ortschaften  u.  Wüstungen  vor  dem  Harz,  Mittlgn.  Ver.  f.  anhält.  Gesch.,  III, 
598.     Schulze,  Bedeutung  der  Namen  der  auf  «lern  anhält.   Harz  befind]. 
Wüstgn.,  Mittlgn.  Ver.  f.  anhält.  Gesch.,  IV  81  ff.    F.  Crull,  Untergegangene 
Ortschaften,  Jbb.  Ver.  mecklenbg.  Gesch.  Schwerin  1896,  Nr.  9,  10.  Winter, 
We  eingegangenen  Ortschaften  zwischen  Elbe,  Saale.  Bode  u.  Sülze,  in  Gesch. - 
RH.  f.  St.  u.  Ld.  Magdeburg  18(58,  345—365,  473—199.    Theune,  Wedders- 
ieben, eine  Wüstg.,  Harz  Z.  1880,  353.    Schönermark,   Die  Wüstgn.  des 
I larzgebirges  (Rheinbaeh  1897,  nicht  sorgfältig  genug,  cf.  Harz-Z.  1898,  356). 
von  Mülverstedt,  Die  wüsten  Dörfer  Rosten  u.  Bösen,  Gesch. -Bll.  f.  Magdebg. 
1868,   471  f.     Meyer,  Wüstg.  Gruba,  Gruve,  Grovinge,  Harz-Z.  1875,  300 


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542  XII   Kultuiyeo^niphio  um  das  Jahr  1650. 

K.  Mever,  Wüßtgn.  der  Gfseht.  Stolberg,  Rofsla  u.  Hohnstein,  mit  Karte, 
Harz  Z.*  1871,  249—290;  1877,  111  ff.  Koch,  Wüstg.  Riesleben  im  Amte 
Heringen,  Harz-Z.  1871,  122.  Janieke,  Wann  ist  Klein-Salbke  eingegangen, 
Gesch.-Bll.  f.  Magdeburg,  1868,  282.  Jacobs,  Die  Wüstungen  Ribbenrode 
(Rimmerode)  u.  Nordler  in  der  Gfseht.  Wernigerode,  Harz-Z.  1897,  485.  Hertel, 
Wüstgn.  im  Jerichowschen,  Gesch.-Bll.  f.  Stadt  und  Land  Magdeburg  34  (1899), 
206 — 327.  Dietrich,  Die  Wüstung  Cyprehna  bei  Barby,  Bl.  f.  Handel,  Ge- 
werbe u.  soz.  Leb.,  Nr.  20,  21,  S.  148  f.,  158  f.  Gröfsler,  Wüstgn.  des  Friesen- 
feldes u.  Hassegaues,  Harz-Z.  1875.  335—424;  hierzu  Nachtrag  ibid.  1878,  119 
bis  231. 

Ziegenmeyer,  Wüstgn.  im  Hzgt.  Braunschw.  zwischen  Weser  u.  Leine. 
Z.  h.  V.  Niedersachs.  1892,  350  ff.  Dürne,  Wüstungen  um  Braunschweig 
Z.  h.  V.  Niedersachs.  1869,  67.  H.  von  Strombeck,  Wüste  Dörfer  im 
Braunschw.  Amtsger.  Vorsfelde,  Z.  h.  V.  Niedersachs.  1864,  1  ff.  Ziegen- 
meyer,  Wüstg.  Kegelhausen  im  Braunschw.  Solling.  Z.  h.  V.  Niedersaehs. 
1886,  324.  II.  Mommscn,  Verschwundene  Ortschaften,  Niedersachsen  HI. 
S.  12  ff.  Sehr  oeder,  Wo  lag  d.  verscholl.  Dorf  Heybecke,  Arch.  Ver.  f.  Gesch. 
zu  Stade  1881,  91.  Günther,  Wüstgn.  Odenhusen  u.  Oydeshusen,  Z.  h.  V 
Niedersachs.  1883,  280  ff.  Fromme,  D.  wüsten  Orte  im  Gebiete  des  Marsthem. 
Z.  h.  V.  Niedersaehs.  1884,  118 — 153.  Plettke,  Untergegangene  Dörfer  im 
Hzgt.  Bremen,  Niedersachs.  III,  132.  Buchenau,  Verschollene  Dörfer  im 
Gebiete  Bremen,  Bremer  Jb.  1886,  85—119,  1900,  94—114. 

406.  Landwirtschaft.    Der  grofse  Krieg  hatte  auf  <üe  landwirt 
sebaftliche  Bodennutzung  einen  tiefgreifenden  Einflufs  gehabt.  Das  Aus 
gehen  ganzer  Dorfschaften  mit  ihren  Insassen  hatte  dem  offenen  Lande 
die  Arbeitskräfte  entzogen,  und  ein  grofser  Teil  der  Acker  blieb  un- 
bestellt.   Die  bedeutsamste  Folge  des  Krieges  war  die  Abnahme  der 
bebauten  Fläche.    Wir  sind  freilich  nicht  mehr  in  der  Lage,  die 
A realgröfse  des  wüst  gewordenen  Landes  zahlenmäfsig  zu  bestimmen, 
doch  mufs  sie  mit  Rücksicht  auf  das  nachgewiesene  Eingehen  so  vieler 
Siedelungen  und  die  späteren  Mafsnahmen  einer  erneuten  Kultivierung 
sehr  beträchtlich  gewesen  sein.    Jedenfalls  liefs  das  freie  Land  weit 
mehr  als  die  Städte  die  Spuren  des  Krieges  erkennen.    Viele  Acker 
felder  füllten  sich  mit  wildwachsenden  Sträuchern  und  fingen  an  sich 
wieder  zu  bestocken.    Anderseits  scheint  die  durch  die  Umstände  ver- 
anlafste  lange  Zeit  der  Brache  für  die  Kräftigung  des  Bodens  nicht  ohne 
Vorteil  gewesen  zu  sein,  denn,  er  war  fruchtbarer  als  vorher  geworden, 
und  einige  Jahre  nach  dem  Kriege  konnte  der  frühere  Zustand  wieder 
hergestellt  worden,  wenn  auch   nicht  in  der  ganzen  Ausdehnung.  — 
Der  Druck,  der  auf  der  ganzen  Landwirtschaft  nach  dem  Kriege  lastete 
hing   noch   mit   anderen    Faktoren   zusammen.    Die  Gewerbe    in  den 
Städten    lagen    darnieder,   es   fehlten   die   regen  Wechselbeziehungen 
zwischen  Stadt  und  Land;  durch  die  Verarmung  der  Bürger  wurde  die 
Nachfrage  nach  den  Landesprodukten  geringer,  die  Fruchtpreise  sanken 
und  erschwerten  es  dem  Bauer,  sich  wirtschaftlich  wieder  aufzuraffen 
Vor  allem    war  der  Viehstand   zurückgegangen,   die   Schafzucht  fast 
ruiniert,  so  dal's  die  ehemals  blühende  Tuchfabrikation  zum  Stillstand 
kam.  So  waren  die  wirtschaftlichen  Wechselbeziehungen  zwischen  Stadl 
und  Land  an  vielen  Orten  ganz  aufgehoben. 


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407.  Wald. 


543 


Der  Mangel  an  Vieh  hatte  einen  Mangel  an  Dünger  zur  Folge.  Von 
einer  Wiesenkultur  konnte  man  Abstand  nehmen,  denn  das  nötige  Futter  war 
für  das  wenige  Vieh  sehr  leicht  zu  beschaffen ;  nur  solche  Länder,  in  denen 
die  Viehzucht  immer  schon  herrschte,  wie  die  Marschen,  Österreich  und  überhaupt 
die  Alpenländer,  behielten  die  Wiesenarbeiten  bei.  Mit  Ausnahme  von  Sachsen 
und  Thüringen,  wo  die  Tuchfabrikation  sich  zu  behaupten  wufste,  lag  vom 
ganzen  Norden  Deutschlands  der  dritte  Teil  alles  früher  bebauten  Landes  wüst 
da.  Die  Fürstentümer  Calenberg,  Grubenhagen  und  Göttingen  besafsen  der 
Wüstungen  so  viele,  dafs  sich  Wölfe  dort  einfanden ;  denn  Wolfsjagden  kamen 
in  diesen  Gegenden  nach  dem  Kriege  öfters  vor.  Die  Wölfe  hatten  sich  nach 
dem  Kriege  besondere  im  Waldeckschen  stark  vermehrt.  Sie  wagten  sich  bis 
in  die  Städte  (so  in  Rhoden  1652).  Auch  der  Bär  war  damals  noch  im  Böhmer- 
walde und  Fichtelgebirge  stark  vertreten.  —  Im  Süden  Deutschlands  lagen  che 
Verhältnisse  nicht  besser,  zumal  wie  im  Rheingebiet  neue  Kriege  und  Ver- 
heerungen eintraten.  Österreich  und  die  Alpenländer  waren  in  dieser  Beziehung 
glücklicher  gewesen,  da  nur  Niederösterreicn  unter  dem  Kriege  zu  leiden  hatte; 
freilich  waren  auch  sie  von  Truppendurchzügen,  Bauernaufständen,  Einwohner- 
verlusten nicht  verschont  geblieben.  Langethal,  IV,  77  f.,  sowie  56  ff. 
v.  d.  Goltz,  I,  235 — 247,  Roscher,  Gesch.  der  Nationalökonomie  in  Deutsch- 
land, 1874,  8.  219  ff.,  Erdmannsdorf  er,  Dt.  Gesch.  v.  Westf.  Frieden  I, 
104  ff. 

Dafs  der  wirtschaftliche  Betrieb  (besonders  auch  nach  der  technischen 
Seite  hin)  keine  erheblichen  Veränderungen  und  Fortschritte  gegenüber  den 
voraufgelienden  Perioden  erfahren  hatte,  lag  in  den  Zeitumständen,  die  für 
solche  Dinge  wenig  Mufse  übrigließen.  Gleichwohl  ist  zu  bemerken,  dafs  an 
verschiedenen  Orten  trotz  der  Kriegswirren  auch  Neukulturen  vorkamen,  dafs 
man  sieh  an  die  Bonitierung  von  Natur  weniger  günstig  beanlagter  Örtlich- 
keiten machte.  Zu  diesen  gehörten  die  Moorgebiete  im  nordwestlichen  Deutsch 
land.  Osterholz  1185  und  Lilienthal  1230  sind  als  Klöster  die  ersten  Siede- 
lungen  im  Teufelsmoor  bei  Bremen  gewesen.  Bald  nachher  wird  auch  Worps- 
wede genannt.  Seit  dem  Ende  des  XVI.  Jh.  machte  man  von  der  Geest  aus 
in  das  Teufelsmoor  vorstofsend  Kolonisierungsversuche.  zuerst  1582.  Besonders 
der  östliche  Rand  des  Teufelsmoores  (Oberende)  war  in  Angriff  genommen 
worden.  Die  Entwässerimg  war  hier  sehr  leicht.  Bis  ins  XVII.  Jh.  wurden 
die  Moore  nur  zum  Torfgraben  benutzt.  Erst  1633  gedachten  einige  Em  der 
Bürger  den  abgegrabenen  Untergrund  zur  Kultur  zu  verwerten.  Sie  erhielten 
einen  Teil  des  Hochmoores  bei  Timmel  in  Erbpacht,  gruben  den  Kanal,  errichteten 
Wohnungen  and  legten  so  den  Grund  zum  Grofsen  Fehn.  Rasch  folgten 
andere  nach:  1637  das  Lübbcrs-Fehn,  1639  Hülner-Fchn,  1647  Bokzeteler- 
Fehn,  1660  Neues  Fehn.  Auch  der  Kanal  des  Rauder- Fehns  ward  begonnen, 
doch  erst  ein  Jahrhundert  später  vollendet,  Die  alte  Papenburg  stand  auf 
«lern  sog.  Thurmwarf  und  war  das  einzige  Gebäude  der  Gegend  im  Moor. 
1631  erstand  Dietrich  von  Velen,  münsterscher  Drost  des  Emslandes,  das  Gebiet, 
und  legte  den  Kanal  an  bis  an  das  alte  Haus  Papenburg.  Einzelne  Häuser  erhoben 
»ich.    ha  Jahre  1661  waren  es  15,  1674  34  Häuser.  Klopp,  Ostfricsl.  II,  430  f. 

407.  Wald.  Erst  in  dieser  Periode  war  man  zu  einer  rationellen 
Waldwirtschaft  fortgeschritten,  und  die  vorteilhaften  Wirkungen  wären 
noch  mehr  hervorgetreten,  wenn  sie  nicht  durch  Kriege  und  Hemmnisse 
anderer  Art  wieder  stark  beeinträchtigt  worden  wären.  Eine  wirkliche 
Besserung  war  aber  auch  erst  möglich  geworden,  seitdem  die  Landes- 
herren im  Besitz  der  Forsthoheit  ihre  wirtschaftlichen  Mafsregeln  mit 
Erfolg  durchsetzen  konnten.  Es  ist  begreiflich,  dafs  bei  der  gewaltigen 
Ausdehnung  des  hier  zu  berücksichtigenden  Gebietes  die  Wirkungen 
nicht  überall  gleichmäfsig  sich  geltend  machen  konnten,  dafs  auch  eine 


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544 


XII.  Kulturgcographie  um  das  Jahr  1650. 


völlige  Umkehr  der  Wirtschaftsverhältnisse  nicht  sozusagen  im  Hand 
umdrehen  zu  erwarten  war.    Die  schnelle  Aufeinanderfolge  der  nun- 
mehr erscheinenden  Forstordnungen  beweist,  wie  dringend  notwendig 
Abhülfe  geboten  war;  fast  alle  beginnen  mit  Klagen  über  den  entsetz 
lieh   verwahrlosten  Zustand  der  Wälder.    Die  Rodungen,  wie  sie  im 
früheren  Mittelalter  im  grofsen  Stile  ausgeführt  worden  sind,  waren  zwar 
längst  eingestellt  worden,  da  man  im  XIV.  und  XV..  Jh.  sein  Augen 
merk  schon  mehr  auf  die  Erhaltung  der  Waldungen  richtete;  dies  hin- 
derte aber  nicht,  dafs  nach  wie  vor  gerodet  wurde  und  gerodet  werden 
mufste,  um  den  Ansprüchen  der  zunehmenden  Bevölkerung  zu  genügen 
Solche  Eingriffe  in  den  Wald  zur  Gewinnung  von  Kulturland  geschahen 
in  gröfserem  Umfang  schliefslich  noch  bis  in  das  XVIII.  Jh.  hinein, 
aber  ihre  Ausführung  war  insoweit  streng  geregelt,  als  jede  Rodung  er>t 
die  Genehmigung  des  Landesherrn  erfordere.  Nur  in  den  abgelegensten 
schwer  zugänglichen  Winkeln  des  Hochgebirges,  besonders  in  den  Alpen 
konnten  Lichtungen  nach  Belieben  noch  vorgenommen  werden.  Ab 
gesehen  von  den  systematischen  Rodungen  hatte  der  zunehmende  Holz- 
konsum den  Wald  stark  gelichtet.   Jene  Gebiete,  in  welchen  Handel  um! 
Industrie  blühten,  die  an   grofsen  Wasserstrafsen  gelegen   waren.  un<! 
namentlich  solche,  in  welchen  Bergbau  und  Ilüttenbetrieb  grofse  Hol/ 
massen  erforderten,   eilten  anderen   um  Jahrhunderte  voraus.     Im  all 
gemeinen  kann  man  sagen,  dafs  das  mittlere  und  westliche  Deutschland 
bereits  im  XVI.  Jh.  jene  Stufe  forstlicher  Kultur  einnahmen,  welch* 
der  Norden  und  Nordosten  erst  im  XVIII.  Jh.  erreichten  (Schwap- 
pach  381).    Der  ganze  Osten  mufs,  trotzdem  auch  für  ihn  Wahlord- 
nungen  in   grofser   Zahl   erstanden,   unvergleichlich   viel  waldreich« 
gewesen  sein  als  der  Westen.    Aus  den  preufsischen  Waldungen  bezoj: 
die  Hansa  noch  immer  ihren  grofsen  Bedarf  an  Schiffsbauholz.  Bert 
bau  und  Hüttenbetrieb  blühten  dagegen  mehr  in  Süd-  und  Mitteldeutsch 
land  und  hatten  eine  entsprechende  Schädigung  des  Waldes  zur  Folge; 
da  jeno  eine  vorzügliche  Einnahmequelle  bildeten,  so  ordnete  man  ihn«, 
den  Forstbetrieb  unter.   Die  Waldordnung  für  das  Erzstift  Salzburg  von 
1524  gibt  nicht  nur  Vorschriften  über  die  Nutzung  der  landesherrlichen 
Waldungen,  sondern  schreibt  auch  Privaten  den  Absatz  des  Holzes  im 
Interesse  dos  Bergbaues  und  der  Salzsiedereien  genau  vor.    Der  Ein 
Hufs,  den  der  Dreifsigjährige  Krieg  auf  den  Zustand  der  Wälder  au- 
geübt  hat,  wird  von  den  Forschern  sehr  verschiedenartig  beurteilt ;  bah" 
sieht  man  in  ihm  die  vornehmliche  Ursache  des  weiteren  Niedergange- 
der  Waldwirtschaft,   bald  will  man  in  ihm  eine  vorteilhafte  Schonzeil 
herauserkennen.    Jedenfalls  hat  sich  der  Krieg  in  den  einzelnen  Ge- 
bieten, was  die  Wähler  anbelangt,  in  sehr  verschiedenem  Mafse  bemerk 
bar  gemacht,  und  auch  die  Länge  der  Zeit,  während  deren  die  Kriege 
furie  wütete,  mufs  hierbei  Berücksichtigung  finden.    Für  das  sonst  holz 
reiche  Münsterland  ist  er  sehr  verhängnisvoll  geworden;  auch  das  mittlere 
Emsgebiet  zwischen  Rheine  und  Meppen  mufs  damals  die  empfindlichst* 
Einbufse  erfahren  haben,  die  auch  heute  noch  nicht  gehoben  ist.  Fälle 
dieser  Art  Uelsen  sich  in  stattlicher  Zahl  zusammenstellen.   Oft  mufsten 


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407.  Wald. 


545 


die  Landbewohner  mit  ihrer  Habe  vor  den  sengenden  und  mordenden 
Soldatenhorden  in  die  Waldesdickichte  flüchten,  die  sie  durch  lange 
dauernden  Aufenthalt  natürlich  verwüsteten;  auch  der  Verbrauch  des 
Holzes  seitens  des  Militärs  sowie  die  drückenden  Kriegskontributionen, 
die  meist  durch  den  Ertrag  der  Waldungen  gedeckt  wurden,  trugen  das 
Ihrige  dazu  bei.  Auf  der  anderen  Seite  wird  hinwiederum  die  gute  Ver- 
fassung des  Waldes  vor  und  nach  dem  Dreifsigjährigen  Kriege  hervor- 
gehoben. Über  die  GröTse  des  Holzvorrates  vor  dem  Kriege  geben  uns 
freilich  die  Quellen  keinen  direkten  Aufschlufs;  aber  eine  übergrofse  . 
Ausnutzung  war  wegen  des  Mangels  an  Transportwegen  (mit  Ausnahme 
der  Wasserläufe)  nicht  vorhanden  (Enders,  S.  105,  138).  Ja,  während 
des  Krieges  mufs  der  Wald  in  einzelnen  Landschaften  an  Areal  und 
Holzmasse  gewonnen  haben,  da  die  Bevölkerung  an  Zahl  abgenommen 
hatte  und  die  Wüstungen  sich  in  Wald  verwandeln  konnten.  Roscher 
sagt:  >Es  ist  charakteristisch,  wenn  der  Grofse  Kurfürst  durch  Verord- 
nungen von  1663  und  1664  wieder  eine  Politik  des  Waldrodens  und 
der  Waldkolonisation  einschärfen  mufste,  während  vor  dem  Kriege  in 
vielen  Teilen  Deutschlands  Symptome  drückender  Holzteuorung  Vor- 
gekommen waren.« 

Was  die  Neubewaldung  abgeholzter  Stellen  anbelangt,  so  überliefs 
man  sie  meist  der  Natur.    Höchstens  liefs  man  einzelne  Samenbäume 
zurück,  die  in  kürzester  Zeit  rings  um  sich  her  einen  neuen  Baum- 
anflug schufen;  da  vereinzelte  Bäume  aber  durch  Stürme  immer  sehr 
gefährdet  waren,  so  schritt  man  auch  zum  Überhalt  ganzer  Horste,  die 
teils  zur  Wiederbesamung,   teils  als  Windschutz  dienen  sollten.  An 
anderen  Orten  befolgte  man  wieder  andere  Systeme.     Besonders  die 
Verjüngung  des  Nadolwaldes  überliefs  man  sich  selbst.    Doch  war  künst- 
liche Verjüngung  durch  Saat  nicht  ausgeschlossen,  wie  dies  auch  in  der 
vorhergehenden  Periode  schon  beobachtet  werden  konnte,  und  besonders 
in  Süddeutschland  wurde  sie  ausgeübt.  Am  Ende  des  XVI.  Jh.  wurden 
auch  in  Schleswig-Holstein  die  ersten  Nadelholzkulturen  angelegt.  Beim 
Laubholz  gestaltete  sich  die  Verjüngung  günstiger,  da  auch  die  zurück- 
bleibenden Stöcke  von  neuem  ausschlagen  konnten  und  überhaupt  kürzere 
l  Tmtriebszeiten  ermöglicht  wurden.   Nebenbei  wurde  aber  durch  Saat 
und  Pflanzung  auch  die  künstliche  Verjüngung  besonders  von  Eichen 
eifrig  betrieben. 

über  die  Quellen  orientieren  Schwappach,  S.  280  ff.,  und  Roth, 
S.  397  ff.    Am  wichtigsten  sind  hier  die  Forst-  oder  Waldordnungen  der  ver- 
schiedenen Landesherren ;  schon  im  XVI.  Jh.  treten  sie  in  grofser  Fülle  auf. 
Roth,  S.  400 — 457,  bespricht  einen  grofsen  Teil  von  ihnen  und  gibt  S.  397  ein 
Verzeichnis  der  wichtigeren  vom  XVI.  Jh.  an.  Sammlungeiuvon  Forstordnungen 
sind:    das  Corpus  juris  Venatorio-forestalis  tripertitum  .  .  .  editum  opere  et 
studio  Ahasveri  Fritschii,  Jena  1676  (2.  Aufl.,  Leipzig  1702).  Müllenkampf. 
Sammlung  der  Forst-  und  Jagdordnungen  verschiedener  Länder,  2  Tie.,  1791, 
1796.  —  Forstarchiv  zur  Erweiterung  der  Forst-  und  Jagdwissenschaft  und 
der  Forst-  und  Jagdliteratur,  hcrgb.  von  Moser,  17  Bde.,  Ulm  1788—1796;  Fort- 
setzung von  Gatterer,  Neues  Forstarchiv,  1796 — 1807. — Behlen  und  Laurop, 
Systematische  Sammlung  der  Forst-  und  Jagdgesetze  deutscher  Bundesstaaten 
von  den  ältesten  bis  auf  die  neuesten  Zeiten,  4  Bde.  (enthaltend  Baden,  Nassau. 

Kretschmer,  Historische  Geographie.  35 


v     -.'  i  V        i -"  ii "iM-ini*  i  - 1 


546 


XII.  Kulturgeographie  um  da»  Jahr  1650. 


Raiern),  1827  ff.  Eine  erneute  Durcharbeitung  der  Forstordnungen  würde  au«'n 
viele  geographisch  interessante  Einzelheiten  zu  Tage  fördern.  Über  Polizei 
Ordnungen,  \Veistümcr,  Waldbeschreibungen,  Waldbesichtigungsprotokolle  vgl 
Schwappach,  L  c.  —  Die  älteste  unter  den  erhaltenen  Forstordnungen  ist  die 
des  Erzbisehofs  Matthäus  Lang  in  Salzburg  von  1524  und  für  Brandenburg 
> unterhalb  des  Gebürgs*  (Ansbach)  von  1531. 

Die  Hauptnutzungen  im  Walde  waren  im  XV.  und  XVI.  Jh.  unbedingt 
das  Holz  und  die  Mast.  Alle  anderen  Nutzungen  waren  nebensächlich.  Auch 
die  Zeidelweide,  die  im  XIH.  und  XIV.  Jh.  Gegenstand  der  Verpfändung  eint> 
ganzen  Waldkomplexes  war  (Nürnberger  Reichswald),  war  nicht  mehr  Haupt 
nutzung.    Enders,  Waldbenutzung,  8.  114. 

408.  Bergbau.  Während  dieser  Periode  war  das  Bergwesen  in 
seiner  Entwickelung  rüstig  fortgeschritten  und  durch  Wiederaufnahm^ 
älterer  Bergbaubezirke  auch  zu  weiterer  Entfaltung  und  Blüte  gelangt 
Die  Drangsale  des  Krieges  hatten  ihr  aber  mannigfachen  Abbruch 
getan,  so  dafs  der  Bergbau  sich  gerade  am  Schlufs  dieses  Zeitraum* 
nicht  im  glänzendsten  Lichte  zeigt. 

Der  Erzbergbau  im  Oberharz  läfst  sich  in  seinen  Anfängen  bis  in 
das  XIII.  Jh.  zurück  verfolgen;  die  Pest  des  Jahres  1348  brachte  ihn 
aber  zu  völligem  Erliegen.  Erst  im  XVI.  Jh.  sollte  er  wieder  auf 
genommen  werden,  so  dafs  auch  die  Besiedelung  des  inneren  Harzt* 
eine  Förderung  erfuhr  und  ein  ganze  Reihe  von  Bergstädten  in  kür 
zester  Zeit  erstand.  Wie  hier,  so  war  auch  in  sächsischen  Landen  da< 
Berg-  und  Hüttenwesen  nach  einem  vorübergehenden  Rückgange  wieder 
lebhaft  in  Gang  gekommen.  Zahlreiche  Erfindungen  und  Vernes^ 
rungen  im  technischen  Betriebe,  wie  die  Bohr-  und  Schiefsarbeit,  die 
Erzgewinnung  durch  Firstenbau,  die  Hundebeförderung  in  den  Strecken 
Markscheiden  mit  dem  Hängekompafs  u.  a.,  legen  hierfür  Zeugnis  ar 
Von  den  böhmischen  Bergwerken  hatten  einige  sich  auf  der  Höhe  wohl 
gehalten,  während  andere  im  Niedergang  begriffen  den  Betrieb  auoh 
während  des  Krieges  noch  aufrechterhielten  und  wieder  andere  gan; 
aufgelassen  wurden,  wie  unten  näher  gezeigt  ist.  Den  nachteiligsten 
Einflufs  hat  der  Krieg  auf  die  schlesischen  Bergwerke  ausgeübt.  Ein 
Teil  der  Bergleute  war  ausgewandert,  Mangel  an  Geld,  an  Arbeitern 
und  technisch  geschulten  Bergmeistern  machte  sich  überall  gelten! 
Aber  trotzdem  war  der  Abbau  nur  an  einigen  Stellen  zum  völligen  Er 
liegen  gekommen.  Ähnlich  lagen  die  Verhältnisse  in  den  meisten  deut- 
schen Länderen  damals. 

Unter  Herzog  Julius  von  Rraunschweig  nahm  das  Berg-  und  Hütten 
wegen  am  Harz  einen  kräftigen  Fortgang.  Neue  Gruben  wurden  angelegt  uni 
der  Ertrag  um  20 (XX)  Taler  erhöht.  Nach  Anfang  des  XVH.  Jh.  wurden  au' 
einer  Zeche  der  Harzbergwerke  etwa  2000—  0000  Zentner  Erze  gefördert.  Wann 
Klausthals  Gruben  geöffnet  wurden,  ist  unbekannt;  vor  der  Mitte  des  XVI.  JL 
waren  sie  jedenfalls  noch  nicht  sehr  bedeutend.  Erst  1554  scheinen  sie  wieder 
aufgenommen  worden  zu  sein.  Ebenso  kam  Zellerfeld  empor  und  Lautenthai 
Die  Bergordnung  Herzog  Heinrichs  von  1553  betrifft  die  Fürstlichen  Bergwerk- 
von  Grund,  Wildeinann,  Zellerfeld,  Lautenthal  und  die  übrigen  Silber-,  Bki- 
und  Kupferbergwerke  im  Gebirge.  Auch  Lauterberg  war  bereits  im  XVI.  Jh 
bekannt.  Altenau  ist  ziemlich  spät  aufgekommen;  1593  wurden  dort  Eisen 
Silber-,  Blei-  und  Kupfergruben  aufgenommen.    1617  wurde  der  Ort  zur  Stadt 


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408.  Borgbau. 


547 


erhoben.  Sehr  schwer  ist  das  Alter  der  anderen  Harzbergwerke  zu  bestimmen. 
Kaum  bis  über  das  Ende  des  XIII.  Jh.  rückwärts  lassen  sich  Spuren  nach- 
weisen. Erst  im  XVI.  Jh.  gewinnt  er  hier  eine  gröfsere  Ausdehnung,  und  im 
XVII.  Jh.  steht  er  in  voller  Blüte.  —  Auch  der  Bergbau  zu  Ilmenau  blühte 
schon  im  XVI.  Jh. ;  1564  wurden  an  24  Zentner  Kupfer  wöchentlich  gewonnen 
und  aus  jedem  Zentner  24  Lot  Silber.    Doch  blieb  das  Bergwerk  bald  liegen. 

Seit  1550  hatte  der  Mansfelder  Bergbau  mit  Schwierigkeiten  zu  kämpfen 
gehabt.  Unter  den  Bergleuten  brachen  seit  1526  wegen  fehlender  Löhnung 
wiederholt  Streiks  aus.  1564  geriet  er  momentan  ganz  ins  Stocken;  1570  wurden 
die  Bergwerke  von  den  Lehnsherren  (Erzbischof  von  Magdeburg  und  Kurfürst  von 
Sachsen)  sequestriert.  Letzterer  übernahm  ganz  die  Leitung.  Nach  1609  blühte 
er  wieder  auf,  um  bald  wieder  zurückzugehen,  wozu  auch  der  Krieg  beitrug. 
1648  waren  nur  noch  20  Bergleute  zugegen.    Vgl.  Gröfsler,  S.  16,  18—20. 

Zu  Altenberg  waren  bis  1645  51  Zechen  auf  Zinn  im  Gange,  trotz  furcht- 
barer Katastrophen  durch  Einstürze.  Nach  einem  zeitgenössischen  Verzeich- 
nisse wurden  in  den  Bergwerken  von  Freiberg  und  der  Nachbarschaft  von 
1542 — 1616  jährlich  an  80  Zentner  Silber  und  bis  an  1000  Zentner  Kupfer 
gewonnen.  Schneeberg  war  noch  immer  eine  der  reichsten  Silberstätten,  wo 
auch  auf  Kobalt  und  Wismut  gebaut  wurde.  Doch  liefs  der  Ertrag  im  XVII.  Jh. 
sehr  erheblich  nach,  nur  jener  des  Kobalts  stieg.  In  Dippoldiswalde  wurde 
immer  noch  eifrig  auf  Silber,  Kupfer,  Blei  und  Zinn  gebaut;  von  1547 — 1708 
waren  118  Zechen  im  Gange.  Die  Bergwerke  bei  Marienberg  nahmen  im 
XVII.  Jh.  an  Ausbeute  ab.  Am  Ende  des  XVI.  Jh.  waren  bei  Chemnitz  neue 
<  Jruben  auf  Silber  geschürft  worden.  Doch  geriet  nachher  der  Bergbau  wieder 
in  Verfall.  Auch  aas  Bergwerk  zu  Annaberg  stand  noch  in  voller  Blüte,  wenn 
es  auch  später  nachliefs.  Man  hat  die  Ausbeute  von  1492 — 1577  auf  3695000  Taler 
berechnet.  Im  XVI.  Jh.  war  der  Bergbau  zu  Gever  ein  sehr  lebhafter,  besonders 
auf  Silber,  Kupfer  und  Zinn.    Vgl.  Gmelin,  S.*279,  291,  298,  331  ff.,  358.  fc» 

Böhmen  war  noch  immer  eines  der  bergbautätigsten  Länder.  Die  Erfolge 
waren  freilich  an  den  einzelnen  Orten  sehr  verschieden,  und  die  politischen 
Ereignisse  trugen  an  dem  Niedergang  einiger  mit  bei.  Bergreichenstein  hatte 
mit  seinen  Goldbergwerken  sehr  gewonnen,  so  dafs  es  1584  zur  Bergstadt 
erhoben  wurde.  Dagegen  hatte  das  Werk  zu  Eule  nicht  wieder  die  alte  Blüte 
erreicht.  Unter  den  Silberbergwerken  hatten  die  Budweiser  eingebüfst  ;  im 
ersten  Viertel  des  XVII.  Jh.  wurden  sie  aufgelassen.  Die  Joachimsthaler  hatten 
durch  den  Krieg  gelitten,  der  die  Grubenhäuser  zerstörte  und  die  nichtkatholi- 
schen Arbeiter  vertrieben  hatte,  so  dafs  sie  fast  ganz  zum  Erliegen  kamen.  In 
Kuttenberg  hatten  es  die  Kaiser  nicht  fehlen  lassen,  den  gesunkenen  Silber- 
bergbau wieder  in  Gang  zu  bringen,  doch  ohne  grofsen  Erfolg.  Nikiasberg 
war  durch  den  Krieg  in  Verfall  geraten,  doch  nicht  ganz  aufgelassen  worden. 
Zu  Pribram  wurden  in  der  Zeit  von  1553—1574  jährlich  an  463  Mark  Silber 
gewonnen.  Die  Stadtgemeinde  selbst  war  seit  1579  an  dem  Bergwerk  beteiligt. 
Doch  der  Bau  war  etwas  zurückgegangen,  er  wurde  aber  trotz  des  Krieges  von 
der  Stadt  immer  aufrechterhalten.  Auch  in  Ratiboritz  ist  eifrig  fortgebaut 
worden  mit  freilich  nicht  immer  gleichem  Erfolg.  Schlaggenwald  blühte  noch  • 
als  Zinnbergwerk;  1557 — 1559  wurden  an  22  300  Zentner  gewonnen,  ebenso  in 
Schönfeld  und  Lauterbach.  Zinnwald  war  1564  eröffnet  worden.  Doch  brachte 
auch  hier  der  Dreifsigjährige  Krieg  das  Werk  zum  Erliegen.  In  Graslitz  stand 
im  XVI.  Jh.  der  Kupferbergbau  noch  in  voller  Blüte.  Über  2000  Bergleute 
waren  dort  beschäftigt.  Das  Religionsedikt  Ferdinands  II.,  das  die  meist 
lutherischen  Arbeiter  vertrieb,  brachte  den  Bergbau  aber  fast  ganz  zum  Verfall. 
Vgl.  Schmidt,  a.  a.  O.  164  ff.  bis  225. 

In  Giehren  wurde  im  XVII.  Jh.  der  Zinnbergbau  erweitert  betrieben; 
von  mehreren  Zechen  daselbst  wird  berichtet.  Der  Gablauer  Metallbergbau 
beansprucht  ein  höheres  Alter,  doch  erst  1559  ist  der  Versuch  einer  Wieder- 
aufnahme gemacht  worden.  Mit  wechselndem  Erfolge  war  gebaut  worden,  bis 
der  Betrieb  1610  zum  Erliegen  kam.    Der  Bergbau  bei  Gottesberg  hatte  gute 

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548 


XII.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1650. 


Fortschritte  gemacht,  und  kurz  vor  Anfang  des  Dreifsigjährigen  Krieges  lieferten 
die  Werke  an  120  Zentner  Silber  an  die  Breslauer  Münze.  Nachher  ging  auch 
er  zurück. 

Das  Silber-  und  Bleibergwerk  zu  Tarnowitz  war  im  weiteren  Aufschwung 
begriffen  (bis  zum  Jahre  1563).  Schwierigkeiten  bewirkten  freilich  das  Wasser 
und  das  kaiserliche  Verbot  der  Silberausfuhr,  doch  wurde  er  mit  wechselndem 
Glück  weiterbetrieben  (bis  1608).  Der  Krieg  wirkte  sehr  ungünstig  ein;  bis 
1628  nahm  er  bis  zum  fast  völligen  Verfall  ab,  und  dies  blieb  so  bis  zum 
Schluls  des  Krieges. 

Im  XVI.  Jh.  waren  die  Quecksilbergruben  von  Stahlberg  in  der  Pfalz, 
von  Landsberg  und  Kreuznach  in  Betrieb,  desgleichen  ein  Silberbergwerk  bei 
Birkenfeld,  ein  Kupferbergwerk  bei  Herstein  unweit  Trarbach  und  mehrere 
Bleigruben  bei  letzterem  Orte.  1566  erhielten  die  Grafen  von  Sayn  die  Freiheit 
auf  Silberbergbau.  Auch  die  Pfälzer  Bergwerke  bei  Trarbach  sind  schon  im 
XVI.  Jh.  im  Gange  gewesen.    Vgl.  Gmelin,  S.  157  f. 

Der  ehemals  vermutlich  nicht  unergiebige  Bergbau  in  der  Oberpfalz  war 
im  XVI.  Jh.  sehr  im  Verfall.    Auch  Agricola  berichtet,  dafs  zu  seiner  Zeit  die 
Gruben  bei  Amberg  ganz  eingegangen  seien.    Doch  Kurfürst  Max  I.  suchte 
die  Eisenbergwerke  bei  Amberg  wieder  zu  heben  imd  liefe  auch  an  anderen 
Stellen  Versuche  vornehmen.    Gmelin,  S.  396  ff.    Zu  Wiesenthal  am  Fiehtel 
berg  hatte  der  Betrieb  niemals  stillgestanden.  Einige  80  Zechen  waren  dort  im 
Gange  (Silber).   Bei  Goldkronach  wurden  1577—1578  an  20  Mark  reinen  Goldes 
Ausbeute  gewonnen.   Vgl.  Gmelin,  S.  361.    In  der  ersten  Hälfte  des  XVII.  Jh. 
wird  der  bedeutendste  Eisensteinbergbau  im  Waldeckschen  am  Winsenberge  bei 
Adorf  betrieben.    Bei  Twiste  und  Rhoden  wurden  1568  Bergwerke  auf  Kupfer 
angelegt.  Auch  sonst  waren  im  Waldeckschen  viele  Kupferbergwerke,  zu  Sachsen- 
hausen,  Ense,  Nordenbeck,  Goddelsheim  u.  a.  m.,  in  Betrieb.    Vgl.  Curtze, 
Waldeck,  S.  77.    Auch  die  Goldgewinnung  in  der  Eder  spielte  immer  noch 
eine  Rolle.    1600  hatten  che  Einwohner  des  Dorfes  Affoldern  so  viel  Gold 
gewaschen,  dals  sie  kurz  (he  »Sandwäseher«  genannt  wurden.    Seit  1645  fand 
ein  ziemlich  starker  Betrieb  statt.    Dagegen  war  der  Goldbergbau  bei  Corbach 
seit  1600  nicht  mehr  in  Betrieb.   Vgl.  Curtze,  S.  69.    Tirol  war  auch  im  XVI. 
und  XVII.  Jh.  noch  immer  reich  an  Silber  und  trug  viel  zu  einer  allgemeinen 
Münzverbesserung  bei.    1568  werden  Goldseifen  an  der  Sill  und  am  Werer 
bache  genannt.    Auch  zu  Toblach  und  Innichen  wurde  gebaut.    Das  Bergwerk 
am  Falkenstein   bei  Schwaz  .freilich   hatte  seit  Mitte  des  XVI.  Jh.  schon 
abgenommen  und  noch  mehr  im  XVII.  Jh.    Der  Goldbergbau  scheint  auch 
im  XVI.  Jh.  im  Erzstift  Salzburg  noch  immer  beträchtlich  gewesen  zu  sein,  wie 
die  Bergwerksordnung  von  1532  zeigt,  besonders  in  Gastein,  Rauris,  im  Brixener 
Tal,  im  unteren  und  oberen  Pinzgau,  zu  Rastaut,  Ramingstein  und  im  Lungau. 
Vgl.  Gmelin,  S.  227  ff.,  165  f. 

409.  Verkehr.  Die  jeweilige  Bedeutung  der  Verkehrsstrafsen  in 
Mitteleuropa  steht  in  engsten  Beziehungen  zu  den  Bedürfnissen  de? 
Handels.  Die  veränderte  Konstellation  im  Welthandelsbetrieb  macht« 
sich  nunmehr  unverkennbar  geltend.  Der  Verkehr  über  die  Alpenpäss*- 
gowTann  ein  anderes  Aussehen  und  liefs  jedenfalls  nach,  was  zunächst 
die  oberdeutschen  Städte  verspürten,  wogegen  die  Zufahrtstrafsen  von 
der  See  aus  und  besonders  die  Seehandelsplätze  eine  höhere  und  in 
vielen  Beziehungen  auch  andere  Bedeutung  als  früher  gewannen.  Wie 
bei  den  niederländischen  Häfen,  so  läfst  sich  dies  auch  bei  den  deutschen 
im  einzelnen  nachweisen.  —  Im  Binnenlande  machte  sich  der  dorm- 
ni^reride  Einflufs  einzelner  Handelsmittelpunkte  geltend,  und  die  gesamt* 
litung  des  Verkehrs  wurde  durch  sie  vornehmlich  bestimmt.  Indessen 


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409..  Verkehr.  549 

kam  hierbei  nicht  allein  der  Gütertransport  in  Frage,  sondern  auch  der 
Personenverkehr  und  die  im  diplomatischen  Interesse  liegende  schnellere 
Nach  richten  beförderung  wirkten  mit  ein.  Insbesondere  gilt  dies  von  der 
letzteren,  wie  die  ersten  Anfänge  von  Posteinrichtungen  es  zeigen,  die 
sogar  bis  in  das  XVI.  Jh.  zurückreichen.  Die  Überwindung  grofser 
Entfernungen  in  kürzester  Zeit  und  auf  leichteste  Art  erfolgte  im  An- 
sehlufs  an  eine  auf  Erfahrung  begründete  Ausnutzung  der  Terrain-  und 
Lageverhaltnisse  der  Örtlichkeiten  sowie  in  Rücksicht  auf  die  zwischen- 
liegenden wichtigeren  Städte,  die  nötigenfalls  berührt  werden  sollten. 
Hiermit  steht  die  Benutzung  bestimmt  vorgezeichneter  Poststrafsen 
in  Verbindung,  die  allen  anderen  Landstrafsen  gegenüber  eine  erhöhte 
Bedeutung  gewinnen  mufsten;  ihre  volle  Ausbildung  für  Personen-, 
Brief-  und  Stückgutbeförderung  fällt  freilich  erst  in  das  XVIII.  Jh.  — 
Der  immer  mehr  zunehmende  Transport  von  Maasengütern  im  Binnen- 
lande bedingte  auch  eine  Ausnutzung  des  von  Natur  geschaffenen  Wasser- 
.strafsennetzes,  welches  aber  erst  durch  Verbesserung  des  Fahrwassers 
und  künstliche  Verbindung  der  natürlichen  Wasserwege  den  gesteigerten 
Anforderungen  entsprechend  praktikabel  gemacht  werden  mufste.  Die 
Anlage  zahlreicher  Kanäle  in  dieser  Zeit  und  zumeist  im  norddeutschen 
Tieflande  legt  hiervon  Zeugnis  ab.  —  Dafs  der  Dreifsigjährige  Krieg 
eine  Verzögerung  und  zeitweiligen  Stillstand  aller  dieser  Bestrebungen 
hervorrief,  ist  nach  dem  weiter  oben  Dargelegten  begreiflich. 

Grofse,  politisch  zusammenhängende  Territorialgebiete  begünstigten  gewisse 
Strafsenzüge.  So  hatten  die  habsburgisehen  Lande  ihre  besonderen  Verkehrs- 
linien, und  innerhalb  der  Hohenzollernländer  läfst  sich  Ähnliches  beobachten. 
Im  wesentlichen  waren  aber  doch  immer  die  Handelsbeziehungen  mafsgebend 
gewesen.  Besonders  Hamburg  gewinnt  mehr  und  mehr  eine  einzigartige 
Stellung,  wichtige  Strafsenzüge  nehmen  in  dieser  Stadt  ihren  Anfang.  Andere 
Städte  des  Binnenlandes  (wie  Frankfurt  a.  M.  und  Leipzig)  konzentrieren  die 
Handelsprodukte  in  ihren  Plätzen,  um  sie  dann  wieder  nach  den  lokalen  Absatz- 
plätzen zu  vertreiben.  Näheres  hierüber  s.  bei  Götz,  Verkehrswege,  S.  727, 
und  besonders  Heller,  Die  Handelswege  InnerOeuteehlands  im  XVI.,  XVII. 
und  XV IH.  Jh.  und  ihre  Beziehungen  zu  Leipzig,  Dresden  1884.  Hasse, 
Osch,  der  Leipziger  Messen,  Lpz.  1885.  Ehren berg,  Hamburger  Handel 
und  Handelspolitik  im  XVI.  Jh.,  1885.  —  Hamburg  und  Antwerpen  seit 
300  Jahren,  Hambg.  1889.  Baase h,  Hamburgs  Seeschiffahrt  und  Waren- 
handel vom  Ende  des  XVI.  bis  Mitte  des  XVH.  Jh.,  in  Z.  f.  Hamburg.  Gesch., 
1893.  Sc  h  wecken  dick,  Beiträge  zur  Gesch.  von  Emdens  Handel  und  Schiff- 
fahrt, in  Bmder  Jahrb.  I,  3,  33—69  (1874);  —  Zur  Gesch.  von  Emdens  Handel 
und  Schiffahrt,  ibid.  VI,  1,  85—106,  sowie  VII,  1,  1  —  18.  M.Mayer,  Baierns 
Handel  im  Mittelalter  und  in  der  Neuzeit,  München  1893  (eine  kurze  Skizze). 
Zirngibl,  Gesch.  des  haierischen  Handels,  München  1817.  Kurz,  Österreichs 
Handel  in  älteren  Zeiten,  Linz  1822.  Geering.  Handel  und  Industrie  der 
Stadt  Basel  (bis  zum  Ende  des  XVII.  Jh.),  Basel  1886. 

Anfänge  zu  Korrektionen  der  Wasserverbindungen  mit  Hilfe  von  Kanälen 
liegen  schon  aus  ziemlich  früher  Zeit  vor.  So  hatte  Herzog  Magnus  von 
Sachscn-Lauenburg  schon  1542  einen  Kanal  aus  dem  Bederkesaer  See  in  die 
Weser  leiten  wollen :  er  kam  aber  nicht  zur  Ausführung  (Hudorf  f,  Zur  Gesch. 
des  Geestekanals,  in  Archiv  f.  Gesch.  von  Bremen,  Verden,  I^auenbg.  zu  Stade  I 
1862),  S.  32).  Im  Jahre  1608  tauchte  der  Plan  auf,  zwischen  Weser  und  Elbe 
im  Anschlufs  an  die  Geeste  einen  Handelskanal  anzulegen,  der  gleichfalls 
unausgeführt  blieb  (Rudorff,  S.  33).  —  Der  Finow-Kanal  wurde  anfangs  des 


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550 


XU.  Kulturgeographie  um  da»  Jahr  1650. 


XVII.  Jh.  unter  Joachim  Friedrich  angelegt,  im  Dreifsigjährigen  Kriege  alter 
zerstört  und  erst  unter  Friedrich  d.  Gr.  wiederhergestellt  Berghaus,  Landb.  I. 
446.  —  Der  erste  Gedanke  zu  dem  sog.  Fried ric  h-Wiihel  m  s-  Kanal 
wurde  1556  von  Kaiser  Ferdinand  I.  (damals  Besitzer  der  Lausitz)  und  Kurfürst 
Joachim  II.  gefafst.  Auf  Grund  einer  Vereinbarung  sollte  der  Kaiser  die  Streck? 
Spree — Müllrose  und  der  Kurfürst  jene  von  Müllrose  bis  zur  Oder  bauen;  aber 
nur  der  kaiserliche  Teil  wurde  hergestellt.  Der  Grofee  Kurfürst  nahm  den 
Plan  später  wieder  auf  und  führte  ihn  1662 — 1668  vollständig  durch ;  1669  fuhr 
das  erste  Schill  hindurch.  Ausführliche  Beschreibung  bei  Berghaus,  Ldb.  II, 
173 — 184.  —  Eine  Kanalanlage:  Elbe— Eide — Stör — Schweriner  See — Wismar 
wurde  1568  vom  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  begonnen.  Um 
Brandenbutger  Gebiet  zu  vermeiden,  wurde  die  Neue  Eide  mit  10  Schleusen 
gegraben  und  bis  1573  vollendet;  das  Kanalstück  Schwerin — Wismar  war  bis 
1572  fertig  geworden.  Doch  war  die  Benutzung  dieser  Wasserstralse  nie  sehr 
bedeutend  und  im  Dreifsigjährigen  Kriege  verfiel  sie.  -  Der  Verkehr  auf  vielen 
Flüssen  war  dadurch  sehr  erschwert,  dafs  sich  die  anliegenden  Territorien  und 
Städte  betreffs  einer  Regulierung  nicht  einigen  konnten.  So  lag  es  bei  der 
Oder  zwischen  Breslau  und  Frankfurt.  Die  Regulierimg  der  oberen  Oder  hatte 
keinen  Zweck,  wenn  die  Passage  bei  Frankfurt  nicht  frei  war.  —  Sehr  viel 
empfindlichere  Hindernisse  lagen  bei  anderen  Flüssen,  wie  dem  Rhein  bei 
Bingen,  vor.  Im  XV.  Jh.  machten  die  rheinischen  Kurfürsten  gemeinschaft- 
liche Versuche  zur  Freilegung  einer  Fahrstrafse;  1517  mufs  die  Felsenöffnung 
schon  sehr  bedeutend  gewesen  sein.  Im  XVI.  Jh.  wurde  zuerst  mit  Pulver 
gesprengt;  Ende  des  XVII.  Jh.  konnten  die  gröfsten  Holzflöfse  passieren. 
Quetsch,  Gesch.  d.  Verkehrswesens  am  Mittelrnein,  1891,  S.  9.  Im  übrigen 
vgl.  noch  Gothein,  Zur  Gesch.  der  Rheinschiffahrt,  in  Westdt.  Z.  1895, 
231—256.  Graff,  Die  Rhein-Seeschiffahrt,  Cöln  1890  (enthält  einiges).  Ecker 
mann,  Kanalprojekt  von  1629,  Z.  Ges.  f.  Schlesw.  Holst.  Gesch.  25,  15—22. 
Gruber,  Die  Bedeutung  der  Isar  als  Verkehrsstrafse.  Progr.  Handelsschule 
München  1890.  Wutke,  Die  schlesische  OderschifTahrt  in  vorpreufsischer 
Zeit,  in  Cod.  dipl.  Siles.  XVII  (1896),  Urkunden  und  Aktenstücke. 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


410.  Das  Reichsgebiet.  Im  Westfälischen  Frieden  hatte  das  Reich 
erhebliche  Verluste  im  Westen  erfahren.  Frankreich  hatte  die  Supre- 
matie über  das  Elsafs  gewonnen,  1681  sich  in  den  Besitz  von  Strafsburg 
gesetzt  und  1697  im  Frieden  von  Ryswik  die  Bestätigung  zu  seinen  Er- 
oberungen erhalten.  Auch  die  Herzogtümer  Bar  und  Lothringen  waren 
ihm  1766  zugefallen.  Im  NW.  hatte  sich  die  Republik  der  Vereinigten 
Niederlande  konstituiert  und  vom  Reiche  losgerissen,  und  im  Süden 
hatte  die  Schweizerische  Eidgenossenschaft  dieselbe  Stellung  errungen. 
—  Im  Osten  war  eine  Gebietsvergröfserung  erfolgt,  freilich  nicht  zu 
Gunsten  des  Reiches,  sondern  vornehmlich  des  Königreichs  Preufsen; 
letzteres  war  seit  1618  im  Besitz  de*  Herzogtums  Preufsen  als  eines 
polnischen  Lehens.  Der  Friede  von  Oliva  (1660)  befreite  es  aber  end- 
gültig von  dieser  Lehensherrschaft.  Noch  bedeutsamer  für  Preufsen  war 
aber  der  Erwerb  der  schlesischen  Herzogtümer,  die  im  Berliner  Frieden 
1742  vom  Reiche,  mit  welchem  sie  bis  dahin  auch  nur  mittelbar  durch 
die  Krone  Böhmen  verbunden  waren,  losgerissen  wurden. 

Mit  Ausnahme  von  Böhmen,  Mahren,  Schlesien  und  dem  Herzogtum 
Preufsen  waren  alle  Territorien  auf  die  genannten  zehn  Reichskreise  verteilt. 
Das  Reich  setzte  sich  aus  den  reichsständischen  Territorien  zusammen,  die  aus 
Kurfürstentümern,  Fürstentümern  und  nicht  gefürsteten  Territorien  sowie  den 
Reichsstädten  bestanden ,  ferner  aus  reichsunmittelbaren  Herrschaften ,  aber 
ohne  Reichsstandschaft,  und  den  sog.  Rczefsherrschaften,  in  denen  der  frühere 
Landesherr  seine  Rechte  nüt  Vorbehalt  an  einen  benachbarten  Fürsten  ab- 
getreten hatte  (Schröder,  Lehrb.  d.  dt.  R.,  S.  824  f.).  Von  den  vielen  hundert 
Territorien  war  eins  ein  Königreich,  ein  zweites  ein  Erzherzogtum,  die  anderen 
unterstanden  geistlichen  Herren  als  Erzbistümer,  Bistümer,  Abteien,  Propsteien 
oder  weltlichen  Herren  als  Herzogtümer,  Markgrafschaften,  Fürstentümer,  Land- 
grafschaften, von  denen  aber  nur  einige  die  fürstliehe  Würde  hatten;  sodann 
als  gefürstete  Grafschaften,  einfache  Grafschaften,  freie  Reichsstädte  mit  republi- 
kanischer Verfassung  und  Reiehsdörfer.  Im  ganzen  gab  es  damals  an  1800  Sou- 
veräne, von  denen  314  reichsständische  und  1475  reichsritterschaftliche  waren. 
—  Über  die  Territorien  und  ihre.  Stellung  /.um  Reieli  vgl.  Schröder  a.  a.  0., 
wo  auch  weitere  Literatur  im  allgemeinen  wie  für  einzelne  Landschaften  gegeben 
ist.  Für  geographische  Zwecke  dient  Anton  Friedr.  B  ü  s  c  h  i  n  gs  Erdbesehreibung, 
Hamburg  1787  ff.,  besonders  R<1.  5 — 10,  und  H.  Berghaus,  Deutschland  vor 


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352  Politische  Geographie  um  da»  Jahr  1770 

100  Jahren,  Leipz.  lr*W,  2  Bde.  (ist  im  vv»  sentliehen  ein  Auszug  aus  Büschin^:. 
z.  T.  nut  wörtlicher  Anlehnung,  weiren  der  kürzeren  Fassung  aln-r  sehr  brauchbar 

411.  Land«n*afoefamft  He»Hen-Kii8M?l.  Das  hesisseh-Kasselsche  Terri- 
torium war  in  zw<  i  Teile  geschieden,  von  denen  Wilhelm  VI.  nach  der 
Regen  tsrhaft  meiner  Mutter  Amalie  Elisabeth  seit  1650  den  Hauptteil 
'1» *  Landes  regierte,  wahrend  der  Rothenburger  Quart  i  Rothenburg.  Esch- 
wege. Rheinfels)  als  Apanage  im  Besitz  von  Nebenlinien  war  (s.  S.  508). 
Daa  Britischen  der  Hanauer  Grafenfamilie  I73*i  brachte  auf  Grund  eine» 
Erb vertrant  s  von  1K4.">  noch  einen  gjöiseren  Zuwachs  des  Landes:  in 
der  Grafschaft  Hanau  Münzenberg  is.  6.  510). 

Die  Lan dura f schalt  Hessen-Kassel  wunle  in  fünf  Flufsdistrikn- 
geteilt:  1.  Landschaft  au  der  Fulda  mit  der  Haupt-  und  Residenzstadt 
Kassel  und  den  Ämtern  Bau  na.  Alma,  Naustadt,  Lichtenau.  Spangenberg,  Mel 
suntren,  Friedewaid  und  41  adeli^n  <  "richten.  —  2.  Landschaft  an  der 
Werra  mit  den  Ämtern  Vach  und  Allendorf  und  21  adligen  Gerichten.  — 
.".  Landschaft  an  der  Di^m^l  mit  den  .Vmtern  Grebenstein,  Sababurg. 
Helmershausen.  Trendelburg,  H« »fgeismar.  Zierenberg,  Wolfhagen  um!  19  (*••■ 
richten.  4.  Landschaft  an  der  Schwalm  mit  den -Vmtern  Gudensberg. 
Felsberg.  Hombi-m  und  Borkeu ;  >üe  ehemalige  Grafschaft  Ziegenhain  mit  den 
Ämtern  Ziegenhain.  Sehonstein.  N<  ukin  h»-n  und  Ober  Aula  mit  31  Gerichten. 

5.  Landschaft  an  der  Lahn  mit  den  Ämtern  Marburg,  Kirchhain. 
Rauschenherg  und  Wetter  und  25  Gerichten  —  6.  Zu  keinem  der  Flufsdistrikte 
gehörten  die  Ämter  Rosenthal.  <  iemünden  an  der  Wohra.  Frankenbelg  und 
Haina. 

Der  R  < » t  h  e  n  b  u  r  e  e  r  Q  u  a  r  t  umfaßte  das  Amt  Rothenburg,  Sontra,  Gan 
erbschaft  Treffurt  ein  Drittel  von  dieser  neben  Kurmainz  und  Kursachsen), 
die  Ämter  Wanfried,  Ewhwege,  Ludwigstein  und  Xeuen-4  deichen  mit  Vier  Herr- 
schaft Please  in  hraunschweigischeni  Gebiet  seit  1571  hessisch  \  Hierzu  gehörten 
ferner  die  niedere  (irafeehaft  Katzenelnbogen  mit  den  drei  Ämtern  Rheinfels 
mit  der  Hauptstadt  St.  <i«>ar.  Reichenberg  mit  Nastätten  und  Hohenstein  mit 
Langenschwalbach  und  Schlangenbad  sowie  die  Hälfte  des  Vierherrenlandes 
i-lie  andere  Hälfte  gehörte  den  Nassauer  Grafenlinien).  Das  Vierherrenland, 
cm  Stück  des  ehemaligen  Einrieh,  bestand  aus  neun  Kirchspielen:  Marienfels, 
Kachheim,  Dornholzhausen.  Singhofen.  Kirdorf.  Obertiefenbach.  Weyer,  Ober- 
waimenbaeh  und  Altenberg. 

Die  Grafschaft  Hanau-Münzenherg  mit  den  Ämtern  Bücherthal. 

Windecken,  rVmibriinerberg.  Rodheim.  Dorheim,  Ortenberg,  Steinau  und 
S<  hl'icbt.  rn.  Ftrandentfein  und  Schwarzenfels,  Bibergrund,  Lohrhaupten,  Alten- 
h-iMau.  Bah* •nhauser»  s  Hes^en-Darmstadt\  ein  Viertel  von  Sehlofs  mid  Stadt 
bVneck  und  die  ehemalige  Reichsstadt  (Gelnhausen. 

Das  Fürstentum  'ehemalige  AbteD  Hersfeld  mit  den  Ämtern  Nieder 
,\  da,  Geifi«  Hauneek.  Lindeek.  Kreuzberg  und  Frauensee.  —  Die  Hälfte  der 
f't  ra  f  "fth  A  f  t  S  e  h  a  u  p  n  b  u  r  g  mit  Rinteln.  Bodenkirchen  und  Teil  von  Sachsen 
hager».  Auch  die  Ämter  Uchte.  Frendenberg  und  Auburg;  eretere  beiden  in 
d»  r  Grafschaft  H"\a  gelegen  seit  15*2  hessisch,  letzteres  in  der  Grafschaft 
Diepholz,  it,  15*5  hessisch.  Die  Herrschaft  Schmalkalden  mit  den 
A intern  Schmalkalden  und  Hallenberg  und  den  Vogteien  Herrenbreitungen. 
Barch feld  und  Brotwle. 

412.  Landirrafschaft  Hessen-Darmstadt.  Unter  den  Nachfolgern 
Georgs  FL  (t  l^ol;  wurde  der  Landbesitz  beträchtlich  vermehrt.  Der 
bedeutendste  Krwerb  war  derjenige  der  Grafschaft  Hanau-Lichtenberg. 
d<        ( o  -chleclit   münnliehcrscits  1736  ausgestorben  war  und  nunmehr 


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413.  Fürstentum  Nassau.  553 

durch  Erbheirat  an  Ludwig  VIII.  von  Darmstadt  kam,  allerdings  erst 
nach  einem  längeren  Erbschaftsstreit  mit  Hessen-Kassel. 

Ludwig  VI.  (1661—1678)  erwarb  durch  Kauf  die  zweite  Hälfte  von  Eber- 
stadt (die  andere  hatte  sein  Vater  erworben),  da-«  Sehlofs  Frankenstein  und  die 
Dörfer  Ober-Beerbach ,  Nieder-Beerbaeh ,  Schmal-Beerbach,  Allertshofen  und 
Stettbach,  —  durch  Tausch:  ein  Achtel  von  Umstadt  (mit  Kurpfalz  gemein- 
schaftlich). —  Ernst  Ludwig  (1678—1739)  erwarb  1708  ein  zweites  Achtel 
von  Umstadt.  Von  den  Grafen  von  Erbach  kaufte  er  1714  das  Amt  Seeheim 
und  Tannenberg  mit  Bickenbach,  Jugenheim.  Seeheim,  Malchen,  Balkhausen, 
Staffel,  Quattelbach,  Wurzelbach,  Beedenkirchen,  —  und  von  der  Familie 
Wallbrunn  mehrere  Orte:  Ernsthofen,  Asbach,  Hoxhohl,  Klein- Bieberau,  Neutsch 
und  Hartenau.  Unter  Ludwig  VIII.  (f  1768)  kam  Hanau-Lichtenberg  an  das 
Haus,  da  jener  mit  Charlotte,  der  einzigen  Tochter  des  letzten  Grafen  Johann 
Reinhard,  vermählt  war.  Es  gehörten  hierzu  die  Ämter  Lichtenau  und  Will- 
stett  auf  dem  rechten  Rheinufer;  auf  dem  linken  da4*  Amt  Lemberg  mit 
Pirmasens  und  die  unter  französischer  Oberhoheit  stehenden  Ämter  Buchs- 
weiler, Brumath,  Hatten,  Ingweiler,  Neuweiler,  Kuzenhausen,  Pfaffenhofen, 
Offendorf,  Westhofen,  WolHsheim  und  Wörth.  Über  Babenhausen  entstand  ein 
Streit  mit  Hessen-Kassel,  nach  dem  1771  Darmstadt  das  Amt  Schafheim  erhielt. 

Der  gesamte  Territorialbestand  der  Landgrafschaft  Hessen-Darmstadt  um- 
fafste  zwei  Regierungsbezirke:  Giefsen  und  Darmstadt.  I.  Giefsen  (aus  Ober- 
hessen, der  Grafschaft  Nidda  und  Herrschaft  Itter  bestehend)  umfafste  das 
Oberamt  Giefsen,  die  Ämter  Allendorf,  Grünberg,  Burggemünde,  Homburg  a.  Ohm, 
Alsfeld,  Grebenau,  Stadt  Lauterbaeh,  Ämter  Ulrichstein,  Schotten,  Nidda,  Storni- 
fels, Lisberg.  Bingenheini,  Sehlofs  Peterweil,  Ämter  Kofsbacb,  Butzbach,  Klee- 
borg,  Hüttenberg,  Königsberg,  Blankenstein,  Biedenkopf,  den  Grund  Breidenbach, 
Amt  Battenberg  und  Amt  Itter.  Aufserdem  mehrere  adlige  Gerichte  und  Güter.  — 
2.  Darm  Stadt  (aus  der  oberen  Grafschaft  Katzenelnbogen  und  dem  Anteil 
der  Grafschaft  Eppstein  bestehend)  umfafste  die  Ämter  Darmstadt.  Kelsterbach. 
Rüsselsheim,  Dornberg,  Jägersburg,  Zwingenberg  und  Lichtenberg,  die  Gemein- 
schaft Umstadt,  die  halbe  Herrschaft  Eppstein,  Amt  Braubach  mit  Kirchspiel 
Katzenelnbogen  (eigentlich  zur  niederen  Grafschaft  gehörig).  —  3.  Die  Herr- 
schaft Hanau-Lichtenberg  (z.  T.  unter  französischer  Herrschaft)  mit  den 
obengenannten  Ämtern. 

418.  Fürstentum  Nassau.  Nach  vielfachen  Teilungen  und  erneuten 
Vereinigungen  war  der  Liinderbestand  um  1770  auf  vier  Linien  verteilt, 
die  als  Neueste  Usingener,  Neueste  Saarbrückener,  Neue  Weilburger  und 
Diezsche  Linie  bezeichnet  werden,  jede  mit  einem  entsprechenden  Land 
gebiet  ausgestattet.  Dem  Walramschen  Hauptzweige  gehörten  die  drei 
erstgenannten  Linien  an,  dem  Ottonischen  die  letzte. 

Unter  Ludwigs  II.  (r  1627)  vier  Söhne  war  das  Landgebiet  des  Walram- 
schen Zweiges  in  der  S.  510  angegebenen  Weise  geteilt  worden.  Sein  ältester 
Sohn,  Wilhelm  Ludwig  (f  1640)  (Neue  Saarbrückische  Linie),  wurde  der  Stamm- 
vater dreier  neuer  Linien :  Ottweiler.  Saarbrücken  und  Usingen,  von  denen  die 
ersten  beiden  schon  1728  bezw.  172M  ausstarben;  das  Gebiet  des  Stammvaters 
war  somit  in  der  Usingener  Linie  wieder  vereinigt.  Aber  diese  selbst  hatte 
sieh  1718  wieder  in  die  Neueste  Usingener  und  Neueste  Saarbrückener  Linie 
geschieden. 

Ludwigs  II.  zweiter  Sohn,  Johann,  gründete  die  Neue  Idsteinsehe  Linie, 
die  mit  der  folgenden  Generation  1721  schon  ausstarb.  Der  dritte  Sohn,  Emst 
Kasimir,  stiftete  die  Neue  Weilburger  Linie,  die  bis  heute  fortbesteht  (Luxem- 
burg). Der  vierte  Sohn,  Otto,  starb  16:52  ohne  Nachkommen,  und  sein  Lind 
wurde  damals  an  die  Bruderlinien  verteilt  (Gothaischer  Teilungsrezcfs  1651. 
Lünigs  Reichsarehiv  1,  708). 


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554  XIII.  Politische  Geographie  um  da«  Jahr  1770. 

Im  Ottonischen  Hauptzweige  waren  die  von  Johann  VI.  (f  1606)  ab- 
stammenden fünf  Nebenlinien  bis  auf  eine  erloschen:  die  Neue  Dillenburger 
Linie  bereits  1620,  die  Siegcnsche  Linie  1734,  die  Beilstcin-Dillenburger  Linie 
1739,  die  Hadamarsche  Linie  1711.  Nur  die  Diezsehe  Linie  bestand  fort  und 
erbte  auch  den  ganzen  Territorialbesitz. 

In  dem  Walramschen  Zweige  war  an  die  Idsteiner  Linie  1688  die  Reichs- 
fürstenwürde verliehen  worden,  in  demselben  Jahre  auch  an  die  Saarbrücken 
Usingener  Linie.    Im  Ottonischen  Zweige  war  Wilhelm  Friedrich  von  Nassau 
Diez  1659  zum  Reiehsfüreten  erhoben  worden.    Diese  Linie  kam  1702  auch 
wieder  in  den  Besitz  der  Oranischen  Länder  in  den  Niederlanden  und  1748 
der  Erbstatthalterschaft  daselbst. 

Der  Territorialbestand  im  Nassauischen  Hause  war  folgender: 

1.  Neueste  Usingener  Linie  (N  as  s  a  u  - S a a  r  b  r  ü  c  k  -  U s  i  n  g e  n) ,  bestehend 
aus  den  Ämtern  Usingen,  Kirberg,  Wehen,  Burg  Schwalbach,  \\  iesbaden,  Herr- 
schaft Idstein,  der  Hälfte  des  Zweiherrischen  um  Miehlen  (mit  Nassau-Weilburg 
gemeinsam),  dem  Viertel  des  Dreiherrischen  um  Nassau  (gemeinsam  mit  Weil 
bürg  l/A  und  Nassau-Diez  l/2),  dem  Achtel  des  Vierherrischen  (mit  Weilburg 
zusammen  V4»  Nassau-Diez  1/4,  Katzenelnbogen  1/2)  und  dem  Amt  Lahr  in  der 
Ortenau  in  Baden. 

2.  Neueste  Saarbrückener  Linie  (Nassau  Saarbrück-Saarbrü  eken). 
bestehend  aus  der  Grafschaft  Saarbrücken,  Herrschaft  Ottweiler  im  Trierschen. 
Amt  Homburg  im  Waegau  (mit  Pfalz-Zweibrücken  gemeinsam),  Jugenheim,  zwei 
Drittel  der  Grafschaft  Saarwerden.    Residenz  Saarbrücken. 

3.  Neue  Weilburger  Linie  (Nassäu-Weil  bürg),  bestehend  aus  den 
Ämtern  Weilburg,  Weilmünster,  Lähnberg,  Mehrenberg,  Kleeberg,  Hüttenberg. 
Gleiberg,  der  Hälfte  des  Zweiherrischen,  einem  Viertel  des  Dreiherrischen,  einem 
Achtel  des  Vierherrischen,  einem  Drittel  der  Grafschaft  Saarwerden,  den  Ämtern 
Kirchheim-Bollanden,  StaufT  und  Alsenz. 

4.  Diezsehe  Linie  (N  assau  -Diez),  bestehend  aus  der  ehemaligen  Graf 
schaft  Diez  mit  den  Ämtern  Diez,  Hanstetteu,  Kirchberg,  Kamberg,  Nassau 
(die  letzten  drei  hatte  sie  mit  anderen  Herren  gemeinsam),  ferner  dem  ehe 
maligen  Siegensehen  Lande  mit  den  Ämtern  Siegen,  Ober-  und  Nieder-Netphe. 
Hilchenbach,  Kronibach-Ferndorf,  Freudenberg,  Heifslingen,  den  dillenburgischen 
Ämtern  Dillenburg,  Haiger,  Herborn,  Burbach,  Driedorf,  Mengerskirchen  (Ellar  , 
Tringenstein,  Ebersbach,  Wehrheim  sowie  dem  Amt  Hadamar. 

414.  Grafschaften  Sayn -Wittgenstein.  Luise  Juliane  hatte  die 
mühsam  wieder  orstrittene  Grafschaft  1652  an  ihre  Töchter  abgetreten, 
die  1654  den  Landbesitz  teilten.  Die  Ältere,  Johan nette,  erhielt  Sayn 
Alten kir eben  und  brachte  dieses  ihrem  Gemahl  Johann  Georg  von 
Sachsen  Weimar-Eisenach  zu.  Deren  männliche  Nachkommenschaft  er 
losch  1741  und  das  Land  fiel  an  eine  Seitenlinie  Brandenburg-Onolz 
bach.  —  Die  jüngere  Tochter,  Ernestine,  erhielt  Sayn-Hachenburg, 
sie  war  vermählt  mit  Salatin  Ernst  zu  Manderscheid-Blankenheim. 

Johannettes  Tochter,  Eleonore,  war  mit  dem  Markgrafen  Johann  Friedrnh 
von  Brandenburg-Onolzbaeb  vermählt,  der  die  Regierung  1741  antrat.  In  Sayn- 
Hachenburg  war  Salatin  Ernst  1705  ohne  Sohne  gestorben.  Ein  Sohn  einer 
seiner  Töchter,  Georg  Friedrich,  folgt  in  der  Regierung  und  später  dessen 
Nachkommen.  —  Vgl.  Dahl  hoff,  Gesch.  d.  Grfsch.  Sayn,  S.  32  ff.,  49. 

Die  Grafschaft  Say  n  -  W  i  t  tge  n  stei  n  zerfiel  damals  in  die  beiden 
Hälften  a)  Say  n- Wittgenstein  zu  Wittgenstein  mit  1.  der  Grafschaft 
Wittgenstein,  der  Stadt  Laasphe  und  2f>  Dörfer  und  2.  der  Herrschaft  Vallendar 


415.  Kleinere  Grafschaften  etc.   417.  Fürstentuni  Waldeck  Pyrmont.  555 

(nicht  reichsunmittelbar,  sondern  unter  Trier);  —  b)  Say n -Wittgenstein 
zu  Berleburg  mit  1.  der  Grafschaft  Berleburg  und  22  Dörfern,  2.  der  Graf- 
schaft Homburg,  zwischen  dem  Herzogtum  Berg  und  der  Grafschaft  Mark  gelegen, 
und  8.  der  Herrschaft  Neumagen  an  der  Mosel  (unter  Trier).  —  Die  Graf- 
schaft Sayn  bestand  aus  zwei  Teilen:  a)  Sayn-Altenkirchen  (seit  1741  im 
Besitz  der  Markgrafen  zu  Brandenburg-Onolzbaeh)  mit  Stadt  und  Amt  Alten- 
kirchen, Amt  Freusberg,  Stadt  und  Amt  Friedewald,  Amt  Bendorf;  b)  Sayn- 
Hachenburg  mit  dem  Städtchen  Hachenburg  und  der  Vogtei  Rosbach. 

