Historische
Mitteleuropa
Konrad Kretschner
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HANDBUCH .
DER
Mittelalterlichen und
Neueren Geschichte.
HERAUSGEGEBEN VON
G. v. Below, UND F. Meinecke,
PROFE880R AN DER UNIVERSITÄT TÜBINGEN. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT 6TRAS8BÜRO.
Abteilung iv:
HILFSWISSENSCHAFTEN UND ALTERTÜMER.
K. Kretschmer.
HISTOEISCHE GEOGRAPHIE VON MITTELEUROPA.
MÜNCHEN UND BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON R, OLDENBOURG.
1904.
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Historische Geographie
VON
Mitteleuropa.
VON
PROF. D* KON RAD Kretschmer,
PRTVATDOZBNT AN DER ÜNIVBR8ITÄT BERLIN UND LEHRER DER GEOGRAPHIE
AN DER KÖNIG L. KRIEGSAKADEMIE
MÜNCHEN und BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG.
1904.
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»
Vorwort.
Ein Handbuch hat die Aufgabe, über den gegenwärtigen Stand
der Forschung auf dem Gebiete einer Disziplin zu unterrichten, das ein-
schlägige Material kurz zu skizzieren und die literarischen Hilfsmittel
namhaft zu machen, die dem Leser eine Antwort auch auf weitere Fragen
seiner Wissenschaft geben. Es hat nun seine Schwierigkeiten, ein Hand-
buch der historischen Geographie in dem zeitlichen und räumlichen
Umfange wie das vorliegende zu liefern, und zwar aus dem einfachen
Grunde, weil eine systematische Behandlung unter besonderer Berück-
sichtigung der Realien bisher noch niemals auch nur für einzelne Land-
schaften versucht worden ist. Die Vorarbeiten zu einem solchen Buch
sind sehr beschränkte und das Material, welches zur Aushilfe dienen
mufs, setzt sich aus sehr verschiedenartig geformten Bausteinen zu-
sammen.
Es war für den Verfasser um so schwieriger, den richtigen Stand-
punkt zu gewinnen, als er einerseits den Historikern genügen mufste
— denn als Teil eines historischen Handbuchs erscheint das Ganze — ,
und als er anderseits seinen geographischen Fachgenossen genügen
wollte. Die Interessenkreise beider decken sich aber nicht vollkommen,
und die kritischen Bedenken werden sich voraussichtlich gegen Inhalt
und Umfang des aufgenommenen Materiales richten, somit aber auch
sehr verschieden ausfallen.
Was den Inhalt im einzelnen betrifft, so war es vor allem erforder-
lieh , in der Auswahl des überreichen Stoffes Mafs zu halten , und
schwierig, allen Paragraphen eine gleichmäfsig abgewogene Ausführlich-
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Vorwort.
keit zu geben. So manches, was der Beachtung wert schien, mufste
gestrichen werden. Eine Städtekunde, in welcher auch die topographische
Entwickelung der gröfseren Städte behandelt werden sollte, war zum
Teil schon fertiggestellt, mufste aber schliefslich fortbleiben, um den
vereinbarten Umfang des Buches nicht zu überschreiten. — Nicht ohne
Absicht hat auch die physische Geographie eine ausführliche Darstellung
erfahren, denn ein Historiker, der z. B. über die Kulturtätigkeit der
preufsischen Könige in den Bruch- und Luchgebieten der Mark Branden-
burg forscht, sollte füglich auch eine Vorstellung von der natürlichen
Entstehung und dem Zusammenhang dieser Bruchstreifen in ihren Be-
ziehungen zu den Urstromtälern der Eiszeit haben. Die physisch -geo-
graphischen Abschnitte haben hier einen belehrenden Zweck, ohne dafs
sie den Historiker zu einer produktiven Tätigkeit auf diesem ihm durch-
aus fernliegenden Gebiete anregen sollen. Dies gilt auch hinsichtlich
der Literaturangaben ; es sind hierfür gerade solche Werke, Zeitschriften -
artikel, Vorträge u. dgl. bevorzugt worden, die einen Gesamtüberblick
Über die einschlägigen Probleme geben. — Bei der Auswahl der Lite-
ratur der politisch- und kulturgeographischen Teile des Buches mufste
auch sehr streng gesichtet werden. Es konnten nicht sämtliche Quellen-
und Urkundensammlungen aller Landschaften, Provinzen, Territorien
und Städte aufgenommen werden, und hoch eingeschätzte historische
Werke sind nicht erwähnt worden, einmal, weil sie nicht alle geogra-
phisch beachtenswerte Bemerkungen enthalten, und dann, weil hier
nicht ein historisches Literaturrepertorium geliefert werden soll. Im
übrigen mufs auf die anderen Werke dieser Handbuchsammlung ver-
wiesen werden.
Dafs das Buch nicht ohne Fehler ist, weifs niemand besser als der
Verfasser selbst, und es ist aufser Zweifel, dafs, wer sich an die Suche
macht, mancherlei Mängel und Irrtümer wird entdecken können. Das
weitschichtige Riesenmaterial, zuweilen aus den entlegensten Winkeln
zusammengelesen, gibt unendlich oft Gelegenheit zum Straucheln. Der
Verfasser darf deshalb wohl auf einige Nachsicht rechnen, ohne das
Verlangen zu stellen, dafs ihm alles entschuldigt werde. Ich erwarte
keine schonende, aber billige Kritik.
Karten konnten dem Handbuch leider nicht beigegeben werden.
Es darf aber vorausgesetzt werden, dafs jeder Benutzer eines solchen,
lediglich wissenschaftlichen Interessen dienenden Buches auch im Be-
sitz eines historischen Atlas ist, — und zur notdürftigen Orientierung
reicht schliefslich schon ein kleiner Schulatlas aus. Sehr viel mehr
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Vorwort.
VII
hätten die dem Format dieses Buches angepafsten Karten bei dem
dadurch nötig gewordenen kleinen Kartenmafsstabe ja auch nicht bieten
können.
Zum Schlufs komme ich der angenehmen Pflicht nach, allen den
Herren, die mich während der Abfassung und Drucklegung durch Mit-
teilungen verschiedener Art, Berichtigungen und Ergänzungen des Textes
unterstützt haben , meinen aufrichtigsten Dank auch öffentlich aus-
zusprechen.
Charlottenburg, 15. Februar 1904.
K. Kretschmer.
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Inhalt.
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XL Politische GeoKraphio um da« Jahr 1650
.... 506
.... 638
651
... 612
:
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Einleitung.
1. Historische Geographie. Die historische Geographie behandelt
die Erdoberfläche in ihren Beziehungen zur Kulturwelt des Menschen im
Verlauf der geschichtlichen Entwickelung. Sie untersucht einerseits, in
wieweit die Kultur der Völker in Abhängigkeit von der Natur ihres
Landes steht, und anderseits, wie diese Völker die Herrschaft über den
Boden sich politisch und wirtschaftlich angeeignet und den Einflufs der
Xaturumgebung vermöge ihrer Kultur bis zu einem gewissen Grade
überwunden haben. Da die Kultur aus primitiven Anfängen zu immer
höheren Stufen sich fortentwickelt hat, so ist es Aufgabe der historischen
Geographie, die angedeuteten Wechselbeziehungen zwischen Land und
Volk in den einzelnen Perioden der Geschichte nach ihrem ursächlichen
Zusammenhango zu ergründen.
Auf die Frage nach dem Inhalt der historischen Geographie wird
der Historiker eine andere Antwort geben als der Geograph. Aber auch
unter den Geographen selbst herrscht keineswegs Übereinstimmung in
der Definition. Viele begreifen unter historischer Geographie die Ge-
schichte der Erdkunde, andere wieder erklären sie mit mehr Berech-
tigung als die »Geographie der Geschichte c. Ich möchte diese Auslegung
gerade vermieden wissen, weil durch sie die Auffassung bestärkt werden
kann, dafs die historische Geographie nur eine Hilfswissenschaft der
Geschichte sei. In der Form, wie sie der Historiker fafst, ist sie für
ihn allerdings nur eine Hilfswissenschaft. Sie schliefst sich aber dadurch
zu einer selbständigen Disziplin ab, dafs sie aus einem eigenen Gesichts-
punkt heraus den Menschen in seiner historischen Entwickelung mit dem
Schauplatz seiner Tätigkeit in Verbindung bringt. Zur näheren Begrün-
dung dessen müssen wir uns zunächst über das Wesen der Geographie
klar sein und über die Betrachtungsweise, die sie dem Gegenstand ihrer
Forschung angedeihen läfst. — Man hat die Geographie kurz als die
Wissenschaft oder Kunde von der Erdoberfläche bezeichnet. Aber nicht
nur die Lithosphäre und Hydrosphäre, welche die Oberfläche des Erdballes
bilden, sondern auch die übrigen Gegenstände und Phänomene auf ihr
Kretschmer, Historische Geographie. 1
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Einleitung.
werden mit in den Kreis der Betrachtung gezogen. Die Form der Behand-
lung ist eine zweifache: eine mehr äufserlich beschreibende und eine gene-
tisch entwickelnde ; die eine wird der anderen notwendigerweise voraus-
gehen müssen. Die beschreibende Geographie hält sich an das gegebene
Tatsachenmaterial; sie beschreibt Land und Wasser sowie die Erscheinungen
des Jjuftreiches und das Auftreten der Organismen (Tiere und Pflanzen)
in ihrer räumlichen Anordnung. Die andere sucht die Ursachen dieser
Verteilung, die Herausbildung der Erdoberfläche u. dgl. zu ergründen,
mit anderen Worten: sie erforscht den kausalen Zusammenhang. Hier-
nach wäre die Geographie eine rein naturwissenschaftliche Disziplin
(Physische Geographie).
Als das erhabenste Objekt der Forschung gilt aber der Mensch,
der die Herrschaft über die Erdoberfläche sich angeeignet hat, und es
war naheliegend, auch ihn in seinem Walten auf der Erde vom geo-
graphischen Gesichtspunkt aus zu betrachten (Anthropogeographie).
Seit alters hat man ihm innerhalb der Geographie eine hervorragende
Berücksichtigung zu teil werden lassen und ihn oft genug in den Mittel-
punkt der Betrachtung gerückt. Er kann selbstverständlich nicht den
alleinigen Inhalt der Geographie ausmachen wollen, schon deshalb nicht,
weil seine Verbreitung auf der Erde eine beschränkte ist. Während die
physische Erdkunde es mit Problemen zu tun hat, deren Lösung in der
Auffindung unabänderlicher Naturgesetze besteht, hat die Geographie
des Menschen Aufgaben zu erfüllen, die durch das Eingreifen eines
höchst eigenartigen Faktors sich sehr viel komplizierter gestalten und
sich nicht so einfach durch das Schema eines blind waltenden Gesetzes
erledigen lassen. Natur und Kultur bilden polare Gegensätze, die
ineinandergreifen und sich gegenseitig durchdringen. Die Natur ist
stärker als die Kultur; gleichwohl vermag diese die Naturgewalten in
bestimmte Bahnen zu leiten, sie in ihrer Wirkung abzuschwächen oder
auch sich dienstbar zu machen. Der Mensch ist eben nicht wie Tier
und Pflanze ein stumpf dahin vegetierender Organismus, der, unter dem
Eindruck der Naturgewalten stehend, sich den gegebenen Verhältnissen
der geographischen Lokalität in jedem einzelnen Falle anzupassen hätte,
sondern vermittelst seiner Intelligenz, Erfahrung und Energie weifs er
oft den Einflufs der Naturgewalten zu durchkreuzen und sie umgekehrt
in Abhängigkeit von sich zu bringen. Die somit ganz anders gearteten
Aufgaben der Anthropogeographie bedingen es, dafs die Definition der
physischen Geographie nicht ohne weiteres auch auf jene sich anwenden
läfst. Eine nähere Begriffsbestimmung der Geographie schlechthin ohne
Rücksichtnahme auf diese Doppelseitigkeit der Aufgaben und ihre in
der Natur des Stoffes begründete Verschiedenheit ist unmöglich, — es
sei denn, dafs man die ganze Geographie des Menschen als nicht in das
Gebiet der eigentlichen < leographie gehörig unter irgend einem Schein-
grund sich keck vom Halse schüttelt. Sobald aber der Mensch
mit in den Kreis der Betrachtung gezogen wird, muls er
auch historisch gefafst werden. Ein und derselbe Erdfleck kann
einem und demselben Volke anderthalb Jahrtausende lang als Aufenthalts-
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1. Historische Geographie. 3
ort gedient haben. Trotzdem die natürlichen Anlagen jener Örtlichkeit,
wie geographische Lage, Boden, Klima etc., die gleichen geblieben sind,
können sie jeweilig eine verschiedene Wirkung auf das in Frage kom-
mende Volk ausgeübt haben. Der Grad der Kultur und mit ihr die
Fähigkeit, die nachteiligen Einflüsse zu überwinden und die vorteilhaften
Gegebenheiten auszunutzen und in ihrem Werte zu steigern, sind hierfür
bestimmend. Trotz aller Emanzipation des Kulturmenschen vom heimat-
liehen Boden ist doch hinwiederum seine Anpassung an ihn eine so
durchgreifende, dafs auch bei höchster Kultur eine geographische Beein-
flussung dieser Art immer vorhanden sein wird. Der Einflufs wird aber
♦•in verschiedener sein, da noch ein anderes Moment teils fördernd, teils
hemmend miteinwirken kann, nämlich die jeweilige politische Situation.
Ein Beispiel wird dies am besten zeigen. Die Verkehrsverhältnisse eines
Landes sind von verschiedenen geographischen Umständen abhängig, also
von der geographischen Lage, der orographischen und hydrographischen
Entwicklung des Landes u. a. mehr. Es wird auf Grund umfassender
wirtschaftlicher Erhebungen gezeigt, wie grofse Ströme heute Verkehrs-
und Transportwege ersten Ranges sein müssen. Dennoch sehen wir, dafs
in früheren Jahrhunderten dieselben grofsen Ströme ihre hervorragende
Redeutung in verkehrsgeographischer Beziehung gar nicht hervorkehren
konnten, weil ihre Uferlandschaften infolge der territorialen Zersplitterung
in den Händen zahlreicher kleiner und grofser Machthaber waren, von
denen jeder seinen Zoll von dem passierenden Schiffe forderte; der Güter-
verkehr war daher erschwert und teilweise ganz ausgeschlossen. Um
daher zu einer richtigen Abschätzung des Einflusses geographischer Fak-
turen auf das Kulturleben des Menschen zu gelangen, bedarf es einer
ständigen Berücksichtigung des historisch-politischen Hintergrundes. Wie
dw Gruppierungen der staatlichen Gebilde, der Territorien in ihrer gegen-
^itigen Abgrenzung für eine solche Betrachtung notwendigerweise Be-
achtung finden müssen, so nicht minder die grofsen historischen Ereig-
nisse, wie Völkerwanderungen, verheerende Kriege, Revolutionen, welche
lammend und abschwächend auf die durch geographische Momente
bedingte Kultureutwickelung eingewirkt haben.
Für die Betrachtung der historisch -geographischen Verhältnisse
^ines Landes ist es daher erforderlich, geeignete zeitliche Ruhe-
punkte (Termine) auszuwählen, die kurz vor oder kurz nach grofsen
Ereignissen und politischen Veränderungen liegen. Die historische Geo-
graphie hat eben nicht Entwickelungsprozesse zu schildern, sondern be-
gehende Zustände eines Landes oder Staates, die sie allerdings aus
dem Entwickelungsprozefs zu begreifen strebt. Sie liefert eine Beschrei-
bung des Landes in allen seinen Beziehungen zur Bewohnerschaft für
*inen gauz bestimmten, Zeitpunkt. Während die Geschichte die politischen
und wirtschaftlichen Verhältnisse von den ältesten Zeiten bis zur Gegen-
wart verfolgt, gibt die Geographie einen Querschnitt durch alle diese
Verhältnisse für gewisse Zeitpunkte. Unter dieser Voraussetzung läfst
sieh eine historische Geographie ganzer Epochen (des Mittelalters und
der Neuzeit) methodisch nur so behandeln, dafs die politisch-geographi-
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Einleitung.
sehen und wirtschafts-geographischen Verhältnisse möglichst zahlreicher
Termine geschildert und in ihrem ursächlichen Zusammenhange unter-
sucht werden. Die Anzahl der gewählten Zeitpunkte ist anhängig von
der Beschaffenheit des vorhandenen Quellenmaterials, welches für die
Neuzeit begreiflicherweise reichlicher fliefst als für das Mittelalter. In
dem vorliegenden Buche ist diese Behandlungsweise für Mitteleuropa
systematisch durchgeführt worden. Die Geographie des Altertums ist
nur in Umrissen gegeben, soweit es für den Anschlufs an die mittel-
alterliche Zeit erforderlich war. Für Mittelalter und Neuzeit wurden die
Jahre 1000, 1375, 1550, 1650 und 1770 gewählt.
Eine historische Geographie in der vorher angedeuteten Weise läfet sieh
nur für die geschichtliehen Völker durchführen, also solche, welche geschicht-
liche Aufzeichnungen hinterlassen haben. Vielfach wird der Begriff histo-
rische Geographie aber weiter gefafst, indem man ihn auch auf die sog.
geschieh tslosen Völker ausdehnt mit der durehaus berechtigten Begründung, dafs
die Geschichte der Menschheit nicht erst mit dem Gebrauch der Schrift und
der dadurch ermöglichten Überlieferung der Geschehnisse beginnt. Zur Lösung
der einschlägigen Probleme tritt die Geographie in Beziehungen zu anderen
Wissenschaften, besonders zur Völkerkunde und Urgeschichte. Inhalt und
Methode dieses Zweiges der historischen Geographie sind daher ganz anders
geartet. Vgl. hierüber Ratzel, Anthropog. I, 29 ff.
Die Geographie des Menschen wird nach dem Vorgänge Ratzels jetzt
allgemein : A n t h r o p o g e o g r a p h i e genannt, eine Bezeichnung, an der zuweilen
Anstofs genommen wird, weil sie den Eindruck hervorruft, als ziehe sie nur
das rein biologische Moment, ähnlich wie bei der Tier- und Pflanzengeographie
in den Kreis der Betrachtung. Vielmehr rückt sie gerade das Kulturmoment in
den Mittelpunkt ihrer Forschung; sie sucht die Beziehungen zu ergründen,
die zwischen der Kultur des Menschen und der Eigenart seines Wohnortes
bestehen. Die historische Geographie in dem oben dargelegten Sinne sucht
dieselben Fragen nur für bestimmte Zeitpunkte der Vergangenheit zu lösen.
Sie bildet somit einen Teil der ganzen Anthropogeographie, gleichsam eine
spezielle Anthropogeographie im Gegensatz zur allgemeinen, wie sie Ratzel in
seinen Werken behandelt hat. — J. Wimmer hat die Bezeichnung historische
Landschaftskunde einführen wollen, eine Bezeichnung, die wohl gelegentlieh
Verwendung finden mag, alter den Begriff der historischen Geographie nicht
vollständig umfafst.
Über Methode, Inhalt und Aufgaben der historischen Geographie vgl.
Ratzel, Anthropogeographie (»der Grundzüge der Anwendung der Erdkunde
auf die Geschichte, Stuttg. 1882, 1. Bd., besonders in den einleitenden Kapiteln
(auch in 2. Aufl. WM)). Oberhummer, Die Aufgaben der historischen Geo-
graphie, in Verb. d. IX. Deutsch. Geographentages, Wien 1891, p. 237 — 251.
Kr et schmer, Die Beziehungen zwischen Geographie und Geschichte, in Verh.
d. VII. intern at Geogr. Kongresses, Berlin 1901, II, 923- 9.50 (abgedruckt in
Geogr. Zeitechr. 1899, V, 605 ff.) Wimm er, Historisehe Landschaftskunde,
Innsbruck 1885. Wagner, Lehrbuch der Geographie, t). Aufl. 1894, p. 27—30;
sowie seine Berichte über die geogr. Methodologie, im Geogr. Jahrbuch, ver-
schiedene Jahrgänge. Hettner, Die Entwickelung der Geogr. im 19. Jahrb.,
in Geogr. Zeitsehr. 1898, IV, 319; mit seinen Ausführungen über die historische
Geographie bin ich nicht völlig einverstanden, besonders mit dem Schlufssatz
nicht. Richter, Die Grenzen der Geographie, Rektoratsrede, Graz 1899,
p. 10 ff.; hierzu vgl. Hettner, Neue Äußerungen über Wesen und Aufgaben
d. Geogr., in (ieogr. Zeitschr. 1900, VI, 576.
Karl Ritter gilt mit Recht als der Begründer der wissenschaftlichen
Geographie des XIX. Jahrhunderts. Er sah es als seine Hauptaufgabe an,
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1. Historische Geographie.
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die Erde im Zusammenhang mit dem Menschen zu schildern, nach seiner Ver-
breitung, seiner sozialen, moralischen und wirtschaftlichen Kultur, soweit sie
durch geographische Momente bedingt ist. Der Titel seines 19-bändigen Werkes
»Die Erdkunde im Verhältnis zur Natur und zur Geschichte des Menschen oder
allgemeine vergleichende Erdkunde als sichere Grundlage des Studiums und
Unterrichtes in physikalischen und historischen Wissensehaften« deutet in
kurzen Worten das vorgezeichnete Ziel nach Inhalt und Umfang an. Es mag
sonderbar erscheinen, dafs man den Klassiker der Geographie gegen Vorwürfe
und Angriffe noch verteidigen mufs. Ritter hatte schon bei Lebzeiten manchen
Angriff erfahren. Gewils Ist auch, dafs seine Arbeiten viel Angriffspunkte
bieten, dafs der von ihm vorgezeichnete Weg geographischer Betrachtungsweise
von ihm selbst nicht immer beschritten worden ist. Man mufs bei ihm
stets unterscheiden zwischen dem , was er gewollt , und dem , was er aus-
geführt hat. Aber in dem, was er gewollt, in den Zielen und den Gesichts-
punkten, die er gegeben, hat er gerade grundlegend gewirkt. Das abfällige
Urteil über Ritter hat in neuerer Zeit immer schroffere Formen angenommen.
Die Entwicklung, welche die physische Geographie in den letzten Jahrzehnten
genommen hat, läfst sich freilich nicht auf Ritter als ihren eigentlichen Begründer
zurückführen. Aber es ist falsch, wenn man ihm Nichtbeachtung der geogra-
phischen Probleme vorwerfen wollte. Ein Rück in seine Vorlesungen über
»Allgemeine Erdkunde» zeigt, welche Bedeutung er selbst der ent wickelungs-
geschichtlichen Erkenntnis der Erdoberfläche beigemessen hat. Wenn er sich
auch in der weiteren Ausgestaltung und Vertiefung der Geophysik nicht
betätigt hat und seinem ganzen Studiengange nach nicht betätigen konnte, so
wufste er doch die Ergebnisse der geologischen und meteorologischen Forschung
im Rahmen einer geographischen Betrachtungsweise mit kritischem Takte zu
behandeln. Man beachte nur einige der dort vorgezeichneten Kapitelüber-
schriften: Genesis der Plateau- und Gebirgsbildung — Die Gebirgsbildung nach
ihrer Entstehung — Die Bildung der germanisch-sarmatischen Niederung —
Die Entstehung der pontisch-kaspischen Einsenkung. In diesen Abschnitten
behandelt er vom damaligen Standpunkt aus rein geomornhologische Fragen.
Mit allem Nachdruck weist er auf die Notwendigkeit hin, den »Kausal-
zusammenhang der Erscheinungen« zu ergründen, »wodurch erst jede
einzelne derselben als notwendig und für jede Lokaütät räumlich bedingt
hervortreten kann«. Er ist daher auch ein heftiger Gegner der Kompendien-
geographie, wie er sie nennt, die für ihn nur »ein in Schachteln abgeteiltes
scholastisches Fachwerk« ist. »Die Tatsachen werden wie die bunten Flicklappen
eines Teppichs aneinander gereiht, bald so, bald so, als könnte ein jedes als abgeris-
senes Stück für sich bestehen. Nur ihre Sonderung tritt hervor, ihr Zusammenhang
nicht.« Ritter hat auf die Erforschung der Beziehungen, die zwischen der Erde
und dem Menschen bestehen, immer das Hauptgewicht gelegt, ohne damit
zum Ausdruck bringen zu wollen, dafs nur sie allein den wahren und einzigen
Inhalt der Erdkunde ausmachen solle. Jedenfalls haben diese Beziehungen
auch vor ihm schon immer im Vordergrund der geographischen Betrachtung
gestanden und über zwei Jahrtausende lang den wesentlichen, wenn auch
niemals ganz ausschließlichen Inhalt der Geographie ausgemacht. Man sollte
auch aus diesem Grunde, bei der Definition unserer Disziplin alle früheren
Inhaltsbestimmungen, die doch schon eine historische Berechtigung sich
erworben haben, nicht ohne weiteres und geflissentlich übersehen. Man erkenne
den Dualismus in der Geographie lieber freimütig an, als dafs man sie ganz
einseitig zu einer spezifischen Erdphysik stempelt und sie als die allein selig
machende Form unserer Wissensehaft anpreist.
Ritter hatte s. Z. der Geographie noch nicht den Umfang gegeben,
den sie heutzutage einnimmt. Er war noch von der Bewältigung des Materialcs
vollauf in Anspruch genommen; die Vielseitigkeit des Stoffes und die Fülle
der sich darbietenden Aufgaben liefsen ihm zur Ausführung nur einiger
weniger Zeit. Es Ist aber begreiflich, dafs bei der neuen Fundamentierung
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6 Einleitung.
einer Wissenschaft nicht sogleich über alle noch möglichen Ausgestaltungen
Dispositionen getroffen werden konnten ; ähnlich wie der Baumeister einer
grofsen Kathedrale, an der mehrere Jahrhunderte gebaut wird, auch den nach-
folgenden Generationen die Einführung neuer Motive noch freigelassen hat.
Die Wissenschaft ist fortgescliritten und über Ritter hinausgegangen. Wir
können an seine Forschungen nicht mehr unmittelbar anknüpfen wollen, ebenso-
wenig wie an diejenigen Alexander von Humboldts. Beide sind für uns schon
historisch geworden. Nicht an der Hand, aber im Sinne Ritters können wir
heute weiter arbeiten — und im Sinne Ritters ist auch das vorliegende Hand-
buch gesehrieben worden. Zutreffend charakterisiert Paul Lehmann in seinem
neuesten Werk die schiefe Auffassung, die über Ritter Platz gegriffen hat :
»Karl Ritter wird heute von vielen ehrend genannt, von wenigen gelesen und
nur von der geringen Zahl derjenigen, die das Werk seines Lebens in seiner
historischen Bedeutung und zugleich (he Tiefe seiner edlen Mannesseele zu
würdigen wissen, geehrt und geliebt. Man liest Ritter heute nicht mehr, um
Geographie zu lernen, und der Rittersche Standpunkt gilt vielen Jüngern der
mixlernen Geographie als veraltet. Das ist nur richtig, wenn damit (mifs-
bräuchlich !) eine Methode bezeichnet wird, die ohne Rücksicht auf che Fort-
sehritte von Kartographie, Geologie und Klimatologie ein unzulängliches geogra-
phisches Material nach einigen Leitideen Ritters zu ordnen sucht. Von
den Fortschritten der Geologie seit zwei Menschenaltern nicht Notiz zu nehmen,
ist gewifs nicht im Sinne Ritters, der diese Fortschritte sicher mit Begeisterung
aufgenommen und in seinem Sinne zur Vertiefung seiner Geographie verwandt
hätte.« Der Umstand, dafs die moderne Geographie augenblicklieh mehr nach
der physischen Seite gravitiert, und dafs man sie zu einer rein naturwissen-
schaftlichen Disziplin machen will, hat eine Verkleinerung Karl Ritters zu Gunsten
Humboldts zur Folge gehabt.
Die historisch-geographische Betrachtungsweise wiegt in allen Schriften
Ritters vor. Gelegentlieh berührt er auch die Aufgaben und den Inhalt der
historischen Geographie im engeren Sinne, wenn er in den Vorlesungen über
allgemeine Knikunde bemerkt: »Gewöhnlich bearbeitet man auch die Geographie
nur für eine gewisse Zeit: für die Gegenwart oder Vergangenheit. So redet
man von alter Geographie, Geographie des Mittelalters und der neuen Zeit.
Wir suchen die dauernden Verhältnisse auf und verfolgen ihre Entwickelung
durch alle Zeiten, von Herodot bis auf die unsrigen. So finden wir auf, was
sich durch allen Zeitenwandel hindurch in dem Erdorganismus als gesetzmäfsig
bewährt hat, und erhalten die vergleichende Geographie. Durch sie wird ein-
leuchtend, wie das Heute aus der Vergangenheit entstanden ist«. Sein grofses
bändereiches Werk bietet eine Fülle von Beispielen, durch welche die in vor-
hergehenden Worten dargelegte Betrachtungsweise illustriert wird. Ohne
seinen oft mehr geistreichen teleologischen Ideen, die den philosophischen und
theosophischen Anschauungen der damaligen Zeit entsprachen, das Wort reden
zu wollen — es sei hierfür auf Ratzels treffliche, gerecht abwägende Darstellung
dieser Frage verwiesen — müssen wir doch an der Überzeugung festhalten,
dafs der Grundgedanke Karl Ritters noch heute zu Recht besteht.
Vgl. Ratzel, Anthropogcographie 1, besonders p. 45—56, wo der Ver-
fasser K. Ritter in seiner Bedeutung für die historische Geographie darstellt.
Ferner Ratzel, Artikel »Ritter« in der Allgem. deutschen Biographie. Marthe,
Was bedeutet K. Ritter für die Geographie? Berlin 1880. Kramer, Karl
Ritter, 2 Bände. Halle 1864. 1870. Wimmer. Historische Landschaf tskunde
p. 8; 2'J3 ff., über Ritters historische Richtung p. 303 IT. Wisotzki, Zeit-
strömungen in der Geographie, Leipzig 1897. P. Lehmann, Länder- und
Völkerkunde, s. a., I, 3 ff.
2. Einteilung. Nach den Aufgaben, welche die historische Geo-
graphie zu erfüllen hat, wird auch ihre systematische Einteilung sich
zu richten haben. Sie gliedert sich in drei Teile:
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2. Einteilung. 3. Physische Geographie. 7
A. Physische Geographie,
B. Politische Geographie,
C. Kulturgeographie.
Diese drei Teile, welche der Natur des Stoffes nach sich gegen-
seitig auszuschüefsen scheinen, stehen dennoch in bald engeren, bald
weiteren Beziehungen zueinander. Wie sich diese Beziehungen äufsern,
soll im nachstehenden gezeigt werden.
3. Physische Geographie. Um die Wechselbeziehungen zwischen
Menschheit und Erdoberfläche folgerichtig entwickeln zu können, mufs
eine Betrachtung der physischen Verhältnisse der in Frage kommenden
geographischen Lokalität notwendigerweise vorausgehen. Diese Betrach-
tungen erstrecken sich auf: die geographische Lage des Landes, seine
Beziehungen zu den Nachbargebieten (Land und Meer), seine Gestaltung
in vertikaler Richtung, die geographische Beschaffenheit des Grund und
Bodens selbst, die für das wirtschaftliche Leben von mafsgebender Be-
deutung ist, ferner auf die klimatischen Verhältnisse, welche im Verein
mit der Bodennatur auch für Flora und Fauna bestimmend sind.
Soweit die physische Erdkunde für die historische Geographie von
Bedeutung ist, hat sie zunächst einen mehr beschreibenden Charakter,
ohne dafs sie sich deshalb nur auf ein trockenes Herzählen geographischer
Einzeltatsachen beschränken soll. Im Gegenteil, sie hat auch die Ent-
wiekelungsgesehichte der Erdoberfläche zu berücksichtigen,' insofern diese
Entwicklung sich ja nicht allein in der geologischen Vergangenheit ab-
gespielt hat, sondern noch in die historischo Zeit hineinreicht, schliefs-
lich bis zur Gegenwart. Hierzu gehören die Veränderungen an Küsten-
linien, wo das Meer gewaltige Eingriffe in das Land getan hat, der
Bewohnerschaft den Boden unter den Füfsen entzog und diese zu Wan-
derungen zwang, die von folgenreicher Bedeutung in der politischen
Geschichte wurden. Umgekehrt haben Alluvialanschwemmungen den
Landkörper an der Aufsenseite vergröfsert, und blühende Hafenstädte
sind zu einfachen Landstädten herabgesunken, kilometerweit vom
Strande entfernt. Selbst im Binnenlande sind tiefgreifende Veränderungen
und Beeinflussungen zu beobachten, wie natürliche Flufsverlegungen mit
ihren Folgen für das Siedelungswesen, Flufsüberschwemmungen, Seen-
stauungen, und anderseits Seenabnahme durch alluviale Zuschüttung,
ferner Berg- und Gletscherstürze, vulkanische Erscheinungen und seis-
mische Katastrophen in ihren verheerenden Wirkungen. — Die physische
Erdkunde im Rahmen einer historischen Geographie hat somit einmal
eine Schilderung der natürlichen Verhältnisse eines Landes zu geben und
ferner die Veränderungen der Erdoberfläche und sonstigen zeitwoise auf-
tretenden Erscheinungen innerhalb der geschichtlichen Zeit festzustellen.
Auf diesem Gebiete liegen bereits einige Vorarbeiten vor. Einen ersten
Versuch bildet das Werk von K. von Hoff, Geschichte der durch Über-
lieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche, 5 Bde.,
Gotha 1822—1834, fortgesetzt von Berghaus, Berlin 1840—1841; es enthält ein.-
Gesamtdarstellung der historisch nachweisbaren Vulkanauabrüche, Erdbeben,
Küsten Veränderungen etc. Das dort gesammelte Quellenmaterial liefse sich
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8 Einleitung.
heute beträchtlich vermehren. Auch für einige Länder liegen bereite Spezial-
arbeiter! vor; so z. B. das klaasisch zu nennende Werk von Neu mann und
Partsch, Physikalische Geographie von Griechenland mit besonderer Rück-
sicht auf das Altertum, Breslau 1885. Nissen, Italische Landeskunde,
Berlin 1883. Houtrouw, Ostfricsland, 1889—1891. Desgleichen sind auch
einige Küstenstriche (der Nord- und Ostsee z. B.) und einige Flufsstrecken
(Elbe, Oder, Rhein u. a.) nach ihren natürlichen Veränderungen hin mono-
graphisch behandelt worden. Über Witterungserscheinungen mit ihren Folgen,
wie Überschwemmungen, Dürren, Hungersnöte, ferner über Erdbeben liegen
wenigstens einige Anfänge vor. Das Wichtigste aus der Literatur wird unten
namhaft gemacht.
Zu den Aufgaben der historischen Geographie gehört auch die Fest-
stellung der Nomenklatur geographisch er Objekte. Welche ver-
schiedenen Namen haben Gebirge, Täler, Flüsse, Seen, Meere u. s. w. im Ver-
lauf der Geschiente getragen, wie und wann sind hierbei Veränderungen ein-
getreten? Mit Hilfe der historischen Quellen, der Urkunden u. a. läfst sich
die Abwandlung der Namen noch hinreichend feststellen. Auch da, wo nicht
ein völlig neuer Name für das fragliche Objekt auftritt, sondern der Name
seit ältesten Zeiten beibehalten worden ist, ist die Feststellung der ver-
schiedenen Varianten von Wichtigkeit. Für das deutsche Mittelalter hat
H. Oesterley ein »historisch-geographisches Wörterbuch« (Gotha 1883) ge-
liefert (leider sind die Urkunden von ihm nicht berücksichtigt worden). —
Dafs auch die Herkunft der Namen und ihre etymologische Bedeutung für die
Fragen der älteren Völkergeschichte von Wichtigkeit ist, wird im Abschnitt
über Hilfswissenschaft berührt werden.
4. Politische Geographie. Die räumliche Entwickelung eines
Staates lernen wir aus seiner politischen Geschichte kennen. Der Geo-
graph hat Zustände zu schildern und die Ursachen dieser Zustände
hinsichtlich ihrer räumlichen Anordnung zu ermitteln, indem er dio
vorangehende Zeit berücksichtigt, die den fraglichen Zustand geschaffen
hat. So sucht der Geomorphologe die ftufsere Form eines Gebirges aus
seinem inneren Mechanismus und seiner Geschichte zu begreifen; er
unterrichtet sich über die stratigraphischen Verhältnisse und das relative
Alter der Schichten, die Störungen, die sie durch Faltungen oder Verwer-
fungen erfahren haben u. s. w., kurz — er stellt rein geologische Spezial-
untersuchungen an, um erst ganz zuletzt zu einer geographischen Erkennt-
nis zu gelangen. Nicht anders verfährt der historische Geograph, der «lie
einzelnen Staaten nach ihren Grenzen und die weitere Gliederung und
Zusammensetzung der Staaten aus Territorien, Provinzen u. a. feststellt.
Will er das Deutsche Reich in seiner gegenwärtigen Begrenzung und seiner
Gliederung in Einzelstaaten, die selbst wieder aus mehreren, vielfach zer-
streut liegenden Parzellen zusammengesetzt sind, nicht als schlechthin
gegeben hinnehmen, so mufs er zum Verständnis dieser eigenartigen
politischen Teilung auf die historische Entwickelung zurückgreifen. Dies
führt ihn natürlich in die Geschichtswissenschaft hinein, ebenso wie bei
oben gedachtem Fall der Geomorphologe sich ganz und gar in der geo-
logischen Wissenschaft verliert. Wer bei der Definition der Geographie
letzteres für zulässig, ja durchaus geboten hält, sollte billigerweise auch
die historische Geographie als ^Geographie* bestehen lassen und sie
nicht ohne weiteres als ein Teilgebiet der Geschichtswissenschaft erklären,
mit der der Faehgeograph nichts zu schaffen habe.
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4. Politische Geographie.
9
Die Aufgabe, welche die politische Geographie zu erfüllen hat, ist
eine doppelte. Sie stellt einmal die räumlichen Verhältnisse der Staaten
in den verschiedenen Perioden der Geschichte dar, und sie ermittelt
ferner das Zustandekommen solcher Verhältnisse. So stellt sich uns
Deutschland im Mittelalter in einer territorialen Zersplitterung dar, die
ihresgleichen nicht hat. Eine historischo Karte bietet uns ein bunt-
scheckiges, mosaikartig zusammengesetztes Bild. Die Länder wurden in
jenen Zeiten als persönlicher Besitz des Dynasten betrachtet; er vererbt
sie, wie jedes andere Besitzobjekt, auf seine Nachkommen, die je nach
der Zahl sich in das Land teilen und es ihrerseits auf dieselbe Weise
weiter zersplittern. Starben dann einige Linien eines Hauses aus, so
fanden Aufteilungen ihrer Hinterlassenschaft unter die übrigen noch
vorhandenen Nachkommen statt, so dafs die einzelnen Landsplitter sich
wieder zu gröfseren Territorien zusammenschliefsen konnten. Nicht
selten trat dann auch eine vollständige Vereinigung des ehemaligen
Landbesitzes in einer Hand wieder ein. Noch verwickelter wurden die
Verhältnisse dadurch, dafs auch den Töchtern Teilstücke der Territorien
als Heiratsgut mitgegeben wurden, und solche Stücke wurden dann anderen
Territorien angeschlossen. Aber auch auf andere Weise als durch Erbschaft
und Teilung fanden Veränderungen der Besitzverhältnisse statt und zwar
teils auf friedlichem Wege (durch Kauf, Verpfändung, Austausch, Ver-
träge), teils auf gewaltsamem (durch Eroberungen und Haubkriege). Wie
die Anordnung der Territorien, Staaten u. s. w. zu verschiedenen Zeiten
gewesen, und durch welche Umstände sie sich so gestaltet haben, das zu
ermitteln ist die Aufgabe der politischen Geographie, und sie kann dieser
Aufgabe nur gerecht werden, indem sie den gesamten historischen Ap-
parat mitheranzieht. Die Abgrenzung der Landgebiete gegeneinander,
die im weiteren auch für die kartographische Darstellung von Bedeutung
ist, macht häufig besondere Schwierigkeiten und hat zu lebhaften Aus-
einandersetzungen geführt (z. B. wegen der Gau- und Diöcesangrenzen).
Indessen, die grofse Stabilität der Grenzen in Sonderheit bei den klein-
sten Besitzstandsverhältnissen, wie den Ortsgemarkungen, läfst in Er-
mangelung ausführlicher Grenzbeschreibungen den Verlauf mittelbar
noch erschliefsen. Die Grundkarteu suchen gerade für solche Zwecke
eine zuverlässige Unterlage zu schafFen.
Wenn gegen die historische Geographie der Vorwurf erhoben wurde, dafs
sie kein eigentlich geographisches Arbeitsfeld bilde, so hatte man hierbei
immer nur die politische Geographie und Topographie im Auge. Man ver-
mifstc bei ihr die spezifisch geographische Auffassung und Methode, man ver-
miete das kausale Moment, die Wechselbeziehungen der Erscheinungen unter-
einander in Abhängigkeit von der räumlichen Anordnung. Denn politische
Grenzen sind zum weitaus gröfsten Teil unabhängig von Naturverhältnissen,
wie Gebirgen, Flüssen und Wäldern, oder jedenfalls nur in ältesten Zeiten
wurden markante Naturgrenzen dieser Art. die allerdings für damalige Ver-
hältnisse wirkliche Barrieren und umständlich zu bewältigende Hindernisse
bilden konnten, als willkommene Grenzzonen angenommen. Es ist aber nicht
richtig, stets nur auf das Kausalitätsprinzip zu pochen. Neben der analytischen
Behandlungsform der Geographie gibt es auch eine beschreibende. Schon die
Feststellung der räumlichen Gruppierung der Staaten, ihrer gegenseitigen Be-
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10 Einleitung.
eine geographische Arbeitsleistung, wenn auch das Material ein historisches ist
und nach historischer Methode bearbeitet werden mufs. Auch bedenke man,
dafs nicht jeder Satz und Gedanke, welchen der physische Geograph forum-
grcnzung und schliefslich auch die graphische Darstellung auf einer Karte ist
liert, vom Schlagwort Kausalität getragen wird. Nur zu häufig ergeht er sieh
mit behaglicher Breite in Gebieten seiner Hilfs- und Nachbardisziplinen. Aber
dies ist durchaus erklärlich, denn der Gegenstand der Nachbardisziplin bildet
auch einen wesentlichen Bestandteil der Geographie selbst. Alle Versuche,
zwischen Geomorphologie und Geologie eine Grenze zu ziehen, müssen auf
Haarspalterei hinauslaufen. Denn die gegenwärtige Beschaffenheit der Erd-
oberfläche, welche der Geograph als seine eigenste Domäne in Anspruch nimmt,
erklärt sich nur aus der geologischen Vorgeschichte, — sie ist also nur das
letzte Stadium jener Entwicklung, welche der Fachgeologe an der I,ithosphäre
des Erdkörpers verfolgt. Und in der Tat sind es Geologen gewesen, die so
viele Fragen der Geomorphologie (wie z. B. die Glacialgeologie der Nord-
deutschen Tiefebene) erst in Flufs gebracht haben und die auch heute noch
die tätigsten und kompetentesten Bearbeiter jener sind. Andere Gebiete, wie
die Tier- und Pflanzengeographie, hat man schon lange den Systematikern
dieser Wissenschaften überlassen müssen und sich mit einer Notifizierung ihrer
Ergebnisse begnügt. Siegln. Günther hat (he Geographie einmal nicht un-
richtig als eine Sammelwissenschalt bezeichnet, Sie ist damit in ihrer Be-
deutung durchaus nicht herabgewürdigt; denn Aufgabe des Geographen ist es
gerade, alle tlie verschiedenen Erscheinungen auf der Erde, ob sie nun der
organischen oder anorganischen Natur oder der Kulturwelt des Menschen an-
gehören, mit Rücksicht auf ihre räumliche Verteilung und Anordnung syn-
optisch zu betrachten. Die Nachbarwissensehaften liefern ihm hierfür das vor-
gearbeitete Material. Und wenn auch tlie Vertreter dieser Nachbargebiete oft
genug die Arbeiten nach dem geographischen Gesichtspunkt hin selbst er-
ledigen und hierzu durch die Betrachtungsweise ihres Gegenstandes auch schon
von selbst geführt werden, so war es doch wünschenswert, dafs eine Arbeits-
teilung eingetreten ist; denn jene Vertreter pflegen den geographischen Gesichts-
punkt nicht immer so pointierend und ausschließlich hervorzuheben, wie es
für eine länderkundliche Darstellung nötig ist.
Genau dieselbe Arbeitsteilung ist aber auch für das Gebiet der histori-
schen Geographie wünschenswert. Denn dafs diese Arbeiten nicht immer vom
Historiker ausgeführt werden, beweist die einfache Tatsache, dafs bis heutigen
Tages noch keine Geographie des Mittelalters und der Neuzeit geschrieben
worden ist oder nur Anfänge zu einer solchen vorliegen. Die Historiker selbst
bezeichnen sie als ein Desideratum. Weit mehr Bearbeiter hat die Geographie
des Altertums gefunden, zumal hier neben Philologen und Archäologen auch
Fachgeographen mitgewirkt haben. — Nach einer Seite aber ist die Tätig-
keit der Historiker schon eine sehr umfassende und fruchtbare gewesen, näm-
lich hinsichtlich der kartographischen Darstellung. Hier liegt uns schon eine
Reihe trefflicher Atlanten vor. Neuerdings beginnt man die Studien nach
dieser Richtung zu vertiefen, vor allem sucht man eine gesichertere Grundlage
zu gewinnen. Auch sind gröfsere Unternehmungen schon ins Leben gerufen,
zum Teil sogar zur Ausführung gelangt, wie der »Geschichtliche Atlas der
Hheinprovinz«. der die territorialen Verhältnisse am Ende des XVIH. Jahr-
hunderts illustriert. Das Grundkartenunternehmen sucht für die verschiedensten
historisch-geographischen Arbeiten eine zuverlässige Unterlage zu gewähren. —
Leider sind die meisten historischen Atlanten höchstens mit einigen Begleit-
worten versehen worden; ein eigentlicher Kommentar oder gar ein quellen-
mäfsiger Nachweis fehlt. Und wenn die Begleitworte zuweilen auch etwas
reichlicher ausgefallen sind, so tragen sie doch mehr den Charakter eines
historischen Abrisses mit geographischen Überschriften. — Was die Benennung
»Politische Geographie« anbelangt, so gibt sie nach dem oben Dargelegten die
ihr zufallenden Aufgaben wohl hinreichend deutlich zu erkennen. Es sei je-
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4. Politische Geographie. 11
doch bemerkt, dafs F. Ratzel in einem gleichnamigen Werk (Leipzig-
München 1897) diese Bezeichnung für eine mehr allgemein gehaltene Betrach-
tung der durch geographische Faktoren bedingten Entwicklung eines Staate-
Organismus verwendet. Auch H. Wagner (Lehrbuch p. 29) hat den Inhalt der
politischen Geographie dahin definiert, dafs sie »die jeweiligen Besitzverhältnisse
der menschlichen Staaten und deren Gliederung« zu behandeln habe.
Literatur. Eine eigentliche Vorarbeit, welche das Mittelalter und die
Neuzeit umfafst, fehlt, denn als eine solche sind die nachfolgenden Werke
mit freilich viel versprechendem Titel nicht anzusehen. Als ein erstmaliger
Versuch mag hier ein älteres Werk genannt werden von Chr. Juncker, An-
leitung zu der Geographie der mitlern Zeiten, in welcher zuvörderst von der
Cultur der Historiae medii aeui, sodann aber von der Geographia medii aeui,
in specie Teutschlandes . . . gehandelt, Jena 1712. Kneisel, Leitfaden der
historischen Geographie, 3 Hefte 1874 — 1879 (ein kurz gehaltenes Schulbuch).
E. A. Freeman, Historical geography of Europe, 2 Bde., 2. Aufl. 1881 (gibt
nur allgemeine Umrisse). Desgleichen Pape, Die Gcbietsentwickelung «1er
Einzelstaaten Deutschlands, Minden 1890. Ahrens, Abrifs einer geogr. und
genealogischen Geschichte sämtlicher Staaten alter und neuer Zeit, Reval 1858.
Schlag, Geschiehtlich-geograph. Übersicht über die Staaten des Deutschen
Reiches nach Abschlufs des westfäl. Friedens 1648, Progr. Gvmnas. Siegen 1895.
Fragment ist geblieben das Werk von F. H. Müller, Die deutschen Stämme
und ihre Fürsten, 5 Teile, Berlin 1840 — 184b\ von denen Teil 4 und 5 den
Anfang zu einer histor. Geographie enthalten, unter dem Sondertitel: Historisch-
geographische Darstellung von Deutschland im Mittelalter, vornehmlich während
der Zeit des X. Jahrb.; doch sind nur Rätien , Burgund, Alamannien und
Elsafs zur Behandlung gekommen. Fragment ist auch H. Leo, Die Terri-
torien des Deutschen Reiches im Mittelalter seit dem XIII. Jahrb., 2 Bde.,
Halle 1805 — 18(37 ; behandelt nur die westdeutschen Länder (Burgund, Ala-
mannien, Franken , Hessen , Lothringen , Thüringen , Baiern-Tirol) ; sehr aus-
führlich, leider ohne Quellenangaben. Das Buch ist wegen der unübersicht-
lichen Darstellung schwer zu benutzen, zumal auch dm nicht einmal streng
alphabetisch gehaltene (!) Register oft versagt.
Historische Atlanten. Hier ist für die Geographie des Mittelalters
und der Neuzeit an erster Stelle zu nennen: K. von Spruner und Th.
Mencke. Handatlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit,
3. Aufl. Gotha 1880, 90 Karten mit 370 Nebenkarten, ein Werk, das jetzt in
vielen Einzelheiten wohl veraltet, aber die Grundlage vieler späteren Atlanten
geworden ist. H.Kiepert und C. Wolf, Historischer Schulatlas zur alten,
mittleren und neueren Geschichte in 36 Karten, 5. Aufl. 1890. G. Droysen,
Allgemeiner Historiseher Handatlas in 96 Karten mit erläuterndem Text, aus-
geführt- unter Leitung von R. Andree, 1886. Zahlreich sind die kleineren
Schulatlanten von C. Wolf in 19 Karten, von C. E. Rothe in 30 Blättern,
von F. W. Putzger, von K. Keppel in 27 Karten, der sog. kleine
Spruner in 23 Karten, A. Schulz, Taschenatlas z. mittl. u. neu. Gesch. in
24 Karten, (Gotha, Perthes) u. v. a. Abgesehen von den allgemeinen Atlanten
sind auch für einzelne Staaten und Provinzen Spezialatlanten geschaffen worden,
und unübersehbar ist die Zahl von einzelnen Spezialkarten, die teils gesondert
erschienen sind, teils in Monographien und Zeitschriften vorliegen. Auf Einzel-
heiten wird gehörigen Ortes hingewiesen werden.
Historische Grundknrleii. Der Tübinger Rechtsgelehrte Friedrich von
Thudichum hat bereits im Anfang der 80er Jahre auf die Notwendigkeit
hingewiesen, kartographische Hilfsmittel zu schaffen, welche die Eintragung
historisch-politischer, statistischer, kirchlicher, rechts- und wirtschaftsgeschicht-
licher Verhältnisse ermöglichen. Er brachte die Herstellung sog. Grund-
karten in Vorschlag, welche aufser den Flufsläufen, den Ortszeichen und
einzelnen Namen nur noch die Geinarkungsgrenzen enthalten. Diese letzteren
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12 Einleitung.
sind «las wesentliche Charakteristikum solcher Grundkarten, weshalb sie auch
als Gemarkungskarten schlechthin bezeichnet worden sind. Seine erstmalige
Anregung hatte auf den deutschen Historikertagen allgemeinen Anklang
gefunden, und gegenwärtig sind mehrere Geschichtsvereine teils mit, teils ohne
staatliche Unterstützungen emsig bei der Arbeit, solche Karten nach gemein-
samen Prinzipien herzustellen. Für die Länder Mitteleuropas (Deutsches Reich,
Österreich, Schweiz, Belgien, Holland) wird die Bearbeitung von Gemarkungs-
karten im Mafsstab 1:100000 beabsichtigt, nach deren Fertigstellung und
praktischer Nutzanwendung auch an die Ausführung von Karten in kleinerem
Mafsstab (1:500000, 1:1500000), geschritten werden soll. Als Grundlage dient
die Generalstabskarte 1:100000. Je zwei nordsüdlich untereinander liegende
Sektionen derselben sind zu einer Doppelsektion vereinigt. Ihr Inhalt beschränkt
sich 1. auf die hydrographische Situation (Küsten, Flüsse, Seen); 2. die gegen-
wärtigen Ortschaften, die durch Signaturen als Städte □, Flecken und Dörfer O
und als Einzelhöfe, Burgen, Klöster etc. -f~ gekennzeichnet werden , und 3. die
Grenzen der Ortsfluren, die Gemarkungen. Man hat den Inhalt des Karten
bildes nicht ohne Absicht eingeschränkt , um möglichst viel Raum zur Ein-
tragung historischer Tatsachen zu lassen. Eben deshalb sind die Terminver-
hältnisse, Staats- und Provinzgrenzen, Eisenbahnen, Strafsen, Wege, Brücken
fortgelassen worden. Es ist in diesen Karten nunmehr eine kartographische
Unterlage geschaffen, welche für die verschiedensten wissenschaftlichen Zwecke
nutzbar gemacht werden kann , und zwar nicht nur für rein historische,
sondern auch statistische, wirtschaftliche, geographische und naturwissenschaft-
liche Fragen. Durch Anwendung von Farbentönen (Flächenkolorit, Umrän-
derung, Schraffierung) lassen sich die fraglichen Tatsachen und Erscheinungen
in ihrer räumlichen Anordnung übersichtlich darstellen. Die Gemarkungen
der Städte, Landgemeinden, der selbständigen Güter, der fiskalischen Be-
sitzungen etc. sind das Wesentliche an diesen Grundkarten. Weil gerade die
Generalstabskarten die Flurgrenzen nicht enthalten, hat sich die Herstellung
solcher Grundkarten als nötig erwiesen. Die Prämisse hierfür ist die, dafs die
Gemarkungen im Lauf der Geschichte keine nennenswerten Veränderungen
erfahren haben. »Diese Gemarkungen, wie sie heute bestehen, sind im allge-
meinen uralt, vor 500 und 1000 Jahren genau dieselben wie jetzt, aus dem
einfachen Grund, weil sie mit Eigentum und Gemeinderecht aufs engste
zusammenhängen und diese stets zähe verteidigt werden« (Thudichum).
Sie bieten daher für die Feststellung der poliTweli-geographischen Ver-
hältnisse früherer Jahrhunderte eine willkommene Stütze ; denn in den Urkunden
über die Abgrenzungen, Teilungen, Zusammenlegungen von Territorien, Graf
schatten u. a. werden meist nur die zugehörigen Orte namhaft gemacht, höchst
selten aber der wirkliche Verlauf der Grenze; und letzten- dann meist so. dafs
sieh nach den dürftigen Andeutungen ihr Verlauf in allen Einzelheiten karto-
graphisch «loch nicht wiedergeben liefse. Unter Zugrundelegung der Ortstluren
lassen sich aber die Grenzen der Gaue, Herrschaften, Grafschaften, Territorien
verschiedener Art, der Landesteilungen, Gerichtsbezirke. Amter, wie auch der
kirchliehen Verbände, der Arehidiakonate und Diöcesen mit genügender Zuver-
lässigkeit ermitteln.
Gleichwohl ist diese Zuverlässigkeit keine unbedingte, und es haben sich
Stimmen erhoben, welche vor einer Überschätzung des Wertes solcher Grund-
karten warnen und sie für die Zustände früherer Jahrhunderte für unbrauchbar
halten (G. Seeliger). Denn Ortsllurgrenzcn haben sieh nachweisbar oftmals
verändert, Schon die Melioration bruchartiger Gebiete, die Aufteilung von
Wüstungen unter die benachbarten Ortschaften, die Einbeziehung ganzer Dorf
tluren in städtische Gemarkungen riefen Veränderungen hervor. Solche Fälle
lassen sich ja wohl nachweisen, aber die Stabilität des weitaus gröfsten Teiles
«ler Gemarkungen ist hierdurch nicht von Grund aus erschüttert.
F. von Thudichum, Historisch statistische Grundkarten, Denkschrift.
Tübingen \H\)-2. Ferner die weiteren Ausführungen in Betreff der methodischen
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4. Politische Geographie.
13
Behandlung des Materials und der Organisierung des ganzen Grundkarten-
wesens auf den Hauptversammlungen der deutschen Geschichtsvereine, im
Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der dt. Gesch.- und Altertumsvereine,
seit 1891 (Jahrg. 39) ff. Ermisch, Erläuterungen zur hist.statist. Grund-
karte f. Deutsehland, im Mafsst. 1:100000, hrgb. von der Kgl. Sachs. Kom-
mission f. Gesch., Lpz. 1899. Zeppelin, Die hist.-stat. Grundkarten in
Schriften d. Vor. f. Gesch. d. Bodensces 26 (1897), 53—63. Lamprecht,
Zur Organisation der Grundkartenforschung; R. Kötzschke, Die Technik
der Grundkarteneinzeichnung, in »Deutsche Geschichteblätter«, hrgb. von A.
Tille, Heft 2, 5, Gotha 1900. Ders., Die Zentralstelle für Grundkarten zu
Leipzig, ihre Einrichtungen und Aufgaben, im Korrespondenzbl. d. Gesamtver.
d. dt. Gesch. und Altertumsvereine, 1902, p. 125 ff. Im gegnerischen Sinne
G. See liger, Die historischen Grundkarten, kritische Betrachtungen, Beilage
zur Allgem. Ztg. 1900 Nr. 52, 53. Hierauf T h U dich um , ibid. Nr. 74. S e e 1 i g e r ,
ibid. Nr. 123. Zuletzt Seeliger, Probleme der historischen Kartographie und
Topographie, Historische Vierteljahrsschrift 1903, S. 285 ff.
Als ein Beweis für die Brauchbarkeit solcher Grundkarten ist hier der
»Geschichtliche Atlas der Rheinprovinz« zu nennen, welcher die politisch-
geographischen Verhältnisse des Jahres 1789 darstellt. Der Mafsstab ist für die
Übcnrichteblätter 1:500000, für die Spezialblätter 1:130000; stellenweise ist
man bis zu 1:25000 gegangen. Die Gebiete sind meist in Flächenkolorit
gegeben. Vgl. hierzu \V. Fabricius, Erläuterungen zum Geschichtlichen
Atlas der Rheinprovinz , 2 Bde., die Karte von 1789, Bonn 1898, besonders
die Einleitung. Ein ähnliches Unternehmen ist der im Geographischen Institut
zu Graz bearbeitete > Historische Atlas der österreichischen Alpenländer«, von
welchem eine Probe bereite veröffentlicht ist. Die Aufteilung der einzelnen
Provinzen jener Alpenländer in die Landgerichtsbezirke bildet hier an
Stelle der Flurgrenzen die Grundlage für die kartographische Darstellung. Die
Aufteilung der alten Grafschaftegerichte hat in einzelnen Fällen bereits im
XIV. Jahrh., in gröfserer Ausdehnung aber erst im XV. Jahrb. begonnen.
*Die Gemarkuugen dieser Teil-Landgerichte erhielten sich, abgesehen von wenig
bedeutenden Grenzrektitikationen, bis 1849. Beweis hierfür sind die vorhandenen
gleichlautenden Grenzbeschreibungen aus verschiedenen Zeiträumen für ein und
denselben Landgerichtsbezirk. Die Karte der 122 Landgerichte Steiermark»
für das Jahr 1848 gibt somit zugleich ein Bild von der erwähnten Aufteilung
und damit auch ein solches von der gerichtlichen Einteilung des Landes im
XV. Jahrhundert und früher, und Bchliefslich auch ein Bild der ehemaligen
Grafschaften als begrenzter Territorien, aus denen im Laufe der Zeiten zunächst
die landesfürstlichen und durch Zersplitterung dieser die patrimonialen Land-
gerichte sich entwickelten.« A. Meli, Der Comitatus Liupoldi und dessen
Aufteilung in die Landgerichte des XIX. Jahrb., Text und Kartenprobe zum
historischen Atlas der österreichischen Alpenländer, in Mitt. d. Inst. f. österr.
Geschiclisforschung XXI, Heft 3 (1900). Beigegeben ist eine Karte jenes Comi-
tates im Mafsstab 1:200000 mit Terrainwiedergabe. Der Komitat Liupolds
wurde in der ersten Hälfte des XV. Jahrb. aufgeteilt in neun Gerichtsbezirke,
deren Gesamtheit dem Un fange der ehemaligen Grafschaft entspricht. — Für
Österreich ist die Herstellung eigentlicher Grundkarten überflüssig, da Über-
sichtsblätter der Katastralgemeinden 1:115200 vorhanden sind. Vgl. Richter,
Ober die histor. -Statist. Grundkarten nach von Thudichum und ihre Herstellung
f. Österr., 6. Bericht der histor. Landeskommiss. f. Steiermark p. 18 f.
5. KulturgeogTaphle. Im Gegensatz zur politischen oder Staaten-
geschichte behandelt die Kulturgeschichte die Völker nach ihrer geistigen
und materiellen Entwickelung hin. Die Kulturgeographie hat dement-
sprechend den Einflufs nachzuweisen, welchen die natürlichen Verhält-
nisse der Länder auf die Völker jeweilig ausgeübt haben. Dieser Ein-
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14
Einleitung.
flufs äufsert sich in hervorragendem Mafse zunächst im wirtschaftlichen
Lehen. Auch auf geistigem und sittlichem Gebiete tritt er hervor, wenn
auch weniger greifbar. Erinnert sei nur beispielsweise an das Volk der
Friesen, welche im harten Kampfe ums Dasein ihren heimatlichen Boden
dem Meere mit seltener Hartnäckigkeit und Ausdauer abgerungen haben.
Es war nur zu natürlich, dafs ein solcher Kampf manche Spuren im
Temperament und Charakter des Volkes zurücklassen mufsto und jene
eiserne Energie und Entschlossenheit im Handeln, jene Geistesgegenwart
und Kaltblütigkeit bei nahender Gefahr, aber auch jenes Freiheit»- und
Unabhängigkeitsgefühl zeitigte, welches die Friesen jahrhundertelang zu
behaupten wufsten. Weit mehr aber ist die materielle Kultur eines
Volkes von geographischen Verhältnissen abhängig; doch wird diese
Abhängigkeit, wie schon oben näher dargelegt, bei einem Naturvolk sich
viel tiefgreifender und unmittelbarer bemerkbar machen als bei einem
Kulturvolke, welches die ungünstigen Einflüsse der geographischen Lo-
kalitat einzuschränken oder ganz aufzuheben vermocht hat. Nicht allen
Faktoren kann es sich freilich entziehen wollen, so z. B. dem Klima
nicht, mit «lern es sich in irgend einer Weise abzufinden hat, ob es nun
ein tropisches oder arktisches ist. Aber bei aller Fähigkeit, den durch
geographische Momente bedingten Einflufs zu überwinden, läfst der
Kulturmensch ihn in um so stärkerem Mafse auf sich einwirken, sobald
er seinen Existenzbedingungen förderlich ist. Die Behandlungsform der
Kulturgeographie ist aus unseren modernen länderkundlichen Darstel-
lungen ersichtlich. Es wird nach einer ausführlichen Betrachtung der
physischen Verhältnisse eines Landes gezeigt, wie die Gebiete für Acker-
bau und Viehzucht sich verteilen, wie Klima, Höhenlage und geognostische
Beschaffenheit des Bodens das landwirtschaftliche Leben fördern oder
erschweren, ja stellenweise ganz ausschliefsen, wie ferner die Boden-
schätze des Erdinneren hier und dort eine rege GeWerbetätigkeit hervor-
gerufen haben, wie diese Umstände vereint auf die Verteilung der Be-
völkerungsdichte einwirken und sie bestimmen, wie Handel und Verkehr
abhängig sind von geographischer Lage, Oberflächengestalt und Wasser-
strafsen, wie ferner die Siedelungen nach Form und Gröfse in Beziehung
zu den genannten Monienten stehen, mit einem Wort, es wird gezeigt,
wie das ganze heutige Kulturleben eines Volkes im Boden wurzelt. Bei
der Darstellung wird natürlich der gegenwärtige Zustand aller dieser
Verhältnisse zu Grunde gelegt; ja, es wird dem Herausgeber zum Vor-
wurf gemacht, falls er nicht die neuesten statistischen Tabellen, nicht
die letzten wirtschaftlichen Erhebungen benutzt haben sollte. Vom
wissenschaftlichen Standpunkt ist aber kein Grund abzusehen, dafs
immer nur der jeweilig letzte Zustand, in welchem ein Staat uns heute
erscheint, ein geographisches Interesse beanspruchen soll. Wenn wir
beute untersuchen, welche Wechselbeziehungen zwischen dem Menschen
und der Natur bestehen, wie also die inneren Bodenschätze und im
Anschlufs hieran das Montanwesen bestimmend für die Siedelungen,
Bevölkerungsdichte, Handel und Verkehr an vielen Orten werden können,
so mufs es dasselbe wissenschaftliche Interesse für uns haben, zu unter-
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5. Kulturgeographic.
15
suchen, wie die Verhältnisse in einem früheren Zeitpunkt der Geschichte
sich dort gestaltet haben. Es zeigt sich da, dafs an der in Frage kom-
menden Stelle des Landes der Bergbau gar nicht betrieben wurde, dafs
vielleicht die Erzadern oder Kohlenflöze an jener Stelle überhaupt noch
nicht entdeckt waren, dafs dafür aber an anderen Stellen des Landes
das Montanwesen blühte, an Stellen, die heutzutage hinsichtlich ihrer
Produktion für erschöpft gelten müssen, wo also der vorhin erwähnte
Einflufs auf das wirtschaftliche Leben sich nicht mehr geltend machen
kann. Beachtung verdient auch die Waldbedeckung, die nachweisbar
sehr erhebliche Wandelungen durchgemacht hat, die nach ihrem mehr
oder weniger dichten Bestände sowie auch nach ihren vorwiegenden
Holzarten (Laub- und Nadelwald) die Maßnahmen der Bevölkerung oft-
mals beeinflufst hat. Überdies hat hier der Mensch durch seinen Ein-
griff mehrfach Veränderungen herbeigeführt, indem er andere Holzarten
einführte, die die älteren verdrängten oder einschränkten und damit dem
ganzen Landschaftsbilde einen anderen Charakter gaben, oder indem er
den Wald ganz vernichtete und damit auch den Boden in seinem Bestände
veränderte, wie die Verkarstung vieler Gebiete zeigt. — Der historische
Geograph hat daher von dem Lande ein Bild zu entwerfen für ver-
schiedene Zeitpunkte der Geschichte und hat dieses Bild auszuführen
nicht nur nach der politisch - geographischen Seite hin, sondern auch
nach der kulturgeographischen. Es erwachsen also bei einer derartig
gefafsten Darstellung dem Forscher dieselben Aufgaben, welche man
heute an eine Länderkunde stellt.
Im vorliegenden Buch ist auch der Kulturgeographie die gebührende; Be-
rücksichtigung zu teil geworden. Allerdings hat es seine Schwierigkeiten, alle
die verschiedenen Kategorien für die einzelnen Zeitpunkte gleichinäfsig zu be-
handeln, zumal die nötigen Vorarbeiten vielfach fehlen. Aber es ist sehliefs-
lieh Sache eines Handbuches, neben den Fortschritten auch auf die Lücken
unserer Forschung hinzuweisen.
Eine zusammenfassende Darstellung des Gegenstandes, wie sie im nach-
folgenden versucht ist, existiert natürlich nicht. Wir sind zunächst auf die
allgemeinen wirtschaftegeschichtlichen Arbeiten angewiesen, die aber auch nur
einige Perioden, besonders das Mittelalter, umfassen: von Inama-Sternegg,
Deutsche Wirtschaftsgeschichte, I (bis zum Schlufs der Karolingerperiode)
Lpz. 1879; n (im X — XII. Jahrb.) 1891; III (in den letzten Jahrhh. des Ma.)
1899—1901. Oers., »Wirtschaft«, in Pauls Grundriß* der germanischen Philo-
logie2, in, 1—50. La mp recht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter,
3 Bde. 1885—1886. Auch seine Deutsche Geschichte, Berlin 1894 ff., bietet
einiges hierzu, Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der
angrenzenden I Landschaften, I, Strafsbg. 1892.
über den Inhalt der historischen Kulturgeographie und ihrer Abteilungen
im einzelnen gibt die Behandlung dieses Gegenstandes in diesem Buche nähere
Auskunft. Hier mögen einige Bemerkungen mit Angabe der wichtigsten
Literatur geniigen.
Siedelungen. Die Aufgaben der Siedelungsgeugraphie sind mannig-
faltiger Art. Sie hat neben den grofsen Siedelungen (Städten) auch die Klein-
siedelungen, wie Dörfer, Einzelhöfe, Burgen, Pfalzen etc., zu berücksichtigen,
welche in ihrer Gesamtheit das ganze Siedelungswescn eines Landes charakteri-
sieren. Neben der Lige der Siedelungen sind, soweit das Material es ermög-
licht, auch andere Fragen zu erörtern, wie die Dichte der Besied elung, dir
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IG
Einleitung.
Gröfse der Orte und ihr jeweiliger Zustand in den einzelnen Perioden. Eine
eingehende Würdigung haben neuerdings auch die Formen der Siedelungen
gefunden und zwar sowohl der Dörfer, als auch der Städte in ihrer topo-
graphischen Entwickelung. — E. Th. Gaupp, Die german. Ansiedelungen und
Landteilungen in den Provinzen des römischen Westreiches in ihrer völkerrecht-
lichen Eigentümlichkeit und mit Rücksicht auf verwandte Erscheinungen der
alten Welt und des spateren Mittelalters, Breslau 1844. W. Arnold, An-
siedelungen und Wanderungen deutscher Stämme zumeist nach hessischen Orts-
namen, Marburg 1875. A. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen der West-
germanen und Ostgermanen, der Kelten, Römer, Finnen und Slaven, 3 Bde.
mit Atlas, 1895. (Hierzu die Kritik von Henning, Ztschr. für deutsches
Altertum. Anzeiger Band 43, 1899.) Ders. , Beobachtungen über Besiedelung,
Hausbau und landwirtschaftl. Kultur, in der Anleitung z. dt. Land- und Volks-
forschung, 1899, p. 481 ff. J. Fritz, Deutsche Stadtanlagcn, Progr. Lyceum
Strafsburg 1894. O. Schlüter, Uber den Grundrifs der Städte, Z. Ges. Ekde.
XXXIV, (1899) p. 446— 462. Hahn, Die Städte der Norddeutschen Tiefebene
in ihrer Beziehung zur Bodengestaltung, Stuttgart 1885. G. von Below, Dan
ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum, Bielefeld 1898. Auch die zahl-
reichen Untersuchungen über Verfassungsgeschichte der Städte im allgemeinen,
wie einzelner Städte im besonderen sind hierfür heranzuziehen, da in ihnen
auch topographische Fragen mehrfach erörtert worden sind.
Landwirtschaft. Mit der Besiedelung eines Gebietes steht die Urbar-
machung in engstem Zusammenhang. Gerade in Mitteleuropa läfst sich die
ostwärts fortschreitende Kolonisation, die allmähliche Ausdehnung des land-
wirtschaftlichen Betriebes in den einzelnen Stadien verfolgen. Nicht nur die
Waldrodungen , sondern auch Entwässerung von sumpfigen Flufsauen , Ge-
winnung von Marschland durch Eindeichungen etc. vom frühen Mittelalter bis
zur Gegenwart haben die für landwirtschaftliche Zwecke nutzbar gemachten
Arealflächen vermehrt. Die Qualität des Bodens nach seiner chemisch-physi-
kalischen Beschaffenheit hat im weiteren auch die vorteilhafte Benutzung des-
selben für die Produktion verschiedener Nahrungs- und Industriepllanzen oder
schliefslich als Weideland begünstigt und damit einen anderen Zweig der Land-
wirtschaft, die Viehzucht, befördert — Anton. Gesch. der Teutschen Land-
wirtschaft von den ältesten Zeiten bis zu Ende des XV. Jh., 3 Tie., Görlitz
1799 — 1802. Langethal, Gesch. d. teutschen Landwirtseh., 4 Bücher, Jena
1845— 185ü. Hennings, Ober die agrarische Verfassung der alten Deutschen,
1869. G. Haussen. Agrar-lustorische Abhandlungen/ 2 Tie., 1880, 1884.
Mi eh eisen und N cd derieh, Geschichte der deutschen Landwirtschaft,
4. Aufl. Berlin 1902 (auf Grundlage von Langethals Buch), v. d. Goltz,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, I. Bd., Stuttg. 1902.
Wald. Der Boden Mitteleuropa« war in der Vorzeit zum weitaus
gröfsten Teil mit Wahl und zwar dichtem Urwald bestanden. Mit dem Vor-
dringen der Kultur, dem Anwachsen der Bevölkerungsmasse, die eine expan-
sive Ausnutzung des Bodens erheischte, wurden die ersten Breschen in ihn
gelegt und er somit in seiner anfänglichen Ausbreitung eingeschränkt (Rode-
periode). Erst mit der Erkenntnis der weitreichenden wirtschaftliehen Be-
deutung des Waldes begann eine wirkliche Pflege, ein Aufhören mit den
Rodungen und schliefslich ein ausdrückliches Verbot. Um den an vielen
Orten angerichteten Schaden wieder gut zu machen, schritt man auch zu einer
Wiederbewaldung einzelner Landstriche. Es war unausbleiblich, dafs durch
das Eingreifen des Menschen Veränderungen im Waldbestande und in der
Verbreitung gewisser Baumgattungen eintraten, und dafs z. B. die geographische
Verbreitung von I^aub- und Nadelwald eine gänzliche Umwandlung erfuhr. —
E. von Berg, Gesch. der deutschen Wälder bis zum Schlufs des Mittelalters,
Dresden 1871. Roth, Gesch. des Forst- und Jagdwesens in Deutsehland,
Berlin 1879. Schwappach, Handb. der Forst- und Jagdgesch. Deutschlands,
Berlin 18*5— 18K8. Bernhardt, Gesch. des Waldeigentums. 1872.
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5. Kulturgeographie. 17
Bergiba u. Für die wirtschaftliche Entwicklung"" einiger Landschaften
bildet der Bergbau ein wichtiges Moment, welches mittelbar auch wieder das
Siedelungswesen beeintiufst und wie heute, so auch schon im Mittelalter eine
Bewegung in der Bevölkerungsmasse hervorgerufen hat. Es ist hier die Auf-
galn\ die Ausbreitung des Bergbaues und Salinenbetriebes in den einzelnen
Perioden nachzuweisen und die jeweilige Bedeutung und Höhe der Produktion
zu kennzeichnen. — Gmelin, Beitrage zur Gesch. des teutschen Bergbaues,
Halle 1783. Mosch, Zur Geschichte des Bergbaues in Deutschland, Liegnitz
1829. von Festenberg- Packisch, Der deutsche Bergbau, Berlin 1886.
Verkehr. Handels- und Verkehrswege, seien es nun Land- oder Wasser-
strafsen, sind von den natürlichen Gegebenheiten abhängig. Die Bodenkon-
figuration und die hydrographischen Verhältnisse (Flüsse, Meere) haben die
Richtung solcher Verkehrslinien vorzugsweise bestimmt. Freilich ist hierbei
auch die geographische Lage der durch Handel und Verkehr miteinander in
Beziehung gesetzten Örtlichkeiten zu berücksichtigen ; Wichtigkeit und Be-
deutung dieser Beziehungen waren zeitweise sehr verschiedene, und entsprechend
änderte sich die Bedeutung einzelner Hauptverkehrslinien. Nicht immer aber
konnte sich der Verkehr die Vorteile der topographischen Situation zu nutze
machen. Die mangelnde Sicherheit einiger Strafsen, Zolli »lackereien und dgl. m.
schreckten von der Benutzung günstig gelegener natürlicher Strafsen zurück,
und der Verkehr wurde auf Umwege und über weniger günstiges Terrain ab-
gelenkt. Welche Umstände immer mafsgebend gewesen sind, ist von Fall zu
Fall zu untersuchen. — W. Götz, Die Verkehrswege im Dienste des Welt-
handels. Stuttgart 1888. E. Gasner, Zum deutschen Strafsen wesen von den
ältesten Zeiten bis zur Mitte des XVII. Jh., Leipzig 1889. Heller, Die Han-
delswege Inner-Deutschlands im XVI. — XVIII. Jh.. Dresden 1884. Falke,
Gesch. d. deutschen Handels, 2 Bde., 1859; sowie die Darstellungen der Han-
delsgeschichte einzelner Länder und Städte.
6. Hilfswissenschaften. Jede Wissenschaft stellt sich in den Mittel-
punkt und betrachtet die übrigen rings um sich her als ihre Hilfs-
disziplinen, die sie zur Lösung ihrer Probleme heranzieht. Unter diesen
Hilfswissenschaften finden sich vielfach solche, die, als selbständige Dis-
ziplinen gefafst, einen viel gröfseren Umfang und eine weit bedeutsamere
Stellung einnehmen als jene gerade, die sich selbst als Hauptdisziplin
fühlt. Überdies ist zu berücksichtigen, dafs jede Einzelwissenschaft ihren
Nachbardisziplinen eine verschiedene Wichtigkeit und Bedeutung in Bezug
auf sich beilegen wird, mit anderen Worten, die einen stehen ihr näher
als die anderen. Für die historische Geographie bildet die Geschichts-
wissenschaft keine eigentliche Hilfsdisziplin mehr; sie sind beide dem
Stoff sowie der methodischen Verarbeitung dieses Stoffes nach so eng
miteinander verbunden, dafs eine prinzipielle Trennung zwischen ihnen
ebenso schwierig ist als zwischen Geologie und Geomorphologie. Zu
den Hilfswissenschaften der historischen Geographie wird man daher
auch alle jene rechnen können, die es für die reine Geschichte sind.
Zu ihnen gehören die Realdisziplinen, welche die Quellenkunde zum
Gegenstande haben, wie Epigraphik, Paläographie, Diplomatik, Sphra-
gistik, Numismatik u. a. Gleichwohl werden sie hier doch nur als
Hilfswissenschaften zweiter Ordnung zu betrachten sein. Die politische
Geschichte und Wirtschaftsgeschichte werden wir, wie bemerkt, hiervon
ausschliefsen müssen, da sie mit der politischen Geographie und Kultur-
geographie aufs engste verbunden sind. Dagegen bilden Ethnographie,
KretftChmer, Historische Oojrraphlc. 2
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18
Einleitung.
Volkskunde, Sprachwissenschaft, Genealogie, Heraldik und Verfassungs-
geschiehte die für die historischo Geographie wichtigsten Hilfswissen
schaften, wenn auch nicht immer in ihrem ganzen Umfange.
1. Historische Ethnographie, Volkskunde. Die genaue
Kenntnis der verschiedenen nationalen Elemente, die den Boden eines
Landes im Besitz gehabt haben oder noch haben, ist für den Geographen
von wesentlicher Bedeutung. Ihre ethnische Stellung innerhall» der
Völkerwelt, ihre Herkunft und ehemaligen Sitze, ihre Klassifizierung in
Sonderstämme, ihre Wanderungen und sonstigen Erlebnisse gehören
mehr in das Gebiet der reinen Geschichte, der vergleichenden Sprach
Wissenschaft und der Anthropologie und Urgeschichte. Kelten, Rötner,
Germanen, Slaven, Litauer haben den Boden Mittoleuropas abwechselnd
inne gehabt und finden sich zum Teil heute noch auf ihm vor. Wie ihr
Kulturgrad ehedem ein sehr verschiedener war, so ist auch ihre geo-
graplüsche Verbreitung und Verteilung jeweilig eine wechselnde gewesen
Die Kenntnis der schwankenden Ausbreitung ist für den historische]]
Geographen insofern von Bedeutung, als sie ihm in Verbindung mit
gewissen volkskundlichen Fragen einen Aufschlufs über die kultur-
geographischen Verbältnisse gibt. Die Römer z. B., die in Westdeutsch-
land Fufs fafsten, legten den Grund zu einer blühenden Kultur, schuf«
ein ausgedehntes Verkehrsnetz, bauten die unbedeutenden Dorfschaften
und Weiler keltischen Ursprungs zu ganzen Städten aus, kurz, sk
machten aus dem Lande etwas ganz anderes als die Germanen, die den-
selben Boden occupierten, aber noch nicht allseitig zur Ruhe gekommen
waren, noch in einer Art Völkerschiebung sich befanden, und wenn -
auch den Ackerbau kannten, so ihn doch in primitiver Form noch
betrieben. Ahnliche Gegensätze in kulturgeographischer Beziehung zeigen
sich späterhin zwischen Germanen und Slaven, Gegensätze, die in den
verschiedenen Siedelungsformen, den Hausanlagen, der Bewirtschaftung
des Bodens u. dgl. zum Ausdruck kommen. Die Feststellung der ethni
sehen Verhältnisse bildet somit die notwendige Voraussetzung für kultur-
geographische Betrachtungen.
Zeufs, Die Deutschen und die Nachbarstiimme, München 1837. Müllen-
hoff, Deutsche Altertumskunde, 4 Bde., 1890 ff. Bremer, Ethnographie der
german. Stämme, in Pauls (irundrifs d. gorman. Piniol., 2. AuH. III, 735 ff.
Much, Deutsche Stammsitze, Halle 1892. Schaf arik, Slavisehc Altertümer,
1844, 2 Bde. Krek, Einleitung in die slavisehc Literaturgeschichte, Graz 1887.
Tetzner, Die Slaven in Deutschland, Braunschweig 1902. Czörnig, Ethno-
graphie der österreichischen Monarc hie, 3 Bde., Wien 1855 — 1857. E. H. Meyer,
Deutsche Volkskunde, Strasburg 189K. Weise, Die deutseben Volksstämnu
und Landschaften, Lpz. 1900. Ha n s M ey e r, Das deutsche Volkstum, Lpz. 1899.
Andree, Braunschweigische Volkskunde, 189(5. Credner, Deecke, Co-
hen u. a.. Zur Ld.- u. Volkskde. von Vorpommern und Rügen, Greifswald 1900.
W'uttke, Sächsische Volkskunde, Lpz. i900. Hauffen, Einführung in die
deutsch höhmische Volkskde., Prag 1896 f. Beit räge zur nordwestdeutschen
Volks* und Landeskunde, hergb. vom Naturwiss. Verein Bremen 1897. Ferner
eine Reihe von Spezialabhandlungen in den Forschungen zur deutsehen Landes
und Volkskunde, hergb, von Kirchhoff. H. Henning, Das deutsche Haus
Strasburg 1882. Mcitzen, Das deutsche Haus, 1882. Lasius, Das friesisch«
Bauernhaus, Strasburg 1885. Henning, Die deutschen Haustypen, Straf?
Google
6. Hilfnwiasenschaflen.
19
bürg 1886. Lutsch, Neuere Veröffentlichungen über das Bauernhaus in
Deutseliland, Österreich-Ungarn und in der Schweiz, Berlin 1897. Rhu mm,
Der heutige Stand der dt. Hausforschung, im Globus 71 (1897) p. 169 ff., 183 ff..
206 ff. — Den Einflufs der geographischen Situation auf die geistige Kultur
der Völker, wie er in gewissen Sagen, Märchen und Legenden, sehliefslich auch
in Sitten und Bräuchen zum Ausdruck kommt, will J. Wimmer (ITistor. Land-
schaftskde, p. 4) auch als eine der Aufgaben der historischen Geographie be-
trachtet wissen. Im vorliegenden Buche konnte auf diese an sich hochinter-
essanten Fragen nicht eingegangen werden. Reichhaltige Literatur hierzu
bietet U. Jahn, Volkstümliches in Glaube und Brauch, Sage und Märchen,
in der Anleitung z. deutschen Land- u. Volksforschung, hergb. von Kirchhoff,
Stuttg. 1889, p. 435— 480. Mogk, Sitte, in Pauls Grundrifs d. german. Piniol.,
III. 493—530.
•
2. Sprachwissenschaft. Die Feststellung der Nomenklatur geo-
graphischer Objekte im Verlauf der Geschichte gehört mit zu den Auf-
gaben der historischen Geographie. Die Namen sind nicht blofs äufser-
liche Unterscheidungsmerkmale, sie nehmen oft genug auf Wesen und
Inhalt des Objektes selbst Bezug, und die Feststellung dieser Tatsache,
die Ermittelung der Grundbedeutung (Etymologie) und des Ursprunges
der Namen kann mittelbar von weitreichender Bedeutung für viele
Fragen sein. Die geographische Onomatologie, die Lehre von der histo-
rischen Entwickelung geographischer Namen hat sich zu einer kleinen
Spezialdisziplin herausgebildet. Ihre Bearbeitung setzt in erster Reihe
sprachwissenschaftliche (grammatische) Kenntnisse in der betreffenden
Sprache voraus, sodann auch rein historische. Der Stadtname Münster
geht auf das monasterium des heiligen Liudger zurück, jener von Karls-
ruhe auf das Jagdschlofs Markgraf Karl Wilhelms von Baden-Durlach.
Etymologische Schwierigkeiten liegen liier nicht vor, die Geschichte gibt
uns hinreichende Auskunft; — oder auch nicht, wie bei dem Namen
des schon bei Tacitus auftretenden Teutoburger Waldes, der augenschein-
lich auf eine Teutoburg zurückführt, über deren Existenz und Lage wir
sonst nichts wissen, oder wie bei dem Ortsnamen Wernigerode, der als
die Rodung eines Werniger, Werner o. ä. sich erklärt, ohne dafs wir
aber über seine Persönlichkeit nähere Nachrichten besitzen. Di*' grofse
Mehrzahl geographischer Namen ist aber nicht so durchsichtig und
durch historisches Tatsachenmaterial zu erklären, weil das Grundwort
eine Veränderung erlitten hat, zuweilen derartig, dafs man im Zweifel
ist, aus welcher Sprache man den Namen herleiten soll. So ist die
Donau aus dem Lateinischen, Germanischen, Slavischen und Keltischen
erklärt worden ; man ist jetzt zu der Erkenntnis gekommen, dafs wir es
mit einer keltischen Namenbildung zu tun haben. Die Feststellung
solcher Tatsachen ist aber von entscheidender Wichtigkeit für viele
Fragen der Völkergeschichte. Die geographische Verbreitung der Kelten
und der Slaven in Mitteleuropa hat sich in Ermangelung anderweitiger
Quellen zum gröfsten Teil nur aus der Verbreitung keltischer und sla-
vischer Namen erschliefsen lassen. Gröfste Vorsicht ist allerdings bei
solchen Schlufsfolgerungen geboten, besonders wo es sich um lokal
beschränkt auftretende Namenbildungen einer und derselben Sprache
handelt; so haben sich die deutschen Ortsnanienendungen ingen.
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20
Einleitung.
-heim, -leben u. a. nicht immer als ein zuverlässiges Kriterium für die
Verbreitung der deutschen Stämme ergeben. Hierüber wird unten in
dem Abschnitt über Ortsnamenkunde Ausführlicheres zu bringen sein. —
Auf keinem Gebiet hat der Dilettantismus so viel Unheil gestiftet und
dio wissenschaftliche Arbeit erschwert als gerade auf dem der geographi-
schen Namenkunde. Das Ubereinstimmen eines geographischen Namens
mit 1—2 Buchstaben irgend eines anderen Wortes der Sprache genügte
manchem schon, und falls der sachliche Inhalt des Wortes sich dem
Namen nicht anpassen wollte, mufste eine lebhafte Phantasie nachhelfen.
Hierbei übersahen viele, dafs auch die ehemalige Fassung der Namen
zu berücksichtigen ist. Einen Namen wie Bodensee kann man nicht
erklären, wenn man nicht weifs, dafs der See nach einer kaiserlichen
Pfalz im Mittelalter Bodmansee geheifsen hat.
Schmidtkonz, Ortskunde und Ortsnamenforsehung im Dienste der
Sprachwissenschaft, 1. Teil, Halle 1895. Egli, Geschichte der geographischen
Namenkunde, Lpz. 1886. Ders. , Nomina geographica, 2. Aufl., Lpz. 1893 (ent-
hält in lexikalischer Anordnimg die wichtigeren Namen aller Ländergebiete
der Erde). Förstemaiwi, Altdeutsches Namenbuch, Nordhausen 1872. BdH:
Die Ortsnamen. Umlauft, Geographisches Namenbuch von Österreich-Ungarn,
Wien 1886. Eglis Referate über geogr. Namen im Geograph. Jahrbuch von
H. Wagner. — Die spezielle Literatur wird im Abschnitt über Ortsnamenkunde
gegeben werden.
3. Genealogie, Heraldik. Für dio politische Geographie Mittel-
europas ist die Kenntnis der Stammbäume fürstlicher Häuser unbedingt
erforderlich, wenn man einen Einblick in die Zersplitterung einzelner
Territorien und ihre erneute Zusammenfügung gewinnen will. Für die
Anfänge einiger Dynastenhäuser ist die Aufstellung von Stammtafeln
wegen Mangels an Quellen oftmals mit grofsen Schwierigkeiten verbunden,
die noch dadurch erhöht werden, dafs gewisse Namen in solchen Fami-
lien sich unausgesetzt in Haupt- und Nebenlinien wiederholen. Die
genealogischen Tabellen weichen daher oft recht erheblich voneinander
ab; besonders gilt dies von der Numerierung der Persönlichkeiten mit
gleichen Namen in einer Familie. Noch umständlicher wird es, wenn
die Zählung in den abgetrennten Nebenlinien abermals mit I beginnt,
oder bei Standeserhöhungen von Fürsten zu Herzögen dies bei der her-
zoglichen Linie gewöhnlich der Fall ist, wo neben der neuen Zahl häufig
die fortlaufende noch gesetzt wird. — Auch die Heraldik (Wappen-
kunde) wird für die stückweise Zusammensetzung der Territorien oft mit
Erfolg heranzuziehen sein. Die Landesherren pflegten bei der Neu-
erwerbung eines Territoriums das Wappen desselben in das ihrige mit
aufzunehmen. Die zusammengesetzten Wappenschilder einiger Häuser
wie der Markgrafen von Brandenburg - Onolzbach und Brandenburg-
Kulmbach, der Grafen zu Stolberg u. a. sind gleichsam geograplüsche
Übersichtsblätter, welche alle die Teilstücke ihres Landbesitzes symbolisch
wiedergeben. Freilich ist hierbei Kritik geboten, da mit der Einfügung
eines neuen Wappens nicht immer zugleich der Erwerb eines Terri-
toriunis mit verbunden war. Bei Erbsehaftsstreitigkeiten pflegten die
beteiligten Parteien das Wappen des Streitobjektes aus lauter Trotz den
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r
6. Hilfswissenschaften. 21
ihrigen einzuverleiben, oder aber bei gütlichen Vereinbarungen wurde
die Führung des Wappens der anderen Partei unter Verzicht auf das
Streitobjekt gleichwohl gestattet, um ein Anrecht für spätere Fälle zu
dokumentieren. Die Heranziehung dieser Wappenschilder für geographi-
sche Zwecke ist daher nur unter gewissenhafter Interpretation der ein-
zelnen Wappenfelder in Verbindung mit den geschichtlichen Vorgängen
zulässig.
B. Rose, Artikel »Genealogie« in Ersen und fi ruhers Encyklopädie,
H?53. Bd. 57 p. 336 — 378. K. von Behr, Genealogie der in Europa regieren-
den Fürstenhäuser, 2. Aufl., Lpz. 1870, 4°. Hopf, Historisch-genealogischer
Atlas, 2 Bde. 1858 ff. Fol.« Grote, Stammtafeln Lpz. 1877,8°. Cohn, Stamm-
tafeln zur Geschichte der deutschen Staaten und der Niederlande, Braunschweig
1871. Fol.0 (ist eine neue Bearbeitung des Werkes von Voigtei, Genealog.
Tabellen z. Erläuterung d. europ. Staaten geschieh te , Halle 1811). Örtel, Genea-
logische Tafeln zur europ. Staatengeschichte des XIX. Jahrh., 1877. M. von
Gränewaldt, Historische Stammtaf ein 1889. Lorenz, Genealogisches Hand-
buch der europäischen Staatengeschichte, 2. Aufl., Berlin 1895, 8°. Von Spezial-
wvrken sind zu nennen: von Chrismar, Genealogie des Gesamthauses Baden
vom XVI. Jahrh. bis heute, Gotha 1892, 8°. Grotefend, Stammtafeln der
«chlesischen Fürsten bis zum Jahre 174U, Breslau 1875, 4° (in 2. Aufl. 1889).
von BüIoav, Stammtafeln des pomniersch-rügenschen Fürstenhause und
Meiner Nebenlinien , Stettin 1870, 4°. Hofmeister, Das Haus Wettin von
seinem Ursprünge bis zur neuesten Zeit in allen seinen Haupt und Nebenlinien,
Lpz. 1889, Fol.o. Graf Stillfried. Stammtafeln des Gesamthauses Hohen -
zollem, Berlin 1869, Fol.o.
Das Siebma cli ersehe Wappenbuch zuerst 1604 herausgegeben
und später wiederholt. Neueste und zwar gänzlich veränderte Ausgabe von
Hefner, Seyler, G ritzner u.a., Nürnberg 185(>fT., 4°. W. Trier, Einleitung zu
der Wapen-Kunst, Lpz. 1744 (mit 142 Kupferstiehen). O. T. von Hef ner, Hand-
bach der theoretischen und praktischen Heraldik, I, München 1861. Ders. ,
Neoea Wappenbuch, München 1862 ff. Hentzmann, Numismatisches Wappen-
It-xikon des Mittelalters und der Neuzeit 1876. Tyrot'f, Wappenbuch der
österreichischen Monarchie, 39 Bde., Nürnberg 1831— 1872. Wappcnbueh der
Preufsischen Monarchie, 35 Bde., 1844—1872. Wappenbuch des Kgr. Württem-
berg. 3 Bde., 1833 ff. Wappenbuch der sächsischen Staaten, 14 Bde., 1852—1871.
4. Verfassungsgesehichte. Auch sie kommt für den Geo-
graphen als Hilfswissenschaft in Frage, soweit es sich für ihn darum
handelt, die Einteilung des Landes nach Gauen. Territorien, Staaten etc.
in Verbindung mit der verschiedenartigen politischen Stellung dieser
Teilgebiete, ilu-en Abhängigkeitsverhältnissen, ihren Einrichtungen in
<ler Verwaltung zu verstehen. Gauverfassung, Lehnswesen, Immunität,
UrKlesherrlichkeit, Landeshoheit, Reichsritterschaft, Herrschaft, Graf-
schaft, Pfalzgrafschaft, Landgrafschaft. Burggrafschaft, Vogtei, Kurfürsten-
tum etc., ferner gewisse Fragen der Stadtverfassungen, der wirtschaft-
lichen Verwaltung, Regalien und Privilegien verschiedener Art — sind
bei Erörterung historisch -geographischer Verhältnisse allenthalben mit
zu berühren. Auch die Rechtsgeschichte, insonderheit aber die Rechts-
quellen, wie z. B. die altdeutschen Volksrechte, bieten wichtiges Material
für wirtschaftsgeographisehe Erscheinungen.
Ein grundlegendes Werk ist G. Waitz, Deutsche Verfassungsgesehichte,
8 Bde., z. T. in 2. u. 3. Autlage. Eichhorn, Deutsche Staat» und Rechts-
schichte, 4 Bde., 1843—1844. v. Daniels, Handb. der Deutschen Reichs-
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22
Einleitung.
und Staaten-Hechtsgeschichte, 4 Bde., 1859—1863. Schröder, Lehrb. der
deutschen Rechtsgeschichte, 4. Aufl., Lpz. 1902. Brunner, Deutsche Rechts-
geschichte, Lpz. 1887 — 1892. Ficker, Vom Rcichsfürstenstande, L, Innsbruck
1861. Die genannten Werke geben weitere Nachweise über die ungemein
reichhaltige Spezialliteratur.
Allgemeine Bibliographie. Es dürfte sich empfehlen, an dieser Stelle
auch auf die wichtigeren Literaturverzeichnisse und Kepertorien hinzuweisen.
Von seiten der Geographen sind geliefert worden:
Engel mann, Bibliotheca geographica, 1858 (die Literatur von 1750 — 1850
enthaltend). Reg i strande der geogr.-statistisehen Abteilung des Grofsen
Generalstabs, Berlin 1 — 13 (1867— 1883). Kon er, Repertorium über die von
1800— 1850 in Journalen auf d. Gebiet d. Geogr. erschienenen Aufsätze, Berlin
1854. — Literaturberichte in Petermanns Mitteilungen seit 1853, in
erweiterter Form seit 1885 von A. Supan herausgegeben. — Literat urbe richte
in der Zeitschrift der Gesellschaft f. Erdkunde zu Berlin, seit 1853;
diese sind jetzt ersetzt durch O. Basehin, Bibliotheca geographica, 1895 ff
(Bd. 1 enthält Jahrgang 1891—1892, II und ff. je einen Jahrgang). — Geo-
graphisches Jahrbuch, hergb. von Behm, später von Wagner, (seit 1866).
— Von seiten der Historiker: Bibliotheca historieo-geographica oder syste-
matisch geordnete Übersieht der in Deutschland und dem Ausland auf dem
Gebiete der gesamten Geschichte und Geographie erschienenen Bücher, seit
1853; nur Bibliotheca historica seit 1862, hergb. von Zuchold, bezw. G. Schmidt,
Müldener, Ehrenfeuchter, Maslow. — Weigels Systematisches Verzeichnis
der Hauptwerke der deutschen Literatur aus den Gebieten der Geschichte
und Geographie von 1820 — 1882. Geschichte nebst Hilfswissenschaften
bearb. von G. Seyler, Lpz. 1897. — Dahlmann- Waitz-Steindorff,
Quellenkunde der deutsehen Geschichte, 6. Auflage, Göttingen 1894. — Jahres-
berichte der Geschichtswissenschaft, im Auftrag der histor. Ges. zu
Berlin hergb. von verschiedenen Gelehrten, Literatur seit 1876 enthaltend. —
Historische Zeitschrift, hergb. von Sybel , Lehmann, Meinecke mit
Rezensionen und Literaturberichten, seit 1859. — Historisches Jahrbuch,
hergb. von der Görresgesellschaft, seit 1880. — Mitteilungen aus der histo-
rischen Literatur, hergb. von der histor. Ges. zu Berlin von Fofs und Hirsch,
seit 1873. — Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft,
hergb. von Quidde, 1889—1895; neue Folge von Seeliger I, 1896—1897; II,
1897—1898 mit Monatsblätt. Historische Vierteljahrsschrift, hergb.
von Seeliger, seit 1898.
A. Pott hast. Bibliotheca historica medii aevi. Wegweiser durch die
Geschichtswerke des europäischen Mittelalters Ins 1500, 2 Bde., Berlin 1896;
enthält als Anhang des zweiten Bandes ein chronologisch und geographisch
geordnetes Verzeichnis der Quellen über die einzelnen Länder und Städte,
über welche die Artikel des Werkes Auskunft geben. — H. Oesterley, Weg-
weiser durch die Literatur der Urkunden-sammlungen, 2 Bde., 1885 f., enthält
ein Verzeichnis der veröffentlichten Urk. -Sammlungen und archivaliscben
Materialien nach Ländern, Städten und Klöstern geordnet.
Von speziellen Literaturverzeichnissen, welche die Landes- und Volks-
kunde Mitteleuropas (»der nur einzelner liinder, Provinzen u. s. w. betreffen,
seien genannt: P.E.Richter, Bibliotheca geographica Germaniae. Literatur
der Land- und Volkskde, des Deutschen Reiches, bearb. im Auftrag der Zentral-
Kommission f. wiss. Landeskde. von Deutschland, Lpz. 1896. — Kirchhoff
und H asser t, Berieht über die neuer»' Literatur zur deutschen Landeskde.
Bd. I enthält die Lit. von 1896—1899, Berlin 1901. F. Hahn, Der gegen-
wärtige Stand der landeskundlichen Forschung in Deutschland und einigen
Nachbargebieten, in Geograph. Zeitschr. III (1897) p. 35 ff., 147 ff., 228 ff. Rtuien:
Kienitz und Wagner, Lit. der Land- und Volkskunde des < irofsherzgt.
Baden, Karlsruhe 1901. Raiern: Beiträge zur Landeskunde Bayerns. Lite-
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6. HilfHwissenBchaften.
23
raturverzeichnis über die Karten, forstwirtschaftl. Verhältnisse, sanitären Verh.
und Urgeschichte, in Jahresber. d. geogr. Ges. München, Heft 8, 1882 — 1883,
München 1884. Gruber, Zusammenstellung der über Bayern erschienenen
geogr. Lit, in Jahresb. d. geogr. Ges. zu München, von Heft 10 an (188G ff.).
Braunschtceig : Verzeichnis der auf die Landeskde. des Herzogt. Braunschweig
bezügl. Lit., in Jahresber. 4, 6, 7, des Ver. f. Naturwiss. zu Braunschweig 1887 ff.
Hessen: Ackermann, Bibliotheca Hassiaea, Repertorium der landeskdl. Lit.
f. d. Regierungsbezirk Kassel, 1884 mit mehreren Nachträgen 1886, 1887, 1891,
1892, 1894, 1895, 1896, 1897, 1899. Lippe: Weerth und Anemüller,
Bibliotheca Lippiaca, Detmold 1881. Lübeck: Friedrich, Zusammenstellung
der che Landeskde. des Lübeckischen Stadtgebietes betreff. Lit., in Mitt. d. geogr.
Ges. zu Lübeck, Heft 7, 1885. D e rs. Lit. zur Land« und Volkskde. d. Lübeck.
Staatsgebietes für 1885—1892 mit Nachträgen, ibid. 2. Reihe, H. 5, 6, 1893.
Mecklenburg: Bach mann, d. landeskundl. Lit, über d. Grofsherzogtümer Meck-
lenburg, Güstrow 1889. Ostfriesland: Buchenau, Literatur über die ostfrie-
sischen Liseln, in Abhdl. d. naturw. Ver. Bremen. IV, 1883. Pommern: landes-
kundl. Literatur von Vorpommern und Rügen, Sep.-Abdr. aus dem I. Jb. d.
geogr. Ges. Greifswald 1882—1883. Prei{/'sen: Landeskundl. Literatur der Pro-
vinzen Ost- und Westpreufsen , hergb. von d. geogr. Ges. Königsberg, 1892.
Ren/s: Auerbach, Bibliotheca Ruthenea. Die Lit. z. Landeskde. u. Gesch. d.
Fürstent. Reufs j. L., Sep.-Abdr. a. d. 32.-35. Jb. d. Ges. v. Freund, d. Naturw.
in Gera, 1892. Rheinprovinz: Keyfser, Zur geschieht!, und landeskundl. Biblio-
graphie der Rheinprov. , Köln 1891. Katalog d. Stadtbibliothek in Köln.
Abt, Rh. Gesch. u. Landeskde. d. Rheinpr. bearb. von F. Ritter, Bd. I, 1894.
Sachsen: Richter, Lit. d. Landes- u. Volkskde. d. Königr. Sachsen, Dresden
1889, mit Nachträgen 1892—1894. Prot;. Sachseti: Literatlirberichte im Archiv
f. Landes- u. Volkskde. d. Prov. Sachsen, seit 1893. Schlesien: Bartsch, Lit.
d. Landes- und Volkskde. d. Prov. Schlesien, Breslau 1892 ff., 7 Hefte, voll-
ständig. Schleswig-Holstein: Literaturbericht für Schlesw.-Holstein 1892, Schrift-
d. naturw. Ver. f. Schl.-H., X, 1893. Thüringen: Die landeskundl. Literatur f.
Nordthüringen, den Harz u. den provinzialsäehs. wie anhaltischen Anteil an
der Nordd. Tiefebene, Halle 1884 (Mitt. Ver. f. Erdkde.). Westfalen : W e d d i g e n ,
Handbuch der h ist or. -geogr. Literatur Westfalens, Bd. I, 1891. Württemberg:
Württemberg. Jahrbücher f. vaterländ. Gesch., Geographie, Statistik und Topo-
graphie, 1826 — 1872, hergb. vom Kgl. Statist. -Topograph. Bureau, mit Lit.-Ver-
zeichnissen. — Jahrbücher für Statistik u. Landeskde., 1863 ff., hergb. vom Kgl.
Statist. -Topogr., Bureau. — übersieht über die Lit. der Württemberg, und hohen-
zollerschen Landeskde. , hergb. vom Württemb. Ver. f. Handelsgeogr., Stutt-
gart 1888. Österreich: Neue Literatur über Böhmen. 1891 ff., Literar.
Beilage zu den Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen, Bd. 30 ff.
Hantschel, Repertorium der landeskundl. Literatur für das Gebiet des nord-
böhmischen Exkursionsklubs, in Mitt, desselben Bd. 12. 242 ff., 14, 251 ff., 15,
354 ff. Commenda, Materialien zur landeskundl. Bibliographie Oberöster-
reichs, Linz 1891. Haas, Bibliographie zur Landeskde. von Niederösterreich,
in Blätter d. Ver. f. Ldkde. v. Niederösterr. , seit 1884. Prinzinger, Ver-
zeichnis der wichtigeren Quellen z. Landeskde. des Herzogtums Salzburg, in
Mitt. d. Ges. f. Salzburg. Ldkde. Bd. 24, 25 (1884— 1885). Sc hl ossär, Biblio-
theca historico -geographica stiriaca; die Literat, der Steiermark, Graz 1886.
Schweiz: Bibliographie der schweizerischen Landeskunde. Unter Mitwirkung
der hohen Bundesbehörden etc. Hergb. von der Zentralkommission für
schweizerische Landeskunde; im Erscheinen begriffen. Niederlande: Alge-
meene Aardrijkskundige Bibliographie van Nederlande, 3 Bde.
Ortslexika. Für historisch-geographische Zwecke liegt nur das schon
genannte von H. Oesterley (Iiistor. -geogr. Wörterbuch des deutschen Mittel-
alters, 1883) vor. Zahlreich sind dagegen die Ortsnamenverzeichnis.se für die
Gegenwart. K. Ritter, Geogr. -statistisches Lexikon (in vielen Aullagen).
H. Rudolph, Vollständiges Ortslexikon von Deutschland sowie der unter
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Einleitung.
Österreichs und Preufsens Botmäfsigkeit stehenden nichtdeutschen Länder, 1870 ff.
G. Neumann, Geogr. Lexikon des Deutschen Reiches, 1883. 0. Brunkow,
Die Wohnplätze des Deutschen Reiches, 8 Bde., 1880—1885. Auch »Das Reichs-
postgebiet«, ein topographisch-statistisches, von Postbehörden bearbeitetes Hand-
tuch, ist brauchbar. — Aufserdem liegen für jeden einzelnen Staat Mitteleuropas,
wie auch für jede Provinz ein oder mehrere Ortsverzeichnisse vor, von deren
Herzählung hier Abstand genommen werden mufs. Im allgemeinen vgl. hierzu
M. V a n c s a , Historische Topographie mit besonderer Berücksichtigung Nieder-
österreichs, in Deutsche Geschichtsblätter LH (1901—1902), 98 ff., 129 ff., wo
auch Deutschland berücksichtigt wird.
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J
t
I. Physische Geographie.
7. Europa. Bei einem Blick auf eine physische Karte von Europa
drängt sich dem Beschauer die merkwürdig ungleiche Gliederung im
Grundrifs und Aufrifs des ganzen Kontinentes wohl zunächst auf. Eine
Linie vom Nordkap bis zum südöstlichen Vorsprung des Karpathenwalles
mit schwacher Ausbiegung nach Westen teilt ihn in zwei annähernd
gleiche Hälften, die voller Gegensätze sind. Der horizontalen Gestal-
tung nach zeigt die östliche Hälfte eine auffallende Geschlossenheit mit
geringen Beziehungen zum Meere, während die westliche, gerade durch
Buchten zerrissen und dadurch in mehrere, eigenartig individualisierte
Landabschnitte zerteilt, den Einflüssen des Meeres gegenüber weit auf
geschlossener ist. Die bei Europa stets hervorgehobene starke Küsten-
gliederung Kommt zum weitaus gröfsten Teil nur in seiner westlichen
Hälfte zum Ausdruck. Dieselben Gegensätze treten im vertikalen
Aufbau hervor. Ist Osteuropa ein Flachland, in dessen Innern die
höchsten Erhebungen kaum ein Drittel der Höhe des Brockens erreichen,
so zeigt Westeuropa bei seinen verhältnismäßig beschränkten Raum-
Verhältnissen eine grofse Mannigfaltigkeit in den Erhebungsformen. Das
über die Schneegrenze sich erhebende, gletschertragende Hochgebirge,
die Hochebene, das Mittelgebirge und Hügelland, die Tiefebene und
Schliefelich auch die Landsenke bis unter den Meeresspiegel sind hier
in allen Abstufungen mehrfach miteinander abwechselnd auf engstem
Räume vertreten. Mit diesor Oberflächengestaltung steht auch die
geologische Entwicklung in engsten Beziehungen. Während in
Osteuropa die sedimentären Gesteine fast horizontal liegen, keine
nennenswerte Schichtenstörung zeigen, infolgedessen auch kein jung-
eruptives Gestein in der weiten Fläche zwischen den Karpathen und
Ural zum Durchbruch gekommen ist, hat Westeuropa eine äufserst
wechselreiche, stürmische Vergangenheit gehabt ; da sind die Schicht-
gesteine in Falten zusammengeprefst, zerdrückt, überkippt, überschoben
und zu alpinen Höhen aufgetürmt worden; Brüche und Verwerfungen
haben Horste, Grabenversenkungen und Mulden geschaffen, das vul-
kanische Material ist an den Bruchspalten emporgestiegen und hat Kegel-
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20
L Physische (Jco^raplüc.
berge und ganze Gebirge erzeugt. Wasser, Schnee und Eis haben dann
an der Zerstörung und Abtragung der Gebirge gearbeitet, zeitweise
sanken sie auch wieder unter den Meeresspiegel und wurden so von der
Brandungswelle zu einem Gebirgsstuinpf abradiert, um nach abermaligem
Emportauchen aus dem Meere von den Atmosphärilien von neuem an-
geschnitten und modelliert zu werden. Dem gesamten Aufbau des Kon-
tinentes entsprechen auch die hydrographischen Verhältnisse. Ost-
europa mit seinen grofsen Flachlandräumen hat weit mehr die Ent
Wickelung grol'ser Ströme ermöglicht als das keineswegs wasserarme
Westeuropa, in welchem aber als Folge der starken Zergliederung nicht
immer der genügende Raum zur Herausbildung grofser Flufssysteme
vorhanden war. Von den elf grofsen Strömen Europas von mehr als
1000 km Länge entfallen bezeichnenderweise nur vier auf die westliche
Hälfte (Donau, Rhein, Elbe, Weichsel). Nicht minder spiegelt sich in
den klimatischen Verhältnissen der Gegensatz wieder. Überwiegt in
Osteuropa der kontinentale Typus mit kalten Wintern und heifsen
Sommern, mit mäfsigen Niederschlägen, die in der Richtung nach SO.
immer geringer werden, so herrscht in Westeuropa mehr der ozeanische
Charakter des Klimas vor, der in den atlantischen Küstenstaaten am
extremsten zum Ausdruck kommt.
Dafs diese Gegensätze mittelbar auch im Völkerleben stets
hervortraten, zeigt die Geschichte. Der flache Osten hat in dieser Be-
ziehung stets nivellierend gewirkt; grofse geschlossene Reiche haben sich
dort entwickeln und lange Zeit bestehen können. Hingegen hat der
Weston in seiner gliedorreichen Gestaltung einen entsprechenden Ein-
flufs auf die Staatenbildung gehabt und teilend und isolierend gewirkt.
Jede Halbinsel und Insel mutete die Entwickelung von gesonderten
Staaten begünstigen, und in Gebirgsgegenden vollends macht sich diese
Absonderung im kleinen Stile bemerkbar; jedes Gebirgstal hat hier
besondere Eigenheiten im Dialekt, in Sitte, Brauch, Lebensanschauung
und Tracht der Bewohnerschaft herausgebildet. Wenn heutigen Tages
der ganze Osten Europas von Finnland bis zum Kaspischen Meere
unter einem Scepter vereinigt ist, so teilen sich nicht weniger als zwanzig
selbständige Staaten in dio eine Westhälfte.
S. Mitteleuropa selbst nun nimmt vermöge seiner geographischen
Lage eine vermittelnde Stellung zwischen dem Westen und dem Osten
des Kontinentes ein. Es gehört augenscheinlich noch zur westlichen
Hälfte und zeigt auch vorwiegend die oben angedeuteten Charakteristika;
doch reicht vom osteuropäischen Flachland ein breiter Ausläufer ohne
Unterbrechung, nach Westen allmählich schmaler werdend, bis zum
englischen Kanal hinüber. Südlich schliefst sich an diesen Tieflands-
streifen die breite Zone der deutschen Mittelgebirge an, ein reich ge-
gliedertes Bergland ohne jede Symmetrie in der Gcsamtentwickelung
und Entwässerung. Als dritte, oberste Höhenstufe folgen weiterhin dio
in zahlreiche Parallelketten und Stöcke zerteilten Alpen, die trotzdem
die engere Geschlossenheit hervortreten lassen und ein einheitliches
8. Mitteleuropa.
27
System bilden. Vom gletschertragenden Hochgebirge bis zur Flach-
küste der Nord- und Ostsee, vom Fels zum Meer dacht sich somit der
Boden Mitteleuropas in südnördlicher Richtung ab, und die drei ge-
nannten geographischen Provinzen sind trotz ihres grundverschiedenen
Charakters hierdurch in engere Beziehungen zueinander gebracht. —
Auch das Klima von Mitteleuropa ist in dem weiten Gebiet ziemlich
gleichartig veranlagt. Es bildet den Übergang von dem Seeklima der
atlantischen Küstenländer zum osteuropäischen Kontinentalklima, und
es unterscheidet sich von diesen immerhin so bedeutend, dafs es die
Abgrenzung einer besonderen Klimaprovinz gerechtfertigt hat. Aller-
dings ist diese Grenze nicht an allen Stellen scharf zu ziehen, und was
vom Klima im besondern, gilt vom Begriff: Mitteleuropa im allgemeinen.