415.  Kleinere  Grafschaften  im  Rhein  lande.  Von  ihnen  be- 
standen noch  die  Grafschaft  Wied,  Grafschaft  Solms  und  die  Graf- 
schaft Isenburg. 

Die  Urafschaft  Wied  zerfiel  in  die  obere  Grafschaft  oder  Wied- 
Runkel,  bestehend  aus  der  Herrschaft  Runkel  mit  sechs  Kirchspielen  und 
dem  Oberamt  Dierdorf  mit  sieben  Kirchspielen  —  und  die  untere  Graf- 
schaft oder  Wied-Neuwied  mit  der  Stadt  Neuwied  und  zwölf  Kirchspielen. 

Grafschaft  Solms.  Von  dem  in  mehrere  Linien  gespaltenen  Grafen- 
hause war  die  Braunfelssehe  Linie  1742  in  den  Reiehsfürstenstand  erhoben 
worden.  Der  Territorialbestand  verteilte  sich  auf  vier  Häuser:  I.  So  lms- 
Brau nf  eis  besafs  die  eigentliche  Grafschaft  Solms  zu  beiden  Seiten  der  Lahn 
mit  den  Ämtern  Braunfels  und  Greifenstein  und  von  der  Herrschaft  Münzen- 
berg die  Amter  Hungen,  Wölfersheim  und  Gambach  sowie  Anteile  an  der 
Gemeinschaft  Münzenberg.  II.  So lms- Lieh -Hohen so  1ms  besafs  das  Amt 
Hohensolms  mit  Schlofs  und  Städtchen  und  von  Münzenberg  die  Ämter  Lieh 
und  Niederweisel  sowie  Anteile  an  Münzenberg.  III.  Solms-Laubach:  das 
Amt  Laubach  mit  Schlofs  und  Stadt  und  früherem  Reichsflecken  Freiensen, 
das  Amt  Utphe  und  Anteile  an  Münzenberg.  IV.  Solms-Rödelheim  besafs 
Amt  Rödelheim  und  Assenheim  (an  welchem  auch  Hanau  und  Isenburg  Anteil 
hatten). 

Urafschaft  Isenburg-Birstein  und  Büdingen.  Die  Offenbaeh-Birsteinsehe 
Linie  des  Grafenhauses  war  1744  in  den  Reichsfürstenstand  erhoben  worden. 
I.  Das  Fürstentum  Isen  bürg- Birstein  bestand  damals  aus  dem  Gericht 
Reichenbach  mit  Schlofs  Birstein,  Gericht  Wenings,  Wolferborn,  Langenselbold 
und  Langendiebach,  Oberamt  Offenbach  (ein  Teil  des  alten  Dreieicher  Reichs- 
forstes). H.  Grafschaft  Isenburg-Büdingen-Büdingen  mit  den  Ge- 
richten Büdingen,  Dilsheim  und  Mockstatt.  III.  Grafschaft  Isenburg- 
Büdingen- Wächtersbach  mit  den  Gerichten  Meerholz,  Gründau  oder 
Lieblos  und  Eckardshausen. 

416.  Bistum  Fulda.  Die  Abte  von  Fulda  hatten  schon  seit  dem 
X.  Jh.  eine  hervorragende  Stellung  eingenommen,  da  ihnen  damals  der 
Primat  vor  allen  Äbten  in  Germanien  und  Gallien  vom  Papst  erteilt 
worden  war  und  Kaiser  Otto  I.  ihnen  auch  die  Erzkanzlerwürdo  bei 
der  Kaiserin  verliehen  hatte.  Papst  Benedikt  XIV.  erhob  im  Jahre  1752 
die  Abtei  zu  einem  exemten  Bistum,  während  sie  bis  dahin  unter  dem 
Metropoliten  von  Mainz  gestanden  hatte. 

Das  Hochstift  bestand  aus  20  Ämtern:  Fulda,  dem  Cent  Fulda,  Amt 
Salzschlirf,  GrofsLüder,  Burghaun,  Fürsteneck,  Geifs,  Fischberg,  Mackenzell, 
Biberstein,  Weiers,  Neuhof,  Motten,  Brückenau,  Hamelburg,  Saleck,  Salmünster, 
Urzel,  Propstei  Blankenau  und  Amt  Herbstein. 

417.  Fürstentum  Waldeek- Pyrmont  stand  zunächst  noch  unter 
der  Herrschaft  zweier  Linien,  von  denen  die  Neuere  Eisenbergisch^ 


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556  XIII.  Politische  Geographie  um  da«  Jahr  1770. 

Linie  mit  Georg  Friedrich  1692  erlosch.  Seit  jenem  Jahre  ist  Waldeck 
immer  in  einer  Hand  vereinigt  gewesen.  1711  erhält  Anton  Ulrich  von 
Kaiser  Karl  VI.  die  Würde  eines  Reichsfürsten. 

Das  Fürstentum  besafs  13  Städte:  Korbach,  die  Hauptstadt  des  Landen 
Nieder -Wildungen,  Mengeringhausen,  Sachsen  hausen,  Rhoden,  Siiehsenberg 
Landau,  Freienhagen,  Waldeck,  Züschen,  Fürstenberg,  Alt -Wildungen  und 
Arolsen,  ferner  die  9  Ämter:  Eisenberg,  Arolsen,  Eilhausen,  Rhoden,  Landau. 
Wetterburg,  Waldeek,  Wildungen,  Lichtenfels.  —  Aufserdem  gehörte  seit  1625 
(s.  S.  512)  hierzu  che  Grafschaft  Pyrmont  mit  Schlofs  und  Neustadt  Pyr- 
mont und  10  Dörfern,  welche  zusammen  ein  Amt  bildeten. 

418.  Fürstentum  Lippe.  Seit  1621  bestanden  die  drei  genannten 
Linien  Lippe,  Brake  und  Bückeburg  (Schaumburg),  jede  mit  einem 
Teilgebiet  der  väterlichen  Grafschaft  ausgestattet.  Die  Nachkommen 
schaft  der  Linie  Ottos  IL,  die  Brake  mit  Blomberg,  Barntrup  und 
Schieder  erhalten  hatte,  starb  aber  1709  aus.  Der  sich  anschliefsend^ 
Erbschaftsstreit  zwischen  Lippe  und  Schaumburg  wurde  1748  beigelegt; 
Blomberg  und  Schieder  kamen  vorübergehend  an  Schaumburg.  —  Lippe 
wurde  1720  durch  Karl  VI.  zum  Reichsfürstentum  erhoben,  doch  erst 
1789  durch  Joseph  II.  bestätigt. 

Die  Grafschaft  umsehlofs  5  Städte:  Detmold,  Lemgo,  Horn,  Blomberg 
und  Salzuflen  und  8  Amter:  Detmold  mit  den  Vogteien  Detmold,  Haiden. 
Lage  und  Falkenburg;  Udinghausen,  Schötmar,  Horn,  Varenholz,  Brake,  Barn- 
trup und  lipperode  (1748  erst  an  Lippe  Detmold  von  Schaumburg  abgetreten  . 

Gemeinsam  waren  die  Stadt  Lippe  oder  Lippstadt  mit  dem  König  von 
Preufsen  als  Grafen  von  Mark,  und  die  Ämter  Oldenburg,  Stoppelberg  um i 
Schwalenberg  gemeinsam  mit  Paderborn. 

419.  Grafschaft  Schaumburg  -Lippe  hatte  keine  Veränderung 
erfahren. 

Graf  Philipp  (f  1681)  hinterliefs  zwei  Söhne,  von  denen  Friedrich  Christian 
in  der  Regierung  folgte,  während  Philipp  Frust  die  Seitenlinie  Alverdissen 
begründete,  welche  nach  dem  Aussterben  der  Hauptlinie  mit  Graf  Wilhelm, 
dem  Erbauer  der  Feste  Wilhelmstein  im  Steinbilder  Meer,  im  Jahre  1777  die 
<  riafenreihc  fortsetzte. 

Die  Grafschaft  bestand  aus  den  Ämtern  Blomberg  und  Schieder,  ferner 
Alverdissen  und  Grafschaft  Sternberg  (seit  1732  an  Braunschweig  -Lüneburg 
verpfändet)  mit  Schlofs  Sternberg  und  den  Vogteien  Humfeld,  Exter  und 
Bösingfelde. 

420.  Kurfürstentum  Hannover.  Auf  Grund  des  Testamente« 
Herzog  Georgs  (t  1641)  war  das  Land  in  die  beiden  Teile  Lünebure 
und  Calenberg  geteilt  und  den  beiden  ältesten  Söhnen  zugefallen  (S.  515). 
Da  aber  nur  der  jüngste  der  vier  Söhne,  Ernst  August,  männliche  Nach 
kommen  hatte,  so  wurde  1705  der  gesamte  Länderbesitz  wieder  unter 
Georg  Ludwig  in  einer  Hand  vereinigt  und  blieb  es  für  die  folgende 
Zeit.  Auch  diesem  gelang  es  erst  1702,  der  bereits  seinem  Vater  vom 
Kaiser  verliehenen  Kurwürde  allgemeine  Anerkennung  in  den  welfi- 
schen  Ländern  zu  verschaffen.  Ihm  war  es  ferner  beschieden,  durch 
die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  seiner  Mutter  mit  dem  englischen 
Königshause,  als  Georg  L  den  englischen  Thron  zu  besteigen,  ein  Er 


420.  Kurfürstentum  Hannover.  557 


eignis,  welches  anfangs  für  Hannover  von  wirtschaftlicher  Bedeutung 
war,  später  aber  dieses  Land  nur  zu  einem  Spielball  englischer  Inter- 
essen machte. 

Einen  grösseren  Gebietszuwachs  erfuhr  Hannover  1733  durch  die 
endgültige  Abtretung  der  ehemaligen  Bistümer  Bremen  und  Verden. 

 Georg  t  1641 

Christian  Ludwig     Georg  Wilhelm     Johann  Friedrich       Ernst  August 
t  1665  f  1705  f  1679  f  1689 

Georg  Ludwig 
(Georg  I.  v.  Engl.) 
Sophie  Dorothea  ^  f  1727 

Georg  II.  f  1760 


Georg  in.  f  1820 

Nach  dem  Tode  Christian  Ludwigs  1665,  der  den  Lüneburg-Celleschen 
Teil  hatte,  fand  nach  den  üblichen  Streitigkeiten  über  die  Erbfolge  zwischen 
den  beiden  nächstfolgenden  Brüdern  ein  Vergleich  dahin  statt,  dafs  Georg 
Wilhelm  gegen  sein  Calenberger  Land  Lüneburg-Celle  mit  den  Grafschaften 
Hova  und  Diepholz  und  dem  Stift  Walkenried  mit  »Schauen  eintauschte,  während 
Johann  Friedrich  Calenberg  mit  Grubenhagen  erhielt.  Hävern.  3,  217. 
Heinem.  3,  128.  Johann  Friedrich  starb  1679,  und  in  seine  Rechte  trat  Emst 
August  und  dann  dessen  Sohn  Georg  Ludwig,  der  nach  dem  Tode  Georg 
Wilhelms  1705  auch  den  Celleschen  Teil  übernahm. 

Jenes  Stift  Walke nried  überliefe  Georg  Wilhelm  aber  1671  der  Wolfen- 
bütteler  Linie  für  die  fünf  Dannenbergschen  Ämter. 

Der  seit  dem  Westfälischen  Frieden  bestehende  schwedische  Besitz  von 
Bremen  und  Verden  wurde  nach  der  Schlacht  von  Fehrbellin  1675  den 
Schweden  streitig  gemacht,  doch  blieben  diese  gegen  Abtretung  des  Amtes 
Thedinghausen  und  der  Vogtei  Dörverden  (zwischen  Aller  und  Weser)  an  das 
Gesamthaus  Braunschweig  zunächst  noch  Herren  im  Lande.  Der  Nordische 
Krieg  gegen  Karl  XII.  hatte  aber  zur  Folge,  dafs  Schweden  gegen  eine  Geld- 
entschädigung Bremen  und  Verden  und  das  Amt  Wildeshausen  1719  an  Braun- 
schweig-Lüneburg  abtrat  (Kaiserl.  Ratifikation  1733).  Hävern.  3,  274  ff.,  391  f., 
491  ff.,  498.  Heinem.  3,  120.  —  Bei  der  Überrumpelung  des  Wolfenbütteler 
Herzogtums  1702  behufs  Anerkennung  der  Kurwürde  überliefsen  Georg  und 
Georg  Wilhelm  jenem  das  Amt  Thedinghausen  an  der  Weser,  während  die 
Vogtei  Dörverden  bei  Lüneburg  verblieb. 

Im  Jahre  1689  war  der  letzte  Herzog  von  Lauenburg  gestorben.  Auf 
Grund  einer  Erbverbrüderung  von  1369  fiel  sein  Land  dem  braunschweigischen 
Gesamthause  zu.  Trotz  der  Prätensionen  von  Kursachsen,  Anhalt  und  Mecklen- 
burg nahm  Ernst  August  von  dem  Herzogtum  Sachsen-Lauen  bürg,  zu 
welchem  auch  die  Landschaft  Hadeln  gehörte,  Besitz.  —  Bei  der  in  Frage 
kommenden  Teilung  des  Lauenburgsehen  Landes  zwischen  Hannover  und 
Wolfenbüttel  verzichtete  letzteres  1705  auf  seinen  Anteil,  für  den  es  von  Han- 
nover das  Amt  Campen  a.  d.  Schunter  erhielt.  Hävern.  3,  318  ff.,  382  ff. 
Heinem.  3,  121  f,  —  Auch  die  Landschaft  Hadeln  gehörte  noch  zu  Lauenburg, 
doch  war  sie  durch  den  Kaiserl.  Gesandten  unter  Sequester  gestellt  worden; 
1731  wurde  (fieses  aufgehoben  zu  Gunsten  Hannovers.  Heinem.  3,  235.  Ferner 
trat  Dänemark  an  Hannover  für  70000  Taler  1739  das  zu  Lauenburg  gehörende 
Amt  Steinhorst  ab.  1741  erhielt  es  von  Bremen  für  Vegesack  das  Amt  Blumen - 
thal  und  Gericht  Neuenkirchen. 


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558 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


Der  Territorialbestand  des  Kurfürstentums  Hannover  war  seinen 
historischen  Teilstücken  nach  folgender: 

I.  Fürstentum  L  ü  n  e  b  u  r  g  •  C  e  1 1  e  mit  den  grofsen  Städten  Lüneburg, 
Ülzen  und  Celle  und  den  kleinen:  Harburg,  Dannenberg  und  Lüchow;  ferner 
mit  22  Ämtern  (von  denen  jene  Städte  ausgeschlossen  waren):  Harburg,  Wil- 
helmsburg ,  Moisburg ,  Winsen  a.  d.  Luhe ,  Büttlingen ,  Scharnebeck ,  Lüne, 
Gartze,  Bleckede,  Hitaacker,  Dannenberg,  Lüchow,  Wustrow,  Schnackenburg, 
Oldenstadt,  Medingen,  Ebsdorf,  Bodenteich,  Isenhagen,  Knesebeck,  Klötze, 
Fallersleben,  Gifhorn,  Meinersen,  Burgdorf,  Ahlden  und  Rethem.  Hierzu 
gehörte  die  Grofsvogtei  oder  das  Amt  Celle  mit  12  Amtsvogteien :  Celle, 
Kiklingen,  Ilten,  Burgwedel,  Bissendorf,  Essel,  Winsen  a.  d.  Aller,  Fallingbostel, 
Soltau,  Bergen,  Hermannsburg  und  Bedenbostel;  ferner  4  adlige  Gerichte: 
Gartow,  Brome,  Fahrenhorst  und  Wahtlingen  sowie  verschiedene  evangelische 
Stifter  und  Klöster. 

II.  Fürstentum  Grubenhagen  mit  acht  Ämtern:  Rothenkirchen,  Salzder 
beiden,  Cattenburg,  Osterode,  Herzberg,  Seharzfels,  Radolfshausen  und  Elbinge- 
rode und  den  kanzleisässigen  Städten  Einbeck  und  Osterode;  ferner  dem 
Gericht  Rüdigershausen  auf  dem  Eichsfeld.  —  Wegen  des  Harzes,  der  teilweise 
mit  Braunschweig  gemeinsam  war,  vgl.  das  oben  S.  516  Bemerkte.  Zum  ein 
seit  igen,  d.  h.  Hannover  allein  gehörenden  Oberharz  gehörten  die  Bergstädte 
Klausthal,  Altenau  und  St.  Andreasberg  mit  Bergwerken  und  Silberhütten  und 
drei  kleineren  Orten.  Zum  Kommunion -  Ober  harz,  von  dem  4/7  hannöve 
lisch  und  */7  braunsehweigisch  waren,  gehörten  die  Bergstädte  Zellerfeld,  Grund, 
Wildemann  und  Lautenthal  sowie  drei  kleinere  Orte.  Der  ganze  Unter  harz 
bildete  Gemeingut  mit  seinen  Bergwerken  (Rammeisberg  bei  Goslar). 

III.  Fürstentum  Calenberg  war  in  landständischer  Beziehung  in 
drei  Quartiere  geteilt:  1.  Hannöverisches  Quartier  mit  den  Städten  Altstadt 
Hannover  (Hauptstadt  des  Kurfürstentums),  Neustadt  Hannover,  Münden,  Wilns- 
dorf, Pattensen,  Eldagsen  sowie  den  Kammerämtern  Calenberg.  Wittenburg, 
Coldingen,  Langenhagen,  Ricklingen,  Neustadt  am  Rübenberge,  Rehburg.  Wölpe 
imd  Blumenau  und  den  adligen  Gerichten  Linden,  Rössing,  Bredenbeck  und 
Bremerode.  —  2.  Hameln-Lauenausches  Quartier  mit  den  Städten  Hameln  und 
Bodenwerder,  den  Ämtern  Springe,  Lauenstein,  Ohsen,  Grohnde,  Polle  und 
Ärzen  und  den  adligen  Gerichten  Limmer,  Dehnsen,  Banteln,  Hastenbeck,  Ohr 
und  Hämelschenburg.  Das  Lauenausche  Quartier  bestand  aus  drei  Ämtern : 
Lauenau,  Bokeloh  und  Lachem.  —  3.  Göttingisches  Quartier  mit  den  Städten 
Göttingen  und  Nordheim,  Münden,  Dransfeld,  Moringen,  Uslar  und  Hardegsen, 
den  Ämtern :  dem  Landgericht  auf  dem  Leinberg  bei  Göttingen,  Amt  Münden, 
ßrackeuberg,  Friedland,  Reinhausen,  Niedeck,  Brunstein,  Westerhofe,  Moringen. 
Hardegsen,  Harste,  Uslar,  Lauenförde,  Nienover  und  Erichsburg  sowie  den  adligen 
Gerichten  Hardenberg,  Geismar.  Adelebsen,  Altengleichen,  Imbsen,  Gartendörfer. 
Wacke,  Imbshausen,  Jühnde,  Üssinghausen  und  Ohlershausen. 

IV.  Herzogtum  Bremen  mit  nur  zwei  Städten:  Stade  und  Buxte 
hude  und  den  Ämtern  Altkloster,  Neukloster,  Harsefeld,  Zeven,  Bremervörde, 
Ottersberg,  Osterholz,  Lilienthal,  Blumenthal,  Hagen,  Amtsschreiberei  Stotel 
Amtsvogt  ei  Vieland,  Amt  Nordholz  im  neuen  Lande  Wursten  (seit  1635  ein- 
gedeicht). Bederkesa,  Neuhaus,  Rhedingen,  II immelpf orten,  —  femer  dem  Alten 
Land,  Land  Kehdingen,  Gericht  Osten,  dem  alten  Land  Wursten,  Gericht  Lehe 
und  Gogericht  Achim  sowie  mit  den  Domkirchen  zu  Bremen  und  Hamburg 
und  31  adligen  Gerichten.  —  Hierzu  gehörten  ferner  Stadt  und  Amt  Wüdeshausen 

V.  Fürstentum  Verden  bestand  neben  der  Stadt  Verden  aus  zwei 
Ämtern:  Verden  und  Rothenburg. 

VI.  Herzogtum  Sachsen- Lau enbur'g  mit  den  drei  Städten  Rfltse» 
bürg,  Lauenburg  und  Müllen  und  den  fünf  Ämtern  Ratzeburg,  Lauenbnrg. 
Neuhaus,  Schwarzen  heck  und  Steinhorst  sowie  27  adligen  Gütern  und  Gerichten 


421.  Herzogtum  Braunschweig-Wolfenbüttel.  559 

VII.  Land  II  ad  ein  (war  früher  dem  vorher  genannten  Herzogtum  nicht 
einverleibt  gewesen)  bestand  aus  drei  Ständen  :  1.  Stand  oder  das  Hochland 
mit  7  Kirchspielen ;  2.  Stand  oder  das  Sietland  mit  5  Kirchspielen  und  3.  Stand : 
die  Stadt  Otterndorf. 

VIII.  (traf schaft  Hoya  war  dem  Kurstaat  einverleibt  worden.  Sie 
wurde  in  vier  Quartiere  geteilt  1.  Quartier  mit  den  Ämtern  Sycke,  Ehrenburg 
und  Frauenstift  Hassum.  2.  Quartier  mit  den  Ämtern  Stolzenau,  Diepenau, 
Steyerberg  ^  Siedenburg,  Bahrenburg  und  Harpstedt.  3.  Quartier  mit  Stadt 
Nienburg,  Amt  Nienburg,  Hoya  und  Liebenau.  4.  Quartier  mit  den  Ämtern 
Alt-  und  Neu-Bruchhausen,  Westen  und  Thedinghausen.  (S.  unter  Braunschweig). 

IX.  Herrschaft  Diepholz  mit  den  Ämtern  Diepholz  (mit  zwei  Vog- 
teien  Barnsdorf  und  Drebber)  und  Lemförde.  (Das  Amt  Auburg  war  an 
Hessen-Kassel  gefallen  trotz  des  Protestes  von  Hannover.) 

421.  Herzogtum  Braunschwelg-Wolfenbttttel.  Seit  dem  Teilungs- 
rezefs  von  1635  war  der  Bestand  des  Herzogtums  wenig  verändert  und 
vergröfsert  worden.  Nacheinander  regierten  hier  die  beiden  älteren 
Söhne  Augusts  des  Jüngeren  und  dann  seine  Enkel  (August  Wilhelm 
und  Ludwig  Rudolf);  letztere  ohne  männliche  Nachkommen  (s.  Tabelle). 
Augusts  des  Jüngeren  dritter  Sohn,  Ferdinand  Albrecht  I.  (t  1687), 
war  seinerzeit  mit  dem  Haus  Bevern  und  einem  Geldzuschufs  abgefunden 
worden.  Sein  Sohn  Ferdinand  Albrecht  II.  wurde  1735  somit  recht- 
inäfsiger  Regent  und  setzte  die  Bevernscho  Linie  fort.  —  Die  Haupt- 
stadt des  Landes  wrurde  1753  Braunschweig;  der  Name  wurde  seitdem 
auch  für  das  Haus  und  Land  im  engeren  Sinne  üblich. 

 AuguBt  d.  Jung,  f  1666  

Rudolf  August                    Anton  Ulrich  Ferd.  AI  brecht  1. 

(ohne  m.  Nachk.)                       1714  (Bevern)  f  1687 

1704   |   | 

August  Wilhelm'   Ludwig  Rudolf  Ferd'  A^£cht  U' 
(o.  m  N.)  (o.  m.  N.)  1  , 

1731  1735  Kurl  I1  1780 

Der  Friede  zu  Celle  1679  hatte  Thcdingbauscn  und  Dörverden  an  das 
Gesamthaus  Braunschweig  gebracht.  Rudolf  Äugust  hatte  seinerzeit  einen  Teil 
von  Thedinghausen  erhalten,  den  anderen  erhielt  er  1702  (s.  o.  Hannover). 
(Lünig,  Reichsarchiv  IV,  171.  Hävern.  3,  189  Anin.)  Das  Amt  Thedinghausen 
gehört  auch  heute  noch  zu  Braunschweig.  —  Die  trotzig  auftretende  Stadt 
Braunschweig  wurde  1671  von  den  Weifen  genieinsam  eingenommen,  ihrer 
Selbständigkeit  beraubt  und  zu  einer  Landstadt  gemacht.  Während  bisher  die 
Weifenhäuser  gemeinsame  Anrechte  an  die  Stadt  hatten,  verzichtete  die  Cellesche 
Linie  ganz  auf  diese  und  die  Abtei  Walkenried,  wogegen  Rudolf  August  die 
fünf  Ämter  Dannenberg,  Hitzacker,  Lüchow,  Wustrow  und  Scharnebeck  an  Georg 
Wilhelm  von  Celle  abtrat.  Hävern.  3.  187,  v.  Selchow,  Magazin  f.  deutsch. 
Rechte  u.  Gesch.  I,  114,  124,  135. 

Die  Lauenburger  Angelegenheit  wurde  1706  geregelt.  Anton  Ulrich  von 
Wolfenbüttel  erhielt  Amt  Campen  an  der  Schunter  und  drei  Dörfer  des  Amtes 
Gifhorn,  v.  Selchow,  Magazin  I,  192  f.  Hävern.  3.  193.  Hein.  3,  236.  — 
Ludwig  Rudolf  hatte  bereits  1690  von  seinem  Vater  und  Onkel  als  erbliche 
Apanage  die  Grafschaft  Blankenburg  erhalten.  1707  wurde  diese  durch  den 
Kaiser  zu  einem  reichsunniittelbaren  Fürstentum  erhoben.  Da  Ludwig  Rudolf 
aber  1731  selbst  Herzog  wurde,  so  wurde  Blankenburg  wieder  mit  Braunschweig 
für  immer  vereinigt.    Hävern.  3,  594  f. 


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560 


XIII.  Politische  (ieographie  um  das  Jahr  1770. 


Das  Herzogtum  zerfiel  in  vier  Distrikte:  L  W  ol  f  e  n  b  ü  1 1  e  1  s  eher 
Distrikt  mit  den  Städten  Braunseh weig,  Wolfenbüttel  und  Schöppenstedt 
und  den  Ämtern  Wolfenbüttel,  Rothenhof,  Winnigstedt,  Salzdahlum,  der  Eich 
Lichtenberg,  Gebhardshagen,  Neubrück,  Campen,  Salder,  Achim,  Bärnsdorf 
und  den  Gerichten  Kissenbrück  oder  Hedwigsburg,  Weudhausen  und  Vechelde 
sowie  17  adligen  Gerichten.  —  II.  Scheningsch  e  r  Distrikt  mit  den 
Städten  Helmstedt,  Seheningen  und  Königslutter,  den  11  Ämtern  Könige 
lutter,  Scheningen,  Jerxheim,  Hessen,  Voigtsdahlum,  Warberg,  Bardorf,  Neuhau.«. 
Vorsfelde,  Calvörde  (abgesondert  gelegen)  und  dem  Gericht  Langleben  sowir 
7  adligen  Gerichten.  —  III.  Harzdistrikt  mit  den  Städten  Gandersheim 

Siit  Stift)   und  Seesen  und  6  Ämtern:  Gandersheim,  Seesen,  Staufenburg, 
arzburg,  Langelsheim  und  Lutter  am  Barenberg  sowie  12  adligen  Gerichten 
—  IV.  Weserdistrikt   mit  den  Städten  Holzminden  und  Stadt-Oldendorl. 
den  7  Ämtern  Wickensen,  Greene,  Forst,  Bevern,  Allersheim,  Fürstenberg  un<I 
Ottenstein  und  6  adligen  Gerichten. 

422.  Kleinere  Territorien  und  reichsunmittelbare  Gebiete  im  nord- 
westlichen Deutschland  waren  die  folgenden: 

Grafschaft  Spiegelberg  stand  unter  der  I>andeshoheit  des  Fürstentum* 
Calenberg.  Seit  1631  hatte  sie  dem  Grafen  von  Nassau-Diez  gehört.  Das  alt« 
Schlofs  lag  im  hannoverschen  Amt  Lauenstein.  Es  gehörte  zum  Gebiet  »1er 
Flecken  Coppenbrügge  mit  fünf  Dörfern. 

Grafschaft  Rietberg  (Rittberg)  an  der  oberen  Ems  war  seit  dem  End«- 
des  XVII.  Jh.  im  Besitz  der  Grafen  von  Kaunitz.  Sie  umfafste  das  Städtchen 
Rietberg  mit  Schlofs  Eden  und  vier  Dörfern. 

Grafschaft  Holzapfel  an  der  Lahn  war  aus  der  Reichsherrschaft  Esterau 
erwachsen  und  vom  Fürsten  Johann  Ludwig  von  Nassau-Hadamar  dem  Grafen 
Peter  zu  Holzapfel  1643  verkauft  und  vom  Kaiser  zu  einer  unmittelbaren 
Reichsgrafschaft  erhoben  worden.  Eine  Nichte  jenes  Peter  brachte  sie  als 
Heiratsgut  ihrem  Gemahl  Lebrecht  von  Anhalt- Bernburg  zu.  Es  gehörte  zur 
Grafschaft  das  Städtchen  Holzapfel  und  neun  Dörfer,  die  Waldenseransiedelung 
Charlottenberg  und  das  alte  Schlofs  Laurenberg. 

Herrschaft  Reichenstein  lag  im  Wied-Runkelschen  Oberamt  Dierdorf, 
bestand  aus  dem  Dorf  und  einem  alten  Schlofs  und  war  1698  aus  Wiedschem 
Besitz  an  den  Freiherrn  von  Nesselrode  gekommen,  der  1702  Reichsgraf  wurd» . 

428.  Westfälische  Bistümer.  Bis  auf  Minden,  welches  1648  an 
Brandenburg  gefallen  war,  bestanden  die  übrigen  noch  fort. 

Bistum  Münster  setzte  sich  aus  zwei  getrennt  liegenden  Gebieten  zu- 
sammen, dem  Oberstift  oder  dem  südlichen  und  dem  Niederstift  oder  dem 
nördlichen  Teil,  überdies  zerfiel  es  in  vier  Quartiere:  1.  Das  Wollbecksehe 
oder  Dreinsche  Quartier  mit  den  Ämtern  Wollbeck,  Sassenberg  und  Strom- 
berg. 2.  Das  Wernische  oder  Steversche  Quartier  mit  den  Aintern  Werne. 
Dülmen  und  Lüdinghausen.  3.  D;is  Braemsche  Quartier  mit  den  Ämtern 
Ahaus  und  auf  dem  Braem,  Horstmar,  Reine,  Bevergen  und  Bocholt.  4.  Das 
Emsländische  Quartier  mit  den  Amtern  Emsland,  Cloppenburg  und  Vechta. 

Bistum  Paderborn.  Das  Eggegebirge  teilte  das  Stift  in  den  Vorwaldischen 
und  Oberwaldischen  Distrikt.  1.  Der  Vorwaldische  Distrikt  (westlich  der  Egge',1 
umfafste  die  Ämter  Neuhaus,  Delbrück,  Boke,  Lichtenau  und  Wünnenberg, 
die  Herrschaft  Büren  und  das  Amt  Wewelsburg.  2.  Der  Oberwaldische  Distrikt 
umfafste  die  Amter  Dringenberg,  Steinheim,  Beverungen  und  Lügde.  Unter 
des  Domkapitels  Gerichtsbarkeit  standen  die  Städte  Lippspringe  und  Breden- 
born sowie  einige  Dörfer. 


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424.  Gefürstete  Benediktinerabtei  Corvey.    426.  Grafschaft  Oldenburg.  561 

Bistum  Osnabrück.  Neben  der  Hauptstadt  Osnabrück  bestand  es  aus 
7  Ämtern:  Iburg  mit  16  Kirchspielen,  Fürstenau  mit  15  Kirchspielen,  Vörden 
mit  16  Kirchspielen,  Hunteburg  mit  3  Kirchspielen,  Witlage  mit  3  Kirchspielen, 
Gronenberg  mit  9  Kirchspielen  und  Reckenberg  mit  4  Kirchspielen  sowie  der 
Stadt  Wiedenbrück. 

424.  Gefürstete  Benediktinerabtei  Corvey.  Das  Kloster  war  auf 
Veranlassung  des  Abtes  Adalhard  von  Kaiser  Ludwig  I.  822  gestiftet 
und  mit  Mönchen  aus  der  Abtei  Corbie  in  der  Picardie  besetzt  worden; 
deshalb  nova  Corbeia  genannt.  Seit  1039  besafsen  sie  freie  Abtswahl 
und  der  Abt  den  Fürstenrang.  —  Im  Jahre  1783  erhielt  er  durch  Papst 
Pius  VI.  den  Rang  eines  Bischofs. 

Aufser  dem  Kloster  am  linken  Ufer  der  Weser  gehörte  der  Abtei  die 
Stadt  Höxter  (Huxori),  das  Frauenkloster  Brenkhusen,  die  Propstei  St.  Jakobs- 
berg und  18  Dörfer  und  Vorwerke.  M.  Mever,  Zur  älteren  Gesch.  Corvevs 
und  Höxters,  Paderb.  1893. 

Benediktinerabtei  Werden  an  der  Ruhr,  eine  Stiftung  des  hl.  Liudger, 
ersten  Bischofs  von  Münster.  Der  Abtei,  die  reichen  Güterbesitz  hatte,  gehörte 
ehemals  auch  die  Stadt  Helmstädt-Lüdinghausen,  Herrschaft  Frimörsheim  im 
späteren  Fürstentum  Mörs.  —  Zum  Gebiet  der  Abtei  gehörten  im  XVIII.  Jh. 
noch  die  Stadt  Werden,  der  Flecken  Kettwick  (— g)  an  der  Ruhr  und  einige 
Dörfer. 

Frauenstift  Herford  in  der  gleichnamigen  Stadt,  im  VIU.  Jh.  angeblich 
gestiftet.  Papst  Hadrian,  Kaiser  Ludwig  I.  und  Konrad  II.  hatten  1101  und  1147 
dem  Stift  verschiedene  Privilegien  und  weltliche  Hoheit  verliehen.  Ein 
grölseres  Gebiet  besafs  es  nicht. 

Gefürstete  Frauenabtei  Essen,  873  als  Benediktinerkloster  vom  Hildes- 
heimer Bischof  Altfried  gestiftet.  Schon  frühzeitig  besafs  sie  neben  anderen 
Privilegien  das  Recht,  einen  eigenen  Schirmherrn  zu  wählen.  Die  Erbvogtei 
empfing  der  Grofse  Kurfürst  1648  zu  Lehen.  —  Es  gehörten  zum  Gebiet:  die 
Abtei  Essen  mit  der  Stadt,  das  Städtchen  Steill  oder  Stele,  Herrschaft  Relling- 
hausen, Huckarde,  Dorf  Borbeck  mit  einem  Schlofs  der  Äbtissin.  Die  Stadt 
Essen  wollte  sich  als  freie  Reichsstadt  aufspielen,  wurde  aber  1670  durch  das 
Reichskammergericht  als  Untertanin  der  Äbtissin  erklärt. 

425.  Herrschaft  Jeverland.  Anton  Günther  von  Oldenburg  hatte 
schon  bei  Lebzeiten  die  Regierung  des  Jeverlandes  an  seinen  Schwester- 
sohn, Fürsten  Johann  von  Anhalt-Zerbst,  übertragen  (1660).  Die  angeb- 
lichen Anrechte  des  dänischen  Königs  führten  1689  zu  einem  Vergleich, 
auf  Grund  dessen  letzterer  auf  die  Lehenshoheit  über  Jever  verzichtete. 

Im  XVII.  Jh.  war  man  in  Zweifel  gekommen,  ob  Jever  überhaupt  zum 
Deutschen  Reich  gehörte  und  ob  es  zum  Burgundischen  oder  Westfälischen 
Kreise  zu  rechne«  sei.  Der  Lehensauftrag  der  Gräfin  Maria  von  1532  an  Kaiser 
Karl  V.  liefs  sogar  den  König  von  Frankreich  als  angebliehen  Besitzer  auf- 
treten, und  dieser  wollte  die  Überherrlichkeit  an  den  dänischen  König  Christian 
abtreten  (1682). 

Die  Herrschaft  setzte  sich  zusammen:  aus  den  Landschaften  Ostringen 
mit  Jever  und  Vogteien  Sillenstadt  und  Waddewarden),  Wangerland  mit 
Vogtei  Altenmark,  Oldorf.  Hohenkirchen,  Minsen,  Tettens  und  Insel  Wangeroog) 
und  Rüstringen  mit  der  gleichnamigen  Vogtei. 

426.  Grafschaft  Oldenburg  sollte  nach  dem  Tode  von  Anton 
Günther  1667  wieder  auf  die  Grafschaft  Oldenburg  im  engeren  Sinne 

Krct«chm»r   Historische  Geographie 


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562 


XIII.  Politische  Goographie  um  das  Jahr  1770. 


und  Delmenhorst  beschränkt  werden.  Da  er  ohne  legitime  Erben  starb, 
so  ging  die  Regierung  auf  Friedrich  III.,  König  von  Dänemark,  und 
Christian  Albrecht  von  Holstein-Gottorp  über.  Die  Nachkommen  des 
ersteren  sind  bis  1770  fortlaufend  die  Regenten  des  Landes.  Vorüber 
gehend  (1711—1731)  war  Delmenhorst  an  Kurhannover  verpfändet 
gewesen. 

Die  Grafschaft  Oldenburg  bestand  aus  der  Stadt  und  Landvogtei 
Oldenburg  mit  den  vier  Geestvogteien  Oldenburger  Hausvogtei,  Wüsteland, 
Wardenburg  und  Hatten  und  dem  Ammerland,  den  vier  Marschvogteien 
Muhriem  oder  Elsfleth,  Oldenbrock,  Strückhausen  und  Hammelwarden  und 
Stedingerland.  Ferner  gehörten  hierzu  die  Landvogtei  Neuen  bürg  mit  den 
Vogteien  Buckhurn,  Zetel  (beide  die  sug.  friesische  Wede),  Ape,  Zwischenahn, 
Rastede,  Jade  und  Sehweiburg,  aufserdem  Amt  (uder  edle  Herrschaft)  Varel 
mit  mehreren  Dörfern,  Amt  Schwei  und  Landgericht  Ovelgönne  mit  dem  Stad- 
land  und  Butjadingerland  suwie  Land  und  Amt  Würden  jenseits  der  Weser 
—  Die  Grafschaft  Delmenhorst  umfafste  die  Stadt  und  Landvogtei  1  leimen* 
hurst  mit  der  Hausvogtei  und  Vogtei  Stuhr  sowie  den  zum  Stedingerland«» 
gehörigen  Marschvugteien  Berne  und  Altenesch. 

Herrschaft  Kniphausen  und  Varel.  Anton  Günther  hatte  die  Herr- 
schaft Varel  seinem  unehelichen  Suhn  Anton  L,  der  1653  durch  kaiserliches 
Diplom  zum  Reichsgrafen  von  Aldenburg  erhoben  worden  war,  als  reiche- 
unmittelbares  Gut  überlassen,  und  er  wendete  ihm  1657  auch  Kniphausen  als 
freie  Allodialherrsehaft  zu.  Hierüber  Kohli  I,  33.  Die  später  erfulgenden  Ein- 
sprüche vun  Seiten  Dänemarks  wurden  1693  duich  den  Aldenburgischen  Traktat 
beigelegt;  danach  Helen  dem  Nachfulger  Antun  II.  zu:  das  Amt  Varel  unter 
dem  Titel  »Edle  Herrschaft  Varel«,  ferner  Kniphausen  und  die  Vurwerke  und 
Ländereien  desselben  zu  Neuenfelde,  Witbeckersburg,  Ovelgönne,  Roddens. 
Seefeld,  Blexersand  im  blexander  und  boitwardcr  Gruden  und  im  Neuen 
Huben.    Kuh  Ii  I,  42.  Böse,  Oldenbg.  800. 

427.  Grafschaft  Bentheim.  Der  durch  konfessionelle  Gründe  her- 
vorgerufene Ehezwist  des  Grafen  Ernst  Wilhelm  (1643—1693)  mit  seiner 
Gemahlin  und  seinen  Söhnen  war  durch  den  Bielefelder  Vergleich  1691 
endlich  beigelegt  worden.  Die  starke  Verschuldung  der  Bentheimer 
Grafen  veranlafste  Friedrich  Karl  Philipp  sein  Land  an  Kur-Hannover 
1753  auf  30  Jahre  zu  verpfänden. 

Ernst  Wilhelm  vun  Bentheim  war  anfangs  morganatisch  mit  Gertrud 
van  Zelst  (Kammerjungfer  seiner  Schwester)  vermählt,  die  ihm  sechs  Kinder 
schenkte  und  1666  vom  Kaiser  zur  Reichsgräfin  erhoben  wurde.  Doch  hatte 
Ernst  Wilhelm  bereits  seinem  Bruder  Philipp  Kunrad  vun  Steinfurt  und  seinen 
Nachkummen  die  Erbnachfolge  in  seinem  Lande  zugesichert.  Die  Hoffnung 
seine  eigenen  Söhne  als  Nachfulger  einzusetzen,  wurde  durch  den  Streit  mit 
seiner  Gemahlin  Gertrud  gestört,  die  nach  dem  Haag  floh  und  die  Söhne  dort 
zurückhielt,  weshalb  Ernst  Wilhelm  sie  enterbte.  Letztere,  besonders  sein 
ältester  Sülm  Ernst,  machten  aber  später  ihre  angeblichen  Rechte  dennoch 
gegen  den  Vater  und  den  designierten  Nachfolger  Arnold  Moritz  Wilhelm 
('Sohn  vun  Philipp  Kunrad")  geltend  und  erzielten  im  Vergleich  zu  Bielefeld 
(1691),  dals  jenem  Ernst  die  Grafschaft  Steinfurt  und  Arnold  Moritz  Wilhelm 
Bentheim  nach  des  Vaters  Tode  zugesprochen  wurden.  Cf.  Möller,  L  c.  S.  337  ff 
367,  370,  mit  Urkunden  am  Sehluis. 

Auf  Arnold  Moritz  Wilhelm  (1693 — 1701)  folgte  dessen  Sohn  Hermann 
Friedrich  (1701—1731),  auf  diesen  sein  Sohn  Friedrich  Karl  Philipp,  der  Schulden 
halber  1753  die  Grafschaft  an  Hannover  verpfändete.  Cf.  Die  akteiimäfsL'* 
Geschichte  der  Verpfändung  bei  von  Raet  von  Bögelskamp,  L  c.  H,  193 — SW. 


— . 


I 

428.  Republik  der  Vereinigten  Niederlande.  563 


Die  Grafschaft  Bentheim  zerfiel  in  die  obere  und  untere  Grafschaft, 
von  denen  jene  ein  Reichslehen  war.  Die  obere  Grafschaft  begriff  die  drei 
Ämter  Schüttorf,  Nordhorn  und  Emblikheim,  die  untere  Grafschaft  die  Ämter 
Neuenhaus  und  Olsen. 

Die  GrafschaftSteinfurt  lag  ganz  im  Bereich  des  Hochstiftes  Münster. 
Sie  war  1495  zur  Reichsgrafschaft  erhoben  worden,  die  das  Hochstift  anfocht. 
1716  kam  ein  Vergleich  zustande,  nach  dem  Schlols,  Stadt  und  Kirchspiel 
Steinfurt  (auch  Burg-Steinfurt  genannt)  reichsunmittelbar  bleiben  sollten, 
während  die  Kirchspiele  Borehorst,  Laer  und  Holthausen  mit  der  Bauerschaft 
Höpingen  unter  der  Landeshoheit  von  Münster  bleiben  sollten. 

428.  Republik  der  Vereinigten  Niederlande.  Seit  dem  West 
feilschen  Frieden  waren  die  Niederlande  ohne  Beziehungen  zum  Deutschen 
Reiche  gewesen  und  bildeten  einen  selbständigen  Staat.  Sie  bestanden 
aus  den  sieben  Provinzen  Gelderland,  Holland,  Zeeland,  Utrecht,  Fries- 
land, Overyssel,  Stadt  und  Land  Groningen.  Unter  ihrem  Schutze  stand 
die  Landschaft  Drenthe.  Die  Bevollmächtigten  der  Provinzen  bildeten 
die  Generalstaaten  der  Vereinigten  Niederlande,  doch  war  Drenthe  von 
diesen  ausgeschlossen.  Das  gleiche  gilt  von  den  sog.  Generalitäts- 
landen, die  erst  später  von  den  damals  noch  spanischen  Niederlanden 
hinzuerobert  worden  wraren  und  Teile  von  Geldern,  Brabant  und  Flandern 
umfafsten.  —  Der  sog.  Barrieretraktat  von  1714  hatte  ihnen  nach  dem 
•Spanischen  Erbfolgekrieg  noch  das  Recht  verliehen,  einige  Festungen  an 
«ler  französischen  Grenze  zu  besetzen. 

Einteilung  und  Umfang  der  sieben  vereinigten  Provinzen  waren  folgende: 

1.  Gelderland  oder  Nieder-( leidern,  da  Ober-Geldern  1648  abgezweigt 
worden  ist.  Es  bestand  aus:  a)  dem  Nimwegischen  Quartier  mit  den  drei 
Städten  Nimwegen  (holländisch  Nijmegen),  Tiel  (Thiel)  und  Bommel  sowie  den 
sechs  Ämtern  Nimwegen,  Maas-Waal,  Ober-Betuwe,  Nieder-Betuwe,  Tieler-  und 
Bommeler  -  Waard  und  Beest;  b)  dem  Zutphenschcn  Quartier  mit  den  fünf 
Städten  Zutphcn,  Doesburg,  Deutichem,  Lochern  und  Grol  (Groenlo)  und  den 
vier  Ämtern  Zutphen,  Landd rosten-  und  Schulzenamt,  Doesburg  und  Lochern; 
ferner  gehörten  hierzu  die  Herrschalt  Borkelo,  Lichtenvoorde,  Bredevoort,  die 
Bann<*rherrsehaft  Wisch  und  Grafschaft  sHeerenberg;  c)  dem  Arnheimschen 
Quartier  oder  der  Veluwe  mit  den  fünf  Städten  Arnheim  (Arnhem). 
Öarderwvck,  Wageningen,  Hattera  und  Elburg  uud  den  Ämtern  der  Veluwe, 
Veluwe-Zoom  und  Loo. 

2.  Holland,  schon  damals  eine  reich  angebaute,  volkreiche  Provinz. 

a)  Südholland  mit  den  Städten  Dortrecht,  Harlem,  Delft,  Leiden,  Amsterdam, 
Gouda,  Rotterdam,  Gorkum,  Schiedarn,  Schoonhoven  und  Briel,  ferner  der 
Haag  oder  sGravenhage.  Hierzu  die  Ämter  Gooiland,  Loosdrecht,  Amstelland, 
Koneujerland,  Rheinland,  Woerden,  Schicland,  Delfland  sowie  mehrere  Inseln. 

b)  Nordholland  mit  den  Städten  Alkmaar,  Hoorn,  Enkhuizen,  Edam,  Mon- 
nikendam,  Medenblik,  Purmerend  und  den  Ämtern  Noord-Kenemerland,  Water- 
land,  Westfrieeland  von  der  Zijpe  gegen  Osten,  ferner  einige  Inseln:  Texel, 
Flieland,  Ter  Sendling.  Wieringen,  Marken,  Urk  und  Schokland,  letztere  in  der 
Zuider  Zee. 

3.  Zeeland,  wesentlich  aus  Inseln  bestehend,  mit  dem  Quartier  an  der 
VVester-Sehelde  mit  den  Städten  Middelburg,  Vlissingen,  Veere  und  den  Inseln 
St.  Joostland,  Nord-  und  Süd-Beveland,  Wolfersdyk  —  sowie  dem  Quartier  an 
der  Oster-Schelde  mit  der  Stadt  Zirkzee  auf  der  Insel  Sehouwen.  ferner  den 
[nseln  Duiveland,  ter  Tholen  und  St.  Philippsland. 

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c 

564  XTIT.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

4.  Utrecht  mit  den  Städten  Utrecht,  Anicrsfoot,  Rhenen  u.  a. ;  da;* 
platte  Land  wird  in  vier  Quartiere  geteilt:  das  Oberquartier,  Niederquartier, 
Eemland  und  Montfoort. 

5.  Friesland,  bestehend  aus  dem  Ostergo,  Westergo,  Zeven wolden  un<l 
den  Städten  Leeuwarden,  Bolswerd,  Franeker,  Dokkum,  Harlingen,  Stavoren. 
Hindelopen  u.  a. 

6.  Over-Ii  SB  el,  bestehend  aus  dem  Quartier  Salland  mit  dem  Drostarat 
Ijsselmuiden  und  den  Städten  Deventer,  Kampen  und  Zwolle,  —  dem  Quartier 
Twente  mit  Ryssen,  Almelo,  Oldensaal  u.  a.  und  dem  Drostamt  Haarbergen  — 
sowie  dem  Quartier  Vollenhoven  mit  der  gleichnamigen  Stadt. 

7.  Groningerland,  bestehend  aus  der  Stadt  Groningen  und  ihrem 
Gebiet  und  den  Ommelanden  mit  dem  Wester-Quartier,  Hunsingo,  Fivelgo. 
dem  Alten  Amt  und  Westerwolde. 

Die  LandschaftDrenthe  hat  keine  Städte,  sondern  nur  zwei  Flecken, 
eine  Festung  und  37  Dörfer. 

Die  Generalitätslande  umfassen  vom  Herzogtum  Brabant:  1.  das 
Quartier  Herzogenbusch  mit  der  Meierei  Herzogenbusch,  dem  Land  Kuik  nebst 
der  Stadt  Grave  und  der  Herrschaft  Ravenstein  an  der  Maas  (seit  1624  bei 
Pfalz-Neuburg)  mit  14  Dörfern ;  2.  einen  Teil  des  Quartiers  Antwerpen  mit  den 
Herrschaften  Breda,  Willemstadt,  Prinsenland,  Steenbergen  und  der  Markgraf 
schaft  Bergen  op  Zoom;  3.  die  Stadt  Maastricht  und  Grafschaft  Vroenhovc.  — 
Vom  Herzogtum  Limburg  gehörten  dazu  ein  Teil  der  Grafschaft  Valkenburg. 
Grafschaft  Dalem  und  ein  Teil  des  Landes  Hertogenrade.  —  Vom  Oberquartier 
Geldern:  Venlo,  Stevens- Waerd  und  Amt  Montfoort.  —  Von  Flandern 
das  freie  Land  von  Sluis,  das  Hülster  Amt;  letzteres  aus  den  »vier  Ambachtenc. 
Hülst,  Axel,  Assenede  und  Bouchoute  bestehend. 

429.  österreichische  Niederlande.  Die  Spanischen  Niederlande 
waren  infolge  der  lange  bestehenden  kriegerischen  Spannung  zwischen 
Frankreich  und  Spanien  stets  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden  und 
hatten  nach  der  französischen  Seite  hin  mehrfache  Gebiets  Verluste 
(Artois,  Lille,  Valenciennes,  Cambrai  etc.)  zu  verzeichnen  gehabt.  — 
Nach  dem  Tode  Karls  II.  (1700)  von  Spanien  fielen  die  Niederlande 
an  die  deutsche  Linie  des  Hauses  Habsburg.  Beim  Schlufs  des 
Spanischen  Erbfolgekrieges  wurden  im  Rastatter  Frieden  dem  Kaiser 
Karl  VI.  die  Niederlande  (neben  Neapel,  Sardinien  etc.)  zugesprochen 
(1714).  —  In  sehr  günstiger  Lage  befanden  sich  die  Niederlande  damals 
nicht,  zumal  der  Osterreichische  Erbfolgekrieg  neues  Elend  über  das 
Land  brachte  und  die  Scheidemündung  im  Besitz  der  niederländischen 
Republik  war. 

Es  gehörten  zu  den  österreichischen  Niederlanden:   1.  das  Herzogtum 
Brabant,  aus  dem  Vlaamschen  und  Wallonsehen  Brabant  bestehend,   a)  Stadt 
und  Quartier  Löwen,  zu  welchem  neben  mehreren  Meiereien  auch  Land  Sichen 
i  Nassau-Oranien  gehörig)  und  Herzogtum  Arschot  (den  Aremberg  gehörig  !  g«- 
rechnet  wurden,  b)  Stadt  und  Quartier  Brüssel,  Hauptstadt  und  Sitz  der  Her 
zöge,  während  Nivelle  mehr  der  Hauptort  des  Wallonsehen  Brabants  war 
e)  Stadt  Antwerpen  mit  dem  gröfsten  Teil  ihres  Quartiers.   Das  in  ihm  liegend' 
Herzogtum  Hoogstraten  gehörte  dem  Hause  Salm  Salm,  das  Herzogtum  Turnh<»ut 
im  Norden  dem  österreiehisehen  Landesherrn,  an  den  es  1723  von  Kurbranden 
bürg  abgetreten  worden  war.    d)  Die  Herrliehkeit  Meeheln,  sonst  selbständig 
war  Brabant  einverleibt  worden.  —  2.  Das  Herzogtum  Limburg,  auch 
Land  von  O vennaas,  d.  i.  jenseits  der  Maas,  genannt,  mit  der  Hauptstadt  Lim- 


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430.  Bistum  Lüttich.    481.  Krzbistum  Cöln. 


565 


bürg  und  den  Gebieten  Baelen,  Herve,  Monzen,  Walhorn  und  Aspremont 
sowie  einem  Teil  der  Grafschaften  Walkenburg,  und  Daelem  und  des  Landes 
Hertogenrade.  —  3.  Das  Herzogtum  Lützelburg  oder  Luxemburg  mit 
den  Ämtern  (prevötes):  Luxemburg,  Arlon,  Bastogne,  Marche,  Chiny,  Virton, 
St.  Mard,  Biedburg  oder  Bibrich,  Epternach  oder  Echternach,  Remich,  Greve- 
machern  und  Orehimont,  ferner  den  besonderen  Herren  gehörigen  Ämtern 
Dicklichi  Estnlle,  Durbuy  und  La  Roche  sowie  dem  Marquisat  la  Pont  d'Oye.  Im 
Herzogtum  lagen  auch  die  Grafschaften  Rochefort  und  Montaigu,  die  Herr- 
schaften Briquemont,  d'Ochamps  und  Bertry  (alle  diese  dem  Hause  Stolberg 
gehörig),  —  ferner  die  Herrschaften  Chassepierre,  Cugnon,  Feuilly,  Orgeo, 
Havresse  und  Hatton  (dem  Hause  Löwenstein  sämtlich  gehörig);  —  die  Graf- 
schaft Roussy,  die  niedere  Grafschaft  Salm,  Grafschaft  Vianden  (Nassau-Oranien) 
und  Grafschaft  Wilz.  Aufserdem  gehörten  hierzu  sieben  Baronien  und  mehr 
als  dreifsig  kleinere  Herrschaften.  —  4.  Die  Grafschaft  Flandern,  einge- 
teilt in  vier  Distrikte:  a)  Distrikt  Gent  mit  der  gleichnamigen  Hauptstadt,  der 
Burggrafschaft  Gent,  Grafschaft  Aalst,  den  Städten  und  Kastellaneien  Oudenaarde 
und  Kortriik,  dem  Land  Doornik,  Land  Waes,  Stadt  und  Herrlichkeit  Dender- 
monde  und  Kastellanei  Bornhem  sowie  von  den  vier  Ambachten  die  Amter 
Assenede  und  Bockhout;  b)  Distrikt  Brügge  mit  kleinem  umliegenden  Gebiet; 
c)  Distrikt  Ypern  mit  Kastellanei  und  Stadt  dieses  Namens,  Herrlichkeit  Waasten 
oder  Warneton ;  d)  das  freie  Land,  't  vrije  Land,  den  nordwestlichen  Teil 
von  Flandern,  von  der  Küste  bis  Middelburg  und  Dixrauijden  reichend.  — 
5.  Die  Grafschaft  Hennegau  (Hainau t)  mit  den  Städten  Moos,  Roeulx, 
Soignies,  St.  Ghislain,  Ath,  Chievre,  Leuse,  Lessines,  Hai,  Braine  le  Comte. 
Enghien,  Binche,  Fontaine  l'Eveque  und  Beaumont,  ferner  mit  dem  Herzog- 
tum Havre  und  den  Marquisaten  Isieres  und  Sare,  den  Fürstentümern  Ligne, 
Barbancon,  Nebecque,  Tour  und  Tassis  und  Grafschaft  Bossut  sowie  einigen 
Pairien  und  Baronien.  —  6.  Die  Grafschaft  Namur  mit  den  Städten  Namur, 
Charleroi,  Walcourt,  Bovines,  ferner  zwölf  kleinen  Herrschaften  und  mehreren 
Abteien.  —  7.  Das  Herzogtum  G e  1  d e r n  (Gelderland)  bestand  aus  zwei  An- 
teilen: dem  österreichischen  mit  Stadt  und  Festung  Roermunde,  den  Herr- 
schaften Swelm  und  Elmpt  und  mehreren  Dörfern  sowie  dem  preufsischen  An- 
teil mit  den  Städten  und  Ämtern  Geldern,  Stralen  und  Wachtendonk,  Middel- 
aar  und  Kriekenbeek,  Land  Kessel  und  den  Herrlichkeiten  Walbeek  und 
Twistede,  Well,  Aarssen  und  Aaff erden.  Das  Drostamt  Montfoord  gehörte 
Preufsen,  stand  aber  unter  Oberhoheit  der  Generalstaaten. 

430.  Bistum  LUttlch  hatte  trotz  der  bewegten  Geschichte  der 
Nachbarschaft  fortbestanden. 

Das  Stift  umfafste  die  Hauptstadt  Lüttich  (niederdeutsch  Luijk,  latei- 
nisch Leodium)  an  der  Maas,  ferner  die  ehemalige  Grafschaft  Hasbain,  Graf- 
schaft Looz  (Loon),  Grafschaft  Hoorn  (seit  1576  unter  Schutz  des  Hoch- 
stiftes, seit  1614  in  seinem  Besitz),  das  Marquisat  Franchimont  mit  dem 
Brunnenort  Spaa,  Landschaft  Condroz  mit  den  Städten  Huy,  Chiney  und 
Dinant,  das  Land  zwischen  Sambre  und  Maas,  abgesondert  vom  Hauptlande 
des  Stiftes  im  SW.,  mit  den  Städten  Cuivin,  Florennes,  Thuin  etc. 

431.  Erzbistum  Cöln  umfafste  drei  getrennte  Ländergebiete:  das 
eigentliche  Erzstift  zu  beiden  Seiten  des  Rheins,  bestehend  aus  dem 
oberen  und  unteren  Erzstift,  die  Grafschaft  Recklinghausen  und  das 
Herzogtum  Westfalen. 

1.  Das  obere  Erzstift  Cöln  begriff  die  Ämter  Bonn,  Linz,  Andernach, 
Ahrweiler,  Altenahr,  Grafschaft  Reiferscheid  (gehörte  den  Grafen  Salm),  Ämter 
Zülpich,  Lechenich,  Brühl,  Hardt,  Stadt  Rhens,  Zeltingen  und  Alken. 


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566  XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

2.  Das  untere  Erzstift  umfafste  die  Ämter  Hülchrath  und  Erpratli. 
Stadt  Neuis,  Liedberg  mit  Herrschaft  Odenkirchen,  Königsdorf,  Ürchngen. 
Kempen,  Uheinberg  und  Deutz. 

3.  Recklinghausen  lag  am  Lippeflufs  mit  der  gleichnamigen  Stadt 
und  Stadt  Dorsten. 

4.  Das  Herzogtum  Westfalen  bestand  aus  vier  Quartieren:  a)  dem 
Rhüdensehen  Quartier  mit  Amt  Ostinghausen,  Gaugrafschaften  Erwitte,  Geseke. 
Rhüden  und  Herrschaftsgerichten  Fritzharzkirchen  und  Meirich;  b)  den 
Werleschen  Quartier  mit  Grafschaft  Arensberg  und  Ämtern  Werl -Neheim, 
Menden  und  Balve ;  c)  dem  Bilsteinschen  Quartier  mit  Ämtern  Bilstein,  Frede- 
bürg.  Waldenburg  und  Gericht  Attendorn,  Freigrafschaft  Hundemen  und  Herr 
schaft  Oberkirchen;  d}  dem  Brilonschen  Quartier  mit  Ämtern  Brilon,  Medebach 
Stadtberg  oder  Marsberg  und  Volkmarsen,  Herrschaften  Kanstein.  Padberg, 
Almen  und"  Freigrafschaft  Düdinghausen. 

432.  Kleinere  Territorien  auf  linksrheinischem  Gebiet  waren  die 
folgenden : 

Die  gefürsteten  Abteien  Stablo  (Stavelot,  Stabulatum)  und  Mal- 
medy,  die  meist  unter  gemeinsamen  Äbten  standen,  aber  wegen  des  Vorranges 
öfters  Streit  hatten.  Es  gehörten  zum  Gebiet  das  Fürstentum  Stablo  mit  den 
Städten  Stablo  und  Malmedy  und  die  Grafschaft  Logne  mit  dem  gleich 
namigen  Schlofs. 

Die  Abtei  Co  nie  Ii- Münster,  auch  Inden  genannt,  mit  der  Stadt 
gleichen  Namens  und  mehreren  Dörfern. 

Grafschaft  Reckheim,  in  der  Nähe  der  Maas,  seit  162.**  Grafschaft, 
bis  Mitte  des  XVTTJ.  Jh.  im  Besitz  der  Grafen  von  Aspremont,  mit  Städtchen 
Reckheim  und  einigen  Dörfern. 

Herrschaft  Anholt,  seit  1641  im  Besitz  der  Salm,  mit  Stadt  und 
Schlofe. 

Herrschaft  Wittern,  im  Herzogtum  Limburg  westlich  von  Aachen, 
mit  Schlofs  Wittern,  Mecheln  (Hauptort)  und  Dörfern.  Anfänglich  (—  16**2 
brabantisehes  Lehen,  seit  1723  im  Besitz  der  Grafen  von  Plettenberg. 

Grafschaften  Blankenheim  und  Gerolstein  gehörten  dem 
Hause  Manderscheid  (Schlofs  an  der  Liser\  ebenso  wie  mehrere  Baronien  im 
Kylltal. 

Herrschaft  Gehmen,  im  Münsterschen  Amt  Ahaus,  war  bis  1640  im 
Besitz  der  Schauenburger  und  dann  der  Grafen  von  Limburg-Bronkhorst,  Sie 
bestand  aus  dem  Schlofs  Gehmen  mit  einem  Flecken.  Einige  Kirchspiel« 
(Gescher,  Heyden,  Südlohn,  Ramsdorf,  Weseke  und  Velen)  waren  1558  an 
Münster  gefallen. 

Herrschaft  Wickerad  (Wickrath),  an  der  Niers  zwischen  Herzogtum 
Jülich  und  C'öln,  bestand  aus  den  Orten  Wickerad,  Fliede,  Wetechevrelde. 
Haen,  Heerad,  Berg,  Beckerath,  Bucholt  und  der  Herrschaft  Schwanenberg. 

Grafschaft  Kernen  und  Lommersum,  jene  an  der  Erft,  diese 
zwischen  Euskirchen  und  Bonn  gelegen.  Sie  kam  1711  in  den  Besitz  der 
Grafen  Schaesberg,  1712  wurde  sie  zur  Reichsgrafschaft  erhoben. 

Grafschaft  Schleiden,  in  der  Eifel,  aus  Schlofs  und  Flecken  diese» 
Namens  und  einigen  Dörfern  bestehend,  seit  1598  den  Grafen  von  der  Mark 
gehörig. 

433.  Erzbistum  Trier  wurde  in  ein  oberes  und  unteres  Erzstift 
geteilt,  von  denen  jenes  im  allgemeinen  links  des  Rheins  zu  beiden 
Seiten  der  Mosel  lag  und  jenes  rechts  desselben. 


434.  Erzbistum  Mainz.    435.  Bistum  Worms. 


;>Ö7 


Das  obere  Erzstift  umfafste  die  Hauptstadt  Trier,  die  Ämter  Pfalzel 
und  St.  Maximin,  die  l'aulinerpropstei  bei  Trier,  die  Ämter  .Saarburg,  Grim- 
burg, St.  Wendel,  Sehmidburg,  Hunold,  Baldenau,  Bernkastel,  Neumagen  (zu 
Sayn- Wittgenstein),  Wittlich,  Wülschbillig,  Kylburg,  Schömcken,  Sehönberg, 
Hillesheim,  Dhaun,  Manderscheid,  Ulmen,  Kochern,  Zell  und  Baldeneck. 

Zum  unteren  Erzstift  gehörten  Amt  Ehrenbreitstein  mit  Coblenz, 
Amt  Bergpflege,  Herrschaft  Vallendar,  ein  Teil  der  Grafschaft  Sayn,  die  Ämter 
Wränzau  und  Hersbach  der  Grafschaft  Nieder-Isenburg,  Ämter  Hammerstein, 
Mayen,  Münster-Meinfeld  nebst  Alken,  Boppard,  Welmich,  Ober-Wesel,  Monta- 
baur, Limburg  a.  d  Lahn,  Camberg  und  Wehrheim  (letztere  mit  Nassau-Diez 
gemeinschaftlich). 

Die  gefürstete  Abtei  Prüm  war  seit  1575  mit  dem  Erzstift  vereinigt 
gewesen.  Sie  bestand  aus  dem  Abtslande  (mehreren  Dörfern)  und  dem  Kon- 
ventslande (mit  dem  Flecken  Prüm  und  den  Orten  Brieresborn,  Herlings- 
ilorf  u.  a.) 

434.  Erzbistum  Mainz  erwarb  mit  dem  Tode  des  letzten  Herrn 
von  Kronberg,  Johann  Nikolaus,  dessen  ganze  Herrschaft  im  Jahre  1704, 
da  sie  nunmehr  ein  erledigtes  Reichslehen  war.  1715  wurde  dem  Erz- 
stifte  Neubaumberg  im  Oberamte  Kreuznach  von  Kurpfalz  abgetreten. 
Auch  die  Hanauer  Grafen  waren  1 736  ausgestorben ;  wegen  ihres  Anteils 
am  Freigericht  Alzenau  entstand  mit  Hessen-Kassel  ein  Streit,  der  1748 
durch  Teilung  des  Gerichtes  beseitigt  wurde. 

Das  Erzbistum  bestand  aus  dem  Erzstift  im  engeren  Sinn,  dem  Eichs- 
feld, Stadt  und  Land  Erfurt  und  einigen  zerstreut  liegenden  Bezirken.  Es  um- 
fafste:  1.  das  Vicedomamt  in  Mainz  und  %  aufscrhalb  Mainz  mit  Castel,  Cost- 
heim  und  Weisenau,  ferner  die  Ämter:  3.  Höchst  mit  Höchst  und  Hochheim, 
4.  Kronberg  mit  Kronberg  und  Eschhorn,  5.  Ohlen  mit  Ober-  und  Nieder- 
Ohlen.  Hcchstheim  und  Algesheim,  6.  das  Vizedomamt  Rheingau,  die  Ämter 
7.  Lahnstein,  8.  Steinheim,  9.  Dieburg,  10.  das  Freigericht  mit  dem  Flecken 
Alzenau,  11.  Haussen,  12.  Vizedomamt  Aschaffenburg  mit  dem  Amt  Schöll- 
krippen und  Bessenbach,  Schmerlenbach,  Klein-W  allstadt,  Bachgau,  Stadt  und 
Cent  Seligenstadt,  Obernburg,  Stochstadt  und  Rothenbuch,   13.  Amt  Klingen- 
berg, 14.  Miltenberg,  15.  Amorbach,  16.  Bischofsheim,  17.  Krautheim,  18.  Ober- 
amt Starkenburg,  19.  Amt  Gernsheim.  20.  Neu-Baumberg,  21.  Oberamt  Amöne- 
burg,  22.  Amt  Fritzlar,  23.  Oberamt  Königstein.    Aufserdem  besafs  das  Dom- 
kapitel die  Stadt  Bingen  und  den  Marktflecken  Hochheim  mit  Zubehör  und 
die  Dompropstci  einige  Dörfer. 

Das  Eichsfeld  wurde  durch  den  Dün  in  das  untere  Eichsfeld  im  N. 
und  das  obere  im  Süden  geschieden.  Im  oberen  Eichsfeld  gehörten  zu  Mainz : 
die  Städte  Heiligenstadt  und  Worbis,  die  Amtsvogteien  Haarburg  (bei  Worbis), 
Scharfenstein,  Gleichenstein,  Amt  Bischofsteiu,  Greifenstein,  Treffurt,  Rusten- 
berg,  ferner  die  geistlichen  Stiftungen  Reiffenstein,  Beuren,  Auroda,  Zell, 
Hülfenberg  und  13  adelige  Gerichte  (Bodenhausen,  Bülzingslöwcn.  Hagen, 
Hanstein  etc.).  —  Im  unteren  Eichsfeld:  Duderstadt,  die  Amtsvogteien  Gie- 
boldehausen, Lindau,  die  Klöster  Geroda  und  Teistungenburg  bei  Duderstadt 
und  die  Gerichte  Westerhagen  und  Winzingerode. 

Die  Stadt  Erfurt  mit  den  Ämtern  Tondorf.  Atzmansdorf,  Mühlberg, 
Vargula,  Gispersleben,  Vippach,  Sömmerda,  Alach,  das  Hospitalgericht  und 
Lehnsgut  Isseroda. 

4UJ5.  Bistum  Worms  und  die  übrigen  süd westdeutschen 
Bistümer.  Das  Bistum  Worms  erwarb  1705  Neuhausen,  welches  die 
Kurpfalz  an  das  Stift  abtrat. 


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56* 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


Das  Stift  wurde  eingeteilt  in  die  Amtskellereien  Stein  (Lampertheim 
Hurehheim,  Dirmstein,  Neu  Leiningen  und  die  Amtsschaffnerei  Neuhausen  mit 
Rhein-Dürkheim  und  Liebenau. 

Das  Bistum  Speier  bestand  aus  zehn  Amtern  östlich  des  Rheins 
das  Oberamt  Bruchsal,  Ämter  Kilslau,  Grombach,  Rothenburg.  Pidlippsburg  und 
Gersbach;  —  westlich  des  Rheins:  Kirrweiler,  Deidesheim  und  Marientraut 
Ferner  besals  es  im  Unterelsafs  (unter  französischer  Hoheit)  das  Oberamt  I^auter 
bürg  mit  Stadt,  Rheinzabern  und  Jockgrim,  Amt  Madenburg  mit  Schlofs  und 
vier  Dörfern  und  Amt  Dehn  (Dhan),  auch  Tanstein  genannt,  mit  sieben  Dörfern 
—  aufserdem  die  Propstei  Weifsenburg,  seit  1545  Speier  gehörig,  mn 
Amt  Altenstadt  und  acht  Dörfern. 

Das  Bistum  Strafsburg  hatte  den  gröfsten  Teil  seines  Territorium» 
auf  damals  französischem  Boden  liegen.  Auf  deutschem  lagen  nur  die  beiden 
Ämter  Oberkirch  in  der  Ortenau  und  Euenheim  im  Breisgau.  Dagegen  auf 
französischem  Gebiet  befanden  sich  die  zehn  Ämter:  Dachstein,  Mutzig  und 
Schirmeck,  Benfeld,  das  Amt  des  Domkapitels,  auch  Pflege  Frankenburg  ge 
nannt,  Wanzenau,  Zabern,  Kochersberg,  Girbaden,  Markolsheim  und  das  Ober 
mundat  Rufach  mit  den  drei  Vogteien  Rufach,  Sulz  und  Egisheim. 

Das  Bistum  Basel  lag  teils  auf  deutschem,  teils  auf  eidgenössischem 
Gebiet.  Auf  deutschem  befanden  sich  die  sieben  Ämter:  Delsberg,  Bruntrui 
(seit  1271),  Zwingen,  Bierseck,  Pfeffingen  (seit  1008),  Schlingen  im  Breisgau 
und  das  Oberamt  der  Freienberge  (seit  1423),  ferner  die  vier  Städte:  Del? 
berg  (Delmont),  Bruntrut,  St.  Ursitz,  Lauften.  Auf  eidgenössischem  Gebiet 
lagen  die  Städte  Biel  und  Neuenstadt  (Bonneville),  die  Herrschaft  Erguel  und 
lllfingen  und  der  Thesenberg. 

436.  Pfälzische  Lande.  Um  1770  bestanden  nur  noch  zwei  pfäl- 
zische Linien:  Sulzbach  und  Birkenfeld.  Die  Simmernsche  Linie  war 
mit  dem  Pfalzgrafen  Karl  1685  erloschen  und  die  Kurwürde  an  den 
katholischen  Philipp  Wilhelm  von  Pfalz-Neuburg  übergegangen.  Da 
seine  Nachkommen  schon  in  der  nächsten  Generation  1742  ausstarben 
so  fiel  die  Würde  an  die  Sulzbacher  Linie,  nämlich  an  Karl  Theodor 
der  späterhin  (1777)  mit  der  Pfalz  das  erledigte  Kurfürstentum  Baiern 
verband.  —  Unterdessen  wTar  auch  die  Zweibrückensche  Hauptlinie  mit 
allen  drei  Teillinien  (Zweibrücken,  Landsberg,  Kleeburg)  1731  erloschen, 
und  der  kleine  Landbesitz  war  an  die  dritte  Hauptlinie  Birkenfeld  über 
gegangen,  die  einzige,  die  noch  bis  zur  Gegenwart  fortbesteht  (bairische 
Königslinie). 

Die  pfälzischen  Territorien  waren  somit  in  den  Händen  von  zwei  Linien 
vereinigt  worden.    Aufser  der  Zweibrückenschen  war  auch  die  alte  Nebenlinie 
Veldenz  mit  Leopold  Ludwig  1694  ausgestorben.  Testamentarisch  hatte  dieser 
widerrechtlich  sein  Gebiet  der  Zweibrückenschen  Linie  Kleeburg  vermacht 
Die  Kleeburger  Linie  hatte  mit  Karl  X.  1654  den  schwedischen  Königsthron 
bestiegen,  und  dessen  Sohn,  König  Karl  XL.  sollte  der  Erbe  von  Veldenz 
werden.    Hierüber  entstand  ein  langjähriger  Erbschaftsstreit  mit  den  nächsten 
Agnaten  des  Pfälzer  Hauses.    Auch  über  das  erledigte  Zweibrückener  I.an<i 
stritten  sich  die  Kurlinie  und  Birkenfeld,  nachdem  der  letzte  Kleeburger,  Gustav 
Samuel,  der  sein  Land  der  katholischen  Kurlinie  zuwenden  wollte,  1731  ge 
storben  war.    Erst  1733  wurde  der  Streit  beigelegt.    Der  Kurfürst  behielt  die 
Ämter  Veldenz  und  Lauterecken;  Birkenfeld  erhielt  Lützelstein  und  Gutten 
berg.    Das  zweibrückensche  Erbe  dagegen  fiel  mit  Ausnahme  des  Unteramt* 
Stadteck  an  Christian  III.  von  Birkenfeld.    Vgl.  im  übrigen  Häufser.  Gesoh 
d.  rhein.  Pfalz,  II,  758,  830,  891. 


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i 


436.  Pfälzische  Lande. 


569 


Die  Grafschaft  Sponheim  war  zu  ein  Fünftel  seinerzeit  an  die  Kurlinie 
^fallen ;  zwei  Fünftel  waren  in  der  Hand  von  Pfalz-Simmern  und  Baden  ge- 
meinsam (S.  572)  gewesen.  Nach  dem  Tode  Ludwig  Philipps  1655  fiel  das  Mitanrecht 
an  diese  2/5  an  die  Kurlinie.  Späterhin  einigte  sich  Kurfürst  Johann  Wilhelm 
von  Neuburg  mit  Baden  (1707)  dahin,  dals  sie  beide  durch  Tausch  einen  getrennten 
Besitz  herstellten,  indem  Kurpfalz  die  Stadt  Kreuznach  mit  23  Ortschaften  er 
hielt.    Verzeichnis  dieser  und  des  badischen  Anteils  bei  Häufser,  II,  836. 

Unter  Karl  Philipp  wurde  1742  auch  der  Jülichsche  Erbsehaftsstreit  mit 
Preufsen  endgültig  beigelegt.    Jülich  und  Berg  blieben  bei  der  Pfalz. 

Unter  Karl  Theodor,  dem  Letzten  der  Pfalz-Sulzbacher  Linie  fand  noch, 
•  ine  Reihe  von  Grenz-  und  Tauschverträgen  statt.  Er  erwarb  Kaiserswert  (1768). 
Im  Oberamt  Bretten  wurden  gegen  den  Ort  Unteröwisheim  die  Dörfer  Spran- 
tal, Geldeshausen  und  Zeisen hausen  erworben,  durch  Kauf  ferner  das  Dorf 
Dietelsheim,  Zwingenberg  am  Neckar  (1751),  die  Herrschaft  Ebernburg  mit 
mehreren  Dörfern  (1771).  Auch  mit  Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld  fand  ein 
Austausch  mit  mehreren  Orten  statt.  Alles  Nähere  bei  Häufser,  1.  c.  II,  917—919, 
mit  weiteren  Angaben. 

Der  Umfang  der  einzelnen  pfälzischen  Territorien  ist  folgender: 

Fürstentum  S  i  m  m  e  r  n  (der  Kurlinie  gehörig)  bestand  aus  dem  Oberamt 
Simmern  mit  70  Ortschaften,  Oberamt  Stromberg  mit  14  Orten,  Amt  Böckel- 
heim  mit  dem  gleichnamigen  Schlofs  und  den  Städtchen  Sobernheim  und  Mon- 
zingen und  mehreren  Dörfern,  ferner  der  Herrschaft  Hohenfels  am  Donners- 
h<-rg  (als  Pfand  von  Sponheim). 

Fürstentum  Lautern  (zu  Kurpfalz)  bestand  nur  aus  dem  Oberamt 
Läutern  mit  dem  Hauptort  Lautem  oder  Kaiserslautern  und  den  Unterämtern 
Otterberg,  Rockenhausen  und  Wolfstein  sowie  den  Gerichten  Kübelberg,  Ram- 
stein, Steinwenden,  Weilerbach,  Mohrlautern,  Neukirch,  Alsenborn  und  Wald- 
tischbach. 

Fürstentum  Veldenz  umfafste  die  beiden  Oberämter  Veldenz  an 
der  Mosel  und  Lauterecken  an  der  Glan  mit  gleichnamigem  Schlofs  und 
Städtchen  mit  Dörfern  und  der  Schultheifserei  Reichenbach. 

Fürstentum  Zwei  brücken  (auch  Pfalz-Zweibrücken  genannt),  aus 
der  ehemaligen   Grafschaft  Zwei  brücken  und   einem  grofsen  Teil  der  ehe- 
maligen Grafschaft  Veldenz  bestehend.    A.  Von  der  Grafschaft  Zweibrücken 
stammten:  das  Oberamt  Zweibrücken  mit  der  Stadt,  dem  Unteramt  Kirkel 
;  Reichslehen)  und  von  Amt  Homburg  4/9  (während  6/9  zu  Nassau-Saarbrück 
gehörten);    das   Oberamt   Neucastel   oder  Bergzabern  (von  Frankreich  zum 
Elsafs  gerechnet);  das  Oberamt  Guttenberg  (seit  1733  bei  Zweibrücken)  mit 
Ort  Minfeld  und  zehn  Dörfern  (unter  französischer  Hoheit).  —  B.  Von  der  Graf- 
schaft Veldenz  stammten:  Oberamt  Lichtenberg  mit  Vogtei  Burgfrieden,  Pfeffel- 
bach, Conken,  Baumholder,  Berschweiler,  Propstei  Ulmeth  und  Unteramt  Nohe- 
felden  ;  das  Oberamt  Meisenheim  mit  elf  Vogteien  und  dem  Unteramt  Lands- 
berg (mehrere  Orte  waren  in  dem  Oberamt  mit  anderen  Herren  gemeinschaftlich). 
—  C.  Zu  Pfalz-Zweibrücken  gehörten  auch  die  Grafschaft  Lützelstein  und  Amt 
Böschweiler  im  Unter-Elsafs  (französisch),  ein  Anteil  an  der  Grafschaft  Spon- 
heim und  die  Herrschaft  Rappoltstein  mit  acht  Ämtern.    Von  der  genannten 
Grafschaft  Sponheim,  und  zwar  der  Vorderen  Grafschaft,  gehörten  3/ä  zu 
Kurpfalz:  das  Oberamt  Kreuznach  mit  dieser  Stadt  und  dem  Flecken  Spon- 
heim. Welstein  und  Genzingen  (*-/6  gehörten  EU  Baden),  Die  Hintere  Grafschaft 
gehörte  Kurpfalz  und  Baden  gemeinschaftlieh  seit  1672);  sie  bestand  aus  dem 
Oberamt  Trarbach  mit  dieser  Stadt  und  Schlofs  Starkenburg  a.  d.  Mosel,  den 
Ämtern  Kastelaun,  Dill.  Winterburg,  Herrstein.  Birkenfeld  und  Allenbach  sowie 
dem  sog.  Cröver  Reich,  einem  Ländchen  auf  dem  linken  Moselufer. 

Das  Herzogtum  Jülich  war  in  23  Ämter  eingeteilt:  Bergheim,  Born 
und  Millen,  Boslar,  Brüggen,  Düren,  Euskirchen,  Geilenkirchen,  Grevenbroich, 


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ItlO  XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

Haimbach,  Heinsberg.  Jülich,  Köster,  Montjoie,  Münstereifel,  Neuenuhr,  Xiij 
eggen,  Nörvenich,  Randerath,  Sehönforst,  Sinzig  und  Keniagen,  Wehnneigten i 
Wassenberg,  Wilhehnstein. 

Das  Herzogtum  Berg  umfafste  16  Ämter:  Angermund,  Beyenburg 
und  Barmen,  Blankenberg,  Broich,  Düsseldorf,  Elberfeld,  Hardenberg,  Hucke- 
wagen  und  Bornefeld,  Löwenburg  und  Lülsdorf,  Mettmann,  Miselohe,  Monheim 
Porz,  Solingen,  Steinbach,  Windeck. 

437.  Grafschaft  Salm  oder  die  Obere  Grafschaft  Salm,  im  Gegen 
satz  zur  Niederen  Grafschaft  im  Herzogtum  Luxemburg.  Mit  Frankreich 
fand  1751  ein  Teilungsvergleich  statt. 

Sie  umfafste  Stadt  und  Schlofs  Salm,  die  halbe  Stadt  Balzweiler  und 
Anteile  an  verschiedenen  Meiereien  in  den  Vogesen.  Dagegen  standen  <ii> 
Herrschaften  Ogeviller  und  Pouligny  unter  französischer  Herrschaft. 

Kleinere  Territorien  waren  die  Grafschaft  Wartenberg,  ohi> 
recht  zusammenhängendes  Gebiet  zwischen  dem  Rhein,  Unterpfalz,  Westri< : 
und  Falkenstein  (seit  1707  Reichsgraf schaft),  mit  dem  Hauptort  Mettenham 
Grafschaft  F  a  1  k e  n  st  e  i  n  neben  der  vorigen  mit  dem  gleichnamigen  Flecken 
dem  Städtchen  Weinweiler  und  einigen  Dörfern.  Seit  1667  gehörte  sie  Lothringen 
1731  dem  späteren  Kaiser,  Herzog  Franz  Stephan;  Herrschaft  R  ei  polt* 
kirchen  mit  dem  Schlofs  und  zahlreichen  Dörfern  zwischen  kurpfälzisrheii: 
Gebiet  gelegen;  Grafschaft  Krichingen  (Creange)  mit  den  Herrschaft«  n 
Saarwellingen,  Püttlingen  und  Rollingen  im  Westrich,  teils  unter  französisch«  r 
teils  Luxemburger  Oberhoheit;  die  Herrschaft  Bretzenheim  mit  Schloß 
und  Dörfern  gehörte  dem  Erzstift  Cöln ;  Herrschaft  Dachstuhl  (Dagstuhl 
zwischen  Saarburg  und  Grimburg,  ein  kurtrierisches  Lehen.    Im  übrigen  vd 
Fabricius,  Erläuterung  zum  geschichtl.  Atlas  der  Rheinprovinz,  181*8. 

4:58.  Wild-  und  Rhelngrafschaft.  Von  den  Söhnen  Johanns  VI 
(f  1499)  stammten  die  jüngere  Dhaunsche  und  Kyrburgsche  Linie 
letztere  starb  1688  aus,  jene  spaltete  sich  in  drei  Teillinien:  die  Sahnsche 
Grumbachsehe  und  Dhaunsche.  Da  die  letztgenannte  1750  erlosch,  so 
blieben  die  beiden  anderen  übrig,  von  denen  die  Grumbachsche  sich 
nochmals  in  die  zu  Grumbach  und  die  zu  Stein  geteilt  hatte,  so  »laf> 
um  1770  also  drei  Hauptlinien  mit  folgendem  Territorialbesitz  existierten 

Die  Salm  sc  he  Linie  zu  Salm  und  jene  zu  Kyrburg  besafsen  die  obes 
genannte  Obere  Grafschaft  (gehörte  Salm-Salm  allein)  Salm  und  ferner  da* 
Oberamt  Kyrburg  zu  beiden  Seiten  der  Nahe  mit  der  Stadt  Kyrn  oder  Kim. 
die  Schultheifsereien  Kirchenbollenbach,  Löllbach  und  verschiedene  Flecken, 
ferner  l/4  der  Ämter  Flonheim,  Tronecken,  Wildenberg  und  Dimringen  sowi» 
ein  Achtel  von  Wörstadt  und  :,/4  vom  Hochgericht  Rhaunen. 

Die  rheingräflich  Gr  um  bachsehe  Linie  besafs  Herrschaft  inul 
Amt  Grumbach  im  Westrich  mit  dem  Schlofs,  einen  Teil  des  Efsweiler  Tal»* 
und  ein  Viertel  von  Wörstadt  (Wörrstadt),  einen  Teil  der  Herrschaft  Tron eck' t 
(Mark  Talfang),  ein  Viertel  der  Herrschaft  Dimringen,  die  Wildgrafschaft  Dhaun 
auf  dem  Hunsrück  mit  Amt  Haussen  und  halb  Meddersheim. 

Die  rheingräfliche  Linie  zu  Stein  besafs  die  Rheingrafschaft  zum 
Stein  (Rheingrafenstein)  an  der  Nahe  mit  der  Residenz  Grehweiler;  Herr 
schaft  und  Amt  Wildenburg  auf  dem  Hunsrück,  1/4  von  Dimringen.  r,/s  vi* 
Wörstatt. 

439.  Grafschaft  Lein  in  gen.  Von  den  Westerburger  Linien  wann 
zwei  ausgestorben  ;  die  fortbestehende  Georgs  I.  hatte  sich  unter  seim-n 


440.  Markgrafsehaft  Baden.  571 

Urenkeln  in  jene  Christoph  Christians  und  Georgs  II.  gespalten.  Jede 
von  ihnen  war  mit  einem  Anteil  am  Territorium  bedacht  worden.  — 
Von  der  Dagsburger  Linie  bestanden  um  1770  drei:  die  Hartenburger 
Ivon  Joh.  Philipp  I.  her),  die  Dagsburger  und  Heidesheimer  (von 
Emich  X.  abstammend).    Vgl.  geneal.  Tab.  S.  462. 

Das  ältere  Leiningen- Westerburgische  Haus  (mit  den  beiden 
Linien:  der  Christophischen  und  Georgschen)  besafs: 

I.  einen  Anteil  an  der  Grafschaft  Leiningen,  und  zwar:  1.  beide  Linien 
gemeinsam :  Grünstadt,  Hünningen,  Wattenheim,  Münchweiler,  Gambach,  Hoch- 
««peier,  Quirnheim;  2.  Die  Christophsche  Linie  allein:  Alt-Leiningen,  Hort- 
lingshausen, das  sog.  Hintere  Gericht  mit  einigen  Pfarrdörfern,  dann  noch  die 
Dörfer  Kirchheim,  Saussenheim  und  Bissersheim;  3.  die  Georgsche  Linie 
allein :  (he  Hälfte  des  Städtchens  Neu-Leiningen,  Asselheim,  Albsheim,  Lauters- 
heim, Monsheim,  Obrigheim  und  mehrere  Höfe; 

H.  die  Herrschaft  Westerburg  auf  dem  Westerwalde,  und  zwar:  1.  Ge- 
meinsam: Westerburg,  wovon  die  Christophsche  Linie  ein  Drittel,  die  (ieorgsche 
zwei  Drittel  hatte ;  2.  die  Christophsche  Linie  allein :  Wilmenroth,  Berzhan,  Gcr- 
sassen;  3.  die  Georgsche  Linie  allein:  Gericht  Gemünden,  Winnen,  Wengeroth, 
Nirnhausen  und  das  sog.  Obere  Gebiet  mit  den  Dörfern  Hergeroths,  Halbs 
und  Stahlhofen.  —  Zu  dieser  Herrschaft  gehörten  noch:  Weltersburg  und  Herr- 
schaft Schadeck,  beiden  Linien  gemeinsam ;  aufserdem  die  Herrschaft  Forbach 
im  Westrich  bei  Saarbrücken  und  ein  Teil  der  Herrschaft  Oberbrunn  im 
Unter-Elsais. 

Das  jüngere  Leiningen-Dagsburgische  Haus  besafs :  Hartenburg, 
Dürkheim,  Humstein,  Dörfer  Frankenstein,  Hochspeier,  Steinbach,  Grofs-  und 
Klein-Boekenheim,  Hedesheim,  Butersheim,  Guntersblum,  üversheim,  Dogels- 
heim, Walertum.  Die  Grafschaft  Dagsburg  in  den  Vogesen  stand  unter  fran- 
zösischer Landeshoheit. 

440.  Markgrafschaft  Baden.  Die  im  XVI.  Jh.  erfolgte  Teilung  in 
eine  Ohe re  Markgraf schaft  (Baden-Baden)  und  eine  Untere  Graf- 
schaf t  (Baden-Durlach)  (s.  S.  465)  dauerte  bis  zum  Schlufs  dieser  Periode 
fort.  Da  der  Letzte  aus  dem  Grafenhause  Baden-Baden.  August  Georg, 
1771  ohne  Nachkommen  starb,  so  wurde  sein  Territorium  mit  dem 
anderen  wieder  vereinigt  laut  eines  1765  geschlossenen  Erbvertrages. 

Markgraf  Ludwig  Wilhelm  von  Baden-Baden  erhielt  vom  Kaiser  die  Stadt 
Kehl  1696  und  1701  die  Landvogtei  in  der  Ortenau,  die  jedoch  1701  wieder 
eingezogen  worden  Ist.  Seine  Residenz  verlegte  er  von  dem  damals  zerstörten 
Baden  nach  Rastatt  (1689). 

Die  Obere  Markgrafschaft  umfafste:  1.  das  im  engeren  Sinne  so 
genannte  Gebiet  mit  den  Städten  und  Ämtern  Rastatt-Kunpenheim,  Baden, 
Ettlingen,  Steinbach,  Bühel-Groschweier,  Stollhofen  nebst  Schwarzach.  2.  Amt 
Kehl  (ein  Viertelanteil);  3.  Amt  Staufenberg  in  der  Ortenau;  4.  Herrschaft 
Mahlberg  (seit  1629);  5.  die  Landvogtei  Ortenau  mit  den  Vogteien  (Jriefsen- 
heim,  Appenweier,  Ortenberg  und  Acheren. 

Die  Untere  Markgrafschaft  begriff  das  Oberanit  Karlsruhe  mit  der 
seit  1715  vom  Markgrafen  erbauten  Hauptstadt  Karlsruhe  und  den  Amtern 
Mühlburg,  Graben  und  StarTort,  den  Oberämtern  Durlach  und  Pforzheim, 
den  Ämtern  Stein,  I^angensteinbach  und  Roth  sowie  dem  Marktflecken  Münzes- 
heim im  Kraichgau. 

Die  Markgrafschaft  Hachberg  oder  Hochberg  umfafste:  1.  die 
eigentliche  um  den  Kaiserstuhl  zerstreut  liegende  Markgrafsehaft,  2.  das  Amt 


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572 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


.Sulzburg,  3.  die  Herrschaft  Röteln,  i.  die  Landgrafschaft  Sausenberg  mit  dem 
Städtchen  Schopfheini,  5.  die  Herrschaft  Badenweiler. 

Zu  Baden  gehörte  ferner  die  Herrschaft  Grave n stein  (Amt  Rothleben,, 
einst  der  Hinteren  Grafschaft  Sponheim  angehörend;  von  der  vorderen 
Grafschaft  zwei  Fünftel:  das  Überamt  Kirchberg  und  Amt  Koppenstein,  Naum- 
bürg  und  Sprendlingen  (s.  auch  Pfälzische  Lande).  —  Ferner  die  Graf  schalt 
Eberstein  im  Murgtal  mitSehlofs  und  Flecken,  Stadt  Gersbach  und  mehreren 
Dörfern.  Abteien  u.  a.  m. ;  —  die  Herrschaft  Rödern  achern  in  Luxem 
bürg  und  verschiedene  durch  Heirat  an  Baden  gekommene  Herrschaften  in 
Böhmen  :  Herrschaft  Lobositz  mit  vier  Ämtern;  Schlackenwert,  Teusing,  Podersarn. 
Töppelsgrün,  Pürlos  u.  s.  w.  —  Auch  das  Amt  Beinheim  im  Ober-Elsafs  war  seit 
1402  im  badensehen  Besitz. 

441.  Herzogtum  Wlrtemberg.  Im  Dreifsigjährigen  Kriege  war 
das  Land  furchtbar  heimgesucht  worden,  aber  auch  in  der  Folgezeit 
fand  es  wenig  Ruhe,  sich  zu  kräftigen.  Unter  Eberhard  Ludwig  (1677 
bis  1733)  wurde  vorübergehend  die  Herrschaft  Wiesensteig  von  Baiern 
erworben.  Im  Jahre  1723  starb  die  auf  Mömpelgard  abgeteilte  Linie 
aus,  und  laut  eines  Erbvertrages  nahm  der  Herzog  von  dem  Lande 
Besitz.  Frankreich  legte  zu  Gunsten  der  illegitimen  Nachkommen  des 
letzten  Grafen  von  Mömpelgard  Beschlag  auf  einzelne  Teile  der  Graf 
schaft  (Horburg,  Reichenweier  im  Elsafs;  Blämont,  Clemont,  Hericourt, 
Chätelot,  Grangcs,  Olerval,  Passavant  in  Burgund)  und  eroberte  schliefs- 
lich  auch  die  eigentliche  Grafschaft  selbst,  mufste  letztere  aber  1736  und 
1738  wieder  zurückgeben  und  1748  auch  die  Nebenherrschaften. 
Kleinere  Gebietevergröfserungen  bestanden  in  dem  Ankauf  der  Kom- 
turei  Winnenden  vom  Deutschen  Orden  (1665)  und  der  Herrschaften 
Sterneck.  Justingen  und  Bönnigheim  (1749,  1751). 

Das  Herzogtum  zerfiel  in  vier  Abteilungen:  1.  die  weltlichen  Ämter 
und  Städte,  im  ganzen  59:  die  Ämter  Stuttgart,  Cannstatt,  Waiblingen,  Schorn 
dorf,  Leonberg,  Göppingen.    Dies  waren  die  sechs  ältesten  Ämter.    Seit  12M 
folgen  dann  nach :  Amt  Urach,  Münsingen,  Nürtingen,  Backnang,  Marbach, 
Beilstein  mit  der  Herrschaft  Stcttenfels  und  Gruppenbach,  Neuffen,  Calw,  da.« 
Städtchen  Wildbad,  die  Ämter  und  Städte  Neuenburg,  Brockenheim,  Dorn 
Stetten,  Winnenden,  Güglingen,  Groningen,  Vaihingen,  Tübingen.  Herrenberg. 
Böblingen,  Städtchen  Sindelfingen,  Ämter  und  Städte  Heubach.  Lauflen,  Bot 
war,  Tuttlingen  mit  den  Herrschaften  Lupfen,  Karpfen  und  Falkenstein ;  Dorn- 
han mit  Herrschaft  Sterneck;  Nagold.  Ebingen,  Ämter  und  Städte  Hornberg 
Kirchheim  unter  Teck,  Murhard,  Bahlingen,  Bietigheim,  Wildberg,  Blaubeuren. 
Sulz,  Pfullingen,  Weinsberg,  Neustadt.  Meckmühl,  Kloster  und  Amt  Maulbronn. 
Herrschaft  Heidenheim  mit  Kloster  Herbrechtingen ;  Hohentwiel,  Amt  Steins- 
lingen,  Besigheim,  Mundelsheim,  Freudenstadt,  Altensteig,  Liebenzell,  Sachsen 
heiin,  Dorf  Höpfigheim,  Stadt  und  Amt  Ludwigsburg;  —  II.  die  den  Fürsten 
eigentümlichen    Kammerschreibereigüter:    Gomaringen,  Marschalken 
Ummer,  Winnenthal,  Stetten  im  Remstal,  Hohenkarpfen  mit  Hausen  ob  Frena 
Gochsheim,  Freudenthal,  Heimsheim,  Wendlingen,  Köngen,  Neidlingen,  Brem 
Weiltingen,  Liebenstein,  Stamheim  und  Ochsenberg,  ferner  die  Herrschaften 
Welzheim  und  Justingen;  —  III.  die  Klosterämter  Blaubeuren,  Anhausen. 
Königsbronn,  Adelberg,  Denkendorf,  Bebenhausen,  Hirsau,  St.  Georgen,  Lorch, 
Alpirsbach  und  Herrenalb  mit  den  Ämtern  Derdingen  und  Merklingen.  - 
IV.  Lehensberechtigung,  Gerechtsame  etc.  besafs  Wirtemberg  in  einigen  Gebieten 
und  Städten.    So  war  die  Grafschaft  Löwenstein  ein  Lehen  des  Herzogtum*, 
und  in  zahlreichen  Reichsstädten  hatte  es  Gerechtsame. 


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442.  Bistum  Constanz  und  andere  geistliche  Territorien  in  Schwaben. 


573 


442.  Bistum  Coostanz  und  andere  geistliche  Territorien  in 
Sehwaben.  Der  Diözesansprengel  war  einer  der  umfangreichsten  in 
Deutschland,  hingegen  war  das  Stiftsgebiet  doch  verhältnismäfsig  klein. 

Es  gehörten  zum  Hochstift  Constanz  die  Stadt  Meersburg  mit  der 
bischoflichen  Residenz,  Stadt  Markdorf,  Herrschaft  Ittendorf,  Abtei  Reichenau. 
Vogteien  Geienhofen  und  Bollingen,  Amt  Köthelen  im  Klettgau.    Der  Dom- 


vogtei  Baden  gehörten  dem  Bisehof  die  sog.  äufseren  Ämter  Klingnau,  Zurzach 
und  Kaiserstuhl;  im  Thurgau  die  Obervogteien  Arbon,  Bischofzell,  Gottlieben, 
Güttingen  und  elf  Gerichtsherrlichkeiten.  Auch  das  Domkapitel  besafs  deren  zwei. 

Propstei  Ell  wangen  war  seit  1460  eine  weltliche  Propstei  unter  dem 
Schutze  von  Wirtemberg.  Sie  begriff  das  Amt  Ellwangen  mit  der  Stadt,  Amt 
Jaxtzell,  Neuler,  Röthlein,  Tannenberg,  Wasseralfingen,  Abts-Gemünd,  Kochen- 
burg imd  Heuchlingen. 

Abtei  Kempten  war  schon  in  der  Mitte  des  XII.  Jh.  zu  fürstlichem 
Range  aufgerückt.  Es  gehörten  zu  ihr:  die  Stiftsstadt  und  Reichsstadt  Kempten 
(s.  S.  299),  Marktflecken  Buchenberg  und  St.  Martinszell,  Schlots  und  Amt  Sulz- 
berg, Flecken  Thingau,  Herrschaften  Wagegg,  Westerriedt,  Günzburg,  Rothen- 
stein, Calde,  Grönenbach,  Teisselberg  -  Hetzlinshofen  -  Erbishofen ,  Hohenthan 
und  Kemnath,  Flecken  Ix>gau,  Markt  Dietmannsried,  Pflegamt  Zum  Falken. 

Frauenabtei  Lindau  hatte  nur  einige  Güter  unter  Gerichtsbarkeit  der 
Reichsstadt  Lindau. 

Frauenabtei'Buehau  besafs  die  Herrschaft  StraXsberg  in  Wirtemberg 
sowie  Gerechtsame  und  Gefälle  in  den  österreichischen  Städten  Sulgau,  Mengen 
und  vielen  Pfarrdörfern. 

Mannsabtei  Salm  ans  w  eiler  (Salmansweil ,  Salem ,  Salemium) ,  1 1 34 
gestiftet,  seit  1142  freies  Reichsstift.  Sie  hatte  ihren  Besitz  in  den  um  das 
Reichsstift  belegenen  Dörfern;  ferner  gehörten  ihr  die  Ämter  Owingen  und  Oste- 
rath, Herrschaft  Schwemmerberg  und  verschiedene  Vogteien,  Pflegämter  etc. 

Mannsabtei  Weingarten  stand  unter  Kaiser  Heinrich  unmittelbar 
unter  dem  Reich.  Sie  umfafste  die  drei  Herrschaften  Brochenzell  am  Schüben, 
Hagnau  am  Überlinger  See  und  Reichsherrschaft  Blumeneck  in  Walgau  (seit 
1618),  ferner  Orter  und  Güter  in  der  Landvogtei  Altdorf. 

Mannsabtei  Ochsen  hausen,  1KX)  von  St.  Blasien  aus  gestiftet,  seit 
1391  selbständige  Abtei,  besafs  den  gleichnamigen  Marktflecken,  die  Herrschaften 
Tannheim,  Umendorf,  Ober-  und  Unter-Sulmentingen,  Hornbach  und  Fischbach. 

Mannsabtei  Kaisersheim  in  der  Nähe  von  Donauwörth  in  der  Graf- 
schaft Graisbach,  gestiftet  1135,  seit  1446  reichsunmittelbar,  mit  der  Abtei 
Pillenh«»fen  im  Pflegamt  Laber,  den  Ämtern  Niederstotzingen  und  Kammingen. 
Tapfheim  und  Tolpertstetten,  Nördlingen,  Unter-  und  Ober-Thürheim,  Lauingen, 
Ulm,  Biberberg,  Pörnitzstein,  Sulzdorf,  Huisheim,  Ammerfeld  und  Genderkingen. 

Mannsabtei  Roggenburg  an  der  Günz,  1126  gestiftet  unter  dem 
Schutze  von  Ulm,  besafs  verschiedene  Dörfer  und  Weiler. 

Mannsabtei  Irsee  (Yrsee,  Ursin,  Trsingum),  1182  gestiftet,  besafs  da.- 
Dorf  Irsee  und  mehrere  Pfarren. 

Mannsabtei  Elch  in  gen  (Aichlingen),  1128  gestiftet,  besafs  das  Ober 
amt  Elchingen  und  die  Pflegämter  Tommerüngen,  Fahlheim  und  Stoffenried. 

Mannsabtei  Ursperg,  1125  gestiftet,  mit  den  Dörfern  Längen-Haslach, 
Pilhausen  und  Zell. 

Mannsabtei  Schussenried  oder  Soreth  mit  den  Dörfern  Almanns 
weiler,  Michelweneda,  Steinhausen  und  Staflangen;  sie  wurde  1188  gestiftet, 
1367  reichsunmittelbar. 

Mannsabtei  Weifsenau  (Atigia  alba,  Augia  minor)  am  Schufsen  be- 
safs das  Dorf  Oberhofen  und  mehrere  Höfe. 

Mannsabtei  Roth,  1126  gestiftet,  mit  den  Dörfern  Berkheim  und  Has- 
lach und  einigen  Weilern  und  Höfen. 


In  der  schweizerischen  Land- 


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574  XIII-  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

Mannsabtei  March  thal  (Martalum,  Martebeüum),  gestiftet  Anfang  des 
XI.  Jh.,  seit  1171  Propstei,  seit  1418  Abtei,  1575  reichtsunmittelbar.  besafs  die 
Dörfer  Marchthal,  Dathausen.  Dieterskirch,  Hausen,  Kirchbirlingen  u.  a.  dl 

Mannsabtei  Gengenbach,  im  VIII.  Jh.  gestiftet,  besafs  von  ihrer, 
ehemaligen  Gebiet  nur  noch  Schaffner  zu  Offenburg  und  Zell  am  Hammersba.  L 

Mannsabtei  Zwifalten,  1089  gestiftet,  Uegt  am  Fufs  der  Alb  zwischen 
zwei  Bächen,  Ach  ;  daher  Zwifaltach,  duplices  aqitae.  Sie  besafs  zahlreiche  Dorfer 
der  Umgegend,  ferner  die  Herrschaft  Reichenstein  mit  Schlots  und  Dörfern 
Thalheim  und  Lauteren  sowie  das  Schlofs  Mochenthal. 

Mannsabtei  Peters  hausen,  980  gestiftet,  mit  den  Herrschaften 
Staufen,  Hilzingen  und  Rietheim  und  drei  Dörfern. 

Propstei  Wettenhausen,  Ende  des  X.  Jh.  gestiftet,  besafs  die  Ober 
vogteien  Grofskölz  und  Röthigen,  Amt  Wattenweiler  sowie  einige  Dörfer  un>! 
Weiler. 

Frauen  ah  tei  Gutenzell  (Bona  cella).  auch  Gotteszell,  etwa  1240  p 
stiftet,  mit  sehr  geringem  Güterbesitz. 

Frauen  ab  tei  Heggbach  (Heppach)  besafs  das  Dorf  Mietingen  un 
einige  Weiler. 

Frauenabtei  Rothniünster  {Vallis  b.  Marine),  erst  seit  1224  an  ihr* 
letzte  Stelle  verlegt  (früher  Hohenmauern  genannt  und  bei  Rottweil  gelegen 
besafs  einige  Dörfer. 

Frauenabtei  Baindt  (Poundum,  Abbat.  Bintensis,  Hortus  ßoridttsf  an 
Schufsen,  1340  gestiftet,  hatte  kein  eigenes  Gebiet  sonst. 

< 

443.  Grafschaft  Hohenzollern.  Von  den  durch  die  Söhne  Karls  1 
(f  157Ö)  gestifteten  drei  Linien:  Hechingen,  Sigmaringon  und  Haiger 
loch  starb  die  letztere  1634  aus  und  ihr  Territorium  fiel  an  Sigmaringen 

Hohenzollern-Hechingen  besafs  die  Stammburg  Hohenzollern,  die 
Residenzstadt  Hechingen,  den  Marktflecken  Grosseiringen  und  verschieden- 
Dörfer :  Stetten,  Rangendingen,  Boll ,  Steinhofen ,  Burladingen,  Gauseltinge:. 
Killer,  Starzel,  Hausen,  Stein  u.  a.  m. 

Hohenzollern  Sigmaringen  begriff  die  Grafschaft  Sigmaringen  mit 
der  Stadt  und  den  Dörfern  Sigmaringen,  Krauchen  wiesen,  Hausen,  Langen 
Enslingen  und  Bingen,  ferner  den  Frauenklöstern  Habstall,  Laitz,  Gornlieim 
Inzhofen.  Aufserdem  gehörte  unter  österreichischer  Hoheit  hierzu  die  ehemalig* 
Grafschaft  Vöhringen  mit  den  Dörfern  Vöhringen,  Benzingen  und  Hartenhause: 
auf  der  Scheer.  Auch  die  Herrschaft  Haigerloch  und  Wöhrstein  stand  unter 
österreichischer  Lehenshoheit  mit  dem  Städtchen  Haigerloch,  den  Dörfern  Gruel 
Zimmern,  Stetten,  Bietenhausen  u.  a.  m. 

444.  Fürstentum  Fürstenberg.  Von  den  zahlreichen  Linien  des 
Hauses  war  seit  1744  nur  noch  die  Stühlinger  übrig,  auf  welche  die 
1544  der  Heiligenberger  Linie  verliehene  Reichsfürstenwürde  übergim: 

Sie  besafs  1.  die  Grafschaft  Heiligen  berg,  ein  Oberaint  bildend 
mit  dem  gleichnamigen  Schlofs  und  mehreren  Dörfern;    2.  die  Herrschaft 
Jungnau  mit  dem  Marktflecken  Jungnau,  dem  Dorf  Enneringen  und  Weile: 
1  foehberg ;    3.  die  H  e  r  rs  c  h  a  f  t  T r  o  c  h  t  e  1  f  i  n  g  e  n  ,  ein  Oberamt  bildend,  mi: 
dem  Städtchen  Trochteltingen  und  den  Marktflecken  Steinhüllen  und  Meiehingen; 
4.  die  Herrschaft  Hausen  im  Kinzigtal  mit  Wolfach  und  Haslach;   5.  die 
Herrschaft  Möfskirch  an  der  Donau  mit  gleichnamigem  Schlofs  und  Sta<lt 
dem  Markt  Meningen  und  Dörfern;    6.  die  Herrschaft  Waldsperg  (Wald- 
berg) mit  den  Dörfern  Wondorf  und  Grombach  und  einigen  Höfen;  7.  die  Herr 
sehaft  Gundelfingen  mit  Schlofs  Neufra  und  Gundelfingen,  Stadt  Hain^er 
Dorf  Bibisbausen  im  Lautertale;    8.  die  Landgrafschaft  Baar  mit  dem 
Marktflecken   Donaueschingen,  dem   Städtchen   Fürstenberg,  den  Obervogtei 


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445.  Die  Lande  der  Grafen  Fuggor. 


575 


ämten  Blumberg,  Hüf fingen,  Löffingen  und  Moringen,  der  Vogtei  Geisingen  u.  a.; 
8.  die  Landgrafschaft  Stühlingen  mit  den  Obervogteiamtern  Stühlingen, 
Möwen  und  Neustadt. 

445.  Die  Lande  der  Grafen  Fugger.  Das  zuerst  im  XIII.  Jh. 
zu  Reichtum  und  Ansehen  gelangende  Geschlecht  hatte  sich  durch  An- 
kauf von  Territorien  eine  grofse  Macht  erworben  und  wurde  1530  von 
Kaiser  Karl  V.  in  den  Grafenstand  erhoben.  Die  Familie  war  in  zahl- 
reiche Linien  gespalten,  die  mit  kleinem  Territorial  besitz  ausgestattet 
uaren. 

I.  Der  Marx  (Markus)  Fuggersehe  Hauptast  besafs  die  Herrschaft 
N'onlendorf  zwischen  Lech  und  Sehmutter,  die  Dörfer  Ehingen  und  Lauter- 
bronn  und  die  Orte  Dütenstein,  Diemingen  und  Wangenhof. 

II.  Der  Hans  Fuggersche  Hauptast;  von  diesem  besafs  1.  der 
Kirchheimsehe  Zweig  die  Herrschaften  Kirchheim,  Eppichhausen,  Türken  Fehl 
und  Sehmüehen;  2.  der  Mückhausensche  Zweig  die  Herrschaft  Mückhausen 
a.  d.  Sehmutter  und  Schwindegg;  3.  der  Glöttsche  Zweig:  die  Herrschaften 
Ulött,  Oberndorf  und  Elgau. 

III.  Der  Jakob  Fuggersche  Hauptast;  von  ihm  besafs  4.  der  Baben- 
hausische  Zweig  die  Herrschaften  Babenhausen  a.  d.  Günz  und  Boofs  a.  d. 
Iiier;  5.  der  Wasserburgsehe  Zweig  die  Herrschaften  Wüllenburg,  Gaiblingen 
und  Biberach,  das  Pllegamt  Röttenbach  a.  d.  Günz  und  die  Herrschaft  Wasser- 
l'urg  am  Budensee.  —  Ferner  gehörten  der  Raymundschen  Linie  der  Fugger 
•lie  an  Donau  und  Iiier  gelegenen  Grafschaften  Kirchberg  und  Weifsenhorn 
mit  den  Herrschaften  Adelshofen,  Wulenstetten,  Pfaffenhofen  und  Maurstetten. 

Kleinere  Territorien  waren  ferner  die  Grafschaft  Hohenembs  am 
OlxTrhein  oberhalb  des  Bodensees  mit  den  Schlössern  Alt-  und  Neu-IIohenembs, 
dem  Marktflecken  Embs,  dem  Reichshof  Lustenau  u.a.        Die  Grafschaft 
Hondorf  im  Gebiet  der  Wutaeh  gehörte  der  Abtei  St.  Blasien  im  Schwarz- 
wald,  die  aufserdem  die  Herrsehaften  Staufen  (an  der  Grenze  der  Markgraf- 
»chaft  Baden),  Kirchhofen,  Gutenberg,  Gurtweil  an  der  Schwarzach  und  Ober- 
ried im  Schwarzwald  besafs.    Auch  auf  schweizerischem  Gebiet  hatte  die  Abtei 
Territoriall »esitz.  —  Die  Herrschaft  Eglof  am  Argen  zwischen  Isny  und 
Wangen  war  als  österreichisches  Pfand  im  Besitz  der  Grafen  von  Traun  und 
Abensberg  (seit  1661).  —  Die  Grafschaft  Thannhausen  am  Mindelflufs 
bei  Ursperg  war  seit  1677  unmittelbare  Reichsherrschaft.  —  Die  Grafschaft 
Hob e n-Geroldsegg  im  Breisgau  mit  dem  Schlots,  ferner  Schlofs  Dütenstein, 
den  Dörfern  Selbach  und  Mittelbach.    Im  Jahre  1634  starben  die  Grafen  aus; 
sie  kam  an  die  Grafen  von  Kronberg,  1691,  dann  an  Karl  Kaspar  von  der 
Leven,  der  1711  Reichsgraf  wurde.  —  Die  Herrschaft  Eglingen,  seit  1727 
im  Besitz  der  Thum  und  Taxis  mit  dem  gleichnamigen  Marktflecken  und 
••inigen  Weilern.   —  Das  Fürstentum   Liechtenstein  mit  Schlofs  und 
Flecken  Vaduz,  Schlofs  Schellenberg,  den  Dörfern  Treisen,  Balzers,  Schan, 
Eschen  und  Mauren  sowie  dem  Kloster  Benderen.     Die  beiden  Linien  des 
Hauses  waren   1618  und  1623  in  den  Reichsfürstenstand  erhoben  worden.  — 
Die  Grafschaft  Thengen  neben  der  Landgrafschaft  Baar  mit  der  Stadt  und 
einigen  Dörfern,  seit  1653  im  Besitz  der  Grafen  von  Auersperg.  —  Die  Herr- 
s  <•  h  a  i"  t  e  n  T  e  1 1  n  a  n  g  und  Argen  am  Bodensee ;  jene  mit  dem  Landwaibel- 
anit  und  Ämtern  Hemmickhofen,  Langnau  und  Neukirch,  diese  mit  den  Ämtern 
Langenargen,  Nonnenbach  und  Thunau.    Sie  gehörten  seit  dem  VIII.  Jh.  den 
Montforte.  —  Das  Geschlecht  der  Erbtruchsessen  war  aus  dem  freiherrlichen 
GeHchleeht  von  Waldburg  hervorgegangen,  deren  Amtsbenennung  schließlich 
zum  Geschlechtsnamen  wurde.  Im  XVIII.  Jh.  existierten  sechs  Linien:  die  Erb- 
truchsessen zu  Zeil -Zeil,  im  Besitz  der  Grätsch.  Zeil  im  Allgäu;  die  Erb- 
truchsessen zu  Zeil-Wurzach,  im  Besitz  von  Herrschaft  Wurzach  und 


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576  XJU-  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

Mahlstetten ;  die  Erbtruchsessen  zu  Wolf  egg- Wolf  egg,  im  Belitz  von 
Herrschaft  Wolfegg,  Waldburg,  Kifslegg,  Waltershofen,  Prafsberg  und  Leipolz 
die  Erbtruchs essen  zu  Wolfegg- Waldsee  besafsen  die  Herrschaft  Wall 
see  und  Gericht  Winterstetten ;  die  Erbtruchsessen  zu  Scheer-Scheer. 
im  Besitz  der  Herrschaft  Scheer,  Grafschaft  Friedberg,  Herrschaft  Dünner, 
tingen  und  Bufs.  Die  Erbtruchsessen  zu  Scheer-Trauehburg  besät*-? 
die  Grafschaft  Trauchburg  und  Anteile  an  den  Herrschaften  Kifslegg  und  Herroth 

446.  Bistum  Augsburg  hatte  kein  vollständig  geschlossenes  Stifts 
gebiet,  welches  in  dem  Raum  zwischen  Lech,  Wertach  und  Iiier  bis  in 
die  Voralpen  hinein  lag. 

Es  wurde  in  14  Ämter  eingeteilt  :  Dillingen  mit  der  gleichnamigen  bischoi 
liehen  Residenz,  Aislingen  a.  d.  Donau,  Westendorf-Killenthal,  Zusmershausen 
PfafTenhausen,  Schöneck,  Bobingen,  Schwabenmünchen  im  Lechfelde,  Buehlo« 
Leeder,  Oberdorf,  Nesselwang,  Sonthofen  und  die  Stadt  Füssen.  Aufsei  den 
besafs  es  mehrere  Güter  und  Ortschaften  im  Donaulande  sowie  in  Tirol. 

447.  Frankische  Bistümer.  Die  beiden  gröfsten  waren  das  Hoch 
stift  von  Würzburg  und  Bamberg,  die  eng  zusammengrenzten  und  in 
Verbindung  mit  dem  Erzstift  Mainz  fast  das  ganze  Maintal  (die  deshalb 
sog.  Pfaffengasse)  beherrschten.  Etwas  kleiner  war  das  Hochstift  Eich 
stätt,  welches  auch  mehrere  zerstreut  liegende  Enklaven  besafs. 

Bistum  Würzburg  umfafste:  1.  die  Hauptstadt  und  57  Ämter  und 
Gerichtsbezirke  mit  Würzburg  und  den  Ämtern  Veits-Höchheim ,  Karlstadt 
Hornburg  in  der  Weren,  Rothenfels.  Schönrain,  Aura,  Gemünden,  Trimberg 
Kellerei  Aurach  a.  d.  Saale,  Ämter  Kissingen,  Ebenhausen,  Münnerstadt,  Aschach 
Neustadt  a.  d.  Saale,  Bischofsheim,  Hilters,  Fladungen,  Meirichstadt,  Weehter- 
Winkel,  Königshofen,  Sulzfeld.  Lauringen,  Rothenstein,  Sefslach,  Ebern.  Eh 
mann,  Hafsfurt,  Mainberg,  Sulzheini.  Kellereien  Poppenlaur,  Prölsdorf  und 
Grofs-Langheim,  Ämter  Gerolzhofen.  Ober-Schwarzbach,  Schlüssel feld.  Markt 
Bibart,  Iphosen,  Volkach,  Werneck,  Arnstein,  Klingenberg,  Prozelsheim,  Dett«  1 
bach,  Kitzingen,  Bütthard.  Aub,  Röttingen,  Jaxtberg,  Laads,  Grünsfeld,  Hart 
heim,  Freudenberg,  Hohenburg  a.  M.  und  Ripperg,  sowie  Anteil  am  Markt 
Hecken  Remmlingen.  —  2.  Dem  Domkapitel  gehörten  die  Orte:  Kundor 
Hochheim,  Stelle,  Braunsbaeli  bei  Schwäbisch-Hall  u.  a.  —  '.i.  Der  Dompr«»p*tr 
gehörten  die  Ämter  und  Kellereien:  Oehsenfurt,  Klein-Ochsenlurt,  Eubebtadt 
Randersacker,  Eusenheim,  Sulzdorf  a.  d.  Tauber  und  Tiefen-Stockheim.  — 
Aufserdem  besafs  das  Hochstift  die  Reiehsvogtei  über  drei  Reiehsdorfer  U. 
Schweinfurt. 

Bistum  Bamberg  umfafste  die  Haupt  und  Residenzstadt  Bamberg  m.- 
Gebiet,  das  aus  vier  Teilen  bestehende  Kammeramt:  Hallstadt.  Gülsbach 
Strullensdorf  und  Geifsfeld,  ferner  die  Ämter  Eggolsheim  und  Reifenlur: 
Forchheim,  Marlofstein  und  Schelmberg,  Neudeck  oder  Ebermanstadt.  AVol» 
berg,  Warberg  und  Göfsweinstein ,  die  Pflegen  Bottenstein.  Veldenstein  und 
Giech  oder  Schefsliti,  dir  Ämter  Leyenfels,  Weischenfeld,  Bollfeld,  Arnsteü 
Nisten  oder  Weifsmain,  Burgkunstaolt,  Kupferberg.  Ludwig  Schorgast.  Mark; 
Schorga^t,  Leugast  und  Teuschnitz,  Hauptmannschaft  Kronach,  Ämter  Fürten: 
berg.  Lichteniels.  Schönbrunn  und  Doringstadt.  Städtchen  Staffelstein,  Ann-* 
Baunach,  Zeil.  Ebersberg.  Burg  Ebrach  und  Wachenroth,  die  Verwalter? 
Schüsselau,  Centgericht  Bechhofen,  Ämter  Hochstätt  a.  d.  Aisch,  Oberhochstätt 
Herzogenaurach  und  <  )bersch<*infc]d,  sowie  die  Pflege  Vilseck  in  der  OheritfaL 
Die  in  Kärnten  dem  Bistum  gehörigen  Amter  und  Güter  waren  1759  an  Oster 
reich  verkauft  worden. 

Bistum  Kichstätt.    Das  Hochstift  zerfiel  in  das  Unterstift  und  Oberstift 
Das  l'nterstift  umschlofs  die  Residenz  Eichstätt,  das  Oberamt  der  Landvogte: 


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448.  Fürstentümer  Ansbach  und  Baireuth.  577 

Oberamt  Hirschberg.  Ober-  und  Pflegciimter  Küpfenberg.  Titting-Raitenbuch, 
Obemiessing,  Dolnstein  und  Nassenfeis.  —  Das  Oberstift  begriiT  die  Ämter 
Sandsee.  Ahrbcrg-Ohrnhaum,  Wahrberg-Herrieden  und  Wernsfels-Spalt  nebst 
Abenberg,  ferner  die  Herrschaft  Flügelsberg  und  Hofmark  Mayren  in  Ober- 
bakrn.  —  Im  Hochstift  Eichstätt  befand  sich  ein  kaiserliches  Landgericht  zu 
Hirsehberg.  mit  welchem  Kurbaiern  seit  alters  belehnt  war.  Wegen  Aufhebung 
und  Erneuerung  desselben  1749  entstand  ein  jahrzehntelanger  Prozefs  zwischen 
Baiern  und  dem  Stift, 

448.  Fürstentümer  Ansbach  und  Baireuth.  Die  beiden  Söhne 
Johann  Georgs,  Kurfürsten  von  Brandenburg,  Christian  (f  1655)  und 
Joachim  Ernst  (f  1625),  hatten  jener  das  Fürstentum  Kulmbach-Baireuth, 
»lieser  Ansbach  (Onolzbach)  erhalten  und  neue  Linien  gestiftet.  Christians 
Söhne  führten  eine  neue  Teilung  in  die  Baireuther  und  Kulmbacher 
Linie  herbei,  von  denen  jene  aber  1627  erlosch  und  diese  1763.  Mithin 
wurden  die  gesamten  Lande  in  der  Hand  des  Fürsten  Alexander  von 
der  Ansbacher  Linie  wieder  vereinigt. 

Das  Fürstentum  Kulmbach-Baireuth  bestand:  1.  aus  dem  Ober- 
land mit  den  Amtshauptmannschaften  Baireuth  und  Kulmbach,  dem  Oberamt 
Schauenstein  und  Helmbrecht,  der  Landeshauptmannschaft  Hof.  der  Amts- 
hauptmannschaft der  Stadt  und  Sechsämter  Wunsiedel,  dem  Oberamt  Lichtenberg, 
Thierbach  und  Lauenstein,  dem  Oberamt  Münchberg  und  Stockenroth,  Gefrees- 
Bemeck-Goldkronach  und  Stein.  Krcusen,  Pegnitz  und  Schnabel waidt,  Ostern- 
ohe, Neustadt  am  Kulm ;  —  '2.  aus  dem  Unterland  mit  den  Hauptmannschaften 
Krlangen.  Neustadt  a.  d.  Aisch  und  den  Oberämtern  Baiersdorf,  Hoheneck, 
Ipsheim  und  Neuhof. 

Fürstentum  Ansbach  umfafste  die  15  Ämter:  Ansbach,  Schwabach, 
Kadolzburg,  Burgthann,  Roth,  Stauff,  Günzenhausen.  Hohentrüdingen,  Wasser- 
trüdingen,  Windsbach,  Feuchtwangen,  Kreilsheim,  Kolmberg,  Kreglingen  und 
FfTenheim,  ferner  die  Feste  Wilzburg,  das  Vogteiamt  Geyern  und  Anteile  am 
Dorf  Randesacker  in  Würzburg. 

449.  Fürstentum  Hohenlohe.  Es  bestanden  damals  die  beiden 
Hauptlinien ,  die  Waldenburgsche  und  Neusteinsche ,  die  selbst  aber 
viele  Teillinien  besafsen.  Die  erstere  wurde  1744,  die  andere  1764  zur 
reichsfürstlichen  Würde  erhoben. 

Die  Grafschaft  bestand  aus  folgenden  Teilen:   1.  dem  ganzen  Hause  ge- 
meinschaftlich :  Öhringen,  die  Hauptstadt  am  Flüfschen  Ohrn.  —  2.  Besitzungen 
der  Waldenburgschen  Hauptlinie:  a)  Die  Bartensteinsche  Linie  besafs  die  Ämter 
Bartenstein,  Herrenzimmern,  Sindringen,  Sehneldorf,  Pfedelbach  und  Mainhard; 
b)  die  Schillingsfürstsehe  Linie:  Oberamt  Waldenburg  mit  der  Stadt,  die  Ämter 
Kupferzell,  Geilenkirchen,  Adolzfurt,  Sehillingsfürst  mit  Schlote.  Residenz  und 
Marktflecken   Frankenau.   —  3.   Besitzungen   der  Neusteinsehen  Hauptlinie: 
c>  Die  Ühringsehe  Linie  besafs  die  Ämter  Neuenstein,  Michelbach,  Beutingen, 
Ornberg,  Zweiflingen,  Künzeisau,  Hollenbach  und  Weikersheim ;  d  die  Langen- 
burgsche  Linie:  Stadt  und  Amt  Langenburg;   e)  die  Ingelfmgsche  Linie:  die 
Ämter  Ingeinngen  und  Schlotsberg;    f)  die  Kirchbergsehe  Linie:  die  Ämter 
Kirchberg  und  Döttingen.  —  Aufserdem  besafs  die  Waldenburgsche  Hauptlinie 
noch   die  halbe  Grafschaft  Gleichen  im  Gothasehen  Gebiet  und  die  Linie 
Sehillingsfürst  die  Herrsehaft  Wilhermsdorf. 

Kleinere  Territorien  im  Maingebiet  waren  noch  die  folgenden: 

Grafschaft  Schwarzenberg.     Die  Herren  von  Seinsheim  hatten 
1420  die  Herrschaft  Schwarzenberg  gekauft  und  deren  Namen  schliefslich  an- 

Kretschmer.  Hiitoriifhe  Geographie 


J 


578 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770 


genommen,  nachdem  sie  zu  Reichsfreiherren  geworden  waren.  1671  wur«i»ii 
sie  Reichsfürsten.  Ihr  Territorium  bestand  aus  den  Ämtern  Mark-Schainfei-1 
mit  Schlots  Schwarzenberg,  Geiselwind,  Seehaus  mit  Schlofs  Hohenlan-lslx-r-.; 
Erlach,  Mark-Breit  und  Michelbach. 

Herrschaft  Seinsheim  umfafste  me  Ämter  Wasserndorf,  Huttenheim 
und  Gnözheim. 

Grafschaft  Rio  neck  war  nach  dem  Erlöschen  des  Geschlechtes  l.xtf 
aufgeteilt  worden.  Mainz  besafs  das  Amt  Lohr,  die  Grafen  von  Nostiz  da.« 
Städtchen  Rieneck  mit  Zubehör,  an  welchem  auch  Hanau  partizipierte. 

Grafschaft  Castell.  Die  beiden  Linien  CasteU- Remlingen  und  Castell 
Rüdenhausen  besafsen  jede  die  gleichnamigen  Ämter.  An  Remlingen  waren 
aber  auch  Wertheim  und  Würzburg  beteiligt, 

Grafschaft  Wert  heim  stand  unter  den  Grafen  von  Löwenstein 
Wertheim.  Sie  umfafste:  1.  die  eigentliche  Grafschaft  Wertheim  mit  der  Haupt 
Stadt,  Amt  Freudenberg  (z.  T.  würzburgisch),  Amt  Schwan berg,  Könighein? 
(z.  T.  niainzisch)  und  Lautenbach ;  2.  Herrschaft  Breuberg  (Lehen  von  Fulda 
3.  Amt  Klein-Heubach  (Heidbach),  1721  von  den  Erbachern  gekauft;  4.  Gral 
schaft  Löwenstein,  unter  wirtembergischer  I^andeshoheit.  Die  gräfliche  Link 
des  Hauses  besab  hiervon  Stadt  und  Amt  Löwenstein  und  Sulzbach  a.  d.  Murr 
das  fürstliche  Amt  Abstadt  oder  Wildeek ;  5.  die  Grafschaft  Virnenburg  in  der 
Eifel,  deren  Grafen  Mitte  des  XVI.  Jh.  ausstarben,  worauf  ilir  Land  durch 
Heirat  an  Löwenstein-Wertheim  fiel.  6.  Aufserdem  besafs  das  Haus  mehrer- 
Herrschaften  im  Burgundischen  Kreise  und  Böhmen. 

Grafschaft  Erbach.  Die  Grafen  waren  1532  in  den  Fürstenstand  er 
hoben  worden  und  besafsen  das  Territorium  in  drei  Linien.  Es  umfafste  dir 
Ämter  Erbach,  Michelstadt,  Freienstein,  Fürstenau,  Reichenberg,  Schönl>en: 
König  und  Wildenstein  und  mit  Wertheim  gemeinschaftlich  Amt  Breuberg 

Herrschaft  Limburg.  Das  Dynastenhaus  starb  in  der  Gaildorf  schon 
Linie  1690,  in  der  Speckfeldischen  1713  aus.  Kurbrand» -n  bürg  hatte  1683 
die  Anwartschaft  auf  das  Limburger  Reichslehen  erworben  und  vom  Kaiser 
bestätigt  erhalten.  Im  Jahre  1713  nahm  der  König  von  Preufsen  Besitz  vorn 
Lande,  räumte  es  aber  den  Allodialerben  ein,  während  der  Kaiser  die  Reiche 
lehen  unter  Sequester  stellte,  dem  König  Friedrich  Wilhelm  I.  von  Preufser 
aber  1728  die  Belehnung  über  sie  erteilte.  Friedrich  der  Grofse  übertrug  diese 
limburgische ii  Reichslehen  an  das  fürstliche  Haus  Ansbach  als  Reichsafterl ehm 
(1744);  mit  den  limburgisrhen  Allodialerben  einigte  man  sich  zwei  Jahre  später 
Die  Allodialerben  besafsen  hiernach:  1.  die  eigentliche  Herrschaft  Limburg  nii' 
dem  Städtchen  Gaildorf  mit  etwa  180  Dörfern  und  Weilern ;  2.  die  Herrscha'i 
Speckfeld  mit  den  Flecken  Markt-Einersheim  und  Sommerhausen  sowie  meh 
reren  Dörfern.  —  Die  Markgrafen  zu  Brandenburg-Ansbaeh  erhielten  das  Dorf 
Markertshol'en  sowie  die  gräflich  limburgisehen  Güter  in  einer  Menge  von 
Dörfern. 

Herrschaft  Welzheim  war  ein  wirtembergisches  Lehen  der  Lim 
burger  Grafen,  nach  deren  Aussterben  1713  es  eingezogen  und  1718  an  eint 
Gräfin  von  Würben  verschenkt  wurde.  Sie  bestand  in  dem  gleichnamigem 
Marktflecken. 

Herrschaft  Hausen,  innerhalb  der  Herrschaft  Limburg,  bestand  ui 
dem  einzigen  Dorfe  dieses  Namens  und  war  seit  1746  als  Reichsafterlehen  von 
Kurbaiern  im  Besitz  der  Fürsten  von  Ansbach. 

Herrschaft  Wiesentheid  mit  Schlofs  und  neun  Dörfern,  zwischen 
Würzburg  und  Fürstentum  Ansbach,  gehörte  seit  1697  dem  Hause  Schönborn. 

Herrschaft  R  e  i  c  h  e  1  s  b  e  r  g .  zwischen  Aub  und  Röttingen,  mit  Sehlofc 
und  einigen  Dörfern  war  seit  1521  würzburgisch  und  1600  als  Lehen  im  Besit: 
der  Freiherrn  von  Schönborn. 

450.  Territorien  des  Deutschen  Ordens.  Es  sei  an  dieser  Stell' 
auch  des  (tüterbesitzes  des  Deutschen  Ordens  gedacht.   Die  Lande  des- 


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460.  Territorien  dos  Deutschen  Ordens.  579 

selben  bildeten  freilich,  seitdem  das  Herzogtum  Preufsen  ihnen  abhanden 
gekommen  war,  kein  geschlossenes  Territorium,  sondern  waren  in  Gestalt 
von  einzelnen,  oft  sehr  kleinen  Herrschaften  über  ganz  Deutschland  und 
die  Nachbarländer  verstreut.  Sie  bestanden  aus  dem  Meistertum 
Mergentheim,  welches  seit  dem  XVI.  Jh.  nach  der  Säkularisation 
des  Ordens  ständiger  Sitz  des  Deutschmeisters  war,  und  elf  Provinzen, 
sog.  Balleien  (Balliviae),  denen  ein  Landkommentur  (CommendatorJ  vor- 
stand. Die  Balleien  selbst  wurden  weiter  in  Kommentureien  oder  Kom- 
inenden  eingeteilt  und  diese  in  Ämter. 

Im  folgenden  ist  ein  Überblick  über  die  Balleien  und  Kommentureien 
des  Ordens  gegeben,  ohne  jedoch  bei  jeder  einzelnen  den  oftmals  nur  auf 
einigen  Dörfern,  Weilern  oder  einem  Hause  bestehenden  zugehörigen  Besitz  auf. 
zuführen. 

I.  Das  Meistertum  Mergentheim.  Die  Stadt  Mergentheim  oder 
Mergenthal,  d.  i.  Marienthal  (im  Taubertal),  mit  umfassendem  Landbesitz  in  Ämtern, 
Vogteien,  Gütern,  Dörfern  etc.  in  der  Nähe,  wie  weiteren  Nachbarschaft. 

II.  Ball  ei  Franken  mit  15  nicht  nur  in  Franken,  sondern  auch  in 
fernen  Ländern  liegenden  Kommentureien:  Uliingen  (Ellingen),  dem  Sitz  des 
Kommenturs,  Viernsberg,  zu  Nürnberg,  zu  Würzburg,  zu  Münnerstadt,  zu  Heil- 
bronn, zu  Öttingen,  Kapfenburg,  zu  Ulm,  zu  Donauwörth,  Blumenthal,  zu 
Gerighofen,  zu  Regensburg,  Fritzlar,  Kloppenheim. 

III.  Bailei  Elsafs  und  Burgund  mit  14  Kommentureien:  Alach* 
hausen,  Sitz  des  Kommenturs,  Rohr-  und  Waldstätten,  Meinau,  Beugen,  Frei- 
burg, Ilitzkirch,  zu  Basel,  zu  Mühlhausen,  Itixheim,  zu  Rufach,  Gebweiler,  zu 
Kaisersberg,  zu  Andlau,  zu  Strafsburg. 

IV.  Bailei  Österreich  mit  8  Kommentureien:  dem  Deutschen  Hof 
zu  Wien,  zu  Neustadt  im  Lande  unter  der  Enns.  bei  Graz,  der  Hauptstadt 
von  Steiermark,  zu  Meretiza  und  Grofs-Sonntag  in  Unter-Steiermark,  zu  Laibach, 
zu  Möttling  und  Tschernembl  in  Krain,  zu  St.  Georgen,  im  Sandhofe  und  zu 
Freisach  in  Kärnten  und  zu  Linz. 

V.  Bailei  an  der  Etsch  und  am  Gebirge  lag  in  Tirol  und  stand 
unter  tiroliseher  Landeshoheit;  mit  5  Kommentureien:  zu  Wegenstein  bei 
Bozen,  das  Deutsche  Haus  zu  Trient,  die  Kommende  zu  Lengmofs  auf  dem 
Ritten,  das  Deutsche  Haus  zu  Sterzing  und  Kommende  Schlanders. 

VI.  Ball  ei  Coblenz  mit  7  Kommentureien:  zu  Coblenz,  zu  Linz  im 
Erzstiit  Cöln,  in  der  Reichsstadt  Cöln  zu  Waltbreitbach  und  Rheinberg,  zu 
Trarr,  zu  Muffendorf  und  die  Pilzenburg  in  der  Stadt  Mecheln. 

VII.  Bailei  Hessen  mit  5  Kommentureien:  das  Deutsche  Haus  in 
Harburg,  Kommende  Schiffenberg,  Oberflörsheim,  zu  Griffstädt.  das  Deutsche 
Haus  in  Wetzlar. 

VIII.  Bailei  Alten -Biesen  mit  12  Kommentureien:  Alten-Biesen  im 
Hochstift  Lüttich,  Jungen-Biesen  in  der  Reichsstadt  Cöln,  das  Deutsche  Haus 
zu  Maastricht,  Siersdorf  im  Herzogtum  Jülich,  Bernsheim,  (ieminert  in  Brabant, 
Beekevoort,  Grüterode  und  Feucht,  Udingen  und  Holt,  Ramersdorf,  St.  Peters 
Voeren  in  Limburg,  St.  Ägidü  in  Aachen,  die  Herrschaft  und  die  Hebungen 
Diepenburg,  Beverst  und  Damnis,  die  Hebungen  von  St.  Truijen  und  Tongern. 

JX.  Ball  ei  Westfalen  mit  10  Kommentureien:  zu  Münster,  zu  Osna- 
brück, Duisburg,  Brakel,  Welmen,  Mahlenburg,  Mülheim,  Stronden,  Olpe  im 
Herzogtum  Berg  und  Essen. 

X.  Ball  ei  Thüringen  mit  4  Kommentureien:  Lehsten  im  Amte  ErkarU- 
bergn,  Liebstädt  zwisehen  Weimar  und  Eckartsberge,  Negelstidt  oder  Keilstetl 
an  der  Unstrut  und  Zwetzan  oder  Zwäzen  an  der  Saale  unweit  Jena. 

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580  XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

XI.  B  a  1 1  e  i  Lothringen  mit  den  Kommentureien :  Trier,  Beckingen. 
Meinsiedel,  Saarburg,  Saarbrücken,  Luxemburg  u.  a. 

XII.  Ball  ei  Sachsen  mit  7  Kommentureien:  Lucklum  im  Fürstentum 
Wolfenbüttel,  Langeln  in  der  Grafschaft  Wernigerode,  Dommitzsch  im  sächsi- 
schen Kurkreise,  Bürow  in  Anhalt,  Weddingen  im  Hochstift  Hildesheini. 
Güttingen,  Dansdorf  im  Amte  Beizig. 

Hierzu  käme  als  besondere  Bailei  jene  von  Utrecht  mit  10  Kommentureien : 
zu  Dieren  in  der  Veluwe,  Thiel,  Maasland,  Rheenen,  Leijden  und  Katwijk, 
Schoten  in  Friesland,  Doesborg,  Sehelluinen,  Middelburg  und  Schoonhoven. 

451.  Kurfürstentum  Baiern.  Nach  dem  Westfälischen  Frieden,  der 
den  bairischen  Herzog  in  der  Kurwürde  und  im  Besitz  der  Oberpfalz 
bestätigte,  folgten  vier  Kurfürsten  als  Regenten  des  Landes :  Kurfürst 
Ferdinand  Maria  (bis  1679),  Maximilian  Emanuel  (bis  1726),  Karl  AJbert 
(bis  1745)  und  Maximilian  Joseph  (bis  1777).  Da  mit  letzterem  der  Mannes- 
stamm der  bairischen  Herzöge  ausstarb,  so  fand  damals  die  endliche 
Vereinigung  Baierns  mit  der  rheinischen  Pfalz  statt  durch  Karl  Theodor 
von  Pfalz-Sulzbach. 

Kleinere  Veränderungen  im  Territorialbestande  waren:  1661  der  Erwerb 
der  Herrschaft  Rottenburg  durch  Kauf,  1724  die  Einziehung  der  Herrschaft 
Breiteneck  nach  den»  Erlöschen  der  Grafen  von  Tilly,  desgleichen  1734  Ein 
ziehung  der  Herrschaft  Hohenwaldeck  nach  Erlöschen  der  Grafen  von  Maxelrain. 

Um   1770  war  der  Tcrritorialbestand  folgender:   L  Oberbai  er  n  mit 
1.  dem  Regierungsbezirk  München.     Neben  der  Haupt-  und  Residenzstadt 
München  gehörten  hierzu  die  32  Pfleggerichte:  Dachau,  Crantzberg,  Pfaffen- 
hofen, Mainburg,  Neustadt,  Abensberg  und  Altmannstein,  Riedenburg,  Kösching. 
Vohburg,  Ingolstadt,  Schrobenhausen,  Rain,  Donauwerth,  Wembdingen,  Aischa 
am  Paar,  Friedberg,  Moringen,  Landsberg  am  Lech,  Schongau,  Hohenschwangau. 
Weilheim   am  Anger,  Starenberg,  Wolfratshausen,  Tölz,  Aurburg,  Aibling. 
Schwaben,  Wasserburg,  Rosenheim,  Marquartstein,  Traunstein  und  Reichenhall. 
Hierzu  gehörte  ferner  die  Herrschaft  Mindelheim,  welche  ursprünglich  ein 
Besitztum  der  Herzöge  von  Teck  und  dann  verschiedener  anderer  Herren  war,  im 
Spanischen  Erbfolgekriege  sehhefslich  als  Reiehsfürstentum  an  den  Herzog  von 
Marlborough  fiel,  dann  aber  an  Baiern  kam.   Auch  die  Herrschaft  Wiesensteig 
gehörte  hierzu;  sie  war  seit  1705  einige  Zeit  im  Besitze  von  Wirtemberg  ge- 
wesen. —  2.  Regierungsbezirk  Burkhausen  mit  15  Pfleggerichten :  Neu-Ötting 
Mörmosen,  Kraiburg,  Kling  (in  dessen  Gebiet  das  Bistum  Chiemsee  gelegen 
ist),  Hohenaschau  mit  Wildenwart,  Trosburg,  Wildshut,  Braunau,  Uttendorf. 
Julbach,  Maurkirchen,  Friburg,  Mattigkofen,  Ried  und  Schärding. 

II.  N  i  e  d  e  r  b  a  i  e  r  n.  3.  Regierungsbezirk  Landshut  mit  der  gleichnamigen 
Stadt  und  20  Pfleggerichten:  Erding,  Dorfen.  Neumarkt,  Vils-Biburg,  Geigen 
hausen,  Teisbach,  Dingelfing  und  Reisbach,  Gänkofen,  Eggenfelden,  I^mdau. 
Pfarrkirchen,  Griesbach,  die  unmittelbare  Reichsgrafschaft  Hals,  d\e 
Pfleggerichte  Vilshofen,  Osterhofen,  Naternberg,  Kirchberg,  Eckmüll.  Rotten- 
burg und  Mosburg.  —  4.  Regierungsbezirk  Straubing,  a)  Oberer  Distrikt  mit 
5  Pfleggerichten:   Kelheim,   Dietfurt,   Abbach,  Haidau  und  Stadt  am  Hof: 

b)  mittlerer  Distrikt  mit  den  Gerichten :  Straubing,  Mitterfels,  Gossersdorf,  Cham 
unmittelbare  Reichsgrafschaft).   Furt,   Kotzing,  Neukirchen   und  Viechtach; 

c)  unterer  Distrikt  mit  10  Gerichten:  Leonsberg.  Schwarzbach,  Linden,  Zwisrl 
und  Weesenstein.  Regen,  Deggendorf,  Hengersberg,  Winzer,  Diesenstein  und 
Bernstein. 

III.  Die  Obern  falz  zerfiel  in  einen  südlichen  und  nördlichen  Tri!, 
beide  geschieden  durch  sulzbachisehes  und  bambergisches  Gebiet.     Sie  ur» 


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452.  Bairischc  Histümer.  —  453.  Erzbistum  Salzburg. 


581 


fassen  5.  den  Regierungsbezirk  Amberg.  a)  Südlicher  Teil  mit  den  Pfleg- 
gerichten :  Amberg,  Pfaffenhofen  und  Hainburg,  Neuniarkt,  Rieden,  Salem  und 
Zeitlarn,  Freudenberg,  Hirschau,  Nabburg,  Neuburg  vor  dein  Walde,  Weterfeld, 
Bruck,  Retz,  Waldmünchen,  Murach,  Treswitz-Tenesberg ;  b)  nördlicher  Teil 
mit  den  Pfleggerichten :  Bernau,  Waldsassen  und  Tirschenreut,  Kemnat.  Waldeck 
und  Pressat,  Eschenbach  und  Grafenwerth,  Turndorf  und  Holnberg,  Tumbach, 
A Urbach,  Herten-  oder  Hartenstein  mit  der  Herrschaft  Rothenburg. 

Die  Fürstentümer  Neubarg  und  Sulzback  waren  damals  noch  im 
Besitz  der  Pfalz  und  seit  1742  bei  der  Kurlinie  Sulzbach  vereinigt  (s.  S.  568  f.). 
Das  Fürstentum  Neuburg  umfafste  die  Hauptstadt  mit  dem  Ptlegamte  Neuburg, 
Amt  Burkheim.  Grainbach,  Monnheim,  Maurn,  Landvogtei  Höchstädt,  Ämter 
Lauingen  und  Gundelfingen,  alle  drei  in  Schwaben,  Amt  Constein.  Amt  Heideck, 
Hilpoltstein,  Allerberg,  Hemmau,  Beretzhausen,  I^aber-Lupburg,  Regenstauf  und 
Amt  Burg-Lengen  fei  d  mit  den  Pflegen  Kaimünz  und  Schmidtmühl,  ferner 
•las  Landvogteiamt  Neuburg  mit  vier  Pfiegäratern :  Rennerzhofen,  Reicherts- 
liofen.  Vclburg  und  Schwandorf  sowie  die  Herrschaft  Bleistein  an  der  böh- 
mischen Grenze  (seit  1418).  Das  Fürstentum  Sulzbach  bestand  aus  dem 
Landgericht  Sulzbach,  Parkstein  und  Weiden,  Pflegamt  Weiden  und  den  Ämtern 
Flors  und  Vohenstrauls. 

452.  Balrische  Bistümer.  Wie  schon  bemerkt,  gehörte  ehemals 
die  ganze  Erzdiözese  Salzburg  dem  Baiernlande  an.  Vermöge  seiner 
Lage  nahm  das  Erzstift  Salzburg  eine  Sonderstellung  dem  Herzogtum 
gegenüber  ein.  Regensburg,  Freising,  Passau  waren  mehr  oder  weniger 
aber  von  herzoglich  bairischem  Gebiet  umschlossen. 