— Im Norden bildet die Küste und im Süden die Alpen eine leidliche
Grenze. Doch schon bei den Alpen wird man im Zweifel sein, wenn
es sich imi Angabe einer einzelnen Grenzlinie handelt; weniger zwar
bei den Mittelalpen, wo die südlichste Hauptkette zugleich die Wasser-
scheide bildet, desto mehr bei den Ostalpen, welche fächerförmig aus-
einanderstreben und eine charakteristische wasserscheidende Linie ganz
vermissen lassen. — Gegen Westen und Osten mangelt eine natürliche
Grenze vollends. Hier wird dem subjektiven Ermessen immer ein weiter
Spielraum gelassen sein. Selbst bei Behandlung rein physischer Ver-
hältnisse hat oft genug die gegenwärtige politische Grenze als Notbehelf
herhalten müssen. Politische und ebenso ethnische Grenzen haben sich
aber im Laufe der Geschichte beträchtlich und .wiederholentlich ver-
schoben, und eine historisch -geographische Untersuchung, die unter
anderen gerade die Feststellung solcher Veränderungen im einzelnen
zum Zweck hat, wird von einer bestimmten Grenzlinie völlig absehen
können. Im Mittelpunkt unserer Betrachtung steht, kurz gesagt: das
germanische Mitteleuropa mit einigen fremd völkerlichen Enklaven.
Ziehen wir die heutigen Staatengebilde lediglich zur Orientierung heran,
so gehören hierzu das Deutsche Reich , das österreichische Kronland
(mit Ausschlufs von Galizien und Dalmatien), die deutsche Schweiz, die
Niederlande, Belgien und Dänemark.
Eine monographische Darstellung der physischen Geographie von Mittel-
europa ist nicht vorhanden. Doch liegt uns als Ersatz hierfür eine Reihe treff-
licher, z. T. sehr umfangreicher Werke vor, die ganz Europa zum Gegenstand
haben. Zunächst seien K. Ritters Vorlesungen über Europa (hergb. von
Daniel, Berlin 1803) genannt, ein ideenreiches, noch immer sehr beachtenswertes
Buch. Ferner E. Reclus, Nouvclle geographie universelle, Paris 1875—1880,
(Bd. 3 enthält: Europe centrale). Kirch hoff, Länderkunde von Europa,
Prag-Leipzig 1880—181)3, für welche A. Penck das Deutsche Reich bearbeitet
hat, A. Supan Österreich-Ungarn, Kg Ii die Schweiz. Penck die Nieder-
lande und Belgien. Eine zusammenfassende Darstellung lieferte W. Sievers,
Europa, eine allgemeine Landeskunde (der physische Teil von A. Philipp,
son, der anthropogeographisehe von L. Neu mann}, Lpz. 1894. Von geogr-
Lehr- und Handbüchern ist besonders Guthe- Wagner, Lehrb. der Geo-
graphie, Bd. II, 5. AuH. 1883. hervorzuheben. Im übrigen sind wir auf die
Einzeldarstellungen der mitteleuropäischen Länder angewiesen; so für Deutsch-
land: Kutzen , Das deutsche Land, 3. AuH., Breslau 1880. v o n C o 1 1 a , Deutsch-
lands Boden, 2. Aufl., Lpz. 1858. von Dechen, Die nutzbaren Mineralien und
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28
I. Physische Geographie
Gebirgsarten im Deutschen Reich, Berlin 1873. Lcpsius, Geologie von
Deutschland , Stuttg. 1889. D e 1 i tsch , Deutschianas Oberflächenformen,
Breslau 1880. J. Müller, Der Oberflächenbau Deutschlands, München 1900.
Fr. Ratzel, Deutschland, Einführung in die Heimatkunde, Lpz. 1898. Auch
die »Anleitung z. deutschen Landes- und Volksforsehungt, hergb. von Kirch-
hoff, Stuttg. 1889, sei hier genannt Für die Schweiz: Studer, Geologie der
Schweiz, Bern, 1851 ff. Heer, Urwelt d. Schweiz, Zürich 1879. — Für Öster-
reich: von Hauer, Die Geologie und ihre Anwendung auf die österr.-ungarische
Monarchie, 1877. Götz, Das Donaugebiet, 1882. — Für die Niederlande:
Blink, Nederland en zijne bewoners, Amsterdam 1892, 3 Tie. Wunder-
lich, Aardrijkskunde van Nederland, Zutfen 1885. Staring, De Bodem van
Nederland, 2 Bde., Haarlem 1856. — Für Belgien: Patria belgica; Encyclopedie
nationale, hergb. v. Bemmel, 3 Bde., Brüssel 1875. Mourlon, Geologie de la
Belgique, Brüssel 1880 f. — Für Dänemark: Baggesen, Der dänische Stint,
2 Bde., 1845 f. Erslev, Geogr. Beschreibung des dänischen Staates, Schles-
wig 1853.
9. Orographie und Hydrographie. Wie zuvor angedeutet, setzt
sieb Mitteleuropa aus drei ihrer Höhenlage nach sehr verschiedenen
geographischen Provinzen zusammen, den Alpen, den deutschen
Mittelgebirgen und dem germanischen Tieflande, die im all-
gemeinen von S. nach N. sich abstufen. Diese stufenweise Erniedrigung
ist aber keine gleichmäfsige, wie schon die Entwässerung im grofsen
Ganzen erkennen läfst. Die Alpen mit ihren beträchtlichen Nieder-
schlagsmengen sind das Ursprungsgebiet zahlreicher gröfserer und
kleinerer Flüsse, von denen aber nur einer, der Rhein, alle Stufen durch
fliefst und als einziger Alpenflufs das nördliche Meer erreicht. Alle
übrigen nördlichen Abflüsse werden nach kurzer Laufentwickelung schon
von der Donau aufgefangen, die in westöstlicher Richtung und gemes-
sener Entfernung vom Alpenrande entlang fliefst, um schiiefslich ihr
ganzes Stromgebiet nach einem südeuropäischen Meere zu entwässern.
Die Alpen sind somit als Quellgebiet für das ganze übrige Mitteleuropa
bedeutungslos ; vielmehr erzeugen die deutschen Mittelgebirge selbst eine
Anzahl z. T. recht stattlicher Flüsse, die, der allgemeinen Abdachung
folgend, ausnahmelos den beiden nördlichen Randmeeren zuströmen.
Wie das hydrographische Netz keine Regelmäfsigkeit zeigt, so ist
auch das Relief des Bodens ein buntes, den orographischen Formen
nach äufserst mannigfaltiges zu nennen. Die tektonische Entwickelung
und geognostische Zusammensetzung geben uns hierüber hinreichend
Aufschlufs. Das Hochgebirge der Alpen bildet den südlichen Abschlufs
Mitteleuropas. Ihnen ist im N. ein flaches Vorland angegliedert, welches
wegen seiner absoluten Höhe als Hochebene bezeichnet wird und sich
aus der Schweizerischen und Oberdeutschen Hochebene zusammensetzt.
Nördlich der Donaulinie wird das Bodenrelief schon mannigfaltiger; es
bildet zwei grofse Beckenlandschaften, das SW. -Deutsche Becken und
das Böhmische Becken. In dem erstgenannten ist die Oberrheinische
Tiefebene «1er am tiefsten gelegene Abschnitt. Sie wird in ihrem süd-
lichen Teil von zwei wallartigen , ziemlich gleichmäl'sig gebauten Ge-
birgszügen, den Vogesen und dem Schwarzwald, eng eingeschlossen.
Weiter nördlich aber ladet die Beckenlandschaft, wie schon das Flufs-
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9. Orographie und Hydrographie. 29
System zeigt, nach beiden Seiten aus. Im W. bildet die Haardt mit
dem Pfälzer Bergland bis zur Nahe hin den Abschlufs der Oberrheini-
schen Ebene und hinter jener schliefst sich das Lothringische Stufenland
an ; im O. ist es eine terrassenförmig aufsteigende Landschaft, das
Schwäbisch- Fränkische Stufenland, welches durch Neckar, Main und ihre
Nebenflüsse zum Rhein entwässert wird.
Eine gröfsere Symmetrie in der Gesamtanlage zeigt das Böhmische
Bocken, welches in Gestalt eines Rhombus auf drei Seiten von grofsen
Gebirgswällen, Böhmerwald mit Fichtelgebirge, Erzgebirge und Sudeten,
bestimmt abgegrenzt ist, während den südöstlichen Abschlufs der Böh-
misch-Mährische Höhenrücken bildet. Die Moldau-Elbelinie ist die
mediane Entwässerungsader, welcher die Flüsse von den Randhöhen
zustreben. Jenseits des Mährischen Höhenrückens folgt ein drittes etwas
kleineres Becken, das der March, welches mit seinem Flufs dem Donau-
system angehört. — Während die nördlichen böhmischen Randgebirge
nach aufsen zu einem niedrigen Berg- und Hügellande sich schnell
abflachen, ist dem SW. -Deutschen Becken ein reich gegliedertes Mittel-
gebirge nördlich vorgelagert, dessen einzelne Abschnitte einen engeren
Zusammenhang untereinander vermissen lassen und eine sehr verschieden-
artige orographische Gestaltung zeigen. Ihm gehören die Ardennen
und das Rheinische Schiefergebirge an, ferner das Hessische und Weser-
bergland, der Thüringer Wald, der Harz und zwischen beiden die Thü-
ringer Mulde. Im westlichen Abschnitt durchfurchen Maas und Rhein
im Verein mit ihren Nebenflüssen die Plateauflächen in oft recht steil-
wandigen Tälern; im O. sind es die Weser und einzelne Zuflüsse zur
Elbe, die sich zwischen den Gebirgsgruppen hindurch den Weg bahnen.
Das nördliche Drittel Mitteleuropas umfafst das Germanische Tief-
land, welches bei aller Gleichförmigkeit doch in seinen einzelnen Teil-
gebieten charakteristische Unterschiede hervortreten läfst. Gegenüber
der fast durchgehends flachen westlichen Hälfte der Ebene, die im
Küstenbereiche sogar bis unter Meeresspiegelhöhe sich senkt, zeigt die
östliche nicht unbeträchtliche Bodenundulationen , wie die südlichen
Grenzrücken von der Lüneburger Heide, über den Fläming bis zur
oberschlesischen Platte streichend, und den Baltischen Höhenrücken mit
seinem Seenreichtum. Ein schmaler Ausläufer dieses Rückens, der sich
schliefslich zum Flachlande erniedrigt, ist die Jütische Halbinsel, die
die beiden Randmeere Nordsee und Ostseo voneinander scheidet.
Es fehlt heute an einer zusammenfassenden Bezeichnung der gesamten
deutschen Mittel gel >irgc. Die Alten nannten sie den Here vnisehen Wald.
Silva Hercynia, Caesar bell. gall. VI, 24, 25. Mela III, 3. Pün. XVI, i\. Saltus
Hercynius, Liv. V, 34. Hin IV, 80, v100. X, 132. Tacit. Germ. 28, 30. 'Eoxvyiu
r/.ij, Suidas s. v. yoTfiu. '/ujxiVio»' ogog, Schul. Apoll IV. 4(">0. '/fpxrr/oc dgi ftog,
Strabu IV, 207. Orcynia, Eratusthenes bei Caes. VI, 24. Die Silva Hercynia ist
nach antiker Auffassung auf keinen einzelnen Gebirgszug zu beziehen; auch
der Harz, den man wegen der Namensähnlichkeit gern als identisch mit Her-
cynia hinzustellen suchte, kann höchstens als ein Teil derselben, nicht aber
als diese aussehliefslich gelten. Dafs der Hercynische Wald ein Kollektiv-
begriff für die ganze Mittclgebirgszone ist, deutet Caesar schon an. Nach
seiner Angabe (VI, 25) erstrecke er sich vom Gebiet der Helvetier, Nemeter
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30
L Physische Geographie.
und Rauraker bis 7.11 dein dor Datier und Anarter, mit anderen Worten vom
Sehwarzwald bis zu den Karpathen. Ein Fufsgänger durehwandere ihn in der
Breite in 9 Tagen; dagegen rinde man keinen Germanen, der, wenn er auch
60 Tage fortgelaufen sei, sagen könne, er sei an das Ende gekommen oder
habe etwas davon gehört. Naeh Tacitus (Genn. c. 28, 30) und Strabos Dar-
stellung würde der Anfang der Hercynia erst nördlich der Mainlinie zu suchen
sein. Hierüber vgl. Kirchhof!, Thüringen doch Hermundurenland p. 5. Nach
Vellejus II, 108 ist aber das Markomannenland (Böhmen) ganz vom Herey-
nischen Walde umgürtet. — Der Name keltisch: Erkunüt, Hercynia. genn. Fer-
fftinjo, ahd. Fergumui geht auf eine gemeinsame Grundform percunia = Höhe
zurück. Der deutsche Name zeigt die Wirkung der Lautverschiebung, der
keltische den urkeltischen Wegfall von idg. p. (Much).
10. Alpen. Den südlichen Abschlufs Mitteleuropas bilden die
Alpen, die zugleich auch als eine bedeutsame Grenze in physischer,
klimatischer und ethnischer Beziehung von jeher betrachtet worden sind.
Dennoch bilden sie keine absolute Gronze; schon die eigenartige oro-
graphische Gliederung in eine Anzahl von abgeschlossenen Massiven
und parallelen Ketten, das Fehlen eines zusammenhängenden und ganz
entschieden dominierenden Hauptgebirgsrückens, der als eigentliches
Rückgrat des ganzen Systems angesehen werden könnte, lassen eine
scharfe Trennungslinie nicht hervortreten. Allerdings sind die Alpen
eines der Hauptquellgebiete Europas; gleichwohl inachen sie nur auf
eine kurze Strecke hin einen Teil der Hauptwasserscheide des Kon-
tinentes aus, durch wolche dieser in eine atlantische und mediterran-
kaspische Abdachung zerlegt wird. Auch fallen die Wasserscheiden der
alpinen Stromgebiete nicht immer mit den höchsten Erhebungslinien
zusammen, sondern sind vielfach einfache Tal Wasserscheiden, bei denen
eine mäfsig hohe Bodenwelle die Gebiete trennt. In klimatischer Hin-
sicht spielen sie freilich eine bedeutsamere Rolle und zwar als Wind-
und Wetterscheide, aber die Bedeutung als solche ist dem Charakter der
einzelnen Gebirgsabschnitte entsprechend eine sehr verschiedene. Ein
Übergang über den Gotthard oder Brenner bringt uns aus der mittel-
europäischen Kliinaprovinz in die mediterrane hinüber, so dafs wir den
Gegensatz zwischen Temperatur und Wetter der beiden Gebirgsseiten
unmittelbar verspüren können. In den Ostalpen hingegen ist eine so
scharfe Trennungslinie nicht vorhanden. Die zahlreichen, an Höhe
wenig verschiedenen Parallelketten, ferner die nach O. hin geöffnete
Lage der östlichen Alpentäler, wodurch diese mehr den Einflüssen des
kontinentalen Osteuropas ausgesetzt sind, schaffen hier ganz andere Ver-
hältnisse; erst am Fufse des Triester Karstes, also hart an der Küste,
in Triest treffen wir den Typus des eigentlichen Mittelmeerklimas an.
Als ethnische Grenze können die Alpen auch nur bedingtermafsen an-
gesehen werden, wenn man sich auch gewöhnt hat, sie im allgemeinen
als Scheide zwischen deutscher und welscher Zunge, zwischen germani-
schen und romanischen Völkern und Staaten zu betrachten. Doch trifft
dies nur für die Mittelalpen zu, und überdies hat die Grenze zwischen
Germanen, Romanen und Slaven im Laufe der Geschichte wiederholt
geschwankt. Wie also die Alpen in keiner Beziehung eine scharfe Tren-
nungslinie bilden, so sind sie noch weniger als ein Übergangs- und Aus-
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10 Alpen. 31
gleichsgebiet zwischen den charakteristischen Erscheinungen der Länder
nördlich und südlich von ihnen anzusehen, — im Gegenteil, sie weisen
viel eigenartige Züge auf, besonders auch in biologischer Beziehung, sie
haben in den höheren Gebieten eine eigene Flora und Fauna entwickelt,
und auch die Bewohnerschaft unterscheidet sich in ihren Lebens- und
Erwerbsverhältnissen, in ihrer Siedelungs- und Bauweise von jener der
Niederung. Mit einem Wort, die Alpen bilden im grofson Ganzen eine
selbständige geograplrische Provinz, die in ihrer nördlichen Abdachung
mehr Beziehungen zu Mitteleuropa, in ihrer südlichen mehr zu Italien
erkennen läfst.
Als ein breiter und bei aller'Gliederung doch eng geschlossener
Gebirgswall ziehen sie vom Ligurischen Meere an in anfangs mehr nörd-
licher Richtung 375 km nordwärts, um dann etwa in der Gegend des
Montblanc-Massives nach O. umzulenken und 750 km weit bis zu den
Pannonischen Ebenen zu streichen. Sie nehmen in dieser Richtung an
mittlerer Kamm- und Gipfelhöhe mehr und mehr ab, dagegen verbreitert
sich die Gebirgszone zusehends, ihre zahlreichen Parallelketten laufen
im O. fächerförmig auseinander. Obwohl sie sich auf einer Karte ziem-
lich scharf gegen ihre Umgebung abheben, so treten sie doch an einigen
wenigen Stellen an benachbarte Erhebungssysteme so eng heran und
gehen in diese auch teilweise über, dafs eine scharfe Abgrenzung schwer
möglich ist. Dies gilt besonders im S. gegen den Apennin, im NO.
gegen die Karpathen und im SO. gegen den Karst und die Züge der
Balkanhalbinsel hin. Weit einfacher läfst sich der Nord- und Südrand
der Alpen bestimmen, da hier der Gegensatz zwischen Gebirgsland und
Flachland scharf hervortritt. Im N schliefsen die Schweizerische und
Oberdeutsche Hochebene, im S. die Lombardisch-Yenetianische Tiefebene
die alpine Gebirgszone ab.
Der Name der Alpen wird schon von Herodot IV, 49 angedeutet, der
mit Alpis aber einen Donauzuflufs bezeichnet. Eingebürgert als Gebirgsname hat
er sich erst seit dem Ende des III. vorchristlichen Jahrhunderts. Etymologisch
läfst sich der Name nur aus dem Keltischen erklären. Die Alten wollten ihn
aus dem Lateinischen ableiten und brachten ihn mit albus in Zusammenhang
wegen der weifs schimmernden Schnee- und Gletscherfelder ; nomen Alpinm, sagt
Festus ep. 4, a candore niv'mm vocitobtm. Doch waren auch schon die alten
Grammatiker auf die allein richtige Etymologie aus dem Keltischen verfallen;
so Servius ad Vergib Georg. 3, 474, Aen. 10, 13: (.iallorum lingua alti montes
Alpes vocantur. Noch heute bedeutet im Kymrischen alp = hoch, Berg. Nissen
hält den Namen für liguriseh. Im Altertum kommt sowohl der Plural Alpes,
als der Singular Alpis vor. Beide sind derartig nebeneinander im Gebrauch
gewesen, dafs der erstere als Gesamtname für das ganze Gebirge oder einzelne
Teile desselben, der letztere dagegen für die Pässe verwendet wird. Erst im
Mittelalter bildet sieh die Bezeichnung »die Alp - im Sinne von Bergmatte,
Alm aus. Einzelne Forscher, wie Studer und Saussure, haben diesen Gebrauch
für den ursprünglichen erklärt; doch findet er sieh bei den Alten noch nicht
vor. Anderseits wird der Möglichkeit Raum gegeben, dafs einzelne Alpenketten
von den anwohnenden Völkern mit besonderen Namen belegt worden waren.
So ist auch der Name Tauern alten Ursprungs und vermutlich keltischer Ab
stammung. Vgl. Cluver, V-indelieia et Noricum p. 5. Auch der Volksname der
Taurisker steht wohl mit ihm in Zusammenhang. Cber die Kenntnis des Ge-
birges bei den Alten s. Nissen. Italische Landeskunde, Berlin 1883, p. 136 ff.
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32 I- Physische Geographie.
Partsch, Artik. Alpes in Pauly-Wissowas Rcal-Encyklopädie d. klass. Altert. I,
1599 ff.
Die Gesamtlänge der Alpen beläuft sieh auf etwa 1100 km, ihre Breite
sehwankt zwisehen 150 und 300 km. Der Fläehenraum wird sehr verschieden
abgeschätzt, je nach der Ausdehnung und Umgrenzung des Alpengebirges.
Unter Zugrundelegung der Klödensehen Zahl würde er sieh mit Aussehlufs des
Karstes auf etwa 175818 cjkm belaufen; Lcipoldt berechnete ihn zu 191 950 qkm.
Den vertikalen Dimensionen nach haben die Alpen eine mittlere Massen-
erhebung von ea. 1400 m ; in den Mittelalpen beträgt die Kammhöhe der Haupt-
rücken nicht unter 2600 m, ihre Gipfelpunkte schwanken zwischen 4810 m
( Montblanc) und 2600 m; in den Ostalpen geht die Kammhöhe bis zu 2000 m
hinab und die Kulminationspunkte von 4000 bis zu 1600 m. Die Basis, auf
welcher sieh diese gewaltige Gebirgsmasse erhebt, ist ihrer Höhe nach sehr
verschiedenartig, da die Alpen nach N. zu einer Hochebene, nach S. zu einer
Tieflandsniederung abfallen. Hieraus erklärt sich auch der verschiedene Ein-
druck, welchen die Alpen von beiden Seiten hervorrufen, denn der Nordfuls
des Gebirges liegt in ca. 500—600 m, der Südfufs im westlichen Teile allerdings
noch 300— -500 m, im östlichen aber vom I.ago Maggiore an zwischen 100—200 m
Höhe. — Auf Grund der Höhenverhältnisse und gewisser charakteristischer Er-
srheinungen, wie sie besonders in der Pflanzenwelt hervortreten, teilt man die
Alpen ein in 3 Zonen : 1. die Bergregion »1er Voralpen, die man bis zur durch-
schnittlichen Grenze des Baumwuchses rechnet ; 2. die eigentliche Alpenregion
mit ihren Bergmatten und 3. die Schneeregion der Hochalpen, wo Schnee und
Gletscher vorherrschen, aber das tierische und pflanzliche Leben noch keines-
wegs ganz erstorben ist.
Schaubach, Die deutschen Alpen, Jena 1865—1871, 5 Bde., 2. Aufl.
Frey, Die Alpen im Lichte verschiedener Zeitalter, Berlin 1877; Vortrag in
Virehow-Holtzendorffs Sammlung II. 274. Ferner Umlauft, Die Alpen, Hand-
buch, Wien 1887. Sieger. Die Alpen, Lpz. 1900. Auch Wagner, Lehr-
buch d. Geogr. II, 461—514. Ratzel. Dir Alpen inmitten der gesehiehtl.
Bewegungen, Z. «1. Dt, u. Osterr. Alp.-Ver. 27 (1896), 62—88. Über die Be-
grenzung: Emmerich in dem genannten Werk von Schaubach I, 46 ff.
K. Neumann. Die Grenzen der Alpen, in Z. d. Dt. u. Österr. Alp.-Ver. XIII
(1882), 189 - 229. Umlauft, 1. c. 21—34. Kroll i c k , Grenzen und Gliederung
der Alpen, Progr. Berlin, 1893. — Über die Kartographie der Alpen vgl. die
Ausführungen in der Z. d. Alpenvereins 1884, 56 ff. 1892, 393 ff. 1894, 75 ff.
1895, 327 ff. Penek in der Geogr. Ztschr. 1899, 58 ff. 631. 1900, 325, 366 ff.
Einen historischen Abrifs der Eutwickelung der alpinen Kartographie von der
ältesten Zeit bis zum XVIII. Jahrb. gibt Oberhummer in der Z. d. Alp.-Ver.
1901 : Die Entstehung der Alpenkarten, mit Faksimiles.
11. Gliederung der Alpen. In der Mitte des langgestreckten Alpen-
walles zieht eine vorwiegend aus Urgesteinen gebildete Längszone hin.
Granit, Gncifs und kristallinische Schiefer setzen sie zusammen; man
bezeichnet sie als die Zentralalpen. Im N. und S. schliefsen sich
ihnen zwei in der Längsrichtung entsprechend angeordnete Zonen von
sedimentären Gesteinen an, die vorwiegend aus Kalksteinen gebildet,
kurz als dio nördlichen und südlichen Kalkalpen bezeichnet werden.
Diese Anordnung zeigt aber nicht überall symmetrische Kegelmäfsigkeit.
Vielmehr treffen wir innerhalb der zentralen Zone auch jüngere Sedi-
mentärgesteine in grofseo Komplexen an, wie überhaupt die geogn ostische
Mannigfaltigkeit der Alpen eine ungemein grofse ist. Das seltsame
Ineinandergreifen der Gesteine verschiedenen Alters, die eigenartige
Lagerung der Schichtgesteine, die oftmals in umgekehrter Altersfolge
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11. Gliederung der Alpen.
33
auftreten, wobei also die älteren Gesteine die jüngeren überlagern, läfst
sich nur durch den tektonischen Aufbau des ganzen Gebirges erklären.
Eine so gewaltige Massenerhebung wie die Alpen weist von vornherein
auf eine starke Störung innerhalb der Erdkruste hin. Die ehemals auf
den) Boden des Urmeeres horizontal abgesetzten Schichten wurden
durch die infolge allmählicher Abkühlung des Erdkörpers hervorgerufene
Zusammenschrumpfung (Kontraktion) ihrer Rinde in Form von Falten
aneinander geschoben, ihre anfängliche Arealausbreitung also auf einen
kleineren Raum zusammengedrängt. Der weiter wirkende Druck prefste
<iie Falten immer dichter aneinander, so dafs die beiderseitigen Flügel
-lerselben sich senkrecht stellten, schliefslich auch infolge des ungleich-
mäßigen Druckes überkippten und sich wieder horizontal legten. Die
Druikrichtung war bei den Alpen eine mehr von S. nach N. gerichtete,
infolgedessen die südliche Seite der Alpen die steilere ist. Dieser
gewaltige Störungsprozefs im inneren Erdgefüge begünstigte das Hervor-
treten vulkanischer Massen, und besonders in der südlichen Alpenzone
treffen wir weite Verbreitungsgebiete der jungeruptiven Gesteine (Basalt,
Trachyt) an. Wie stark der Gebirgsdruck war, läfst sich daraus ent-
nehmen, dafs die südliche Kalkzone westlich des Lago Maggiore ganz
fehlt, weil sie bis unter das Niveau der heutigen Lombardischen Tief-
ebene heruntergeprefst worden ist. Der Gebirgsdruck hatte aber zunächst
rdie rohen Gesteinsfalten hervorgebracht; die weitere Umgestaltung
ganzen Massenanschwellung in ein reich gegliedertes Bergland lag
vielmehr dem Wasser und teilweise auch dem Gletschereis ob. Das der
Atmosphäre entstammende Wasser flofs von dieser Anschwellung ab und
vertiefte die Rinnen vermöge der Erosion zu mehr oder weniger engen
und breiten Tälern. Ganze Gebirgsketten sind durch die Erosion zer-
schnitten und zerstückelt worden, tiefe Durchbruchstäler führen durch
sie hindurch, während anderseits auch mehr mit dem Faltenparallelismus
übereinstimmende Längstäler (oberer Rhone, Vorderrhein, Inn, Salzach,
Enns, Drau etc.) eine entsprechende Längsgliederung hervorgerufen
haben. Neben der erodierenden Kraft des Wassers hat besonders die
Denudation an der Modellierung des Gebirgswalles mitgewirkt, d. h. die
zerstörende Tätigkeit der Atmosphärilien ; insonderheit die chemisch
und mechanisch zersetzende Fähigkeit des Wassers, die oft beträchtlichen
Temperaturgegensätze, Spaltenfrost und dgl. lassen die Oberfläche der
Filsen massive verwittern und in Schutt- und Geröllmassen auflösen.
Das spülende Wasser schafft sie zu Tal, wo sie durch den Flufs weiter
transportiert werden. Durch diese Abtragung der oberflächlichen Gesteins-
schichten irn Verlauf der letzten geologischen Zeit haben die Alpen eine
beträchtliche Einbufse an Volumen und damit auch an absoluter Hohe
ihrer Kämme und Gipfel erfahren müssen.
Die Einteilung des gesamten Alpengebietes in einzelne verschieden
benannte Gruppen stützt sich auf die von der Natur schon vorgezeichnete
Gliederung. Einer allgemeinen Anerkennung hat sich bisher noch kein
Kinteilungsschema recht zu erfreuen gehabt. Die einen gingen hierbei
mehr von orographischen, die anderen mehr von geologischen Gesichts-
Kretichmer, Historische Geographie. 3
34
L Physische Geographie.
punkten aus oder suchten beide zu verschmelzen. Die Schwierigkeit
liegt eben darin, dafs die orographische Form und Gliederung des
Gebirges in Verbindung mit den auf den Karten hervortretenden breiten
und tiefsten Taleinschnitten sich mit den geologischen Verhältnissen
nicht vereinbaren läfst. Der ganze östliche Flügel der Alpen vom Mont-
blanc-Massiv an, — mit dem wir uns hier, soweit er Mitteleuropa betrifft,
allein zu beschäftigen haben, — wird durch zwei freilich nicht immer
symmetrisch entwickelte Tallinien in drei Parallelzonen geschieden. Die
nördliche Linie, die also die Grenze zwischen den Zentralalpen
und den nördl. Alpen ist, beginnt beim Genfer See, zieht dann
das Rhonetal aufwärts über die Furka in das kurze Urserental und
weiter über den Oberalppafs in das Tal des Vorderrheins, den Rhein
abwärts bis Feldkirch, von hier östlich über den Arlberg und das
Stanzertal nach Landeck, den Inn abwärts bis zur Mündung des Ziller,
diesen aufwärts bis Zell am Ziller, östlich über den Gerlossattel in das
Tal der oberen Salzach bis St. Johann im Pongau, über den Sattel von
Wagrein hinnüber zur Enns bis Reifling, von hier die steirische Salza
aufwärts und hinüber zur Schwarzau und diese abwärts bis Wiener
Neustadt. Die südliche Linie , welche die Grenze zwischen den
Zentralalpen und den südl. Alpen bildet, beginnt erst am
Lago Maggioro aus dem oben angedeuteten Grunde, läuft über den
Luganer zum Corner See, das Addatal aufwärts bis zum Stilfser Joch,
von hier in das Etschtal bis Bozen, den Eisack aufwärts bis Brixen und
weiterhin östlich durch das Tal der Rienz und Drau (Pustertal) bis
Marburg abwärts. Diese beiden Teilungslinien stimmen freilich mit den
geologischen Grenzen zwischen den Zentral- und Kalkalpen nicht
durchgehends überein. —
Neben der Längsteilung war aber auch von jeher eine Querteilung
üblich in West-, Mittel- und Ostalpen, und zwar verläuft die Grenze
zwischen West- und Mittelalpen vom Genfer See den Rhone
aufwärts bis zum Rhoneknie bei Martigny, von hier über den Grofsen
St. Bernhard in das Tal der Dora Baltea. Die Grenze zwischen Mittel-
und Ostalpen wird durch die Tallinie des Inn bis aufwärts nach Innsbruck
gegeben, südlieh durch das Wipptal über den Bronner in das Eisack-
und Etschtal bis Verona. — Neuordings hat besonders in geologischen
Kreisen eine Zweiteilung der Alpen in West- und Ostalpen Platz gegriffen,
bei der die Trennungslinie vom Bodensee, das Rheintal aufwärts über den
Splügenpafs zum Comersoo geht. Trotz der angemessenen geologischen
Gründe, welche für die Zweiteilung geltend gemacht werden, hat die
bisher übliche Dreiteilung, schon wegon der grofsen Länge des Alpen-
zuges und wegen der durch die anders geartete Richtung hervorgerufenen
Sonderstellung der französisch -italienischen Alpenzone noch keinesfalls
ihre Berechtigung eingebüfst.
Auf Grund der angegebenen Dreiteilung in der Längs- und Breiten-
richtung zerfällt das Alpenland in acht Territorien (denn die innere
Kalkzone der Westalpen fohlt), die nun im weiteren sich in einzelne
Massive, Ketten und Gebirgsstöcke zergliedern. Auch hier gehen die
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11. Gliederung der Alpen.
35
Ansichten über die Einteilung weit auseinander, je nachdem mehr die
orographischen oder geologischen Verhältnisse berücksichtigt werden;
selbst die bisher gebräuchliche Nomenklatur hat sich mancherlei Ände-
rungen gefallen lassen müssen.
Über die Gebirgsbildung der Alpen vgl. Heer, Die Urwelt der Schweiz,
Zürich 1879. 2. Aufl. Suess, DieEntstehung der Alpen, Wien 1875. Ders.,
Antlitz der Erde, 1885—1888. Fraas, Seenerie der Alpen, Lpz. 1892. Noe,
Geologische Kurte der Alpen, Wien 1890, mit Text. — Speziell über che Ein-
teilung vgl. einen Aufsatz: Die neueren Versuche einer Einteilung der Alpen,
im Ausland, 1883, p. 1030 ff. Studer, Orographie der Schweizer Alpen, in
Peterm. Mitt. 1869, p. 241—247. Hierauf von So n klar, Die Einteilung der
Schweizer u. Deutschen Alpen, Peterm. Mitt. 1870. p. 31 ff. Matz, D. orograph.
Einteilung des Alpensystems nach K. von Sonklar, Wien 1875. v. Mo isiso vics,
Über die Grenze von Ost- und Westalpen , Z. d. Dt. u. Österr. Alpenver. lVr
(1873), 7—19. Gegen ihn Sonklar, ibid. VI, 235 ff., der an der Teilungs-
linie Rhein, Feldkirch, Landeck, Reschenscheideck , Etsch festhält. Böhm,
Einteilung der Ostalpen, Wien 1887. Czech, Heiträge zu e. naturgemäfsen
Einteilung der Alpen, Progr. Rcalgymn. Düsseldorf, 1883. Umlauft, Hdb.
p. 35 ff. führt die einzelnen Systme mit weiterer Literatur auf.
Bei der nachfolgenden Besc hreibung der Alpen und ihrer einzelnen Glieder
ist von einem engeren Anschlufs an ein bestimmtes Einteilungsschema abgesehen
worden, weil hier nur die Mittel- und Westalpen zur Behandlung kommen und
auch diese nur in ihrer gröfseren nördlichen Hälfte.
Das Tal des oberen Rhone ist zu beiden Seiten von gewaltigen Massiven
eingeschlossen. Im S. sind es die Penninischen Alpen , Alpes Poenime
(weniger gut Penninae), die so nach dem auf der Pafshöhe des St. Bernhard
verehrten Juppiter Poeninus benannt wurden , wie Inschriftenfunde bezeugen.
Noch ün Mittelalter hatte sich hier die Bezeichnung mons Jovis erhalten. Dafs
sich in ihnen mit che höchsten Berge der Alpen (Monte Rosa 4638 m) belinden,
war den früheren Jahrhunderten unbekannt, wie denn überhaupt die Nomen-
klatur der Gebirgsgruppen im Altertum und Mittelalter noch sehr dürftig und
einzelne Berge nur höchst selten sich benannt finden. Eine ältere Beschreibung
gibt Jos. Simler, Vallesiae et Alpium descriptio, Lugd. Bat. 1633. Der
Name Monte Rosa ist hinsichtlich seine r Entstehung noch unklar. Dafs er
seine Bezeichnung von der rosigen Färbung bei Abendbeleuchtung haben könnte,
ist mir nicht so gänzlich unwahrscheinlich, wogegen die Ableitung vom kelt.
ros = Vorgebirge von vornherein falsch ist, da der Name nicht in so frühe
Zeit zurückreicht. Den nördlichen Absehlufs des Rhonetales bilden die Berner
Alpen, die vom Rhoneknie bis zur oberen Aar reichen, mit dem Finsteraarhorn
4275 m. der Jungfrau 4167 m und gewaltigen Firnfehlern und Gletschern. Das
Rhonetal selbst heifst im Altertum Vallis Poenina (CIL. XII, 118), im Mittelalter
Vallesia, um und heute noch Wallis. Über die Form Vallesia vgl. jedoch
Gatschet, Ortsnamen-Forsch, p. 189. Der als AbHufs des Rhonegletschers
entstehende Flufs durehfiiefst das 122 km lange Tal bis Martignv (Octodurus)
und wendet sich rechtwinklig nach NW. zum Genfer See. Der Name ist
keltisch; im Latein.: PJiodanus fl., entstanden aus rho — Flufs und dan =
rasch. So auch Zeufs, Gram. celt. 13, Glück, Die b. Caesar vork. ON. p. 148.
Später noch Rhodan und Rotten, auch Rhotten; letzteres 1495 1497 bei
C. Fürst, Quell. Sc hweizer Gesch. 6,52. Vgl. Egli, Nom. geogr. p. 776.
Der Genfer See, der gröfste Randsee der Alpen (578 ejkm), wird von
dem Rhone durchflössen, der am oberen Ende sein Delta in ihn vorschiebt und
einen grofsen Teil des ehemaligen Seebeckens in ein Flachland verwandelt hat.
Er liegt 375 in über dem Meere und erreicht Tiefen bis zu 334 m. Im Altertum
hiefs er Locus Ijemannus (Caesar, Mela, Plin.), -/«/lai'ij (Strabo Ptolem.), im
Itin. Anton. Lansoniits laats. auf der Tab. Peuting. Losanaisis L. Im Mittel-
alter noch ähnlich Lac Losannete nach dem Bischofssitze Lausanne ; im frühen
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I. Physisch© Geographie.
Mittelalter auch Rodani nuire bei Prudent. Trecens. Ann. SS. I, 434. Bei Genf
verläfst der Rhoncfiufs, der beim Geogr. Rav. deshalb auch Rodanus Lausonensüi
(242,6) genannt wird, den See, um dann weiterhin durch die Jurazüge durch-
zubrechen. Der bedeutendste wissenschaftliche Erforscher des Sees ist gegen-
wärtig Forel, Le lac Leman, 2. Aufl., Genf 1886; Le Leman, monographie
limnologique, 1892, 3 Bde.
Das Berner Oberland wird im 0. und N. von der Aar umzogen. Der
uns nicht bezeugte antike Name kann nur Arura gewesen sein; inschriftlich
wird von nautae Aruranci (Aarschiffer) und einer reg(io) Arure(nsis) gemeldet,
cf. Mommsen, Inscr. Helvet. 182, 216. Im Mittelalter heilst er gelegentlich
Ataris (v. Wilibrordi), auch Arola, meist Ära. Der im Aargletscher in der Nähe
des Grimscl passes entspringende Flufs durchfliefst das sog. Haslital und dann
zwei Seen, den Bri enzer See (30 qkm, 565 m über d. M. bis 262 m tief)
und Thun er See (48 qkm, 560 m üb. M., 217 m tief). Beide Seen waren
ehemals ein zusammenhängendes Wasserbecken, welches erst durch das alluviale
>Bödeli* bei Interlaken in zwei getrennt wurde. Noch bis ins XV. Jh. führten
beide auch den gemeinsamen Namen Wendelsee fStretlinger Chron. 10; 18 f.),
aus einem älteren Locus Vandalicus angeblich gebildet. Dem Berner Alpenstock
sind gegen N. hin die Fr ei burger Alpen vorgelagert, die im S. durch das
Tal der Simme teilweise abgegrenzt sind. Das Simmental hiefs eigentlich
Sibental (XIII. Jh.) nach den sieben Quellbrunnen am Seehorn; anders Gatschet
im Arch. h. V. Bern 9, 373, der es mit einer sejiiana vattis in Zusammenhang
bringt. — Ein anderer Flufs, die Saane, von den Diablcrets herabkommend,
durchbricht den westlichen Teil der Freiburger Alpen. Der Name erscheint
als Sanona schon für 1089 bezeugt (Canon, grata episc. Lausann., SS. 24, 799).
Der Flufs durchfliefst ebenso wie die Aar im weiteren die Schweizer Hoch-
ebene und vereinigt sich dann mit ihr. Von der Aar bis zum Vierwaldstütter
See reichen die Emmentaler Alpen, durchflössen von der Emme {Emma
1261 genannt), die in die Aar mündet. Wie die Freiburger Alpen, so fallen
auch diese mit ihren nördlichen Randpartien zu einem niedrigen Berg- und
Hügellande ab. Im S. bietet der Brünigpafs (1037 m) einen Ubergang vom
Bricnzer See durch das Tal der Sarner Aa zum Vierwaldstütter See. In diesen
fällt der östliche Vorsprung der Emmentaler Alpen ab, der Pilatus (2133 m),
dessen alter Name bis ins XVI. Jahrb. Frakmunt — Brochenberg (aus mons fractots
entstanden) ist. cf. Gatschet, Forsch. 32. Er erscheint zuerst 1387 (Fracmont);
der Name Pilatus dagegen erst in Schillings Chronik (XVI. Jh.). Erst die Pilatus-
legende, nach der der römische Landpfleger sieh angeblich in einen kleinen
See auf jenem Berge gestürzt hätte, hatte den modernen Namen seit dem
XVIII Jh. zur aussehlicfslichen Geltung gebracht. Näheres bei Runge, in
Mitt. Zürich, AG. XII. 157 ff. Egli. Nom. g. p. 723. — Den Raum vom Haslital
bis zur Reufs und dem Vierwaldstütter See erfüllen die Urner und Engel -
b e rge r A 1 p e n mit dem vergletscherten Dammastoek (3633 m) am Göschenental,
und jenseits der Reufs folgt die Tödikette, (der gleichnamige Kulminations-
punkt 3623 m) mit der Calanda bis an das stumpfe Rheinknie bei Chur reichend
und im N. durch den Walensee und die Linth abgeschlossen. Sie stellt einen
geschlossenen, gletsehertragenden Gebirgszug dar, der nach S. steil zum Vorder-
rheintal abfällt, Jenseits der Linth und des Klausenpasses sehliefsen sich die
Schwyzer Alpen an, die sich Iiis an den Vierwaldstütter und Züricher See
erstrecken, hier in ein niederes Bergland auslaufend, während im S. der Glürniseh
(2916 m) noch ein Gletscherstock ist.
Zwischen den letztgenannten Gruppen liegen das Tal der Reufs und der
Vierwaldstütter See tief eingebettet. Der Name Reufs erscheint als Riusa
urkundlich schon 840 und dann in vielen Varianten Rusa, Ruese, Ruisa, Ruess,
Ruczze. Sie entspringt in drei Quellbächen am Gotthard und der Furka; nach
Passierung der engen Schöllenenschlucht hat sie bei Gösehenen die Höhe von
1063 m erreicht, und steigt das nordwärts gerichtete und sich mehr und mehr
erweiternde Tal abwärts bis zum See, dessen oberes Ende sie in einen Flach-
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11. Gliederung der Alpen.
37
landboden bis Flüelen verwandelt hat. — Der Vier w a 1 d s t ä 1 1 e r See (115 qkm,
437 m üb. M., bis 214 m tief) ist durch die in den See vorspringenden Massive
in eine Anzahl Becken geteilt, die meist nach den beiliegenden Ortschaften
benannt werden. Man hat ihn in seiner zerrissenen Gestalt mit einem Kreuz
verglichen, dessen unterer Schaft geknickt ist. Mit seinem oberen Ende ragt
er noch in die Zentralalpen hinein, während sonst seine Umgebung von Kalk
und Molasse gebildet ist. Im O. fällt der aus Nagelrluhe aufgebaute Rigi
(1856 in ) in ihn steil ab (der Name zuerst 1384 im Plural : die RigXnen). Der
Name des Sees erseheint im VIII. Jh. im Stiftsbrief der Propstei Luzern
als magnus locus; bei C. Fürst, in Quell, z. Scheiz. Gesch. 6, 33 f.; 1495 als
Lucerner See; bei Scb. Münster 1543 als Locus Helvetiats, quem hodie Lucernensem
vocant; der heutige Name zum erstenmal 1547 in Stumpfs Chronik p. 191
als Vier Waldstet See, dann bei Tschudi (Schweizerkarte 1560) der vier Wald-
stettensee, aueh latinisiert Quatuor regionum s. oppidontm locus. Doch wird noch
lange Zeit daneben die ältere Benennung verwendet, die aueh bei den Franzosen
noch üblieh ist , Lac de Lucerne. Die moderne Benennung hat sieh erst im
XIX. Jh. vollständig eingebürgert. — In der Tallinie nördlich von Brunnen
liegt der kleine Low erzer See, dessen westliches Ende durch den Goldauer
Bergsturz ausgefüllt worden ist, und weiterhin der Zuger See (38 qkm, 417 m
üb. M., 198 m tief), berüchtigt durch seine Uferabrutsehungen. Sein Abllufs
ist die Lorze, die in die Reufs geht. Unweit davon der Ägerisee nach
dem gleichnamigen Ort benannt; an) Bergabhange Morgarten ward 1315 die
entscheidende Schlacht geschlagen. Auch der Walen- und Züricher See liegen
in einer schon bei Sargans am Rhein beginnenden breiten Talfurche, die in
nordwestlicher Richtung die untere Aar erreicht und das alte Rheintal darstellt,
welches jetzt bei Sargans durch einen 6 m hohen Geröllhügel, die Burtschär,
abgeschlossen ist. Der Walensee (23 qkm, 423 m üb. M., 151 m tief) ist
der »See der Welschen«; beim Eindringen der Alemannen rnufe die Sprach-
grenze durch das Südende des Sees gegangen sein. Der Ort am Ostende heifst
schon im XI. Jh. de ripa Walahastad; deshalb wird er späterhin auch
Walenstadtcr See genannt. In Urkunden heifst er auch Lacus Rivanus, rätorom.
Lac Rivaun. Riva war ehedem die romanische Bezeichnung für den Ort Walen-
stadt. In das westliche Ende des Sees mündet die Linth ein, die von ihm
bis zum Züricher See ein sumpfiges Alluvialland durchHofs, welches 1807 — 1822
trocken gelegt worden ist. Der Züricher See oder Zürichsee (88 qkin, 409 m
üb. M., bis 143 m tief), der Lacus Turicensis oder Turicinus hat bei nur 4,5 km
Breite che beträchtliche Länge von 44 km. Am nördlichen Ende entquillt
ihm- die Limmat (Lindimacus, Lindmag, Limmag (XV. Jh.), die sich bei Brugg
mit der Aar vereinigt. Vom Zürich- und Walensee bis zum Rhein und Bodensee
erstrecken sich die St. Gallen er und Appenzeller Alpen, die im SO
ihre gröfsten Höhen haben und durch die interessanten Pressungen und
Faltungen der Kreideschichten ausgezeichnet sind. Das sog. Toggenburger
Tal der Thür (Dura 1076, Tut), die in den Rhein geht, reicht weit nach
SO. hinein. Südlich von ihm erheben sich hart über dem Walensee die sieben
Churfirsten (die Firstlinien, welche den Churgau abgrenzen), im N. che nach
S. steil abstürzende Gruppe des Hohen Säntis (2504 m). Der Aufsenbezirk dieser
Alpengruppe dacht sich schnell zu einem niederen Berglande ab.
An die Penninisehen Alpen, die im W. durch den Groben St, Bernhard
(2427 m), im O. durch den Simplonpafs (2010 m) abgeschlossen werden,
schliessen sich östlich die Lepon tischen Alpen an, vom Simplon bis zun»
Bemhardinpafs und Hinterrhein reichend. L'nter diesem Namen treten sie im
Altertum noch nicht auf; vielmehr scheint der ganze westliche Teil bis zum
Gotthard noch den Penninischen Alpen zugerechnet worden zu sein, und der
östliche den Rätischen Alpen. Die Täler der Tocc und des Ticino bringen
eine Dreiteilung in Tessiner Alpen, Gotthard • Gruppe und Adula -Alpen zu
wege. Der Gotthard selbst, der auf den Karten stets als bedeutender Knoten-
punkt zusammentreffender Gebirgsmassive und -ketten auftritt und auch hydro-
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I. Physische Geographie.
graphisch als solcher sich darstellt , ist kein einzelner Berg, sondern ein von
hohen (tipfein umgebenes Hochplateau, über welches die Pafsstrafse in 2114 in
führt. Den Alten war dies** Strafse noch unbekannt. Der Name wird auf
den hl. Godehard zurückgeführt, der 1038 als Bischof von Hildesheim starb.
Im XIV. Jh. wurde von Dissentis aus eine dem hl. Godehard geweihte
Kapelle mit Hospiz auf der I'afshöhe gebaut. Der von Strabo und Ptolemäus
genannte Adulas (/idovXug), auf welchem der Rhein und die Adda entspringen
sollten, ist oft fälschlich auf den Gotthard bezogen worden. Man ist jetzt all-
gemein der Ansicht, dafs vielmehr die Quelle des Hinterrheins, das sog. Rhein
Waldhorn (3398 m), unter ihm zu verstehen sei (Partsch, 1. c. 1603). In den
Lepontisehen Alpen hat auch der Rhein seinen Ursprung; von seinen beiden
Oberläufen entspringt der Vorderrhein in der Nähe des Oberalppasses im
Tornasee, der Hinterrhein am Rheinwaldhorn; letzterer mufs oberhalb ThusL-i
sich durch den engen Felsspalt der Via mala zwängen. Bei Chur wendet sich
der Rhein nach K. und nimmt bald darauf von rechts den Landquart
(Langarus) auf. Unterhalb der Einmündung dieses Flusses passiert der Rhein
die Enge zwischen dem Fläschenberg rechts und dem Schollberg links, wo
die Churfirsten und das Rätikon einander nahetreten und das Tal früher
geschlossen war, so dafs der Strom über Sargans nach NW*, sich wenden mufste
(s. oben). Im weiteren durchliefst der Rhein das sich verbreiternde Tal bl<
zum Bodensee, in den er sein Delta im Lauf der historischen Zeit immer mehr
vorgeschoben hat.
Der Bodensee (539 qkm, 398 m üb. M., bis 140 m tief) führte bei den
Alten verschiedene Namen. Strabo VIII, 193 beschreibt ihn wohl, nennt ihn
aber nicht. Pomponius Mcla III, 2 spricht von zwei Seen, welche der Rhein
durchfliefst, Locus Venctus et Acronns; man kann nur annehmen, dafs er hier
einzelne Teile des Sees noch unterschieden habe, etwa den heutigen Ober- un<i
Untersee. Plinius IX, 63 nennt ihn zuerst Imcus Brigontinus nach Brigantium
(Brcgenz). Sehr ausführlich schildert ihn Ammian. Marcell. XV, 4: Locus Bri-
gantine. Der Name Bodensee ist mittelalterlichen Ursprungs und stammt von
der kaiserlichen Pfalz Bodman, die am nord westlichen Ende des Sees lag. In
latinisierter Form erscheint er als Locus Potamicus und Podamicus, Bodamicn*.
auch Bodmersee und Bodemsee, was schliefslich in Bodensee volksetymologisch
umgewandelt wurde. Daneben führte der See vereinzelt noch andere Namen,
wie Locus Constontiensis (XII. Jh.), bei den Franzosen noch heute Lac de Con-
stonce, und Locus Augietisis (seit 1155) nach der Insel Reichenau. Am westlichen
Ende läuft der See in den schmalen überlinger See mit der Insel Mainau aus
und hinter Konstanz in den Unteren oder Zeller See mit der Insel Reichenau;
letzterer spaltet sich nochmals in zwei Zipfel, aus dem südlichen liiefst der
Rhein ab, der nördliche ist aber auch eine (ehemalige) Ausmündungsstelle des
Rheins gewesen. Der Wasserstand des Sees ist ein schwankender, da er zur
Zeit der Schneeschmelze über 3 m ansteigt.
Die Rätischen Alpen {Alpes Roeticoe. Horat. od. 4, 4, 17. Tac. G. 1)
schliefsen sich als Teil der zentralen Alpenzone an die Lepontisehen an; sie
erfüllen den Raum vom Arlhergpafs im N. bis ostwärts zum Oberetschtal
und Stilfscr Joch und südlieh Iiis zur Adda. Das grofse Längstal des Inn
(Engadin) teilt sie in die Nord- und Südrätischen Alpen; den letzteren gehört
das gewaltige Massiv der Bernina -Gruppe an (4052 m). Im N. schliefst ein
zusammenhängender Gebirgsgrat das Inntal ab (Albuin- und Silvretta-Gruppt '
der jedoch zahlreiche Ubergänge bietet, den Splügen 2117 m), Septimer (2311 m).
Julierpars (2280 m), Albulapafs (2313 m) und Flüelapafs (2405 m). Zwei Aus
läufer des Massivs reichen bis an den Rhein nach N. vor, die Plessur-Alpen,
die auf das Rheinknie bei ('hur stofsen, und das Rätikon zwischen der Land-
quart und dem III. Die Verwall- Gruppe folgt jenseits des Illtales bis zum
Arlhergpafs. Das Tal des oberen Inn, das Engadin vallis Ematina), hat eine
Länge von 92 km und reicht vom Malojopafs bis Martinsbruck. Jenseits des
Passes (1856 m) läfst sich die Furche im Tal der Maira, dem sog. BergelJ, Bn
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11. Gliederung der Alpen.
39
gaglia (in Urk. K. Heinrichs II. Praegallia), bis nach Chiavenna verfolgen. —
Die Ötztaler Alpen sind allseitig von Flufslinien umzogen; im N. ist es der
Inn, im W. u. S. die Etsch, im O. der Eisack. Das Reschenscheideck (1494 m)
im W. bietet einen Übergang aus dem oberen Etechtal (Vintschgau) nach dem
Inn hinüber nach Finstermünz. Der Brennerpafs bildet entsprechend im O.
den Abschlufs dieser Alpengrunpe und führt vom Wipptal, welches bei Inns-
bruck das Inntal erreicht, nach dem Eisacktal in nur 1362 m Höhe hinüber.
Seinen Namen hat er sehr wahrscheinlich von dem Volke der Breonen, Brcuni,
das in der Siegesinschrift bei Plinius auftritt ; vgl. Kiepert, Lehrb. p. 368. Die
Ötztaler Gruppe stellt eine gewaltige Massenerhebung aar; 3080 qkm von ihnen
hegen über 1900 m hoch, etwa 758 qkm sind von Schnee und Eis bedeckt und
über 300 Gletscher werden gezählt, östlich des ötztales wird noch die Stubaier
Gruppe mit dem gleichnamigen Tal unterschieden, sowie südlich von ihr die
Sanitaler Gruppe, die im S. von Eisack und Etsch umzogen und gegen die
eigentlichen Ötztaler Alpen durch das Passeiertal (bei Meran endigend) ge-
schieden ist. — Getrennt von den Ötztaler Alpen durch die Etsch steigen im S.
die Ortler Alpen auf (3902 m), ein mit 60 Gletschern bedeckter Gebirgsstoek.
Im NW. führt die Strafse über das Stilfserjoch (Giogo di Stelvio oder Ferdinands-
höhe, 2757 m) aus dem Etschtal in das Val Tellina der Adda hinüber. Die
Etsch entspringt am Heschenscheideck, lliefst durch den Reschensee und steigt
über mehrere Talböden abwärts bis Glums, wo sie östlich in das breite, ebene
und stellenweise sumpfige Längstal einlenkt. Ihr alter Name ist Athesis (bei
Strabo IV, 207 l^Ttjofrog), im Ital. Adige. Auch der Talname Vintschgau (bis
Meran) geht auf einen antiken Volksnamen, den der Venostes, zurück. Die Form
Vinsgowe tritt im XI. Jh. auf. Doch schon vorher wurde es als Venusta vallis
bezeichnet (Liutprand Antapod. SS 3, 334). Bei Bozen nimmt die Etsch den
Eisack (Isargus t) auf.
Dem zuletzt behandelten Teilstück der Zentralalpen ist im N. eine Zone
vorgelagert, die aus mesozoischen Gesteinen (Trias, Jura, Kreide) und nach dem
äufseren Rande hin aus Tertiärgesteinen (besonders Flvseh) gebildet ist. Sie
erfüllen den Raum vom Rhein und Bodensee bis an den Inn, der sie im O.
und teilweise im S. abschliefst. Den Höhenverhältnissen nach sind sie schon
weit niedriger und gehören den Mittel- und Voralpen an. Man unterscheidet
in ihnen die Vorarlberger Alpen mit dem Bregenzer Wald und die
Algäuer Alpen, die östlich bis an den Lech reichen. Die vielen, bald
längeren, bald kürzeren Kettenstücke östlich des Lechtales werden beim
Mangel eines besonderen Namens als N ord tirolische und Bairische
Kalkalpen zusammengefafst, Die Parseyer Spitze zwischen Lech- und Stan-
y.ertal erreicht noch 3038 m Höhe, die Zugspitze 2960 m. Zahlreich sind die
Flüsse, die in dieser Alpenzone ihren Ursprung nehmen und nieist der Donau
angehören. Zu diesen gehört 1. die III er, die in den Algäuer Alpen mit
drei Quellbächen entspringt und bei Immenstadt in die Bairische Hochebene
tritt. Von den Alten wird der Flufs noch nicht genannt, Als Ilara und Hilara
erscheint er im X. Jh., auch Ilaris; 2. der Lech, y/txi'ug bei Ptolem. II, 12;
lat, Licus (Venant, Fortun.), in der Form Lecha schon bei Paul. Diacon., im
VIII. Jh. Lech. Der Flufs lliefst durch drei Talstufen und verläfst bei Füssen
die Alpen. Der Name darf sicher als keltisch angesehen werden ; er kehrt auch
in dem Volksnamen der Licatii wieder, die in seinem Gebiete weiter unterhalb
wohnten. Der linksseitige Nebenllufs des Lechs ist die Wert ach, Virdo bei
Paul. Diac., Wertaha; 3. die Isar, Isara, Isura. wird erst im Mittelalter genannt.
Sie entspringt am Stalter Anger südlich der Karwendelkette, windet sich durch
die Seharnitzenge und fliefst an Mittenwald vorüber; bei Tölz (658 m) verläfst
sie das Gebirge. Ihr linker Nebenflufs ist die Loisach, Liubisaha, Luosnrh,
Liubasa, Leicsach, die im W. von der Zugspitze entspringt. Sie durchfliefst den
Kochelsee ; • doch ist ihr heute ein kanalisierter gerader Weg durch die unge-
heuere Moorfläche nördlich des Sees geschaffen worden. Südlich von diesem
liegt^der Walchensee (790 m), der durch die Jachenau einen kurzen Abflufs
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I. Physische Geographie.
nach der Isar hat. Von rechte geht der Isar die Ache zu, die dem blauen
Achensee (932 m, 6,8 qkm, 132 m tief) entquillt; 4. der Inn, einer der be-
deutenderen Alpentiüsse, lat. Aenus, Älvoq Ptol. 2, 11, 5, im Mittelalter auch
in den Formen Enus (v. Sever. 3, 3), Inus, Hinus, Itmus (Ann. Mettens.), Oenus.
(Jen Ist die Thätoromanische Form. Nachdem er das Engadin bis Martinsbruck
durchflössen imd die Enge bei Finstermünz passiert hat, setzt er seinen Lauf
im breiten Längstal fort, bis Zirl das Oberinntal, bis Kufstein das Unterinntal
bildend. Von hier an bricht er wieder durch ein Quertal und wendet sich der
Bairischen Hochebene zu. Von W. her geht ihm die Mangfall (Manicvalt) zu,
die den Abflufs des Tegernsees (726 m üb. M., 72 m tief) bildet; weiter
östlich der kleinere Schliersee (Slierseo), 778 m üb. M., 54 ra tief, dessen
Abflufs zur Mangfall geht.
Die zentrale Zone der Ostalpen beginnt beim Ii rennersattel und zieht
zwischen den grofsen Längstallinien ostwärts. Ihr gehören die Zill er taler
Alpen an, meist aus Urgesteinen bestehend, mit dem gleichnamigen Tal auf
der Nordseite (Cilaristal schon im XI. Jh., und der Flufs entsprechend Cylaren,
Cilarn), ferner die Hohen Tauern (1143 sab Thuro monte, 1224 Thür, Thttor,
1198 Duro monte), ein stattlicher Hochalpenzug mit vielen Schneefeldern und
Gletschern (Keese genannt) und besonders Wasserfällen ; die Haupterhebungen
sind der Grofsvenediger (3673 m), über dessen Namen verschiedene Ansichten
herrschen, und der Grofsglockner (3797 m), der höchste Berg der Ost-
alpen, von riesigen Gletscher f eklem umgeben. Das Isel- und Mölltal, die sich
im S. nach dem Drautal öffnen, gliedern einzelne Ausläufer der Tauern ab:
die Antholzer Alpen, Defferegger Alpen, den Schober und Kreuzeck. Im Osten
des Grofsen Arls und Malteintales bringt das obere Tal der Mur eine Spaltung
der zentralen Zone zuwege. Den nördlichen Zweig bilden die Niederen
Tauern, die bis zum PaltenLiesingtal reichen, ohne Schnee- und Gletscher-
felder sind und tiefere Kammeinschnitte als bequeme Cbergangsstrafsen zeigen.
Der südliche Zweig zwischen dem Mur- und Drautal wird unter der Bezeich-
nung der Kärntneriscli-Ste irischen Alpen zusammengefafst , welche
von Flufstälern durchfurcht in ihrer orographLschen Gesamtgestaltung mit den
oft meridional verlaufenden Ketten (Seetaler Alpen, Saualpe, Koralpe etc.)
von der alpinen Streichrichtung abweichen. Die Mur durchfielet bis Bruck
das Längstal. Ihr Name tritt auf der Peutingersehen Karte als Stationsname
in Murio schon auf; im Mittelalter in verschiedenen Varianten als Mttora,
Muera, Mura, Mner. Dir Quelltal, der Murwinkel, setzt sich im Lungau fort.
Bis Judenburg ist das Tal meist sehr eng; erst hier erweitert es sich zu dem
breiten, fruchtbaren Eichfeld, doch unterhalb Knittelfeld wird es wieder enger.
Bei Bruck biegt sie in südlicher Richtung in das Quertal ein, welches von Graz
an sich beträchtlich erweitert,
Die Teilungslinie zwischen der zentralen Zone und der südlichen Kalk-
zone bildet das Iiingstal der Rienz und der Drau. Das Toblacher Fehl bildet
zwischen beiden Systemen eine Talwasserscheide. Die Rienz geht westlich der
Etsch zu, die sie bei Brixen erreicht, Die Drau Hiefst östlich und verläfst bei
Marburg das Gebirge. Das Rienztal und Drautal bis Lienz wird als Pustertal
zusammengefafst; im Mittelalter Vallis Pustrism, in den Ann. Stadens. (SS. 16,
338) Pmterdal, wird etymologisch mit slav. pust = wüst, öde in Zusammen-
hang gebracht, entsprechend einem urkundlichen Zeugnis von 770: ab antiquo
tempore inanem atqne inhabibihihm esse cognovimns. — Die Drau heifst schon bei
den Alten Draus (Plin. IU, 147), bei Strabo (VIT. 314) Jgufiog, bei Ptolemäus
{IL 15. 1) Juoog, beim Geogr. Raven. (IV, 19) Dravis, im Mittelalter Dravns
(Paul. Üiac.), Tra, Trabtis, Traha, Drau, Droiva. Sie entspringt am Innichener
Eck und durchfliegt zunächst das Pustertal. Von der Einmündung des Deffer-
cggentales bei Lienz bis zu jener des Mölltales bei Sachsenburg weicht sie von
ihrer Ursprünglichen Richtung ab. Bis hierhin wird ihr Tal als OberdrautsJ be-
zeichnet, weiterhin bis Villach Unterdrautal, bis zur Einmündung «1er Gurk
Rosental. bis rnterdrauburg Jauntal (im Mittelalt,: Pagus Juna). Die Drau hat
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11. Gliederung der Alpen.
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ein sehr stark fliefsendes Wasser und wird erst bei Villach leidlich schiffbar.
Von ihren linksseitigen Nebenflüssen ist die Möll zu nennen (slow Bjela), die
durch die Vorberge der Hohen Tauern sich windet, die Lieser, zu welcher
der langgestreckte Millstätter See (580 m üb. M.. 277 m tief) ablliefst. Im Tal-
zuge des Tiebeibaches liegt der Ossiacher See (488 m üb. M., 46 in tief), weiter-
hin der Wörther See (439 ni üb. M., 44 qkm, 65 in tief), nach «1er im IX. Jh.
gegründeten Kirche Maria-Wörth benannt; er steht durch einen natürlichen
und künstlichen Wasserarm bei Klagenfurt mit der Glan, in Verbindung. Das
stark gewundene Tal der Gurk hegt in den Stangalpen. Der Name hat noch
nicht aus dem Slavischen erklärt werden können. Von Althofen an durch-
fliefst sie das Krappfeld, ihr rechter Nebenflufs die Glan unterhalb St. Veit das
Zollfeld (schon im VIII. Jh. so genannt). Ein breites Tal zwischen Saualpe
und Koralpe durchfliefst auch die Lavant (im IX. Jh. lAtbanta, auch Lavint,
Lavende), die bei Lavamünd in die Drau fallt, Von Unterdrauburg an fliefst
die Drau im mäfsigen Wechsel der Richtung bis Marburg, zur Rechten einge-
fafst von den Abdachungen des granitisehen Bacher Gebirges mit seinen
reichen Weinorten, zur Linken vom flachen Molasserücken des Pofsruck,
an welchen sich im N. bis zur Mur hinüber die Windischen Büheln mit
ihren fruchtbaren Gehängen angliedern.
Südlich an die Drau schliefst sich die südliche Kalkzone der Ost«
alpen, die sieh vom Eisaek-Etsehtal reich gegliedert nach Osten zieht, Ihr
westliches Glied bilden die in viele Stöcke aufgelösten südtirolischen Dolomit-
alpen, deren westlicher Abschnitt eine sehr bunte geognostische Zusammen-
setzung zeigt, da neben Porphyr (bei Predazzo, im Fassatal, Seifseralp) auch
Granit (Cima d'Asta), rote und schwarze Sandsteine, Konglomerate u. a. ver-
treten sind. Die östliche Hälfte setzt ganz triassiseher Dolomit zusammen mit
seinen seltsam zerrissenen Bergformen und Schluchten. Stattliehe Täler durch
furchen che Massive, wie das Grödnertal zum Eisack, die Badia (Abteital) zur
Rienz, das Ampezzotal südöstlich zur l*iave. Weiterhin folgen die Karni-
schen Alpen (Alpes Carnicae), die durch das Gailtal in die Gailtaler Alpen
mit dem Dobratsch (21 67 m) am östlichen Ende und die Südkarnischen Aloen
geschieden werden. Ober letztere führt der wichtige Pontebbapafs oder Pafs
von Malborghet von Villach nach Chiusaforte in das Tal der Fella. Das Iiingstal
der Gail (Vallis Julia, ital. Valle güia, slav. Prsile) heilst am oberen Ende bis
Mauthen Lessachtal und ist dort tief eingeschnitten, dann verbreitert es sich ;
unterhalb Villach mündet der Flufs in die Drau. In der Streichrichtung der
Südkarnischen Alpen liegen die Kara wanken, bei Ptolem. II, 14,1 o Kugov-
t'tyxug und HI, 1,1 Kugovoadiog versehrieben, obwohl letzteres auch die alte
Bezeichnung für Karst sein könnte. Sie sind, das Drautal im S. begleitend,
ein langer, öder Kalkrücken von sehr geringer Breite Sie bilden die Grenze
zwischen Kärnten und Krain und die Wasserscheide zwischen Drau und Save.
Der Loiblpafs (1370 m). von Klagenfurt nach Neumarkt in das Feistritztal
führend, verbindet beide Seiten des Gebirgszuges. Etwas südlicher erhebt sieh
ein auch geognostisch selbständiger Gebirgsstoek die Sanntaler oder
Steiner Alpen, auch Sulzbacher Alpen genannt, mit dem Grintouz (2559 in)
auf der Grenze von Kärnten, Krain und Tirol. — Den südlichsten Abschnitt
von wirklich alpinem Charakter noch bilden die Julisehen Alpen, Alpes
Jnliae (Tacit. bist, in, H; Ammian. 21, 9 u. ö.), meist aus Kalk zusammen-
gesetzt. Der höchste Punkt ist der Triglav oder Terglou (2864 m). Von Tarvis
führt südlich die Strafse über den Predilpafs (1162 m) in das Tal des Isonzo
nach Flitseh. In dieser Gebirgsgmppe entspringt auch die Save oder Sau
in zwei Quellflüssen, der Wurzener Save und der Wocheiner Save, beide aus
den gleichnamigen Seen hervorgehend. Der Name des Flusses Sanis und Saus
erscheint mehrfach bei Plinius, Justin 32,3, als 2uog bei Strabo IV, 207, VH,
314, 2aovo$ bei Ptol. II, 16, 1 u. ö. Im Mittelalter treten dann die Formen Saica,
Sowa und Samts auf. Sie durchströmt die weiten Ebenen von Krainburg und
Laibach und nimmt mehrere Nebenflüsse in sich auf: von links her die Sann
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42 I. Physische Geographie.
i
von den Sanntaler Alpen, bei Cilli scharf nach S. umbiegend zur Save, von
rechte her die Laibach und die Gurk. Der Name der ersteren lautete im
Mittelalter auch Libnitza. Man hält ihn trotz der deutschen Umformung für
slaviseh.
Die nördliche Kalkzone der Alpen beginnt beim Inn und dem Zillerbach,
und zwar mit den Kitzbühl er Alpen, die östlich bis zur Saalach und dem
Zellersee reichen und nördlich bis an die Bairische Hochebene. Während im
südlichen Teil ein durchgehender wasserscheidender Gebirgsrücken hervortritt,
ist der nördliche in eine Anzahl gröfserer und kleinerer Gebirgsstöcke von
mäfsiger Ausdehnung zergliedert. Unter diesen sind nach dem Inntal zu das
Kaisergebirge mit dem Hinteren Kaiser (1996 in), südlich von ihm dem Vorderen
Kaiser (2375 m), sowie die Hohe Salve die bedeutendsten. Das Grofsachental
vom Thurnpafs an durchzieht in südnördlicher Richtung diese Alpengruppe
bis zum Chiemsee. Östlich der Saalach erfüllen das stumpfe Flufsknie der
Salzach die Salzburger Alpen mit ihren grofsartigen Kalkplateaus, wie das
Steinerne Meer, das Ewig-Schneefeld mit seinen Gletschern, der Watzmann
(2740 m), Hochkalter (2629 m). Nördlich vom Steinernen Meer liegt tief ein-
gesenkt der Königssee oder Bartholomäussee (603 m üb. M., 6,5 qkm, 215 m
tief); er erscheint als Chunigessee schon 1133. Doch kann diese Form unrichtig
überliefert sein ; hierüber s. Egli, Nom. geogr. p. 500. Auf dem Übergange
vom oberen Saalachtal nach dem der Salzach liegt der kleine Zeller See (740 m
üb. Meer, 73 m tief). Das grofse Längstal der Salzach bis Taxenbach bildet
den Pinzgau, dessen Talsohle stark versumpft ist und zugleich auch wegen
des rauhen Klimas benachteiligt ist. Der Name des Pinzgaues wird mit Bison-
tiutn und der alten Völkerschaft der Ambisontier in Zusammenhang gebracht.
Im Mittelalter lautete er Pinuzgouua, Phinzgowe u. ä. Bei St. Johann biegt die
Salzach in die nördliche Richtung ein; ihr Tal und das ihrer Nebenbäche
bildet hier den Pongau (Pongowe), während der Flufs bei Holling in den
Salzachgau tritt. Zwischen dem Hagen- und Tänncngebirge verengt sich ihr
Tal sehr bedeutend ; der Flufs windet sich durch den Pafs Lueg, der wegen
seiner Enge leicht gesperrt werden konnte. Weiter unterhalb passiert er die
sog. Öfen, Schluchten, erfüllt von grofsen Felsblöcken. Dann wird das Tal bis
nach Salzburg hin sehr viel breiter.
Die Oberösterreichischen Alpen erfüllen den Raum von der
Salzach bis zur Enns. Sie sind im grofsen ganzen aus Triaskalk zusammen-
gesetzt, während im S. ein Streifen des Übergangsgebirges, im N. eine Zone
neogener Sandsteine entlang zieht. In orographischer Beziehung tritt in ihnen
weniger der kettenartige als vielmehr der gebirgsstockartige Typus hervor.
Eine hochalpine Natur mit einigen wenigen Gletschern und grofsen Karren-
feldern ist nur im südlichen Teile anzutreffen. Die mittlere Partie im Gebiete
des Traun flusses birgt die grofsen Salzlager, welche diesem Teil auch den
Sondernamen Salzkammergut eingetragen haben. Am südlichen Rande erhebt
sich das gewaltige Hochplateau des Dachsteins, der nach S. steil zum Enns-
gebiet und ebenso nach N. zum Hallstättcr See abfällt. Seine Maximal-
erhebung erreicht 2996 m. Er bildet «lie Grenze von Ol »erÖsterreich, Salzburg
und Steiermark; seine wissenschaftliche Erforschung verdanken wir Friedr.
Siniony. Westlich bis zur Salzach gebt das Tänncngebirge (Raucheck 2428 in),
im N. der Dachsteingruppe folgen das Ischler Gebirge (Ganisfeld 2024 m),
der Kücken des Schafberges (der österreichische Rigi, 1780 m), das Höllen-
gebirge. Die östliche Hälfte der Gruppe bilden: Totes Gebirge, Sengsen-Ge-
birge, Pyrgas und Buchsteingruppe, letztere am Knie der Enns. Auch hier
herrschen überall die Kalkstöcke vor mit ihren öden, meist vegetationslosen
Plateauflächen.
Die Traun (Druim, Trum) entspringt am Südabhang des Toten Ge-
birges und bildet schon im Oberlauf den AbHufs kleinerer S^'en, des Töplitz-,
Gründl- und Altausseer Sees. Sie durchliefst im weiteren den Hallstättcr
See 492 in üb. M., 8,8 qkm, 125 m tief), von schroffen Bergmassen uni-
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11. Gliederung der Alpen.
43
schlössen. Am südwestlichen Ende bei Lahn wurde 1846 ein prähistorisches
Gräberfeld aufgedeckt, welches neben bronzenen auch bereits eiserne Gerät-
schaften aufwies (sog. Hallstatt-Periode). Bei Ischl nimmt die Traun den gleich-
namigen Flufs auf, der dem Abersee oder St. Wolfgangsee entquillt; im
VIII. Jh. Abria locus, Aparinesseo, Apirinesseo, IX. Jh. Bald darauf tritt sie in
den malerischen Traunsee (Trunseo), 422 m üb. M., 24 qkm, 191 m tief. Nach
ihrem Austritt bei Gmunden verläfst sie die Gebirgszone und wendet sich nord-
östlich der Donau zu. Bei Lambach nimmt sie die Ager in sich auf, die ihrer-
seits den Abflufs mehrerer Seen bildet, des Fuschlsees und Zeller Sees, dann
des Mondsees (476 m üb. M., 68 m tief), Lunnelacus, Maninseo, Mansee, Monen-
sett'ensis, unzweifelhaft nach seiner Gestalt so genannt. Die Seeache verbindet
ihn mit dem Atter- oder Kammersee (Atarseo, Aterse); der zweite Name
nach dem Schlosse Kammer am Nordende. — Nordlich von diesem Seengebiet
liegt ausserhalb des Gebirges ein niedriges, waldreiches Bergland, der Hausruck
(Husruke XII. Jh., Hnsrugkun, Husrnggin), welcher im Göblberg in 790 in kul-
miniert. Die Enns umzieht die Oberösterreichischen Alpen im S. und O. Ihr
Name tritt, in späteren Inschriften auf als Anisus, Anasus, im Mittelalter Anesas,
Ans. Enesis. Ihr langgestrecktes Längstal ist verhältnismäfsig breit und stellen-
weise sumpfig. Oberhalb Hieflau verengt sich das Tal zu dem sog. Gesäuse ; bei
dem genannten Ort wendet sich der Flufs in meist engem Durchbruchstal nördlich.
Bei Steyr nimmt er den gleichnamigen Flufs (Stirn) von links her in sich auf.
Die Nordsteirischen Alpen liegen in der Fluchtlinie der Niederen
Tauern, von denen sie das Palten-Liesingtal mit der Walder Höhe als Tal-
wasserscheide abtrennt. Enns und steirische Salza im N., Mur und Mürz im S.
bilden die weiteren Absehlufslinien. Die Hochschwab-Gruppe (2278 m) mit
ihren Plateaufläehen zeigt wieder den echten Typus der Kalkalpenlandsehaft ;
ebenso weiter östlich die Veitsch-Alpe (1982 m). Von Hieflau a. d. Enns führt
eine wichtige Strafse über den Prebühl oder Eisenerzer Tauern (1227 in) nach
Iveoben an (he Mur.
Die Niederösterreichischen Alpen östlich der Enns und nördlich
der Salza, oberen Mürz und des Semmering bilden bis zur Donau den nord-
östlichen Ausläufer des Alpengebirges. Sie erreichen in ihren plateauartigen
Bergstöcken noch beträchtliche Höhen (Student 1531 m, Schnee-Alpe 190-1 m,
Rax-Alpe 2009 m). Von letzterer durch das Höllental des Schwarzallüfsehens
geschieden, steigt der vielbesuchte Schneeberg auf (2075 m). Nach N. erniedrigt
sich das Gebirge mehr und mehr; das letzte Glied bildet der aus Kalk und
Sandstein zusammengesetzte breite Rücken des Wiener Waldes (Möns Cetius,
Ptol. II, 13,1 CIL p. 683 0, der mit dem Leopoldsberg oberhalb Wien ;449 m
hoch) an der Donau endigt, Den östlichen Abschlufs der (Jcbirgszone bildet
das Wiener Becken. — Eine Reihe kleiner Flüsse entwässert das reichgegliederte
Bergland der Niederösterr. Alpen zur Donau, so die Ybbs oder Ips {Ipsa, Ibis«,
Ipisa), die Erlaf (Erlaßt, Erhuh). die Pielach (Pila auch Bielahn, Pielaha), die
Traisen (Triesmu, Treisimu X. Jh., Treisma, im Niebelungenliede Treisen), der
Tullnerbach (Tallinn). Nach O hin und ebenfalls zur Donau gehen die Wien.
Liesing (Lieznicha), Schwechat (Snechant, Suehhent), Triesting ( Trisfnicha), ein
Nebenrlufs der vorigen, Piesting (Biesnuha, Pistnirha), Leitha (Litaha, Litach)
mit ihren Oberläufen Schwarza und Fitten.
Südlich des Semmering und östlich der Mur setzt sich die Zone der
Zentralalpen , die wir oben bis zur Mur verfolgt hatten, als Steirische
Niederalpen fort, Sie sinken nach O. hin immer mehr zum einfachen
Hügelland herab. Der Hochlantech 1722 m in der Nähe der Mur ist der
höchste; der Röthelstein südwestlieh von ihm 1231m. Im NO. erreicht die
Wechsel-Gruppe mit 1738 m die gröfste Höhe; ihr ist im N. die Semmering-
Gruppe vorgelagert mit dem gleichnamigen Pafs (980 m); wie der Wechsel
bildet sie die niederösterreiehisch-steirisehe Grenze. — Wasserreiche Flüsse
nehmen in dieser Alpengruppe ihren Ursprung: die Raab (Halm, Arrobo, Hrabn)
mit der Lafnitz (Labenza, Lavenata) und diese mit der Feistritz.
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1. Physische (ieographie.
12. AlpenTOrland. Zwischen den Alpen einerseits und dem Schweizer
Jura, Schwäbischen Jura und Böhmerwald anderseits befindet sich
eine langgezogene Einsenkung, die mit Rücksicht auf die rings umge-
benden Berglandschaften als solche bezeichnet werden mufs, während
sie ihrer absoluten Höhe nach vielmehr eine Hochebene ist und auch
so genannt wird. Sie erstreckt sich vom Genfer See bis an die Donau
bei Wien und ahmt so im allgemeinen die schwache Krümmung des
Alpenbogens nach ; ihre Breite schwillt von W. nach 0. zuerst allmählich
an, um dann wieder abzunehmen. Ihrer Entwässerung nach gehört sie
teils dem Rhein-, teils dem Donausystem an. Der Bodensee, der sich
quer über die Hochebene legt, sowie die Salzach- und Inntalfurche
gliedern sie in drei Abschnitte : die Schweizerische Hochebene, die Ober-
deutsche Hochebene und das Osterreichische Alpenvorland. In geogno-
stischer Beziehung setzt sie sich aus relativ jugendlichen Gesteinsschichten
zusammen, da hier bis weit in die Tertiärzeit lünein noch das Meer
flutete.
Die Schweizerische Hochebene ist muldenförmig zwischen
Alpen und Jura eingesenkt und hat eine durchschnittliche Breite von
nur 30 km. Sie ist keineswegs, wie man dem Namen nach annehmen
sollte, eine Ebene, sondern von einem reich gegliederten, anmutigen
Hügellande durchsetzt, welches die fruchtbarsten und zugleich auch am
dichtesten besiedelten Gebiete der Schweiz bildet. Während im NW.
die Mauer des Jura steil abbricht und die Hochebene scharf abgrenzt,
flacht sich auf der anderen Seite das Alpenland sehr viel allmählicher ab.
Die tiefsten Stellen der ganzen Einsenkung ziehen sich daher am nord-
westlichen Rande entlang; sie sind zum Teil von langgestreckten Seen
eingenommen, wie dem Neuenburger, Murten- imd Biel er See, und haben
weiterhin eine Sammelrinne geschaffen, die Aar, welche auch die übrigen
Gewässer dieses Alpenabschnittes in sich aufnimmt.
Die Oberdeutsche oder Schwäbisch-Bairische Hoch-
ebene hat der vorhergonannten gegenüber eine weit gröfsere Breite,
die bei Regensburg bis auf 140 km ansteigt. Ihre mittlere Höhe beträgt
etwa 500 m. Der flache Bogen der Donau bildet im allgemeinen die
nördliche Grenze. Trotz der äufseren Gleichförmigkeit trägt sie doch
strichweise ein verschiedenes Gepräge. Die südliehe, dem Fufs der
Alpen entlang streichende Zone hat in jüngster geologischer Zeit noch
ganz unter dem Einflufs der Alpen gestanden; denn die mächtige Eis-
decke, die das Alpengebirge einhüllte, schob sich auch auf die Hoch-
ebene ein Stück vor und hat die bemerkenswertesten Spuren ihrer ehe-
maligen Existenz hinterlassen. Die am weitesten nach N. reichenden
Moränenzüge geben die Ausdehnung der Vereisung an, die besonders
in den Talzügen der Donauzuflüsse sich bemerkbar macht. Ohne ihre
Grenze hier im einzelnen genau zu bestimmen, sei nur bemerkt, dafs
die erste Vereisung etwa bis zur geographischen Breite von München
reichte. Für diese Zone sind die beckenartigen Senken charakteristisch,
die teils mit Wasser ausgefüllt als Seen auftreten, teils bereits in Mooro
übergegangen sind oder auf dem Ubergangsstadium von einem zum an-
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12. Alpenvorland.
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deren sich befinden. Der Ammersee, der Würm- oder Starnberger See
und der Chiemsee sind die gröfsten. Die Moore oder Möser (Plural,
von Moos) des Moränengebietes (das Wilhelmsdorfer, Wurzacher, Mur-
nauer, Schlehdorfer, Rosenheimer Moos) sind durchgehends sog. Hoch-
moore, die aus atmosphärischem Wasser entstehen und in lehmbedeckten
Mulden ruhen. Wie hinsichtlich der Beschaffenheit des Wassers, so
unterscheiden sie sich auch den in ihnen auftretenden Pflanzengattungen
nach von den Wiesenmooren. Beachtenswert ist ferner, dafs jene Seen
sich alle innerhalb der Moränenlinie halten, also mit der ehemaligen
Vereisung in einem ursächlichen Zusammenhange stehen müssen. An
die Moränenzone schliefst sich weiterhin jene der Schotterflächen an,
die von den Gletscherschmelzwassern aufgeschüttet worden sind, im
ganzen wenig Unebenheiten zeigen, aber im oberen südlichen Teil ein
bedeutendes Gefälle haben. Die deshalb tief eingeschnittenen Flufstäler
verbreitern sich unterhalb mehr und mehr und gehen schliefslich in
ganz flache Talbecken mit geringem Gefälle über. Auch hier tritt die
Moorbildung in verstärktem Mafse auf. Sie ist aber im Gegensatz zu
den Moränenmooren wesentlich auf das Hervortreten des Grundwassers
zurückzuführen, welches in den höheren, südlichen Schottorgebieten ein-
sickert, in der Tiefe aber auf die stark undurchlässige Schicht der ter-
tiären Süfswassermolasse stöfst und an deren Oberfläche latent in der
Erde weiterfliefst. Dieses Wasser tritt in den Mooren als den tiefsten
Stellen wieder zu Tage. Sie werden deshalb auch Quellraoore oder Tal-
moore genannt (Penck). Das Dachauer und Erdingor Moos nördlich von
München sind die ausgedehntesten. An diese Zone der Schotterflächen
schliefst sich nördlich das tertiäre Hügelland an, welches durch dio
Unterläufe der Alpenflüsse tief durchfurcht ist. Der vordere Rand dieser
Hochlandsplatte bricht steil nach dem Donautal zu ab und überragt
dieses nicht unbeträchtlich ; der relative Höhenunterschied nimmt donau-
abwärts von 80 bis auf 250 m bei Passau zu. Indessen steigt «lieser
Rand nicht unmittelbar über dem Donauspiegel auf, sondern entfernt
sich oft bedeutend von ihm und läfst somit Raum für die grofsen Moor-
flächen, die den Hauptstrom begleiten.
Das Österreichische Alpenvorland jenseits der Salzach hat
eine mittlere Höhe von 480 m. Diese verhältnismäfsig hohe Mittelzahl
wird durch die 800 m Höhe erreichende Anschwellung des Hausruck
bewirkt. Das Vorland, welches die Donau im Norden abschliefst, ist nur
etwa 15 km breit und verjüngt sich nach O. hin immer mehr in dem
Mafse, als die Alpen selbst sich der Donau nähern. Die entsprechend
kurzen Unterläufe der Alpenflüsse (Traun, Enns, Ybbs [Ips], Erfat und
Traisen) durchqueren es und haben es in eine Anzahl von Höhenzügen
zergliedert.
Auf der Schweizerischen Hochebene stehen die genannten drei Sren durch
Flüsse miteinander in Verbindimg und werden gemeinsam nach der Aar hin
entwässert. Der Neuen bürg er See, Lac de NeufchAtel (39 km lang, 240 qkm,
153 m tief), hatte vormals einen etwas höheren Wasserstand, der nach Regu-
lierung der Juraflüsse auf 432,7 m gebracht worden ist, Am oberen Ende liegt
Yverdun, das alte Eburodunum, nach welchem der See im Mittelalter Locus
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4G
L Physische Geographie.
Elmrodunensis genannt wurde. Bei jenem Ort mündet die Thiele mit der Orbe
ein, um unteren Ende die Broye, die den Murtensee durchrliefst. Die Thiele
oder in deutscher Umformung Zihl führt vom Neuenburger nach dem Biel er
See hinüber, den sie am unteren Ende nach der Aare hin verläfst. Die ge-
waltige Zufuhr von Wassernnissen, die besonders durch die allerdings nur kurzen
Jurazuflüsse herbeigeführt wurden, die Geschiebeablagerungen der Aare, die
rückstauend wirkten , hatten das sog. Seeland durchfeuchtet und teilweise in
einen Sumpf verwandelt, während es zur Römerzeit noch ein fruchtbares Gebiet
gewesen zu sein scheint. Bei jedem Hochwasser wurde es weithin überschwemmt.
Schon am Ende des XVII. Jahrhunderte hatte man den Versuch gemacht, das
Wasser aus dem ewigen Sumpf herauszuziehen und einen dauernden Abrlufs
zu schaffen. Erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderte aber wurde das
En t wasser ungs werk im grofsen Stile durchgeführt; der von La Nicca entworfene
Plan zielte auf eine Senkung der Seespiegel höhen ab. Durch Kanalanlagen
(Niedau — Büren, Aarberg — Hageneck) und Flufskorrektionen gelang endlich das
Riesenwerk der Enteumpfung, wodurch an 16000 ha gewonnen wurden. Der
Murtensee ist von 434 auf 433 m gesenkt worden, der Neuenburger See von
433,7 auf 432,7, der Bieler See von 432,5 auf 432 m. Vgl. Schneider, Das
Seeland der Westeehweiz und die Korrektionen seiner Gewässer, Bern 1881.
Ein zweites kleineres Seengebiet findet sich innerhalb des Hügellandes
zwischen Aare und Reufs: der Sempacher See (14 qkm, 507 m üb. M.), Bald-
egger See (5 qkm) und llallwiler See 10 qkm, 452 m üb. M.). Ersterer wird
durch die Suhr, letztere beiden durch die Aa nach der Aare entwässert, über
die Aare selbst vergl. oben p. 36.
Die Oberdeutsche Hochebene wird von Flüssen durchzogen , die in der
westlichen Hälfte bis zum Lech eine mehr südnördliche Richtung innehalten,
während sie in der östlichen Hälfte etwas regelloser fliefsen, im allgemeinen
aber eine nordöstliche Richtung hervortreten lassen. Die grösseren Flüsse ent-
springen ausnahmclos in den Alpen, wo sie oben bereite Erwähnung gefunden
haben, während die kleineren innerhalb der Hochebene selbst ihren Ursprung
haben. Westlich der 111er gehört der südliche Teil mit den beiden Aachflüfsehcn,
dem Schüssen und dem Argen, noch dem Rheingebiet an. Die orographisch
wenig hervortretende Bodenschwelle gegen das Donaugebiet bildet einen Teil
der Hauptwasserscheide Europas, über die unterirdische Verbindung beider
Flufssvsteme vgl. unten den Abschnitt über die Donau. Iiier, Lech, Isar und
Inn sind in den unteren Strecken, wo sie in breiten, flachen Talböden fliefsen,
von vielen Nebenrinnsalen und Altwassern begleitet. Lech und Wertach haben
«•innerhalb der Hochebene das gröfste Gefälle; zwischen ihnen liegt bis nach
Augsburg reichend das Lechfeld, ein mit Kalkgcröllen erfüllter I^andstrieh
stellenweise mit Torfmooren und einigen fruchtbareren Lehminscln durchsetzt
— Ein linksseitiger Nebenfluls der Isar ist die Ammer (Ambra), die den gleich-
namigen See, Ambriuc locus durchfliefst (46 qkm, 540m üb. M., 82 m tief). Un-
weit südöstlich von ihm liegt der Würm- oder Starnberger See (48 qkm,
583 m üb. M., 245 m tief). Er wird von der Würm durchflössen, die dem
Dachauer Moos sich zuwendet, durch Kanäle aber schon vorher mit der Isar
unterhalb München direkt in Verbindung gesetzt ist.
Der gröfste ist der Chiemsee, das Bairische Meer genannt (192 qkm,
503 m üb. M., 89 m tief) mit flachen Ufern. Er mute ehedem eine weit grö teere
Ausdehnung gehabt haben, auch nach der Gebirgsseite im S., wo die alte
Römerstrafse im Bogen herumführte, während sich jetzt die Eisenbahn etwas
nördlicher hält. Er hat seinen Namen nach dem am Ostufer gelegenen Chie-
ming und wird so schon seit dem VIII. Jh. genannt: Chiminsaeo, Chiminsct.
Kit'inse, Chemikern; auch der zugehörige Gau Chiminegowe heifst nach ihm.
Sein Zutlufs im S. ist der aus dem Leukental hervorgehende Achen, sein Ab-
flute die Alz. die in den Inn mündet. In der südwestlichen Ecke liegen zwei
Inselchen : Herrenwörth (Herrenchiemsee) mit einer im VIH. Jh. gegründeten
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13. Dunau.
47
Benediktinerabtei (—1803) und Frauen Wörth (Frauenchiemsee) mit ehemaliger
Benediktinerinnenabtei.
Walther, Topische Geographie von Bayern, München 1844. Penck,
Vergletscherung der Deutschen Alpen, Lpz. 1882. Gruber, Das Münchener
Becken, in Forsch, z. dt. Ixlkde. 1 (1885), wo u. a. besonders die Moorbil-
dungen behandelt werden ; die Literatur über sie gibt er im Jahresber. d. Geogr.
Ges. München 1884. Penck, Deutsches Reich p. 135 ff.
18. Donau. Im Gegensatz zu den übrigen grofsen mitteleuropäischen
Strömen, die im allgemeinen in nördlicher Richtung der Nord- und
Ostsee zustreben und das Binnenland dem Meere und dem Weltverkehr
erschliefsen , bildet die Donau als einziger Flufs dieser Art die grofse
Diagonale durch den Rumpf des Kontinents. Sie führt allerdings nicht
in das offene Weltmeer, sie hat aber in der Geschichte als Naturstrafse
zwischen Westeuropa und Halbasien oftmals eine grofse Rolle gespielt
und die friedlichen wie feindlichen Beziehungen zwischen West und Ost
vermittelt. Die vielerlei Hindernisse, die das Strombett solbst und das
Tal bieten, haben sie freilich niemals zu einer Verkehrsstrafse ersten
Ranges gedeihen lassen; es ist jedoch hierbei zu berücksichtigen, dafs
das ganze untere Donauland jahrhundertelang im türkischen Macht-
bereiche gelegen hat. Der Levantehandel umging es daher und wählte
allen natürlichen Gegebenheiten zum Trotz die umständlich zu passieren-
den Alpenstrafsen.
Die Donau ist sowohl der Länge als auch dem Stromgebiet nach
nächst der Wolga der zweitgröfste Strom Europas. Der gewaltige 2860 km
lange Strom, der ein Gebiet von 817000 qkm entwässert, durchfliefst
wie kein zweiter europäischer Flufs die verschiedenartigsten geographischen
Provinzen, und sein Tal zeigt daher oine ebenso mannigfaltige Beschaffen-
heit. Bald strömt er im tischgleichen Flachland dahin und hat kaum
die Kraft, seine Sedimente mit fortzuschleppen, bald wieder zwängt er
sich durch ein enges Gebirgstor hindurch , wo die Bergwände steil aus
dem Wasser aufsteigen. Die beiden Quellbäche Brege und Brigach
liegen am Abhänge des Sehwarzwaldes und vereinigen sich bei Donau-
eschingen, wo sie durch einen dritten Quellbach noch verstärkt
werden. Der vereinigteFlufs durchbricht dann den .Jurazug in einem
malerischen Tal bis unterhalb Sigmaringen, um von Scheer an in ein
etwas breiteres Talbecken einzugehen. Von Ulm an , wo er eine Höhe
von 466 m üb. M. hat, wird das Tal immer breiter, grofse Moor-
flächen, das sog. Donauried , begleiten ihn dann auf beiden Seiten.
Erst unterhalb der Lechmündung bei Xeuburg tritt eine Verengerung
des Talbettes ein , worauf dann wieder das weite Tal hecken von Ingol-
stadt folgt, wo der Strom viele Nebenrinnsale zeigt und zur Rechten
das Donaumoos streift. Bei Kelheim, wo die Altmühl mündet, stellt
sich die zweite Verengerung des Tales ein. die fast bis zur Ein-
mündung der Naab den Flufs begleitet. Bei Regensburg (340 m) hat
die Donau ihren nördlichsten Punkt erreicht und wendet sich von
hier südöstlich auf Passau (287 m) zu; sie durchströmt ein weites Tal.
welches im Gegensatz zu den voraufgehenden sumpfigen Talbecken
durch grofse Fruchtbarkeit ausgezeichnet ist und den sog. Dungaboden
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48
L Physische Geographie.
oder Dunkelboden (auch Donaugauboden) bildet, in dessen Mitte Straubing
gelegen ist. Sie begrenzt im weiteren den Südrand des Bairischen
Waldes. Da bei Peitling auch von S. her die Bairische Hochebene in
beträchtlicher relativer Höhe an sie herantritt, so wird ihr Talboden
von neuem stark eingeengt, und dies nimmt flufsabwärts noch mehr zu.
Bei Passau mündet überdies der Inn ein, so dafs auch ihre Wasserfülle
entsprechend verstärkt wird und die Flufsspiegelbreite auf 200 m ansteigt.
Auch unterhalb Passau bis Aschach fliefst sie in engem Talbett von
liohem malerischen Reiz, dem Rhein vergleichbar. Auf österreichischem
Gebiet wiederholen sich die Talweiten und Talengen mehrmals hinter-
einander, denn der Strom hat hier die herüberreichenden Massive des
Böhmerwaldes durchbrechen müssen. Er tritt bei Aschach in das
Becken von Eferding, wo er sich wieder stark zerteilt. Nach Passieren
eines Granitriegels erreicht er das langgestreckte Becken von Linz und
Enns mit abermaligen Flufsteilungen besonders unterhalb der Traun und
der Enns. Bei Grein beginnt dann ein sehr langes Durchbruchstal,
welches wegen seiner Gefährlichkeit in früherer Zeit auch ein empfind-
liches Hindernis für die Schiffahrt gebildet hat. Stromschnellen, der
»Schwall und der Strudel« stellen sich hier ein. Eine andere Schnelle, der
»Wirbel«, ist seit 1861 durch Sprengungen gänzlich beseitigt worden. Die
Talengen halten an, nur einmal unterbrochen durch das kleine Becken
von Ips. Bei Krems tritt dann wieder eine beträchtliche Erweiterung
des Tales ein, das sog. Tullnerbecken. wo der Strom wie im Flachlande
fliefst und sich mehrfach verzweigt, so dafs ein ausgebildetes System von
Nebenrinnsalen geschaffen wird , an dem auch die hier einmündenden
kleineren Flüsse mitbeteiligt sind. Die letzte Enge folgt dann zwischen
Kor- und Klosterneuburg, wo der Strom zur Rechten die letzten Aus-
läufer der Alpen berührt und in die grofse Tieflandsmulde von Wien
eintritt. Sie bildet eine lange, hin und wieder auch von Hügeln durch-
setzte Einsenkung, die nach beiden Seiten hin flügelartig ausladet. Der
Abschnitt nördlich der Donau bildet das von der unteren March durch-
flossene fruchtbare Marchfeld, während der südliche Abschnitt zwischen
den Alpen und dem Leithagebirge bis über Wiener- Neustadt hinaus-
reicht und in seinem südlichsten Teile das Neustädter Steinfold bildet.
Die aus den Alpen hervorgehenden Flüfschen Schwechat, Triesting,
Piesting und Leitha lenken sämtlich nach N. ein und durchfliefsen den
südlichen Abschnitt der Länge nach. Die Donau flofs hier in einem
sehr unbestimmten, infolge der Überschwemmungen sich häufig ver-
änderndem Bett und gefährdete ihre Umgebung, nicht zum wenigsten
auch die Hauptstadt. Die Flufskorrektion hat diesem Übelstande abge-
holfen. Durch die Enge von Theben oberhalb Prefsburg zwischen den
Kleinen Karpathen und dem Leithagebirge verläfst die Donau das
Wiener Becken und tritt in die Kleine ungarische Tiefebene ein. Sie
hat hier an der Porta Hungarica eine Breite von 290 m und eine Tiefe
bis zu 6 m erreicht.
Die Griechen lernten die Donau im VII. vorchristlichen Jahrh. kennen und
nannten sie nach der thrakisthrii Bezeichnung Istros (irsTQo;), ein Name, den
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13. Donau. 49
auch die Römer als Ister, Hitter beibehielten. Bei Stephanos und Eustathios
wird auch noch von einem älteren Namen Maroa? berichtet, für den skythi-
schcr Ursprung vermutet wird. Der Name Danuvius wird uns zuerst bei Caesar
(bell. gall. VI. 25) erwähnt, dann bei Sallust (Hißtor. fragm. III, 79). Letzterer
scheint Danuvius und Hister schon als Namen eines und desselben Flusses ge-
kannt und jenen für den Oberlauf, diese« für den Unterlauf verwendet zu
haben, was später allgemein üblich wurde. Über den Grenzpunkt beider Namen
innerhalb der Stromstrecke gingen die Ansichten der Alten auseinander. Nach
Plinius IV, 79 wurde der Flufs bis zur illyrischen Grenze Danuvius genannt,
was mit Appian (lllyr. 22), der den Trennungspunkt am Einflufs der Savc in
die Donau ansetzt, sich vereinbaren läfst. StraDo VII, 305 sucht ihn bei den
Katarakten (am eisernen Tor), Itolemäus III, 10, 1 bei der untermösisehen
Stadt Axiupolis und andere wieder an anderen Stellen. Indessen schon Plinius
und noch mehr die Späteren gebrauchen Danuvius und Hister unterschiedslos
für den ganzen Flufs. Auf den Inschriften lautet die Form fast ausnahmelos
Danuvius. während die Handschriften meist Danubius haben, was durch die
griechische Form Juvavßmq mit befördert sein mag. Dafs der Name keltischer
Abkunft ist, gilt jetzt allgemein als sicher. Vgl. im übrigen den sehr ausführ-
lichen Artikel Danuvius von Brandis in Wissowas Realencyklopädie IV (1901).
Müllenhoff DA. II, 362 ff. Im Mittelalter werden die lateinischen Namens-
formen verwendet. Im Nibelungenlied heifst der Flufs Tuonowe, im XVI. und
XVII. Jh. sind Formen wie Tutuiw, Dunatc, Donato häufig.
Die Wasserscheide zwischen Donau und Rhein ist eine wenig hervor-
tretende Bodenschwelle, die durch Moränenzüge markiert ist. Es darf jetzt als
erwiesen angesehen werden, dafs zwischen dem oberen Donaulauf und dem
Rheinsystem eine unterirdische Verbindung existiert. Zwischen Immendingen
imd Möhringen verliert die Donau in den Kalken des Weifsen Jura viel Wasser,
welches 12 km entfernt in der Aachquelle bei Aach im Hegau wieder hervor-
tritt. Diese Tatsache ist bereits 1719 vom Prälaten Brenninger erkannt worden.
Auch sonst macht sich die Tendenz bemerkbar, dafs die obere Donau einen
Anschlufs an den Rhein sucht; so verlängert der Krottenbach, ein Nebenflufs
der Wertach, sein Tal rückwärts und ist nur noch 5 km von der Donau ent-
fernt, so dafs er sie unterhalb Donaueschingen dereinst zu sich ablenken kann.
Über »Die Talgeschichte der obersten Donau« handelt-Penck in den Schriften
des Ver. f. Gesch. des Bodensees und Umgebung, 28. Heft, 117—130. Den Be-
weis für die hydrographischen Beziehungen zwischen Donau und Aachquelle
erbrachte A. Knop, im Neuen Jahrb. f. Mineral. 1878, p. 350. Endrifs,
Die Versink img der oberen Donau zu rheinischem Flufsgebiete, Stuttg. 1900.
Sieger, Zur Talgeschichte des ober. Donaugebietes, Petcrm. Mitt. 1901, p. 57 f.
Von Ulm an ist die Donau von Mooren begleitet, die besonders auf der
rechten Seite stark vertreten sind ; oberhalb der Lechmündung ist es das Donau-
ried, weiter unterhalb gegenüber von Neuburg und Ingolstadt das Donaumoos.
Sie sind in erster Reihe auf die Durchnetzung des Talbodens mit rückgestautem
und durchgesickertem Flufswasser zurückzuführen, femer auf die hier sich
öffnenden Quellen und die Überschwemmungen, die bei dem geringen Gefälle
sehr leicht eintreten. Eine Austrocknung und Kultivierung des Donaumooses
hatte schon Ende des XVIII. Jh. begonnen ; einige Kolonien haben dort auch
Fufs fassen können. 'Schrank, Naturhistor. u. Ökonom. Briefe über das Donau-
moor, Mannheim 1795. Are t in, Aktenmäfsige Donaumoorkulturgeschichte,
1795. Stengel, Die Austrocknung des Donaumoores, 1792. Pechmann,
Gesch. d. Austrocknung u. d. Kultur des Donaumoores in Baiern, 1832,
mit Karte.
Bei Ulm beginnt die Schiffbarkeit für Fahrzeuge von 200 Tonnen, bei
Regensburg bis 900 Tonnen; bei Passau ist sie für gröfsere Dampfer schon ge-
eignet. Für den Verkehr stellten sich Schwierigkeiten besonders in den Durch-
bruchstälern ein, wo Felsenriegel die Passage sperrten ; aber nicht geringer
waren die Hindernisse in den flachen Talbecken, in denen der sedimentreiche
Kretuchmer, Historische Oeofrraphie. 4
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50
I. Physische Geographie.
Flufs seinen Lauf nach Überschwemmungen mehrmals geändert hat. Uni-
fassende Korrektionen wurden deshalb bei Wien vorgenommen. Ein Norrnal-
bett von 285 m Breite ist von Nufsdorf fast geradlinig geführt worden, so dafs
hierdurch die nach N. gerichteten Bogenlinien des natürlichen Flufslaufes ab-
gekürzt werden konnten und die Donau ein Stück näher an Wien heran-
gebracht worden ist.
Peters, Die Donau und ihr Gebiet, eine geologische Studie, Lpz. 1875.
Götz, Das Donaugebiet, Stuttgart 1882 (berücksichtigt besondere die Verkehrs-
geographie). Lorenz- Li bu mau, Die Donau, ihre Strömungen u. Ablage-
rungen, Wien 1890. Penck, Die Donau, 1891.
14. Oberrheinische Tiefebene. Die Herausbildung jener 35 km
breiten und 300 km langen Senke von Basel bis Bingen , welche der
Rhein ihrer ganzen Länge nach durchfurcht, steht in ursächlichem
Zusammenhang mit den sie beiderseitig einschliefsenden Gebirgsflanken
und Terrassenlandschaften. Sie ist das Ergebnis einer während der
Tertiärzeit erfolgten, grabenartigen Versenkung. Die symmetrische Anord-
nung der geologischen Formationen zu beiden Seiten und die gesamte
orographische Gliederung berechtigen zu jener Schlufsfolgerung. Die
Unterlage des Ganzen, das aus Gneis und Granit bestehende Grund-
gebirge, tritt an den Steilabhängon der Randgebirgo nach der Rheinebene
zu noch unverhüllt zu Tage und bildet hier auch die Maximalerhebungen,
die in runden Kuppen aufragen. Dies gilt besonders von den beiden
südlichen Gebirgswällen , Vogesen und Schwarzwald. Eine lange an-
dauernde Abtragung des Gebirges durch die Atmosphärilien (Denudation)
hat die ehedem darüber gelagerten mächtigen Schichten der Trias und
des Jura zum Teil beseitigt, so dafs das Grundgebirge entweder selbst
hervortritt, oder nur noch die Sandsteindecken der älteren Trias auf-
lagern. Als die Einsenkung zwischen den links- und rechtsrheinischen
Gebirgssystemen erfolgt war, da trat in der mittleren Tertiärzeit (Oligozän)
das Meer in die Furche der heutigen Rheinniederung ein ; aber die von
den Randgebirgen herabgeführten Sedimente (eben jene jurassischen und
triassischon Schichten) füllten die Senke allmählich aus, und seit der
frühen Diluvialzeit wirkte in derselben Weise auch der Rhein mit, der
damals sich seinen Weg durch den Jura unterhalb des Bodensees gebahnt
hatte. Als sich in der späteren Diluvialzeit eine Steppenlandschaft daselbst
entwickelte, häufte der Wind auf den tonigen und sandigen Schichten
Sanddünen auf, während dio feineren staubähnlichen . Verwehungen als
fruchtbarer Löfs an den Randgebirgen bis über 350 m hinauf sich
ablagerten. — Der Boden der heutigen Rheinischen Tiefebene ist eine
durchaus flache Niederung, die nur im südlichen Teil eine Unterbrechung
erfährt durch den aus vulkanischen Massen aufgebauton Kaiserstuhl und
die anschliefsende Hügelzone des Tuniberges.
Der Rhein verläfst den Bodensee, den er als Läuterungsbecken benutzt
hat, als klarer Bergstrom und durchbricht die vorgelagerten Juiakalkmassen.
Unterhalb Schaphausen windet er sich in tiefer Sehlucht durch sie hindurch
und steigt über eine Stufe von 24 m Höhe abwärts (Rheinfall). Unterhalb der
Aarmündung treten Verengungen des Talbettes mit Strudel und Stromschnellen
häutiger auf; besonders bei Grofs- und Klein Laufenberg zeigt sich ein sehr
beträchtliches Gefälle.
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IB. Linksrheinische llandgebirjre.
51
Sobald tler Strom bei Basel die Tiefebene betritt, ändert sich auch der
Charakter seines Tales. Er ist zunächst noch immer das wilde Bergwasser,
schon infolge des nicht unbeträchtlichen Gefälles bis zur Einmündung der III;
aber die Uferränder sind meist flach und der Flnfs spaltet sich in zahllose
Arme, die innerhalb des heute vorgezeichneten Normalbettes liegen. Inmitten
der Teil- und Nebenarme liegt das Hauptbett des Stromes, welches bei Alt-
Breisach sehon die Breite von 186 m hei Niedrigwasser hat. Von der lllmün
dung an treten diese Flufszerteilungen etwas zurück; der Strom bildete statt
deren grofse Serpentinen, die durch die moderne Stromregulierung erheblich
abgekürzt worden sind. Veränderungen des Hauptstrombettes im Laufe der
geschichtlichen Zeit sind natürlich zahlreich gewesen, und auch die Siedelungen
wurden hierdurch beeinflufst. indem einzelne insular umschlossen wurden und
der anfängliche Teilarm sich zum Hauptarm entwickelte, wodurch auch Ort-
schaften auf ganz natürlichem Weg von der einen Uferseite auf die andere
verlegt wurden. Auch sonst fanden Veränderungen im System der Neben-
flüsse statt, indem diese häufig kurz vor ihrer Einmündung in den Rhein eines
der Altwasser des Stromes benutzten und damit ihren eigenen Lauf nicht un-
erheblich verlängerten, wie dies beim Zorn- und Modern* üfschen U. v. a. zu
beobachten ist. Alle diese natürlichen Flufsverlegungen sind auch für die poli-
tische Geographie von Bedeutung geworden, und die Abgrenzung der Terri-
torien war durch sie sehr wesentlich becmtlufst und Austausch von Gebiets-
teilen zuweilen die Folge (s. später in den einschlägigen Abschnitten der poli-
tischen Geographie). — Das Gefälle des Rheins auf dieser Strecke wird durch
folgende Ilöhenzahlen charakterisiert: Konstanz 395 m, bei Basel 241 m, Kehl
133 m, Mannheim 87 m. Mainz 80,7 m, Bingen 77 m. Die Nebenflüsse haben
alle ihren Ursprung in den einschliefsenden Randerhebungen und Terrassen-
landschaften. Nur die III (IUa, YUa) macht hiervon eine Ausnahme ; sie ent-
springt bei Pfirt auf dem Schweizer Jura und sammelt auf ihrer linken Seite
die verschiedenen Vogesenbäche in ihrer Ader. Nach 205 km langem Lauf
mündet sie 15 km unterhalb Strafsburg in den Rhein.
Lepsius, Die Oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge, Stuttg.
1885. — Der Rh ein ström und seine wichtigsten Nebenflüsse von den Quellen
bis zum Austritt des Stromes aus «lern Deutschen Reich. Eine hydrographische,
wasserwirtsehaftl. und wasserrechtliche Darstellung mit vorzugsweise eingehender
Behandlung des deutsehen Stromgebietes. Im Auftrag der Reichskonmiission
zur Untersuchung der Rheinstromverhältnisse hergb. vom Zentralbureau f.
Meteorol. und Hydrographie im Grofsh erzogt, Baden, mit Karten, Berlin 1889.
Beyerhaus, Der Rhein von Strafsburg bis zur holländischen Grenze in tech-
nischer und wirtschaftlicher Beziehung, Koblenz 1902.
15. Linksrheinische Kandgeblrge. Die Vogesen und die Hardt
bilden den westlichen Abschlufs der Oberrheinischen Tiefebene. Sie
kehren ihr die steile östliche Seite zu, während sie nach W. hin sich
allmählicher nach dem lothringischen Hochlande zu abdachen. Ihre
tektonisebe Herausbildung ist auf denselben geologischen Akt zurück-
zuführen; sie sind ein einheitlich entwickeltes Horstgebirge, welches
in der Senke bei Zabern (zwischen Pfalzburg und Lützelburg) eine keines-
wegs sehr tiefgreifende Trennung zwischen den höheren Randgebirgen
im N. und im S. erfährt. Trotzdem sind beide Gebirge geognostisch
wie orograplüsch verschieden beanlagt. Die Vogesen setzen sich aus
drei parallel verlaufenden Zügen zusammen, die etwa je 10 km von
einander entfernt sind. Der mittlere Höhenzug (Hauptkamm) mit einer
Durchschnittshöhe von 1100 m beginnt im S. bei der Lücke von Beifort
mit der Planche des belles filles und zieht über den 1254 m hohen
4"
52
I. Physische Geographie.
Elsasser Beleben (Ballon (VAlsace), den Hohneck (1366 m) und weiterhin
das Hochfeld (1095 m) bis zum Tal der Breusch. Diesem Zug ist im
O. ein zweiter vorgelagert, der noch gröfsere Höhen erreicht, aber durch
die auf der mittleren Kette entspringenden Flüfschen unterbrochen ist.
Ihm gehört auch der höchste Berg der Vogesen, der Sulzer Belchen
(1426 m) an, und er reicht nördlich bis zum Mennelstein, wo er am
Breusch tal ebenfalls seinen Abschlufs findet. Der dritte, westliche Zug
hat die gröfste Längenerstreckung; er beginnt in dem Flufsbogen der
Moselotte und streicht nordwärts über den Dornum (1010 m) bis zur
Zaberner Steige, die bis zu 404 m absinkt, läfst sich aber noch darüber
hinaus bis in die Hardt verfolgen. Er ist fast ausschliefslich aus Sand-
stein zusammengesetzt, im Gegensatz zu den beiden anderen Kämmeu,
die der kristallinen Formation angehören. Die obere Breusch fliefst
in der Furche zwischen der mittleren und der westlichen Kette. Die
Wasserscheide, die von S an sich in der mittleren Kette hält, wird im
Quellgebiet der Breusch nach der westlichen Kette hinübergelenkt.
Die Senke von Saales zwischen beiden bildet den Übergang.