Das  Hochstift  Regensburg  bestand  aus  den  drei  freien  Reichs- 
herrschaf  ten :  1.  Donaustauf,  unterhalb  Regensburg,  mit  mehreren  Schlössern, 
Märkten  und  Dörfern ;  2.  Wörth  (Werth),  ebenfalls  an  der  Donau,  mit  dem 
gleichnamigen  Markt  und  vier  Dörfern;  3.  Hohenburg  am  Lautrachflufs,  nur 
aus  dem  Schlosse  bestehend.  Aufserdem  besafs  das  Stift  die  Herrschaft  Pech- 
larn  im  Lande  unter  der  Knns  und  die  Verwaltung  in  einigen  niederbairisehen 
Orten. 

Das  Bistum  Freising  besafs  die  Stadt  Freising,  Grafschaft  und  Amt 
Ismaning,  Grafschaft  Werdenfels  in  den  Alpen  mit  der  Grafschaft  zu  Parten- 
kirchen und  Mittenwald  sowie  die  Herrschaft  Burgkrain  zwischen  Ober-  und 
Nicderbaiern ;  aufserdem  in  Oberbaiern:  Pflegamt  Kranzberg  mit  fünf  Märkten, 
in  Österreich :  Stadt  Waidhofen  mit  zwei  Märkten  im  Viertel  ob  dem  Wiener 
W'idde  und  Engersdorf  nebst  Markt  Strafs  im  Viertel  unter  dem  Mannharts- 
berg;  —  in  Steiermark:  Rottenfels;  in  Oberkrain:  Herrschaft  Bischoflack, 
und  in  Tirol:  Markt  und  Gericht  Inichen  im  Pustertal. 

Bistum  Passau  bestand  aus  der  Hauptstadt  Passau  mit  Inn-  und 
Ilzstadt,  dem  Landgericht  Oberhaus,  den  acht  Herrschaften:  Viechtenstein, 
Hafner-  oder  Obernzell,  Fürsteneck,  Leoprechting,  Wolfstein,  Wegseheid, 
Riedenburg  und  Obernberg  und  dem  Richteramt  Waldkirchen.  Ferner  besafs 
das  Stift  im  Lande  ob  der  Enns:  die  Grafschaft  Neuburg,  bei  Passau,  die 
Herrschaften  und  Schlösser  Starenberg  und  Pihrenstein  und  fünf  Märkte; 
im  Lande  unter  der  Enns:  die  Stadt  Mautern,  sechs  Märkte,  Schlofs  Tribensee, 
Propst  ei  Ardacher  u.  a. 

453.  Erzbistom  Salzbure?  bestand  aus  vier  Landschaftsbezirken, 
die  seit  Karl  dem  Grofsen  die  üblichen  Benennungen  hatten :  dem  Salz- 
burggau, Pinzgau,  Pongau  und  Lungau. 

Das  Erzstift  wurde  in  33  Pflegämter  eingeteilt:  Laufen,  Staufeneck, 
Kas*-henberg,  Tittmoning.  Müldorf,  Mattsee.  Strafs- Walchen,  Altenthan,  Liechten- 


582  XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

than,  Neuhaus,  Wartenfels  und  Hüttenstein,  I  lallein,  Glaneck,  Gölling,  Werfen. 
Bischofhofen,  Taxenbach,  Zell  im  Pinzgau,  Lichtenberg,  Löf  er,  Itter,  Zell  am 
Ziller,  Windisch-Matrey,  Mittersill,  Rauris,  Gastein,  Grofs-Arl,  8t.  Johann  im 
Pongau,  Radstatt,  Mautterndorf,  Mosheim  und  Haufs.  —  Aufserdem  gehörten 
dem  Erzstift  in  Kärnten :  Pflegamt  Stall  am  Moll,  Märkte  Sachsenburg  a.  d.  Drau 
und  Felsberg,  Städte  Freisach  mit  Schlote  Geiersberg,  St.  Andree  und  Stras 
bürg,  Märkte  Altenhofen,  Gurk,  Hüttenberg  und  Guttering,  Herrschaft  Rauchen 
kaitz  und  drei  Propsteien;  in  Steiermark:  Schlofs  und  Markt  Deutz-Landsberg 
und  die  Orte  Haus,  Gröning  und  Wolkenstein ;  im  Land  unter  der  Enns: 
Stadt  Traismaur,  Ober-  und  Unter-Gwölbing  u.  a. ;  im  Land  ob  der  Enns:  der 
gröfste  Teil  des  St.  Wolfgang-Sees. 

454.  Grafschaft  öttingen.  Der  Hauptzweig  der  Grafenfamilie,  die 
sich  in  mehrere  Linien  spaltete,  war  1674  in  den  Reichsfürsten  stand 
erhoben  worden.  Da  von  den  Linien  einige  wieder  ausstarben,  so 
existierten  um  1770  noch  die  drei:  die  fürstliche  zu  Spielberg,  die 
gräfliche  zu  Wallerstein  (seit  1774  auch  fürstlich)  und  die  gräfliche  zu 
Katzenstein- Baldern. 

Die  Spiel  bergsehen  Lande  unifafsten  das  Oberamt  Öttingen  mit 
Amt  Schneidheim  und  Stadt  Öttingen,  nebst  den  Oberämtern  Aufkireh,  Münchsrot. 
Dürrwangen,  Spielberg  und  Sainmenheim  sowie  der  Verwaltung  Dornstatt. 

Die  Wallerstei tischen  Lande  umfafsten  das  Härtfeld  mit  den 
Ämtern  Wallerstein,  Flohberg,  Marktoffingen,  Thannhausen,  Neresheiin,  BU 
singen,  ferner  den  Oberämtern  Alerheim,  Harburg,  Hönaus,  Pflegamt  Kloster- 
zimmern, Amt  Christgarten  und  Vogtei  der  Abtei  Deggingen. 

Die  Katzenstein-Baldernsehe  Linie  besals  das  Oberamt  Baldern 
mit  Schlofs  und  Flecken,  Ämter  Rötting  und  Auf  hausen  und  Pflegamt  Katzenstein 

Kleinere  Territorien  in  Baiern,  die  zum  Teil  an  andere  Herrschaft* 
gebiete  angeschlossen  waren,  sind  noch  die  folgenden : 

Grafschaft  Ortenburg  in  Niedcrbaiern  mit  den  Schlössern  Alt- und 
Neu-Ortenburg,  mit  dem  Markt  und  den  Dörfern  Seldenau,  Steinkirchen  und 
Dorsbach. 

L a  n  d  g r  a  f  s  c h  a f  t  Leu ch te nberg  bestand  aus  vier  Ämtern  :  Leuchten 
berg,  Pfreimbt,  Wemberg  und  Mifsbrunn.  Sie  gehörte  zum  Kurfürstentum 
Baiern. 

Grafschaft  Sternstein,  bestehend  aus  zerstreuten  Gebietsteilen  ÜB 
der  Oberpfalz:  Stadt  und  Schlofs  Neustädtl  a.  d.  Naab,  Dorf  Sternstein  mit 
Schlofsruine,  Schlösser  Waltlau  und  Waldturn  mit  mehreren  Orten. 

Grafschaft  Haag  in  Oberbaiern  gehörte  zum  Kurfürstentum.  Si« 
bestand  aus  Markt  und  Schlofs  Haag,  dem  Augustinerkloster  Ramsau  und 
mehreren  Dorfschaften. 

Herrschaft  Ehrenfels  im  Fürstentum  Neuburg.  Das  Schlofs  Hohen 
Ehrenfels  liegt  bei  dem  Markte  Beretzhausen  am  Laber.  1567  war  sie  an  den 
Pfalzgrafen  Wolfgang  von  Neuburg  veräu Isert  worden. 

Herrschaften  Sulzburg  und  Pyrbaum  in  der  Oberpfalz  gehörten 
den  Herren  von  Wolfstein,  die  1740  als  Keichsgrafen  ausstarben  worauf  der 
Kurfürst  von  Baiern  trotz  der  begründeten  Ansprüche  der  Allodialerben  alle? 
Land  annektierte.  Die  Herrschaft  Sulzburg  bestand  aus  dem  Schlofs  Ober 
Sulzburg  mit  einem  Marktflecken,  zwölf  Dörfern  und  dem  Kloster  zum  Grab. 
Die  Herrschaft  Pyrbaum  umfafste  da.s  Schlofs  und  Markt  Pyrbaum  sowie  eint1 
Reihe  von  Dörfern.  Die  Dorfer  Mühlhausen  und  Bieberbach  gehörten  den  Wolf 
stein  seit  1353.   Doch  auch  in  fremdem  Gebiet  lagen  einzelne  Güter  derselben 


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ioo.  Reichsstädte. 


583 


Herrschaft  Breiteneck  in  der  Oberpfalz  war  eine  Reichsherrschaft 
und  im  Besitz  der  Grafen  Tilly,  die  1724  ausstarben.  Die  Lehensgüter  fielen 
an  Kurbaiern,  die  Erbgüter  an  den  Gemahl  der  Erbtoehter  des  Hauses,  Grafen 
Monti'ort.  Die  Lehensgüter  bestanden  in  der  Stadt  Freienstadt  a.  d.  Schwanach, 
Schlofs  und  Markt  Holenstein,  Markt  Hohenfels  bei  Burglengenfeld.  —  Die 
Allodialgüter  waren  Schlofs  und  Markt  Breiteneek  bei  Dietfurt  und  Schlofs 
Helfenberg  bei  Velburg. 

Herrschaft  Hohen- Waldeck  in  Oberbaiern  bei  Wolfratshausen 
geholte  anfangs  den  Herren  von  Waldeck,  nach  deren  Aussterben  1483  sie 
1502  durch  Kauf  an  die  Familie  Maxelrain  überging  und  von  dieser  1734  an 
Kurbaiern.  Es  gehörten  zur  Herrschaft:  Hohen- Waldeck ,  ein  Dorf,  das 
Kollegiatstift  Schliers  am  Schliersee,  Markt  Miesbach,  Schlofs  Wallenburg  und 
einige  Dörfer. 

Propstei  Berchtesgaden  (Berchtolsgaden)  mit  dem  fürstlichen  Stift 
dieses  Namens  und  dem  dabei  befindlichen  Markt,  dem  Markt  Schellenberg, 
Pfarrei  Ramsau  und  acht  Gnodschaften  der  Schönauer,  Ramsauer,  Bischofswiser, 
Gerer,  Sehessauer,  Auer,  Berger  und  Ettenberger.  Aufserdem  gehörten  dem 
Stift  verschiedene  Herrschaften  in  Österreich :  Herrschaft  Eisenthür  bei  Krems ; 
in  Baiern :  die  Propstei  Jettenstetten,  Weidenbach  und  Pflegamt  Wasen-Tegern 
bach ;  in  Salzburg  :  die  Propstei  Niederrheim  am  Heiberge. 

455.  Reichsstädte.  Die  Freien  und  Reichsstädte  erhielten  erst  1500 
die  Anerkennung  ihrer  Reichsstandschaft  und  erst  im  Westfälischen 
Frieden  die  volle  Gleichstellung  mit  den  anderen  Reichsständen.  Auf 
dem  Reichstage  wurden  sie  auf  zwei  Bänke  verteilt,  und  zwar  so,  dafs 
von  den  insgesamt  51  Reichsstädten:  14  auf  der  rheinischen  Bank  und 
37  auf  der  schwäbischen  safsen.  Nicht  alle  Reichsstädte  aber  waren  mit 
Territorialgebiet  versehen. 

Die  Reichsstädte  der  rheinischen  Bank  sind  in  der  amtlich 
festgesetzten  Reihenfolge : 

1.  Cöln  am  Rhein,  welches  aufser  der  nächstliegenden  Feldmark  kein 
Gebiet  besafs. 

2.  Aachen.  Das  Gebiet  der  Stadt,  das  sog.  Reich  von  Aachen,  umschliefst 
die  Stadt  und  ist  von  einer  Landwehr  umgeben.  Der  Wurmflufs  teilt  es  in 
zwei  ungleiche  Teile,  beide  mit  mehreren  Dorfschaften  besetzt. 

3.  L  ü  b  e  c  k.  Zum  Gebiet  gehörten  das  Städtchen  Travemünde,  Fischerort 
Schlukup,  die  Ämter  Ritzerau,  Behlendorf  und  Bergedorf  mit  dieser  Stadt  an 
der  Bille  und  den  Vierlanden.  Indessen  gehörte  Amt  Bergedorf  (ehemals 
sachsen-lauenburgisch)  seit  1420  Hamburg  und  Lübeck  gemeinsam. 

4.  Worms,  unweit  des  Rheins,  hatte  aufser  der  Feldmark  weder  Dörfer 
noch  Höfe.  Auf  der  rechten  Rheinseite  stand  ihr  nur  eine  als  Acker-  und 
Wiesenland  benutzte  Gemarkung,  das  sog.  Bürgerfcld  und  die  im  Rhein  liegende 
Insel  Sponswörth  zu  Gebote. 

5.  Speier,  innerhalb  des  Hochstiftes  Speier  hatte  aulser  ihrer  Feldmark 
kein  Gebiet.  Im  Jahre  1689  war  die  Stadt  von  den  Franzosen  gänzlich  zerstört 
worden. 

6.  Frankfurt  am  Main  besafs  die  Dörfer  Bornheim,  Hausen  und 
Oberrod,  drei  Viertel  vom  Kirchdorf,  Niederrod  (das  andere  Viertel  gehörte 
dem  Deutschen  Orden),  ferner  den  Frankfurter  Wald  als  Teil  des  Dreieicher 
Bannforstes.  Nieder-Ursel  besafs  es  mit  Solms-Rödelsheim  gemeinschaftlich. 
Über  die  Reichsdörfer  Sulzbach  und  Soden  setzte  es  mit  Kurmainz  einen  ge- 
meinschaftlichen Oberschultheifsen.  Aufserdem  besafs  es  den  Flecken  Bonames 
oder  Bornes  und  die  Dörfer  Niedererlenbach  und  Dürkelweil  (Dortelweil). 


584  XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

7.  Goslar  hatte  ebenfalls  kein  grofses  Stadtgebiet.  Die  wichtigste  Nah 
rungsquelle  bildete,  der  Bau  des  Bergwerkes  im  Rammeisberg  sowie  die  Bier 
brauerei  (Gose).  Das  1178  gestiftete  Kloster  zum  Neuenwerk  am  Hosentor 
besafs  mehrere  Landgüter  und  Meiereien  innerhalb  des  Hoehstiftes  Halbentidt 
Auch  zwei  unmittelbare  evangelische  Reichsstifter  existierten  daselbst :  das  Stift 
der  Heiligen  Simon  und  Judas,  1040  von  König  Heinrich  III.  gestiftet  uml 
das  Reichsstift  zum  Petersberge,  1056  von  Agnes,  Gemahlin  Heinrichs  III.  ge 
stiftet,  mit  grofsem  Grundbesitz  bis  zur  Oker  und  in  Goslar  selbst  ausgestattet 

K.  Bremen.  Ihr  Gebiet  hatte  im  Laufe  der  Zeit  eine  erhebliche  Ein 
bufse  erlitten.  Doch  erreichte  sie  es  endlich,  dafs  ihr  die  schon  seit  lange  zuer- 
kannte  Erhebung  zur  freien  Reichsstadt  im  Jahre  1731  durch  Georg  IL  von 
Hannover  zugestanden  und  durch  den  Stader  Vergleich  von  1741  allerdings- 
unter  Preisgabe  eines  Teiles  ihres  Gebietes  allgemein  anerkannt  wurde. 

Die  Schweden  hatten  im  Bremer  Gebiet  mehrfach  Eroberungen  gemacht, 
und  im  Vergleich  zu  Stade  1G54  mufste  die  Stadt  Bederkesa  und  I/ehe  ganz 
abtreten  und  auch  Blumenthal  und  Neuenkirchen  blieben  ihnen  nur  teilweise. 
Im  zweiten  Stader  Vergleich  1741  trat  sie  die  beiden  letztgenannten  Ämter  voll 
ständig  ab  und  behielt  nur  die  Hoheit  über  Vegesack,  welches  auch  lieut- 
noch  eine  bremische  Stadt  ist.  Ferner  verzichtete  sie  auf  die  Hoheit  ül>er  die 
Dörfer  Grambke,  Grambker,  Moor,  Mittelsbüren,  Niederbüren,  Oslebshausen 
Wasserhorst,  Wummensied,  Niederblockland,  einen  Teil  von  Vahr  und  die 
Burg,  endlich  auf  alle  Besitzungen  im  Teufelsmoor.  Das  Gebiet  war  in  vier 
Gohe  eingeteilt:  Ober-Vieland ,  Nieder- Vicland ,  Werderland  und  Holler-  und 
Blockland  mit  dem  Gerichte  Borgfeld. 

9.  Mühlhausen.  Ihr  Gebiet  war  gegen  das  kurmainzische  EichsfeM 
durch  Graben  und  Hecke  abgeschlossen,  im  S.  und  0.  durch  Grenzsteine. 
Es  umfafste  20  Dorfschaften,  13  andere  lagen  wüst. 

10.  Nord  hausen  an  der  Zorge.  Es  befand  sich  dort  eine  Reichsvogte; 
und  ein  Reichsschultheifsenamt.  Beide  waren  in  verschiedenen  Händen  gewesen, 
bis  Kurbrandenburg  sie  1715  der  Stadt  überliefs.  Sonst  hatte  Nordhausen  kein 
Gebiet. 

11.  Dortmund  besafs  das  Gebiet  einer  alten  Grafschaft,  die  ihr  seW 
im  XIII.  Jh.  zur  Hälfte  gehört  haben  mag.  Die  andere  Hälfte,  seit  1290  im 
Besitz  der  Grafen  von  Lindenhorst,  fiel  1504  ebenfalls  an  die  Stadt,  die  pich 
mit  ihr  vom  Kaiser  belehnen  liefs.  Es  gehörten  zum  Stadtgebiet  die  Dorfer 
Brechten,  Bresehiem,  Doesen,  Ellinghausen,  Ober-  und  Nieder- Evickc,  Gamm 
Groppenbrock,  Holzhausen,  Kemminghausen,  Lindenhorst  und  Schweringhausen 

12.  Friedberg  in  der  Wetterau  hatte  aufser  der  Feldmark  kein  eigen«-.* 
Gebiet  ;  überdies  war  es  seit  1349  an  die  über  der  Stadt  gelegene  Burg  Fried 
borg  verpfändet. 

13.  Wetzlar  an  der  Lahn,  seit  1693  mit  dem  kaiserlichen  und  Reich.* 
kammergericht.    Ohne  Gebiet. 

14.  Hamburg  konnte  es  lange  Zeit  nicht  zur  unmittelbaren  Reich.- 
standsehaft  bringen,  weil  die  Krone  Dänemark  als  Besitzerin  von  Holstein  e* 
in  seiner  Machtvollkommenheit  beschränkte.  Erst  im  Gottorpschen  Vertrag 
176*  wurde  es  vom  dänischen  Druck  freigemacht  und  1770  wurde  es  voll 
zähliges  Mitglied  des  Reichstages.  —  Ihr  Gebiet  umfafste  Landschaften  in  der 
Marsch  wie  auf  der  Geest.  Es  gehörten  hierzu:  1.  der  Alstertlufs  mit  den  Gütern 
Barmbeck  und  Eilbek  (1306  und  1310  den  holsteinischen  Grafen  abgenommen); 
2.  Amt  Ham  mit  den  Dörfern  Horn  und  Fuhlsbüttel  (seit  1283);  3.  der  in 
der  Elbe  gelegene  Billwerder  mit  drei  Kirchdörfern,  der  Ochsenwerder  mit 
••iner  Kirche,  der  Moor-  und  die  Hälfte  des  Finkenwerder;  4.  Amt  WohMorf 
mit  den  Dorfern  Wohldorf,  Olstede,  Farmsen.  Volksdorf,  Schmalenbeck?, 
Hansdorf  und  Teil  von  Hovesbüttel;  5.  Amt  Bergedorf  (mit  Lübeck  gemein- 
sam; s.  dieses).    6.  Von  den  holsteinsehen  Ämtern  Trittau  und  Reinbeek  besaf« 


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455  Reichsstädte.  5£5 

Haniburg  seit  1750,  von  Trittau:  die  sog.  sieben  Rühmer  Dörfer.  Maiendorf. 
Altenfelde,  Bramfelde,  Steilshope,  Alsterdorf,  Sassel  und  Bargstede;  von  Rein- 
beck: die  11  Geestdörfer  Lohebrügge,  Sande  mit  Zoll,  Ladenbeek  mit  Zoll, 
Boburg,  Hawickhorst,  Steinbeek,  Schiffbeck  mit  Zoll,  Ovendorf,  Oststeinbeek 
mit  Zoll^  und  Mühle,  Glinde,  Sehlemme  desgl. ;  ferner  die  Marschländer  Reit- 
brock, Krauel,  Schleufse,  Billewerder,  Korslack  und  Altengamm  und  noch  drei 
I'aehtstücke ;  7.  Amt  Ritzebüttel  an  der  Mündung  der  Elbe  (Ende  des  XIV.  Jh. 
erobert),  es  umfafste  das  Kirchspiel  Groden  mit  dem  gleichnamigen  Pfarrdorf, 
dem  Flecken  Ritzebüttel  und  das  neueingedeichte  Land  Neufeld,  —  und  das 
Kirchspiel  Dösen  mit  acht  Dörfern,  Cuxhafen  und  der  Insel  Neuwerk;  8.  das 
Johann iskloster  in  Hamburg  besafs  noch  die  Dörfer  Bostel,  Winterhude,  Eppen- 
dorf, Eimsbüttel  wie  auch  das  ehemalige  Kloster  Harvestehude ;  9.  das  Hospital 
St.  Georg  besafs  die  Dörfer:  Langenhorn  und  Bern. 

Die  Reichsstädte  der  schwäbischen  Bank  sind  die  folgenden: 

lä.  Regensburg  besafs  kein  eigenes  Gebiet.  Nur  vorübergehend  war 
der  Besitz  des  bairischen  Pflegamtes  Stadt  am  Hof  (1705—1714). 

l(i.  Augsburg.  Das  Stadtgebiet  beschränkte  sich  auf  das  Dorf  Ober- 
hausen.  Aufserdem  hatte  die  Stadt  die  Land-  und  Reichsvogtei  über  die  Dörfer 
Gersthofen,  Stettenhofen  und  Langhofen. 

17.  Nürnberg  hatte  von  allen  Reichsstädten  das  umfassendste  Gebiet: 
1.  den  sog.  Nürnberger  Kreis  zwischen  Schwarzach,  Pegnitz  und  Schwabach 
mit  dem  Sebalder  und  Lorenzer  Reichswald  (vgl.  S.  392);  2.  die  Pflegämter 
innerhalb  der  Linien  der  nächsten  Stadtumgebimg:  Wöhrd,  Gostenhof,  Hospital 
St.  Johannes  und  Kasernen  mit  Pfarre;  —  aufserhalb  der  Linien  die  Hospitäler: 
St  Leonhard,  St.  Peter  und  St.  Jobst,  ferner  die  Pflegämter  Altorf,  Lauf,  Hers- 
bruck, Reicheneck,  Engeltal,  Hohenstein,  Velden,  Petzenstein,  Hilpoltstein, 
Gräfenberg  und  Lichtenau. 

18.  Ulm.  Das  Stadtgebiet  wurde  in  zwei  Abschnitte  geteilt.  Die  obere 
Herrschaft  enthielt  die  acht  Ämter:  Langenau,  Weidenstetten,  Bernstadt,  Ballen- 
dorf, Ellensehiefs,  Leinheim,  Altheim  und  Albeck.  —  Die  untere  Herrschaft 
begriff  11  Ämter:  Geifslingen,  Stetten.  Überkingen,  Böhringen,  Altenstadt, 
Süfsen,  Stubersheim,  Türkheini,  Lonsee,  Nellingen,  Scharenstetten,  Bermaringen, 
Pfui  und  die  Herrschaft  Wain. 

19.  Eislingen  am  Neckar  besafs  die  Dörfer  Mettingen,  Deizisau,  Möh- 
ringen und  Washingen  in  den  Fildern. 

20.  Reutlingen  mit  den  Pfarrdörfern  Bezingen,  Wanweil,  Ommen- 
hausen  und  Bronnweiler. 

21.  Nord lingen  im  Riefs  mit  den  Dörfern  Nähermemmingen,  Gold- 
burghausen und  Schweindorf  und  verschiedenen  Anteildörfern. 

22.  Rotenburg  ob  der  Tauber.  Ihr  Gebiet  war  mit  einer  Landwehr 
Hecke,  Graben  und  Tünnen)  umgeben.  Gröfsere  Orte  innerhalb  ihres  Terri- 
toriums waren  Gebsattel,  Schweinsdorf,  Mörlbach,  Steinsfeld,  Ohrenbaeh,  Adels-, 
Gatten-  und  Hardershofen,  Windelsbaeh,  Steinach,  Bettwar,  Neusitz,  Sehecken- 
bach,  Ober-  und  Unter-Nordenberg,  Endsee  oder  Ensenheim,  Ober-  und  Unter- 
Gailnau  und •  Schlösser  Seideneck  und  Reinsberg. 

23.  Hall  (Schwäbisch  Hall)  am  Kocher  mit  den  Ämtern  innerhalb  der 
Landwehr  (des  Henggrabens):  Schlicht,  Rosengarten,  Bichler  und  Kocheneck; 
außerhalb  der  Landwehr:  Ilzhofen,  Hohenhard  und  Velberg. 

24.  Rott  weil  am  Neckar  mit  den  1591  angekauften  Gütern  der  einstigen 
Graten  von  Zimmern,  mit  den  Pfarrdörfern:  Altstatt,  Dauchingen,  Dcislingen, 
Dietingen,  Duningen,  Epfendorf,  Herrenzimmern,  Stendorf,  Villingen. 

25.  Überlingen  mit  den  Sehlösscrrn  Höhen-Bodman  und  Ramsberg 
und  sechs  Dörfern. 


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5SG  XIII.  Politische  Geojrraphie  um  da«  Jahr  1770. 

26.  Heilbronn  besafs  die  Pfarrdörfer  Flein,  Neckargertach  und  Fren- 
kenbach. 

27.  Gmünd  (Sehwäbiseh-Gmiind),  anfangs  Kaiserereuth  genannt,  im 
Remstal  mit  den  Pfarrdörfern  Bargau,  Dewangen,  Herrligkofen,  Iggingen,  Mögg 
lingen,  Böbingen,  Lautern,  Muthlangen,  Oberbettringen,  Spreitbach,  Weil,  Wetz 
gau,  Zinunerbaeh. 

28.  Memmingen  an  der  Ach.  Ihr  Gebiet  umfafste  die  Herrschaft 
Eisenburg,  Güter  und  Schlösser  Künersburg,  Oberholzgrün,  Wespaeh,  Dörfer 
Unterholzgrün,  Lauben,  Frickenhausen,  Krkheim.  Dankelsried,  Arlesried, 
Woringen,  Hausen,  Volkrathofen,  Steinheim,  Buxach,  Berg,  Egelsen. 

29.  Lindau  besafs  die  Dörfer  Esehach,  Rickenbach,  Schönau  und  Ober- 
eitnau,  ferner  Schachen,  Tegelstein,  Hory,  Heimasreutin,  Streitelsfingen,  Hoch 
buch;  die  Schlösser  Senfftnau  und  Alwind;  die  Pfarrdörfer  Heckenschweiler. 
Signum nszell,  Weifsenberg,  LTnterraitnau  u.  a. 

30.  Dinkelsbühl  a.  d.  Wernitz  besafs  nur  den  Weiler  Tiefweeg. 

31.  Biberach  mit  den  Dörfern  Oberholzheim,  Altenweiler,  Baltringen, 
Ingerkingen,  Laubershausen  u.  a.  m. 

32.  Ravensburg  im  Allgäu  besafs  die  Herrschaft  Sehmaleck  sowie  als 
Reichslehen  das  Oberforstamt  über  den  Altorfer  Wald. 

33.  Schwein  furt.  Ihr  Gebiet  bestand  nur  aus  den  Dörfern  Oberndorf 
oder  Ober- Rein  fehl,  Zell  und  Madenhausen. 

34.  Kempten  an  der  Iiier  besafs  keine  Dörfer,  aber  viele  Güter,  Renten. 
Zinsen  u.  dgl. 

35.  Windsheim  an  der  Aisch  (in  Mittelfranken)  mit  den  drei  Pfarr 
dörfern  Wiebelsheim,  Iltersheim  und  Oberntuiff. 

36.  Kaufbeuren  im  Wertachtal  mit  den  Dörfern  Oberbeuren,  Maur 
Stetten,  Obergermeringen,  Oberostendorf  und  Westendorf. 

37.  Weil  am  Wurmflufs,  auch  Stadt  Weil  oder  Weil  die  Stadt  ge 
nannt,  besafs  kein  Gebiet. 

38.  Wangen  am  Argen  mit  den  Dörfern  Wormbrechts,  Maria  Thann, 
Niederwangen  und  Deichelriedt. 

39.  Isny  war  ohne  Gebiet. 

40.  Pfullendorf  im  Hegau  besafs  Dorf  Linz  und  die  Pfarren  Uniensee. 
Zell  und  Denkingen. 

41.  Offen  bürg  in  der  Ortenau  war  ohne  eigenes  Gebiet. 

42.  Leutkirch  an  der  Eschach  desgleichen. 

43.  Wimpfen  im  Kraichgau  am  Neckar  besafs  das  Dorf  Hofstatt. 

44.  Weifsenburg  am  Sand  besafs  nur  noch  das  Dorf  Wengen.  Vier 
andere  Ortschaften  waren  1680  an  Eichstätt  abgetreten  worden. 

45.  Giengen  an  der  Brenz  ohne  eigenes  Gebiet. 

46.  Gengenbach  in  der  Ortenau  an  der  Kmzig  ohne  Gebiet. 

47.  Zell  am  Haniniersbach  ohne  Gebiet. 

48.  Buchhorn  am  Bodensee.  Ihre  Herrschaft  Baumgarten  mit  dem 
Schlofs  und  dem  Flecken  Eriskirch  stand  unter  der  Obrigkeit  der  Landvogtei. 

49.  Aalen  im  Kochertal  besafs  die  Weiler  Ober-  und  Unter-Rombach. 
Hamerstatt,  Rothenberg  und  Klein-Hurblingen. 

50.  Buchau  am  Federsee  war  ohne  Gebiet. 

51.  Bop fingen  am  Rande  des  Riefscs  hatte  Anteil  an  dem  nahe 
gelegenen  Dorf  Oberdorf. 

456.  Die  schweizerische  Eidgenossenschaft.  Seitdem  die  Schweiz 
durch  den  Westfälischen  Frieden  endgültig  vom  Deutschen  Reiche  los 
gelöst  worden  war,  spielte  sie  nach  aufsen  hin  keine  aktive  Rolle  mehr 
Dafür  war  aber  ihre  innere  Entwickelung  keine  so  ruhige,  da  der  Gegen 
satz  von  Stadt  und  Land  sich  immer  mehr  zuschärfte,  aber  auch  innerhalh 
der  Stadtbevölkerung  schroffe  Gegensätze   sich  herausbildeten.  Kon 


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456.  Die  schweizerische  Eidgenossenschaft. 


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fessionelle  Unterschiede  wie  auch  die  verschiedene  Rangstellung  der 
Kantone  untereinander  riefen  oft  genug  Spannungen  und  Reibungen 
hervor.  Die  kantonale  Differenzierung  war  von  früher  her  dieselbe 
geblieben.  Man  unterschied  die  dreizehn  alten  Orte,  die  den 
Grundstock  der  Eidgenossenschaft  bildeten,  ferner  die  elf  zugewandten 
Orte,  die  nicht  als  vollberechtigte  Mitglieder  und  meist  auch  nur  von 
einigen  der  alten  Orte  hinzugezogen  worden  waren,  und  als  eine  dritte 
Kategorie  die  gemeinen  Heerschaften  bestehend  aus  Landvogteien  und 
einzelnen  Städten. 

A.  Die  dreizehn  alten  Orte  und  Städte. 

1.  Stadt  und  Ort  Zürich  bestand  aufser  der  Hauptstadt  des  Kantons 
selbst  aus  19  inneren  und  13  äufseren  Obervogteien,  so  genannt,  je  nachdem 
die  Obervögte  derselben  in  Zürich  oder  wegen  der  Entfernung  aufserhalb  der 
Stadt  in  der  betreffenden  Vogtei  ihren  Sitz  haben.  Die  19  inneren  Obervogteien 
waren:  Wollishofen,  Horgen,  Wettschwyl  nebst  Bonstetten,  Birmenstorf  nebst 
Urdorf,  Wiedikon,  Altstetten,  Höng,  Uegenstorf,  Neuamt  Bülach,  Rümlang, 
Schwammendingen  und  Dübendorf,  Wipkingen.  Küfsnacht,  Ehrlibach,  Meilen, 
Mannedorf,  Stäfa  (Stäfen)  und  Ebmatingen.  —  Die  13  äufseren  Land-  und 
Obervogteien  waren:  Kyburg,  Regensberg,  Eglisau,  Flaach,  Lauffen  a.  Rh.. 
Altikon,  Hegi,  Greifensee,  Grüningen,  Wädenschweil,  Knonau  und  Sax  oder 
Forsteck.  —  Das  sog.  Kelleramt  an  der  Reufs  steht  direkt  unter  Oberhoheit 
von  Zürich ;  desgleichen  die  beiden  Städte  Stein  am  Rhein  und  Winterthur. 

2.  Stadt  und  Ort  Bern  umfafste:  1.  die  um  die  Stadt  gelegene  Land- 
schaft mit  vier  inneren  Ämtern:  Seftingen,  Sternenberg,  Zollikofen,  Conolfingen. 
2.  Die  deutschen  Landgebiete,  u.  zwar  a)  die  aus  weltlichem  Besitztum  hervor- 
gegangenen hinter:  Schenkenberg  und  Wildenstein,  Castelen,  Biberstein,  Lenz- 
burg, Aarburg,  Bipp,  Wangen,  Arwangen,  Landshut,  Büren,  Nidau,  Erlach, 
Arberg,  Burgdorf,  Brandis,  Summiswald,  Trachselwald,  Signau,  Könitz,  Laupen, 
Thun,  Oberhofen,  Unterseen,  Nieder-Simmenthal,  Ober-Simmenthal,  Saanen, 
Frutigen,  Hasli,  Aelen ;  —  b)  die  aus  säkularisierten  Stiftern  hervorgegangenen 
Amter:  Königsfelden,  Zoffingen,  Gottstadt,  St.  Johansen,  Fraubrunnen,  Frienis- 
berg,  Thorberg,  Buchsee,  lnterlaken.  —  3.  Die  welschen  Lande  umfassen  die 
I^andschaft  Waadt  (nais  de  Vaud),  und  zwar  a)  die  ehemals  weltlichen  Ämter : 
Vevey,  Lausanne,  Morsee,  Aubonne,  Nyon,  Ifferten  (Iverdun),  Milden,  Oron, 
\\  ifflisburg;  b)  die  ehemals  geistlichen  Ämter:  Fetterlingen.  Romainmoutier 
und  Beaumont.  —  Ferner  die  vier  im  Argau  belegenen  Städte:  Bruck,  Lenz- 
burg,  Arau  und  Zoffingen. 

3.  Stadt  und  Ort  Luzern  mit  15  Landvogteien:  Wallisau,  Wykon, 
Sempachersee,  Rotenburg,  St.  Michaels,  Merisch wanden,  Büren,  Knutweil,  Rufs- 
weil,  Entlebuch,  Malters  und  Littau,  Kriens  und  Horw,  Ebiken,  Habsburg. 
Weggia  und  zwei  freien  Städten  Sempach  und  Sursee  sowie  mit  der  Abtei 
St,  Urban  (Cistercienser  Ordens). 

4.  Ort  Uri.  Das  Land  wurde  in  10  Genossamen  eingeteilt:  Altorf, 
Flüelen  und  Sisikon,  Bürglen  ob  dem  Gräblein,  Bürglen  unter  dem  Gräblein, 
Scelisberg,  Isenthal  und  Bauwen,  Attinghausen,  Spiringen,  Silenen,  Erstfelden, 
Walsen.  —  Zu  Uri  gehörte  ferner  das  Livinenthal  (oberer  Tcssin),  welches  der 
Herzog  von  Mailand  1466  an  Uri  abgetreten  hat.  —  Unter  dem  Schutz  von 
Uri  stand  noch  das  Unseren  Tal. 

5.  Ort  Schwyz.  Das  Land  wurde  in  6  Quartiere  geteilt:  das  Neue 
Viertel,  das  Alte  Viertel,  das  Nieder- Wasser  viertel,  das  Arterviertel,  das  Steinen- 
viertel und  Muttenthalerviertel.  Aufserriem  besafs  Schwyz  seit  1440  mehrere 
Höhen  am  Züricher  See,  und  unter  seiner  Oberherrschaft  standen  Küfsnacht 
und   die  Landschaft  March  am  Züricher  See.     Die  Waldstadt  Einsiedeln  war 


Ö88 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


ein  kleines  Gebiet,  auf  welches  Schwyz  und  Kloster  Einsiedeln  Herrschaft- 
anspräche  erhoben. 

6  Ort  Unter  wählen  bestand  aus  dem  Thal  ob  dem  Walde  mit  sechs 
Gemeinden  (Kilchgängen),  dem  Tal  nid  dem  Walde,  eingeteilt  in  11  Teile 
(Uertenen)  mit  (5  Gemeinden. 

7.  Ort  Zug  umfafste:  1.  die  Stadt  und  2.  das  sog.  Amt  mit  den  drn 
Quartieren  :  Aegeri,  Menzigen  und  Bar ;  3.  die  5  Obervogteien :  Cham,  Gangol 
Bchwyt,  Hünenbergen,  Walch wyl  und  Steinhausen. 

8.  Ort  Glarus  wurde  eingeteilt  in  15  Tagwen  (Tagmen):  Glarus,  Enneda 
(Knnetbüls),  Mitlödi-Sool-Schwendi,  Schwanden-Thou ,  Eschen,  Bettschwand 
Diesbaeh-Häzingen-Hafslen,  Ennetlind  Reuti,  Linnthal.  Matt  und  Dorf,  Ein». 
Engi  und  Matt,  Nettetal,  Mullis,  Näfels,  Ober-  und  Nieder-Urnen,  Bilten  und 
Kercnzen.  Ferner  gehörte  hierzu  die  ehemalige  Grafschaft  Werdenbelg,  1517 
zugleich  mit  der  Herrschaft  Wartau  angekauft. 

9.  Stadt  und  Ort  Basel.  Die  Landschaft  bestand  aus  sieben  Ober 
VOgteien,  und  zwar  den  unteren :  Münchenstein,  Klein-Hüningen,  Riehen, 
und  den  oberen :  Liechstall,  Farnspurg,  Wallenburg  und  Homburg. 

10.  Stadt  und  Ort  Frei  bürg  im  Uchtlande.   Das  Gebiet  bestand  aus 
der  alten  I  Landschaft  mit  27  Kirchspielen,  und  aus  den  19  Landvogteien 
Illingen,  Plaffeyen,  Jaun  oder  Bellegarde,  Favernach,  Wippingen,  Montenach. 
Stäffis,  St.  Albin,  Cheire,  Font  und  Wuissens,  Ueberstein,  Romont,  Kuw,  Thal 
bach,  Boll,  Corbers,  Gryers,  Chatel,  St.  Denis,  Attalens. 

11.  Stadt  und  OrtSolothurn.  Das  Gebiet  umfafste  1 1  Landvogteien, 
8  diesseits  und  3  jenseits  des  Jura:  Bucheckberg,  Kriegstetten,  Flumental,  am 
Labern,  Falkenstein,  Bechburg,  Ölten,  Gösgen,  Thierstein,  Gilgenberg,  Dorneck. 

12.  Stadt  und  Ort  Schaf  hausen.  Das  Gebiet  umschlofs  zehn 
Vogteien:  Buch,  Tayingen,  Herblingen  und  Reyer,  Merishausen,  Schleitheini, 
Beringen,  Löhningen,  Neuhausen,  Rüdlingen  und  Neukirch.  Sie  liegen  meist 
im  Hegau  und  Klettgau. 

13.  Ort  Appenzell.  Das  Land  zerfiel  in  die  inneren  und  äufseren 
Rooden.  Die  inneren  sind:  die  Schwendiner  Rood,  Rüthiner  Rood,  Lehner 
Rood,  Schlatter,  Gonter,  Rickenbacher,  Stecklenegger ,  Hirschberger  und 
Oberegger  Rood.  Die  äufseren  Rooden,  ehemals  6  an  der  Zahl,  wurden  in 
20  Gemeinden  eingeteilt:  Urnäsch,  Herisau,  Schwelbrunn,  Hundweil,  zum  Stein. 
Schönengrund,  Waldstadt,  Teufen,  Bühler,  Speicher,  Trogen,  Rehetobl,  Wald, 
Grub,  Heiden,  Wolfshalden,  Lutzenberg,  Walzenhausen,  Rüthi,  Gaifs. 

B.  Die  23  Landvogteien  und  2  Städte, 

die  gewisse  Kantone  als  gemeinschaftliehe  Oberherren  besitzen. 

1.  Landvogtei  Thurgau.  Bis  1460  war  das  Land  im  Besitz  von 
Österreich.  Die  8  alten  Orte  waren  die  Oberherren.  Hauptort,  wo  der  alle 
2  Jahre  alternierende  Landvogt  der  8  Orte  seinen  Sitz  hatte,  war  Frauenfeld 
Der  Landbesitz  war  hier  sehr  zersplittert,  da  22  geistliche  Stände  und  Gerichts 
herreil  und  24  weltliche  sieh  in  die  Vogteien  und  Gerichtsherrlichkeiten  teilten. 

2.  Landvogtei  Rheinthal  ist  in  fünf  Höfe  oder  Gerichte  geteilt, 
im  oberen  Rheintal:  Gerichte  Altstetten,  Oberried,  Matbach,  Bemang  (Berneck;. 
im  unteren  Rheintal:  nur  das  Gericht  Thal. 

3.  Landvogtei  Sargans,  eingeteilt  in  das  obere  Sargans  mit  diesem 
Ort,  Ragatz,  Pfäffers  und  untere  Sargans  mit  Walenstadt.  Aufserdem  dir 
Herrschaft  Wartau. 

4.  Landvogtei  Gaster  nördlich  vom  Walenstadter  See  besteht  au» 
einigen  Pfarren  und  Flecken. 

5.  Landvogtei  Uz  nach  mit  dem  gleichnamigen  Städtchen  und  mehreren 
Dörfern. 

6.  Landvogtei  Garns  zwischen  Grafschaft  Werdenberg  und  Togerenbun:. 

7.  Stadt  Rappersch weil  (Rapperswyl)  mit  Gebiet  am  Züricher  Ser 


457.  österreichische  Lande.  589 

8.  Grafschaft  und  Landvogtei  Baden.  Sie  umfafst  neben  der 
Hauptstadt  Baden  auch  Ober-Baden,  Baden  im  Argau  genannt,  1.  acht  Ämter : 
Gebistorf,  Birmenstorf,  Hordorf,  Dietikon,  Wettingen,  Ercndingen,  Siggenthal 
und  Liitgem;  2.  die  bischöflich-konstanzisehen  äufseren  Ämter:  Klingnau, 
Zurzach  und  Kaiserstuhl;  3.  Stift  Wettingen  an  der  Limmat,  1227  gestiftet; 
4.  Herrschaft  Weiningen  in  der  Grafschaft  Baden ;  5.  Gericht  Uetiken.  Aufscr- 
dem  noch  einige  niedere  Gerichtsherrlichkeiten. 

9.  Die  oberen  freien  Ämter  nördlich  vom  Kanton  Luzern:  Amt 
Meienberg,  Muri,  Hitzkirch  und  Bettweil ;  ferner  die  Herrschaften  Heideck  und 
Reufseck. 

10.  Die  unteren  freien  Ämter:  Villmergen,  Sarmenstorf,  Rofsweil, 
Krumamt,  Wollen,  Niederweil,  Dottiken,  Hagligen,  Büblikon  und  zwei  Klöster. 

11.  Stadt  Bremgarten  an  der  Reufs. 

12.  Stadt  Mellingen  an  der  Reufs. 

13.  LandvogteiSchwarzenburg  zwischen  Sense  und  Schwarz wasser. 

14.  Landvogtei  Murten  am  gleichnamigen  See. 

15.  Landvogtei  Grandson  am  Neuenburger  See. 

16.  Landvogtei  Orbe  und  Tscherlitz. 

17—23.  Die  sieben  italienischen  Land vogteien  Bellenz  (Bellin- 
sona),  Riviera  oder  Polese,  Bollcnz,  Lauis  (Lugano),  Luggarus  (Locarno),  Mein- 
thal, Mendris  (Mendrisio). 

Als  freie  Stände  unter  dem  Schutze  der  vier  Waldstätte  galten  das  Stift 
Engelberg  und  Flecken  Gersau  am  Fufse  des  Rigi. 

C)  Die  11  zugewandten  Orte. 

1.  Stift  zu  St.  Gallen,  bestehend  aus  der  sog.  alten  Landschaft,  Land- 
schaft der  Gotteshausleute  mit  dem  Oberamt  und  Unteramt,  und  ferner  der 
Grafschaft  Toggenburg,  zerfallend  in  das  obere  Amt  mit  12  Gemeinden  und 
das  untere  Amt  mit  14  Gemeinden. 

2.  Stadt  St.  Gallen. 

3.  Stadt  Biel. 

4.  Oberer  oder  Grauer  Bund  mit  den  Hochgerichten  Grub-Schlöwis- 
Tenna,  Disentis,  Waltensnurg,  Flims,  Heinzenberg-Thusis-Saffien-Tschapina, 
Schamsertal  und  Rheinwald,  Lugnetz,  Misox  (Mesocco). 

5.  Gotteshaus- Bund  mit  den  Hochgerichten:  Chur,  Hochgericht  der 
vier  Dörfer,  Ortenstein  im  Domleschg,  Ober-Vaz,  Ober-Halbstem,  Bivio  oder 
Stella,  Pergel,  Pusclav,  Ober-Engadin,  Unter-Engadin.  Münstertal. 

6.  Zeh  ngerichte  Bundmit  den  Hochgerichten  Davos,  Kloster  Castels, 
Schiersch,  Maienfeld,  Bellfort,  Schalllik  (Schanfigg).  —  Nr.  4 — (i  bilden  das 
Graubündener  Land,  zu  welchem  noch  das  Veltlin,  das  Land  Worms  (Bormio) 
und  Cleven  (Chiavenna)  gehören. 

7.  Wallis,  bestehend  aus  sieben  Teilen,  Zenten:  Gombs,  Brieg,  Visp, 
Raren,  Leuck,  Siders  und  Sitten;  ferner  der  Landvogtei  St.  Moritz  und  ver- 
schiedenen Pfarren. 

8.  Stadt  Mülhausen  im  Elsafs  war  1515  der  Eidgenossenschaft  bei- 
getreten. 

9.  Fürstentum  Neuen  bürg,  seit  1707  preufsisch ,  umfafst«'  die 
Souveränität  Neufchatel  (Neuenburg)  mit  17  Meiereien,  Landvogteien  bzw. 
Herrsehaften  und  der  Grafschaft  Vallengin  mit  fünf  Meiereien. 

10.  Stadt  und  Republik  Genf. 

11.  Weltliches  Gebiet  des  Bistums  Basel  mit  den  Städten  Biel, 
Neuenstadt,  Herrschaft  Erguel. 

457.  Österreichische  Lande.  Der  österreichische  Machtbereich 
hatte  im  Laufe  der  Zeit  einen  gewaltigen  Umfang  angenommen,  besonders 


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590  Xni.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 

seitdem  auch  die  spanischen  Niederlande  an  den  österreichischen  Zweig 
der  Habsburger  gefallen  waren.  Die  pragmatische  Sanktion  Karls  VI 
sollte  dieses  Reich  zu  einer  untrennbaren  Einheit  machen.  Indessen 
ging  vieles  von  dem  Länderbereich  auch  wieder  verloren.  Wie  die  Land 
grafschaft  des  Elsafs,  der  Sundgau,  die  Landvogtei  über  die  zehn  ehe 
maligen  Reichsstädte  daselbst  an  Frankreich  fielen,  so  das  Herzogtum 
Schlesien  an  Preufsen,  ganz  zu  schweigen  von  den  Verlusten,  die  Oster- 
reich schon  vordem  in  der  Schweiz  erfahren  hatte.  —  Der  gesamte 
Territorialbestand  Österreichs  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVIII.  Jh.  läßt 
sich  in  fünf  Abschnitte  gliedern:  1.  Niederösterreich,  bestehend 
aus  den  Ländern  ob  und  nid  der  Enns;  —  2.  Innerösterreich: 
Steiermark,  Kärnten,  Krain  und  Friaul;  —  3.  Oberösterreich:  Tirol, 
4.  Vorderösterreich,  die  weiter  westlich  gelegenen  und  meist  sehr 
zerstreut  liegenden  Gebietsteile  von  Vorarlberg  bis  zum  Rhein  bin. 
Den  5.  Abschnitt  bilden  Böhmen  und  Mähren. 

Die  Bezeichnungen:  Ober-  und  Niederösterreich  sind  die  urkundenmäfsigen 
für  die  obengenannten  Länder  damals  gewesen,  während  so  heutzutage  nur  die 
Länder  ob  und  nid  der  Enns  genannt  werden,  wie  es  übrigens  auch  schon  im 
XIH.  Jh.  der  Fall  war;  vgl.  S.  308. 

1.  Das  Erzherzogtum  Österreich  im  engeren  Sinne  oder  Nieder 
Österreich  begriff: 

a)  Das  Land  unter  (nid)  der  Enns.  Es  wurde  in  vier  Viertel  ein 
geteilt  :  Das  Viertel  unter  dem  Wiener  Walde  und  jenes  ob  dem  Wiener  Walde, 
für  welche  auch  die  Bezeichnung  des  Steinfeldes  und  Tulnerfeldes  üblich  war, 
ferner  nördlich  der  Donau:  das  Viertel  unter  und  jenes  ob  dem  Manhartsber^e. 
auch  Marchfeld  bzw.  Gänsefeld  genannt.  —  Im  Lande  unter  der  Enns  gab  ee 
17  landesfürstliche  Städte,  in  der  Reihenfolge  der  vorher  genannten  Viertel 
geordnet  waren  dies:  die  Hauptstadt  Wien.  Klosterneuburg.  Baden,  Wiener 
Neustadt,  Hainburg  und  Bruck  a.  d.  Lcitha;  —  Tuln,  St.  Pölten,  Ips;  —  Kot 
neuburg,  Uetz,  Laa;  —  Krems,  Stein,  Egerburg,  Waidhofen  und  Zwetl.  Aufser 
dem  gab  es  20  Städte,  welche  besonderen  Herren  gehörten  und  124  Marktflecken 
sowie  114  Stifter  und  Klöster  und  1510  Dörfer. 

b)  Das  Land  ob  der  Enns  zerfiel  ebenfalls  in  vier  Viertel:  das  Hau? 
ruckviertel,  Traunviertel,  Mühlviertel  und  Machlandviertel.  Es  enthielt  7  lande? 
fürstliche  Städte :  Linz  als  Hauptstadt,  Wels,  Gmundenk  Föcklabruck;  —  Enn« 
Stevr;  —  Frevstadt,  Das  Mühl  viertel  wies  keine  solche  auf.  Ferner  gab  & 
5  Herrenstädte;  81  Märkte,  35  Stifter  und  643  Dörfer. 

2.  Innerösterreich  bestand  aus  4  Landschaften: 

a)  Herzogtum  Steiermark.  Untersteiermark  umfafste:  1.  den  Graz» r 
Kreis  mit  der  Hauptstadt  Graz,  früher  auch  Vorauer  Viertel  genannt;  2.  den 
Marburger  Kreis  oder  Viertel  zwischen  Mur  und  Drau  mit  den  Städten  Mar- 
burg a.  d.  Drau,  Pettau,  Voitsberg  und  Fridau;  3.  den  Cillikrcis  oder  Viertel 
Cüil  mit  dieser  Stadt,  ferner  Rein,  Feistritz,  Windischgrätz ;  —  Obersteierroark 
bestand  4.  aus  dem  .ludenburger  Kreise  mit  Judenburg,  Knittelfeld,  Murau 
Hottenmann,  Wölz;  5.  dem  Brucker  Kreise  mit  Bruck  a.  d.  Mur  und  Lechen 

b)  Herzogtum  Kärnten  wurde  abgeteilt  in  Unterkärnten  mit  Klai^n 
furt.  St.  Veit,  Völkermarkt,  Friesach,  Strasburg,  St.  Andree,  Wolfsberg,  St.  Leon 
hard,  Bleiburg;  —  und  Ubcrkürnten  mit  Villach,  Gmünd. 

c)  Herzogtum  Krain  zerfiel  in  fünf  Teile:  Oberkram  (Laibacher Km> 
Fntcrkrain  (Neustädtler  Kreis),  Mittelkrain  oder  die  Windische  Mark,  Inner 


DjfljM  bV 


457.  Österreichische  Liirnie. 


591 


krain  (das  Karstland)  und  Istrien.  Von  den  20  Städten  waren  die  bedeutenderen : 
die  Hauptstadt  Laibach  (Ljublana),  Krainburg,  Gurkfeld,  Weichselburg,  Gotschee, 
Möttling,  in  Istrien  Mitterburg  (Pisino).  Das  österreichische  Istrien  umfafste  die 
ehemalige  Grafschaft  Mitterburg  und  Herrschaft  Castua  (Köstau)  unweit  Fiume. 

d)  Österreichisches  Friaul  mag  hier  der  Vollständigkeit  halber  mit 
aufgeführt  werden.  Zu  ihm  gehörten:  1.  die  gefürstete  Grafschaft  Gradisca, 
seit  1717  von  einem  österreichischen  Landeshauptmann  verwaltet  ;  2.  Grafschaft 
(iörz,  wurde  1500  vom  König  Maximilian  nach  dem  Aussterben  der  Grafen  in 
Besitz  genommen ;  3.  die  Hauptmannschaft  Tulmino  im  Quellgebiet  des  Isonzo : 
4.  Idria  mit  Gebiet ;  5.  das  Gebiet  von  Aquileja ;  6.  die  Stadt  Triest ;  7.  Stadt 
.St.  Veit  am  PHaum  (Fiume). 

3.  Oberösterreich  umfafste  im  allgemeinen  die  Grafschaft  Tirol. 
Diese  wurde  damals  in  sechs  Teile  (Viertel)  geschieden  :  1.  Viertel  Unterinntal 
mit  Innsbruck  und  Hall;  2.  Viertel  Oberinntal,  ohne  gröfsere  Stadt;  3.  Viertel 
Vüitsehgau  mit  dem  Städtchen  Glums ;  4.  das  Etschviertel  mit  Meran  und 
Bozen ;  5.  das  Eisackviertel  mit  Stcrzing ;  6.  das  Pustertal  mit  Lienz.  Als 
7.  Gebiet  galten  die  sog.  Welschen  Confinen,  ein  an  der  italienischen  Grenze 
liegender  Strich  Landes,  mit  Roveredo. 

4.  Vorderösterreich  zerfiel  in  drei  Hauptteile:  den  Breisgau,  Schwä- 
bisch -Ost erreich  und  die  Vorarlbergischen  Herrschaften. 

a)  Die  Landgrafschaft  im  Breisgau  war  seit  1367  österreichisch. 
Sic  bestand:  1.  aus  dem  Unterland,  dein  eigentlichen  Breisgau  mit  der  Haupt- 
stadt Freiburg,  den  Städten  Alt- Breisach,  Villingen,  Breunlingen,  Neuburg, 
Kenzingen,  Endingen,  Burkheim  und  Waldkirch;  den  Kameralherrschaftcn 
(.lasteil berg  und  Schwarzenberg,  Tryberg,  Hauenstein  und  fünf  Abteien  mit 
deren  Gebiet :  Abtei  St.  Blasien  mit  den  Herrschaften  Stauffen,  Kirchhofen, 
Gutenberg,  Gutweil,  Blumeneck  und  Grafschaft  Bondorf  sowie  die  Abteien 
St.  Trutpert.  St.  Peter.  Ettenhcimmünster  und  Schütteren;  ferner  noch  ver- 
schiedenen Stiftern  und  Klöstern;  —  2.  dem  oberen  Rheinviertel  mit  den  vier 
Waldstädten  am  Rhein:  Laufenburg,  Rheinfelden,  Säckingen  und  Walshut; 
ferner  den  Herrschaften  Rheinfelden  und  Laufenburg,  erstere  aus  den  Land- 
schaften Frickthal,  Möhlinbach  und  Rheinthal,  letztere  aus  den  Tälern  Knisten, 
Mettau,  Solz  und  Gansingen  bestehend. 

b)  Schwäbisch  -  Österreich  zerfiel  in  sechs  Teile:   1.  die  Markgraf- 
schaft Burgau  zwischen  Donau  und  Lech  (seit  12*3  österreichisch),  wurde  in 
fünf  Vogteien  geteilt,  mit  der  Residenz  Günzburg,  Marktflecken  Burgau,  Herr- 
schaft Krumbach,  Landsberg  und  Seifriedsberg  ;  —  2.  die  Landgrafschaft  Xellen- 
burg  nahm  einen  Teil  des  alten  Hegau  ein;  seit  1465  österreichisch.  Mit  dem 
Städtchen  Stockach,  dem  Sitz  des  Landvogtes,  dem  Städtchen  Ach  und  den 
Herrschaften  Hilzingen,  Langenstein,  Mühlhausen  und  Singen  mit  Niederhofen ;  — 
3.  die  Landvogtei   in  Schwaben,  aus  der  alten  weifischen  Grafschaft  Altorf 
hervorgegangen,  die  erst  1415  samt  der  Leutkircher  Heide  zu  einer  Landvogtei 
eingerichtet  und  zu  der  Hauptlandvogtei  in  Ober-  und  Niederschwaben  geschlagen 
wurde.    Die  Landvogtei  wurde  in  eine  obere  mit  15  Amtern  und  untere  mit 
drei  Ämtern  geteilt;  —  4.  die  Grafschaft  Hohenberg,  seit  1381  österreichisch, 
aus  zwei  getrennten  Teilen  bestehend,  der  niederen  Grafschaft  mit  den  Städten 
Rotenberg.  Ehingen  und  Horb  am  Neckar,  und  der  oberen  Grafschaft  mit  den 
Städten  Schönberg,  Fridingen  und  Oberndorf,  den  Märkten  Spaiehingen  und 
Schraniberg  und  der  Herrschaft  Wehrweg;  —  5.  die  sog.  Fünf  Donaustiidte: 
Munderkingen  an  der  Donau,  Waldsee  in  der  Grafschaft  Waldburg,  Salgau 
an  der  Schwarzach,  Richlingen  an  der  Donau  •  und  Mergen  in  der  Nähe  von 
ihr;  —  6.  mehrere  Stifter,  Landschaften  und  Städte;  Stifter:  Wiblingen,  Bene- 
diktiner Abtei  mit  Flecken  und  Dörfern,  Karthause  Buxheim,  Stift  Heiligen 
Kreuzthal  mit  Dorf  Andelfingen  und  Urspring,   Benediktiner -Nonnenkloster. 
Landschaften:  Kirchberg  und  Weifsenhorn  a.  d.  Donau,  als  Lehen  im  Besitz 


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592 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


der  Fuggor;  die  Hohenzollernsche  Grafschaft  Sigmaringen,  über  die  Bich  Öster- 
reich die  Hoheit  zueignet«-.  Erbach  oberhalb  Ulm,  Berg  bei  Ehingen,  Bufs  am] 
Üf fingen,  Guterstein  a.  d.  Donau.  Hausen  und  Stetten  am  Kaltenmarks  Wort 
hausen  am  Riefs,  Kollenberg  und  Rohnsberg  a.  d.  Günz,  Gerieht  Reuthen  und 
Amt  Bierstetten.  Städte:  Con  stanz,  seit  1549  unter  Habsburg,  Steckhorn. 
Radolfzell ,  Sehelklingen ,  Ehingen  und  Vühringen  auf  der  Alb.  Die  Stadt 
Vöhringen  gehörte  Österreich,  das  Dorf  Vühringen  mit  zwei  anderen  dagegen  den 
Hohenzollern-Sigmaringen. 

c)  Die  Vorarlbergischen  Herrschaften,  im  ganzen  vier  an  Zahl". 

1.  Grafschaft  Feldkireh-Montfort,  seit  1365  österreichisch,  mit  der  Stadt  Feld- 
kirch,  dem  Reichsflecken  Rankweil,  Schlofs  Montfort  oder  Starkenberg: 

2.  Grafschaft  Bregenz  kam  1451  und  teilweise  1532  an  Österreich.  Zu  ilir 
gehörte  Herrschaft  Hoheneck,  von  Bregenz  bis  Wangen  und  Isny  reichend ; 

3.  Grafschaft  Bludenz,  1376  österreichisch ;  —  4.  Grafschaft  Sonneberg  war  146?» 
im  Besitz  Eberhards  von  Waldburg  und  wurde  ihm  bald  nachher  von  Öster- 
reich genommen. 

5.  Königreich  Böhmen.  Im  XIV.  Jh.  war  es  von  Karl  IV.  in 
12  Kreise  eingeteilt  worden  Im  Jahre  1714  wurden  ebenfalls  12  Kreise,  aber 
in  etwas  anderer  Gruppierung,  neu  formiert.  Die  Hauptstadt  frag  (Praha)  stand 
aufserhalb  der  Kreiseinteilung.  —  Die  Kreise  waren:  der  Bunzlauer.  Königin 
grätzer,  Chrudimer,  Tschaslauer,  Kaurzimer,  Bechiner,  Praehiner,  Pilsener. 
Saazer,  der  1714  mit  dem  Elnbogner  Gebiet  vereinigt  worden  war.  der  I^it 
meritzer,  Rakownitzer  und  Podiebrader  Kreis.  —  Das  sog.  Egerland  mit  der 
gleichnamigen  Stadt  bildete  einen  gesonderten  Verwaltungsbezirk. 

Zum  Königreich  Böhmen  gehörten  noch  einige  nicht  an  Preufsen  gefallen« 
Teile  von  Schlesien.  Von  Niederschlesien  zunächst  ein  Stück  vom  Fürstentum 
Neifse  mit  den  Städten  Zuckmantel,  Weidenau,  Jauernick,  Freiwalde,  Friedberg, 
Kaltenstein  mit  Dörfern;  von  Oberschlesien  die  4  mittelbaren  Fürstentümer 
Troppau ,  Jägerndorf,  Teschen  und  Bielitz,  ferner  8  Minderherrschaften : 
Oderberg,  Freudenthal,  Olbersdorf,  Friedeck.  Freistadt,  Roy,  Deutsch-Leuthen 
und  Reichenwaldau. 

Markgrafschaft  Mähren  war  in  fünf  Kreise  eingeteilt :  den  Olmützer 
Kreis  mit  zwei  Vierteln,  dem  Goldsteiner  oder  Trihauer  Viertel;  uud  dem  Perainr 
und  Freudenthaler  Viertel:  dem  Hradischer  Kreis:  dem  Brünner,  Znaimer  und 
Iglauer  Kreis. 

458.  Karsachsen.    Das  in  der  Hand  Johann  Georgs  I.  vereinigte, 
etwa  700  Quadratineilen  umfassende  Gebiet  wurde  nach  seinem  Tode 
leider  wieder  unter  seine  vier  Söhne  zersplittert.    Kr  selbst  hatte  1652 
die  Teilung  testamentarisch  verfügt.    Im  Jahre  1657  wurde  der  brüder- 
liche Hauptvergleich  geschlossen,  der  noch  einige  Änderungen  brachte 
Der  älteste  Sohn   Johann  Georg  II.  erhielt   die  Kurwürde  und  den 
Hauptanteil.    Seine  drei  Brüder,  als  Stifter  von  Nebenlinien,  wurden 
ebenfalls  bedacht.    August,  der  Administrator  von  Magdeburg  erhielt 
Weilsenfels  und  den  thüringischen  Kreis,  Christian  I.:  das  Stift  Mors» 
bürg  und  die  Niederlausitz,  Moritz:   das  Stift  Zeitz,  den  Vogtländischen 
und  Neustädter  Kreis.    Diese  drei  jüngeren  Linien  starben  aber  bis  174f> 
sämtlich  aus  und  seit  jenem  Jahre  war  die  äufsere  Einheit  des  Kur- 
staates wieder  hergestellt.     Bis  zum  Jahre  1770  fanden  dann  kein» 
territorialen  Veränderungen  mehr  statt  trotz  der  Verwickelungen,  in  «Ii* 
Sachsen   durch   die  vorübergehende  Verbindung  mit  dem  Königroidi 
Polen  und  durch  den  Siebenjährigen  Krieg  hineingezogen  wurde. 

Nach  dem  Testament  Johann  Georgs  I.  erhielt  der  älteste  Sohn,  der  mu-b 
malige  Kurfürst  Johann  Georg  II.  (1656—80),  den  Wittenberger  Kreis  Knr 


r 


458.  Karsachsen. 


593 


kreis),  die  Burggrafschaft  Magdeburg,  den  Leipziger,  meifsnisehen  und  erz- 
gebirgischen  Kreis  sowie  die  Markgrafschaft  Oberlausitz,  aufserdem  noch  einige 
andere  Anwartschaften,  Berechtigungen  wie  auch  Verpflichtungen.  —  Der  zweite 
Sohn,  August,  erhielt  die  vier  eximierten  Herrschaften,  Ämter  und  Städte 
Querfurt,  Dahme,  Burg  und  Jüterbog  nebst  den  Amtern,  Schlössern  und  Städten 
Sachsenburg,  Eckarteberga,  Bibra,  Freiburg,  Sangerhausen,  Langensalza,  Weifsen- 
see,  Sittichenbach,  Heldrungen,  Wendelstein  und  Weifsenfeis.  —  Der  dritte 
Sohn,  Christian,  erhielt  die  Niederlausitz,  Dobrilugk,  Finsterwalde,  Bitterfeld, 
Delitzsch  und  Zörbig.  —  Der  vierte  Sohn.  Moritz,  erhielt  aufser  dem  kur- 
eächsischen  Anteil  an  Henneberg  noch  die  Herrschaft  der  Schenken  von  Tauten- 
burg (1640  an  Kursachsen  gefallen)  mit  Frauenpriesnitz  und  Nieder-Trebra, 
ferner  Vogtsberg,  Plauen,  Pausa,  Triptis,  Arnshaugk,  Weida  und  Ziegenrück. 


Johann  Georg 
Kurfürsten 


I.,  Kurfürst  v.  Sachsen  f  1656 
[  Weifsenfels  Merseburg 


.loh.  Georg  II. 
f  1680 

I 

Johann  Georg  III. 
t  1691 
I 


.loh.  ( Jeorg  IV. 
f  1694 


Friedr.  August 

d.  Starke 
Kg.  v.  Polen 
f  1733 

I 

Friedr.  Aug.  II. 
Kg.  v.  Polen 
f  1763 
I 

Friedr.  Christian 
f  1763 

I 

Friedr.  Aug.  III. 
t  1827 


August 
f  1680 
I 

Joh.  Adolf  I. 
t  1697 


Jol 


| 

l.  Adolf  II. 
1746 


T 


t  t  7 


Christian  I. 
f  1691 

Christian  II. 
f  1694 
I 

Moritz  Wilh. 
f  1731 

t  t  t 


Zeitz 


Moritz 
f  1681 

I 

Friedr.  Heinr. 
f  1713 

I 

Moritz  Adolf 
t  1759 
t  t  t 


Bei  der  Vollziehung  des  Testamente  traten  1657  mancherlei  Differenzen 
zwischen  den  Brüdern  ein,  besonders  auch  wegen  der  Zuteilung  der  schrift- 
sässigen  Ritterschaft  und  der  Lehen.  Der  brüderliche  Haupt  vergleich  führte 
noch  zu  folgenden  Bestimmungen :  dem  Herzog  August  wurde  die  Belehnung 
mit  den  schrifteiissigen  Gütern  zugesagt  und  ihm  ferner  noch  zugeteilt  Amt 
und  Stadt  Thomasbrück,  Röblingen,  die  Städte  Laucha,  Mücheln  und  Kindel- 
brück, die  thüringischen  Stifter  und  Klöster  Beutitz.  Langendorf,  Weifsenfels, 
Reinsdorf,  Bernroda,   Kölleda,  Salza,   Kaltenborn,   Rohrbach,   Zwiest  und 
St.  Ulrich.  —  Dem  Kurfürsten  blieben  Amt  Treffurt,  Schulpforta,  die  Stadt 
Tennstedt,  die  Schutz-  und  anderen  Gerechtigkeiten  in  den  Städten  Erfurt, 
Mühlhausen  und  Nordhausen,  die  aus  dem  Halberstädter  und  Magdeburger 
Permutationsrezefs  erworbenen  Rechte  in  bezug  auf  Thüringen  und  Mansfeld, 
endlich  alle  Balleien  und  Komtureien  in  Thüringen,  die  Grafen-  und  die  gesamt«' 
schriftsässige  Ritterschaft  Thüringens  (aufser  jener  des  Amtes  Sachsenburg).  — 
Der  dritte  Bruder,  Christian,  erhielt  seinen  Testamentsanteil  unter  dem  Vor- 
behalte der  schrifteässigen  Ritterschaft  für  den  Kurfürsten.  —  Der  vierte  Bruder, 
Moritz,  erhielt  noch  die  Schrifteassen  in  den  vier  assekurierten  Ämtern  und 
im  vogtländischen  Amte  Pausa.  Die  übrigen  Schrifteassen  behielt  sämtlich  der 
Kurfürst. 

Ferner  ist  zu  erwähnen,  dafs  im  Jahre  1659  das  gräfliche  Haus  Barby 
«•rlosch  und  die  Grafschaft  als  kursächsisches  Lehen  an  Herzog  August  von 
Sachsen -Weifsenfels  fiel.  —  Im  Jahre  1660  wurde  mit  den  Ernestinern  die 

Kretschmer,  Historische  fiPo*raphie.  38 


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5<J4 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


Grafschaft  Henneberg  geteilt.  Kursachsen  erhielt  hierbei  fünf  Zwölftel: 
Amt  und  Stadt  Schleusingen,  Amt  und  Stadt  Suhl,  Amt  Kühndorf,  Amt  Bens 
hausen  sowie  die  Klöster  Rohr  und  Vefsra  (s.  im  übrigen  Ernestinisches 
Sachsen). 

Die  gesamten  Kurlande  sind  in  sieben  Kreise  geteilt.  Hierzu  kommen 
noch  zwei  Stifter  Merseburg  und  Naumburg-Zeitz. 

1.  Kurkreis,  das  alte  Herzogtum  Sachsen  (s.  über  dieses  S.  320t  mit 
24  Städten,  3  Flecken  und  494  Dörfern.  Es  bestand  aus  11  Kreisämtern: 
Wittenberg,  Gräfenhainichen,  Beizig,  Gommern  mit  Elbenau,  Seyda,  Annabttlg, 
Schweinitz,  Pretsch,  Sehlieben  nebst  der  Herrschaft  Baruth,  Liebenwerda  und 
Bitterfeld.  Seit  1659  wurde  dem  Amte  Wittenberg  auch  die  erledigte  Graf- 
schaft Barby  zugerechnet. 

2.  Thüringischer  Kreis  setzte  sich  aus  13  unmittelbaren  Ämtern 
zusammen,  ferner  dem  Fürstentum  Querfurt  und  dem  unter  kursächsischer 
Landeshoheit  stehenden  Teil  der  Grafschaft  Mansfeld.  Die  13  Ämter  waren: 
Tennstädt,  Schulamt  Pforta,  Tautenburg,  Treffurt  (letzteres  ganerbschaftlieh,  da 
auch  Mainz  und  Hessen  daran  Anteil  hatten),  Weifsenfeis  mit  den  drei  Gerichts- 
Stühlen  Burgwerben,  Stöfsen  und  Mölsen,  Freiburg,  Eckartsberga,  Sangerhausen. 
Sachsenburg,  Weifsensee,  Langensalza.  Wendelstein  und  Sittiehenbach.  —  Das 
Fürstentum  Querfurt  war  1635  im  Prager  Frieden  aus  den  vier  zum  Erx 
stift  Magdeburg  gehörigen  Ämtern  Querfurt,  Jüterbog.  Dahme  (und  Burg,  das 
1687  aber  durch  einen  Vergleich  an  Kurbrandenburg  fiel)  gebildet  und  dem 
Kurfürsten  Johann  Georg  I.  überwiesen  worden.  Es  fiel  bei  der  Teilung  an 
die  Weifsenfelser  Linie  Augusts,  dessen  Sohn  Johann  Adolf  I.  noch  die  Ämter 
Heldrungen,  Wendelstein  und  Sittichenbach  hinzufügte.  Nach  dem  Aussterben 
dieser  Linie  wurden  letztere  Ämter  bis  auf  Heldrungen  wieder  abgezweigt.  Bb 
gehörten  also  zum  Fürstentum  fortan  die  Ämter  Querfurt.  Jüterbog,  Dahme 
und  Heldrungen.  —  Der  kursüchsische  Anteil  an  Mansfeld  enthielt 
5  Städte  und  42  Dörfer:  die  Altstadt  und  die  Neustadt  Eisleben  und  Hettstädt. 
Hierzu  11  Ämter,  von  denen  eins  im  Besitz  der  Fürsten  von  Mansfeld  und  die 
übrigen  meist  wiederkäuflich  veräufsert  waren :  Ober-  und  Unteramt  Eisleben. 
Wimmelburg,  Bornstedt,  Arnstein-Endorf,  Walbeck,  Wiederstcdt,  Rammelburg. 
Leiningen-Morungen,  Artern,  Vock-  oder  Voigtstädt. 

3.  Meifsnischer  Kreis  mit  14  Ämtern:  Meilsen,  Oberamt  Dresden, 
Dippoldiswalde,  Pirna,  Hohenstein  und  Lohmen,  Stolpen,  Radeberg  mit  Laus- 
nitz, Moritzhurg.  Grofsenhain ,  Senftenberg,  Finsterwalde,  Mühlberg,  Torgau 
und  Oschatz. 

.  4.  Leipziger  Kreis  mit  14  Ämtern:  Leipzig,  Delitzseh,  Zörbig.  Düben. 
Eilenburg,  Erbamt  Grimma,  Sehulamt  Grimma,  Mutsehen,  Leifsnig  und  Döbeln. 
Rochlitz,  Kolditz,  Borna,  Pegau,  Stiftsamt  Würzen. 

5.  Erzgebirgischer  Kreis  mit  15  Ämtern:  Freiberg,  Augustuslmrg, 
Chemnitz,  Frankenberg,  Nossen,  Grillenburg  mit  Tharand,  Frauenstein,  Alten 
berg ,   Lauterstein ,   Wolkenstein    mit  Rauenstein ,    Stolberg ,    Grünhain  mit 
Schlettau,  Schwarzenberg  mit  Krottendorf,  Wiesenburg,  Zwickau  mit  Werdau 

6.  Vogtländischer  Kreis  mit  3  Ämtern:  Voigtsberg,  Plauen  und 
Pausa. 

7.  Neustädtischer  Kreis  mit  3  Ämtern :   Arnshaugk  mit  Triptis- . 
Weida  mit  Mildenfurth  und  Ziegenrück.    Neustadt  a.  d.  Orla  war  die  Haupt 
Stadt  des  Kreises. 

8.  Stift  Merseburg  mit  5  Ämtern:  Merseburg,  Lützen,  Zwenkau. 
Schkeuditz  und  Lauchstädt. 

9.  Stift  Naumburg-Zeitz  mit  3  Ämtern:  Stadt  und  Amt  Naumburg, 
welches  aus  den  vereinigten  Ämtern  Georgen kloster,  Schönburg  und  Saleck 
bestand,  Stadt  und  Amt  Zeitz  (in  vier  Striche  geteilt:  den  Profener,  Langen 
dorfer,  Zipsendorfer  und  Forststrich)  und  Amt  Hainsburg. 


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459.  Ernestinischen  Sachsen. 


595 


10.  Die  Ober-  und  Niederlausitz  war  seitdem  Frieden  von  Prag  (1635) 
als  erbliches  Lehen  im  Besitz  von  Kursachsen  gewesen.  Kurfürst  Johann  hatte 
1652  testamentarisch  die  Oberlausitz  seinem  Nachfolger  in  der  Kur  vermacht, 
während  er  die  Niederlausitz  dem  Administrator  des  Stiftes  Merseburg,  Herzog 
Christian  I.,  hinterliels.  Nach  dem  Aussterben  der  Merseburger  Linie  1738  fiel 
auch  die  Niederlausitz  an  die  Kurlinie  zurück.    Hinsichtlich  Verfassung  und 
Verwaltung  waren  beide  Lausitzen  zwei  gesonderte  Landschaften.  1.  Die  Öber- 
lausitz  umfafste  zwei  Kreise:  a)  den  Bautzener  Kreis  mit  drei  von  den  sog. 
Sechsstädten :  Bautzen  (Budissin),  Kamenz  und  Löbau,  zwei  Standesherrschaften 
Hoyerswerda  und  Königsbrück  und  zwei  katholischen  Stiftern :  dem  Domkapitel 
zu  St.  Peter  in  Bautzen  mit  33  Ortschaften  und  dem  Jungfrauenstift  Marien- 
ftem  mit  bedeutendem  Gebiet  in  zwei  Bezirken,  von  denen  der  eine  die  Stadt 
Wittichenau  und  4«>  Dörfer  umschlofs,  der  Eigensche  Distrikt  das  Städtchen 
Bernstadt  und  7  Dörfer.     Aufserdem  gehörten   zum  Kreis    10  Städte  und 
250  Rittergüter ;  —  b)  den  Görlitzer  Kreis  mit  drei  von  den  Sechsstädten : 
Görlitz,  Zittau  und  Lauban,  jede  von  ihnen  mit  einem  Ratsgebiet  und  zahl- 
reichen Dörfern  umgeben,  ferner  den  zwei  Standesherrschaften  Muskau  und 
Seidenberg,  den  Nonnenklöstern  Maria  Magdalena  in  Lauban  und  Marienthal 
l»ei  Ostritz,  dem  evangelischen  Stift  Joachimstein,  8  landesherrlichen  Städten 
und  150  Rittergütern.  —  2.  Die  Niederlausitz  zerfiel  in  fünf  Kreise:  a)  der 
Luckauer  Kreis  mit  der  Kreisstadt  Luckau,  den  Standesherrschaften  Dobrilug 
und  Drehna,  4  Städten  und  62  Gütern;    b)  der  Gubener  Kreis  mit  Kreisstadt 
Guben,  dem  Stift  Neuzelle  mit  37  Dörfern,  dem  Johanniter-Ordensamt  Schenken- 
dorf,  den  5  Standesherrschaften :  Forst  und  Pforten,  Torau  und  Triebel  und 
Arntitz  sowie  55  Rittergütern;  c)  der  Lübbener  oder  Krummspreeische  Kreis 
mit  Stadt  Lübben  und  Amt  Lübben  mit  24  Dörfern,  dem  Johanniter-Ordens- 
amt Friedland,  den  Standesherrschaften  Lieberose,  Straupitz  und  Leuthen  sowie 
12  Gütern;    d)  der  Kalauer  Kreis  mit  Kalau,  der  Standesherrschaft  Lübbenau 
und  24  Dörfern,  sowie  69  Rittergütern :    e)  der  Spremberger  Kreis  mit  der 
gleichnamigen  Stadt  und  Herrschaft  und  zahlreichen  Dürfern.  — 

Es  sei  hier  auch  der  Herrschaften  der  Grafen  von  Schön  bürg 
gedacht,  von  denen  damals  zwei  Hauptlinien  existierten,  die  1700  in  den 
Heichsgrafenstand  erhoben  worden  waren.  Die  obere  oder  schönburg- walden 
burgache  Hauptlinie  besafs  die  Herrschaft  Waldenburg,  Grafschaft  Hartenstein 
Utia  Herrschaften  Stein  und  Lichtenstein ;  erstere  waren  Reichsafterlehen  von 
Böhmen,  letztere  von  Kursachsen.  —  Die  niedere  oder  schönburg -penigsche 
Hauptlinie  besafs  die  Herrschaften  Glauchau  (Lehen  von  Böhmen),  Remsau 
Penig,  Rochsburg  und  Wechselburg  (Lehen  von  Kursachsen). 

459.  Ernestlnisches  Sachsen.    Es  bestanden  im  Anfang  dieser 
Periode  drei  Linien :  Altenburg,  Weimar  und  Gotba  nebeneinander.  Da 
die  erstere  1672  erlosch,  so  führton  die  beiden  anderen  den  Stamm 
weiter.   Sie  zersplitterten  sich  anfangs  in  mehrere  Linien,  von  denen  jede 
mit  Territorialbesitz  entsprechend  ausgestattet  wurde.    Die  Weimarer 
Linie  teilte  sich  in  drei  Zweige:  Weimar,  Eisenach  und  Jena,  die  1741 
erloschen  waren  bis  auf  die  Weimarer  Hauptlinie.    Die  Gothaer  Linie 
hatte  1672  den  Altenburger  Anteil  mit  der  Weimarer  geteilt.    Nach  dem 
Tode  ihres  Stifters  Ernst  des  Frommen  (1675),  der  18  Kinder  hatte, 
teilte  sie  sich  in  sieben  neue  Linien  und  Territorien:  Gotha,  Coburg, 
Meiningen,   Römhild,  Eisenberg,  Hildburghausen  und  Saalfeld.  Die 
Linien  Coburg,  Römhild,  Eisenberg  waren  bis  1710  erloschen,  so  dafs  nur 
vier  blieben  und  um  das  Jahr  1770  fünf  Fürstentümer  das  ernestinische 
Sachsen  zusammensetzten.  —  Die  endgültige  Aufteilung  der  Grafschaft 
Henneberg  (1660)  hatte  erhebliche  Gebietsvergröfserungen  noch  zur  Folge 

38* 


596  XIII.  Politische  Geographie  am  da«  Jahr  1770. 

gehabt.  Auch  die  noch  immer  schwebende  Frage  wegen  der  vier  ver- 
pfändeten Ämter  Weida,  Ziegenrück,  Arnshaugk  und  Sachsenburg 
wurde  dahin  entschieden,  dafs  die  Ernestiner  auf  das  Einlösungsrecht 
verzichteten. 

Die  Teilung  der  Grafschaft  Henneberg  wurde  auf  Grund  der  Bestim 
mungen  von  1573  vorgenommen  (s.  8.  528).  Die  Ernestiner  erhielten  hierbei 
sieben  Zwölftel,  die  Altenburg,  Weimar,  Gotha  folgendermalsen  unter  sieh  teilten : 
Altenburg  erhielt  die  Ämter  Themar,  Mafsfeld,  Meiningen,  die  Kellerei 
Behningen,  das  Kammergut  Henneberg  und  den  Hof  Milz;  Weimar  die  Ämter 
Ilmenau  und  Kaltennordheim,  die  Waldungen  zu  Wasungen  und  Sand  und 
das  Jagdsehlofs  Zillbach ;  Gotha  die  Ämter  Frauenbreitungen,  Wasungen  und 
Sand  (vgl.  Arndts,  Neues  Archiv  f.  säehs.  Gesch.,  S.  229  ff.). 

Beim  Aussterben  der  Altenburger  Linie  fand  1672  eine  Teilung  der  Erb 
Schaft  zwischen  Weimar  und  Gotha  statt,  trotzdem  letzteres  eigentlich  alleinige 
Anwartschaft  hatte.  Gotha  erhielt  Altenburg,  Coburg,  Saalfeld  und  die  henne 
bergischen  Länder  sowie  die  Lehensherrlichkeit  über  die  schwarzburgischen  und 
anderen  Besitzungen;  Weimar  dagegen  Stadt  und  Amt  Dornburg,  Allstedt, 
Rofsla,  Stadtsulza,  Bürgel,  Heusdorf  und  Krainburg  sowie  die  Hoheitsrechte 
und  Steuern  in  Remda,  Apolda  und  Hardisleben. 

Wilhelm  f  1662 
Weimar  |   Eise  nach  Jena 

Joh.  Ernst  II.  f  1683 

Wilh.  Ernst      Joh.  Ernst  III. 
t  1728  f  1<07 

I 

Ernst  August  I. 
f  1748 

In  der  Weimarer  Linie  hatten  die  vier  Söhne  Wilhelms  anfangs  gemeinsam 
regiert  (ein  Sohn  Adolf  Wilhelm  von  Marksuhl  starb  schon  1668);  doch  hielten 
es  1672  die  anderen  drei  Brüder  für  ratsam,  nach  Besitznahme  des  Altenburger 
Erbteiles  zu  teilen.  Johann  Ernst  erhielt  das  Fürstentum  Weimar,  be- 
stehend aus  Weimar,  Ilmenau,  Berka,  Tannroda,  Büttstedt,  Rastenberg,  Brem- 
bach, Oberweimar,  Rofsla,  Hardisleben,  Lützendorf,  München,  Kattendorf, 
Tiefurt  und  Ettersburg.  —  Johann  Georg  bekam  das  Fürstentum  JCisenaeh, 
bestehend  aus  Eisenach,  Lichtenberg,  Ostheim,  Creuzburg,  Marksuhl,  Burkers 
roda,  Gerstungen,  Hausbreitenbach,  Ringleben,  Schwansee,  Bachstedt,  Mark 
vippach,  Kaltennordheim  und  Krainberg.  —  Bernhard  erhielt  das  Fürsten 
tum  Jena  mit  Jena,  Burgau,  Lobeda,  Capellendorf,  Allstedt,  Dornburg,  Bürgel, 
Heusdorf,  Magdala,  Gebstedt,  Buttelstedt,  Wiegendorf,  Döbritschen,  Beulbar. 
Ilmsdorf,  Göschwitz,  Wöllnitz  und  Rutha,  Obertreba.  Wormstedt.  Graitschen. 
Synderstedt,  Kalbsrieth,  Remda  und  Apolda.  —  Das  Aussterben  der  Jenenser 
und  Eisenacher  Linien  bewirkte  den  Anfall  ihrer  Länder  an  Weimar,  und  da 
in  diesem  Hause  1741  die  Primogenitur  eingeführt  wurde,  so  blieben  die  Lande 
Weimar-Eisenach  fortan  vereinigt. 

In  der  Gotha- Altenburger  Linie  hatten  die  sieben  Söhne  Emsts  &  Fr 
1679—1680  eine  Teilung  getroffen:  1.  Friedrich  I.  erhielt  das  Fürstentum 
Gotha  mit  Stadt  und  Amt  Gotha,  Tenneberg,  Georgenthal,  Schwarz  wähl, 
Reinhardsbrunn,  Wachsenburg,  Ichtershausen,  Altenburg,  Leuchtenburg.  Orla- 
münde,  Völkenrode,  die  Kollektur  Langensalza,  Greufsen  und  Stadt  Pökneck 
(letztere  1682  an  Johann  Ernst  von  Saalfeld  überlassen).  —  2.  Albert  erhielt 
das  Fürstentum  Coburg  mit  Coburg,  Rodach,  Neustadt,  Sonneberg,  Sonm- 
feld,  Mönchröden,  Amtsverwaltung  Neuhaus.  —  3.  Bernhard  erhielt  da? 
Fürstentum  Meiningen  mit  .Meiningen,  Mafsfeld,  Wasungen,  Sand,  Frauen 


Joh.  Georg  f  1686        Bernhard  t  1678 


1741  1690 

t  t  t  t  t  t 


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460  Herrschaften  der  Grafen  Reufs*. 


597 


breitungen,  Salzungen,  den  Dörfern  Herpf,  Stephershausen,  Uttendorf,  Mehlis 
und  dem  Kammergut  Henneberg.  —  4.  Heinrieh  erhielt  das  Fürstentuni 
Römhild  mit  Römhild,  Königsberg  (1683  an  Ernst  von  Hildburghausen  über- 
lassen), Themar,  Behningen,  den  Hof  zu  Milz  und  die  eehterischen  Lehen.  — 
5.  Christian  erhielt  das  Fürstentum  Eisenberg  mit  Eisenberg,  Roda  und 
Camburg.  —  6.  Ernst  erhielt  das  Fürstenburg  Hildburg  hausen  mit 
Hildburghausen,  Heldburg,  Eisfeld  und  Schalkau  (letzteres  1723  an  Meiningen  ).  — 
7.  Johann  Ernst  erhielt  das  Fürstentum  Saalfeld  mit  Saalfcld,  Gräfenthal, 
Zella,  Stadt  Lehesten.  —  Gemeinsam  blieb  die  Lehensherrrlichkeit  über  die 
sehwarzburgischen ,  hatzfeldischen  und  reufsisehen  Lehen.  (Urkunden  bei 
Liinig  U,  612  f.;  Hellfeld,  Beiträge  z.  Staatsrecht  in  d.  Gesch.  v.  Sachs.-Eisen. 
II,  2«0ff.) 

EmBt  der  Fromme  f  1675 


Gotha  Koburg 


Menningen 


Römhild  Eisenberg  Hildbgh. 


Saalfeld 


Friedrich  I.  Albert 


Bornhard 


t  1691 

Friedrich  II. 
f  1732 

I 

Friedrich  III. 
f  1772 


t  1699 
t  t  t 


Heinrich  Christian     Ernst      Joh.  Ernst 


t  1710 

t  t  t 


f  1707 

t  t  t 


Ernst  Ludwig 
I 

Karl 

Friedrich 
f  1743 


Ant.  Ulrich 
I 

Georg 
f  1803 


t  1729 
I 

Franz  Josias 
f  1764 
I 

Ernst  Friedr 
f  1800 


Ernst 
Friedr.  DI. 
t  1780 


Als  von  diesen  Linien  drei  erloschen  waren,  traten  die  unvermeidlichen 
Erbschaftsstreitigkeiten  ein,  die  erst  1734 — 1735  wieder  beigelegt  wurden.  Die 
Hinterlassenschaft  der  drei  Brüder  wurde  aufgeteilt.  Gotha  erhielt  die  eisen- 
bergischen  Lande  und  sieben  Zwölftel  von  Themar.  Meiningen  erhielt  Sonne- 
berg und  Neuhaus  und  zwei  Drittel  vom  Amt  Römhild.  Saal  f  cid:  Stadt  und 
Amt  Coburg,  Rodach,  Neustadt,  Gestungshausen  und  Mönchröden,  ein  Dritte' 
von  Römhild  und  fünf  Zwölftel  vom  Amt  Themar.  Hildburghausen  erhielt 
.Sonnefeld,  die  Kellerei  Behrungen,  den  Hof  zu  Milz  und  die  eehterischen 
Lehen.  —  Die  Einführung  der  Primogenitur  schützte  das  Land  (seit  1719)  vor 
weiteren  territorialen  Zersplitterungen.  —  Über  die  territoriale  Entwickelung  der 
thüringischen  Landschaften  vgl.  aufser  den  allgemeinen  Darstellungen  des 
ganzen  Landes  und  der  Teilfürstentümer  auch  die  übersichtliche  Darstellung 
in  Regels  Hdb.  v.  Thüringen  U,  565  ff. 

460.  Herrschaften  der  Grafen  Reufs.  Die  Herren  Reufs  von 
Plauen  waren  1673  sämtlich  in  den  Grafenstand  erhoben  worden.  Das 
ältere  Haus  der  Reufsen  hatte  sich  (s.  S.  531)  in  die  Linien  Obergreiz  und 
Untergreiz  geteilt;  letztere  starb  aber  1768  aus  und  ihr  Gebiet  wurde 
mit  Obergreiz  vereinigt.  —  Das  jüngere  Haus  war  in  vier  Linien 
gespalten:  Gera,  Schleiz,  Lobenstein  und  Saalburg,  von  denen  die  Linie 
Schleiz  mit  ihrem  Stifter  Heinrich  IX.  1666  schon  ausstarb.  Schleiz  hei 
damals  an  Heinrich  1.  von  Saalburg,  der  jedoch  Saalburg  mit  den  beiden 
anderen  Linien  teilen  mufste.  —  Die  Linie  Lobenstein  hatte  sich  1678 
nochmals  geteilt  in  die  Lobenstoiner,  I lirschberger  und  die  Ebersdorfer 
Linie.  Die  Hirschberger  orlosch  schon  1711.  —  Die  Linie  Schleiz  hatte 
keine  eigentlichen  Teilungen  mehr  vorgenommen.  Ein  jüngerer  Sohn 
dos  Stifters,  Heinrich  XXIV.,  hatte  die  Paragiatslinie  Reufs  -  Köstritz 


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XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


gestiftet.  —  Von  Wichtigkeit  war  der  Hausvertrag  der  Reufsen,  dafs 

fortan  keine  weiteren  Teilungen  des  Landes  stattfinden  sollten  (1681). 

Die  ältere  Hauptlinic  besafs  die  Herrschaft  Greiz  und  Burgk  und  einen 
Teil  der  Pflege  Reichenfels.  Vor  dem  Jahre  1768  (s.  oben)  waren  die  Lande 
geteilt ;  die  obergreizische  Linie  besafs  die  Ämter  Obergreiz  und  Dölau  mit  der 
Stadt  Zeulenroda  und  zwei  Dörfern  der  Pflege  Reichenfels ;  —  die  untergreizische 
Linie :  die  Ämter  Untergreiz  und  Burgk.  Überdies  gehörte  jeder  Linie  die  Hälfte 
der  Stadt  Greiz  mit  den  zwei  Residenzschlössern  oben  auf  dem  Berge  und 
unten  im  Tal  der  Elster.  Daher  die  unterscheidende  Bezeichnung  Obergreu 
und  Untergreiz. 

Die  jüngere  Hauptlinie  besafs  in  ihren  drei  Zweigen,  und  zwar:  1.  die 
Geraer  Linie:  die  Herrschaft  Gera  mit  Stadt  und  78  Dörfern,  34  Ritterhöfen 
und  dem  Städtchen  Langenberg,  ferner  das  Amt  Saalburg;  2.  die  Schleizer 
Linie:  die  Herrschaft  Schleiz  mit  Stadt  und  Schlots  und  die  Landeshoheit 
über  Reichenfels,  welches  der  Nebenlinie  Köstritz  gehörte ;  3.  die  Lobensteiner 
Linie:  die  Herrschaft  Lobenstein  und  Ebersdorf;  letztere  bestand  aus  dem 
Amt  Ebersdorf  und  der  Pflege  Hirschberg. 

461.  Fürstentum  Schwarzburg-Sondershausen  und  Schwarzburg- 
Rudolstadt.  Die  drei  Teillinien  des  Hauses  Schwarzburg- Sonders- 
hausen: Arnstadt,  Sondershausen,  Ebeleben  waren  bis  auf  die  Sonders- 
hausener  ausgestorben  (s.  Tabelle  S.  532).  In  letzterer  hatte  Anton 
Günther  I.  die  Regierung  schliefslich  allein  geführt.  Seine  Söhne 
Christian  Wilhelm  und  Anton  Günther  II.  gingen  1681  eine  Teilung  ein. 
Sie  stifteten  die  Linien  Sondershausen  und  Arnstadt.  Im  Jahre  1697 
wurden  sie  in  den  Reichsfürstenstand  erhoben  und  ihre  Grafschaft  zu 
einem  unmittelbaren  Reichsfürstentum  gemacht.  Die  Erbvereinigung 
mit  der  Rudolstadter  Linie  1713  setzte  die  Primogenitur  in  beiden 
Häusern  fest;  die  Landerteilungen  hatten  damit  ihr  Ende  erreicht.  Jedoch 
wurde  die  Spaltung  in  zwei  Hauptlinien  bei  gegenseitigem  Successions- 
recht  festgehalten.  —  Die  Linie  Schwarzburg-Rudolstadt,  in  der 
in  regelmäfsiger  Folge  der  Sohn  auf  den  Vater  gefolgt  war,  wurde  erst 
1710  in  den  Reichsfürstenstand  und  die  Grafschaft  ebenfalls  zu  einem 
unmittelbaren  Reichsfürstentum  erhoben. 

Das  Fürstentum  Schwarzburg-Sondershausen  setzte  sich  <la 
mals  aus  folgenden  Teilstüeken  zusammen:  1.  dem  0 be r f  ü rsten  tu  m  ,  W- 
«tehend  aus  den  Ämtern  Arnstadt  mit  8  Dörfern,  Küfernburg  mit  16  Dörfern, 
Gehren  mit  3  Marktflecken  und  11  Dörfern,  ferner  den  untergleiehischen 
Dörfern  Sulzenbrück,  Ingersleben  und  Günthersleben  nebst  Anteil  an  dem 
Dorfe  Stetten ;  2.  dem  Unterf  ü  rsten  tum,  bestehend  aus  den  Ämtern  Keula 
mit  8  Dörfern,  Scherenberg  mit  Abts-Bessingen  und  3  Dörfern,  Stadt  und  Amt 
Sondershausen  mit  12  Dörfern,  Klingen  mit  12  Dörfern,  Stadt  Greufsen,  Vogtei 
Hafsleben,  Amt  Elxleben  mit  4  Dörfern,  Städtchen  Ehrich  und  Amt  Rodungen 
mit  4  Dörfern. 

Das  Fürstentum  Schwarzburg-Rudolstadt  bestand  ebenfalls  au*: 
1.  dem  Oberfürstentum  mit  den  Ämtern  Rudolstadt  mit  der  gleichnamiger, 
Stadt,  dem  Städtchen  Teichel  und  9  Dörfern,  Blankerode  mit  20  Dörfern. 
Schwarzburg  mit  Städtchen  Königssee  und  34  Dörfern,  Paulinzelle  mit  9  Dörfern. 
Könitz  mit  Schlofs  und  3  Dörfern.  Leutenberg  mit  29  Dörfern,  Ehrenstein  mit 
6  Dörfern,  Ilm  mit  6  Dörfern,  Vogtei  Seebergen;  2.  dem  Unterf ürste n t um 
mit  Stadt  und  Amt  Frankenhausen  und  7  Dörfern,  Amt  Arnsberg  mit  2  Dörfern. 
Straufsberg  mit  2  Dörfern,  Heringen  mit  8  Dörfern,  Kelbra  mit  4  Dörfern  un<l 
schliefslich  dem  Marktflecken  Schlotheim  mit  zwei  Dörfern. 


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462.  Grafschaft  Stolberg  und  Wernigerode.    463.  Bistum  Hildesheim.  599 

462.  Grafschaft  Stolberg  und  Wernigerode.  Von  den  Söhnen 
des  Grafen  Christoph  stammten  die  beiden  Linien  Wernigerode  (Stifter 
Heinrich  f  1672)  und  Stolberg  (Johann  Martin  f  1669)  ab.  Beide  teilten 
sich  unter  den  Enkeln  nochmals  in  die  Wernigeröder  und  Gedernsche 
Linie  und  in  die  Stolberg  -  Stolbergsche  und  Stolberg  -  Roslasche  Linie. 
Die  letzteren  beiden  kommen  hier  in  Frage,  da  sie  das  alte  Territorium 
der  Grafschaft  besafsen. 

Die  Stolberg-Stolbergsche  Linie  besafs  das  Amt  Stolberg  und  Hain  (ersteres 
Lehen  von  Mainz),  ferner  das  Amt  Hohenstein  und  Anteil  am  Klosteramt  Ilfeld 
(beide  zu  Hohenstein  gehörig).  —  Die  Stolberg  -  Roslasehe  Linie  besafs  Amt 
Rosla  und  Questenberg  (Lehen  von  Kursachsen),  Amt  Wolfsberg  (Lehen  von 
Halberstadt),  Ebersburg  und  Berenrode.  —  In  Gemeinschaft  mit  Schwarzburg 
besafsen  die  Grafen  noch  die  Ämter  Heringen  und  Kelbra. 

Die  Grafschaft  Wernigerode  war  seit  1268  ein  Lehen  von  Branden- 
burg. Sie  war  1429  an  Botho  VI.  von  Stolberg  gefallen.  Den  Stoiberger  Grafen 
waren  von  Brandenburg,  welches  die  Lehenshoneit  fortdauernd  besafs,  viele  Ge- 
rechtsame der  Landeshoheit  eingeräumt  worden  (1714).  Die  Grafschaft  umfafste 
Schlols  und  Stadt  Wernigerode,  Amt  Wernigerode,  Gericht  Schierke  und  einen 
Anteil  am  Amt  Hasserode. 

Grafschaft  Hohnstein  war  nach  dem  Aussterben  des  Hohnstein- 
Klettenberger  Stammes  1593  vom  Weifenherzog  Heinrich  Julius  mit  Beschlag 
belegt  und  dem  Grafen  Stolberg,  der  laut  Belehnimg  von  1428  Anwartschaft 
hatte,  vorenthalten  worden.  Erst  1635  wird  den  Stolbcrgern  die  Grafschaft  als 
Lehen  des  Herzogs  zu  Calenberg  eingeräumt.  Im  Jahre  1645  wurde  die  Graf- 
schaft unter  die  beiden  Stolbcrger  Linien  geteilt.  Stolberg-Stolberg  besafs  Amt 
Hohnstein  mit  dem  Städtchen  Neustadt  und  13  Dörfern;  Stolberg-Wernigerode : 
den  Forst  des  Amtes  Hohnstein  mit  dem  Dorf  Rothesitte.  Zur  Grafschaft 
gehörte  auch  das  Stiftsamt  und  Pädagogium  Ilfeld  mit  dem  Flecken  und  zwei 
Vorwerken. 

463.  Bistum  Büdesheim.  Stift  und  Stadt  bildeten  seit  1643  ein 
seltsames  Doppelding  in  kirchlichen  und  staatlichen  Verhältnissen.  Die 
weitaus  gröfsere  Zahl  der  Bewohnerschaft  waren  Protestanten.  Das 
Domkapitel  sah  sich  als  eigentliche  Grundhorrlichkeit  im  Stifte  an. 
Anderseits  war  die  Stadt  so  gut  wie  unabhängig,  ohne  dafs  sie  wie  andere 
freie  Reichsstadt  war. 

Das  Territorium  setzte  sich  aus  folgenden  Teilen  zusammen :  1.  der  Stadt 
Hiklesheim ;  2.  dem  sog.  Kleinen  Stift  mit  der  Stadt  Peine,  den  Ämtern  Peine 
und  Steuerwald,  dem  Dompropsteigebiet  mit  9  Dörfern,  dem  Domkapitelsamt 
Marienburg  und  12  Gerichten ;  3.  dem  sog.  Grofsen  Stift,  welches  dem  Bistum 
im  XVI.  Jh.  verloren  gegangen  und  in  den  Besitz  der  Braunschweiger  gekommen 
war,  die  es  erst  1643  wieder  zurückgaben.  Es  bestand  aus  den  Städten  Alfeld, 
Elze  und  Bokenem,  den  Ämtern  Ruhla,  Poppenburg,  Gronau,  Wirzenburg, 
Bilderlahe,  Woldenberg,  Liebenburg,  Schladen,  Vienenburg  und  Hundesrück, 
ferner  den  Domkapitelsämtern  Steinbrück  und  Wiedelah  und  34  Gerichten  der 
landtagsfähigen  adeligen  Güter.  — 

Die  Abtei  Quedlinburg  stand  mit  ihrer  Vogtei  unter  dem  Schutze 
des  Kurhauses  Sachsen  (seit  1477).  Im  Jahre  1G97  kam  die  Vogtei  an  das 
Kurhaus  Brandenburg.  Es  gehörten  zum  Stift  die  Stadt  Quedlinburg,  der 
Flecken  Ditfurt  und  der  Ramberg  im  Harz. 

Die  Abtei  Gernrode  war  schon  vor  1624  im  Besitz  der  anhaltischen 
Fürsten  gewesen;  172H  wurde  Leopold  von  Dessau  mit  ihr  belehnt.  Das  Stifts- 


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800 


XIII  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


gebiet  bildete  ein  kleines  Amt  mit  der  Stadt  Gernrode,  Vorwerk  Staminefeld, 
Lusthaus  Stubenberg,  Haberfeld,  jedoch  ohne  ein  einziges  Dorf. 

Das  Stift  W  a  1  k  e  n  r  i  e  d.  Die  Schutzvogtei  war  in  verschiedenen  Händen 
gewesen  (der  Grafen  von  Klettenberg,  von  Hohenstein,  der  Herzöge  von  Sachsen); 
1U48  kam  es  an  die  Braunsehweiger,  seit  1672  speziell  an  die  Wolfenbütteler. 
Es  gehörten  dem  Stift  aufser  der  Klosterkirche  mit  Flecken  der  Hüttenort 
Zorge  und  das  Dorf  Hohegeifs. 

464.  Grafschaft  Malisfeld.  Die  hinterortische  Linie  war  1666 
erloschen,  während  die  vorderortische  bis  1780  fortbestanden  hat.  Die 
ganze  Grafschaft  war  teils  kursächsisches,  teils  magdeburgisches  Lehen. 
Da  der  König  von  Preufsen  zugleich  auch  Herzog  von  Magdeburg;  war, 
so  besals  er  auch  die  Lehenshoheit  über  das  gräfliche  Land. 

Der  kursächsische  Anteil  umfafste  die  S.  594  genannten  Städte  und 
Ämter.  —  Der  magdeburgische  Anteil  setzte  sich  zusammen  aus:  1.  dem  Mans 
feldischen  Kreis  mit  dem  Schlofs,  Stadt  oder  Tal-Mansfeld  und  Mittelamt  Man» 
feld  und  dem  Unteramt  der  Herrschaft  Frideburg  mit  Städtchen  Gerbstedt, 
ferner  den  landesherrlichen  Ämtern  Hedersleben,  Grofs-Örner,  Gerbstedt  und  Neu- 
Asseburg  sowie  den  Privatbesitzungen  Amt  Leimbach,  Burg-Örner,  Polleben. 
Helmsdorf,  Gericht  und  Vorwerk  Helbra;  2.  dem  Schraplauisehen  Kreis  mit 
dem  Oberamt  der  Herrschaft  Frideburg  und  Amt  Holzzelle,  Domänenamt  Helffta, 
Amt  Schraplau  und  Bennstedt,  ferner  den  Privatbesitzungen  Amt  Seeburg, 
Erdeborn,  Gericht  Schochwitz  u.  a.  m. 

465.  Fürstentum  Anhalt.    Das  Land  war  noch  immer  unter  die 

vier  regierenden  Fürstenlinien  (die  Dessauer,  Bernburger,  Köthener  und 

Zerbstor)  geteilt.    Auch  Erwerbungen  waren  gemacht  worden ;  so  im 

Jahre  1659  nach  dem  Tode  des  letzten  Grafen  von  Barby  das  Amt 

Walter- Nienburg  und   Mühlingen.    Am  bedeutsamsten  war  aber  der 

Erwerb  der  Herrschaft  Jever  im  Oldenburgischen.    Fürst  Rudolf  von 

Anhalt -Zerbst  (f  1621)  war  mit  Magdalene  von  Oldenburg  vermählt 

gewesen;  nach  dem  Tode  des  letzten  Grafen  von  Oldenburg  1667  fiel 

jene  Herrschaft  an  Rudolfs  Sohn,  Johann. 

Das  Fürstentum  setzte  sich  aus  folgenden  Teilen  zusammen :  1.  Anhalt« 
Dessau,  aus  13  Ämtern  bestehend:  Dessau,  Wörlitz,  Rehsen,  Pohlitz,  Retzau, 
Libbesdorf,  Reupzig,  Scheuder,  Frafsdorf,  Gröbzig,  Radegast,  Sanderslehen, 
Grofs- Aisleben.  Aufserdem  besafsen  die  Dessauer  Fürsten  noch  verschiedene 
Güter  im  Herzogtum  Magdeburg  (Alsleben,  Maxdorf),  im  Havellande  (Mühlow. 
Premnitz),  in  Kursachsen  (Salzfurt,  Löberitz,  Grofs  Möhlau  und  Pratau)  und  in 
Ost  preufsen,  die  teils  von  König  Friedrich  Wilhelm  I.  an  den  alten  Des^auer 
(Fürst  Leopold  I.)  1720  geschenkten,  teils  von  diesem  gekauften  Güter:  den 
Flecken  Bubainen  und  die  Ämter  Norkitten,  Schwägerau,  Woyrothe  und 
I 'usch  dorf.  —  2.  An  halt -Bern  bürg  bestand  aus  8  Ämtern;  im  LTnter 
fÜratentum  an  der  Saale:  Bernburg,  Hecklingen  und  Plötzkau,  im  Oberfürsten- 
tum  am  Harz:  Badenstedt,  Harzgerode,  Güntersberge,  Hoyni  und  Gernrode.  — 
'A.  A  n  halt- Köth  en  mit  4  Ämtern:  Kothen,  Nienburg  oder  Mönch-Nienburg. 
Wulfen  und  Warnsdorf.  —  4.  An  halt- Zerbst  mit  7  Ämtern:  Zerbst,  Walter 
Nienburg.  Dornburg,  Lindau,  Rofslau,  Koswig  und  Mühlingen. 

466.  Königreich  Preufsen.  Am  18.  Januar  1701  hatte  sich  Kur 
fürst  Friedrich  III.  von  Brandenburg  die  Königskrone  in  Königsberg  auf 
das  Haupt  gesetzt.  Als  erster  König  in  Preufsen  beherrschte  er  am 
Ende  seines  Lebens  ein  Gebiet  von  112524  qkm  mit  etwa  1  650000  Seelen 


466.  Königreich  Preufsen. 


601 


Sein  Nachfolger  Friedrich  Wilhelm  I.  und  noch  mehr  sein  Enkel 
Friedrich  II.  vergröfserten  das  Staatsgebiet  um  rund  82000  qkm  und 
legten  den  Grund  zur  Machtstellung  Preufsens,  so  dafs  es  nach  dem 
Hubertusburger  Frieden  in  die  Reihe  der  europäischen  Grofsmächto  ein- 
treten konnte.  —  Bis  zum  Jahre  1770  hatten  sich  die  territorialen  Ver- 
hältnisse folgend ermafsen  gestaltet: 

Im  äufsersten  Nordosten  ist  keine  erhebliche  Neuerwerbung  zu 
verzeichnen.  Das  Herzogtum  Preufsen,  mit  welchem  der  Grofse 
Kurfürst  schon  1641  von  Polen  belehnt  worden  war,  wurde  ihm  nach 
Ahschlufs  des  Schwedisch-Polnischen  Krieges  im  Vertrage  von  Wehlau 
1657  zu  unumschränkter  Herrschaft  zugesichert,  jedoch  unter  Verzicht- 
leistung seinerseits  auf  das  Ermland.  Der  Friede  zu  Oliva  (1660) 
bestätigte  diese  Vereinbarung  und  der  polnische  König  erkannte  dem 
Kurfürsten  die  volle  Souveränität  über  Preufsen  zu.  —  Von  geringer 
Bedeutung  war  der  Erwerb  der  beiden  Herrschaften  Tauroggen  und 
Serrey,  welche  1691  mit  dem  kurfürstlichen  Lande  vereinigt  wurden. 
Den  Grund  hierzu  hatte  die  Heirat  des  Markgrafen  Ludwig  (Bruder 
Friedrichs  I.)  mit  der  Prinzessin  Luise  Charlotte  von  Radziwill  gelegt, 
«lie  jene  beiden  Herrschaften  (auf  heute  russischem  Gebiete)  ihrem 
Gemahl  geschenkt  hatte.  Dieser  war  bereits  1687  gestorben,  die  Prin- 
zessin 1695.  Trotz  des  Einspruchs  des  polnischen  Königs  wurden  diese 
Gebiete  schon  1691  eingezogen,  und  sie  blieben  preufsisch  bis  1793. 

Einen  beträchtlichen  Landzuwachs  erfuhr  das  Gebiet  des  Kurfürsten 
durch  die  Erwerbung  von  Pommern.    Im  Westfälischen  Frieden  war 
dem  Kurfürsten  Hinterpommern  zugesprochen  worden.    Die  Übergabe 
des  Landes  von  Seiten  der  Schweden  verzögerte  sich  bis  1653,  als  es 
durch  den  Grenz  vertrag  zu  Stettin  abgetreten  wurde,  mit  Ausschlufs 
eines  zwei  Meilen  breiten  Streifen  Landes  am  rechten  Oderufer  von 
Kamin  südwärts  über   Greifenhagen   hinaus   bis  an  die  Grenzen  der 
Neumark.    Durch  den  Frieden  von  St.  Germain  1679  trat  Schweden 
auch  das  rechte  Oderufer  ab  mit  Ausnahme  von  Gollnow  und  Damm.  — 
Unter  Friedrich  Wilhelm  I.  kam  auch  ein  Teil  von  Vorpommern  an  das 
Königreich.    Nach  dem  Nordischen  Kriege  traten  die  Schweden  im 
Frieden  zu  Stockholm  1720  an  Preufsen  ab:   Stadt  und  Festung  Stettin, 
die  Städte  Damm  und  Gollnow  rechts  der  Oder,  ferner  Vorpommern, 
zwischen  Oder  und  Peene,  die  Inseln  Usedom  und  Wollin,  das  Haff  und 
die    beiden   östlichen   Odermündungen;   die   westliche  Peenemündung 
bildete  die  Grenze  als  gemeinschaftlicher  Besitz.  —  Am  östlichen  Ende 
von  Hinterpommern  liegen  die  Herrschaften  Lauenburg  und  Bütow,  die 
auf  dem  Vertrage  zu  Bromberg  1657  als  Lehen  an  Brandenburg  ab- 
getreten worden  waren;   auch  die  Kastellanei  (Starostei)  Draheim  in 
Hinterpommern  wurde  damals  von  Polen  pfandweise  überlassen. 

Gegen  SO.  hin  hatte  das  Königreich  durch  Friedrich  den  Grofsen 
eine  Erweiterung  und  Begrenzung  erfahren,  die  bis  zum  heutigen  Tag 
fortbesteht.  Unter  Kurfürst  Joachim  II.  war  bereits  eine  Erbverbrüderung 
mit  dem  Herzog  von  Liegnitz -Brieg-Wohlau  geschlossen  worden  (1537), 
welche  aber  der  böhmische  König  nicht  anerkannt  hatte  (S.  479).  Als 


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602 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


1675  das  Liegnitzer  Fürstenhaus  im  Mannesstamm  erloschen  war,  gelang 
es  dem  Grofsen  Kurfürsten  nicht,  jenen  Vertrag  zur  Ausführung  zu 
bringen.  Er  mufste  sich  mit  dem  zum  Fürstentum  Glogau  gehörigen 
Kreis  Schwiebus  begnügen,  der  einige  Jahre  später  (Retraditionsrezefe 
von  1694)  durch  eine  Intrige  dem  preufsischen  Staate  wieder  abwendig 
gemacht  wurde.  —  Erst  Friedrich  der  Grofse  brachte  den  Streit  wegen 
der  Liegnitzer  Erbschaft  endgültig  zum  Abschlufs;  der  Friede  von 
Hubertusburg  1763  trug  ihm  nicht  nur  die  geforderten  drei  schlesischen 
Fürstentümer  ein,  sondern  ganz  Ober-  und  Niederschlesien  mit  dem  zu 
Mähren  gehörigen  Distrikt  von  Katscher  und  der  Grafschaft  Glatz. 
Ausgeschlossen  blieb  das  Fürstentum  Teschen  mit  Oderberg  und  die 
Stadt  Troppau.  Im  weiteren  verzichtete  Maria  Theresia  als  Königin  von 
Böhmen  auf  alle  Lehensrechte  über  Krossen,  Kottbus,  Peitz,  Teupitz. 
Beeskow,  Storkow,  Zossen  und  die  Herrschaft  Schwiebus,  die  hiermit  an 
Preufson  zurückfiel. 

Das  Königreich  Preufsen  setzte  sich  um  1770  aus  folgenden  Terri- 
torien zusammen: 

Mark  Brandenburg,  welche  in  die  Kurmark  (d.  i.  die  Altmark,  Mittel- 
mark,  Priegnitz,  Ukermark)  und  die  Neumark  zerfiel,  a)  Die  Altmark  (mit 
14  Städten  und  564  Dörfern)  bestand  aus  sieben  Kreisen:  Stendal,  Salzwedel, 
Gardelegen,  Arendsee,  Seehausen,  Tangermünde  und  Arneburg,  b)  Die  Prignitz 
(mit  11  Städten  und  246  Dörfern)  war  in  sieben  Kreise  geteilt  :  Perleberg,  Pritzwalk. 
Kyritz,  Havelberg,  lenzen,  Wittstock  und  Wilsnack.  Von  Wilsnack  wurde  1765 
der  Plattenburgische  Kreis  abgezweigt.  Die  Plattenburg  am  Flufs  Carthan  ge- 
hörte ehemals  den  Bischof eu  von  Havelberg.  _c)  Die  Mittelmark  (mit 
62  Städten  und  etwa  1000  Dörfern),  bestehend  aus  acht  Kreisen:  Havelland, 
Nieder-  und  Oberbarnim,  Lebus,  Teltow,  die  Zauche,  Ruppin  und  Beeskow- 
Storkow.  Vom  Havellande  war  der  Glin-Löwenbergische  Kreis  1680  abgetrennt 
worden.  Im  Jahre  1772  wurde  der  Luckenwalder  Kreis  hinzugefügt,  der  früher 
als  Exklave  zum  Herzogtum  Magdeburg  gehört  hatte.  Zum  Teltow  war  auch 
das  sogenannte  Schenkenland  geschlagen  worden ,  aus  den  Herrschaften 
Wusterhausen  und  Teupitz  bestehend,  d)  Die  Ukermark  (mit  19  Städten 
und  375  Dörfern)  bestehend  aus  dem  Ukermärkischen  und  Stolpischen  Kreise; 
letzterer  mit  der  Markgräflich-Schwedtechen  Herrschaft  (Schwedt  und  Vierraden  , 
e)  Die  Neu  mark  (mit  38  Städten);  sie  bestand  aus  der  Stadt  Küstrin,  den 
drei  vorderen  Kreisen  Soldin,  Königsberg  und  Landsberg  und  den  vier  hinteren 
Kreisen  Friedeberg,  Arnswalde,  Dramburg  und  Schievelbein.  Zu  diesen  Kreisen 
der  ursprünglichen  Neumark  waren  später  hinzugefügt  worden :  das  Land  Stern 
berg  (als  Teil  von  Lebus,  vgl.  S.  33b),  der  Kreis  Krossen  und  Züllichau  (das 
ehemalige  Herzogtum  Krossen  bildend)  und  der  Kreis  Kottbus  mit  Kottbus 
und  Peitz. 

Herzogtum  Pommern  umfafste  ganz  Hinterpommern  mit  dem  ehemalig»» 
Fürstentum  Kamin  und  einen  Teil  von  Vorpommern  bis  zur  Peene  (d*1 
übrige  war  noch  schwedischer  Besitz).  Der  Bezirk  der  Kriegs- und  Domänen 
kammer  zu  Stettin  enthielt:  1.  den  Kreis  Randow  mit  Stettin,  2.  Krei* 
Anklam,  3.  Demmin  und  4.  Usedom  mit  den  Ämtern  Jasenitz,  ükermönde, 
Spantikow,  Königs-Holland,  Torgelow,  Stolpe,  Klempenow,  Verchen,  Treptow 
Lindenberg,  Loitz,  Padagla  (Pudgla  auf  Usedom)  und  Wollin.  In  Hinterpommern 
gehörten  zum  Stettiner  Bezirk  acht  Kreise:  1.  Greifenhagen  (mit  den  Ämtern 
Colbatz,  Wildenbruch  und  Stepenitz),  2.  Kreis  Pyritz  (mit  Stargard  und  den 
Ämtern  Pyritz,  Dölitz  und  Marien fliefs),  3.  Kreis  Saazig  (mit  den  Ämtern 
Saazig,  Etavenstein,  Massow,  Bernstein).    4.  Kreis  Naugard  -  Dabern  (mit  den 


466.  Königreich  Preußen.  603 

Ämtern  Golnow,  Gülzow,  Naugardten),  5.  Kreis  Regenwalde  und  Labes,  auch 
Borkscher  Kreis  genannt,  6.  Kreis  Flemming  mit  Kamin,  7.  Kreis  Greifen- 
berg mit  Amt  Belbuck,  8.  Osten-Blücherscher  Kreis  um  Plathe  an  der  Rega. 
Der  Bezirk  Köslin  zerfiel  in  acht  Kreise:  t.  Kreis  Bclgard-Polzin,  2.  Kreis 
Neustettin  (mit  den  Ämtern  Neustettin,  Ratzebur  und  Draheim),  3.  Kreis  Köslin, 
auch  das  »Fürstentum«  (nämlich  Kamin)  genannt  (mit  den  Ämtern  Kolberg, 
Köslin,  Körlin,  Kasimirsburg,  Bublitz,  Friedrichsburg  [ehemals  Quarkenburg] ), 
4.  Kreis  Schlawe  (mit  den  Ämtern  Rügenwalde  und  Buckow),  5.  Kreis  Stolpe 
mit  Amt  Schmolsin,  6.  Kreis  Rummelsburg,  7.  Kreis  Bütow,  8.  Kreis  Lauenburg. 

Herzogtum  Schlesien.  Die  alte  Landesverfassung  mit  ihren  Fürsten- 
tagen hatte  Friedrich  der  Grofse  beseitigt.  Unter  seiner  Oberhoheit  als  Herzog 
von  Schlesien  liefs  er  die  fünf  mittelbaren  Fürstentümer  (Breslau,  Öls,  Troppau- 
Jägerndorf  und  Sagan,  Münsterberg)  bestehen  und  fügte  zwei  neue  (Carolath  und 
Trachenberg)  noch  hinzu.  Von  den  sechs  freien  Standesherrschaften  verblieben 
daher  noch  vier  (Wartenberg,  Militsch,  Plefs  und  Beuthen).  — '  Das  ganze  Land 
wurde  in  zwei  Kriegs-  und  Domänenkammerbezirke  eingeteilt:  zu  Breslau  mit 
40  Kreisen  und  Grofsglogau  mit  26  Kreisen. 

A.  Bezi rk  Breslau,  und  zwar  in  Niederschlesien  drei  unmittel- 
bare Fürstentümer:  1.  Fürstentum  Breslau  (mit  vier  Kreisen:  Breslau,  Neu- 
markt, Kanth,  Namslau),  2.  Fürstentum  Brieg  (mit  sechs  Kreisen :  Brieg,  Ohlau, 
Strehlen,  Nimptsch,  Kreuzburg,  Pitschcn),  3.  Fürstentum  Schweidnitz  (mit  fünf 
Kreisen:  Schweidnitz,  Striegau,  Bolkcnhain,  Landshut,  Reichenbach).  —  Drei 
mittelbare  Fürstentümer:  l.  Fürstentum  Neifse  unter  dem  Bischof  von 
Breslau  (mit  zwei  Kreisen:  Neifse  und  Grottkau),    2.  Fürstentum  Öls,  stand 
vorher  noch  unter  den  Nachfolgern  des  Prinzen  Sylvius  Nimrod,  Herzogs  zu 
Wirtemberg ,  die  es  unter  sich  teilten  und  teilweise  wieder  vereinigten.  Der 
letzte  weibliche  Spröfsling  des  Hauses  hatte  sich  1768  an  den  Prinzen  Friedrich 
von  Braunschweig-Wolfenbüttel  vermählt.    Das  Fürstentum  bestand  aus  vier 
Kreisen:  Öls,  Bernstadt,  Trebnitz  und  Konstadt;   3.  Fürstentum  Münsterberg, 
seit  1653  unter  den  Grafen  von  Auersberg  (mit  zwei  Kreisen :  Münsterberg 
und  Frankenstein).  —  Zwei  freie  St a n des herrsc haften:  1.  Standesherr- 
schaft Wartenberg  unter  dem  Herzog  von  Kurland  mit  der  Standesherrschaft 
Goschütz  (seit  1741)  den  Kreis  Wartenberg  umfassend.  —  In  Oberschlesien 
l>efitanden  zwei  unmittelbare  Fürstentümer:  1.  Fürstentum  Oppeln  (mit 
zwölf  Kreisen :  Oppeln,  Rosenberg,  Lublinitz,  Grofsstrehlitz,  Tost,  Gleiwitz  und 
Slawentitz,  Kosel,  Ober-  oder  Kleinglogau,  Neustadt  und  Zülz,  Falkenberg; 
2.  Fürstentum  Ratibor  (ein  Kreis).  —  Zwei  mittelbare  Fürstentümer,  die 
nach  dem  Friedensschlufs  nur  teilweise  in  preufsischen  Besitz  kamen,  soweit 
sie  links  der  Oppa  gelegen  waren,  nämlich:  1.  Fürstentum  Troppau  (die  Stadt 
dieses  Namens  war  österreichisch  geblieben),  seit  1614  unter  Karl  von  Liechten- 
stein und  seinen  Nachkommen ;   ebenso  2.  Fürstentum  Jägerndorf,  von  1523 
bis  1621  unter  Hohenzollern,  seit  1622  unter  den  Liechtenstein.   Beide  Fürsten- 
tümer mit  dem  Distrikt  Katseher  (westlich  von  Ratibor)  machten  einen  Kreis 
mit  der  Kreisstadt  Leobschütz  aus.  —  Zwei  freie  Standesherrschaften: 
1.  Standesherrschaft  Plefs  war  im  Besitz  des  Hauses  Promnitz,  in  welchem 
Siegmund  Seyfried  1652  vom  Kaiser  zum  Reichsgrafen  erhoben  worden  war. 
Mit  Loslau  und  Oderberg  machte  sie  den  Kreis  Plefs  aus;  2.  Standesherrschaft 
Beuthen  im  Besitz  der  Freiherren  Henckel  von  Donnersmarek,  die  1651  in  den 
Reichsgrafenstand  erhoben  wurden.    Sie  bildete  den  Kreis  Beuthen.  —  Zwei 
freie  Min  der  herrsc  haften   (stafus  minores,  welche  auf  den  ehemaligen 
Fürstentagen  kein 'Virilstimme  hatten):  1.  Minderherrschaft  Loslau,  2.  Minder- 
herrschaft Oderberg;  beide  gehörten  zum  Kreise  Tiefs. 

B.  Bezirk  Grofsglogau,  einen  Teil  von  Niederschlesien  ausmachend. 
Vier  unmittelbare  Fürstentümer:  1.  Fürstentum  Jauer  (mit  vier  Kreisen: 
Jauer,  Hirschberg,  Löwenberg,  Blindau),  2.  Fürstentum  Liegnitz  war  mit  dem 
nachfolgenden  Wohlau  vereinigt  gewesen  in  der  Hand  Georg  Rudolfs.  Da 


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im 


XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


dieser  1G53  ohne  Söhne  starb,  fiel  sein  Land  wieder  an  die  ßrieger  Linie, 
an  Johann  Christian  (f  11)311),  zurück.  Dessen  drei  Sühne  teilen  das  Ganze. 
Georg  III.  (Brieg),  Ludwig  IV.  (Liegnitz)  und  Christian  (Wohlau  mit  dem 
Weichbilde  Ohlau).  Da  die  beiden  ersten  1663/64  ohne  Nachkommen  starben, 
vereinigte  Christian  das  väterliche  Erbe.  Dieser  starb  1672;  auch  sein  viel- 
versprechender, noch  jugendlicher  Sohn  Georg  Wilhelm,  als  Letzter  des  alten 
Piastenstammes,  folgte  ihm  1675  ins  Grab.  Der  Kaiser  zog  nunmehr  die  Fürsten- 
tümer als  offene  Lehen  ein  trotz  der  berechtigten  Ansprüche  des  Grofsen  Kur- 
fürsten (s.  oben).  Das  Fürstentum  Liegnitz  zerfiel  in  sechs  Kreise:  Liegnitz, 
Goldberg,  Hainau,  Lüben,  Parchwitz,  Mertschütz,  3.  Fürstentum  Wohlau  (mit 
fünf  Kreisen:  Wohlau,  Winzig,  Herrnstadt,  Steinau  und  Räuden),  4.  Fürsten- 
tum Glogau  (mit  fünf  Kreisen:  Grofsglogau,  Guhrau,  Freistadt,  Grünberg, 
Sprottau  und  Seh wiebus).  —  Drei  mit  telba re  Fürst  entümer:  1.  Fürstentum 
Sagan,  im  Besitz  der  Fürsten  von  Lobkowitz  (mit  drei  Kreisen :  Sagan,  Priebus, 
Naumburg  am  Bober);  2.  Fürstentum  Traehenberg,  im  Besitz  der  Grafen  von 
Hatzfeld,  die  1741  in  den  preufsisehen  Fürstenstand  erhoben  worden  waren 
3.  Fürstentum  Carolath,  ebenfalls  1741  zum  Fürstentum  erhoben  (gehörte  zum 
Kreis  Freistadt).  —  Die  freie  Standesherrschaft  Militsch,  seit  1590  im  Besitz 
der  Freiherren  von  Malzan.  —  Drei  freie  Minderherrschaften:  1.  Minder- 
herrsehaft  Neuschlofs.  2.  Minderherrschaft  Freyhan.  3.  Minderherrschaft  Sulau. 
Diese  drei  Herrschaften  zusammen  mit  der  Standesherrschaft  Militsch  und  dem 
Fürstentum  Traehenberg  bildeten  den  Kreis  Militsch. 

Die  Grafschaft  Glatz  war  früher  in  verschiedenen  Händen  als  Lehen, 
Pfand  o.  dgl.  gewesen.  Seit  1561  war  sie  ständig  bei  Böhmen  gewesen,  bis 
sie  Friedrich  der  Grofse  1742  eroberte.  Sie  bildete  nur  einen  landrätlichen 
Kreis,  der  in  sechs  Distrikte  geteilt  wurde:  den  Glatzer,  Landecker,  Habel 
schwerdter,  Hummelschen,  Wünsehelburgischen  und  Neuroder  Distrikt. 

Herzogtum  Magdeburg  bestand  aus  vier  Kreisen,  von  denen  der  Holz- 
kreis und  Jerichowsche  Kreis  den  zusammenhängenden  Hauptbestand,  der  Saal- 
kreis und  Luckenwaldische  Kreis  gesonderte  Bezirke  bildeten.  1.  Der  Holzkreis 
lag  links  der  Elbe  mit  Magdeburg  und  Kalbe,  der  Residenz  der  Erzbischöfe. 
Es  gehörten  hierzu  die  Amter  der  Möllenvogtei  mit  der  Neustadt  Magdeburg, 
Sudenburg,  einem  Teil  des  Neumarkts  in  der  Altstadt  Magdeburg  und  mehn*ren 
Dörfern,  ferner  die  Ämter  Kalbe,  Brumby,  Egeln,  Athensleben,  AltSafsfurt, 
Wansleben,  Dreileben,  Wolmirstädt,  Sommerschenburg,  Alvensleben,  Unnnen- 
dorf,  Ampfurt-Schernike,  Schönebeck,  Aken,  Rosenburg  und  die  Klosterämter 
Gottes  Gnade  bei  Kalbe  und  Hillersleben.  2.  Der  Jerichowsche  Kreis  rechts 
der  Elbe  bis  zur  Havel  mit  den  Ämtern  Jericho w,  Sandau,  Alten-Plathow, 
Loburg,  Derben-Ferchland  und  Nigrip.  3.  Der  Saalkreis  mit  der  Stadt  Halle 
und  den  Ämtern  Giebichenstcin,  Rothenburg,  Wettin,  Brach witz,  Beesen  und 
Petersberg.   4.  Luckenwaldiseher  Kreis  mit  dem  Klosteramte  Zinna. 

Fürstentum  Halberstadt.  Das  Stiftsgebiet  war  1648  säkularisiert  und 
dem  Grofsen  Kurfürsten  zugesprochen  worden.  Es  zerfiel  in  fünf  Teile:  1.  der 
Halberstädtische  Kreis  mit  der  gleichnamigen  Stadt,  den  vier  Ämtern:  Ann 
der  Majorei  in  der  Stadt,  Amt  Groningen,  Kloster  Groningen,  Schianstedt  nebst 
der  Grafschaft  Regenstein,  ferner  dem  dompropsteilichen  Amt  Harslebcn  sowie 
den  Gerichten  Aderstedt,  Beckendorf,  Einersieben,  Gunsleben,  Langenstein 
Neindorf,  Nienburg  und  Nienhagen.  Wegen  Regenstein  war  Streit  mit  Braun 
schweig.  Es  gehörten  zu  dieser  Grafschaft  damals  die  Ämter  Westerhausen, 
Stecklenberg  und  Westerburg;  2.  der  Ascherslebensche  oder  Ermslebensehe 
Kreis  mit  der  Stadt  Aschersleben,  den  Ämtern  Gatersleben,  Haus  Neindorf. 
Ermsleben  und  Conradsburg,  dem  Domkapitelsamt  Schneidlingen,  dem  Amt 
Wieningen  (im  Besitz  von  Hessen  •  Honiburg),  dem  Vorwerk  Victorseck  im 
Besitz  von  Änhalt- Bernburg),  dem  Gerieht  Westorf  und  dem  asseburgischen 
Amt   Falkenstein ;    3.  der  Üseherslebensehe  Kreis  mit  den  Ämtern  Oscher» 


466.  Königreich  Preufsen. 


605 


leben,  Krottorf,  Emmeringen  und  Weferlingen  ;  4.  der  Osterwieck-Hornbiirgische 
Kreta  mit  der  Stadt  Osterwieck,  den  Ämtern  Hornburg,  Wülperode  und  Stötter- 
lingen,  dem  Domkapitelsamt  Zilly,  dem  dompropsteilichen  Amt  Dardessen  und 
den  adeligen  Gerichten  Börsel  und  Deersheim;  5.  die  Herrschaft  Derenburg 
mit  dem  Städtchen,  einem  Dorf  Danstedt  und  zwei  Vorwerken. 

Herrschaften  Lohra  und  Klettenberg  waren  nach  einem  langen  Erb- 
schaftsstreit  im  Westfälischen  Frieden  für  Halberstädter  Stiftslehen  erklärt 
worden  und  somit  dem  Kurfürsten  zugefallen.  Die  Herrschaft  Lohra  bestand 
aus  der  Stadt  Bleicherode,  den  Ämtern  Lohra,  Mönchenlohra,  Kleinbodungen. 
Nora  und  Dieteborn  und  zehn  Dörfern.  Die  Herrschaft  Klettenberg  umfafste 
die  Städte  Elrich  und  Sachsa,  die  Ämter  Klettenberg,  Frohnderode,  Mauderode, 
Woffleben  und  Benneckenstein  mit  dem  gleichnamigen  Städtchen  und  zwölf 
Dörfern. 

Fürstentum  Minden.  Das  Bistum  war  ebenfalls  im  Westfälischen  Frieden 
jwufsisch  geworden  unter  dem  Titel  eines  Fürstentums.  Es  umschlofs  die  zwei 
unmittelbaren  Städte  Minden  und  Lübbecke  und  fünf  Ämter:  Hausberge  mit 
den  Vogteien  zwischen  Berg  und  Bruch,  Gohfeld,  übernstieg  und  Landwehre; 
Detershagen  mit  der  Stadt  und  den  Vogteien  Windheim,  auf  der  Börde  und 
Hofmeister;  Reineberg  mit  den  Vogteien  Quernheim,  Gohlenbeck,  Levern,  Als- 
wede, Schnathorst  und  Blasheim ;  Rahden  mit  zwei  Vogteien :  Rahden  und 
Stemmwederbelg,  und  Schlüsselburg  mit  dem  Flecken,  den  Kirchspielen 
Heimsen  und  Buchholz  sowie  einigen  Dörfern. 

Herzogtum  Cleve,  Grafschaften  Mark  und  Ravensberg.  Nach  anfangs 
gemeinschaftlichem  Besitz  von  Pfalz-Neuburg  besafs  der  Kurfürst  von  Branden- 
burg die  Grafschaften  Cleve  und  Mark  seit  1624  für  sich  allein,  seit  1666  auch 
Ravensberg. 

Das  Herzogtum  Cleve  umfafste  drei  Städtekreise  zu  beiden  Seiten 
des  Rheins  mit  29  Städten  (unter  anderen  Cleve,  Emmerich,  Zevenaar,  Huissen, 
Büderich,  Goch,  Kalkar,  Orsoy,  Xanten,  Duisburg,  Dinslaken,  Rees,  Ruhrort, 
Schermbeck,  Wesel) ,  ferner  a)  den  Clcveschen  Kreis  mit  den  wintern  Cleve, 
Cleverhamm,  Kalkar,  Düffel.  Kranenburg,  Grieth,  Gennep - Oeffeld,  Gennep- 
Ottersum,  Asperden,  Goch,  Uedem.  Herrschaft  Hamb,  Amt  Winnekendonk. 
Sonsbeck  sowie  15  Unterherrschaften ;  —  b)  den  Emmerichschen  Kreis  mit 
den  Ämtern  Huissen  und  Malbourgen,  Lymers,  Lobith,  Emmerich,  Hettcr, 
Rees  und  Kgl.  Kirchspiel  Grietherbusch,  sowie  i)  Unterherrschaften; 
c)  den  Weselschen  Kreis  mit  den  Ämtern  Xanten,  Winnental,  Büderich 
Wallach,  Bislich,  Wesel,  Holten,  Schermbeck.  Götterswickerhamm,  Spellen, 
Dinslaken.  Beeck,  Orsoy  und  12  Unterherrschaften.   Vgl.  Fabricius,  S.  231  ff. 

Die  Grafschaft  Mark  zerfiel  in  vier  land rätliche  Kreise  und  diese  in 
sechs  Landgerichtsbezirke:  1.  Landgericht  Hamm  mit  gleichnamigem  Amt, 
2.  Unna  mit  den  Ämtern  Unna,  Camen,  Schwerte,  Lünen,  Hörde,  3.  Hagen 
mit  Amt  Wetter  und  Städtchen  Herdicke,  4.  Altena  mit  Stadt  und  Amt, 
ferner  Amt  Nienrade,  Iserlohn,  5.  Lüdenscheid  mit  sieben  Gerichten.  6.  Bochum 
mit  den  Ämtern  Bochum  und  Blankenstein,  7.  das  Gogericht  Schwelm,  8.  Amt 
Plettenberg,  9.  verschiedene  Patrimonialgerichtsbezirke  am  Hellwege,  10.  im 
Sauerlande  :  Bruch  und  Hemern,  11.  die  Soestische  Börde  mit  zehn  Kirchspielen, 
12.  die  Grafschaft  Limburg  (im  Besitz  des  gräflichen  Hauses  Tecklcnburg-Bent- 
heim-Stcinfurt),  13.  Stadt  Lippstadt. 

Die  Grafschaft  Ravensberg  umfafste  die  unmittelbaren  Städte  Biele- 
feld und  Herford,  die  vier  hinter  Sparenberg  mit  fünf  Distrikten,  Ravensberg 
mit  drei  Vogteien,  Limberg  mit  zwei  Vogteien  und  Vlotho  mit  zwei  Vogteien. 

Fürstentum  Mörs  war  als  Grafschaft  schon  1267  ein  clevesches  Lehen. 
Nach  dem  Aussterben  der  Grafen  von  Mörs  war  sie  lange  im  Besitz  der 
Nassauer  (Ottonischen  Linie)  und  kam  dann  (1702>  an  Brandenburg.  1707  wurde 


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XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


sie  zum  Fürstentum  erhoben.  Es  gehörten  zu  ihr  die  Stadt  und  Hundertschaft 
Mörs,  sechs  Kirchspiele,  die  Herrlichkeit  Friemersheim  mit  drei  Kirchspielen, 
Herrlichkeiten  Crcfeld,  Krakau,  Budberg  und  Ossenberg. 

Grafschaft  Tecklenburg.  Unter  Hans  Adolf  (seit  1674)  ging  die  Graf 
schuft  ihrem  Zerfall  entgegen;  Graf  Konrad  von  Solms-Braunfels,  Sohn  einer 
Tochter  des  Tecklenburger  Grafen  Otto  VH.  (f  1534),  machte  1576  Ansprüche 
auf  einen  Teil  der  seiner  Mutter  nicht  zugestandenen  Erbschaft.  Nach  einem 
Jahrhundert  nahmen  die  Nachkommen  jenes  Konrad  den  Prozefs  1686  und 
1696  wieder  auf  und  gewannen  ihn  auch.  1698  verglichen  sich  die  Grafen 
von  Solms  mit  Hans  Adolf  dahin,  dafs  Schlots  Tecklenburg  und  drei  Viertel 
der  Grafschaft  sowie  ein  Viertel  von  Schlofs  und  Herrschaft  Rheda  an  die 
Sohns  fallen  sollten.  Indessen,  Friedrich  Moritz,  der  Bruder  und  Nachfolger 
Hans  Adolfs,  focht  den  abgeschlossenen  Vertrag  abermals  an,  und  die  Solmser 
Grafen  hielten  es  für  angezeigt,  ihren  Anteil  an  König  Friedrich  I.  von  Preufsen 
für  300000  Taler  zu  verkaufen.  Dieser  liefs  1707  die  Grafschaft  und  Rheda 
besetzen  und  verglich  sich  mit  Friedrich  Moritz  wegen  dessen  Viertelanteils 
an  der  Grafschaft.  Doch  gab  König  Friedrich  Wilhelm  I.  von  Preufsen  172H 
die  Herrschaft  Rheda  wieder  heraus  und  erhielt  dafür  die  ganze  Grafschaft 
Tecklenburg,  während  die  Tecklenburger  Grafen  sich  mit  Rheda  und  Limburg 
begnügten.    Essellen,  Gesch.  d.  Gr.  Teckl.,  S.  160,  198 f.,  200. 

Die  Grafschaft  umfafste  die  Städtchen  Tecklenburg,  Lengerich  oder 
Margareten-Lengerke  und  Wester-Cappeln  mit  sieben  Kirchspielen. 

Grafschaft  Lingen  war  seit  Wilhelm  1.  (1578)  in  der  Hand  der  Oranier 
gewesen  und  kam  nach  dem  Tode  des  letzten  Oraniers  Wilhelm  III.  an  da* 
Königreich  Preufsen.  Wilhelm  III.  war  mit  der  Tochter  Jakobs  II.  von  Eng 
land  vermählt,  seit  1688  Königs  von  Grofsbritannien.  Nach  seinem  Tode  1702 
beanspruchte  die  Grafschaft  gegenüber  dem  Prinzen  Johann  Wilhelm  Frieso  von 
Nassau-Diez  der  König  von  Preufsen  Friedrich  I. ;  letzterer  gestützt  auf  das 
Testament  seines  mütterlichen  Grofsvaters,  des  Prinzen  Friedrich  Heinrich  von 
Oranien,  der  seine  Tochter  Luise  (Gemahlin  des  Grofsen  Kurfürsten)  und  ihre 
Erben  seinem  eigenen  Sohne  Wilhelm  substituiert.  Daher  ergriff  der  König 
am  25.  März  1702  sofort  von  Lingen  Besitz. 

Cf .  E  s  s  e  1  e  n ,  Gschft.  Tecklenburg,  S.  200  f.  Möller,  Gesch.  v.  Lingen. 
S.  195.  —  Die  Grafschaft  war  eingeteilt  in  die  niedere  Grafschaft  mit  den 
Städten  Lingen  und  Freren  und  acht  Kirchspielen  und  die  obere  Grafschaft 
mit  Stadt  und  Land  Ibbenbühren,  Brochterbeck,  Recke  und  Mettingen. 

Fürstentum  Ostfriesland.  Graf  Enno  Ludwig  war  1654  zum  Reichs 
fürsten  ernannt  worden.  —  In  den  Streit  zwischen  der  Fürstin  Christine 
Charlotte,  welche  1665—1690  die  vormundschaftliche  Regierung  für  ihren  noch 
unmündigen  Sohn  Christian  Eberhard  führte,  mit  den  Ständen  des  Landes 
hatte  sich  der  Grofse  Kurfürst,  für  die  letzteren  Partei  ergreifend,  eingemischt 
(1672).  Für  seine  Bestrebungen,  soweit  sie  Seehandel,  Kolonien  und  Kriegs 
Hotten  betrafen,  schien  ihm  Ostfriesland  ein  geeigneter  Stützpunkt  zu  sein;  er 
suchte  sich  daher  zunächst  eine  Anwartschaft  zu  sichern.  1682  nahm  er  die 
Festung  G retsiel  an  der  Emsmündung  mit  Gewalt  und  stand  so  mit  einem 
Fufs  schon  im  Lande;  bald  folgte  Emden,  wo  mit  den  Ständen  ein  Pakt  zum 
Schutze  des  Landes  geschlossen  wurde.  —  Durch  Abtretung  des  Kreises  Schwiebus 
erreichte  es  Kurfürst  Friedrich  III.  von  Brandenburg,  dafs  ihm  1694  vom 
Kaiser  die  Anwartschaft  auf  Ostfriesland  zuerkannt  wurde.  Cf.  K 1  o  p  p ,  Ostfr.  IL 
384,  404,  450,  463.  Perizonius,  Gesch.  Ostfr.  III,  227,  356.  —  Als  mit 
Karl  Edzard  1744  der  letzte  Cirksena  ins  Grab  gesunken  war,  liefs  Friedrich 
der  Grofse,  der  in  Erwartung  des  alsbald  eintretenden  Falles  kurz  vorher  mit  öVr 
Stadt  Emden  einen  Vertrag  geschlossen  hatte,  am  26.  Mai  vom  Lande  sofort 
Besitz  ergreifen.     Klopp,  Gesch.  Ostfr.  II,  579  ff.     Perizonius,  IV,  lff 

Einteilung  und  Umfang  des  Fürstentums  waren  folgende:  1.  Stadt  und 
Amt  Aurich  mit  sechs  Vogteien ;  2.  Stadt  und  Amt  Norden  mit  zwei  Vogteien 


Dioi 


467.  Polnische  Gebiete. 


607 


«ler  Insel  Juist  und  den  Teel-Landen;  3.  Stadt  und  Amt  Emden  mit  sechs 
Vogteien;  4.  Amt  Berum  mit  vier  Vogteien  und  den  Inseln  Norderney  und 
Raitrum;  5.  Amt  Gretsiel  mit  zwei  Vogteien  und  Borkum;  6.  Amt  Pewsum 
mit  vier  Kirchspielen;  7.  Amt  Leer  mit  fünf  Vogteien;  8.  Amt  Stickhausen 
mit  zwei  Vogteien ;  9.  Amt  Friedeburg  mit  zwei  Vogteien.  Aufserdem  gehörten 
zum  Fürstentum  sieben  adlige  Herrschaften :  Dornum,  Lütetsburg,  Jennelt, 
Risum,  Petkum,  Loge  und  Goedens.  —  Das  Harlinger-Land  war  Lehen 
des  Herzogtums  Geldern;  es  umfafste  Stadt  und  Amt  Esens  und  Amt  Witt- 
mund sowie  die  Inseln  Langeoog  und  Spiekeroog. 