Jenseits der Einsattelung, welche das Zorntal bildet, und welche
bis nach Lützelstoin reicht, erhebt sich der Boden zum Plateau von
Bitsch, welches schon einen Teil der Hardt bildet. Während die Vogesen
noch eine gewisse Mannigfaltigkeit in geognostischer Beziehung hervor
treten lassen , ist die Hardt ausschliefslich ein Sandsteingebirge (Bunt-
sandstein) zu nennen. Auch bei ihr liegt die Haupthöhenlinie hart am
östlichen Rand nach dem Rheintal und läfst sich bis nach Dürkheim
verfolgen. Die Maximalerhebung ist der Kalmit mit 681 m. Die Lauter
bei Weifsenburg, die Queich bei Landau und der Speierbach bei Neustadt
brechen quer durch den Randzug durch und haben die Sandsteinschichten
bis auf das Grundgebirge erodiert. Auch in der Hardt ist ein zweiter
Parallelzug in 15 km Entfernung mit Höhen bis über 600 m nachzuweisen,
und schliefslich ein dritter, der als die direkte Fortsetzung des westlichen
Vogesenkammes anzusehen ist. Er stellt freilich nur eine mäfsige
Erhebung dar, da er an seinem nördlichen Ende in der Sickinger Höhe
zwischen Kaiserslautern und Landstuhl nur 475 m im Maximum erreicht.
Beim Volk heifst er die Frankenweide. Die Wasserscheide zwischen
Nahe und Saar einerseits und den Rheinflüi'schen nach 0. anderseits
liegt zum gröfsten Teil in der mittleren Höhenzone. Der Nordrand der
Hardt wird durch die Linie von Göllheim über Kaiserslautern, Homburg
nach Saarbrücken dargestellt. Sie verläuft von Kaiserslautern an in
dem 30 km langen Tale des sog. Landstuhler Bruchs. Er schliefst den
westlichen plateauartdgen Teil der Hardtlandschaft, den Pfälzer Westrich,
ab; er bildet aber auch eine geologische Grenze zwischen der Trias im
SO. und dem Karbon- und Dyasgebiet im NW.
Das Pfälzer Bergland mit seinen zahlreichen Steinkohlenflözen
umfafst das letztere. Es reicht nördlich bis an die Nahe heran. Eine
markante Erhebungslinie fehlt ihm gänzlich, im Gegenteil gröfsere
Erhebungen treten immer nur gruppenweise auf und unter ihnen als
höchste der 687 m hohe, aus Porphyr bestehende Donnersberg (Dors-
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16. Lothringisches Stufenland. 53
berg) mit seinen schönen Buchen- und Eichenwäldern. Der aus Gebilden
der Steinkohlenperiode zusammengesetzte, von Saarbrücken nach St.
Ingbert nordöstlich streichende Streifen legt Zeugnis von der in früher
geologischer Zeit üppig wuchernden Vegetation ab, die in Verbindung
mit Geröllmassen die tiefe Depression zwischen dem Rheinischen Schiefer-
gebirge und der süddeutschen Bodenschwelle in der Karbonzeit ausgefüllt
hat. Jene Pflanzenschichten liefern heute die produktive Steinkohle.
Die Vogesen treten unter diesem Namen schon im Altertum auf. Bei
Caesar, b. g. IV, 10 wird der Vosegus mons genannt, eine Form, die uns auch
inschriftlich so überliefert ißt; desgleichen die Nebenform Yosagua (Plin., Tab.
Peutinger., Gregor Tur. X, 10). Doch schon im XII. Jh. tritt die Umstellung
von g und s auf, statt Vosegus auch Vogesus und Yogasus (Vita Theogeri, SS.
XII. 466). Die letztgenannten Formen traten zwar stete zurück, bis sie im
XVII Jh. aus schlechten Handschriften wieder in Aufnahme gebracht wurden.
Sie haben sich in der deutschen Form Vogesen noch erhalten, während die
französische Vosges richtig gebildet ist. Die eigentlich urdeutschc Form ist
Wasgau, Wasgenwald, welches sich aus Vosagus über verschiedene Mittcl-
fonnen fortentwickelt hat : Wasegus (VIII. Jh.), Wasacus, Wasichen (XIV. Jh.), Waz-
g>mc, Wassgaw (XV. Jh.). — Die Hardt, auch Haardt, Hard geschrieben, ist als
Sandsteinplateau für die Landwirtschaft nicht von grofser Bedeutung. Buchen-
und Eichenwälder nehmen weit über die Hälfte des Landes ein. Sie trägt
daher heute ihren Namen noch mit Recht; er bedeutet nichts anderes als
»Wald« schlechthin und ist somit gleichbedeutend mit Harz. — Die Täler der
Vogesen haben nach der Rheinseite zu alle eine kurze Entwickelung bei recht
bedeutendem Gefälle. Die Quellen liegen in nächster Nähe des Kammes und
die obersten Talenden sind mehrfach durch kleine Seen ausgezeichnet; die
gröfsten von ihnen (von Retournemer, Longemer, Gerardmer) liegen auf der
französischen Seite der Vogesen. Das Gletseherphänom war auch in ihnen
ehemals vertreten und hat beachtenswerte Spuren hinterlassen. Die III, die
dem Fufs des Gebirges in einiger Entfernung entlang läuft, fängt die Abflüsse
des Gebirges auf, um sie dem Rhein zuzuführen. Es sind dies 1. die Doli er
i(Mruna) (Chron. Ebersh.) aus dem Tal von Mafismünster; 2. die Thür, am
Rheinkopf entspringend, aus dem St. Amarintal; sie teilt sich in der Niederung
in zwei Arme, von denen der eine bei Ensisheim in die Dl mündet, der andere
aber seinen Lauf ein beträchtliches Stück bis über Colmar hinaus fortsetzt;
3. die Fecht, am Hoheneck entspringend, durchzieht das Münstertal; 4. die
heb er (Lebrath) aus dem gleichnamigen Tal (Lehvria vallis, Leherachtal) \ 5. die
Bre usch (Hrusca), am Climont entspringend (franz. Bruche), liierst durch das
breiteste Tal der Vogesen und mündet nach 71 km langem Lauf oberhalb
^trafsburg in die III. — Die nächstfolgenden Flüsse gehen dann selbständig
in den Rhein; so 6. die Moder (Matra) mit dem Zornbach (Sorna); 7. die
Sauer (Sura); 8. die Lauter (Lutra, Hlutraha. Lufcrata); 9. die Queich, am
Bechkopf entspringend, fliefst durch das Annweilertal und mündet bei Germers-
heim; 10. der Speierbach, ebendort entspringend, mündet bei Speier. Weiter
nördlich folgen eine Reihe von Rächen, die noch geringere Bedeutung haben ;
T. entquellen sie dem niedrigen Hügellande des Alzeyer Gaues, welches in
den stumpfen Winkel des Rheinknies bei Mainz hineinreicht. — Die Flüsse .
des Pfälzer Berglandes gehen fast ausnahmelos der Nahe zu, bezw. deren
Kebenrlufs, der Glan (Glane). — G. Bleicher, Les Vosges, le sol et les habi-
tants, Paris 1890.
16. Lothringisches Stufenland. Hinter den beiderseitigen rheini-
schen Randgebirgen schlielsen sich zwei Stufenlandschaften an. die die
gleiche Aufeinanderfolge der geologischen Formationen (Trias, Jura mit
ihren Unterabteilungen) zeigen. In dem westlichen Stufenlande, wo die
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54
I. Physische Geographie.
Schichten sanft nach W. einfallen, treten sie orographisch nicht immer
so markant hervor als in Schwaben und Franken. — An das links-
rheinische Randgebirge (die nördlichen Vogesen und ihre weitere Fort-
setzung) schliefst sich eine leicht gewellte Muschelkalkebene an, die loth-
ringische Seenplatte mit 250 m mittlerer Erhebung. Wie der Name
schon besagt, ist sie mit zahlreichen grolsen und kleinen Seen bedeckt,
die dort zu Lande Weiher oder Teiche genannt werden. In einiger
Entfernung westlich zieht die Grenze der Juraformation, die äufserlich
sich nur in unbedeutenden Hügellinien zu erkennen gibt; sie verläuft
von Nancy in einem schwachgekrümmten Bogen nördlich bis etwa nach
Diedenhofcn, wo sie wieder auf die linke Moselseite übertritt und nach
Luxemburg hineinzieht. Weit mehr hebt sich ein zweiter Höhenrand
heraus, der von Metz an das linke Moseltal begleitet und bis unterhalb
Diodenhofen streicht; es ist die wegen ihrer reichen Eisenerzvorkomm-
nisse seit alters bekannte Oolithplatte. Überall haben wir es aber mit
nur geringfügigen absoluten Erhebungen zu tun, die einmal bei St. Avold
bis zu 421 m ansteigen.
Das lothringische Hochland gehört, soweit es für uns in Frage kommt,
ganz der Mosel und ihren Nebenflüssen an. Ihr Oberlauf liegt in der franzö-
sischen Lorraine. Nach Aufnahme der Meurthe (Murta) nimmt ihr Tal
weiter unterhalb eine gröfsere Breite an. Von ihren linken Zuflüssen sei die
Orne (Oma) genannt, welche gerade die wirtschaftlich wichtige Eisenstufe
durchzieht, und die Sauer (Sarai Ihr rechter Nebenflufs, die Saar (Sarra.
Saora, Saron), hat eine gröfscre Entwickelung als alle übrigen. Sie entspringt
am Mt. Donon in den Vogesen und entwässert fast die ganze Muschelkalkplatte.
Ihr sind tributär die Albe, die Nied und die Blies (lilesa). Unterhalb Merzig
tritt die Saar in das Rheinische Schiefergebirge ein. Bei Metz mündet die
Seille ein, Salto, d, h. der Salzflufs, der aus einem historisch berühmten Salz-
gebiet der Keu perstufe kommt, wo ChateauSalins, Vic, Moyenvic, Marsal schon
in alter Zeit wichtige Salinenorte gewesen sind. Das Land ist überhaupt nicht
wasserarm ; das beweisen auch die vielen Seen , besonders westlich der Saar,
die zumeist freilich, sehr flach sind : der Gondersingenerwcihcr, Stockweiher,
Linderweiher und im Gebiet der oberen Nied der Bischteich und Mutschteich.
17. Rechtsrheinische Randgebirge. Die orographische Gestaltung
und die geognostische Anordnung ist in den Randerhebungen der öst-
lichen Rheintalseite die gleicht? wie auf der westlichen. Auch hier zwei
horstgebirgsartige Anschwellungen, Schwarzwald und Odenwald,
beide getrennt durch eine Senke, den Kraichgau; auch hier die südliche
Erhebung die bedeutender entwickelt« mit beträchtlichen Gipfelhöhen,
auch hier der Steilabfall nach der Rheintalseite schrofFer als nach den
Hochflächen im O. Desgleichen tritt das Grundgebirge im Schwarzwald
wie im Odenwald im westlichen Teile zu Tage, während die Sand-
steine der Trias mantelartig um jenes sich ansehliofsen.
Der Schwarzwald streicht in nordnord-östlicher Richtung vom
Quertal des Rheins im S. bis nördlich zur Murg, die teilweise auch den öst-
lichen Abschlufss bildet. Im S. hat er seine gröfste Breitenentwickelung
von fiO km, während er sich nach N. um die Hälfte verjüngt, Meist wird
hierbei aber das östlich der Murg gelegene Plateau bis zur Nagold und
zum oberen Neckar mit zu seinem Gebiet gerechnet, Die Gesamtent-
17. Rechterheinische Randgebirge.
wickolung ist bei ihm aber eine andere als bei den Vogesen; während
bei diesen ein scharf vorgezeichneter Kamm hervortritt, besteht der
Schwarzwald aus breiten, plateauartigen Rücken. Quer durch das Massiv
verlaufende Tallinien teilen ihn in drei Abschnitte. Das Höllental des
Dreisamflusses und jenseits der Wasserscheide das Wutachtal schliefsen
den südlichen Teil ab, dessen Haupterhebung der Feldberg (1493 m) ist,
nächst der Schneekoppe der höchste Berg in den deutschen Mittel-
gebirgen. Von ihm gehen breitrückige Kämme aus, die durch die nach
S. und SO. führenden Täler geschieden werden. Am höchsten sind auch
hier die dicht über dem Rheintal aufsteigenden Randteile, unter ihnen
der Blauen (1167 m), der Schwarzwälder Belchen (1415) und Erzkasten
(1286 m). — Jenseits der Höllentallinie folgt der zweite Abschnitt, der
bis zum Kinzigtal reicht. Der wasserscheidende Hauptrücken zieht
geschlossen nördlich bis nach Hausach. Die nach dem Rhein fliefsende
Elz mit der Wilden Gutach gliedert die westlich sich anschließenden
Rücken mit bedeutenderen Gipfelhöhen (Kandel 1243 m) als jene des
Hauptkammes ab. Doch erniedrigt sich das Ganze nach N. mehr und
mehr; auch im O. des Hauptkammes (östlich des Gutachtales) orreicht
die Maximalerhebung in der Benzebene nicht mehr 1000 m. — Nörd-
lich der Kinzigtallinie schliefst sich der untere Schwarzwald an, dessen
Kammlinie schon schärfer ausgeprägt ist; in der Hornisgrinde erreicht
sie noch 1164 m. Überall aber sind die Schwarzwaldkämme leicht zu
überschreiten, und zahlreiche Strafsen führen über das Gebirge. Fast
die ganze Entwässerung findet nach dem Rhein hin statt, da auch die
nach O. abfliefsenden Gewässer ihm zugehören; nur im O. gehören
die beiden Quellbäche Brigach und Brege dem Donausystem an.
Jenseits der Einsenkung des Kraichgaues erhebt sich der Oden-
wald. Die Begrenzung desselben ist nicht überall scharf vorgezeichnet;
im S. reicht er noch ein Stück über den Neckar hinaus, im 0. geht
er fast unvermittelt in das schwäbische Stufenland über. Die Linie vom
Neckarknie bis Wertheim an der Taubermündung gibt ungefähr die
Ostgrenze an. Die zum Rhein gehende Weschnitz und zum Main
gehende Gersprenz trennen den kleineren nordwestlichen, aus kristallinen
Gesteinen bestehenden Teil des Odenwaldes von dem südöstlichen, aus
Buntsandsteiu bestehenden ab. Jener bildet den > Vorderen «, dieser den
»Hinteren« Wald. Im ersteren finden sich am westlichen Rande gröfsere
Höhen, die im Malchen 519 m erreichen, jedoch liegen die gröfsten
Erhebungen der kristallinen Zone etwas mehr nach dem Innern
zurückgezogen: die Seidenbucher Höhe 598 m und die Neunkircher
Höhe 591 m. Der östliche Teil geht in ein einförmiges, leicht gewelltes
Sandsteinplateau über. Das Mümlingstal und der Itterbach bringen
in ihm nochmals eine Teilung hervor; auf dem östlichen Sandstein-
rücken steigt die Basaltkuppe des Katzenbuckels zu 628 m auf, als höchster
Punkt des Odenwaldes; dem westlichen gehört südlich des Neckars der
Königstuhl bei Heidolberg (567 m), sowie der Hardsberg 582 m an.
Auch der Spessart mufs den rheinischen Randgebirgen zugerechnet
werden, wenn auch der westliche Futs nicht in der gleichen Fluchtlinie
•
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56 L Physische Geographie.
mit Oden- und Schwarzwald gelegen ist. Im geognostischer Beziehung
zeigt er dieselbe Anordnung der Formationen wie der Odenwald; im
nordwestlichen Abschnitt zwischen Aschaffenburg und Gelnhausen, dem
sog. Vorderspessart, treten Gneise und Gümmerschiefer mit paläo-
zoischen G esteinen auf, während der übrige Teil von der Sandsteindecke
überlagert wird und den sog. II och Spessart umfafst. Letzterer bildet
ein 400 m hohes Plateau, das nach allen Seiten, auch nach dem Vorder-
spessart hin, wie nach dem Main- und dem Sinntal mit steilen Gehängen
abfällt ; es ist im Gegensatz zu jenem mit den herrlichsten Laubwaldungen
geschmückt. Eine höhere Schwelle läfst sich auf ihm von Miltenberg
nördlich über den Geyersberg (587 m) und die Eselshöhe (534 in) ver-
folgen. Sie wird unterbrochen durch eine Einsattelung, die das AscharT-
und Lohrtal miteinander verbindet. Weiter nördlich nach Kinzig und
Sinn hin dacht sich das Plateau allmählich zum Orber Reisig ab.
Der alte Name des Sch warz waldes war Abnoba (Plin. IV, 79; Tacit.
G. c. 1 ; Ptol. II, 11, 5, 6; Avien., Descr. orb. 437); er wird als Quellgebiet der
Donau angegeben. Auch inschriftlich ist uns der Name mehrfaeh bezeugt, da
eine Diana Abnoba im Gebirge verehrt wurde ; cf. Brambach, C. inscr. Rhenan.
1626, 1654, 1683. Bei Ammian XXI, 8 und der Tabula Peuting. begegnet uns
auch der Name Marciana silva, den man mit dem Markomannennamen in Ver-
bindung gebracht hat ; vgl. Much, Deutsche Stammsitze p. 4. — Die Bezeich-
nung »Schwarzwald« reicht aber schon bis in das Mittelalter (IX. und X. Jh.»
hinauf. .Vis Nigra silva erscheint er in Gerhards Vita Oudalrici (SS. IV, 401
u. ö.), während nebenbei auch der ältere Name Marciana siiva selbst noch im
XI. Jh. kursiert.
Der Schwarzwald geht nach O. in Plateauflächen über, die zum schwäbi-
schen Stufenlande hinüberleiten. Der östliche Fufs des Gebirges hegt deshalb
beträchtlich höher (Freudenstadt 730 m, Villingen 706 m) als der westliche in
der Rheinebene (Offenburg 164 m, Freiburg '298 m). Das ganze Gebirge ist
sehr wasserreich. Neben Mooren besonders auf den breiten Plateaurücken treten
kleine, tiefeingesenkte Seen auf (Schluchsee. Titisee 858 in östl. des Feldberges,
der Mummelsee an der Hornisgrmde). Sie scheinen noch die Folgen der ehe-
maligen Vergletscherung zu sein, die dort freilich keine allgemeine war und
eine gröfsere Entwickelung nur nach S. zum Rheintal erfahren hatte. Die
Taler des Gebirges sind alle sehr langgestreckt; besonders von W. her reichen
sie weit hinein und drängen in den beiden nördlichen Abschnitten die Wasser-
scheide ganz an den östlichen Rand, während im südlichen Abschnitt eine teil-
weise zentrale Entwässerung hervortritt. Nach S. zum Rhein wendet sich die
Wutach, deren Oberlauf auch Gutach heifst ; sie entspringt im Feldsee (Feld-
berg) und durehfliefst den Titisee; sie mündet oberhalb der Aare in den
Rhein und empfängt aus dem Schwarzwald selbst noch eine Reihe von rechts-
seitigen Nebenflüssen. Die Alb (Alba), die Wehra (Werrakt, Wem) und
Wiese [Helsen alle in tiefeingeschnittenen Tälern; das der letzteren zeigt im
untersten Teil eine breite Talmulde, che sich nördlich um den Dinkclbeig
herumzieht. Nach W. geht die Dreisam (Treisam), bis Falkensteig das enge
Höllental durchfiiefsend, dann den breiten Talboden bis Freiburg, wo sie in
die Ebene tritt, die hier als Freiburger Tieflandsbucht einen viereckigen Em
schnitt in das Gebirgsmassiv bildet, Sie mündet in die Elz, die ebenfalls dem
Gebirge entquillt. Um den Abfiufs des Wassers bei Überschwemmungen zu
fördern, ist der Dreisamkanal angelegt worden und 1842 der Leopoldskanal.
Am wichtigsten von allen Flüssen ist die Kinzig (Kyntz). die das Gebirge
diagonal durchzieht und mehrere Nebenflüsse (Schiltach, Gutach) in sich auf-
nimmt. Bei Offenburg tritt sie in die Niederung und mündet nach 112 km
langein Laufe bei Kehl. Endlich die langgestreckte Murg (Murga, Murge),
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18. Schwäbisch-fränkischen Stufenland. 57
die am Kniebis entspringt und viel zur Holzflöfserei benutzt wird. Sie hat
ein Behr tief eingeschnittenes Tal.
Der Odenwald erscheint im Mittelalter als Odamoald, Odonowald (Ein-
hard), Ottenewalt und sogar Ottoim silva (Ann. Fuld.), Ottemcald. Bald bringt
man den Namen mit Wodan, Odin in Verbindung, bald mit einem Fürsten
namens Otto, oder man definiert ihn als »öden Wald* (Zeufs, Förstemann}.
— Im W. bricht der Odenwald an der Bergstrafse schroff ab, ebenso im N.
in der Breite von Darmstadt. Die Wasserscheide verläuft in ihm nicht über-
einstimmend mit der tektonischen Richtungslinie, sondern geht quer NW. -SO.
über ihn weg. Nach S. wendet sieh die Weschnitz (Wizgoz) zum Rhein,
nach N. die Gersprenz (Oaspenza, Gaspentia) und die Mümling (Mimüingttm,
Minimingaha) zum Main. — Der Malchen erscheint schon in Urk. Heinrichs II.,
1012, latinisiert auch Möns Malscus, Mit Melibocus hat der Name nichts zu
tun. Wenck, Hess. Landesgesch. 1, 177 ff. Der Spessart, innerhalb der vier-
eckigen Mainschleife gelegen und im N. durch die Kinzig und Sinn begrenzt,
hiefs im Mittelalter allgemein Spechteshart = Spechtswald. Ihm entquellen
nur sehr kleine Flüfschen.
Aufser der schon genannten Arbeit von R. Lepsius, Die Oberrhein.
Tiefebene, vgl. noch Penck, Schwarzwald und Wasgau, Jahresber. d. geogr. Ges.,
München 1884. Partsch, Die Gletscher der Vorzeit in den Karpathen und
Mittelgebirgen Deutschlands, Breslau 1882, 115 ff. Neumann, Orometrie des
Schwarz waldes, Wien 1886. Ders., Die Dichte des Flufsnetzes im Sehwarz-
walde, Lpz. 1900 (Gerlands Beitr. z. Geophys. IV, 3). Steinmann, Die Spuren
der letzten Eiszeit im Schwarzw., Progr. Üniv. Freiburg 1896. — Beiträge zur
Hydrographie d. Grofshzgt. Baden (mehrere Hefte). Volk, Der Odenwald
und seine Nachbargebiete, mit 2 Kart,, Stuttg. 1900. Behlen. Der Spessart,
Leipzig 1823—1827.
18. Schwäbisch • fränkisches Stufenland. Der wdito Raum, der um-
schlossen wird vom Odenwald, Spessart, Rhön, Thüringer Wald im N., von der
Naab und Donau im O. und S. sowie vom Schwarzwald im W., wird unter
obengenanntem Namen begriffen. Wie letzterer besagt, haben wir es liier mit
einer terrassenförmigen Aufeinanderfolge von Plateauflächen zu tun. Es
treten im ganzen drei Stufen flächen hervor, die freilich nicht völlig eben
sind, sondern stellenweise in ein leicht gewelltes Berg- und Hügelland sich
aufgelöst haben. Die Gruppierung der geologischen Formationen stimmt
hier mit der orographischen Gestaltung annähernd überein. Die erste
Stufenfläche hebt sich mit ihrem Terrassenabhang sehr bestimmt gegen
die zweite tiefer liegende Fläche ab; sie wird vom Fränkischen und
Schwäbischen Jura gebildet, der aus den gleichnamigen Schichtgesteinen
sich zusammensetzt. Diese Formation beginnt im Anschlufs an den
Schweizer Jura bereits am Rhein, kurz nachdem er den Bodensee ver-
lassen hat und sich durch die Jurakalksehichten einen Weg bahnt (Rhein-
fall bei Schaphausen) ; sie zieht nordöstlich aufwärts über die Donau und
hält sich mit geringen Ausnahmen dann nördlich von ihr bis Regens-
burg, wo sie nördlich einlenkt und das Regnitzbecken im O. umziehend
bis in den Bogen des Mainflusses hinaufreicht. Dieses breite Juraband
bildet den östlichen Abschlufs der beiden anderen schwäbisch - fränki-
schen Terrassenstufen, die aus Triasgesteinen (Keuper und Muschelkalk)
bestehen und entsprechend die zweite und dritte Stufenfläche (die Keuper-
und Muschelkalkstufe) bilden. Der Terrassenabfall der zweiten Stufe
beginnt jenseits des Mains in den Hafsbergen und setzt sich südlich
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58
I. Physische Geographie.
von ihm in dem Steigerwald und der Frankenhöhe fort bis zur Jagst.
Von hier an ist er nicht mehr deutlich ausgeprägt, ebenso wie auch die
Stufenfläche selbst sich in einzelne Berg- und Hügellandschaften (Löwen-
steiner Berge, Mainhardter Wald, Murrhardt- Wald , Welzheimer Wald,
Limpurger Berge sowie westlich des Neckars die Filder und das Schön-
buch) aufgelöst hat. Einzelne Teilstücke, wie der Heuchelberg und Strom-
berg (335 m) südwestlich von Heilbronn, sind sogar gänzlich von der
Stufenfläche losgetrennt. Die unterste Terrasse bildet die Muschelkalk-
platte, die im S. an der Wutachmündung (in den Rhein) beginnt, östlich
am Schwarzwald entlang ziehend die fruchtbaren Gebiete der Baar und
des Gäus im oberen Neckar- , Enz- und Nagoldlande bildet und bis
an den westlichen Stufenabfall des Kraichgaues nach der Rheintalniede-
rung hin sich verfolgen läfst, Von hier aus streicht die Fläche nord-
östlich über den Neckar als sog. Bauland bis zur Tauber und südlich
von diesem als Hohenloher und Haller Ebene im Kocher- und Jagst-
gebiet; sie geht dann weiter nach NO. über den Main fort, im O. durch
Steigerwald und Hafsberge begrenzt bis zur Wasserscheide von Main-
und Werragebiet hinauf.
Die Entwässerung des Ganzen ist durch die stufenförmige Anord-
nung mitbedingt. Die Flüfschen der obersten Stufenfläche, also des
Schwäbischen und Fränkischen Jura, gehen der Donaulinie zu, die der
beiden unteren Flächen dem Rhein, für welchen (abgesehen von den
kleinen Flüssen des Kraichgaues) der Neckar und der Main die Sammel-
adern bilden. Jedoch finden zwei Flüsse der zweiten Stufenfläche ihren
Abflufs nach der Donau : die Wörnitz, die den in den Jura eingesenkten
Kessel des Ries durchfliegt, und die Altniühl, die bei ihrem Durchbruch
durch die hohe Juraschranke ein früheres Donautal benutzt.
Der im Altertum (bei Caesar, Strabo, Ptolemäus) auftretende Name des
Jura galt ausschließlich dein französisch-schweizerischen Gebirgszuge. Erst in
der Neuzeit ist er auf den deutschen Teil bezogen worden. In seinen einzelnen
Teilen führte er, wie auch heute beim Volke, besondere Namen. Den west-
lichsten und zugleich auch höchsten Abschnitt des Schwäbischen Jura bildet
der Heuberg (1010 m). an den sich östlich die Rauhe Alb schliefst. Dieser
Name der Alb wird als gleichlautend mit den Alpen über der Donau<|Uelle
gelegen schon von Ptolemäus II, 11, 5 verzeichnet. Bei Vopiscus in der Vita
rJrobi c. 13 tritt er als Jugum alba auf. Man hat ihn wie auch den Alpennamen
mit albus = weifs in Zusammenhang gebracht; doch scheint mir hier ebenfalls
keltischer EinHufs zu Grunde zu liegen. Die Rauhe Alb führt in ihren ein-
zelnen Abschnitten noch besondere Namen, wie Münsinger Hardt, Hochsträfs
zwischen Ehingen und Ulm und ostlich von Geislingen bis zum Ries: Aalbuch
und Härtfeld. — Das Ries ist eine rundliche Einsenkung, deren Boden mit
jüngeren Sediment- und vulkanischen Gesteinen erfüllt ist, Der Name steht in
Zusammenhang mit dem antiken Raetin. Jenseits dieses Einbruches setzt der
Fränkische Jura fort, der nördlich vom Ries im Hesselberge (*>80 m) seine
gröfste Höhe hat, am anderen Ende am Main bis zu 541 m im Staffelberge
absinkt. — Beide Jurastufen haben vielerlei Züge gemeinsam; der Stufenabfall
ist bei beiden schroff, oft mit steil abfallenden Wänden. Kleine Bäche haben
den vorderen Steilrand tief zerfurcht und zuweilen auch einzelne Plateaustücke
losgelöst, wie den Hohenzollern (857 m), die Achahn (704 m), den Hohen-
staufen (681 m) bei Göggingen und viele andere. Während die Taleinschnitte
mit ihrer üppigen Vegetation viel Lieblichkeit und Anmut zeigen, sind die
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18. Schwäbisch-fränkisches Stufenland.
59
Hochflächen öde und steinicht und wegen des durchlässigen Kalkes auch wasser-
arm, so dafs die Dorfschaften durch künstliche Leitungen von der Niederung
aus mit Wasser versehen werden mufsten. Ausgezeichnet sind die Juraland-
schaften ferner durch grofsartige Höhlenbildungen (Nebelhöhle bei Oberhausen,
Karlshöhle bei Erpfingen, und im Frank. Jura die Muggendorfer und Gailen-
reuther Höhle, die Sophienhöhle bei Rabenstein). Schwab, Die Schwäbische
Alb, Stuttgart 1878. Frölich, Die Schwab. Alb, Stuttg. 1872. vonEhmann,
Die Versorgung der wasserarmen Alb, Stuttg. 1881. Monninger, Das Ries
und seine Umgebung, Nördlingen 1893. Gruber, Das Ries, Stuttg. 1899^_
Die Flüsse der fränkischen Jurastufe gehen zur Naab,~~die oberhalb
Regensburg die Donau erreicht. Nur die Schwarze I^aber mündet selbständig
in den Hauptstrom. Die Altmühl, Alemona, Alcmana im VIII. Jh„ später er-
scheint statt des c ein t; im Xn. Jh. Altmula, im XV. .Jh. Alknil, Der Name
ist vermutlich keltischen Ursprungs und erst von den Germanen umgewandelt
worden. Sie entspringt hart am Rande der Frankenhöhe und durchbricht öst-
lich vom Hesselberg die Jurastufe in einem gewundenen Tal mit steilen Seiten-
gehängen, um nach 165 km langem Lauf bei Kehlheim einzumünden. Die
ebendaselbst entspringende Wörnitz fliefst durch den Rieskessel und dann
durch ein Erosionstal (vermutlich den Abflufs des alten Seebeckens) bis Donau-
wörth. Weit unbedeutender sind die Flüfschen, die vom Schwäbischen Jura
der Donau zueilen. Von den Flüssen der unteren Stufenflächen ist als Haupt-
entwässerungsader des südlichen Abschnittes der Neckar zu nennen, lat. Nicer
bei späteren Schriftstellern (Ammian 28, 2, 2; Auson. Mos. 423) und Niger
(Vopiscus, Vita Prob. c. 13). Ahd. Xekir, Neker, STccchar, Nechara, Xeccarus. Er
entspringt bei Schwenningen in 700 m Höhe und durehfliefst die Muschelkalk«
und Keuperlandschaft ; sein 12416 qkm grofses Stromgebiet umfafst das ganze
Land nördlich des Schwäb. Jura. Im Unterlauf durchbricht er den südlichsten
Teil des Odenwaldes in dem malerischen Tal von Heidelberg und mündet dann
bei Mannheim in den Rhein nach einem 400 km langen und die Hauptrichtung
mehrfach wechselnden Lauf. Aus den kurzen Talscharten des Schwäb. Jura
gehen ihm kleine Flüsse zu. unter denen die Fils (an welcher die bequemste
Strafse, die Geislinger Steige, nach dem Plateau hinaufführt) und die Rems
(Remse, Remeshe) die wichtigsten sind. Ferner die annähernd parallel laufenden
Nebenflüsse Kocher (Cochara) und Jagst (Jagen), die in sehr gewundenem
Lauf die Keuperstufe durchfliefsen und unterhalb Heilbronn gesondert in den
Neckar münden. Von den linksseitigen Flüssen ist die Enz mit der Nagold
(Xagtdta) der gröfste. In der Rheinniederung hat der Neckar mancherlei Ver-
änderungen erfahren. Vgl. Stromberger, Der angebliehe Neckararm von
Heidelberg zum Rhein, Westdt. Zeitschr. 1886, 258—264.
Der Main, lat. Moenns, im deutschen Mittelalter Main, ist sicher ein
keltischer Name. Andere Varianten sind Moyn, Mohin. Mogin und latinisirt
Mogus, Mogonus. Von seinen beiden Quellflüssen entspringt der weifse Main
(Witzmain) auf einer moorigen Wiese am Ochsenkopf (Fichtelgebirge), der Rote
Main (Mogus ruf m) am Ostrand des Fränk. Jura südlich von Rayreuth. Unter-
halb Kulmbach vereinigen sie sich beide. Der Main ist der einzig«' Flufs, der
alle drei Stufenflächen durehfliefst. Nach Aufnahme der Rodach (Radalm)
wendet er sich durch das Durchbruchstal bei Lichtenfels südlieh und erreicht
die zweite Stufenfläche von Ramberg, wo ihm von N. die Hz vom Thüringer
Walde und die Baunach von den Hafsbergen, sowie von S. die Rednitz zugehen.
Zwischen Steigerwald und Hafsbergen durchbricht er den nächsten Stufenabfall
in einem tiefen Tale und erreicht somit die unterste; Stufenfläche von Schwein-
furt und Würzburg, wo er in einem eigenartig gewundenen Lauf dahinströmt.
Hier nimmt er die Fränkische Saale mit der Sinn und von S. her die
Tauber (Tuhere. Tubara, Dubir) auf. Er umzieht den Spessart und drängt
sich durch ein tiefes Durchbruchstal zwischen ihm und dem Odenwald zur
Oberrheinischen Tiefebene, wo er noch die Kinzig (Kinrilwn, Kinciclui) und
N i d d a auf nimmt. Die Gesamtlänge beträgt 495 km. über 200 m breit ergiefst
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T. Physische Geographie.
er sieh bei Mainz in den Rhein, dem er ein Drittel seiner Wasserfälle zuführt,
obwohl er selbst einen ziemlich ungleiehmäfsigen Wasserstand hat. Von seinen
Nebenflüssen verdient die Rednitz Beachtung, deren Name auch Regnitz
lautet und beim Volk allgemein so (Regnez, Retinez) heifst. Die alten Namens-
formen haben aber stets den Dentallaut, im VIII. Jh. Rndantiu, RaUinza, Ratenza,
Radianta, Radincza, Rüdnitz (XV. Jh.). Die Einführung des g ist gelehrten
Ursprungs und geht auf den Humanisten Konrad Celtes von Ingolstadt zurück,
der neben dem latinisierten Prgmsits (Pegnitz) entsprechend ein Regnesus schuf.
Rednitz und Regnitz herrschen seitdem auch auf den Karten vor, indem man
jenen Namen auf den Oberlauf, diesen auf den Unterlauf bezog. Vgl. hierüber
Ebrard im Anz. f. Kunde d. Vom. 1864 n. 9—12 und Egli, Nom. p. 765 f. —
Die beiden Quelläufe sind die Fränkische Rezat (ReÜtratenza, VIII. Jh.,
Rezet, XVI. Jh.), dicht neben der Altmühl entspringend, und die kleinere
Schwäbische Rezat südlich von Weifsenburg. — Ulrici, Das Maingebiet
in seiner natürlichen Beschaffenheit, Kassel 1885. vonTein; Das Maingebiet.
Berlin 1901. Seidl, Das Regnitztal (von Fürth bis Bamberg), Erlangen 1901.
19. Rheinisches Schiefergebirge. Wie schon der Name besagt, ist
es die geognostisch gleichartige Beschaffenheit dieses Berglandes zu beiden
Seiten des Rheins, welche es den Nachbargebieten gegenüber heraus-
hebt, In einer Länge von etwa 300 km und einer mittleren Breite von
150 km streicht es einem Trapez vergleichbar in nordöstlicher Richtung
quer über den Rhein fort, der hier auf der Strecke von Bingen bis
Bonn die Teilungslinie zwischen den beiden Hälften bildet. AVährend
die südliche kleinere (irundlinie des Trapezes von Merzig an der Saar
bis Friedberg am Ostende des Taunus ziemlich geschlossen ist, zeigt die
nördliche eine grofse dreieckige Lücke, die Bonner Tieflandsbucht, die
im Anschlufs an den Rhein die Trennung der beiden Flügel des Ge-
birges vervollständigt. Von einem Gebirge kann man eigentlich kaum
sprechen, da es mehr den Charakter einer Plateaufläche hat, die durch
Grabenbrüche und erodierte Taleinschnitte stellenweise einige Abwech-
selung bietet. Bei einer mittleren Höhe von 500 rn erreicht es nur an
wenigen Stellen Maximalhöhen von über 800 m, und besonders ist der
südliche Rand erhöht (Gr. Feldberg 880 in). Die Hauptmasse des ganzen
Berglandes setzt sich aus Schichtgesteinen der Devonformation zusammen ;
nur im Hohen Venn tritt die granitische und stellenweise in den Ar-
dennen die silurische Unterlage hervor. Als ein Teilstück der ehema-
ligen mitteleuropäischen Alpen der Karbonzeit zeigt es heute keine
alpinen Höhen mehr, weil es bald nachher zu einem Abrasionsplateau
abgetragen wurde; noch in der Trias- und Jurazeit lag es unter dem
Meeresspiegel, wie es die im Mosellande bei Trier erhaltenen Gesteine
dieser Formationen bezeugen, während diese sonst von dem Plateau in-
folge der lange anhaltenden Denudation abgetragen worden sind. Die
plateauartige Erhebung des (.tanzen, wie es sich uns heute darstellt, trat
erst in der späteren Tertiärzeit ein, als sich gleichzeitig die süddeutschen
Beckenlandschaften senkten, so dafs die damals zu oberst lagernden
Schichten des Miocäns sich um etwa 400 m vertikal gegeneinander ver-
schoben. Auch im Inneren des Plateaus traten beckenartige Einsen-
dungen ein, das Becken von Trier, von Neuwied und Limburg, die heute
von der unteren Mosel und Lahn durchzogen werden. Als eine Folgt)
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19. Rheinisches Schiefergebirge. Ol
dieser Brüche und Störungen ist das Auftreten vulkanischer Kegel und
Lavafelder und anderer vulkanischer Nebenerscheinungen anzusehen,
wie sie die Eifel, der Westerwald und das Siebengebirge zeigen. Im
übrigen wurde die Plateaufläche lediglich durch die Flüsse modelliert,
die sich zu betrachtlicher Tiefe einschnitten. Der Rhein ist auf der
Strecke, wo er das Schiefergebirge durchbricht, ein Erosionstal dieser
Art, welches das aus dem sich senkenden süddeutschen Becken ab-
fliefsende Wasser in die aufsteigende Scholle des Schiefergebirges ein-
schnitt. Im Verein mit seinen Nebenflüssen teilt er das Ganze in meh-
rere Abschnitte: der rechtsrheinische Teil umfafst den Taunus, Wester-
wald, das Süderland mit dem Kellerwald und dem Haarstrang, der links-
rheinische: den Hundsrück, die Eifel, das Hohe Venn und die weit
nach Belgien bis zur Sambre und Maas reichenden Ardennen.
Der rechtsrheinische Teil des Schiefergebirges wird im S. bestimmt
abgeschlossen durch den Taunus, der nach S. hin zur Rhein- und Main-
niederung steil abfällt, während er nach N. zur Lahn sich mäfsig abdacht.
Sein System erfüllt den Raum vom Rhein bis östlich zur Wetterau. Das ganze
Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit wurde er kurz *die Höhe« genannt,
eine Bezeichnung, die in Ortsnamen wie Homburg und Hausen vor der Höhe
sich noch erhalten hat. Erst vor 300 Jahren kam durch gelehrte Studien der
antike Name Möns Taunus wieder in Aufnahme (Mela, III, 3, 30; Tacit. Ann. I,
56; XH, 28). Letzterer hängt ohne Zweifel mit dem keltischen Dun, Dann =
Höhe zusammen. Bis zum XVI. Jh. hiefs auch ein Teil des Berglandes
zwischen der Weil und Ems in den Urkunden noch der Duneberg. Die
Senke von Idstein (im Kamm 346 m) teilt ihn in zwei Hälften ; in der östlichen
liegt hart an der äufseren Randhtihe der Grofse Feldberg 880 m, der die mittlere
Kammhöhe von 486 m nicht unbeträchtlich überragt. Auch die westliche Hälfte
hat immer noch Höhen von 600 m und mehr; sie senkt sieh mäfsig als Rhein-
gaugebirge nach W. ab zum Rhein, an welchem sie mit dem Niederwald bei
Rüdesheim steil abbricht. Die hart am Südrande gelegene Wasserscheide bedingt
es, dafs die Entwässerung des Taunussystems vorzugsweise nach N. zur Lahn
.stattfindet. Durch seine Mineralquellen war der Taunus seit der Römerzeit
bekannt; noch heute zählt man einige 40. Sievers, Zur Kenntnis des Taunus,
Stuttgart 1891.
Von dem Flufsviereck Lahn — Rhein — Sieg umzogen schliefst sich nördlich
der Westerwald an. Unter diesem Namen Wesderewaltle, }\ 'estenvoldc erscheint
er urkundlieh schon 1047. Als ein von der Braimkohlenformation besonders
im östlichen Teile bedecktes Schiefernlateau zeigt er Erhebungen, tüe trotz
ihrer absoluten Höhe (Saalberg oder Salzburger Kopf, 654 m, Fuchskauten,
657 m), kaum 70 m, die nächste Umgebung überragen, so dafs das Ganze nur
eine mäfsig gewellte Hochebene bildet. Im NC), erhebt sich die Kalteiche zu
572 m. Als das Siegener I>and mit dem Nassauischen noch zusammenhing,
bildete sie die natürliche Grenze innerhalb der Ottonischen Besitzungen; noch
in Urkunden des XVI. Jh. werden sie in das Land diesseits und jenseits
der Kalteiche geteilt. (Vogel, Beschr. v. Nassau, 1843, p. 17). Zahlreich sind
die Basalt- und Traehytdurchbrüche im mittleren und westlichen Teil. Land-
schaftlich bietet der Westerwald wenig Reiz ; auch klimatisch ist er nicht günstig
beanlagt und gehört mit zu den niederschlagreichsten Gegenden Deutschlands.
— Der nordwestlichen Ecke des Westerwaldcs hart am Rhein ist das Sieben-
gebirge angegliedert, so genannt, weil es aus sieben gröfseren Kegelbergen
besteht. Es ist ganz aus Basalt und Traehyt aufgebaut, der seit frühen Zeiten
als Bruchstein für den Bau von Häusern und Kirchen in der Nachbarschaft
verwendet worden ist,
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62 I. Physische Geographie.
Zwischen Sieg und Ruhr liegt das Süder- oder Sauerland; jenes ist
die niederdeutsche, dieses die hochdeutsche Form. Es ist im wesentlichen
der südliche Teil von Westfalen im Gegensatz zum nördlichen, der die Münster-
sehe Tieflandsbucht erfüllt. Auch hier sind es meist nur die Flüsse gewesen,
die die Hoehlandsfliiche modelliert haben ; nur wenige breite Bergrücken ragen
über sie hinaus. Das Rothaargebirge, welches vom Ederkopf (645 m) bogen-
förmig nach N. zum Kahle Attenberg (830 m) streicht, bildet die orientierende
Wasserscheide zwischen Weser- und Rheinsystem Auch sonst sind einige
Erhebungen durch Namen unterschieden , wie das Ebbegebirge bei Meinerts-
hagen mit der Nordhelle 666 m, das Lennegebirge, der Homert südlich von
Arnsberg. Einen östlichen Ausläufer des Sauerlandes bildet der durch die
Eder abgetrennte Kellerwald, der seiner geognostischen Zusammensetzung nach
aber dem Schiefergebirge zugerechnet werden muls. Nach N. hin verflacht
sich letzteres mehr und mehr. Jenseits der Ruhr ist eine nur noch schmale
Rodenschwelle von 200 m mittlerer Höhe vorhanden, deren östlicher Teil, die
II aar (auch Haarstrang), bis zu 377 m als höchstem Punkt aufsteigt.
Die beiden Enden des Rothaargebirges bilden auch bemerkenswerte Strom-
quellenzentren; am südlichen Ende entspringen Eder, Lahn und Sieg, am nörd-
lichen Orke (zur Eder), Lenne und Ruhr. Die Lahn, im VIII. Jh. Loyana,
Logantüta, dann Lanus (Gottfr. Viterb.), entspringt am Jagdberg und fliefst, mehr-
fach die Hauptrichtung ihres Laufes wechselnd, durch die Senke von Limburg
zwischen Taunus und Westerwald, von denen sie beiderseits kleinere Flüsse
empfängt. Nach 218 km langem Laufe mündet sie oberhalb Coblenz. Die
Sieg (Siga), am Ederkopf entspringend, 131km lang, geht in zahlreichen Win-
dungen zwischen Westerwald und Sauerland zum Rhein unterhalb Bonn. Ihr
an Kupfer- und Eisenerzen reiches Tal war in frühen Zeiten schon Sitz des
Bergbaues gewesen. Die Ruhr, Rura (VIII. Jh.), Jiurinna, geht vom Winter-
bergplateau aus zuerst nördlich, lenkt dann aber westlich ein und erreicht
232 km lang bei Ruhrort den Rhein. Ein gröfserer Nebenfiufs ist die Lenne
(Lume, Laie). Unterhalb Ruhrort empfängt der Rhein noch die kleine Emscher
(Embiscara). Vgl. Spiels, Das Lahntal, Ems 1866. Horn, Das Siegtal in
seiner historischen und sozialen Beziehung, Bonn 1854. Natorp, Ruhr und
Lenne, Iserlohn 1880. Friedemann, Die urkundlichen Formen des Flu fs-
namens Lidin, Archiv f. hess. Gesch. VI, 419 — 448.
Der linksrheinische Teil des Schiefergebirges beginnt im S. mit dem
Hundsrück oder Hunsrück, im Mittelalter Hundesmgge , Hu ntsrneck , auch
wörtlich übersatzt Cmiinm Uryus. Er erfüllt den Raum zwischen Saar, Mosel,
Rhein und Nahe, und stellt ein einförmiges Tonschicferplateau von 600 m Höbe
dar, welches in der Mitte von einem Quarzitrüeken durchzogen ist. Letzterer
besteht aus einzelnen gesonderten Teilen ; im W. ist es der Hochwald mit dem
Erbeskopf (816 m l, im weiteren der Idarwald (Sylva Jeder, VII. Jh., hier, 1315)
und zwischen Simmer und Rhein der Soonwald (1105 genannt Annal. Hildesh.),
nach Trith. Cliron. Hirsaug. Opp. 2, 610: ntmm quod Turnus nominatur a S/mm-
heinicu.sibus, Trerireusibus antem rf Moseffanis Hydorus. Das besonders von Laub-
waldungen erfüllte Bergland ist wenig fruchtbar, und während der Südfufs des
Taunus in der warmen, weinreichen Rheintalniederung liegt, geht der Huns-
rück in das hochgelegene Pfälzer Bergland über. — F. Meyer, Zur Kenntnis
des Hundsrücks, Stuttg. 1898. Bach, Geogr. Übersicht des Hunsrücks im
weiteren Sinne, Kreuznach 1896.
Den weiten Raum von Mosel und Rhein nördlich hinauf bis zur Maas
und Sambre erfüllt ein Plateau vom gleichartigem Aussehen, dessen östliche
und westliche Hälfte als Eifel und Anleimen unterschieden werden. Im Alter-
tum scheint der Ardennenname eine gröfsere Ausdehnung gehabt zu haben.
Aus Caesar, b. g. V, 3 und VI, 29, ergibt sich, dafs der Ardennenwald aufser
den heutigen Antennen noch die Kifel und wahrscheinlich auch den Hunsrück
mit umfafst hat. Seit dem Anfang des zweiten Jahrtausends macht sich eine
engere Fassung des Namens und Beschränkung auf die westliche Hälft*?
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19. Rheinisches Schiefergebirjzc.
63
bemerkbar, wobei der Begriff des Waldes, der sonst an jenem Namen haftete,
verloren ging, und zu einer Gaubezeichnung wurde. Vgl. hierüber Lamprecht
IAV. I, 93 — 95. Bei den Alten hiefc der Wald Arduenm (Tacit, ann. III, -42,
Caesar 1. c., Strabo IV, 194), im frühen Mittelalter tritt urkundlich (770) die
Form Ardintia auf und Ardentui (966). Die Eifel geht ohne scharfe Grenze
nach \V. in das Ardennenplateau über. Die Linie Lüttich — Trier kann als
Notbehelf für die Abgrenzung beider Namensgebiete gelten. Der Name Eifel
tritt zuerst adjektivisch auf: in jHtffo effinse (762), efflinse (772) eifflinse (845).
Dag Substantiv Eifln erscheint zuerst 8:H8, Eiffila 1051, Eiflia 1141
Die Roer-Kyll-Linie teilt das Eifelplateau in zwei Hälften ; die östliche
umfafst die Hohe Eifel und die Vordere Eifel, die westliche die Schneipfel
und das Hohe Venn. Im östlichen Abschnitt, dessen mittlere Höhe 600 m
beträgt und nach S. zu bis auf 300 m sich senkt, ist das Landschaftsbild
durch das Auftreten vulkanischer Kegelberge und verschiedener anderer vulka-
nischer Erscheinungen charakterisiert. Hierzu gehören die Maare. Es sind
die« keine eigentlichen Kraterseen, sondern nur Einsturztrichter, d. h. in der
Entwicklung zurückgebliebene Vulkane, die von Aschen- und Schlackenwällen
umrahmt sind, ohne dafs es aber zu höheren Anhäufungen gekommen wäre.
Ein typisches Beispiel ist hier der bekannte Laach er See (3,3 qkm), 273 m
über dem Meere gelegen mit einer Maximaltiefe von 51 m. Das Schalken-
mehrener Maar ist 32 m tief, das Weinfelder Maar 102 m, das Pulvermaar
95 m. Neben den Maaren treten in grofser Menge auch basaltische Vulkan-
kegel auf, bei denen der Eruptionsprozefs sich forgesetzt hat und deren Isolierte
Kuppen das ganze Landschaftsbild beherrschen ; der höchste unter ihnen ist
die Hohe Acht (760 m). Die ganze Umgebung des Laacher Sees mit ihren
Schlacken- und Lavenfeldern (Steinbrüche bei Niedermendig) zeigt noch andere
vulkanische Nebenerscheinungen , wie Mofetten , die Kohlensäure ausstofsen,
und kohlensaure Quellen , mehrere hundert, an Zahl. — Eine zweite Vulkan-
linie läfst sich von Bertrich an der Üfs nordwestlich über Daun bis nach
Hillesheim verfolgen, auf der Maare und erloschene Vulkane mit Schlacken
und Laven in dichter Folge auftreten. — Nördlich der Linie von Prüm über
Birgel nach Aremberg ist der Vulkanismus nicht mehr anzutreffen. Das Devon-
plateau ist sehr einförmig gestaltet; in der Schneifel trifft man die wildesten
und ödesten Partien an. Überdies ist das Land von Hochmooren durchsetzt,
nid steigt in nordwestlicher Richtung allmählich an (Losheimer Wald 700 m).
— Im NW. der Roer bildet das Hohe Venn seiner anders gearteten geogno-
^tWhen Beschaffenheit wegen einen besonderen Abschnitt. Orographiseh liebt
* sich vom Eifel- und Ardennenplateau nicht scharf ab. Es besteht aus einem
;rranitischen Rücken, der von den ältesten paläozoischen Schichten umhüllt ist.
I'if Botrange erreicht 695 m. Sümpfe und Torfmoore bedecken den weitaus
grofcten Teil. Sie herrschen aber auch auf dem ganzen übrigen Grauwaeken-
>< hieferplateau vor. Wo der Wald verschwunden ist, ist der Boden in ein
Heideland übergegangen. Dresse 1, GreognOBtisch-geologische Skizze der Laacher
' ulkangegend , Münster 1H7 1. Röbbelen, Die Bewaldung und sonstigen
Meliorationen der Eifel im Regierungsbezirk Trier, 1876. Dronke, Bilder aus
der Eifel, Stnttg. 1894. Dronke, Die Eifel, hrgb. von Cüppers, Köln 1899.
Die Ardennen in der heutigen Begrenzung des Namens bilden die
unmittelbare Fortsetzung der Eifel und des Venns und reichen nordwestlich
ti- zur Sambre und der Maas (von Namur bis Lüttich). Beide Flüsse stellen
tdne rein äufserliche, keineswegs sehr tiefgreifende Grenzlinie gegen das mittel-
Mgisehe Hügelland dar. Nach Westen zum tiebiet der Scheide verdacht sich
das Plateau aUmählich. Das ca. 400 m hohe Plateau ist von Flüssen mit Steil-
räudigen Tälern tief durchfurcht. Während diese Täler vorzüglich der Boden-
kultur und der Besiedelang dienen, sind die Hochflächen selbst entweder von
Caldern oder Heidemooren erfüllt, sog. Fttt/iies. Die Haufes Fatjues sind als
hochliegende Moore gleichbedeutend mit Hohes Venne In der Nähe von
letzterem liegt auch der höchste Punkt des Ardennenplateau* hart an der
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I. Physische Geographie.
Grenze, die Baracke Michel , 672 m. Die hochliegenden (Teile Jder Ardennen
erfüllen die südöstliche Ecke von Belgien und Luxemburg. Die nordwestlich
zu ihnen befindlichen Partien bis zur Sambre-Maas bilden eine um mehr als
100 m niedrigere Stufe. Überall herrschen hier paläozoische Gesteine vor,
während der nördliche Rand von einem Streifen der produktiven Steinkohlen-
formation umsäumt wird, die bis in deutsches Gebiet hinüberreicht und in
den beiden Kohlenmulden der Inde und Würm bei Aachen nochmals hervor-
tritt. Während das höhere Ardennenplateau mit einem aus den Schiefern
hervorgegangenen Lehm bedeckt ist, ist die niedere Stufe von Sand und
Kalksteinen erfüllt. — Förster, Chorographie der Ardennen, Aachen 1882.
Houzeau, Essai d'une geographie physiquc de la Belgique, Bruxellcs 1854.
Penck, Das Königreich Belgien, 1889, p. 513 ff., 532 ff.; vgl. die Literatur
oben p. 28.
Von den Flüssen des linksrheinischen Teiles des Schiefergebirges sind
Maas und Mosel die gröfsten, von denen jene in ihrem Mittellauf die Ardennen-
Blatte durchsägt, während diese innerhalb des Gebirges ihren Unterlauf bildet.
>ie Maas (Mosa, frz. Meuse), deren Quelle auf dem Plateau von Langres tiefer
liegt als die Ardennen, schneidet schon auf französischem Boden von Mezieres
an ein tiefes stark gewundenes Erosionstal in die Hochfläche ein, dessen
relative Höhenunterschiede zwischen Plateau und Flufsspiegel anfangs 300 m
betragen und nach N. durch Belgien bis auf 120 m abnehmen. Bei Namur
(76 m) vereinigt sie sich mit der Sambre (Sambra) und lenkt in deren Richtung
ein. Aber auch ihre Nebenflüsse fliefsen in tiefen Spalten, und einer derselben,
der Semoy (SemonisJ, ist durch seine zahlreichen Windungen ausgezeichnet,
wie sie kein zweiter Flufs besitzt. Vor Lüttich mündet die Ourthe (Vrta)
ein. Auf dem Eifelplateau entspringt auch die Roer (Rum), die die Maas aber
erst im niederländischen Tiefland erreicht.
Die Wasserscheide zwischen Maas- und Rheinsystem läuft diagonal in
NO. -SW.- Richtung über die Eifel. Teils gehen die Flüsse direkt in den
Rhein, wie die Erft (Amapa. Arlephe, Arlafe). die Ahr (Ära) und die Nette
(Xitissa), teils werden sie von der Mosel aufgefangen. Letztere beschreibt
unterhalb Trier jene grofsen Serpentinen, die sie erst in junger geologischer
Zeit (spätere Tertiärzeit) in das Plateau eingeschnitten hat, während ein alter,
höher gelegener Mosellauf sich von Schweich über Hetzerath bis Mülheim hat
nachweisen lassen. Von den linksseitigen Moselzuflüssen aus der Eifel sind
zu nennen: die Sauer (Sunt), beute die deutsch-luxemburgische Grenze bildend,
mit der Our (Urvei) und Prüm (Prumia), ferner die Kyll, Kill (Kylia), die
Salm (Salmona), Lieser (Lesum), Uefs und Eitz.
Das Tal des grofsen Rheinstromes selbst, der das Schiefergebirge an
seiner relativ schmälsten Stelle durchquert, steht in schroffem Gegensatz zu
jenem oberhalb Bingen. Es ist ein typisches Erosionstal. welches der Strom
in die zur Tertiär- und Diluvialzeit sich hebende Scholle von oben nach unten
allmählich eingeschnitten hat. Die Spuren seines ehemaligen Laufes lassen
sich an den Talseiten noch nachweisen. Die Erosionstätigkeit des Flusses
reicht bis in die jüngste Zeit hinab, und erst der Mensch ist es gewesen, der
an einzelnen Punkten die letzten noch vorhandenen Flufsbänke künstlich be-
seitigt hat. Innerhalb der historischen Zeit ist der Rhein eine sehr beschwer-
liche Wasserstrafse gewesen. Sogleich beim Eintritt in das Rheinische Schiefer-
gebirge bildete das Binger Loch ein Hindernis für den Verkehr, da vor 300 Jah-
ren hier ein Fall von 6 — 7 Fufs Höbe noch vorhanden gewesen sein soll. Doch
schon im XI. Jh. hatte man Anstalten zur Beseitigung der Felsen gemacht.
Der durchgehende Flufsverkehr war hier immer gehemmt gewesen. Grofse
Schiffe mufsten in Bacharach und Lorch aus- und umgeladen werden. Auch
bei St. Goar war das Gefälle mehrere Fufs grofs. Im XV. Jh. machten die
rheinischen Kurfürsten gemeinschaftlich Anstalten, die Passage zu öffnen, und
Ende des XVI. Jh. wurden die ersten Pulversprengungen vorgenommen.
Eine wesentliche Besserung trat erst ein, als die preufsische Regierung 1828
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20. Hessisches Bcrgland. 65
die Sache in die Hand nahm und in den Jahren 1830 — 1832 das Binger Loci»
für den Schiffsverkehr praktikabler machte. Vgl. hierüber Quetsch, Gesch.
des Verkehrswesens am Mittelrhein . Freiburg 1891 , p. 3 — 9. Während der
Strom von Bingen bis Koblenz in einem oft recht steilwandigen Tal (so z. B.
am Loreleyfelsen, wo der Flufs eine Tiefe von 30 m hat) dahinfliefst, erweitert
sich das Tal an der Einflufsstclle von Mosel und Lahn bei Koblenz zu dem
kleinen Becken von Neuwied, einem ehemaligen Seebecken, in welchem der
Strom sich mehrmals spaltet. Unterhalb Coblenz verengt sich das Tal aber-
mals und der Flufs tritt in den zweiten Abschnitt der Erosionsfurche ein ; auch
hier treten vereinzelt noch Felsriegel auf, doch waren die Hindernisse niemals
so empfindlich gewesen als weiter oberhalb. Nach Passierung des Sieben-
gebirges tritt der Strom in die Bonner Tief landsbucht ein, und hiermit
ändert sieh nochmals die Natur seines Bettes. Er besehreibt von hier an grofse
Windungen, wie jeder Tieflandsstrom, und hat im Laufe der jüngsten geolo-
gischen Vergangenheit und noch in historischer Zeit seinen Lauf mehrfach ge-
ändert. Er zeigt das Bestreben, die grofsen Windungen mehr und mehr ab-
zukürzen, und der Mensch hat diese natürliche Stromzusammenziehung noch
beschleunigt. »Seit der Römerzeit wurde der Rhein von seinen Seiten- und
Querannen durch Deichbautcn abgeschnitten. Im XVIII. Jh. grub man geradlinige
Kanäle statt der scharfen, in der Querrichtung weit ausholenden Krümmungen.
Heute erstrebt die Strombau Verwaltung die möglichste Gradlegung des Flusses
durch Absteinungen, Buhnen und Leitwerke.« (Chambalu). Im einzelnen vgl.
besonders das p. 51 genannte offizielle Werk über den Rheinstrom; ferner
Chambalu, Die Stromveränderungen des Niederrheins seit der vorrömischen
Zeit, Köln 1892.
20. Hessisches Bergland. Das Stromgebiet der oberen Weser und
ihrer Oberläufe ist von einem reichgegliederten Bergland erfüllt. Die
orographisehe Oestaltung ist eine äuiserst mannigfaltige; ohne jede Ord-
nung sind die kuppen- und plateauförmigen Erhebungen zusammen-
gedrängt. Da der gröfste Teil des Berglandes dem hessischen Lande
angehört, so hat man sich gewöhnt, es nach diesem zu benennen. Wegen
der beträchtlichen Zerstückelung des (ianzen tritt eine scharfe Grenze
gegen die benachbarten Landschaften nicht hervor. Im W. hebt sich
«bis Bergland gegen das Rheinische Schiefergebirge geognostisch und
orograj »bisch noch am meisten ab. Im S. bilden die Kinzig, Sinn und
Fränkische Saale, im O. die Werra und Leine nur eine notdürftige
Grenze; im N. aber mangelt, eine solche gänzlich; die Abgrenzung mit
der geographischen Breite von Ilolzminden ist eine willkürliche. — In
geologischer Beziehung zeigen alle Teile des Hessischen Berglandes eine
gewisse Zusammengehörigkeit, denn die wesentliche und vorherrschende
Unterlage des (ianzen ist der Buntsandstein (Trias), der zuweilen auch
noch Bruchstücke jüngeren Ursprungs (Muschelkalk, Keuper) aufweist.
Bruchlinien in bald mehr meridionaler, bald nordwestlicher Richtung
durchsetzten die ganze Platte und haben sie in ein wellen förmiges Land
/.erlegt, und noch wechselroichor gestaltete sieh die Oberlläche dadurch,
dafs auch vulkanische Massen, besonders Basalte und Phonolithe, durch-
gebrochen sind und sich kuppenartig aufgehäuft oder deckenförmig aus-
gebreitet haben. Die beiden südlichen Ilaupterbebungen, der Yogels-
berg und die Rhön, zeigen solche vulkanischen Überhöhungen und
Decken in ausgedehntem Meise. Nördlich der Rhön, da, wo Fulda und
Werra im Mittellaufe einander nahetreten. liegt der Se Illings wald ;
Kreis rhiner, lli«tori*( he (ieuifriiphie. 5
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I. Physische Geographie.
auf der Flufshalbinsel bis Münden weiterhin der Ringgau, das ►Stol-
zinger Gebirge (495 in), der Eisberg (583 m), der H o he Meissner
(749 m) und der Kaufunger Wald mit dem Bilstein (640 m). — Auf
der linken Seite der Fulda wiegen die Erhebungen weniger vor; viel-
mehr treten hier hügelige zusammenhängende Niederungen auf, die im
S. mit der Wetterau beginnen und sieh östlich der Laim und des Rhei-
nischen .Schiefergebirges nach X. weiterverfolgen lassen. Neben den
Senken zeigen sieh aber aufser dem Yogelsbcrge auch noch gröfsere
Bodenanschwellungen, wie das K nüllgofyirge zwischen Schwalm und
Fulda und der Habichtswald bei Kassel. Das Hessische Bergland
setzt sich zu beiden Seiten der Weser fort, walderfüllte Plateaus und
Rücken bildend, die nicht mehr eigentlich als Gebirge bezeichnet werden
können; so auf der rechten Seite der Weser der Bramwald und der
Solling und auf der linken der Roinhardswald mit dem Gahrenberg
(4ö4 m). In den mannigfachen Vertiefungen zwischen allen diesen Boden-
anschwellungen sind tertiäre Schichten anzutreffen, die durch ihre Braun-
kohlenablagerungen wirtschaftlich von Bedeutung geworden sind. — In
hydrographischer Beziehung gehört das Hessische Bergland zum weitaus
gröfsten Teil dem Wesergebict an, deren beide Oberläufe, die Fulda
ganz, die Werra teilweise in Hessen liegen. Nur die südlichen Rand-
gebiete des Yogelsbcrges und der Röhn werden zum Main hin ent-
wässert.
Der Vogelsberg, ahd. Fiujahsberc, stellt eine alte Vulkanruine dar, deren
Unterlage aus Buntsandstein besteht. Eine Basaltdecke von flachkonischer Ge-
stalt mit sehr geringer mittlerer Böschung bildet die Oberfläche des 46 km im
Durchmesser messenden Kegels. Seine Gestalt tritt auch in der Entwässerung
hervor; die Quellbäche haben ihn oft in tiefen Schluchten zerfurcht und tliefsen
radial von ihm ab. Nach NW. wendet sich die Ohm (Amena) zur Lahn, nach
N. die Schwalm (Sulmanafai) zur Edcr, nach 0. die Altfell und Lüder (Lnoihra)
zur Fulda, nach S. der Salzbach und die Bracht (Brachtaha) zur Kinzig und
im W. schliefslich die Nidda mit der Nidder und Wetter (Wrteraha) zum Main.
Die höchsten Teile des Vogelsbcrges bilden eine waldige Hochfläche, deren
Maximalerhebung der Taufstein 772 m erreicht. — Westlich vom Vogclsberg
folgt eine imkerst fruchtbare Niederung bis zum Taunus reichend, die
Wetterau (Wethreiba) von c. 800 qkm Oröfse, die bis in die Mainniederung
hinabgeht.
Vom Vogelsberg leitet eine inäfsig hohe Bodenschwelle, der Landrücken
(373 in), der Kinzig- und Fuldagebiet voneinander scheidet, zur Rhön hinüber.
Die Rhön (Rome, Ronaho) bildet mit andren Berglandschaften des Fulda- und
Werralandes einen Teil der sog. Bucouia, Duchoitia des früheren Mittelalters
f Fredegar; Gregor Tur. II, 40; Brief des Bonifaz in JatTe bibl. IL 319), eine
Benennung, die neben Caesars Hnanis gestellt worden ist. Auch die Rhön ist
ein vulkanisches Gebirge mit triassiseher Unterlage wie der Vogelsberg, nur
dafs hier die Basalte in einzelnen Kuppen und Rücken die Schichtgesteine
überragen und nicht deckenförmig abacnlieJsen. Die höchsten Höhen ragen .
völlig kahl und baumlos auf und sind mit moorigen Bildungen und Heiden
verseilen. Von diesem Charakter ist besonders die Hohe oder Lange Rhön,
in welche das Tal der Ulster von Norden her hereinreicht. Ihr höchster Punkt
ist die Wasserkuppe, 1)52 m. Nördlich von ihr liegt die Vordere Rhön, die
durch das L'lstertal in zwei Teile geschieden ist. von denen sich der westliche
durch seine dichtgedrängten Basalt- und Phonolithkegel auszeichnet; ihr süd-
lichster Kegel ist die Milseburg (83H in), ihr nördlichster der Soisherg (627 m).
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21. YWorberylund. G7
Wie «Iii* Vordere Rhön .schon ein freundlicheres Landschaftebild zeigt, schöne
Waldungen hat und den Feldbau gestattet, so trägt auch die Südliche Rhön
ein ähnliches Gepräge. Durch das Tal der Sinn wird sie in zwei Hauptrücken
geteilt, die beide einen gleich hohen Kulminationspunkt haben (930 in), die
Danunersfeldkuppe und den Kreuzberg. Von der Rhön gehen die Flüsse
radial nach allen Richtungen aus; der nordliche Abschnitt wird nach der Fulda
und Werra ent wässert, der südliche nach der Sinn und Fränkischen Saale.
Barth, Das Rhöngebirge, Fulda 1871. Scheid twciler, Die Rhön und ihre
wirtschaftlichen Verhältnisse. Frankf. 1887.
Von den übrigen Berglandschaften ist der Hohe Meifsner der bekannteste,
ein langgestreckter, plateauartiger Berg mit grofsen Wiesenflächen, auch Moor-
und Seenbildungen. Der Solling, Solinger Wald bildet den nördlichen Abschlufs
der Buntsandsteinformation. Als Soliyo, Solge erscheint er schon im XIII. Jh.,
ferner Sollingus, Stdlinyswald (XV. Jh.).
Den Hauptstrom des Hessischen Berglandes bildet die Weser mit ihren
Quelläufen Werra und Fulda. Die 2(59 km lange Werra entspringt im Thüringer
Walde, die 180 km lange Fulda auf der Wasserkuppe in der Rhön. Die Fulda
wird frühzeitig schon genannt: Vahle (V. Jh.), Vtdtaha, Widda und Fulda
(VIII. Jh.). Die Namen Werra und Wesi r sind gleichbedeutend. Formen
wie Wirrahl, WeraJia treten im VIII. Jh. auf, Werra im XI. Jh. Daneben
auch Formen wie Wiseraha, l'isera, Visora. Nach ihrer Vereinigung bei Münden
bilden sie die Weser, die bei den Alten (Mela, Plin., Tacitus, Vellej. Paterc.)
allgemein Visurtjix, Ohaoi'^yi^ (Ptol.), Btaov$yt$ tStrabo) heifst. Im Mittelalter
wird auch sie Wisara genannt, und im übrigen herrschen dieselben Namen-
forrnen, die schon die Werra führt. Adam von Bremen läfst zuerst eine
Scheidung von Weser und Werra hervortreten: Wisara, qui nunc Wissula vel
Wtrraha mincapatar. Ein gröberer Nebenflufs der Fulda ist die Ed er, die
schon den Alten bekannt war. Tacitus (Annal. I, 56) erwähnt sie als
Adrana. Unter diesem Namen tritt sie auch im Mittelalter verschiedentlich
auf: Atlama, Adema. Ethriua, Ederna.
Landau. Das Kurfürstentum Hessen, Kassel 1812. Wagner. Statist.-
topogr.-histor. Beschreibung des ( irofsherzogt. Hessen, Darmstadt 1H29 — 1831.
Jäschke, Das Meifsnerland, Stuttg. 1888. Küster, Die deutschen Bunt-
sandsteingebiete, Stuttg.
•21. Weserbergland. Die Hessiseho Senke, die iin S. mit der Wet-
terau beginnt und sich nordwärts Bis zur Weser zieht, findet in dem
Weserbergland gleichsam eine Fortsetzung, nur dafs sie aus der anfangs
mehr meridionalen Richtung innerhall) Hessens nunmehr in eine nord-
westliehe einlenkt. Der hügelige Boden dieser Fortsetzung liegt schon etwas
tiefer als jener der Hessischen Senke. Während diese aber in ihrer Richtung
mehr Beziehungen zum oberrheinischen System erkennen läfst, wird man
den weiteren Verlauf der Einsenkung wegen ihrer NW. -Richtung zum
herevnisehen System stellen müssen, welches den gröfsten Teil der
(Jebirgszüge Mitteldeutschlands beherrscht, Es sind im wesentlichen
zwei schmale Gebirgsrücken, die in einer Entfernung von 30 — 40 km
nebeneinander hinstreichen; der nördliche wird durch den Süntel, das
Weser- und Wiehengebirge gebildet und der südliche durch den Teuto-
burger Wald. Das zwischen beiden Rücken liegende Land ist von
kleineren Höhenzügen erfüllt, die trotz aller Cnregolrnäfsigkoit die gleiche
nordwestliche Stretchrichtung erkennen lassen. Auch der Ilauptfluls, die
Weser, zeigt sich bis zu einem gewissen (trade hiervon abhängig. Sie
macht anfangs Miene, die ganze Senke zu durchfliegen, biegt dann aber
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I. Physische Urographie.
scharf nach N. um und flickt sogar ein Stück nach 0. zurück, um dann
in einer tiefen Scharte zwischen Wiehen- und Wesergebirge durch-
brechend, in die Tieflandsniederung einzutreten. — Der Teutoburger
Wald erscheint als die Fortsetzung der meridional streichenden Egge.
Er steigt wallartig, aus zwei bis drei der Trias- und Kreideformation
angehörigen Parallelketten bestehend, auf einer relativ niedrigen Basis
auf, besonders im S., wo die heideartige Niederung, die Senne sich findet.
Sie macht einen Teil der Münsterschen Tieflandsbucht aus, welche sich
keilförmig in das deutsche Mittelgebirge hineinschiebt und in deren
Winkelpunkt Paderborn gelegen ist. Teutoburger Wald, Egge und Rhei-
nisches Schiefergebirge schliefsen die Bucht ab. Der abgestumpfte Winkel
an der Egge wird von einer mäfsigen Hochfläche noch erfüllt, die man
als Paderborner Plateau bezeichnet hat,
Etwas mannigfaltiger gestalten sich die orographisehen Verhält
nisse weiter östlich in dem Bergland, welches zu beiden Seiten der
Leine sich hinzieht. Es setzt sich aus einer ganzen Folge von mäfsig
hohen Bergzügen zusammen, die alle nur kurz entwickelt sind. Zwischen
der Weser und der Leine sind es der ilils (400 m) und der Ith (381 m),
ferner nördlich von diesen der Osterwald (388 m), der Nesselberg
(398 m) und der Deister (416 m) südwestlich von Hannover; westlieh
von diesem die Bückeberge. Zwischen Leine und Innerste ziehen sich
südlieh von Hildesheim in mehreren Parallelketten die Hildesheimer
Berge hin; in nächster Nähe der Leine die Siebenberge (420m),
der Ahrensberg (371 m) und der Heberberg (315 m). Die Leine
selbst, die dem oberen Eichsfeld entquillt, fliefst in einem grabenartigen
meridionalen Bruch.
Der Teutoburger Wald erscheint unter diesem Namen schon bei
Taeitus (Anna! 1,60): Sallus l'eutoburgieusis. Man hat aber Bedenken erhoben,
ob unter diesem Saltus der heutig«; gleichnamige Gebirgszug zu verstehen sei.
Die viel erörterte Frage nach der Örtlichkeit der Varusschlacht steht mit der
Lage des Teutoburger Waldes in engsten Beziehungen. Vgl. Mommsen. Die
Örtlichkeit der Varusschlacht (Berlin 1885), der den Kampfplatz in das Venner
Moor nördlich von Osnabrück verlegt, wonach der Satins Trat, dann das
Wiehengebirge sein müfste. — Im Mittelalter heifst der Gebirgszug meist Os-
Hing; bei Einhard : maus, qui Osmw/i diritnr. Auch Formen, wie Osiieijtji und
Uwmnge u. a., treten auf. Der Teutoburger Wald mit seinen drei Parallel-
kämmen bildet einen geschlossenen Kücken, der nur zweimal eine Unter«
brechung zeigt : die Dörensehlueht bei Detmold und die Lücke bei Bielefeld.
Der Parallelismus der Kette ist in der ganzen geologischen Entwickcluug schon
begründet. Das Münsterland und die Osnabrücker Senke (Keupcri stellen zwei
eingesunkene Schollen dar. deren äufsere Ränder aulgebogen und gegeneinander
gesteinen, die im S. am Rande des Rheinischen Schiel'ergehirgcs die gefalteten
und abradierten Karbongesteine teilweise überlagern. I ber die einzelnen
Flüsse, Leine, Weser, Innerste etc., s. das weiter unten Bemerkte. In der Osna-
brücker Tietlandsbucht Hülst nach W. die Hase zur Ems ab, nach O. die Eiße
zur Werre und diese zur W eser. Da, wo Hase und Klse westlich von Melle
dicht aneinander treten, ist eine Bifurkation von der lla.se zur Else hinüber
zu beobachten. Doch hat sich nic ht feststellen lassen, ob nie auf natürlichem
Wege entstanden ist.
(int he, Die Lande Braunschweig und Hannover, 1867.
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22. Das Harzer Vorland bis östlich zur Elbe. — 23. Harz.
«9
22. Das Harzer Vorland bis Ostlich zur Elbe. Nördlich vorn Harz
streicht eine Reihe mäfsig hoher Bergrücken mit vorherrschend nord-
westlicher Richtung hin, den Übergang zum Norddeutschen Tieflande
bildend. Das sonst meist leicht gewellte Hügelland tritt am nördlichen
Harzrande in Gestalt schmaler, mauerartiger Sandsteinrücken mit steilen
Wänden auf (Teufelsmauer, Regenstein bei Blankenburg, Gegenstein bei
Ballenstedt). Weiterhin werden die Bodenwellen flacher ansteigend,
wenn sie auch bis über 300 m sich noch erheben.
Der aus hartem Muschelkalk bestehende Iluy (311 m) nördlich von
Halberstadt und der südöstlich von Braunschweig gelegene wasserarme Elm
(344 m), Eime, Säcbs. Weltchr. (D. Chron. 2, 160). ferner die aus Buntsandstein
bestehende Asse bei Wolfenbüttel mit schönem Buchenwald. Zwischen Elm
und Huy zieht eine sumpfige Furche von Hornburg a. Ilse östlich nach Oschers-
leben und die Bode ein Stück abwärts, das Grofsc Bruch, dessen Ent-
wässerung schon im XVI. Jh. in Angriff genommen und schon damals durch
den Schiffgraben kanalisiert wurde. Des Bruches tut schon Heinrich von
Herford (XIV. Jh.) Erwähnung; Chron. ed. Potth. p. 74: yalus in Wagghersleve,
qni dividit nemora Elmonem et Hnyonem.
28. Harz. Inselgleich steigt der Harz als ein plateauförmiges Massen-
gebirge am Rande der mitteldeutschen Gebirgssch welle empor. Die quer
durch das ganze Massiv über den Brocken laufende Wasserscheide zwi-
schen Weser und Elbe teilt ihn in den kleineren nordwestlichen Ober-
harz und den gröfseren Unterharz. Jener wird charakterisiert durch
das mit künstlichen Seen erfüllte Plateau von Klausthal (600 m) und das
kleinere von Tälern durchfurchte Massiv von St. Andreasberg, welche
beide durch den langen, breitrückigen Zug des Bruch- und Ackerberges
geschieden sind, während der Unterharz die Plateaus von Elbingerodo
und Harzgerode umfafst (470 m). Das fast ganz aus Devon- und Karbon-
gesteinen bestehende und nur an den äufsersten Rändern aus jüngeren
Schichtgesteinen zusammengesetzte Gebirge ist (abgesehen von zahl-
reichen Diabas- und Porphyritvorkommnissen) an zwei Stellen von Granit-
massen durchbrochen, deren eine der Rammberg (Viktorshöhe 575 m)
bildet, «he andere der kuppenförmige Brocken (1141 m). Aus der näheron
und weiteren, mit Sümpfen und Torfmooren durchsetzten Umgebung
des Brockens und Brockenfeldes geht die Mohrzahl aller Harzflüsso her-
vor; unter ihnen die Bode, die, den ganzen Unterharz durchfliefsend,
beim Austritt aus dem Gebirge den Granit des Rammberges in einer
tiefen Schlucht (Bodekessel) durchbricht.
Das IJlateaugebirge hat die Form eines Kreisabschnittes, dessen Sehne
durch den nördlichen Rand gebildet wird. Von NO. nach SO. senkt es sich
von 600 bis zu 400 m ab. In dieser Richtung beträgt die Länge etwa 100 km
bei einer Breite von 30 km und einer Arealfläche von 2030 ukm. Während
der Südrand des Gebirges eine mittlere Höhe von 250 m hat, liegt der Nord-
rand nach der Norddeutschen Tiefebene zu in etwa 210 m. — Der Name des
Harzes hat, wie oben bemerkt, mit der alten Hercynia nichts zu schaffen.
Die von Caesar (b. gall. VI, 10) als Grenze zwischen Sueben und Cheruskern
genannte Barenls silva ist öfters auf den Harz bezogen worden, doch läfst sich
die Ausbreitung des Cheruskervolkes hiermit nicht in Einklang bringen; vgl.
auch Möllenhoff. DA. IV, 439 f. Hingegen wird man unter dem Mrt\fßoxot'
ögng bei Ptolemäus II, 11, 5 nur den Harz verstehen können. Der jetzt noch
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70 I. Physische < Jeographie
gebräuchliche Name erscheint erst am Ende des VIII. Jh.: silm quae voeafnr
Htterte, im IX. Jh. /Wz. //n»7, hei Helmold, Chron. Slav. 1,26: Moides Hartici;
er bedeutet nichts anderes als Waldgebirge«.
Die Teilwigslinie zwischen Ober- und rnterharz wird sehr verschieden
angesetzt. Die Wasserseheide zwischen Ilse und llolzemme, dann der Brocken,
das Brockenfeld und weiterhin die Scheide zwischen dem Oderllüfschen einer-
seits und Bode und Wieda anderseits möchte ich als Teilungslinie in Vorschlag
bringen, zumal sie auch eine Scheide zwischen Weser- und Elbesystem ist.
Von den wenigen, die Plateaulliiehc sonst nur mäfsig überragenden Hachen
Kuppen hat der weithin sichtbare Brocken von jeher die Aufmerksamkeit
auf sieh gezogen. ( her die Baumgrenze aufragend, den atmosphärischen
Einflüssen besonders ausgesetzt, zeigt er eine rauhe, verwitterte, mit Granit-
blöcken bedeckte Oberfläche von alpiner Wildheit. Während der Name Harz
schon im VIII. Jh. belegt ist. tritt seine höchste Spitze erst im XV. Jh. mit
einem eigenen Namen auf. Ed. Jacobs, der eifrige Harzforscher, hat über den
Berg eingehende Untersuchungen angestellt. Schon 1460 wird er genannt:
Moides tir<nkensberg in einer Abhandlung d>- Soxohuhi origine (Harz-Z. 1878. 434).
Eine Urkunde des Grafen Heinrich zu Stolberg W ernigerode von 1490 Jan. VI
führt dreifsig Bergnamen auf. unter ihnen den Bmckenberg. Doch wird hier-
unter nicht der Berg im engeren Sinne, sondern sein Gebiet im weiteren be-
griffen. 1495 wird er urkundlich als Möns mptm (= zerbrochener Berg) auf-
geführt, eine Bezeichnung, die mit seiner OberflächenbesehaiTcnheit im Zu-
sammenhange steht, den Massen von Trümmern und Kelsblöcken; daher auch
Blocksberg genannt. Andere leiteten den Namen von Bruch = Sumpf ab; so auch
Pröhle. de Brneteri nominibns. Werniger. 1855. Falsch gelehrte, mit dem Hexen-
wesen in Verbindung stehende Namen sind M»ns Bmetems, Procains (15T0),
Proekelsberg (HjOO u. a. Jacobs bringt die Namensform Brackenberg in Ver-
bindung mit Bracken = abgestandene, zu Nutzholz untaugliche Bäume Griinri,
WB. 289). Auf einer Karte des XVI. Jh. heilst er Unnenberg. Vgl. Jacobs
in der Harz-Z. 1870, p. 36 ff. — Eine gewisse Berühmtheit hatte er in der
deutschen Sage als Tummelplatz von Hexen und Unholden, die besonders in
der Walpurgisnacht (1. Mai) hier ihr Wesen treiben sollten. Diese Auffassung
des Blocksberges als Hexenberg beginnt erst um die Mitte des XVI. Jh.
Gewöhnlich wird der Botaniker Job. Thal (1572) als erster Broekenbestciger
bezeichnet. Doch scheint Tilem. Stoltz, latinisiert Stella (gest. 1590) den Brocken
zu kartographischen Zwecken schon um 1560 aufgesucht zu haben i Harz-Z. 1896,
307 IT.). Auf seinem Gipfel befindet sich jetzt eine meteorologische Station
(mittlere Julitemperatur -f- 10.7° (', Januartemperatur --5,4°, jährliche Regen-
höhe 170cm). Vgl. auch Afsmann. Der Brocken, in Mittlgn. Ver. f. Ekde..
Halle 1883. p. 1 — 1»;. Nehse, Der Brocken u. seine Merkwürdigkeiten. 1840.
Jacobs. Der Br. u. s. Gebiet, in d. Harz Z. 1870. p. 1—69, seine Bedeutung
für die Volksvorstellung als Geisterberg. ebend. p. 755— 898; 1871. p. 114—156.
Jacobs. Brockenfragen, Harz-Z. 1878. 433 IT. Der.-.. Die erste bekannte um
die Mitte des XVI. Jh. zu wiss. Zwecken ausgeführte Brockenbesteigung,
Harz-Z. 1896. 307 ff. Hevse, Zur Gesch. der Brockenreisen, 5. Aull, mit
Literatur, 1891.
Im Westen des Brockens liegt das Brockenfeld, eine sumpfige Hoch-
fläche, die das Ursprungsgebiet mehrerer Flüsse ist (810 m), der Ecker. Radau,
Oder und Bode. Auf »lein Brocken selbst entspringt die Ilse, weiter östlich
die Holtenime; auf «lern Bruchberg die Oker (Trokare. I'ita Bernward. c. 7) und
an der Südseite die Sieber; auf dem Klausthaler I'lateau die Innerste (Indistra).
Die Bode (so schon Urk. Otto I. DD, n. 299; liada fl. Widuk. II, 14) durch-
fliefst den Unterharz in vielen Windungen. Sie berührt Rübeland mit den be-
rühmten Tropfsteinhöhlen. Die Baumannshöhle ist nicht nach einem Berg-
mann dieses Kamens genannt, «1er 167<> sie entdeckt haben soll ; vielmehr wird
sie schon in C. Gesners Her. fossil., lapidnin . . lifter von 1565 genannt: snbter-
''""""''•' "'"""« mdmin, j I Bauman nshol appellani I Heyse in der Harz-Z
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24. Thflniigiwlie» Hecken. 71
1870, 711 ff. Die tiefe Schlucht des Bodekessels wird an der Südseite vom
Hexentanznlatz, an der Nordseite von der Rofstrappe eingefafst. Erste Er-
wähnung oer letzteren in einem Kopialbueh des Archivs zu Magdeburg von
1644: Iio/strappfe. Vgl. K. Palm, Über die Rofstrap pensage, Harz-Z. 1875.
189—497. Ein rechtsseitiger Nebenfluß der Bode ist die Selke (Seficha), die
sich aber erst außerhalb des Harzes mit jener vereinigt.
Die früheste kartographische Erwähnung des Harzes findet siel» auf einer
Ptolemiiuskarte von 1518: pke-aria-silua (Harz-Z. 189G, p. 311), dann folgt Sei».
Münsters Hartzwald 1544, Stumpfs Sehweizerchronik 1548, auf der der Harz
in Form einer Baumgruppe dargestellt ist. Die erste, nähen' Einzelheiten ent-
haltende Karte des Harzes aus dem XVI. Jh. ist als Manuskript erhalten ge-
blieben und von Jacobs in der Harz-Z. 1870 mit ausführlichem Kommentar
p. 70 — 111 veröffentlicht worden. — Leicher, Orometrie des Harzgebirges,
Halle 1886. von Groddeek, Abrifs der Geognosie des II.. 1883. Lang,
Bildung des Harzgeb., 1896. Günther, Der Harz, 1885.
24. Thüringisches Becken. Zwischen dem Harz und dem Thü-
ringer Walde ist eine ausgedehnte, von Höhenzügen durchsetzte Mulde
eingesenkt von kaum 300 m mittlerer Erhebung. Sie wird wegen dieser
allerdings nicht sehr beträchtlichen Höhe oft als Thüringische Hoch-
fläche bezeichnet oder mit Rücksicht auf die allmähliche Erniedrigung
nach O. hin bis auf 100 m weniger zutreffend auch als Thüringisches
Terrassenland. Das Städteviereck Osterode am Harz, Witzenhausen an
der Weser, Naumburg und Saalfeld gibt den ungefähren Umfang des
Beekens an. Seine tektonische Bildung, welche mit dem NW. — SO.
streichenden, horstartigen Aufragungen des Harzes und Thüringer Waldes
in ursächlichem Zusammenhange steht, hat auch im weiteren die oro-
graphische Gestaltung des Beckenbodens bedingt; denn zahlreiche Berg-
und Hügelzüge zeigen die gleiche oder wenigstens ähnliche Richtung.
Das Innere des Beckens ist vorzugsweise von Gesteinen der Trias er-
füllt, unter welchen besonders die Muschelkalkstufen sich orographisch
herausheben. Eine ganze Folge solcher Stufen mit oft recht steilen
Abhängen umzieht in einiger Entfernung vom Südrande des Harzes und
vom Xordrande des Thüringer Waldes das Ellipsoid des ganzen Beckens.
Der westliche Teil des letzteren stellt ein 500 m hohes, rauhes und un-
fruchtbares Hochland dar, das Eichsfeld zu beiden Seiten der oberen
Leine. Der Teil nördlich der Leine bildet das Untere, jener südlich von
ihr das Obere Eichsfeld. Von ihm geht der nördliche Ilöhenrand des
thüringischen Zentralbeckens aus, der bogenförmig mit einigen Unter-
brechungen als Dün (Maximalerhebung 517m), Hainleite (460 m), Schmücke
(385 m) und Finne (3ß0 m) bis an die Ilm streicht. Entsj »rechend zieht
der Südrand allerdings weniger kontinuierlich als Hamich (455 m), Krähn-
berg (448 tu), Seeberg, Reinsberge südlich von Arnstadt, Singerberg
(582 m) hin. Zwischen dem Nordrand und dem Harz findet sich eine
breite Senke, die der Länge nach von der Helme entwässert wird, die
sog. Goldene Aue. In ihr erhebt sich fast isoliert der Kyffhäuser
(455 m), der als ein Teilstück des alten ( h-undgehirges aus kristallini-
schen Schiefern und Granit mit einer Decke des Rotliegenden besteht.
Als ein Gegenstück zu ihm kann zwischen dem Südrand und dem
Thüringer Walde der sagenumwobene Hörseiborg (487 m) angesehen
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72 I. Physische Geographie.
werden. — Der innere Teil der zentralen Mulde ist durch weitere kleine
Höhenzüge in mehrere Teilbecken abermals zerlegt, die durch Flüfschen
nach verschiedenen Richtungen hin entwässert werden. Überhaupt ist
die hydrographische Entwiekelung beachtenswert, die von der orographi-
schen Gestaltung nur teilweise abhängig ist. Die Flüsse haben die Rand-
höhen mehrfach in engen Taltoren durchbrochen, durch welche sie in
die Mulde eintreten, bezw. sie verlassen. Der westliche kleinere Teil
gehört noch dem Wesersystem an, der übrige dem Elbsystem; Unstrut
und Saale sind hier die wichtigsten Flüsse.
Auf dem Eichsfeld, welches den alten Gaunamen Eichesveit, Aikesfelt,
Eichisfeld noch bewahrt hat, entspringt die Leine (Lagina, LeinUis), die anfangs
die Richtung auf die Werra inne hält, dann aber nördlich in die Senke von
Göttingen einlenkt. Bei Northeim geht ihr vom Unteren Eiehsfeld die Ruhme
(Bume) mit dem Oderflüfschen vom Harz zu. — Die nordöstliche Seite des
Thüringer Waldes wird durch kleinere Bäche entwässert, die in der Hörsei
[Horssil, Hersel) vereinigt werden, die ihrerseits vom Thüringer Hügelland her
die Nesse in sich aufnimmt.
Als der Hauptttufs des inneren Thüringens ist die Unstrut anzusehen,
deren Name in zahlreichen Varianten auftritt: Unstrada, Unstrola, Unstrode,
Unstred, Unstruoht, Oncstrod u. a. Nach MüllenhofT, DA II, 215 hängt der
Name mit mhd. strtiot = Sumpf zusammen. Andere Etymologien vgl. bei
Egli s. v. Der 189 km lange Flufs hat innerhalb der Mühlhauser und Sommer
daer Mulde recht flache Ufer bei geringem Gefälle; jedoch zwischen beiden
Mulden, da, wo er unterhalb Nägelstedt durch die Muschelkalkstufen bricht,
verengt sich das Tal. Ebenso ist das Tal bei dem Durchbruch zwischen Hain-
leite und Schmücke in der Enge von Sachsenburg gestaltet. Von Artern an
fliefst sie aufserhalb der Zentralmulde, anfangs in einem breiten Tal, dem
Unstrud-ried, von Mcmleben an in einem Durchbruchstal, bis sie in der Gegend
von Naumburg die Saale erreicht. Mit ihrem weitverzweigten System von
Nebenflüssen beherrscht sie fast den ganzen Raum zwischen Harz' und Thü-
ringer Wald. Vgl. P. Venediger, Die Unstrut, ein landeskundlicher Versuch,
Dissert., Halle 1887. A. Kirchhoff. Die geschieht!. Stellung des Unstruttales.
Verb. Ges. Ekde. Berlin 1890, 424. — • Dir einziger gröfserer Neben flufs vom
Thüringer Walde ist die wasser- und fischreiche Gera mit der Apfelstädt.
Von links empfängt sie die Helbe und die Wipper, deren Quellen unweit
jener der Leine liegt, und endlich die Helme (Ilelmana) mit der Zorge.
Den östlichen Abschnitt des Thüringer Hügellandes durchströmt die
Saale. Sie ist der einzige Nebenflufs der Elbe, der mit Namen uns aus «lern
Altertum bekannt geworden ist, Strabo VII. 291 ; — «X«c nnxuftbc.. Aus Andeu-
tungen bei Tacitus (Germ. c. 41) und Ptolemäus geht hervor, dafs sie die
Saale, die sie nicht nennen, als den Oberlauf der Elbe auffassen. Erst Dio
Cassius (55,1) ist über die wahre Elbequelle (in den Vandalisehen Bergen)
unterrichtet. Hierüber vgl. KirehhotT, Thür, doch Hermundurenland p. 15—28.
Im Mittelalter ist der Name Sala allgemein, der nichts anderes als Salzflufs<
bedeutet, Ihre Quelle liegt im Fiebtelgebirge am Groden Waldstein. Unter-
halb Hof durchbricht sie die mächtigen Ablagerungen in niäanderförmigem
und sehr engem Tale. Bei Saalfeld tritt sie aus dem Schiefergebirge, von wo
an ihr Mittellauf bis Weifsenfeis gerechnet werden kann. Nach einem 364 km
langen Laufe mündet sie südöstlich von Barby in die Elbe. Ule, Zur Hydrographie
der Saale, Stuttg. 1896. Hertzberg, Die histor. Bedeutung des Saaletales,
Halle 1894. Von links her empfängt sie bei Grofsheringen vom Thür. Walde
die Ilm <llmena), bei Naumburg die Unstrut (s. o ), bei Bernburg die Wipper
(Wippera) und bei Nienburg die Bode (s. beim Harz). Auf der rechten Seite
geht ihr neben kleineren Flüssen, wie Orla, Roda und Wethau, nur ein
gröfser. r und wasserreicher Nebenflufa zu: die Weifse Elster (Elstra. Elstref,
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25. Thürinßcr Wald. 73
Elistra, Alstra, Heüiestra), die auf dem Elstergebirge entspringt und das Vogtländische
Hügelland in einem anmutigen, malerischen Tal durchfliegt. Hinter Zeitz
tritt sie in die Leipziger Tieflandsbucht; .sie vereinigt sich hier mit der Pleüse
und teilt sich, sich nach W. wendend, in zwei Arme, Elster und Luppe, die, die
Aue durchfliefsend, getrennt in die Saale münden.
Neben den Flüssen verdienen auch die stehenden Wasseransammlungen
Beachtung. Von diesen ist freilich der gröfste Teil im Lauf der letzten Jahr-
hundertc verschwunden. So: der Schwansee im Weimarischen seit 1793
trocken gelegt, jetzt von Wiesen und Laubwald erfüllt; die Weifsenseer
Seen (Locus albus), zwischen denen die Stadt Weifsensee lag; beide, Ober- und
Untersee, sind seit 1704 trocken gelegt, der Grofse Brembach er oder
Brautsee, 1795 und 1822 beseitigt. Auf Karten des XVIII. Jh. finden
sich noch andere Seen in einiger Anzahl verzeichnet. Vgl. Reischel, Die
orohydrographischen Verhältnisse des Thüringer Zentralbeckens, in Mittlgn.
Ver. Ekde., Halle 1884, mit Karte. E. Schmid, Die hydrographischen Ver-
hältnisse Thüringens, Mitt. Geogr. Ges. zu Jena I (1882).
Eine eigenartige Erscheinung bildeten ferner die beiden M an sf eider
Seen: der SüJfec See und der Salzige See, die beide infolge unterirdischer
Zuflüsse salzhaltig waren, nur dafs der Süfse See in früheren Zeiten einen
geringeren Salzgehalt hatte. Die mittlere Tiefe beider betrug etwa 7 m, das
Areal des Salzigen Sees 8,8 qkm, des Süfsen 2,6 qkm. Doch sind die Seen
in früheren Jahrhunderten gröfser gewesen. Im J. 1892 begannen die See-
spiegel beider zusehends zu sinken ; der Salzige See fiel um 2 m bei einem
Wasserverlust von 15000000 cbm und einer Arealverkleinerung von 2 qkm.
Unterirdische Durchbrüche in die Schächte des Mansfelder Bergbaues scheinen
die Hauptursache gewesen zu sein. Deshalb wurde der Salzige See 1894 aus-
gepumpt und trocken gelegt. Vgl. W. Ule, Die Mansfelder Seen, Dissert.,
Halle 1888. Ders., Die M. Seen und die Vorgänge an denselben im J. 1892,
Eisleben 1893.
25. Thüringer Wald. Zwischen Thüringen und Franken streicht
in nordwest-südöstlicher Richtung ein Gebirgszug, der die WTasserscheide
zwischen Weser-, Elbe- und Rheinsvstem bildet. Während der nürd-
liehe Teil als ein verhältnismäßig schmaler Rücken sich gegen das nie-
drige Hügelgelände zu beiden Seiten bestimmt abhebt, verbreitert sich
der südliche Teil plateauartig und tritt auch gegen sein Vorland in einen
weniger scharfen Gegensatz. Während ferner das nördliche Ende durch
die Werra einen bestimmten Abschlufs hat, geht das südliche und süd-
östliche ohne scharfe Trennungslinio in das Fichtelgebirge und Vogt-
ländische Bergland über. Die Grenze an dieser Stelle ist daher von
Geographen und Geologen immer sehr verschiedenartig angesetzt worden.
Die Orte Hof, Münchberg, Stammbach, Marktschorgast, also ungefähr
die sie berührende Eisenbahnlinie, bilden die beste Grenze gegen das
Fichtelgebirge. Nicht weniger unbestimmt ist die Benennung des ganzen
Gebirgszuges gewesen. Bald wird auf ihn der Name Thüringer Wald
im weitesten Sinne bezogen, bald begreift man unter diesem nur den
gröfseren nördlichen Teil, während der südliche als Frankenwald be-
zeichnet wird. Aber auch hier ist man wieder über die Abgrenzung
beider Namensprovinzen im Zweifol. Als solche dürfte sich am meisten
die Haslach-Loquitztallinie (also der Verlauf der Probstzellabahn etwa)
eignen. — In tektonischer Beziehung stellt sich der Thüringer Wald als
eine horstartige Scholle zwischen den eingesenkten Mulden zu beiden
Seiten dar. Gcoguostisch zeigt er eine grofse Mannigfaltigkeit. Eine
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74 1 PhyMiHche ( üeographie.
Linie von Amt Gohren an der Ilm in SSW. -Richtung über das Gebirge
gezogen trennt den nordwestlieben Teil ab, dessen Hauptmasse der per«
mischen Formation des Rotliegenden angehört, aber von Gneisen, Granit,
Porphyr, Mclaphyr und anderen Eruptivgesteinen in bunter Folge durch-
brochen ist. Ostlich jener Linie kommen wir in die Gebiete des kam-
brischen Scbiefersystems, welches von einem breiten Streifen sibirisch-
devonischer Gesteine (von Saalfeld über Gräfenthal nach Steinbach rei-
chend) abgeschlossen ist. Jenseits dieses Striches herrscht, auch den
Frankenwald grösstenteils mitumfassend, der Kulm (Karbon) vor. Charak-
teristisch ist ferner das Zeehstoinband, welches in wechselnder Breite (an
der Südseite auch stellenweise ganz fehlend) den Fufs des Gebirges um-
zieht. Produktive Steinkohlen finden sich im Rotliegenden bei Mane-
bach. Kleinschmalkalden, Crock und Stockheim.
Kin gemeinsamer Name scheint für den Thüringer und FrankenwaM
im Altertum nicht existiert zu haben. Die bei Caesar (b. gall. VI, 10) genannte
Silva liacrnis kann, wie bemerkt, nicht der Thüringer Wald gewesen sein. Weit
eher liefse sieh «las Waldgebirge Semanm il'tjiuinig rkrt). das Ptolemällfi aller
dings ohne nähere Lagebestimmung nennt, auf ihn beziehen. Kirchhofe (Thü-
ringen d. Herniundurenld. p. 25), der den Semanus auf das Erzgebirge beschränkt,
hat wahrscheinlich zu machen gewufst, dafs die von Ptolemällfi genannten
^nrdTjTu ootj vielmehr auf den Thüringer Wald zu beziehen sind, währen' i
Möllenhoff Haupt, Z. f. dt. Altert. VII, 256) diesen Namen dem Erzgebirge
zugesprochen hat. Eine jeden Zweifel aussehliefsende Gewifsheit wird bei der
Mangelhaftigkeit der Quellen sich schwerlieh erzielen lassen. — Im Mittel-
alter tritt ein anderer Name auf: Luvio silva, Louvia , Leihe. Leube, Ix>ybe,
auch Louha. Doch bleibt es fraglich, ob er auf den ganzen Gebirgszug bezogen
wurde, da er meist nur für die nördlichen und mittleren Teile desselben sieh
verwendet findet. Der anfänglieh für slaviseh gehaltene Name wird jetzt all-
gemein aus dem Deutschen erklärt. Kirchhof! deutet ihn schlechthin als Lander-
hohe . Auch lokal beschränkt tritt er heute noch auf: als »Snhler Leube
zwischen Suhl, Oberhof und Zella. Ein ebenso hohes Alter kommt aber auch
der Bezeichnung Thüringer Wald zu. Als Sa! Im Thurimjiae erscheint er bereits
bei Adam von Bremen (I, 7), der auf ihm die Saale entspringen läfst. Der
Ausdruck Frankenwald findet sieh zuerst in der deutschen Übersetzung der
Legenda Bonifatii (Meneke, Script, rer. germ. I, 859). wo er für den Thüringer
Wald allgemein gebraucht wird. Im übrigen vgl. A. Kirch hoff. Der Name
des Thüringer Waldes im Altertum und Mittelalter. Mittlgn. GeogT. 'Ges., Jena
18*4. p. 18 IT. Ders., Thüringen doch Hermundurenland, Lpz. 1882, p. 2 ff..
23 fT. Hegel, Thüringen (llandb.) I, 27 ff.
Die orograpische Gestaltung ist in den einzelnen Abschnitten eine sehr
verschiedene. Der nordliche Teil bis zur Ilaslach-Loquitzlinie zerfällt in drei
Abschnitte, von denen der südliche das Schiefergebirge mit ausgesprochenem
I'lateaucharakter bildet, während der nordliche durch den Nesselbergsattel
nördlich von Tambach nochmals geteilt wird. Der nördlichste Abschnitt ist
verhältnismäfsig der niedrigste mit G09 m mittlerer Kanimhöhe. In ihm erreicht
der Inselsberg allerdings noch 91»! m , dann aber sinkt der Kamm allmählich
ab, und die Schlufserhebnng im äufsersten NW., der Grofse Eiehelberg bei
Hörschel, hat niir noch 320 m Höhe. Die Kaminhöhe des mittleren Teiles
beträgt 841 m. In ihm finden sich die Maximalerhebungen des ganzen Systems:
der Beerberg 983 m und der Schneekopf 969 m und mehrere andere, die
sämtlich vulkanischen Ursprungs sind. Auch ist der mittlere Teil durch kleine
Seitenkämme ausgezeichnet, von denen einer im Kickelhahn bei Ilmenau in
8(')2 m gipfelt. Auf beiden Seiten hat »las tliefsende Wasser den Gebirgs
körper angeschnitten und malerische, oft recht steilwandige Erosionstäler
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26. Böhmerwald und Fichteljrebirge. 75
geschaffen. Bei der Schmalheit des ganzen Gebirgszuges haben die Täler
höchstens 12 km Länge, infolgedessen aber auch, besonders im oberen Teil,
ein sehr bedeutendes Gefälle bis zum Fufs des Gebirges. Der letztere liegt an
der NO. -Seite in 386 m mittlerer Meereshöhe, auf der SW.-Scite aber in 4U1 m.
Der Frankenwald stellt ein ausgedehntes Tonsehieferplateau dar,
welches eine eintonnige, mäfsig gewellte Oberfläche bildet, in welche sich die
Flüfscheu Ködel, Kremnitz. Tcuschnitz, Hafslach, Ölsnitz und Tettau ein-
geschnitten halien. Hierdurch ist das Ganze in eine Reihe von Plateaurücken
zergliedert worden mit einer mittleren Höhe von 600 in und Maximalerhebungen
wie dem Döbraberge bei Hof von 790 in, dem Spitzberg 731 m, Wetzstein
815 m. Nördlich von Hof kann die Saale als Abschlufslinie des Thüringer
Wahles angesehen werden; aber auch noch östlich von ihr setzt sich das
Schiefergebirge fort. Es wird bis zur Zwickauer Mulde etwa unter dem Namen
des Vogtländischen Berglandes zusammengefaßt , welches unterhalb
(iera in die thüringisch-sächsische Tieflandsbucht übergeht. Die Elster durch-
zieht es in der Mitte von S. nach N. Der östliche Teil, also östlich der Elster,
wird auch als Osterländisches Hügelland bezeichnet. Beide Teile bilden
ein reich gegliedertes Gelände, durchfurcht von den kleineren Zuflüssen der
Saale. Elster und Mulde.
Regel, Thüringen, ein geogr. Handbuch, Jena 1896, I, 24—50.
Pro. sc hol dt, Der Thüringer Wald und seine nächste Umgebung, Stuttgart
1891. Stange. Orometrie des Thüringer Waldes, Halle 1885. Fiedler, Ver-
gleich orometr. Methoden im Anschlufs an ihre Anwendung auf den Thüringer
wald, Dissert., Halle 1890. von Hoff und Jacobs, Der Thüringer Wald,
2 Bde., Gotha 1«07, 1812. II. Credner. Übersieht der geognost. Verhältnisse
Thüringens imd des Harzes, Gotha 1843. Spicfs, Physikalische Topographie
von Thüringen, Weimar 1875. Güm bei, Geognost. Besehreibung des Fichtel-
gebirges und Frankenwaldes, mit Atlas, Gotha 1879.
26. Böhmerwald und Fiehtelgebirge. Das obere Donaubecken
wird im N. teilweise durch den Böhmerwald abgeschlossen. Ein 230 km
langer Wall zieht er von der Senke von Eger südöstlich bis zur Donau
bei Linz, zugleich die wasserscheidende Linie zwischen Elbe und Donau
bildend. Er setzt sich aus einer Reihe parallel verlaufender Bergzüge
zusammen, die auf einem plateauartigen Sockel aufsitzen. Die Senke
bei Furth teilt ihn in zwei Abschnitte, von denen der nördliche den
Oberpfälzer Wald bildet (böhm. Cesky Les), der beim Tillenberge
(939 in) südlich von Eger beginnt und bis zum Tscherkow (1037 m)
reicht, Jenseits der Further Einrenkung von 500 m Höhe, einer wich-
tigen Durchgangstralse von Bayern nach Böhmen, streicht das Wahl-
gebirge in etwas veränderter Richtung und einer stattlichen Breiten-
entwickelung weiter (böhm. Surnava). Das obere Tal des Regens scheidet
es in zwei parallel gerichtete Massive, von denen das dem Donautal
zunächst liegende den Vorderen oder Bairischen Wald bildet (Drei-
tannenriegel 1216 m), das andere nordöstlich zu ihm den Hinteren
Wald umfafst, in welchem sich zugleich die Maximalerhebungen (Arber
1457 m, Rachel 1447 m, Lüsen 1369 in) befinden. Nach der böhmischen
Seite geht das Gebirge in ein reichgegliedertes Bergland über, welches
von den Zuflüssen der Moldau entwässert wird ; letztere bildet im Ober
laufe zum Teil den östlichen Abschlufs. Das vorzüglich aus kristallini-
schen Schiefern, besonders Gneisen, bestehende Gebirge mit granitischen
Durchbrüchen zeigt überall sanft gewellte Formen, breite Rücken mit
flach eingesenkten Tälern.
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76 !• Physische Geographie.
Durch die Naab-Wondreb-Ebene ist vom Böhmerwald das Ficht el-
gobirge abgetrennt. Wo<i;en seiner zentralen Lage innerhalb der deut-
schen Mittelgebirge wurde ihm stets eine besondere Wichtigkeit beigelegt,
zumal drei andere Gebirge in der Nachbarschaft von ihm auszugehen
scheinen und sein Wasser drei großen europäischen Strömen zufliefst,
Das ganze Massiv, ebenfalls aus kristallinischen Schiefern und Granit
bestehend, stellt ein Gebirgsviereck dar mit einer muldenförmigen Ver-
tiefung in der Mitte, die das oben» Stromgebiet der Eger ausmacht;
letztere gewinnt einen Ausgang durch die relativ niedrige Ostseite des
Vierecks. Während die Nordseite im Grofsen Waldstein bis zu 880 m
sich erhebt, liegen die Kulminationspunkte an der Westseite: der Schnee-
berg (1051 m) und der Ochsenkopf (1023 m). In der Einsenkung zwischen
beiden, der Seelohe, liegt der schon von Torfmooren erfüllte Fichtelsee
(779 in), liier entspringt auch der Weifse Main und nicht allzufern die
Fichtelnab, während am Nordfufs des Waldsteins die Saale ihren Ur-
sprung hat,
Der Böhmerwald wird von den Alten als Gabreta silva aufgeführt (Strabo VII,
202, Ptoleni. II, 10), ohne Zweifel ein keltischer Name. Er #ing aber unter,
denn im Mittelalter führte das Gebirg«' ganz andere Namen. Sehr selten ist die
Bezeichnung Hircanus saltus (Einhard. Ann. a. 803, 805). Gewöhnlich heifst
er Nordwald, lat. Aquüonaris silva. Später tritt die Benennung Böhmer
Wald, Saltus Bohemicus auf, die im XV. Jh. aber schon die allgemeine ist.
Der Böhmer Wald trägt seinen Namen heute noch mit Recht. Dichte
Waldungen, die im Hinteren Walde rrwaldcharakter annehmen, decken seine
Abhänge, und nur die höchsten Spitzen reichen bis über die Baumgrenze
hinaus, die hier in 1200 in Höhe gelegen ist. Bei den nicht unbeträchtlichen
Niederschlägen treten auch Moorbildungen in grofser Zahl auf, die ihr dunkles
Wasser an die Flüsse abgeben. Der grölste von ihnen ist der Hegen, der in
der I^ängsfurche zwischen Vorderem und Hinterem Wald entspringt. Kurz
oberhalb des Regens mündet die Naab in die Donau, im Mittelalter Naba,
Napa. Ein nach NW. streichender Ausläufer des Gebirges geht über die Naab
noch fort und teilt ihr Gebiet in ein oberes und unteres Naabbecken. —
Gümbel, Geognostisehe Beschreibung des ostbairischen Grenzgebirges, Gotha
1868. W enzig und Krejci, Der Böhmerwald, 18«50.
Das Fichtelfjebirge scheint in den ältesten Zeiten noch keinen Sonder-
namen gehabt zu haben. Den im Chronicon des Cosmas aufgeführten Namen
Tugost pflegt man auf jenes zu beziehen. Der deutsche Name weist schon
auf seine Bewaldung hin. Wald und Sumpf herrschen vor. Die Agrikultur
ist beschränkt. Das Röslautal ist noch das am meisten begünstigte. — Goldfufs
und Bi sc hoff, Physikalisch statistische Beschreibung des Fichtelgebirges.
Münnich, Das Fichtelgebirge, Dresden 1859. Nüehter, Das Fichtelgebirge
in seiner Bedeutung für den mitteleuropäischen Verkehr, Leipzig 181)9.
27. Erzgebirge und Lausitzer Platte. Die Böhmische Mulde wird
im NW. durch einen hohen, steil abfallenden Wall abgeschlossen, der
vom Fichtelgebirge bis zu der von der Görlitzer Neifse durchzogenen
Lausitzer Bucht sich erstreckt, Er wirkt zugleich als Wasserscheide für
die sächsische und böhmische Seite; doch wird sie an einer Stelle unter-
brochen durch das Tal der Elbe, die den Wall in voller Breite durch-
quert und die nach beiden Seiten abfliefsenden Gewässer desselben in
ihrer Ader vereinigt. Infolge der geognostischen Verschiedenartigkeit
27. Erzgebirge und Lausitzer Platte.
77
kann der Wall nicht als ein einheitliches Ganzes angesehen werden, und
er führt auch in seinen einzelnen Teilen besondere Namen.
Der 140 km lange Zug des Erzgebirges reicht vom Elstergebirge
im W. bis zu einer etwa 20 km westlich der Elbe gezogenen Linie. Es
stellt eine schief gestellte massive, aus Gneisen und Glimmerschiefern
gebildete Scholle dar, die nach dem Egertal T>00 m tief steil abstürzt,
während sie sich nach N. hin mit dem Charakter eines Plateaus lang-
sam abdacht. Der nördliche Fufs des Gebirges läfst sich daher nicht
scharf bestimmen. Die ziemlich hohe Kammlinie liegt im W. in 800
bis stellenweise 1000 m Höhe, senkt sich aber nach 0. bis auf 600 tu
ab. Die höchsten Spitzen, der Keilberg (1 238 m) und Fichtelberg (1213 m),
ragen daher nur wenig über die Kammlinie auf. In die nördliche Ab-
dachung haben sich die Freiberger Mulde, die Flöha, Zschoppau und
die Zwiekauer Mulde in tiefen Erosionstälern eingeschnitten. Der An-
schlufs des Erzgebirges an das Fichtelgebirge ist kein unmittelbarer;
liier schiebt sich noch ein kleineres Bergland, das oben genannte Vogt-
ländische Bergland oder Elstergebirge, ein, auf welchem die Weifso Elster
entspringt, die im weiteren das Vorland durchHiefst und die in das Thü-
ringische und Sächsische Hügelland einschneidende Tieflandsbucht von
Iz-ipzig. Das nördliche Vorland des Erzgebirges stellt nun aber nicht
blofs eine einfache Abdachung dar, sondern dem westlichen Teile ist
noch eine mäfsig hohe Bodcnschwelle vorgelagert, welche in Ermange-
lung eines besonderen Namens als Sächsisches Mittelgebirge zusammen-
gefaßt wird. Im Verein mit dem Hauptrüeken des Erzgebirges wird
hierdurch eine flache Mulde geschaffen. Sie ist freilich so flach und
das vorgelagerte Hügelland relativ so wenig hoch, dafs es auf die hydro-
graphischen Verhältnisse nicht den geringsten Einflufs ausgeübt hat.