Obergel  (lern  war  nach  dem  Utrechter  Frieden  1713  dem  preufsischen 
Könige  als  Entschädigung  zugesprochen  worden.  Wahrend  ein  Teil  von 
<  leidem  österreichisch  (s.  S.  565)  war,  wurde  der  andere  preufsisch.  Es  gehörten 
hiereu  die  Städte  und  Ämter  Geldern .  Stralen ,  Wachteudonk ,  Middelaar, 
Kriekenbeek,  das  Land  Kessel,  die  Herrschaften  Walbeek,  Twistede,  Well, 
Aarssen,  Aafferden  und  das  (unter  Oberhoheit  der  Generalstaaten  stehende)  Drost- 
amt  Montfoord. 

Preufsen.  Um  das  Jahr  1770,  also  vor  der  ersten  Teilung  Polens  war 
'ler  Besitz  des  preufsischen  Königs  noch  immer  nur  auf  jene  Stücke  Ostpreufsens 
iwschränkt,  wie  sie  s.  Z.  Kurfürst  Johann  Sigismund  erworben  und  ererbt 
hatte  (also  mit  Ausschlufs  von  Pomesanien  und  Ermland).  Der  königlich 
preufsische  Anteil  war  von  Friedrich  dem  Grofsen  1752  in  zehn  Kreise  geteilt 
worden,  doch  bestand  die  ältere  Einteilung  in  Distrikte  und  Ämter  nebenher. 
1.  Särländischer  Distrikt  (Samland  und  Teile  von  Nadrauen  und  Barten)  mit 
Her  Hauptstadt  Königsberg  und  den  Hauptämtern  Fischhausen,  Schaaken, 
I^abiau  und  Tapiau.  2.  Natangischer  Distrikt  (Natangen,  Teile  von  Barten  und 
Galindien)  mit  acht  Ämtern :  Brandenburg,  Balga,  Bartenstein,  Gerdauen,  Barben, 
Rastenburg,  Angerburg  und  Sehesten.  3.  Oberländischer  Distrikt  (Teile  von 
Pogesanien,  auch  Pomesanien  und  Galindien)  mit  zehn  Ämtern :  Gilgenburg, 
Orteisburg  mit  Wittenberg,  Neidenburg,  Osterode  mit  Hohenstein,  Deutseh- 
Evlau,  Marienwerder  mit  Kiesenburg,  Schönberg,  Mohrungen.  Preulsisrh  Mark 
und  Prcufsiseh-Holland.  4.  Litauischer  Distrikt  (Klein-Litauen)  mit  den  Ämtern: 
Memel,  Tilsit,  Iiagnit  und  Insterburg.  5.  Polnischer  Distrikt  mit  fünf  Ämtern: 
Oletzko,  Lick,  Johannesburg,  Lotzen  und  Rhein. 

Wegen  Grafschaft  Mansfeld  s.S.  600;  wegen  Grafschaft  Werni- 
gerode S.  590  und  Neuehätel  in  der  Schweiz  S.  589. 

407.  Polnische  Gehlete.  Vor  der  ersten  Teilung  Polens  gehörte 
Westpreulsen  noch  zu  diesem.  Erst  das  Jahr  1772  brachte  jenes  Land 
(jedoch  ohne  Danzig  und  Thorn)  mit  dem  sog.  Netzedistrikt  in  preufsischen 
Besitz.  Dieses  ganze  Gebiet  war  aber  unter  polnischer  Herrschaft  nicht 
ein  eigentlicher  Bestandteil  des  Königreichs  Polen  gewesen,  vielmehr 
hätte  Westpreulsen  sich  seit  der  Unterordnung  unter  den  polnischen 
König  als  frei  und  selbständig  gefühlt  und  eigene  Landtage  abgehalten. 

Polnisch -Preufsen  umfafste:  1.  das  Kulmerland  mit  13  Städten, 
dem  Kulmschen  Kreis  mit  10  Ämtern  und  dem  Michelauschen  Kreis  mit 
fl  Ämtern;  —  2.  die  Provinz  Marienburg  mit  6  Städten  und  den  Kreisen 
Marienburg,  Christburg  und  Elbing;  —  3.  Pomcrellen  oder  Kleinpommern 
mit  16  Städten  und  dem  Dirschauschen  und  Stargardschen  Kreis,  jener  mit 
II,  dieser  mit  17  Ämtern;  —  4.  Ermland  mit  12  Städten  und  dem  Brauns- 
bergischen  (5  Ämter)  und  Heilsbergischen  Kreis  (5  Ämter)  —  Der  Netze- 
di.strikt  ist  seinen  Grenzen  nach  erst  1770  festgestellt  worden.  Er  zählte 
nicht  weniger  als  47  Städte  und  4  Kreise:  Bromberg,  Kamin,  Deutsch-Krone 
und  Inowrazlaw. 


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608  XIII.  Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770 

Das  eigentliche  Königreich  Polen  bestand  damals  aus  drei  Haupt- 
teilen: Grofs-Polen,  Klein-Polen  und  Litauen.  Zu  Polen  und  Litauen 
gemeinsam  gehörten  die  Herzogtümer  Kurland  und  Semgallen  an  der  Düna 

1.  Grofs-Polen,  auch  Nieder- Polen  genannt,  bestand  aus  den  Woiwod 
Schäften  Posen,  Kaiisch  und  Gnesen.  Doch  wurden  im  weiteren  Sinne  noch 
hinzugerechnet  die  Woiwodschaften  Sieradz,  Wielun,  Rawa,  Lenczytz,  Brse<7. 
Inowraclaw  (an  Prcufsen  abgetreten),  Dobrzyn,  Plock,  Masurcn.  —  Von  d>r 
Woiwodschaft  Posen  war  1772  der  genannte  Netzedistrikt  abgetrennt  worden. 
—  Überdies  gehörten  zu  Grofs-Polen  die  Städte  Danzig  und  Thorn.  —  IL  Klein- 
Polen  oder  Ober- Polen  umfafste  die  drei  Woiwodschaften  Krakau,  8an- 
domir  und  Labiin;  im  weiteren  Sinne  wurden  aber  auch  die  russischen  Land- 
schaften Wolhynien,  Podolien,  Kyowien  (Kiew)  und  Podlachien  dazu  gerechnet, 
über  die  weitere  Einteilung  des  polnischen  Reiches  in  Distrikte  etc.  sowie 
über  die  in  Rufsland  liegenden  damals  polnischen  Gebietsteile  vgl.  Büsching* 
Erdbeschreibung  II,  1G2— 352  (1788). 

468.  Schwedisch -Vorpommern.  Der  Westfälische  Frieden  hatte 
ganz  Vorpommern  sowie  den  westlichsten  Teil  von  Hinterpommern  der 
schwedischen  Krone  zugesprochen.  Nach  dem  Nordischen  Kriege  trat 
Schweden  1720  Vorpommern  südlich  der  Peene  an  Brandenburg  ab 
und  blieb  seitdem  auf  den  Rest  beschränkt. 

Eis  gehörten  hierzu:  1.  das  Fürstentum  Rügen,  bestehend  aus  der  Insel; 

2.  das  Land  zu  Stralsund;  3.  das  Fürstentum  Barth  nüt  den  Städten  Barth. 
Damgard,  Tribsees,  Grimm,  Franzburg  und  Richtenberg,  ferner  Dars  und  Zingst. 

4.  die  Grafschaft  Gutzkow   mit  Gutzkow,  Loitz,  Lassan,  Greifswald  u.  a., 

5.  Land  Wolgast. 

Von  Mecklenburg  gehörten  den  Schweden  noch  die  Stadt  Wismar  uwl 
die  Ämter  Poel  und  Neukloster. 

469.  Herzogtümer   Mecklenburg  -  Schwerin  und  Mecklenburg- 
Strelitz.   Unter  den  Nachkommen  Adolf  Friedrichs  I.  von  Mecklenburg 
Schwerin  war  wegen  der  Erbfolge  Streit  entstanden.   Sein  Enkel  Friedrieb 
Wilhelm  und  sein  jüngerer  Sohn  Adolf  Friedrich  II.  erhoben  Anspruch 
(s.  Tabelle  S.  534  f.).    Überdies  starb  die  Güstrowsche  Linie  mit  Gustav 
Adolf  1695  aus.    Der  Kaiser  hatte  Friedrich  Wilhelm  als  Herzog  belehnt, 
doch  erhob  das  niedersächsische  Kreisdirektorium  hiergegen  Einspruch 
Der  sog.  Hamburger  Vergleich   (8.  März  1701)  führte  zu  einer  ein! 
gültigen  Teilung  des  Landes.   Herzog  Friedrich  Wilhelm  erhielt  Schweriii 
und  Güstrow,  aufser  der  Herrschaft  Stargard,  mit  allem,  was  seit  der 
Teilung  von  1621  die  beiden  Häuser  gemeinschaftlich  hatten,  also  auch 
die  Stadt  Rostock  mit  Universität  etc.    Adolf  Friedrich  II.  erhielt  das 
Fürstentum  Ratzeburg  mit  völliger  Landeshoheit  und  die  Herrschaft  Star 
gard  mit  den  Komtureien  Mirow  und  Nemerow.     So  waren  zwei  neue 
Staaten   entstanden:    Mecklenburg- Schwerin    und   Mecklenburg- Strebt/ 

Mecklenburg •  Schwerin  zerfiel  in  zwei  Kreise:  1.  Mecklenbur 
gischer  Kreis  mit  23  Ämtern  :  Schwerin,  Walsmühlcn ,  Hagenow,  Toddlt: 
Redentin.  Dcmpzin,  Gadebusch,  Zarrentin,  Wittenburg,  Bakendorf  oder  Garn 
melin.  Boitzenburg,  Rhena,  Grevesmühlen,  Mecklenburg,  Buckow,  Doberan 
Sternberg,  Kriewitz,  Dömitz,  Eldena,  Grabow,  Neustadt,  Lübz.  Hierzu  gehörten 
ferner  18  Landstädte.  —  2.  Wendischer  Kreis  mit  19  Landstädten  und  11  Äinten1 
Güstrow,  Goldberg,  Marnitz,  Plan.  Wredenhagen,  Stavenhagen,  Neukuhla 
Gnoien.  Ribnitz,  Schwan,  Dargun.  —  Die  Stadt  Rostock  mit  ihrem  Distrik: 


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470.  Herzogtum  Schleswig-HolBtein.  609 

—  3.  Das  ehemalige  Stiftsgebiet  des  Bistums  Schwerin  war  1648  in 
ein  weltliches  Fürstentum  umgewandelt  und  an  Mecklenburg  -  Schwerin 
verliehen  worden.  Es  umfafste  die  drei  Städte  Bützow,  Warin  und  die 
Schelffe  oder  Neustadt  bei  Schwerin,  ferner  die  Ämter  Bützow,  Rhün  und 
Warin. 

Mccklenburg-Strelitz  umfafste  den  Stargardschen  Kreis  mit  elf 
Ämtern:  Wanzka,  Broda,  Stargard,  Feldberg,  Strelitz,  Fürsten berg,  Wesenberg, 
ßergfeld,  das  Heideamt,  Mirow  und  Nemerow, 

ferner  das  Fürstentum  Ratzeburg  mit  drei  Ämtern:  Amt  Ratze- 
burg (mit  dem  Domhof  der  sonst  zu  Lauenburg  gehörigen  Stadt  und  dein 
Palmberg  sowie  den  Vogteien  Schlagsdorf  und  Rupensdorf),  Amt  Schönberg 
und  Amt  Stove. 

470.  Herzogtum  Schleswig -Holstein  war  um  1770  ganz  in  den 
Besitz  des  dänischen  Königs  gekommen,  ohne  dafs  es  deshalb  einen 
Teil   des  Königreichs  Dänemark   ausgemacht  hätte.     Die  eigentliche 
Lehenshoheit  über  Schleswig,  insonderheit  den  herzoglichen  Anteil,  war 
bereits  1658  aufgehoben  worden,  so  dafs  Schloswig  nunmehr  ein  sou- 
veränes Herzogtum  bildete.    Auch  der  Friede  von  Traventhal  (1700) 
bestätigte  dies  von  neuem.    Die  Versuche  der  dänischen  Krone,  sich 
ganz  Schleswigs  und  auch  Holsteins  zu  bemächtigen,  wurden  bald  darauf 
wiederholt,  als  der  minderjährige  Karl  Friedrich  1702  als  Herzog  folgte. 
Späterhin   wurde  dieser  durch   den  König  ganz  aus  seinem  Lande 
verdrängt,  doch  erhielt  er  im  Frieden  von  Friedrichsburg  1720  seine 
holsteinschen  Besitzungen  wieder  zurück.   Dagegen  wurde  der  herzogliche 
Anteil  an  Schleswig  durch  ein  Patent  vom  22.  August  1721  mit  dem 
königlichen  Anteil  vereinigt  und  Schleswig  vom  König  Friedrich  IV. 
als  »souveränes«  Herzogtum  bezeichnet,  jedoch  nicht,  wie  man  dänischer- 
seits  später  glauben  machen  wollte,  dem  eigentlichen  Dänemark  inkor- 
poriert.   Auch  der  Name  Schleswig- Holstein  wurde  beibehalten. 

König  Friedrich  IV.  hatte  um  dieselbe  Zeit  seinen  Besitz  durch 
Neuerwerbungen  vergröfsert;  so  war  es  ihm  gelungen,  auf  verschlagene 
Art  in  den  Besitz  der  Grafschaft  Rantzau  (S.  537)  zu  kommen,  die 
im  Falle  des  Aussterbens  der  Grafenlinie  laut  eines  Vertrages  von  1669 
an  den  dänischen  König  fallen  sollte.    Den  letzten  Grafen  wufste  er 
unter  nicht  erwiesenen  Beschuldigungen  zu  internieren  und  von  seiner 
Gemahlin  zu  isolieren,  um  das  Erlöschen  der  Linie  sicherzustellen.  Im 
Jahre  1726  eignete  er  sich  die  Grafschaft  bereits  an  und  liefs  sie  durch 
einen  Administrator  verwalten.    Ferner  erwarb  er  die  Herrschaft  Nür- 
burg und  einen  Teil  der  Insel  Arröe  von  Friedrich  Karl,  dem  Letzten 
der   Plönschen  Linie,   der  unter   seiner  Befürwortung  als  ebenbürtig 
anerkannt  worden  war.    Von  dem  nur  als  Apanage  geltenden  Anteil 
jenes  Johann  des  Jüngeren  (s.  S.  536)  waren  somit  nur  noch  zwei  Herr- 
schaften übrig,  in  Holstein  das  plönsehe  Gebiet  und  in  Schleswig  das 
glücksburgische,  welches  das  Amt  Glücksburg,  die  Nübelharde  in 
Sundewitt  und  einen  Teil  der  Insel  Arröe  mit  der  Stadt  Arröeskiöbing 
umfafste.   Im  Jahre  1749  gelang  es  dem  König  Friedrich  V.,  auch  diesen 
Teil  der  Insel  Arröe  zu  erwerben,  so  dafs  nun  die  ganze  Insel  königlich 

39 


610 


XIII   Politische  Geographie  um  das  Jahr  1770. 


war.  Auch  das  Besitztum  der  Plönschen  Linie  fiel  dem  Könige  1701  zu, 
als  dort  jener  oben  genannte  Friedrich  Karl  kinderlos  starb;  es  uinfafste 
Stadt  und  Schlofs  Plön,  Ämter  Plön,  Ahrensbök,  Traventhal,  Reinfeld 
und  Rethwisch. 

Einen  Wendepunkt  der  territorialen  Entwicklung  Holsteins  bildete  die 
Erhebung  zweier  Angehöriger  des  herzoglichen  Gottorpschen  Hauses,  des  Karl 
Peter  Ulrich  zum  russischen  Kaiser  (Peter  HI.)  und  des  Bischofs  Adolf  Friedrich 
zum  König  von  Schweden.  Peter  hatte  den  gottorpschen  oder,  wie  er  fortan 
genannt  wurde,  grofsfürstlichen  Anteil  von  Holstein  auch  weiterhin  in  Besitz; 
er  forderte  auch  vom  dänischen  König  die  Herausgabe  des  herzoglichen  Teiles 
von  Schleswig,  als  er  1762  ermordet  wurde.  Die  Kaiserin  Katharina,  welche 
die  Vormundschaft  über  ihren  Sohn  Paul  führte,  verzichtete  im  Vertrag  zu 
Kopenhagen  1767  auf  den  herzoglichen  Anteil  von  Schleswig  und  willigte  in 
den  Austausch  des  grofsfürstlichen  Anteils  von  Holstein  gegen  die  Grafschaften 
Oldenburg  und  Delmenhorst,  Im  Jahre  1773  wurde  die  Abtretung  des  grofe 
fürstlichen  Anteils  vom  Zaren  Paul  nochmals  bestätigt. 

Somit  war  Schleswig-Holstein  ungeteilt  im  Besitz  Christians  VH.  von 
Dänemark.  Nur  noch  das  kleine  Gebiet  des  Herzogs  von  Glücksburg  war  vom 
übrigen  Lande  gesondert. 

über  die  Einzelheiten  vgl.  Bremer,  Gesch.  Schleswig-Holsteins,  S.  268, 
309,  321 ;  die  Verteilung  der  einzelnen  Ämter,  Städte,  Inseln  nach  dem  künig 
liehen  und  gottorpschen  Anteil  ibid.  S,  324,  ferner  S.  326,  330,  340,  346. 

Das  Herzogtum  Schleswig  umfafste  im  Jahre  1770  die  Ämter: 
Hadersleben,  Apenrade,  Lügumkloster,  Tondern,  Bredstedt,  Husum  mit  der 
Landschaft  Pelworm,  Insel  und  Landschaft  Nordstrand,  Landschaft  Eidelstedt, 
Amt  Hütten  mit  Landschaft  Stapelholm,  die  Ämter,  Gottorp,  Flensburg,  Sonder- 
burg, Nürburg,  die  Inseln  Alsen,  Arröe  und  Femahrn. 

Das  Herzogtum  Holstein  umfafste  die  Ämter  Rendsburg,  Kiel. 
Bordeshohn,  Cronshagen.  Neumünster,  Plön,  Ahrensbök,  Cismar,  Segeberg. 
Traventhal,  Reinfeld,  Rethwisch,  Reinbek,  Tremsbüttel,  Trittau,  Steinburg,  die 
Landschaften  Norder-  und  Süder-Dithmarschen,  die  Grafschaft  Ranzau,  die 
Herrschaften  Herzhorn  und  Pinneberg.  —  Die  Herrschaft  Pinneberg  begriff  die 
gleichnamige  Landdrostei  mit  vier  Vogteien  sowie  der  Herrschaft  Herzhorn  und 
der  Stadt  Altona  (seit  1664  mit  Stadtrecht  begabt). 

Das  Hochstift  Lübeck  sei  hier  mit  erwähnt.     Seit  1535  war  es  mit 
evangelischen  Bischöfen  besetzt  worden.    Im  Westfälischen  Frieden  entging  es 
der  Säkularisation.     Residenz  war  Eutin.     Es  gehörten  hierzu  die  Ämter 
Eutin  und  Schwartau  oder  Kaltenhof,  aufserdem  eine  Reihe  von  Domkapitels 
gutem  sowie  ein  Palast  und  44  Häuser  in  Lübeck. 

471.  Königreich  Dänemark.  Das  eigentliche  Dänemark  hatte  im 
Innern  keine  territorialen  Veränderungen  erfahren.  Die  durch  die 
Insel-  und  Ilalbinselnatur  bedingte  Einteilung  verhinderte  dies.  Eine 
Machterweiterung  konnte  auch  nur  nach  N.,  nach  Skandinavien  hinüber, 
stattfinden  oder  nach  dem  Festlande,  wo  Schleswig  und  Holstein  schon 
lange  in  Beziehungen  zu  Dänemark  gestanden  hatten,  die  Grafschaften 
Delmenhorst  und  Oldenburg  wenigstens  zeitweise,  aber  auch  die  Ostsee- 
länder den  Druck  Dänemarks  oftmals  fühlen  mufsten. 

Insel- Dänemark   zerfiel  in  zwei  Stifter:  1.  Das  Stift  Seeland  mit 
A.  Insel  Seeland.    Sie  wurde  eingeteilt  in  die  Ämter  Konenhagen,  Roer 
kilde,  Friderichsborg,  Kronborg,  Jägerspreis,  Soröe,  Ringstea,  Wordingborg 
Tryggevelde,  Kallundborg,  Draxholm,  Sübyegaard,  Holbeck,  Anderskow.  Korsoer 
und   Hirschholm.     Aufserdem   gehörten"  hierzu   vier  Grafschaften  und  fünf 


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471.  Königreich  Dänemark. 


611 


Baronien.  B.  Insel  Möen  mit  dem  Städtchen  Stege.  C.  Insel  Bornholm, 
welche  seit  alters  zu  Dänemark  gehörte,  1149 — 1520  im  Besitz  des  Erzstiftes 
Lund  war,  dann  an  Lübeck  (als  Pfand)  und  Schweden  (durch  Eroberung  1645) 
kam,  aber  seit  1658  wieder  dänisch  geworden  ist.  —  2.  Das  Stift  Fünen  mit 
A.  Insel  Fünen,  eingeteilt  in  die  Ämter  Odense,  Nyeborg,  Rugaard,  Hinds- 
guvel  und  Assens,  ferner  zwei  Grafschaften  Wedelsborg  und  Gyldensteen  und 
fünf  Baronien.  B.  Insel  Langeland  bildete  eine  Grafschaft.  3.  Insel 
Laaland  mit  den  Klosterämtern  Halsted,  Aalholm  und  Mariboe  sowie  den 
Grafschaften  Christiansäde,  Christiansholm  und  Knutenborg  sowie  vier  Baronien. 
D.  Insel  F alster  war  lange  Zeit  (bis  1765)  Leibgedinge  der  dänischen  Königin. 

Die  Halbinsel  Jütland  wurde  damals  in  Nord-  und  Südjütland  ge- 
teilt, von  denen  letzteres  eben  Schleswig  und  Holstein  umfafste.  Nordjütland 
wurde  vordem  in  neun  Syssel  (Distrikte)  geteilt,  später  aber  in  vier  Stifter: 
A.  Stift  Aal  borg  mit  den  Ämtern  Aalborghuus,  Aastrup,  Börglum,  Seigels- 
trup,  Oerum  und  der  Baronie  Lindenborg;  B.  Stift  Wiborg  mit  den  Ämtern: 
Haids- Amt  und  Skivehuus- Amt ;  C.  Stift  Aarhuus  nüt  den  Ämtern  Mariager, 
Silkeborg,  Dronningborg,  Aakiär,  Skanderborg,  Hauerballegaard,  Stiernholm, 
Kallöe,  den  Grafschaften  Friisenborg,  Löwenholm  und  Scheel  sowie  drei  Baronien 
und  dem  Edelhof  Rosenholm;  D.  Stift  Ripen  mit  den  Ämtern  Riberhuus, 
Böfling,  Lundcnäs,  Koldinghuus,  der  Grafschaft  Schackenburg,  einer  Baronie 
Ryssenstecn  und  einem  Gut  Troyburg. 


39* 


XIV.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1770. 

472.  BeviUkerungsverhältnlsse.  Wenn  nach  dem  grofsen  Kriege 
ein  entschiedener  Rückgang  der  Bevölkerungsziffer  zu  konstatieren  war, 
so  stieg  sie  in  der  Folgezeit  wieder  merklich  an;  doch  erst  das  XVIII.  Jh. 
läfst  einen  schnelleren  Aufstieg  erkennen,  durch  weichen  in  den  ein- 
zelnen Landschaften  nicht  blofs  der  ehemalige  Bevölkerungsstand  erreicht, 
sondern  verdoppelt  und  verdreifacht  worden  ist.  Die  Feststellung  dieser 
Tatsachen  begegnet  freilich  bei  dem  Mangel  an  zuverlässigen  Zählungen 
erheblichen  Schwierigkeiten,  doch  steht  es  mit  dem  Quellenmaterial 
hier  ungleich  günstiger  als  für  die  voraufgehenden  Jahrhunderte.  Zum 
Teil  können  statistische  Zahlen  auch  für  das  XVIII.  Jh.  noch  nur  mittel- 
bar berechnet  werden,  wobei  man  die  Mortalitätstabellen,  Mannschafts- 
zählungen, kirchlichen  Seelentabellen,  Aufnahmen  für  polizeiliche  Zwecke. 
Steuertafeln,  Protokolle  der  politischen  Landesvisitationen  u.  dgl.  m.  zu 
Grunde  zu  legen  pflegt.  Doch  fanden  in  einigen  Ländern,  wie  z.  B.  in 
Osterreich  unter  Maria  Theresia,  auch  schon  systematische  Volkszählungen 
statt.  So  ist  es  für  verschiedene  Länder  und  Provinzen  immerhin  mög- 
lich, die  Bewegung  der  Bevölkerungsmasse  in  den  einzelnen  Jahrzehnten 
zu  verfolgen. 

Hinsichtlich  der  Bevölkerungsdichte  scheinen  gegen  früher  keine 
erhoblichen  Veränderungen  eingetreten  zu  sein,  da  die  mittleren  Rhein- 
gebiete, dann  Altwirtemberg,  das  preufsische  Westfalen  und  die  kur 
sächsischen  Lande  noch  immer  die  am  dichtesten  bevölkerten  Gebiet»' 
Deutschlands  waren. 

Näherrs  siehe  bei  von  Inaina -Stern  egg,  Bevölkerung  des  Mittel 
alters  und  der  neueren  Zeit  bis  Ende  des  XVIII.  Jh.  in  Europa,  in  Conrad» 
Handwörterb.  der  Staatswiss.  II,  060  ff.,  mit  vielen  Zahlentabellen  und  Literatur 
angaben  für  alle  Länder  Europas.    Ferner  Süfsmilch,  Göttliche  Ordnung. 
4.  Aufl.  1775.    Mein  minder,  in  den  Württembg.  Jahrbb.  1847.   —  Fabri 
cius,  Beiträge  zur  Statistik  des  Grofsherzogt.  Hessen  III.  (1864).    von  Gin- 
dely,  in  Denkschr.  d.  K.  Akademie  d.  Wiss.,  phil.-hist.  Kl.  XVIII.  (1869:.  Siehe 
auch  die  oben  S.  498  angeführte  Literatur. 

Dafs  die  Zahlen  je  naeh  der  zu  (ininde  gelegten  Berechnungsweise  oftmals 
von  einander  abweichen,  kann  nicht  auffallen.    Auf  Grund  der  Mortalitäts- 


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472.  BevölkerungsverhftUnisse. 


G13 


tabellen  ist  für  Preufsen  (exl.  Schlesien)  für  das  Jahr  1748  eine  Bevölkerung 
von  2  313625  Seelen  festgestellt  worden,  für  1778  von  3487216  und  für  1790 
von  3  910704.  Die  Kunnark  Brandenburg  zählte  1617:  329660  Einw.,  1688: 
399  240,  1740:  475991.  1774:  628343  Einwohner.  In  den  österreichischen 
Landen  (exkl.  der  Niederlande,  Ungarns,  Illyricns  etc.)  belief  sich  die  Bevöl- 
kerung 1754  auf  6134558,  1762  auf  4889516  und  1784  auf  7 937 404  Einw. ; 
in  der  Schweiz  1671  auf  118675  und  1791  auf  176580  Einw.  —  Was  die  Stadt- 
bevölkerungen anbelangt,  so  sind  diese  über  che  kleinen  Verhältnisse  weit  hinaus- 
gewachsen. Wirkliche  Grolsstädte  mit  über  100000  Einw.  gab  es  nur  wenige. 
Wien  hatte  1754:  175  400  Einw.  und  1772:  192971;  Berlin  1755:  126661  Einw., 
eine  Zahl,  die  nach  dem  Hubertusburger  Frieden  bis  auf  98000  zurückgegangen 
war,  dann  aber  schnell  stieg,  so  dals  sie  gegen  Ende  der  Regierung  Friedrichs 
des  tirofsen  fast  150000  erreichte.  —  Über  den  Zuwachs  der  Bevölkerung  durch  , 
Einwanderung  siehe  den  folgenden  Paragraphen. 

Die  beifolgende  statistische  Übersicht  der  wichtigsten  europäischen 
Staaten  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVIII.  Jh.  bildet  einen  Auszug  aus  einer 
zeitgenössischen  Tabelle,  betitelt:  *Acht  statistische  Tabellen  zur  bequemen 
Übersicht  der  Gröfse,  Bevölkerung,  Reichtum  und  Macht  der  vornenmsten 
europäischen  Staaten.  Zwote,  vermehrte  und  ganz  umgearbeitete  Auflage,  e 
Leipzig,  Schönfeldische  Buchhandlung,  1783.  —  Zum  Vergleich  sind  auch  einige 
nicht  zu  Mitteleuropa  gehörige  Staaten  mitaufgenommen  worden. 


Statistische  Übersicht  der  europäischen  Staaten. 


•  1 

Flacheninhalt  in 
geogr.  □  Meilen 

Wahr- 
Hcheinliche 
Volksmenge 

Staats- 
einkünfte 

Kriegs- 
staat 

fl. 

Mann 

Preufsische  Monarchie 

3630 

53/4  MW. 

32  Hill. 

203  000 

Nämlich : 

Unabhängige  Erblande: 

2024 

3300  000 

729j 

Westpreufsen  mit  Bromberg 

1367 

612000 

und  Netzedistrikt    .    .  . 

6381 

Schlesien  mit  Glatz 

640 

1  700000 

Neufchatel,  Vallengin     .  . 

17 

40000 

Zum  Deutschen  Reich  ge- 

hörige Erbstaaten: 

1606 

2400000 

Kurmark  Brandenburg    .  . 

510\ 

728 

720000 

Neumark  Brandenburg    .  . 

218/ 

256  000 

398 

417  000 

Magdeburg  in.  Mansfeld,  Hai- 

berfitadt,  Hohnstein,  Qued- 

165 

364  000 

Minden  und  Ravensberg 
Lingen  und  Tecklenburg 

671 
20/ 

87 

150000 
37  000 

68 

102  000 

Cleve  und  Mörs  .... 

50i 

108  000 

Mark   

84 

160 

130  000 

261 

48  000 

- 


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614 


XIV.  Kulturgeographie  um  das  Jubr  1770. 


Flächeninhalt  in 
jfeogr.  Q  Meilen 


Wahr- 
scheinliche 
Volksmenge 


Staats- 
einkünfte 

fl. 


Kriegs 


Mann 


Kursachsen 

Herzogtum  Sachsen  u.  Mark- 
grafsehaft  Meilsen  mit 
Thüringen,  Vogtland  etc. 

Oberlausitz  

Niederlausitz  

Kurbraunschweig 

(-Hannover) 

Karpfalz  -  ba  irische 
.  Staaten 

Baiern  

Oberpfalz  

Mindelheim,  Wiesensteig 
Neuburg  und  Sulzbach    .  . 

Pfalz  am  Rhein  

Jülich  und  Berg  .... 

österreichische 
Monarchie 

Böhmen  

Mähren  m.  Österr.-Schlesien 
Niederösterreich  .... 

Land  unter  der  Enns     .  . 
I,and  ob  der  Enns  (Ober- 
österreich  mit  Innviertel) 

Innerösterreich  .... 

Steiermark  

Kärnten  

Krain  

Osterr.-Friaul   

Tricster-Gebiet  

Oberösterreich  .... 

Tirol   

Vorarlberg   

Vorderösterreich  .... 

Breisgau  

Schwäbisch  Österreich      .  . 

Hohenems  

Falkenstein  

Langenargen,  Tetnang    .  . 

Niederlande   

Brabant  mit  Antwerpen  und 

Mecheln  

Flandern  

Hennegau  ....... 


730 


555 
90 
85 

692 


1051 


567 1 
128 
9J 


145} 
130l 


704 


347 


10  320 


909 
477 
637 


407 
230 


441 
191 
214 

60 
9 

426 
65 


54 

46 
3V. 

6 


116 
115 

42 


915 


491 


112 


469 


Vl4  HilL 


1  353  000 
284  000 
113  000 

800  000 


8  200  000 

1  400000 

130  000 
400000 
270000 

19V2  Hill. 

2  266  000 

1  385  000 

2  235  000 
1  685  000 

550000 

1586  000 

760  000 
290000 
400000 
115000 
21000 

686  000 

590  000 
9  600 

287  000 

150000 
117000 
3  700 
4000 
128  000 

1  880  000 

560  000 
570000 
200000 


9  1111. 


24  000 


7  Hill. 


10  Hill. 


15  000 


24  000 


100  278  000 
Mill. 


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472.  BevttlkerungsverhaltnisHe. 


615 


- 

Flacheninhalt  in 
geogr.  |  |  jvieuon 

Wahr 
seheinliche 
Volksmenge 

Staats- 
einkünfte 

fl. 

Kriegs 
Staat 

Mann 

Luxemburg   

20 
158 
10 
8 

94  000 
380  000 

48  000 
280  000 

das  Mailändische     .    .  . 
das  Mantuanischc    .    .  . 

192 

152 
40 

1  100  000 

900  000 
200000 

2710 

3170  000 

8<y 

oyu  ouu 

Kroatien  

j>anauscne  ^uiuuirgrenze  . 

Galizien  und  Ladomirien 

i  . 

471 

328 

1050 
178 

1300 

370  000 
2Ü000O 

1  250  000 
132  000 

2  797  000 

Helvetlen 

956 

1850000 



-  — 

Vereinigte  Niederlande 

625 

2  340  000 

23  Mill. 

36  000 

Holland,  Westfriesland    .  . 

boeland,  Utrecht,  Geldern, 
Oberyssel,  Groningen  .  . 

Friesland,  Drenthe,  Generali- 
tätslande   

120 

1 

380 
125 

981000 
1023  000 
336  000 

Dänische  Staaten 

10  382 

81/«  Hill. 

11  Mill. 

78  000 

Königreich  Dünemark  .  . 

809 

1  090  000 

Herzogtum  ocnleswig  . 

22072 
423 

l  60V2 

440000 
300  000 
290  000 

Königreich  Norwegen  .  . 

Herzogtum  Holstein,  Ran- 
zau,  rinneberg    .    .  . 

7000 

i 

l  <5 

730  000 
320  000 

Island  und  baröer  .    .  . 

2  33b 

M)  000 

Schweden  

12  968 

3  Mill. 

6  Mill. 

46  000 

Polen  

10  307 

9  Mill. 

c  3  Mill. 

15  900 

Rufsland  

303  000 

24  Mill. 

56  Mill. 

470  000 

Großbritannien  u.  Irland              6  054 

11  Mill 

112  Mill. 

58  378 

tahr/pii::. 
(1 1.1  Maien- 
»chiffe) 

i 

1 

1 

9915 

26  Mill. 

156  Mill. 

224  000 

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616 


XIV.  Kultnrgeographie  um  das  Jahr  1770. 


T**  1      Vi    n  i  n  ri  fl  1  f  l n 
i  ittvlldllllliniw  Iii 

geogr.  Q  Meilen 

Wahr- 
scheinliche 
Volksmenge 

Staats- 
einkünfte 

fl. 

* 

staaT 
Mann 

Spanien  

9  277 

11  Mill. 

06  Mill. 

90  000 

2000 

2'/2  Mill. 

23  Mill. 

24  000 

Venedig  

863 

2  736  000 

10  Mill. 

8000 

CDU 

6  JLoU  uuu 

3  Will 

ö  iUlll. 

o  UUU 

Beide  Sizilien  .... 

1850 

6  Mill. 

12  Mill. 

27  000 

Sardinische  Staaten     .  . 

1259 

3  185  000 

11  Mill. 

24  000 

mit  Piemont,  Savoyen 

Osmanisches  Reich     .  . 

11410 

12  Mill. 

478.  Landwirtschaft.  Der  I  )reifsigjährige  Krieg  hatte  gerade  der 
Landwirtschaft  tiefe  Wunden  geschlagen;  die  ersten  drei  Jahrzehnte 
nach  ihm  liefsen  die  Spuren  hiervon  noch  erkennen.  Das  abermalige 
Aufblühen  der  Landwirtschaft  war  aber  auch  von  dem  Gedeihen  der 
anderen  Zweige  des  wirtschaftlichen  Lebens  abhängig,  von  Handel,  Ver- 
kehr und  Gewerbe.  Sie  wirkten  gegenseitig  aufeinander  ein.  Die  blofse 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  genügte  nicht,  wenn  nicht  auch  die  Bedürfnisse 
seine  Kultivierung  forderten,  und  wenn  nicht  auch  eine  intelligente, 
zielbewufste  Leitung  den  Betrieb  förderte.  Die  deutschen  Klein fönten 
des  XVIII.  Jh.  haben  gerade  nach  dieser  Richtung  hin  rühmlich  mit 
gewirkt;  in  der  Förderung  dieser  Bestrebungen,  die  zur  Nachahmung 
reizten,  war  schliefslich  eine  Art  Wettbewerb  eingetreten.  Das  Bild, 
welches  uns  die  einzelnen  Territorien  bieten,  ist  demnach  ein  sehr  ver 
schiedenartiges;  die  politische  Zugehörigkeit  einer  Quadratrute  Landes 
zu  diesem  oder  dem  Nachbarstaate  konnte  von  wesentlicher  Bedeutung 
für  seine  wirtschaftliche  Lage  sein.  —  Von  grofsem  Einflufs  war  die 
Einwanderung  fremdnationaler  Elemente,  speziell  der  Hugenotten  in  den 
Jahren  1650,  1680,  1704,  1724  und  1750,  die  in  Holland  und  Deutschland 
fast  eine  Viertelmillion  stark  sich  niederliefsen.  Der  Religion sdruck 
hatte  aber  auch  in  anderen  Ländern  ähnlich  gewirkt  wie  in  Frankreich, 
im  Jahre  1732  verliefsen  20000  Salzburger  das  Land  und  fanden  Auf- 
nahme in  Preufsen. 

Das  Gedeihen  der  Landwirtschaft  war  aber  auch  von  der  sozialen 
Lage  der  Bauern  abhängig.  Die  mehr  oder  weniger  starke  Belastung 
der  Bauern  oder  gar  noch  die  Leibeigenschaft  übten  jeweilig  ihren  un 
mittelbaren  Einflufs  auf  die  Bodenkultur  aus.  In  den  Ländern,  die  unter 
geistlicher  Herrschaft  standen,  wie  Hildesheim,  Münster  und  Paderborn, 
erklärte  sich  die  ungünstige  Lage  der  Ackerwirtschaft  zum  Teil  hieraus, 
sie  standen  in  einem  merkwürdigen  Kontrast  zu  den  benachbarten 
preußischen  und  holländischen  Ländern  und  alljährlich  mufsten  sich 


473.  Landwirtschaft. 


617 


Tausende  von  westfälischen  Bauern  auf  die  Wanderschaft  besonders 
nach  Holland  (Hollandgänger)  begeben.    Ganz  anders  lagen  die  Ver- 
hältnisse im  preußischen  Teile  Westfalens,  in  Lingen,  Tecklenburg,  Lippe 
und  Bentheim;  wo  der  Boden  weniger  ergiebig  war,  hatte  man  den 
Flachsbau  eingeführt,  und  Bielefeld  nahm  im  Anfang  des  XV1IT.  Jh. 
schon  eine  Rangstellung  in  der  Leinenfabrikation  ein.    Der  Flachs  ver- 
drängte dort  schliefslich  alle  anderen  Feldfrüchte.  —  Hessen  hatte  wenig 
Bergbau  und  Industrie  und  war  durch  den  Krieg  heftig  mitgenommen 
worden.    Auch  trotz  der  Einwanderung  von  französischen  Emigranten 
hatte  das  Land  es  nicht  zu  einer  grösseren  Bedeutung  im  landwirtschaft- 
lichen Betriebe  bringen  können.    In  dem  benachbarten,  allerdings  stark 
gebirgigen  Nassauer  Lande  stand  stellenweise  wenigstens  die  Wein-  und 
Obstkultur  in  Blüte.    Eine  kräftige  Entwickelung  liefs  sich  überhaupt 
im  ganzen  Rheinland  erkennen.     Neben   den   ebengenannten  beiden 
Kulturen  blühte  am  Niederrhein  auch  der  Leinbau  (Jülich)  und  nicht 
zum  wenigsten  der  Getreidebau,  der  noch  eine  beträchtliche  Ausfuhr 
nach  Holland  zuliefs.  Das  linksseitige  Rheingebiet,  die  Eifel,  war  natür- 
lich wenig  ergiebig,  mit  Ausnahme  des  Moseltales,  dessen  Bewohner  sich 
derselben  Begünstigung  seitens  der  Natur  erfreuten  als  jene  des  Rhein- 
tales im  engeren  Sinne.  —  Von  anderen  norddeutschen  Ländern  hatten 
Braunschweig  und  Hannover  nur  schwer  sich  emporringen  können;  die 
Bauern,  besonders  im  Braunsen weigschen,  mufsten  neben  der  Landwirt- 
schaft noch  in  der  Hausindustrie  (Garnspinnerei)  eine  Nebenbeschäftigung 
suchen.   Auch  in  den  hannoverschen  Landen  waren  die  Bauern  gedrückt 
und  standen  zum  Teil  noch  unter  Leibeigenschaft.  —  Weit  günstiger 
gestalteten  sich  die  Verhältnisse  in  den  Niederlanden,  Ostfriesland  bis 
in  die  Jütische  Halbinsel.    Hier  kam  überall  dem  freien  Bauer  der 
fruchtbare  Marschboden  zustatten.   Die  Fortschritte  im  Deichbau  waren 
der  Bodennutzung  zugute  gekommen.    Getreide-  und  Ölsaatbau  (Ostfries- 
land) warfen  einen  reichen  Ertrag  ab,  und  besonders  entwickelte  sich 
in  den  Küstengebieten  überall  die  Viehzucht;  die  Mehrzahl  der  Grund- 
stücke bestand  daher  in  Grünland.  —  Mecklenburg  stand  unter  dem 
Druck  der  adeligen  Gutsherren,  die  fast  den  ganzen  Boden  im  Besitz 
hatten.    Auch  hier  spielte  die  Viehzucht,  speziell  die  Pferdezucht,  eine 
grofse  Rolle.    Hinterpommern  unter  brandenburgischer  Oberhoheit  stand 
schon  erheblich  zurück.    Die  Mark  Brandenburg  dagegen  war  dank  der 
Rührigkeit  ihrer  Herrscher  wieder  emporgekommen,  trotzdem  der  Boden 
sonst  nicht  sehr  begünstigt  ist.     Die  Einwanderung  von  Franzosen, 
Salzburgern  und  Böhmen  war  gerade  hier  von  segensreichen  Folgen  für 
die  Landwirtschaft  gewesen.    Wie  der  Grofse  Kurfürst  und  Friedrich 
Wilhelm  I.  schon,  so  hat  besonders  Friedrich  der  Grofse  die  Koloni- 
sation zur  Hebung  der  Bodenkultur  befördert.    Die  Melioration  der  vielen 
Bruchgebiete  der  Mark  war  die  gröfste  Errungenschaft,  die  aus  seinen 
Bestrebungen  in  der  Friedenszeit  hervorging.  —  Weitaus  am  günstigsten 
lagen  die  Verhältnisse  in  Sachsen.    Das  Emporblühen  des  Bergbaues, 
der  Gewerbe  und  des  Handels  hatte  eine  wohltätige  Rückwirkung  auf 
die  Landwirtschaft.    Durch  die  Tuchfabrikation,  die  niemals  ganz  dar- 


(»18 


XIV.  Kulturgcographie  um  daH  Jahr  1770. 


niederlag,  wurde  die  Schafzucht  neu  belebt,  zumal  Wolle  besser  bezahlt 
wurde  als  andere  Landesprodukte.  Aber  auch  die  Fruchtpreise  waren 
dort  gestiegen,  und  Sachsen  hatte  die  Nachwirkungen  des  Kriege* 
schneller  als  alle  anderen  Länder  überwunden.  Thüringen  wurde  vom 
nahen  Sachsen  noch  günstig  beeinflufst,  wenn  es  diesem  auch  nicht 
gleichkam.  Mit  Sachsen  stand  auch  Schlesien  in  Beziehung.  Krapp 
und  Wolle  lieferte  es  für  das  Nachbarland,  und  niederschlesischer  Weizen 
wurde  bis  zur  Ostsee  und  über  sie  hinaus  vertrieben. 

Auch  der  Süden  Deutschlands  hatte  sich  nach  den  Drangsalen  d€« 
Krieges  wieder  aufgerafft.  Dies  gilt  selbst  von  der  Pfalz  am  Rhein,  die 
aufser  dem  Dreifsigjährigen  Kriege  noch  die  französischen  Mordbrenner 
in  den  achtziger  Jahren  des  XVII.  Jh.  im  Lande  gehabt  hatte.  Ge- 
treide-, Obst-  und  Weinbau  in  der  Vorderpfalz,  dann  auch  die  Rinder 
zucht  der  Hardt  standen  im  XVIII.  Jh.  wieder  in  Flor.  Auch  das  rechts- 
rheinische Gebiet  (Baden,  Breisgau)  stand  mit  seinem  Getreidereichtuiu 
nicht  zurück.  Niederschwaben  suchte  in  der  Linnen-,  Obst-  und  Wein- 
kultur seinen  Erwerb,  während  Oberschwaben  schon  von  Natur  nur 
wenig  Mittel  besafs,  sich  aufzuschwingen.  In  Franken  stand  Obst-  und 
Ilopfenbau  in  Blüte,  aber  alle  anderen  Zweige  der  Landwirtschaft  waren 
von  geringerer  Bedeutung.  Recht  ungünstig  war  Baiern  dagegen  gestellt 
Noch  im  Anfang  des  XVIII.  Jh.  lag  selbst  in  den  fruchtbarsten  Teilen 
des  Landes  ein  Drittel  der  Felder  wüst.  Da  auch  das  Handelsleben 
sehr  verloren  hatte,  die  Donau  nicht  mehr  die  grofse  Strafse  für  den 
Produktentransport  war,  so  fand  (mit  Ausnahme  des  Inntales)  die  Land 
Wirtschaft  keinerlei  Anregung  und  Förderung.  Sehr  viel  besser  stand 
es  mit  Osterreich  und  Steiermark,  zumal  sie  vom  Dreifsigjährigen  Krieg* 
verschont  geblieben  waren ;  aber  dieser  Vorteil  wurde  auch  wieder  ein 
geschränkt  durch  die  nach  Tausenden  zählende  Auswanderung  von 
Protestanten,  durch  den  Türkeneinfall  von  1683  und  die  Nähe  des  frucht 
baren  Ungarns,  welches  Wein,  Wolle,  Getreide  und  Schlachtvieh  billig 
lieferte  und  die  Preise  herabdrückte.  Gleichwohl  wufste  sich  Österreich 
immer  noch  in  der  Landwirtschaft  vorteilhaft  zu  behaupten.  Traurig 
lagen  die  Verhältnisse  in  Böhmen  und  Mähren.  Der  gröfste  Teil  des 
Bodens  war  im  Besitz  des  Adels  und  der  Geistlichkeit,  und  überdies 
hatten  auch  diese  Länder  durch  Auswanderungen  Verluste  gehabt.  Nach 
dem  Ausspruch  eines  Zeitgenossen  war  der  vierte  Teil  des  Ackerbodens 
in  Böhmen  mit  Wald  überwachsen. 

Einen  ungewöhnlich  schnellen  Aufschwung,  zugleich  aber  auch  eine 
beträchtliche  Ausbreitung  hatte  die  Landwirtschaft  in  Preulsen  erfahren.  Ihre 
Hebung  und  Entwicklung  ging  mit  der  Besiedelung  und  Herbeizichung 
fremder  Kolonisten  Hand  in  Hand.  In  der  Zeit  von  1640 — 1740,  vom 
Grofsen  Kurfürsten  bis  König  Friedrich  Wilhelm  I.,  waren  an  6(X)00()  Mensehen 
angesiedelt  worden.  Im  Jahre  168ö  zog  der  Kurfürst  an  7000  Hugenotten  nach 
Berlin ;  aber  auch  die  Schweiz  und  die  Pfalz  gaben  Kolonisten  her.  die  nach 
dem  menschenarmen  Ostpreufsen  sich  wendeten,  wo  im  Polenkriege  von  1656 
bis  16ö7  an  13  Städte,  249  Dörfer  zu  Grunde  gegangen  waren,  an  23000  Menschen 
als  Gefangene  fortgeschleppt  und  80000  durch  Seuchen  erlegen  waren.  Von 
1708—1711  wütete  überdies  die  Beulenpest,  welche  angeblich  235  836  Seelen 


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473.  Landwirtschaft. 


also  etwa  den  dritten  Teil  von  Preufsen,  hinraffte.    Friedrieh  Wilhelm  I.  sucht«' 
in  den  Jahren  1721  — 1727  das  Land   durch  Herbeiziehung  von  Ansiedlern 
aus  allen  Teilen  Deutschlands  und  der  Schweiz  von  neuem  zu  kolonisieren. 
Von  den  im  Jahre  1732  eintreffenden  Salzburgern  nahm  er  an  20694  in  seinem 
Staate  auf  und  siedelte  sie  besonders  in  den  litauischen  Gebieten  an,  welche 
ebenfalle  über  die  Hälfte  an  Bewohnern  eingebüfst  hatten.    Allen  gewährte  er 
besondere  Vorrechte  und  steuerfreie  Jahre,  um  sich  in  die  neuen  Verhältnisse 
einzuleben  und  den  verödeten  Boden  wieder  mit  Erfolg  zu  bestellen.  Friedrich 
der  Grofse  wirkte  in  demselben  Sinne  fort;  an  300000  Kolonisten  siedelte  er 
an  verschiedenen  Stellen  seines  Staates  an  und  gründete  900  Kolonistendörfer, 
so  dafs  am  Schlufs  seiner  Regierung  der  preufsische  Staat  einschliefslich  der 
früher   schon    eingewanderten  ca.    600000  beinahe  eine  Million  Einwohner 
gewonnen  hatte,  von  denen  200000  dem  ländlichen  Berufe  oblagen.  Für 
einen  grofsen  Teil  dieser  Kolonisten  wurde  aber  erst  neues  Land  geschaffen. 
Die  bruchartigen  Gebiete  der  märkischen  Wasserläufe,  die  noch  aus  der  Eiszeit 
stammten  (s.  S.  86),  wurden  trocken  gelegt  und  urbar  gemacht.    Friedrich  Wil- 
helm I.  hatte  in  den  Jahren  1718 — 1725  das  Rhin-  und  Havelluch  kulti- 
viert, einen  Gebietsstreifen  von  25  km  Länge.    Hier  entstand  die  Musterdoinänc 
Königshorst.    Auch  in  Ostpreufsen  war  er  ähnlich  vorgegangen  und  hatte  bei 
Trakehnen  ein  14  000  Morgen  grofses  Gebiet  aus  Moorboden  gewonnen  und 
daselbst  1732  ein  Gestüt  angelegt.    Noch  umfassender  wirkte  auf  dein  Gebiete 
der  Landesmelioration  sein  Sohn  Friedrich.    Die  bedeutendste  Leistung  war 
unter  ihm  die  Trockenlegung  des  Oderbruches,  in  welchem  von  1746  bis 
1753  an  225000  Morgen  Landes  gewonnen  und  1200  Familien  in  43  neuen 
Dörfern  angesiedelt  wurden.  Hierzu  gehört  ferner  die  Melioration  des  Warthe- 
bruches, wo  122  672  Morgen  dem  Sumpfe  abgerungen  und  95  neue  Kolonien 
geschaffen  wurden.    Im  Anschlufs  an  die  Arbeiten  seines  Vaters  an  der  oberen 
Havel  wurde  auch  das  Döllntliefs  entwässert,  das  Bruch  an  der  Silge  in  der 
Prignitz  (1747),  andere  Gebiete  am  Rhin,  an  der  Dosse,  an  der  Jäglitz,  die 
Dammschen  und  Stettiner  Brücher  (1749),  die  Bruchgebiete  bei  Hornburg, 
Halberstadt  und  Oschersleben  (1754),  das  Fiener  Bruch  zwischen  Havel  und 
Elbe.    Auch  in  Pommern  wurden  ähnliche  Arbeiten  ausgeführt,  so  die  Ent- 
wässerung des  Plönebruches  und  das  Senken  des  Maduesees  (1770),  wodurch 
14  338  Morgen  dem  See  abgewonnen  wurden;  desgleichen  die  Melioration  der 
Ihnaniederung  oberhalb  Stargard.    Nach  der  Erwerbung  Westpreufsens  ( 1772  > 
suchte  er  auch  dieses  Land  nach  der  polnischen  Mifswirtschaft  zu  heben. 
Durch  Friedrichs  Tätigkeit  wurden  auch  andere  deutsche  Fürsten  angeregt, 
wie  Kurfürst  Karl  Theodor  von  Baiern,  der  einen  Teil  des  Donaumooses  trocken 
legen  liefs.   Vgl.  Beheim-Schwarzbach,  Friedrich  Wilhelms  Kolonisations- 
werk in  Litauen,  Königsberg  1879.    Dcrs.,  Hohenzollernsche  Kolonisationen, 
Leipzig  1874.    R.  Stadel  mann,  Preufsens  Könige  in  ihrer  Tätigkeit  für  die 
Landeskultur,  Leipzig  1878.    Roscher,  Gesch.  d.  Nationalökon.  in  Dtsehld.. 
S.  394  ff.    von  der  Goltz,  1.  c.  I,  389  ff.    Michelsen-Nedderich.  1.  c, 
S.  145  ff.    Meitzen,  Der  Boden  und  die  landwirtsehaftl.  Verhältnisse  des 
preufsischen  Staates.    Berlin  1868 — 71. 

In  den  österreichischen  Landen  hatte  Kaiserin  Maria  Theresia  der  Land- 
wirtschaft ihre  volle  Aufmerksamkeit  geschenkt,  aber  doch  nicht  so  erfolgreich 
wirken  können  wie  Preufsens  Könige.  Die  verschiedenen  Nationalitäten  sowie 
die  verschiedenen  agrarischen  Verhältnisse  schufen  mancherlei  Schwierigkeiten ; 
überdies  herrschte  in  Böhmen  und  Mähren  noch  die  Leibeigenschaft,  überall 
war  der  Adel  zahlreich  vertreten,  während  die  Krone  nur  wenig  Güter  besafs. 
Wirkliche  Fortschritte  waren  nur  im  Erzherzogtum  und  den  deutschen  Teilen 
von  Steiermark  und  Kärnten  zu  finden.  Der  Kaiserin  Bestrebungen  richteten 
sich  auf  den  Feldbau  (Neukulturen.  Kleebau),  den  Obstbau  (besonders  in  Böhmen 
und  Mähren),  die  Viehzucht  (Schafzucht),  die  Maulbeerbaumkultur,  Bienenzucht 
u.  dgl.    Vgl.  hierüber  alles  Nähere  bei  Langethal,  1.  c.  IV,  271  ff. 


620 


XIV.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1770. 


Im  landwirtschaftlichen  Betriebe  hielt  man  es  für  geratener,  den  Körner- 
bau etwas  zu  beschränken  zu  Gunsten  der  Futterkräuter  und  damit  der  Vieh- 
zucht, die  durch  die  Dungproduktion  mittelbar  wieder  dem  Ackerbau  zugute 
kam.  Der  Rotklee,  dessen  Kultur  im  XVI.  Jh.  schon  in  Oberitalien  und 
Brabant  betrieben  wurde,  fand  in  Deutschland  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
XVIII.  Jh.  allgemeine  Verbreitung.  Im  Westen  und  Südwesten  war  er  durch 
gehend»  besondere  in  den  klimatisch  begünstigten  Teilen  zu  finden,  im  mitt- 
leren und  östlichen  Deutschland  stand  er  noch  zurück,  obwohl  Friedrich  der 
Grofse  ihn  in  jeder  Weise  begünstigte.  Auch  die  Lupine  (aus  Italien)  liefs  er 
auf  sandigen  Länderein  anlegen,  jedoch  nicht  als  Futterpflanze,  sondern  für 
die  Düngung.  —  Neben  dem  Klee  spielte  dann  die  Kartoffel  damals  eint 
grofse  Rolle,  zumal  als  menschliches  Nahrungsmittel.  Sie  wurde  1586  durch 
Franz  Drake  in  Europa  eingeführt,  aber  erst  1700  in  der  Pfalz  gärtnerisch  an 
gebaut  und  1720  in  Brandenburg.  Erst  von  da  an  wird  sie  in  Deutschland 
Feldfrucht,  aber  allgemeiner  verbreitet  wird  sie  erst  seit  der  Mitte  des  Jahr- 
hundert«. —  Eine  andere  amerikanische  Pflanze  war  der  Tabak,  der  in  Deutsch- 
land während  des  Dreißigjährigen  Krieges  Eingang  fand.  Ende  des  XVII.  Jh. 
wird  er  schon  angebaut  in  der  Pfalz,  Hessen,  Thüringen,  Sachsen,  Altmark  und 
Franken.  Friedrich  der  Grofse  sorgte  für  eine  grofse  Verbreitung.  Wie  auf 
den  Obstbau,  so  wTar  er  auch  für  die  Kultur  der  Maulbeerbäume  bedacht 
und  damit  der  Seidenraupenzucht.  Im  Jahre  1784  zählte  man  in  der 
Mark  und  Pommern  an  4 (50 (»0  Maulbeerbäume;  der  Ertrag  an  Rohseide  betrug 
1785  an  17000  Pfund.  Aus  klimatischen  Gründen  ging  die  Kultur  aber  später 
zurück. 

Eine  Hebung  erfuhr  die  Viehzucht  aus  den  vorher  angegebenen 
Gründen;  die  Pferdezucht  wurde  schon  durch  den  militärischen  Bedarf  ge- 
fördert. Einige  Staatsgestüte  entstanden  (Trakehnen  1732,  die  meisten  jedoch 
eist  nach  177«)).  Die  Rinderzucht  bedurfte  weit  mehr  der  Aufbesserung 
und  sie  wurde  ihr  durch  den  Kleebau  zuteil;  desgleichen  die  Schafzucht. 
Dagegen  stand  die  Schweinezucht  zurück,  wenn  auch  ihre  Zahl  sich  ver 
mehrt  hatte. 

Über  die  einzelnen  Produkte  der  Landwirtschaft  (Ackerbau  und  Viehzucht 
handelt  sehr  eingehend  Langethal,  1.  c.  IV,  128—205,  239—245;  im  übrigen 
auch  die  obengenannten  Werke;  ferner  Biomeyer,  Die  Kultur  der  landwirt 
schaftlichen  Nutzpflanzen,  1889,  1891.  Von  zeitgenössischen  Werken  sind  zu 
nennen:  Leopoldt,  Einleitung  zu  der  Landwirtschaft,  1750.  Eckhart, 
Experimental-Okonomie,  1754.  Schubart,  Ökonomisch  kameralistische  Schriften. 
6  Bde.,  Leipzig  1783 — 1784.  Reichart,  Land-  und  Gartenschatz.  1753.  Beck 
mann.  Grundsätze  der  deutschen  Landwirtschaft,  1769  (5.  Aufl.  1802). 

474.  Wald.  Alle  Darstellungen  der  waldwirtschaftlichen  Verbältnisse 
im  XVII.  und  XVIII.  Jh.  entwerfen  von  ihnen  ein  trauriges  Bild.  Die 
Forstordnungen  beklagen  stereotyp  den  schlechten  Zustand  der  Wälder; 
doch  sind  diese  Klagen  wohl  nicht  immer  ernst  zu  nehmen,  sie  scheinen 
als  Einleitungsphrasen  oftmals  nur  einen  erneuten  Erlafs  der  Forstord- 
nung motivieren  zu  sollen.  Die  Einwirkungen  des  Dreifsigjährigen 
Krieges  waren,  wie  oben  gezeigt,  von  Vorteil  wie  Nachteil  für  den  Wald 
bestand  gewesen.  Im  Sollinger  Walde  waren  herrliche  Eichen-  und 
Buchenbestände  emporgekommen  und  die  früheren  Blöfsen  mit  jungem 
Unterholz  bedeckt  worden,  da  der  geringe  Viehstand  dies  nicht  mehr 
am  Aufkommen  verhinderte  (Enders  140).  Aber  dieser  stellenweise  sich 
günstig  gestaltende  Zustand  war  bald  überwunden  und  Ende  des  XVII.  Jh 
macht   sich   ein   Rückschritt  in  der  Waldkultur  in  verstärktem  Mafse 


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474.  Wald. 


621 


fühlbar.    Zunächst  sind  es  wieder  die  Waldrodungen,  die  besonders  im 
Osten  mehr  denn  je  zur  Ausführung  kamen  und  nachteilige  Erschei- 
nungen zur  Folge  hatten.   So  wurde  in  Preufsen  wieder  tüchtig  gerodet, 
vorzugsweise  an  solchen  Stellen,  deren  Holz  wegen  der  Entfernung  von 
Transportstrafsen  keinen  Nutzen  schaffen  konnte.    Das  Wort  Friedrichs 
des  Grofsen,  dafs  ihm  »Menschen  lieber  seien  als  Holz«,  ist  hierfür, 
charakteristisch.    Trotzdem  war  er  ein  zu  guter  Staatswirt,  als  dafs  er 
die  wirtschaftliche  Bedeutung  dos  Waldes  ganz  hätte  übersehen  können, 
und  mehrfach  mahnte  er  zur  Sparsamkeit  im  Holz  verbrauch.    Die  Her- 
stellung von  Knüppeldämmen  wurde  verboten,  ebenso  das  Maiensetzen 
zu  Pfingsten.    In  industriereichen  Gegenden  durften  keine  Eisenhämmer 
oder  Glashütten  angelegt  werden;  auch  das  Kohlenbrennen  sollte  be- 
schränkt werden.    Dessenungeachtet  liefs  er  den  Wald  in  Oberschlesien 
an  vielen  Stellen  im  Umfang  einer  ganzen  Feldmark  zu  kolonialen 
Zwecken  niederholzen.     Aber  dies  geschah  eben  in  dem  holzreichen 
Oberschlesien,  wo  seinerzeit  auch  die  Kreuzburger-  und  Malapanehütten 
errichtet  werden  konnten,  während  in  dem  holzärmeren  Niederschlesien 
der  Holzverwüstung  Schranken  gesetzt  und  Torf-  und  Steinkohlenfeue- 
rung begünstigt  wurden.    Wie  stark  der  Holzkonsum  war,  zeigt  auch 
die  Flöfserei  auf  der  Oder  und  ihren  Nebenflüssen  in  jener  Zeit.  Be- 
sonders der  englisch-französische  Seokrieg  erforderte  viel  zum  Schiffsbau, 
sowie  die  französische  Fafsfabrikation.    Eine  Firma  in  Stettin  förderte 
jährlich  für  400000  Tal  er  herabgeflöfsten  Holzes  allein  nach  Bordeaux. 
Auch  für  Pommern,  Ostpreufsen  und  Litauen  enthalten  die  Forstord- 
nungen Anweisungen  zum  Roden  an  geeigneten  Stollen.    Unheilvoll  ist 
die  Abholzung  des  Waldes  auf  der  Frischen  Nehrung  unter  Friedrich 
Wilhelm  I.  geworden,  da  durch  seine  Beseitigung  der  Dünensand  seine 
Beweglichkeit  wieder  erhielt  und  durch  sein  Rück würtssch reiten  das  Haff 
versandete.    Auch  im  Binnenlande  waren  durch  Entfernung  des  Waldes 
Sandverwehungen  verhängnisvoll  geworden ;  so  besonders  im  Emsgebiet, 
wo   durch  Anlage  von  Tannenkämpen  erfolgreich  vorgebeugt  wurde. 
Die  münstersche  Regierung  verteilte  1779  an  631  Pfund  Tannensamen 
zu  demselben  Zweck.    Bei  aller  Fürsorge,  die  in  solchen  Mafsregeln 
und  Verordnungen  zum  Ausdruck  kommt,  ging  man  im  Notfalle  bei 
finanziellen  Verlegenheiten  ebenso  rücksichtslos  gegen  den  Wald  vor, 
und  besonders  während  des  XVIII.  Jh.  hat  der  auswärtige  Holzhandel 
riesenhafte  Dimensionen  angenommen   und  eine  entsprechende  Uber- 
nutzung der  Wälder  zur  Folge  gehabt.    Holland,  für  welches  die  ober 
rheinischen  Gebiete  jahrhundertelang  die  Holzmagazine  gebildet  hatten, 
absorbierte  immer  noch  den  gröfsten  Teil.    Für  die  Waldwirtschaft  war 
es   ebensowenig  vorteilhaft,  dafs  man  ihr  das  Berg-  und  Hüttenwesen 
überordnete.    Der  grofse  Gewinn,  den  die  Bergwerke  abwarfen,  gab  hier- 
bei den  Ausschlag.    Jene  obenerwähnten  Holzvorräte  des  Solling  wurden 
daher  noch  im  XVII.  Jh.  durch  Anlegung  von  Eisenhütton,  Kupfer- 
hämmern, Glashütten  u.  dgl.  nutzbar  gemacht,   von  Seckendorf^  rät  160f> 
in  seinem  »Teutschen  FürstenstaaU  den  Betrieb  von  Hütten  und  Hämmern 
da   zu  befördern,  wo  »das  Holz  sonst  nicht  zu  Nutzen  zu  bringen  ist  ; 


«22  XIV.  Kulturgeographie  uro  das  Jahr  1770. 

ebenso  Gottlob  von  Justi  1758,  dafs  die  Bergwerke  allein  zum  Reichtum 
führen.  Desgleichen  die  Forstordnung  für  Steiermark  von  1767.  Im 
österreichischen  und  salzburgischen  Gebiet  war  Ahnliches  schon  im  An- 
fang des  XVI.  Jh.  geschehen.  Leopold,  Karl  VI.  und  Maria  Theresia 
handelten  in  dem  gleichen  Sinne  und  suchten  um  jeden  Preis  die  Berg- 
werksrente hinaufzuschrauben.  Die  Forstordnungen  sind  in  einem  ent- 
sprechenden Sinne  abgefafst.  So  jene  für  den  Breisgau  1754,  für  Oster- 
reich ob  und  nid  der  Enns  1752,  1766,  für  Steiermark  1767. 

Die  künstliche  Verjüngung  des  Waldes  mufste  natürlich  auch  eine 
Veränderung  des  Bestandes  der  verschiedenen  Baumgattungen  nach  sich 
ziehen.  Für  Eichen  hatte  man  zwar  immer  noch  eine  besondere  Vor- 
liebe; Anleitungen  zur  ihrer  Anpflanzung  finden  sich  seit  der  Mitte 
des  XVI.  Jh.  vor,  und  im  XVIII.  Jh.  wurden  die  Bestrebungen  mich 
dieser  Richtung  durch  Verordnungen  unterstützt.  Nicht  blofs  in  der 
Nähe  der  Dörfer  wurden  sio  angepflanzt,  auch  ganze  Eichenkämpe 
wurden  geschaffen.  Weit  geringer  war  ihr  gegenüber  der  Anbau  der 
Buche  und  der  übrigen  Laubhölzer.  Besondere  Beachtung  verdienen 
die  Nadelholzsaaten  und  -pflanzungen,  die  seit  dem  Anfang  des  XVIII.  Jh. 
in  gröfserem  Umfange  vorgenommen  wurden.  Seit  1673  wurden  Nadel- 
holzkulturen im  Harz  betrieben.  Auch  hierbei  suchte  man  durch  An- 
leitungen anregend  zu  wirken,  der  Handel  mit  Nadelholzsamen  kam  da- 
mals zu  grofser  Entwickelung.  Der  durchgreifende  Umschlag  in  der 
Verteilung  von  Laub-  und  Nadelwald  begann  im  XVIII.  Jh.,  um  dann 
im  XIX.  Jh.  dem  letzteren  die  entschiedene  Vorherrschaft  zu  sichern. 

Die  natürliche  Verjüngung  des  Nadel-  und  Laubholzes  sowie  che  künst- 
liche beider  erörtert  sehr  ausführlich  unter  Beibringung  vieler  Quellenzitate 
Schwappach,  Forst-  und  Jagdgesch.  I,  380  ff.,  394  ff.,  409  ff.  Über  die  Wald- 
nutzungen  vgl.  ibid.,  S.  356  ff.,  ferner  Enders,  Waldbenutzung,  S.  156  ff.  (Hol 
länderholzhandel),  1G3— 168.  Die  Sparsamkeit  mit  Holz  zu  Gunsten  anderer  Zwecke 
wurde  zuweilen  ins  Unglaubliche  getrieben.  Joseph  IL  ordnete  an,  dafs  die 
Toten  statt  in  Särgen  in  schwarzen  Tüchern  beerdigt  werden  sollten.  Die  Ver- 
wendung der  Steinkohle  an  Stelle  von  Holz  trat  erst  gegen  Ende  des  XVIII.  Jh. 
ein,  als  die  Holzvorräte  schon  stark  zusammengeschmolzen  waren. 

Über  die  Verhältnisse  in  Schlesien  vgl.  Grünhagen,  Schlesien  unter 
Friedrich  dem  Grofsen  I,  386,  538  f.,  H,  372  ff.    Von  Brandenburg  gibt  ein 
Verzeichnis  aller  Waldgebiete  Bekmann,  Beschrbg.  d.  Churmark  Brandenbg. 
I,  758.    Ober  die  Forsten  in  Posen  s.  Meyer,  Gesch.  d.  Prov.  Posen,  S.  176  f 
—  In  Oldenburg  waren  Ende  des  XVII.  und  Anfang  des  XVIII.  Jh.  die  Hol 
Zungen  noch  sehr  bedeutend,  wie  sich  aus  dem  Ertrag  der  Mästungen  ergibt 
Nachher  liefs  dieser  nach,  weil  die  Waldungen  für  Teich-  und  Sielbauten  stark 
gelichtet  wurden.    Sehliefslieh  hatten  sie  einen  grofsen  Verlust  durch  die  Fran 
zosen,  die  viele  tausend  Bäume  für  Pallisaden  und  Verschanzungen  verwen- 
deten.   Kohli,  Oldenburg  I,  319.  —  Über  die  Einsgebiete  vgl.  Schriever, 
Zur  Gesch.  der  Wälder  in  den  Ämtern  Linien  und  Freren,  in  Mittlgn.  hist. 
Ver.  f.  Osnabrück  XII  (1882),  336—357.    Diepenbrock,  Gesch.  d.  Amt« 
Meppen,  S.  586— 590.  —  ("her  den  Wald  in  Lippe  Falk  mann,  Beiträge  zur 
Gesch.  des  Fürstent.  Lippe  IV,  201  ff.    Ferner  Hansrath,  Forstgesch.  der 
rechtsrheinischen  Teile  des  ehemaligen  Bistums  Spever,  mit  Karte,  Berlin  189t< 
Mone,  Über  das  Forstwesen  vom  XIV. — XVIL  Jh.  im  Breisgau,  der  Mark 
grafschaft  Baden,  Bist.  Speier  und  Rheinhessen.  Z.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins.  II 
(1851).    Kegel  mann,  Darf  altwürtteniberg.  Forstkartenwerk  des  Kriegsrat«-» 


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475.  Bergbau. 


623 


Kicser.  mit  2  K.,  in  Württ.  Jahrbb.  1890,  1891.  Bujack,  Gesch,  des  preufsi- 
sdien  Jagdwesens  von  der  Ankunft  des  Deutschen  Ordens  bis  zum  Schlufs  des 
XVIII.  Jh.,  in  Preufs.  Prov.-Bl.  22  (1839),  481  ff. 

475.  Bergbau.     Der  anfängliche  Niedergang  des  Bergwesens  in 
Deutschland  nach  dem  grofsen  Kriege  machte  sehr  bald  einem  erneuten 
und  um  so  lebhafteren  Betriebe  Platz,  und  nicht  zum  wenigsten  waren 
es  die  Landesherren,  die  diesen  Aufschwung  beförderten.  Empfindlich 
hatte  sich  zunächst  der  Mangel  an  tüchtigen  Borgarbeitern  und  Berg- 
meistern bemerkbar  gemacht;  teils  waren  sie  wohl  dem  Kriege  zum 
Opfer  gefallen,  teils  hatten  sie  sich  auch  dem  Auslande  zugewendet,  und 
besonders  die  spanischen  Kolonien  hatten  einen  grofsen  Teil  übernommen. 
Anderseits  waren  aber  manche  Bergreviere  verlassen  worden,  dadurch 
dafs  sich  die  Bergleute  nach  anderen  mehr  versprechenden  Gebieten 
hinzogen.    Besonders  war  es  der  Steinkohlenbergbau,  der  im  Laufe  des 
XVIII.  Jh.  plötzlich  eine  ganz  andere  Bedeutung  gewann.   Die  früheste 
Gewinnung  der  Steinkohle  reicht  bis  in  das  Ende  des  XII.  Jh.  zurück, 
als  zuerst  bei  Lüttich  Kohlen  abgebaut  wurden.    In  Deutschland  selbst 
scheinen  die  Aachener  und  dann  die  Zwickauer  Gegend  zuerst  in  der 
Kohlenproduktion  tätig  gewesen  zu  sein.    Aber  doch  erst  im  XVI.  Jh. 
wurde  der  Steinkohlenbetrieb  etwas  lebhafter,  als  die  Salinen  und  die 
Glashütten  ihren  Bedarf  an  Holzkohle  nicht  mehr  zu  decken  vermochten. 
Der  Steinkohlenbergbau  im  Ruhrgebiet  wurde  erst  verhältnismäfsig  spät 
aufgenommen  (1734);  von  Bedeutung  wurde  er  erst  seit  1766,  als  durch 
den  Bergmeister  Decker  neue  Einrichtungen  und  Verwaltungsmafsnahmen 
getroffen  wurden.    Die  Schiff  bar  mach  ung  der  Ruhr  am  Ende  des  Jahr- 
hunderts brachte  den  dortigen  Betrieb  besonders  in  die  Höhe.  —  Auch 
das  Saarbrückener  Kohlenrevier  gewann,  als  im  XVIII.  Jh.  die  loth- 
ringischen Salinen  verbessert  wurden. 