Im Gegenteil, alle die vorher genannten Flüsse durchqueren es in voller
Breite und vereinigen sich aufserhalb desselben zu einer einzigen Wasser-
ader, der Mulde, die in das Tiefland eintritt und unterhalb Dessau in die
Ell »<• mündet. Auch geologisch ist das Erzgebirge überaus einfach ge-
staltet. Als Gebirge in der gegenwärtigen Gestalt ist es relativ junger
Entstehung. Es kann sich erst in der späteren Tertiärzeit gehoben
haben, nachdem die Braunkohlenschichten, die im N. und S. des Ge
btrges auftreten, sich gebildet hatten, und da dies in der Oligozänperiode
stattfand, so kann auch erst nach dieser, wenn auch unmittelbar danach,
'üe Hebung erfolgt sein. Das Erzgebirge ist wesentlich auf einen Bruch
Aea Gneismassives zurückzuführen, wobei die nördliche Scholle sich
hob und die südliche, das nördliche Böhmen, sich senkte.
Östlich schliefst sieh an den Zug des Erzgebirges eine ganz anders
wartete Berglandschaft, die schon in geognostischer Beziehung in einen
scharfen Gegensatz zu jenem tritt: das Elbsandsteingebirge oder
die Sächsische Schweiz. Es ist quer über die Elbe gelagert. Der
Sandstein, der der Kreidefonnation angehört, liegt in grofser Mächtigkeit
dein hier eingesunkenen Grundgebirge auf. Er ist zwischen Erzgebirge
lind Lausitzer Platte geradezu eingeklemmt. Die Sandsteinschichten
li'-gen nahezu horizontal und /.eigen nur eine schwache Neigung nach
I. Physische Geographie,
NW., nach welcher sich auch die ganze 400 m hohe Platte abdacht,
während sie nach S. ebenso steil abbricht wie das Erzgebirge. Was
dieses Sandsteingebiet aber besonders auszeichnet, sind die eigenartigen
Erosionserscheinungen und Verwitterungsprozesse. Die Elbe hat ein
grofses canonartiges Tal eingeschnitten und in Verbindung mit zahl-
reichen Seitenbächen die ganze Sandsteinplatte in grofse und kleine
Plateauabschnitto zersägt, Von nahezu senkrechten Wänden sind die
Nebentäler, die die schattigen »Gründe« bilden, eingefafst. Die senk-
recht fortgeschrittene Erosion, welche aufser den Plateaus auch kleinere
Partien (Türme, Säulen, Nadeln) herausmodellierte, verbunden mit der
an und für sich schon horizontalen Schichtung des Gesteins, erzeugte
jene annähernd würfelartig abgeteilten Formen, weshalb man das Gestein
auch als Quadersandstein bezeichnet hat.
Wie das Elbsandsteingebirge gegen das Erzgebirge, so tritt es auch
gegen die östlich sich anschliefsende Lausitz er Platte in einen be-
stimmten Gegensatz, weil sie wieder ein Teilstück des Grundgebirges
bildet und vorherrschend aus Granit besteht. Sie ist ebenfalls die nach
N. einfallende Hochfläche mit aufgesetzten Höhen; sie greift auch weit
nach W. aus und tritt mit ihren westlichsten Ausläufern also nördlich
um das Sandsteingebirge herum bis an die Elbe unterhalb Dresden.
Diese Lausitzer Platte wurde vorzüglich dadurch herausgebildet, dafs im
W. wie im O. Einsenkungen entstanden, im W. das Elbetal, im O. die
Lausitzer Bucht. Sie senkt sich von 460 m nach N. Ins zu etwa 100 m
ab. Ihr Hauptflufs ist die Spree, die auf ihr ihren Ursprung nimmt.
Die Platte ist überdies von einzelnen Kuppen überragt, die östlich des
Spreetales aus Basalt bestehen (Kottmarberg i)83 m bei Herrnhut, Landos-
krone 429 m bei Görlitz). — Weiter südlich aber mit Überschreitung der
deutsch-österreichischen Grenze kommen wir wieder in die Kreide-
formation, der auch die Sächsische Schweiz angehört; daher trifft man
hier dasselbe Landschaftsbild mit den eigentümlichen Zerklüftungen an
wie dort. Auch Basalt- und Phonolithkegel regen über die Sandstein-
platten auf. Diese über die Lausitzer Platte aufragende Berglandschaft
wird als Lau sitz er Gebirge zusammengefafst. Ihm gehören die
Hohe Lausche (791 m) und der Oybin an. Zu ihm wird aber auch der
breite, sanft gewellte Schieferrücken des Jeschkenberges (1010 m)
südwestlich von Reichenberg in Böhmen gerechnet, der steil gegen die
Kreidelandsehaft abfällt
Die antik»- Nomenklatur der östlichen Hälfte der deutschon Mittelgebirge
ist nicht sichergestellt; aber die mangelhaften Kenntnisse dieser Gegenden
seitens der Alten mögen hieran z. T. die Schuld tragen. Aus den topographischen
Angaben des Ptolemüus sucht Kirchhof! zu erweisen, dafs die von ihm auf-
geführte Ifytiuvofg PJLjj sich nur auf das Erzgebirge beziehen könne, während
der Sudctennanie dem Thüringer W alde angehört (ähnlich schon J. G. Worbs
in den Sohlet». Prov.-Blätt. 35, 17 ftV. Die Humanisten des XVI. Jh. bezogen
• len Namen Sudeten auf «las Erzgebirge; so: <i. Agricola 1530, Sei». Münster
1543, L Peccenstein IGok. während andere wie Melanchthon und Cureus ihn
schon auf das schlesische Grenzgebirge bezogen. Auch K. Miillenhoff, der
keltisches Sttdeta als Thermengebirge definierte, entschied sich für das Krz-
gehirge mit Bezugnahme auf die heifson Quellen am südliehen Rande. Der
28. Sudeten. 79
mittelalterliche Name Tür letzteres war Miriquidni (bei Thielmar VI, 8). Man
hat den Namen aus dem Gennanischen erklärt und gleichbedeutend mit »Schwarz-
gehalten. Auch Fergunna, Virgunna, gut. Fairguni, welches mit Herrynia
identisch ist (vgl. p. MO) wird auf das Erzgebirge im engeren bezogen (Chiron.
Moissiac. in MG. Script. I, »08). S. Rüge Der Name des Erzgebirges, im Jb.
des Erzgeb.- Ver., Chemnitz 1881H siebt in diesen Bezeichnungen Namen ein-
zelner Teile des Gebirges. Im XVI. Jh. wurden unter dem Namen des Böhmer*
wuldes auch das Erzgebirge sowie überhaupt alle Ibindgebirge Böhmens mit
einbegriffen ; aber damals sehen tritt zugleich auch der Name Erzgebirge auf
und zwar in der Pluralform die Erzgebirge«, worunter aber wohl mehr die
dem Bergbau unterstellten Gegenden verstunden wurden. Im Singular als »das
Erzgebirge« erseheint der Name zuerst bei Ch. Juncker, Geogr. der mitlern
Zeiten, 1712, p. 151. Vgl. Egli, Nom. geogr. p. 294.
Das Erzgebirge ist durch eine Verschiebung und Hebung der Scholle
entstanden, aber dennoch läfst das geschichtete Grundgebirge eine alte Faltung
erkennen. Da das Gebirge nach der Heining noeh mit linderen sedimentären
Gesteinen (Silur, Karbon, Tertiär), die jetzt nur in eingeklemmten Mulden auf-
treten, bedeckt war, SO inufs eine Periode der Denudation gefolgt sein, welche
das Gebirge bis auf die heutigen Höhen Verhältnisse abgetragen hat. Die her-
vorragend wirtschaftliche Bedeutung des Erzgebirges in der Geschichte knüpft
sieh an die dort vorhandenen Sehätze des Erdinnern (besonders Silber und
Zinn); in neuerer Zeit sind die in «1er Mulde zwischen Erzgebirge und Sächs.
Mittelgebirge eingesenkten Steinkohlenflöze bei Zwickau, Chemnitz und im
Plauenschen Grunde bei Dresden von Bedeutung geworden. — Von den Flüssen
ist der bedeutendste die Mulde (Milla, Mihla. Mulda, Mlidava), deren linker
Oberlauf die Zwickauer Mulde (128 km lang) bei Sehöneek im Vogtland ent-
springt; letztere nimmt noch einige kleinere Gewässer, Sehwarzwasser und
Chemnitz, in sich auf. Der rechte Oberlauf ist die Freiberger Mulde (102 km lang),
bei Graupen in Böhmen entspringend, die unterhalb Colditz mit der anderen
sieh vereinigt. Ihr linker Nebentlufs ist die Zschoppau mit der Flöha. Alle
diese Flüsse haben ach mit ihren Oberläufen tief in das I'rgebirge eingeschnitten
und malerische Täler gebildet. — Burgkhardt, Das Erzgebirge, orometriseb-
anthropogeographisehe Studie, Stuttgart 1888. von S ü f s m i Ich - H örnig.
Da» Erzgebirge in d. Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart, Annaberg 1881).
Sehurtz, Die Pässe des Erzgebirges, Leipzig 1891. Grohmann, Das Ober-
erzgebirge in Sage und Geschiente, Annaberg 1892.
Das Elbsandsteingebirge hiefs früher kurz das Meifsner Oberland. Erst
der Pfarrer Willi. Götzinger in Neustadt verglich in seiner Schrift : Gesch. u
Beschrbg. des chursächs. A. Hohnstein < 178ij p. 11 das romantische Bergland
mit der Schweiz: »Alle Schweizer, welche die hiesige Gegend besucht haben,
versichern, dafs sie mit den schweizerischen Gegenden sehr viel Ähnlichkeit
habe.« Einige Jahre darauf folgten Engelhardt 17',M und Pfarrer Nicolai in
Lohmen IHOl in der Benennung nach; sie hat sieh wesentlich literarisch ein-
gebürgert. Jahrb. d. Gesch. d. V. f. Sächs. Böhm. Schweiz III, 1<>. — Im übrigen
vgl. Hettncr. Gebirgsbau und OberHäehengestaltung der Sachs. Schweiz,
Stuttg. 1887. Gautsch. Älteste Gesch. der Sachs. Schweiz. Dresden 18*0.
28. Sudeten. Unter diesem Namen fafst man den 2f>0 km langen
Gebirgswall zusammen, der von der durch die Görlitzer Neifse durchströmten
Lausitzer Bucht in vorherrschend südöstlicher Richtung bis zur oberen
Oder streicht. Wir haben in ihm ein Bruchgebirge zu sehen, welches,
in seinen höheren Teilen aus archaischen und paläozoischen Gesteinen
bestehend, der jüngeren, auflagernden Gesteine infolge der Denudation
heute meist beraubt ist, während gerade die eingesunkenen Schollen-
stücke diese jüngeren Schichten erhalten haben. Unter den gröTseren
80 T- Physische Geographie.
Höhen, die im Mittel bis zu 1400 m hinaufreichen, ist die höchste Er-
hebung des ganzen nördlichen Deutschlands die Schneekoppe mit 1605 m
zu verzeichnen, so dafs ein Teil des Gebirgszuges sogar über die Baum-
grenze (1300 m) hinaufgeht und alpine Verhältnisse schon hervortreten
läfst. Das Tal der Glatzer Neifse, die den Gebirgskessel entwässert,
kann bedingtermafsen als Teilungslinie zwischen einer westlichen und
östlichen Hälfte angesetzt werden. Die Westsudeten lassen mehrfach
Längstäler zwischen parallel streichenden Gebirgsgliedern hervortreten,
aus welchen Flüfschen nach X. und S. durchbrechen. Ihro stattlichen
Kämme bestellen aus Gneis und Granit; in den Komplexen der Schicht-
gesteine ist die NW. -Richtung vorherrschend. Dies gilt besonders im
Gegensatz zu den östlichen Sudeten, in welchen nordöstliches Streichen
im alten Grundgebirge auftritt; auch orographisch zeigen sie mehr Ge-
schlossenheit als jene.
Den westlichsten Teil bildet das breitrückige Isergebirge mit dem
nördlich parallel vorgelagerten Hohen Iserkamm (Tafelfichte 1123, Hinter-
berg 1126 m), zwischen denen die Iser in zwei Quelläufen ihren Ursprung
nimmt, während nördlich vom Iserkamm ein zweites Längstal den Queifs er-
zeugt der die nördlichste Parallelkette durchbricht und weiterhin dem Bober
zueilt,
Staffel förmig hinter den Iserkamm zurücktretend, schliefst sieh die im-
posante Kette des Kiesengebirges an, aus zwei I'arallelkämmen zusammen-
gesetzt, von denen der nördliche den Riesenkamm (Granit) bildet mit ansehn-
lichen Erhebungen (Hohes Rad 150!» m, Grofse Sturmhaube 1424 m. Kleine
Sturmhaube 1440 m). Im Verein mit dem südlichen böhmischen Kamm
(Glimmerschiefer) wird ein Iiingstal gebildet, in welchem Elbe und Weifswasser
entspringen, die gemeinsam den südl. Kamm durchbrechen; er wird dadurch in
den (westl.) Krkonos und den (östl.) Ziegenrücken geteilt. Der augenscheinlich
slavische Name Krkonos wird zuerst 154:5 bei Sei». Münster: Kerkenqß genannt
und bei Schwenckfeldt ; Horkomis. Mit dem Volk der Korkontier (Ptol.) darf
er nicht zusammengebracht werden. Der Ziegenrücken schliefst sich im O. mit
dem Riesenkamm an die sumpfige Hochfläche des Koppenplanes (1420 m) an.
den weiterhin der Glinunerschielerkegel der Schneekoppe überragt. Der baum-
lose Kamm trägt die Züge einer wilden Hoehgebirgsnatur und läfst an seinen
Abhängen die Spuren einer ehemaligen Vereisung erkennen, die unabhängig
vom nordischen Gletscher, der auch bis an den Nordrand der Sudeten heran-
reichte, vielmehr im (iebirge selbst ihren Ursprung hatte und besonders auf
der Südseite entwickelt war. Am Nordabhang liegen halbkesselförmige Höh-
lungen in dem Massiv mit der Öffnung nach N. (die beiden Schneegruben und
der Grofse und Kleine Teich), die augenscheinlich die Firnmulden der einstigen
Gletscher waren.
Bei Ptolemäus. II, 11. 5 wird der Sudeten wall \ lantßüiqytoy oqo$ ge-
nannt, indem er unter den Sudeten vielmehr den Thüringer Wald versteht
(s. p. 74, 78). Er läfst die Elbe am Ostende des letztgenannten entspringen.
Während Dio Cassius 55, 1 schon sehr viel richtiger die Vandalischen Berge
hierfür angibt. Ct. Möllenhoff, DA. IV, 47«, 484. In der Zeit des Humanismus
wurde durch das Studium des Ptolemäus auch der Name Asriburgiiis mons
wieder bekannt (Willib. Pirckheimer). doch war es in eben jener Zeit, dafs
der Name Sudeten fälschlich auf das Pöhmisch-Schlesisehe < Irenzgebirge über-
tragen wurde (Phil. Melanchthon 1558 in der Vorrede zu Trotzendorfs Catechesis
BeholaeGoltpergen>is und Joach. Cureus, (ient. Sil. Ann 1571). Cf, Egli. Nomina
geogr. p. 886. Much. Amußorgyiov ogog, in Z. f. d. Altert. XXXIII (1881*).
Der Name Ricsengebirge ist gleichfalls schon für das XVI. Jh. belegt, bei G.
Agricola 151« als Kiseherg und auf Martin Helwigs Karte von Schlesien 1561.
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29. Böhmen und Mähren.
81
Der Name scheint von der Schneekoppe seinen Ausgang genommen zu haben.
Ob er als Sitz der Riesen (Rübezahl) zu deuten ist oder, wie schon Kaspar
Sehwenekfeldt 1600 wollte, wegen seiner riesenhaften Höhe so genannt worden
ist, läfst sich nicht entscheiden; vgl. Egli p. 778.
Durch das Riesengebirge und einen nordöstlichen Ausläufer, den Landes-
huter Kamm, wird im Verein mit dem nordlich vorgelagerten Katzbach-
gebirge eine Depression gebildet, das Hirschberger Tal, welches der Bober
durchthefst.
Östlich des Riesengebirges zeigen die Sudeten eine tiefere Einsenkung,
die Landeshuter Pforte, aus welcher der Bober hervorgeht. Der wasserscheidende
Hauptrücken zwischen ihm und der Aupa macht sich hier weniger bemerkbar.
Weit mehr tritt das reicher gegliederte Waldenburger Bergland hervor;
es setzt sich aus mehreren Formationen zusammen, die vom Kulm an sich
hufeisenförmig (an Alter nach innen abnehmend) aneinanderschliefsen und auch
in der orograj »bischen Gestaltung entsprechend zum Ausdruck kommen. Die
oroduktive Kohlenformation, die bei Waldenburg ihre gröfste Entwicklung
hat, bildet wirtschaftlich das wichtigste Glied derselben. In diese nach SO. ge-
öffnete Mulde greift das Kreidesandsteingebirge der Heuscheuer hinein,
eine wenig fruchtbare, stark bewaldete Platte. Den nördlichen Aufsenrand der
Gebirgszone bilden das Eulengebirge und Reichensteiner Gebirge,
beide aus Gneismassen bestehend, die durch das tiefe und enge Durchbruchs-
tal der Xeifse bei Warta getrennt sind. Sie schliefsen im N. den teilweise zu
den Ostsudeten gehörenden Glatzer Gebirgskessel ab, der im 0. durch das
G 1 a t z e r G e b i r g e (Schneeberg 1424 m), im S. durch das H a b e 1 s c h w e r d t e r
Gebirge begrenzt ist. Diesem geht, durch das Tal der Adler (Erlitz) getrennt,
ein Gneisrüeken, das Adlergebirge (1114m), parallel. — Von der Stelle,
wo Reichensteiner und Glatzer Gebirge zusammentreffen, führt nach SO. weiter
bis zur Oppaquelle das Alt vatergebirge (auch Sudeten im engeren Sinne
genannt), mit breitem, aus Gneis und kristallinischen Schiefern bestehendem
Rücken (Glaserberg 1524, Rote Berg 1333), dessen südöstliches Ende die Hoch-
flächen des Altvaters (1490 in) bilden. Nach S. bildet die Hohe Heide, mit
dürrem Graswuchs bestanden, einen Ausläufer des Hochlandsrückens, während nach
N. ein 1000 m hoher Ast das Tal der Biele im Osten einschliefst. Als letztes
(ilied der Ostsudeten folgt das Mähris ein- Gesenke, ein aus paläozoischen
Schichten aufgebautes welliges Hochland mit wenigen Hachen Erhebungen.
Am SO.-Rande fällt das Odergebirge (G80 m), wo die Oder ihren Ursprung
nimmt (634 m »beim schönen Ort«), steil ab. Der Name Gesenke wurde all-
gemein mit slav. jesenik, Esche in Verbindung gebracht. R. Fox (Das Ge-
senke, in Festschr. des geogr. Seminars d. Univ. Breslau zum XIII. Geogr. -Tng,
1901, p. 188) hat vielmehr nachgewiesen, dafs die kleine, rings von ansehnlichen
Waldbergen überhöhte Talweitung, in der das Städtchen Würbenthal an die
Oppa sich anschmiegt, im ursprünglichen Sinne »das Gesenke < ist. Von ihr
ging der Name zunächst auf den Strafsenzug über, der sie durchquerte. Dann
wurde er für die ganze Landschaft zu seinen Seiten gebraucht, und wurde er
allgemein für das Altvatergebirge, bis er in neuester Zeit für den ganzen Ost-
flügel der Sudeten vom Altvater bis zur Mährischen Pforte üblich wurde.
Partsch, Schlesien, 1896, I, 52 ff. Koristka, I). Iser- und Riesen-
Gebirge, Archiv f. Landesdurchforschung v. Böhmen II, 1, Prag 1877. Partsch,
Die Vergletscherung des Riesengchirgcs zur Eiszeit, Stuttg. 1894 (Forsch, d.
Land-Vkde. VIII). Fox, Die Sudeten passe, Stuttg. 1900. J. Kutzen, Die
Grafseh. Glatz, 1873. Berger. I). Ostsudeten. Jb. Staatsrealsch. Jägerndorf
1694. Camerl ander, D. Quellgebiet der Oder, Mitt. geogr. Ges. Wien, 1892'
1—33. P. Lehmann, Das Altvatergebirge, in Z. Ges. f. E., Berlin 1882, 202 fT
29. Böhmen und Mähren. Boide Landschaften haben geschicht-
lich oft genug in engeren Beziehungen zueinander gestanden, und das
Fehlen einer scharfen Scheidelinie in Gestalt einer hoben Gebirgskette
Krettobmer, Historische Oeourophio fi
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82
I. Physische Geographie.
hat dies von jeher begünstigt. Trotzdem bestehen in physischer Bezie-
hung durchgreifende Unterschiede zwischen beiden, und besonders treten
sie in den hydrographischen Verhältnissen hervor. Böhmen gehört mit
seiner SN.-Abdachung zum Elbesystem, Mähren ist in entgegengesetzter
Richtung geneigt und bildet mit der March einen Teil des Donausysteras.
— Während das Böhmerland in seiner geometrischen Regelmäßigkeit
auf drei Seiten von hohen wasserscheidenden Gebirgslinien umgeben ist,
bildet die vierte südöstliche Seite gegen Mähren eine mäfsig hohe Schwelle.
Es stellt sich also das Ganze als eine flach eingesenkte, muldenartige
Vertiefung mit nördlicher Abdachung dar, ohne dafs aber eine aus-
gesprochen terrassenförmige Abstufung in dieser Richtung deutlich her-
vorträte. Das gesamte Land besteht einschliefslich seiner Umwallung
aus altkristallinischen Gesteinen ; nur das nördliche Böhmen (also südlich
des Erzgebirges und der Sudeten) ist ein grofses Senkungsfeld, in welchem
Kreidesandsteine und tertiäre Süfswasserablagerungen sich vorfinden.
Die Dislokationen im nördlichen Böhmen haben das Auftreten vulkani-
scher Erscheinungen begünstigt und besonders im NW., im Gebiet des
Egerflusses, wo lange Zeit ein tertiärer Süfswassersee gestanden hatte.
Die Duppauer Berge östlich von Karlsbad und das Böhmische Mittelgebirge,
welches die Elbe durchquert, sind vulkanischer Herkunft; aber auch
Mineralquellen, Säuerlinge, Mofetten weisen auf die Kräfte des Erdinnern
hin; sie haben die weltberühmten böhmischen Bäder geschaffen. Das
altkristallinische Grundgebirge, welches die ganze südliche Hälfte und
die Randlandschaften umfafst, ist in den zentralen Partien Böhmens
stellenweise von älteren paläozoischen Gesteinen überlagert, besonders
silurischen und karbonischen (letztere in der weiteren Umgebung von
Pilsen). — Das südliche Böhmen, welches durch die obere Moldau vom
Böhmerwald getrennt ist, ist ein von Wäldern und Mooren bedecktes
Gneisplateau, das im Kubany noch 1362 m und im Plansker Walde
1084 m erreicht. Zu beiden Seiten der Moldau dehnen sich zwei flache
Einsenkungen aus, in deren Mitte Budweis (384 m) und Wittingau ge-
legen sind. Auch sie waren in der Tertiärzeit mit Wasser gefüllt, während
sie gegenwärtig noch reich an Mooren, vorzüglich aber an Seen sind.
Jenseits der Luschnitz steigt das Land wieder zu einem Granit plateau
von 550 m mittlerer Höhe an, welches den südlichen Abschnitt des
Böhmisch-Mährischen Höhenrückens ausmacht, während weiter nördlich
das Plateau wieder aus Gneis besteht und nordwärts bis über die Sazawa
hinausreicht. In dem Lande westlich der Moldau bildet die gröfste Er-
hebung die Brda (Brdywald), ein nach NO. ziehender langer Rücken,
der im Tockberg 853 m erreicht. Das Karlsbader Gebirge und der
Kaiserwald südlich der oberen Eger sind vorwiegend granitischer Natur;
letzterer erhebt sich im Judenhauberg sogar bis zu 987 m.
Das Mährische Becken ist von dem Böhmischen durch die
genannte plateauartige Bodenschwelle von ca. b'OO m Höhe getrennt, ein
Hochland von einförmigem Aussehen ohne jeden äufseren Reiz (höchster
Punkt der Jaworieberg, 835 in). Die Entwässerung der nach Mähren
gerichteten Abdachung findet nach SO. hin zur Thaya statt, die das
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29. Böhmen und Mähren. 83
weitverzweigte System von Abflüssen in ihrer Ader vereinigt der March
zuführt. Nur der Kampflufs lenkt südlich nach der Donau ein. Gerade
in der Nähe der Donau erreichen die Ausläufer des Hochlandes noch
beträchtliche Höhen (Paulstein 1060 m). Der Mährische Höhenrücken
streicht mit seinen Ausläufern bis an die von der March durchflossene
Olmützer Senke heran ; er bildet hier überall das von Flüfschen tief zer-
furchte Hochland. Die Mähr. Sazawa und obere March trennen es von
dorn Sudetensystem ab. — Den östlichen Abschlufs des Beckens bilden
die Ausläufer der Karpathen : das Jablunkagebirge der West-Beskiden,
das Javornikgebirge, das Weifse Gebirge und die Kleinen Karpathen,
deren durchlaufende Kammlinie die östliche Wasserscheide für das March-
land bildet. Die bis an die mittlere March heranreichende karpathische
Abdachung hat am äufseren Rande recht bedeutende Höhen noch auf-
zuweisen (Gr. Javornik 919 m bei Frankstadt, Javornik Kelsky 865 m,
Holstein 736 m, Kamonec 673 m, Zalostina 618 m). Auch das Mars-
gebirge, welches <juor über die Talfurche der March hinwegreicht, wird
noch als Zubehör der Karpathen aufgefafst ; seine südwestliche Fortsetzung
bis fast zur Thaya ist der Steinitzer Wald. Hierdurch wird das March-
tal in ein oberes und unteres Becken zerlegt, die beide äufserst frucht-
bare, teilweise mit Löfs bedeckte Landschaften bilden. Das untere Becken
wird im W. durch die letzten terrassenförnügen Ausläufer des Böhmisch-
Mährischen Höhenrückens eingefafst. Das Polauer Gebirge hart an der
unteren Thaya und südlich das Leifser Gebirge bilden den Abschlufs;
weiter nach W. zurückgezogen, zwischen Kamp und Thaya, streicht der
granitische Mauhartsberg (536 m) hin.
Das Böhmische Becken wird von der Elbe entwässert, die es am Nord-
rande schon als stattlicher Strom verläfst. Soweit Böhmen hier in Frage kommt,
ist sie aber keineswegs der längste Flufs ; sie wird in dieser Beziehung von der
Moldau übertroffen, die auch ein .doppelt so ^rofses Stromgebiet hat als die
Elbe bis zur Zusaimnenflnfsstelle bei Melnik. Sehen wir von der Nomenklatur
der Flüsse ab, so besitzt die Böhmische Mulde ein sehr svmmetrisch entwickeltes
Flufssystem. Die mediane Entwässerungsader ist die Moldau und im weiteren
die Elbe, die der Hauptabdachung des Landes folgen, während ihr von beiden
Seiten gleichwertige Nebenflüsse zugehen. Die Elbe, die in der Längsfurehc
des Riese ngebirges entspringt (1350 m) und den südlichen Parallelkamm durch-
bricht, verläfst bei Hohenelbe das (»ebirge und wendet sich nach anfangs mehr-
fachem Wechsel der Richtung nach N. zu. Auch nach Aufnahme der Moldau be-
schreibt sie noch frrofse Windungen, bevor sie in das Elbsandsteingebirge ein-
tritt, wo ihre Breite 130 m beträgt. Ihr Name ist sehr wahrscheinlich deutschen
Frsprungs. Im Lateinischen : Albis ( Mela, Plin., Tacitus. so auch noch im
Mittelalter) und ebenso im Griechischen "Alßiq (Strabo. Ptol., Dio Cass.). über
die Kenntnisse der Alten von den Quellverhältnissen der Elbe s. das unten
bei der Thüringer Saale Bemerkte. Im Mittelalter erscheint ihr Name in
einigen 20 Varianten : Alhia, Ehe, Heitba, Alpin, Ahm, Helfria, Alfrins u. a. ; bei
den Slaven : Labe.
Die Moldau, der Hauptflurs Böhmens, wird von den Alten noch nicht
aufgeführt; später erst treten die verschiedenen slavischen Formen auf: Wltawa,
Wlitava (Cosmas), Waldaha, Vulta, Wultawa, Multawa. Sie entspringt in zwei
Quellflüfsehcn, der Warmen und der Kalten Moldau, auf dem Böhmerwalde, an
dessen üstfufs sie anfangs entlangfliefst, unterhalb Ilohenfurth aber scharf nach
N. einlenkt. Von Budweis ab ist sie schiffbar. Ihre Gesamtlänge beträgt
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84 I Physische Geographie.
405 km, ihr Stromgebiet 28280 qkm. Ihre linksseitigen Nebenflüsse sind die
Woltawa, die Beraun, deren drei grofse Oberläufe Mies, Radbusa und
Angel bei Pilsen sieh zu einem Flufs vereinigeil, und Eger, Agara, Agra, böhui.
Chuh. Letztere, vom Fichtelgebirge herabkommend, durehniefst nacheinander
drei Talbeeken, dasjenige von Eger (440 m), von Falkenau (380 m) und von
Saaz (.'500 m). Von den rechtsseitigen Nebenflüssen folgen die Maltsch und
Luschnitz im allgemeinen der nördlichen Abdachung. Die Sazawa, die einen
Teil des Mährischen Höhenrückens entwässert, bildet in der Richtimg ein
Gegenstück zur Reraun. — Die March, der IlauptHufs Mährens, entspringt
am Schneeberg im Glatzer Gebirge. Ihr Name Maraha, Morava, Marchia ist auch
auf das Land übergegangen. Von links geht ihr die auf den Karpathen ent-
springende Beczwa zu, die bis nahe an die obere Oder heranreicht. Weit l>e-
deutender aber ist der rechtsseitige Nebenrlufs, die Thaya, mit ihren vielen
Oberläufen und Zuflüssen vom Mährischen Höhenrücken, der Zwittawa,
Schwarzawa, Oslawa, Iglawa, die alle selbst wieder zahlreiche Nebenflüsse haben.
Über Rohmen und Mähren vgl. Supan, Österreich-Ungarn , in Kirch-
hoffs liinderkundc von Europa I, 2, p. 104 ff., 158 ff., aufserdem die ein-
schlägigen Teile des Sammelwerkes: »Die Österr.-Ungar. Monarchie in Wort
und Bild«, Auch das Archiv f. d. naturwiss. I^andesdurchforsehung von
Böhmen (seit 1868) und das Jahrbuch d. Geolog. Reichsanstalt bietet viele
allerdings sehr ins Detail eingehende Artikel.
Korist ka, Die Markgrafschaft Mähren und das Herzogtum Schlesien
Wien 1860. Trampler, Heimatskunde der Markgsch. Mähren, Wien 1877.
30. Das Oermanische Tiefland. Zu der orographisch reich ge-
gliederten mitteldeutschen Gebirgszone bildet das an Arealgröfse ihr
fast gleichkommende Germanische Tiefland einen auffallenden Gegen
satz. Der Ausdruck »Tiefland« charakterisiert zur Genüge das Höhen-
verhältnis dieses Länderabschnittes gegenüber der vorher betrachteten
Zone, und er ist vollauf berechtigt, wenn auch einige wenige Punkte
über die zulässige Tieflandsgrenze hinausgehen. Weit eher wäre die
Bezeichnung > Germanisches Flachlands oder >. Tiefebene« zu beanstanden,
doch wird auch hier zugegeben werden müssen, dafs den gröfseren und
kleineren Bodenanschwellungen gegenüber die oft bis zur Einförmigkeit
sich steigernde Flachheit des Landes weitaus vorwiegt und als charak-
teristischer Grundzug in der Benennung zum Ausdruck kommen darf.
Dieses Tiefland bildet die unmittelbare Fortsetzung des Osteuropäischen.
Von O. nach W. bis zum Weserberglande hin verjüngt es sich der
Breite nach allmählich ; weiterhin greift es aber um dieses herum und
gewinnt nochmals eine gröfsere Ausdehnung, indem es den Kaum zwischen
dem Rheinischen Schiefergebirge und der belgisch-holländischen Küste
einnimmt. — Bei aller Gleichförmigkeit des Tieflandes im grofsen ganzen
macht sich dennoch zwischen der West- und Osthälfte ein grofser L'uter-
schied bemerkbar. Die östliche Hälfte von der Lüneburger Heide an
läfst deutlich zwei langgestreckte Bodenschwellen hervortreten, von denen
die eine als »Baltischer Höhenrücken« die Küsten der Ostsee von
Jütland bis Ostpreufsen umzieht, während die andere, nach dem Vor-
gang Pencks als > Südliche Grenz rücken bezeichnet, von der
Lüneburger Heide (in gleicher Richtung wie jener) bis zur Oberschlesi-
schen Platte sich verfolgen läfst. Zwischen beiden liegt die Zone der
grofsen Diluvialtäler mit ihrem eigenartig entwickelten Flufssystem.
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30. Das Germanische Tiefland. 85
Cberdies zeichnet sich die östliche Hälfte, besonders aber der Baltische
Höhenrücken, durch einen ungewöhnlichen Reichtum an Seen aus. Ganz
anders ist die westliche Hälfte beschaffen, die jede Gliederung ver-
missen läfst. Höhensch wellen fehlen gänzlich oder sind nur unter-
geordnet. Das gleichmäfsig flache Land senkt sich mälsig nach der
Küste hin, ja liegt stellenweise, wie in den Niederlanden und Ostfries-
land, in grofser Ausdehnung erheblich unter dem Meeresspiegel. Im
Innern wechseln sterile Sandstriche mit weiten Moorflächen ab, im Bereich
der Küste hat sich unter der Mitwirkung von Ebbe und Flut ein schwerer,
fruchtbarer Alluvialboden angesetzt. Geest, Marsch und Moor beherr-
schen ganz und gar das Landschaftsbild der westlichen Hälfte.
Die eigenartige Beschaffenheit des Germanischen Tieflandes — die massen-
haft»- Anhäufung von Sanden, Granden, Ton und Lehm, das Vorhandensein
zahlreicher streifenförmig angeordneter Schuttanhäufungen , das Vorkommen
erratischer Biesenblöcke u. a. in. — findet ihre Erklärung in den Vorgängen
der jüngsten geologischen Vergangenheit. Während man bis 1875 alle diese
Erscheinungen durch die sog. Drifttheorie Ch. Lyells erklären zu können
meinte, nach welcher ein grofses Diluvialmeer von Skandinavien bis nach
Mitteleuropa hinüberreiehte , führten die neueren Forschungen, zu welchen
Torell den Anstofs gegeben hatte, zur Annahme der Glacialtheorie. Ein
gewaltiger, flach ausgebreiteter Gletscher schob sich von »Skandinavien und der
Ostsee nach S. über Mitteleuropa vor und reichte zur Zeit seiner gröfsten Aus-
dehnung im allgemeinen bis zum Nordrand der deutschen Mittelgebirge. Die
Existenz eines solchen Gletschers wird erwiesen durch die Wirkungen, che er
auf seine Unterlage ausübte. Hierzu gehören die Gletscherschrammen- und
-schliffe, die der Eisstrom in das anstehende Gestein einritzte, und ferner die
Beschaffenheit der aufgelagerten Schuttn lassen selbst sowie das Material der-
H-lben. welches zum gröfsten Teil auf skandinavische Provenienz zurückweist.
IHe sog. Eiszeit war aber für Mitteleuropa kein einheitlicher Vorgang; sie
Mit sich vielmehr aus drei energischen Vorstöfsen des Eises nach S. zusammen,
die durch zwei In terglacial Zeiten mit wärmerem Klima und einer ent-
«{•rechenden Fauna getrennt waren. Die erste älteste Eiszeit ist unserer Beobach-
tung nur durch Bohrungen zugänglich, die zweite, die Haupteiszeit, erreichte
die gröfste Ausdehnung, die dritte ist alter die wichtigste, da sie die gegen-
wärtige Oberflächenbeschaffenheit wesentlich hervorgerufen hat. Als eine Folge
d»T transportierenden Tätigkeit des Eises gelten die Moränen, die hier als
tfnmdmor&nen und Endmoränen auftreten, während Oberfläehenmoränen (d. h.
Blockmassen, die. im Hochgebirge losgelöst, auf dem Kücken des Gletschers
fortgetragen werden), gefehlt zu haben scheinen. Die Grund m oräne ist fläehen-
haft ausgebreitet und setzt sich aus dem durch das Eis zerriebenen Gesteins-
*'hutt zusammen, sog. Geschiebemergei oder Block 1 ehm. Die Endmoränen
bilden wallartige Aufhäufungen desselben Materials und entstanden, als
der Gletscher hei seinem Abschmelzen und Rückzüge aus dem Tieflande eine
Zeitlang stationär blieb; dies gilt im (ngensatz zu jenen Endmoränen,
welche die Maximalausdehnung, d. h. die äufserste (irenze der Vereisungen,
darstellen. Die Grundmoräne tritt in verschiedener Form auf; bald ist sie
völlig flach, wie auf den I'lateautlächen um Berlin, bald ist sie leicht gewellt,
nie auf dem Baltischen Höhenrücken, und findet sich meist hinter den End-
moränen vor. Die Schmelzwasser des Gletschers haben den Moränenschotter
häutig durchwasehen, die feineren sandigen Bestandteile herausgespült und vor
dem Moränenwall flach abgelagert. Infolgedessen bilden die Endmoränen
hautig Scheidelinien zwischen den fruchtbaren eigentlichen Grundmoräuen-
Lvhiefen und den bei ihrer Entstehung vom Eise schon befreiten sandigen und
deshalb sterilen Endmoränenlandsehaften, den sog. Sandr«.
86
L Physische Geographie.
Die Periode des Abschmelzen« dieser gewaltigen , auf einige tausend
Meter Mächtigkeit geschätzten Eisdecke ist für die weitere Entwicklung der
Oberfläche, besonders die Herausbildung des gegenwärtigen Flufsnetzes, von
Bedeutung gewesen. Der Gletscher schmolz nicht kontinuierlich gleichmäßig
ab, sondern Perioden eines schnelleren Abschmelzens haben mit Perioden des
Stillstandes abgewechselt. Letztere werden gerade durch den Verlauf der End
moränenzüge angedeutet. Das Schmelzwasser sammelte sich in einer langen,
seenartig sich hinziehenden Furche vor dem Rande des Gletschers und Hofe
nach der Nordsee zu ab, wo es in der (legend der unteren Elbe einmündete.
Mit dem etappen mäßigen Rückzüge des Eises trat nun jedesmal auch eine
Verlegung der llaupteammelrinne der Schmelzwasser ein ; sie folgte dem Gletscher,
während die älteren Rinnen keine Wasserzufuhr erhielten, zu toten Flufstälern
wurden. Diese sog. Urstromtäler lassen sich im Verein mit den End-
moränenzügen noch heute nachweisen; denn sie bilden entweder trockene
breite Talfurchcn, oder sie sind von Flüssen durchzogen, die sich in zahlreiche
Arme zerteilen, ia stellenweise durch sumpfiges Land (Bruch, Luch) noch fließen.
Man unterscheidet vier Stromtäler dieser Art, die sich auf jeder Karte verfolgen
lassen: I. Das Breslau-Magdeburger Tal, bestehend aus dem Tal der Malapane
in Oberschlesien, weiterhin der Oder über Breslau bis zur unteren Katzbach;
von hier westlich quer über che Oberläufe von Bober, Neifse und Spree nach
der Schwarzen Elster und Elbe hinüber. IL Das Glogau-Baruther Tal, von der
Bartsch zur Oder überGlogau, dann zum Spreewald führend und über Baruth-
Luckenwalde am Nordrande des Fläming entlang zur Elbe unterhalb Magdeburg
und die Elbe abwärt« bis zum Meere. III. Das Warschau-Berliner Tal, schon
in Polen beginnend, mit dem unteren Bug, die Weichsel und deren linksseitigen
Nebenfluß, die Bzura, bildend, hinüber nach der mittleren Warthe, durch da>
Obrabruch zur Oder bis oberhalb Frankfurt, weiterhin die untere Spree über
Berlin zum Havelluch und dann zur Elbe. Bei einem weiteren Rückgange des
Eises, welches sieh schließlich, wie die Endmoränenzüge zeigen, ganz auf den
Baltischen Höhenrücken zurückgezogen hatte, entwickelte sich südlich von
diesem IV. das Thorn-Eberswalder Tal, vom Narew-Bug an, die Weichsel
abwärts über Thorn und Bromberg, die ganze Netze entlang zur Warthe, durch
das Oderbruch, auf der Linie des Finowkanals durch das Rhinluch und
ebenfalls zur unteren Elbe, wo die vorher genannten Strome einlenkten. Al>
ein V. kleineres Tal ist von Keilhack das Pommersehe Urstromtal ermittelt
worden, auf dem Höhenrücken selbst befindlich, welches bei Karthaus westlich
von Danzig beginnt und westlich bis zum Haff der Oder und auf der poin
merisch-mecklenburgischen Grenze entlang zum Meere führte, welches damals
aber noch vom Gletscher eingenommen war. der das Schmelzwasser weiter
westlich zu fließen zwang bis zur heutigen Lübecker Bucht, von wo es durch
die Stecknitz südlich nach der Elbe abllofs. Innerhalb dieser von 150 m Höhe
sich absenkenden Tallinie wurde dos Wasser durch Hodenschwellen zu Seen
aufgestaut; einer dieser Seen ist der Oderhaff-Stausee, der, wie die horizontal
geschichteten Terrassen, beweisen, eine Hohe von 25 m über dem jetzigen Ost-
seespiegel gehaltt haben mufs und den weiten Raum von Gollnow westlich bi»
zur mecklenburgischen Grenze erfüllte. Erst bei völligem Rückzüge des Eise«
senkte sich auch der Seespiegel und das Haff verkleinerte sich bis zur gegen
wältigen Gestalt
Noch ist zu bemerken, dafs bei dem Rückwärtsweichen der Haupttäler
das Wasser der alten Täler zum neuen hinüberflofs und hierbei alte Schmelz
rinnen benutzte, die also im allgemeinen <|iier zur Richtung der Haupttäler
verliefen und teils subglaeial. teils e.xtraglaeial entstanden sein mögen. Die>e
Abflüsse haben che heutigen Ströme beibehalten. Die Oder setzt sich somit
in ihrem eigenartigen zickzackförnügen Verlauf aus Strecken der Haupttäler
und Verbindungstäler zusammen. Das Oderbruch, welches gleichfalls ein Stausee
war, floß so lange nach W. nach dem Rhin hinüber, bis der Haffsee sieh
bildet hatte, der mit seinem damaligen Spiegel immerhin um 15 m tiefer
31. Rhein und Maaa im Unterlauf.
87
lag als der Boden des Haupttales hei Eberswalde. Daher suchte das Wasser
de? Oilerbruchsees ganz natürlich den bequemeren Abflufs zum Haffsee auf,
und es entwickelte sich so die Strecke von Oderberg bis Stettin. Ähuiich war
der Vorgang, als die Weichsel bei Fordon nach N. einlenkte.
Dam es, Die Glacialbildungen der Norddeutschen Tiefebene, in Sammig.
geni.-verständi. wiss. Vorträge XX, Heft 479. Wahnschaffe, Die Ursachen
der Oberflächengestaltung des norddeutschen Flachlandes, Stuttg. 1891. Unter
demselben Titel sein Vortrag in Verh. d. Ges. f. Ekde, Berlin 1901, p. 116—124.
Der*., Ausbildung und Gliederung der Glacialbildungen des norddeutschen
Flachlandes, Vortrag in Verh. des VII. Geogr.-Kongresses, Berlin, p. 289 — 298.
Keilhack, Tal- und Seebildung im Gebiet des Baltischen Höhenrückens,
mit instruktiver Karte, Verh. d. Ges. f. Ekde, Berlin 1899, 129—139. Geinitz,
Die geographischen Veränderungen des südwestlichen Ostseegebietes seit der
(juartären Abschmelzperiode, in Petermanns Mitt. 1903, p. 25 ff., mit Karte.
Penck, Das Deutsche Reich, p. 471 ff., 499 ff. Für die westliche Hälfte westl.
der Weser Martin, Diluvialstudien, in den Jbb. d. Naturw. Vcr. Osnabrück,
seit 1893.
31. Rhein und Maas im Unterlauf. Durch die mehrfachen Ver-
zweigungen beider Ströme, die in den Niederlanden sich einander nähern
und schliefslich vereinigen, entsteht ein kompliziertes Netz von Wasser-
adern. Die fragliche Zugehörigkeit jedes einzelnen Flufsstückes zu
diesem oder jenem Strom wird durch die vielfach wechselnden Namen
noch erschwert. Das ganze System hat in geschichtlicher Zeit infolge
natürlicher Strom Verlegungen, noch mehr aber durch künstliche Mafs-
nahmen (Kanäle, Deiche) eine durchgreifende Veränderung erfahren. Die
heutige Situation ist folgende : Der Rhein teilt sich zuerst bei Pannerden ;
den linken Arm bildet die Waal, den rechten der Pannerdensche
Kanal, der nordwestlich zum Niederrhein führt. Oberhalb Arnheim
teilt sich dieser nochmals, indem die Geldernsche Yssel nördlich
zur Zuidersee fliefst, der wasserreichere Niederrhein nach W. um-
lenkt. Weiterhin zweigt sieh bei Wijk bij Duurstede die ehemalige
Hauptwasserader (Krummer und Alter Rhein) nach NW. ab, die jetzt
aber bei genanntem Ort geschlossen gehalten wird. Der gegenwärtige
Hauptarm führt vielmehr westlich weiter, als Lek an Rotterdam vor-
über und als sog. Neue Maas in das Meer. — Die Waal, von Pannerden
aus an Nijmegen (Nimwegen) vorüberfliefsend, nähert sich weiterhin auf
einen halben Kilometer der Maas, ohne dafs sie hier aber schon zu-
sanimenfliefsen ; nur ein Uberlafs (Traverse) führt zeitweise einen Teil
der Waal bei besonders hohem Wasserstande nach der Maas hinüber.
Ok*rhalb Gorinchem strömen sie beide zusammen; der vereinigte Strom
helfet Merwede. Auch dieser teilt sich wieder; als sog. Unter-Mcrwede
geht er nach Dordrecht. und von hier aus tritt er durch den Noord
mit dem Lek und durch die Alte Maas mit der Neuen Maas in Ver-
bindung. Der andere Teilungsarm, die Neue Merwede, geht nach
SW. hin, spaltet sich in eine Unzahl von grol'sen und kleinen Wasser-
adern, den sog. Biesboseh oder Bergsches Feld, um endlich in
das breite Wasser des Hollandseh Diep einzumünden.
Die Alten geben uns bereits einig«' Nachrichten über die Natur de.s Unter-
rheine und sprechen bald von zwei, bald von drei Mündungsarmen. Caesar, b. g.
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gg I. Physische Geographie.
IV, 10; Tacit,. Ann. II, 6; Pomponius Mela III, 2; Plinius IV, 101; Strabo IV,
193; Ptolem. II, 9, 1. Die Mehrzahl, auch die Dichter nehmen zwei Mündungen
an: Rfienus bicornis oder bißdus. Von den Teilarmen wird die Waal schon ge-
nannt; bei Caesar Vacalus, Tacit. VaJiaJis, später Vachalis. Sie fliefst nach
Tac. 1. c. mit der Maas, Mosa, zusammen. Mcla beschreibt den Abflufs der
Yssel nach dem Locus Flevo. Der Verbindungsmann zwischen Niederrhein und
Yssel soll von Drusus als Kanal angelegt worden sein (Tac., Ann. II, 8 ; Sueton.
Claud. 1), Fossa Drusiam. Doch vermutet H. Blink, dafs hier nur eine Ver-
besserung eines natürlichen älteren, aber bereits versandeten Rheinarn ics vor-
gelegen hat. — Die natürlichen und künstlichen Veränderungen bei dem Fort
Sehenkenschans oberhalb Pannerden sind ziemlich klargestellt. Noch vor dem
Fort zweigte sich im Anfange unserer Zeitrechnung die Waal nach links ab,
während der alte Rheinarm im Bogen nach N. ging. Das Fort lag am süd-
östlichen Ende der von beiden Flüssen gebildeten schmalen Landzunge. Später-
hin versandete das obere Knde des Rheinarmes, und um die Waal zu entlasten,
wurde um 1710 der Pannerdensche Kanal angelegt, so dafs hiermit die Teilung
von Rhein und Waal ein Stück abwärts verlegt war. — Kurz oberhalb dieser
Stelle beschrieb die alte Waal noch eine grolse Kurve, die sich nach N. hin
vermöge der Erosion vergröfscrte, welche aber 1774 durch den Bylandschen
Kanal geradlinig abgeschnitten wurde. Man hat nicht ohne Grund vermutet,
dafs auch auf der Linie der Eem, die in die Zuiderzee geht, ein Rheinarm
(wie die Yssel) sieh nach N. abzweigte, der in historischer Zeit aber nicht mehr
existierte. Kaiser Friedrich I. verlieh 1165 dem Bistum Utrecht das Recht, in
dieser Richtung einen Kanal zu graben, der indessen nicht hergestellt worden ist.
Bei Wijk bij Duurstede geht der Krumme Rhein ab, der im Altertum
eine Hauptflüfsader war, beim heutigen Utrecht sich teilte, teils :ils Vecht zur
Zuidersee ging, teils als Alter Rhein bei Katwijk durch die Düne ins Meer
führte. Vor dem XII. Jh. war er bei Wijk zugedämmt; auch heute ist er kein
durchlaufender Flufs mehr, sondern durch Schleusen in Abschnitte geteilt. Die
Lek, schon 779 als Lochia erwähnt, scheint damals nur ein kleinerer Abflufs
gewesen zu sein. Näheres s. bei II. Blink, Der Rhein in den Niederlanden,
in Forsch, deutsch. L- Volkskde. 1889, IV, 92— 1<>3. mit Kartenskizzen und
weiterer Literatur. Ders. , Nederland en zijne bewoners, Amsterd. 1892. L
Acker Stratingh, Aloude Staat der Nederlanden, I. Lorie, Beschou-
wingen over het diluvium, in Tijdschr. Ned. Aardr. Gen. 1887.
S2. Emsgebiet. Die Ems ist einer von den wenigen gröfseren
Flüssen, die ausscbliefslich dem Tiefland angehören, denn schon die
Quelle liegt hart am südlichen Rande des Teutoburger Waldes. Von
hier aus schleicht der Flufs in zahlreichen Windungen dem Meere zu
und er hat bei der Flachheit des umgebenden Landes auch seinen Lauf
mehrfach gewechselt, wie die vielen Altwasser neben dem Ilauptstroni
zeigen. Innerhalb seines Tales lassen sich drei Abschnitte unterscheiden,
die etwa durch die Städte Rheine und Rhede getrennt werden. Im
ersten Abschnitt bis Rheine durchfielst die Ems die Münstersche Tief-
landsbucht, ein äufserst fruchtbares Land mit fettem Kleiboden und
prächtigen Eiehenbe'stünden. Bei der genannten Stadt durchbricht sie
den letzten hügelartigen Ausläufer des Teutoburger Waldes und tritt in
den zweiten Abschnitt ihres Talgebietes ein. welches ein ganz anderes
Gepräge trägt, Ode, sterile Sandwellen und Dünenzüge begleiten den
Flufs, während hinter jenem die Moorflächen liegen. Auch das Vege-
tationsbild ändert sich; dürftige Föhrcnwaldungen treten vereinzelt auf,
während in alten Zeiten der Wald weit und breit das Land bedeckte.
Seine rücksichtslose Vernichtung gab das Land dem Flugsand«' schutzlos
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32. Emsgehict.
89
preis und verwandelte es in eine Sand wüste. Auch das Flufsbett selbst
litt unter den Sandverweh ungen, und die Schiffe konnten nur mit mäfsiger
Ladung bis Meppen aufwärts gelangen. Erst das letzte Jahrhundert hat
hierin Abhilfe geschaffen. Bei Rhede tritt der Flufs in das Gebiet der
fruchtbaren Marschen ein. denn Ebbe und Flut machen sich bis hierher
aufwärts bemerkbar, und damit wurde auch die Anlage von Deichen
notwendig. Ehe er in dieser Weise durch genügend feste Dämme ein-
geengt war, war er in der untersten Laufstrecke tiefgreifenden Verän-
derungen und das umgebende Marschland furchtbaren Verheerungen
ausgesetzt, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll. — Im Gegensatz
7Ai dem Flufstal der Ems zeigt das weitere Stromgebiet dieses Flusses
einen anderen Charakter, denn in ihm herrschen neben einigen sandigen
Bodenwellen die Moorlandschaften vor, die sonst nirgends in nächster
Nähe des Hauptflusses seil »st auftreten. Sie bedecken viele Tausende
von Quadratkilometern das Land, und eine grofse Anzahl von Neben-
flüssen nehmen in ihnen ihren Ursprung. Scharf vorgezeichnete Wasser-
scheiden sind nirgends zu finden ; die mäfsig hohe Schwelle des Hümm-
ling wird fast ganz von den Emszuflüssen umschlossen, und auch nach
der Weser hinüber mangelt es wegen der Moore an Seheidelinien fast
ganz. Das Flußgebiet der Leda, die bei Leer in die Ems mündet, ist
zum gröfsten Teil von Mooren erfüllt. Auch der untere westöstlich
gerichtete Lauf der Hase von Quakenbrück bis zur Mündung bei Meppen
ist von Mooren umgeben, während ihr meridional gerichteter Oberlauf
vom Teutoburger Walde einen ganz anderen Charakter hat. Bei
Bramsche durchbricht sie die Ausläuter des Wiehengebirges. Auch west-
lich der Hase treten kleine Hügellandschaften auf, wie die tertiären An-
kumer Bergo zwischen Fürstenau und Bersenbrück und jene bei Freren.
Die Ems war den Alton aus eigener Anschauung bekannt und spielte
schon in den Kriegszügen des Germanieus eine Rolle. Die Namensformen
lauten sehr verschieden, bei Mela III. 30 Amissis, bei Plinius IV. 100 Amteis,
bei Tacitus, Ann. I. f>0. Ämteia, bei Ptolemäus II, 11.1 y/ftiamg. Im Mittelalter
heilst sie Emtea, so bei Adam von Bremen (I, 2), der sie im Patherburner Wald
(= Teutohurg. W.) entspringen läfst (doch scheint diese Mitteilung interpoliert
zu sein). Emisa et Hase in pago Agrutingon werden in einer Urkunde Ottos I.
946 Mai 30 genannt. Auch Formen wie Antaste, Emese, Emtsa treten auf. —
Eine nähere Untersuchung über die Laufänderungen des Flusses existiert z. Z.
noch nicht. .Jedenfalls müssen sie zwischen Rheine und Rhede sehr bedeutend
gewesen sein. So hatte der Flufs bei langen einen anderen Lauf als jetzt.
Er flofs durch die Bauernschaft Ilohendarme. so dafs die Fläche, wo jetzt das
Bauerngut Möddel liegt, am linken Ffer sich befand. Eine Überschwemmung
von 154(5 brachte diese Änderung hervor, so dafs sie ihren Lauf mehr westlich
nahm und sich von der Stadt entfernte. Vgl. Möller. Gesch. d. Grafsch.
Lingen, p. 3 f. Die Gesamtlänge des Flusses beträgt 330 km. bei Emden
mündet er 1800 in breit und teilt sieh in zwei Anne, Oster- und Westerems,
zwischen denen die Insel Borkum liegt.
Der Hümmling besteht aus vier (lachen Erhebungen, die durch
Flüfsehen und Moorstreifen voneinander getrennt sind. Der südliche Abhang
i.^t mit diluvialen Geschieben und erratischen blocken bedeckt. Früher war
der nur 60 m erreichende Ilügelzug mit Laubholzwaldungen bedeckt und ein
lohnendes Jagdgebiet. In ihm entspringt in einem moorigen Talzug die Ohe,
der Oberlauf der Sater Ems, die das Saterland durchzieht und in die Leda
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I. Physische Geographie.
mündet; s. über das Land unten bei Oldenburg. Der Name, schon im Mittel-
alter Humtneling, Hnmelinge lautend, wird sehr verschieden gedeutet. Kohl,
Nordwestdeutsche Skizzen II, 235 ff.
Von den grofsen Moorllächen, die fast durchgehends Hochmoore sind,
finden sich westlich der Ems auf der deutsch-holländischen Grenze das Bour-
tanger Moor und südlich von diesem der Twist (zusammen an 1600 qkm um-
fassend); im SW. von Lingen die Engdener Wüste. Östlich der Ems das Ost-
friesische Hochmoor (700 qkm) südöstl. von Aurich; im Gebiete der Leda das
Lengener Moor, Saterlandsmoor und Lange Moor, durch welches der Hunte-
Emskanal heute führt. In die südlichen Ausläufer des Hümmling hinein-
reichend die Dose mit dem Meppener Schiefsplatz. Über das Emsgebiet vgl.
Gut he, Die Lande Braunschweig und Hannover, p. 175 ff., und die unten
p. 110 genannte Literatur.
33. Wesergebiet im norddeutschen Tiefland. Oberhalb Minden
verläfst die Weser durch ein Taltor, welches links der Jakobsberg, rechts
der Wittekindsberg bildet, das Weserbergland; von hier gehört sie aus-
sehlielslich dem Tieflande an. Ihr nach beiden Seiten ausgreifendes
Stromgebiet ist zwischen jenes der Ems und Elbe eingeschaltet, von
ihnen aber nicht immer durch markante Wasserschcidelinien getrennt,
Selbst in der Lüneburger Heide, die hier «lie beträchtlichste Boden-
schwelle bildet, sind die Elbe- und Weserzuflüsse durch sumpfige Niede-
rungen einander nahe gebracht. Von Minden an, wo ihr Wasserspiegel
40 m üb. M. liegt, hält sie im allgemeinen eine nordnordöstliche Rich-
tung bis 7.ur Einmündung der Aller inne. Sie fliefst in der flachen
Talfurche in grofsen Windungen dahin und mufs im Laufe der histori-
schen Zeit ihr Bett mehrfach verändert haben, wie dies an einzelnen
Stellen, z. B. unterhalb Nienburg, schon erwiesen ist. Das linke Ufer
ist das flachere, von Stolzenau an mit Marscherde bedeckt, während auf
dem rechten Ufer von Nienburg an Flulsdünen den Strom begleiten.
Sie nimmt auf dieser oberen Strecke nur kleinere Flüsse in sich auf,
die in den grofsen Moorgebieten zu beiden Seiten ihren Ursprung neh-
men. Ihr bedeutendster rechtsseitiger Nebenflufs ist die Aller, die in
ihrer Tallinie die Abflüsse der Lüneburger Heide, jene des Oberbarzes
und der Leine vereinigt. Unterhalb Verden erreicht sie «lie Weser in
einem marschigen Flachlande, welches beide Flüsse erzeugt haben.
Von hier an hält die Weser die Richtung der Aller inne bis nach
Bremen hin. Beide Flüsse sind schon oberhalb ihrer Vereinigung teil-
weise durch Deiche eingeschlossen. Im weiteren begleitet ein Dünenzug
die Weser auf ihrer rei hten Seite bis nach Bremen hinein. Flufsverlegungen
sind hier überall nachzuweisen. Die sog. Alte Aller zog sich über
Langwedel dicht am Bande der Geest bis nach Achim hin; ein anderer
Ann ging von Achim aus durch das Oytener Moor nördlich zur Wümme.
Auch im Bremer Gebiet selbst sind mehrere alte Weserläufe nachzuweisen,
auf der rechten Seite im Holler- und Blocklande, wie auf der linken
Seite, dem Vielando. Hier sind es Ochtum und Oller bis zur Hunte-
mündung. welche die alten Tallinien darstellen.
Die unterste Laufstrecke von Bremen an hat in der historischen
Zeit die gröfsten Veränderungen erfahren. Die Weser bildete hier im
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33. Wesorgobiet im norddeutschen Tiefland. 91
früheren Mittelalter ein grolses Delta, welches bis zum heutigen Jade-
busen hinübergriff (über dieses vgl. unten). Heute hat sie ein ge-
schlossenes, mit vielen Sandwerdern durchsetztes Bett, welches auch
grofson Seeschiffen den Zugang bis Bremen gestattet. Bis zum Jahre
1864 hatte man es dahin gebracht, dal's die Flutwelle bis zu 0,76 m
Höhe nach Bremen aufwärts lief. 1883—1886 wurde die lange Bucht,
die die Weser unterhalb der Stadt bildete, durch Geradelegung des
Bettes verkürzt und der Flut ein bequemerer Zugang geschaffen, so dafs
Schiffe mit 3 m Tiefgang schon hinaufgelangen konnten. Die plan-
mäfsige Korrektion der ganzen Unterweser begann erst im Jahre 1886
nach den Vorschlägen von Franzius. Der Flufsschlauch wurde vertieft,
alle Hindernisse» beseitigt, um die Flutwelle möglichst uneingeschränkt
wirken zu lassen, die durch Inseln abgezweigten Nebenarme teilweise
ausgefüllt und am oberen Ende geschlossen, so dal's Schiffe mit f>,5 m
Tiefgang nunmehr Bremen zu erreichen vermögen.
Das Stromgebiet der Weser mit ihren beiden Überläufen umfafst 48 230 qkm,
die Stromlänge von Münden an beträgt 49ti km, von Minden an innerhalb des
Tieflandes 293 km. Die durchschnittliche Fluthöhe beträgt bei Bremen jetzt
0,9t> m, bei Vegesack 1,89 m; die Breite des Stromes bei Münden 94 in, bei
Minden 180, bei Bremen (Kaiserbrücke) 129 m, bei Brake 8f>0 m.
Ein grofser Teil ihres Stromgebietes im Tieflande ist von Mooren ein-
genommen, die teils als Hochmoore oder Cberwassermoore, teils als Wicsenmoore
auftreten. Die erste Gattung, die Hoch in o o r e oder Moostorf-Heidemoore, sind
die verbreiterten. Sie sind e rfüllt von Spagnuinarten (Torfmoosen^, Wollgräsern
(Eriphorum) und heidekrautartigen Gewächsen. Sie zeigen nach unten hin
eine Schichtung, indem die unteren Lagen eine feste, kompakte, mit Holz-
resten versehene, dunkle Masse bilden, während die oberen Lagen locker, hell-
gefärbt und faserig sind. Die zentralen Teile der Moordecke liegen merklich
höher als ihre Umgebung, weshalb sie Hochmoore genannt werden. Sie bilden
eine einförmige, öde Landschaft; eine Kiefer oder Birke unterbricht hier und
da die Monotonie. In unzählichen Lachen und Rinnsalen steht das braune
Moorwasser. Die andere Gattung bilden die Grünlands-, Wiesen- oder
Niederungsmoore. Sie linden sich in den Niederungen, in den Uber-
sehwemmungsterrains der Flüsse, die zu Versumpfungen neigen, und sind aus
Gräsern, Halbgräsern und Sumpfpflanzen (ohne '1 orfnioose) gebildet und reich
an Stickstoff und Kalk. An der Oberfläche verwachsen sie zu einer aus ver-
torftem Wurzelgerleeht gebildeten Decke, die sich mit dem Grundwasserspiegel
hebt und senkt mitsamt den Bäumen, die auf ihr stehen. Bei hohem \\ asser-
stände seitens des austretenden Flusses und bei Stürmen reifsen sich grofse
Stücke aus der Moordecke los und treiben abwärts, wo sie sich bei fallendem
Wasser niedersetzen. Am südlichen Ufer der Hamme nordöstlich von Bremen
befindet sieh das vielgenannte * schwimmende Land von Waakhausen t mit
seinen Eichen und Tannen, Erlen und Birken, seinen Ackern und Gärten,
die auf einer Moordecke ruhen; nur die Häuser stehen auf festen Sandwurten.
Tacke, Die nordwestdeutschen Moore, ihre Nutzbarmachung und Volkswirt
schaftliche Bedeutung, Yerhandl. Geogr. Tages Bremen 1895, p. 119ff. Saalfeld,
Die norddeutschen und niederländischen Moor«', Ausland 1882, p. 4«>7. Dcrs. ,
Die Hoc hmoore auf dem früheren Weserdelta, Z. (u-s. f. Ekde., Berlin 1881,
p. 1(51. All mers, Marschenbuch, p. 74 — 99; letzterer unterscheidet noch der
Lage nach zwischen Hochmooren auf der Geest, Randmooren zwischen Geest
und Marsch und Marschmooren, die sich sporadisch auf dem Marschboden
finden. Kohlenberg. Das schwimmende Land von Waakhausen, Globus
74. p. 21 fT. Denkschrift. Der gegenwärtige Stand der Moorkultur und Moor-
besiedelung in Preufsen, Berlin 1899. — Von gröfseren Moorlandschaften sind
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92
I. Physische Geographie.
zu nennen das Wittingsmoor und Grofse Moor zu beiden Seiten der Aue,
die oberhalb Nienburg von links her die W eser erreicht. Rechts der Weser
das Tote Moor, an welches sich das Steinhuder Meer anschließt mit nur
3 m Tiefe bei 32 qkni Flächeninhalt. Es wird urkundlich zuerst 1228 als
Maar bezeichnet. Es war früher etwas grofser, wie Pfahlbaiireste zeigen. Am
südwestlichen Ende die im XVIII. Jh. künstlich hergestellte Insel mit dem
ehemaligen Fort Wilhelmstein. Halbfafs, Das Steinhude! Meer.
Die Aller (Älara) hält auf ihrem 162 km langen Lauf im allgemeinen
die gleiche nordwestliche Richtung bis zur Einmündung in die Weser unterhalb
Verden inne. Oberhalb Gifhorn treten von X. das Westerbecker Moor mit
vielen Moorkolonien, von S. das Barnbruch an den Flufs heran. Bei Ahlden
zieht sich links vom Flufs von der Mündung der Leine an eine dünne Wasser-
skier, die Alte Leine, entlang, die ehemals ein Allerbett gewesen zu sein scheint.
Über die Leine und die HarzzuHüsse s. p. 70, 72. Die auf der rechten Seite von
der Lüneburger Heide einmündenden Flüsse sind meist von Mooren eingefafst.
Im NO. von Bremen finden sich nochmals ausgedehnte Moorgebiete mit
Wiesenmoorcharakter, die sich fast ohne rnterbrechung bis über Bremervörde
ausdehnen. Die Wümme oder Wümme (urkundlich Winterte, W'emma) umzieht
den südlichen Rand dieser Moorlandschaft. Nach ihrer Vereinigung mit der
Hamme heifst sie Lesum (Lesmona; ein kaiserlicher Hof Lieshnunde lag daselbst.
1002 genannt). Sie begrenzt im N. das bremische Holler-, Block- und Werder-
land, welches durch Deiche geschützt ist, da der gröfste Teil mehr als 1 m
unter Null des Bremer Brücken pegels liegt. Die tiefsten Partien gehen bis
— 1,1» m hinab. Auch das Vieland links der Weser liegt im NW. bis zu 1 m
unter Null.
Die Ochtum (Othmtnda 1158, (khmunde) fliefst zum Teil in einem alten
Weserbett; ihre Mündung ist zweimal künstlich verlegt worden. Auch der
Ollen gehörte wohl ehemals dem Haiintstrom an; er mündet in die Hunte,
die den letzten gröfseren linksseitigen Nebenllufs der Weser bildet. Sie nimmt
im Weserberglande ihren Ursprung und durchliefst bald darauf den Dümmer-
see oder richtiger Dümmer, entstanden aus diup = tief und meri = Meer;
die älteste Form ist Diummeri, I tarnen. Er ist fast ganz von Mooren umgeben
und von Schilfinseln erfüllt. Nördlich schliefst sich das Diepholzer Moor an
(mit den interessanten Funden von alten Moorbrücken oder Bohlwegen \ Die
Abflüsse des Dümmer durchziehen es teilweise; unter ihnen die Alte Hunte,
der ehemals alleinige AbHufs. Zur Entwässerung des Moores wurden Kanäle
gezogen; so die Lohne im J. 1587 und 1888, dann die (irawiede und der
Omptedasclie Kanal. Bei Oldenburg verläfst die Hunte (Hanta, Adam I. 13)
die meridionale Richtung und wendet sich durch das Marschland östlich der
Weser zu. Auch östlich dieses Stromes bis nach Hadcln hinauf sind allent-
halben grofse Moorstrecken zu finden. Adam von Bremen I, 13 gibt für
mehrere die alten Namen, die sich freilich jetzt schwer indentitizieren lassen.
('her die Weser und ihr tiebiet im allgemeinen vgl. Guthe, Die Lande
Braunschweig und Hannover, p. 132 ff. Hahn. Topographischer Führer durch
das nordwestl. Deutschland, Lpz. 1895, p. 151 tT., 155 ff. etc. Freuden thal,
Heidefahrten 11, 178 ff Buchenau, Die freie Hansestadt Bremen und ihr
Gebiet, 3. Aufl. 1900, p. «J ff., 28 ff., 43 ff. Franziiis, Die Unterweser von
Bremen bis Bremerhaven, Petermanns Mittlgn. 18K), 294 ff., mit Karte. Büeking,
die l'nterweser und ihre Korrektion, Verhandl. d. Dt. Geographentages Bremen
1895. p. 110 — 118. Franzius und Büeking. Die Korrektion der l'nterweser,
Lpz. 1895, mit Atlas. Keller. Weser und Ems. ihn- Stromgebiete und ihre
wichtigsten Nebenflüsse. Eine hydrographische, wasserwirtschaftliche und recht-
lieb«- Darstellung. 4 Bde.. Berlin 1901.
34. Lüneburger Heide. Zwischen Elbe und Aller dehnt sich die
hügelige Fläche der Lüneburger Heide aus, ein steriler Landstrich
von sandiger Beschaffenheit, meist mit Heidekraut und Gras bedeckt.
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35. Elbe im norddeutschen Tiefland.
93
von Birken- und Fohrenbeständen unterbrochen und in früherer Zeit sehr
viel dichter bewachsen. Südlich des Wilseder Berges, der höchsten Er-
hebung der Heide (171 m), liegt die sog. Kaubkammer, aus deren weiterer
Umgebung eine grofse Anzahl von Flüssen wie aus einem Quellonzentrum
nach allen Seiten hin abttiefst. Auch sumpfige Strecken finden sich, und
besonders die zur Aller gehenden Flüsse sind im Unterlaufe von solchen
' eingefafst.
Im Mittelalter hiefs sie Maget neide; C'hron. episc. Verdens., Leibniz
SS. 2, 216. Im Sachsenspiegel (Buch II, Artikel 61) (XIII. Jh.) gehört sie zu
den königl. Bannforsten. Trotz der Einförmigkeit und Öde hat die wild*
romantische Natur der Heide ihren eigenartigen Keiz und deshalb auch ihre
Verteidiger und Lobredner gefunden; vgl. Engelhardt, Zur Ehrenrettung
der L. Heide, 1879. — Meyer, Prov. Hannover, p. 1300. Die Kaubkammer
(Rovkamer) , eine der bedeutendsten Nadelholzwaldungen, war zu den Zeiten
der Billunger eine *Sunderwaldung<, ein aus den Markwaldungen abgesonderter
Wahlbezirk. Im Sächsischen wurde schon im XI 1. Jh. ein solcher Forst als
Camera bezeichnet. Vgl. Freud enthal, Heidefahrten, III, 69. — Aus der
allgemeinen Sand- und Geröllbedeckung ragen am NO.-Kand Muschelkalk und
Gips hervor, so besonders im Kalkberge und Zeltberge von Lüneburg. Die
ausgehöhlten Gipslager haben innerhalb der Stadt zu bedenklichen Erdfällen
geführt im J. 1013, 1566, 1787; cf. Guthe, Lande Br. u. H, p. 80; Jahres-
hefte naturw. Ver. Lüneburg, 1, 99; 8, 112; Hahn, Führer, p. 109 f.
Zum Elbsystem gehören: die Oste (Ostu), Adam 1, 13; die Este
(Eschede); Seeve (Sefe); Luhe; zur Aller geht die Örze; zur Weser die
Wümme (Wemma, Adam 1, 13; M'ttmmene, XIV. Jh. ; s. vor. Seite).
35. Elbe im norddeutschen Tiefland. Bei dem Dorfe Kreinitz
unterhalb Riesa hat die Elbe die Höhen des sächsischen Mittelgebirges
durchbrochen und tritt in das Tiefland ein, welches sie bis Cuxhaven
in einer Gesamtlänge von 733 km durchströmt. Ihre Wasserspiegelhöhe
beträgt bei dem genannten Dorfe 83 m üb. M., bei Magdeburg 36 m,
bei Werben 22 m und bei Hamburg 1,4 m. Innerhalb der historischen
Zeit hat sie in ihrem breiten, flachen Tal mancherlei Veränderungen
erlitten; von ihrem ehemaligen Laufe zeugen noch heute die alten Tal-
furchen, die teils trocken liegen oder, mit Wassertümpeln und langge-
streckten Seen durchsetzt, die sogen. »Alten Elben« bilden, teils von
ihren Nebenflüssen benutzt werden. Wie alle Ströme des Tieflandes
beschreibt sie grofse Windungen, die auf natürlichein wie auch künst-
lichem Wege Abkürzungen erfahren haben. Auf der 42 km langen
Strecke von Kreinitz bis Protseh verlängert sie ihren Lauf um nahezu
das Doppelte (H2 km), und mehrfach sind Durchstiche bei Mühlberg,
Kranichau, Prettin und Pretsch nötig geworden. Bei Pretsch tritt sie
dann in das grofse sog. Breslauer Diluvialtal ein; sie strömt hier im
grofsen Ganzen von Osten nach Westen in «1er Richtung, welche ihr
rechtsseitiger Xebenflufs, die Schwarze Elster, inne hat, die von Lieben-
werda an auch ein alter Elbelauf zu sein scheint. Bei Aken, welches
annähernd gleichweit zwischen der Mulde- und Saalemündung gelegen
ist. schlägt die Elbe die nordwestliche Richtung ein, zunächst bis Magde-
burg, wo sie nordöstlich einlenkt. Auf dieser Strecke sind zahlreiche
Flufsverlegungen zu beobachten. Vor dem X. Jh. war der heutige
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94 L Physische Geographie.
Hauptarm von Dörnberg an nicht vorhanden. Schönebeck lag damals
nicht an der Elbe, sondern an einem Bach. Der Flufs strömte in dem
noch erkennbaren Tal bei Plötzky vorüber. Im XI. Jh. nnifs dann
der Schönebecker Arm sich ausgebildet haben, der auch damals schon
schiffbar gewesen zu sein scheint. Auch nördlich von Magdeburg existierte
neben dem östlichen, am Rande des Plateaus entlang ziehenden, heutigen
Hauptstrom ein westlicher Arm, der von der Magdeburger Neustadt
gegen Rotensee und Wolmirstedt verlief, wo die Ohre einmündete. Noch
im XII. Jh. bildete der Wolmirstedter Strom den eigentlichen Schiffahrts-
weg. Dieser liefs in seiner Bedeutung aber allmählich nach, und im
XIV. Jh. zog die ganze Wassermasse nach dem östlichen Bett hinüber.
In dem alten Flufstal zieht als ein dünner Wasserfaden heute die Alte
Elbe hin, die bei Wolmirstedt die Ohre erreicht, und letztere benutzt von
hier an das ehemalige Bett der Elbe. Als die westliche Elbe noch der
Ilauntstrom war, bildete sie die Grenze der Brandenburger Diöcese, die
nach Verlegung des Bettes somit auf das linkselbische Gebiet hinüber-
griff. — Bei Magdeburg war die Elbe bis 1780 noch in drei Arme ge-
spalten, von welchen heute der mittlere, die sog. Mittel-, auch Faule
und Zollelbe genannt, am oberen Ende geschlossen ist. Der westliche,
die Stadt bespülende Arm ist die eigentliche Stromelbe, der östliche
die alte Elbe.
Im Westen berührt dio Elbe eine äufserst fruchtbare Landschaft,
die Magdeburger Börde, ein welliges Hügelland. Sie ist mit einer
bis zu 1 m mächtigen Schicht von schwarzer Dammerde bedeckt, unter
welcher ein gelber kalkhaltiger Löfs liegt. Diese Schichten beginnen im
Süden bei Barby und reichen nördlich bis fast an das Ohretal heran;
für Weizen und Zuckerrüben bieten sie die günstigsten Wachstunis-
bedingungen dar.
Von der Mündung der Ohre bei Rogätz tritt der Strom in einen
anderen Abschnitt seines Tales ein. Die Verlängerung seines nordöst-
lichen Laufes zielt auf die untere Havel, speziell die Rathenower Gegend
hin. In der Tat hatte die Elbe nach dem Abschmelzen des Diluvial-
gletschers ihren Weg nach dorthin genommen, da der Durchgang bei
Arneburg ihr noch versperrt war, und drei gröfsere Talzüge lassen sich
nach der Havel hinüber noch erkennen. Ein Kriterium für die ehe-
malige Ausdehnung der Elbwasser bildet der ihnen eigentümliche Elb-
schlick, ein toniges Gebilde, frei von kohlensaurem Kalk, von blaugrauer
Farbe, den der Flufs überall, wo er hingelangte, abgesetzt hat. Bis
40 km östlich des heutigen Laufes ist er erkennbar. Jetzt ist der Strom
westlich von Genthin und Burg durch Deiche abgeschlossen, aber noch
im XVI. Jh. hat er oftmals seine ehemaligen Strafsen aufgesucht und
die Umgebung von Rathenow überschwemmt. In aufsergewöhnlichen
Fidlen geschah dies auch später noch. Im Jahre 1653 fuhr man bei
einer Elbüberschwemmung mit Kühnen in der Stadt umher, ebenso am
Karfreitag 1709,
Bei Arneburg bricht die Elbe durch ein Erosionstal. welches sie
selbst geschaffen hat, und nach Verlassen desselben bei Osterholz tritt
r
35. Elbe im norddeutschen Tiefland. 95
sie in die Wische ein. Diese ist eine ca. 270 qkm grofse Niederung
auf der linken Flufsseite, wo das Berliner und Eberswalder Diluvialtal
rieh vereinigten. Sie war schon vorhanden, ehe die Elbe durchbrach,
wurde dann aber bei der Flachheit des Terrains von ihr, die hier ihre
Ton- und Schlickmassen absetzte, unausgesetzt überschwemmt. Der
fruchtbare Boden hat schon in früher Zeit zur Bebauung ancrelockt, und
.v J> TT
um ihn vor Überschwemmungen zu schützen, hatten die Uferbewohner
des XII. Jh. Deiche angelegt, wie uns Helmold in seiner Slavenchronik
berichtet. Auch auf der Linie der Uchte und Biese-Aland, die bei
Schnackenburg mündet, also am westlichen Rande der Wische, ist die
Elbe ehemals geflossen.
Von der Havelmündung an schlägt sie wieder die nordwestliche
Richtung ein. Anfangs noch grofse Windungen bildend, fliefst sie dann
in mäfsigem Wechsel der Richtung. Unterhalb Dannenberg streift sie
die steil abfallenden Ausläufer der Lüneburger Heide und ein Stück
weiter unterhalb bei Lauenburg die von rechts herantretenden Abfälle
des Mecklenburger Plateaus. In der (Jegend von Bleckede beginnen die
Marschgebiete, zunächst nur auf der linken Uferseite sich ausbreitend,
•iann aber in Vierlanden auch das rechte Uferland umfassend. Uberhalb
Hamburg teilt sich der Flufs in zwei Hauptarme, Norder- und Süder-
Elbe, deren Zweigarme das Marschland in mehrere gröfsere und kleinere
Inseln auflösen; bei Blankenese hat sie ihr Wasser wieder in einem Arm
vereinigt. Von Hamburg an tritt das Geestplateau hart an den Flufs
heran; unterhalb Schulau ist der Strom aber auf beiden Seiten von
Marschland einges chlossen. Das Astuarium verbreitert sich abwärts und
ist von zahlreichen Sandwerdern durchsetzt. Bei Brunsbüttel hat es
7 km Breite und schwillt dann zu einer weiten Bucht an, die bei Cux-
haven 15 km beträgt.
Die Gesamtlänge der Elbe beträgt 1165 km, ihr Stromgebiet 143 327 qkm.
Ihre schiffbare Strecke beginnt bei Melnik in Böhmen, also 842 km oberhalb
«ler Mündung, während der Seeverkehr bis Hamburg hinauf möglich ist. Die
Flut steigt bis über Hamburg hinaus nach Geesthacht, also 1C5 km aufwärts;
bei Hamburg erreicht sie 1,8 m Höhe, bei Cuxhaven 3 m.
Der gröfste Teil des Elblaufes in der Norddeutschen Tiefebene gehört
j'ner diluvialen Sammelrinne am Schlufs der Eiszeit an, die man als Breslau-
Magdeburger Tal bezeichnet hat (a. oben p. 8G). Ein von Fr. Hoffmann an-
genommener ehemaliger Abtlufs durch das Tal der Ohre bei Wohnirstedt naeh
n*. ist wegen der mäfeigen Breite des Ohretales (400 m) nicht wahrscheinlich. —
Uber die Entstellung des Löfs der Magdeburger Börde gehen die Ansichten
weit auseinander. Nach der Richthofenschen Theorie sei der Löfs eine fein-
erdige äolische, d. h. durch Winde herbeigeführte Ablagerung in kontinentalen
Gebieten, während andere speziell mit Rücksicht auf die Börde einen lluviatilen
Ursprung annehmen. Über diese Frage orientiert kurz Wahnschaffe, Die
I'rsachen der Oberflächengestaltung der Norddt. Tiefebene, 18!» 1, p. 130 ff., mit
weiteren Literaturangaben. — Die Veränderungen des Elblaufes in historischer
Zeit stehen mit den Überschwemmungen im Zusammenhang. Als eine Folge
von diesen ist auch der (»benerwähnte zeitweilige Abtlufs der Elbe durch das
alte Tal über Genthin nach der Havel hinüber zu erklären. Er war im J. 15*56
zu beobachten und dann 6 Wochen lang im J. 1595 vom 12. Febr. bis 4. Mär/;
bei letzterem stand das Wasser bei Havelberg 22' 6" über Null des dortigen
iVgels. Vgl. hierzu Wagner, Denkwürdigkeiten der kurmärkischen Stadt
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96 I Physische Geographie.
Rathenow. Berlin 1803. Ein Verzeichnis sämtlicher grösseren Elbüberschwcm-
miingen seit «lern X. Jh. gibt Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg,
1854. I, 322 f.
Über die Elbe im Tiefland im allgemeinen vgl. V arges, Der Lauf der
Elbe im norddeutschen Flachlande, L Teil, Progr. Gvmn. Ruhrort 1891.
Maenfs, Die Elbe bei Magdeburg, Mittlgn. d. Ver. f. Erdkde., Halle 1885, 1—10.
Ders. , Zur Gesch. der Elbe bei Magdeburg, Geschichtbl. f. Stadt und Land
Magdeburg. 32 (1897). 297 ff. Keilhack, über alte Elbläufe zwischen Magde-
burg u. Havelberg. Jahrb. d. Preufs. geolog. Landesanstalt, 1887. 236— 252.
Wich mann, Die Entwicklung der Elbe zwischen Geesthacht und Blankenese,
Z. f. wiss. Geogr. II. 24 — 38. Die Elbinseln haben sich in geschichtlicher Zeit
auch sehr oft verändert; ein wichtiges Hilfsmittel ist Melchior Loriehs
Karte vom J. 1568, mit Erläuterungen herausgegeben von Lappenberg.
Unter den Nebenflüssen, die ihr innerhalb der Tiefebene zugehen, hat
die Havel mit der Spree das gröfste Stromgebiet. Die Havel (Habola, Havele,
Halte, auch Labola, Albola) entspringt auf der Mecklenburgischen Seenplatte im
Dambecker See in 68 m üb. M. Unterhalb Oranienburg bildet sie mehrfach
grolse, langgestreckte Seen, die mit normalen Flufsstrecken abwechseln bis
Pritzerbe. Bis zu dieser Stelle hat sie die Richtung ihres Laufes zweimal ver-
ändert und wendet sich nach N. und NW., um unterhall) Havelberg in die
Elbe zu münden. Auf drei Seiten umschliefst sie das Havelland, welches im
N. durch den Rhin begrenzt wird und eine 2530 ([km grofse Fläche bildet.
Von den alten Diluvialtälern durchzogen, bat es einen sumpfigen Boden (Havel-
luch und Rhinluch) neben sonst sandigen Flächen und Wiesen. Doch haben
die Entwässerungen des XVIII. Jh. einen grofsen Teil des Landes der Kultur
zugänglich gemacht. Der Flufs ist 356 km lang und hat in der Spree mit
365 km einen noch längeren Nebenfluß?. Die Spree (Spretra, Sprevia; im
Wendischen kurz Reka, d. h. Flufs) entspringt in der Oberlausitz in mehreren
Quellen. Nachdem sie sich hinter Bautzen in zwei Anne geteilt und bei
Spreewitz diese wieder vereinigt hat, bildet sie unterhalb Kottbus den Spree-
wald, ein grofses Bruch, welches durch den Pafs von Lübben in einen oberen
und unteren Spreewald geschieden wird. Die Spree teilt sich hier in unzählige
Wasseradern, die oft sumpfige, aber mit Erlengehölzen betleckte Inseln um-
schliefsen. Bei Schiepzig sind alle Teilarme wieder vereinigt. Weiterhin ändert
sie mehrmals ihre Richtung und durchHiefst verschiedene Seen (Schwielug-,
Müggelsee). Bei Spandau mündet sie in die Havel. — Zum Gebiet der Havel
und der Spree gehören z. T. noch jene sandigen Bodenwellen, die in einiger
Entfernung von den mitteldeutschen Gebirgen diesen parallel ziehen. Sie bilden
••in allerdings nur schwaches Gegenstück zum Baltischen Höhenrücken, zeigen
aber wie er die Spuren der ehemaligen Vereisung. Dieser Rücken beginnt mit
der Lüneburger Heide, setzt sich zwischen Elbe und Aller weiter fort unter
besonderen Namen, Göhrde Drawehn (142 m), Hellberge (160 m bei Gardelegen).
Die Jeetze. Biese mit Uchte und die Ohre entspringen auf dieser Höhen
schwelle. Jenseits der Elbe bildet der Fläming die Fortsetzung, der im Hagel-
berg bei Beizig 200 in erreicht, mit sandigem, wenig fruchtbarem Boden. Von
ihm gehen die Plane und die Nuthe mit der Nieplitz nördlich zur Havel,
während kürzere Flüfschen zur Elbe und Schwarzen Elster nach S. führen.
Vgl. Schöne. Der Fläming, Leipzig 1898. Ks schliefsen sich die Nieder-
lausitzer Berge an, die über Spremberg nach Sorau streichen, wo sie im Rücken-
berg 220 m Höhe haben. Sie stellen aber keine zusammenhängende Schwelle
dar, die Spree und Neifse gehen quer durch sie hindurch. Jenseits des Bober
folgen die Dalkauer Berge bei Glogau, wo sie am Südrande des Odertides aber-
mals 220 m erreichen, und jenseits der Oder taucht der Rücken im Katzen
gebirge bei Trebnitz auf.
•
36. Oder. Gegenüber dem Rhein und der Elbe zeigt das Strom-
gebiet der Oder eine sehr viel einfachere orographische Gestaltung. Von
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30. Oder.
97
ihrem Ursprung an, dem »schönen Ort« auf dem Odergebirge (634 m),
hat sie nirgends beträchtliche Gebirgsschwellen zu durchschneiden, wie
dies bei den erstgenannten Flüssen der Fall ist. Im Oberlaufe bietet
ihr die breite Senke zwischen den Sudeten und Karpathen, die sog.
Mährische Pforte, einen bequemen Durchgang nach N. hin. In mehr-
fachem, recht auffallendem Wechsel der Richtung durchströmt sie dann
das norddeutsche Tiefland, innerhalb dessen wir trotz der geringfügigen
physischen Verschiedenheit drei Abschnitte in ihrem Laufe annehmen
können. Der erste bildet die langgestreckte Mulde der sehlesischen
Tieflandsbucht, wo dem Hauptstrome von beiden Seiten zahlreiche Heinere
Flüsse zugehen, die teils im Sudetenwall ihren Ursprung haben, teils
der oberschlesischen Platte und dem an sie sich anschliefsenden süd-
lichen Landrücken (s. o. 96) entquellen. Unterhalb der Katzbach durch-
bricht sie den T^andrücken und tritt in den zweiten Abschnitt ihres
Stromgebietes, der einen Teil der grofsen diluvialen Talzüge bildet.
Letztere haben auf die Richtung und Beschaffenheit des Strombettes
der Oder und ihrer Nebenflüsse einen bestimmenden Einflufs gehabt
(9. 0.). Innerhalb dieses Abschnittes empfängt sie auf der linken Seite
von den Sudeten noch zwei wasserreiche Nebenflüsse, den Bober mit
dem Queis und die Görlitzer Neifse. Neben der Bartsch und der Obra,
die in den bruchartigen Niederungen der alton Schmelzrinnen entlang-
fliefsen, ist unter den rechtsseitigen Nebenflüssen die Warthe mit der
Netze nach Länge, Stromgebiet und Wasserfülle der bedeutendste. Von
ihrer Einmündung in den Ilauptstrom an bildet dieser das Oderbruch.
In rechtem Winkel biegt er nach NNO. um; als dritten Abschnitt seines
Laufes kann man die breite Furche durch den Baltischen Höhenrücken
ansehen. Der Strom teilt sich zuletzt in mehrere Arme, die alle in eine
seeartige Erweiterung zusammenflielsen. Nachdem diese sich noch
einmal stark verengt hat, tritt sie in das Papenwasser des HatTs ein.
Bis zu diesem Punkt, der noch 7 cm über NN. liegt, kann man «las
Stromgebiet ausdehnen; das Haff selbst gehört nicht mehr hierzu.
Die Oder wird in älteren lateinischen Quellen gar nicht und nur einige-
mal von I*tolemäus (II, 11, 3, 7) Ormdora genannt. Aulser ihrer Mündung
macht er noch die des Suebus (— vtßn~) namhaft, und Müllenhof f (DA. II,
209) vermutet, dafs beide die Mündungen eines und desselben Flusses seien,
dessen eigentlicher Name Vmdua gewesen wäre. Ähnlich C. Müller in der edit.
PtoL p. 250, der Svtjßog in -ry-o? = Swine zu emendieren geneigt ist. — Im
Mittelalter heilst der Strom Odai/ra, Qdoyra in den Ann. Fuldens. a. 792, Adora
Widuk. I. 27, Oddora Adam IV, 13. — Die etymologische Bedeutung ist noch
fraglich. Müllenhoff 1. c. hält den Namen für germanisch und läl'st Viadua
nach und nach in Odora, Odra übergehen; die Form Viadnis ist gelehrten
Ursprungs. XV'., XVI. Jh. Bremer Pauls (Jrundrifs d. germ. Phil. III, 77Ü)
hält ihn für keltisch; doch seheint mir für Odra slavischer Ursprung mcht
gänzlich ausgeschlossen; es wäre dann allerdings Oder von Viaduo zu trennen.
Jettmar bringt ihn mit slav. uoda = Wasser in Zusammenhang.
Der Strom hat eine Länge von 860 km und schliefst ein Gebiet von
11801 1 qkm ein ; von diesen gehören 75.1)% dem Tieflande an. Vgl. im allgemeinen
über den Flufs Part sc Ii, Schlesien I, 173 — 204; über die märkische Strecke
Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg III, 1 ff. Ferner die amtliche
Publikation: Der Oderstrom, sein Stromgebiet und seine wichtigsten Neben-
Kret Schmer, Historische «ieoKTaphie. 7
98
I. Physische Geographie.
Müsse. 3 Bde. mit Atlas. Berlin 1890. Die geographischen Einzelheiten dieses
Werkes bearbeitete Penek. Der Oderstrom, in Hettners Geogr. Z. V. III IT, 84 IT.
Den bedeutendsten Eintlufs auf den Verlauf und die Beschaffenheit des
Flufsbettes, wie auf das wirtschaftliche Leben der Anwohner haben von jeher
die ( berseh wemmungen gehabt. Teils treten sie im Frühjahr auf (besonders
März) als Folge der Schneeschmelze und des Eisganges, teils im Sommer, wo
sie als Folge anhaltender Hegengüsse weit grüfser und gefahrbringender sind.
Bevor der Strom reguliert war, haben Flufsverlegungen mit und ohne Zutun
des Mensehen sehr leicht eintreten können. Schon innerhalb der sehles. Bucht
lassen die zahlreichen Altwasser und Terrainfurchen seinen ehemaligen Ver-
lauf ahnen Einzelne Nebenflüsse in Schlesien, die dem llauptstrom mehrere
Kilometer parallel Hiefsen, ehe sie in ihn einmünden, bezeugen, dafs sie nur
alte Stromrinnen desselben benutzen. Ursprünglich tlofs die Oldau bei dem
Breslau erreicht. Auch die Weida benutzt einen alten Oderurin. Im Mittel-
alter bis zum XVI. Jh. hielt sich die Oder kurz vor Breslau mehr auf der
rechten Talseite, wo sie in grofsen Serpentinen dahinzog. Aber auch Durch-
brüchc nach der linken Talseite hinüber müssen schon vor dem X. Jh. vor
banden gewesen sein. Der Hauptarm eines solchen Durehbruches mufs in
nordsüdlicher Richtung am östlichen Ende des heutigen Breslau in der Gegend
der Marienstrafse die jetzige Oder rechtsseitig erreicht haben. Kurz vor dieser
Einmündungsstelle zweigte sich nach W. ein Seitenarm ab, der am Vincenz
kloster vorbei! liefsend nach dem XI. Jh. erst entstanden ist und nach S.
umlenkend gegenüber der Clareninsel den Hauptstrom erreichte. Als der
kürzere suchte dieser sich zum wasserreichen Hauptarm zu entwickeln; schon
im XIV. Jh. war er zur Schiffahrt geeignet zum grofsen Ärger des Breslauer
Stadtrates, der 1425 die Vincenzoder durch einen Damm zu schliefsen ver-
suchte. Da der Hauptstrom sich immer entschiedener von der Stadt abzuwenden
drohte, so schritt man 1492 zu einem Durchstich, der oberhalb der Stadt
mehrere Windungen der alten Oder abkürzend diese an jener Mündung an
der Marienstrafse erreichen sollte, indessen ohne Erfolg. 1531-15"»;") wurde
ein neuer Durchstich etwas südlicher von jenem versucht, der mittelbar zur
Bildung des heutigen Oderbettc« geführt hat. Auch unterhalb Breslaus fanden
natürliche und künstliche Flufsverlegungen statt, Näheres hierüber s. bei R. Leon-
hard. Der Stromlauf der mittleren Oder, Dissert Breslau 189:1 mit 4 Karten.
Ders . Die Entwicklung der Stromlage der Oder bei Breslau, in > Breslau«, Fest-
gabe für den XIII. Deutsch. Geographentug 1901. II. Wendt, Die Breslauer
Stadt- und Hospitalgüter, Breslau 1899. Für die obere Oderstrecke E. Lösch
mann. Beiträge z Hydrographie der oberen Oder, Dissert. Brcsl 1892.
Die Nebenflüsse stehen auf dieser Strecke hinter dem Hauptstrom weit
zurück; durch Sommerregen können auch sie freilich oft gefährlich anschwellen.
Schiffbar ist nur die Glatzer Neifse von Löwen ab. Von den linksseitigen
Flüssen seien genannt: die Oppa (l'pa flitr. 1031, Oppau 1059, Oppau- 1377),
Zinna, Hotzenplotz {Vzaldaze 1107, Ozohloya 1201), Glatzer Neifse
(Kita 981, Nina), Oh lau, Lohe (Slenze noch 1202, Zlenze 1208, vgl. unten
über den Namen Schlesien, Lau (!j 1248), Weistritz (aus einer Urkd. von
1277 geht hervor, dafs der FluTs, der jetzt Weistritz oder Schweidnitzer Wasser
genannt wird, damals noch einem rechten Zutlufs l'eilau (Pilavai hatte; cf.
Grünhagen. Lelms- u. Be>itzurkd. I. 485), Katzbach. Rechtsseitige Neben-
flüsse: Klodnitz, Malapane (Malpuden- 1442 , Stober (Stobrava 1321)
W cid a ( Viriaia).
Nachdem die Oder den Landrücken durchbrochen hat, tritt sie wieder
in die Niederung, um sich mit der Bartsch zu vereinigen. Bei der Flachheit
des Terrains war dieses Flufsstüek immer starken ( berschwemmungen ausgesetzt,
die in dem sehmalen Flufshalbinsellande dann grofse Seen schulen iso 1851).
Ein älterer Oderlauf ging am südliehen Rand«' jener Niederung entlang und
vereinigte sieh erst bei Glogau mit der Bartsch.
86. Oder.
99
Unterhalb der Obramündung zeigen sich auf der linken Seite viele Strom-
schlingen und Altwasser, die erst in Iiistoriseher Zeit durch den geradlinigen
Lauf abgekürzt sind. Denn die noch heute auf das rechte Ufer hinüber-
greifenden Landstücke, die zur Mark Brandenburg gehören , lassen sieh nur
dadurch erklären, dafs der Hauptstrom früher als Grenze zwischen Branden-
burg und Schlesien einen entsprechenden Lauf hatte. Wo die Neifse sich mit
der Oder vereinigt, lag schon im XIII. Jh. die Burg Schidlow und zwar damals
auf dem linken Ufer, gehörte somit zur Niederlausitz. Neifse und Oder ver-
einigten sich erst beträchtlich unterhalb des Ortes. Vermutlich im XIV. Jh.
(1359) trat die Stromvcrlegung ein. Beide Flüsse vereinigten sich unmittelbar
südlich von Schidlow, so dafs dieses nunmehr auf dem rechten Ufer lag. Von
dem alten Oderlauf sind noch einige WasM'rstreeken und Seetümpel vorhanden.
Die rechtlichen Verhältnisse der < Mersch iffahrt führten später zu Streitigkeiten
zwischen Kurbrandenburg und -Sachsen, weil Schidlow bei der Lausitz verblieb.
Noch Friedrich d. Gr. machte es im Dresdener Frieden 1745 zu einer der
Friedensbedingungen, dafs der rechtsseitig gewordene Landstrich mit Schidlow
an Preufsen fallen sollte. Cf. Berghaus. Landbuch d. M. Brandenburg. HI,
3t>. Die Karte des Deutsch. Reiches von Vogel, Bl. 15 läfst die oben angegebenen
Flufsläufc meist schon genügend erkennen. — Bis Frankfurt sind in der hier
sehr breiten < )derniederung auch viele alte Flufsläufc noch zu erkennen. Kurz
vor der Stadt treten die Talränder etwas näher aneinander, um sich unterhalb
der Stadt wieder zu entfernen und die Lebuser Niederung einzuschließen.
Bei Küstrin empfängt die Oder ihren bedeutendsten NebenHufs. die
Warthe (Vurta, VarUi, schon im XIII. Jh. Warthe). Bis 1786 ergofs sich die
Warthe ziemlich rechtwinklig in die Oder; damals wurde sie durch einen
Kanal östlich von der Festung geleitet , so dafs die Oder nach Erweiterung
des Kanals diese Richtung inne hielt und 1813 — 1816 die ursprüngliche Warthe-
mündung durch eine Sperrbuhne geschlossen werden konnte, die sie freilich
bei Hochfluten zuweilen überstieg. Berghaus III, 34. Die Warthe, die bei Kro-
molow in Russ. Polen entspringt, bat eine Gesamtlänge von 715 km, von denen
350,4 preußisch sind. Bei «lein beträchtlichen Stromgebiet von 44 650 qkm hat
sie entsprechend lange Nebenflüsse, wie die Netze, Prosna und Obra. Durch
den Umstand, dafs sie ebenso wie die Zuflüsse zum Teil die grofsen diluvialen
Talzüge benutzt, zeigt sie dieselben Eigenheiten wie die Oder, besonders die
mehrfachen Biegungen ans der SN.- in die WO. -Richtung. Bei der Obra ist
das Wassernetz besonders kompliziert. In ihrem Oberlauf liegt das Obrabruch,
welches teils nach 0. zur mittleren Warthe oberhalb Bosen entwässert wird,
teils nach W. zur Faulen Obra (Obrzycko) unmittelbar in die Oder, teils
durch die Nördl. Obra zur unteren Warthe bei Schwerin. Zwei Kanäle, der
Nord- und Südkanal, haben die Entwässerung des Bruches nach allen drei
Seiten hin sehr gefördert. Bei Hoch Wasserständen wird das Wasser allerdings
zurückgestaut, und 1854 flofs ein Teil des Oderwassers durch die Faule Obra
in das Bruch rückwärts und teilweise durch die Nördliche Obra zur Warthe.
Cf. Pcnck 1. c. 8ti. — Unteres Warthe- und Netzebruch gehören genetisch
zusammen. Im Mittelalter wurde auch das Flufstück von Zantoch— Küstrin
Netze genannt und die Warthe war ihr Nebenflufs. Tertim (fluvius) Wartha, . . .
circa Castrum Santnk Jlnvio Notes mix tun, et ipsius vocabulum appellatione propria
amissa sortitus, Jlumen Odram circa oppidum Czorsztyix inyriilitur (Dingos.). Die
Netze, von den Polen Notes, in alten Nachrichten Notesza, Nezza. auch Xcthe
und Küthe genannt, teilte sich bei der Stadt und ehemaligen Festung Driesen
in zwei Anne, die Kleine oder Alte Netze und die Grofse Netze. Beide
vereinigten sich unterhalb wieder. Das Bruch bei Driesen wurde 1(551 etwas
verbessert, und späterhin besonders durch Friedr. d. Gr. 1763—1767. Berghaus
III, 103 f., 156.
Bei Küstrin beginnt das Oderbruch, das sich 56 km bis Oderberg
ausdehnt, in welchem die Oder mehrfach ihren Lauf gewechselt hat. Bei Alt«
Oüstebie<e am Ostrande des Bruchtales ging die Alte Oder im Bogen quer nach
7*
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100 I. Physische Geographie.
der linken Seite hinüber und um den halbinselartigen V Ursprung des östlichen
Plateau randes nach O. herum. Von Alt Güstebiese aus legte Friedrieh II. die
Neue Oder an. die dureh einen Durehstich durch jene Halbinsel zwischen Neu-
Glietzen und Hohensaten geradlinig geleitet wurde (1747—1753). Die Alte
Oder versandete seitdem und wurde 1832 bei Alt-Güstcbiese durch einen Dänin»
abgesperrt. Auch weiter unterhalb erhielt der alte gekrümmte Lauf zwischen
Lunow und Bellinchcn 171)0/91 durch Durchstiche eine gerade Kichtunp.
Berghaus III. 2. Christiani. Das Oderbruch, Freienw. 1872. Hilliges,
Das Oderbruch, 1874.
Bei (iarz teilt sich die Oder in zwei parallel nebeneinander herlaufende
Arme, von denen der östliche, die Heglitz, in den Dammschen See mündet,
während die eigentliche Oder auf der westlichen Seite des Sees weiterfliegt,
um sich mit dem AbHufs desselben weiterhin zu vereinigen.
Neben den obengenannten empfängt die Oder an linksseitigen Neben-
flüssen noch den Bober, slav. Pobcr, Bobart-, Hobir. d. h. der Bieber; Thietinar
VI, 19, übersetzt wörtlich Castor. Sein NebenHufs ist der Queis, (Jnism. —
Ferner die Görlitzer Neifse, Xice, Nissa. Innerhalb der Mark ist dann
kein gröfserer Nebenlauf mehr zu verzeichnen. Erst im untersten Flufsgebiet
gehen dem Hauptstrom aus dem Bereiche des Baltischen Höhenrückens von
links her die Randow, der Landgraben genannt, zu und von rechts her die
Ihna unterhalb des Dammschen Sees.
Ein Verzeichnis der bemerkenswertesten Oderüberschwemnningen gibt
Berghaus III, 27. Aufser jener von 1359, die als >Grofse Flut bezeichnet
wird, sind aus den letzten Jahrhunderten die Fluten von 1736, 1785, 1814,
1838 und 1854 sehr verheerend gewesen. Über die letztere handelt" ausführlich
Bergbaus III, 119—144.
37. Weichsel. Dieser Strom greift nur teilweise in das hier be-
handelte Gebiet hinein. In seinem mittleren Laufe bildet er mehr nur
die Grenze, während sein Unterlauf innerhall) des Baltischen Höhen
rückens liegt. Er gehört bis auf die kurze Strecke im Oberlauf fa>t
ganz dem Tieflande an. Bei Krakau in 210 in Höbe hat er eine Breite
von 80 m , ist aber nur für kleinere Fahrzeuge schiffbar. Von Sando-
mierz bis Pulawy steigt sie auf 400—750 m ; das Tal ist hier verhältnis-
mäfsig eng. Von W. her treten die Ausläufer der polnischen Platte
dicht an den Strom heran; die Platte entwickelt sich in den zentralen
Partien zu einem Berglande, der Lvsa (iura (Kahles Gebirge) und erreich'
hier im Hl. Kreuzberg 611 m. Trotz seines Namens ist das Bergland
von dichten Waldungen eingenommen. Weiter westlich zwischen der
Pilica und der Warthe erhebt sich die Platte nochmals zu Höhen von
400m und zieht sich südlich bis zur Weichsel hin; sie ist stellenweise
von anmutigen, malerischen Berglandschaften erfüllt, besonders nördlich
von Krakau. wro sie den Namen der Polnischen Schweiz führt. Diese
südpolnischen Höhenzüge kontrastieren mit dem meist von diluvialen
Gebilden erfüllten polnischen Flachlande, denn sie setzen sich aus
jurassischen und triassischen Gesteinen (besonders Kalkgesteinen) zu-
sammen. Jenes Flachland ist durch seinen grofsen Wasserreichtum
ausgezeichnet, der nicht blofs in den Flüssen, als besonders in den
Sumpfbildungen zum Ausdruck kommt, — Bei Ifordon tritt die Woichsel
in das Durchbruchstal durch den Baltischen Höhenrücken; die Breite
des Tales schwankt hier zwischen 2,/2 und 12 km; es ist zu beiden
Seiten von steilen Bändern eingefafst. Bei Pieckel hat sie den Kücken
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38. Haitischer Höhenrücken. 101
durchsägt und biMet ein grofses Delta, um mit mehreren Mündungen
teils direkt in die Danziger Bucht, teils in das Frische Haff zu rliefsen.
Die Weichsel wird von den Alten vielfach genannt: Yistula (Mcla, Plin.,
Silin.), Otiata/Xu (Ptol.); im Mittelalter Yistula, Visula liehen der polnischen
Form Wisla, Wizla. Ihre Gesamtlänge heträgt 1050 km . ihr Stromgebiet
l'.»1406 qkm. Ihre Uferränder sind da, wo sie durch die polnische Platte bricht,
nieist steilwandig; weiter unterhalb werden sie stellenweise etwas flacher. Bei
Nowo-tieorgiewsk erscheint an seinem rechten Ufer wieder ein hoher Talrand.
Das Tal selbst ist hier auch sehr breit, und der Strom bildet viele Sandinseln.
Oberhalb Tborn hat er eine Breite von 850 in. Ein grofser ( beistand sind die
l'bersehwemmungen. die dreimal im Jahre einzutreten j »Hegen: im ersten Drittel
lies März. Ende Juni und Ende Juli. Die Eisdecke pflegt durchschnittlich von
Mitte Dezember bis Mitte Februar zu stehen. Die Schiffahrt hat mit vielen
Schwierigkeiten zu kämpfen, da jedes Hochwasser bedeutende Veränderungen
im Flufsbett hervorruft. Die steilen Uferränder werden vom Flurs unterspült
und weggerissen, und dieses Material lagert sich an irgend einer Stelle im
Flusse ab und verändert das Fahrwasser. Die Strecke unterball» Iwangorod ist
besonders den Überschwemmungen ausgesetzt ; sie ist hier auch von vielen Alt-
wassern begleitet. Die Nebenflüsse Piliea, Wjeprz, Narcw mit Bug haben je
nach der Terrainformation einen gleichen Charakter wie der llauptstroin. Alles
Nähere s. bei Keelus, Geographie universelle, Paris 1880, Bd. \\38tiff. Sar-
maticus. Von der Weichsel zum Dnjcpr, Hannover 1886, S. 5 ff., 13 IT.
38. Baltischer Höhen rücken. Rings um das südliche Becken der
Ostsee und stellenweise mit einem Steilrand an das Gestade selbst heran-
tretend, zieht ein plateauartiger Höhenrücken von »1er Jütischen Halb-
insel bis nach Ostpreufsen und Rufsland hinein. Diese etwa 1200 km
lang»« Bodenschwelle zeigt in ihrer Längsrichtung freilich keine Go-
.vchlossenheit; vielmehr bringen die von Lübeck nach Lauenburg hin-
überziehend»1 Senke, dann »las untere Oder* und Weichseltal ein»' Teilung
in vier Abschnitt»' hervor. Der auffallende Reichtum an Seen in allen
nur möglichen Gestalten und Gröfsenv»Thältnissen hat die Bezeichnung
dieser vier Abschnitte als Seenplatten gerechtfertigt. Man unterscheidet
hiernach (mit Ausschluß Jütlands. dessen Erhebungen zu geringfügig
sind): die Seideswig-liolsteinsche, die Mecklenburgisch« •, die INunmersche
und Prcufsische Seenplatte. Bei aller Verschiedenheit im einzelnen ist
den vier Teilen »loch ein gemeinsamer Grundzug aufgeprägt, der darin
besteht, »lafs sie alle »lie charakteristischen Eigentümlichkeiten ehemals
vereist«'!1 Landschaften z»'ig»'n. Hierzu gehört vor allem »lie Gruml-
mornne »les Diluvialgletschers, »lie gerade hier in grofser Mächtigkeit
entwickelt ist und für »lie ganze Oberrläehengestaltung des Höhenrückens
bestimmend gewesen ist. Indessen ist dieser Rücken nicht ganz und
gar ein Produkt des Gletschers, vielmehr macht »las innere Grundgerüst
einen Teil des anstehenden Bodens aus, der nur an seiner Oberfläche
von jenen Gebilden »lei Eiszeit (Geschiebemergel, -lehnt, und -sanden)
bedeckt ist. Doch sind wir über die Natur »h-s Gnunlgebirges unter-
richtet, da vereinzelt noch <1<t anstehende Fels aus tl»»n Gerollen hervor-
schaut un»l »lein Alter nach bis auf die Zechsteint'ormation zurückgeht.
Auch die S«'»'ii stehen ohne Zweifel mit dem Glacialphatiomen in Zu-
sammenhang, da sie zumeist in das locker«- AufschüttungMuaterial der
Eiszeit eingesenkt sind. Indessen sind «Ii«' Seen, «lie bald langgestreckt
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102
J. Physische Geographie.
in Talmulden liegen. Imld wieder von stattlicher Breite* und lappenartig
zerteilt sind, nicht alle auf ein und dieselbe Weise entstanden. An
ihrer Bildung haben verschiedene Faktoren mitgewirkt, die sich nur
aus einer eingehenden geologischen Untersuchung ihrer nächsten Um-
gebung von Fall ZU Fall ergeben.
Die Schleswig-h olst einsehe Platte weist nur in ihrer südlichen
Hälfte einen gröfseren Seenreichtiun auf. Der Plöner See (bei Adam II, 151»:
Sla<f nu in Colsc ist der gröfste. Die Platte, die eine Neigung nach VV. hat, hat
in der Nähe der Ostsee ihre gröbsten Erhebungen (Bungsberg in Wagrien 164 na,
Pielsberg 128 in, Hüttener Berg, südöstlich von Schleswig 106 in). Die allgemeine
Abdachung wird auch durch die Entwässerung charakterisiert, denn fast alle
Flüsse gehen nach \V. zur Nordsee; unter ihnen ist «Ii*- Eider (Egdora), die im
Oberlauf mehrere Seen durchfiiefst, der gröfste. (teschiebelchm und t»>n er-
füllen vorzüglich die östliche Hälfte «1er Platte und sind auch auf den frucht-
baren Inseln Alsen und Fehmarn vertreten, wogegen der (icschichesand und
Heidesand den Landrücken nach \V. zu bedeckt hält und im Gegensatz zu
den alluvialen Marschbildungen die diluviale (ieest ausmacht.
Jenseits des ElbeTravekanals schliefst sich die Mecklenburgische
Seenplatte an. die im Helpter Berg östlich von Neubrandenburg 179 m er-
reicht, aber auch sonst noch mehrere Punkte von über 100 m aufweist. Die
Seen sind hier noch zahlreicher ZU linden und von beträchtlicher Gröüse.
Viele von ihnen stehen durch Flufsstreckcn untereinander im Zusammenhang,
so daTs hierdurch auch die Entwässerung eine sehr komplizierte wird. Die
Eide t Eideue) durchfiiefst die Müritz, den gröfsten See Mecklenburgs (133 qkm,
21 m tief), dann den Kölpinsee 1«; im, Fleesensee 19 in) und Planer See (24 m).
Bei Eldena teilt sie sich in die Neue Eide, die bei Dömitz in die Elbe Hiefst,
und die Alte Eide, che mit der Lücknitz oberhalb Dömitz den Ilauptstrom er-
reicht. Die Stecknitz Delvenau (Dtlvunda) Hiefst in der obengenannten Senke
ebenfalls zur Elbe oberhalb Lauenburg. Der Schweriner See (37 m üb. M.,
43 in tief hat durch die teilweise kanalisierte Stör einen Abflute zur Eide.