In  älteren  Bergbaugebieten  war  der  Betrieb  in  ungestörtem  Fort 
gange  geblieben;  aber  überall  ward  doch  erst  das  XVIII.  Jh.  für  den 
Aufschwung  bedeutend.     Der  Betrieb  im  Oberharz  datiert  seit  dem 
XVI.  Jh.    Eine  genügende  Betriebssicherheit  wurde  erst  geschaffen,  als 
man  für  den  nötigen  Wasserbedarf  gesorgt  hatte.    Im  Jahre  1714  wurde 
der  Oderteich  angelegt  mit  «lern  Rehberger  Graben,  der  bis  St.  Andreas- 
berg führt,  und  1732  der  Dammgraben  für  Klausthal  begonnen,  aber 
auch  sonst  noch  auf  dem  Klausthaler  Plateau   Wasserreservoire  und 
künstliche  Seen  geschaffen.  —  Das  Freiberger  Berggebiet  war  nach  vor- 
angegangenem Niedergange  um  die  Mitte  des  XVI.  Jh.  wieder  empor- 
gekommen, jedoch  erst  die  technischen  Verbesserungen  ein  Jahrhundert 
später  brachten  es  zur  Blüte,  so  dafs  das  dortige  Hüttenwesen  muster- 
gültig für  andero  wurde.  —  Wie  der  Kupferschieferbergbau  im  Mans- 
i'eldischen  und   im  Saalkreis  wieder  lebhafter  in  Aufnahme  kam,  be- 
.  sonders  seitdem  auch  Friedrich  der  Grofso  an  der  Produktion  beteiligt 
war,  so  gewann  auch   Schlesien   durch  ihn  wieder  Bedeutung.  Das 
Beuthen-Tarnowitzer  Bergbaugebiet,   welches  schon   einmal   unter  den 
fränkischen  Hohenzollern  geblüht  hatte,  wurde  von  ihm  einer  neuen 
Blüte  entgegengeführt.     Der  Steinkohlenbergbau   war  freilich  damals 


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G24 


XIV.  Kulturgeogruphie  um  das  Jahr  1770. 


noch  gering  und  wurde  erst  gegen  Ende  dos  Jahrhunderts  durch  Fried 
rieh  Wilhelm  von  Reden  gehoben.  —  Was  den  Salinenbetrieb  anbelangt, 
so  hatte  er  in  verschiedenen  Landschaften  nachgelassen,  besonders  dann, 
wenn  in  der  Nachbarschaft  auf  billigere  und  leichtere  Weise  Salz  ge 
wonnen  wurde.    So  versorgte  die  Saline  von  Schönebeck  bei  Magdeburg 
fast  ganz  Preufsen. 

Als  Halle  und  Schönebeck  bei  Magdeburg  preufsisch  wurden,  wurde  aus 
landisches  Salz  verboten  (1720 — 1723).  In  Schönebeck  wurde  das  Hauptsalz- 
amt installiert.  Die  Saline  zu  Artern  wurde  1726—1729  wieder  in  Stand  gesetzt. 
Auch  Sulza  bei  Kösen,  wo  schon  1682  vorübergehend  ein  Betrieb  eingerichtet 
war,  wurde  damals  von  neuem  in  Angriff  genommen.  Die  Saline  von  Dürren 
berg  bei  Merseburg  war  besonders  in  den  Jahren  1744 — 1763  emporgekommen. 
Sulza  war  1682  ein  Raub  der  Flammen  geworden.  Als  die  älteren  Salzquellen 
verfallen  waren,  wurden  neue  gehot>en.  So  entstand  1710  das  altenburgiscbe 
Neusulza.  Frankenhausen  war  als  Salzstätte  noch  immer  von  Bedeutung.  Noch 
in  der  zweiten  Hälfte  des  XVIII.  Jh.  wurden  hier  an  30000  Stück  Salz  erzeugt 
Die  Salzquellen  von  Broekhausen  in  der  Grafschaft  Mark  waren  seit  lange  in 
Betrieb.  1735  wirkte  Preufsen  dort  bei  Königsborn  (bei  Unna).  1753  wurde 
im  Kirchspiel  Rehme  bei  Minden  Neusalzwerk  angelegt.  Die  verlassenen  Salz 
werke  des  Dürkheimer  Gebietes  wurden  1716  wieder  aufgenommen;  1736  wurde 
Philippshall  vom  Kurfürsten  Karl  Philipp  erbaut;  bei  Kreuznach  1729  Karls 
hall  und  1740  Theodorshall.  Die  Saline  Salzhausen  bei  Nidda  wurde  1593  an 
gelegt.  Im  XVIII.  Jh.  war  der  Salinenbetrieb  in  Schwübisch-Hall  sehr  bedeutend 
An  65  000  Zentner  Salz  wurden  jährlich  versotten  und  hiermit  das  Gebiet  vom 
Rhein  bis  nach  Nürnberg  versorgt.  In  Moosbach  am  Elzbach  (Neckar)  wurde 
1756  eine  Salzquelle  entdekt,  der  Karlsbrunnen,  der  1762 — 1767  mit  Sud-  und 
Gradierwerken  versehen  wurde  und  4000  Zentner  Salz  jährlich  lieferte. 

Im  Waldeekschen  war  der  Betrieb  auf  Eisen  immer  noch  sehr  bedeutend. 
1698  lieferte  der  Winzenberg  allein  14  000  Fuder  Eisen.  Im  XVI.  Jh.  wurde 
bei  Bergfreiheit  im  Waldeekschen  auf  Kupfer  gegraben  mit  gutem  Erfolge 
1561  wurden  hier  an  4021  Zentner  Kupfer  gewonnen.  Von  1574  nahm  der 
Ertrag  ab  und  1590  hörte  der  Betrieb  auf.  Doch  1624  wurde  er  wieder  auf 
genommen  und  bestand  bis  1742.  Auch  die  Edder  lieferte  noch  immer  Gold. 
1707  trat  eine  Gesellschaft  von  Unternehmern  zur  Goldgewinnung  zusammen, 
die  jedoch  sich  bald  wieder  auflöste.  Aber  die  Bewohner  von  Affoldern  he 
trieben  die  Wäscherei  weiter  fort.  Im  Laufe  des  XVII.  Jh.  wurde  auch  das 
Ilmcnauer  Bergwerk  wieder  aufgenommen,  doch  ging  es  trotz  günstigen  Erfolges 
1739  wieder  ein.  Im  Hennebergischen  Gebiet  wurde  Prisen  gefördert,  1 7 1  :> 
waren  18  Zechen  im  Gange.  Goldkronach  hatte  durch  den  Dreifsigjährigen 
Krieg  emgebüfst.  1695  wurde  der  Betrieb  wieder  aufgenommen  und  noch 
12  Werke  auf  Gold,  Silber,  Kupfer,  Eisen  waren  in  Betrieb.  Um  den  Fichtel 
berg  wurde  viel  Eisen  gegraben,  so  bei  Wunsiedel,  wo  auch  Silber,  Blei  un<l 
Gold  gewonnen  wurde,  bei  Weifsenstadt  Zinn.  1676  wurde  das  Eisenbergwerk 
bei  Neilla  (Brandenburg-Kulmbach)  wieder  in  Betrieb  genommen.  In  der  Zeit 
von  1715—1767  hatte  es  an  10000  Gulden  abgeworfen.  Um  Baireuth  war  der 
Bergbau  auf  Kupfer  und  Eisen  in  51  Zechen  und  Fundgruben  im  Gange.  Auch 
im  Saalfeldischen  wurde  eifrig  abgebaut;  um  1727  waren  31  Zechen  im  Gange, 
die  auf  Kobalt  und  Kupfererz  arbeiteten,  bis  zu  200  Zentner  Kupfer,  2000  bi> 
3000  Zentner  Kubalt  und  200  Zentner  Alaun  ergaben. 

Die  Freiberger  Bergwerke  waren  infolge  von  Kriegen  und  Preiserhöhung«  :! 
im  XVII.  Jh.  nicht  mehr  so  ergiebig  als  im  XVI.,  aber  ihr  Jahresertrag  war 
immer  noeh  beträchtlich.  Den  Ertrag  von  1630—1685  von  Jahr  zu  Jahr  vgl. 
bei  Gmelin,  S.  285.  Im  XVIII  Jh.  hatte  die  Ausbeute  der  Freiberger  Berg- 
werke beträchtlich  nachgelassen ;  mehrere  Gruben  waren  ganz  eingegangen. 
Statt  5— 6000  Bergleuten  ehemals  waren  nur  noch  3500  in  Tätigkeit.    Es  wurden 


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475. 


625 


jährlich  an  24—30000  Mark  Silber,  3—4000  Zentner  Blei  und  600  Zentner 
ochwarzkupfer  gewonnen.  Erst  seit  der  Mitte  des  XVIII.  Jh.  tritt  ein  ent- 
schiedener Umschwung  im  Betriebe  wieder  ein,  als  neue  Gangfelder  auf- 
genommen wurden  un.d  auch  die  Landesregierung  fürsorglich  eingriff.  Im 
XVIII.  Jh.  wurde  in  Schneeberg  vorzugsweise  Kobalt  gewonnen,  ferner  Blei- 
glanz, Kupferkies,  Zinnerz,  Silber,  so  dafs  es  immer  noch  zu  den  ergiebigeren 
gehörte.  Alle  näheren  Belege  bei  Gmelin,  336 — 349.  Zu  Annaberg  sind  noch 
sechs  Stollen  auf  Silber  und  Kobalt  in  Betrieb.  In  Altenberg  wurde  immer  noch 
eifrig  Zinn  abgebaut;  1736—1765  betrug  die  Produktion  45000  Ztr.  Zu  Lauen- 
stein wurden  noch  jährlich  8 — 9000  Zentner  Zinn  produziert  (1750),  desgleichen 
bei  Ölsnitz,  Falkenstein,  am  Gottesberge  im  Voigtlande.  In  letzteren  Befs  der 
Zinnbau  nach  und  man  warf  sich  auf  Kupfer-  und  Eisenerze.  Bei  Voigtsberg, 
bei  Weisensand  und  bei  der  Bunauschen  Mühle  an  der  Göltzsch  waren  Gold- 
seifen, die  noch  um  1700  florierten.  Ehrenfriedersdorf  hatte  im  XVIII.  Jh.  im 
Ertrag  sehr  nachgelassen.  Statt  der  2000  Zentner  Zinn  in  der  ersten  Hälfte 
des  Jahrhunderts  wurden  nur  noch  600  Ztr.  produziert.  In  Johanngeorgen- 
stadt  kam  der  Bergbau  erst  1654  auf  durch  böhmische  Bergleute.  Kurfürst 
Johann  Georg  I.  baute  damals  die  nach  ihm  benannte  Stadt.  Erst  lieferten 
die  Gruben  besonders  Zinn.  1662  entdeckte  man  Silbererz.  1727  waren  allein 
93  Gruben  in  Betrieb,  1763  11  Stollen  und  63  Gruben. 

Das  Goldbergwerk  zu  Freiheit  in  Böhmen  hatte  stillgestanden  ;  es  wurde 
1765  zwar  wieder  aufgenommen,  jedoch  1772  aufgegeben.  Von  den  Silberberg- 
werken hatte  das  Joachimsthaler  noch  immer  eine  gute  Ausbeute  und  Teufen 
von  300  Lachtern.  Das  Pribramer  Silberbergwerk  hatte  sich  nur  in  mäfsiger 
Höhe  gehalten;  gegen  Ende  der  Periode  ging  es  immer  mehr  abwärts.  1771 
brachte  es  nur  40  Mark  Silber  ein,  um  späterhin  eine  so  glänzende  Höhe 
wieder  zu  erreichen.  Der  Giehrener  Zinnbergbau  hatte  im  Anfang  der  Periode 
noch  leidliche  Erträge  gehabt  Von  1668 — 1727  ruhte  er  aber  fast  ganz.  Dann 
wurde  er  wieder  aufgenommen,  ohne  ihn  zur  alten  Blüte  zurückzuführen. 

Sehr  eifrig  wurden  die  zweibrückischen  Quecksilberbergwerke  abgebaut, 
die  im  Jahre  1765  an  43000,  1768  an  30000  Pfund  Quecksilber  produzierten. 
Frühestens  in  den  Anfang  des  XVII.  Jh.  gehören:  die  Eisengruben  am  Spes- 
sart, bei  Herrenhausen,  Raubach,  Honnefeid,  Grenzhausen  und  Alsbach,  ferner 
bei  Idstein,  Fischbach ;  die  Blei  und  Silberbergwerke  bei  Obernhof,  Wienar  an 
der  Lahn,  die  Gräflich  Erbachischen  bei  Elimanshausen,  die  Quecksilbergruben 
Münster- Appel,  die  weilburgischen  bei  Kirchheim,  auch  die  Bergwerke  bei  Weil- 
münster, Brunnscapel,  Ohren  und  Meskede. 

Aulser  den  früher  genannten  Werken  von  Feste nberg-Packisch, 
D.  dt.  Bergbau,  S.  21  ff.,  Kloster  mann,  Wanderungen,  S.  56  f.,  Koch, 
Gmelin,  pass.  u.  a.  sind  hier  auch  die  zeitgenössischen  Arbeiten  heranzuziehen : 
J.  C.  W.  Voigt,  Mineralogische  Reisen  durch  das  Herzogt.  Weimar  und 
Eisenach  und  einige  angrenzende  Gegenden,  1782.  Hefs,  Haligraphia,  Eis- 
leben 1603.  Kopp,  Beytrag  z.  Gesch.  des  Salzwerkes  in  den  Soden  bei  Allen- 
dorf an  der  Werra,  Marburg  1788.  J.  E.  Brauns,  Amoenitates  subterraneae, 
i.  e.  breviarium  de  metallifodinarum  hercinicarum  origine,  progressu  atque  prae- 
stantia,  Goslar  1726.  Hardanus  Hücke,  Historia  von  den  im  Fürst.  Braun- 
schweig am  Harze  gelegenen  Bergwerken.  H.  Calvör,  Acta  historico-chrono- 
logico-mechanica  circa  metallurgiam  in  Hercynia  superiore,  Braunschw.  WT63. 
Rohr,  Merkwürdigkeiten  des  Vor-  oder  Unterharzes,  1736.  Liebknecht, 
Hassiae  subterraneae  speeimen,  Giessen  1730.  Cancrin,  Gesch.  u.  Beschrei- 
bung der  vorzüglichen  Bergwerke  in  Hessen,  Waldeck,  am  Harz  etc.,  Frankf. 
1767.  Ders.,  Gesch.  und  Beschreibg.  der  in  der  Gfsch.  Hanau,  Amt  Bieber  etc. 
gelegenen  Bergwerke,  Leipzig  1787.  Becher,  Mineralog.  Beschreibg.  der 
Öranien-Nassauischen  Lande  nebst  einer  Gesch.  des  Siegenschen  Hütten-  und 
Hammerwesens,  Marburg  1789.  G.  Jars,  Metallurgische  Reise  zur  Untersuchung 

Kretschmer,  HlitorUch«  Geographie.  40 


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626 


XIV.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1770. 


und  Beobachtung  der  vornehmsten  Eisen-,  Stahl-,  Blech-  und  Steinkohlen  werke 
in  Deutschland,  Schweden  etc.  von  1757 — 1769,  aus  dem  Französ.  von  Gerhard. 
4  Bde.,  Berlin  1777.  Forbers,  Bergmännische  Nachrichten  von  den  merk- 
würdigsten Gegenden  der  Zweibrückischen,  Ch urpfälzischen,  Wild-  und  Rhein- 
gräfl.  u.  Nassauischen  Länder,  Mitau  1776.  F.  von  Berol dingen,  Bemer 
kungen  auf  einer  mineralog.  Reise  durch  die  pfälzischen  Quecksilberbergwerke, 
Berlin  1788.  Bieringer,  Histor.  Beschreibung  des  mann fsf eidischen  Berg- 
werkes, Leipzig  1734.  Charpentier,  Mineralog.  Geographie  der  Chursäeh- 
sischen  Lande,  Leipzig  1778.  Petr.  Albinus,  Meilsnische  Bergchronika. 
Dresden  1590.  Klozsch,  Ursprung  der  Bergwerke  in  Sachsen  aus  der  Gesch. 
mittlerer  Zeiten  untersucht,  Chemnitz  1764.  Brückmann,  Magnalia  Dei  in 
locis  subterraneis ,  Braunschw.  1727.  Oetter,  Von  den  Bergwerken  des  Burg- 
graf entums  Nürnberg.  Ferber,  Neue  Beiträge  zur  Mineralgeschichte  verschie- 
dener Länder,  Mitau  1778. 

476.  Verkehr.     Die   Bedeutung  der  einzelnen  Verkehrsstrafsen 
kommt  in  ihrer  relativen  Benutzung  zum  Ausdruck.   Noch  im  XVIII.  Jh. 
hatten  die  Strafsen  meist  nur  lokale  Bedeutung;  die  weltwirtschaftliche 
Konkurrenz  gewisser  Massengüter,  der  Grofsbetrieb  fehlte,  oder  er  stand 
■damals  zunächst  noch  in  seinen  Anfängen.    Nur  wirklich  wertvolle 
Gegenstände  von  mäfsigem   Umfange  konnten  befördert  werden  und 
lohnten  den  Transport,  während  minderwertige  Massengüter  von  weither 
bezogen  mit  der  einheimischen  Ware  nicht  mehr  konkurrieren  konnten. 
Der  lokale  Markt  war  daher  dem  Kleinbetriebe  noch  gesichert;  land- 
und  forstwirtschaftliche  Produkte  könnten  in  Massen  nur  bedingterrnafsen 
aus  der  Ferne  bezogen  werden.    Die  Bedingungen  knüpften  sich  vor 
allem  an  die  Beschaffenheit  der  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  Die 
Binnenlandstrafsen  waren  nur  mäfsig  in  Stand  gehalten  und  weitergehen- 
den Bedürfnissen  entsprechend  nicht  umgeändert  und  zu  Kunststrafsen 
ausgebaut  worden.   So  hat  ein  so  hervorragender  Volkswirt  wie  Friedrich 
der  Grofse  nach  der  Erwerbung  Schlesiens  gerade  für  den  Strafsenbau 
herzlich  wenig  getan,  und  er  soll  tatsächlich  nicht  eine  einzige  Meile 
Kunststrafse  gebaut  haben  (eine  Meile  kostete  damals  21 000  Taler). 
1770  suchte  er  wenigstens  einige  Gebirgswrege  zu  verbessern  (Schweidnitz — 
Glatz  sowie  Schweidnitz — Landeshut),  die  als  Kolonnenstrafsen  aber  zu- 
nächst auch  nur  militärischen  Zwecken  dienen  sollten.    Waren  nun  in 
anderen  Landschaften  auch  mehr  und  bessere  Strafsen  vorhanden,  so 
kam  der  Transport  per  Achse  doch  so  teuer  zu  stehen,  dafs  der  Herbei- 
führung von  Massengütern  eine  gewisse  Grenze  gesetzt  war.   So  konnte 
Holz  zu  Brennzwecken  eine  Achsenfracht  schon  von  mehr  als  20  km 
nicht  vertragen,  und  von  den  zu  Holzlieferungen  an  die  in  der  Stadt 
lebenden  Grundherren  verpflichteten  bairischen  Bauern  heifst  es,  dafs 
sie  bei  den  grofsen  Entfernungen  nicht  ihr  eigenes  Holz  hinführen, 
sondern  solches  in  der  Stadt  zu  diesem  Zweck  erst  ankauften.  —  Gleich- 
wohl war  der  Vertrieb  von  Massengütern  nicht  ausgeschlossen,  aber  er 
war  nur  dort  möglich,  wo  Wasserstrafsen  genügend  vorhanden  waren 
So  wurde  Holz  auf  den  Schwarzwaldbächen  in  den  Rhein  geflöfst  und 
gelangte  so  nach  den  Niederlanden,  deren  unerschöpfliches  Holzmagaxin 
der  Schwarzwald  jahrhundertelang  gewesen  ist.    Auf  demselben  Wege 
wurden  auch  Cerealien  verfrachtet,  und  wie  der  Rhein  so  dienten  auch 


476.  Verkehr. 


G27 


alle  anderen  grofsen  Ströme  dem  gleichen  Zweck.  Brandenburg  und 
Polen  waren  die  Hauptlieferanten,  und  die  Weichsel  mit  Danzig  an  der 
Mündung  war  dio  wichtige  und  allein  brauchbare  Transportlinie  für  die 
Abfuhr.  Man  begreift,  wie  den  Polen  ihre  Handelsbetätigung  unterbunden 
war,  als  nach  der  Teilung  Polens  die  untere  Weichsel  einem  rivalisie- 
renden Nachbarstaate  zufiel.  Indessen  bot  damals  auch  nur  der  flufs- 
abwärts  gerichtete  Verkehr  solche  Vorteile  dar,  da  das  Aufwärtsziehen 
der  Schiffe  wieder  Zeit  und  Kräfte  an  Menschen  und  Tieren  erforderte. 
Der  Einflufs  der  Verkehrswege  auf  Siodelungs-  und  Bevölkerungsver- 
hältnisse war  immerhin  so  weitreichend,  dafs  grofse  und  gröfste  Städte 
mit  ihrer  Massenbevölkerung  immer  nur  am  Meere  oder  an  schiffbaren 
Binnenwasserstrafsen  möglich  waren. 

Der  deutsche  Seehandel  war  im  XVII.  Jh.  durch  die  unsicheren 
Verhältnisse  auf  dem  Meere  sehr  erschwert.  Spanische  und  später 
holländische  und  englische  Schiffe  kaperten  unausgesetzt,  und  besonders 
wirkte  auch  der  Seekrieg  zwischen  Holland  und  England  schädigend 
ein.  Die  englischen  Navigationsakte  schlössen  den  Handel  nach  England 
und  den  Kolonien  aus,  und  so  blieb  es  auch  noch  unter  der  Regierung 
Friedrichs  des  Grofsen.  Im  XV.  und  XVI.  Jh.  waren  die  Deutschen 
die  reichste  Nation  Europas,  im  XVIII.  Jh.  die  ärmste.  Da  durch  den 
mangelnden  Schutz  zur  See  jede  Unternehmung  gehemmt  war,  so  blieb 
dem  deutschen  Kaufmann  nichts  als  der  Handel  aus  zweiter  und  dritter 
Hand,  —  ein  grofser  Kleinhandel.  Auch  hier  zeigt  sich  wieder,  dafs 
die  für  Handel  und  Verkehr  nicht  ungünstigen  geographischen  Verhält- 
nisse der  deutschen  Küsten  nicht  zur  vollen  Entfaltung  kommen  können, 
wenn  nicht  auch  die  politische  Situation  es  zuläfst.  Nur  bei  ihrer  Mit- 
berücksichtigung kann  der  Einflufs  geographischer  Faktoren  auf  das 
wirtschaftliche  Leben  der  Kulturvölker  richtig  bewertet  werden. 

Lötz,  Verkehrsentwickelung  in  Deutschland  1800—1900,  Leipzig  1900, 
S.  11 — 18.  Sax,  Die  Verkehrsmittel  in  Volks-  und  Staatswirtschaft,  Wien 
1878  f.  Huber,  Die  geschichtliche  Entwickelung  des  modernen  Verkehrs, 
Tübingen  1893.  Zu  dein  oben  Bemerkten  vgl.  noch  Klopp,  Ostfriesland  II, 
418  ff.,  III,  83  ff.  Grünh  jigen,  Schlesien  unter  Friedrich  d.  Gr.  II,  374  ff. 
Da  die  Wasserstrafsen  damals  eine  hervorragende  Bedeutung  hatten,  so  liefs 
man  sich  auch  ihre  Verbesserung  und  Vervollständigung  angelegen  sein,  wie 
die  mehrfachen  Kanalbauten  bezeugen.  In  den  Jahren  1743 — 1745  liefs  Fried- 
rich der  Grofse  den  Plaueschen  Kanal  bauen  zur  Erleichterung  des  Handels 
und  besonders  des  Salztransportes  aus  den  Salinen  von  Schönebeck  nach  der 
Mark  und  Pommern.  1745  war  der  Templiner  Kanal  in  der  Ukermark  angelegt 
worden  zur  Abfuhr  des  ukermärkischen  Getreides  und  später  des  Holzes;  1766 
entstand  der  Werbelliner  Kanal  in  der  Ukermark.  Seit  1772  ist  die  Netze  mit 
Brahe  und  Weichsel  durch  den  Bromberger  Kanal  verbunden.  Auch  in  anderen 
Gegenden  des  norddeutschen  Tieflandes  war  man  bestrebt,  Wasserverbindungen 
zu  schaffen.  Holländischersrits  war  um  1700  die  Absicht  hervorgetreten,  einen 
Kanal  von  Münster  über  Zwolle  nach  der  Zuiderzee  anzulegen  und  zur  Umge- 
hung Emdens  einen  solchen  von  Rhede  oder  Bellingwolde  nach  Groningen. 
Gegen  diese  Projekte  wurden  die  ostfriesischen  Stände  beim  Bischof  von  Münster 
vorstellig.  1723  hatte  gleichwohl  Bischof  Clemens  August  den  sogenannten 
Max-Clemens-Kanal  von  Münster  in  nordwestlicher  Richtung  nach  dem  Orte 
Hardrup  an  der  bentheimschen  Grenze  begonnen,  um  so  bis  zur  Vecht  zu  ge- 

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XIV.  Kulturgeographie  um  das  Jahr  1770. 


langen  und  weiter  bis  Zwolle.  Vgl.  Fürbringer,  Der  Max-Clemens- Kanal  und 
sein  Erbauer  Kurfürst  Clemens  August  von  Cöln,  Bischof  von  Münster,  im 
Emder  Jahrb.  VIII,  1,  103  ff.  —  Der  Verkehr  auf  den  Wasserstraisen  hatte  aber 
noch  manche  lästige  Schranke  zu  überwinden.  Noch  im  Jahre  1710  zählte 
man  auf  der  schiffbaren  Strecke  der  Weser  von  Münden  bis  Elsfleth  nicht 
weniger  als  32  Zollstellen.  Von  diesen  entfielen  12  auf  Hannover,  4  auf  Preufsen. 
3  auf  Hessen,  je  1  auf  Paderborn,  Braunschweig,  Wolfenbüttel,  Lippe  und  Olden- 
burg.   Vgl.  Spannagel,  Minden  und  Ravensberg,  1894,  S.  (J. 


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V 


Index. 


Abkürzungen:     Bg.  =  Burg.     Bggft  =  Burggrafschaft     Bat.  =  Bistum. 
Ebst  —  Erzbistum.     Fret.  =  Fürstentum.     Gft.  =  Grafschaft.    Hft.  =  Herrschaft. 
Hzgt.  =  Herzogtum.    Kfrst.  =  Kurfürstentum.    Kgr.  =  Königreich.    Kl.  = -Kloster. 
I/lft.  —  Landschaft  Ldgft.  =  Landgrafschaft  Mgft.  =  Markgrafschaft.  Pfalzgft.  =  Pfalz- 
grafschaft.   Rst  =  Reichsstadt.    Schi.  =  Schlofs.    St.  =  Stadt. 


A. 

Aach  281 

Aachen,  Rst.  2GL  583 
Aalborg  SU 

Aalen,  Rst.  IM.  22&  586 
Aar,  Fl  36 
Aargau  4G7 
Aarhuus  4.')0,  fill 
Abbach  293 
Abbenrode,  Kl.  420 
Abenberg  303. 
Abersee  43 
Abodriten  111 
Achalm,  Bg.  281 
Achensee  312 
Adenau  248 
Adorf,  St.  318.  323.  528 
Admont,  Kl.  425 
Adulas  38 

Aeröeskiöbing,  St.  536. 
Aestii  IIA 

Affolderbach,  Kl.  218 
Ägerisee  31 
Agri  decumates  143 
Ahaus,  Hft.  44Ü 
Ahr,  Fl.  64 
Ahr,  Gft.  253 
Ahrberg  226.  303 
Ahrensberg  68 
Ahrmühle  254 
Ahrweiler  248.  253 
Aichelberg,  Gft.  282 


Alumannen  165 
Alamannien  180,  182.  28Q 
Aland,  Kl.  409 
Alb,  Fl.  56 
Albegau,  Gft  281 
Alberschweiler  2öl 
Albrochtsthal,  Hft.  268 
Alendorf  254 

Allemiorf  216.  228_.  264.  530 
Aller  92 

Allerheim,  Hfl.  296 
Allstädt  319 
Almere  IM 
Alpen  30  ff. 
Alpen,  Hft  248.  519 
Alpenvorland  44 
Alpirsbach,  Kl.  41fi 
Alsfeld  439 

Altbruchhausen,  Amt  518 
Alteberstein,  Bg.  214 
Altena,  Gft  250 
Altenahr  253 
Altenbaumberg,  Behl.  258 
AJtenberg,  Schi.  482 
Altenburg  318.  483,  530 
Altendiez  221 
Altendorf  2SÜ 
Altengronau,  Amt  üli! 
Altenhaslau  412 
Altonheim  212 
Altonhoff  318 
Altonkampen,  Kl.  386 


Altenkirchen  224 
Altenmünster,  Kl.  421 
Altensteig,  Amt  AftL  524 
Altenthan  303 
Althaldensleben,  Kl.  420 
Althornberg,  Hft  284 
Altkatzenelnbogen,  Schi.  222 
Altkirch,  Hft.  268 
Altmannstein,  Bg.  302 
Altmark  189,  331 
Altmühl,  Fl.  59 
Altwied,  Amt  248 
Alzey  260.  459 
Amarin,  Sankt,  Vogtei  269 
Amberg,  St.  260.  302.  452 
Ambras  312 
Ameland,  Insel  106 
Amelungsborn,  Kl.  229,  419 
Ammensieben,  Kl.  428 
Ammergau  BOB 
Ammcrschweier  268 
Amönaburg,  St.  263 
Amöneburg»  Kl.  413 
Amorbach,  Kl.  4  LS 
Ampsivarier  1(>4.  1H5 
Amrum  113 
Andechs,  Gft.  312 
Andelfingen  281 
Andernach  150.  248 
Andlau,  Kl.  21L  463 
Andreasberg  616 
Angeln,  I.dft.  121 


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T  r 


630 


Index. 


Angeln,  Volk  IUI 
Angerap  103 
Angormund,  Amt  252 
Anglii  142 
Angrivnrier  HL  166 
Anhalt,  Fret.  882.  488.  £>3iL 
SQQ 

Anholt,  Hft.  IIS.  566 
Ankum,  Kl.  431 
Anrath,  Hft.  248 
Ansbach,  Fret.  289, 423. 52a. 
521 

Antweiler,  Hft.  248 
Antwerpen,  iSt.  564 
An  weiter  459 
Apenrade,  Amt  495.  53b' 
Appenzell  588. 
Apollinarisberg,  Kl.  412 
AraeFlaviae  143.  151 
Arbon  151 
Ardennen  62  f. 
Arensburg,  Amt  f>14 
Argen,  Hft.  515 
Arkel  244. 
Arlof,  Hft.  248 
Arneck,  Bg.  282 
Arnesen  231 
Arnoldstein  293 
Arnsberg,  Oft.  249 
Arnsbaugk,  Amt  528.  53Q 
Arnstadt,  Hft.  325.  532 
Arnstein,  Bg.  488. 
Arnswalde  339 
Arme,  Insel  494 
Artenburg,  Bg.  304 
Ärzen  229 
Asberg  15Q 
Ascha,  Schi.  412 
Aschach,  Bg.  2Ü1 
Aschaffenburg  263 
Aschersleben  333 
Asmenz,  Hft.  4.r)8 
Asperg,  Hft.  283 
AsBeburg  228. 
Attereeo  43 
Attuarier  164 
Auerbach  482 
Augsburg,  Kst.  inl  221L 

497  585 
Augsburg,  Bst.  303.  416.  576 
Äugst  15Q 
Auma  312.  324 
Aumenau  220 
A urach  293 
Auras  344 
Anrieh,  St.  453  f. 
Auschwitz  346 


Austrifrancia  183 
Aviones  142 
Awel  254 

B. 

Baar,  Lgft.  47_L  524 
Bacharach  260.  459 
Backnang  281 
Baden,Mgft.273.4fi5  523.671 
Baden,  Gft.  L  Schweiz  468. 
589 

Badenweiler  4fifi 
Baiern  183.  299.  424.  525. 
580 

Baindt,  Kl.  514 
Baireuth,  Fret.  2üll  413.  525. 
511 

Bairischer  Wald  15.  393 
Bajuwaren  168 
Balbronn  212 
Baldern,  Hft.  296 
Balingen,  Amt  284 
Ballenstedt  33JL  489.  533 
Baltischer  Höhenrücken  1Q1 
Baltrtim  109 

Bamberg,  Bst.  293.  420.  526 

Bant,  Insel  109 

Banz,  Kl.  421 

Bar,  Hzgt.  266 

Barby  593 

Barden  wich  211 

Barmstedt,  Amt  536 

Barenburg,  Amt  518 

Barnim  338 

Barnstorf,  Vogtei  236 

Barr,  Hft.  268 

Barten  352 

Bärwalde  339 

Basel,  Bst.  568.  589 

Basel,  8t.  219.  299.  588 

Bataver  14L  165 

Batinoi  141 

Battenberg,  Bg.  224 

Bauland  58 

Baumgartenberg,  Kl.  426 
Beaulieu,  Kl.  412 
Bebenhausen,  Kl.  282.  416 
Bechelingen,  St.  288 
Bederkesa,  Hft.  u.  Schi.  450 
Beerwalde  4HU 
Beeskow,  Hft  483.  533 
Beilngries  293.  303 
Beilstein,  Bg.  219 
Beinheim,  Hft.  212,  466 
Belbuck,  Kl.  433 
Beifort,  Hft.  262  f. 
Hellin  340 


Bellinzona  46ÜL  589 
|  ßelzig,  Kreis  321 
I  Beneckenstein  486 
j  Benediktbeuren,  Kl.  417 
!  Benfeld,  Amt  269 

Bengen  254 

Benken,  Kl.  41Ü 

Bennweier  269 

Benshausen  212.  291 

Bensheim  263 

Bentheim,  Gft.  240. 452.  aliL 
5ü2 

Beraun  84 

Berching,  Kl.  222 

Berchtesgaden,  I*ropstei  523 

Borg,  Gft.  b.  Ehingen  285 

Berg,  Hzgt.  252. 455. 522. 533. 
520 

Berga,  Bg.  323 

Bergbau  156.  208.  502.  544 

623 
Bergdorf  248 
Berge,  Hft.  vom  23Q 
Bergedorf,  Amt  450 
Bergstraße  399 
Bergzabern  4ft9 
Berka  530 

Bern  224.  225.  222.  582 
Bernburg  333.  489,  533 
Berneck  295.  326 
Berngau,  Vogtei  b.  Hemau 
302 

Bernhardt npafs,  Sankt  403 
Bernheim,  Schi.  289 
Benkhausen  228 
Bernstadt  344 
Bernstein  152.  159 
Bernstein,  Land  L  NM.  3Ji2 
Bernstein,  Vogtei  b.  Strafsbg. 
269  f. 

Bernstein  L  Leuchtenbg.  301 
Berum,  Amt  453 
Besigheim,  Amt  466.  524 
Besunschaner  123 
Bethenzer  121 
Bettingen  254.  451 
Beuel  254 
Beuren,  Bg.  280 
Reuthen  34fL  481.  52L  603 
Bcutitz,  Kl.  429 
Beveland  243 
Bevergen,  Amt  452 
Beverungen,  Bg.  517 
Bevölkerungsverhältnisse 

496.  538.  612 
Beyenburg,  Amt  252 
Biberach,  Bst.  291L  ^ 


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Index. 


Biburg  258 
Bickenbuch  ÜÜL  508 
Biel,  St.  ifiL  589 
Bieler  See  4£ 
Bielitz,  Frst.  522 
Bienenzucht  2Q3,  205 
Biesbosch 
Bietigheim  462 
Bilstein,  Bg.  21k  281 
Bilzheim  26g 
Bingen  150 
Bingenheim,  Amt  218 
Birkenfeld  522 
Birkenstein,  Hft.  2M 
Birstein,  Schi.  221 
Birten  251 

Bischofsheim  220.  Iii  422 
Bischofsstädte  383 
Bitburg  lüü 
Bitsch,  Oft  2fifi 
Bitterfeld  321.  482 
Blankenberg  252.  255.  2&L 

Blankenburg  a.  Harz,  Gft. 

322,  482 
Blankenburg  L  Thür.  325.532 
Blankenheim  254.  45L  520. 

566 

Blasien,  Sankt  269.  575  . 
Blaubeuren,  Hft  286.  f. 
Blaubeuren,  Kl.  282  f.  416 
Blanenstein,  Bg.  2*6  f. 
Bleckede  229 
Blei  15L  325 
Bleicherode  328 
Bleidenstadt,  Kl.  413 
Blidenfeld,  Kl.  414 
Blies  51 
Bliescastel  510 
Bliesheim  248 
Blockland  238 
Blomberg  513 
Blotzheim,  Amt  268 
Bludenz  418 
Blumenau,  Schi.  230 
Blumonberg,  Hft.  267  f. 
Bober  100 
Bobersberg  490 
Böblingen  282.  283 
Boboraner  173 
Bockelnhagen,  Amt  532 
Bockenem,  St.  331 
Bodden  121 
Bode  20.  22 
Bodenburg,  Hft.  512 
Bodenlaube,  Hft.  290 
Bodensee  38 


Bodenstein  228 
Bodenteich,  Sehl.  222.  230 
Boden werder  230,  488.  516 
Bodrizer  121 
Bodungen,  Amt  532 
Bogen  302.  475 
Bohlwege  162 
Böhmen  8L  314.  422.  522 
Böhmen,  Volk  123 
Böhmerwald  15 
Boiohemum  162.  123 
Boizenburg  535 
Bojer  138.  168 
Bökinghardc  365. 
Bolchen,  Hft.  2ü5 
Bollwoiler,  Hft.  268.  463 
Bondorf,  Oft  515 
Bonn  150.  248 
Bönnigheim,  St.  286 
Bopfingen,  Rst  280.228.586 
Boppard  255 
Börde  24 
Borglum,  Bat.  436 
Borkeloh  514 
Borkum  102 
Bormio  4£8 
Borna  31* 
Bornefeld,  Amt  252 
Bornholm,  Insel  142.  611 
Bornstedt  322 
Borselen  243 

Brabant,  Hzgt.  244,  454.  564 
Bracht,  Schi.  221 
Brahe  102 
Brakel,  St.  233 
Brambach  533 
Bramsche  235 
Bramwald  6fi 
Brandenburg,  Bst.  430 
Brandenburg,  Mark  336. 420, 

533.  602 
Brandenstein,  Amt  510 
Brannibor  188 
Braubach,  Schi.  222 
Brauneck,  Hft.  288 
Braunfels,  Amt  220 
Braunsberg,  Bg.  223 
Braunschweig  226.  445.  559 
Braunshorn,  Bg.  260 
Breda  442 

Bredenhorn,  St.  233 
Bregenz  15_L  301 
Breisgau  521 
Breitenau  220 
Breiteneck,  Hft.  583 
Breskesand,  Hft.  533 
Bremen,  St.  238. 450. 518,  584 


Bremen,  Hzgt.  558 
Bremon,  Ehst.  236.  42L  4491 
507 

Bremgarten,  St.  229.  589 
Brene,  Gft.  315.  321 
Brenner  39.  161.  404 
Brenz  524 

Breslau,  Bst.  342.  434 

Breslau,  St.  343.  428 

Bretzenheim,  Hft.  510 

Breuberg  292 

Breusch,  Fl.  53 

Brianberg  211 

Brieg  343  f.  429.  526 

Bricy,  Gft.  26fi 

Brienzcr  See  36 

Brilon,  St.  233.  242 

Brisigavi  ltiti 
!  Brixen,  Bst.  312  f.  422 
j  Brizaner  171 

Brocken  10 

Broda  432,  535 

Broich,  Amt  252 

Bromberg  350 

Brookscite  238 

Brotterode,  Amt  211 

Bruchhausen,  Hft.  23"> 

Bructeri  140,  165 

Brficl  351.  535 

Brühl,  Amt  248 

Brumath,  Amt  465. 

Brunn,  Bg.  302 

Brüx  483 

Bublitz  356 

Buch  225,  303.  425 

Bucha,  Hft.  326 

Buchau,  Abtei  416.  513 

Buchau  a.  Federsee,  Rst. 
222,  586 

Bucheck,  Gft.  228 

Buchegg,  Gft.  228 

Büchen  321 

Buchhorn,  Rst.  228,  586 
Bucinobantes  166 
Buckow  352 
Bückeburg,  St.  231.  51i 
Bückeburg,  Amt  513  f. 
Buchouia  225. 
Buchsweilcr,  Amt  268.  465 
Büdingen,  Hft.  222 
Büdinger  Reichswald  392 
Bühl,  Amt  466 
Bulach  284 
Bunzlau  343 
Buraburg,  Kl.  413 
Büren,  Bg.  233 
Burg,  Hft.  L  Vogtl.  323 


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632 


Index. 


Burg,  Gft.  L  Hessen  439 
Bnrg-Schwalbach,  Amt  610 
Burg-Steinfurt,  St.  563 
Burgau,  Mgft.  285.  28L  591 
Burgau  L  Thür.  530 
Burgdorf  22S 
BQrgel  283.  530 
Burghardi,  Sankt,  Kl.  418 
Burgkundstadt,  Schi.  234 
Burglengenfeld,  Gft.  305 
Burgund  223 
Burgundiones  142 
Burgward  ien  121 
Burkersroda  530 
Buroi  141 

Butgenbach,  Hft.  442 
Butjadinger  Land  451 
Buttelstedt  530 
Bütthard,  Amt  413 
Büttstedt  530 
Butzbach,  St.  220 

C. 

Calbe  334 
Calcar  251 

Calenberg,  Frst.  228,  440. 

515.  55S 
Calvolago,  Gft.  234 
Calw,  St.  2fil  f. 
Camberg  22L  512 
Camburg  315.  530 
Caninefates  141 
Cannstatt  I5L  281 
Carniola,  Gft.  811 
Carnuntum  151 
Carolath,  Frst  604 
Castell,  Gft.  292.  473,  518. 
castellum  197 
Castrum  122 
CattimelibociiB  222 
Catz,  EL  41fi 
Caub  260.  460 
Cella  St.  Blasii,  Kl.  41ß 
Cella  St.  Trudperti,  Kl.  416 
Celle  518 
Chablais  526 
Chaligny,  Hft.  265 
Chaloi  142 
Cham  SQL  415.  525 
Cham  a von  141.  164  f. 
Charudes  142 
Chasuarii  141 
Chatten  140.  164  f. 
Chattunrier  164  f. 
Chauken  14L  166 
Chemnitz  482 
Cherusker  14L  166 


Chiavenna  280.  468 
Chiemsee  46 
Chimay  245 
Chiny,  Gft.  242 
Chizzinen  III 
Chorin,  Kl.  431 
Chur,  Bst.  27ä  416 
Churrätien  468 
Churwalchen  182 
Churwalden  468 
Cilli,  Gft  428 
Circipaner  122 
Cismar,  Amt  536 
Cismar,  Kl.  423 
civitas  132 

Cleberg,  Gft  212.  212.  222 
Clermont,  Gft.  245 
Cleve,  Hzgt  250.  455,  533. 
605 

Cloppenburg  232.  442.  452 
Clus,  Kl.  419_ 
Coblenz  150.  255 
Coburg  318.  530.  526 
Colbatz,  Kl.  488 
Coldingen,  Amt  617 
Colditz,  Hft.  482 
Colditz,  Amt  484 
Colidizi  122 
Colmar  271 
Colmberg  296 
Cöln,  Ebst.  248  408,  45JL 
565 

Cöln,  St.  150.  262,  299, 492. 
583 

Commercy,  Hft  441 
Conde  265 
Condroz,  Ixift.  565 
Constanz,  Bst.  222.  304. 41L 

513 
Corbach  225 
Cordenons,  Hft.  31Q 
Corvey,  Abtei  561 
Crailsheim  288.  29ß 
Craja,  Amt  532 
Cransberg,  Hft.  22Q 
Creina,  Gft  811 
Criwitz,  Amt  535 
Cröver  Reich  255 
Cuberni  14Q 
Cu  gern  er  140  165 

D. 

Dachau,  Gft  301 
Dachsberg,  Bg.  275 
Dachstein  210 
Dachstuhl,  Hft.  52Q 
Dachtmissen  517 


Daesburg,  Hft.  442 
Dagsburg,  Gft.  261 
Daleminzier  122 
Damm  531 
Damme  235 

Dänemark,  Kgr.  865.  ßlQ 
Dänen  162 
Dane  wirk  126.  864 
Dänischer  Wohld  121 
Dannenberg,  Gft.,  Amt  222. 

23L  515 
Danzig  2M 
Dargun,  Amt  535 
Dargun,  Kl.  424 
Darmstadt  508  f.  553 
Darfs  122 
Dassel,  Gft.  230 
Dassow  357.  535 
Dattenberg,  Hft.  248 
Dattenried,  Vogtei  268 
Davos  468 
Dedoschaner  128 
Deggendorf  476 
Deggingen,  Kl.  226 
Deiche  104 
Deidesheim,  Amt  261 
Deister  68 
Delitzsch  318,  482 
Delmenhorst,  Gft  238.  450, 

518.  562 
Demmin  356 
Denkendorf,  Kl.  282 
Deodat  St.,  Kl.  412 
Depenau,  Hft.  230,  331 
Derenburg,  Hft  488 
Dessau  333,  482,  533 
Detmold  281 
Deutsch  122 

Deutsch  Leutben,  Hft  592 
Deutscher  Orden  523 
Deutsch-Ordensballeien  51$ 
Deutsch-Ordensgebiet  251 
Deutz,  Abtei  248.  262 
Deventer  244 
Dhaun,  Bg.  252.  458 
Die,  Sankt  265 
Diebach  260 
Dieburg,  Hft.  264 
Diepenau,  Amt  518 
Diepholz,  Gft.  236.  449. Efe 

518.  552 
Diepolsburg,  Bg.  282 
I Hessen  302*  312 
Diessenhofen,  St.  468 
Dictfurt  425 

Dietkirchen,  Vogtei  218  *• 
Dietweiler,  Amt  268 


Dieuze  2Ö9 

Diez,  Gft.  221.  Mi  512 
Dill,  Bg.  255 
Dülec,  GfL  522 
Dillenburg  218  f. 
Dillingen,  Gft.  303 
Dimringen,  Hft.  457  f. 
Dinant  245 
Dinkel  381 

Dinkelsbühl,  Rat.  22  7.586 
Dinslaken,  Hft.  251 
Disentis,  Kl.  222.  416 
Diaibodenberg,  Kl.  411 
Dissen  225 

Dithmarschen  236.  364,  536 
Dobenau,  Hft.  325 
Doberan,  Kl.  35L  421 
Doberan,  Amt  535 
Dobertin,  Kl.  358.  424,  535 
Dobrilugk,  Kl.  43Q 
Dobrzin  422 
Dodico,  Gft.  233 
Dohna,  Bgft.  322,  482 
Dollart  102 

Dollendorf,  Hft.  45L  520 
Doller,  Fl.  53 
Dollertal  268 
Dömitz  229.  231.  535 
Donau  41 

Donaustauf,  Hft.  3D3 
Donauwörth,  Ret.  228.  302, 
525 

Donnersberg  52 
Dormagen  150 
Dornberg  L  Hessen  222 
Dornberg,  Vogtei  225 
Dornburg  318,  32k  530 
Dornstetten,  Hft.  285 
Dorstadt,  Hft.  441 
Dorsten,  St.  248 
Dortmund,  Rst.  262,  584 
Doxanen  112 
Drachenfels,  Hft.  248 
Dratzigsee  102 
Drau  4Q 
hrnwehn  26 
Drebber,  Vogtei  23fi 
Dreieich  322 
Dreisam,  Fl.  56 
Drenthe,  Lft.  564 
Dresden,  St.  482,  428 
Dreswitz,  Bg.  2fiQ 
Drewenz  103 
Driedorf,  Amt  218  f.  512 
Driesen  420, 
DrObeck,  Kl.  420 
Duderstadt  22*,  264 


Index. 

Dümmersee  22 
Dün  U 
Dunoi  142 
Dünwerde,  Hft  211 
Dürkheim  a.  Wertach  302 
Durlach  280.  4M 
Düsseldorf,  Amt  252 
Dux  483 
Dyle  108 

E. 

Ebbegebirge  62 
Ebeleben,  Amt  532 
Ebenhausen,  8t.  282 
Eberbach  288 
Ebernburg  258 
Ebersberg,  Gft.  301 
Ebereheimraünster,  Kl.  415 
Eberetein,  Gft.  512 
Ebingen,  St.  282 
Ebrach,  Kl.  421 
Echternach,  Kl.  412. 
Echzell  22fi 
Eckernförde,  St.  536 
Eger,  Fl.  84.  138 
Egerland  314 
Eggenstein,  Amt  466 
Egisheim  210 
Eglingen,  Hft.  515 
Eglof,  Hft.  515 
Ehingen  285 
Ehrenbreitstein  255 
Ehrenburg,  Amt  518 
Ehrenfels,  Hft.  582 
Ehrenstein,  Amt  532 
Ehrich,  St.  522 
Eichsfeld  11  f.  263  f.  561 
Eichstätt,  Bst.  303,  411,  516. 
Eider  102.  113 
Eiderstedt,  Ldft.  113,  3liL 

425.  536 
Eidgenossenschaft  275.  4<*>6. 

525.  586 
Eifel  62 

Eigelberg  212.  305 
Eilenburg  315.  334,  4M 
Eilsleben  335 
Einbeck  228 
Einrieb  212  f. 
Einzelhöfe  126 
Eisack  32 

Eisen  156,  208.  325,  624 
Eisenach  530. 
Eisenberg  445.  530,  521 
Eisfeld  218,  531 
Eislingen  281 
Eitting,  Hft.  3ül 
Elbe  23 


633 

Elbenau,  Amt  32L  528 
ElbBandsteingebirg  11 
Elbstein,  Bg.  260 
Elchingen,  Kl.  523 
Eldagsen  488 
Eldena  231  424.  535 
Eidenburg  352 
Elgersburg,  Schi.  318 
Elisii  142 
Ellar,  442,  512 
Ellwangen  513 
Elsafs  26L  50L  526 
Eltville  263 

Emblichheim,  Amt  240,  452 

Embscher,  62.  138 

Emden,  Amt  4M 

Ems,  Flufs  88 

Ems,  Vogtei  218  f. 

Engadin  468 

Engelburg  268.  416 

Engelthal  225 

Enger,  Amt  231 

Engern  166 

Engers  255 

Ensisheim,  Hft.  268,  463 
Entlebuch  461 
Enz,  Fl.  52 
Enzberg,  St.  214 
Eppan,  Gft.  312 
Eppenstein  (Eppstein)  22L 

440.  553 
Erbach,  Gft.  215,  518 
Erbtruchsessen  515 
Erding  302 
Erft,  El.  64 

Erfurt,  St.  211.  263  f.  561 
Erlaf,  Fl.  43 
Ermannshausen,  St.  318 
Ermland  352,  436,  423 
Erneck,  Hft.  415 
Erpel,  Hft.  248 
Eruli  142 

Erwitte  232,  242.  511 
Erx  leben  334 
Erzgebirge  16 

Eschenbach  260  f.  222  306 
Escherde,  Kl.  412 
Eschwege,  Amt  228,  608 
Esens  453 
Esmanz,  Vogtei  265 
Esselbach,  Vogtei  212 
Essen,  Abtei  402,  561 
Essen,  Bg.  239 
Eislingen,  Ret.  228,  585 
Esterau,  Hft.  218,  442 
Etsch,  Fl.  32 

Ettenheimmünster,  Kl.  415 


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634 


Index. 


Halingen,  Amt  28SL  466 
Eucharius,  Sankt,  Kl.  412 
Eudoses  142 
Europa  25 

Everschop,  Insel  365 
Everstein,  Gft.  222. 44k  488. 

51fi 
Exter  253 

F. 

Faimingen  286.  475 
Falkenberg  L  SchleB.  346 
Falkenbcrg  L  Leuchtenbg. 
30(1 

Falkenberg  L  Lippe  232 
Falkcnhngen,  Kl.  231 
Falkenstein,  Ilft.  212 
Falkenstein,  Gft  520 
Falster,  Insel  HS.  611 
Fanü  113 
Fecht,  FL  53 
Fehmarn  12L  IM.  536 
Feldberg  535 
Feldkirch,  Gft.  302  f. 
Fenestrange,  Ilft.  463 
Feuchtwangen,  Hst.  222.  413 
Feuchtwangen,  Kl.  417 
Fichtelgobirge  15  f. 
Fildern  53.  283 
Fils,  Fl.  52 
Finne  U 
Finow-Kanal  549 
Fischbeck,  Vogtei  513  f. 
Fischland  122 
Flabemont  265 
Flachs  153.  388.  600 
Fläming  9Ü 

Flandorn,  Gft.  245.  565 

Fleckenstein,  Hft.  222. 4Ü4  f. 

Flensburg,  St.  425.  536 

Flensburg,  Amt  536. 

Fletheti  244 

Flevo  lacus  *iL  IM 

Fli  IS6 

Flochberg,  Hft.  22ß 
Flonheim,  Hft.  256.  45fi 
Florimont,  Hft.  2fi2 
Flügolau,  Gft.  288 
Föderau n,  Schi.  234 
Fohr  113.  335.  424 
Fohrdon  12Q 
Forchheim  21L  224.  223 
Forst  283 

Forst  bei  Hagenau  322 
Fossa  Drusiana  88 
Franchimont  565 
Francis  181 


Franconien  lflfl 
Franken,  Ld.  u.  Volk  134. 
183 

Frankenberg  213 
Frankenburg,  Hft.  (strafsbg.) 

220.  464 
Frankenburg,  Schi,  (bambg.) 

221 

Frankenhöhe  58 
Frankenstein  L  Schles.  344. 

m. 

Frankenthal,  Kl.  414 
Franken wald  24  f.  322 
Frankfurt  a.  M.  262.  422.  583 
Frauenfeld,  St.  468 
Frauenstein,  Schi.  483 
Frauenthal,  Kl.  41S 
Frauenzimmern,  Kl.  415 
Freckenhorst,  Kl.  402 
Fredelsloh,  Kl.  230 
Freiberg,  St.,  L  Saclisen  396. 
624 

Freiburg  L  Cchtland  274.  »RH 

Freienfels,  Bg.  218 

FreiHing,  Bst  303.  423.  581 

Freistadt,  St.  425 

Freistadt,  Hft.  L  böhm.  Schle- 
sien 522 

Frenswegen,  Kl.  240 

Freudenberg  ;Gft.  Wertheim) 
222.  422.  521 

Freudonstadt,  Amt  283 

Freudenthal,  Hft.  522 

Freyhan,  Hft.  604 

Friaul  122.  184.  521 

Friedberg  L  d.  Wctterau  263. 
584 

Friedaberg  L  NM.  332 
Friedeborg,  Bg.  (SchleB.)  348 
Friedeburg,  Schi.  452  f. 
Friedeck,  Hft.  522 
Friedingen,  St,  28L  284 
Fricdland  535 
Friedrich  -  Wilhelm«  -  Kanal 

660 
Friesen  162 
Friesheim  24S 
Frisches  Haff  126 
Frisiavones  141 
Frisii  141 

Friesland  186.  455.  564 
Frisoythe  939 
Fritzlar,  Kl.  264.  4_Ci 
Froberg,  Hft.  268 
Frohburg,  Gft.  222 
Frouard,  Bg.  266 
Fug^er  .F>7n 


Fulda,  Fl.  62 

Fulda,  Abtei  225.  413,  555 
Fundusoi  112 
Fünen,  Insel  118.  fill 
Fürstenau,  Bg.  235 
FOrstenberg  (Dassel)  2X1 
Fürstenberg,  Bg.  L  Schles. 
344 

Fürstenberg,  Bg.  L  d.  Pfah 

260.  452 
Fürstenberg,  Gft.  L  Schwaben 

284,  42L  524 
Furstenberg,  St.  L  Waldeck 

225 

Fürstenberg  (Mecklenburg* 

535 
Furt  425 
Füssen,  Kl.  411 

«. 

Gabreta  26.  138 
Gadebusch  352.  3iiL  535 
Gail,  Fl.  41 

Galindien  125*  352.  423. 

Gallen,  Sankt,  Abtei,  212. 202. 
415.  167.  582 
1  Gallen,  Sankt,  St  582 
1  Garns,  Ldvgt.  588 

Gandersheim,  St.  228. 
\  Gandersheim,  Kl.  419 

Gangelt,  Hft.  442 

Ganghofen,  Hft.  304 

Garbstedt,  Kl.  420 

Gardelegen  228 

Garmisch  303 

Gartow,  Schi.  £29  f. 

Garz  534 

Gaster,  Ixivgt.  588 
Gaugeographie  120 
Gaugrenzen  122 
Gebweiler,  Vogtei  262 
Geest  104 

Gehmen,  Hft  445.  514.  5& 
Gehren,  Amt  532 
Geisenfeld  a.  d.  Um,  Kl.  42£ 
Geisenheim  263 
Geislingen  286 
Geisenhausen,  Gft  303.  3QI 
Geldern,  Hzgt.  (Gelderland. 

243.  454  f.  563— 565 
Gellep  150 
Gelnhausen  222.  262 
Gemünden  439 
Generalitätslande  563  f. 
Genevois  526 

Genf,  St.  15L  462.  52fL  5ffl 
Genf,  Bst.  228 


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Index. 


635 


Genfer  See  35 
Gengenbach,  Kl.  223.  415, 
574 

Gengenbnch,  Rat.  214,280. 
586 

Georgenberg,  St.,  Kl.  422 
Georgenthal  53Ü 
Gepidi  142 
Gera,  Hft.  484,  571 
Gerhausen,  Bg.  2M  f. 
Germanen  JUS 
Germanien  137 
Gennersheitn  150.  459 
Gernrode  333.  533,  522 
Gernsbach,  Hft  4££ 
Geroldseck  27jL  IGü 
Gerolstein  254.  457.  520.  566 
Gersprenz,  Fl.  62 
Gerterode,  Schi.  486 
Gicbichenstein  334 
Gieboldehausen  228,  264 
Giechburg,  Sehl.  294 
Giengen  2SQ.  286.  293.  425. 
586 

Giefsen  2lfif.  552 
Gifhorn  228 
Gilbertsweiler,  Bg.  265 
Ginsberg,  Bg.  218  f. 
Glaadt  254 
Glarus  215.  211.  588 
Glatz,  Gft.  ÜÜ1 
Glntzer  Neifse  98. 
Glaucha,  Kl.  428 
Gleiberg,  Gft.  217,  212,  510 
Gleichenstein  2tü 
Gleink,  Kl.  426 
Gleifsberg,  Gft.  21L  322 
Gleiwitz  343 
Glesin,  Bg.  221 
Glin  838 

Glogau  34JL  422.  52fi 
Gmünd,  Rat  -298.  586 
Gnadenthal,  Kl.  418 
Gnesen,  Ehst.  HL 
Gnoien  358,  535. 
Goar,  Sankt  22L  412 
Godesberg,  Amt  248 
Göhrde  9fi 

Gold  156.  208.  395.  624 
Goldbach,  Hft.  462. 
Goldberg  L  Schles.  343f.39ß 
Goldberg  L  Meckl.  358,  535 
Goldene  Aue  21 
Gollnow  534 
Goltern  23Q 

Gommern,  Amt  321  528 
Göppingen  28Q 


Gorkau,  Kl.  435 
Gürlitaer  Neifse  1Q0_ 
Gorz,  Kl.  412 
Göns,  Gft.  418. 
Goseck,  Kl.  420 
Goslar,  Ret.  332.  584 
Görsweinstein,  Schi.  224 
(iotha  318,  530.  596 
Gothen  142 
Gottau,  Amt  321 
Gottesgnaden,  Kl.  428 
Gotteshaus-Bund  468,  582 
Gotthard  32,  403 
Göttingen,  Frst  228.  515 
Gottorp  425.  536 
Graben,  Amt  466 
Grabow,  St  231 
Grabow,  Amt  535 
Gräfenhain ichon  481 
Grafschaft  121 
Grandson,  Ldvgt.  5Sft 
Grassauertal  302 
Grata  341 

Grauer  Bund  468,  582 
Gravenstein,  Hft.  522 
Greene,  Bg.  23Q 
Greetsiel,  Amt  4f>3 
Greifenberg  343 
Greifenstein,Amt(Solms)220 
Greifenstein,  Bg.  L  Thür.  325 
Greifswalder  Oie  121. 
Greiz,  Hft  181 
Grewismühlen  35L  535 
Greyerz,  Gft  228 
Grimbergen,  Hft.  235.  442 
Grimburg,  Amt  255 
Gröbzig  333,  533 
Grohnde  222.  488.  516 
Groitzsch  316 
Grobe,  Kl.  4X1 
Grone,  Pfalz  228 
Gröningen,  Kl.  420 
Groningerland  244.  564. 
Grofsbodungen,  Amt  532 
Großenhain  482 
Grofser  St.  Bernhard  160. 403 
Grofs  Polen  342,  608 
GrofBwin  356 
Grottkau  343  f.  348 
Grubenhagcn  222.  515.  558 
Grumbach,  Amt  458 
Grünberg  L  Schles.  343  f. 
Grünberg  L  Hessen  213 
Grund,  St.  516 
Grünhain,  Kl.  422 
Grüningen  220 
Grüningen,  Hft  L  Schwz.  432 


Grüssau,  Kl.  435 
Gudensberg,  Gft.  215 
Guhrau  343  f 
Guldholm,  Kl.  432 
Gundelfingen,  Hft.  425,  514 
Gundremmingen  286 
Günthersberge  482,  533 
Günzenhausen,  Amt  226 
Gurk,  Bat  425 
Güsten  48J) 
Güstrow,  St.  352 
Güstrow,  Amt  535 
Gutenzell,  Kl.  524 
Gttterswyk  452 
Gützkow  356 

IL 

Haag,  Gft.  582 
Haar  62 

Habend,  Ldft  265 
Habichtsberg  289 
Habichtswald  6fi 
Habsheim  268 
Ilachberg,  Mgft  223.  465  f. 
521 

Hachenburg,  St.  224 
Hadamar  224.  442,  512 
Hadeln  552  - 

Hadersleben,  St  494  f.  536 
Hadmersleben,  Kl.  42ü 
Hadmersleben,  Gft.  m 
Hafer  153.  388.  429 
Hagenau  221,  428 
Hagenburg,  Amt  514 
Hagenmünster  b.  Mainz,  Kl. 
334 

Haichenbach,  Hft.  304 
Haiger  218  ff. 
Haigerloch,  Hft  283.  422 
Hain,  St  219  f. 
Haina  218 
Hainau  343  f. 
Hainich  21 
Hainleite  21 
Haiterbach,  St  282 
Halagestadt  211 
Halberstadt,  Bst  420.  528 
Halberstadt,  Frst  604 
Haldensleben  335 
Hall  a.  Kocher,  Rst  298.  585 
Hall  L  Tirol  312 
Halle  209.  253 
Hallein  202 
Hallerburg  488,  516 
Hallermund,  Gft  HU 
nallerspring,  Bg.  488 
II:illsU»dt  209 


■ 


636 

Hallstätter  See  42 
Hals,  Gft  306,  415 
Hanialant  243 
Hamburg,  Rst.  2ÜL  450.  498, 
584 

Hainburg,  Bat  422 
Hameln,  St.  222 
Hämelschenburg  229.  516 
Hanau,  Gft.  292  f .  Ml  502. 
Hanau-Lichtenberg,  Hft.  553 
Hanau-Münzenberg,  Gft.  552 
Hannover,  Kfrst  556 
Hanstein,  Hft.  264 
Haold,  Gft.  des  222 
Harbach,  Hft.  301  302 
Harburg,  Hft.  L  Öttingen  296 
Harburg  a.  Elbe  515 
Hardeck,  Gft.  322 
Hardegsen,  Schi.  228 
Hardenberg,  Hft  264 
Hardt,  Aiut  24  m 
Hardt  51 

Harfenberg,  Bg.  2ßQ 
Harii  142 
Harlebucht  Iii 
Harlingerland  520 
Harste,  Schi.  228 
Hartenburg,  Hft  261 
Härtfeld  296 
Harz  69.  155.  393 
Harzburg  228,  446 
Harzgerode  489,  523 
Harzheim  254 
Hasbain,  Gft  565 
Haselach,  Kl.  415 
Haselbach  Kl.  293 
Hasenried,  Kl.  412 
Hasenwinkel  228 
Haslach  282,  286 
Hasleben,  Vogtei  532 
Hafsberge  52,  392 
Hatten,  Amt  465 
Hatzburg,  Amt  536 
Haufendorf  195 
Hausbreitenbach  530 
Hausen,  Hft.  5T4 
Hausen,  Hft.  L.  Limburg  528 
Hausruck  43. 
Hautsmor  294 
Havel  96 

Havelberg,  Bst.  340.  431 
Havelland  332 
Havelluch  619 
Heberberg  60 
Hechingen  284.  524 
Hedersleben  b.  Eisleben,  Kl. 
420 


Index. 

Hegau,  Lgft.  418  . 
Heggbach,  Kl.  574 
Heide  zu  Koyne  323 
Heideck  522 
Heidelberg  259,  459 
Heidenburg,  Hft.  302 
Heidenheim  286 
Heidesheim,  Hg.  258 
Heilbronn,  Rst  289,  586. 
Heiligenberg,  Gft  30L  514 
Heiligenhafen,  St.  536 
Heiligenkreuz,  Kl.  (Passau) 
426 

Heiligenkreuz  b.  Meilsen, 

Kl.  430 
Heiligenstadt  264 
Heilsbronn,  Bg.  303 
Heinrit-hau,  Kl.  310.  435. 
Heisterbach  225. 
Helbe  22 

Heldburg,  Amt  318 
Heldrungen,  Hft.  482 
Helfenstein,  Gft.  2SS,  471. 
Helgoland  115 
Hellberge  fifi 
HellenBtein  286 
Hellweg  402 
Helmarshausen,  Kl.  617 
Helme  22 
Helmstedt  442 
Helvecones  142 
Helvetier  138 
Hemau,  Amt  475 
Henneberg,  Gft.  289,  528. 
594 

Hennegau,  Gft.  246,  565 
Herbermark  219 
Herbornermark  212 
Herford,  Kl.  561 
Heringen,  Schi.  486  f. 
Hermannstein,  Bg.  220 
Herminones  139 
Hermunduri  141 
Hernspurg,  Bg  260 
Herrenalb,  Kl.  282,  415,  524 
Herrenaurach,  Kl.  421 
Herrenberg,  Bg.  462 
Herrenbreitungen,  Vogtei217 
Herrenried,  Kl.  411 
Herrenstein,  Hft.  464 
Herrioden,  Amt  226 
Herrnstadt  343  f.  522 
Hersbach,  Hft.  248 
Hersbruck,  Vogtei  302 
Herschbach,  Hft.  443 
I  Hersfold,  Abtei  225. 413. 508. 
552 


Heruler  142.  168 
Heraberg  228 
Herzfeld,  KL  4üü 
Herzogenbuchsee  228. 
Herzogs  hall  209 
Herzynischer  Wald  29 
Hessen,  Volkst  165 
Hessen,  Lgft.  215,  432 
Hessen-Darmstadt  I^rft  5C£i 
552 

Hessen-Kassel,  Lgft  507. 
552 

Heaseweg  402 
Hessigheim,  Amt  524 
Heuberg  58 
Heuseis  221 
Heveller  172,  188 
Heyda,  KL  439 
Hiddensee,  Insel  123 
Hilariacum,  Kl.  412 
Hilchenrath,  Amt  248 
Hildburghausen,  St  318 
Hildburghausen,  Hft  296, 
592 

Hildesheim,  Bst.  330,  41> 

488,  512,  592 
Hildesheimer  Berge  6* 
Hilkenrod,  Schi.  224 
Hillersleben,  Kl.  420 
II  il  polt  stein  üä 
Hils  68 

Hilsbach,  St.  26Q 
Hilwardshausen,  Kl.  2.?<  > 
Himmelpfort,  Kl.  43L  49L 
404 

Himmelwitz,  Kl.  13ü 
Hinterer  Wald  25 
Hinterpommern  356  493. 507 
Hippoltstein  26L  022 
Hirschau,  Kl.  260.  282,  411 
Hirschberg,  Hft  (Eichstätt 

am 

Hirschberg  L  Schi.  343 
Hirschberg  L  Vogtl.  531 
Hirschhorn,  Hft  523 
Hitzacker,  Amt  229,  515 
Hochberg, Mgft  273.  4hb, 511 
Hoclispessart  56 
Hochstaden,  Gft  253  f. 
Höchstadt,  Schi.  224 
Hochstetten,  Amt  466 
Hodenberg,  Hft.  235 
Hofgeismar  230 
Hofstetten  292 
Hohe  Acht  gS 
Hohenasperg  2<S,'j 
Hohenberg,  Gft.  283, 4IL  521 


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Index. 


637 


Hohenbüchen  230 
Hohenburg  a.  d.  Nordgaue, 

Gft.  304 
Hohenburg  a.  Inn  304 
Hoheneck,  Bg.  282 
Hohenembs,  Gft.  575 
Hohen-Geroldsegg,  Gft  466, 

575 

Hohenlohe,  Gft.  2SL  424. 
677 

Hohenrod,  Bg.  274 
Hohensolms,  Amt  220 
Hohenstaufen,  Bg.  5&  28Q 
Hohenstein  L  Katzenelnb., 

Schi.  222 
Hohenstein  L  Oberpfalz 

26i.  m 

Hohenstein,  Gft.  322 
Hohentrüdingen,  Amt  2116. 
413 

Hohen- Waldeck,  Hft  583 
Hohenzollern,  Berg  fig 
Hohcnzollern,  Gft.  412. 524, 
51i 

Hoher  Meifsner  66 
Hohes  Venn  63 
Hohkönigsburg,  Schi.  463 
Hoh-Königsburg,  Hft  2Z2 
Hoh-Undsberg,  Hft  268 
Hohnstein,  Gft.  322.  482.  599 
Hoh-Rappoltstein,  Bg.  269 
Holceten  162 

Holland,  Gft  242,  454.  563 
Hollerland  238 
Holstein,  Gft,  Hzgt  362, 
3ß4.  424.  6m  m  f . 

Holt  säten  162 
Holzapfel,  Gft.  560 
Holzheim,  Gft.  282 
Holzminden  229 
Homboiken  230 
Homburg,  Hft.  230.  488 
Homburg  v.  d.  IL  460,  509 
Hönau,  Kl.  4JÜ 
Honhard,  Bg.  28H 
Höningen,  Kl.  414 
HoogHtraten,  Hzgt.  564 
Hoorn,  Gft.  565 
Hopfenohe,  Gft  305 
Horb,  Amt  283  f. 
Horburg,  Gft.  262,  463 
Hornbach,  Kl.  412 
Hornburg-Celle,  Kl.  42Ü 
Horrheim,  St.  282 
Horsbüllharde  365 
Hömel  22 
Höreelberg  21 


Hotzenplotz  98 
Hova,  Gft.  235,  442.  515. 
518.  559 
;  Hoyerswerda  4M3 
Hoym  482,  538 
Hückeswagen,  Amt  252 
Hüls,  Hft.  248 
Hümmling  82 
Hundsrück  62 
Hüneburg,  Hft  4fifi 
Hunolstein,  Vogtei  266 
H  uns  rück  62 
Hunsrück,  Schi.  331 
Hunte  92 

Hunteburg,  Amt  235 
Hürnheim,  Hft  206. 
Husum,  8t.  536 
Husum,  Amt  425,  536 
Hütten,  Amt  495.  536 
Hüttenberg,  Amt  212 
Huy  62 

Huysburg,  Kl.  420 
L 

Iberg,  Amt  466 
Iburg  L  Baden  274 
Iburg  (Osnabr,)  235 
Ichstedt,  Schi.  4*5 
Ichtershausen  312.  530 
Idarwald  322 
Idstein,  Hft  212.  610 
Ihna  10Q 
Ijssel  106 
Iiier  39 
Ilm,  Flufs  22 
Um,  Amt  532 
Ilmmünster,  Kl.  421 
Dow,  Bg.  351 
Ilsenburg,  Kl.  42Q 
Immedeshusen,  Gft  233 
Inden,  Abtei  566 
Ingaevones  139 
Ingolstadt  475 
Ingweiler,  Amt  165 
Inn  40 

Inneröstorreich  590 
Innerste  20 
Innviertel  302 
Inster  103 

Insula  Batavorum  141 
Ips,  Fl.  4S 

Inneishausen  282.  291 
Irsoe,  Kl.  513 
Isar  32 

Isenburg,  Gft  443.  555 
Isenburg-Büdingen,  Gft.  222. 
443 


Isengau,  Gft.  304 
Isenhagen,  Kl.  412 
Isenheim,  Hft  268.  463 
Iser  80.  138 
Isergebirge  80 
Isny,  Rst  5J5ü 
Issum,  Hft.  248 
Istacvones  132 
Ith  68 

Itter,  Hft.  217.  608.  563 
Itzehoe,  Kl.  423 
Itzehoe,  St.  495.  536 

J. 