Die Warnow mit der Mildenitz führt ebenfalls das Wasser zahlreicher kleinerer
Seen zur Ostsee. Die Hecknitz geht in den Kibnitzcr See. Die Peene (Panis.
Pranis durchfliegt den .Malchiner und Kunmierower See und mündet mit der
Trebel vereinigt in das Oderhaff. Das (icsamtareal aller Seen beläuft sich in
Mecklenburg auf etwa 770 «jkm. Die BodenbeschafTenhcit ist die gleiche wie
vorher. Schwerer Lehmboden wechselt mit Heide- und Sandboden ; auch Torf-
moore sind vertreten.
Weiterhin bildet die Pommersehe Seenplatte die Fortsetzung; sie hat.
jener gegenüber eine mehr nordöstliche Richtung und reicht mit ihren Aus*
laufern bis an die Danziger Bucht heran. Sie steigt nach <>. auch allmählich
an und erreicht im Tufmbcrg bei Danzig die gröfste Höbe des ganzen haitischen
Höhenkrunzes mit 331 in; wegen seiner dominierenden Höhe wird jener Berg
im \'<i|ksinunde der - ponuneix he ( liimborasso genannt. Auch hier entwässern
die Flüsse gewöhnlich mehrere Seen; so die Plöne den Plönesec und Madüsee
zur Oder, die [bna den Enzigsee. Stubbensee und Krcmmincr See ; nach mehr-
fachem Wechsel der Richtung mündet sie in den I hunnischen See. Nicht un-
bedeutenil sind die Küstenl|ü-se, wie die l'ega. I'ersante. Wipper, Stolpe, Lu-
pow und I.eha. Auch nach S. zur Netze geben ziemlich lange Flüsse, wie die
Drage, die den Dratzigsce und (Smfsen Lübbesee sowie mehrere kleinere durch-
Hiefst. und die Küddow mit der Plietnitz uml Pilow. von denen jeder wieder
ein Seengebiet entwässert; und das gleiche «jilt von der Brahe. Das Schwarz-
wasser Führt zur Weichsel, Das Diluviallaud ist vielfach windig und wenig
fruchtlmr. wie die Tucheier Heide mit ihren Kieferngehölzeu.
Das breite Tal der unteren Weichsel scheidet von der Pommerschen die
P u I- i > e h e Seenpatte ab. die die mittlere gröfste Höhe wohl hat. Drei
39. XordseeküHto. 103
grölsere Erhebungen lassen sich auf dein l'lateau erkennen: die Kemadorfer
Hohen i313 in) südlieh von Osterode, der Voigtsdorfer Berg (221 Hl) mit Um-
gebung zwisehen Alle und Masurisehen Seen und die Hohen im Osten dieser
Seen mit dem Scesker Berg (309 m), Woitowosberg (283 m) und den Goldaper
Bergen (272 in ":. Die Fülle von Seen erreicht hier ihr Maximum, und da sie
wir auf den anderen Seenplatten durch gemeinsame AI »Müsse in Gruppen ver-
einigt sind, so ist auch die Wasserseheide eine komplizierte, zumal auch ab*
Hufslose Strecken hier wie dort sieh in gröfserer Krstre» kung nachweisen
lassen. Die Masurisehen Seen, der Spirdingsce (118 qkni), der Lüwentinsee
und di r .Mauersee (105 qkm), die in einer Senkung des Landrücken* 116 m
hoch liegen, stehen durch z. T. künstliche Kanallinien in Verbindung. Die
Wasserscheide ist dadurch bei ihnen ganz aufgehoben, denn sie halten durch
die Angerap eine Entwässerung nach N. zum Pregel und durch die Pissck nach
S. zum Narew-Weichsel. Von den Flüssen, die (tan) Ostseegebiete angehören,
ist der bedeutendste, weil auch schiffbare, der Pregel (l'rojore, Ptegora), der zwei
Oberläufe hat, die Angerap (Wangrapia) und Inster (Instirf. Weiterbin nimmt
er die Alle in sich auf und zweigt bei Taniau die Dehne zum Kurischen Haff
ab. Er teilt sich in zwei Arme, Alter und Neuer l'regel, die sich bei Königs-
berg wieder vereinigen. Zum Frischen Haff geht die 1 'assarge (f'osseryeh Der
Westen und Süden gehört zum Weichselgebiet. Die Drewenz Druentia, Dry-
uanza, Drawza u. ä.) entspringt auf dein Osteroder l'lateau und geht direkt
zur Weichsel. Lyek, l'issek, Omuleff und Neide gehen nach S. zum Narew.
Wahnschaffe. Die Bedeutung des Haltischen Höhenrückens für die
Eiszeit. Verhdl. des 8. Geographentages, Berlin 1889, 134 ff. von Maack. Das
urgeschichtl. Schleswig Holstein. Z. t. Ekde.. Berlin. NF. VI II (1860). — Die
Eitler in ältester geschichtlicher Zeit, in Aus allen Weltteilen 26 1K95'. 595 ff..
641 ff. Geinitz. Der Boden Mecklenburgs. Stuttg. 1885. Ders.. Die mecklen-
burgischen Höhenrücken < ( ieschiebestreifen ) und ihre Beziehungen zur Eiszeit,
Stuttg. 1886 Ders., Die Seen, Moore und Flüsse Mecklenburgs. Güstrow 1886.
Boll, Abrifs der Mecklenbg. Landeskunde, Wismar 1861. Ders., Zur ( leognosie
Mecklenburgs, Arch. Vcr. d. Freunde d. Naturgesch, in Meckl., 1865. Geinitz,
Geologischer Führer durch Mecklenburg, Berlin 1899. Keil hack, Iber die
L:ige der Wasserscheide auf der baltischen Seenplatte, Petermanns Mitt. 1891,
S. 38, mit Karte besonders Pommern betreffend). Ders., Tal- und Seenbildung
im Gebiet fies Bali Höhenrückens. Festschr. d. Geogr. Kongresses. Berlin 1899.
Töppen. Histor. komparative Geogr. von Preufsen, Gotha 185s.
39. Nordseeküste. Die Veränderungen, welche die Landoberfläche
erleidet, gehen da am schnellsten vor »ich, wo sie mit «lern Meere in
Berührung kommt, also an der Küste. Der EinHufs des Meeres ist ein
verschiedener, je nach den Beziehungen, die es zum Weltmeer hat. Dabei-
ist die physische Beschaffenheit und Geschichte der Ostseeküste eine
wesentlich andere als jene der Xordseeküste, die den grofson ozeani-
schen Erscheinungen, wie Ebbe und Flut, noch ausgesetzt ist und wegen
ihrer offenen Lage auch weit gefährlichere »Sturmfluten erlebt hat.
Als die Nordsee noch ein Meerbusen war, der zwischen Dover und
Calais noch keine freie Verbindung mit dem Ozean hatte, entstand an
der südlichen und östlichen Küste dieses Busens eine Dünenkette, welche
von der jetzigen belgischen Küste bis nach Jütland hineinreichte. Nach
dem Durchbruche jenes Landisthmus war auch die Düne den heftigeren
Angriffen des Meeres ausgesetzt, zumal überdies das ganze Litoral eine
Senkung erfuhr; sie wurde im Laufe der Zeit systematisch zertrümmert
und das hinter den Dünen liegende Land teilweise überschwemmt. Hier
hatte sieh aus den Scblammablagerungen der KlÜsse unter Einwirkung
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104 £ Physische Geographie.
des Meereswassers der fruchtbare Marschhoden gebildet, der in wech-
selnder Breite und Ausdehnung von den Niederlanden an die Küste bis
in die Jütische Halbinsel begleitet und an den Unterläufen der Flüsse
sich rindet, wo Ebbe und Flut sich noch bemerkbar machten. Die
Marsch wird binnenwärts abgeschlossen durch die Geest, die dem dilu-
vialen Festlandskörper angehört und gegenüber dem fruchtbaren, schweren
Kleiboden der Marsch sandige und heidige, öde Flächen bildet. Sie
liegt im allgemeinen höher und ist teilweise hügelig, während die Marsch
als angeschwemmter Hoden in annähernd gleicher Höhe mit dem Meeres-
spiegel liegt und Mach wie ein lisch ist, Sehr häufig liegt zwischen
Marsch und Geest noch ein Moorstrich, wie Moore auch auf der Geest-
ftäche und stellenweise innerhalb der Marsch auftreten. Vor den
Marschen, aber noch innerhalb der Düneninselreihe, wo diese erhalten
ist. liegen die Watten, jenes eigentümliche Mittelding zwischen Land
und See. welches bei jedem Ebbe- und Flutwechsel zeitweise als Land
hervortritt oder vom Wasser überspült wird. In der Geschichte der
Nordseeküste spielen die Sturmfluten eine grofse Rolle, denn sie haben
zur Veränderung der Küstenlinie stets am meisten beigetragen. Nur
durch das Eingreifen des Menschen, der in dem fruchtbaren Marsch-
lande sich ansiedelte und seinen Besitz durch Deiche zu schützen
suchte, ist dem Meere jetzt eine Schranke gezogen, die sich kaum
wesentlich verändert .
Der fruchtbare Marschboden, die sog. Kleierde setzt sich aus den von
den Flüssen niitge führten Alluvialprodukten zusammen, die im Bereiche der
Flußmündungen zum Niederschlag kommen. Besonders der (hergang von
Flut zur Ebbe und umgekehrt, veranlafst einen kurzen Stillstand der Wasser-
bewegung, die sog. Stauzeiten, während deren die sonst von der Flutsströmung
mitgerissenen Schliekbestandteile nunmehr sich niederschlagen können. Die
Verbindung des sütsen Flurswassers mit dem salzigen Meerwasser bewirkt auch
chemische Ausscheidungen und ganz besonders trägt das Altsterben zahlloser
mikroskopischer Tierchen und Pflanzen, wenn diese in die Brack wasserzone
kommen, zu einer vorteilhaften Düngung des Bodens bei. Wo die Flut in
den Flüssen nicht mehr aufwärtssteigen «kann, da sind die Alluvionen. die auch
oft Marschen genannt werden, wegen des Fehlens des natürlichen Dunges
von geringerer Güte.
Wo nicht mehr die natürliche Düne das festländische Marschland deckt,
mußte ein künstlicher Damm oder Deich angelegt werden. In Holland ist
die Düne auf grofse Strecken hin noch erhalten, nicht dagegen in Deutschland,
wo sie in Inseln zerteilt ist und nur auf der Halbinsel Eidelstedt noch in
Verbindung mit dem Festlande steht, auch nicht ohne Zutun des Menschen.
Kin nachhaltiger Schutz des Marschlandes war nur dadurch möglich, da Ts der
Deich kontinuierlich der Küste entlang und » inen Teil der größeren Fluß-
mündungen aufwärts geführt wurde. Da die Deiche früher nicht die Festig'
keit hatten wie heutzutage, so brach die Flut wiederholentlieh durch und über-
schwemmte das Marschland; doch setzte das Meer in Zeiten der Ruhe an
solchen Stellen langsam wieder neuen Schlick ab. Wenn die Aufschliekung
weit genug vorgeschritten war. konnte mit der Neueindeichung stückweise
begonnen werden. Diese fachartig eingedeichten Landgebiete sind die Polder,
auch Kooge genannt. Unter Groden versteht man die aufserhalb des
schützenden Deiches belegenen und daher den Fluten zunächst ausgesetzten
Marschstreifen, die che Gewalt der Wellen brechen und aus diesem Grunde
nicht gern eingedeicht werden. Die Watten reichen weiter in die See hinein;
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40. Xordsecküstc in Itelpion und «Ion Niederlanden.
105
ihre oberste Bodenschicht ist gleichfalls Kleierde. Durchzogen sind sie von
Wasser rinnen, sog. Balgen oder Tiefs, die auch bei Niedrigwasser nicht wasser-
frei werden, ('her die Moorbildungen vgl. das oben S. 1)1 Gesagte. Haas,
Deutsche Nordseeküste, Bielefeld 1900. Arends, Phys. Gesch. der Nordsee-
küste und deren Veränderungen durch Sturmfluten. Eilker. Die Sturmfluten
der Nordsee, Emden 1876. AI Im eis, Marschenbuch, 3. Aufl.. Oldenbg. 1891.
Senft, Die Humus-, Marsch-, Torf- und Limonitcnbildungen als Erzeugungs-
mittel neuer Erdrindenlager. Leipzig 18G9. Weitere Literatur geben die folgenden
Abschnitte.
40. Nordseekilste in Belgien und den Niederlanden. Während
östlich der Ems das unter dem Einflufs des Meeres stehende Gebiet von
der Küste bis zum Geestrande einen vorhältnismäfsig nur sehmalen
Strich umfafst, greift das dem Küstenbereiche angehörige Land westlich
dor Ems viel weiter binnenwärts hinein. Schon das vielverzweigte
Mündungsgebiet von Scheide, Maas und Rhein und dann die Ziüderzee
leiten das Salzwasser viel tiefer in das Festland. Aber auch das zwischen
ihnen liegende Land ist nicht blofs ein Produkt des Meeres, sondern es
würde bei seiner geringen Höhenlage, da ein beträchtliches Areal
.sogar unter dem Meeresspiegel liegt, noch den Boden eines Meeres bilden,
wenn es nicht durch natürliche und künstliche Dämme geschützt würde.
Trotz der grofsen Zerstörungen seitens des Meeres im Laufe der geschicht-
lichen Zeit ist von der alten Dünenkette dennoch ein beträchtliches und
zusammenhängendes Stück erhalten geblieben und zwar deshalb, weil
hier das Küstenland nur teilweise in Inseln aufgelöst worden ist. Auf
der Strecke von der französisch-belgischen Grenze bis zur Woster-Schelde
und von der Maasmündung bis zur Nordspitze von Nordholland (bei
Hehler) ist die Düne bis auf kleine Unterbrechungen noch durchgehends
erhalten bis zu Höben von 60 m und einer Breitenentwickelung von
200— 2000 m. Im übrigen läfst sie sich nur stückweise auf den zee-
ländischen und westfriesischen Inseln vorfolgen. — An die Dünen schliefst
.sich nach aufsen hin ein seichtes Meer, nach innen ein fruchtbares
Marschland, welches sich stellenweise bis auf 40 km von der Küste an
gerechnet ausdehnt. Auch hier ist künstlich nachgeholfen worden, indem
man durch Anlage von Poldern neues Marschland dem Meere abgewann,
so dafs es jetzt über die Hälfte des niederländischen Gebietes ausmacht
und im Belgischen etwa ein Dreifsigstol. — Die Marschgebiete werden
binnenwärts durch die Geest abgeschlossen, die in den Niederlanden in
drei Abschnitten auftritt: im Osten in den Provinzen Drenthe, Overysscl
und Gelderland, ferner zwischen Rhein und Ijssel als Veluwe und fast
die ganzen südlichen Niederlande südlich der Maas umfassend. An
letzteres Gebiet schliefst sich in Belgien die Campine (Kempenland) von
durchaus ähnlichem Charakter an. Weiter westlich reicht »las Marsch-
land bis au das mittelbelgische Hügelland heran, und lezteres ist durch
eine rationelle Kultur in ein reiches Fruchtland verwandelt worden.
Die Herausbildung der Landoberfläche der Niederlande und des nord-
westliehen Belgiens reicht in die jüngste geologische Vergangenheit hinein,
vom Diluvium an. Die ( Jcestllächen sind teils ein Produkt der Flüsse Rhein.
Maas und ihrer Zuflüsse, die enorme Mengen von Geröllmassen ablagerten, und
teils des nordischen Gletschers, der seine nieist sandige, stellenweise lehmige
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100 I- Physische Geographie.
Grundmoräno auf ihnen zurückgelassen hat. Vor diesen Geestfläehen, zwischen
welchen auch nach der Eiszeit Rhein, Maas und Scheide ihre Fluten der Nord-
see zuwälzten, haute sich eine Nehrung mit Dünenbildung auf, die einen Teil
des Meeres als Haff abschloß*. Da die Nehrung aber auch schon damals Lücken
gehabt haben mufs. so konnte in dem ruhigeren Haffwasser das Meer in Ver-
bindung mit den einmündenden Flüssen seine schlammigen Bestandteile nieder
schlagen und ein fruchtbares Marschland aufbauen. Aber die Flüsse über-
fluteten auch teilweise wieder das, was sie selbst geschaffen hatten, da sie ihr
Ilett erhöhten und seitlich durchbrachen. Die so wieder teilweise unter Wasser
gesetzten (iebiete konnten dann in ein Sumpfstadiuni übergehen und. erfüllt
von einer üppig wuchernden Sumpfvegetation, schliefslich Torfmoore (Grün-
landsmoore) bilden.
Der weitere Kntwickclungsprozefs knüpfte sich dann an die Eingriffe,
die das Meer in das Land machte, und jene Maßnahmen, die der Mensch hin-
wiederum gegen das Meer traf; er vollzieht sieh also teilweise schon in histo-
riseher Zeit. Die, Alten geben uns über die damalige Situation die ersten,
wenn auch noch dürftigen Nachrichten. Im südlichen Küstenbereiche erwähnt
schon Caesar mehrfach die zusammenhängenden Sumpflandschaftcn und die
bei der Flut sich bildenden Inseln (bell. gall. III, 28; VI. 31); im nördlichen
Teil befand sieb nach Mela III, 2, 8 ein Hinnensee, der LaatS Flcro, mit einer
Insel. In ihn mufs schon damals ein Rheinarm gegangen sein, die heutige
Hasel (Yssel). Dies geht auch aus Plinius IV, 101 hervor, der ein osthtm ilw
Rheins Fleriim nennt. Sicherlich bildete dieser See einen Teil der heutigen
Zuiderzee. die weiter nördlich einen Abtlufs nach der Küste hatte; der heutige
Vliestrom zwischen Vlieland und Terschclling weist darauf noch hin. — Die weitere
Umgestaltung des Flevosces in die heutige Zuiderzee Hilst rieh im grofsen
Ganzen wenn auch nicht in allen Einzelheiten nachweisen. Die Insel l'rek
wird bereits 9»>8 in einer Urkunde Ottos I. als zum sächsischen (lau Salon
gehörig genannt (La com biet I p. b'8) ; es ist dies für die Ausdehnung des
damaligen Sees beachtenswert. Die ersten Eingriffe erfolgten natürlich von
der Küste aus. Die Dünenkette wurde zerrissen. Ein grofscr Teil des Landes
südlich der Inseln Texel (Teocla), Wieringen (Wironnt. Vlieland, Terschclling und
Ameland wurde 1170 vom Meere verschlungen. Texel und Vlieland hatten
noch Iiis 1237 zusammengehangen, Terschclling und Ameland (Amhfn bis zum
Jahre 1410. In den Jahren 1250 und 1287 fand der äufsere Abschnitt der
Zuiderzee nördlich von Stavoren abermalige Erweiterungen. Trotzdem der
Zugang zu dem inneren Hecken der Zee noch sehr eng war. wurde kuiz vor-
her die Fläche zwischen Enkhuizen und Stavoren bis Kämpen ebenfalls vom
Meere überflutet 1237). Di«' endgültige Öffnung jener Eng«' zwischen den
genannten Orten fand erst durch eine Flut im Jahre 1305 statt. — Die Zuider
zee hieb im Mittelalter Almert;. Bei Willibald, Vita Bonif. c. 35: sUit/num, qn»<l
liiif/nn cnnim (Fresonunn iliritur Aelmere; c. 38: fretum Arfmerr. In der Vita
(iregor. ep. Traj. c. 1 A«*ta SS. Aug. 25): Lacus Almari. In der Vita Frederiei
ep. Traj. e. 5 Acta SS. Juli IV, 46*»): Alechmere Jlurius (!). Hei Dudo von
St. (Juentin Ilist. Xordmann II. 74 : Flttriits Almcra. Unter der Bezeichnung
Stuler-sre begegnet hc zuerst im XIII. Jh. in einer Urkunde des Königs Magnus
von Schweden 1172. Vgl. von Richthofen. Unters, über fries. Rechtsgesch.
1882. 1, 364. — Die einschlicl'slich der Watten heute 5250 <|km grofse Zuider-
zee hat eine Tiefe von nur 3.5 m (im Maximum Gm). Daher ist schon mehr
fach das Projekt einer Trockenlegung der Zee zur Sprache gebracht worden.
Vgl de Waal. de Zuiderzee, Amsterdam 18S3. Feld ei s. de Zuiderzee. hare
astluiting en drooglcgging, Leiden 1&12.
An der Küste von Friesland und (ironingen waren gleichfalls Verände-
rungen vor sich gegangen. Ameland, Schiermonikoog und Rottum deuten
den Verlauf der alten Dünenküste an. Doch seheint hier schon früh-
zeitig die Middelzee als Bucht existiert zu haben und weiter östlich der Deu-
bach oder Lauwerzee. Bereits in der Lex Frisionum. die spätestens im IX. Jh.
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40. Xordsceknste in Belgien und den Niederlanden. 107
entstunden ist, wird der Lau buch als Einteilungsabschnitt von Friesland genannt
(s. unten). Im XIII. Jh. inufs die Lauwerzee noch « ine Erweiterung erfahren
haben. Weither von diesen Einschnitten der Portus Manarmanis des Ptolemäus
(II. 11. 1) sein mag, wird sich schwerlich entscheiden lassen.
Sowohl Friesland als auch das sog. Nordholland waren selbst noch von
sahireichen Seen gröfscren und ^kleineren UmFangs bedeckt, die erst durch
die Kunst des Menschen beseitigt worden sind. In Nordholland werden genannt:
de Waard, Schermer, Beemster, Stemmer, Wormcr, Purmer und der Meerbusen
Ij (Y). Alle diese Wasserflächen standen untereinander und mit der Zuiderzee
in Verbindung. Hierzu gehörte auch das Ilariemer Meer, welches ehemals aus
vier kleineren Seen bestand. Jm Laufe von drei Jahrhunderten waren sie
infolge Wasser/.unabmc zu einem einzigen See von IHM «|km (iröfse zusammen-
gezogen worden; in den Jahren 1840 185.'} wurde er künstlich trocken gelegt.
Vgl. P Bockel, Gesehiedenis van het Harleramemieer. Amsterdam 1808. Oers.,
Het Harlemmcrmeer, Amst. 1872. Später ist auch der Meerbusen Ij trocken
gelegt worden, der sieh bis an die Dünen bei Bevcrwijk ausdehnte 1865—1876);
um Amsterdam den Zugang zum Meer zu ermöglichen, wurde der Nordseekanal,
der mitten durch das I j führt, gleichzeitig angelegt 7 — 8 m tief'. Auch an der
äufseren Küste nach der Zuiderzee hin fanden durch Anlage von Poldern Trocken-
legungen statt, so am nördlichen Ende von Nordholland. wo der ehemalige Meer-
busen Zijpe schon im XVI. Jh. geschlossen wurde. — Nicht geringer waren
die Veränderungen in Zecland, zumal hier drei Strome einmündeten, die eine
viel bedeutendere Gliederung in der Küstenlinie zur Folge hatten. Schon im
VUL und IX. Jh. haben hier gröl'sere Inselländer bestanden, wie Sraldut h.
Schouwen), Bewianda und Walncra (Walcheren), letztere von Alkuin Vita Wili-
brordi) genannt. Die Scheide hatte im frühen Mittelalter nur eine Mündung,
die heutige Oosterschelde. Die Wcsterschelde ist erst aus «lern Hont hervor-
gegangen, der seit dem IX. Jh. und besonders durch die Fluten von 1274
und 1288 immer tiefer in das Land schnitt. Sie ist jetzt die eigentliche Mündung,
da die beide Astuarien trennende Insel Heveland am binnenwärts liegenden
östlichen Ende mit dem Festland 1867 durch den Eisenhahndamm künstlieh
verbunden worden ist. Die meisten Inseln Zeclands waren aber früher weit mehr
zerstückelt und sind erst durch Einpolderungen zu geschlossenen Inselkörpern
wieder vereinigt worden.
Gegenüber den durch Sturmfluten katastrophenartig hereinbrechenden
Veränderungen der Küstenlinie ist eine säkulare Veränderung der gesaunten
Dünenküste zu beobachten, und zwar besonders auf der Strecke von Nord-
holland bis Helgien. Die Dünen mit ihren lockeren Sandmassen wurden durch
den vorherrschenden Westwind landeinwärts getrieben, und das Meer folgte
in derselben Richtung nach, so da Ts eine allmähliche Verlegung der Strand-
linie von W. nach O. eintrat. Die von Menschenhand geschaffenen Anlagen
geben liierfür einen guten Mafstab ab. Gelände aus der Kömerzeit wurden
von der Düne überweht und traten auf der Seeseite der Düne wieder hervor;
da das Meer aber gleichzeitig vorschritt, so rückten sie allmählich unter den
Wasserspiegel und verschwanden dann gänzlich. Das sog. Haus te Hritten
nordwestlich von Katwijk. aus römischer Zeit stammend, war 1604 vom Meere
erreicht worden und wurde in seinen Resten 17f>2 zum letztenmal gesehen.
Ein anderes Gebäude, der alte Caljaart . Calloturm, liegt von der Katwijkcr
Kirche 172 Stunden entfernt. Im Jahre 1617 und 170f> entdeckte man im
Meere an der Küste bei Domburg einen Tempel mit den Nehelenniasteinen,
und 1618 fand man an der Küste von Goeree die Reste einer alten Stadt.
Seit der Römerzeit läfst sich eine Verlegung der Küste um A km feststellen.
Heispiele dieser Art liefsen sich noch in grofser Zahl anführen.
Die Hauptschwierigkeit für die Bewohnerschaft war immer die Entwässe-
rung des hinter den Dünen nnd Deichen gelegenen Marschlandes, zumal dieses
z. t. unter dem Meeresspiegel liegt In den Niederlanden liegen allein 25% des
Landes unter Normal Null; einzelne Stellen gehen bis zu "» m abwarte. Ein natür
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10K 1. Physische Geographie.
liclus Gefällt- ist nicht vorhanden, und nur künstlieh kann das Wasser durch
Pumpwerke entfernt werden, indem es in einen höher liegenden Kanal gehohen
wird. Solche 1 lehewerke wurden allgemein durch Windmühlen betrieben und
lassen sich seit der Mitte des XV. Jh. nachweisen. Hin äufserst kompliziertes
Netz von Entwässerungskanülen umfafst die Niederungen. Es leitet das
Wasser im westlichen Holland nach der Zuiderzee oder direkt zum Meer je
nach iler Windrichtung, die an der einen oder anderen Küste jeweilig einen
Wasserstau hervorruft.
St a ring, de hodein van Nederland,t2 Bde., Harlem 18"»6 ff. Ders,
Voormals en tlians. /wolle 1878. van den' Bergh, Middel-Nedcrl. Geogra-
]>hie. 1872. Beckman. de strijd um het hestaan. Zutphen 1887. Wunderlich,
Aardrykskunde van Nederland, Zutfen 188;"». Penek, Das Kgr. der Nieder-
lande, in Kirchhoffs Länderkde. von Europa I. T., 2. Bd. Ferner Nasse,
Entwässerung von Hynland und Woerden, in Petermanns Mitt 1884, S. 9.
Auch Wenzclburger und Blok in ihren niederländischen Geschichten enthalten
einiges.
Die Entwässerung des westlichen Belgiens findet vorzüglich durch die
Scheide statt Nur wenige kleinere Flüsse irehen direkt zur Küste, wie die
Yser (Eseraj. Die Scheide (Caesar VI, 33, Plin. IV. !»8. Tal». Penting.
Scaldis; heim Geogr. Kav. Scahlea; franz. l'Esantti lliefst durch den Hennegau
und Ostllandern. nimmt hei Gent die Lvs (Lein, Legia, LisiaJ auf, auf der
rechten Seite hei Dendermonde die Dender Temeraj und bei Rupelmonde
die Rüpel, die aus der Dyle fThüia) und der Net he (Sitha, Nutta) sowie
der Den n er mit der Gcctc iGathia, Jetta) entsteht. Das grofse Stromgebiet
der Scheide umfafst in Belgien an 14 1160 ijkm. Bis zur Kupelmündung ^nacht
sich Ehhe und Flut l>emerkhar. ("her den alten Scheldelauf vgl. van Raemdonck,
Recherehes pour servir ä 1 histoirc du cours de FEscaut, in Bull. soc. beige de
geogr. II (1878 .
Die Maas t Mos« , die ebenso wie jene im französischen Lande entspringt,
hat in mäanderreichem Lauf bis Namur die Ardennenplatte durchschnitten
;S. Ii4) und wendef sich nach Aufnahme der ebenso stark gewundenen Samhre
(Sambraj nach O . auf der Grenze des mittelbelgischen Hügellandes und Hoch-
belgiens entlangflicfscnd bis Lüttich. Im Unterlauf verwächst sie dann ganz
mit dem Stromgebiet des Rheines.
41. Nordseekiiste zwischen Ems und Elbe. Die in Inseln auf-
gelüste Dünenküste hat seit dem Altertum nachweisbar erhebliche Ver-
änderungen erfahren. Die Römer hatten von diesen Gegenden bereits
nähere Kenntnisse, da Drusus und später Germanicus die Mündung der
Ems aufgesucht hatten. Die Zertrümmerung der vor ihr liegenden Insel
im Mittelalter öffnete aber den Sturmfluten eine weite Strafse in das
Landesinnere; hinzu kam die Uneinigkeit der Bewohnerschaft, so dafs
grofse Flächen des Landes vom Meere verschlungen worden sind. Der
Dollartbusen der Ems ist wesentlich ein Erzeugnis des XV. .Jh. Aber
wie bei ihm, so wurde auch bei der im XIV. Jh. erweiterten Leybucht
östlich der Ems ein grofser 'Feil Landes durch Eindeichungen dem Meere
wieder abgerungen. — Im Weser- und Jadelande lagen die Verhält-
nisse etwas anders, da der Raum zwischen Jade und Weser ehemals ein
grol'ses Delta der letzteren war, aus mehreren Inseln gebildet, die durch
künstliche Ausfüllung der trennenden Fluisarme bereits im XVI. Jh. in
«'inen Landkomplex vereinigt waren. Doch auch hier ist die ehemals
ganz anders gestaltete Küstenlinie durch die Fluten unzähligemal mehr
oder weniger verändert worden, bis die Deichbauten der neueren Zeit
ihr dauernden Bestand gegeben haben.
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41. Nordseeküste zwischen Eiijb und Elbe.
109
Plinius (IV, 97) nennt unter den Küsteninseln eine liurcana oder Fabatia
= Bohneninsel nach den wildwachsenden Bohnen daselbst; auch Strabo VII, 2'.K>
nennt sie Bvg/afig. Über die Gestalt der Insel sind wir durch mittelalterliche
Nachrichten unterrichtet. Dem h. Liudger, dem späteren ersten Bischof von
Münster, waren fünf Gaue im Emslande von Karl d. G. zugewiesen worden,
unter ihnen eine insula, quae dicitur Bant (Altfr. v. Liudg. SS. 11.410). Auch
Adam von Bremen (I, 3 schol. 4) nennt sie noch. Sic umfafstc die heutigen •
Inseln Borkum, Juist, Norderney und zwei jetzt verschwundene Inselchen Bant
und Buise. Die Insel Burcana des Plinius ist die Insel Bant. Im Jahre 139*
werden uns zum ersten Male die Teilinseln Borkyn, Just, Burse und Oesterende «
genannt ; Oesterende ist Norderney, welches also den östlichsten Vorsprung vom
ehemaligen Bant bildete. Ks iniifs letztere also bereits zertrümmert gewesen
sein, und zwar kann dies nur die furchtbare Marcellusflut von 1362 zustande
gebracht haben. Damals entstand auch die Osterems zwischen Borkum und
Juist. Cf. Bartels, Die Insel Bant, Emder Jahrb. II. 31—42.
Borkum (Borkmt. 1227, liorkyn, Borchmer Eylant 1621) wird als selb-
ständige Insel seit 1398 erst wieder am Ende des XVI. Jh genannt. Trotz
der vielfachen Zerstörungen besonders an der Westseite noch immer die gröfste
der ostfriesischen Inseln, besteht sie aus dem heutigen Badeort innerhalb des
hufeisenförmig gestalteten Dünenkranzes und dem kleineren diesem ähnlichen
sog. Ostlande. Houtrouw. Ostfriesland 1889, I, 522. K. Herquet, Insel
Borkum in kulturgesch. Hinsieht, Emden 1886, mit Karte von 1713. — Bant,
auf welches der Name der einst ausgedehnteren Insel beschränkt worden war,
lag südöstlich in der Nähe der heutigen Bantsbalge und war Ende des XVI. Jh.
noch bewohnt. Heute ist es verseh wunden, ebenso wie die Insel Buise U398
Burse) im SW. von Norderney. 1590 war sie schon unbewohnt. Houtrouw I,
524; II, 301. — Juist (Just) war vor der Zertrümmerung von Bant wohl nur
ein einzelner Ort auf ihr. Die Fluten von 1643 und 1651 nahmen die Insel
hart mit. desgleichen 1715, so dafs die Kirche weiter östlich verlegt werden
ruufste. Die Weihnaehtsrlut von 1717, bei der 20 Wohnhäuser fortgespült
wurden, vernichtete auch die Kirche, so dafs diese abermals weiter östlich ge-
ruckt wurde; und dasselbe war 1779 der Fall, wo Dorf und Kirche die Stelle
einnahmen, die sie heute noch haben. Scherz, Nordsecinsel Juist, Norden
o. J., p. 20, 155. Houtrouw II, 247 ff. — Norderney, der östlichste Teil
vom alten Bant, 1398 Oesterende genannt. 1549 heilst sie Norder- Ney e-Oog
(oog = Insel, nicht Auge); bei Emmius, XVI. Jh.: Norderncia. Auch bei ihr
ist das Westende besonders der Zerstörung ausgesetzt. Das Dorf daselbst be-
stand in der Mitte des XVIII. Jh. erst aus 93 Häusern. Herquet, Gesch.
d. Ins. Norderney, im Emder Jb. IX, 1, 1—58. Houtrouw 1, 298. — Bal-
trum. 1398 Baltring, die kleinste und unfruchtbarste von allen. — Langeoog,
1398 Langoch. 1406 I>angeoge = Lange Insel. Das Dorf am Westende war
durch die Flut 1686 sehr bedroht und 1699 an das Ostende mitsamt der
Kirche verlegt worden. Doch die Fluten von 1717 und 1721 zerstörten alles.
Schliefslich fanden sich nur noch vier Familien dort ; bis 1741 kamen 12 neue
hinzu. — Spiekeroog, 1398 Spiekerooch, hatte durch Fluten weniger ge-
litten. Cf. Houtrouw II, 302 IT.. 41<> IT.. 407 f. — Wangeroog, die östlichste
der friesischen Inseln, sogenannt nach dem Gau Wanga auf dem gegenüberliegenden
Festland«-. Infolge Versandung seitens der Düne mufste der Ort verlegt werden.
Die beiden Kirchtürme dienten als Schiffer/eichen besonders für die nach
Bremen fahrenden Schiffe, gingen aber im XVI. Jh. zu Grunde. Johann XVI.
von Oldenburg baute um 1600 den viereckigen Leuchtturm. K <« h 1 i . Beschreibg.
v. Oldenburg II, 371 ff.
Weit bedeutsamere Veränderungen hatten sich an der Festlandsküste voll-
zogen; besonders hatte die Einsmündung durch Bildung des Dollarts eine
andere Gestalt angenommen. Bis zum Jahre 1277 war dieser noch festes Land,
an der Seite der Ems durch einen Deich abgeschlossen. Auch der Flu fs selbst
hatte einen wesentlich anderen Verlauf, indem er kurz vor seiner Mündung
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110
1. Hiyu'iBclie Geographie.
-einen nach N. gerichteten Bogen beschrieb und die Stadt Emden berührte.
Die dadurch gebildete Flulshalbinsel lief in die Rheiderländer Nesse aus; das
Land Büdlich war von den kleineren Flüssen Aha und Tjamnie durchzogen. Da
brach zurrst 1277 dir Flut bei .lansum mit furchtbarer Gewalt durch den Deich.
Xeue Fluten folgten 1280 und 1287. Jedoch der Anfang zur Bildung des
eigentlichen Dollarts fällt erst in das Ende des XIV. Jh. Der Einbruch von
1377 legte den Grund hierzu, da an 32 Orte westlich der unteren Aha damals
zu («runde gingen. Die Bildung der Osterems 13(J8 hatte den Fluten einen
breiteren Zugang geöffnet und ihnen che Zerstörungsarbeit erleichtert. Trotz
der vielen blutigen Fehden suchten die Friesen aber nach Möglichkeit dem
l'nheil durch Deichbauten vorzubeugen, und es wäre vielleicht gelungen, wenn
nicht die brutale Rachsucht eines friesischen Parteiführers, Koppe J arges,
diese Bestrebungen zunichte gemacht und. um seinen Feinden zu schaden,
durch Abbrennen der Siele am Emsufer das Land unter Wasser gesetzt hätte
(1414). Das Land war nunmehr den Fluten preisgegeben. Bis 1418 hatte sieh
der Dollart bis zum Zusammenrlufs von Aha und Tjamnie erweitert. 1423 und
1428 brechen neue Fluten herein, doch gelingt es 1452. durch einen Deich von
Rbeide bis Finserwoldc dem Wasser eine Schranke zu setzen, wie auch an der
< >stseite ein solcher angelegt wird. Indessen die Flut vom 29. September 15U9 durch-
bricht den Deich von 1452, und es bilden sich neu«', tief in das Land greifende
Meerbusen. Auch die Hheider Nesse, die zwischen Torum und Wilguni mit
dem Festlande bei Pogum noch zusammengehangen hatte, ging 1509 bis auf
die nunmehrige Insel Nesse zu Grunde, und die Ems gewann so eine gerade
Strafst' nach Westen. Die Stadt Emden war durch die allmählich zunehmende
Versandung des ausgeschalteten Bogenstüekes der Ems in Gefahr, vom Meere
ganz abgeschlossen zu werden. 1708 mufste nach W. ein freies Fahrwasser
geschaffen werden. 1*47 wurde der ganze Bezirk von Borssum nach Larrelt
eingedeicht und nur eine geradlinige kanalartige Durchfahrt freigelassen. Sehr
bald nach der Bildung des Dollarts in seinem weitesten Umfange hatte man
mit der erneuten Eindeichung begonnen und schrittweise den verlorenen Boden
wieder zurückerobert. Schon im XVI. Jh. begann man mit den Arbeiten am
südwestlichen Ende des Busens; 1545, 1597, 1626. 1665, 1701 wurde durch
Anlage von Poldern der Dollart an dieser Stelle sehr erheblich eingeschränkt.
Desgleichen im S. 1636. 1696, 1740 und im (>., wo auch schon im XYX Jh.
der Anfang gemacht war; 16<>5, 1C82, 1707. 1752, 1796 und noch 187»'. wurden
Polder angelegt und dem Dollart die heutige Gestalt gegeben.
A remis. Erdbeschreibung von Ostfriesland. 1824. Vgl. besonders die
wichtigen Arbeiten von Bartels, Fbo Eniraius, Möhlmann und die Ent
stehung des Dollart. in Jb. d. Gesch. f. Kunst u. vaterl. Altertümer zu Emden I
1872 . 1 — 26, mit Karte. Ders. , Fragmente z. Gesch. des Dollart. Emder
Jb. 2. 1. 1-48. Ders.. Ostfriesld. in d. Römerzeit, ib. 2. 2, 1— 18. Ders.,
Drusus. Tiberius u. Gernianikus an der Niederems, ib. 3. 2, 1 — 20, mit Karte
vom damaligen Friesld, Ders.. Ubbo Emmius und die Karte von Ostfr.. ib.,
4. Ii 1 — 1.5. Ders., Besehreibg. der ostfries. Inseln von 1650, ib. 4, 1. 35—42.
Stratingh cn Vcnema, de Dollard, Groningen 1855. de Vries u.
Pocken, Ostfriesld.. Emden 1881, hinter S. 346: Karte des alten Pollart
Landes, S. 44«»— 45<'i: Verzeichnis aller Karten von Ostfr. seit 1540. Hou
trouw. Ostfriesland. 1889—1891. besonders 1. 281 IT., eine Topographie des
versunkenen Landes I, 289 — 301.
Auch das Küstengebiet Östlich der Emsmündung hatte schwere Einbufse
erlitten, nachdem die grofse Insel Bant einmal zerstört war. Wann der vier
eckige .Meereseinschnitt, die Lcyhucht. entstanden, ist unbekannt. Die Mar
ccllusrtut von 13G2 scheint sie erweitert zu haben. Durch die Dionysusilut
vom 9. Oktober 1373 erhielt sie ihre grofste Ausdehnung nordwärts bis Norden
und südlich bis Osteel. Das reiche, Mühende \Wsteel versank in den Fluten.
Durch erneute Eindeichungen {1498. 1547. UU>4, 1677, 1678, 1715, 1769, 1789
wurde ein gmfser Teil des Landes vom Meere zurückerobert.
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41. XordscekOste zwischen Kinn und Elbe. 1 1 1
Westlich d»-s Jcverlandes gegenüber Wangeroog schnitt ehemals » ine tiefe
Blicht ins Land, die IIa rieh ueht. ( her die Zeit und Art ihrer Entstehung
.schweigen die Quellen. Sie inufs sehr wahrscheinlich schon im XII. Jh. siel»
gebildet haben und durch die Marcellustlut von 1219 vergrüfsert worden sein.
Da sie /.wischen Ostfriesland und Oldenburg gelegen war, so wurden späterhin
die Einpoldcrungcn von beiden Seiten in Angriff genommen. Seit dem XV. Jh.
wird von solchen gemeldet. Ungeachtet wiederholter Zerstörungen durch Sturm-
fluten (1570, 162»), 1717, 1725} gelang es bis 1804 und 1809 die ganze Haifa-
bucht in festes Land zu verwandeln, so dafs heute an der äufscren Küsten-
linie keine Andeutung ihrer einstigen Existenz sich mehr findet. Aulser Arcnds
vgl. II out rnu w IT, 400 ff.
Das Jade- Wesergebiet hatte in früherer Zeit ein ganz anderes Aussehen.
Die Weser verzweigte sich von Elsfleth an in mehrere Arme, die ebensoviel
Inseln zwischen sich einschlössen. Der westliche Deltaarn) ging von Elsfleth
als sog. Liene nach W. und X., in die heutige Jade einlenkend und weiter-
hin durch den jetzigen Jadebusen, der damals noch Land war. ins Meer
führend. Um 15Ü0 war sie zugedämmt worden. VAn anderer Arm. das Lock -
fleth. verliefe bei Brake die Weser, um weiter nördlich bei Ovelgönne sich zu
teilen und teils direkt durch die Dornebbe zur Jade, teils über Esenshamm
hinaus bei Seefeld in den Jadebusen zu münden. Die Zufüllung begann 1531.
Ein dritter breiter und schiffbarer Arm war die licet»', zwischen Stad- und
Butjadingerland hindurch die Verbindung zwischen Weser und Jade bildend.
Um 145t) wurde mit der Beseitigung dieses Annes schon begonnen. Dies war
die Situation in der ersten Hälfte des XVI. Jh. Doch die Sturmfluten der
voraufgehenden Zeit müssen erhebliche Veränderungen der Strandlinien hervor-
gerufen haben. Wie »liest: im einzelnen gestaltet waren, läfst sich nicht mehr
feststellen. Die heutige Jade, damals also ein Wescrann, scheint ein»' weiter»'
Fortsetzung nach N. gehabt zu haben, über die Wirkung»'!! der frühesten
Fluten i U>66, 1144, 1164) ist uns wenig Sicheres übermittelt. Allgemein wir»l
der Flut vom 17. November 1218 der bedeutsamste Einflufs auf die Gestaltung der
Küste zugeschrieben, da sie den Jadehusen erst geschaffen haben soll. Mehrere
Rüstringer Kirchspiele und das fragwürdige Kloster Jadelch seien damals zu
(»runde gegangen. Dies«- Mitteilung der Hamelmannschen Chronik hat neuer-
»lengs O.Tenge (Der Jeversche Deichband, Olilenbg. 1884) mit guten Gründen
angefochten und g«'z»'igt, dafs damals nicht alles Land untergegangen sein kann.
Auch spätere Fluten haben noch gröfsere Zerstörungen des Landes durch Deich-
bräche hervorgerufen, so 1230, 1242, 1257, 1262. 1266, 1277, ferner im XIV. Jh.
1313, 1361, 1373. 1377, im XV. Jh. 1421, 1424. 1428. Die Fluten von 1509
und besonders die sog. Antoni- oder Eisflut vom 17. Januar 1511 sollen «len west-
lichen Teil des Jadehusens südlich von Jever erheblich erweitert haben, wenn
auch hier seitens der Chronisten die angebliche Zerstörung »les Landes über-
trieben wird. Die Made ( westlich vom heutigen Wilhelmshaven) seheint »Jamals
als Balg«' die südöstliche Ecke des Jeverlandes insular abgetrennt zu haben.
<1f. Tenge I. c. im 1. Kapitel mit interessanter Kartenskizze vom Jahr»' 1599
auf Taf. I. (irofses Unheil richteten ferner die AllerheiligenHut 1. Nov. 1570
an, 1578. 1592, 1597. Im XVII. Jh. wir»l von 13 groben Fluten berichtet.
Das XVII l. Jh. war durch »lie furchtbare Weihnachtsflut 24. Dez. 1717 und
die Neujahrsflut von 1721. 31. Dez. den Küstenbewohnern verhängnisvoll g»'-
worden. Unablässig war man aber bemüht, durch Deichhauten den erlittenen
Verlust wieder auszugleichen. Im übrigen vgl. Kohli. Beschreibung d. Herzogt.
Oldenburg. 1824. I, 59 ff. und »Ii»- Geschichte »1er Deiche » benda, I, 156 tf.
O. Tenge 1. c. behandelt speziell die Jeverländischen Deiche. Böse, Das
Grofsherzogt. Oldenburg, 1863, S. 152 ff., 240 tf. IL Saalfeld, Die Hoch-
moore auf dem früheren Weserdelta, mit Kart»' der Wesermündung nach
Lasius um 1511, in Z. d. Ges. f.Ekde, Berlin XVI 1881). 0. Hagena, Jever-
land bis zum Jahre 1500, Oldenburg 1901.
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112
I. Physische Geographie.
42. Xordseeküste von Schleswig -Holstein. Nicht weniger ver-
heerend und umgestaltend als an der Küstenstrecke zwischen Ems und Elbe
haben die Meeresfluten an der schleswig-holsteinschen Küste gewirkt. Am
härtesten sind hier in historischer Zeit die nord friesische Küste und die ihr
vorgelagerte Inselwelt heimgesucht worden. Von der alten Dünenkette
sind heute nur noch im nördlichen Abschnitt einige wenige Reste insular
erhalten, wie Fand, Romö und Sylt, dann erst wieder am Westrand der
Halbinsel Eiderstedt, während südlich von ihr vor der ditmarsischen
Küste keine Spur mehr zu erkennen ist. Mit Ausnahme von Eiderstedt,
welches heute als Teil des Festlandskörpers bis an die alte Dünenküste
sich seewärts vorschiebt, sind hinter der teilweise erhaltenen Düne
nur einige kleine Klecken von Marschland als Inseln erhalten geblieben.
Wie Eidelstedt selbst schon nur aus eingedeichtem Marschland besteht,
sind auch die beiden gröfseren Inseln l'ellworm und Nordstrand künstlich
erhaltene Teilstücke des ehemaligen Marschbodens. Nördlich von ihnen
liegen die ähnlich beschaffenen Inseln der Halligen, echte Watteninseln,
die gegenwärtig nur zum Teil eingedeicht sind. Die Besiedelung war
hier nur auf künstlichen Hügeln, den Wurten, zu ermöglichen. Alle
Halligen sind von einem Netz von Gräben durchschnitten, sog. Prielen,
die oft weit in das Inselland hineinreichen und es oft von einem Ufer
bis zum anderen durchschneiden. Da die Fluten diese Einschnitte be-
ständig vergröfsern, so können solche Inseln auch in mehrere zerteilt
werden, falls nicht Abhilfe geschaffen wird. Im ganzen zählt man heute
noch zehn selbständige Halliginseln: Oland, Langenel's-Nordmarsch, Gröde
mit Apelland, Habel, Hamburger Hallig, Xordstrandisch-Moor, Hooge,
Norderoog, Süderoog und Südfall. Die jetzt eifrig betriebenen Ein-
deichungen dieser Inseln sollen sie vor weiterer Zerstörung schützen.
Nördlich von den Halligen liegen Föhr und Amrum. Führ ist zu drei
Fünftel ein Marschland, der übrige südwestliche Teil dagegen Geest.
Den äufseren mit Dünen besetzten Inselrand bilden Amrum, Sylt, Romö,
Fanö bis zum Blaavands link «1er jütischen Küste. Sie schliefsen alle
einen diluvialen Kern ein, auf Sylt treten an den Steilgehängen der
Klüts sogar tertiäre Schichten noch zu Tage. — Die dahinterliegende
Festlandsküste selbst ist heute fast durchgehends nur eingedeichtes
Marschland, sowohl südlich als nördlich der Halbinsel Eiderstedt; nur
nördlich von Husum tritt auf ein kurzes Stück die Geest hart an den
Strand heran.
Di«- Entwickelung dieser ganzen Küstenstrecke gehört der historischen
Zeit an. Die Sturmfluten einerseits und die Kunst des Menschen anderseits
hal>en ihr das heutige Aussehen gegeben. An der Hand der Quellen können
wir die Veränderungen in den früheren Jahrhunderten leidlich verfolgen; doch
geht die sichere t'berlieferung nicht über das Jahr 1362 hinaus. Die Wirkungen
der Fluten des XII. und XIII. Jh. beruhen auf Vermutungen. Falsche Vor
Stellungen von den topographischen Verhältnissen der Küsten im XIII. Jh.
wurden durch die Karte Johannes Mejers von 1652 hervorgerufen, die Kaspar
Dankwerth seiner Landesbeschreibung von Schleswig-Holstein (Husum 1652>
einverleibt hat. Die Karte gibt ein Bild von dem angeblichen Aussehen von
Nordfriesland um das Jahr 1210, welches lange Zeit als authentische Quelle an-
gesehen wurde: doch scheint Mejer nur Karten des XVI. Jh. besessen und
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42. NTordnoekü«te von Schleswig-Holstein .
113
alles übrige aus freier Phantasie Beschaffen zu haben. Die Frage nach der Zu-
verlässigkeit dieser Karte hat zu lebhaften Erörterungen geführt.
Was sieh mu h den kritischen Untersuchungen über die Topographie von
Nordfriesland im Anfang des XIII. Jh. als gesichert annehmen läfst, ist folgendes:
In dem Winkel, welchen die schleswigsehe Küste und das heutige Kiderstedt
bilden, lag ein grofses Inselland Nordstrand. In seinem südlichen Teile waren
die jetzigen Inseln Pelhvorm und Nordstrand (im engeren Sinne) noch ein
geschlossen, tiesgleichen weiter nördlich die Hamburger Hallig und Nord
strandischmoor. Die übrigen Halligen existierten schon damals als Inseln von
allerdings weit größerem Umfange, waren jedoch nicht zu einem einheitlichen
Inselkörper zusammengeschlossen. Nach dem Krdbuch Waldemars II. (XIII. Jh.)
werden auch Fanö. Roinö. Sylt, Führ, Amrum und einige andere schon als
Inseln bezeichnet. Die jetzige Halbinsel Kiderstedt war damals in vier Inseln
aufgelöst und bildete ein Delta der Eider. Der Hauptarm der Kider ging nach
dem Zusanimenflurs mit der Treene nicht blofs südlich an Tönning vorüber wie
heute, sondern zweigte sich auch naeh N. ab, um dann nach VY. als Höver
umzulenken. Dadurch war Kiderstedt eine Insel, aber auch Nordstrand war
im S. von Kiderstedt getrennt. (Vgl. hierzu die Kartenskizze von Hansen in
Petermanns Mittlgn. 1893, Tu f. XII). Die Sturmfluten haben nun tiefgreifende
Veränderungen hervorgerufen. Ober ihre Anzahl und ihre Wirkungen sind
wir aber nur unzureichend unterrichtet, auch die Jahrzahlen sind nicht immer
zuverlässig überliefert. Gröfsere Fluten von verheerender Wirkung an der
sehleswigschen Küste sollen die von 1117, 1164, 1216, 1300 und 1354 gewesen
sein. Am bedeutsamsten war die sog. Marcellusflut am 16. Januar 1362, welche
besonders auf die Inseln umgestaltend gewirkt hat. Die Inseln waren damals
schon sämtlich mit Deichen versehen, die den Anforderungen freilich nicht
entsprachen; daher die furchtbaren Katastrophen und Verluste an Menschen-
leben, wenn auch die Zahl der letzteren von den Chronisten meist zu hoch
angegeben wird. Die Insel Nordstrand erfuhr damals eine wesentliche Änderung
in ihrer äufseren Gestalt Schon vor 1358 mufs ein Teil der südöstlichen Ecke
der Insel durch die Hever losgetrennt worden sein; es war die sog. Lundenberg-
harde. die späterhin teilweise an Kiderstedt angedeicht worden ist. Weit be-
trächtlicher aber waren die Eingriffe des Meeres in die Südhälfte von Nordstrand,
wo 1362 eine tiefe Bucht geschaffen wurde, welche der Insel die charakteristische
Hufeisengestalt für drei Jahrhundertc (bis 1634) verliehen hat. Auch die Hal-
ligen im N. und NW. von Nordstrand erlitten empfindliche Einbufse, die meisten
Kirchen waren mit den Dörfern zerstört worden; die Festlandsküste selbst
war ebenso in Mitleidenschaft gezogen worden. Eiderstcdt, welches in frühesten
Zeiten aus einzelnen Inseln bestanden hat, war im I>aufe der Zeit durch Deiche
zu einer Insel vereinigt worden; diese Insel scheint 1362 nicht so schwer ge-
litten zu haben als die übrigen Gestade. — In der nachfolgenden Zeit suchte
man durch Anlagen von neuen Kögen, wie die durch Deiche fachartig ab-
geschlossenen Landkomplexe genannt werden, den Verlust an einigen Stellen
wieder auszugleichen. Aber neue Sturmfluten vernichteten auch teilweise wieder
das Werk. Durch die AllerheiligenHut vom 1. November 1436 wurde Pelhvorm
vom Nordstrand losgerissen und ist erst 1551 durch Anlage des neuen Kooges
mit ihm wieder verbunden worden. Verheerend war ferner die grofse Flut
vom 2. November 1532, ferner jene vom 21. August 1573. bei der Pelhvorm und Nord-
strand besonders litten, vom 23. Januar 1610 und vom 26. Februar 1625. Auch
Eiderstedt war von ihnen nicht verschont geblieben; letzteres hatte durch die
Deichverbindung mit der Insel Westerhever im äufsersten Westen seit 1437
«'inen Zuwachs erfahren, aber es war zunächst doch immer noch Inselland,
bis im Jahre 1489 die Norder-Eider geschlossen wurde und Eidelstedt erst von
diesem Zeitpunkt an eine Halbinsel bildete.
Entscheidend für die gegenwärtige Gestaltung der Inselwelt wurde die
Sturmflut in der Nacht vom 11. zum 12. Oktober 1634, wenn auch nicht die
höchste, so doch die furchtbarste, die jene Gegenden heimgesucht hat. Das
Kretachmcr, Historische (JfOKraphie. 8
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114
I. Phymsche Geographie.
\\';i^er drang in Gebiete, wo es sonst nie hingekommen war; 6408 Menschen
gingen auf Nordstrand zu Grunde, fast alle Deiche waren gebrochen. Pellworm
UXld Nordstrand, auf welches dieser Name nun beschränkt blieb, sind seit jener
Zeit durch weite Mecresllächen geschieden; im übrigen sind von der ehemals so
grofsen Insel nur die Hamburger Hallig und Nordstrandisehmoor als dürftige-
Reststücke geldieben. Das meiste blieb verloren ; Pellworm war teilweise noch
bewohnt und wurde neu eingedeicht; nach Nordstrand wurden 1654 hollän-
dische und brabantisehe Kolonisten berufen, die neue Köge anlegten. Die
I/'idenszeit war für diese (legenden aber noch nicht vorüber, und dafs die
nachfolgenden Fluten immer wieder sei furchtbar wirken konnten, ist nur auf
die mangelhafte Eindeiehungsmethode zurückzuführen. Die Flut vom 25. De-
zember 1717 stieg noch höher als die von 1634, hat aber trotzdem weniger zerstörend
gewirkt. Weitere Fluten folgten 1751, 1756, 1791, 1792. Die letzte grofse Flut
trat in der Nacht vom 3. zum 4. Februar 1825 ein; sie war aber durch die Ver-
besserung des Deichwesens in ihrer Wirkung schon stark «'ingeschränkt worden.
An der ditmarsisehen Küste südlich von Eidelstedt sind die vorher-
genannten Fluten natürlich auch niebt spurlos vorübergegangen. Jene von
1634 hat verheerend genug gewirkt und über 300 Menschenleben und viel Vieh
gefordert; die Flut von 1717 kostete 468 Menschen das Leben, an 6530 Stück Vieh
kamen um und 1067 Häuser wurden fortgerissen. Aber von grofsen Land
Veränderungen ist liier, wie auch südlicher in den Elbmarsehen sonst nicht die
Hede. Nur bei Imsum ist ein kleines Stück Landes verloren gegangen. Die
Deiche sind von der Festlandsküste systematisch vorgeschoben worden. Kleine,
flache Inselchen bildeten sich zur Flutzeit, wenn das mit Sedimenten erfüllte
Flufswasscr sich momentan an der entgegenwirkenden Flutwelle staute. Solche
Inselchen wurden die Stützpunkte für weitere Kooganlagen. Der sog. Dicksand
entstand als natürliche Insel im XVI. Jh., 1818 wurde ein Stück eingedeicht,
das 1825 aber durch die Flut wieder vernichtet wurde. 1854 wurde dann der
Frederik VII. -Koog angelegt, der heute noch den domartigen Vorsprung in der
Küstenlinie bildet.
Geerz. Gesch. der geographischen Vermessungen und Landkarten Nord-
albingiens, Berlin 1859 (tritt noch für die Mejersche Karte ein). Ders. .
Iiistor. Karte des westlichen Schleswig-Holstein. 2 Bll. 1*86. 1888. Jensen,
Kirchliche Statistik des Herzogtums Schleswig. Flensburg 1840. Schmidt.
Om Meyers Kort ovcr Nordfrisland. in Annaler for Nordisk Oldkyndighed og
Historie, Kopenhagen 1851. Lau ri »Isen, Kartogrufen Johannes Mejer, in
Historisk Tidsskrift VI. Jensen. Landverlust und Landgewinn an der schles-
wigsehen Küste, Globus 1895, S. 181 187. Hansen. Küstenveränderungen
im südwestliehen Schleswig, Petermanns Mittlgn. 1893. 177 fT. mit Karten. Ders.,
Zur Gesch. der Zersplitterung Nordstrands. Globus 1896. 290 — 293. Ders.,
Beiträge z. Gesch. u. Geogr. Nordfrieslands im Mittelalter, ebenda 1894. mit
Karte. Der eifrigste Vorkämpfer für die Erhaltung der Halligen war der leider
so früh verstorbene Eugen Träger. Sein Much: Die Halligen der Nordsee,
Stuttg. 1892,' gab den Anstois, dafs die preußische Regierung sich der Frage
annahm und der Landtag V/A Mill. Mark für den ersten Anfang bewilligte.
Durch Verbindungsdämme mit dem Festlande soll die Ansehliekung befördert
und eine gänzliche Umgestaltung des Wattenmeeres herbeigeführt werden.
Träger, Die Kettung der Halligen und die Zukunft der schlesw.-holst. Nord
seewatten. Stuttg. 1900. — Für die Küstenstrecke südlich von Eidelstedt:
Eckermann, Zur Geschichte der Eindeichungen in Norderdithmarsehen,
Z. f. schlesw.-holst. Gesch. 1882, XII, 1 ff. Chalybaeus, Gesch. Dithmar-
sehens, Kiel 18S8. Hart mann, Die alten dithmarscher Wurthen, Manie
1883. (ieerz. Iiistor. Karte von Dithmarschen, Berlin 1886. Hansen, Die
Besiedelung der Marsch zwischen Elb- und Eidermündung, Petermanns Mittlgn.
1891, 105 IT., mit drei Kartenskizzen. Detlefsen, Gesch. der holsteinsehen
Elbmarschen, Glückstadt 1*91, behandelt sehr ausführlich die Wüster Marsch,
Kremper Marsch und Haseldorfer Marsch.
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43. Helgoland
115
Über einzelne Inseln sei noch folgendes bemerkt : Sylt besteht aus »lern
35 km langen Dünenstreifen, an den sieh binnenwärts ein Stüek Heide- und
Marsehland anlehnt; Flächeninhalt 102 qkm. Ehemals hat Sylt, ebenso wie
Amrum, weiter nach W. hinausgereieht. Urkundlich erscheint es bereits 1141
als Insel, dann im Erdbuch Waldemars 11. als Syld. Hansen, Die nord-
friesische Insel Sylt, Lpz. 1859. Jensen, Die nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr,
Amrum und die Halligen vormals und jetzt, Hamburg 1891. — Von ihr dureh
das Fartrapptief geschieden ist Amrum i Amitrum), welches äufserlich ge-
drungener ist, mit einer Dünenkette, die nördlich und südlich in Dünenhalb-
inseln ausläuft. Föhr (FSSr) mit starken Deichen besonders im W. versehen;
82 qkm grofs. Nerong. Föhr früher und jetzt, Wyk 1885. Pellworm und
Nordstrand existieren als gesonderte Inseln erst seit 1031; sie bestehen ganz
aus Kögen. Vgl. Eck ermann, Die Eindeichung auf Nordstrand und Pell-
worm, in Z. f. schlesw. -holst. Geschichte 1895, 119—160 mit Karte),
43. Helgoland ist kein Teilstück der alten Dünenküste mehr,
sondern ein vereinzelter, bis zu 56 m aufragender Buntsandsteinfelsen ;
er bildet das sog. Oberland, während das Unterland ein flaches, sandiges
Vorland ist, ebenso wie die 1200 m östlich gelegene Düne . Auch hier
haben die Sturmfluten Veränderungen hervorgerufen. Im XVII. Jh.
bestanden die Felsinsel, die Düne und die Weifsklippe. Zwischen Fels-
insel und Düne befand sich ein schmales Verbindungsland, der Stein-
wall welcher, von Hochfluten überspült, in der Neujahrsnacht 1720 bis
1721 gänzlich zerstört wurde. Auch die Weilsklippe, früher am Nord-
ende der Düne verschwand am 1. November 1711 vollständig. Helgo-
land hatte bis 1721 eine Richtungsachse von W. nach <)., während die Fels-,
insel jetzt von NW. nach SO. gerichtet ist. Die Düne besteht aus losen
Sandanhäufungen auf dem Felsgrund der abgetragenen Kreidekalkriffe
und hat durch Wind und Fluten immer starke Veränderungen erlitten.
Die Römer hatten von Helgoland noch keine Kenntnis. Die älteste Nach
rieht über die Insel für die Zeit um 7<i() findet sich bei Alkuin, Vita Wili
brordi I, 10: insula, quae a quodmn den sno Fosite ah atcolis terrae Fositeslaiui
appelltititr. Ebenso bei Altfrid, Vita Liudgeri I, 19: Fosrtesland. Liudger besuchte
die Insel um 785 auf Aufforderung Karls d. (Jr. Die erst«- ausführliche Bc-
schreibung lieferte Adam von Bremen IV, 3, der sie Farria iuxula nennt und
sie durch einen bekehrten Seeräuber, Eilbert, der dortselbst ein Kloster gründete,
wieder entdeckt sein läfst. Kr schildert sie als sehr fruchtbar, reich an Vögeln
und Vieh, von schroffen Klippen umschlossen, mit einer Süfswasserquclle, aber
ohne einen einzigen Raum. Sie stand im Rufe der Heiligkeit und wurde des-
halb »Heiligland« genannt. Der Name tritt später in verschiedenen Varianten
auf: Hnelgliathud 1231, Hilgheland 1356, Helgelant 1430, Hillige latult 1470,
HMchlant 1578 u. ä. Aus der englischen Form Heligoland entstand unser
Helgoland.
Viel erörtert worden ist die Frage nach »1er ehemaligen Gröfse der Insel,
die nach Adam 1. c. 8 Meilen lang und 4 Meilen breit gewesen wäre, während
die Hauptinsel heute nur 1,7 km Länge und ein Areal von 0,55 qkm hat. Die
schon erwähnte Karte von Job. Mejer zu Danckwerths Beschreibung von
Schleswig Holstein 1«>52) stellt die drei Stadien des Verminderungsprozesses
für die Jahre 800, 1300 und 1*149 dar. Sie hat sich, obwohl lange als geschicht-
liche Urkunde geschätzt, als haltloses Phantasiegebilde erwiesen. Gegen die
irrige Auffassung von der früheren Gröfse der Insel sehrieben Lappenberg,
("her den ehemaligen Umfang und die alte Geschichte Helgolands, 1830.
Wichel, Die Insel Helgoland. Untersuchungen über deren (iröfse in Vorzeit
und Gegenwart vom Standpunkt der Geschichte und Geologie, Hambg. 1848.
8»
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116 I. Physische Ueo^uphie.
Auch La uri (Isen (Geogr. Tidskrift, Kopenhagen 1887, III, 50) wies nach
Entdeckung zweier weiterer Karten Mejers das Willkürliche der Karte von ll'i52
nach. Hierüber E. Tittel. Die natürlichen Veränderungen Helgoland* und
die Quellen über dieselben, Lpz. 1894, 31—50.
Die fortschreitende Küstenzerstörung ist nach Wichel eine verhaltnis-
mäfsig langsame; sie beträgt in 100 Jahren etwa 10 Fufs. Die Zerstörung seitens
der Brandungswelle ist keine so wirksame mehr, da sie durch den breiten
RifTgürtel tn ihrer Gewalt gemindert wird. Am empfindlichsten wirkt die Ver-
witterung durch Spaltenfrost im Winter. — Ober die Wirkung der Sturmlluten
haben wir aus der Zeit bis zum XVII. Jh. keine Nachrichten. Für Helgoland
waren besonders schwer die Fluten von 1702. 1707, 1717. 1721 (!). 1825. 1894.
Vgl. Tittel 1. u. 103 f.. 135.
44. Mimische Halbinsel (Jütland). Sie kann als der letzte Aus-
läufer des Baltischen Höhenrückens gelten, der freilich wegen seiner
inäfsigen Erhebung hier nicht mehr jene Benennung rechtfertigt. Denn
der höchste Be- 'es, der Ejer Bavnohöj, steigt nur bis zu
172 m auf ur >jerg in der Nähe von jenem zu 157 m.
Der breite * s Wasserscheide die Halbinsel durchzieht,
bildet ein i tu ateau ; er ist erfüllt von Moorheiden, und
eino Reil n Flüfschen entquellen ihm. Die auflagernde Diluvial-
decke der 1 zeit, unter welcher nur an einigen wenigen Stellen der
Kreidekalk ht. vorsieht, hat je nach ihrer Zusammensetzung der Land-
schaft ein verschiedenartiges Aussehen verliehen. Das östliche Drittel
der Halbinsel vom Lijmfjord an ist ähnlich wie die benachbarten grofsen
Inseln von einem fruchtbaren Geschiebelehm bedeckt, während alles
übrige Gesehiebesand erfüllt, der auf der ganzen Westküste von Kap
Skagen an in die Flugsandformution übergeht. Fast kontinuierlich
zusammenhängende Dünenwalle lassen sich bis über Blaavandshuk hinaus
verfolgen. Unter dem Heidesand des Innern findet sich eine stark eisen-
haltige Sandsteinbildung, der Ahl. An der Westküste ist es auch ver-
einzelt zu Marschbildungen gekommen. — Grofse Flüsse sind dem
Lande freilich nicht beschieden, was eine Folge der geringen Areal-
ausdehnung und des Mangels an Gebirgen ist ; die gröfsten sind die
teilweise befahrbare Guden-Aa (150 km lang), die aus einem kleinen
Seengebiet kommt und im O. in den Itandersf jord mündet, und die
Königsau (Konge-Aa), die stets die Grenzscheide zwischen Nord -lütland
und Schleswig gebildet hat. Nicht unbeträchtlich sind auch die Moore,
wie nördlich vom Lijmfjord das grofse wilde Moor, Store Vildmose
(169 qkra), ferner das Lindenborg- Vildmose (55 qkm) südlich vom Lijm-
fjord an der Küste des Kattegat und mehrere andere, die besonders
zahlreich im westlichen Küstenbereiche auftreten. Auch Landseen sind
in einiger Zahl vertreten, so westlich von Aarhnus der Mossee. Julsee,
Skanderborgsee als die gröfsten. Eigenartig ist die Küstenlinie, die
besonders im W., in die Flachsee auslaufend, für gröfsere Schiffe unnahbar
ist, trotz der grofsen, durch Nehrungen abgeschlossenen Buchten. Etwas
besser liegen die Verhältnisse an der Ostküste, wo Fjorde (Föhrdon) und
Vigs mit günstigeren Tiefenverbältnissen die Annäherung gestatten.
Die Halbinsel hiefs bei den Alten ('hersonesus Chnbrim. Xtgaortjaof
Ki;ißoixit (Ptol. II, 11, 2, 7, 16), nach dem gleichnamigen germanischen Volks-
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44. Dänische Halbinsel '.lütlan«ll 117
stamme. Sie läuft im X. in »las Skagenshorn aus, dessen äußerste Spitze
GrcneD genannt wird. Ks ist «las Promontorium ('imbrorum (Monum. Ancyranuin,
PI in. IV, 97) excurrens in marin lonye paeniitsnlam efßcit, qnac Tastris appellatur.
Ks setzt sieh seewärts als ein gefährliches Riff fort und ist den Schiffern durch
einen Leuchtturm signiert, der hereits von König Friedrich II. im Jahre 1564
aus Stein erbaut worden ist. V her den Namen Jütland vgl. unten Dänemark.
- Die Halbinsel zeigt in ihrer nördlichen Hälfte und besonders an der West-
seite ziemlieh glatt vorlaufende Küstenlinien, doch greifen fjordartige Einschnitte
mehrfach weit in den Landkörper hinein. Am bemerkenswertesten von allen
ist der Lijmfjord, so genannt nach dem Kreidegestein (dän. Liimsteen) an
seinen l'fern. Er verläuft, 100 km lang, «juer durch den nördlichen Teil der
Halbinsel von einer Küste zur anderen, wodurch das nördlichste Stück der-
selben insular abgegliedert ist. Am östlichen Ende ist er etwas schmaler, im
westlichen Teil aber bildet er ein weitverzweigtes, seeartig sich verbreiterndes
Gewässer. Ursprünglich war er am westlichen Ende geschlossen; erst die
Sturmflut vom 3. Februar 1825 schul hier den Aggerkanal, indem das Meer
die Harboöre Tange an mehreren Stellen durchbrach. Ein Stück weiter süd-
lich ist 18(i3 auf dieselbe Weise der Rönkanal entstanden. Das hinter der
Tange (Nehrung) gelegene, ausgedehnte Gewässer, Nisum- Rredning, verengt
sich nach dem östlich sich anschließenden Recken zum sog. Oddesund.
Adam von Bremen (11,3; IV, 1: bringt den Namen Oltinsuml, Oäinsand in Zu-
sammenhang mit König Otto 1. (gemeint ist Otto IL), der auf einem Rachezug
gegen die Dänen *bis zum äußersten Meere von Wendila« gekommen wäre,
welches seitdem nach Ott«» benannt worden sei. Da es Jütland und Nord-
mannien (Norwegen) scheiden soll, so könnte es danach nur das Skagerrak und
Kattegat sein. Doch scheint der Ottensund mit jener Verengung des Lijm-
fjordes gleichgestellt werden zu müssen. Ob er nach König Otto in Wahr-
heit benannt worden ist, scheint fraglich. Otide heißt im Dänischen die »Land-
zunge«, und zwei solcher flachen Landvorsprünge schließen jenen Sund eng
ein (vgl. auch Nordsee).
An der Westküste finden sich südlich der Lijmfjordmündung noch andere
flache Strandsecn, die als Fjorde bezeichnet werden, aber flache Ufer hallen:
Nissumfjord, Ring Kjobingfjord. Einen anderen Charakter haben die Fjorde
an der Ostküste, bei denen mehr die Natur der Föhrdcn Schleswigs hervortritt.
Es sind dieselben Einschnitte, die nach innen hin sieh verjüngen. Von dieser
Art ist das Ostende des Lijmfjord «-s selbst, dann weiter südlieh der Mariager-
fjord. Randersfjord. Horsenst'jord, Vejlefjord und Koldingfjord.
Die Dünenbildung ist an der Westküste entwickelt, Wo der Wind meh-
rere Dünenwälle hintereinander aufgetürmt hat, die bis zu Höhen von 35 m
aufsteigen. Die Dünenzone erreicht oft beträchtliche Breiten, bis zu 10 km.
Fälle von Überflutungen werden auch von dieser Küste berichtet, und das Land
muß ehedem weiter westlich sich erstreckt haben, wie die vor dem Strand«;
befindlichen Riffe zeigen. Aber die Übergriffe d«'s Meeres scheinen hier niemals
von solchen Katastrophen begleitet gewesen zu sein wie weiter südwärts an
der schleswigschcn Küste. Auf Letalere müssen auch jene Flutbericht«' der
Alten zurückgeführt werden, «Ii«* « inen Teil der Kimbern zur Auswanderung
veranlaßt hätten (Strahn VII, 292 f.; Fl»>rus III, 3, 1). MüllenhofT zweifelt die
Tatsächlichkeit dieser Berichte mit nicht überzeugenden (Jründen an; vgl. hier-
über J. F. Mareks, in Bonner Jahrb. NCV, 35 ff.
Das Innere »ler Jütischen Halbinsel schildert Adam von Bremen (IV, 1) nach
den damaligen Zuständen: Das Land ist unfruchtbar; aufser den dem Flusse
naheliegenden Länder«M«n erseheint fast alles wie «ine Wüst«-; <s ist «-in Land
«ler Salzwüste und weiten Einöde. Ferner, wahren«! »las ganze lieblet Ger-
maniens von tiefen Wählern starrt, ist doch Jütland schreckenerregender als
alle übrigen; denn zu Land«' Hiebt man «'s wegen «les Mangels an Fehlfrüchten,
zur See aber wegen der Überfälle «ler Seeräuber. Kaum an einigen Orh'ii
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118
1. Physische Geographie.
findet man es bebaut, kaum ist es für Menschenwohnungen geeignet. Wo aber
die Anne des Meeres hineinreiehen, da hat es sehr grofse Städt»«. *
Baggesen, Der Dänische Staat. 1845,1, 19 IT. ; 11,95—123. Trap, Sta-
tist ik-topographisk Bescrivelse af Kongeriget Danmark, 2. Aufl. 1872—1879,
6 Tie. Erslev, Jylland, Studier og Skildringcr, Kopenhagen 1886. Hahn,
Dänemark, in Kirchhofts Lünderkde. v. Europa, 11, 1, 283 ff. Aueh die Geo-
grafisk Tidskrift (seit 1877) enthält viele einschlägige Artikel.
45. Dänische Inseln. Zwischen der Jütischen Halbinsel und Schweden
liegt ein Inselarchipel, welcher Nordsee und Ostsee voneinander trennt.
Die beiden gröfsten Inseln, Fünen und Seeland, liegen zwischen den
beiderseitigen Festlandsküsten so, dafs drei Durchgangspforten, die beiden
Belte und der Oresund, geschaffen werden. Der mittlere sog. Grofse
Belt mit ltf — ;M3 km Breite teilt die Inseln in zwei Gruppen. Die west-
liche bildet die Fünensche Gruppe mit der gleichnamigen Hauptinsel
sowie drei kleineren Inseln südlich von jener, Langeland, Aerö und Taa-
singe; die östliche ist die seeländische Gruppe mit Laaland, Falster und
Müen. Ihrer ganzen Beschaffenheit nach bilden sie ein Gegenstück zu
Jütland ; sie sind durchgehends Flachlandinseln. Nur an wenigen Stellen
ragt die zu unterst liegende Kalkformation über die Diluvialdecke her-
vor, und wo sie das Meer bespült, da tritt sie in Gestalt steil abfallender
Klippen (Klinte) auf, wie der als Aussichtspunkt bekannte Möensklint
am östlichen Vorsprung dieser Insel (141 in) und der Stevnsklint un-
mittelbar nördlich auf Seeland. — Von den Inseln sind Falster und Laa-
land die niedrigsten , jene erhebt sich im Maximum nur bis zu 87 in,
diese zu 25 m. Die Insel Möen besitzt noch den höchsten Punkt, dann
folgt Fünen mit dem Bavnehöj (131 m) und Seeland mit dem Gvlden-
löves Ilöj (126 m).
Seeland ist die gröfste Insel (6915 qkm); bei Adam IV, 5, (5: Seland,
wo sieh die erste Besehreibung der Insel und ihrer Bewohnerschaft findet. Von
X. reichen in die Insel der geräumige Isefjord und der schmale Roskildefjord
hinein. Ihre grofse Fruchtbarkeit wird in den ältesten Zeiten schon hervor-
gehoben. Im O. liegt das Inselchen Ainager, auf der «'ine Vorstadt von Kopen-
hagen liegt. — Möen, bei Adam IV, Iii Moyland. Falster { Falstra, Adam
IV, 16) 174 i|km, ist von der vorhergehenden durch den Masnedsund ge-
schieden. Sie hat einen fetten Lehmboden. Nach S. läuft sie spitz in die
Gjedser-Odde aus. Laaland (Latmid. Adam), 1157 qkm, mit cbenlalls frucht
barem Boden und grofse n Waldungen. Im Innern der Maribosee. — Fünen
(Fune, Adam IV, 4; auch Finnin!, dän. Fyen, 2942 qkm. Im N. und <>. finden
sich grofse f ruchtbare Ebenen, die »Sletten«, Der < Mensefjord reicht von Nord-
osten her hinein. Am nordwestlichen Ende reicht sie dicht an Jütland heran,
hier durch den Kleinen Belt (625 m breit an der schmälsten Stelle) geschieden.
— Langland (Adam IV, 18), Langeland, früher Lafvind, ein langer Land-
streifen in NNO. Richtung, durchzogen von kleinen isolierten Hügeln. — Taa-
singe (auch Thorsenge, Thorsinge, Taaftfandia, insula Taa-iur/is gehörte dem
Stammhause der Thorsenge. Zwischen Seeland und dem Festland li<gt
Sani so, schon von Adam IV, 10 Sumse genannt. Kerner zwischen Seeland
und Fünen im Belt das Inselehen Sprogö, Sprvga im Scholion 107 zu Adam
IV. 4, eine Räuberhöhle, ein (icgenstand grofsen Schreckens für alle Hinüber-
fahrenden«. — Im Kuttegut liegen noch die Inseln Anholt (20 qkm), eine
fluche Sundinsel, und weiter nördlich La esö. C. Müller hält sie wohl nur auf
Grund der Nainensähnlichkeit für die bei Ptolemäus II, 11, 16 genannten
iitsidae Alociae (,4h>xiw). — Literatur s. unter Jütland.
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-IG. OHtHceküstc. 47. OHt.seeküste von Schleswig-Holstein.
46. OstseekUstc. Die ganz anders gearteten Kiistenverhiiltnis.se
der Ostsee sind bedingt durch die natürlichen Umstände dieses Binnen-
meeres, und sie stehen in engsten Beziehungen mit der ganzen Ent-
vickelung der Beckenform desselben. Als der grolse Diluvialgletscher
auf seinem endgültigen Rückzüge begriffen das Gebiet «1er heutigen
Ostsee wieder frei liefs, trat fast gleichzeitig mit diesem Vorgange eine
beträchtliche Senkung des nordlichen Beckens ein. d. h. nördlich einer
Linie, die man von Schonen nach Bornholm hinüberziehen kann. Die
südwestlich dieser Linie gelegenen Gebiete müssen, nach verschiedenen
Anzeichen zu schliefsen, noch festländische Verhältnisse gezeigt haben.
Jenes Nördliche Eismeer- Becken aber stand damals durch die schwedische
Senke über dem Wetter- und Wenersee mit der Nordsee und wahr-
scheinlich über den Ladoga- und Onegasee auch mit dem Weifsen Meere
in Verbindung. Hieraul erfolgte wieder eine Hebung der Küsten-
länder mitsamt dem Becken. Die beiden genannten Verbindnngskanäle
zum offenen Meere schlössen sich, das Becken wurde somit zum Binnen-
see, in welchem statt der Salzseefauna eine Brackwasser- und Süfs-
wassersecfauna sich herausbildete, und da die I rebung jenes Binnensees
im X. gröfser war, so wurde das Wasser nach S. zu abgedrängt und
überflutete die südwestlich der Linie Schonen- Bornholm gelegenen fest-
ländischen Teile des Ostseebeckens. Damals trat «lieser westliche Teil
der Ostsee auch in Verbindung mit der Nordsee, indem das abfliegende
Wasser des Binnenmeeres die Tiefenrinnen der beiden Belte und des
Sundes schuf. Es folgte nun eine abermalige Senkung des Beckens
und seiner Randteile, die ein Hineinströmen des Nordseewassers bewirkte
und zwar durch eben jene Belte und den Sund, nur dafs in ihnen sich
das Wasser in entgegengesetzter Richtung als vorher bewegte. Die Ost-
see kam hierdurch wieder in das Brackwasserstadium, aber die allmäh-
liche Verringerung der Tiefen Verhältnisse jener Verbindungsstrafsen führte
von neuem zu einer Aussülsung des Binnenmeeres, denn der Salzgehalt
desselben ist heute sehr gering. — Unter dem Einflufs der mehrmaligen
Osrillationen haben sich die Küstenlinien mit ihren Förden, Haffen und
Wieken im grofsen Ganzen herausgebildet. Ihre Entwickelung im ein-
zelnen ist freilich ein Werk des fortwährend bewegten Meeres, welches
durch Brandungswellen und Sturmfluten die Küsten teilweise zerstörte,
die losgerissenen Bestandteile vermittelst von Strömungen an anderen
Stellen wieder ablagerte und jene glattgestrichenen Strandlinien schuf,
an denen der Wind überdies den ausgeworfenen Sand zu Dünen auf-
gehäuft hat.
Über die Natur des Ostseebeckens vgl. weiter unten, vmi Etzel, Die
Ostsee und ihre Küstenländer, Leipzig 1871. Ackermann, Beiträge zur physi-
kalischen Geographie der Ostsee, Haniburg 1883. R. Credner. Über die
Kntstehung der Ostsee, in Geogr. Zeitsehr. I (1895), 537 55t». G. W egener,
Deutsche Ostseeküste, Bielefeld 1900. Suefs, Antlitz «ler Erde II, 503 IT.
Baenseh, Die Sturmflut vom 12. — 13. Nov. 1872 an den Ostseeküsten (loa
l>reufsisehen Staates, Berlin 1875, fol. mit 10 Tafeln.
47. Ostseeküste von Schleswig-Holstein. Der Gegensatz in der
natürlichen Beschaffenheit der Nord- und Ostseeküste lä Ist sich an den
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120
I. Physische <ieo^ni]ihie.
beiderseitig n Küsten von Schleswig-Holstein wohl am besten vergleichs-
weise betrachten ein Gegensatz, der nicht blofs in den physischen
Verhältnissen der Küstenlinien, sondern auch in anthropogeographischer
Beziehung zum Ausdruck kommt weit mehr als in Jütland, welches
im 0. eben noch nicht von der Ostsee bespült wird. Schleswig-Holstein
stellt den nördlichen Ausläufer des Baltischen Höhenrückens dar. Wäh-
rend der westliche Rand von einem Wattenmeer mit periodisch wech-
selndem Wasserstand umsäumt ist. wird der östliche durch tiefeingreifende
Meeresbuchten gegliedert, die in ihrer Art für Holstein charakteristisch
sind und in dieser Form an der üstseeküste sonst nicht auftreten. Diese
Buchten sind die sog. Führ den oder Förden, eine Bezeichnung, die
natürlich mit Fjord zusammenhängt, wenn sie auch in der Gesamt-
anlage und Entstehung wesentlich verschieden von diesem sind. Wir
haben in den Förden nichts anderes als untergesunkene Flufstäler zu
sehen, indem die Randpartien des Landes bei der letzten Senkung bis
unter den Spiegel des Meeres rückten. Diese Talzüge haben schon vor
der Vereisung bestanden, sind aber erst durch das Fis an ihren Ufer-
rändern modifiziert worden. Denn bei der letzten Vereisung drang das
Kis von < ). nach W. in jene vorgezeichneten Talrinnen ein und rief
infolge der starken Pressungen Aufstauchungen des lockeren Ufermate-
rials hervor, so dafs das meist stumpf abschiefsende Hude einer Förde
von einem hohen, oft recht steilen Rande umgeben ist, Auch Ver-
legungen von Flüssen mögen hierdurch bewirkt worden sein, wie sich
dies bei der lüder hat wahrscheinlich machen lassen, die ehedem in
die Ostsee flofs. Im ganzen sind es acht Förden von freilich sehr
verschiedenen ( iröfseii Verhältnissen; sie grenzen zugleich miteinander
kompakte Randteile des Landes ab, die nicht immer als eigentliche
Halbinseln bezeichnet werden können. Der fette, tonige Boden hat auf
ihnen ein fruchtbares Ackerland geschaffen, und die meist auch als
Häfen und Zugangsstraisen trefflich geeigneten Förden haben der Bevöl-
kerung weitere Vorteile gesichert.
Die Heilsminder Bucht ist die kleine ( ircuxförde zwischen Deutschland
und* Dänemark. Die Haderslebener Förde zeigt ihr gegenüber ganz andere
Dimensionen, da sie an 14 km weit in «las Land hineinreicht, im Innern (hinter
Hadersleben « in«' Erweiterung zeigt, nach der See hin aber sich schlauchartig
verengt. Sie begrenzt im N. die Halbinsel Nefs. der im 0. die Insel Aarö vor-
gelagert ist. Weiterhin folgt die kleine fjjenncrhucht mit der vorliegenden
Insel Barsö. Im Verein mit der Apenrader Förde sehliefst sie die halbkreis-
förmige Halbinsel Loit ab. Die Apenrader Förde stellt den anderen Typus
solcher Buchten dar; sie zeigt keine flufsähnüehcn Verengungen, sondern bildet
einen weiten (iolt. der im Hintergrunde stumpf altschliefst. Die Insel Alsen
{Alf sc, Helmold II. 13', 31*2 <|km grofs. ist so dicht an das Festland gerückt,
dafs an der schmälsten Stelle der nur 250 m breite Alscnsunri eine äulserliche
Trennung hervorruft. Wir haben in flieser Insel ein Teilstück des ehemaligen
Festlandes zu erkennen, welches infolge einer durchgreifenden Förrienbildung
eben jenes Bundes vom Festland gänzlich losgelöst worden ist. Die Insel ist
auf ihrer W estseite selbst wieder durch Förden tief zerfurcht. Der gegenüber-
liegende Teil bildet die Halbinsel Sundewitt und ihre südliche Fortsetzung
Broacker. Letztere liegt am Ausgange der Flensburger Forde. Diese setzt sieh
aus zwei Al*chnitten zusammen, von denen der äufsere eine südöstliche Rieh
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48. OxtoeekÜRte von Mecklenburg. J21
tung zeigt, < l«*r innere eine nordöstliche hat; die Sandhalbinsel Holms scheidet
beide voneinander. Das Nübel-Noer ist ein nördlichem Seitengewässcr der Förde.
Zwischen ihr und der Schlei liegt die Landschaft Angeln ( Angele» .. Die Sehlei
ähnelt in ihrer Art wieder mehr der Hadcrslebcner Förde. Sir zeigt sehr
starke, fiulsartige Verengungen hei Missunde, Arnis und Kappeln und erweitert
sieh erst am Knde wieder zu einem hreiteren See. Sie reieht auf 40 km, also
Iiis zur Hälfte, in den Körper der Halbinseln hinein. Auch an der Mündung
erweitert sie sich beträchtlich. Der Ausgang liegt hei Sehleimünde. während
die alte natürliche Mündung ein Stück nördlicher bei Mindehohn sich befindet.
Die Halbinsel Sehwansen scheidet die Förde von der Eekernfürder Bucht. Die
letztere hat eine breite, offene Fingangsstrafse von bedeutender Tiefe. Am
Ende hei Rckernförde verengt sie sich, um sieh dann nochmals zu einem
kleinen See zu erweitern. Geschieden durch die Halbinsel des Dänischen
Wohld folgt dann die Kieler Bucht, die wichtigste von allen diesen Förden,
weil sie zugleich auch den besten Hah n bildet. Sie ist nicht so regelmäfsig
gestaltet wie die Apenradener und Kckcrnförder Bucht; am Eingang hat sie
nur eine mäfsige Verengung und ist vorzüglich gegen Winde geschützt. Sie ist
die letzte der eigentlichen Förden. Denn hinter der Halbinsel Wagrien 1 W'a-
giria. Helmold, Wagevland) folgt die Neustädter oder Lübecker Bucht, die mit
den meist engeren Forden nicht in Parallele gestellt werden kann. Vor jener
Halbinsel liegen die Inseln Fehmarn (Imbrn und Femltre bei Adam IV, 16
und 18 von 185 <|km (iröfse mit fruchtbarem Ackerland, aber ohne Wal
• hingen.
48« Ostscckiistc ron Mecklenburg;. Bei der Neustädter Bucht ändert
sich die allgemeine Richtung der Ostseeküste, die von hier an mehr
äquatorial streicht, wenn sie auch im einzelnen auf kurze Strecken
zwischen äquatorialem und meridionalem Richtungsextrem mehrfach
wechselt. Zugleich ändert sich aber auch ihre natürliche Beschaffenheit;
statt der charakteristischen Fördenbildungen treten hier die Bodden
in den Vordergrund, statt der vorwiegenden Steilküste in Schleswig-
Holstein treten hier neben diesen auch Flachküsten mit Dünenbildungen
auf. Anfangs hält sich die mecklenburgische Seenplatte in unmittelbarer
Nähe der Küste bis Rostock etwa, von hier geht sie diagonal südöstlich
durch das Land ; der nördliche Rand hält die Richtung auf Stettin inne.
Die Küste hat drei bemerkenswerte Einschnitte: die Bucht von Wismar,
den Breitling als Mündungsgebiet der Warnow und den reichgegliederten
und durch die Halbinseln Dars und Zingst abgegrenzten Saaler Bodden
und (Jrahow.
Zwischen dem Mündungsgebiet der Trave, dem Pötenitzer Wiek und
Dassowcr See einerseits und der Bucht von Wismar anderseits dehnt sich ein
als stumpfe Halbinsel vorspringendes hügeliges Land, der KlützerOrt, aus, der
mit seinen bis 40 in hohen Hügeln in die nächste Nähe des Meeres tritt und
von diesem schon stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Dahinter folgt
die Bucht von Wismar, deren westlicher Küstenrand selbst wieder starke Aus
huchtungen zeigt. Line sehr gewundene Zufahrtstrafse führt in den innersten
Teil der Bucht bis Wismar. In ihrer östlichen Hälfte liegt die Insel Poel, die
durch den Breitling vom Festland getrennt ist. Das Salzhaff gliedert weiterhin
die Halbinsel Wustrow ab. Dahinter tritt wieder der Höhenrücken an das Meer,
Steingeröll erfüllt den Strand; besonders der Heilige Damm von 272 k"1 Länge
und .1 5 m Hohe ist ein aus lockeren Geröllmassen längs des Ufers auf-
gehäufter natürlicher W all. Der zweite gröbere Küsteneinschnitt ist der Mün
(lungsgolf der Warnow, die sieh hinter Rostock seeartig verbreitert und kurz
vor der Mündung den sog. Breitling bildet. Die Küste ist im weiteren dann
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*m*r*yZfj;jp ,.^i7ffi^*ir** * • •' ""w r™- -V-t?T ^^V"ti> V'^*':, iv"»™!"»
■ «
122 L Physische ( u-ojrraphie.
flach, binnenwärt!* auch von Moorbildungen begleitet. Eine der tiefsten und
an den Ufcrrandcrn zerrissensten Buchten wird dureb eine merkwürdige Halb-
insel vom offenen Meere abgetrennt. Die vom Breitling an geschlossen fort-
streiebende Küste gliedert bei Neubaus eine anfangs sehmale Halbinsel, das
Fischland, ab, die sich dann zur Halbinsel Darfs verbreitert; naeb (). läuft
letztere in die sebmalere Halbinsel Zingst (Sinxt, Cint/st) aus. l>iese zusammen-
hängende Halbinselkette war ehedem in Inseln aufgelöst und ist erst in
historischer Zeit zu einem ( ianzen zusammengeschlossen worden. So zeigte das
Fischland in der (legend der zum Saaler Bodden gerichteten Bucht 1'ertnin bis
1610 noch eine Lücke. Nördlich bei Ahrenshoop war eine Verbindung mit
dem Meere bis 1455 vorbanden. Anschwemmungen haben diese Öffnungen ge-
schlossen, wie das ähnlich bei Darfs und Zingst der Kall war. Der sog. Prerow-
strom zwischen beiden ist z. T. künstlich beseitigt worden (1874). Der nörd-
lichste Vorsprang von Darfs. der Darfser Ort, ist im Laufe von anderthalb
Jahrhunderten um 900 m seewärts durch Alluvionen gewachsen. Aber gröfsere
Sturmfluten haben das Aufgebaute z. T. wieder zerstört, und besonders hat
jene von 1872 verderblich gewirkt.
49. Rügen. Der Küste Vorpommern ist eine Insel vorgelagert,
die hinsichtlich der horizontalen Küstengliederung ihresgleichen unter
den Inselländern der Erdo sucht. Wahrend der gröfsere südliche Teil
der Insel kompaktere Formen zeigt, ist der nördliche durch den tief
eingreifenden Jasmunder Bodden in merkwürdiger Weise zerrissen. Der
Bodden gliedert eine aus zwei gröfseren Landkomplexen bestehende
Halbinsel ab. von denen der nördliche die Halbinsel Wittow mit einem
südwestlichen Ausläufer, dem Bug, bildet, Wittow hängt durch einen
nehrungsartigen Landstreifen, die Schabe, mit der zweiten Halbinsel
Jasmund zusammen und diese hinwiederum in ähnlicher Weise durch
die sog. Schmale Heide mit dem Hauptkörper der ganzen Insel. Durch
Wittow und Jasmund werden nach aufsen zwei flache Golfe geschaffen,
das Tromper und das Prorer Wiek. Bildet auch der südlich«' Teil eine
mehr geschlossene Landmasse, so ist doch seine Küstenlinie nicht weniger
zerfranst, besonders im N. Wittow gegenüber und im S., wo die Halb-
inseln Zudar und .Mönchgut weit hervortreten. Wie das Vorgebirge
Arkona den nördlichsten Punkt der Halbinsel Wittow, so bildet Stubben-
kammer den östlichsten von Jasmund. Die an ihren Rändern meist
flache Insel erhebt sich hier in den blendend weifsen und mit prächtigem
Buchenwald bedeckten Kreidekalkfelsen bis zu 133 m (Königstuhl). Das
von Trütnmergesteinen gebildete Geröllvorlaiul wirkt wie ein natürlicher
Wellenbrecher und hält die Brandungswoge von der Steilküste fern. Den-
noch aber ist auch Rügen durch das Meer schon stark mitgenommen
worden, liier hat sich eine schmale, langgestreckte Sandinsel Hidden-
seo noch erhalten, die unter den von W. her kommenden Sturmfluten
immer besonders zu leiden hatte.
Die 967 qkm grofse Insel Rügen tritt erst im Mittelalter unter diesem
Namen auf. Mit dein in Pommern ansässigen, bei Tacitus genannten Volk der
liugier hat er nichts zu tun. Vielmehr steht der Name in engsten Beziehungen
zu dem späteren slaviseben Volksstamin der Ranen, Runen oder Rujanen. Vgl.
hierzu Adam IV. 1H, Hehnold I, 2. Das Seholion 117 zu Adam: Reune insula
est Runornm. Andere Formen des Inselnamens sind : Rur/in, Ritia, Rugien, Ruyen.
Den Grund und Boden der Insel setzen Gebilde der «»bereu Kreideformation»
des Diluviums und Alluviums zusammen, wogegen das Tertiär nirgendwo an-
50. < )Mt>oi'kuKlt* von Tömmern.
stehend gefunden wird. In telefonischer Beziehung haben wir es niit einem
Schollengebirge im kleinen zu tun; die Dislokationen sind verhältaisroafeig
jungen Alters (Interglacialzeit). Die ganze Hodenplastik ist hierdurch bestimmt,
doch hat auch die Eiszeit ihren Kinllufs auf die Landschaft ausgeübt, wenn
auch EndmoränenzQge auf <ler Insel nicht nachgewiesen werden konnten. Noch
nach der Eiszeit hatte die Insel mit dem Festlande in Zusammenhang gestanden ;
eine Senkung führte zur Lostrennung und Auflösung in mehrere Inseln, die
aber durch marine Anschwemmungen wieder einen einheitlichen Inselkörper
herstellten. — Auch die 18 km lange Insel Hiddensee mit dem 72 m hohen
Hakenberg auf der Halbinsel Dornbusch im N. war ein Teilstück von Rügen
gewesen, im Jahre 1308 aber durch eine Sturmflut von ihm losgetrennt worden.
Im Jahre 1867 wurde das südliche Ende durch die Flut abgetrennt; auch die
Sturmflut von 1872 hatte ebenso der Insel übel mitgespielt. Durch Schutz-
bauten sucht man sie jetzt gegen neue Katastrophen zu schützen. Die amt-
liche Schreibweise Hiddensee wird mit Recht angezweifelt. Richtiger ist Iii* l-
densöe, d. h. die Insel des Königs Hithin (nach Haas). — II. Credner. Rügen,
eine Inselstudie, Stuttg. 1893. Haier, Die Insel Rügen nach ihrer archäologischen
Bedeutung, Stralsund 188l>. A. Haas, Die Insel Hiddensee, Stralsund 189f>.
Seidel, Spaltenbilduug und Landverlust auf Hiddensöe, Globus 1899. Bd. 75,
mit Karte und Abbildung.
50. Ostseckiistc von Pommern. Zwischen Rügen und dorn Fest-
lande dehnt sich das weite, aber flache Prohner Wiek aus, welches sich
nach SO. hin zu dem engen Strelasundc verjüngt, der stellenweise nur
l1/-, km breit ist. Weiterhin öffnet er sich wieder zum Greifswalder
Bodden, einer i) — 10 rn tiefen, durch die SO. Küste von Rügen und das
Festland rundlich abgeschlossenen Bucht, die nach < >. geöffnet ist. hier
aber durch eine flache, submarine Bodonsehwelle von Usedom nach
Mönchgut hinüber die bequeme Zugänglichkeit erschwert. Die Insel
Rüden und die Greifswalder Oie gehören dieser Schwelle an. Die
offene Seeküste setzt sich dann in den beiden Inseln Usedom und Wollin
fort, welche das Mündungsbecken der Oder, das Grofse und Kleine Haff
abschließen. Zeigen diese Inseln nach aufseu hin auch eine geschlossene
Uferlinie, so sind sie nach der Innenseite sehr stark zergliedert; beson-
ders gilt dies von Usedom. Beide Inseln haben zwar einen diluvialen
Kern, sind aber erst durch Anschwemmungen zu grösseren Inselländern
zusammengezogen worden. Das Achterwasser reicht weit in die Insel
Usedom hinein; ein Dünenzug verbindet den nördlichen und südlichen
Teil der Insel. Er ist sogar nur ein künstliches Produkt und bei heftigen
Sturmfluten, wie jener von 1^72, auch schon durchbrochen, dann aber
von neuem künstlich befestigt worden. Von den drei Ausgängen, die
• las Haff zum Meere besitzt, war die I'eene ehemals eine von Schiffen
viel frequentierte Strafse. die wegen ihrer geringen Wassertiefe (vielfach
nur 'i m) den heutigen Ansprüchen natürlich nicht mehr genügt. Das
gleiche gilt von der östlichen Ausgangsstralse , der Diovenow. die an
der Mündung sogar nur l'/o m tief ist und daher auch in früherer Zeit
schon die Schiffahrt einschränkte. Heute hat sich der Hauptverkehr der
Swine zugewendet. Sie bildet sswischen Usedom und Wollin freilieh eine
sehr gewundene, flufsart ig verengte Wasserst rafse. Der Durchstich durch
die östlich vorgeschobene Halbinsel von Usedom, die sog. Kaiserfahrt, hat
aber die ungünstigen natürlichen Verhältnisse sehr wesentlich gebessert.
124
J. Physische < ionyraphlc.
Jenseits der Dieveuow ändert sieh der Charakter der Küste. Statt
der vielen Einschnitte des Meeres, der Bodden. Wieke, Haffe etc., tritt
in Hinterponiniern eine geschlossene, in sanfh'ii Wellenlinien dahin-
ziehende Küste auf. Sie zeigt ihrer natürlichen Beschaffenheit nach in
den einzelnen Küstenstrecken mancherlei Unterschiede; bald tritt das
hier allerdings sehr niedrige Plateau in Gestalt von Steilküsten an das
Meer, bahl ist die Küste wieder auf grofse Strecken hin von Dünen-
zügen hegleitet. Diese beiden Kxtreme, die auch Übergangsformen zeigen,
wechseln mehrmals miteinander ab. Als diluviale Steilküsten sind
folgende Strecken charakterisiert: von Hoff bis Horst, eine Strecke bei
Jershöft, die sog. Korden bei Rowe und eine vierte Strecke am Rixhüft.
Hier steigt das durch die Meeresbrandung erzeugte Steilufer oft bis zu
30 m Höhe an. Neben diesen allerdings nur kurzen Steilrandküsten
(im ganzen 14 km) wiegt die Dünenküste entschieden vor. Sie ist ein
Produkt der Tätigkeit des Meeres, welches das an den Steilrändern los-
gelöste Material in anderer Form wieder absetzte. Der an den Strand
geworfene Sand wurde dann von den Winden zu Dünenwällen aufge-
häuft (zu Höhen bis 45 in), die wegen ihrer lockeren Aufschüttung, falls
sie nicht künstlich befestigt werden, durch Winde auch weiter landeinwärts
getragen werden können und sog. Wanderdünen bilden. Da die allge-
meine Luftbewegimg eine von W. nach (). gerichtete ist. so werden die
dem Westen ausgesetzten Küstenlinien solche Dünenbildungen am vor-
züglichsten zeigen. Beim Rixhüft biegt aber die Küste der Danziger
Bucht scharf nach S. um; die Dünenbildung setzt infolge« lessen am
Strande selbst aus; doch läi'st sich der Dünenzug in der Halbinsel Heia
weit in das Meer hinaus verfolgen. Für die hinterpommersche Küste
sind die vielen Strandseen charakteristisch : der Kamp , Jamundsche.
Buckowsche, Vitter-, Vietzker, Gardesche, Leba- und Sarbsker-See. Es
sind ehemals Haffe gewesen, die durch eine mehr «»der weniger schmale
Nehrung vom offenen Meere abgeschlossen wurden und vielfach sumpfige
Uferränder halten. Entweder sind sie vollständig vom Meere abge-
schlossen, oder sie stehen «lureh ein«'ii sich oft verändernden Abflufs
mit ihm in Verbindung.
Die Zerstörung d«T Küsten seitens «les Meeres ist in der historischen Zeit
«h utlich erkennbar. Die b«-sonders «lein Angriff des Meeres ausgesetzten Stellen,
wie Arkona, die CireifswaMer Oie u. a.. haben natürlich den gröfsten Land-
verlust erlitten ; in einem Jahrhundert betrug er 300 — 400 in und an der
Hommerschen Küste 30—300 ni. Die alte Kirche hei Hoff liegt hart am Plateau-
rand, «ler ehemals viel weiter seewärts vorreichte und in ti2 Jahren um 38 Fufs
durch «las Meer zurüekverlegt werden ist. D<t beiliegende Kirchhof ist ganz
und gar aufgewühlt wurden. — Der (»rcitswahler Bodden mufs an der Ostseite,
von Mönchgut bis Isedom hinüber, während der ersten Hälfte «ler Alluvialzeit
geschlossen gewesen sein, wie die submarinen Sehwellen noch andeuten. Dafs
«liese handbrücke aber mich in historischer Zeit bestanden hätte, hat sich durch
nichts erweisen lassen. — Die Oreifswalder Oie hiefs 1282 Snantr Wostroe,
1292 Sien ii h WmttffhttSfH.
Das Hall der Oder hat als Wasserbecken bereit« in der Diluvialzeit
existiert. Hei «lein Abschmelzen des grofsen (iletschers bildete sich hier ein
Stausee, dessen Wasserfläche über das gegenwärtige Hecken aber weit nach <).
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51. OatseekQMte von l'reul'sen. 125
und \V. hinausreichte. Die Tiefe des Haffes beträgt im Durchschnitt DUr7m;
ilen östlichen Teil bildet das Grobe Half, den westliehen noch Haeheren das
Kleine Haff. — Die Insel Usedom (408 qkm) heifst bei Herburd (Vita Ott,
episc.) Vxnoimia; auch Vnxnoimia und Vznoimia treten als Varianten auf: bei
Helmoki II, 4: Vzna; im XV. Jh. Usedum. Die andere Insel, W o 1 1 i n (245 qkm
grofs). führt diesen echt slavischen Namen nach der Stadt am östlichen Küsten-
rande. Dafs an der offenen Seeküste das Meer erheblieh vorgerückt ist, be-
weisen die Kiffe und Sandbänke vor den beiden Inseln: die Zinnowitzer Bank,
das VinetarilY und die Koserowbank. Mit dem Damerower Steinriff wird
die Vinetasagc in Verbindung gebracht. Die älteste Form findet sich hei Adam
von Bremen IL, 19, der an der Mündung der Oder die reiche Handelsstadt
Jumw nennt. Helmold berichtet dann zuerst (Chron. Slav. II, 2j. dafs sie, die
er Jnmneta nennt, von einem Dänenkönige zerstört worden sei. Später wurde
die Legende von dem fabelhaften Reichtum der Stadt und der hierdurch hoch-
fahrend gewordenen gottlosen Bevölkerung weiter ausgebildet; zur Strafe sei
sie von üott durch eine Sturmflut in das Meer versenkt worden. Doch wären
ihre Ruinen noch auf dem Boden des Meeres zuweilen zu erkennen. Es liegt
hier augenscheinlich nur eine Verwechslung mit jener Stadt Jumne {Jumneta) vor,
die bei Herbord Jtäiniim heifst und das heutige Wollin ist. Man nimmt an,
dafs Vineta nur aus einem Abschreibefehler aus JmitueUi entstanden sei. Seit
dem XV. Jh. untenschied man zwei Städte, Julin und das untergegangene Vincta,
und suchte letzteres infolgedessen an einer ganz anderen Stelle, in jenem Riff
bei Damerow.
Die ausführlichsten Arbeiten über Pommerns Küsten, in welchen auch
den in geschichtlicher Zeit eingetretenen Veränderungen die gebührende Be-
rücksichtigung zuteil wird, sind von P. Lehmann, Pommerns Küste von
der Dievenow bis zum Darfs, Breslau 1878, und Ders., Das Küstengebiet Hinter-
pommerns, Z. Gef. Ekde., Berlin 19 (1884), 832—404. Bornhöft, Der Greifs
walder Bodden, II. .Iber, geogr. Ges. Greifswald 1883—1884. Girth, Die Halb-
insel Heia, Danzig 1891.
51. Ostseekilste von Preufsen. Vom Rixböft an zieht die Küste
in zwei kurzen Rogenlinien weiter; sie bildet zwei flach eingesenkte
Buchten, die teils vom Festland, teils von schmalen Nehrungen umsäumt
sind. Hinter den Nehrungen breiten sich zwei flache Haffe aus, die das
Mündungsbecken von gröfseren Flüssen bilden. Beide Küstenbogen
zeigen jedenfalls eine auffallende Gleichheit in der Gesamtanlage. — Die
Danziger Bucht, die vom Rixböft bis zum Brüster Ort reicht, ermangelt
aus dem oben angegebenen Grunde im W. der Düuenzüge. Hier tritt
vielmehr auf der Strecke bis Danzig der Baltische Höhenrücken bis an
die Küste heran. Erst bei Neufähr fangen die Dünen wieder an und
ziehen fast ohne Unterbrechung in die Frische Nehrung weiter. Die
ganze Bucht ist das Mündungsgebiet der Weichsel, denn die Austlufs-
stellen dieses grofsen Stromes umfassen sozusagen die ganze Küsten-
strecke von Danzig bis Pillau. Nachdem die Weichsel den Baltischen
Höhenrücken durchbrochen hat, teilt sie sich bei der sog. Montauer
Spitze und bildet zwei Hauptarme, die ein flaches, äufserst fruchtbares
Alluvialland, das Werder oder die Niederung, durchfliefsen. Es war
ehemals eine öde Sumpflandschaft gewesen, die durch die alljährlichen
Überschwemmungen stets feucht erhalten wurde. Erst die durch den
Deutsch ritterorden am Ende des XIII. Jh. vorgenommene Eindeichung
der Weichselarme hat die Kultivierung des Deltalandes ermöglicht. Von
den beiden Mündungsarmen bildet den rechten die Nogat, die, in das
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12G
I. I'liysiM-ho ( leojrraphto.
Frische Haff führend, der Hauptuiündungsarm der Weichsel einstmals
gewesen zu sein seheint ; der andere linke Arm. die Weichsel im engeren
Sinne, teilt sich, ehe sie das offene Meer erreicht, nochmals, indem der
linke Arm. die Danziger Weichsel, an der Stadt vorüberfliefst, während
der rechte, die Elhinger Weichsel, ebenfalls in das Frische Haff mündet.
Letzterer hat freilich nur eine untergeordnete Bedeutung, und da dieser
Arm. wie auch die Nugat, sich kurz vor der Mündung nochmals stark
verzweigen, so finden sich an dieser Südwestecke des Haffes zahlreiche
Mündungsstellen, deren man im Jahre 1874 etwa 44 zählte. Wie
hier die Abflufs Verhältnisse steten Veränderungen ausgesetzt waren, so
nicht minder bei der Danziger Weichsel. Dieser nach W. sich wendende
Hauptarm geht nördlich an Danzig vorüber, wo er noch durch die
Mottlau verstärkt wird, und mündet bei Neufahrwasser. Schon oberhalb
Danzig hat sich der Strom an einer Stelle bis auf 1 km dem Strande
genähert. Der Gedanke, an dieser Stelle einen Kanal zu graben, wurde
erfüllt, als der Kluis beim Eisgang 1840 diesen Isthmus durchbrach und
die neue Mündung bei Neufähr schuf. 1 >er alte nach Danzig führende Arm
ist durch «Ii«? Plehndorfer Schleuse abgeschlossen worden. Um der Weichsel
einen schnelleren Abflufs zu ermöglichen, was besonders bei schweren
Eisgängen erforderlich ist, hat man 1X90— 1895 unterhalb der Teilungs-
stelle der Danziger und Elbinger Weichsel einen neuen Kanal angelegt,
der mit 7V2 km Länge direkt zum Meere führt und bei Schievenhorst
mündet.
Das Frische Half war vordem weit gröl'ser als gegenwärtig, denn
die Alluvionen der Weichsel haben die ganze südwestliche Ecke bereits
ausgefüllt. Nogat und I'regel haben heute nur die eine Ausgangsstelle
durch die Nehrung bei Pillau. Doch haben die Öffnungen im Laufe
der geschichtlichen Zeit m«>hrfach gewechselt. Die rechteckig gestaltete
Halbinsel des Samlandes trennt das Frische vom Kurischen Haff.
Di«- vorgelagerte Nehrung mit ihren Dünenzügen trägt das gleiche Aus-
sehen wie die Frische Nehrung, und die Wanderdünen haben sich auf
ihr noch unangenehmer bemerkbar gemacht. Auch auf ihr haben die
Mündungsstellen gewechselt. Das weit grüfsere und auch etwas tiefere
Kurische Haff nimmt den Memel oder Njemenstrom in sich auf. Unter-
halb Tilsit teilt er sich in die beiden Hauptarme Rufs und Gilge, «lie
ein fruchtbares Deltaland einschliefseil. Trotz der zahlreichen kleinen,
nicht schiffbaren Wasseradern innerhalb «les Deltas ist eine Kanalver-
bindung von «1er Dehne nach der Gilge hinüber nötig geworden (Fried-
richsgraben. Seckei iburger Kanal).
Das Frische Haff hat eine Gröfsc von 8G0 qkin und «ine Tief«- von
nur 3 — 5 m. Eigenartig ist der Name. In dein von König Aelfred (Orosius I,
1, 20) mitgeteilten Bericht «les Seefahrers Wulistan helfet es, dafs die Weichsel
nordwestlieh von dem Estuiere ins Meer gehe. Hiernach kann unter dem
Estiner«' nnr «las Frisch«- Haff gemeint sein. Vgl. Möllenhoff, DA. II, 13. Die
Benennung Irisch' wir«l mit «lein holländischen rersch — süfs in Zusammenhang
gehrai ht und sei von den holländischen Kauffahrern gegeben worden; «las Haff hat
Süfewasser. Die .r>2 km lange Dünennehrung hat ehedem verschiedene Öffnungen,
sog. Tiefs, gehabt. Im Anfang des XIV. Jh. existierte ein Durchgang nördlich
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T)1. I »NlKCoküste von IVcufsen.
127
der Nogatmündung bei Vogelsang. Eine zweite Passage öffnet«' sich dann am
nördlichsten Ende der Nehrung bei Lochstadt. Durch Sandanhäufungen wurde
sie 1393 wieder geschlossen, und statt ihrer entstand ein neues Tief in der
Mitte bei Rosenberg. Die auf Elbing eifersüchtigen Danziger Kaufleute ver-
senkten an dieser Stelle mehrere Schiffe und führten so eine Versandung und
Sehlicfsung der Passage herbei, hn Jahre 1455 öffnete sieh weiter nördlich
ein Ausgang gegenüber Balga , der von den Danzigern in derselben Weise
geschlossen wurde. Erst die Sturmflut des Ii). September 1510 schuf das Neue
Tief bei Pillau, welches seitdem als Ausgangsstelle gesichert ist.
Das Sa ml and (Sambia in den Miracula s. Alberti. Saiubita, Zambia,
Semkind [bei Adam], Sanüandia 1220) ist « ine im 0. mehr ebene, im W. hügelige
Diluvialplatte, die binnenwarts durch den Pregel und die bei Tapiau sich von
ihm abzweigende und zum Kurischen Haff führende Deime abgeschlossen wird.
Das sog. Alkgebirge mit dem 110 m hohen Galtgarben bildet die höchste Stelle
der Platte. Nach W. und N. bildet sie eine prächtige Steilküste, deren nord-
westlicher Eckpunkt der Brüster Ort ist. Sie führt seit alter Zeit auch den
Namen der Bernsteinküste (vgl. über sie weiter unten).
Das Kurische Haff, nach dem Volksstamm der Kuren benannt,
1620 <|km grofs, hat an der Mündungsstelle bei Memel 7,5 m Tiefe, eignet
sich aber im übrigen auch nicht für den grofsen Schiffahrtsverkehr. Die 120 km
lange Nehrung ist von Dünen durchzogen, die bis zu 62 m Höhe erreichen.
Auch an ihr haben die Durchgänge aus dem Haff in das Meer öfters gewechselt.
Noch drei Stellen sind nachweisbar, wo Lücken im Dünenwall sich befanden,
die, um ein neues Durchbrechen zu verhindern, künstlich vervollständigt worden
sind. Auch hier sind die Wanderdünen für das an dem Haff gelegene Land
sehr verhängnisvoll geworden, da sie jährlieh um 6 m durch den Wind land-
einwärts, also in das Haff vorrückten und es versandeten. Die Kirche des
Dorfes Kunzen. die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts an der Haffseite
hinter der Düne lag und in den 30er Jahren vollständig vom Sande begraben
wurde, trat im Jahre 1868 mit ihrem Kirchhof und einigen Häusern vor der
Düne auf der Seeseite wieder hervor. — Die Kurische Nehrung wird zum ersten-
male in einer livländischen Heimchronik des XML Jh. erwähnt, wo sie schon
als Verkehrsstrafse benutzt wurde.
Licht, Die unteren Weichselniedeningen , Danzig ISIS. Lierau, Der
Dünendurchbruch der Weichsel hei Neufähr im Jahre 1840, Berlin 1892.
Zweck, Die untere Weichsel und ihre neue Mündung Schievenhorst, Dt. Rund-
schau f. Geogr. u. Stat. 18 (1895), 49 — Gl. Gelhorn, Die Mündungen der
Weichsel, Z. f. Schulgeographic 16. 289 — 300. Toe ppe n . Beitrüge zur Geschichte
des Weichseldeltas, Abhdlgn z. Landeskde. der Prov. Westpreufsen , Heft 8,
Danzig 1894 (sehr ausführlich und zuverlässig). — Die neue Mündung der
Weichsel, Anna), d. Hydrographie 23 (1895), 234 IT. — Die neue Weichsel
mündung, Globus 68 (1895), 14 1 ff. — Müller, Die Bcgulierung der Weichsel-
mündung. Zentralblatt der Bauverwaltung XV (1895), 13:5 — 139, 365 — 371.
Panzer, Die Verbindung des Frischen Haffs mit der Ostsee in geschichtlicher
Zeit, Altpreufs. Monatsschrift 18*9, S. 259 (Vortrag). Zern ecke. Der Dünen-
durchbruch bei Neufähr am 1. Febr. 1K40, Preufs. Prov. Bl. 23 (1840), 359.
Hase mann, (her die Verbindung zwischen Weichsel und Nogat im Jahre
1552, in Z. histor. Ver. von Marienwerder, 20. Heft (4886), S. 91. — Sommer,
Das Kurische Haff, Danzig 18S9. Berendt, Ocologie des Kurischen Haffs,
Königsberg 1869. Bezzen berger, Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner.
Stuttg. lHt$9. Bock, Die Vorgeschichte der Kurischen Nehrung, ihre Fest-
legung und Aufforstung, Königsberg 0. .1. :c 1897 . Passarge, Die Kurische
Nehrung, Königsberg 1871. Dicstel, Die Hälfe, Nehrungen und Dünen
an der Küste von Ostpreufsen . Globus 20 (1871), S. 102 ff. Jentzseh. ('her
die Gestaltung der preußischen Küste, Schriften der Phvs. -Ökonom. Ges. 28
(1887), S. 38 ff. Fofs. Die preußischen Ostseeküsten. Z.* f. allg. Erdke.. NF.
XI (1861). 247 ff. Frömbling, Die naturhistor. und forstwirtschaftl. Zustände
128
I. Physische (.feofgrapliie.
an den poMimersehen . west- und ostpreufs. Küsten des Baltischen Meeres,
Stettin 1*5*.
52. Nordsee und Ostsee. Zwei Randmeere geben Mitteleuropa im
N. einen bestimmten Abschluls. Sie sind, verglichen miteinander, sehr
verschieden hinsichtlich ihrer physischen Beschaffenheit, und entsprechend
verschieden ist der Einflufs, den sie auf die Küstenlandschaften ausgeübt
haben; aber auch in kulturgeographischer Beziehung haben beide für
jene Länder im Laufe der Geschichte jeweilig eine verschiedene Bedeu-
tung gehabt. Schon in ihrem Verhältnis zum offenen Weltmeer weichen
sie voneinander ab. Die Nordsee ist nur notdürftig durch die britische
Insel von ihm abgeteilt und steht im S\Y. durch den Englischen Kanal,
im N. zwischen Schottland und Norwegen in freier Verbindung mit dem
Ozean; sie ist ein insular abgeschlossenes Meer und zeigt daher viel
ozeanische Eigentümlichkeiten und Erscheinungen. Die Ostsee hingegen
ist ein Binnenmeer, sie greift tief in die Kontinentalmasse hinein und
steht durch drei schmale Meereskanäle in oberflächlicher Verbindung
mit der Hochsee. Gegenüber dem Mittelländischen Meere, welches
Beckensenkungen bis zu 2 — 3000 m und Maximaltiefen bis 4000 m hat,
stellen Nordsee und Ostsee nur sehr Hache Meeresbecken dar, denn die
mittlere Tiefe der Nordsee beträgt nur $9 m, jene der Ostsee 67 m.
Innerhalb des Nordseebassins bildet «He Doggerbank zwischen dem 54.
und ">6. Breitengrade ein submarines Plateau bis zu 30 m Tiefe. Zwischen
ihr und der Festlandsküste Mitteleuropas werden nur selten einmal
Tiefen über 60 m hinaus gelotet. Kaum anders liegen die Verhältnisse
in der Ostsee, die besonders im westlichen Teil von Rügen an nirgends
mehr Tiefen von 60m aufweist; weiter ostlich, über Bornholm hinaus,
ändern sieh aber die Tiefen, und hier sind besonders die lokalen Boden-
senkungen charakteristisch. So finden sich im NO. der genannten Insel,
ferner unmittelbar nördlich der Danziger Bucht, Beckeneinsenkungen von
über 100 m vor, die man an unserer Nordseeküste vergebens suchen würde.
Weitere Verschiedenheiten zwischen den beiden Randmeeren er-
geben sich aus ihren Lageverhältnissen zum Ozean. Hierzu gehört der
Salzgehalt des Wassers, der in der Nordsee im Mittel 3,3 °/0 beträgt,
während das Ostseewasser in der Kieler Bucht an der Oberfläche nur
1,62%, bei Rügen 0,93 und bei Heia 0,75 °/„ aufweist. Von noch gröfserer
Bedeutung sind die Erscheinungen von Ebbe und Flut, die in der
Ostsee ganz minimale sind, in der Nordsee dagegen täglich eintretende
Vorgänge bilden, die die physische Beschaffenheit des Küstengestades
ebenso wie das wirtschaftliche Leben, Siodelungs- und Schiffahrtswesen
beherrschen und regeln. Die offene Lage der Nordsee bedingt auch die
gröfsere Heftigkeit der Sturmfluten mit ihren furchtbaren Katastrophen,
während die Küsten der verhältnismäfsig ruhigeren Ostsee zwar aueh
durch die Eingriffe des bewegten Wassers ihre gegenwärtige Gestaltung
erhalten haben , aber doch nur höchst selten so plötzliche und tief-
greifende Veränderungen erfuhren. Die kontinentale Abgeschlossen-
heit ihres Beckens hat alle grofsartigen ozeanischen Erscheinungen er-
heblich abgeschwächt.
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52. Konluec und OstHec. 129
Der Name der beiden Meere in den ältesten Zeiten ist in Verbindung
mit den jeweiligen Kenntnissen zu erörtern, die man von der Existenz und
der geographischen Lage beider hatte. Die Griechen hatten von dem Vor-
handensein der Ostsee noch keine Ahnung, wenn auch ein Handel von Hand
zu Hand mit den Produkten jenes Meeres bis nach Griechenland hin schon
frühzeitig bestanden haben mufs, wie wir später noch sehen werden. Auch die
Römer kannten sie nicht aus eigener Anschauung, waren aber doch mittelbar
über sie unterrichtet. Pvthcas von Massilia war s. Z. nicht mehr bis zur Ost-
see gelangt. Die Römer waren auf dem Kriegspfade nur bis ins Kattegat ge-
kommen. Hierauf weist die Flottenfahrt des Tiberius im J. 5 n. Chr. hin
(Vellej. Paterc. II, 106), ferner die Notiz im Monument um Ancyranum: Classis
mea per (keamim ab ostis Rheni ad solis orten tis regionem nsque ad fines Cimbrorum
navignrit. und Plinius II. 167: Septentrimialis vero Oceanm maiore ex parte navi-
gafns est auspieiis divi Augusti, (iermauiam elasse eircumveeta ad Cimbrorum pro-
munturium et inde inmenso man prospeefo auf fama eognito Srythicam ad plagam et
umore nimio rigentia. Diese drei Berichte scheinen auf dieselbe Tatsache hinzu-
weisen; vgl. Möllenhoff DA. IV. 45,431 f., 496. Die Kenntnis der eimbrischen
Halbinsel, die bei Ptolemäus allerdings mit nordöstlicher Richtungsachse an-
gegeben ist, inufste eine Teilung des germanischen Küstenmeeres nahe legen.
Ptolemäus spricht daher II. 11, 1 von dem rtg^unxog Mxtawg und 111, 5. 1
von dem 2?uQftarixiu fttxnw/tg mit dem Ovtvtdixoc xoknoc (Wendischer Meer-
busen). Rei Plinius IV. 103 wird die Nordsee ebenso Mare ttermanicum ge-
nannt und die Ostsee bei Tacitus, denn. 45 Mare Suevicum; für jene findet sich
bei spätrömischen Schriftstellern auch Mare Cimbricmn (Claudian 26, 335).
Mela III, 3 und 6 tut auch noch eines Sinus Codanus Erwähnung, der jenseits
der Elbe (super AlbimJ gelegen wäre, angefüllt mit grofsen und kleinen Inseln,
unter denen Codannoria (— Seadinavia) die fruchtbarste und gröfste wäre. Auch
Plinius IV, 96 beschreibt diesen Husen, der nach ihm zwischen dem Möns
Saevo «lern Skandinavischen Hochgebirge) und dem Cimbrischen Vorgebirge
(K. Skagen) sich ausdehnen sollte mit der Insel Seatinavia. Der ganzen Situation
entsprechend können hier nur Skagerrak und Kattegat diesen Sinus immanis
bilden.
Im Mittelalter treten für diese Meere ganz andere Namen auf. Die Nord-
see wird bei den älteren Chronisten sehr häutig Britannischer Ozean genannt;
besonders oft bei Adam von Bremen, bei dem sie auch einmal (IV, 1) Friesischer
Ozean heifst. Nebenbei bediente man sich aber der allgemeineren Bezeichnung
Westlicher Ozean, von «lern die Nordsee nur ein Teil war; Oeeanus oveidentalis
bei Einhard v. Car. c. 12, Adam IV. 10, Helmohl 1,1. Diese Bezeichnungsweise
hat auch sehr lange bestanden, und noch gegenwärtig ist sie bei einigen Na-
tionen die übliche. Die Normannen nannten sie Vestur Veg. die Dänen heute
Vexferltaeef, die Schweden Ve.stcrhaJ ret : bei König Alfred heilst sie Vestsae, bei
Regino und dem Annal. Saxo alts. Westarsalt, dem ein OstarsaU gegenübersteht.
Westsee und Ostsee sind vom Standpunkt der Jütischen Halbinsel und Skandi-
naviens auch durchaus verständlich. Die Bezeichnung Nordsee deutet auf
einen entsprechend anderen Ursprungsort hin. Bei Rudolf von Ems (Diu-
tiska 1, 62) wird sie das Sortmeer genannt, in der Braunschweigischen Reim-
ehronik a. 1265: Nordersee, bei den Friesen an der Ems und Weser KorthJief,
und auch den Holländern mufste diese Benennung die naturgemäfsc sein, so
dafs sie ihr eine Zniderzee gegenüberstellten.
Weit mannigfaltiger sind die Namen für die Ostsee gewesen. Schon
bei Adam treten für sie vier verschiedene Namen auf: Baltisches Meer, Bar-
barisches Meer, Skythisches Meer und Östliches Meer (IV, 10, 11, wo eine Be-
schreibung der See z. T. nach Einhard gegeben ist; II, 15). Der Name Bal-
tisches Meer, später auch Beltenmver, wird von Adam von halteus abgeleitet, weil
es sich wie ein Gürtel »durch die skythischen Gegenden nach Griechenland
hin erstrecke«. Ebenso töricht sind die Vermutungen moderner Forscher
KretBehmer, Historische Geographie. 9
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130
I. Physische Geographie.
gewesen, »Ii»' ihn mit der phönikisehen Göttin Baltis in Verbindung brachten.
Eher scheint er mit dem lettischen Worte baltas = weife zusammenzuhängen.
Noch heute bezeichnen die Letten die Ostsee als Baltas juras, das Weifse Meer.
Die bei Plinins IV, 95 genannte Inada Baicia hat nichts mit dem Baltischen
Meere zu tun, niuls vielmehr in der Nordsee gesucht werden (Möllenhoff DA. [t
476 ff.). Heute ist Baltisches Meer nicht mehr die übliche Bezeichnung, sie ist
durch Ostmeer (Mare Orientale!, Ostsee verdrängt worden. Im Orosius König
Alfreds heilst sie schon Ostsae; in den Annales Einhardi a. 808: Ostrasalf
(< >stl. Salzniccr). Nebenbei wurden aber auch einige Teile der Ostsee mit be-
sonderen Namen belegt, ohne sie auf das ganze Meeresbecken beziehen zu
wollen. S<> wird in einer Urkunde Ottos I. (1)46, 9. Mai) das Mare liuyianonun
genannt, unter welchem nur jenes im Bereiche von Rügen selbst gemeint sein
kann. Ebenso hat das Estniere König Alfreds, d. h. das Meer der Aisten, nur
ein«' lokale Bedeutung gebäht; Müllcnhoff II, 13 vermutet in ihm sogar nur
das Frische Haff. Bei dem russischen Chronisten Nestor wird sie Warägisclies
Meer genannt. Eine eigentümliche Benennung begegnet noch bei Adam (IV, I),
nach welchem Kaiser Otto bis zum äufsersten Meere von Wendila gekommen
wäre, welches »bis auf den heutigen Tag Ottinmnd genannt winde. An anderer
Stelle (11, 3) spricht er nur von dem äufsersten Meer, welches Otto auf seinem
Zuge durch Jütland erreicht ; »es trennt die Nortniannen von den Dänen« und
heilst Ottensuml (!) Das Meer von Wendila kann hiernach nur das Skagerrak
und Kattegat gewesen sein, zumal Adam (IV, 4) auch von einer Insel Wendila
spricht, die vor der Insel Fune (Fünen) im Barbarischen Meer gelegen sei.
Den Namen hat man mit dem Bezirk, «lern Vensyssel in Nordjütland jenseits
des Lijmfjords, in Verbindung gebracht. In deutschen Dichtungen ist mehrfach
von einem Wentilmere, Wendeln' die Rede. Müllcnhoff (IV, 666) definiert es als
enflilnwri, wo die Welt zu Ende ist und wo man umkehren mul's, wie bei dem
Vcndilskagi in Jütland, ohne dafs er aber auf jene Stelle bei Adam IV, 1 hin-
weist. Letzterer hält das Wendilmeer für gleichbedeutend mit dein Ottcnsund;
unter diesem aber hat man wohl den Lijmfjord zu verstehen. Vgl. oben p. 117.
Die Hegrenzimg des Nordseebeekens ist durch die umliegenden Länder
gegeben; fraglicher ist sie nach der offenen See hin. Praktische Zwecke, spe-
ziell die Hochseefischerei betreffend, waren es, welche zu einer Vereinbarung der
sechs Nordseemächte 1882 führte, welche folgende konventionellen Grenzen
festsetzten: Der 61. Breitengrad bildet die Nordgrenze der Nordsee bis östlich
zur norwegisehen Küste, diese südwärts bis K. Lindesnaes, von dort eine gerade
Verbindungslinie nach Hanstholm (dem vorspringenden nordwestlichen Eck-
punkt von Jütland). dann der Festlandsküste entlang bis zum Gris Nez in Frank-
reich, quer über den Kanal nach South Foreland in England, der englisch-
schottischen Küste entlang bis zum Dunkansby Head und von hier aus in
geraden Linien nach bestimmten Inselchen der Orkney- und Shetland-Gruppe
bis zurück zum 61. Breitengrad. — Die Flutwellen der Nordsee dringen von
N. und SW. durch den Englischen Kanal in das Becken ein und lassen sich
in ihrem stündlichen Fortschreiten verfolgen. Der Flutwechsel beträgt im
Mittel .3,3 m, ist aber an den einzelnen Küstenstellen sehr verschieden, wie auch
an einem bestimmten Punkte erhebliche Unterschiede zwischen Spring- und
NippHuten zu verzeichnen sind. Das bedeutendste Hochwasser findet sich bei
Wilhelmshaven mit 3,5 m, bei Bremerhaven 3,3 m, Emden 2,8 m. Brunsbüttel
3 ra, Hamburg 1,8 m, an der dänischen Küste 1 — 1,5 m, an der holländischen
3—5 m. Die Fluthöhen gehen aber unter der Mitwirkung von Nordweststünnen
weit über die normalen Höhen hinaus. Sturmfluten erreichen dann infolge
des Wasserstaues bis zu 7 m Höhe und ziehen das flache Küstengestade in
empfindlichem Mafse in Mitleidenschaft, wie in den vorhergehenden Abschnitten
gezeigt worden ist.
Auch bei «1er Ostsee sind Sturmfluten häutig mit verderblichen Folgen
zu beobachten, nur steigt hier das Wasser niemals zu so bedeutenden Höhen
an. Denn Ebbe und Flut sind nur sehr geringfügig: in den Betten höchstens
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53. Klima von Mitteleuropa. 131
0,15 m, bei Kiel 0,07, Swinemimdc 0,01, Villau 0,007 m. Dagegen hat der
Wind infolge der Abgeschlossenheit de» ganzen Beekens einen sehr erheblichen
Einflufs auf den Wasserstand ; er bewirkt dann in den Sackgassen der Buchten
einen beträchtlichen Wasserstau. Bei der Sturmflut vom 12. bis 13. November 1872
erreichte das Wasser bei Lübeck 3,38 m Höhe.
53. Klima von Mitteleuropa. Infolge der geographischen Lage ist.
die Mitte Europas klimatisch in einer Weise begünstigt, dafs kein Gebiet
in gleicher geographischer Breite, weder in Asien noch in Nordamerika,
mit ihr verglichen werden kann. Es ist ein ausgeprägtes Übergangs-
klima vom ozeanischen zum rein kontinentalen Typs. Jener findet sich
in Westeuropa (Frankreich, Britische Inseln) vor; aber auch Belgien, die
Niederlande und die Gebiete der deutseben Nordseeküsto gehören dieser
atlantischen Kliraaprovinz noch an. Milde Winter, kühlo Sommer, reich-
liche Niederschläge, besonders in den Sommermonaten bei vorherrschend
südwestlichen Winden sind ihr eigen. Das Kontinentalklima dagegen
ist in Rursland stark ausgeprägt und durch kalte Winter, heifse Sommer,
mäfsige Niederschläge bei häufigen Windstillen charakterisiert. Die öst-
lichen Randgebiete Mitteleuropas, also Teile von Ostprculsen, Polen und
Oberschlesien, wird man dieser osteuropäischen Klimaprovinz noch zu-
rechnen können. Tm übrigen bildet Mitteleuropa eine Provinz für sich.
Sie ist durch den hohen Wall der Alpen gegen die südliche mediterrane
Provinz bestimmt abgeschlossen, steht dagegen unter dem wechselseitigen
Einflufs der östlichen und westlichen, da natürliche Grenzen gegen diese
beiden fehlen. Es ist für sie jedoch von grofsem Vorteil, dafs der Ein-
flufs von Westen her ganz entschieden überwiegt. Der Atlantische Ozean
ist für sie der Hauptwärme- und Jlauptregenspender ; er ist es aber auch
nur deshalb, weil die vorherrschende Luftbewegung eine westöstliche ist,
welche die Wärme des Golfstromes und die Regenwolken in den Kon-
tinent hineinleitet. Und die Luftbewegung ist wiederum eine Folge der
günstigen Luftdruckverteilung. Besonders die barometrischen Depressionen
(Gebiete eines niederen Luftdruckes), die vom nordatlantischen Ozean her
aus der Gogend von Island durch Nordeuropa wandern, bedingen ein
Nachströmen der warmen und feuchten Luft aus den höheren Luftdruck-
gebieten der Azorengegend, und diese Luftströmungen treten daher als
Südwest- und Westwinde, besonders im Winter, bei uns auf. Auf ihrem
Wege über Nord- und Mitteleuropa bis nach Rufsland hinein verlieren
sie aber immer mehr an wohltätigem Einflufs; der Niederschlag nimmt
in dieser Richtung im allgemeinen ab, weil sie den gröfsten Teil ihrer
Feuchtigkeit bereits an den französischen und deutschen Mittelgebirgen
abgesetzt haben. Auch die Differenz zwischen der mittleren Januarkälte
und mittleren Juliwärme nimmt von W. nach O., von etwa 18 — 22° C
zu, bringt also ebenfalls den zunehmend kontinentalen Charakter des
Klimas zum Ausdruck. — Das Klima Mitteleuropas kann bei der be-
trächtlichen Ausdehnung keine Einheitlichkeit zeigen; dem wirkt aber
vor allem auch die starke Gliederung des Landes in .vertikaler Richtung
entgegen. Auf engstem Raum sind relative Höhendifferenzen von lloch-
und Tieflandschaft in gröfster Mannigfaltigkeit vertreten und üben ihren
9*
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132 I- Physische Geographie.
unverkennbaren Einflufs auf die Verteilung der Temperatur- und Nieder-
schlagsverhältnisse aus.
Die Temperaturen schwanken im Jahresmittel zwischen 6° und
11° C, wobei die durch Höhenlage und besondere Exposition ausge-
zeichneten Orte, wie der Brockengipfel mit 2,4°, natürlich ausgenommen
sind. Am günstigsten beanlagt ist in dieser Beziehung die Oberrheinische
Tiefebene, wo z. B. in Mannheim 10,5° als Jahresmittel die Regel ist,
am ungünstigsten dagegen Ostpreufsen, wo Arvs am Spirdingsee nur
0,3° aufweist. Eine richtige Vorstellung von den Temperaturverhält-
nissen gewinnen wir aber erst aus der Betrachtung der jahreszeitlichen
Temperaturmittel, besonders in einer Gegenüberstellung der Winter- und
Sommertemperaturen; für jene ist die mittlere Januar-, für diese die
mittlere Julitemperatur charakteristisch. Die Isothermenkarten für beide
Monate bringen die jewoilige Temperatur Verteilung am besten zum Aus-
druck. Iiier zeigt es sich, dafs die Januar-Isothermen einen mehr nord-
südlichen Verlauf nehmen, so dafs ein Wärmeunterschied von W. nach
O. sich bemerkbar macht. Die 0° Isotherme läuft an der Westküste von
Schleswig -Holstein über Bremen, Magdeburg, Bayreuth, München und
dann in südöstlicher Richtung durch die Alpen nach Villach ; doch ist
hierbei zu bemerken, dafs die Temperaturstände jener Orte auf die
Meeresspiegelhöhe reduziert worden sind, um streng vergleichbare Werte
zu erhalten; denn die wahre Januartemperatur ist bei den binnenländi-
schen Orten weit unter dem Gefrierpunkt wegen der bedeutenden Höhen-
lage. Westlich jener Linie herrschen höhere Temperaturen, östlich nieder^
Temperaturen als 0° C. Im Juli haben die Isothermenlinien einen
ganz anderen Verlauf, da sie dann von W. nach 0. streichen, also eine
Temperaturzunahme entsprechend der geographischen Breite von N. nach
8., von 16 -22° C hervortritt.
Die Niederschläge sind ganz besonders von lokalen Verhält-
nissen abhängig. Der Bereich der Nordseeküste von Belgien bis Jüt-
land steht noch ganz unter dem unmittelbaren Einflufs des Ozeans und
weist HO cm Regenhöhe auf. Im norddeutschen Binnenlande nimmt
letztere bis nach Polen hinein auf f>0 cm ab. Dagegen zeigt das übrige
Mitteleuropa infolge seiner reichen orographischen Gliederung eine ent-
sprechende Mannigfaltigkeit in der Verteilung und der Höhe der Nieder-
schläge. Da die vorherrschende Luftbewegung von W. nach O. statt-
findet, so werden die den Westwinden ausgesetzten Gebirgsseiten natur-
gemäfs niederschlagsreicher sein als die abgewendeten. Der Nieder
schlag nimmt mit Annäherung an das Gebirge im allgemeinen zu und
innerhalb des Gebirges mit der Höhe. Wie auf der Leeseite der Berg
züge der Niederschlag schon geringfügiger ist. so nimmt er auch in den
hinter ihnen gelegenen Niederungen noch mehr ab. Auch mäfsig hohe
Hügelzüge vermögen schon ihren Einflufs auf die Verteilung der Regen-
mengen auszuüben. Eine Karte der mittleren jährlichen Regenmengen
in Mitteleuropa läfst die Gebirgszüge als Regenfänger scharf hervortreten,
sie gibt aber zugleich auch einen Überblick über die orographisehe Ge-
staltung des Landes im allgemeinen.
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5& Klima von Mitteleuropa.
133
Mit Rücksicht auf den beträchtlichen Raumumfang Mitteleuropas, der
<*twa 8U0000 <|km betrügt, die grofse Verschiedenheit in den Höhenverhältnissen,
die Meeresnähe bezw. -ferne der einzelnen Landschaften lt. a. m. hat man
die ganze Klimaprovinz in kleinere Klimabezirke geteilt, in welchen die
klimatischen Erscheinungen im allgemeinen und die Witterungsverhältnisse
im besonderen einen gleiehartigen Typus haben. Da es sich für unsere
Zwecke nur um eine kurze Charakteristik des mitteleuropäischen Klimas
handeln kann, so darf von einer Spezielleren Ausführung hier Abstand ge-
nommen werden.
Der Eintlufs, den die jeweiligen Witterungsverhältnisse auf das wirtschaft-
liehe Leben gehabt habi n, ist ein sehr weitreichender. Aber die historische
Witterungskunde ist ein Kapitel, welches bisher nur teilweise bearbeitet
worden ist; und doch ist es auch nach der naturwissenschaftlichen Seite hin
für die Frag«' nach den Klimaschwankungen nicht ohne Bedeutung. Ver-
schiedene geschichtliche Vorgänge haben aber direkt unter dem Eintlufs der
Witternngserseheinungen gestanden: heifse, trockne Sommer mit ihren Folgen
für die Ernte, Hungersnöten, Epidemien und wirtschaftlichen Krisen, harte,
strenge Winter nüt anderen Wirkungen, wie jener des Jahres 1788—1789 un-
mittelbar vor der Französischen Revolution oder jener des .Jahres 1812 in Rufs-
land, ferner sehr feuchte Jahre mit furchtbaren Überschwemmimgen, vereinzelt
auch Stürme und Orkane, die besonders an den Küsten in Verbindung mit
Sturmfluten verheerend aufgetreten sind. Es wäre eine sehr dankbare Aufgabe,
den Emtiuls nachzuweisen, welchen Klima imd Witterung auf historische Vor-
gänge und wirtschaftliche Erscheinungen gehabt haben. Von welcher Resehaffen-
neit das Quellenniaterial für die ältere Zeit des Mittelalters ist, zeigt nachfolgende
Zusammenstellung :
Im VIII. Jh.: 709, ein rauher Frühling. 711, grofse Überschwemmungen.
763—764, ein sehr 6trenger Winter, der Anfang Oktober mit grofser Kälte ein-
setzte und bis zum Februar währte; verschiedene andere Quellen geben ein
früheres Datum, 762—763, an. 764, strenge Kälte vom 14. Dez. bis 16. März.
Desgl. 766. 772, grobe Trockenheit. 783, sehr heifser Sommer. 784. viel
»erschwennnungen. 794, grofse Trockenheit, trotzdem ein fruchtbaren Jahr.
hu IX. Jh.: 808, sehr lauer Winter, groTse Überschwemmung im Franken-
reich, am 28. Dez. höchster Wasserstand. 811, harter Winter bis Ende März.
813, sehr kalter Winter. 815. grofse Rheinüberschwemmung. 821 -822, unge-
wöhnlich strenger Winter, so dafs Rhein, Donau, Elbe, Seine und andere gal-
lische und germanische Flüsse mehr als 30 Tage zugefroren waren. Auch 823
herrschte ein rauher Winter, gefolgt von grofser Trockenheit und Hungersnot.
Ebenso 824. 834, Überschwemmungen. 838, feuchter, stürmischer Winter;
am 21. Jan. und 1 6. Febr. t rewitter bei hoher Temperatur. 839, milder Herbst.
843, kalter, langer Winter. 844, sehr milder Winter bis zum 1. Febr. 845,
harter Winter. 846, rauher Winter mit stürmischem Nordwind bis zum Mai.
855, viel Stürme und Unwetter mit Handschlag. 857, Heuschreckenplage. 858,
grofse Überschwemmungen. 860, langer Winter von Nov. bis April mit fort-
gesetzten Schneefällen und strenger Kälte ; am 5. Febr. «'in Gewitter. 863,
stürmischer, veränderlicher und sehr feuchter Winter, fast ohne Frost. 864,
Rhein und Main zugefroren. 865, Überschwemmung und Hagelschlag. 867,
Nordlicht, Meteorfall. 868, nasser Sommer. 869, anfangs feuchter, dann heifser
Sommer. 870. grofse Trockenheit im Juni bis August. 871, kalter Winter.
872. grofse Hitze und Hagelschlag, Mifsernte. 873, furchtbare Heuschrecken-
plage in Deutschland und Frankreich im Juli und August; die Heuschrecken
kamen von Osten und zerstörten die Ernte; allgemeine Hungersnot. 874,
strenger Winter mit starkem Schneefall, darauf langer troekner Sommer. 880,
rauher Winter, Rhein und Main zugefroren. 881, kalter Frühling. 886, viel
Regen, Rhcinüberschwemmung. 887, rauher Winter. Desgl. 893. 896, Über-
schwemmungen,
134
I. PhyHiMvlie (ieojrniplue.
Im X. Jh.: 913. strenge Killte. 921. grofse Dürre vom Juni bis Sept.
927, strenger Winter. 940, Hungersnot infolge eines harten Winters. %it
das ganze Jahr viel Hegen und Flulkschwellen. 968, grofse Überschwemmung.
973, kühler, feuchter Sommer. 974, grofse Trockenheit den ganzen Sommer
über. 975, langer, harter und trockener Winter vom 1. Nov. bis Mitte Marz;
am 15. Mai nochmals grofser Schneefall. 977, reiches Weinjahr. 987, Rhein-
und Moselüberschwemmung. 991, viel Regen. 993, ungewöhnliche Trocken-
heit und Hitze vom 24. Juni bis 5. Nov. 994, sehr strenger Winter vom
3. Nov. 993 bis 5. Mai, dann stürmische Winde und in den Nächten statt <!<•<
Taues winterlicher Keif ; am 7. Juli trat Kälte ein, die Flüsse trockneten au>,
und es war so grofser Regenmangel, dafs in den Teichen die Fische starben,
die Bäume verdorrten etc. 995, sehr trockenes Jahr.
Im XI. Jh.: 1002, Hochwasser in der Donau. 1003, sehr langer Wim« -r
und reichlicher Niederschlag mit Überschwemmungen. 1011, langer, harter
Winter; am 30. Juli furchtbarer Hagelschlag. 1013, am 15. Dez. grofse Über-
schwemmung, besonders der Donau. 1020, harter, langer Winter; am 18. Juli
ein Nordlicht. Elbe und Weser haben grofse Überschwemmungen. 1033, reiches
Frucht- und Wein jähr. 1035, Überschwemmungen. 1036, langer, harter Winter.
1039, sehr heifser Sommer. 1040, Überschwemmungen. 1042, regenreicher
Sommer. 1043, strenge Kälte vom 1. Dez. 1043 bis 1. März 1044 ; vorher nasser
Sommer. 1044, schlechtes Wein jähr. 1040, viel Schnee und Kälte. 105<>,
heftiger Orkan am 28. Jan. 1057, am 25. April grofser Schneefall. 1060.
ziemlich harter und schneereicher Winter, dann grofse Überschwemmungen.
1063, im April vier Tage lang winterliche Witterung mit Schneefällen. 1067.
strenger Winter vom 13. Nov. bis 12. März. 1068, Überschwemmungen, regen-
reiches Jahr. 1069, rauher Winter. 1070, stürmischer, feuchter Winter. 1071,
strenge Kälte. Desgl. 1074. 107(5—1077, auffallend langer, harter Winter von
Ende Okt. bis Anfang April; vom 26. Nov. bis März waren alle Flüsse
gefroren. 1078, grofse Trockenheit. Harter Winter vom 1. Nov. bis 25. April.
1079, feuchter Sommer. 1080, rauher Winter. 1083, sehr heifser Sommer.
1086, Hochwasser. 108S, Mitte Januar Überschwemmungen. 1089, desgl.,
regenreiches Jahr. 1090, am 1. April starker Frost mit Schneefall. 1093, regen-
reicher Herbst. 1097, Hochwasser. 1099. strenger Winter, besondersacht Wochen
hintereinander.
Im XII. Jh.: 1 100, sehr harter Winter. 1110. desgl. 1112, heifeer Sommer.
1113, am 23. April grofser Schneefall. 1114, heftiger Sturm am 18. Nov.
1116. strenger Frost vom 1. Nov. 1115 bis Mai 1116. 1118, Hochwasser in
ganz Europa, besonders im Sept. 1120, Unwetter in Westfalen. 1121, grof>e
Trockenheit drei Monate hindurch, März bis Mai; warmer, windiger Winter.
1122, harter Winter. 1123. desgl.. Rhein gefroren. 1124, harter, sehneereicher
Winter. 1125. ebenso. 1126. ungewöhnlich viel Schnee, dann 16. Febr. Hoch-
wasser. 1128. Anfang Mär/, milde Witterung, in der Mitte des Monats heftige
Kälte. Mitte Sept. abermals Kälte. Doch wird das Jahr als sehr trocken
geschildert. 1129, Mitte Jan. Hochwasser. 1133. Überschwemmungen. 1131.
sehr trocken. Unbeständiger Winter; Elbe zweimal gefroren, die Mulde
viermal gefroren Wenig Schnee. 1135, Hochwasser am 1. Okt. 1136, sehr
heifser Sommer, Mensrhen und Vieh starben. 1137. ebenfalls sehr heifs und
trocken. 1140, strenger Winter mit vielem Schnee. 1141, Winter ohne Schnee
und Eis. dagegen kühler Sommer. 1142, harter Winter, dann Hochwasser.
1143. desgl.; Schneedecke vom 29. Nov. 1142 bis 2. Febr. 1143. Über-
schwemmung. Im Sommer viel Regen. 1144. feuchter Winter, sehr stürmisch.
1148, schneereicher Winter. 1149. strenger Frust, das Meer angeblich bis
drei Meilen vom Lande zugefroren. Im März Stürme und Hochwasser.
Der folgende Winter setzte mit viel Schnee am 6. Dez. ein und währte
bis 1. März 1150; vom 9. Dez. bis 16. Febr. Eis. Hungersnot. 1152, gewaltige
Überschwemmung im Jan. 1154, Hochwasser. 11:,5, viel Regen, im Aug. und
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&3. Klima von Mitteleuropa. J-J5
Sept. grofse Trockenheit. Schneefülle begannen am 1. Okt. und «lauerten bis
30. April. 1150, troekener Winter, milder Frühling, Anfang Juni Hochwasser.
1157, viel Schnee, ungewöhnliche Kälte um den 29. März. 1159. langer Winter.
1163, vom 10. Aug. bis 11. Nov. fast ununterbrochen Regen. 1163, Iber-
schweinmungen. 1164, langer, harter Winter bis Mär/. 1166, harter Winter,
reiches Wein jähr, am 24. Juni furchtbarer Hagelschlag. 1167, strenger Winter .
vom 23. De/, an bis 16. März. 3. April, Hagelschlag. 11611. sehr feuchtes
Jahr. Gewitter im Dezember. 1170, sehr heifser Sonnner. Sturmfluten an
der Küste Frieslands. 1171, die Donau vom 25. Dez. an 7 Wochen lang
zugefroren, dann grofse Trockenheit. 1173, rauher Winter, dann Dürre. 1174,
feuchtes Jahr, im Nov. viel ( berschwemmungen. 1175, regenreicher Sommer,
während eine andere Quelle ihn als trocken bezeichnet. 1177. Sommer trocken
und heifs. nach Ende Aug. viel Regen. 1178. Ende Jan. Ende des Frostes,
dann Hochwasser. 1179, in der zweiten Woche des Jan. viel Schnee, dann
strenge Kälte bis Mitte Februar. Wanner Herbst bis 3. Okt. 1182, feuchter,
kühler August. 1183, Hochwasser, besonders im Juli; rauher Herbst. 1186—1187,
ungewöhnlich milder Winter, so dafs im Dez. und Jan. viele Blumen blühten.
Im März folgte aber strenge Kälte, so dafs es zu Pfingsten i,Mai) schneit«' und
alle Früchte erfroren. 1188, trockner Sommer. 1189. heUscr Sommer bis
Aug. 1190, trockner, warmer Winter, «lann viel Regen und Hochwasser. 1194,
grofse Überschwemmung des Donaugebictes. 1195, Regnerischer Sonnner mit
folgender Hungersnot, die bis 1197 in ganz Mitteleuropa anhält.
Es mag mit der Aufzählung der \Vitterungsv<'rhältnisse dieser fünf Jahr-
hunderte hier sein Bewenden haben Die Nachrichten entstammen zumeist
den Annalen und Chroniken des früheren Mittelalters. Mit «lern XIII. Jh.
steigt die Zahl der Notizen schon beträchtlich an. Freilich sind es noch bis
in «las XIV. Jh. hinein nur g«'legentlich«' Mitteilungen Über das Wetter, «lie
untermischt mit Nachrichten ganz anderen Inhalts gegeben werden. Jahr für
Jahr oder gar Tag für Tag fortschreitende Wetterjournale wurden noch nicht
geführt. Zusammenstellung «1er überlieferten \Vitterungs«TS«-heinungen besonders
<l«is Mittelalters lieferten Alwin Schulz, Das höfische Leben zur Zeit der
Minnesäuger, Leipzig 1889, I. 102 IT. Lainprccht. Deutsches Wirtechafts-
leben I. S. 1537 — 1557. C ursch m a n n , Hungersnöte im Mittelalter, «'in
Beitrag zur Deutschen Wirtschaftsgeschichte «l« s VIII. -XIII. Jh., Leipzig 1900,
S. 89 — 217 (bringt eine sehr ausführliche Chrtmik der elementaren Ereignisse
bis 1317). R. Hennig, Katalog bemerkenswerter Witterungsereignisse , in
Abhandlgn «1. Kgl. Preufs. Meteor. Inst. II, 4. Vgl. ferner E. Brückner,
Klimaschwankungen seit 1700 nebst Bemerkungen über die Klimaschwankungen
«ler Diluvialzeit, Wien 1*90 (ben-chnet die mittlere Dauer der Schwankungen
zu 35—36 Jahre).
Gegenüber den nur gelegentlichen Witterungsna« hrichten aus dem frühen
Mittelalter verdienen «Ii«? rcgelmäfsig geführten, wenn auch nicht immer ganz
lückenlosen Wetterjournale eine höhere Beachtung. Das älteste noch « rhidtene
Journal dieser Art ist «las von William Merle für die Jahre 1337 — 1314 ^aller-
dings auf England bezüglich). Eine neue Quelle für meteorologisch«' Nachlichten
früherer Zeiten hat Gustav Hellmann entdeckt und zwar in «len Kalendern
un«l astronomischen Ephemeriden. Di«' Almanachc waren meist mit « inem
breiten, weiten Rand (neben «lern Text) versehen, auf dem sich häufig fort-
laufende Wetterbeobachtungen, schriftlich beigefügt, finden. So besonders in
dem Kalender von J. StöffiVr und J. Pflaum: Almauach nm:a [tlnrimis annis
vrnturis inservieittia 1499, «l«'r die Ephemeriden für 1 499 — 1531 enthält.
Durch eine Umfrage bei zahlreichen Bibliotheken, die Exemplare jenes Ahna-
nachs mit etwaigen meteorologischen Notizen besitzen, gelaug es Heitmann,
eine Anzahl von Beobachtungsreihen zusammenzustellen und zwar vier für das
XV. Jh., 45 für das XVI. Jh. und 17 für das XVII. Jh. - Weitere Nachrichten
bieten die Praktiken und Prognostiken seit. <l«'in XVI. Jh.. «Ii«- neben dem
c~ -
i -*-
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13<;
I Phyfdnche Geographie.
vorausgesagten Wetter auch da« später beobachtete Wetter enthalten. Eine,
wesentliche Förderung erfuhr die Jorschung durch Benutzung von meteoro-
logischen Instrumenten, von denen die wichtigsten schon in der ersten Hälfte
des XVI. Jh. existierten (die Mehrzahl war in Italien erfunden worden).
— Die ältesten Wetterbeobachtungen aus Deutschland liegen vom Jahre 1491
. vor. aus Österreich von 1500, aus der Schweiz von 1545. aus Belgien von 1548.
aus Dänemark von 15(12. Im übrigen vgl. Neudrucke von Schriften und Karten
über Meteorologie und Erdmagnetismus , herausgegeben von G. Hell mann.
Bd. 13: Meteorolog. Beobachtungen vom XIV.— XVII. Jh., Berlin 1!»01 ; femer
auch Bd 12: Wetterberichte in Flugschriften des XV. und XVI. Jh.
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II. Politische Geographie von Mitteleuropa
im Altertum.
54. Germanien. Von den Ländern und Völkern jenseits des Alpen-
Avalles hatten die Kömer erst im I. vorchristlichen Jahrhundert nähere
Kenntnis erworben. Die von dorther drohende Gefahr mtlfste not-
wendigerweise das Interesse für die Naturbeschaffenheit jener nordischen
Gebiete und die Eigenart ihrer Bewohnerschaft wachrufen; um einen
Gegner in seinem eigenen Lande überwältigen zu können, ist das Studium
.seiner Charaktereigenschaften, seiner wirtschaftlichen Kultur und nicht
zum wenigsten seines Wohnplatzes die erste und wichtigste Vorbedin-
gung. Unsere Kenntnisse von den damaligen Zuständen gründen sich
auf den Nachrichten, welche griechische und römische (Quellen uns
liefern. Teils sind es Schilderungen der kriegerischen Verwickelungen
mit den Völkern Germaniens, teils systematische Darstellungen der
geographischen und ethnischen Verhältnisse. Caesar, Strabo, Püning,
Tacitus und Ptolemäus sind hierfür an erster Stelle zu nennen.
Schliesslich haben aber auch sprachwissenschaftliche und archäologische
Forschungen sehr wesentliche Ergänzungen zu den historischen Quellen
geliefert.
Da hier nur ein Gesamtüberblick über die Geographie Mitteleuropas im Alter-
tum gegeben werden soll, so seien auch aus der ungemein reichen Literatur
nur die wichtigeren Werke namhaft gemacht, von denen einige weitere Literatur-
nachweise bieten. Dies gilt auch für die folgenden Abschnitte. — Das Werk
von Forbiger, Hdb. der alten Geographie 1877. III, S. 230 ff., ist zwar
veraltet, doch als Materialsammlung noch brauchbar. H. Kiepert, Lehrbuch
der alten Geographie 1878, S. 534 ff.. 364 ff. und Atlas antiquns, t. XI. J. Jung,
Grundrifs der Geogr. von Italien und dein Orbis Romanus, in Iw. Müllers
Hdb. der klass. Altertumswiss. 1897, III, 3, 106 ff.
f'bcr die Quellen orientieren: O. 1$ renn er, Nord- und Mitteleuropa in
den Schriften der Alten bis zum Auftreten der Cimbcm und Teutonen. München,
Dissert. 1877. 0. Bremer, Ethnographie der germanischen Stämme, in Pauls
Grundrifs d. gerin Philologie 1900. III, 741 ff. A. Riese, Das rheinische
Germanien in der antiken Literatur. Lpz. 1892.
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II. Politische Geographie von Mitteleuropa im Altertum.
Von grundlegender Bedeutung K. M ü 1 1 e n ho f f , Deutsche Altertums-
kunde (Bd. I: Die frühesten Ent<leckungen durch Phöniker und Pvtheas, II:
D. Nachbarn der Germanen , III: Ursprung der Genn., IV: Kommentar 7.11
Tacit. Germ.). Berlin, z. T. in 2. Aufl. Von den vielen Taeitus-Kommentaren
sei aufser diesem noch Baumstark. Ausführliche Erläuterung der Germania
d. Tac. 2 Tie., Lp*. 1875, 1880 genannt.
55. Historische Ethnographie. Als die Romer im IL vorchrist-
lichen Jahrhundert zum erstenmal mit einem germanischen Völker-
stamm, den Kimhern, in feindliche Berührung kamen, war die geogra-
phische Ausbreitung der Germanen eine weit beschränktere als 100 Jahre
später. Soweit hier Mitteleuropa in Frage kommt, hatten neben den
Germanen noch die Kelten einen grofsen Teil des Landes in Besitz,
und im äufsersten Osten reichten slavische und aistische Volkerstämme
in unser Gebiet hinein. Das Verbreitungsgebiet der Kelten läfst sich
aus der Ausbreitung keltischer Gebirgs- und Flufsnamen noch erschliefsen,
wie Taunus, Semana, Gabreta, Sudeta, ferner Wetter, Main, Embscher,
Iser. Eger 11. a. in. Im II. Jh. bildeten die genannten, damals natür-
lich noch unbewohnten Gebirgszüge Mitteldeutschlands die ungefähre
Nordgrenze des keltischen Gebietes, während Norddeutschland schon
von germanischen Stämmen besetzt war. Auch die Namen der in Süd-
deutschland ansässigen keltischen Völker sind uns teilweise noch erhalten.
In dem Lande zwischen Oberrhein und Main safsen die Helvotier, zu
denen wohl auch die Teutonen gehörten. Der gröfste Teil von ihnen
hatte diese Gebiete im I. Jh. schon verlassen, so dafs hier eine men-
schenleere Einöde, it rvtr Kkovitiivtv tQr}t*OQ fit'y.Qt uov thiiiioi> ogtor
(Ptol. II. 11, ti), entstand. Südlich der Donau in der oberdeutschen
Hochebene safsen die ebenfalls keltischen Vindelicier, in Böhmen,
Bqjohaemum. die Bojer, in den Ostalpen die Taurisker-Noriker, in
Mähren die Volcer, an die sich im ungarischen Erzgebirgo die Cotinen
anschlössen. — Seit dem Anfang des letzten vorchristlichen Jahrhunderts
drängten die Germanen weiter nach S. vor, und in kürzester Zeit bietet
die Völkerkarte ein gänzlich verändertes Bild. Zuerst wurden die ver-
lassenen Gebiete zwischen Main und Donau von (Jermanen wieder
besetzt, und seit 72 v. Chr. setzten sie sich auch auf linksrheinischem
Gebiete fest (im Elsafs und der Pfalz). Im Jahre (50 v. Chr. waren die
Bojer aus Böhmen nach S. gezogen, und das Land stand den Marko-
mannen offen , die um das Jahr 8 v. Chr. dort einzogen. Zu Caesars
Zeiten safsen aber germanische Stämme auch in den linken nieder-
rheinischen Gebieten. Viele von ihnen rühmten sich ihrer germanischen
Abkunft, wenn sie auch alle schon stark keltisiert waren. In diesen
Gebieten der Gallia Belgica hat auch der Germanenname seinen Aus-
gang genommen, der übrigens erst seit und durch Caesar als Kollektiv-
begriff bei den Römern üblich wurde. Die Germanen selbst nannten
sich nicht so und hatten wohl überhaupt keine zusammenfassende
Bezeichnung. Der Name ist keltischen Ursprungs und ihnen von den
Galliern gegeben worden.
Die Einteilung der Germanen in einzelne Gruppen und die Ein-
ordnung der verschiedenen Stämme in diese hat in Anbetracht der dürf
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55. Historische Kthnogruphie. ],\\)
tigen und z. T. widersprechenden Nachrichten ihre grolsen Schwierig-
keiten. Nach Tacitus (Genn. c. 2) staimnten von den drei Söhnen des
Mannus die drei germanischen Hauptstämme: Ingaevones, Herminones
imd Istaevones. Zugleich teilt er eine andere Einteilung in Marsi,
Gambrivu, Suevi und VandOÜ mit. Hei Plinius IV. 99 werden neben
Ingvaeones, Herminones, Istvaeones noch <lie Vandili, Peucini und
Basternae genannt. Die Ingvaeonen sind die Anwohner des Ozeans, die
Herminonen die Binnenlandhewohner und die Istvaeonen die Rheinländer.
Aber natürlich sind in diesen drei Gruppenname n nicht alle Stämme
eingeschlossen. Bemerkenswerte Gegensätze haben auch zwischen den
ostlichen und westlichen Germanenstämmen, den Sueben und den Nicht-
sueben. bestanden. Besonders in den Kulturverhältnissen kamen sie
zum Ausdruck, da die Sueben weit mehr als die schon sefshaft gewor-
denen Westgermanen noch einer unstäten Lebensweise huldigten und
von Jagd und Viehzucht lebten. Unter der Bezeichnung Ostgermanen
pflegt man jetzt (unter Ausschlufs der Sueben) die gotisch- vandilische
Völkergruppe zu begreifen, die den östlichen Teil von Gormanien zwischen
Oder und Weichsel besetzt hielt. Ein grofser Teil von ihnen verliefe
im II. Jh. das Land und wendete sich erobernd nach SO. nach den
PontüS- und J)onaugegenden.
Das Verhreitungsgehict der Kelten liifst sich mit hinreichender Sicherheit
diu für das erste vorchristliche Jahrhundert bestimmen, wo sie anfänglich noch
ganz Süddeutschland in Besitz hatten. Innerhalb Norddeutschlands scheinen
auch die westlichen und südwestlichen Gebietsteile (Hessen und vermutlich
auch Thüringen) ursprünglich keltischer Besitz gewesen zu sein. Allgemein
wird jetzt angenommen, dals der Ausgangs] »unkt ihrer Ausbreitung in deutschen
I-anden zu suchen ist. Über die Kelten in Deutschland vgl. neben den älteren
Werken von Zeufs. D. Deutschen u. d. Nachbarstämme, 1837. Brandes,
Di» ethnographischen Verhältnisse der Kelten und Germanen. Lpz. 1857.
Contzen, Die Wanderungen »ler Kelten, Lpz. 1861, besonders Müllenhoff.
DA. DL 227 ff. Bertrand et Hei nach, Les Celtes dans les vallees du
Po et du Danube, Paris 1801. Much, in Paul u. Braunes Beitr. XVII, 1 ff.
Meitzen. Siedelung u. Agrarwesen, 1 pass. ('er dehnt das ehemals keltische
oobiet auf Grund der Sicdelungsfornien Kinzelhöfe] bis zur unteren Weser
aus. Bremer. Ethnographie d. gerrn. Stämme in Pauls Grundrifs d. genn.
PhiJ. III. 771 gibt den Kelten wohl eine zu weite Verbreitung innerhalb
Deutschlands und läfst die Germanen der Urzeit kulturell und politisch von
dfn Kelten abhängig sein, was von der Kritik stark bezweifelt wird). Vin-how,
Oie Keltenfrage in Deutschland. Korresp.-Rl. Ges. f. Anthrop., Kthnol., l'rgex h.
:»6 1895), 130—133.
Die Germanen befanden sich zu Caesars Zeiten in einer allmählichen Bewe-
gung nach W.. und er mufste den vordringenden Stämmen mit gewaffneter
Hand entgegentreten. Doch schon vor seiner Zeit hatten germanische Völker
<i»n Rhein überschritten und waren dort z. T. in der keltischen Bevölkerung
aufgegangen. Caesar spricht von diesen Germanen, qui ein Rhenum incoUml und
fuhrt auch die einzelnen Stämme auf: Condrusi, Ehurones. (\terocsi. Paemani :
et bemerkt hierzu, dafs sie mit gemeinsamem Namen Gertnani genannt werden
b. g. II, 4). Ebenso erwähnt Tacitus (Genn. .'i) die Tmujri, die den Rhein
übersehritten hatten und damals Germanen genannt wurden; auch Trevirer
und Nervier rühmten sieh ihrer germanischen Abkunft (Tac 28). Aus Caesar
II. 4) geht hervor, dafs die Mehrzahl der Belger von den über den Rhein
gewanderten Germanen abstamme. Dafs Volks- und Personennamen bei ihnen
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140
II. Politische < icovraphio von Mittoleuropa im Altertum.
keltisch sind, verschlugt nichts. Auch Ariovistus ist ein keltischer Name, und
ebenso sind die Namen der im Elsafs und der Pfalz ansässigen germanischen
Trtlutci und Xemetes keltisch. Zeufs. MüllenhotT (II. 197 ff. i und neuerdings
Bremer suchen deshalb die germanische Abkunft der belgischen Stämme zu
bezweifeln. Anders Much, Dt, Stammsitze S. 161; Kossinna in Anz. f. DA.
16. 31. Von den zahlreichen Etymologien des Germanennamens scheiden
alle diejenigen aus. die ihn aus einer anderen Sprache als der keltischen her-
leiten. Ein Verzeichnis gibt Egh, Nom. geogr. p. 350 mit Literaturangaben,
desgl. Bremer S. 738. Für die Frage nach dem Alter des Namens ist die
Bemerkung des Tacitus (G. c. 3) wichtig, dafs der Name ( Jernianien >neu und
unlängst aufgekommen« sei. Nach allem zu sehliefsen, scheint er erst durch
Caesar bekannt geworden zu sein, denn vordem behalf man sieh mit Bezeich-
nungen, wie Kelten und Keltoskythen. Auf den Kapitolinischen Triumphal-
akten zum Jahre 222 v. Chr. werden auch Germanen unter den unterjochten
Völkern genannt; doch scheint hier nur eine Verwechselung mit den bei
l'olybius II, 22 genannten Vmo&tm vorzuliegen. Vgl. hierüber Hirsch fehl.
Der Name German] bei Tacitus und sein Aufkommen bei den Römern, in
Kiepert-Festschrift 189*. S. 259 ff.
Literatur. Aufser den schon genannten Werken von Zeufs, Müllenhoff
und Bremer seien hier noch erwähnt: Much. Deutsche Stammsitze, Halle 1892
(Paul u. Braunes Beitr. XVII. 1893). Ders. , Deutsche Stammeskunde, Leipzig
190 » (fafst die Hauptergebnisse der Forschung zusammen). Wagner, Die
Germanen im röm. Imperium vor der Völkerwanderung, IYogr. Leipzig 1867.
Zippel. Deutsche Völkerbewegungen in der Römerzeit. l'rogr. Königsberg
1895. Kossinna. Cber die vorgeschichtliche Ausbreitung der Germanen in
Deutschland, Korresp.-Bl. d. G. f. Anthropol. etc. 26 (1895), 109—112. Arnold,
Deutsehe Urzeit. Gotha 1881. Dahn, Gesch. d. deutschen Urzeit, 1883. Waitz,
Deutsche Verla<sungsgesehichte , 1. Bd. Kaufmann. Deutsehe Geschichte
1. Bd.: Die Germanen der Urzeit, Lpz. 1880.
Eine ethnographische Klassifizierung der germanischen Stämme ist aus
den angegebenen Gründen schwer durchführbar. Hier möge ein kurzer über-
blick über sie besonders nach ihrer geographischen Stellung hin genügen. —
Unter den rechtsrheinischen Germanen, mit denen Caesar zuerst in Berührung
kam, sind hier zunächst die Usipetes und Tencteri zu nennen. Ihre
anfänglichen Sitze scheinen nördlich der Lippe gelegen zu haben, von wo sie
auszogen und. im Jahre 56 — 55 den Rhein überschreitend, von Cäsar aufgerieben
wurden. Ein Rest floh zu den Sugambri. Letztere hatten die Gebiete zwischen
Sieg und Ruhr inne gehabt. Tiberius versetzte den gröl'sten Teil von ihnen im
.Jahre 8 v Chr. auf das linkt; Rheinufer unterhalb der Ubier; dort werden sie
Cugerni. Cuberni genannt. Die Ubii. im Taunusgebiet zwischen unterer
Lahn und Main ansässig, wurden von dort unter Augustus im Jahre 38 v. Chr.
auf das linke Rheinufer übersiedelt, weil sie sieh gegen die nachdrängenden
Sueben nicht schützen konnten. Ihr Mittelpunkt wurde hier die Arn Ubiornm,
der Kern der späteren Colonia Agrippinensis (seit 48 n. Chr.). Wegen ihres
Abfalls von der germanischen Sache waren sie ihren Stammesgenossen verbalst.
Die Chatti Bassen im herrischen Berglande um Eder, Fulda und Werra; ihr
Hauptort war Mattium. Sie waren die streitkräftigsten Germanen besonders
gegen Romer und Hermunduren; letzteren erlagen sie im Jahre 59 n. Chr.
im Kampf um den Besitz der Quellen am Salzllufs. Der Name der Chatti
läfst sich mit den an derselben Stelle im Mittelalter genannten Hassü, Hessi.
Hessones sprachlich nicht vereinigen. Trotzdem tritt man für die Zusammen-
gehörigkeit beider ein. Zu den Chatti gehörten auch die Mattiaci am Süd
rande des Taunus. Die Marsi. die an der alleren Ruhr und Lippe safsen.
verschwinden nach den Kämpfen mit Germanikus. Man hält sie für identisch
mit den Chattuarii, die später auf linksrheinischem Gebiet um Cleve auftreten.
An der oberen Ems safsen die Bructcri. die durch den Flufs in die minor**
und majores geschieden wurden. Im Kampfe mit den Chamaven ziehen sie
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55. Historische Ethnographie. 141
den kürzeren und werden angeblich vollständig vernichtet. Westlich der Ems
bis zur oberen Ijssel lag das Stammesgebiet der Chamavi. Sie hatten auch
zeitweilig das von den Römern als Ödland gelassene Gebiet nördlich der Lippe
am Rhein inne gehabt. In nächster Nachbarschaft der Chatten hatten die
Cherusci ihre Sitze, im mittleren Weserland nördlich vom Teutoburgerwald
bis zum Harz. Sie spielten im Kampfe gegen Rom eine Rolle, verloren aber
nach dem Tode des Armin (19 n. Chr.) ihre Machtstellung unter den Germanen.
Auch am Gestade der Nordsee safsen germanische Völker; unter ihnen
die Chauci von der unteren Eins Ins zur Elbe, die durch die Weser in die
majores und minores geschieden wurden. Ihr Dasein im Kampfe mit dem Meere
schildert uns Plinius in anschaulicher Weise (XVI, 1). Nördlich von den
Cheruskern und von ihnen durch einen Wall (etwa in der (legend des Stein-
huder Meeres) nach Tacitus, Ann. II, 19, geschieden, safsen die Angrivarii,
also südlich von den Chauken. Westlich von ihnen fanden sieh die nach der
Ems (Amisia; benannten Ainpsivarii und die nach der Hase benannten
Chasuarii. Auch die Ampsivarier hatten zeitweilig im Ödland am Rhein
gesessen. Später verlieren sie sich unter anderen Stämmen, doch werden sie
IM IV. Jh. noch einmal als fränkischer Stamm genannt. An die Chauken
schlössen sich westlieh die Frisii, Frisiones an, die nördlich der Veeht
und Ijssel safsen bis zum Meere hin und als majores bezeichnet wurden, im
Gegensatz zu den Frisü minores, bei Hinius Frisiavones, die südlich des Flevo
bis an den Rhein ihre Sitze hatten. Von den Römern verschiedentlich unter-
worfen, hatten sie ihre Unabhängigkeit immer wieder herzustellen vermocht.
Im Mündungsgebiet von Rhein und Maas befanden sich die Rata vi. Die
schon von Caesar genannte Itisuhi Batavorum lebt noch in dem Namen der
Betuwe fort. Anfangs waren sie den Römern freundlich gesinnt, doch ihr nie
erlöschendes Freiheitsgefühl führte im Jahre 70 n. Chr. zu einem blutigen
Aufstande unter Julius Civilis, in welchem sie unterlagen. Nördlich von ihnen
zwischen dem Meere und dem Flevo lag das Gebiet der Caninefatcs. Zu
den Ratavi scheinen auch die Toxuandri oder Texuandri gehört zu haben,
die das Land südlich der Waal bewohnten. Noch im Mittelalter hiefs diese
Landschaft bis zur Scheide Toxandrien.
Unter den Völkern des ostlichen Flachlandes nahmen die Suebi die
hervorragendste Stellung ein und unter ihnen der Hauptstamm, die Semnones,
in deren Lande sich auch das suebische Stammeshciligtuin befand. Sie wohnten
zwischen Elbe und Oder im Gebiet der Spree und Havel. Später wanderten
sie nach Süddeutschland, wo sie im Anfang des III. Jh. angetroffen werden
und hier mit anderen Stämmen den Grundstock der alemannischen Bevölkerung
bildeten. Westlich der Elbe safsen die Herrn un du ri, die Vorläufer der
Thüringer. Sie hatten nicht blofs das Land nördlich vom Thüringer Wald im
Besitz, sondern dehnten sich auch südlich bis an die Donau aus. wo sie mit
den Römern in freundnachbarlichem Verkehr standen. Der südliehe Anteil
des Volkes scheint in der alemannischen Bevölkerung aufgegangen zu sein, der
nördliche tritt im V. Jh. als Thuringi wiede r hervor. Über die Ausdehnung
nach W. orientiert die Erzählung des Tacitus über ihren Kampf mit den
Chatten im .Jahre 58 n. Chr. am Salztlufs Jlumen gujm-udo sale fentmhtHi;, in
welchem einige die Werra, andere mit mehr Berechtigung die Fränkische Saale
verstehen. Bis zur Donau südlich scheinen sie sieh erst ausgebreitet zu haben,
als die Marco in anni aus diesen Gegenden nach Böhmen gewandert waren.
Letztere gehörten zu jenen genannten Sueben, die das Land zwischen Main
und Donau besetzt hatten. Von ihnen hatten sich auch die Sueben des Ariovist
auf dem linken Rheinufer abgezweigt, die im Elsafs und der Pfalz ansässig
als Vangiones nun Worms), Nemetes (um Speier j und Triboei um
Strafsburg) auftreten. Neben den Markomannen werden noch einige kleinere
Völkerschaften aufgeführt, wie die Varisti oder Naristi im Gebiet des
Böhmerwahles, ferner in Böhmen selbst am Fufs der Sudeten die Buroi,
Sudin oi, Batinoi «nur in griechischer Fassung bei Ptolemäus genannt),
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142 H. Politische Geographie von .Mitteleuropa im Altertum.
•die Kampoi und Rakulai an der Donau. Die Quadi waren in Mähren
unter ihrem Führer Tudrus eingedrungen, und die aus Böhmen stammenden
Baimoi (ehemalige Gefolgschaften des Marobod und Catualda) zwischen March
und Eipel seheinen in ihnen mit aufgegangen zu sein. Wie bei den Hermun-
duren, so ist auch bei den Langobardi die suebische Abkunft nicht aulser
Zweifel gestellt. Letztere wohnten am linken Ufer der Elbe unterhalb der
Havelmündimg. Sie treten im Altertum nicht sonderlich hervor, erst in der
Völkerwanderung gewinnen sie Bedeutung.
Zu den ostdeutschen < Jermaneustämmen gehören die Gothae, Gothi,
die der Sage nach von der Insel Seandza, d. i. Scadinavia, eingewandert sind
und das Küstenland der Ostsee zu beiden Seiten der Weichsel besetzt haben.
Im II. Jh. wanderten sie nach SO. ans, während ihre Stammeszugehörigen,
Gepidi, noch einige Zeit im Weich<eldelta zurückblieben. Zu letzteren gehörten
auch die Rugii an derselben Stelle, die wohl mit den Rutikleioi des Ptole-
rnäus identisch sind. Neben den (toten treten die Burgundiones hervor,
die von Plinius und Ptolemäus genannt werden und vermutlich von Born-
holm (Borgundarholmr) ausgegangen sind. Sie entwichen später nach W.,
erschienen dann im III. Jh. am oberen Main und, Anfang des V. Jh. von dort
verdrängt, auf der linken Rheinseite bei Worms, wo ihr Königreich unter
■Gundihari (Gunther) nur kurze Zeit 413—437 bestand, als es hunnischen
Scharen erlag. Die Reste des Volkes werden dann in der Sabaudia (Savoyen)
443 angesiedelt, wo das burgundische Reich von neuem erstarkte. Eine enger
geschlossene Gruppe bildeten die vandalisehlugischen Völker. Zu den Vandali
oder Vandili stellt Plinius übrigens auch die Goten und Burgunder und
einige kleinere Stämme. I ber die L u gi i gibt uns Tacitus (< Jerm. c. 43) Aufschlufs,
wonach der Name ebenfalls eine Kojlektivbezeiehnung ist für die Harii, Helve-
concs, Maninil, Elisii, Naharvali. Auch Ptolemäus tut ihrer Erwähnung und
zählt zu ihnen die Omanoi, Dunoi und Buroi (letztere von Tacitus nicht zu
den Lugiern gestellt). Den vandalischen Stämmen sind auch die Silingai
(nur bei Ptolemäus) zuzurechnen in der Oberlausitz und dem westlichen
Schlesien. Der alte Name des Zobtenbcrges, Slezi, führt auf ursprüngliches
Silingis zurück und Sleza auf Silingia. so dafs der Name Schlesien sich aus
dem der Silinger entwickelt haben mufs. Die vandaliseh lugischen Stämme
nördlich des Sudetenwalles hatten ihr gemeinsames Kultheiligtuni in dem
heiligen Hain der Naharvali oder Xahanarvali, wo Priester in weiblicher Tracht
fungierten.
Auf der Jütischen Halbinsel werden uns mehrere germanische Stämme
noch namhaft gemacht. Nördlich von den Longohardcn an der unteren Elbe
folgten hintereinander die Reudigni, Aviones. Anglii, Varini, Eudoses,
Suardones und Nuithones (Taeit c. 40). Ptolemäus nennt dagegen als
Bewohner der Halbinsel die Singulones, Sabalingioi, Kobandoi, Chaloi,
Fundusoi, Charudes und Kimbroi. über die Mehrzahl dieser Völker sind
wir nicht näher unterrichtet. Die Reudigner führt Tacitus als den südlichsten Stamm
in der Nachbarschaft der Longobardcn auf, an welcher Stelle Ptolemäus die
— > uzoi t^, Sachsen setzt, die hier als Einzelstamm zum erstenmal in der Geschichte
genannt werden. Vermutlich sind sie identisch mit den Reudignern. Sie
safsen zwischen Elbe und Chalusos (Trave oder Warnow) auf dem breiten
Ansatzstück der Halbinsel am Kontinent. Die Kimbern werden als der nörd-
lichste Volkfigtamm bezeichnet. Von ihnen ging im H. Jh. jene Völkerbewegung
aus, die auch Rom in Mitleidenschaft zog. Ein Rest von ihnen mufs auf der
nach ihnen benannten Halbinsel zurückgeblieben sein. Tacitus und Strabo
kennen sie freilich nicht an dieser Stelle. Die obengenannten Varini, Warnen
schliefsen sich später den Angeln an und bilden einen Teil der Thüringer (lex
Aiufliorum et Wrrinornm, h<«- est Tliurinffoninij. Seit der Mitte des V. Jh. wandern
Teile der Angeln und Sachsen nach Britannien aus. Auf den später dänischen
Inseln safsen im Altertum die Eruli (Heruli), die s. Z. von den Dänen ver
trieben wurden.
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frii. Römisches Germanien.
143
50. Römisches Germanien. Zur Zeit Caesars war der Rhein «Ii«*
Grenze /.wischen tlem römischen Gallien und Germanien. Ihm war
es gelungen, die nach W. drängenden germanischeu Stämme zurück-
zuweisen. Doch bald nach seinem Tode mulsten von neuem Mafsregeln
gegen «Ii«1 unruhige Nachbarschaft getroff«'ii werden. Die Verpflanzung
der den Römern freundlich gesinnten Ubier auf die linke Rheinseite
durch M. Vipsanius Agrippa (38 v. Chr.) war durch die von O. her nach-
drängenden suebiseben Stämme nötig geworden. Die Clades Loüiana des
Jahres 17 legte vollends nahe, dafs eine gemessene Defensivpolitik sich
nicht durchführen liefs, und August us entschloßt sich daher zu einem ener-
gischen Vorstofs. Seinen Stiefsöhnen Drusus und später Tiberius fiel
diese Aufgabe zu. Im Jahre 5 n. Chr. war das Land bis zur Elbe und
Nordsee durch Tiberius unterworfen, die Elbe somit zur neuen Reichs-
grenze geworden. Jedoch das ungeschickte Verhalten des Varus und
seine Niederlage im Teutoburger- Walde (9 n. Chr.) hatte den Verlust
des westlichen Gennaniens zur Folge, und der Rhein wurde abermals
die Grenze. Seitdem waren Augustus und ebenso sein Nachfolger
Tiberius bestrebt, die Rheinlinie zu halten. Auch das siegreiche Vor-
gehen des Germanikus (14 — 16 n. Chr.) änderte an dieser Taktik nichts,
hatte jedenfalls keinen praktischen Erfolg gehabt.
Die Legionen waren auf die linke Rheinseite zurückgezogen worden,
sie standen auf dem Boden der gallischen Provinz, da eine römische
Provinz Germanien nicht mehr existierte. Das ganze Verwaltungssystem
bedingte es aber, dafs die östlichen Randgebiete der gallischen Belgica
dem Militärkommando der für Germanien bestimmten Rheinarmee unter-
stellt und seitdem auch als Germania bezeichnet wurden. Das überaus
starke Militärkontingent von acht Legionen machte nun im weiteren
eine Teilung in zwei Militärgebiete bezw. Verwaltungsbezirke nötig: Ober-
ilm! Niedergermanien.
Noch im 1. christlichen Jahrhundert traten hier am Rhein wesent-
liche Veränderungen ein. Allerdings weniger in Niedergermanien, wo
man auch nach dem batavischen Aufstand den Rhein als Grenze bei-
behielt. Das nördlich des Unterrheins gelegene Gebiet bis östlich zur
unteren Ems hatte bereits Kaiser Claudius aufgegeben. Weiter oberhalb
war ein breiter Landstrich rechts des Rheines entvölkert und in diesem
Zustande als Ödland belassen worden.
Auch in Obergermanien war das ehemals von Helvetieru besetzte
Neckargebiel nach der Varusschlacht eine Wüstenei geblieben. Doch
griff die römische Herrschaft unter den Flaviern , zunächst Vespasian
wieder auf die rechte Rheinseite hinüber. Im Jahre 74 existierte hier
bereits eine Stral'se bis nach Offenburg, und die Flavischen Altäre (Arne
Flavia?) am oberen Neckar weisen gleichfalls auf eine Occupation hin,
der dann die Besiedelung und Kultivierung des Landes folgte. Diese
Ayri d&umatcs scheinen in Sumeloeenna (Rottenburg a. N.) einen Ver-
waltungsnüttelpunkt gehabt zu haben, da unter Domitian ein Prokurator
daselbst genannt wird.
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144 IL Politische Geographie von Mitteleuropa im Altertum.
Das untere Maingebiet war gleichfalls wieder in den römischen
Machtbereich gezogen worden. Wie das Land der Mattiaker südlich
des Taunus nie ganz von den Römern aufgegeben war. zumal es manche
materiellen Vorteile ihnen bot, so wurde unter Domitian im Jahre *3
auch das Ohattenland bis zum Fuldischen dem römischen Reiche ein
Verleiht. Mit welcher Entschiedenheit sie alle diese Landschaften zu
behaupten gedachten, zeigt die Anlegung einer künstlichen Grenzmarke,
des obergermanischen Limes, der im Verein mit der weiteren Fort-
setzung, «lein rätischen Limes, das neuerworbene rechtsrheinische Ober-
germanien g« gen das freie Germanien bestimmt abscheiden, durch mili-
tärische Einrichtungen (Kastelle, \V achttürme) aber auch nötigenfalls
sicherstellen sollte.
Die Begrenzung Gcrmanicns wird von den Alten sehr verschieden
angegeben; doch sah man als westliche Grenze allgemein den Uli ein an, trotz-
dem germanische Stamme schon zu Caesars Zeiten links von ihm safsen un«l
politische Umstände eine (Übertragung des Namens auch auf diese Gebiete not-
wendig machten. Aber auch TacitUS, der allenthalben von den beiden Gtr-
mamae links des Rheines spricht, sieht nichtsdestoweniger den Strom als west-
liehe Abschlufslinie des geographischen Begriffes Germania an (Germ. c. 1). Im
S. bildete die Donau die Grenze (Plin., Taeit., Ptol. % obwohl auch diese nicht
in ethnischer Beziehung von Bedeutung war; nur vereinzelt und wohl auch
ungenau werden bei Mela n. a. die Alpen als Grenze bezeichnet. W enn über
die nordliehe W assergrenze des Landes natürlich jeder Zweifel ausgeschlossen
war, so schwankten die Ansichten hinsichtlich der Ostgrenze um so mehr, zumal
die topographischen Kenntnisse gerade dieser Seite am mangelhaftesten waren.
Die Sarmatischen Berge und die Weichsel werden hier am häufigsten (Mela
III, 3; I'lin. IV 1*7; Ptol. II, 11. 4. Dimens. prov. 19) als Grenze gegen Sarmatien
genannt. Vgl. Möllenhoff DA. 11,3; Baumstark 1. e. I, 8 ff.
Obergerm an i en und Niedergermanien mit ihren Hauptquartieren
Mongontiacum und Vetera castra waren die Verwaltungssprengel links des
Rheines. Dal'ssie nach dort ansässigen germanischen Stämmen genannt worden
seien, wie Dio Cassius 53, 12 allerdings annimmt, ist nach oben Gesagtem un-
richtig. Germania snperior und inferior bei Taeit., bist. I, 9. 12.53; Julian vita
Ael. Spart, c. 1; Sparf. vita Hadr. e. 2 u. ö. ; späterhin auch Germania jyrinm
und sn-nnda genannt (Notit. dign. Oec. 1, 47, 71. 72). Zu Obergermanien ge-
hörten die Gebiete der Helvetier, Se<|iianer, Lingonen, Kaurikcr, Triboker, Ne-
meter und Vangionen (Monnnsen. Horn. Gesch. V, 109V Nach Cass. Dio 1. e.
fing Obergermanien schon an di u lthcin<|iicllcn an. Zu Lntergermanien: die
Gebiete der Thier t'ol. Agrippinens.), Tungrer, Menapier und Bataver. Die
Grenz«- zwischen den beiden Germanien bildete der Abrincasflufs (jetzt Vinxt
bach bei Rheineck), wo sich auch die beiden Grenzvotivsteine gefunden haben;
Brambach, Corp. inscr. Hhenan., n. 619. (550. Dafs der Abrineas Grenztlufs der
Germania inferior {l\oiiue/u > xaxm ist, sagt Ptol. 11,9.8; hierzu die Anmer-
kung in edit. ('. Müller. S. 225 mit Literaturnachweis.
Die Agri decumates, das Zehntland, wird nur von Tacitus (Germ,
c. 29; so genannt : Zu den germanischen Stämmen möchte ich diejenigen nicht
rechnen, welche das Zehntland bebauen qni dteumaten titjros exereentj, denn
jeder leichtsinnige Gallier, den <lie Armut verwegen machte, nahm den Boden
zweifelhaften Besitzes in Besehlag. Da bald darauf die Grenze gezogen und
die Besatzungen vorgeschoben worden sind, so sind jene Gebiete jetzt Vorland
des Reiches und Teil einer Provinz.« Das Land zwischen .Main und Donau
war nach dem Abzüge der Helvetier eine Einöde, it reo- 'Ekovrtrion tor^i»;
iit/oi nör '.-/XTju'fir iiotmr, Ptol. II. 11. 6. Auf diesen, den germanischen Inva-
«innen ausgesetzten Landstrichen siedelten sieh vereinzelt gallische Abenteurer
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66. RnmiachcB Germanien.
145
an ; in der zweiten Hälfte des L Jh. n. Chr. fafsten die Römer Fufs. Unter
diesen späteren Ansiedlern werden inschriftlieh Mediomatriker, Triboker, Bojer,
Senonen aus Gallien erwähnt. Viel erörtert worden ist der Begriff agri decu-
mates selbst, weil decmnas in dem Sinne von »zehntpflichtig« sprachlich nicht
erwiesen und die ganze Einrichtung überhaupt in der Kaiserzeit sonst unbe-
kannt ist (Mommsen, RG. V, 138). Creuzer (Zur Gescb. altröm. Kultur am
Oberrhein und Neckar, S. 81 ff.) fafste dcctimates als Nominativ, also Zehnt-
männer, Riese (1. c. 471) leitet ihn von einem hypothetisch angenommenen
Hauptort Decuma ab. Im allgemeinen vgl. Müllenhof!, DA. IV. 403 f., Zange-
meister, Westdeutsche Z. III, 244, Hübner, Rhein. Jahrb. 80, 6U. Die römische
Kolonisierung des Dekumatenlandes mufs spätestens unter den Flaviern be-
gonnen haben, wie die ßotfint <i)\urnn, Arae Flavia? (Ptol. II, 11, 30, Tab. Peu-
tinger), schliefsen lassen. Fraglich bleibt der Umfang des Dekumatenlandes,
welches einige auf das ganze Gebiet zwischen Rhein und Limes ausdehnten,
andere auf einzelne Teile desselben, speziell da« Neckarland. Entscheidendes
läfst sieh hierüber nicht sagen. Näheres vgl. bei Baumstarck, Erläuterungen
II, 39. Wenn Tacitus das Land bereits als pars prorineüu- bezeichnet, so kann
unter letzterer nur die Germania superior gemeint sein, zumal der Militärkomman-
dant von Mainz jene praesidia mit Soldaten vorzugsweise der 8. und 22. Legion
Wiegte. Dagegen scheinen die östlicheren Gebiete (Viam Anrelii und das Ries)
zu Rätien gehört zu haben. Cf. Brambach, Baden unter römischer Herr-
schaft, S. 19. — über die Literatur zu den agri dec." vgl. Jung, L c S. 118.
Ihm, in Paul y-Wisso was Encykl. 1, 894.
Der in seiner Art interessanteste Zeuge tler römischen Anwesenheit auf
dem rechtsrheinischen Boden Germaniens ist der Limes. In seinen Spuren
ist er überall nachweisbar, und die neuerdings erfolgende systematische Er-
forschung hat ims Klarheit über Verlauf und Einrichtung gebracht. Der Limes,
für welchen auch Bezeichnungen volkstümlicher Art, wie Pfahlgraben und
Teufelsniauer, üblich sind, zieht sich vom Rhein bis zur Donau hin. Er setzt
sich aus zwei Stücken zusammen, von denen das eine einen im allgemeinen ostwest-
lichen Verlauf hat, und zwar ist es die 174 km lange Strecke von Eining a. d.
Donau oberhalb der Einmündung der Altmühl bis westlich nach Pfahl-
bronn (nördl. von Lorch a. d. Rems), also durch Baiern und Württemberg
gehend. Sie ist keineswegs geradlinig, sondern biegt im mittleren Teile bis
Günzenhausen nordwärts aus. Bei Pfahlbronn ändert sich die allgemeine Rich-
tung des Limes, der von hier an zunächst 80 km geradlinig bis Walldürn
streicht und in wechselnder Richtung zum Main. Der Main bildet bis Grofs-
Krotzenburg selbst einen Teil des Limes, der von diesem Punkte an als Wall
nördlich zieht und die fruchtbare Wetterau mit umschliefst. Wieder südlich
führend läuft er auf der Höhe des Taunus entlang bis Holzhausen, von wo
an er dem Rhein parallel laufend sich ihm schliefslich nähert und bei Rhein-
brohl dem Vinxtbach gegenüber endet. Das Teilstück von Pfahlbronn bis zum
Rhein hat eine Gesamtlänge von 368 km und bildet den obergermanischen
Limes, jenes von Pfahlbronn bis zur Donau den rätischen Limes. Der rä-
tische Limes war eine Steinmauer, der Obergennanische bestand nur aus einem
Graben und dem zugehörigen Wall. Eine militärische Sicherung hatte diese
Grenzlinie in den etwa 70 Kastellen, die in bald gröfsercr, bald geringerer Ent-
fernung von ihr lagen. Sie liegen durchschnittlich 8 km, also einen halben
Tagemarsch, voneinander entfernt. Der Limes hat jedoch nicht als eine forti-
fikatorische Linie gedient, wenn ihm auch nicht jeder praktische Nutzen in
Kriegsfällen abgesprochen werden darf. Er mag hierfür als Alarniierungslinie
gedient haben, und der geradlinige Verlauf einzelner Strecken deutet darauf
hin. Sonst ist aber in der Anlage auf strategische Gesichtspunkte gar keine
Rücksicht genommen worden. Oft läuft der Wall durch ein Gelände, wo dem
Verteidiger die Aussicht auf das vorliegende Terrain ganz verschlossen war,
oder auf der inneren Seite schliefsen sich Sümpfe an, die dem Verteidiger es
erschwert hätten, an seine eigene Verteidigungslinie heranzukommen. Ebenso
Kretschmer, Historische Oeo^rnphie. 10
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14<> II PoliÜHchc (ioographie von Mitteleuropa im Altertum.
wäre es unmöglich gewesen, eine Linie von 542 km Iünge mit Truppen
besetzt zu halten. Wie grofs dir Truppenmacht an der Rheingrenze war, ist uns
hinreichend bekannt. Vgl. hierüber Mommsen in WZ. IV, 50. In erster Reihe
sollte der Limes eine Demarkationslinie sein, eine greifbare Landmarke im
staatsrechtlichen Sinne. Zugleich bildete er eine Zolllinie, die von den Mann-
schaften der Kastelle und Wachttürme überwacht werden konnte (Haupt,
p. 46:. Cber die Zeit seiner Herstellung ist nichts Sicheres zu ermitteln; jeden-
falls haben mehrere Kaiser an ihm gebaut von Domitian bis Hadrian. Vgl.
hierzu Zungcmrister im Korrespond. Westdt. Z. 1H83, Nr. 140; Herzog in Würt-
tembg. Viertel jahrshefte III. 109 ff. ; Asbach in WZ. III. 20; Cohausen S. 349;
Halm S. 81).
Von der reichhaltigen Literatur seien nur einige zusammenfassende Ar-
beiten genannt: E. Hübner, Der röm. Grenzwall in Deutschland, in Bonner
Jahrbb. 63, p. 17—56; 66, S. 13—25 (ausgezeichnet durch weitere Literatur-
angaben), von Cohausen, Der röm. Grenzwall in Deutschland mit 52 Tafeln,
Wiesbaden 1884. K. Haupt. Der röm. (irenzwall in Deutschld. nach den
neueren Forschungen, Würzburg 1885. — Seit 1892 ist von Seiten der Reichs-
regierung eine planmäfsige Erforschung des Limes in Angriff genommen worden.
Das Ergebnis der Arbeiten der Reiehs-Limeskommission wird in einem grofs
angelegten Werk zur Veröffentlichung kommen: von Sarwev und Hettner,
Der obergermanisch-rätische Limes, von welchem mehrere Hefte (die Kastelle
behandelnd/ schon erschienen sind. Über den Stand der Ergebnisse orientiert
fortlaufend 1892 1 '.»02 das sog. Limesblatt als Beigabe der Westdt. Zeitschrift.
Fabricius. Die Entstehung der röm. Limesanlagen in Deutschland, Vortrag.
Trier 1902.
57. Römische Alpenlander (Raetia und Noricum). Die Besitz-
ergreifung der Donaulinie fällt in die Zeit des Augustus. Mit der
Eroberung des rätischen Alponlandes und der oberdeutschen Hochebene
waren Drusus und Tiberius betraut worden, die sehr bald der Situation
Herr wurden. Im Jahre 15 v. Chr. wurde Raetia eine römische Provinz.
Das von keltischen Stämmen bewohnte Alpenvorland bis zur Donau,
Vindelicia, wurde der Provinz einverleibt. Weil dort und besonders
an der Donaugrenze eine Besatzung noch zu unterhalten war, so wurde
Raetia eine kaiserliche Provinz mit einem Prokurator an der Spitze.
Sie umfafste das südliche Baiern, Tirol und die östliche Schweiz (das
Oberrhein- und Inngebiet). Unter Trajan reichte das Provinzialgebiet
im NW. über die Donau bis zum Limes hin. Im O. schied es der Inn
gegen Noricum bis gegen den Zillerbach aufwärts. Im Pustertal scheint
die Grenze zwischen Toblach und Innichen gelegen zu haben, da Aguon-
tum (Lienz) noch zu Noricum gehörte, und im S. verlief sie über die
Grenzzollstationen Klausen und Meran. Gegen Hclvetien im W. wird
der Gotthardstock als Teilungspunkt angesehen und weiterhin der Boden-
see. Der Grenzort Ad fines (Pfyn a. d. Thür) sowie die Tatsache, dafs
in Zürich wie in Maienfeld (Magia) am Rhein Zollbureaus für den Binnen-
handel sich befanden, deuten im einzelnen den Verlauf der Grenzlinie
an. Weniger sicher ist sie vom Bodensee bis zur Donau bestimmt.
Nach Ptolemäus gehörte noch das Donauquellgebiet zu Rätien. — Am
Ende des III. Jh. erfuhr Rätien eine Teilung in zwei Hälften, Raetia
prima, das Gebirgsland umfassend, und Raetia secunda die oberdeutsche
Hochebene bis zur Donau. Für dieses war Augsburg, für jenes scheint
Chur die Hauptstadt gewesen zu sein.
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5<>. Römische Alponländer. 147
Östlich an Rätien sehlofs sieh Xoricuni, dessen keltische Bewohner-
schaft (Taurisker, Noriker) ebenfalls im Jahr 15 v. Chr. durch Drusus
dem römischen Reiche einverleibt wurde. Ks wurde von Königen regiert,
und auch nach der römischen Okkupation wurde es als regnum Noricum
l »zeichnet. Die westliche Grenze gegen Rätien ist oben angedeutet,
gegen X. bildete die Donau die Grenze, dagegen hat sie im 0. gegen
Pannonien immer geschwankt.
Über die Eroberung des Landes und die Quellen vgl. Jung, Die roma-
nischen Landschaften des röm. Reiches , 1881 , S. 315, und Mommsen, Rom.
(Wh. V, 178 ff. — Vorübergehend scheint auch das obere Rhonetal fVallis
Poenitui) unter demselben Prokurator von Raetia gestanden und somit einen
j^litischen Bezirk mit dieser Provinz gebildet zu haben. Nach CIL. V, 3936,
führte Q. Caecilius (II. Jh.) den Titel: Procur. Augustor. et pro teg. provinciai
tiiitiai et Viivhlir et Yallis Poenin. Auch aus Ptoleni. II, 12 geht ähnliches
hervor. Vgl. Mommsen CIL.. III, 707. In der späteren Reichsteilung gehört
aber das Rhonetal zu Gallien. — Der Inn wird als Ostgrenze von Tacitus, bist.
III. 5 und Ptolemäus II, 12, 1 genannt. — Die linksrheinischen Lande bildeten
den gallischen Steuerbezirk, die an der Donau den illvrisehen. Zu Illvricum
ini weiteren Sinne gehörten auch noch Rätien und Noricum. An den Grenzen
ider .Steuersprengel befanden sich Binnenzölle, wo die Qiuulragesima Galliarum
und die illyrischen Gefälle erhoben wurden. Vgl. Jung, Römer u. Romanen
in den Donauländern, 1877. S. 22. Für Zürich, Maienfeld, Klausen sind Zoll-
."ütionen erwiesen; desgl. für Boiodurum und Ischl fStntio Esceims) und
anderswo. Für die Westgrenze Rätiens vgl. Ptoleni. II, 12, 1 ; Strabo IV, 193.
— Im Norden der Donau hat das sog. Ries zwischen Schwäbischein und
Fränkischem Jura mit zu Raetia gehört; man nimmt allgemein einen Zusammen-
hang zwischen beiden Namen an. — Die diokletianische Reichsteilung erstreckte
fHi auch auf Rätien; doch erscheint dieses in dem sog. Veroneser Katalog
vom Jahre 297 noch ungeteilt. Vgl. Mommsen, Verzeichnis der röm. Pro-
vinzen , aufgesetzt um 297, in Abhandlgn. Akad. Wiss., Berlin 1862, S. 514.
Cnuuttelbar danach mufs aber die Teilung erfolgt sein; in dem Provinzenver-
zeichnis des Silvius (Mommsen L C.) erscheint es geteilt und ebenso in der
N<>titia dignitatum. Wo die Provinz von den Autoren erwähnt wird, heilst
Me in den drei ersten Jahrhunderten Raetia (in der Einzahl), bei den späteren
Baetiae. Die Abgrenzung zwischen der prima und tecunda ist unbekannt, doch
erheint die Scheidelinie vom Bodensee am Saume der Alpen entlang bis zum
Inn gelaufen zu sein. Vgl. im allgemeinen Planta. Das alte Rätien, 1872.
* M ff., 183—188.
Vindelicia und Raetia waren anfangs zwei getrennte Provinzen; seit Ende
'ta I. Jh. tritt jener Name aber zurück, und das ganze Land wurde als Raetia
raammengefalst.
Noricum umfafste etwa das heutige Ober- und Niederösterreich, Steier-
mark. Kärnten und Teile von Krain, Baiern, Tirol und Salzburg. Ptolemäus II,
l'; 1 gibt als Ostgrenze das Khtor ogog an, im N. (he Donau und im S. die
Karawanken. Im au bersten SO. wird Celeia noch als norische Stadt bezeichnet.
Ehemals scheint die Ostgrenze weiter östlich Relegen zu haben, da um 6 n. Chr.
Carnuntum als locus Xorici regni (bei Vellejus II, 109) bezeichnet wird. —
I'ichler. Austria Romana, Leipzig 1902.
10*
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III. Kulturgeographie von Mitteleuropa
im Altertum.
58. Siedelungen. Eine anschauliche Darstellung von der Siedelungs-
wei8e der Germanen gibt uns Tacitus (Germ. 16): »Es ist hinreichend
bekannt, dafs die germanischen Stämme nicht in Städten wohnen; nicht
einmal zusammengebaute Häuser dulden sie. Abgesondert und zer-
streut siedeln sie sich an, wo eine Quelle, ein Feld, ein Gehölz dazu
einladet. Die Dörfer legen sie nicht nach unserer Art aus verbundenen
und zusammenhängenden Gebäuden an, vielmehr umgibt jeder sein
Haus mit einem Hof, sei es wegen Feuersgefahr oder aus Ungeschickt-
heit im Bauen. Nicht einmal Bausteine oder Ziegel sind bei ihnen im
Gebrauch ; zu allem verwenden sie ein ungefüges Material ohne Schön-
heit und Heiz . . . Sie pflogen auch unterirdische Höhlen zu graben,
welche sie dick mit Mist belegen, als Zufluchtsort im Winter und Auf-
bewahrungsort für die Feidfrächte.« Die Städtelosigkeit ist danach
eine der bekanntesten Eigentümlichkeiten des freien Gennaniens gewesen,
und in der Tat werden in den Kriegen mit Rom auch nirgends eigent-
liche Städte namhaft gemacht. Ei n zelgehöft und Dorf sind die beiden
Grundformen der germanischen Siedelungen, jenes ganz vereinzelt liegend,
dieses aus einer Gruppe von Häusern bestehend ohne engeren Anschlufs
aneinander.
Von Dörfern fvici) wird uns allenthalben berichtet, auch sonst die
Abneigung gegen Städte betont. Anmiian XVI, 2, 12; Tac, bist. IV, 64. Gleich-
wohl ist auch von appula (besonders bei Caesar) die Hede; es scheinen befestigte
Örtlichkeit«*n gewesen zu sein, die in Kriegszeiten als Zufluchtsort und Schutz
für Hab und Gut aufgesucht wurden. Caesar, b. gall. IV, 19, erwähnt solche
oppiihi bei den Sueben, VI, 10. bei den Ubiern, Tacitus, liist. V, 19, bei den Batavern.
An anderen Stellen werden in demselben Sinne auch castella genannt. Vgl.
Möllenhoff, DA. IV, 280 ff. Nun führt Ptolcmäus (II, 11, 12 iTO allerdings nicht
weniger als 94 n<Y/.a<; nach ihrer geographischen Lage in Germanien auf; doch
kann dies nur eine unzutreffende Bezeichnung sein und beweist nichts gegen
Tacitus' Angaben. Müllenhoff ve rmutet in ihnen römische Kriegsplätze und
Handelsstationen. — Wenn auch von erdhöhlenartigen Wohnungen berichtet
wird, so werden solche Behausungen wohl nicht allgemein im Gebrauch gewesen
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59. Rönicrxtädte.
149
«ein; am allerwenigsten dürfen wir uns die Gernismen als Troglodyten vorstellen.
Waitz. DV. I. Bd., 112 ff. Müllenhoff, DA. IV, 283 ff. Baumstark, Er-
läuterung d. Genn., I, 547 ff. Dahn, Deutsehe Gesch. I, 151 f.
59. Römerstädte. Wo die Römer Fufe fafsten und das Land kul-
tivierten, da gingen sie planmäfsig vor. Überall finden wir in den
Rheinlanden handgreifliche Zeugnisse, mit welcher Intelligenz sie die
Ungunst natürlicher Verhältnisse zu überwinden verstanden, mit welchem
Aufwand von Energie sie den Grund für eine gedeihliehe Kultivierung
des Landes legten, und welchen Wert sie danach diesen Rheinlanden
beigemessen haben müssen, dafs sie vor keinem Opfer zurückscheuten.
Der tiefgreifende Einflufs, den sie ausübten, kommt schon in dem
ganzen Siedelungs- und Verkehrswesen zum Ausdruck. Die Rhein- und
Donauländer erhielten dadurch ein bestimmtes Gepräge, durch welches
.sie sich noch lange Zeit nach dem Aufhören der Römerherrschaft vor
den anderen Ländern auszeichneten, die von Rom wenig oder gar nicht
berührt worden waren. Die Gegensätze, die anfangs zwischen den unter-
worfenen keltischen und germanischen Völkerschaften der Rheinlande
und den Römern daselbst noch bestanden, schliffen sich im Laufe der
Zeit völlig ab. Die Legionen, anfänglich 80000 Mann stark, garni-
sonierten hier jahrhundertelang, und es konnte schliefslich eine Ver-
bindung und Vermischung zwischen den Herrschenden und Beherrschten
nicht ausbleiben. Die Annäherung beider Elemente, der friedliche Aus-
gleich zwischen ihnen tritt in der Entwickelung der Ortschaften im
Bereiche des Rheingebietes deutlich hervor. Die heutigen Städte Strafsburg,
»Speyer. Worms, Mainz, Trier, Cöln u. a. in. gehen alle auf römische
Anfänge zurück.
Die Römer wählten für die vielen Truppenniasscn, die sie dorthin ver-
legten, geeignete Orte aus; es wurden Festungen. Kastelle angelegt, in welchen
der Kommandant mit den Soldaten wohnte. Diese Kastelle waren von vier-
eckiger Gestalt, entweder quadratisch oder rechteckig. Aus diesen Legions-
lagern sind aber keineswegs die späteren Städte mit Zivilbevölkerung unmittel-
bar hervorgegangen. Tin Gegenteil, Stadtgründung und I^agerselüagung fallen
nicht zusammen; die eigentliche Stadt entwickelte sieh ursprünglich aufserhalb
des Lagers. Vgl. hierüber Mommsen, Die römischen Lagerstädte, im Hermes VII
(1873j, 299 ff. Bergk. Verfassung von Mainz, in Westdt. Z. I (1882), S. 498.
Hettner, Zur Kultur von Germanien und Gallia Belgica. in WZ. II (1883),
S. 4. 8. Rietach el, Die Civitas auf deutschem Boden, Leipzig 1894. Anders
dagegen Nissen, Das Templum, S. 54 ff.
Jeder Legion, jedem Heereszuge pflegten, wie das gewöhnlieh der Fall ist,
Marketender und Händler zu folgen. Aber diese Kaufleute durften nicht inner-
halb fies Lagere wohnen, denn dieses war nur Kasernement; — sie siedelten
sich daher aufserhalb an, wo sie ihre Bretterbuden (canabae) hatten. Es waren
dies also nur provisorische Anlagen, die abgerissen wurden, wenn die Armee
weiterzog. »Seitdem die Legion stehend geworden war, war auch der Ver-
kaufsplatz stehend, und die Kaufleute werden dann ihre leicht transportablen
camlxu durch solidere Häuser ersetzt haben, so dafs diese Ansiedelung mehr
und mehr ein städtisches Aussehen bekam (Mommsen, 1. c. VII, 305). Für
das I. Jh. wird uns dies für Veten castra bezeugt. Bei TacitUB, hiflt. IV. 22,
heilst es, wo das Lager von Julius Civilis angegriffen wird: »Die Gebäude, die
in Friedenszeiten unweit des Lagers gleich einer Landstadt aufgeführt waren,
wurden niedergerissen, damit der Feind sie nicht benutzen könnte. « Und ein
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150
III. Kulturnpogruphie vom Mitteleuropa im Altertum.
paar Zeilen später heifst es : dafs die somit obdachlos gewordenen Marketender,
die auch noch von anderen Lagerplätzen sich hier einfanden, im Lager auf-
§enommen, dafür Kriegsdienste leisten mufsten — Die Soldaten, die so ständig
iren Aufenthalt dort hatten, fraternisierten mit der einheimischen Bevölkerung
und heirateten deren Frauen. Natürlich mufsten ihre Frauen und Kinder
aufserhalb des Ingers wohnen, in der Lagervorstadt, wo die Händler und
Schankwirte ihr Domizil hatten. Nach vollendeter Dienstzeit wurden die Sol-
daten Veteranen, sie kehrten dann aber nicht in die Heimat zurück, sondern
siedelten sich in der Lagervorstadt an. Als unter Septimius Severus das I>ager seine
Bedeutung als Kaserne verloren hatte und zum Exerzierplatz herabgedrückt
war, nahmen selbst die aktiven Soldaten in der Vorstadt ihren Wohnsitz
(Hettner, WZ. II, 3). Zu bemerken ist aber, dafs in der Nähe der römischen
Lager meist schon Niederlassungen der einheimischen Bevölkerung vorhanden
waren. Anfänglich waren die cauabae von den vici der Einheimischen getrennt.
Im Laufe der Zeit wuchsen beide mit Zunahme der Bevölkerung zusammen.
So erklärt es sich, dafs die Legionslager einheimische Namen tragen. Wo eine
Niederlassung fehlte, benannten die Römer das Lager mit der Vorstadt nach
dem Volksstamm jener Gegend. Namen wie Argentoratum, Moguntiäcum,
Borbetomägus sind Ortsnamen keltischen Ursprungs. Dagegen Colonia Tre-
verorum, C. Nemetum sind neugeschaffene Bezeichnungen, ebenso wie Vetera
Castra, C. Agrippinensis.
Die wichtigsten Ortschaften des römischen Germaniens lassen sich am
besten in Verbindung mit den Strafsenzügen geben. Eine der ältesten Stralsen
war jene, die in Lugdunum (Lyon) in Gallien begann und direkt nordwärts
führte nach der oberen Marne und von hier nach Cöln. An ihr lag Tullum
oder Tulla (Toul), Scarponna (Charpeigne), Divodurum, auch Medioma-
tricum oppidum genannt (Metz.) Die Strafse ging weiter nach N., zwar
nicht direkt der Mosel entlang, aber in einiger Entfernung von ihr nach
A ugusta Tre verorum (Trier), damals eine äufserst glänzende Stadt, Urbs
opulentissima (Mela) von beträchtlichem Umfange. Dann folgte Beda vicus
(Bitburg), Marcomagus (Mannagen), Tolbiaeum (Zülpich) und Colonia
Agrippinensis, das ehemalige oppidum Ubiorum (Cöln), die Haupt-
stadt von Niedergermanien. Von hier führte die Strafse auf der linken Rhein-
seite weiter über Durnomagus (Dormagen), Novaesium (Neuis), Gel-
duba (Gellep), Asciburgium (Asberg), Vetera castra (Birthen?). Co-
lonia Trajana (Xanten), Noviomagus (Nimwegen), Trajectum (Utrecht)
nach Lugdunum Batavorum (Leiden). — Von Cöln ging auf dem linken
Ufer eine Rheinstralse aufwärts nach Bonna Bonn), Rigomägus (Remagen),
Antunnacum (Andernach), Confluentes (Coblenz), Baudobrica (Bop-
pard), Bingium (Bingen), Mogontiäcum mit dem Castellum Mattiacum
auf dem gegenüberliegenden Ufer; es war die Hauptstadt von Obergermanien;
Borbetomägus, civitas Vangionum (Worms), Noviomagus, civitas Ne-
metum (Speier); weiterhin folgte Vicus Julii iGermersheim\ Tabernae
(Rhein-Zabern) , Saletio (Selz), Breucomagns Brumat), Argentorate
(Strafsburg) und am Rheinknie Cambete f Kembs), von wo eine Strafse süd-
westlich nach Vesontio (Besaneon) führte. Ein Stink oberhalb des Rheinknies
lag A ugusta Raurieorum (Äugst).
Auf <ler rechten Seite des Rheins lag das Dekumatenland ; die Römer
schienen es anfangs unbesiedelt lassen zu wollen, überliefscn CS aber den galli-
schen Einwanderern. Auch im Dekumatenlande. welches also zum gröfeten
Teil die badischen und württembergischen l^ande umfafste, wurde der Stralsen -
bau in Verbindung mit den Siedelungen eifrig gefördert. Wichtig sind hier
die Meilensteine, wie jener von Bühl, der einer Strafse Erwähnung tut, die l>ei
Mainz auf dem linken Ufer begann, bei Worms auf das rechte Rheinufer
führte naeh Lupodunum (Ladcnburg). Nach Zangemeister stammt dieser
Meilenzeiger aus der Zeit Trajans. etwa «lern Jahre 1CX). Der nächstfolgende
bedeutsame Ort war damals die Civitas Aurelia Aquensis oder Aquae
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G(). lAiidwirtachaft. 1 51
Aureliae (Baden -Baden), die schon am Ende des I. Jh. existiert hat und
wegen der warmen Quellen natürlich ein Anziehungspunkt würfle. — Von
Vindonissa (Windisch in der Schweiz) führte die Konsularstrafse nach Reginum
(Regensburg). An ihr lagen, wenn auch nicht grofse Städte, so doch mehrere
Stationen (mansionesj, wie Tenedo. Juliomagus Brigobanne, die sich
nur schwer mit heutigen Örtlichkeiten identifizieren lassen. Dann folgen die
Arae Flaviae beim heutigen Rottweil, ein militärisch, wie für die sakrale
und zivile Verwaltung wichtiger Punkt. Weiter ging die Strafse durch das
Neckartal nach Sumelocenna (Rottenburg a. Neckar), wo ein sehr grofs
angelegtes Kastell sich befunden hat. Bei (Maren na Cannstatt) überschritt
die Strafse den Neckar; sie biegt östlich um und führte südlich des Limes
nach Aquileia (Aalen) und über Abusina nach Castra Regina, Reginum.
Das Helvetierland durchzog eine Strafse vom Genfer See bis sum Boden-
see. Sie begann bei Octodurus (Martigny), dem Sammelpunkt mehrerer Alpen-
passagen, führte den Rhone abwärts an das östliche Ende des Genfer Sees
nach Penneloci, weiter um den Nordrand herum nach Vi vi seil s iVevey),
Lausonna (Lausanne), N o v i o d u n u m (Nyon), (ienava (Genf » in der Gaflia
Narbonnensis. Von Lausanne zweigte nordwärts eine Strafse nach Eburo-
dunum ab (Yverdun, Ifferten). Die Hauptstrafse führte von Vivlscus nörd-
lich nach Aventicum (Avenehes), der Hauptstadt der Helveticr. Weiter
ging sie nach Salodurum (Solothurn) und dem wichtigen Vindonissa
(Windisch); es lag sehr wahrscheinlich an der ZusammenHufsstelle von Reufs
und Aar. Weiterhin südöstlieh lag Aquae (Baden in der Schweiz). Die
Strafse führte dann über Vito durum (Winterthur), ad Fines (Pfyn) an den
Bodensee, den sie bei Ar bor Felix erreichte (Arbon), bis Brigant i u m
(Bregenz). -~ Unter den Städten Rätiens sind zu nennen: Curia (Chur),
Campodunum (Kempten), Abudiacum, wo die Strafse von Brigantium
mit der Brennerstrafse [über Parthanum) zusammentraf. — Vgl. auch
unter »Verkehr^ die an den Alpenstrafsen liegenden Orte. — Von Abudiacum
führte die Strafse den Lech entlang nach Augusta Vindelicorum (Augs-
burg), der Hauptstadt Vindeliciens, der späteren Raetia secunda (bei Tacitus:
splendidissima provinciae colonia). Von hier ging eine Strafse südöstlich über
Pons Aeni nach Juvavum (Salzburg) und eine andere nordöstlich nach
Reginum oder Castra Regina (Regensburg). Sie führte weiter der Donau
entlang bis zur Mündung des Inn, der Grenze von Rätien und Noricum. Auf
der linken Uferseite lag Castra Batava (Altstadt Passau)., gegenüber auf der
rechten Bojodurum (Innstadt bei Passau). Die Strafse führte weiter nach
Ovilava [Wels) und an die Donau zurück nach Lauriacum (Lorch), Ar-
lape (Pöchlarn), Trigisamum (Treismaur), Commagena (Tulln) nach Vin-
dobona (Wien) und Carnuntum (Petronell).
60. Landwirtschaft. Über den Kulturzustand der Germanen sind
die verschiedenartigsten und Widerspruch vollsten Ansichten geäufsert
worden. Die Beweglichkeit der germanischen Stämme, die durch die
Landnot erfolgton Auswanderungen ganzer Völker mit ihren Herden
und Wagenburgen hatten zu der irrigen Annahme geführt, dafs jeno
noch reine Nomaden gewesen seien. Freilich hätte man bedenken
können, dafs Germanien uns von den Alten als ein walderfülltes Land
geschildert wird, und dafs Urwälder noch niemals von Nomaden bevölkert
worden sind. Auch die Annahme , dafs sich jeno Völker den für die
Viehhaltung nötigen Raum durch Rodungen geschaffen hätten, führt bei
näherer Prüfung zu ganz unhaltbaren Folgerungen. Man hat sich von
dem Zustande des Landes insofern eine falsche Vorstellung gemacht,
als man dem Walde eine zu grofse Vorherrschaft zugesprochen hat.
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152 IHi Kulturgcographie von Mitteleuropa im Altertum.
Die tatsächliche Anwesenheit von volkreichen Stämmen läfst vielmehr
auf das Vorhandensein vieler waldloser oder mindestens weniger dicht
bewaldeter Stellen zurückschliefsen, die der Ackerwirtschaft unterworfen
waren; und erst als sie bei steigender Volksvermehrung nicht mehr
ausreichten, entsehlofs man sich zur Auswanderung. Auch an Rodungen
zum Zweck der Agrikultur ist nicht zu denken, da die Niederlegung
von Urwaldungen, die man sich gewöhnlich als zu einfach und leicht
vorstellt, damals technisch kaum durchführbar wTar. Die naturgemäfs
sich aufdrängende Krage, woher waldfreie Stellen vorhanden waren, da
doch Rodungen vollständig ausgeschlossen sind, läfst sich nur mit Hin-
weis auf die geognostische Beschaffenheit des Bodens beantworten. Die
Verbreitung des Löfs, jener durch Staubverwehungen erzeugten Boden-
schicht von unbegrenzter Fruchtbarkeit, setzt für verschiedene Gegenden
Mitteleuropas einen steppenlandartigen Charakter voraus. Der Nachweis
von spezifischen Steppentieren und -pflanzen an solchen Stellen imd die
archäologisch nachgewiesene früheste Besiedelung geben den Schlufs an
die Hand, dafs das Land nicht vollständig mit Wald zugedeckt war.
Der Mensch hatte sich hier eingefunden, ehe sich das ganze Land mit
einer Urwaldvegetation bekleidet hatte, und solche waldfreien oder wald-
armen Gebiete wurden natürlich von Generation zu Generation offen
gehalten und dauernd für die Siedelungen und Ackerkultur in Anspruch
genommen.
Über die Nahrungsmittel der Germanen werden uns von den
Alten mehrfach Mitteilungen gemacht, die einen Schlufs auf ihre land-
wirtschaftliehe Tätigkeit gestatten. Tacitus (c. 23) bemerkt: »Ihre Kost
ist einfach : wildwachsende Früchte (agrestia poma), frisches Wild oder
geronnene Milch, und Caesar (b. g. IV, 1) berichtet von den Sueben,
dafs sie > gröfstenteils von Milch und «lern Vieh leben, weniger von
Getreide, und viel auf der Jagd sind«. Hiemach scheint das Fleisch
als Ertrag der Viehzucht wie der Jagd die Hauptnahrung der Germanen
gewesen zu sein, ohne dafs man sie deshalb aber als ein Nomadenvolk
oder Jägervolk bezeichnen dürfte. Freilich sagt Caesar (b. g. VI, 22),
dafs sie nicht der Feldarbeit obliegen (agricitUurac non Student) und dafs
ihre Nahrung zumeist in Milch, Käso und Fleisch besteht. Doch ist
der «-rste Teil des Satzes nicht wörtlich zu nehmen, da er kurz darauf
von den Maisnahmen bei der Benutzung der Acker spricht. Ihre land-
wirtschaftliche Betätigung, die man aber nicht allzu hoch veranschlagen
darf, wird von anderer Seite gebührend hervorgehoben, und es werden
auch die Feldfrüchte, die s. Z. gebaut wurden, namhaft gemacht,
besonders Hafer und Gerste. Dagegen hat die Kultur edler übstarten
ganz gefehlt und wurde erst eingeführt , wie schon die Namen : Wein,
Kirsche, Pflaume, Birne bezeugen. Auch der Viehzucht wird von den
Alten mehrfach gedacht, doch hatten sie von ihr keine hohe Meinung,
weil Pferde, Rinder und Schafe ihnen alle recht unansehnlich erschienen.
Nur die Gänse schätzten sie, hauptsächlich der Federn wegen, für die
hohe Preise gezahlt wurden. Weideflächen müssen hiernach genügend
vorhanden gewesen sein, und Plinius ist über sie des Lobes voll.
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60. Landwirtschaft.
153
Näheres über die Beschaffenheit Mitteleuropas im Urzustände s. bei
Gradmann, Das mitteleuropäische Landschaftsbild nach seiner geschieht!. Ent-
wiekelung, in Geogr. Z. VII (1901), p. 361 ff., 435—437. Aufscrdem vgl
Nehring, Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, 1800. E. Krause,
Die natürliche PHanzendecke Nordcleutschlands. Globus 61 (1893). A. Schulz,
Grundzüge der Entwiekelungsgeschiehtc der Pflanzenwelt Mitteleuropas, 1893.
V. Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Übergänge aus Asien nach
Griechenland und Italien sowie in das übrige Europa, 6 Aufl.. hrgb. von
Sehrader und Engler. 1893 (hat die Frage von der histor.-linguistischen Seite
aus behandelt, wobei Irrtümer nicht ausgeschlossen waren). Ed. Hahn. Die
Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen, Leipzig 1896.
Tacitus nennt unter den Nahrungsmitteln ayrestia ponta, also wildwachsendes
Obst, worunter nur Beeren, Nüsse, Holzäpfel, Bucheneckern und Eicheln ver-
standen werden können. Denn c. 5 bezeichnet er das Land als frugiferarnm
arborum impatiem, d. h. als ungeeignet für (edle) Obstbäume. Müllenhoff (IV,
25 f.) bezweifelt, ob obige Früchte, die teilweise ein vortreffliches Sehweine-
futter bilden, wirklieh die tägliehe Nahrung der Germanen gewesen seien. Dafs
sie den Acker- und Gartenbau aber nur oberflächlich betrieben, wird aufser
durch Caesar 1. c. auch durch Tacitus (Germ. c. 26) bestätigt, wo er von der wech-
selnden Benutzung des Landes als Saatland und Brachland spricht und weiter
bemerkt, dafe sie weder Olwtpflanzungen anlegen, noch Wiesen abzäunen und
Gärten bewässern. Auel) Strabo, p. 290. ist hier zu berücksichtigen, der die
Sueben schildert, die Einfachheit ihrer Lebensweise, den häutigen Wechsel
ihrer Wohnsitze hervorhebt, »weil sie keinen Ackerbau treiben und sich keine
Schätze sammeln ; sie leben vielmehr in Hütten, die sie sich jeden Tag errichten,
und nähren sich gröfstenteils vom Vieh, wie die Nomaden (I), denen sie auch
darin ähnlich sind, dafs sie ihre Habe auf Wagen mit sich führen und mit
ihren Herden dahin ziehen, wohin es ihnen beliebt«. Strabo schildert aber
hier die Germanen im Kriegszustände , wie sie den Römern begegnet sind.