Jabel,  Ldft  231 
Jado  Ul 

Jitgerndorf  424.  48L  522- 

522.  603 
Jagst,  Fl.  52 
Jauer,  Frst  343  f.  603 
Jauernick,  Schi.  348 
Jazza,  Amt  225 
Jena  530 
Jerichow  334 
Jeschkenberg  28 
Jeser  Marken  533 
Jeverliind,  Hft.  452.  518.  561 
Jockgrim  264 

Johanneskloster  b.  Magdebg. 
428 

Johanneskloster  z.  Schleswig 
437 

Johnstein,  Schi.  304 
Jugenheim  225 
Jugenheim,  KI.  334 
Juist  102 
Julbach,  Hft.  415 
Jülich,  Hzgt.  25L  455.  522. 

533.  562 
Julier  16L  404 
Juliushall  5_L6 
Junge  Pfalz  460.  426 
Jungnau,  Hft.  574 
Junkerrath,  Hft  254,  45L 

520 
Jura  58 

Justingen,  Hft.  282 
Jutae  162 
Jüterbog,  Kl.  431 
Juthungen  166 
Jutia  162 

Jütland  116.  169.  365.  6JJ 
Juvavum  151 


Kadolzburg  295 
Kaetzis,  Kl.  416 


638 


Index. 


Käfernburg,  Gft.  325,  482, 
532 

Kahla  325,  182 
Kail,  Hfl.  151 
Kaisersheim,  Kl.  573 
Kaiserslautern  459 
Kalden,  St.  36Q 
Kaldenhorn,  Hfl.  248 
Kaldenstein,  Schi.  34« 
Kallreifferscheid,  Hft.  24g 
Kaimünz  302 
Kalsmunt  22Ü 
Kamenz,  Kl.  435. 
Kamin,  Bst.  356.  432 
KammerHee  43 
Kamp,  Kl.  24S 
Kampoi  142 
Kanäle  542 
Kappeln,  Amt  268 
Kjirantanien  185 
Karantanisrhc  Mark  31Ü 
Karawanken  41 
Karbonen  125 
Kärnten,  Hzgt.  IM,  310.  590 
Karrharde  üiiü 
Kartoffel  62Q 
Kasehuben  120 
Kassel  216.  43a 
Kaaselburg,  Hft.  520 
Katlenburg  228 
Katzhach  98 

Katzenelnbogen,  Gft.  22L 

440.  442.  508.  553 
Kaufbeuren,  Rst.  222-  586 
Kaufunger  Wald  ß6 
Kelhra,  St.  48fi  f. 
Kelheim,  Bg.  301 
Kellerwald  62 
Kelsterbach,  Amt  5Q9 
Kelten  138 
Kemnade,  Kl.  23Q 
Kemnat,  St.  459 
Kempen,  Amt  248 
Kempenich  223 
Kempten  a.  d.  liier,  Kst.  151. 

299.  586 
Kempten,  Abtei  416.  573 
Kenzingcn,  St.  2Z4 
Kerpen,  Gft.  254,  520.  566 
Keula,  Amt  532 
Kiel,  Amt  536. 
Kiel,  St.  425,  58fi 
Kietze  380 
Kiffhausen,  Bg.  328 
Kimbern  142 
Kinnemerland  242 
Kinzig,  Fl.  56.  52 


Kirburg,  Amt  458 
Kirchberg  L  Sponheim  255 
Kirchberg,  Bg.  bei  Lohra 

325.  328 
Kirchherg,  Hft.  am  Hunsrück 

452 

Kirch  berg-Bran  den  bürg,  Gft. 
286.  471 

Kirchheim,  Hft.  510 

Kirchheim,  St.  2*L  4G9 

Kirchsahr,  Hft.  248 

Kirnberg,  Hft.  274 

Kirrweiler,  Amt  264 
I  Kirachgartcn,  Kl.  414 
|  Kissiner  171  351 
!  Kissingen  202.  22L  296 
I  Kitzbühel  302.  475.  f.  428 
1  Kitzingen,  Kl.  418 
|  Klausthal  516 

Klein  Bullesheim,  Hft.  248 

Kleinbmgund,  Gft.  278 
i  Klein-Mariazell,  Kl.  426 
j  Klein-Polen  60S 

Kleiner  St.  Bernhanl  160 

Kattenberg,  Hft.  32L  605 

Klima  131 

Kling,  Amt  415 

Klingenmünster,  Kl.  417 

Klodnitz  28 

Klusterneuburg,  Kl.  426 
Klüt/.  351 

Kniphausen,  Hft.  452,  518. 
562 

Knüllgebirge  6fi 

;  Kobandoi  142 

I  Kochelsee,  Kl.  412 

I  Kocher,  Fl.  52 
Kolberg  202.  356 
Komburg,  Kl.  418 
Kondelwald  321 
Köiiitfsber^r  L  Neumark  33ä 
Königsberg  L  Grabfeld  296 
Königsberg  i,  Solms  220 
Königsberg  L  Preufsen  607 
Köni^sburg.  Hft.  463 

|  Königsfriesen  3<>5 

i  Königshofen  289,  221 
Köni^rstein,  Bj;.  zu  Falken- 

stein  212  ff.  4SI 
Köniirstein  L  Sachsen  482 
Könitfswinter,  Hft.  248 
Könitz,  Amt  532 
Konstadt  344 

Kornelimünster,  Abtei  253. 
566 

Kosel  346.  481 
Köslin  356 


Köstritz  531 
Koswig  333.  482.  533 
Kothen  333,  482.  533 
Kottbus  4üü  f. 
Kraiburg,  Hft.  a.  Inn  304 
Kraichgau  55 
Kraienfeld,  Vgt.  4Ü9_ 
Krain,  Hzgt.  186.  31_L  52ü 
Krainbery  ">."><) 
Kranichfeld,  Hft.  326,  48« 
Kreiseinteilung  43^ 
Krempe,  St  536 
Kremsmünster,  Kl.  426 
Krenkin^en,  Amt  287 
Kreuzberg  254 
Kreuzburg  343  f.  530 
KreuzkJoster  b.  Braunscbw;: 
419 

Kreuznach  255 
Krichinfien,  Gft.  510 
Krkonos  80 
Kronach  294 
Kronenburg,  Hft.  520 
Kron-Flandern  246 
Kroppenstedt,  Gft.  333 
Krassen  343  f .  42Q 
Krummer  Rhein  88 
Küddow  102 
Kufatein  302.  415 
Kujawicn  350 
Kulm,  Bst.  436 
Kulmbach  225,  326.  5H 
Kulinerland  352.  423 
Kupfer  156  f.  325,  624 
Kuppenheim,  Amt  466 
Kurisches  Haff  122 
Kurpfalz  458.  521 
Kurs:  ich  neu  5ii2 
Küfsnacht,  Hft.  461 
Küstrin  332 
Kyburg,  Gft.  228 
Kvffhäuser  IL  4 85 
Kyll,  Fl.  64 

Laacher  See  63. 
Laaland,  Insel  1 18.  611 
Lachem,  Vogtei  513 
Ladenburg  150.  4M! 
Laesö  118 
Lahn,  Fl.  62 
Lahnstein  263  f. 
Lahr,  Hft.  248.  466 
1/amspringe,  Kl.  419 
Landau,  Schi.  L  Waldeck 
225 

Landau,  Bg.  L  Wirtembg.  X) 


d  by  Goog\p 


Index. 


6H9 


Landeshoheit  211 
T^indesser,  Bg.  200 
T.Andgraben  100 
Lnndsberg,  Ilft.  L  Elsafa  268. 
463 

Landaberg,  Schi.  L  Sachsen 
316 

Landaber«  L  NM.  332 
Landsberg  L  ßchlea.  344 
Landaber«  L  Pfalz  460.  522 
Landser,  Ilft.  268.  462 
Landshut  313. 
Landstädte  383 
Land  Wirtschaft  151 .  200.  38JL 

128,  512.  616 

Langeland,  Insel  Qll 
Landen,  Kl.  409 
Langenburg  288 
Langendorf,  Kl.  429 
Langensalza,  St.  318 
Lumrenstein,  Gft.  522 
Langensteinbach  521 
Langenzenn  235 
Langeoog  109 
Isingheim,  Kl.  421 
Lungl  und  118 
I.angobardi  142 
Langwedel,  Ldft.  238, 150 
Largitzen,  St.  26s 
Laubach  1  Münzenberg  22Q 
Laubachbucht  186,  24Ü 
Lauchstädt  312 
Laudenbach,  Bg.  222 
Laudenbach,  Amt  472.  524 
Lauenau,  Amt  231.  514 
Katlenburg,  Hzgt.  361 
I.auenförde  230 
iAiienrode,  Gft.  230.  3J1 
Lauenstein  (Hamburg)  230. 
516 

Ijuienstein,   Hft.  (Orla- 

münde)  326 
Ijuienstein  (Hildesh.)  488 
Uufcn,  Rat.  298 
Duingen  302.  475 
Lausanne  151 
I.ausanne,  Bat.  228 
Lausitz  182,  316.  312.  521 
Lausitzer  Platte  Z8 
Lautenthal,  St.  5IH 
Lauter,  Fl.  53 
läutern,  Frst.  569 
Lauwerzee  186.  240 
Uvant,  Fl.  11 
Uvant,  Bat.  425 
Lurant,  Gft.  304 
Laweke  241 


I  Leba  102 

j  Lebenau,  Gft.  801 

j  Leber,  Fl.  53. 

Lebus,  Bst.  340,  435 

I.ebua  338.  31Ü 

Lech  32 

l.echenich,  Amt  248 
Lechteraeite  238 
Leck  442 
Leerort,  Amt  45Ii 
Lehnin,  KI.  430 
Leine  22 

Leiningen,  Gft.  26L  46L 

523,  520 
Leisnig,  Amt  484 
Lcitomischl,  Bst.  434 
Lek  88. 

Lembach  258.  222.  282 

Lemförde,  Amt  236 

Lemgo  232 

Lengen,  Amt  453 

Lennep,  Hft.  512 

Lengcnerland  453 

Lengenfeld,  Amt  475 

Lenne,  Fl.  62 

Lentienses  lfiß 

Dönberg,  Gft.  304 
i  Leonberg,  Hft.  301 

Leubus,  Kl.  220,  4,'if, 

Leubuzzen  122 
|  Leuchtenberg,  Gft.  305.  525. 
582 

Leuchtenburg  325,  482.  530 
Leutenberg,  Amt  532 
Leutershausen  289.  226 
I^utkirch,  Rst.  222,  586. 
Levbucht  110 
Lieh,  St.  220 

Lichtenberg  L  Katzenelnb. 
222 

Lichtenberg,  Schi.  b.  Hildes- 
heim 228 

Lichtenberg,  Hft.  L  Veldenz 
258 

Lichtenberg,  Bg.  ob  Botwar 
882 

Iichtenberg  L  Henneberg 
282 

Lichtenberg,  Bst.  Regens- 

bürg  303 
Lichtenberg,  Hft.  L  Elaafs 

212.  465.  502 
Lichtenock,  Hft.  L  Breisgau  1 

Lichteneck  L  Hohenlohe  288 
Lichteneck  L  Pfalz  261 
Lichtenfels,  Schi.  225,  221 


I.ichtenatein  26JL  322 
Liebenau,  St.  512  f. 
Liebeneck,  Hft.  224 
Liebenstein  318.  325 
Liebenzell,  Amt  466.  524 
Liebesberg,  Amt  218 
Liechtenberg,  Hft.  475 
Liechtenstein,  Frst.  525 
Lied  bergen,  Amt  248 
Liegnitz  343  f.  422.  526,  603 
Lienen  232 
Liesborn,  Kl.  109 
Lieser,  Fl.  64 
Lies,  St.  352 
Ligonen  121 
Lijmfjord  117 
Limber,  Gft.  230 
Limberg,  Amt  235 
Limburg,  Hft.  222.  628 
Limburg,  Hzgt.  L  Brabant 

245,  564 
Limburg  L  Ruvonsbg.  253 
Limes,  römischer  LH 
Limes  Saxonicus  116 
Limmer,  Gft.  230 
Limpurger  Berge  58 
Lindau,  Rat.  222,  586. 
Lindau,  Abtei  5JJ1 
Lindau,  8chl.  L  Eiohafeld  331 
Lindau  j.  Anhalt  533 
Lindenfela,  Bg.  260 
Lingen,  Gft.  45L  512,  6M 
Linonen  171 
Linz,  Amt  248 
Lippe,  Gft.  (Frst)  23L  445. 

513.  556 
Lüppehne  322,  482 
Lipperode  232.  513 
Lirsberg  218.  5M 
Litauen  422 
Liutizen  121 
Livinental  462 
Lobdaburg,  Gft.  323.  325 
Lobeda  630 

Lobenstein,  Hft.  323,  484, 

Ixjcarno,  Ldvgt.  468.  589. 

Lohe  28 

Lohr,  Bg.  288 

Lohra,  HK  382.  528.  605 

Loisach  32 

Lommersum,  Gft.  566 
Longobarden  162 
Longuion,  Hft.  266 
Looz,  Gft.  565 
Lorch,  Kl.  280.  282. 
Lorach,  Kl.  263. 225. 282.  Hü 


640 


Index. 


I.£schgau,  Amt  524 
Loslau  346.  603 
Lothringen  1BJL  265.  462 
Idenburg  252.  255 
Löwenstein,  Gft  286.  524 
Löwen  stein  er  Berge  58 
Lowerzer  See  32 
Lübbeke  234 
Lübbesee  102 
Lübeck,  Bst.  42L  610 
Lübeck,  Rat  332.  428.  583 
Lubus  344 
Lübz,  Amt  535 
Lüchow,  Amt515,  s.  auch  Gft. 
Löchow,  Gft.  222  f. 
Luenstadt,  Gft.  265 
Lugano,  Ldvgt.  468.  582 
Lugii  142 

Lügumkloster  -ML  425.  536 
Luizhard  322 
Lukmanierpafs  403 
Lülsdorf,  Amt  252 
Lund,  Ebst.  436 
Lüneburg-Celle,  Frst.  515* 
55* 

Lüneburger  Heide  92.  323 
Luneville,  Gft.  265 
Lupfen,  Bg.  281 
Luppurg,  Hft  304 
Lurnfeld,  Gft  223 
Lusizer  172 

Lützelburg,  Hzgt.  241.  454 
565 

Lutter  a.  Barenberge  331 .  511 
Lüttich,  Bat.  245.  4QÜ  4LL 
565 

Lützelstein,  Gft.  266 
Luzem  275  f.  467.  587 
Luxemburg,  Hzgt.  565 
Lychen,  St.  358 

31. 

Maare  63 
Maas  04.  8L  108 
Maastricht  245 
Machtenstede,  Hft  235 
Maden,  Gft.  215 
Madenburg,  Amt  265 
Madüsco  102 
Magdala  530 

Magdeburg,  Bggft.  32L  335. 
593 

Magdeburg,  Ebst  334  f.  421 
Magdeburg,  Hzgt.  604 
Magdeburg,  St.  2JLL  222 
Magenheim,  Hft.  286 
Magetheide  23.  393 


Malilberg  '2iML  4ÜÜ.  510 
Mähren  8L  IIB.  314.  522 
Maienfeld  224 
Main  52.  138 
Mainberg,  Amt  422 
Mainhardter  Wald  58 
Main- Wenden  174 
Mainz,  Ebst  2B1L  412,  458. 

522.  562 
Mainz,  St  222.  498 
Malapane  28 
Malchen  57.  222 
Malchin  35L  525 
Malchow,  St  35L  535 
Malmedy,  Abtei  253 
Manderscheid,  Hft.  25A  45L 
520 

Mannheim  459 
Mansfeld,  Gft.  32L  486.  528, 
524,  m 

Mansfelder  Seen  13 
Marbach  28L  460 
Marburg  216.  44 Q,  508 
Marburg  311 
March  84.  113 
Marchthal,  Kl.  524 
Marcomanni  111 
Maresdiep  241 
Maria-Laach,  Kl.  412 
Marienberg  L  Vintschgau, 

Kl.  422 
Marienborn,  Kl.  420 
Marienburg  L  OP.  492 
i  Marienburg,  Amt  (Hildesh.) 
448 

Marienfliefs,  Kl.  432 
Mariengarten,  Kl.  419 
Marienkamp,  Kl.  402 
Marienrode,  Kl.  419 
Marienstern,  Kl.  430 
Marienstuhl,  Kl.  420 
Marienthal,  Kl.  409.  43ü 
Marientraut,  Amt  264 
.Marionwerder,  Kl.  431 
Mark  250.  455.  533.  605 
Mark  gebiete  115 
Markgröningen,  St  282 
Markolsheim.  Amt  269 
Markomannen  168 
Markwardstein,  Hft  304 
Marley,  Pfalz  222 
Marmagen,  Hft  248 
Marlow,  St.  362.  535 
Marne  IIS 
Marschboden  104 
Marschhufendorf  380 
Marsi  140 


Marstetten,  Gft.  282.  302 
Martin,  St.,  KL  412 
Masmünster,  Hft.  2ß8_.  463 
Masmünster,  Kl.  41  f. 
Masowschanen  173 
Masowien  351 
Massenheim  221.  202 
Mafsfeld,  St.  291 
Masurischer  See  103 
Matrei,  Gft.  312 
Mattiaci  140 

Malt  nun  140 

Mattsee,  Hft  426 
Mattsee,  Kl.  426 
Mauersee  103 
Maulbeerbaum  >320 
Manlbronn,  Kl.  414 
Maursmünster,  Abtei  271. 

415.  464 
Maximin,  Sankt  255.  412 
Maxsain  224.  256 
Mayenfeld,  Hft.  308 
Mecklenburg,  Hzgt  356.  484 

534 

Mecklenburg,  Bst.  423 
Mecklenburg-Schwerin.Hzgt. 
fiüs 

Mecklenburg-Strelitz,  Hzgt 

608  f. 
Meerhausen,  Kl.  402 
Megingaudeshausen,  Kl.  41§ 
Mehrerau,  Kl.  427 
Meiningen  289.  422.  526 
Meifsen,  Bst.  32L  429.  484. 

527 

Meifsen,  Mark  188.  f.  312 
Meifsen,  Bgft.  485 
Melibocus  52.  222 
Mellingen,  St.  589 
Memmingen,  Rat  299.  586 
Mendrisio  468 
Mengerskirchen  218  f.  441 
Meppen,  Amt  234 
Meran  313 

Merenberg,  Hft  212. 212. 610 
Merklingen,  St  260 
Merseburg,  Bst.  321.428. 52L 
524 

Merseburg,  Mark  188 
Mersen  118 
Merwede  82 
Mesmerode,  Amt  514 
Metelen,  Kl.  409 
Mettlach,  Kl.  412 
Mettmann,  Amt  252 
Metz,  Bst.  266.  412.  502 
Metz  15Q 


Index. 


641 


Meurthe,  Fl.  M 
Michael,  Sankt,  Kl.  412 
Michelntat  21h 
Mikilinburg  111 
Mildenworde,  KL  122 
Militech  344.  ML  522 
Milize,  Kl.  418 
Millen,  Hft.  112 
Millstadt,  Abtei  125 
Milz,  Kl.  418 
Milziener  112 
Mimigerneford  409 
Mindelberg,  Bg.  282 
Mindelheim,  Hft.  525 
Mindelhcim,  St.  287 
Minden,  Bst.  234. 409.  H8  f. 
606 

Mirecourt,  Hft.  265 
Miselohe,  Amt  252 
Mitteleuropa  26 
Mittenwald  303 
Moder,  Fl.  53 
Moen,  Insel  611 
Mohnheim,  St.  475 
Mohrkirchon,  Amt  53fi 
Molbach,  Gft  252 
Moldau  83 
Mölln,  Vogtei  361 
Mompelgard  262.  420.  521 
Mondsee,  Kl.  42&  128 
Mondsee  13 

Moniort,  Gft.  283.  286.  307 
Monheim,  Kl.  III 
Monheim,  Amt  252 
Montnfon  478 
Montjoie,  Hft.  2M 
Moorbrücken  162 
Moormerland  ihli 
Morawa  173 
Merchingen,  Hft.  157  f. 
Moritz,  Sankt  270 
Moritzkloster,  Sankt,  Kl.  128 
Morizaner  112 
Möre,  Frst.  605 
Mosel  54.  $11 
Möfskirch,  Hft  574 
Moyenvic  909 
MQhlberg,  Amt  Mi 
Mahlberg,  Kl.  Mi 
Mühlhausen  (Baden)  282 
Mühlhausen  L  Thür.,  Ret. 

332.  584 
Mahlheim,  Hft.  281 
Mulde  22 

Mülhausen  L  Eis.  27(L  ML 

ML  m. 

München  475 

KretDchmor,  Hlatoriache  G 


Münchweiler,  Vogtei  215 
Mundelsheim,  Amt  466,  524 
Münden  228 
Münnerstadt  282,  221 
Münster,  Bst.  233. 102. 148  f. 

511.  560 
Münster  L  Gregoriental,  Kl. 

41 5 

Münsterberg,  Frst  313  f. 

422.  526.  603 
Münstereifel  252 
Münsterol,  Hft  268 
Münzenberg,  Kl.  120 
Münzenberg,  Gft.  212  f .  502 
Mur  4Q 

Murach,  Hft  301  f. 
Murbach,  Kl.  262.  115.  463 
Murg,  Fl.  5fi 
Murhardt  Kl.  418 
Murrhardt- Wald  58,  282 
Murten,  Ldvgt  582 
Murtensee  46 

Naab  26 

Nabburg,  St.  26a  152 
Nadrauen  352.  123 
Nagold,  Fl.  52 
Nagold,  Hft.  283 
Nagold,  St.  282 
Naharvali  112 
Nakel  311.  350. 
Namen,  Gft.  246 
Natnslau  344 

Namur,  Gft.  246.  454,  565 
Naristi  111 

Nassau,  Gft.  218.  III.  510. 

Nassau-Diez  551 
Nassau-Saarbrücken  554 
Nassau-Weilburg  554 
Natangen  352.  493 
Naumburg  a.  Bober  341 
Naumburg,  Bst  321.  122, 

527.  524 
Naun,  Hft.  310 
Nebra,  St.  318 
Neckar  59 
Noersen,  Hft.  248 
Neifen,  Hft  281 
Neifse  (Bst.  Breslau)  347. 

am 

Nellenburg  28L  478,  591 
Nemetes  111 
Neresheim,  Kl.  296 
Nethe  108 
Nette,  Fl.  61 


Netze  29 
Netzedistrikt  607 
Neubrandenburjr  358.  535 
Noubruchhausen, 'Amt  449. 
518 

Neubukow,  Amt  535 
Neuburg  b.  Wismar,  Bg.  352 
Neuburg  L  Baiern  302,  £22. 
581 

Neuburg,  St.  260 
Neuburg  a.  D.,  Kl.  223 
Neuburg  L  Wirtembg.  280 
Neucelle,  Kl.  130 
Nenchatel,  Gft.  228 
Neue  Eide  550 
Neuenahr,  Gft.  253 
Neuenbürg  (Neufchatol)  278. 

467.  589 
Neuenbnrger  See  15 
Neuenkirchen,  Vogtei  237 
Neuerburg,  Hft  520 
NeufwUler,  Hft  4M 
Neuhaus,  Bg.  L  Baiern  306 
Neuhaus  L  Thür.  318 
Neuhöwen,  Bg.  287 
Neukirch  218.  270 
Neukirchen  218.  318.  439 
Neukloster  535 
Neumark  322.  190  f.  602 
Neumarkt  L  Schlesion  343 
Neumarkt,  Amt  (Nürnberg) 

295 

Neumarkt,  Vogtei  L  Baicrn 
MB 

Neumünster,  Amt  49.ri 
Neumünster,  Kl.  423 
Neuschloß,  Hft.  604  . 
Neu-Schwalenberg,  Bg.  231 
Neufs,  St  150.  218 
Neustadt  a.  Rübenberge  229 
Neustadt  8t.  L  Pf.  260  f. 
Neustadt  St  L  Hessen  261 
Neustadt  a.  d.  Orla  312 
Neustadt  a.  M„  Kl.  418 
Neustadt  a.  Kulm  226*  460 
Neustadt  L  Mecklenbg.  535 
Neustadt  St.  L  Holstein  536 
Neustein,  Bg.  260 
Neuveringen,  Bg.  2R7 
Neuweilnau  212.  221.  HL 
51ü 

Neuwerk,  Kl.  119 
Neuwerk,  Ins.  450 
Nidda,  Gft  217  f.  508.  553 
Nidda,  Fl.  52 
Niddagau  220 
Nied  51 

41 


642 


Index. 


Niederaltaich,  KL  4M 
Niederbaiern  580 
Niedergermanien  144 
Niederirsen  216.  440.  608 
Niederlande  454.  520.  ßjü 
Xiederlausitz  315.  526,  528, 
535 

Niederlothringon  181 
Niedernburg,  KL' 426 
NiederöBterreich  308 
Nieder-Polon  608 
Niederealm,  Gft.  241 
Niedorachlesien  Ml  f.  603 
Nienburg,  Amt  518 
Nienburg  L  Anhalt  483 
Nienburg,  Gft.  230 
Nienhagen,  Kl.  412 
Nienhue,  Amt  240 
Nienover  230 
Nimptach  343  f. 
Nimwegen  150 
Nordalbingier  161 
Nordeck,  Schi.  234 
Norden,  St.  463 
Nordergoeaharde  366 
Norderney  109 
NordfrioBiand  365 
Nordgau  168 
Nordhalben,  Sehl.  234 
Nordhausen,  Rst.  332.  584 
Nordheim  228.  283 
Nördlingen,  Rst.  298.  585 
Nordmark  183 
Nordsachsen  183 
Nordsee  128.  400 
Nordaeeküste  103 
Nordstrand  113.  436.  536. 
Nordwäld  7ü 
Noricum  146.  184 
Noriker  138 
Norital  312 
Nortabrezi  111 
Northorn,  Amt  240 
Nottuln,  KL  403 
Nova  cella,  Kl.  412 
Nuithones  142 
Numburg,  Amt  445. 
Nürburg,  Amt  248 
Nürnberg,  Bggft.  234 
Nürnberg,  Rst.  231.  49L  585 
Nürnberger  Reichswald  392 
Nusplingen,  St.  284 
Nyon  151 

O. 

Ober  Aula  218.  433 
Oberbaiern  580 
Oberbronn,  Hft.  251.  212 


Oberdeutsche  Hochebene  44 
Oberer  Bund  468 
Obergeldern,  601 
Obergermanien  144 
OberGreu  531 
Oberhessen  216,  440.  508. 
663 

Oberkail,  Hft.  521 
Oberlausitz  526.  528.  535 
Oberledingerland  453 
Oberlothringen  181 
Obermichelbach,  Amt  268 
Oberndorf,  Hft.  281 
Obernkirchen,  St.  614 
Obei-osterreich  308  531 
Oberpfalz  26L  468.  680 
Oberpfälzer  Wald  15 
Ober-Polen  608 
Oberrheinische  Tiefebene  50 
Obersalm,  Gft.  241.  266.  463 
Oberschlesien  341.  345 
Oberstenfeld,  Kl.  282 
Oberwerth,  Kl.  412 
Obodriton  111 
Obornik  341 
Obotritenland  361 
Obra  39 

Obstbau  388.  620 
Ochsenberg,  Bg.  214 
Ochsenhausen,  KL  613 
Ochtum  92 
Oddesund  III 
Odense,  Bst.  436 
Odenwald  56.  155.  392 
Odilienberg,  KL  415 
Oder  36 

Oderberg  414.  481.  521  532. 
G03 

Oderbruch  99*  619 
Offen  bürg,  Ret.  214.  536 
Ogersheim,  St.  260 
Ogewiller,  Hft.  522 
Ohlau  343  f. 
Ohlau,  FL  38 
Öhringen  288 
Oker  70 

Olberedorf,  Hft.  532 
Oldenburg,   Gft.  238.  451. 

518.  661 
Oldenburg  L  Lippe  231 
Oldenburg,  St.  L  Holst.  435. 

536. 

Oldenburg,  Amt  L  Holst.  636 
Oldesloe  495.  53fi 
Olmütz,  Bst.  433 
Öls  343  f.  413.  526.  603 
Ölsnitz,  St.  528 


Omanoi  142 

Onolzbach  289.  b.  Ansbach 
0  pol  janer  113 
Oppa  98 

Oppeln  345.  480.  521.  603 
oppidum  131 
Orbe,  Ldvgt  589 
Orla  341 

Orlamünde,  Gft.  326  t 
Ornbaum,  Amt  236 
Orne,  FL  54 
Ortenau  478 
Ortenberg,  Hft.  222 
Ortenburg,  Gft  304.  582 
Oschersleben  335. 
Osier  125. 

Osnabrück,  Bst.  234  f.  410. 

448.  51L  561 
Osning  68 
Osaegk,  Kl.  482 
Ossiach,  KL  426 
Ostarrichi,  Mgft  184 
Osterburg,  Bg.  291 
Osterfrancka  183 
Osterhofen,  Hft.  SQL 
Osterhofen,  Kl.  42fi 
Osterland,  Mgft.  315,  311 
Osterode  228 
Österreicb,  Hzgt.  309 
Ostfalen  166 

Ostfriesland  240. 453. 560,  ÜQ6 
Ostgermanen  139 
Ostmark  (österr.)  llfi.  184 
Ostmark  (Sorbenld.)  188 
Ostringen,  L<lft.  452 
Ostsee  128.  400 
Ottenbeuren,  Kl.  411 
Otteraberg,  Sehl.  229 
öttingen,  Gft.  296.  414.  582 
Uttinger  Forst  392 
Ott  machau  341 
Ottweiler,  Amt  610 
Our,  Fl.  64 
Ourthe  118 
Over  Jjssel  564 
Oyte,  Bg.  u.  St.  234.  452 

P. 

Paderborn,   Bst.  232.  418. 

448,  517_  56a 
Palberger  Marken  533 
Papenburg  543 
Papendieck  228 
Paradies,  KL  370 
Parchim,  St.  368.  535 
Parkstein  260.  306 
Partenkirchon  303 


Index. 


643 

» 


Passarge  103 

Passau,  Bst.  304.  426»  476. 

Hl 

Patschkau,  8t.  344,  348 
Paulinzelle,  Amt  532 
Paumgarten,  litt.  304.  301. 
475 

Pausa  318.  323 

Paving,  Kl.  426. 

Peene  102 

Pegnitz  26L  30fi 

Peine  33L  118 

PeiBkretscham,  St  34ü 

PciU  m  f 

Penzlin  351.  'ML  535 

Persante  102 

Pest  (Schwarzer  Tod)  121 

Petershagen,  Amt  234 

Petershausen,  Kl.  511 

Petronell  151 

Peucini  132 

PfaffenmünBter,  Kl.  426. 
Pfaffers,  Kl.  4JÜ 
Pfäffikon  4fil 
Pfalzer  Bergland  52 
Pfalzel  255 
Pfalzen  IBS 
Pfalzfeld,  Vogtei  222 
Pfalzgrafenstein  260,  15  B 
Pfalzgrafschaft  bei  Rhein 
25S 

Pfalz-Simmern  1BLL  522 
Pfalz-Zweibrücken  460,  522 
Pferdezucht  154,  203.  339. 

500.  620 
Pfirt,  Gft.  26L  463 
Pforta,  Kl.  129 
Pforzheim  274.  466 
Pfreimt,  Hft.  306 
Pfullendorf,  Rst.  228.  586 
Pfyn  IM 
Pielach,  Fl.  43 
Pilatus  3fi 
Pinneberg  511.  530 
Pinzgau  12 
Pirna  482 
Pitschen  313  f. 
Piain,  Gft.  213 
Plassenbarg,  Hft.  225 
Plattenbarg  310 
Plau,  St.  353*  535 
Plauen,  St.  528 
Plauescher  Kanal  621 
Plech,  Vogtei  302 
Pleckenpafs  161 
Plegnitz  260 
Pleifsner  Land  311 


Plels  316.  181  521.  603 
Plottendorf,  Gft.  305 
Plöner  See  102 
Plötzkau  482,  533 
PlÖtzky,  Kl.  131 
Poel,  Insel  351.  58& 
Pogesanien  352 
Polaben  121 
Polabenland  35_7 
Polanen  1 12 
Polen,  Volkst.  112 
Polen,  Kgr.  348.  492.  601 
Polle  229 
Pollingen,  Kl.  III 
Polnisch-Krone  850. 
Polnisch-Preufsen  flQI 
Pomereilen  253. 
Pomesanien,  Bst.  436 
Pomesanien,  Ld.  252.  493 
Pommorn,  Volkst.  112 
Pommern,  Hzgt.  251.  128, 

581.  602 
Poppenreut  295 
Porz,  Amt  252 
Posen,  Bst.  131 
Posen,  Ld.  350 
Posen,  St.  2M 
Pottenstein,  Schi.  221 
Pouligny,  Hft.  15fi 
Prag,  Ebst  133 
Pramsen,  St.  346 
Pratigau  468 
Preetz,  Kl.  423 
Pregel  103 
Pronnberg,  Bg.  203 
Preseka  312 
PrichsenHtadt  291 
Preufsen,  Volkst.  115 
Preulsen   35L  122.  523. 

600  ff.  607 
Prignitz  331 
Prozelten,  Bg.  292 
Prudnik,  St.  216. 
Prüfening;,  Kl.  426 
Prüm,  Fl.  61 

Prüm,  Abtei  258.  112.  561 
Pruzzi  115 
Pustertal  40 
Putelange,  Hft  475 
Putelendorf,  Schi.  319 
Püttener  Mark  31fi 
Püttlingen,  Hft.  151  f. 
Pyrbaum,  Hft.  582 
Pyrmont,  Gft.  225.  415:  512 

«* 

Quadi  112 
Quakenbrück  235 


Queich,  Fl.  53 
Queis  KH) 

Quedlinburg,  Abtei  522 
Querfurt  330,  594 

lt. 

Raabs,  Gft.  221 
Rabenswalde,  Hft.  326 
Rachtig,  Amt  218 
Radigast  112 
Radolfszell  281 
Raetia  116,  182 
Rahden,  Amt  234 
Rahnis,  Amt  321 
Rakatai  Iii 
Ramelow,  St.  352 
Ramesloh,  Kl.  23ü 
Rammelburg,  Amt  528 
Rammeisberg  825.  504.  516 
Ramstein,  Schi.  282 
Randow  100 
Ranen  112 
Ranis,  Amt  528 
Hanshofen,  Kl.  126 

Ranzau,  Rgft.  Q3L  602 
Rapperschweil,  St  588 
Rappoltstein,  Hft.  262.  168 
Rastatt,  Amt  466 
Ratibor  346.  480.  52L  608 
Rattenberg,  Hft.  418 
Ratz,  Gft  284 
Ratzeburg,  Bst.  360.  423. 

121,  535.  602 
Räuden,  Kl.  435 
Raugrafschaft  258 
Rauhe  Alb  58 
Rauhenkulm,  Bg.  226 
Rauschenberg  439 
Ravensberg,  Gft.  252.  533 

605 

Ravensburg,  Rst.  228-  586 
Ravenstein,  Hft.  266.  455. 
533 

Rechenshofen,  KI.  115 
Reckheim,  Gft  566 
Recklingliausen  248  455. 
56Ü 

Redarier  112.  351 
Rodnitz,  Fl.  6Q 
Rednitz-Wenden  174 
Reepsholt,  Kl.  402 
Rega  102 
Regen  16 

Regensburg,  Bst.  303.  476. 
581 

Regensburg,  Rst  151.  21L 
222.  585, 

41* 


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644 


Index. 


Regenstauf  302-  425 
Regenstein,  Oft.  329.  482 
Regnitz,  Fl.  60 
Regnitz  Hof  325 
Regnitzland  323 
Rehburg,  Schi.  222 
Rehme  253 

Reichenberg,  Schi.  222 
Reichelsberg,  Hft.  288.  57s 
Reichenau,  Kl.  Uli 
Reichenbach,  Kl.  (Regcnsbg.) 
42f> 

Reichenbach,  Kl.  (Constanz) 
416 

Reichenhall  209.  3Q2,  392 
Reichenstein,  Hft.  560 
Roichenwaldau,  Hft.  592 
Reichenweier,  Hft.  28L  269 
ReichB-Flandern  246 
Reichsstädte  382 
Reideburg,  Schi.  318 
Reinbeck,  Amt  536 
Reinbeck,  Kl.  423 
Reineberg,  Amt  234 
Reinfeld,  Kl.  423 
Reinhardsbrunn  319.  325, 
53Ö 

Reinhardswald  66.  211 
Reinsberge  11 
Reipoltskirchen,  Hft.  520 
Remagen  15ü 
Remchingen,  Amt  524 
Remingsheim  284 
Rdmiremont,  Abtei  265 
Remlingen  292.  422.  524 
Rendsburg,  Amt  53ß 
Rendsburg,  St.  536 
Reuse,  Amt  248 
Rennsteig  188. 
Re  reger  111 
Reschen-Scheideck  lfij 
Rethra  112 
Reudigni  142 
Benfe,  Fl.  36 

Reufs,  Gft.  323, 484. 53L  522 
Reuthin,  KL  282,  284 
Reutlingen,  Ret.  298.  585 
Rezat,  Fl.  6ü 
Rezen,  Bg.  317. 
Rheda  23L  45L  5111 
Rheiderland  453 
Rhein  &L  ML  64.  81 
Rheinau,  Amt  166 
Rheinau,  Kl.  41fi 
Kheinbach,  Amt  248 
Rheinherg,  Hft.  258 
Rheinfels,  Sehl.  222.  508 


Rheingau  220 
Rheingrafenstein,  Amt  458 
Rheingrafschaft  256.  451. 

522.  570 
Rheinhauson,  Bg.  260.  459 
Rheinisches  Schiefergeb.  155 
Rheinthal,  Ldvgt.  588 
Rheinzabern  150.  264 
Rhinluch  612 
Rhoden,  Amt  415 
Rhön  65  f. 
Rhone  35 
Ribnitz,  Kl.  535 
Richenberg,  Schi.  358 
Richtenberg,  Bg.  281 
Riechenberg,  Kl.  419 
Riedenburg,  Amt  475 
Riedern,  Hft.  412 
Riedgau,  Amt  465 
Riedlingen,  St.  281 
Rieneck,  Gft  289,  292,  518 
Ries  58.  147.  296 
Riesenburg,  Hft.  482 
Riesengebirge  8Q 
Rietbeck,  Schi.  250 
Rietberg,  Gft.  250.  454.  560 
Rigi  31 

Rinderzucht  15JL  203.  889. 

500.  620 
Ringelheim,  Kl.  412 
Ringgau  66 
Rinteln  509.  514 
Ripen,  Bst  436 
Ripen  611 
Ripesholt  236 
Ripuaria  181 
Ripuarier  165 
Rischenau,  Bg.  231  f. 
Ritachen,  Bg.  341 
Ritzebüttel,  Hft.  450 
Riviera  4(18 
Rixingen  461 
RöbeL  St .352.  359 
Rochefort,  Gft,  481 
Rockenstein,  Bg.  305 
Roda,  Gft.  230 
Rode,  Kl.  429 
Rodemachern,  Hft.  466.512 
Rodenberg,  Amt  5_Li 
Rodenkirchen,  Amt  509 
Rodenstein,  Schi.  289 
Rödern,  Amt  465 
Rodungen  204 
Roeskilde,  Bst.  436 
Roga.se  n  344 
Roggen  202.  382.  499 
Roggenburg,  Kl.  513 


Roggenstein,  Hft.  285 
!  Rohr,  Kl.  426 
Rohrbach,  Kl.  420 
Rolandsworth,  Insel  248 
Römerstädte  149 
Römorstrafsen  401 
Römhild  530,  591 
Romö  113 

Ronneburg,  Hft.  323 
Rorau,  Bg.  169 
Rosomont,  Hft.  261 
Rosenberg,  Hft  262  f. 
Rosenheim  302 
Rofsla  530 
Rofslau,  Amt  333 
Rofsleben,  Kl.  42Q 
Rostock,  St.  351  f. 
Roth,  Kl.  513 
Rothaargebirge  62 
Rothenburg  ob  d.  Tauber, 

Rat  280.  29L  585 
Rothenburg  ob  d.  Tauber, 

Gft.  280 
Rothenburg  a.  d.  Saale  334 
Rothenburg,  Amt  L  Heesen 
508 

Rothenburg,  Hft.  i.Schwg.467 
Rothenburger  Quart  508, 552 
Rotheneck,  Bg.  302 
Rotheneck,  Amt  175 
Rothonfels,  Amt  2MÜ 
Rothmünster,  Kl.  574 
Rotklee  620 
Rotalar,  Hft  452 
Röttingen,  Amt  289 
Rottweil  a.  Neckar,  Rat  228. 

467.  585 
Roy,  Hft  522 
Rückershausen  212 
Rudekloster,  Kl.  432 
Rüdenhausen,  Amt  291 
Rüdesheim  263 
Rudolstadt  32&  532 
Rugon  168 

Rügen  122.  356.  193.  502 
Rugianen  122 
Rugii  142 
Ruhekloster  ü3ti 
Ruhme  22 
Kühn,  Kl.  424 
Ruhr,  FL  62 
Runddorf  196 
Runkel,  Hft  113 
Ruppin,  Gft.  340.  49fi 
Rusteberg,  Hft.  264 
Rüstringen,  Ixlft  242,  452 
Ruvenberg,  Schi.  258 


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& 

Saalburg  531 
Saale  22 

Saalfeld  32a.  482.  520,  592 
Saane,  Fl.  36 
Saar,  Fl.  54 

Saarbrücken,  Gft.  24L  44L 
51Ü 

Saarburg,  llft.  267 
Saarwerden,  Gft.  261 
Sabal  Ingiol  142 
Sachsen,  Volkst.  lüfi 
Sachsen,  älteres  llrzpt.  182 
Sachsen,  Kfrst.  4SL  522 
Sachsen,  Pfalzgft.  313 
Sachsenberg,  8t.  225 
Sachsenburg,  Amt  528.  530 
Sachsengraben  1S2 
Sachsenhagen  23L  502 
Sachsen-Lauenburg ,  Hzgt. 

(s.  Lauonbg.)  557  f. 
Sachsenwald  362 
Sachsen-Wittenberg,  Kfrst 

320 

Sächsische  Schweiz  22 
Säckingen,  Kl.  212.  416. 
Sadelbande  861 
Saffenburg,  llft.  520 
Saflor  388 
Safran  388 

Sagan  343  f.  423.  483  f.  526. 
604 

Sagelten,  Gft.  239 
Saifnitz  161 
Salier  164 
Salm,  Fl.  64 

Salm,  Gft.  24L  266,  522.  520 
Salmansweiler,  KI.  523 
Salza  283 

Salzburg,  Ehst.  313. 424. 425. 
581 

Salzdahlum  209 
Salzderholdon  22ä 
Salzgewinnung  1 57. 208.  322* 
Salzhemmendorf  23Q 
Salzkotten  233,  242 
Salzschlierf  202 
Salzungen,  Amt  53Q  f. 
Samland  12L  493 
Samland,  Bst.  436. 
Samogition  492 
Samsö  118 
Sand,  St.  291 

Sandersleben  333.  482,  533 
Sandsee  3Q3 
Sangerhausen  318.  32s 
SarganB  3QL  4£iL  5ss 


Index. 

Sassen  352 

Sassenberg  251 
Sater-Ems  239 
Saterland  239 
Sauer,  Fl.  53  f.  64 
Sauerland  62 

Sausenberg,  Hft.  224,  465  f. 

Save  41 

Saxonia  181 

Sayn,  Gft.  224  f. 

Sayn- Wittgenstein,  Gft.  444, 

512.  554 
Sazfey,  llft.  248,  254 
Schaffhausen  588 
Schafzucht  203,  389 
Schalauen  352,  493 
Schalksburg  284,  462 
Schambach  293 
Schamhaupten,  Kl.  426 
Schänis,  Kl.  416 
Schärding  202,  415 
Scharfenberg,  Schi.  212 
Scharnebeck,  Kl.  515 
Schartenberg,  Bg.  216 
Scharzfeld  228 
Schauenburg,  Gft.  (s.  folgd.) 

23L  445.  552 
Schaumburg-Lippe,  Gft.  513. 

fififi 

Scheefsel,  Vogtei  237 
Scheftereheim,  Kl.  418 
Scheftlarn,  Kl.  422 
Scheide  108 
Schelklingen,  Hft.  285 
Schellenberg  482 
Schelyn  338 
Scherenberg,  Amt  532 
Schivelbein  329,  490 
Schiffahrtskanal  213 
Schi  ff  graben  69 
Schildberg  339 
Scbildesche  253 
Schillingsfürst  288 
Schlawentzitz,  Bg.  346 
Schlechtenkulm,  Bg.  296 
Schleiden,  Gft.  (Hft.)  254, 

45L  520,  566 
Schleiz,  Hft.  323.  484,  531 
Schlesien  340,  428,  526,  592, 

603 

Schleswig,  Bst.  436 
Schleswig,  Hzgt.  364.  494, 

536,  609  f. 
Schleswig,  St.  536 
Schlettstadt  221 
Schlierbach,  Amt  268 
Schliersoe  40 


645 

Schliersee,  Kl.  421 
Schlotheim,  St.  325 
Schlüchtern  422 
Schlüsselberg,  Gft.  292 
Schlüsselburg,  Amt  234 
Schmalkalden  212.  296, 508. 
552 

Schmidburg,  Hft.  256 
Schmücke  71 
Schnappenburg  239.  452 
Schneidemühl  350 
Schneverdingen,  Vogtei  232 
Schömberg,  St.  284 
Schönau,  Vogtei  218  f. 
Schönberg,  Hft.  452 
Schönbuch  58.  283,  392 
Schönburg,  Gft.  32L  595 
Schönebeck  624 
Schönocken,  Hft.  452 
Schönenberg,  Hft.  512 
Schönenwerd,  Kl.  416 
Schongau,  St.  3U2 
Schönstein,  Hft.  248 
Schönthal,  Kl.  418 
Schotten,  Amt  509 
Schraplau,  Hft.  322 
Schrim  344 
Schroda  344 
Schule,  Kl.  41Ü 
Schussenricd,  Kl.  673 
Schüttorf,  Amt  240 
Schwabach  295  f. 
Schwabeck,  Bg.  302 
Schwaben  166,  182.  280 
Schwäbisch  -  Bayerische 

Hochebene  14 
Schwäbisch-Hall  209 
Schwäbisch-Österreich  691 
Schwalenberg,  Gft.  224 
Schwalenberg,  St.  232 
Schwan,  Amt  535 
Schwandorf,  Amt  415 
Schwanenberg,  Amt  524 
Schwanson  121 
Schwarza  289.  291 
Schwarzach,  Kl.  416 
Schwarzburg,  Gft.  325.  485 
Schwarzburg-Rudolstadt  631. 

598 

Schwarzburg-  Sondorshausen 

53L  598 
Schwarzenberg,  Gft.  521 
Schwarzenborn  218.  439 
Schwaraenburg  L  Baiern  306. 

475 

Schwarzenburg  L  Schweiz, 
Ldvgt.  589 


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646 


'Index. 


Schwarzenfels,  Amt  510 
Schwarzen  wal,  Bg.  306 
Schwarzer  Tod  422 
Schwarzwald  54.  318.  325. 

530 
Schwaz  312 

Schwedisch  •  Vorpommern 

am 

Schweidnitz,  Fret  342  f. 
Scbweinfurt,  Rat  586 
Schweinezucht  203,  382.  500. 

m 

Schweiz  226.  525.  58G 
Schweizer!  scheHochebene44 
Schwerin  352.  494.  525 
Schwerin,  Bat.  423.  535.  £03 
Schweriner  See  102 
Schwyz  225  f.  4fiL  582 
Sclavania  im  182 
SechsBtadte  SIS. 
Seckau,  Bst  425 
Seeberg,  Vogtei  532 
Seehausen,  Gft.  335 
Seehausen,  Kl.  431 
Seeland  IIS 
Seelande,  2  fries.  241 
Seesen  228 
Scesker  Berg  103 
Segeberg,  Amt  586 
Segeberg,  Kl.  423 
Segeberg,  St.  425,  536 
Seidenraupenzucht  Ü2ü 
Seillo,  Fl.  54 
Seinsheim,  Hft.  528 
Seligenstadt,  Abtei  282, 413. 
Selke  21 
Semana  IM 
Semnonen  141.  165 
Sempach  462 
Sompacher  See  46 
Sempt,  Gft.  301 
Senones,  Kl.  412 
Septimer  lfiL  404 
Seulingswald  65 
Severien  346 
Sevor,  Schi.  34fi 
Siebenberge  68 
Siebengobirgo  Iii 
Siedenburg,  Amt  '<  1 s 
8ieg,  Fl.  62 
Sieghurg,  Amt  252 
Siegen  212 
Siegerland  21B 
Siersberg,  Hft.  265 
Siowierz  346 

Sigmaringen  2SL  286.  422. 
574 


Süber  208.  325.  624 
Silingai  142 
Simmern,  Frst.  56il 
Simplon  161 
Sincfal  1ÜL  IM 
Singulones  142 
Sinsheim,  Kl.  414 
Sinzig  252 
Siusler  112 
Skiren  168 
Slavia  182 
Slezaner  173 
81ovenen  17(1  174 
Slovincen  120 
81ovaken  120.  123 
Smeldinger  121 
Soest,  St.  455 
Sögel,  Gft  234.  232 
Soldin  332 
Solingen,  Amt  252 
Solling  66 
Solms,  Gft.  220.  443,  555 
Solnhofen,  Kl.  412 
Solothurn  151.224.222.588 
Soltwedel,  Mark  182 
Sommerfeld  420 
Sommerschenburg,  Gft.  335 
8onderburg  425.  536 
Sondershausen  328.  531 
Sonnonberg,  Hft.  510 
Sonnenkamp,  Kl.  494 
Sontra  216.  508 
Soonwald  322 
Sorau  346.  483 
Sorben  112 
Soreth,  Kl.  513 
Sottrum,  Vogtei  231 
Spangenberg,  21  fi  432 
Sparenberg,  Bg.  323 
Sparrenburg  25Ü 
Speier,  Bst  263  f.  414.  568 
Spoier,  Rst  290.  .*»8.'t 
Speierbach  53 
Spellen,  Hft.  251 
Spelt  202,  422 
Spessart  55.  155.  322 
Spiegelberg,  Oft.  560 
Spiels  440 
Splügen  16JL  403 
Sponheim,  Gft.  255.  452  f. 
Spree  26» 
Sprevaner  122 
Sprottau  343  f. 
Stablo,  Abtei  253.  566. 
Stade,  Gft.  236 
Stadland  451 

Stadthagen,  Amt  23L  5.  14 


Staffelsee,  Kl.  411 
Stafforth,  Amt  466 
Stahlberg  Bg.  260,  452 
Stahleck,  Bg.  260,  452 
Stapelholm,  Lschft.  495u  536 
Stargard  356=  358,  535 
Starkonburg  255 
Stauanen  115 
Stauff,  Hft  510  i 
Stauffenberg  218] 
Stavenhagen  360.  535 
Stederburg,  Kl.  419 
Steffling,  Ixlgft  30J 
Stein  a.  Rhein,  Kl.  223 
Stein,  Amt  466.  524  \ 
Steinau,  343  f.  342 
Steinbach,  Amt  252  466. 
Steinbach,  Kl.  225 
Steinburg,  Amt  425.  536 
Steinfeld,  Abtei  254 
Steinfurt  512.  563 
Steinheim,  Kl.  4iü 
Steinhorst,  Amt  362 
Steinhuder  Meer  22 
Steinsberg,  Bg.  260 
Steinweg  329 

Steiermark,  Hzgt.  310,  520 
Steigerwald  58.  282.  322 
Stemwede,  Amt  235 
Sternberg  L  Mecklenbg.,  Ami 
535 

Sternberg,  Gft.  445 

Sternberg  L  Lippe  513. 

Sternberg  L  WQrzbg.  282 

Sternstein,  Gft  582 

Stettin  35*;  m,  jv>i 

Stouerwald,  Amt  448 

Steufslingen,  Hft.  281 

Steyerberg,  Amt  518 

Stickhausen,  Amt  453 

Stiege,  Amt  488 

Stierberg,  Hft.  306 

Stiraburg  310 

Stober  28 

Stockheim  282 

Stoderaner  172 

Stolberg,  Gft.  328.  481.  522 

Stollhofen,  Amt  466 

Stolp,  Kl.  433 

Stolpe  102 
j  Stolzenau,  Amt  518 
!  Stolzenberg,  Sehl.  258 
'  Stolzinger  Gebirge  66 

Stoppelt>erg,  Amt  211 

Storonstein,  Bg.  2iiL>  f. 

Storkow  483,  533 

Stormarn,  Volkst.  162 


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- 


Stormarn,  Ldft.  384 
StonnfelB,  Bg.  439 
Stornfels,  Amt  509 
Stornstein,  Bg.  306 
Stotel.  Hft.  u.  Schi.  450 
Stotzheim  2hl 
StraTsberg,  Hft.  229 
Strasburg,  Ii  st.  269  f.  415 

4r,i,  568 
Strafsbarg,  Rat.  150.229,464. 

421 

StraTsondorf  136 
Straubing  475 
Straufaberg  328 
Strehlen  344 
Strebte  369,  535 
Stromberg,  Hft  449 
Stahlingen,  Ldgft.  525. 
Stumpenhausen,  Hft.  225 
Sturmarii  lfil 
Stattgart  281 
Suavi  lfifi 
Suardones  142 
Sudauen  352.  4M 
Südergoesharde  365 
Süderland  62 
Sudeten  18  f .  138 
Sudinen  14L  125 
Suebi  141 
Suevia  182 
Suffolweyeraheiin  21ü 
Sugambrer  140.  165 
Suhl  289 
Sulz,  Gft.  282  f. 
Sulz  unterm  Wald,  Amt  lfifi 
Sulzbach,  258.  225.  392.  522, 
581 

Sulzburg,  Hft  5H2 
Sundewitt  495,  536 
Sürsch,  Hft.  248 
Sycke,  Amt  449.  518 
Sylt  113.  365.  494 

T. 

Taasinge  118 
Tannenberg,  Bg.  225 
Tapfheim  a.  d.  Donau,  Bg.  j 
302 

Tarvispafs  lfil 

Tauber,  Fl.  59 

Tunern  40 

Taunus  61.  138 

Taurisker  138 

Teck,  Bg.  2SL  281  469 

Tecklenburg,  Gft  239.  45L 

519.  606 
Tegernsee  4Q 
Tegernsee,  Kl.  422 


Index. 

■ 

Teiabach,  Hit.  425  f. 
Teisterbant  243 
Teltow  338 
Tempzin,  Amt  535 
Tenchterer  140.  165 
Territorialstädte  383 
Territorium  214 
Terschelling,  Insel  106 
Teschen  346,  481.  52L  592 
Tettnang  280,  302,  525 
Teupitz  490  f. 
Teuriochaemi  162 
Teutiscus  129 
Teutoburger  Wald  68 
Teutonen  138 
Teutonia  180 
Teatonicus  liy 
Texel,  Insel  1ÜG 
Thann,  Hft.  268.  304.  302 
Thannhausen,  Gft.  525. 
Tharandt  482 
Thava  84 
Thedinga,  Kl.  409 
Thedinghausen  45ü 
Themar  289 
Thengen,  Gft  515 
Thoodiscus  129 
Thotmarai  IUI 
Thierhaupton,  Kl.  417 
Thierstein,  Gft.  229 
Tholay,  St.  26a 
Thronecken,  Amt  458 
Thun  228 
Thuner  See  36 
Thür,  Fl.  53 
Thurgau  462  f.  588 
Thüringen,  Ldgft.  182.  216. 

228.  315.  312  f. 
Thüringer  Uli 
Thüringer  Wald  23.  1Ü5 
Tburndorf,  Bg.  306 
Tirol,  Gft  312.  591 
Timmel,  Kl.  409 
Tirschenreuth,  Hft  304 
Toggenburg,  Gft.  229 
Tolensaner  L22 
Tondern,  St.  495.  530 
Tondern,  Amt  536 
Tool,  Bst  412.  502 
Toxuandri  141 
Trachenberg  344,  480.  522. 

604 

Traisen,  Fl.  43 
Traubach,  Vogtei  268 
Traun,  Fl.  42 
Tiaunsee  43 
Trebnitz,  Kl.  310.  435 


647 

Treffurt  217.  508.  530 
Treisa  m  432 
Treismaur  151 
Tremsbüttel,  Amt  536 
Trendelburg  2ÜL  230 
Triberg,  St.  284 
Triboci  141 
Tribsecs  356 
Triefeis,  Bg.  459 
Trier,  Ebst.  255,  41L  45L 

566 
Triest  428 
Trimperg,  Hft.  289 
Tringen,  Gft.  233 
Triptis  312.  324 
Trittau,  Amt  495.  536 
Trochtelfingen,  Hft.  5Ii 
Troppau  48L  522.  592.  603 
Truhendingen,  Gft.  293.  296 
Truige,  Bg.  255 
Tubanten  165 

Tübingen,  Pfalzgft.  216, 282 
Tugost  76 
Turcilingen  168 
Türkheim  268.  221 
Turmborg  102 
Turne,  St.  352 
Turnhout,  Hrzgt  5lü 
Turon,  Bg.  260 
Twente  244.  251 
Twieflingen,  Schi.  228 
Tschechen  123 
Tscherlitz,  Ldvgt.  589 

V. 

Überlingen,  Kst  298.  585 
Ubier  140=  lfifi 
Uetersen,  Kl.  423 
Uffenheim  288,  296.  424 
Uffried,  Gft.  212.  465 
Ujest  341 
Ukennark  338.  491 
Ukraner  LI2 
Ulm,  Kst.  298.  498.  585 
Ulsen,  Amt  240 
Ummerstadt  318.  531 
Umstadt  459  f.  5ü* 
Unkel,  St.  248 
Unstrut  72 
Unter-Greiz  531 
l  'nterwalden  275  f.  588 
rpstalsbom  240  f. 
Urach,  Bg.  285. 
urbs  192 

Uri  225  f.  462.  6H7 
Ursperg,  Kl.  573 
|  Usch  344.  350 


3ö  by  Google 


648 


Inder. 


Usedom  126.  356 
Usenberg,  Hft  214.  465 
Usingen,  Hft  510 
Usipoter  IUI  165 
Uslar  228 
Utholm,  Insel  365 
Utlande  365 

Utrecht,  Bst.  244.  408.  AHL 

455.  564 
Ulten,  Oft.  312 
Uttenrode,  Amt  532 
Uznach,  Ixlvgt  58g 

V. 

Vach  508 
Vaduz  307 
Vaihingen,  St.  282 
Valfroicourt,  Bg.  2fi5 
Vandali  142 
Vangiones  141 
Varel,  Hft.  562 
Varini  142 
Varisti  141 
Vaudemont,  Gft.  265 
Vecht  ÖS 
Vechta,  Amt  234 
Velburg,  Gft.  SQL  475 
Velden  2fi£L  223 
Veldenz  258.  460  562 
Veltlin  468 
Veluwe  5ß3 
Vendsyssel,  Bst  436 
Venedi  (Veneti)  HQ 
Verden,  Bst.  23L  419,  502. 

Verdun,  Bst  412,  501 
Vereinigte  Niederlande  ">63 
Voringon  282.  286.  412 
Verkehr  168.  210.  $>8.  5iLL 

548.  626 
Verona,  Mgft.  213 
Vlämen  246 
Vlieland,  Insel  106 
Via  Mala  4Ö4 
Vianden,  Gft.  412.  460 
Vic  209 

Victring,  Kl.  425. 
vicus  131 
Vidivarii  115. 
Viechtach  305 
Vioclitcnstein,  Hft  304 
Viehzucht  154.  203.  4M  f. 

620 
Vieland  233 
Viorlande  362 
Viorwaldstättor  See  32 
Vilbel,  Bg.  220 


Villa  121 
Villach,  Gft.  223 
Vilseck,  Vogtei  302 
Vilshofen  302.  425 
Vindelicia  146 
Vindelicier  13Ü 
Vindobona  151 
VindoniHsa,  Bst.  415 
Vineta  125 

Vinstingen  45L  46JL  522 
Vintschgau  174 
Vinxt  254 
Virneburg,  Gft.  520 
Vischel,  Hft.  248.  254 
Visselhövede,  Vogtei  237 
Vit,  Sankt,  Hft.  442 
Vogelsberg  65  f. 
Vogelsburg,  Schi.  291 
Vogesen  51 

Vogtland!^ 322. 225.484. 631 
Vohburg,  Gft.  301.  425 
Voigtsberg  324.  483 
Volcer  138 
Volkach  29L  413 
Vollradiswald,  Hft.  32ß 
Vorarlberg,  Hft.  522 
Vörden,  St.  233 
Vorderer  Wald  15 
Vorderösterreich  691 
Vorderspessart  66 
Vorpommern  3_5_ß 
Vorsfelde  228 

W. 

Waadt  526 
Waal  81  f. 

Wachenheim,  Bg.  260 
WachsenburK,  Schi.  318 
Waes  246 

Waggis,  Hft  27L  461 
Wagrien  121.  351.  3fi4 
Wagrier  111 
Wahlen,  Hft.  248 
Waid  202.  388 
Walbeck,  Kl.  420 
Walchensce  30 
Walchoren  243 
Wald  154.  203.  500.  543.  620 
Waldeck,  Gft  224.  305.  444. 

512.  555 
Waldonbuch,  St.  282 
Waldenburg  288 
Waldgrafschaft  252 
Waldhausen,  Kl.  426 
Waldhufendorf  380 
Waldsassen,  Kl.  304.  306 
Waldsee,  Amt  280 


Waldsperg,  Hft  514 
Walensee  31 
Walerow,  Bg.  231 
Walheim,  Amt  524 
Walkenried,  Kl.  386.  528 
Wallensen  230.  488.  516 
Walleretein,  Hft.  296 
Wallhausen,  Bg.  328 
Wallis  46L  689 
Wallrode,  Amt  632 
Walsrode,  Vogtei  229 
Waltershausen  318 
Wanfried,  Amt  508 
Wanfried,  St  216 
WTangen,  Amt  280 
Wangen,  Rst  686 
Wangerland,  Ldft  452 
Wangeroog  109 
Wanzenau  269  f. 
Wanzka,  Kl.  432 
Waron  360.  494.  535 
Warmien  352 
Warnen  161 
Warnaber  III 
Warpke,  Amt  228.  515 
Wartburg  310.  530 
Wartenberg  Hft.  343. 480. 603 
Wartenberg  (zu  Salm\  Gft. 

510 
Warthe  29 
Warthebruch  619 
WartflteinLLaiilfirtal285  281 
Wäschenbeuren,  Bg.  2S0 
Wasichenstein,  Hft.  212 
Wassenberg,  Gft.  243 
Wasserburg,  Gft.  302 
Wasserburg,  Amt  415 
Wasserstrafsen  400 
Watten  104 

Wattweiler,  Vogtei  269 
Wede,  Friesische  451 
Wedenesch,  Amt  255 
Wedenstein,  Bg.  260 
Wehra,  Fl.  56 
Wehrheim,  Amt  512 
Weichsel  100 
Weidenbach  254 
Weida,  Flufs  98 
Weida,  Hft  323.  628.  530 
Weiden  260.  302 
Weil  der  Stadt  a.  d.  Würm, 

Rst.  298.  586 
Weilbach  292 
Weilburg,  Hft.  218.  510 
Weilerthal,  Hft.  268.  463 
Woilnau,  Schi.  221 
Weilnau,  Amt  512 


Index. 


649 


Weimar  326.  5ßü 
Wein  152. 154.  202.  388.  500 
Weingarten,  Hft.  24s 
Weingarten,  Kl.  41fL  573 
Weinheim,  St  260 
Weinsberg,  Hft.  260 
Weinsberg,  St.  211 
Wense  Elster  22 
Weifsenau,  Kl.  513 
Weifsenburg  a.  Sand,  Rat. 

222.  586 
Weifsenburg,  Kl.  414 
Weifsenburg  L  Elsafs  211 
Weifsenfeis,  Hft.  313 
Weistritz  98 
Weifsweiler,  Hft.  214 
Weizen  202.  382.  493 
Welatabi  111 
Weleti  Hl 
Wellersau,  Bg.  2GQ 
Welten  125 
Welzheim,  Hft  578 
Welzheimer  Wald  öS 
Wenden  11Q 
Wendhausen,  Kl.  420 
Wendig,  Bg.  255 
Weningen,  Ldft.  231 
Wensberg,  Hft.  248 
Werdau,  Hft  323 
Werdau  483 
Werden,  Abtei  402.  561 
Werdenberg  301 
Werdenfels,  Hft.  303 
Werderland  238 
Werl,  Gft.  203.  249 
Worle,  Schi.  351 
Wernburg,  Bg.  305 
Wernigerode,  Gft.  328.  482. 

599 
Werra  62 
Wertach  311 
Werth,  Kl.  41G 
Wertheim,  Gft  291  472  524. 

f>7s 

Weschnitz,  FL  51 
Weser  fiL  20 
Weserborgland  fil 
Wessobrunn,  Kl.  411 
Westerburg,  Hft  22Q  f. 
Westerwald  6J. 
Westerwald«,  Hft.  z.  212 
Westfalen,  Volkst.  lfifi 
Westfalen,  Hzgt  249.  56fi 
Westflinge  182 
Westfranken  US 
Westgcrmanen  139 
Westhofen  212.  465 


Wettenhausen,  Propstei  514 
Wetter  138. 
Wetterau  213.  439 
Wetternfeldt,  Bg.  260 
Wettin,  Gft.  315_ 
Wetzlar,  Rst  262.  584 
Weyer,  Hft  248 
Weyersheim  zum  Turm  270 
Wiblingen,  Kl.  416 
Wiborg  436.  fill 
Wickrath,  Hft.  566 
Wickerad,  Hft  566 
Wied,  Gft  223.  443.  512,  555 
Wiehe,  Hft  48fi 
Wien  151 
Wiener  Wald  43 
Wienhausen,  Kl.  419 
Wieringen,  Insel  IM 
Wieso,  Fl.  56 
Wiesbaden,  Hft  51Ü 
Wiesentheid,  Hft.  23L  578 
Wicsloch,  St  2fiQ 
Wietmarschen,  Hft  240 
Wildberg  284L  289,  4IÜ 
Wildemann,  St.  51fi 
Wildenberg,  Schi.  304 
Wildenburg,  Amt  4M 
Wildeueck,  Schi.  Hü 
Wildenfels,  Schi.  4i& 
Wildeshausen,  Gft  236  f. 

443  f.  511 
Wildgrnfschaft  25JL  452.  522. 

510 

Wildungen  218.  225.  445 
Wilhering,  Kl.  426 
Willisau,  Hft.  4M 
Wüster,  St.  536 
Wilzburg,  Kl.  411 
Wilzen  III 

Wimpfen  a.  Berg.Rst  228. 586 
Windberg,  .Sohl.  31Ä 
Windberg,  <ift.  304 
Windeck,  Amt  252 
Windisch,  Bst.  415 
Windsheim,  Ret  22L  58fi 
Winendael,  Hft  533 
Winningen,  Bg.  255 
Winterhauch  322 
Winterthur  161 
Winzer  L  Buiern,  Schi.  234 
Winzig  343  f.  521 
Winzingen,  Bg.  2fi0 
Wiperti,  Sankt,  Kl.  420 
Wipper  12.  102 
Wirtemberg,  Hzgt.  213.  4ii>L 

524.  522 
Wisent,  Bg.  303 


Wismar  .'157.  507.  535 
Wissenbach  22Q 
Wissing,  Bg.  302 
Witckisau,  Gft.  281 
Wittelsbach,  Bg.  301 
Wittern,  Hft.  566 
Wittenburg,  Ldft  3fil 
Wittenburg,  Amt  531. 
Wittgenstein,  Gft.  224 
Wittlage,  Amt  235 
Witzenhausen  2JjL  228 
Wohlau  343  f.  422.  526 
Wöhrstein,  Hft  422 
Woldeck,  St.  358 
Woldenberg,  Gft.  488 
Woldenstein,  Schi.  230.  331 
Wolfenbüttel  228.  515 
Wolfgangsee  43 
Wolfisheim,  Amt  465 
Wolf  ratshausen,  Gft  302.312 
Wolfsberg,  Bg.  260 
Wolgast  356.  423 
Wolkenburg,  Hft  248 
Wolkersdorf  295 
Wollhusen,  Hft.  462 
Wollin,  Bst.  432 
Wollin,  Insel  125 
Wolmirstädt  Kl.  428 
Wölpe,  Gft.  222 
Wöltingerode,  Kl.  413 
Wörlitz  48JL  5M 
Worms,  Rst  150.  293.  588 
Worms,  Bst.  26L  264.  414. 

462.  562 
Wörnitz,  Fl.  52 
Wörth  a.  d  Sauer  222.  465 
Worth  L  Baiern,  Hft  3ÜU. 

415 

Wredenhagen  360.  535 
Wülfinghausen,  Kl.  412 
Wundsiedel,  Schi.  236 
Wunstorf,  Gft  230.  442 
Wunstorf,  Kl.  410 
Wursten  449 

Würzburg,  Bst.  288. 412.  412. 
516 

Würzburg,  St  498 
Würzen  32L  334 
Wusterhausen  490 
Wustrow,  Schi.  230 
Wüstungen  532 
Watach,  Fl.  56 


X. 


Xanten  Läli 


Y. 


Ybbs,  Fl.  43 


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650 


Index. 


Yssel  (Jjssel)  82.  IM 
Yverdun  IM 

Z. 

Zabern  26'.* 
Zanderhart  392 
Zarrentin  3fiL  535 
Zarrentin,  Kl.  424 
Zator,  St.  M6 
Zauchc  331 
Zeeland,  Gft.  242.  563 
Zavelstein  281 
Zehdenick,  KI.  IUI 
Zehngerichte-Bund  468.  589 
Zehnatädtebund  4M 
Zehntland  144 
Zeite,  Bat  421) 
Zeitz,  Mark  188 
Zell  a.  Hammerabach,  Rat. 
MB 

Zellenberg,  St.  269.  281 


!  Zellerfeld  228,  518 
Zeltingen,  Amt  248 
Zerbst,  Kl.  421 
/erbst  4H1L  533 
Ziegenberg,  Schi.  43a 
Ziegenhain,  Gft.  212  f.  432, 
598 

Ziegenrück  312.  324.  52iL 
530 

Zierenberg  216.  23Q 
Zillertal  802 
Zimmern,  Hft.  281 
Zingsheim,  Hft.  24ö 
Zingst  122 
Zinn  395_ 
Zinna  2« 
Zinna,  Kl.  431 
Zlenz  12Q 

Zobten  190.  34L  344 
Zollern,  Gft  (b.  auch  Hohen- 
zollern)  2M 


Zons  a.  Rh.,  8t  248 
Zoppenbroch,  Hft.  248 
Zörbig  315.  334.  482,  4SI 
Zorge  22 

Zossen,  Hft  49Q  f. 
Zscheiplits,  Kl.  420 
Zug  275.  2TL  588 
Zuger  See  22 
Zugewandte  Orte  466 
Zuiderzee  106 
Zollichau  430 
Zülpich,  Amt  248 
Zürich  214  f.  222.  462,  582 
Züricher  See  31 
Züschen,  Gft.  225 
Zütphen,  Gft.  242 
Zweibrücken  452.  522.  561! 
Zwettl,  Kl.  426 
Zwifalten,  Kl.  282,  282.  416. 
514 

Zwinge,  Amt  532 


I 


Nachträge  und  Berichtigungen. 


S.  10  ist  Zeile  4  als  Zeile  1  hinaufzurücken. 

S.  15  Z.  11  v.  u.  füge  hinzu.  B.  Knüll,  Historische  Geographie  Deutschlands  im  Mittel- 
alter, Breslau  1903;  behandelt  die  Kulturgeographie  des  Landes  bis  1300. 
S.  57  Z.  21  v.  o.    Vgl.  noch  Neu  mann,  Der  Schwarzwald,  Bielefeld  1902. 
S.  62  Z.  21  v.  u.  lies :  übersetzt. 

8.  111  Z.  1  v.  u.  füge  hinzu:  Sello,  Der  JadebilBen;  sein  Gebiet,  seine  Entstehungs- 
geschichte, Varel  1903. 
S.  162  Z.  9  v.  o.  lies :  Schulte. 

S.  208  Z.  8  v.  u.  Vgl.  noch  Gradmann,  Der  Dinkel  und  die  Alamannen,  in  Württ. 
Jb.  f.  Statistik,  Jahrgang  1901,  103  ff. 

S.  279  Z.  20  v.  o.    Vgl.  hierzu  O.  Redlich,  Rudolf  von  Habsburg,  Innsbruck  1903. 

S.  381  Z.  34  v.  o.  füge  zur  Literatur:  Partsch,  Schlesien  Bd.  II,  1,  Breslau  1903. 
Schlüter,  Die  Siodelungen  im  nordostl.  Thüringen,  Berlin  1903. 

S.  387  Z.  18  v.  u.  Vgl.  Uhlhorn,  Die  Kulturtätigkeit  der  Cisterzienser  in  Nioder- 
sachsen,  in  Z.  d.  hist.  Ver.  Nieders.  1890,  S.  84— 110.  Sebicht,  Die  Cister- 
zienser und  die  niederländ.  Kolonisten  in  der  goldenen  Aue,  in  Harz-Zeitschr. 
1888,  S.  1-74. 

S.  468  Z.  14  v.  o.    Vgl.  noch  Plattner,  Die  Entstehung  des  Freistaates  der  drei 

Bünde  und  sein  Verhältnis  zur  alten  Eidgenossenschaft,  Davon  1894. 
S.  488  Z.  20  v.  u.  lies :  Hämelschenburg. 
S.  515  Z.  7  v.  u.  lies:  Lüchow. 

S.  613  Z.  22  v.  o.  füge  hinzu :  nach  der  Teilung  Polens. 


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