Wenn man hiernach die Sueben mindestens als Halbnomaden auffassen will,
so darf doch diese Annahme nicht auf alle germanischen Stämme ausgedehnt
werden. Dafs auch die Germanen in Zeiten der Ruhe und des Friedens das
Feld bestellten, lehrt die Notiz bei Caesar VI. 22 über füe jährliche Verteilung des
Ackerlandes unter ihnen. Aus allen diesen widerspruchsvollen Mitteilungen
geht nur das eine hervor, dafs der Ackerbau nicht ihre Hauptbeschäftigung
war und nicht in Blüte stand, jedenfalls hinter der Viehzucht rangierte. —
Von Feldgewächsen wird der Hafer favt-naj genannt, der nach Plinius XVIll,
149 in Form von Brei (puls) genossen wurde, aber von ihm als eine Art
Unkraut unter anderen Getreidearten angesehen wird. Tacitus (c. 23) erwähnt
dann die Gerste (hordeum) und Hafer (frumentum). Langethal (p. 25) will
letzteres Wort nur als Getreide, Brotfrucht schlechthin verstanden wissen und
vermutet in ihm da* Einkorn, in Thüringen Dinkel, anderwärts Spelt, Spelz
genannt An jener Stelle des Tacitus werden beide zum Zweck der Bier-
bereitung erwähnt. Merkwürdigerweise wird des Roggens (secale) gar nicht Erwäh-
nung getan Plinius bespricht ihn. aber niemals mit Bezugnahme auf Germanien.
Von anderen Gewächsen üifst sich auch keine Belegstelle finden, doch ent-
scheidet vielfach der urdeutsche Name, dafs es in früherer Zeit bekannt
gewesen sein mufs. - Von Wurzelgewächsen wird der Rettich (rapfumus)
genannt, der nach Plinius XIX, 83, bis zur Gröfse eines Kindes sich auswuehs.
Ferner die Rapunzel (siscr), für welche Kaiser Tiberius eine Vorliebe hatte
und welche er von Niedersermanien bezog, und der wilde Spargel (asparago)
in Obergermanien (Plin. XIX, 90, 145). Von Nutzgewächsen scheint man nur
den Flachs gekannt zu haben, obwohl auch dies nicht ausdrücklich bezeugt
ist ; aber die germanischen Frauen trugen linnene Gewänder und verfertigten
sie selbst (Tac. Germ. 17; Plin. XIX, 8, 9). Gartenhau war im eigentlichen Sinne
des Wortes nicht vorhanden ; Gartenfrüchte sind auch sämtlich erst eingeführt
worden; die Namen: Gurke, Kürbis, Kümmel, Salat, Senf, Petersilie, Dill,
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154 III - Kulturjreographie von Mitteleuropa im Altertum.
Zwiebel sind auch alle Fremdwörter (Müllenhoff IV, 377). Schliefslich
auch des Weinstockes gedacht, der auf Grund einer Stelle in der vita Profti
des Vopiscus, c. 18, durch jenen Kaiser in Gallien, Spanien und Britannien
und vermutlich auch Germanien eingeführt worden sei. Doch kann hierbei
von einer allgemeinen Verbreitung nicht die Rede gewesen sein. Caesar bemerkt
(b. g. IV, 2) von den Sueben, dafs sie Weineinfuhr nicht dulden, und II, 15
sagt er dasselbe von den Nerviern. Tacitus (Germ. 23) bezeichnet nur die dein
Rhein zunächst Wohnenden als Weintrinker, die ihn al>er auch erst durch
Kauf beziehen (proximi ripae et vi tut m mercantur). — Viel gerühmt wurden die
Viehweiden mit ihren gehaltvollen Futterkräutern, von denen Plinus XVII,
26, sagt: quid laudabilhix Girmaniae palndist Die Viehzucht war auch die
Liebimgsbeschäftigung der Germanen. »Sie freuen sich über die Zahl Ihrer
Tiere, und diese sind ihr einziger und liebster Reichtum« (Tac, Germ. 5). Aber
über die Qualität der Tiere urteilte der Römer vielleicht nicht ohne Vorein-
genommenheit viel strenger. Vgl. das abfällige Urteil über die Pferde, c. 6;
hierzu Caesar, b. g. VI, 2; VII, 65. Unter den Stämmen werden die Chauken
im Nordseeküstengebiet, wo der Marschlandboden einen vortrefflichen Weide-
platz bildet, als diejenigen bezeichnet, welche die meisten Pferde besafsen.
Ebenso tadelt Tacitus an den Rindern die Unansehnlichkeit der Rasse. Die
Produkte der Rinderzucht (Milch, Käse und Fleisch ) bildeten einen wesentlichen
Teil ihrer Nahrung. Auch Fische wurden genossen, so von den Chauken
(Plin. XVI, 3) und von den Bewohnern der Rheininseln ^Caesar IV, 10); desgl.
blieben die Fische in Rhein und Donau nicht unbeachtet (Plin. IX, 44).
über die Gänse (yantae), auf welche der Daunen wegen voll Kohorten Jagd
gemacht wurde, vgl. Plin. X, 53.
Jacobi, De rebus rusticis veterum Germanoruni, Dissert,, Leipzig 1833.
II ostmann, Altgermanische Landwirtschaft , Göttingen 1855. Lange thal,
Gesch. der deutschen Landwirtschaft, Jena 1854, I. Müllen ho ff, DA. IV,
25 f., 149-157, 343-349, 362 ff. Waitz, D\\, I. Bd. v. d. Goltz^ Gesch.
der deutschen Landwirtschaft, 1902, 1, 29—61. W. Fleisch mann, über die
landwirtschaftlichen Verhältnisse Gennaniens um den Beginn unserer Zeit-
rechnung, Journal für Land Wirtschaft 1903, S. Kl ff.
61. Wald. Als charakteristischer Grundzug der germanischen Land-
schaft wird von den Alten stets die dichte Bewaldung angegeben. Der
Gegensatz zur Mittelmeerlandschaft war ein zu durchgreifender. Die
Schilderungen gipfeln daher in lebhaften Ausdrücken von der Düsterheit
und Undurchdringlichkeit der germanischen Wälder. Dafs die Bedeckung
mit Urwald nicht eine allgemeine war, dafs gröfsere und kleinere Ge-
biete des Waldes entbehrten und der Besiedelung und Agrikultur dienten,
ist im vorhergehenden Abschnitt gezeigt worden. Gewifs aber war das
weitaus gröfste Areal des Landes damals noch mit Wald erfüllt, und
besonders gilt dies von den Gebirgen, die auch meist die Bezeichnung
silra oder saltus führen und bis in das Mittelalter hinein völlig unzugäng-
lich waren. An erster Stelle ist hier die oft genannte Hercynia silva zu
nennen, die kein einzelnes Gebirge nur, sondern eine ganze Folge von
Berglandschaften war, vom Schwarzwald bis zu den Karpathen reichend.
Die vorwiegend gleichmäfsige Bedeckung mit Wald, dem eine Aus-
dehnung von 60 Tagereisen in der Länge und 9 Tagereisen in der Breite
zugeschrieben wird, wobei lichte und waldarme Stellen natürlich nicht
ausgeschlossen waren, mag gerade zu einer Kollektivbezeichnung jener
mitteldeutschen Gebirgszüge mit Veranlassung gegeben haben. Ferner
gehören hierher die Marciana silva (Schwarzwald), Oabreta silva (Böhmer -
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(••»- " 1 "(
61. Wald. 155-
wald), Semana silva, ßacenis silva (Rhön, Spessart), die Cacsia silva im
O. des Mittelrheins, die Arditenna silva im W. von diesem, die heutigen
Ardennen bis südwärts über die Mosel hinaus und an den Rhein reichend,
der Saltus Teutolnirgensis. Das Geheimnisvolle jener schwer zugänglichen
Waldungen beherrschte auch die religiösen Empfindungen des Volkes;
heiüge Haine werden uns mehrfach genannt, so : der Lucus Baduhennae
bei den Friesen, eine Hercidis silva im Weserlande, ferner der Hain der
Naharvalen und jener der Semnonen sowie das Castrum nemus der Ncr-
thus. — Die Unwegsamkeit durch diese Waldwildnis hemmte oft genug
den Römer in seinem Siegeslauf; das Vordringen in das Innere war
hierdurch nicht zum wenigsten erschwert; Schlupfwinkel und Vorstecke
boten sich zahlreiche; Sümpfe versperrten den Rückzug; der Unkundige
war in einem solchen Lande verraten und verkauft. Immer von neuem
schütteten die Waldungen ihre Menschenmassen aus. Germanien ver-
teidigte sich nicht zum wenigsten durch seine Wälder. — Auch über
die Natur des Urwaldes geben uns die Quellen einige Aufschlüsse. Plinius
schildert uns den Herevnischen Wald, »der noch unberührt durch die
Jahrhunderte und so alt wie die Welt durch seine ewige Dauer alle
Wunder übertrifft.. Die Bäume stehen sich hier gegenseitig im Wege.
Die Wurzeln der Eichen stauen sich aneinander und heben das Erdreich
hügelartig in die Höhe; sie bäumen sich zuweilen so hoch auf. dafs
bogenförmige Wölbungen wie Tore entstehen, die ganzen Reiterschwa-
dronen den Durchgang gestatten. Doch werden sich derartige Erschei-
nungen wohl nur bei entwurzelten Bäumen beobachten lassen.
Was die Baumgattungen anbelangt, so ist man allgemein der Ansicht,
dafs dio Laubhölzer ganz entschieden vorgeherrscht haben and das Ver-
hältnis von Laub* und Nadelwald von damals zu heute genau das Um-
gekehrte war. Die Wälder bestanden vorzugsweise aus Eichen und
Buchen, untermischt auch mit anderen Bäumen, wie Erle und Weide in
feuchten Niederungen, Pappel, Esche, Linde, Ulme, Ahorn, Birke u. a. m.
in höheren Lagen. Über das Vorkommen aller dieser Gattungen geben
uns die prähistorischen Funde und die alten Autoren hinreichend Auf-
schlufs. Von Nadelhölzern werden die Fichte, Kiefer, Tanne und Lärche
genannt. Der geographischen Verteilung nach waren Fichten und Tannen
meist in den Gebirgen anzutreffen, die Lärche wohl ausschließlich in
den höheren Berglagen, besonders in den Alpen. In letzteren lebte, wie
Strabo berichtet, die Bewohnerschaft vorzugsweise vom Ertrag der Wald-
produkte und dem Handel mit ihnen (Harz, Pech, Wachs, Honig). Die
Kiefer war damals wesentlich auf die östliche Hälfte der Norddeutschen
Tiefebene beschränkt. Während die süddeutschen Berglandschaften von
den Vogesen bis nach Böhmen hinein besonders viel, z. T. auch aus-
schliefslich Nadelwald trugen, fehlte dieser in Westdeutschland bis nord-
wärts zur Küste fast ganz. Der Spessart, Odenwald, die hessischen
Berge, aber auch der Thüringer Wald, der Harz, das Rheinische Schiefer-
gebirge waren Verbreitungsgebiete des Laubholzes.
Über dio Natur der Wälder in Verbindung mit der sumpfigen Beschaffen-
heit des Landes und der Rauheit des Klimas äufsern sich Mela III, 8; Tac.
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156 III. Kulturgeogniphic von Mitteleuropa im Altertum.
Germ. C 5; Annal. II, 5; Animian. XV, 4. Die Namen der Waldgebirge sind
in den Abschnitten über physische Oeographie behandelt. Der Lucus Badu-
hmnae, Tae, Ann. IV, 83; Hcrculis silva Tae.. Ann. II, 12; der Hain bei den
Naharvalen. Tae.. (ierm. 43, bei den Semnonen, ibid. 39; der heilige Hain der
Nerthus auf einer Insel im Ozean, ibid. c. 40. Mit der Insel seheint Rügen
gemeint zu sein ; andere sehen in ihr Femarn, Seeland, die Nordostspitze, von
Holstein, Alseu, Helgoland oder eine Insel in der Elbmündung bei Hamburg.
Letzteres Möllenhoff, DA., IV, 170. Vgl. auch Baumstark zu Taeitus, (ierm. II,
p. 174. Über die Baumgattungen gaben besonders die Pfahlbauten Aufsehlufs.
Die Pfähle waren bei einem Dorfe im Untersee (Bodensee), wie die noch
erhaltenen Rinden zeigen, aus Eichen, Buchen, Birken, Erlen, Ulmen, Eschen,
Ahorn und Tannen gearbeitet. Bei einem anderen Dorf im Genfer See bestanden
sie ganz aus Eichenstämmen. Die Eiche scheint überwiegend die Wälder
Westgermaniens gebildet zu haben; auch die alten Schriftsteller tun ihrer am
meisten Erwähnung. Caesar, b. g. I, 13, an der Rheinmündung, Plinius XVI,
1, im Emsgebiet, wo ganze Baumstämme schwimmend angetroffen wurden.
Aus ihnen stellten sich die germanischen Seeräuber ihre Boote her, die aus
einem einzelnen, ausgehöhlten Raumstamm bestanden. Auch für die Schweine-
mast fanden die Eichenwälder viel Verwendung. Uber die übrigen meist bei
Plinius genannten Baumarten vgl. Berg, p. 30 ff., 34—37. Kiefern, Fichten
und Tannen waren meist auf Gebirgen anzutreffen, desgl. die Lärche, z. B.
in den Alpen, wo sie in riesigen Exemplaren vorkam. Plinius (XVI, 74)
beschreibt einen dieser gröfsten Bäume, eine Lärche aus Rätien, wert, in Rom
gezeigt zu werden, die unter Nero zu einem Brückenbau dienen sollte, von
120 Fufs Länge.
über die Verteilung der Baumarten im alten Deutschland geben uns
neben direkten Nachrichten auch die Namen der Orte mehrfach Auskunft;
8. hierüber unten; desgl. über die einschlägige Literatur beim Termin 1375.
62. Bergbau. Der grofse Reichtum Mitteleuropas an inneren Boden-
schätzen war noch nicht hinreichend erkannt worden; jedenfalls waren
noch nicht alle Teile dieses weiten Gebietes daraufhin geprüft. Bei den
< iermanen konnte überdies von einem regelrechten Bergbaubetrieb keine
Rode sein, wenn sie auch Metalle für ihre Waffen verwendeten. Wenn
Taeitus bemerkt (Germ. 6), dafs Eisen bei ihnen nicht im Überflufs vor-
handen sei , so liegt darin ausgesprochen , dafs es nicht gänzlich an
solchem gefohlt habe. Der dicht unter der Oberfläche anstehende Rasen-
eisenstein war leicht erkennbar und ebenso leicht zu schürfen und zu
bearbeiten. Taeitus zog auch das Vorhandensein von Gold und Silber
in Zweifel. Kupfer und Gold hat sich aber in germanischen Gräbern nach-
weisen lassen, während Silber tatsächlich seltener gewesen zu sein scheint.
Weit mehr hat der Süden Mitteleuropas sich durch Förderung
von Bergwerkserzeuguissen hervorgetan. Die östlichen Alpenländer waren
wegen ihres < Joldreichtums bekannt, und einen grofsen Ruf hatte besonders
das norische Eisen, welches auch die Römer zu bergbaulicher Tätigkeit
anlockte. Der vorrömische Betrieb wTar in diesen Ländern nicht von
germanischen , sondern keltischen Völkern eingeleitet worden , welche
den Germanen im Bergwesen weit überlegen waren.
Mit dem Vordringen der Römer von Gallien her wurden auch die
westlichen Länder, besonders die Rheinlande, im weiteren Sinne der
Sitz lebhafter Montanbetriebe. Fliefsen auch die literarischen Nachrichten
hierüber sehr spärlich , so sind wir doch durch Auffindung der alten
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62. Beigbau. 157
bergbaulichen Einrichtungen mit Windherden so wir grofser Massen
alter Eisenschlacken über die damalige Tätigkeit und Ausdehnung des
Bergbaues einigermafsen unterichtet. Spuren hiervon finden wir an der
Mosel, in der Eifel, im Pfälzer Berglande, an der Lahn, im Taunus,
Schwarzwalde, in den Vogesen u. a. m. Dafs die Römer auch den
Thermalquellen, welche sie ebenso schon zu sanitären Zwecken verwen-
deten, ein besonderes Interesse entgegenbrachten, ist bereits erwähnt
worden. Merkwürdigerweise wird des Salzes so wenig Erwähnung getan,
trotzdem eine grofse Anzahl von Salzquellen ohne Zweifel schon damals
bekannt gewesen sein mufs und hoch geschätzt wurde, wie die häufigen
Kämpfe um den Besitz solcher Quellen ausdrücklich bezeugen.
Das für die damalige Zeit wichtigste und in den Mittel meerländern
begehrteste Produkt war der Bernstein, der an der Nordsee-, besonders
aber Ostseeküste (Samland) gefunden wurde und dessen Gewinnung
keine technischen Schwierigkeiten mit sich brachte. Seine kulturgeschicht-
liche Bedeutung liegt in dem Umstände begründet , dafs durch ihn in
den ältesten Zeiten der Geschichte die ersten Beziehungen der mittel«
meerländischen Kulturwelt mit dem Norden Europas angebahnt wurden.
Den Mangel an Edelmetallen und die geringe Wertschätzung seitens der
Germanen bemerkt Tacitus, Genn. e. 5; über «las Eisen ibid. Anfang von e. «>.
Im 43. Kap. berichtet er ferner von den Eisenbergwerken der keltischen ('<»-
tinen. die vielleicht im Grangebiet gesessen haben. Diese Bergwerke seheinen
dieselben zu sein, die Ptolemaus (II, 11, 11) nennt. nif>itni»orytiu in der Nähe
der Luna silva. Vgl. Müllenhoff, DA. II. 324. Baumstark ' (zu Tac. I, 302;
II, 221 f.) nimmt auch an. dafs von hier ein Teil Gernianiens mit Eisen ver-
sehen wurde.
Weit bedeutender waren die Eisenbergwerke in Norieuni; Strahn IV, 214;
Ovid, Metam. 14, 712; llorat; Od. I, 16, 9; Min. 34, 145. Desgl. war der
Goldbergbau in Norieuni bei Noreia sehr beträchtlich. Strabo (IV, 208, 214)
erwähnt (nach Polybiua) dies bei der Schilderung von Aquileja, welche« nur
Verkaufsort, nicht Fundort des Goldes gewesen sein kann. Auch die Flüsse
führten Goldsand, wie er 208 bemerkt, nur nic ht so viel, wie es in den Gold-
S*uben der Fall war. wo schon in 2 — 15 Fufs Tiefe gediegene Goldkörner von
uhnengröfse gefunden werden und das Gestein ein Achtel reinen Goldgehalt
aufweist.
Die Tätigkeit der Römer im Rheinland erwähnt Tacitus (Ann. XI. 20)
einmal. So hätte Curtius Rufus in agro Matti/ta» Schachte zur Aufsuchung von
Silberadern eröffnet, die allerdings nur eine spärliche Ausbeute auf kurze Zeit
ermöglichten. Man meint, diese Stelle bei dem I >orfe Naurod nordöstlich von Wies-
baden gefunden zu haben. — Spuren römischer Eisenwerke haben sieh ferner
auf dem Hunsrück gefunden bis zur Nahe und Saar hin. in der Rheinpfalz
bei Ramsen, im Stumpfwald. bei Bergzabern, Hehlcttcnbaeli, Rothweiler, Liseu-
berg und Limburg bei Dürckheim; im Elsafs bei Niederbronn, im Schwarz-
wakle am Wunnrlusse und im Hagensehiefswalde, auf dem Taunus und in der
Nähe der Lahn. Blei fand man in der Eifel bei Gommern, Mechernich,
Keldenich, bei Bleialf an der Schnceeifel, an der mittleren Mosel bei Bernkastel,
an der Lahn bei Ems und Nassau, im Schwarzwalde bei Baden-Baden; Kupfer
am Virneberg bei Rhein breitbach, an der Nahe bei Kreuznach, Thalböckelneini
und dem Rheingrafenstein, an der Saar bei Waller fangen. Limberg; Galmei
bei Gressenich und dem Kalnmsberg bei Aachen, vgl. von Festenberg-Packisch,
p. 4, 5.
Über die Gewinnung des Salzes liegen uns auch keine Mitteilungen
vor, aber hier wird man annehmen müssen, dafs die reichen Salzlager und
lös III. Kultunrcojrrapliu' von Mitteleuropa im Altertum.
Quellen l"i Rcichcnhall, im Salzkammergut, bei Marsal in Lothringen den
Anwohnern und später den Römern unmöglich ganz unbekannt gewesen sein
können Dir Hiiflstädter Funde beweisen sogar, dafs man bereite in prä-
historischer Zeit Salz abbaute. So hat man im Salzberge bei Hallstadt fünf
senkrecht vom Tage al »gebaute Sulzgruben bis zu 480 Fuls Tiefe gefunden, die
noch Leuchtspäne. Scheite, bearbeitetes Hüstholz enthielten. Diese Gruben
unterscheiden sich von den jüngeren dadurch, riafe man später Stollen anlegte
und das Salz durch Auslaugen mittels Wasser gewann. \\ ie der prähistorische
Salzbergbau, so gibt auch jener auf Kupfer, der schon lange vor Ankunft der
Kömer in Xoricum betrieben wurde (z. B. auf dem Mitterberge bei Bischofs-
hofen . der Annahme Raum, dafs sieh die Kenntnis solcher Lagerstätten un-
unterbrochen bis in die römische Zeit forterhalten haben mufs. Ranke, Der
Mensch, 1*90, II, 571 ff. Sacken. Grabfeld von Hallstadt, 1808. Die Gewin-
nung des Salzes aus Sole war eine sehr primitive. Plinius (31, 82) und Varro
(de re rust. 1. 7. 8 berichten, dafs die Germanen das Salzwasser über glimmende
Hölzer gössen, wobei es verdampfte und das Salz sich niederschlug. Salzquellen
waren natürlich viel liegehrt. Tacitus (Ann. XIII, 57) berichtet über den Kampf
zwischen Hermunduren und Chatten um den Besitz solcher Quellen (vermutlich
bei Salzungen oder Kissingen). Ebenso kämpften nach Ammian (27, 5) Ala-
mannen und Burgunder um Salzquellen (bei Hall oder Kissingen?).
Gurlt. Auffindung u. Untersuchung von vorgeschichtlichen Metall-
gewinnungs- u. Hüttenstätten, Bonn 1885. O. Dahin, Römischer Bergbau au
der unteren Lahn, Bonner Jahrbb. 101, p. 117—127. M. Much, Die Kupfer-
zeit in Europa. Jena 1893. von Fes t e n bc rg-Packisch , Der deutsche Berg-
bau, Berl. 1866, p. 3 ff.
Die ausführlichsten Nachrichten über den Bernstein im Altertum geben
uns Tacitus. Germ. c. 45, und Plinius h. n. 37. 31 ff. Bei den Alten hiefs er
elcctrum oder sucinuni, bei den Germanen glaesum. Tacitus bespricht nur
den samländischen Bernstein in Ostpreufsen, wo er auch heute noch am meisten
gewonnen wird; Plinius kennt jenen von der Nonlsce und Ostsee. Jedenfalls
lieferte auch damals schon die Ostsecküste den meisten Bernstein nach dem
Süden. Die Frage steht auch in Verbindung mit der Fahrt des Pytheas ^bei
Pün. 37. 35; Diod. 5. 23), der bis zur eimbrischen Küste gekommen ist, nicht
aber mehr bis zur Ostsee, und von dem Vorkommen des Bernsteins in der
Nordsee spricht, ( her den Bernsteinhandel und die Wege nach dem Südeu
s. weiter unten. Möllenhoff, DA. I. 212 HL 481 ff. Baumstark, Erläuterung
zu Tac. Germ. II, 284 ff. Kogge. Das Bernsteinland im vorchristl. Zeitalter,
Z. f. preufs. Geseh. 18G9. Pierson, Elektron oder über die Vorfahren der
alten Preufscn, • 1HB9. Waidmaiiii, Der Bernstein im Altertum, Progr. d.
livländ. Gymnas. Fellin 1883 mit reicher Literaturangabe; dasselbe gilt von
Olshausen. Cber den alten Bernsteinhandel der khnbrisehen Halbinsel, Z. f.
Ethnologie, Verhandlgn. 1890, p. 270 ff. ; 1891 n. 2*6 ff. Moldenhauer, Das
Gold des Nordens, ein Rückblick auf die Gesch. des Bernsteins. Danzig 1894,
II. Blüm in er, Art. Bernstein in Paulv-Wissowas Realencvkl. d. klass. Alt.,
1897. Schräder, Reallexikon der indogerm Altertumskde. 1901, p. 71 ff.
68. Verkehr. Die l'nwegsamkeit Germaniens mit seinen Wäldern
und Sümpfen ist von den Alton oft genug und nicht ohne Übertreibung
geschildert worden. Im inneren freien Germanien mufs allerdings das
Fortkommen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen sein,
wie noch die Zustände des frühen Mittelalters zeigen. Dafs bei fehlen-
den Wegen die Wasserst rafson benutzt sein werden, ist wahrscheinlich,
und die Küsten Völker wurden von vornherein auf die Schiffahrt hin-
gewiesen. Bataver, ('hauken, Brukterer werden als geschickte Schiffer
geschildert, die Schiffssch lachten lieferten und Seeraub trieben. Plinius
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63 Vorkohr. 159
berichtet von germanischen Seeräubern, die auf Einbäumen mit 30 Mann
Besatzung auf die See fuhren. Uber Binnenwege im inneren Lande
verlautet wenig. Eigentliche Strafsen wird es nur zum geringsten Teile
gegeben haben; höchstens handelt es sich um Verbindungslinien, deren
Verlauf unter Vermeidung der Gebirge durch günstige Flufsübergänge,
Moorpässe etc. bestimmt war. Verkehrslinien in diesem Sinne reichen
bis in die frühesten Zeiten hinauf. Der Bernstein bildote damals das
wichtigste Handelsprodukt, welches die germanischen Küstenmeere den
südliehen Kulturländern lieferten. Das Vorkommen von Bernstein aus
der Ostseo in mvkenischen Gräbern beweist, dafs bereits in der zweiten
Hälfte des zweiten Jahrtausends vor Christi Geburt Handelsbeziehungen
zwischen den baltischen Gebieten und dem Kulturkreis von Mykonae
bestanden haben müssen. — Mit Ausdehnung der römischen Occupation
von S. und W. her wurden die Randlandschaften mit einem dichten
Strafsennetz bedacht. Nicht nur militärische Rücksichten, auch die zu-
nehmende Besiedelung und Kultivierung jener Gebiete während der
römischen Kaiserzeit machten den Ausbau von Strafsen nötig. Im Wege-
bau waren die Römer Meister gewesen. Schnurgerado laufen ihre Chaus-
seen über Berge und Hügel, durch Niederungen und Sümpfe fort. Die
gediegene Herstellung sicherte ihre Existenz für Jahrhunderte; noch in
der Gegenwart lassen sich ihre Spuren nachweisen. Die Feststellung
römischer Strafsen ist freilich mit Schwierigkeiten verbunden. Wo nicht
ausdrückliche Nachrichten vorliegen oder Meilensteine, Münzfunde und
sonstige Antiquitäten sich nachweisen lassen, wird man aus der Technik
der Bauweise immer nur mit Vorbehalt Schlüsse ziehen dürfen, und
manche Strafsenanlagc der fränkischen Zeit oder noch weit späterer Jahr-
hunderte ist irrtümlich für römische 'Arbeit gehalten worden. — Gegen-
über den Strafsen des Flach- und niederen Berglandes nehmen die Hoch-
gebirgsst raison eine besondere Stellung ein. Wenn bei jenen auf die
Ungunst der Terrainverhältnisse gar keine Rücksicht genommen wurde
und immer geradlinig darauf losgebaut wurde, mufste man bei diesen
sich allen Zufälligkeiten der orographischen Gestaltung anpassen. In
den frühesten Zeiten wurden die Alpen als Passageland gemieden und
im O. und W. mühsam umgangen. Erst am Schlufs des ersten vor-
christlichen Jahrhunderts nahm man zur Unterwerfung und Romanisierung
der Alpenvölker den Strafsenbau über die Alpen in Angriff. In der
römischen Kaiserzeit führten bereits an 10 Strafsen über das Gebirg«',
von denen sieben fahrbar waren.
Cber die Woge des Bernstein ha ndels sind die verschiedensten An-
nahmen aufgestellt worden. Neben dem Seeweg in «He Nordsee, den die Pliöniker
und auf ihrer Bahn auch Pytheas benutzten, kommen hier die binnenländischen
Wege vor allem in Betracht : die Hhein-Rhonestrafse bis Massilia, die Elbe-
linie nach Böhmen und Mähren und eine östliche Strafse von der Weichsel-
mündung durch Oberschlesien nach Pannonien, in östlicher Abzweigung aber
auch nach dem Pontus hin. Bei den beiden ersten Strafsen handelte es sich
um den Vertrieb von Nordseebernstein, der nach anderer Annahme aber nicht
dort gefunden war«', sondern von der Ostsee, speziell dem Samland, stammte.
Trotzdem die Alten die Ostseo erst spät kennen lernten, scheint doch die grol'se
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160
III. Kulturgeogrnphie von Mitteleuropa im Altertum.
Masse des von ihnen verarbeiteten Bernsteins ihr zu entstammen. In den von
H. Schliemann aufgedeckten Schachtgräbern von Mykenae wurden Bernstein-
perlen gefunden, die nach der chemischen Analyse von O. Helm wegen des
hohen Gehaltes an Bernsteinsäure nur von der Ostsee stammen können, da.
ein dem Ostseebernstein chemisch und physikalisch gleichartiges Produkt sich
nirgendwo noch gefunden hat Vgl. Schuchhardt, Schliemanns Ausgra-
bungen im Licht der heutigen Wissenschaft, 1890, p. 223. Für die Elbstralse
ist neuerdings Olshausen wieder eingetreten, nach dessen Ansicht die Alten
wirklichen Xordseebcrnstein von der Kindirischen Halbinsel geholt hätten. Die
direkte Kunde von samländisehen Bernstein wird erst bei Tacitus und Plinius
sicher bezeugt. Letzterer erwähnt auch die Reise eines römischen Kitters z. Z.
Neros, der von Carnuntum bis zum Baltischen Meere vorgedrungen wäre und
grofse Bernsteinschätze heimbrachte (XXXVII, 45). Neben den Münzfunden
an der Strafse von Oberschlesien bis zur unteren W eichsel ist noch das Itinerar
der Stationspunkte des Handels von Celamantia (Komorn) bis zur Weichsel-
mündung bei Ptolemäus als Zeugnis für jenen Strafsenzug mitheranzuziehen.
Von den dort genannten, meist fragwürdigen Ortsnamen ist allein Kalisia auf
Kaiisch an der Prosna mit einiger Sicherheit zu beziehen. Auch die Funde
von verloren gegangenen Bernsteinstücken längs dieser Strafse weisen auf ihre
Bestimmung hin. Bei Grofshennersdorf (östl. von Namslau) sind an einer Stelle
an acht Metzcn unverarbeiteten Bernsteins neben Bronze und Eisengeräten ge-
funden worden. Die Literatur zur Bernstein frage s. oben p. 158. Ferner vgl.
Werlauff, Beiträge zur Gesch. des nordischen Bernsteinhandels, im Neuen
staatsbürgerlichen Magazin f. Schleswig-Holstein 1840. Redslob, Thüle, die
phönikischen Handelswege nach dem N'orden, Lpz. 1855. Wilberg, Einflufs
der klassischen Völker auf den Norden, Hamburg 1867. Genthe, über die
Beziehungen der Griechen und Römer zum Balticum, Verhdlgn. der Karlsruher
Philologen-Vers., p. 17 ff. Ders., Ober den etruskischen Tauschhandel nach
dein Norden, Heilbronn 1867. von Sadowski, Die Handelsstrafsen der
Griechen und Römer. Partsch, Schlesien I, 332 ff.
Die Alpenstrafsen genügten den damaligen Verkehrsverhältnissen
einigem lafsen. Meist waren sie nur. als Saumwege eingerichtet; ihre Breite
schwankte von 1,50 — 2,96 m, und oft waren sie so schmal, dafs zwei Wagen
immöglich hätten nebeneinander ausweichen können, ein Beweis, dafs sie für
den Wagenverkehr nicht durehgehends eingerichtet waren. Zur Anlage der
Strafse wurde vornehmlich die Sonnenseite der Täler aufgesucht, weil diese
wärmer und trockner ist und im Frühling eher schneefrei wird. Zudem sind
die alten Strafsen immer sehr steil ; zu Kehrwindungen an einer Bergwand auf-
wärts entschlofs man sich nur im äufsersten Fall. Der schnurgerade Verlauf
der Strafsen im Flachlande wurde auch im Gebirge möglichst beibehalten,
mindestens aber der kürzeste Weg aus Sparsamkeitmuksichten als Nonn ge-
nommen. So war die Strafse über den Malojapafs in drei Windungen angelegt
worden, während heute deren 22 sich finden. Das Begehen der Alpenstrafsen
war daher besonders im Winter nicht ohne Gefahr. Sehr anschaulich schildert
Strabo IV, 204 die Situation; auch Ammian XV, 10, 4. — An wichtigeren Alpen-
strafsen jener Zeit sind folgende zu nennen: Pber die Westalpen führten,
nebenbei bemerkt. 1. der Mongenevre (Alpis Cottitt) aus dem Tal der Dorn
Riparia von Susa aus in 1860 m Höhe in das Tal der Durance, von Pompejus
77 v. Chr. benutzt, unter Augustus ausgebaut; doch scheint er schon früher
begangen zu sein, wie denn auch Hannibals Alpenübergang auf ihn allgemein
Übertragen wird. Der Mont Cenis-Pafs wurde damals nicht benutzt. Von Aosta
führen aus dem Tal der Dora Baltea zwei Pässe hinüber. 2. Der Kleine
St. Bernhard (Alpis Graja) 2192 m. eine der ältesten fahrbaren Alpenstrafeen,
und 3. der Grofse St. Bernhard (Alps Poenina), 2472 m. Strabo (IV, 208)
charakterisiert ihn als eine steile, schmale, unfahrbare, aber sehr kurze Strafse.
die im weiteren die Hauptverbindung zwischen Mailand und Mainz bildete.
Auf der Pafshöhe wurde von den Bergstämmen ein Gott Poeninus verehrt
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63. Verkehr.
1G1
(Livius 21. 38). Votivtafeln für den Jupiter Poeninas hüben sieh auf der Pafs-
höhe, wo ein Tempel des Gottes stand, vorgefunden; daher später auch Möns
Jovis genannt. Die Strafse führte von Aosta (Aiujusttt Praetoria) naeh Martigny
(Ocfalnrus). 4. Die Si rn pl on straf se, 2010 in, von der eine Inschrift von
196 n. Chr. bei V'ogogna meldet; literariseh wird sie nicht genannt und ihre
Existenz im Altertum «leshall» angezweifelt. — Aueh der St. Ootthard und der
Lukmauier waren als Übergänge noch unbekannt. Von den Rheinpässen ist
der Reihenfolge nach 5. der St. Bernhardin (2063 m), zu nennen von Bilitio
(Bellinzona) in das Rheinwaldtal naeh Curia (Chur), welches Sammelpunkt der
Rheinpässe ist, wie Martigny für die Rhonepässe. Von der römischen Strafften-
anläge sind noch grofse Strecken erhalten. — Von Chiavenna (Clarenna) im S.
gehen drei Pafsstrafsen aus. die von Thusis gemeinsam nach Chur führen:
6. der Sp lügen, 2117 m, von Mailand nach Bregenz; von der alten Strafse
haben sich Spuren auf der Nordseite erhalten. Die Station auf der Pafshöhe
war der Cuneus aureus. Erwähnt wird die Strafse im Itiner. Anton, und auf
der Peutingerkarte. 7. Der Septimer, 2311 m, vom Bergelltal in das Halb-
steiner Tal nach Bivio. Ob die mit Steinplatten belegten Strecken der Strafse
römische Arbeit sind und der Pafs damals überhaupt viel benuzt wurde, wird
in Frage gestellt (hierüber F. Berger). 8. Der Julier, 2287 in, der von Chia-
venna aus über den Malojapafs (1811 ni) vom Engadin zu erreichen ist und
ebenfalls nach Bivio führt. Auf der Pafshöhe eine zertrümmerte Säule aus
der Römerzeit. Die Strafse war fahrbar, die erste nach dem Kl. St, Bernhard
und eine der am meisten benutzten von Oberitalien nach Rätien. — Dem Etsch
gebiet gehören zwei wichtige Strafsen an: lt. über die Resehen-Schei deck,
1493 m, deren Anfangspunkt Altinum am Adriatischen Meer war; sie führte
durch das Piavetal und Suganatal nach Tridentum und die Etsch bis zur
Quelle aufwärts. Sie wurde 46 — 47 n. Chr. vom Kaiser Claudius ausgebaut, daher
Uta Claudia Augusta genannt, 10. Der Brenner, 1363 m, nach dem alten Volks-
stamm der Breuni, Breones benannt, über den die kürzeste Verbindungsstrafse
von Verona naeh Augusta Vindelicorum führte. Ihr Verlauf ist nach dem
Itinerar und den Meilensteinen genügend sicher gestellt. Sie führte nördlich
nach Veldidena (Wüten bei Innsbruck). Von hier aus lief die eine Strafse
nach Pons Oeni (Pfünz) zum Anschlufs an die von Augsburg nach Salzburg
führende; die andere führte den Inn ein Stück aufwärts über den Seefelder
Pafs zur Searbia (Scharnitzenge) über Mittenwald nach Partenkirchen (Partha-
num) und das durch seine Talsperre und Römerfunde gekennzeichnete Oberau
zu den bei Spatzenhausen gesuchten Pontes Twiiios nach Ambra (wahrschein-
lich Schöngeising) und Augusta Vindelicorum. — In den Ostalpen existierte
infolge der orographischen (Uiederung eine beherrschende Hauptstraße nicht;
die Wege verlaufen zum Teil in den Längstälern. 11. Die Strafse über den
PI ecken pafs (Monte Crw), aus dem Taghamentotal über die Südkarnischen
Alpen (1371 m) in das Gailtal nach Mauthen und von hier über den Gail-
burger Sattel in das Drautal. Die Strafse führte dann das letztere aufwärts.
12. Der Saifnitz- oder Tarvispafs, 783 in, vom Tal des Fellabaches über
Pontafel Pontebba, über die Wasserscheide des Adriatischen und Schwarzen
Meeres nach Villach im Drautal ; sie führte nach Virunum nordlich von Klagen-
furt und über Noreja in das Murtal. 13. Die Strafse über die AI] >is Julia oder
Ocra, 830 m. war damals eine der am meisten befahrenen Strafsen von Aqui-
leja durch das Isonzo- und Wippachtal über die Pafshöhe des Birnbaumer
Waldes nach NauportutJ (Oberlaibach) und weiter nach Emona iLaibach). Für
die Mehrzahl dieser Strafsen liegen uns neben literarischen auch inschriftliche
Zeugnisse vor. — Im übrigen vgl. II. Meyer, Die römischen Alpenstrafsen in
der Schweiz, Mittlgn. d. antiq. Ges. zu Zürich Xlll (1861), S. 117—140. von
Duhn, Die Benutzung der Alpenpässe im Altertum, N. -Heidelberg. Jahrb. 11
(1892), S. 55 IT. Dübi, Die Römerstrafsen in den Alpen, Jahrb. Schweiz. Alpen-
Cl. XIX, 381—416, XX, 344—363, XXI, 323—341. Ferner das Corpus inscr.
latin. Bd. V., Mommsen, Viae publieae Oalliae cisalpinae, p. 933— 956 ibid.
KretKhmcr. Historische < JooRriiphic. \\
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III. Kulturgeojiraphie von Mitteleuropa im Altertum.
Bavicr, 1 >ie Strafen der Schweiz, Zürich 1878. Näher, Die römischen
Militärstrafsen und Handelswege in der Schweiz und in Südwestdeutsehland.
Strafsbg. 1888. F. Berger, Die Septinierstrafsc. kritische Untersuchungen über
die Reste alter Könierstrafsen, Jahrb. f. Schweiz. Gesch. XV (1890), 1—180.
Würdinger, Die Röinerstrafse von Scharnitz (Scarbia) nach Partenkirchen
(Pnrthanuin) und die mit ihr zusammenhängenden Befestigungen, SB. München,
bist. Kl. 1882, 23!»— 251. Wimmer, Histor. Landschaftskde., 1885, S. 167—185.
Götz. Verkehrswege im Dienste des Welthandels, 1888, S. 362 ff. Nissen,
Italische Landeskde., 1883, S. 150—167. A. Schultz, Gesch. d. mittelalt.
Handels u. Vcrk. zw. Westdeutsch!, u. Italien, 1900, I, 39 ff. Partsch, Artikel
Alpes in Pauly-Wissowas Realeneykl. 1, 1604 ff. Wanka, Der Verkehr über
den Pafs von Pontebba-Pontafel und den Predil im Altertum und Mittelalter
(Prager Studien a. d. Geb. d. Gesehiehtswiss., Heft 3), 1898. Ders., Die Brenner-
strafsc im Altertum und Mittelalter (ebend., Heft 7), 1900.
Sehr ausgedehnt und entwickelt war das Strafsennetz im Alpenvorlande
bis zur Donau sowie im W. und SW. Germaniens. Von einer Herzählung der
vielen Strafsenzüge kann hier Abstand genommen werden, da oben bei den
Siedelungen die wichtigsten Verkehrsstrafsen schon Erwähnung gefunden haben.
Haupkjuellen für die Strafen sind das Itinerarium provinciarum Antonini und
die Tabula Pcutingcriana, besonders aber die Inschriften. Auf einzelnen Meilen-
steinen haben sieh vollständige Verzeichnisse von Strafsenzügen vorgefunden
(z. B. auf den Steinen von Tongern und Nattenheim). Schneider, Die alten
Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Franken im Deutschen
Reich i mehrere Hefte), Frankf. a. M. Näher, Die rörn. Militärstrafsen und
Handelswege, s. vorher. Dünzelmann. Das röm. Strafsennetz in Norddeutsch-
land. Jbb. f. klass. Phil., Suppl. 20, S. 81 — 141, mit 3 Karten. Veith, Die
Röinerstrafse von Trier nach Com, Bonner Jbb. 78 (1884), 7—33; 79 (1885),
1—27; 80 (1885), 1—22. Bergk, Beiträge zur Untersuchung der Heerstrafsen
am Rhein, in Zur Gesch. u. Topographie der Rheinlande, 1882, S. 154—164.
Cuntz, Die elsässisehen Könierstrafsen der ltinerare, Z. f. Gesch. d. Ober-
rheins, N.F. 12 437—458. Mehlis, Römerstrafsen in der Rheinpfalz,
Korrespondenzbl. Westdt. Z. X. 294 IT. Zangemeister, Drei obergennanische
Meilensteine aus dem I. Jh.. Westdt. Z. 1884, 237 ff., 307 ff. von Sarwey,
Romische Strafsen im limesgebiet, WZ. 1899, 1—45, 93—128. Popp, Linearer
Verlauf und Bauart der alten Strafsenzüge im Hinterlande des Rätischen Linn s,
WZ. 1898. 119 ff., mit 3 Tafeln. Wann er, über einige Ortsnamen derauf der
Peutingerschen Tafel verzeichneten Strafse von Windisch nach Rottweil, Anzeiger
f. Schweiz. Gesch. VI, 477 — 490. Becker, Rheinübergänge der Römer bei
Mainz, Annal. Ver. Nassau. Altertkde. X, 155. Duncker, Der röm. Mainüber-
gang zwischen Hanau und Kesscljstadt, ebenda XV, 281 ff. Kofier, Alte
Strafsen in Hessen, WZ. 1893, 120-156, 1896, 18-44. mit Karte. Ders..
Echzell, ein Knotenpunkt röm. Strafsenzüge im östl. Teile der Wetterau, WZ.
1887, 40 — 45. Schneider. Röm. Ileerwege zwischen der Lahn u. dem Rhein,
Ricks Monatsschr. VI (1880 , S. 34. Nord hoff, Röm. Strafsen, Landwehren
und Erdwerke in Westfalen, Bonner Jbb. 1895, 148 ff. Der»., Römerstrafsen
und das Delbrücker Land, Münster 1898. Gnirs, Das östliche Germanien und
seine Verkehrswege in der Darstellung des Ptolemäus (Präger Studien a. d.
Geh. d. Gesch., Heft 4), 1898. Hauser, Die Römerstraisen Kärntens, in Carin-
thia I, Klagenfurt 1897, 87, 97 103.
Es sei noch auf eine Art höchst eigentümlicher Verkehrswege hingewiesen,
die wir in den Moorlandschaften des nördlichen Deutsehlands antreffen, die
sog. Bohlwege oder Moorbrücken. Um bei Durchquerung von Mooren
die umständliche Anlag«' von Dämmen, die bis auf den festen, anstehenden
Boden gegründet sein müssen, zu vermeiden, hat man sich in sinnreicher Weis©
geholfen, indem man auf die Mooroberfläche Längsbohlen legte und auf diesen
Querbohlen befestigte, die mit Sand und Rasenstücken belegt wurden. Ein
solcher Bohlweg schwamm also gleichsam auf dem Moor. Nach längerer Zeit
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03. Verkehr.
163
wurde er allerdings von der Moorbildung ganz überwuchert, und Reste von
solchen Wegen finden sich jetzt oft mehrere Meter unter der Moorfläche. Im
Jahre 1819 wurde im Burtanger Moor eine 25 km lange Strecke solcher Moor-
brüeken angetroffen, in denen man die pontes longi der Körner vermutete. So
heilst es bei Taeitus von Germanieus, dafs er den Caecina vorausgesandt habe,
um zur Überführung des Heeres in den Teutoburger Wald Brücken und Schutt-
massen auf die feuchten Sümpfe und trügerischen Flächen zu legen (Annal. I,
61 : nt pontes et agyeres umido pallidum et faUacibus campis imponeret). Auch im
Oldenburgischen, Osnabrückischen und besonders im Grofsen Moore bei Diep-
holz, wie auch zwischen Weser und Elbe, östlich von Bremerhaven, sind ähn-
liche Anlagen in den Mooren aufgefunden worden. Bei Diepholz sind auf
einem Raum von 10 km Länge querüber nicht weniger als 20 Moorbrücken
aufgedeckt worden. Alle diese Wege wurden allgemein als römische Anlagen
angesehen; von dieser Annahme ist man mehr zurückgekommen, da bisher kein
einziges römisches Fundstück bei ihnen vorgefunden worden ist. Der Zweifel
an ihrem römischen Ursprung wurde noch dadurch vermehrt, dafs auch in
Westpreufsen südlich von Elbing bei Christburg zwei Bohlwege aufgedeckt
wurden, an einer Stelle also, welche römische Heere niemals betreten hatten.
Daher ist die Vermutung Schuchhardts nicht von der Hand zu weisen, dafs
auch die Germanen solche Bohlwe^e zu bauen verstanden. F. von Alten,
Die Bohlwege im Flufsgebiet der Ems und Weser, 2. Aufl., Oldenburg 1888.
F. Knoke, Die römischen Moorbrücken in Deutschland, Berl. 1895, mit Karte
(tritt für römischen Ursprung ein). H. Prejawa, Die Ergebnisse der Bohl-
wegsuntersuchungen in dem Grenzmoor zwischen Oldenburg und Preufsen und
in Mellinghausen im Kr. Sulingen, Mittlgn. bist. Ver. Osnabrück 21, (189(j),
98 — 178. H. Plathner, Eingetretene Verschiebungen an dem Bohlwege im
Dievenmoore zwischen Damme und Hunteburg, ebenda 21, 179—190. Con-
wentz, Die Moorbrücken im Tal der Sorge, Heft X d. Abbandlgn. z. Landeskde.
der Prov. Westpreufsen, Danzig 18iJ7. C. Schuchhardt, Röm.-germanische
Forschung in N W.-Deutschland, Leipzig 1900. Krause, Die alten Moorbrücken
der östlichen Ostseeländer, Globus 73, 25 ff.
11*
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IV. Politische Geographie um das Jahr 1000.
64. Germanische Völkergruppen. Seit der ersten Hälfte des III. Jh.
tritt eine wesentliche Änderung in der ethnographischen Nomenklatur
des westlichen Germaniens ein. Die alten Völkernamen , wie sie uns
Tacitus bietet, verschwinden bis auf wenige gänzlich und machen neuen,
umfassenderen Stammesbezeichnungen Platz. Über die Bildung dieser
Gruppen und ihre Zusammensetzung aus den früheren Stämmen herrscht
allerdings wenig Klarheit. Die Franken, die sehr bald als die politisch
bedeutsamste Vereinigung auftreten und sich enger zusammenschliefsen,
sind vorzugsweise aus Völkern istväonischen Stammes gebildet, während
der Kern der AI am an neu aus herminonisch-suebischen Bestandteilen
sich zusammensetzt. Die Namen der Sachsen und Friesen sind zwar
älteren Datums, umfassen aber seit dem III. und IV. Jh. verschiedene
Völker ingväonischer Herkunft. Zu ihnen gesellen sich im V. Jh. die
Thüringer und im VI. die Baiern; bei letzteren ist suebischer Ursprung
mit Sicherheit anzunehmen.
1. Franken. Gegenüber sagenhaften Berichten, die das Volk «1er Franken
aus Sudosteuropa einwandern Helsen und sogar mit den Trojanern in Ver-
bindung brachten, werden uns in anderen Quellen vielmehr jene altgermanisehen
Stämme namhaft gemacht, die damals als Franken bezeichnet wurden: so die
t'hamaven (Tab. Peutinger), die Attuarier (Ammian 20, lOi, Ainpsivarier, (..'hat-
ten oder l'hattuarier i Gregor 11, 1») und Reste der Sugambrer. Literarisch be-
gegnet der Name F ran ei zuerst bei Vopiscus (Vita Aurel, c. 7), der von ihrer
Niederlage bei Mainz berichtet 240 . Auch die 1'eutingers.ehe Karte verzeichnet
schon auf der rechten Seite des Rheins das band Franeia und weiter unter-
halb im Mündungsgebiet: Chaniavi «jui el Pranci (= et Francis Ety-
mologisch wird der Name mit Vorliebe als die »Freien gedeutet mit Hinweis
auf den tautologischen Ausdruck »frank und frei ., got. friks, »frech«. Vgl.
Grimm, Gesch. d. Spr. 512; Zeufs, DK. 326; Hederich, Der Frankenbund, S. 7«;
im übrigen Fgli, Nom. geogr. s. v. Die Franken gliedern sieh in drei gröfsere
Gruppen: Salier, Ripuarier und Chatten, a) Die Salier safsen im Unterrhein-
gebiet; ihr Name wird auch mit dem Flufs Isala (Vssel) und dem pagus Salon
in Zusammenhang gebracht. Rein, S. 22, ist gegen diese Annahme und sucht
(ebenso Dederich, S. 7. 43) Beziehungen zu sal, sala = Herrenhof: Terra salica,
das zum sal gehörige Land. Schröder (FDG. XIX, 170; HZ. VII, 28 f.), ver-
mutet sal = salziges Meerwasser und übersetzt Seelandsfranken. Den Kern
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64. Germanische Völkergruppeu. 165
bilden sehr wahrscheinlich Bataver, Cugerner (als Rost der Sugambrer), Chat-
tuarier. Der Name Sugambrer wird ihnen später rhetorisch noch öfter beigelegt
(Waitz. I). V. II, 23). Zuerst werden sie bei Ammian XVIT, 8 genannt. Um
290 etwa sitzen sie auf der Rheininsel (Eumen. in (Jonstantin. 5, p. 141), 358
bereits in Toxandrien, westlich der Maas ( Ammian 17, 8), und 431 haben sie
ihr Gebiet bis zur Summe erweitert (Gregor II. !>). h) Die Ripuarier, die
t Uferfranken«, werden zuerst bei Jordanes. r. get. 36, als Riparii bezeichnet.
Neben den Ubiern bilden besonders die Chamaven, Brukterer und Ampsivaricr
die Hauptmasse des Stammes. Ihre Hauptstadt ist Colli. Uber ihr Gebiet,
welches nördlich etwa bis Neufs, südlich bis über die Ahr hinaus und westlich
bis Mall nedy- Aachen icxkl.i reichte, vgl. Richter. Annalen 1, 6; ferner Eckertz,
Die Ausdehnung des fränkischen Ripuarlandes auf der linken Rheinseite, Göhl
1854 (Progr.). S. 5 IT. c Die Chatten, auch Rheinfranken genannt, und
ihr Land Francia Rhinensis beim Geogr. Rav. 4. 26. Ein Teil dieses Stammes
war aus seinen ursprünglichen Sitzen nach dem Rhein zu ausgewandert und
hatte dieses Gebiet sowie das linksrheinische, besonders das Moseltal bis Metz
besiedelt. Schröder, FDG. XIX, 143. Die in der anfänglichen Heimat zurück-
gebliebenen Chatten sind die Vorfahren der heutigen Hessen iHassi, Hessi,
HeKSones), Auch diese dehnten ihr Gebiet nach allmi Richtungen hin aus, so
dafs die chattischen Franken den weiten Raum einnahmen von der Sieg und
Diemel im N. und dem Ilagenauer Forst, Murg und Enz im S. Im weiteren
wird die Grenze gegen (). durch die Weira, den Thüringer- und Frankenwald
bis zum oberen Main gebildet, und sie umzieht da« ganze Rednitzgebiet bis
zur Fränkischen Rezat und von hier wieder westlich bis zur Enz.
Zeufs. DN. 325—353. Waitz, DV. II, c. 1. Richter, Annalen d. fr.
R. (1873), S. 1 ff. Bender, Über Ursprung u. Heimat der Franken. Brauns-
berg 1857. Weismann, de Franconnn primordiis, Bonn 1K68. Mosler,
de francorum primordiis, Düsseldorf 1857. Rein. Die Namen Salier und
Baiische Franken in: von Sybcl, H. Z. 1880. Dederich, Der Frankenbund
Hannover 1874. Wormstall, Die Chamaven, Brukterer u. Angrivarier, 1888.
Duncker, Gesch. der Chatten. 1888. Schröder, Die Herkunft der Franken.
U.Z. 1880, 1—65. Kellner. Chatten und Hessen, in Herrigs Archiv 1871,
85 — 174. S. Muller. de Nederlandsche Volksnamen op de Tab. I'eutingeriana,
Bijdr. voor vaderl. Gesch. VII (181)3), 82—88. Much, in l'B. Beitr. 1893 (XVII).
2. Alamannen. So auf röm. Inschriften CIL I. 403; VI. 1175; besser
als Alemanni. Den Stamm dieser Völkervereinigung bilden die Semnonen, wie
Baumami, Forsch, d. G. XVI, Mommsen, R. Gesch. 5. 147 u. a. annehmen.
Doch sind an ihnen auch Usipeter. Tenchterer und Tubanten beteiligt, wie
sehr wahrscheinlich auch einige Chatten. Vgl. Wietersheim Dahn. Gesch. d.
Völkerw. I, 181. Bereite Asinius Quadratus (Anfang des III. Jh. !) bezeichnet
sie als zusammengelaufene und buntgemischte Menschen; dies bedeutet auch
ihr Name < (bei Agathias l, 6). Man hat ihn daraufhin als >Gesamtinänner«
gedeutet. Der Name tritt zum erstenmal 213 auf, als Caracalla sie prope
Mnnuuit besiegte (Aurel. Vict. 21). Im oberen Maingebiet hatten sie ihre an-
fänglichen Sitze, von wo ans sie immer von neuem in das Zehntland vor-
zudringen suchten. Nach Prohlis' Tod. 282, fafsten sie dort dauernd Fufs.
Das Land heilst fortan Alamamm und reicht a ponte Rheni (bei Mainz) usque
tul Thtnubii transitnm Contieiisem an der Guus) lEumen. paneg. Const., c. 2.),
und südwärts bis an den Bodensee iZcnfs 309). Im V. Jh. breiten sie sich auf
das linke Rheinufer aus, zumal nördlich von ihnen, am unteren Main und
Rhein, sieh die nachdrängenden Burgunder vorgeschoben hatten. Nordlich
reicht der Alamannen Gebiet noch bis an den Neckar, westl. bis an die Vo-
gesen, in der 2. Hälfte des V. Jb. sogar bis über den Bodensee in die nördliche
Schweiz, < f. Geogr. Rav. IV, 26 und Jordanes, r. get.. c. 55: Altnunim . . . Alpes
Wiaetints omnino mjnites. Nach dem Abzug der Burgunder scheinen sie auch
«he Mittelrhein- und Maingegenden vorübergehend in Kesitz gehabt zu haben
(cf. (ieogr. Rav. IV. 26. der Worms. Speyer und die Mainstädte als alanianniseh
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166
IV. Politiwhe Geographie um «las Jahr 1000.
aufzählt , bis diese 496 ihnen durch Chlodveeh genommen und ihn* Grenze
südwärts bis zur Murg und Enz gerückt wurde. Einen Teil der verdrängten
Alamannen siedelte Theodorich in Rätien an, vennutlieh zwischen Iiier und
Lech (nach Burckhardt, Archiv f. schw. Gesch. IV, 49, im nördl. Vonirlberg
und Tiroler Inntal; nach Manso, Gesch. d. ostgot. R., in Ital., 1824, S. 59, in
Graubünden). Hiernach reichte das Alamannenland vom Alpenkamm längs der
Saane und Aar über den nördlichen Jura zu den Vogesen und dem Hagenauer
Forst; weiterhin über Murg, Enz zur oberen Altmühl und Wernitz und dem
Lech (cf. Zeufs 324). Auch einige Sonderstämme der Alamannen werden ge-
nannt, so die Lentienses im späteren Linzgau, nordwestlich des Bodensees
(Ammian 15,4), die Brisigavi im Breisgau (Notit. hup.), die Bueinobantes,
die ehemals Mainz gegenüber safsen ( Ammian 29, 4). Zu ihnen gehören auch
die .luthu ngen, die Ammian (17, 6), als pars Alaniannortun bezeichnet. Sie
müssen, nach verschiedenen Angaben zu sehliefsen (Zeufs 312 f.), ostlich neben
den Alamannen, nördlich der Donau gesessen haben. Die Tabula iVutinger.,
die den Namen Jutugi (!) (zwischen dem Quadennamcn) bis nach Wien aus-
dehnt, erscheint hier zu wenig zuverlässig. Dahn (a. a. 0. 251 ff.), sieht in
ihnen ein Reststück der Hermunduren. Sie scheinen den Alamannen gegen-
über aber immerhin noqji eine Sonderstellung eingenommen zu haben. Seit
dem Jahre 430 verschwindet der Name, das Volk heifst fortan Suevi oder
Suavi (Jordan. 55\ Zvvuftot (Prokop, b. g. I, 12» und wird so auch als Sonder-
stamm neben den Alamannen genannt; indessen werden jene und ihr Land
auch oft unter dem Alanmnnennamen mit zusammengefafst, wie auch umge-
kehrt, Patria Snavorum, qua*- et Alamannorum patria (G. Rav. 4, 26), ebenso
Paul. Diac. 2, 15. Diese Bezeichnung Suavi, Suabi hat sieh bis auf den heutigen
Tag als Schwaben* forterhalten.
Baumann, Schwaben und Alamannen. F. D. G. XVI; Zeufs, DN. 303
bis 325. Haas, Urzustände Alemanniens. Schwabens und ihrer Nachbarländer,
Erlangen 1865. H. Fischer, Geographie der schwäbischen Mundart, mit
28 Karten, Tübingen 1895.
3. Sachsen. Der Name wird allgemein mit ihrer Waffe Sachs (Messer)
in Verbindung gebracht ; cf. Wid. T, 7. Saxoncs erscheinen bereits bei Ptole-
mäus in Holstein an der Elbe. Ihr Name wird dann erst wieder am Ende des
III. Jh. genannt (im Jahre 286 machten sie sich mit den Franken als Seeräuber
an den Nordseeküsten bis Gallien hin gefürchtet, Eutrop. 9, 13'?, wo er mehrere
altgennanisehc Völkerschaften umfafst, nämlich: Ghauken, Cherusker und
Angrivarier scheinen das Hauptkontingent der Sachsen gebildet zu haben Die
C hauken werden als Stamm 220 zuletzt genannt (Ael. Spartiani Dio Jul., c. 1).
Bei Zosimus 3. 6 werden sie ausdrücklich als Teil des Sachsenvolkes bezeichnet,
doch haben sie sich auch teilweis«» den Friesen angeschlossen. Die Che-
rusker, im Anfang des IV. Jh. noch genannt, haben wohl das Land nördlich
vom Harz im allgemeinen behalten. Auf der Tab. Peuting. ist ihr Name freilich
sehr entstellt (Chrepstini!1 auch noch zu linden, darüber stehend vennutlieh auch
jener der Angrivarier; cf. Zeufs 380, 383. Seit der 2. Hälft«' des VUL Jh.
kommen die Sondernamen des sächsischen Volksstammcs : Ostfalen, Westfalen,
Engern in Aufnahme, denen die Nordalbingier anzureihen sind. Es sind vor-
zugsweise geographische Bezeichnungen ohne schärfere ethnische Gegensätze,
wenn auch zuzugchen ist, und /.war ebenfalls gemäfs der geogr. Lage, dafs in
den Ostfalcn das Hauptelement die Cherusker, in den Westfalen die C'haukeii
und in den Engern die Angrivarier waren. Die Endung falen wird von Zeufs
390 mit falah. Feld. Fläche, in Verbindung gebracht, also Fläehenbewohner.
Nordhoff Altwestfalen. 1898, S. 7) glaubt in »lern Grundwort Wall erkennen
zu müssen. Die Ostfalcn, Ostfa/ahi, Ostfalai. Osterlittdi, Saxoiies Orientale* safsen
zwischen Elbe und Harz bis südlieh zur Lnstrut; westlich von ihnen die
Engern . Angarii, Angrarii zu beiden Seiten der Weser (von der Zusammcntlufs-
stelle bei Münden an), geteilt durch sie in Ostengem lind Westengern. Die
Westfalen. W'vstfalahi, Wesffalai, Saxoncs ot-riihmfalrs, cf. Lex. Sax. 9. Ann.
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64. < ienitanische Yolkerjjruppen«
H57
Einh. a 775. SS. J, 155. Anniii. Lauriss. SS. I. 154. Die Nordalbingier, auch
Kordliudi frans Aßrim serientes (Ann. Lauriss. a 798. SS. I, 184) oder Saxones
transalbiam (Ann. Einh. a. 798, SS. I. 185). Sir /.»-dielen in die drei Stämme:
Tethnarsgoi, Thrtnmrsi (Ditmarschen). Holccten. Holt&aten und Sturmarü (St«»r-
niarn). Über diese ef. Adam. Brem. IL 15. Helmold, Chron. Slav. T, G. Ihr
Gebiet reichte von Elbe und Meer im \V. bis nordwärts zur Eider, östlich
zur Schwafo imd im S. zur Bille (Zeufs 39(>V Ein Teil dieser Nordalbingier
wurde unter Karl d. Gr. anderswo angesiedelt in Deutschland und Gallien
(Einh. v. Cav. 7); nach Helniold T, 26 im Harz.
Zeufs, DN, 380— 397. Hockenbeck, De Saxonum origine, Münster
1868. Keferstein, J)ie Bildung des Staates der Sachsen, 1882. Bolze, Die
Sachsen vor Karl d. Gr., 1861. Wietersheim-Dahn. Völkern. 1. 512 IT.
Schaumann, Gesch. d. niedersilchs. Volkes, Güttingen 1839. Nordhof f ,
Alt Westfalen. Volk, Land, Grenzen. Münster 1898.
4. Friesen. Sie hatten im Altertum ein beschränkteres Gebiet ume
gehabt. Im Mittelalter haben sie ihren Bereich weiter ausgedehnt, nach 0.
hin bis zur W eser, hier im Besitze der Gebiete der ehemaligen ehaukisehen
Stämme, und nach S. hin bis zum Sinefal (bei Brügge). Sie zerfielen damals
in Westfriesen im eigentlichen Holland (westlich der Zuiderzce), Mittel friesen
(heute Westfriesen) in der jetzigen I'rovinz Friesland (östlich der Zuiderzee)
und Ostfriesen in Uroningen ostlich bis zur Weser. Aufserdcm werden noch
Nordfriesen unterschieden, die an der sehleswigschen Westküste, von Husum
bis Tondem sowie auf den vorliegenden Inseln (Halligen. Nordstrand etc.)
saüsen und die in der Mitte des JX. Jh. (857) dort ansässig geworden waren.
Hingegen sind die Bewohner von Sylt, Führ, Amrum und Helgoland wegen
der Eigenheit ihrer Sprache als ein besonderer, vielleicht sächsischer Stamm
ausgeschieden worden. Heute wird Friesisch noch in der holländischen Provinz
Friesland und im Saterlande gesprochen. In Nordholland sowie in unserem
Ostfriesland ist es im XVII. Jh. ausgestorben. Literatur siehe später unter
Friesland. Ferner Michelscn. Nordfriesland im Mittelalter, Schleswig 1828.
Clement. Schleswig, das Urliemi der Angeln und Friesen, Hamburg 18t»7.
Langhans, (her den Ursprung der Nordfriesen, Wien 1879.
5. Thüringer. Der Name erseheint als Toringus zum erstenmal im
V. Jh. bei Vegetius Renatus, de arte veterinaria IV. 6; dann bei Apollinaris
Sidonius, eami. IV, 323, und in der aspirierten Form Thoringi, in dein Send-
schreiben des Königs Theuderich an die drei Germanenköni<re bei Cassiodor,
var. lib. III, epist. IU; ebenda auch IV, ep. I., wo auch der Landesname
Thoringia erscheint. Beim Geographus Bavennas lautet er dann schon Turringi
und Turriiit/ia. Die mittelhochdeutsche Form hat im Anlaut ein D: also Daring,
Düringen etc. Vgl. Kirchhof?, Thür., S. 30 f. — Viel erörtert worden igt die
ethnische Zusammensetzung der Thüringer. Dafs sie mit den alten llennunduri
identisch oder wenigstens einen Teil von ihnen gebildet haben, ist aufser
Zweifel. Schon die Namen lassen den Zusammenhang erkennen. Grimm
erklärte Hermun-duren als die hermionisehen Düren. Auch die bei I'tolemäus
genannten Teuriochaemi ( 'In oifi/nTmu) im N. des Thüringer Waldes weisen ähn-
lich, wie Bojohacmum auf «'in Böhmerheim, entsprechend auf ein Turerheim
hin. A. Werneburg stellt freilich die Identität von Hermunduren und Thü-
ringern in Abrede; gegen ihn wendet sich Kirchhoff, Thüringen doch Her-
mundurenland , Lpz. 1882. Andere wie Arnold ( Deutsche Gesch. II, 1. 62)
sehen in den Thüringern eine Verschmelzung mehrerer Völkerstämme, zu
welchen aufser den Hermunduren noch einige Scmnonenrcstc , Angeln und
Warnen gehören. Kirchhoff sieht in den Hermunduren » inen Kolkktivbegrifi
für Teuriochaemi, Sueben-Angeln und Warnen. Für alle diese tritt seit dem
V. Jh. der Thüringernamen auf. Ihr Volksgesetz führt den Titel: Lex Angfiorum
et Werinorum hoc est Thnringnmm. Lippert hingegen sieht ähnlich wie Arnold
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168 IV. Politische Geographie um dan Jahr 1000.
in den Angeln und Warnen erst nachträglieh den Thüringern beigemischte
Stämme, die von der kimbrischen Halbinsel kamen.
Der thüringische Volksstamm hatte jedenfalls z. Z. des altthüringischen
Königreiches eine weitere Ausbreitung gehabt als später: nach S. hin bis zum
oberen Main, nach N. bis zur unteren Elbe, bis in die heutige Altmark hinein .
nac h W. griff er noch über die Werra hinaus und nach (>. bis zur Saale. Der
entscheidende Schlag der verbündeten Franken und Sachsen im .Jahre 531
gegen das Tliüringerreich unter König Irminfrid bei Burgscheidungen an der
Unstrut brach ihre Machtstellung. Der südliche Teil zwischen Thüringer Wald
und Harz fiel in die Gewalt der Franken, der nördliche bis zur Unstrut wurde
den Sachsen als Lohn für ihre Hülfe überlassen. Die Sachsen führten in diese
arg verwüsteten und entvölkerten Striche Kolonisten ein. Einen grofsen Teil
von ihnen, angeblich 20000 mit Weib und Kind, nahm 567 Albuin auf seinem
Zuge nach Italien in seinem Heereszuge auf [Paul. Diac. II, 6^. An ihrer
Stelle besetzten die fränkischen Könige das verlassene Gebiet mit Sucven
und anderen Völkern, besonders Friesen und Hessen, nach denen auch drei
Gaue in jener Gegend Suavia, Hassega und Prisonoveld benannt worden sind
(Paul. Diac. 1. c). Als später die Sachsen, aus Italien heimkehrend, das Land
von neuem einnehmen wollten , wurden sie von den nunmehrigen Besitzern
zurückgeschlagen Gregor Tur. IV, 151. Widukind nennt jene Simri Transbadani
d. h. die jenseits, also südlich der Bode.
.T. Grimm, Gesch. der deutschen Sprache, S. 5!»6— 607. A. Glocl, de
antiquis Thuringis, Diss., Halle 1862. Ders., Zur Gesch. der alten Thüringer,
in FDG. IV, 185 — 240. Wislicenus, Die Gesch. der Elbgermanen vor der
Völkerwanderung, Halle 1868. Werneburg. Die Wohnsitze der Cherusken
und die Herkunft der Thüringer, in Jahrb. d. Akad. geineinnütz. Wiss.. Erfurt X
(1*801. 1 — 122. Ders., Beiträge zur Umring. Gesch., ibid. XI, 1—56., XII,
221 IT. Kirch hoff, Thüringen doch Hermundurenland, Lpz. 1882. Lippert,
Beiträge z. ältesten Gesch. d. Thüringer, in Z. Ver. f. thür. Gesch. XI 1 1883 ,
2.3!» IT., XII. 73 ff., XV, 1 ff. Regel, Thüringen, Jena 1892, I, 3 ff.
(>. Bajuwaren. Gegenüber der Keltenhypothese, nach der man sie lange
Zeit als direkte Nachkommen der alten Bojer ansah, kann ihre germanische
Abkunft heute nicht mehr bezweifelt werden. Den Kern und die Hauptmasse
des Baiernvolkes bildeten jedenfalls die Markomannen, die aus jenen suebischen
Stämmen hervorgegangen waren, welche im I. Jh. v. Chr. in den Landschaften
zwischen Main und oberer Donau sich angesiedelt hatten. Von den Hörnern
bedrängt, führt«' Maroboduus seine Markomannen in der Zeit von !>— 2 v. Chr.
in das Land, welches die keltischen Bojer um 60 v. Chr. verlassen hatten,
d. h. das beutige Bimmen. Hier sind sie noch im V. Jh. zu finden. Jedoch
im Anfang des VI. Jb. wandern sie über den Nordgau (das Land nördlich
der Donau ein und dringen erobernd auch in das Süddonauland bis in die
Alpen vor. — Die früheste Erwähnung des Volksnamens in Form BaioariH*
findet sich in der sog. Fränkischen Völkertafel, die Möllenhoff (Abb. Akad.
Wiss., Berlin 1863, S. 533) um 520 ansetzt. Für erheblich jüngeren Ursprung
ist Bachmann. Wiener SB., 1U, 864. Ferner nennt sie Jordancs, de reb. got. 55:
Bcioiirii und Venantius Fortunatas (in Bibl. max. patr. X, 5231 Für das
VIII. Jh. deutet Paulus Diaconus (III, 29) ihre bereits beträchtliche Ausbreitung
an. Die Keltenhypothese, die sich bis in das XV. Jh. (Veit Arnpekh.
Aventin: zurückverfolgen läfst, hat auch in neuerer Zeit noch ihre Vertreter
gehabt (so: Koch, Die älteste Bevölkerung Österreichs und Baierns, 1856.
Siegert. Grundlagen z. alt. Gesch. d. bair. Ilauptvolksstammes, 1854). Auch
die Annahme. daTs liajoarii ein Kollektivname wie Alamanncn und Franken
sei, ist nicht überzeugend zu erweisen. Mannert (Älteste Gesch. Bajoariens,
1807) und Pud hart ;Ält. Gesch. Baierns, 1841, S. 146) sahen in ihnen eine
Vereinigung gotischer Völker, der Rügen, Hcruler, Skiren und Turcilingen.
Koch-Stern fcld D. Reich der Longobarden in Italien, 1831»; und Freyberg
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64. GeraiiiniHehe Vulkergruppen. 1(59
(Erzählungen aus der haier. Gesch. 1, 63) wollten die Stammväter der Baiern
in den Langobarden erkennen. Indessen alle Gründe sprechen für die Tat-
sache, dafs vielmehr die Markomannen das Hauptkonsument zum Baiernvolke
gestellt hahen, und dafs kleinere suebisrhe Stämme in ihnen mit aufgegangen
sind. Diese Auffassung vertrat bereits Luden, Gesch. d. teutschen Volkes,
1826, II, 410 und ferner Zcufs; letzterer tritt nur für die Markomannen ein,
ebenso Wittmann und Büdinger, während Quitzmann und Riezler auch
die Beteiligung kleinerer Stämme voraussetzen. Dafs die Bajuwaren suehisclier
Abkunft sind, ergibt ihre Sprache, die mit jener der Sehwaben viele gemein-
same Züge bat, und viele Einzelheiten der Reehtsverfassung. überdies werden die
Baiern noch im IX. Jh. von den pannonischen Slaven als Suevcn bezeichnet. Dafs
sie speziell Markomannen waren, wird aus ihrem Namen und ihrem zeitweiligen
Ileimatlande Baias (Geogr. Rav. IV. 18) gefolgert. Baias ist Zeufs DN. 367)
der abgekürzt»- Name des Stammlandes lioihnemmn i Tacitus\ Boiohemum,
(Vellejus), welches die Markomannen so nach ihren ehemaligen Bewohnern,
den Bojern, benannten; in etwas veränderter Form ging der Name nun auch
auf die in das Süddonauland ausgewanderten Markomannen selbst über, so
dafs Baiern und Böhmen dieselbe Bedeutung haben. Zahlreich sind die Zwischen-
formen, die bis zur heutigen Namensform führten: Baiorarii, Baitntarii, Beioarü,
BagiMiü. Banvarü, Bavarii. In deutscher Sprache im VIII. Jh. Peiyira (und
Peiyirolant für da- Land); im späteren Mittelalter auch schon Beier, Haier
und Bauer. Letzteres wurde unter König Ludwig 1. zur amtlichen Schreib-
weise erhoben. — Bereits im Laufe des VI. Jh. hatten sich die Baiern in Ober-
ilm! Xicderbaiern, Oberpfalz und Regensburg, Neuburg, in einzelnen Teilen
von Mittelfranken, Österreich ob der Enns, Salzburg und Deutschtirol nieder-
gelassen. Nach ( >. sieh ausbreitend, be-ie leiten sie im VIII. Jh. Kärnten und
Steiermark, im IX. und X. Jh. die Gebiete der Ottmark. Das Egerland wurde
erst auf dem f'hergang vom XI. zum XII. Jh. von ihnen besetzt.
Zeufs, Die Deutschen u. «1. X.. S. 114 IT.. 364 tT. Ders.. Die Herkunft
der Bayern von den Markomannen. Witt Iiiann, D. Herkunft der Bayern
von den Mark.. 1841. Büdinger. Österreichische Gesch., S. 488, Exkurs II.
Quitzmann, Abstammung, Frsitz und älteste Ocseh. der Baiwaren. München
1875. Ders.. Die älteste Gesch. der Baiern bis zum Jahre 911, Braunsehweig
1873. Bachmann, Die Einwanderung der Baiern, SB. Akad. Wien, phil.-hist.
Kl. (1878) 91, 815 ff. Kiezler, Gesch. Baiems. 1878. I, 6 IT. Mehlis. Marko-
mannen und Bajuwaren, in Beitr. z. Anthron. u. l.'rgesch. Bayerns, V (1882 .
Prinzinger. Die Markomanuen-Baie'rn-Wanderungen, in Mitt. d. anthrop. (ies.,
Wien XIV i 1 884 . Kaemincl. Die Anfänge deutsehen Lebens in Osterreich
bis zum Ausgang der Karolingerzeit, Lpz. 1879. von Kroncs, D. deutsehe Besie-
delung der ostlichen Alpenländer, insbesondere Steiennarks , Kärntens und
Krains, Stuttg. 1889. Gradl. Die Herkunft der Egertander, in Mitt. Vcr.
Gesch. d. Deutschen in Böhmen. 1880, S. 260 IT. Ders., Gesch. d. Egerlandes
bis 1437, Prag 1893.
7. Dänen. Ihre ursprüngliche Heimat scheint das südliche Schweden
gewesen zu sein, von wo aus sie sieh nach W. und S. ausbreiteten. Besonders
fafsien sie auf Seeland, Falster und Laaland Fufs. welches dann den Kern
des dänischen Reiches bildete. Nach dem Abzug der Angeln aus der Jütischen
Halbinsel im VI. Jh.. setzten sie sieh auch in den dortigen Gebieten sowie
auf Firnen fest. Sie breiteten sieh damals schon nach S. bis zur Eider aus.
Auch ini südlichen Schweden (Schonen. Holland, Blekinge) und auf Bornholm
waren sie ansässig. Die Jotar, nach denen Jottand , Jütland , Jutta benannt
worden ist, sind zwar ein Stamm der Dänen gewesen und sprachen Dänisch.
Indessen seheint der Volksname Jotar, Juttte von einen) südgermanischsen
Volksstamme entlehnt zu sein. Denn Jutae waren neben Angeln und Sachsen
an der Eroberung Englands beteiligt. Einige Reste jener Jutae mögen aber
anf dem Festlande zurückgeblieben und von den vordringenden Dänen danisiert
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170 IV. Politische Geographie um das Jahr 1000.
worden sein, wobei nur der alte Volksname erhalten geblieben ist. Vgl. die
Darstellungen der dänischen Geschiente von Dahlmann (1840 ff. \ Allen ,18411),
Petersen (1854', Kjellgren (1862), Müller (1885). Ferner Olrik, Danmarks
historie i den aeldre Middelalder , Kjobenh. 18(53. Saeh, Das Herzogtum
Schleswig in seiner ethnographischen und nationalen Entwickelung.
65. Slavische Völker. Im Altertum finden wir die Gebiete zwischen
Elbe und Weichsel von Germanen besetzt, jenseits der Weichsel von
Slaven (Venedae). Als seit dem Ende des IL Jh. die Goten, Vandalen,
Burgunder und Sueven jene Gebiete verlassen hatten, drangen in der
nachfolgenden Zeit von O. her die Slaven ein. Lber die Art und die
Zeit der Besitzergreifung liegen keine Nachrichten vor. Am Ende des
V. Jh. waren sie jedenfalls bis zur Elbe-Saalelinie schon vorgedrungen,
aber auch noch westlich von ihr lassen sie sieh in grösseren und
kleineren Gruppen nachweisen. Die zwischen Elbe, Ostsee, Oder-Bober
und Erzgebirge angesiedelten Slaven werden unter dem Namen der
Polaben zusammengefafst, während die östlich von Oder-Bober woh-
nenden zur lechi sehen (polnischen) Gruppe gestellt werden. Nach dem
Abzüge der suevischen Markomannen und Longobarden empfing am Ende
des V. Jh. und Anfang des VI. Jh. auch Böhmen und Mähren eine
slavische Bevölkerung: die Tschechen und Mähren, die stammweiso
eindrangen und jene Länder besetzten. Nachdem die Longobarden auch
südlich der Donau 508 nach Italien abgezogen waren, standen die Ost-
alpenländer den uraltaischen Avaren offen, in deren Gefolge und z. T.
auch durch sie vorwärts geschoben grofse Massen von Slaven die Ost-
alpen bis zum Inn besetzten. Diese durch die Bajuwaren später wieder
nach SO. zurückgedrängten Alpenslaven sind die Vorfahren der heutigen
Slovenen.
Die im frühen Mittelalter nach Mitteleuropa eindringenden Slaven werden
von den Geschichtschreibern bald Wenden, bald Slaven {in zahlreichen Vari-
anten) genannt. Der Name Wi nden, der bei Jordanes allgemein für sämt-
liche Slavenstämme gefafct wird, erscheint schon bei den Alten als Venedi
[VYm. IV, 96), Veneti (bei Tac, Germ. 46. von Baumstark, Erläuterung d. Germ. II,
323 als Schreibfehler angesehen ), Ohrtöui (Ptol III, 5, 7), Venadi, Venedi (Tab.
Peut.X dann im Mittelalter als Veiudfit; Viuidae, Vimtdae, Venethi und Vencthne.
Die Formen mit th hält MüllenhoiT für die sprachlich berechtigten, got. Vini-
fhös, d. Vninida. ("her den Namen « f. Krek, Kinleitg. 253 ff. Dieser Name
war ihnen aber nur von den westliehen Nachbarvölkern gegeben worden und
hat sich auch bei diesen als Winde, Wende in der Lausitz, Ostalpen) noch
erhalten. Sie selbst nannten «eh Slaven und werden so auch, soweit
Mitteleuropa hier in Frage kommt, von den Annalisten genannt. Nach Müllcn-
hoff (Archiv f. slav. Piniol. I. 21)4; ibid. Jagiö 1. 331) kommt dieser Name zu-
erst bei Pscudo -Caesarius liibl. vet patrum I, 545 f. um 525 vor: .SÄttvipW,
ferner bei Jordanes. Gct. V. 34. 35 cd. Monunsen): Slaveni; Prokop, b. g. III,
14: 2xkußrtro(. Andere Varianten sind: Sclmu, Sckwonesf Sdavemisci und das
Land Sein ran in, Srlavinia. Der Name hat sich im eingeschränkten Mafse in
den heutigen Slovenen, Slovaken und Slovincen Ka-schubem noch erhalten.
Schafarik. Slavische Altertümer I. 69 ff.. II. 10 f.. 25 IT. Krek, Einleitung
in die slav. Literaturgeseh., Graz 18X7. S. 292 ff. Zeufs, DN.. S. 592 ff.
Tetzner, Die Slaven in Deutschland, Braunschweig 1902.
Eine offene Frage ist. oh die abziehenden Germanen bis auf den letzten
Mann das ostelbisehe Land verlassen halten, oder in versprengten Gruppen
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65. Slaviitcbe Volker. 171
unter slavischer Herrschaft zurückgeblieben sind und ihre Sprache und Natio-
nalität bis zum XIII. Jb. bewabrt haben, als das Land von neuem germanisiert
wurde. Hierüber vgl. C. Platner, Über die Spuren deutscher Bevölkerung
z. Z. der elavischen Herrschaft in den östlich der Elbe und Saale gelegenen
Ländern, in Forsehgn. z. dt. Osch. XVII. 409—520; ferner XVIII, 629—631;
XX, 165— 2(i2. Gegen ihn wendet sich G. Wen dt, Die Nationalität der Be-
völkerung der deutsehen Ostmarken vor dem Beginn der Germanisierung,
Gottingen 1878. Ders., Die Ormanisierung der Länder östlich der Elbe,
2 Tie., Liegnitz, Progr. 1884 und 1889.
1. Polaben. 1'nter dieser Benennung begreift Sehafarik die ganze Gruppe
der Elbslaven (po — an und Labe = slav. Elbe), welche das Gebiet zwischen Elbe-
Saale bis zur Oder und Bober sowie vom Erzgebirge bis zur Ostseeküste, ein-
schliefslieh der Inseln Fehmarn, Rügen und Wollin, inne hatten. Sic wurden
in die drei Hauptgruppen: Abodriten, Liutizen oder Wilzen und
Sorben geschieden. Andere haben die südlich von Havel und Spree sitzenden
Sorben als einen besonderen Zweig den beiden anderen gegenüber abgetrennt
und die Bezeichnuni: l'olaben auch auf diese letzteren beschränkt und sie näher
zur lechischen Gruppe gestellt, letzteres auf Grund einer Andeutung des Chro-
nisten Nestor. Der Zeitpunkt des Vorrückens der polabischen Slaven ist viel
umstritten. Sehafarik IL 508 f. hat die 2. Hälfte des V. Jh. hierfür wahr-
scheinlich gemacht. Nach Prokop (IL 15), safsen sie um 512 sicher schon in
der Mark Brandenburg. Die Einwanderung vollzog sieh aber nicht so .schnell
wie bei den Alpenslaven, sondern mufs sich über ein .Jahrhundert ausgedehnt
haben. Diu« Land zwischen Elbe und Saale scheint sogar erst in der 2. Hälfte
des VI. Jh. von ihnen besetzt worden zu sein. Neuerdings hat Montelius
(Die Einwanderung der Slaven in Norddeutschland, im Korrespond.-Bl. f. Anthr.,
Ethnol., Frgeseh. XXX, 127 IT.; aus archäologischen Gründen geschlossen, dafs
der Abzug der Germanen und das Eindringen der Slaven im Laufe des IV. Jh.
sich abgespielt hat. Andere [Much und Yirchow, ibid S. 129 meinen, dafs
das Land während eines grofsen Zeitabschnittes vollständig leer geblieben sei
und die Slaven ohne Kampf eindringen konnten. Dem steht, m. E.
das Zeugnis des Julius Capitolinus (v. Ant. Phil., e. 14) entgegen, nach welchem
die gegen das römische Reich nach S. vordringenden Germanenstämme als
pulsae a snperiorilms barbaris entschuldigt werden. Man hat in diesen nicht
mit Fnrecht die Slaven vermutet Sehafarik I, 507; Krek, p. 267 f.).
Die nördlichste Gruppe der Polaben bilden:
1. Abodriten, auch Obodriten so besonders seitdem XI. Jh.), Bo-
ll rizer, Nortabrezi, d. h. nördliche Abodriten (Geogr. Bavar.). nach Adam Brem.,
II, 10 und Annal. Saxo 952 auch Bereger genannt. Im westlichen Mecklen-
burg, zwischen Warnow und Trave. mit dem Hauptort Mikilinburg i Adam II,
18). Zu ihnen gehören auch: a) die Wagrier, Wagri, Wagiri, \\ aari im öst-
lichen Holstein bis zur Eider und Swentine sowie auf der Insel Fehmarn.
Nach ihnen heilst noch heute die Halbinsel Wagrien. Sie sind am weitesten
von allen Slaven nach NW. vorgedrungen. Südlieh von ihnen: b) die Po-
laben, im engeren Sinne, an der Elbe bei Lauenburg bis Batzeburg. Bei
Adam und Ann. Saxo: J'olabinyi : bei Hchnold, Arnold: Polabi Hauptort ist
Batzeburg. c: Linonen, auch Ligonen, Uni. Unaa, vermutlich zwischen Elbe
und Müritzsee. Mit ihnen zusammen genannt: d die Smeldinger (Ann. Einh.
808, Chron. Moissiae. a. 809). e) Bethen zer (Chron. Moiss. 811). f. Brizaner
(Helniold I, 37 in der Priegnitz, die nach ihnen benannt ist. g. W arn aber,
Warnaver um die obere Warnow bis zur Eide.
2. Wilzen oder Liutizen, auch Wehti und Welatabi genannt. Einh.,
Annal. a. 789 : natio . .. qttae propria Unt/ita Welatahi, franeica aiitrm Wiltzi VOCOtttV,
In ihnen fanden die Deutschen die hartnäckigsten Gegner. Zu ihnen gehören:
a) die Kissinen. Chizzinen Ann. Saxo 952; Adam II, 18), Kyzinen. Haupt-
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172
IV. Politische Geographie um da*» Jahr looo.
ort Kizun (Kessin bei Rostock), Ann. Saxo 1121, Helmold I, 48. b) Circi*
parier, nördlich der Pcenc, auch Zerezpani (= die jenseits der Peene, in Urkk.
Ottos Adam II, 18, nach ihm Helmold 1,8. <• Tolensaner, Totenci, Tholo-
sauten, Adam 1. c. am gleichnamigen Flufs Tollense. d) Hedarier, Ra tarer,
Retherer, Rehtarier zwischen oberer Havel und Peene. Das gemeinsame Heilig-
tum dieser vier Stämme ist der Tempel des Radigast zu Rethra, Hethre Adam
II, 18; Helm. 1, 2 , über dessen Lage die Ansichten auseinandergehen. Vgl.
Brückner, Rethra lag auf der Fischerinsel in der Tollense, in Jabrbl». Ver.
f. mecklenbg. Gesch. LIV (1889), 153—167. Hierzu Schildt, ibid. 168—174.
Orotefend, ibid. 175-18D. Ferner ibid. LV (1890), 261—278; LV1 (181)1),
245—248; LVII £1892 . 350 354. e) Hauen (Adam IV, 18; Helm. I. 2
u. ü.\ Ruanen (Widukind 111.54), Hugianen (l'rk. Ottos L, 946) auf Rügen
und dem Festlande mit dem Heiligtum des Swantewit bei Arkona. f) V kraner
an der Ucker, Ucrani Ann. Sax. a. 934), l'chri ( Widukind III, 54 1. Zu ihnen
gehörten auch die Riczanen, Hiazianen (im l'rkk. Ottos L). g) Heveller oder
Stoderaner, Widuk. I. 35, Adam II, 18, Thietmar III. 10, IV, 15; Helm. I, 88,
im Havellande mit der Hauptstadt Branibor. Brandenburg, h) Sprevaner,
Zprianani, im unteren Spreegebiet l'rk. Ottos L, 946 . i) Leubuzzen ander
Oder und Lebus Adaan II. 18). k't Doxanen an der Dosse (Adam 1. e.) im
Gau Dosseri um Wittstock. Schafarik II. 586. stellt sie zu den Abodriten.
1) Morizaner (Geogr. Bavar. . Mortsam, Moraziam, an der Elbe bei Magde-
burg, nicht wie Zerns; S. (»52 in der Landschaft Murizzi am Müritzsce.
3. Sorben, Soraben (Adam, Helmold1, Surbi, i Fredegar 630; üeogr.
Bavar.), von der Saale bis zum Bober. Reste von ihnen noch heute in der
Lausitz (Spreewald), al Lusizer, Lusitsehanen in der Niederlausitz (Luckau,
Kalau, Kottbus*. I> Milziener, Miltschaner, in der Oberlausitz um Bautzen
bis zur Schwarzen Kister. Thietmar (pass.) führt sie auch unter dem Namen
Müciui, Milzieuter, Miltizieni auf, c) Paleminzier zwischen Elbe und Mulde
im Erzgebirge Ann. Fuhlens. 874 ). Dcleminzi (Thietm. I, 3 führt letzteren als
Landschaftsnamen auf; die slavische Form laute Qlomari, Lonnnatsch.) Tala-
miiizi i. Geogr. Bavar. . d Siusler an der Mulde (Ann. Fuld. 856). c) Coli-
<lizi, Colodizen an der Kister Ann. Fuld. 839).
Literatur über die polabisehen Slaven: W. Giesebreeht, Wendische
Geschichten, 1843, S. 3—16. Schafarik, Slav. Alt. II, 503—624. Krek,
Slav. Iii, S. 312 IT. Zeufs, PN.., S. 636 IT.. 642 ff., 651 IT. A. Uriei. Die
Völker am Ostseebecken bis zu Anfang des XII. Jh.. Dissert., Halle 1875 vuicht
ohne Fehler .
II. Lechen (Bolen Ihr Wohngebiet umfafste das Land östlich von
der Oder und dem Bober bis über die Weichsel hinaus sowie zwischen ( >st-
see und Sudetenrand. Sie sind eng verwandt mit den Bolabcn. Nestor rechnet
die Luti/.en ohne weiteres ihnen zu. wenn er sagt : »Die Ljachen (sowie die
I'reufsen und Finnen: wohnen am Warägischcn Meer. Von diesen Ljachen
nennen sich einige Poljanen, andere Lutitsehen, ander«' Masowier, andere Po-
morjancr. Ebenso wird das Land: Ljachi genannt. Latinisiert erseheint der
Name als Lechitäe, im Griechischen; J4(/m. -- Schon frühzeitig war die Be-
nennung Polen Poljane. Nestor die beliebtere: Fatoni (Helm.), Polani (Adam),
1'olenii (Thietm. ; auch Bolani, l'nlani u. ä kommt vor. Ftymologiseh wird der
Name als »Besitzer des Feldes r/W/Vy* gedeutet. Kr wird im weiteren, wie
engeren Sinne gehraucht; SO beschränkt u.a. Nestor ihn auf einen einzelnen
I .•■i henstanun westlich der Weichsel im Wartegebiet, im Gegensatz zu anderen
Stämmen, wie Bommern etc. Zu den Lethen gehören:
1. Die Bommern zwischen Oder und Weichsel, südlieh bis zur Netze.
Der Name von po-morje = am Meere) wird von den Lateinisch sehreibenden
Polen auch richtig als Pontorani gegeben, erst die deutschen Chronisten schreiben
Pomerani (Adam, Helm.). Ein Reststück der slav. Pommern sind die heutigen
65. Slavische Volker.
173
kassuben (Kaschuben: in Westpreufsen, deren Name zuerst im XIII. Jh. von
Boguphalos genannt wird, 2. Die Mas o wie r, Masowsebanen (Nestor), Mozart/,
Mazurari (poln.). heute Masuren, zu beiden Seiten der mittleren Weichsel.
Schaf arik II, 377 f., 404 ff., führt noch einige Sonderstämme an, die aber für
die ältere Zeit nicht alle belegt sind und von ihm z. T. aus den I-andes- und
Gaunamen erschlossen werden: die Slezaner (Schlesien, Boboraner (am Bober \
Dedoschancr (im Gau Diedesi), Besunsehaner (bei Businz am rechten Oder-
ufer?), Opoljaner (um Oppeln), sehliefslich die erst sehr viel später genannten
Kujawier. Vgl. Zeufs. 662— 666; Sehafarik II, 349—409.
III. Tschechen (Böhmen) und Mähren. Beide Volksstämme sind eth-
nisch eng verwandt ; ihnen sehliefsen sieh im nordwestl. Ungarn die Slowaken
an. Die Zeit ihrer Einwanderung aus den hinterkarpathischen Landern ist
strittig. Sehafarik (11,412) setzt sie 451 — 495 an, doch seheint sie bis weit ins
VI. Jh. hinein gedauert zu haben. Die Markomannen und Quaden hatten im
VI. Jh. «las Land verlassen und Slaven nahmen es ein. Bei ihrem Einrücken
führten sie schon den Namen: Tschechen. Bei Nestor: Cesi, beim Byzantiner
Kinnamos ,1147): 'l%tyui, auch Kt'/im, Knyoi; auch bei den Annalisten tritt
er auf: ('ihn Ann. Tiliani a. 805, SS. I, 223). Aufser dafs sie wie alle anderen
bei den letzteren Slaven oder Wenden heifsen, tritt frühzeitig auch die Bezeich-
nung Böhmen auf. Das nach den keltischen Bojern benannte Land Boio-
kaemum, Boihacmum gab nicht nur den nachfolgenden Bewohnern, den Marko-
mannen (p, 196 1, sondern auch den Slaven einen Namen, der freilich nur bei
den Nachbarstämmen üblich war: Beechaimi zuerst Einl. Ann. 791; ferner
Beheimi, Beliemi, Behemae, Boemani, auch licheimi Schiri, und mit Vinidi zusammen-
gesetzt Beoviiti<li in der sog. Origo Langobardorum, in LL. IV, 642, Bcutvinitlui
(Ann. Xant. 846), Be,<-Wi<li»cs (!) (Chron. Moiss. 805 1, d. h. = •Böhmische
Wenden*. Vgl. Sehafarik U, 437; Krek, Einl. 298 A.
Fast gleichzeitig mit den Tschechen rückten die Mähren in ihr Land
ein und die Slowaken, von denen diese in den Westkarpathen sieh nieder-
liefsen, jene im Gebiet der March (Morawa), nach welcher sie benannt sind;
vorübergehend auch als Boemi (Thietm. VI, 196) bezeichnet. Bei Einhard
(Ann. 822) heifsen sie zuerst Maracani: bei Nestor: Monnrane; ferner: Mnra-
hahitac, Morahensvs, Morareims, Morharii, Merehari, Mar<jense.s, Mornri.
Die Tschechen waren in mehrere Stämme gespalten, von denen der der
eigentlichen Tschechen an der Moldau wohl der bedeutendste war, dessen Namen
auf alle übrigen ausgedehnt wurde. Andere Stämme (meist nach Cosmas) nennt
Sehafarik II, 443 ff. : Lutsehaner oder Satcerwer, Sedlitsehaner um Pilsen, Pscho-
waner im nördl. Böhmen, Djetschaner um Tetsehen, Lemusser am böhmischen
Grenzwalde, Liutomerizer um Leitmeritz, Chorwaten im nördl. Böhmen. Von
mährischen Stämmen werden später genannt: Horaken, Ilanaken und Wala-
eben (nicht zu verwechseln mit den rumänischen Walaehen). Vgl. Zeufs, S. 639.
Sehafarik II, 410—502.
IV. Slaven westlich von Elbe und Saale. In der karolingischen Zeit
werden Elbe und Saale allerdings als Slavengrenze angegeben (Einh. vita Caroli,
c. 15 u. Ann. 792); doch waren sie keineswegs eine scharfe ethnische < irenze. Viel-
mehr lassen sieh die Slaven westlich in ausgedehnten Gebieten noch nach-
weisen, und die Deutschen hatten erst diese zu bewältigen, ehe Elbe und
Saide nominelle politische Grenzen werden konnten. Besonders die Gaue
Drewani, Osterwaldo und Belesen) das Balsamer Land1 waren rein slavischo
Länder, die auch von der < »ermanisierung weit weniger betroffen wurden (trotz
Helm. I, 88). Im Flufsgebiet der Jeetze, im sog. »hannoverschen Wendlande .
wurde noch vor zwei Jahrhunderten slavisch gesprochen. Vgl. Schleicher,
Laut- und Formenlehre der polabisehen Sprache, 1871. Hennings, Das han-
növer. Wendland. Ebenso waren der Norathuringau, Sehwabengau, Hessengau
slavisch, wie die Ortsnamen beweisen. Im X. Jh. war die Umgegend von
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IV. Politische Geographie um das Jahr 1000.
Quedlinburg noch stark von Slaven besiedelt. Östlich der Oera und Ilm fand
sich damals kein deutscher Ort. Audi das östliche Grapfeld, östlich der Frank.
.Saale, hatte slavische Bevölkerung. In den Sehenkungsurkk. wird häutig der
dortigen Slaven gedacht. Südlich vom Main reichte ihr Gebiet westlich über
die Rednitz hinaus bis an den Steigerwald und südlich gegen die Altmühl hin.
Der Hangau und Kolkfeld waren noch slaviseh. Bei den Chronisten werden
diese Slaven als Main- und Hednitz- Wenden bezeichet. Terra Sclavorum,
qui sedent inter Moinuiu et Itadan fium fluvios, qui vocantur Moinuuinidi et Ratan-
znninidi i Dipl. Ludw. Germ. 846, M. B. 28, 1, 41). Auch hier bezeugen im
weiteren die Ortnamen die ehemals slavische Bevölkerung: Wind, Mechelwind,
Windeck, Koppenwind, Geifselwind , Ratzenwinden, Windshofen, Windisch-
Letten u. s. w. Zeufs, S. 646 tT. Schafarik bringt nichts Näheres über sie.
Vgl. besonders aber die ausführlich»' Darstellung bei J. Blochwitz, Die Ver-
hältnisse an der deutschen Ostgrenze zwischen Elbe u. Donau z. Z. der ersten
Karolinger, Dresden 1872, S. 1—24.
V. Alpenslaven zwischen Donau und Adriatischem Meer. Ihr Ein-
dringen in die Ostalpenländer wird in die Zeit zwischen f>68 — 592 verlegt. 595
kämpfen sie schon gegen die Bajuwaren unter Tassilo und 610 ein zweites
Mal bei Agunt Lienz). 611 waren sie in Istrien (I'aul. Diae. IV, 40). Bis 799
standen sie unter dem Druck der A waren. Gegenwärtig ist das slovenische
Gebiet auf die Draulinie beschränkt, im Vll. Jh., z. Z. der gröfsten Verbreitung,
dehnt»- es sich bis zur Donau aus. Die Westgrenze des Gebietes, in dem
Slaven in geschlossener Masse safsen, lief damals etwa von der Drauquelle
nordwärts zur Taucrnkette, diese östlich bis zur Murquelle, dann nördlk'h über
die obere Enns. unterhalb Radstadt und über den Dachstein, das Tote Gebirge
nach Wels, die Traun abwärts bis zur Donau und diese aufwärts bis zum
Hötelba» h und Böhmerwold (Kaemmel S. 176\ Auf (Jrund der Nomenklatur
läfst sieh ihr ehemaliges Auftreten in Gruppen noch ausserhalb jener Grenze
in Tirol und Salzburg nachweisen, wie überhaupt auch hier die Namen den
besten Fingerzeig geben. Slavisch sind z. B. Leoben, Kraubat. Pustertal,
Scharnitz und alle mit Windisch •zusammengesetzten Namen: Win»lshofen,
Windischletten, YVindischMatrev, Windischgrätz, Windisch Büheln. Schafarik
II. 85. Dafs Vintschgau aus Windischgau entstanden sei, ist aber falsch.
Die Alpenslaven werden von Schafarik II, 310 nach dem Vorgange des
russ. Chronisten Nestor als kor titanische Slaven zusannnengefafst. In den
Chroniken und l'rkk. heifsen sie entweder Wenden (in «len verschiedenen Vari-
anten) »»der Slaven. Sdavi, Sdaoani etc. und noch heute Slovenen. Der
Landesname Carantania. Carantannm (Paul. Diae. V. 22) wird auch auf »lie
Bewohner ausgedehnt: Carantaui, Srlavi (Juaranfani. Diese kärntnischen Slaven
wurden durch die Karnischen Alpen getrennt von den krainis»:hen: Crei-
narii, < aniioteuses Ann. Einh. 820: qui circa Savium ßnv'ium habitant et Foro-
julicH.sihits jßaeiic eontigui sunt). Von »liesen scheint auch die slavische Bevöl-
kerung Istriens ausgegangen zu sein. Andere Stammesnamen sind ferner:
Horwaten im Murgebiet bei Kraubat Schafarik II, 348; nach Kreck 321
nicht mit den eigentlichen Kroaten zusammenzustellen); Dud leben, Duljeben,
ostlich d» r Mur; Stodorer an der Steier und Sus elzer, Suzel»T an der
Lasnica. Doch sind diese Namen für die ältere Zeit nicht bezeugt. Im übrigen
vgl. Schafarik, 11,310—348. Zeufs, DN., S. 616—621. Kreck, 8. 318—321.
Kaemmel, Anfänge deutschen Lebens in Osterreich bis zum Ausgange der
Karolingerzeit, 1879, S. 142 IT. Bidermann, in Luksic s slav. Blättern, 1, 12 ff.,
78 ff.. Wien 1865. Mit terrutzner, Slavisehes aus dem östlichen Pustertal,
Progr. Brixen 1879. A. Ficker, im Jahrb. d. üsterr. Alp.-Ver. (1867), in, 238.
CO. Baltische Völker waren schon den Alten bekannt in den Gebieten
östlich der unteren Weichsel bis nordwärts hinauf zum Finnischen Meer-
busen. Der vermutlich germanisch»' Name Apstii wird später durch
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G6. Baitischt« Volker. 17f)
einen slavisehen: Pmzzi ersetzt, während jener in der Form Esten auf
einen den Finnen verwandten Stamm am Finnischen Meerbusen fälsch-
lich übertragen worden ist. der ihn auch heute noch führt.
TacitllS (GeiTO. 45: nennt uns das Volk der Aesfii an der Bernsteinküste,
wählend Ptolemäus III, 5 uns die Namen der einzelnen Stämme aufführt:
Galinden. Sudinen. Stauanen, Welten, Osier und Karbonen, die das Küsten-
gebiet von der unteren W eichsel bis nördlich zum Finnischen Meerbusen
innegehabt haben müssen. Nach Tacitus sprachen sie eine von dem Ger-
manischen verschiedene Sprache. Auch Cassiodor (var. cp. V, 2) tut ihrer
Erwähnung, als eine iistische Gesandtschaft dem Ostgüten Theuderich Geschenke
aus Bernstein überbrachte. Desgl. Jordanes (c. 23), nach dem sie noch die-
selben Sitze wie früher innehaben (qui lonyissimam ripam Occani Germanin in-
sident). Er nennt uns noch einen besonderen Stamm : Vidivarii (s. 5). Auch
Einhard (v. Car. 12: führt sie an dieser Stelle auf. „ Zum letztenmal werden
sie unter dem bei Tac. genannten Gesamtnamen: Esten in dem von König
Alfred mitgeteilten Bericht des Seefahrers Vulfstan erwähnt (Gros. 1, 1, 20).
Seit dem Jahre 1000 begegnet uns hier ein anderer Gesamtname jener
Völker: Pruzzi, J'russi, auch l'nisanen, ein Name, der später auf einen
der Teilstämme beschränkt worden ist. Er wird allgemein als die slavische
Bezeichnung jener baltischen Völkergruppe aufgefafst, wahrend Aisten die ger-
manische war.
Er erscheint in der Vita des Bischofs Adalbert von Prag, der 997 unter
den heidnischen Preufsen den Märtvrertod fand (Vita Adalb., c. 27), ferner bei
Thietm. IV, 28 Pruci; VII, 35 Prucia; Adam II, 18 schol. 15: Pmzzi: Helmold
I, 1, 15 Pruzi. Bei Adam heifsen die Pmzzi im engeren Sinne Semin auf Sem-
land (Sameland), welches er irrtümlich für eine Insel hält (IV, 18): Semland
inJtabitant Sembi vel Pruzzi. Doch wurde unter Prnri bei den Slaven der ganze
baltische Stamm (also auch Litauer und Letten verstanden, und in dem Erd-
buch Kg. Waldemars (XIII. Jh.) von Dänemark werden zu den terris Pruziae
auch Littovia, Curlawl und Semgallen gestellt, Vgl. Müllenhoff, DA. II. 12 ff.. 348.
07. Das Reieli Karls d. Gr. Während unter den späteren Mero-
wingern die Eroberungspolitik ganz aufgehört hatte, trat sie unter den
Karolingern um so stärker wieder hervor; z. T. wurde sie durch die
Völkervorstöl'se von O. her hervorgerufen, und besonders nach dieser Seite
hin erfuhr das Reich eine erhebliehe Vergröfserung.
Herzog Tassilo war gedemütigt worden und seines bairischen
Reiches verlustig gegangen; desgleichen waren die Sachsen 804 endlich
bewältigt und ihr Land zum Reiche geschlagen, die Slaven jenseits
Elbe und Saale in Abhängigkeit gebracht, die Dänen jenseits der Eider
zurückgedrängt und im SO. die Avarenmacht niedergeworfen worden.
Karl beherrschte somit ein Reich, welches vom Ebro bis zur Eider. vom
Ozean bis zur Elbe und Raab reichte.
Zur Sicherung «1er neugewonnenen Ostgrenze seines Reiches gegen aber
malige Eingriffe der unruhigen Grenzbevölkerung mufste Karl besondere Mafs-
nahmen treffen; zu diesen gehörte die Einrichtung der Marken. Die Mark
konnte ein Stück des Reichsgebietes selbst ausmachen und stand dann unter
einem Grenzgrafen (Thüring.rbairisehe Mark), oder aber sie bildete einen Teil
des eroberten Nachbarreiches, lag also aufserhalb der Grenzen und war noch
nicht ganz gesichert. Letzteres war der gewöhnliche Fall. Diese eigentliche
Marca oder Limes auch ('(»{fininm, Pmviwia zuweilen) wurde anfangs durch
militärische Einrichtungen, Kastelle u. dgl. noch geschützt und durch allmäh-
liche Verdrängung der alten Bevölkerung und Kolonisierung seitens des Eroberers
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17f> IV. Politisch»' Geographie um .la» Jahr 100().
mehr und mehr zu einer Grcnzgrafsehaft und damit zu einem integrierenden
Teil des Reichsgebietes selbst gemacht. Der geographische Begriff der Grenze
ist hier also ein schwankender und von vielen politischen Uniständen abhängig,
('f. M. Lipp, Dari fränk. Grenzsystem tmter Karl d. Gr., in: Unters, z. deutsch.
Staats- und Rechtsgesch. 1892. Die Marken umfatsten entweder das ganz«?
feindliehe Grenzland, oder es waren nur sehmale, militärisch organisierte Striche
am Rande des Reichsgebietes. Werner, Das Markensystem unter Karl d. Gr..
Bremerhaven 1895.
Gegen die Dänen war unter Karl noch keine eigentliche Mark errichtet
worden. Lipp, S. 29. will freilich in der Gründung des Kastells Esseveitloburg
= Itzehoe im Jahre 810 den Anfang einer Markeinrichtung erkennen. Ebenso
scheint das problematisch«' Hohbuoki damals gegründet zu sein. Dagegen Waitz
in dessen Heinrich 1., Ex«-.. XV, S. 2(11. Der Machtbereich Karls hat jedenfalls
bis zur Eider und darüber hinaus gereicht, denn der Dänenkönig Gottfried
errichtete an der von ihm anerkannten Südgrenze seines Reutin s « inen Schutz-
wall, das Dane wirk (Ann. Lauriss. a. 808), der von der Ostsee (Ostarsalt)
bis zur Nordsee hinüberreichte und zwar längs des nördlichen Ufers der Eider
(Aegidora); — «lie Eider wird hier irrig genannt, der ganzen Situation nach
kann nur ihr Nebenflufs, die Treene, gemeint sein. Von ihrem Oberlauf lief
der Wall weiter zur Ostsee. In dem Wall war ein Tor für Wagen und Pft-rde
freigelassen. Aufser Waitz L c, Splieht, Über das Danewerk, in Korr.-Bl.
d. dt. Ges. f. Anthrop., Ethnol., Urgesch., .München 1897, 28, 95—98.
Gegen die Slaven hat «t nachweisbar einen Grenzzug eingerichtet und
eine Mark begründet. 811 fafste er hierzu den Plan, 81!» wird dieser Limes
Saxonkus zuerst erwähnt (Einh., Ann. 819 ). Durch Adam. Brem. II. 25b sind
wir über den Verlauf <l«^s Limes unterrichtet, «loch haben die Angaben eine
verschiedene Deutung erfahren. Er begann an der Mündung «1er Delvenau
(Dehumla) in die Elbe; jene aufwärts nach Horrhenbici (Hornbeek) zur Jiileni-
spriuy (Quell«- «1er Hille) und Wispircon (Grofs- Wesenberg) ; also von Hornbeck
ab nicht direckt nördlich in «Ii«4 Stecknitz. Dann die Trave aufwärts bis fast
zur Quelle nach Bulilunkin Blunki und nördlich zum Stwjnmn (lohe (Östlich
liegt hier das ZuentifeM) und schliefslich der Znentiua Schwellte) entlang zur
Kieler Bucht. Über die Einzelheiten «f. W. G. Beyer, Der Limes Saxoniae
Karls d. Gr., Festsehr. f. F. Lisch, Schwerin 1877, mit «lrei Karten. Lipp 'S. 31)
hält «-s gegen Waitz DV2, III, 372 u. a. nicht für wahrscheinlich, dafs der bei
Adam beschriebene Limes i«lentisch mit dem karolingischen sei. Adam hätte
nur «Ii«' Grenze des transalbing. Sachsenlandes angeben wollen, was irrig ist,
da Adam den Ii in item ah praesniptum a Karofo bezeichnet. Vgl. auch Bangert,
Di«' Saehsengrenze oder Linns Saxonicus, Progr. Rcalgymn. Oldesloe 1893.
Handelmann, im Archiv d. Ver. f. Gesch. d. Herzogt. Lauenburg II, HO.
Jansen, Bemerkungen zum Limes Saxonicus Karls d. Gr. < von Bever in
Z d. (ies. f. Sehl-Holstein. Gesch. XVI (1886), 355—372.
Gegen die Sorben war keine Mark eingerichtet, jedoch auf «lern rechten
Ufer von Elbe und Saale, Magdeburg und Halle gegenüber zw«-i Kastelle
angelegt worden (Ann. Einh. 806). cf. Knochenhauer, Gesch. Thüringens
in der karoling. u. sächs. Zeit. Diss. Gotha 1863. Erst später wird von
einem Sorabirus Limes gesprochen. Ann. Kühl. 819, 858.
Die Grenzmark gegen «lie C zechen war keine eigentliche Reichsmark.
Sie lag im NO. Baierns am oberen Main im Nordgau, also hinter der Grenze
zurückgezogen. Von Markeinrichtungen im böhmischen Lande seihst wir«l
nichts berichtet. Lipp, S. 41; Riezlcr, Geseh. Baierns 1, 186; Waitz, Die ang«*b-
lich.' Mark in <>st franken, FD. G. III, 154.
Die A va reu waren 803 endgültig bczwung«n worden und «Ii«' Sicherung
der Grenze durch Marken angezeigt. Die sog. Ostmark zu beiden Seiten
«ler Donau von d« r Rötel und Traun abwärts bis zum Wiener W ald) und che
beiden Pannonien (Ober- u. Nieder-!*.) waren zunächst nur Nebenländer von
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68. Reichsteilungen. . 177
Baiera und hatten noch nicht je einen Grafen; cf. Lipp, S. 53 f. Die letzt-
genannten Gebiete bildeten den Limes Avarirns (Einh. Ann. 826} oder Pannonicus
\.\im. Fuld. 861). Bereits im Jahre 788 ist auch von einer Mark Friaul
(Marca Foroitdiensis) die Rede, die Waitz2 III, 370, als eigentliches Markgebiet
angesehen wissen will, was Lipp, S. 47 in Abrede stellt. Anfangs unter einem
Herzog stehend, wurde sie 828 in vier Komitate aufgelöst (Ann. Einh. 828),
deren Grenzen sich freilich nicht mehr bestimmen lassen.
68. Reichst ei Innren. Die Teilungen sind insofern auch hier von
Bedeutung, als sie im Laufe der Zeit die Herausbildung eines getrennten
östlichen und westlichen Reiches mit eigenen Nationalitäten zur Folge
hatten. Während Pippin durch die Teilung von 768 absichtlich eine
derartige Spaltung noch zu verhindern suchte, legten die Teilungen
meiner Nachfolger den Keim dazu.
Die sog. divisio imperii Karls d. Gr. (806) unter seine drei Söhne
kam nicht zur Ausführung, da der allein überlebende Sohn Ludwig der
Fromme das ganze Reich übernahm. Eine von Ludwig 817 vorsorglich
getroffene Teilung unter seine Söhne Lothar, Ludwig und Pippin stiefs
er aber selbst wieder um, als ihm aus zweiter Ehe ein vierter Prinz,
Karl (der Kahle), geboren wurde. Die hierdurch hervorgerufenen lang-
jährigen Fehden der Brüder gegen den Vater, wie der Brüder unter-
tinander führten nach dem Tode des Kaisers zu dem Vertrage von
Verdun (843). Die damals notwendige Dreiteilung des Reiches in einen
westlichen, mittleren und östlichen Teil wurde durch den Tod Lothars IL
wieder beseitigt, so dafs der Vertrag von Mersen 870 zur Bildung
zweier sprachlich abgeschlossener Reiche führte.
Die Teilung Pippins (768) bei Fredegar, Contin. SS. rer. Mer. II,
Karl d. Gr. scheint die gröfsere, nördliche Hälfte von Austrasien erhalten zu
haben. Neustrien wird nicht genannt; auch Baiern nicht, weil hier beide
Briider wohl gemeinsam herrschen sollten. Überdies hatte Baiern immer noch eine
etwas selbständigere Stellung. Nach Abel (Karl d. Gr., S. 23) traf Pippin Vorsorge,
dafe die Bevölkerung eines jeden Teiles aus Germanen und Romanen gemischt
war; doch von einem Gegensatz der Nationalitäten kann im VIII. Jh. noch
keine Rede sein. Cf. Waitz, III, 68. C. Fr. Meyer, Die Teilungen im Reiche
der Karolinger, I*rogr. Realschule, Stettin 1877, S. 5 IT. — Spruner-Mencke t.
30. Karton. — Karls d. Gr. divisio imperii (in LL. IL, Beel 1, 126) unter seine
Sohne (Karl, Pippin, Ludwig) zeigt geographisch eine sehr genaue Fassung.
Auch für spätere Teilungen ist sie wichtig. Die Mehrzahl der deutschen Länder
sollte dem ältesten Sohn Karl zugewiesen werden, der aufser Teilen von
Francia und Burgund noch Alamanniam, Austrum, Niusfriam, Turingiam, Saxoniam
et partem Bajoariae, quae dicitur Northgow, erhalten sollte. Pippin wurden
Baiern und Alamannien südlich der Donau zugewiesen, einschliefslich des
ducatus Curiensis und des Durgowe (Turgau) ; den ganzen übrigen Westen des
Reiches erhielt der dritte Sohn Ludwig. Ludwig d. Fr., der seine Brüder
überlebte, traf 817 zu Aachen eine neue Teilung unter seinen drei Söhnen
<Ix>thar, Pippin, Ludwig). Urk. in LL. II. sect. 1, 270: Vohimus, ut Pippinus
kibeat Aquitaniam et Wasconiam et markam Tolosanam totam et insuper coytiitatus
ifnatuor i. e. in Septimania Carcassensem, et in Burgundia Augustudunenseni et Avalen-
*em et Nivernensem. — Item Hludoicicus rotumus ut habeat Baioariae et Carentanos
et Beheimos et Avuros atqtie Sclavos qni ab (o'ientali parte Baioariae sunt, et insuper
<inas villas dominxcales ad suum servitium in pago Nortgaoe Luttraof et Ingoldesstat.
Lothar, der älteste, wurde Mitregent über das übrige Gebiet und zum späteren
Kaiser designiert. Cf. Dümmler, Ostfränk. R., I. 21 — 23. Simson , Ludwig d.
Kretechmer, Historische Geojp-aphie 12
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17S IV. Politische Geographie um du» Jahr 1000.
Fr.. 100 ff. Während der kriegerischen Verwickelungen fanden .später neue
Teilungen statt ; so im Jahre 831 ; in LL. I, 356. Cf. Dümniler I, 62, Mühibaeher,
Hegest. 1. 318, Meyer 1. c. 27. — Ferner in den Jahren 837 und 839 (Prud.
Tree. a. 837, 839); cf. Meyer 37 f.
Bedeutsamer als diese war der Teil ungs vertrag von Verdun (843)
zwischen den drei feindlichen Brüdern. Eine Urkunde hat sieh nicht erhalten,
man ist auf die kurzen Andentungen der Annalisten angewiesen. Hauptstellen
sind: Prudent Trec. (Annal. Bertin. ) a. 843, SS. 1, 440. Reginon. chron., SS.
1, 568. Adonis contin. I, SS. 2, 324. Monaehi Aug. cont. Erehanb. hrev., SS.
2, 329. Widuk. r. g. Saxon. I, c. 28. Ann. Xant. a. 869, SS. 2, 233. Eine
Kommission von 300 Abgeordneten hatte vorher die Territorialverhältnissc auf-
zunehmen. Es handelte sieh besonders um Feststellung der Arealgröfse der
einzelnen Läuderstücke und Verzeichnisse der Bistümer. Klöster, Güter und
deren F^inkünfte (cf. Meyer, 1. c. 48). Karl erhielt die westfränkischen Länder,
Ludwig die ost fränkischen, Lothar zwischen beiden einen Streifen von Fries-
land an bis südlich zum Mittelmeer und Italien. Die Grenzen seines Reiches
sind bestimmend für die beiden anderen. Die Ostgrenze gegen das ost-
fränkische Reich lief von der Wesermündung erst westlich, dann südlich der
friesisch-sächsischen Grenze und im weiteren der fränkisch-sächsischen entlang;
sie hält sich in 10 — 50 km Entfernung östlich des Rheins, den sie bei Sinzig
erreicht und bis Bacharach aufwärts verfolgt. Von hier geht sie in einem
grofsen Bogen auf der linken Rheinseite um den Nahe , Worms- und Speyer-
gau herum zum Rhein zurück und diesen aufwärts bis zur Mündung der Aar.
Letztere bildet bis zum Brienzer See die Grenze, von wo sie weiter auf der
Wasserscheide südlich der Reufs und des Inns zur Etsch streicht, diese zwei
Meilen oberhalb Trient übersehreitet und dann auf der südlichen Wasserscheide
des Drau- und Savegebietes zum Quarncrobusen. Die Westgrenze beginnt
am Sinkfal bei Sluis, umfafst einen schmalen Streifen bis zur Scheldemündung,
führt dies»' bis fast zur Quelle aufwärts, geht (per cameracensem) um den
Kemmerichgau, Hennegau (haitiqnm), Lommengau (lomeusem) nach O. zur Maas,
deren linkes l'fer ein Stück aufwärts begleitend, am westlichen Rande der
Gaue Castritinm, Monom um , lhdmeiusis. Yirdunensis, Barrensis, Odornensüt zur
öfteren Marne, ein Stück auf deren linker Seite um Chaumont (Calvus MOM)
ziehend, im Bogen nach der oberen Saone hin. Sie führt dann bis fast
zur Doubsmündung abwärts, inj 0. das Gebiet von C'halons umgürtend, nach
dem Rhone zu und im weiteren in beträchtlicher Entfernung westlich des Stromes
bis zum rechten Mündungsarm nach S. — Wenn diese Länderteilung auch
keinen Bestand hatte, so blieb «loch die nationale Sonderung in dem westlichen
und östlichen Drittel bestehen. Lothars Reich mit seiner gemischten Bevölke-
rung trug den Keim der Auflösung in sich. > Fortan besteht ein deutsches
Reich« (Waitz;. Ludwig nannte sich rex Qermaniae , auch Baioariorum und
Framiae orienUdis: Karl: rex dalliae oder Franriae (Hvidentalis; über Ix>thars
Heich vgl. unten: Lothringen. Meyer berechnete den Anteil Karls auf c. 3300,
den Lothars auf 4200 und Ludwigs (durch Abodriten- und Sorbengebiet begrenzt)
auf 3750 Quadratmeilen. Schwartz, Der Bruderkrieg der Söhne Ludwigs d.
Fr. und «1. Vertr. zu Verdun. Progr., Fulda 1843. Mever, 1. c. 18. Dümniler,
Ost fr. R. 1. 202 ff. F. Suklje. Die Entstehung u. Bedeutg. des Verduner Ver-
trages. Progr., Laibaeh 1876. Spruner-Menke, tab. 30. Droysen, tab. 21.
Lothar I. hat sein Reich 855 unter seine drei Söhne geteilt, indem Lothar II.
Friesland und das eigentliche Lothringen, Karl Burgund und Ludwig Italien erhielt.
869 starb aber Lotbar II. und in sein Land (eilten sich nunmehr Karl der Kahle
und Ludwig der Deutsche. Der Vertrag von Merscn (870 1 setzte die Grenze
fest: Die Maas von der Mündung bis zur Einmündung der Ourthe (l'rta), diese
aufwärts lexkl. Gondroz zu Westfranken gehörig) bis zur Quelle, von dort über
die Anleimen zur Mosel oberhalb Trier, diese ein Stück aufwärts, dann am
Westrand des payns MetensLs entlang, zur Mosel zurück und auf deren rechtem
U fergebiet bis oberhalb Toul; weiter führte sie nach W. über die Marne (bei
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69. Name vou luiml und Volk. 179
Chaumont) hinaus und dann südöstlich zur oberen Saone und Doubs, den Gau
Amaus umschliefsend, zutn Genfer See. Ausführliches Verzeichnis der Teilungs-
objekte: LL. I, 516 f. Cf. Dümmler, 2, 296 ff.; Über die ethn. u. geogr.
Bedeutung d. Vertr. ibid. 299 f. Diese Grenze stimmte im allgemeinen mit der
Sprachgrenze überein, doch blieben am linken Maasufer deutsehe Stämme vom
deutsehen, und an der oberen Mosel und Burgund romanische Stämme vom
französischen Gebiet ausgeschlossen.
09. Name von Land und Volk. Die Römer wurden mit dem
Namen der Germanen im I. vorchristlichen Jahrhundert bekannt, und
sie nannten das Land zwischen Rhein, Donau und Weichsel Germania.
Doch auch auf die linksrheinische Seite wurde der Name von ihnen
ausgedehnt. Es ist S. 143 bereits erwähnt worden, dafs hierzu mehr die
militärpolitischen Umstände Veranlassung gegeben hatten, wenn auch
damals schon einige germanische Stämme auf der linken Rheinseite an-
sässig waren; denn vordem gehörten diese Gebiete zur Belgica. — Im
Mittelalter ist dieser Name für Land und Volk in ihrer Gesamtheit bei
den Lateinisch schreibenden Gelehrten beibehalten worden, und er läfst
sich quellenmäfsig auf für spätere Zeiten noch belogen. In anderen
Fällen wurden auch vielfach die Stammesnamen zur Bezeichnung der
Gesamtheit herangezogen, anfangs besonders der Name der Franken,
deren politische Stellung die Verallgemeinerung zu rechtfertigen schien ;
dann aber erscheint auch der Sachseuname als Volksname im weiteren
Sinne, desgl. jener der Alainannen, und entsprechend wurde auch
der Landesname gefafst. Erst seit der Mitte des IX. Jh. tritt eine neue
Bezeichnung für die Gesamtheit des deutschen Volkes auf, die sich zu-
erst in Italien nachweisen läfst: Theodiscits, Teutiseiis, Teutonias. Die
ursprüngliche Form lautet theodisk. abgeleitet von theod — Volk; theodisk
bedeutet also volkstümlich; von ihr sind die genannten lateinischen
Formen hergenommen. Teutonicus ist dann im Anschlufs an Formen
wie Taitiscus gebildet worden; wir haben es liier nur mit einer Um-
formung zu tun, bei der die Reminiszenz an die alten Teutonen, die,
wie wir jetzt wissen, gar nicht einmal Germanen gewesen sind, mit-
gewirkt haben mag.
Eine merkwürdige Tatsache tritt jedoch bei der erstmaligen Ver-
wendung des Adjektivs theodheus in der Karolingerzeit hervor, da man
es anfangs ausschliefslich zur Bezeichnung der Volkssprache verwendete,
die Träger dieser Sprache aber noch nicht so nannte. Man rodete wohl
von der deutschen Sprache, aber noch nicht von den Deutschen
als einem besonderen Volke. Während die adjektivische Form seit dem
Jahre 786 nachweisbar ist, beobachtet man das Substantiv erst seit dem
Jahre H45 und zwar zunächst in Italien. Der in der Sprache zum Aus-
druck kommende nationale Gegensatz hat die Übertragung des Adjektivs
auf das Volk wesentlich gefördert. Seit dem Ende des X. Jh. findet sich
die Bezeichnung auch auf das gesamte Land übertragen : terra Teutonica,
partes Teutonicae, im XI. Jh. zum erstenmal auch Teutonia. Diese Be-
nennungen alle scheinen aber in den breiten Massen des Volkes keines-
wegs allgemeine Verwendung gefunden zu haben, da das Eigengefühl
12*
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180 IV- Politische Geographie um <la» Jahr 1000.
der Stämme noch ein zu mächtig wirkendes war. Indessen darf man
aus dem anfänglich spärlichen Auftreten einen verallgemeinernden Schlufs
auf den Gebrauch nur mit Vorsicht ziehen, denn nicht immer fand sich
Veranlassung, Volk und Land zu nennen. Unter den in deutscher
Sprache abgefalsten Schriften finden sich die Benennungen zum ersten-
mal in einer Kaiserchronik aus der Mitte des XII. Jh., wo von den
Diutisclien und von JJfttiskland die Rode ist.
Neben Teutonia, welches in Deutschland erst seit dem XII. Jh.
häufiger auftritt, wiegt die Bezeichnung Alamannia für das ganze Land
entschieden vor; zuerst in Lothringen, und unter den Staufern auch im
übrigen Deutschland. Auch bei den Ausländern, Franzosen, Engländern,
Skandinaviern, wird sie neben Teutonia die gebräuchlichere Benennung,
und sie hat sich bei den Völkern romanischen Stammes bis auf die
Gegenwart erhalten.
Über die Benennungen des deutschen Volkes und Landes vgl. Waitz,
Deutsche Verfassungsgesch., 2. Aufl., V, 128 ff. Dümmler-Köpke, Kaiser
Otto d. Gr., 1876. I. Exkurs S. 560— 564, Giesel) recht, Gesch. d. dt. Kaiser-
zeit, 1881,1,866. Dove, Bemerkungen zur Gesch. des deutschen Volksnamens.
SB. d. Münch. Akad. 1893 (bist. Kl.), S. 201—237. V igen er, Bezeichnungen
für Volk und Land der Deutschen vom 10. bis 13. Jh., Heidelberg 1901.
Schultheifs, Die gesch. Entwickelung des geogr. Begriffes Deutschland, im
Globus 1896, S. 281 ff.
Über die Form theodisk. diutisk vgl. Grimm, Dt. Grammatik3, I, 10 ff.
Gesch. d. dt. Sprache3, S. 545 ff. — Das älteste Zeugnis für theodisk als Bezeich
nung der deutschen Sprache findet sieh in dem Bericht des Bisehofs Georg
von Ostia an Hadrian I. vom Jahre 786, wo es heilst, dals die t'apitula vor
dem Konzil tarn latine quam theodisce vorgelesen worden seien. In den Annales
Laurissenses zum Jahre 788 wird dann zum zweitenmal die theodisca lingua er
wähnt. Ebenso im Donatkommentar des Smaragdus aus der Zeit zwischen 801
und 805. Die Synode in Tours von 813 empfahl die Übersetzung lateinischer
Homilien: ut easdem homilias transferre studeal in rusticam romanam linguam Mi
theotiscam, quo facilius cuneti possint intelligete quae dicitntw. Hier wird der latei
nischen Gelehrtensprache die deutsche Volkssprache gegenübergestellt, Neben
anderen Zeugnissen weisen die Stralsburger Eide vom 14. Februar 842 (bei
Nithard III, 5) auf die teudisca lingua hin, in der Karl schwor. In den Annales
Fuldenses zum Jahre 876 wird zum erstenmal eine theutonica lingua erwähnt.
Ähnlich heilst es bei Notker von St. Gallen (Mon. Sang.. Gesta Gar. I, 10):
theutonica sive tcutisca lingua; ferner beim Mönch Wolfhard von Herrieden
(Miracula S. Waldburgis) 895 : lingua diutisca. Weitere Zeugnisse führt Vigener.
1. c. 29 IT., mit grofser Vollständigkeit auf. überall ist lüer nur von der deut-
schen Sprache die Rede. Im Prolog zum Heliand (c. 830) wird von dem
populus theutisea loqnens lingua gesprochen, also bezeichnenderweise nicht von
dem deutschen Volk, sondern von dem Volk, welches die deutsche Sprache
spricht. Der erst«' Fall, wo mit theotisk nicht nur die Sprache, sondern
auch der Träger der Sj »räche so bezeichnet wird, findet sich in dem von Walah-
fried Strabo verfafsten lihcllus de exordiis et inerenientis quarundam in observationibu*
ecclesiasticis rerum (840). Der Autor spricht nämlich dort von den Wörtern,
welche die Theotisci den I^atini entlehnt haben. Hier erscheint also TheotUni
— die Deutschen als nomen proprium. Allerdings ist an dieser Stelle das
Sprachliche gerade sehr stark betont, denn die theotisci sind für Walahfrie«!
diejenigen, welche Deutsch sprechen, aber noch nicht die Deutschen als Nation
gefafst. Als Teutisci erscheinen sie den schon romanisierten Langobarden Ober
italiens gegenübergestellt in der Urkunde einer Gerichtsversammlung zu Trient
von 845 (Muratori Antiqq. II, 971), als Teutonici in einer Urkunde von 909; als
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70. Lothringen. 181
Theutuuici worden sie in einer Urkunde Kaiser Ottos von 961, April 23., den
Sclavi entgegengesetzt ; ähnlieh in Ottos Urk. von 965, April 12.: Teutonias et
Srtavanis. In allen diesen Fällen tritt das Nationale der Benennung schon in
den Vordergrund. Weitere Belege bei Waitz V. 132 f. und Vigener 27 f., 39 ff.
Der deutsehe Name ist dann aueh auf das Land übertragen worden : terra
Teutonia, Theutonicae partes oder regiones oder provinciac, Teutonia (in den Jahrbb.
von Pegau zuerst); der Name ist sehliefslieb auch auf das Reich übergegangen:
regmim Teutonimm (zuerst im XI. Jh.), und auf den Herrseher: rex Teutonias
oder Teutonicorum.
Wie die Stamm esnamen Fraiu i, Saxones und verbunden Franci et Saxones,
ferner Alamanni als Gesamtnamen der Nation unendlich oft auftreten, so werden
aueh Francia, Saxonia, Francia et Saxonia und Alamannia als Bezeichnungen für
Deutschland gewählt; entsprechend wird auch das Reich und der König be-
nannt. Quellenzitate bei Waitz und Vigener.
In neuerer Zeit hat man in der Schreibung des Namens zwischen Tcutseh
und Deutsch mehrfach geschwankt. Nach Radlof (Sprache der Germanen,
S. 119) sei die Schreibung mit d in Sachsen, besonders seit 1774 unter Gott-
scheds Kinflufs, allgemein geworden. Hattemer (Ursprung des Wortes Tcuteeh,
1847) wollte aber das t wieder einführen. Indessen nach Grimms Ansicht sind
alle jene älteren t in unserer neuhochdeutschen Sprache wieder zu d geworden,
so wie es ehemals im .Vithochdeutschen der Fall war.
70. Lothringen. Durch den Vortrag von Verdun war für Lothar,
den ältesten Sohn Ludwigs des Frommen, im W. des Rheins ein Gebiet aus-
geschieden worden, welches eines Sondernamens entbehrte und daher
von den Zeitgenossen kurz das Reich Lothars genannt wurde. Die
anfangs auf den ganzen nördlichen Abschnitt bezügliche Bezeichnung
wurde bald zu einem besonderen Namen für das zwischen Friesland
im N. und Burgund im S. eingeschlossene Gebiet. Bei der Teilung von
Mersen (s. o.) kam es zum gröfsten Teil an Ludwig den Deutschen und 879
fiel auch Westlothringen dem Ostreiche zu. Durch Reginar (ca. 911) zu
einem Herzogtum erhoben, gehörte es zeitweise dem französischen Reiche
an. Otto I. teilte es 954 in zwei Herzogtümer: Ober- und Nieder-
lothringen, eine Teilung, die für die ganze spätere Entwickelung beider
Länder bedeutsam wurde.
Es ist fraglich, ob der Name Lothringen nach Lothar I. oder dessen
Sohne Lothar Ii. gegeben worden. Nach Regino a. 842, SS. 1. 568. wäre das
erstere anzunehmen : regnum sortitus est, quod ftartemts ex ejus vocabulo Hlotharii
nunaijjatur; ebenso 1, 569 und Otto Frising. Chron. V, 35. Doch erst 855 wird
im Gegensatz zu den Nachbarländern (Friesland, Elsafs, Burgund) Lothringen
unter dieser Bezeichnung schärfer umgrenzt, also unter Lothar IT.; übrigens
läfst Regino an anderer Stelle, l, 502, aueh diese Annahme zu. Cf. Müller,
D. Stämme, 3, 165, Waitz, DV. 5, 159; dagegen Schwarz, Bruderkrieg der Söhne
Ludwigs, S. 103. ■ — Neben Lothtirii regnum rinden sich auch schon Formen wie
Lotharia (Jocundus, SS. 12, 98) und Lotharingia (Liudprand), und die Bewohner
heifsen Hlutharingi, Lotharienses, Lotfiaringi, einmal aueh Lotha- Karlenses.
Auch der Name Ripuaria tritt im weiteren Sinne besondere für Nieder-
lothringen auf. weit öfter im engeren Sinne für die dem Rhein zu beiden Seiten
anliegenden Striche, als ducatus, pmvinria und pagus. Ledebur ( Aich. 1, 292 f.),
hat irrig Ripuarien mit dem Gebiet des früheren kölnischen Bischofssprengeis
für identisch erklärt. Nach Eckert z (Die Ausdehnung des fränk. Ripuarlandes
auf der linken Rheinseite, I'rgr., Cöln 1854, S. 12) reichte es südlich bis über
die Ahr, wo Breisig der äufserste Ort war. nördlich bis unterhalb Neufs, etwa
bis Lanck; südwestlich und westlich lagen Malmedv. Aachen, Grevenbroich,
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182 IV. Fotitfache Geographie um das Jahr 1000.
Gladbach und Krefeld auf der Grenze. Obwohl Ripuarien ein Teil Lothringens
war, werden beide Namen später dennoch als getrennt gegenübergestellt (bei
Wipo, c. 1, 2), cf. Waitz 5, 157.
71. Alamannieu (Schwaben). Im III. Jh. hatten die Alaiiiannen
das nach ihnen benannte Land eingenommen, welches sich von den
Vogesen bis zum Lech, von den Höhen der Alpen bis zum mittleren
Neckar unterhalb Cannstatt erstrockte. Im V. Jh. waren sie auch in den
Besitz des Maingebietes gekommen und streckten schon die Hand nach
dem ripuarischen Franken aus, als Chlodwig ihrem Vordringen 496 ein
Ziel setzte. Er nahm ihnen das Maingebiet wieder ab und machte Ala-
mannien zu einem Teil der fränkischen Monarchie. Zur Zeit des Nieder-
ganges der Karolingerherrschaft erstand hier wieder das alte Volks-
herzogtum und wurde auch von König Heinrich I. anerkannt. Graf
Burkhard warf sich 917 zum ersten Herzoge auf, wenn auch das Land
seit der Zeit der älteren Volksherzoge immer noch als ducatus bezeichnet
worden ist.
Das I^and wird in der älteren Zeit allgemein Alamannia genannt ; neben
diesem kommt dann der Name Suevia, Schwaben vor. Als das Herzogtum
später an (he Staufer kam, wurde der letztere der gebräuchliche, während der
Name Alamannia bei den romanischen Völkern eine Gesamtbezeichnung für
das Reich wurde (s. vorher). — Über die Grenzen des Landes sind wir genügend
orientiert. Im Westen bildet der Vogesenkamm den Abschlufs nördlich bis zu
den Quellen der Sauer. Freilich nahm das Elsafs immer eine Sonderstellung
ein, die nach dem Siege Chlodwigs noch mehr verstärkt wurde. Die staufischen
Herzoge nannten sich im Titel nach Suevia und Alsatia. Erst bei den Chro-
nisten der Karolingerzeit tritt der Name Elsafs auf, und zwar in der Ausdehnung
nach S. über die Birs bis zum Jura. Aber auch damals schon pflegte man die
Hauptteile des Gebietes Alamannia, Alsatia (Helisatia) und Curia (Uaetia),
einzeln aufzuführen. — Die Nordgrenze gegen Franken war komplizierter und
weniger auffällig durch natürliche Grenzen bestimmt. Sie begann an der Mün-
dung der Murg in den Rhein; und zogMurg und Oos aufwärts zu den Höhen des
Schwarzwaldes. Weitere Grenzpunkte sind das Kloster Hirschau am Nagold,
unterhalb Kalw. welches auf fränkischem Gebiet lag, ferner Heimsheim, nord-
östlich von jenem in confin'to Franciae et Alatnanniae. Die Grenze schnitt
den Neckar unterhalb Cannstatt, ging östlich weiter über den Murrhardt zur
Wasserscheide der Rems und des Kocher (marm Alamannorum et Framorum /,
dann durch den Virnegrund nordöstlich zum Quellgebiet der Wörnitz (und
zwar oberhalb Hall an der Kocher und unterhalb Ellwangen an der Jaxt). —
Die Ostgrenze führte die Sulz abwärts bis Wassertrüdingen zur Wörnitz und
dann den Lech aufwärts. Zum Alamannenlande gehörte auch noch Rätien,
ein Name, dem zuweilen eine weitere Bedeutung nördlich bis zur Donau und
schliefslich auch auf ganz Schwaben beigelegt wird. Nach der vorherrschend
romanischen Bevölkerung (Walchen, Welschen) wird Rätien im engeren Sinne
(vom Bodensee und Anberg an südwärts) auch Churwalchen, pagus Chur-
walaha, Churewala (schon im IX. Jh.) genannt, auch Raetia Curiensis nach dem
Hauptorte Chur. Es griff südlich über den Ilauptalnenkamm hinaus, da noch
das Valtelin (Adda), das Mesocco (Moesa), Bergcll (Maira) und Puschlav (süd-
lich vom Berninapafs) zur Raetia gehörten. Nach \V. hin gegen Burgund hat
die Grenze geschwankt, die untere Reufs bildete im allgemeinen die Grenze
zwischen dem alamannischen Thurgau und dem burgundischen Aargau. Doch
war dies erst seit 922 der Fall, seit dem Friedcnsschlufe zwischen König Rudolf
von Burgund und Herzog Burkhard von Alamannieu. Vorher hatte letzteres
auch den Aargau noch mit umfafst. Bis 11)32 blieb die Reufs die Grenze, als
Kaiser Konrad II. das burgundische Reich mit den« deutsehen vereinigte und
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72. Franken. 73. Buiorn. 188
-einem Sohn Heinrich die Verwaltung des Königreiches Burgund, wie auch
•Jas Herzogtum Alaniannien übertrug. — Vgl. Müller, Die dt. Stumme u. ihre
Fürsten. Bd. IV (1844). S. 147 ff., 160 ff. Waitz, DV. V, 148, 178 (dort auch
«lie Belegstellen). Baemeister, Alemannische Wanderungen, Stuttg. 1807.
von Sehubert, Die Unterwerfung der Alemannen unter die Franken, Strafsbg.
1884. Birlinger, Rechtsrheinisches Alaniannien, Stuttg. 1890. K. Weller,
Die Besiedlung des Alamannenlandes, Württembergische Viertel jahrshefte für
Lindesgeschichte 1898, S. 301 ff.
72. Franken. Dieser ehemals auf die ganze fränkische Monarchio
im weitesten Umfange bezogene Name wurde späterhin auf das Kern-
stück des deutschen Reiches : die untere Hälfte der < )berrheinischen
Tiefebene, das Main- und Neckarland sowie das Lahn- und Fulda-
gebiet bezogen. Es lag also mitten inne zwischen Lothringen, Sachsen,
Thüringen, Bajuwarien und Alaniannien. Der Kampf um die Hegemonie
im Lande zwischen den Babenbergern und Konradin ern wurde 906 zu
Gunsten der letzteren entschieden und Konrad I. (911 König) zum Her-
zog von Franken ernannt. Unter dessen Bruder Eberhard, der sich
gegen Kaiser Otto I. empörte, wurde durch letzteren das Herzogtum
Franken aufgehoben und das Land der Krone unmittelbar unterstellt.
Der allgemeiner gefafste Begriff des Frankenlandes machte zuweilen
auch ein«' spezielle Bezeichnung für den engeren Begriff notwendig. In dem
"ben angegebenen Umfange wird das Land als deutsches Franken, Franeia
Theutonica. Teutonicorum Franeia unterschieden; — oder es heifst schlechthin
Östliches Franken, Austria, Austrasia Franeia, orientalis Franeia. — Letztere
Benennung hat aber zuweilen auch einen beschränkteren Sinn, da das herzog-
liehe Gebiet nochmals in ein westliches und östliches Franken geschieden
wurde. — Von den linksrheinischen Jiindern gehörten zu Franken die Gebiet»*
von Mainz, Worms und Soeier, also das Land von der Nahe bis zur Sauer.
Interhalb Bingen bildete dann der Rhein die Westgrenze bis Remagen. Von
hier verlief dir Nordgrenzc gegen sächsisches Gebiet über die Sieg nach der
oberen Lenne und Eder bis zur Zusammenflufsstelle von Fulda und Weira.
El gehörte somit das ganze Hessenland zu Franken. Weiterhin wird die Weira
als Grenze gegen Thüringen verzeichnet; nach Lambert a. 1074: fluminis prae-
iicti fWerra}, quod Hassiam Thuringiamque dirimit. Doch darf sie nur als un-
gefähre Grenze angesehen werden; vgl. unter Thüringen. Vom Inselsbelg an
läuft sie dann auf dem Kamm des Thüringer Waldes entlang. Unsicherer wird
die Grenze weiter südlich, da sie bald über das Fichtelgebirge zur Wasserscheide
von Xaab und Rednitz gezogen wird oder unter Ausschlufs der Gaue der Main-
und Rednitzwenden und des Folcfeldes erheblich westlicher verlegt wird. Die
•Südgrenze ist durch die für Alaniannien angegebene Nordgrenze bestimmt. —
Das fränkische Land wurde, wie bemerkt, in zwei Hälften geschieden, und zwar
verlief die Teilungslinie über den Spessart in NNO. SSW. -Richtung von der
oberen Fulda nach dem unteren Neckar ungefähr. Die östliche Hälfte heilst
gleichfalls orientalis Franeia, auch Austrifraneia. später Osferfraneka, Ostrofrancia.
Ks wurde auch Franc onien genannt; doch scheint diese Bezeichnung erst
1053 aufzukommen. Die westliche Hälfte, wcidentalis Framia. wird vereinzelt
auch Rheinfranken, Franeia Wiinemis (beim Geogr. Raven nas"^ genannt. In
späteren .Jahrhunderten verlor sich aber der Frankenname für diese westlichen
Gebiete gänzlich und hat sich nur für die östlichen erhalten. Vgl. Waitz,
DV. V, 173 ff. Stein, Gesch. Frankens (Ostfrankens), Sehweinfurt 1885, ent-
halt wenig über unsere Frage.
73. Baiern. Die Ausdehnung des Landes war eine häutig wech-
selnde, da ausgedehnte Gebietsteile im 8. bald ihm zugeschlagen wurden,
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184 IV. Politische Geographie um ilan Jahr 1000.
bald nicht. Karantanieu und die Mark Friaul sind mehrmals Bastandteile
des bairischen Herzogtums gewesen, waren aber um das Jahr 1000 von
ihm getrennt. Sehr viel enger waren dagegen die Beziehungen zur Mark
Österreich (s. u.) stets gewesen, die auch noch bis zum Jahre 1156 sich
verfolgen lassen; desgl. diejenigen der Steiermark. Der Nordgau (nörd-
lich der Donau) wurde auch stets als Teil des Baiernlandes angesehen,
wenn er auch zeitweilig aus der engeren politischen Zugehörigkeit gelöst
worden war.
Der Name des Landes erseheint in verschiedenen Varianten: Baioaria,
Baiitaria, Beguaria, Bavaria, Pagitaria, Pajoaria, Peiyirolant. In früherer Zeit
wurde auch der alte Landesnaine Noricum noch ganz allgemein verwendet;
Brief an Papst Johann IX.: Xoricam (!). qme et Bavaria voca'tur. Mit Rücksicht
auf das zu neiden Seiten der Donau gelegene Land wird es auch Ufernoricum,
Noricum ripense, genannt; doch scheint dieser Name mehr auf den östlichen Teil
Baierns sieh beschränkt zu haben. Passio S. Quirini martyr., im Arch. f. Osten-.
Gesch., III, 331: in orientali Bavaria, quae Noricum ripetise vocatur. Ferner Eugipp.
v. Sever., c. 11. Weitere Zitate bei Waitz, DV., V, 181 f. Das herzogliche
Gebiet wird als ditaitus, provincia, dominatio und herseepte aufgeführt, Die alte
angestammte Grenze war im S. der Nonsberg gewesen; auch Bozen wird bei
Ott*» von Freising als bairische Grenzstadt bezeichnet. Wie im O. die Enns,
so wurde im W. < ler Lech als Abseid ufs Baierns angeschen gegen Alamannien ;
Ann. Einh. a. 7S7. Im O. lag Admont in montana Batvariae juxta Anemm fiuvium
(Waitz 1. e. . Im NO. bildete der Böhmerwald, damals Nortwalt genannt, die
Grenze gegen Böhmen. Fraglicher ist die nördliche Grenze. Gegen Thüringen
seheint sie der Thüringer Wald und teilweise die Weira gewesen zu sein. Ob
alter der Ratenzgau mit zu Baiern gehört hat, wird von Waitz bezweifelt. —
Vgl. Riezler, Gesch. Baierns, I, 733, 744, 746.
Der Nordgau. dem Markgrafen vorgesetzt waren, umfafste den gröfston
Teil des nördlich der Donau belegenen Landes und begriff einen ungewöhnlich
grofsen Amtsbezirk. Die Ausdehnung und Einteilung des Nordgaues behandelt
ausführlich Schottmüller, Die Entstehung des Staininherzogtums Baiern,
Berlin 18G*. S. 57 ff.
74. Markgrafschaft Ostarrichi. Nach Niederwerfung der Avaren-
macht (804) kommt es im SO. des Reiches zur Gründung zweier Mark-
gebiete : Friaul und Osterreich. Der Sturz der Langobardenherrschaft
und des Friauler Herzogs Hrodgaud hatte erst die Gründung der Mark
Friaul ermöglicht. Sie umfafste die Gebiete Kärntens und Steiermarks
jenseits des Drauflusses , Krain . Istrien , das kroatische Küstenland
(Liburnien) und das eigentliche Friaul. Das Vordringen der Bulgaren
und die Unfähigkeit des Markgrafen Balderich führten im Jahre 828
zu einer Teilung ganz Friauls in vier einzeihe Grafschaften. Über
Umfang. Grenzen und Namen der vier Grafschaften sind wir nicht unter-
richtet. Jedoch wurde Kärnten und Pannonien vom eigentlichen Friaul
getrennt und zu Baiern geschlagen.
Für die andere Mark ist uns ein besonderer Name nicht übermittelt;
sie wird als die Mark im Ostlande oder kurz Ostmark bezeichnet, zuweilen
auch Pannonien genannt. Die Grenze bildeten im S. und N. in unbe-
stimmter Weise breite Waldgürtel. Im W. war es die Enns gegen den
bairischen Traungau südlich der Donau, während sie nördlich von ihr
ein Stück weiter westlich verlief. Im O. ging die Grenze auf dem Höhen-
rücken des Wiener Waldes entlang.
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75. Karantanien. 18")
Das Erscheinen der Magyaren, ihr Vorstois der Donau entlang
nach vorheriger Vernichtung des grofsrnährisehen Reiches und ihr
grofser Sieg (IM)?) über den bairischen Heerbann brachte auch die Ost-
mark bis zur Enns in ihre Gewalt. Nur in dem schwerer zugänglichen
Alpenlande erhielten sich deutsche Ansiedelungen. Die Knrolingische
Ostmark war damals aufgelöst, und erst in der Zeit Kaiser Ottos I begann
deutsches Wesen sich mehr in jenem Teile des Donaulandes wieder aus-
zubreiten, besonders als die Schlacht auf dem Lechfelde die Magyaren-
macht gebrochen hatte (955). Es entstand die neue Ottonische Ost-
mark des bairischen Herzogtums. Nach Beseitigung des Baiernherzogs
Heinrich II. wird in der Ostmark Luitpold als Markgraf eingesetzt, der
am 21. Juli 97t> zum erstenmal als solcher erscheint. Er gehörte angeblich
den ostfränkischen Babenbergern, vermutlich aber einem schwäbischen
Geschlechte an.
Die neue von Kaiser Otto begründete Ostmark wurde vom Volke kurz
Ostarrichi genannt; urkundlich erscheint der Name zuerst 066: fn regione
vulgari nuabulo Osbirrichi diclo. Ihre Begrenzung hat lange Zeit gesehwankt,
besonders im N. war sie ungewifs. Gegen O. hin war sie über die uralte
Gebirgsgrenze von Noricum und Pannonien hinausgewachsen. Unter Konrad II.
tritt vorübergehend eine Uückwärtsverlegung der bis zur Leitha vorgeschobenen
Ostgrenze ein; doch unter Kaiser Heinrich III. wird das verloren gegangene
Gebiet zwischen Fischa und Leitha wieder zurückerworben und als Vormark
zunächst unter besondere Markgrafen gestellt. Jedenfalls bildeten damals
Leitha und March die Ostgrenze der Mark. l'rk. Heinrichs III., Mon. Boica
XXIX, 1, p. 104: ttitius tet/ionis in finibus Vngarorum gladiu ab hostibns adqirisitae
. . . ex una parte Danubii inter Fiscaha et Litacha ex altera antem inier Strachtin
(Tracht a. d. Thaya) et oatia Fiseaha wque in Maraha.
Dümmler, Die südöstlichen Marken des fränk. Reiches unter den Karo-
lingern (795—907), Arch. f. österr. Gesch., X, 1—86. Büdinger, Gesch. Öster-
reichs, Lpz. 1858, I, 159 ff. Krones, Handb. d. Gesch. Österr., Berl. 1876, I,
807 ff., 297 IT. Huber, ( Jcsch. Österreichs, Gotha 1885, I. 47 ff., 174 ff. Kaemmel,
Die Anfänge deutschen Lebens in ( )sterr., Lpz. 1879. M. Mayer, Gesch. Österr.
mit besonderer Rücksicht auf das Kulturleben, 2. Aufl., Wien 1900. Weitere
Literatur über die Topographie der Ostmark bei Krones, Grundrifs d. österr.
Gesch., Wien 1882, S. 198.
75. Karantanien. Für den Anfang des IX. Jh. ist man über die
Grenzen Karantaniens noch wenig unterrichtet. Jedenfalls dehnte sich
dieses Land weit über das heutige Kärnten aus, welches nur ein schmales
Stück des oberen Draugebietes nach beiden Seiten bis zur Wasserscheide
umfafst. Aufser Kärnten begriff es noch Steiermark und Krain.
Karantanien war meist nur ein Nebenland von Baiern gewesen und
wurde auch von Regeiisburg aus durch bairische Grenzgrafen verwaltet,
wie überhaupt die südöstlichen Alpenländer als Glieder des Stammherzog-
tums Baiern angesehen wurden. Herzog Arnulf vermochte sich gegen
Konrad I. und Heinrich I. in seinem Baiernlande zu behaupten, und
sein Bruder Bertold verwaltete als Herzog Karantanien. Infolge der
Unbotmälsigkeit Herzog Heinrichs II. wurde 97*5 Karantanien von Baiern
wieder getrennt. Seit 952 waren auch die Südmarken Aquileja (Friaul
im engeren Sinne) und Verona zu Baiern gefügt worden und zunächst
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186 IV. Politische Geographie um das Jahr 1000.
noch im Verbände mit Kärnten verblieben. Seit dem X. Jh. lösten
sich von den Grenzgebieten Kärntens einzelne Landschaften los, die
unter eigene Markgrafen gestellt eine gewisse Selbständigkeit gegenüber
dem Herzoge behaupteten. Aus einem solchen Markgebiet ist auch
das spätere Herzogtum Steiermark erwachsen.
Seit dem Jahre 973 wird auch eine Grafschaft Krain genannt,
die dem Grafen Popo unter dem Baiernherzog Heinrich unterstellt war
und in jener Urkunde Ottos II. auch als marcha bezeichnet wird, jedoch
keine eigentliche Markgrafschaft bildete. Entstanden war die Grafschaft
auf karantanischem Gebiet, sie umfafste aber nur Oberkrain, während
das krainische Karstgebiet zur Mark Istrien gehörte und das krainische
Unterland die »Windische Mark« im engeren Sinne bildete.
Kärnten (Carantania, Carantanum, Carinthia, Charintirichi), umfafste »las
Drautal (Pustertal) und reichte nach N. bis in das Ennsgebict hinüber; die
Nordgrenze verlief etwa vom Dachstein bis zum Göllerberg in Niederösterreich,
die Südgrenze bildeten wohl die Karawanken, und sie griff weiter östlich bis
über die Save nach S. hinaus. Nach 0. hin war sie schwankender; das obere
IiCithatal gehörte noch dazu; unterhall» Marburg ging die Grenze über die Drau.
Felicetti von Liebenfels, Steiermark im VIII. — XII. Jh., Beiträge z. Kunde
steirischer Gcsehichtsquellen , Bd. 5, 9, 10. Hauser, Kärntens Kamlingerzeit
von Karl d. Gr. bis Heinrich I., Klagenfurt 1894, S. 19.
Krain. Die krainischen Slaven (Carniolenses) werden von den Karan-
tanern unterschieden (Einh., Ann. a. 820). Den Namen der Grafschaft enthält
dann die Urk. Ottos IL, 30. Juni 973, worin dieser »lern Bistum Freising einen
Güterkomplex schenkt und zwar in ducatu praefati ducis et in eomifaht Popvnix
cnmitvt, qitod Camiola vocatnr et qitod rulgo Creina marcha appellatnr. Wann sie
errichtet ist , ist unbekannt Als Carneola wird sie bereits beim Geographus
Ravcnnas genannt: ed. Finder et Parthev IV, 21. Ferner bei Paulus Diaconus
V, 52: Camiola, Sclavorum patria. Der Name Krain wird nicht für slavisch,
sondern für kelto-römisch gehalten und für eine Diminutivform von Carantania
erklärt. — S. Näheres bei A. Meli, Die historische und territoriale Entwicke-
ln]^ Krains vom X. bis ins XIII. Jh., Graz 1888, S. 8 ff., 39 ff. Kitzinger,
I). Kosmographie des Anonymus von Raven na u. d. Geogr. des Guido in ihrer
Bedeutung auf Krain, Mitt. bist. Ver. f. K., 18*12 8. 90 ff. Krones. Grundrifs,
S. 206, 211.
76. Fricsland. Die in damaliger Zeit noch anders gestaltete Küsten-
linie vom Sincfal bis zur Wesermündung mit dem wasserreichen Hinter-
lande umfafste Friesland. Im Laufe eines Jahrhunderts (089—785) waren
die drei Teile des Landes durch Pippin, Karl Martell und Karl den
Grolsen dauernd dem fränkischen Reiche einverleibt worden.
Über öiie Grenzen von Frusia, bei den Annalisten häutiger Frexia, Bind
wir durch die lex Frisionum : M(I. Lb. III) unterrichtet. Im SW. gegen Flandern
ist es der Sincfal. später Zwin genannt (cf. S. 167), im NO. die untere Weser.
Weniger bestimmt sind die Binnengrenzen, die sieh zum Teil aus jenen Loth-
ringens und Sachsens ergehen; indessen wurden einzelne Gaue, wie Fulnaho,
Thrianta (Drente), zu Friesland gezogen, die von vornherein unfriesisch waren.
Nach der lex Frisionum wurde das Land durch das Fli und den Laubach in
drei Teile geteilt. Man unterschied Friesland zwischen Sincfal und Fli (Ver-
bindung der Zuiderzec mit dem Meere), ferner Friesland zwischen Fli und
Laubach (Liuwerzee), d. i. die holländische Provinz Friesland und Friesland
zwischen Laubaeh und Weser. Diese Dreigliederung erwähnt auch die Teilung
von 870 zu Meisen zwischen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen.
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77. Sachsen. 78. Thüringen. 187
Hincmari annal., 88. I, 489 : Hludotcicus accepit . . de Frisia duas partes. Carolas
accepit . . de Frisia tertiam jnirtem. — Der westliche Abschnitt (Sinefal-Fli) bil-
dete Westfriesland, occüleutales Frisiones. in der Addit. zur lex 3, c. 58 und 73) ;
in den Annal. Egmundani a. 1203 wird folgerichtig das Land östlich vom Fli
als orientalis Fresia zusamtnengefafst. Für das Land westlich vom Fli findet
sich auch die Benennung Westßinge und }\'esttingi (cf. von Richthofen, Unters.
II, 96). Hei Beda (ed. Stevenson I, p. 353) heifst es auch : citerior Fresia. In
späterer Zeit hatten West- und Ostfriesland eine andere Bedeutung.
Das westliche Friesland bis zum Fli war 689 durch Pippin von Heristal
erobert worden durch den Sieg bei Wijk bij Duursteede über Redbad (Radbod).
Karl Martell gewann dann 734 den Teil zwischen Fli und Lauwers durch den
Sieg an der Bordena über König Poppo hinzu, und 785 gelang es Karl d. Gr.,
auch den Teil bis zur Weser zu bezwingen. K. von Richthofen, Unter-
suchungen über fries. Rechtsgesch. T. U (1882), S. 54 ff., 95 ff., 102 ff., 351, 357,
392 ff. Blok, Friesland im Mittelalter, Leer 1891. S. 12. Ph. Heck, Die alt-
friesische Gerichtsverfassung, Weimar 1894.
77. Sachsen umfalste das ganze Gebiet von der Elbe und Saale
bis westlich in die Nähe des Rheins. Zwischen Weser- und Elberuün-
dung reichte es an das Meer; auch die jenseits der unteren Elbe in
Holstein liegende transalbingische Provinz bis zur Eider gehörte hierzu.
Die im VI. Jh. erfolgte Niederwerfung des Thüringerreiches brachte dem
Sachsenlande noch das sog. Nordthüringen südlich bis zur Unstrut ein.
Die unter den Liudolfingern begründete Herzogsgewalt wurde 9(51
durch Otto den Grofsen auf Hermann Billung übertragen.
Die Grenzen des Landes im allgemeinen gibt die Translat. 8. Alexandri,
c. 1 (SS. U) und nach dieser Adam I, 5 (nicht nach Einhard, wie er irrig be-
merkt). Franken, Thüringer, Obodriten, Nordmannen und Friesen werden als
Grenzvölker genannt. Nach den Ann. Quedl. (88. III, 31) war nach der Be-
siegung der Thüringer bei Scheidungen den Sachsen das Land nsque ad con-
fiuentiam Salae et Vnstrudae fluviomm zugesprochen worden, excepta (terra) quam
Louvia et Haertz silvae eoncludunt. Vom Harz blieb der südwestliche Teil bei
Thüringen. Nach Vit. Liutbirg., c. 2: saltus Harz, qui dividit Saxoniam et Htu-
ringiam. Hierzu cf. (nach Waitz 5, 171) Z. d. Harzver. III, 412 u. 370. Als
genauerer Grenzpunkt wird uns aufser der Pfalz Botfeld im Harz und Memm-
leben (jetzt Dorf a. d. Unstrut) noch der sog. Sachsen graben bei Wallhausen
in der Goldenen Aue angegeben. Uber diesen Waitz 5, 171 A., Gröfsler, Z. d.
Harzver. 6, 273. Die fovea, quae est jitxta Valehusun, nennt auch Thietmar II, 14.
— Lisgo und Lagni werden uns als sächsische Gaue genannt, ebenso der nördliche
Teil des Hessengaues, so dafs der Zusammenfluß! von Werra und Fulda einen
weiteren Grenzpunkt abgibt. Die Grenze gegen Niederlothringen hält sich in
einiger Entfernung vom Rhein; s. hierüber oben 8. 178. Gegen Friesland sind
die damals noch anders gestalteten Wesermündungen die Grenze und der Sumpf
Waplinga (Sehol. Adam 1, 13), unter welchem man das heutige Flüfschen
Wapel vermutet, ein NebenHufs der Jade, die selbst ein Weserarm war.
Ebenda (Sehol.) wird der Sumpf Emisgoe als Grenze angesetzt und (Adam 1, 2)
die Ems selbst als sächsisc her Flufs bezeichnet, der »die Westfalen von den
übrigen Völkern jener Provinz trennt«. Doch reichte der sächsische Gau Agre-
dingo noch ein beträchtliches über die Ems nach W. hinaus.
78. Thüringen. Das altthüringische Königreich war;">3l von Franken
und Sachsen zertrümmert worden. Es erstreckte sich vorher von der
mittleren Elbe über das heutige Thüringen bis zum oberen Main. Seit
jenem Jahre aber wurde das nordthüringische Gebiet bis südlich zur
Unstrut zum Sachsenlande geschlagen (s. o.). Als eine Erinnerung an
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ISS IV. Politische Geographie um das Jahr 1000.
die ehemalige Ausdehnung lebte noch der Name des Xortthuringowe
(von der oberen Aller bis zur Elbe in der Magdeburger Gegend und
südlich zur Bode reichend) längere Zeit fort. Dagegen hiefs das Land
südlich der Unstrut bis zum Thüringer Walde auch späterhin immer noch
Thüringen. Ein Stammesherzogtum konnte sich in ihm nicht entwickeln;
vielmehr wurde das Land militärpolitisch als Markgebiet gegen die
Böhmen und Sorben verwendet. Aus der thüringischen Mark entstanden
dann im X. Jh. die Marken Merseburg, Zeitz und Meifson, die anfangs
noch in engerer Fühlung mit jener blieben. Ekhard von Meifsen wird
zeitweise auch als Herzog von Thüringen bezeichnet. Mit der Erhebung
der Wettiner zu Markgrafen von Meifsen sind die ehemaligen Beziehungen
aber gänzlich gelöst.
über die Ausdehnung des alten Königreiches vgl. von Ledebur, Nord-
thüringen und die Hermunduren oder Thüringer, Berlin 1852. Er rechnet
ihm den ganzen Halberstädter Kirchensprengel noch zu und dehnt es über Thü-
ringen und den Thüringer Wald nach Süden aus. — Besser sind wir über die
Ausdehnung des späteren Thüringens unterrichtet. Nach N. zu grenzte es an
Sachsen; s die ( Irenzbestimmungen hierfür weiter oben. Im S. bildete der
Thüringer Wald die Scheide gegen Franken ; Bruno, c. 103: ad silvam, quac Thu-
riityos separavit a Frauria. Vom Ingelsberg an verläuft sie dann nach Breitungen
an die Werra. Der Kenn steig auf der Kammlinie des Gebirges ist ja oft
als alte Volk»-. Gau- und Sprachgrenze bezeichnet worden, während andere in
ihm eine Strafse oder wenigstens einen Grenzweg erkennen wollen. Wie man über
den Verlauf des Kennsteiges oder -stieges nicht ganz im klaren ist, so auch
nicht über die Zeit seiner Herstellung. Sehr umfassend ist die Literatur über
ihn. Ziegler, Der Kennsteig des Thür. Waldes, Dresden 1862. Brückner,
Der Kennstieg in seiner bist, Bedeutung, Meiningen 18G7. Trinius, Der Kenn-
steig, Berlin 189<>. Kofsner, Der Kennsteig d. Thür. Waldes, Naumburg 1892.
B üb ring und Hertel. Der Kennsteig des Thür. Waldes, Jena 1896. Die
älteste Beschreibung des Rennsteiges vom Jahre 1703 ist Christ. Junckers »Be-
schreibung des Kennsteigs , hergb. von P. Mitzsehke, Ver. f. meining. Gesch.,
Heft 10 (Meiningen 1891). Als Ostgrenze galt immer die Saale, weiche die
Thüringer von den Sorben trennt. Einh. vita Car., c. 15. Poeta Saxo II, v. 34.
Im W. bildete dagegen nicht die Werra die Grenze; diese zog vielmehr erheb-
lieh westlieh von ihr durch heute hessische Gebiete. Die Gaue Eichsfeld und
Wesergowe gehörten noch ganz zu Thüringen. Vgl. Kegel, Thüringen, ein
Handlaich, 18V<2. I, 7 — 15. Dobenecker, Ursprung und Bedeutung der
thüringischen Landgrafschaft, Z. d. Ver. f. thür. Gesch. XV, 299 ff.
7». Slavenländer zwischen Elbe und Oder. Um das Jahr 1000
w aren diese Ländergebiete wieder ganz in den Händen slavischer Fürsten,
nachdem die ersten sächsischen Kaiser schon manchen Erfolg zu ver-
zeichnen und den Grund zu einer anscheinend gesicherten und dauern-
den Oberherrschaft gelegt hatten. Zuerst war es Heinrich I., der durch
Besiegung der Heveller und Eroberung ihrer Hauptstadt Brannibor mit
seiner Macht über die Elbe hinausgrifT (928) und die Nordmark gründete.
Ebenso hatte er nach Zerstörung der Festung Gana die Daleminzier
bezwungen und in der Burg Meifsen einen Stützpunkt seiner Macht
angelegt (929), Dasselbe Schicksal traf die Sorben, in deren Lande die
Ostmark begründet wurde. Otto I. setzte das Werk des Vaters fort
und suchte durch Einführung des Christentums und Begründung der
Bistümer Ilavelberg und Brandenburg sowie des Erzstiftes Magdeburg
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79. ßlftvenlttüder zwischen Elbe und Oder.
die neuerworbenen Länder enger an das Reich zu ketten. Das weite
Gebiet war in zwei Marken geteilt worden; die nördliche Mark im Lande
der Dänen, Wagrier und Obotriten stand unter Hermann Billung, die
südliche im Lande der Wilzen und Sorben unter Gero , die beide hier
als Markgrafen (marchiones) walteten. Nach dem Tode Geros (965)
wurde seine Mark unter drei, später fünf Grafen geteilt; sie zerfiel
in die Nordmark, Ostmark, Meifsen, Merseburg und Zeitz. Der allge-
meine Slavenaufstand im Jahre 983 hat die ersten Kolonisationsbestre-
bungen wieder zunichte gemacht.
Die gesamten Slavenländer östlich der Elbe werden von Adam von
Bremen mehrmals Selavania genannt; II, 18: »Sclavanien soll zehnmal so
grofs sein als unser Sachsen, zumal wenn man Böhmen und die jenseits der
Oder wohnenden Polanen, die sich weder im Äufsern , noch in der Sprache
von jenen unterscheiden, mit zu Sclavanien rechnet . . . Die Breite des Landes
reicht von Süden nach Norden, d. h. vom Elbeflufs bis zum Skythischen Meere.
Die Länge aber scheint derart zu sein, dafs sie von unserem Hamburger
Sprengel ihren Anfang nimmt und dann, durch unbegrenzte Räume erweitert,
bis nach Baiern, Ungarn und Griechenland reicht.« Helmold I, 88 nennt es
Slavia.
Die Nord mark umfafste das Gebiet der Wilzen von der Elbe bis zur
Oder und von der Eide und Peene im Norden bis über die Havel und untere
Spree nach Süden. Es gehörten zu ihr aber noch einige linkselbische, also
sächsische Gaue: das Balsamer Land (Gau Belesem, Belxem), der Gau Oster-
walde und ein Teil vom Nortthuringowe. Nach dem Verlust der reehtselbischen
Länder 983 wurde der Begriff Nordmark zunächst ganz auf diese drei Gaue
beschränkt, die auch späterhin als sog. Altmark in Verbindung untereinander
blieben. Dieser Teil hiefs nach dem Sitz der Markgrafen auch die Mark
Solt wedel (Salzwedel) oder Nord. Sachsen. Zur Zeit Heinrichs I. war der
Name Marca für das neueroberte Gebiet noch nicht in Anwendung. Er findet
sich erst in Urkunden Ottos I. als Marca Geroms. Der Name Mark ist dann
bei Brandenburg verblieben. Vgl. Bekmann, Iiistor. Beschreibung der Chur-
und Mark Brandenburg, Berlin 1751, I, 10. Usinger, Das deutsche Staats-
gebiet bis gegen Ende des XL Jh., in Histor. Z. 1872, S. 420. Beim Annal.
Saxo und Annal. Magdebg. zum Jahre 1130 wird von der Marca septentrionalis
gesprochen. « i
Gegen das Sorbenland war an der deutschen Reichsgrenze die thü-
ringische Mark errichtet worden, Marcae Orientalen, die den Limes sorabicus
bildeten. Hinsichtlich der Benennung treten mancherlei Veränderungen ein.
Der Name Ostmark haftete mehr an der nordthüringischen Mark und dehnte
sich bis zur Niederlausitz aus, der er dann verblieb. Der Name Osterland
wurde später für die südthüringische Landschaft von der Saale an üblich. Der
Erwerb des Landes über die Mulde nach 0. hin machte die Errichtung einer
dritten Mark Meifsen (Misna) notwendig, die nach dem schon vorher von
Heinrich I. begründeten Burgorte genannt worden ist. über alle diese Gebiete,
für welche bei der Unsicherheit der Machtverhältnisse noch keine festen Grenzen
bestimmt waren, gebot Markgraf Gero bis zu seinem Tode 9G5. — Nach ihm
folgte die Spaltung in die fünf Einzelmarken, unter denen die Ostmark
unmittelbar an die Nordmark im S. sich anschlofs und da-s Land von der
unteren Saale etwa von Halle ostwärts über die untere Mulde, Elbe bis an
die Oder und Bober begriff und somit die ganze Niederlausitz mit umfafste;
sie wird daher auch meist Mark Lausitz (Lusiza) genannt. Der Name Ost-
mark wird seit Schluß des XII. Jh. mehr auf die Niederlausitz beschränkt.
— Die drei anderen Marken umfassen den Süden des Sorbenlandes. Die drei
gleichnamigen Bistümer erlauben auch Rückschlüsse auf Lage und Ausdehnung
der drei Marken. Die Mark Meifsen umfafste im wesentlichen die Gaue
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190 IV, Politische Geographie um «las Jahr 1000.
der Daleminzier, N isaner und Milzener. Die Mark Zeitz zwischen der obere»
Saale bis Naumburg und Weifsenfeis, östlich nicht bis ganz an die Zschoppau.
Nördlich von ihr die. Mark Merseburg, von der Saale bei Merseburg östlich
bis über die Zusammentlufsstelle der beiden Mulden hinaus.
80. Die Staren Binder Ostlich der Oder und des Bober. Der Polen-
herzog und spätere König Boleslaw Chrobry hatte fast das ganze Gebiet
östlich jener Flüsse um das Jahr 1000 unter seiner Herrschaft ver-
einigt und später noch erweitert, so dafs bei seinem Tode (1025) sein
Reich das heutige Pommern, Preufsen, Posen, Schlesien, Oberlausitz,
Böhmen, Mähren und Galizien umfafste. Doch war es schon seinem
Nachfolger nicht mehr möglich, das weit ausgedehnte Ländergebiet in
einer Hand vereinigt zu halten.
Das obere Odergebiet hatte im Sudetenwall eine natürliche Grenze gegen
Böhmen; doch hatten vorher und nachher die böhmischen Fürsten ihren Macht-
bereich nach Schlesien hinüber auszudehnen gewufst. Der Kampf zwischen
böhmischer und polnischer Vorherrschaft bildet einen Teil der älteren schle-
sischen Geschichte. Ein Gesamtname für das obere Oderland existierte noch
nicht. Es werden aber einige Landschaften uns schon namhaft gemacht, und
zwar unter der Bezeichnung Gaue (pagi), die indessen hinsichtlich ihrer Ver-
waltung nicht etwa den deutschen Gauen gleichgestellt werden dürfen. Vgl.
hierzu Stenzel, Gesch. Schlesiens, 1853, S. 14 f.
Der pagus Süetuis, das Gebiet um den Zobten (Zlenz) umfassend , nach
welchem der Gau benannt ist. wie Thietmar Vll, 44 bemerkt; im Emmeraner
Länderverzeichnis (aus dem IX. Jh., jetzt in München, zuweilen Geographus
Bavarus genannt) heifst er Zlemznrw. Das Verzeichnis bei Zeufs, D. Deutschen
u. d. Naehb., S. 600; Schafarik. Slav. Altert. II, 673; Codex diplom. et Epist.
Moraviae I. 68. In Cosmas chron. Boem. (MG. IX, 91) heifst er Slasane. Ober
den hieraus sich entwickelnden Namen Schlesien ct. unten. Ein zweiter Gau
ist Diedesi (Thietm. VI, 38), auch Dadosefana (Geogr. Bav.\ Dedosese (Cosmas),
bis zur Oder reichend, südlich von Glogau. Südlich von diesem der pag. Bol>o-
rmie im mittleren Boherland (Cosm.). Fraglich ist die I>age des Trebovaiw (Cosm.);
vielleicht nördlich von Breslau (Trebnitz:. Ferner das Land der Opolini (Geogr.
Bav.) und Golemui in Oberschlesien.
Der polnische Machtbereich gegen die Lausitzer Wenden im W. scheint
bis zum Bober und Queifs gereicht zu halten. Denn hier bei Una (= Eilau
am Bober) wird der nach Gncscn wallfahrtende Kaiser Otto III. von Boleslaw
an der Landesgrenze, speziell des Gaues Diedesi empfangen (Thietm. IV, 88).
Sehr wahrscheinlich stehen auch die sog. Dreigräben in Beziehung zu den
damaligen Grenzverhältnissen. Es sind dies drei parallel laufende Gräben Ins
zu 1,6 m Tiefe und zwischen ihnen zwei Wälle von kaum 2 m Höhe. Sie
lassen sieh verfolgen von Krossen bis Eilau; hier setzt die Anlage aus, da der
Bober seihst Iiis zur Qucifsmündung abwärts und der Queifs aufwärs bis Bischkau
als Forteetung anzusehen ist. Von Pusehkau führen die Gräben ostwärts <juer
über den Holter bis Petersdorf südlich von Primkenau und dann südwärts bis
zu den Sümpfen von Greulich. Mehrfach erörtert ist die Frage nach dem
Zweck dieser llü km langen Anlage und ihrer Erbauer, zumal die Wälle ihre
Steilseite bisweilen nach U. kehren und der östlichste Graben der breiteste und
tiefste ist. Grünhagen, Gesch. Schlesiens, 1884, I, 6. Part seh, Schlesien,
1896, I, 347-349.
81. Gaugcographle. Die karolingische Grafschaftsverfassung stützte
sich in deutschen Landen auf die Gaueinteilung. Das Land war in zahl-
reiche Bezirke von verschiedener Gröfse geteilt, die man im Lateinischen
als pagus, im Deutschen vorzugsweise als Gau zu bezeichnen pflegte.
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Hl. (iaugoographie. 191
An <ler Spitze stand der vom König ernannte Graf. Bildete so der Gau
gleichsam einen Regierungsbezirk des Reiches, so wurde er doch erst
durch die Grafschaft zu einem staatsrechtlichen Regritt'.
Aber Gau und Grafschaftsbezirk (comitatus) sind nicht immer iden-
tisch gewesen. Mancherlei Rücksichten machten eine Teilung des Gaues
in mehrere Komitate nötig, wie umgekehrt aueh mehrere Gaue besonders
an den Grenzen unter einen Grafen gestellt wurden. Im Laufe der Zeit
wurde der Gaubegriff immer unbestimmter und schwankender. Bald
finden wir ihn auf einen kleinen Bezirk in der ursprünglichen Fassung
bezogen, bald wieder auf ganze Landschaften und Volksstämme aus-
gedehnt und anderen Begriffen, wie territorium, provincia, dwatiis u. a.,
gleichgestellt. Im XII. Jh. war die alte Gaueinteilung allenthalben bereits
durchbrochen und die Grafschaft an Stelle des Gaues getreten.
Für die frühere Hälfte des Mittelalters bildet die Gaueintoilung,
wie richtig bemerkt worden ist, den eigentlichen Mittelpunkt der Geo-
graphie Deutschlands. Gerade sie ist in der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts Gegenstand eifriger Forschungen gewesen und hat eine reiche
Literatur hervorgerufen. Die Frage, wie die einzelnen Gaue zu be-
grenzen seien, und vor allem, welche Hilfsmittel zur Lösung herangezogen
werden dürften, hat einen lebhaft geführten Streit zur Folge gehabt.
Die Voraussetzung, dafs die kirchliche Einteilung des Landes in engster
Beziehung zur Gaueinteilung gestanden, hat sich aber nicht in jedem
Falle als stichhaltig erwiesen.
Der Anschlufs der Grafschaften an die alten Gaue bewirkte, dafs Gau
und Grafschaft für gleichbedeutend gehalten wurden; so heifst es bald pagus
Liuzgowe. bald comitutus Linzgnwe oder vereinigt : in pago et comitatu Kunigrssundra.
Di»- immer mehr hervortretende Bedeutung der Grafschaft liefs den Gau zurück-
treten, so dafs vielfach nur der Name noch erhalten blieb. Das Reich zerfiel
in Grafschaften, wie einst in Gaue.- Wenn die Namen der (laue seit dem
XII. Jh. allmählich verschwinden, so haben sich doch einzelne, wie Breisgau,
Rheinau, Kraichgau, Allgäu, Grabfeld, bis jetzt noch erhalten. Die Aufteilung
fCTÖfoerer Gaue in mehrere Komitate liefs kleinere Untergaue (pagi minores)
entstehen, während die Obergaue (pagi majores) unter ihrem alten Namen noch
fortln-standen. Indessen waren jene den Obergauen nicht etwa politisch unter-
geordnet, auch zerfiel nicht jeder Gau in eine Anzahl Fntergaue. Für letztere
wurde in Ermangelung eines Namens oft derjenige einer Hundertschaft gewählt.
In anderen Fällen, wo die alten Gaue zu klein waren, wie im Sachsenlandc,
wurden mehren- zu einem Komitat zusammengelegt. Die (taue verlieren also
nach und nach ihre Bedeutung; so wird ein Gauname öfters auf einen kleineren
Teil des ganzen beschränkt oder aueh auf mehrere Gaue einer Landschaft
belogen. Der ducatus Wpuariorwn zu beiden Seiten des Rheins wird oft auch
pagus ]{. genannt, während jeder einzelne Gau desselben seihst wieder pagus (im
eigentlichen Sinne) heifst. Auch Lothringen, Elsals, Sachsen, Thüringen werden
vielfach so bezeichnet. Selbst auf die Slavenländer ostlich der Elbe und -Sude
war die Gaueinteilung nach sog. Burg wardien übertragen worden.
Die gewöhnliche lateinische Bezeichnung war pagus, wofür aber gleich-
bedeutend, besonders später auc h provincia, regio, territorium und marca treten.
Die deutsche Form ist Gau, die dem Namen meist angehängt wird, wie Rhein-
gau, aufserdem aber auch latinisiert und pleonastisch mit pagus verbunden
wird. Ober die Wortform vgl. Grimm, DWB., 4, 1, Sp. 1518; Kluge-». S. 129.
Zahlreich sind die Varianten für Gau, wie sie in den mittelalterlichen Namen-
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192 IV. Politische Geographie um «las Jahr 1000.
Verbindungen auftreten: gau, ga, gawe, gewe, go, gon, gowe, goe, goa, gun, ketce.
— An Stelle von gau tritt besonders in fränkischen Gebieten feit, feld an den
Namen: Grapfeld, Tullifelt, Sualafeld. In den niederrheinischen Ländern auch
baut: Bracbant, Teisterbant, Ilasbant, Bursibant. Im Mainlande eiba. wie:
Wettereiba, Winegartheiba. Im Alamannenlande bara oder para, wie: Fol-
choltespara, Perahtoltaspara, Albuinesbar. Auch Verbindungen mit land, wie
Hamaland, treten auf. — Höchst mannigfaltig sind ferner die Gaunamen selbst.
Einige sind nach Völkernamen gebildet: Hessengau. Hattuariergau; zuweilen
auch nach Völkern, die ehemals dort gesessen hatten: Borachtra (Brukterer),
Bardengau (Langobarden); besonders zahlreich nach Flulsnamen: Rhein-
gau, Maasgau, Lahngau, Hasegau, Kraichgau, Thurgau, oder nach Gebirgen:
Harzgau, Eifla, Arduenna, Hundesrucha. Auch die Lage nach der Himmels-
richtung hat Namenbildungen veranlafst: Nordgau, Süd- oder Sundgau,
Ustergau, Westergau treten sogar mehrmals auf. In den früher römischen
Gebieten werden sie auch nach Kömers tädten benannt, wie Cölngau, Jülich-
gau, Wormsgau. Speiergau, Haselgau. Über die Gaue im allgemeinen vgl.
besonders: F. II. Müller, Deutsch. Stämme, 4, 6—20. F. Thudiehuni,
Gau- und Markverfassung in Deutschland (1860), S. 3 ff., 80 f . Waitz, DV.,
II1, 277 ff. III1, 319 ff. V1, 177 ff. VII, 14 ff. Schröder. Deutsche Rechts-
gesch.8, .120 ff. Heber, I ber die Kennzeichen der alten Gaugrenzen, Progr.
d. hist. Ver. d. Grofshzgt. Hessen, Darmstadt 1860.
Viel Schwierigkeiten bietet die Feststellung der Gau grenzen selbst.
Wohl sind einige Orte uns, als in diesem oder jenem Gaue liegend, genannt,
aber es sind meist zu wenige, um, gestützt auf sie, die Grenzlinie in allen Ein-
zelheiten festlegen zu können. Die Annahme nun, dafs die kirchlichen und
politischen Bezirke in deutschen Ländern miteinander übereinstimmten, führte
zu der Folgerung, dafs man aus den Diözesangrenzen, deren Verlauf sich ziem-
lieh genau, jedenfalls besser, feststellen liefs, auf die Gaugrenzen zurückschliefsen
könnte. Ein grofser Teil der älteren Arbeiten über die Gaugeographie ist von
diesem Gedanken beherrscht. Besonders war es Leopold von Ledebur,
der 25 Schriften über Gaue in diesem Sinne verfafste. Ihm folgten W. von
Hodenberg und G. Landau. Die Germanisten Versammlung zu Frankfurt
a. M. 1846 hatte diese Arbeiten zu fördern gesucht; eine Reihe von Gelehrten
erklärte sich zur Mitarbeit bereit, aber nur ein einziger, C. W. Wippermann,
hatte die Bearbeitung eines Gaues wirklich zustande gebracht. Erst Heinr.
Böttger nahm die Arbeit im grofsen Stile wieder auf und hat sie ganz allein
mit bewundernswerter Energie und Gewissenhaftigkeit für die Gaue und Diö-
zesen von Norddeutschland wenigstens durchgeführt. — Die zu G runde gelegte
Voraussetzung, dafs zwischen Gau und Grafschaft einerseits, zwischen Graf-
schaft und Diözese anderseits die engsten Beziehungen bestanden, dafs der
Graf mit dem Bisehof in der gemeinsamen Verwaltungstätigkeit ständig Fühlung
behalten sollte, — was nur möglich war, wenn beide ein und dasselbe Gebiet
beherrschten, — wurde gestützt durch die Konstitution Karls d. Gr. von 802
LL. I, 104): Yolumns, nt episcopi et comites cemcordiam et dilectionem inter se habeaut,
itt episcopus tsuo comiti . . adiutor et exortator existat . . ; similiter et comes faciat
contra au um episcopum. Ebenso in einem Kapitular von 806: Episcopi cum
comitibus Stent et comites cum episeopo, nt uierqne pleniter snum ministerium peragere
possit. Ähnliehe Verfügungen sind noch mehrere auch aus nachkarolingischer
Zeit vorhanden. Da die Diözesen aber mehrere Gaue umschlossen, so liefs
sich nur für einige die Grenze aus jenen der Diözese feststellen, soweit natür-
lich die Diözcsangrenzc selbst wirklich bekannt war. Um nun ein ausgiebigeres
Material für diese Zwecke zu gewinnen, griff man auf die ArchidiaKonats-
register zurück. Die Bischöfe mufsten bei der sich steigernden Verwaltungs-
tätigkeit Arehidiakone als Stellvertreter einsetzen, die innerhalb eines Gaues
gegenüber dem < trafen dieselbe Stellung einnahmen, wie sie der ihnen vor-
gesetzte Bischof schon vorher zu allen Gaugrafen seiner Diözese hatte. Voraus-
setzung war natürlich wieder, dafs das Verwaltungsgebiet des Grafen, also der
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81. Gaugcographic. 193
•
Gau, sich mit dem Gebiet des Arehidiakonen deckte. Die Archidiakonats-
register geben ein Verzeichnis aller Kirchen und Kapellen, welche dem Bischof
unterstellt waren. Es ist daher möglich, den Umfang aller Archidiakonate und
damit aller Diözesen festzustellen, woraus sich dann im weiteren auch die Gau-
grenzen ergeben sollten, Diese Annahmen forderten zu heftigem Widerspruch
heraus. Wenn sich auch nicht in Abrede stellen liefs, dafs man bei kirch-
lichen und politischen Einrichtungen aus praktischen Gründen gern an die
vorhandene Gaueinteilung anknüpfte, so liefsen sich doch auf der anderen
Seite nicht weniger schwerwiegende Gegengründe geltend machen : zunächst
die Tatsache, dafs Gau- und Diözesangrenze oft genug nicht übereinstimmten,
im Gegenteil die kirchliche Grenze quer durch den Gau hindurchführte. So-
dann stammen che Archidiakonateregister aus einer viel späteren Zeit, wo die
regelmäfsige Gaueinteilung nicht mehr bestand und durch Teilungen und
Exemtionen auch die Diözesangrenzen verändert worden waren. Es kann daher
die Ermittelung der Gaugrenzen aus jenen der kirchlichen Bezirke nicht auf
jene unbedingte Zuverlässigkeit Anspruch erheben, wie man anfangs meinte.
Die Literatur über die Gaue ist sehr reich. Die wichtigsten Arbeiten
sollen hier namhaft gemacht werden. Böttger führt einen grofsen Teil der-
selben (bis 1875) auf, vorzugsweise nur die norddeutschen Gebiete betreffend,
und meist nur diejenigen, deren Verfasser mit seiner Methode übereinstimmen.
Marquard Freher, Catalogus pagorum Germaniae sub Carolingis, in
Origg. Palatin. I, c. 5. H. Meibom, De utriusque Saxoniac et vicinarum re-
gionum quarundam pagis, Heimst. 1610. Pauliini, Geographia curiosa sive
de pagis antiquae praesert. Germ, commentar, Frankf. 1699. Gott fr. Bessel,
Chronicon Gotwicense, tom. prodr. II. T., p. 527 — 890; gibt ein vollständiges
Verzeichnis der 526 Gaue, Münster 1732, fol. E. Wächter, Art. »Gaue bei
Ersch und Gruber, Encykl. t. 54, 429 ff. II. B. Wenck, Hessische Landes-
gesch. 1789, II, 343 ff., m. K. F. J. Dumbeck, De geograph. pagorum Germ,
cisrhenanae, 1818. Schmidt, Der Gau Boractra, in: Westphalia 1825. L. von
Ledebur, Die Grenzen zwischen Engern und Westpfahlen (!) in Wigands
Arch. f. G. u. Altkde. Westph. (1826), 1,41. von Ledebur, Das Land und
Volk der Brukterer (1827), mit 2 K. K. Chr. von Leutsch, Markgraf Gero,
im Anhang: Geogr. der sorbischen Marken, 1828. A. von Wersche, Beschr.
der Gaue zwischen Elbe, Saale, Unstrut, Weser und Weira im X. u. XI. Jh.,
m. K., 1829. von Ledebur, Gehörten die Gaue Riaciani, Zamzici, Dassia,
Lusici ganz oder auch nur teilweise zum Brandenburger Sprengel?, in Allg.
Arch. f. d. Geschkde. d. preufs. St., 1830, I, 27—34. von Ledebur, Über
die alte und neue Erzdiözese Köln., Arch. I, 289. Ders., Über die Grenzen
zwischen Engern u. Thüringen, Archiv V, 26, (1831). Ders., Die Gaue des
säehsiseh-münstersehen Sprengeis, Arch. VII, 193 ff. (1832). Ders., Die Frei-
grafschaften der münstersehen Diöcese, Arch. X, 145, 248 (1833). Spruner,
Baierns Gaue nach den drei Volksstämmen, Banibg. 1831. G. Landau, Bei-
trag zur Beschr. der Gaue Friesenfeld u. Hassengau, Archiv XII, 213 (1833),
mit Notizen von Ledebur, von Ledebur, Die Gografschaften der münster-
schen Diöcese, Arch. XI, 289 ff. (1833). Ders., Der Umfang, insbesondere die
Nordwestgrenze des Havelbergischen Sprengeis, Arch. XI, 27 ff. Ders., Bei-
träge zur mittl. Geogr. des Herzogtums Westphalen, Arch. XIII, 238 ff. (1834).
Seibertz, Carls d. Gr. Gauverfassung im Herzogtum Westf., in Wigands
Archiv VI, III, m. K., 1834. von Ledebur, Ostfalen, in Ersch u. Gruber,
Encykl. (1836). Ders., Die fünf Münsterschen Gaue und die sieben Seelande
Frieslands, m. K., 1836. Ders., Blicke auf die Literatur des letzten Jahr-
zehnts, S. 91 ff., 1837. J. W. Neu mann, Beitrag zur Marken- u. Gaugeo-
graphie der ehemal. Sorbenländer in: Neue Mitteilgn, IV, 1, 114, Halle 1838.
von Ledebur, Die Landschaften des Havelberg. Sprengeis in: Märk. Forsch.
I, 200; IL 361, 1841. lief ft er, Zur Gaukunde des Sorbenlandes, in: Neue
Mittlgn. XVI. 1, 1 (1841). Chr. F. von S tälin, Wirtemberg. Gesch. 1841,
1, 2771 Giefers, Der Nethegau, in: Z. f. vaterl. G. V, 1, Münster, 1842.
Kretichmer, Historische Ocoffraphie. 13
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194
IV. Politische Geographie um das Jahr 1000.
von Ledebur, Der Maiengau ode'r das Maienfeld, in. K. (1842). Giese-
brecht, Wendische Geschichten 1843, I, 81 — 84. Ders., Nordthüringen und
die Hermunduren oder Thüringer, 1852. D. Meyer, Der osnabrück'sche
Hasegau, in Mitt. d. h. Ver. Osnabr. 1853, 256 ff. Der., Der Fenkigau, eb.
272 ff. Ders., Zur Topographie einiger Teile der alten Diözese Osnabrück,
1800, 172 — 213. von Ledebur, Der Rangau, 1854. W. von Hodenberg,
Der pagus Gretinge, in Lenthes Archiv VI, 2, 396, Celle 1856. Ders., Der pagus
Flutwide oder Mulbeze, eb. 375 ff. Ders., Die Diözese Bremen, Celle 1858, mit
2 K. Landau, Beschr. des Gaues Wettereiba, m. K., 1855. Ders., Beschr.
des Hessengaues, Kassel 1857, m. K. C. W. Wippermann, Beschr. des
Bueki-Gaues nebst Feststellung der Grenzen der übrigen Gaue Niedersachsens,
m. K., 1859. H. Kampschulte, Der Almegau, in Z. f. vateri. Gesch., XXIU,
192, m. K., 1863. W. von Hodenberg, Der pagus Loingo, m. K., in Lüne-
burg UB., Celle 1859, 299, 315 ff. G. von Alten, über den Marstemgau, in
Z. h. Ver. NS., 1860. 1—69. H. Hennings, Das hannoversche Wendland,
1862. H. Böttger, Die Brunonen, m. 3 K., 1865. W. C. C. von Hammer-
stein-Loxten, Über den Gau Gretinge oder Grete, in Z. d. V. f. NS., 1867,
131—136. Ders., Der Bardengau, m. K., 1869, Böttger, Bemerkungen über
dieUmfangsgrenzedes Bardengaues in Z. V. f. NS., 1869, 86—98. — Korrespondenz-
blatt des Gesamtvereins der deutsehen Geschichts- und Altertumsvereine, be-
sonders in den ersten zehn Jahrgängen, passim. Stein, über Benennung,
Umfang und Nachbargaue des Grabfeldes, Arch. bist, Ver. f. Unterfranken, XXI
(1871), Heft 3. Preufs, Die Gaue des Lippischen Landes, Z. f. Taterland.
Gesch. XXXH, Abt. 2, S. 3— 19, 1874. Piot, Les pagi de la Belgique et leure
subdivisions pendant le moyen äge, 1874. Bau mann, Die Gaugrafschaften
im Wirtembergischen Schwaben, Stuttg. 1879. Stöger, Der fränkische Ssial-
gau und dessen frühere Ortschaften, Kissingen 18*2. Schricker, Älteste
Grenzen und Gaue im Elsafs, Strafsburger Studien II 1884, 305—402. Schnitze,
Die Abgrenzung der Gaugrafschaften des Alamannischen Badens, Stuttg. 1896.
Koch, Das hannoversche Wendland oder der Gau Drawehn, Dannenberg
1898. Gramer, Die Geschichte der Alamannen als Gaugeschichte, Breslau
1899. Heldmann, Der Kölngau und die Civitas Köln, m. K., Halle 1900.
(Dazu Jaliresber. d. Geschichtswiss. 1900, II, 335; Kornemann, Korrespondenzbl.
d. Westdt, Z. 1900, Spalte 54 ff.)
V. Kulturgeographie um das Jahr 1000.
82. Landliche Siedelungen. Dorf und Einzelhof sind nach Tacitus
(s. p. 148) die Grundformen der germanischen Siedelungswcise gewesen,
wie wir sie auch heute noch in deutschen Gauen vorfinden. Indessen
hat sich bei näherer Prüfung ergeben, dafs die Dörfer in ihrer Anlage
grofse Unterschiede zeigen, und dafs die Gründung derselben nicht aus-
schliefslich von Deutschen ausgegangen sein kann. Vier Nationen sind
an der Besiedelung Mitteleuropas beteiligt gewesen und haben mehr
oder weniger Spuren ihrer ehemaligen Anwesenheit hinterlassen: die
Germanen, Kelten, Römer und Slaven. Von diesen scheiden
für die vorliegende Frage die Römer aus, da trotz ihres gewaltigen Ein-
flusses auf die Kulturentwickelung der Rheinlande dennoch keine merk-
licho Einwirkung auf die äufsere Form der Kleinsiedelungen und im
Zusammenhang mit diesen auf das Agrarwesen (Flureinteilung etc.) sich
mehr nachweisen läfst; die Stürme der Völkerwanderung haben hier
alles verwischt. Um so mehr haben Deutsche, Kelten und Slaven ihre
Eigenart hierbei zum Ausdruck gebracht, und die verschiedenen Siede-
lungsarten, die vielfach auch in bestimmt abgegrenzten Gebieten auftreten,
lassen sich ihrer Entstehung nach auf die verschiedenen Nationen zurück-
führen. Unter den Siedelungsformen treten folgende als typisch hervor :
1. Das Haufendorf, in welchem die Gehöfte nicht weilerartig zerstreut
liegen, aber auch nicht stadtähnlich mit den Häusern dicht aneinander-
stofsen, immerhin aber eine geschlossene Gruppe bilden. Die Gebäude
liegen völlig planlos durcheinandergewürfelt; auch in der Anlage der
Dorfstrafsen ist ein ursprünglicher Plan nicht erkennbar. Die mittel-
grofsen Dörfer von 20 — 40 Gehöften sind von Ackerland umgeben und
einer mehr oder weniger grofsen Fläche von Wald, Weide, Heide
oder Bruch (Allmendo). Von dem Ackerkulturland besitzt jeder Bauer
des Dorfes eine Hufe. Diesor Anteil jedes einzelnen bildete früher aber
nicht einen geschlossenen Feldbezirk ; vielmehr war das ganze Ackerland
in Abschnitte, sog. Gewanne, geteilt, und von jedem Abschnitte besafs
jeder Hufner eine gleiche Fläche, die ihm durch das Los zugewiesen
war. Seine Hufe setzte sich also aus den einzelnen langgestreckten,
13*
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V. Kulturgeographie um das Jahr 1000.
schmalen Parzellen der Gewanne zusammen. Dadurch war jeder Hufen-
besitzer in seiner Wirtschaftsweise sehr beschränkt; denn da Zugänge zu
den Parzellen fehlton, so konnte er zu seinem Landstück nur gelangen,
wenn andere Gewanne brach lagen oder schon abgeerntet waren. Er
unterlag somit dem Flurzwang, der darin bestand, dafs die Gewanne
auf Kundgebung des Dorfvorstandes nur gleichzeitig geackert, besät und
abgeerntet werden konnten, dafs sie deshalb aber auch mit einer bestimm-
ten Feldfrucht bestellt sein mufsten. Es ist dies die ursprünglich deutsche
Nutzungsform gewesen, die infolge Zusammenlegung und Separation
heute nicht mehr erkennbar ist,
2. Die Einzelhöfe, die im allgemeinen westlich der Weser beson-
ders in Westfalen und in den Alpen typisch auftreten. Solche Land-
schaften zeichnen sich auch heute noch durch ihren Mangel an grosseren
Dörfern aus. Wie der Name schon besagt, sind es zerstreut liegende
Gehöfte, die von den zugehörigen Grundstücken in umfriedeten Kämpen
möglichst geschlossen umgeben sind.
In den Slavonländern, im Osten Mitteleuropas hatten sich im
Gegensatz zu jenen andere Siedelungsformen herausgebildet. Zu diesen
gehört 3. das Strafsendorf, in welchem dio Gehöfte zu beiden Seiten
einer Strafse liegen; an die Häuser schliefst sich ein Garten, der gegen
die Ackerflur mit einer Hecke umsäumt ist. In der Mitte, wo sich die
Strafse zu einem Anger verbreitert, befindet sich in der Nähe der Kirche
und des Kirchhofes der Dorfteich. 4. Das Runddorf oder Rundling,
bei welchem die Gehöfte mit ihren Häuserfronten um einem runden
oder ovalen Platz sich gruppieren. Auch hier liegt ein Garten hinter
dem Hause mit umschliefsender Hecke. Aus dem runden, sonst völlig
abgeschlossenen Platz führt nur ein einziger Ausgang hinaus. Die
Bewirtschaftung des Feldes wird bei den Slaven durch kommunistisches
Zusammenleben bestimmt. Ob die südslawische Zadruga, der russische
Mir, (in welchem die bis zu 40 — 60 Personen unter dem Gospodar ver-
einigte Familie Besitzerin von Haus, Hof, Vieh und Feld ist, ohne dafs
der einzelne Sonderansprüche auf Besitz erhoben dürfte), eine urslavische
Einrichtung ist, wird in Zweifel gezogen. In der Form, wie das slavische
Wirtschaftssystem heute besteht, geht es in seinen Anfängen höchstens
bis in das XVI. Jh. zurück, wie dies von Job. von Keufsler nachge-
wiesen worden ist (vgl. von Below, in Beilago z. Allg. Ztg. 1903, Nr. 11, 12).
Es ist das Verdienst Aug. Meitzens, die Forschungen auf dem Gebiete
der Siedelungsgeschichte und -geographie gefordert zu haben. Nach seinen
umfangreichen Quellenstudien ordnen sich die vorhergenannten Dorf- und
Wirtschaftsformen folgendermafsen geographisch an: Das Gebiet zwischen
Weser und Winterberg im W., Westerwald, Taunus und Thüringer Wald im S.,
Saale und Delvenau im O. bis zur Jütischen Halbinsel hinauf wird von ihm
als echt deutsches Volksgebiet ausgesondert, auf welchem, soweit die geschicht-
lichen Nachrichten reichen, niemals andere Völkerstämme gehaust haben. Hier
sind daher die volkstümlichen Haufendörfer mit der Gewanneinteilung überall
zu finden.
«
Westlich der Weser, von der oberen Lippe und dem Hellweg bis zur
Nordsee, ferner die Niederlande und das nordbelgische Tiefland sind Gebiete
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83. Städte.
197
mit Einzelhöfen, östlich des deutschen Volkslandes, im wesentlichen also des
karolingisehen Limeszuges (8. 176) schliefsen sich die slavischen Gebiete mit
entsprechenden Dorf formen an. Die Strafsendörfer finden sich am weitesten
und ziemlich allgemein verbreitet. Die Rundlinge haben ihr, wenn auch nicht
ausschließliches Verbreitungsgebiet nur im Westen: von der Kieler Bucht an
umfafst es das westliche Mecklenburg, die östliche Altmark, das ganze Havel-
land. Ein kleineres Gebiet reicht von der mittleren Spree nördlich des Spree-
waldes, zur Oder bei Frankfurt hinüber. Ferner finden sie sich zwischen Elbe
und Saale südwärts bis zum oberen Main und der Rednitz. Auch im west-
lichen Böhmen sind sie stellenweise stark vertreten. Es bleiben noch die
mittelrheinischen und süddeutschen Gebiete übrig, in welche germanische
Stämme (Hermunduren, Markomannen, Alamannen, Juthungen) eindrangen,
abgesehen von jenen, die schon zu Caesars Zeit links des Rheins safsen. Sie
führten hier den Stil des Haufendorfes in Gewannen mit Hufen Verfassung
und Flurzwang ein und besetzten die leicht zugänglichen, fruchtbaren Land-
striche. Zwischen diesen finden sich Einzelhöfe und Weiler in bergigen, heidigen
und moorigen Landschaften. Auch in den engen Tallandschaftcn der Alpen
war das Einzelhofsystem das allgemein vorwiegende. Auf die lokalen Unter-
schiede im einzelnen und ihre Ursachen, auf die nationale Provenienz der
Siedelungen und der Hausformen — (Fragen, in denen man Meitzen nicht
überall beigepflichtet hat) — kann hier nicht eingegangen werden. Im übrigen
vgl. auch hinsichtlich der Literatur den Paragraphen über Siedelungen zum
Termin 1375.
83. Städte. Die Germanen hatten keine Neigung, sich in Städten
zusammenzudrängen, wie schon Tacitus hervorhob. Dafs sie ihre an-
fängliche Aversion gegen ummauerte Städte auf römischem Provinzial-
boden späterhin aufgaben, steht fest. Freilich hatte die Völkerwanderung
einen Teil der alten Römerstädte vom Boden gefegt. Auf rechtsrheini-
schem Gebiet waren alle Städte und Kastelle (mit Ausnahme von Lupo-
dunum — Ladenburg) von den Germanen zerstört worden, wogegen von
den linksrheinischen ein grofser Teil die germanische Eroberung über-
dauerte, trotzdem auch sie von den Kriegsstürmen hart mitgenommen
worden waren. Trier, Metz, Tongern, Mainz, Basel, Köln, Worms, Speier
und Strafsburg werden als civitates noch genannt und von den Kastellen :
Zürich, Solothurn, Äugst, Bingen, Kreuznach, Boppard, Koblenz, Ander-
nach, Bonn, Deutz, Neuis, Nijmwegen, Utrecht, Maastricht, Jülich, Zül-
pich und Bitburg. Von den Städten des alten Rätiens hatte Chur den
Sturm überstanden, desgleichen Augsburg, Kempten und Bregenz, die,
zum gröfsten Teil zerstört, doch ihren Namen in die neue Zeit hinüber-
retteten. Auch Konstanz, Arbon, Günzburg bestanden als Kastelle noch
fort, ebenso Sterzing, Mais, Regensburg, Passau und Lorch. Das alte
Juvavum war aber von Grund aus zerstört worden und mit Wald über-
wachsen. Ein neuer Ort erwuchs auf derselben Stelle erst, als auf dorn
Nonnberge daselbst ein Castrum superius Salzburg begründet worden war.
Die alten Ortsbezeichnungen, wie civitas, urbs, oppidum, Castrum,
castellum, viens und villa, treten auch in der Karolinger- und Ottonenzeit
noch auf, haben aber vielfach eine andere, nicht immer streng begrenzte
Bedeutung angenommen. So wird civitas, urbs oftmals auf einfache Kastelle
und kleinere Ortschaften angewendet. Jedoch zeigt sich bei einem sta-
tistischen Vergleich aller namhaft gemachten Orte des früheren Mittel-
alters, dafs eine kleine Anzahl, im ganzen 13, stets nur als civitas oder
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198
V. KulUirgeographie um das Jahr 1000.
urbs aufgeführt werden; es sind dies Chur, Constanz, Basel, Strafsburg,
Worms, Speier, Mainz, Köln, Trier, Metz, Tongern, Augsburg und Regens-
burg. Alle diese sind römische Gründungen, und elf von ihnen (mit Aus-
nahme von Constanz und Regensburg) waren auch civitutes im römischen
Sinne. Im weiteren zeigt sich aber, dafs auch alle, aufser Regensburg,
in der Merowingerzeit Bischofsstädte gewesen sind ; nur selten führen
sie andere Bezeichnungen als civitas und urbs. Auch die späteren Bischofs-
städte werden zuweilen so genannt; weit häufiger werden sie aber als
casteUum, Castrum, vi IIa und vicus bezeichnet.
Alle sog. Städte jener Zeit waren es wohl in wirtschaftlicher und sozialer
Beziehung, hingegen nahmen sie keine rechtliche Stellung ein und unterschieden
sich in nichts von den Dörfern (Schröder). Das Städtewesen der Karolinger-
zeit untersuchte besonders eingehend S. Rietschel, Die Civitas auf deutschem
Boden bis zum Ausgange der Karolingerzeit; ein Beitrag zur Geschichte der
deutschen Stadt Leipzig 1894. Ober die Ortsbezeichnungen sei in Kürze
folgendes bemerkt: vicus = Dorf und villa = Meierhof, die Gregor von Tours
stets unterscheidet, sind zur Karolingerzeit zu einem Begriffe verschmolzen;
sie bezeichnen eine ländliche Ansiedelung, aus mehreren Gehöften bestehend.
Jedes einzelne von letzteren ist eine curtis. Unter casteUum oder Castrum ist
ein mit Mauern umgebener Ort zu verstehen und wird oft gleichbedeutend
mit oppidum gebraucht; letzteres findet sich aber auch zuweilen für civitas, wie
endlich auch für ein einfaches Dorf. Gerade bei der Verwendung der Bezeich-
nung oppidum tritt eine merkwürdige Willkür hervor. Desgleichen hat civitas
keine bestimmt eingeschränkte Bedeutung immer gehabt. Bei den Geschicht-
schreibern ist es die lateinische Übersetzung vom deutschen Wort »Burg« ; beide
waren befestigte Orte. Die sächsischen Chronisten wenden civitas sehr häutig
an, was bei modernen Forschern zu manchem Mifs Verständnis geführt hat.
Vgl. hierüber Rietschel, S. 13. Auch bezeichnet civitas oder urbs in Deutschland
nicht die Diözese und ebensowenig den Gau wie in Gallien, auch nicht ein-
mal den »Stadtgau«, denn Mainz hat niemals einen solchen besessen, lag viel-
mehr selbst im Wormsgau, so dafs dieser Gau also zwei civitutes, Worms und
Mainz umsehlofs. Regensburg wird zuweilen civitas regia genannt. Es war zur
Karolingerzeit die zeitweilige Residenz der fränkischen Könige, wenn sie nach
Baiern kamen, während es sonst in der Monarchie keine eigentlichen Haupt-
und Residenzstädte gab. — Aufser Rietschel vgl. Hcllwig, Deutsches Städte-
wesen z. Z. der Ottonen, Breslau 1875, Dissert. Hell w ig, Handel und Gewerbe
der deutschen Städte während der sächsischen Kaiserzeit, Progr. Realschule,
Göttingen 1882. Scb. Schwarz, Anlange des Städtewesens in den Elb- und
Saalegegenden, Dissert., Kiel 18U2. — Auch die sog. Städte, die König Heinrich L
in der säebsischen Ostmark zur Sicherung des Landes gegen die Ungarn grün-
dete (Widukind 1, 35), waren nur befestigte Plätze, und die urbes bei Widukind
werden besser mit »Burgen « übersetzt. Vgl. auch Waitz, Die Städtegründung
König Heinrichs, Exkurs. 14, in Jahrbb. Heinrichs L, S. 231 ff. Wie civitas
wurde auch Castrum mit Burg übersetzt, Aus castra Regina wurde Reginesburg,
aus civitas Augusta = Augsbmg, aus Bedense Castrum = Bitburg.
84. Pfalzen und königliche Htffc. Die deutschen Kaiser hatten
keine ständigen Residenzstädte; sie zogen im Lande umher und befunden
sich sozusagen immer auf der Reise, begleitet von einer zahlreichen
Diener- und Gefolgschaft, Beamten aller Art, Leibwachen, Jagdtrofs und
Kanzlei. Die Ökonomischen Verbältnisse machten ein solches Wander-
leben notwendig. Denn die kaiserlichen Domänen lagen weit verstreut
im Lande umher ; um die Produkte des Feldes und der Weide aber nach
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84. Pfalzen und königliche Höfe. 199
einem bestimmten Orte zu schaffen, fehlten wieder die genügenden Ver-
kehrswege. War es somit schwierig und zum Teil unmöglich, die er-
forderlichen Nahrungsmittel zusammenzubringen, so mutete der Kaiser
eben mit seiner Familie und dem gesamten Hofstaat sich auf den Weg
machen , um den • Ertrag seiner Domänen an Ort und Stelle zu ver-
zehren. Die königlichen Wirtschaftshöfe (villae, curles regiae) waren zu
diesem Zweck oft mit Pfalzen (palatiaj versehen, welche dem Kaiser und
seinem Gefolge zum Aufenthalt dienten. Sie bildeten umfassende Ge-
bäudekomplexe, bestehend aus dem kaiserlichen Palast, der Kirche, den
Wirtschaftsgebäuden, Mühlen, Wohn- und Arbeitshäusern der Diener
und Dienerinnen, Obst- und Blumengärten, zuweilen auch einem Fisch-
weiher, und waren nach aufsen mit Befestigungen, Mauern und Türmen,
versehen. Aber auch alle gröfseren Städte, die als solche schon befestigt
waren, wie Cöln, Worms, Mainz, Strafsburg, hatten ihre Pfalzen. Jene
Pfalzen, die inmitten der Domänen selbst lagen, gowannen nach und
nach an Bedeutung; sie wurden Stapel- und Marktplätze und konnten
sich zu Mittelpunkten des wirtschaftlichen Verkehrs entwickeln.
Diese Pfalzen, welche den Charakter von kleinen Städten hatten mit
allerdings nicht immer vollständig anwesender Bevölkerung, begegnen uns un-
zählige Male als Ausstellungsorte von Urkunden. Bei einigen Orten wird öfters
auch beigefügt, dafs dort Pfalzen vorhanden sind, wie civitas palatio regio, villa
palacio nostro. Einzelne von diesen wurden von den verschiedenen Kaisern
entschieden bevorzugt; Karl der Grofse hielt sich bei zunehmendem Alter mit
Vorliebe in Nijmegen, Ingelheim und besonders in Aachen auf, welches damals
nur ein Dorf war.
Wie von allen Profanbauten jener Zeit, so sind uns auch von den Pfalzen
nur wenige Reste erhalten geblieben.
über die innere Einrichtung der villae gibt das Capititlare de villis Karls
des Gr. Aufschlufs; sie waren mit W irtschaftsgebäuden verschiedener Art ver-
sehen, Scheunen (scurae), Ställen, Fischteichen (virarii), Mühlen, Keltern (tor-
cularia), Küchen, Backhäusern etc. Von den Wohnhäusern waren die Frauen-
häuser (genitia), durch Umzäunungen und verschliefsbare Tore abgetrennt, wo
die Frauen ihren Arbeiten (Spinnen, Weben, Nähen) oblagen. In der Pfalz
zu Colmar befand sich ein solches genitivm oder gynaeceitm, in welchem sie
Kleidungsstücke und Putzsachen für die königliche Familie anfertigten ; auch
Frauen höherer Stände wurden dort zu Strafarbeiten angehalten.
Über Pfalzen vgl. das C h r o n i c o n G o t w i c e n s e (von Bessel und Hahn),
1732 fol. S. 441 ff., daselbst ein Verzeichnis von 120 Pfalzen S. 452—525 mit
Nachtrag S. 881 — 883 und einer Übersichtskarte. Schröder, Deutsche Rechts-
gesch.3, S. 194 f. Lamprecht, Deutsche Gesch. II, 54 f. F. von Löher,
Kulturgesch- d. Deutschen im Mittelalter, 18%, II, 182 ff. Über die Bauanlagen
im einzelnen F. von Reber, Der karolingische Palastbau, München 1891.
Plath, Die Königspfalzen der Merowinger und Karolinger, Berlin 1892.
Die wichtigsten Pfalzen und Königshöfe gibt nachfolgendes Verzeichnis,
in welches auch einige nach dem Jahre 1000 entstandene mit aufgenommen sind :
Albulfi vi IIa bei dem Dorfe Albisheim an der Pfrimm in der baicr.
Pfalz. Altheim, Althemium. Altstett, Alstidi, Alfstedt Andernach,
Andernacum. Apsiacum, Epfich. Aachen, Aijuisgranum. Arnstadt,
Aranstedi, Amestad. Aristallium, Haristallium im Ilaspengau im unteren
Maasgebiet. A u g s b u r g , Augusta Vindelicorum. Bamberg, Babenberg.
Bisestat, villa bei Worms. Boppard, Bochpardon, Pobartum, Bopardia.
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200
V. Kulturgeographie um da* Jahr 1000.
Bodfeld, Botfeldon im Harz. Bm geheim bei Brügge an der Leine.
Brun es wie mit dem Palas Heinrichs des Löwen an Stelle der ehemaligen
BurgDankwarderode. Carlsburg, Carolstad, Civitas Carolina am Main. Cassel,
Cassulum, Chassala, Burg mit eurtis. Colmar, Columbarium, Columba. Cöln,
Colonia Agrippina. Coblenz, Conflucntes, Cobelenee. Co n stanz, Con-
stantia. Dahlheim an der Nette bei Bökeln. Decima bei Trier. Dort-
mund, Tremonia, Trutmania. Duisburg, Duisburgum, Tusbureh, Thuis-
purg. Düren, Duria, Marcodurum. Elze, Auliea, Alicga. Ermatingen,
Erfmuotingen, Erfmatingen am Bodensee. Fla m m ersh eim , Vlamersheini
an der Ert unterhalb Münstereifel. Flattana, Flatera in den Ardennen.
Forchheim, Foraheim, Foracheim, Forenhcim. Frankfurt, Franconofurt.
Frasa, Frosa, Frasia an der Elbe oberhalb Magdeburg. Fulda, Vulta, Vul-
taha. S. Galli, San - Gallunum. Geltersheim, Geltresheim im Grabfeld.
Gernsheim, Gerenesheim, Gernichesheim im Rheingau. Göttin gen, God-
dinga, Gutingen. Goslar, Goslare. Grona, Gruonaha, in der Nähe von
Göttingen. Hagenau, Haganoe, Hagenovia. Hammelburg, Hamalun-
burc, Hamulanburc an der Frank. Saale. Hattingen, Hattnegge an der
Ruhr. Heilbronn, Heilicobrune, Heiligbrunna. Herford, Herifurth, Her-
vordia. Herstelle, Heristalluni Hersfeld, Herolfelde, Herolvesfelde, Her-
feldia. Hluna, Lüne in Westfalen. Hoburg, Hochenburg, Hoherabach in
Oberbaiern an der Salza. Höxter, Huxari, Huxori, Huxere. Ingelheim,
Ingylenheim, Engilenheim. Isenburg im NO. von Neuwied. Jupella an
der Maas im Haspengau. Kalbe, Calua. Kaufun gen, Capungum, Con-
funga, Cauffunga. Kaiserstuhl, Keyserstul, Kaiserstuol. Solum Caesaris in
pago Turichgowe. Kaiserslautern, Lutra Caesarea. Kirch heim, Kiriehheim,
Chirichheim im Elsafs bei Molsheim. Kreuznach, Cruciniacum. Laden -
bürg, Lobedenburg, Loboduna. Longolare, Longolano, Langlar in den
Ardennen, hängt vermutlieh mit dem Orte Glare beim St. Hubertuskloster zu-
sammen. Lastinaua in der Nähe des Rheins unterhalb Hohenems. Mag-
deburg, Magadaburg. Marlen, Marelega, Marilegium im Unterelsa fs. M e min-
ie ben, Imileba, Imileiba, Mimileva. Mersen, Marsana, Mama.. Mersun
unfern der unteren Maas. Merseburg, Mersaburc. Metz, Mcttis. Mainz,
Moguntia. Mo fs bürg, Mosapureh, Mosaburc in Baiern. Mühlhausen an
der Unstrut, Mulhusa, Mulinhuson. Nierstein, Neristen am Rhein. Niem,
Niemia bei Steinheim in Westfalen. Nürnberg, Norinberc. Nordhausen,
Northupen. Nijmegen, Noviomagus. Neuhausen, Nuhusen im Worms-
gau. Osterm utinga, Ostermundinga in Baiern an der Salzach. Oster-
hofen, Ostrenhofa in Baiern zwischen der Vils und bar. Paderborn, Padra-
brunna, Pathalbrunnon. Palatiolum an der Mosel unterhalb Trier. Pöhlde,
Palithi, Poleda. Potama, Bodama, Bödmen bei Constanz am Bodensee.
Quedlinburg, Quidilingaburg. Rantersdorf, Randeshoven am Inn bei
Braunau. Regens bürg, Ratispona, Regina, Reganesburg. Rhens, Reinse,
Rense. Rotweil, Rotwila, Rotenwila. Seit/., Salecio, Salsa, Saline. Saal-
feld, Salafeldum, Salvede. Salz, Salt, Saltus an der Fränkischen Saale.
Sinzig, Sentiacum, Sineieha. Sologe, Sologum, Solagon in Schwaben.
Speier, Nemetum. Thionville, Theodonis villa, Diedenhofen. Schlett-
stadt, Seladistatt, Siedestat, Selatestad. Tilleda, Dullede, Tuilide. Tra-
iectus ad Mosam, Trectis, Trajeeta, j. Mastrieht. Trier, Treviri. Tribur,
Dribure, Drehur. Überlingen, überlinga. Ulm, Ulma. Walhausen.
Walbeck, Walbiehi bei Mansfeld. Weiblingen, Weiblinga. Werla,
Werlaon, Werliz nördlich von Goslar. Weilburg, Wilinaburg an der Lahn.
W ü r zb u rg , Wirciburgum. W o rm s , Worniatia. Zürich, Thuregum, Turi-
cinium.
85. Landwirtschaft. Die Veränderungen , die nach der Völker-
wanderung in den landwirtschaftliehen Verhältnissen eintraten, waren
durch innere und äufsere Umstände hervorgerufen worden. Die fort-
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85. Undwirtschaft.
201
gesetzte Berührung mit anderen Völkern, das Übergreifen des Franken-
reiches auf die Nachbarländer hatte die Einführung neuer Kulturpflanzen
in Mitteleuropa zur Folge. Erst im VIII. Jh. scheint der Weizenbau
von Gallien her weiter nach O. ausgebreitet worden zu sein , und im
VIII. Jh. wird des Speltes und erst im IX. Jh. des Roggens in den
Quellenschriften gedacht. Nicht minder waren in der Organisation des
landwirtschaftlichen Betriebes Veränderungen vor sich gegangen, und
die Erfahrung hatte zu einer systematischen Regelung geführt. Die
Erzeugung der Brotfrucht und des Viehfutters bildete wie heute,
so auch damals das Ziel aller landwirtschaftlichen Tätigkeit; Ackerbau
und Viehzucht stehen in engen Beziehungen zueinander und ergänzen
sich. Abgesehen von den Produkten der Viehzucht selbst (Fleisch, Milch,
Leder), die den Menschen unmittelbar zugute kommen , erfährt auch
der Ackerbau durch die Viehzucht eine Stütze: der Betrieb desselben
mit Hilfe des Viehes, die Gewinnung von Dung und schliefslich die
durch die Viehzucht ermöglichte Nutzbarmachung des Bodens in Zeiten
seiner Erschöpfung. Es war daher naheliegend, beiden Zweigen der
Landwirtschaft, wo es anging, die gleiche Berücksichtigung zuteil
werden zu lassen, und diese Rücksicht kam in der Verteilung des
Bodens für Ackerbau und Viehzucht zum Ausdruck. Zwei Betriebs-
formen haben schon damals bestanden: die Fei der wir tschaft und
die Wechsel- oder Feld gras Wirtschaft. Die erstere scheint die
ursprüngliche Form gewesen zu sein , die darin bestand , dafs ein
bestimmter Teil der Feldfläche dauernd und ausschliefslich für die
Getreideproduktion und der andere Teil ständig für die Futterproduktion
verwendet wurde. In Gegenden mit fruchtbarem Boden und in günstiger
klimatischer Lage war diese Form auch die zweckmäfsigste. In Gebirgen
dagegen liefs die Bodenbeschaffenheit, das Klima und die Terrainbildung
diese Wirtschaftsform weniger geeignet erscheinen und der Getreidebau
lieferte nur zeitweise Erträge. Man benutzte daher das Land wechsel-
weise bald für die Körner-, bald für die Grasproduktion und dehnte
diese wechselweise Nutzung auf ein oder mehrere Jahre aus. Diese
Feldgraswirtschaft empfahl sich schon aus dem Grunde mehr, weil der
ohnedies gehaltarme Gebirgsboden durch den Graswuchs eine Zufuhr
von humösen Bestandteilen erfuhr (v. d. Goltz.) Aber nicht nur im
Gebirge, auch in der Niederung war diese Betriebsform aus verschiedenen
Gründen, besonders bei sehr feuchtem Boden, die angemessenere. Wo
der Boden infolge eines hohen Grundwasserstandes dauernd zu feucht
war (wie besonders in den Marschengegenden), griff mehr die Form der
Weidewirtschaft Platz, die in einer ausscbliefslichen Benutzung des
Bodens als Weide- oder Wiesenland bestand, während nur ein geringer,
günstiger beanlagter Teil der Ackerkultur diente. Auch in den Alpen
wurde oft nur Weidewirtschaft betrieben, wo Feldgraswirtschaft erschwert
war. — War die Möglichkeit der ausschliefslichen Benutzung eines Land-
stückes für den Ackerbau gegeben, so liefs es die Rücksicht auf einen
höheren Ertrag ratsam erscheinen, die einzelnen Teile des Feldes nicht
immer mit derselben Frucht zu bestellen, sondern zwischen den Früchten
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202
V. Kulturgeographie um das Jahr 1000.
zu wechseln. Diese Mafsnahme führte zur Dreifelderwirtschaft,
die urkundlich schon für das Jahr 771 nachweisbar ist. Wenn es sich
darum handelte, verschiedene Getreidearten zu kultivieren, teilte man
das Land in drei Felder (Fluren oder Zeigen) ab, welche abwechselnd
mit Wintergetreide, Sommergetreide bestellt oder als Brachland frei-
gelassen wurden. Statt des Sommergetreides konnten auch Hülsenfrüchte,
Rüben und Gemüse angebaut werden, schliesslich auch Hanf und Flachs.
Dieses System hatte über ein Jahrtausend bestanden, ehe es durch ein
anderes ersetzt wurde.
Während das landwirtschaftliche Betriebssystem der ersten Jahrhunderte
ganz an die keltischen und noch mehr römischen Vorbilder, sich anlehnte, trat
durch Karl d. Gr. eine durchgreifende Reform ein. Seine eigenen Güter
bildeten wahre Musterwirtschaften, deren Verwaltung er peinlich überwachte.
Von ihm rührt auch das älteste deutsche Lehrbuch des Ackerbaues her, das
Capitulare de villis vel curtis imperatork ; in MG. Legum Sectio II, t. I. p. 82 ff.
Vgl. hierzu R. Gar eis, Die Landgüterordnung Kaiser Karls d. Gr., Berlin 1895
(enthält Textausgabe mit Kommentar). A. Thaer, Verordnung Karls d. Gr.
über die kaiserlichen Güter und Höfe, in Fühlings landwirtschaftl. Ztg., 4. H.
(1878). Die Entstehungszeit des Capitulare scheint in den Anfang des IX. Jh.
zu fallen. Neben dem Capitulare sind uns auch noch einige Brevia oder Bre-
viaria verum ßscali um erhalten geblieben, welche Inventarverzeichnisse der Grund-
stücke, Gebäude, Höfe, des toten und lebenden Inventars etc. bilden; in den
MG. Legum Sectio II, t. I, 250 ff. Anton, Gesch. d. t. Landw., gibt vom Capi-
tulare und den Brevia deutsehe Obersetzungen mit Erklärung. — Das Capitulare
enthält in 70 Kapiteln Anweisungen über Verwaltung und Betrieb der Domänen.
I ns interessieren zunächst hier die Angaben über die bereits eingeführten
Kulturgewächse: von den Kömerpflanzen sind Weizen, Roggen und Spelt zu
nennen, mit welchen das Winterfeld besetzt wurde, sowie Gerste und Hafer
für das Sommerfeld. Ferner wurden an Gartenfrüehten gezogen : Rüben, Bohnen,
Erbsen und Linsen, nach denen man die betreffenden Felder napina, fabaria,
pisaria , lenticularia nannte. Auch Knoblauch, Gurken, Kürbisse, Zwiebeln,
Mohn, Rettiehe, Kohlrabi, Karotten u. a. werden von den Küchengewächsen
genannt; ferner als Ziergewächse Rosen und Lilien, als Nutzgewüchse Flach*
(Uman), Waid (Isatk tinetoria), Krapp (rubia tinetorum) zum Rotfärben, die Kar-
dendistel (cardones) zum Aufkratzen der Wollfaser bei der Weberei. Der Obst-
garten hatte durch Einführung edlerer Sorten, wie Apfel, Birnen, Pflaumen
und Kirschen ebenfalls eine Bereicherung erfahren. Indessen war der Anbau
aller dieser Gewächse nicht allgemein in Deutschland verbreitet ; hierfür kamen
zunächst nur die Rh ein lande und Belgien in Frage, wo auch Bisehöfe und
Klöster in der Kultivierung des Landes sich betätigten. Nächst den Rhein
landen scheinen in Schwaben das Neckar- und Donautal in der Landwirt-
schaft fortgeschritten zu sein, in Baiern das Land zwischen Regensburg und
Passau (der löl'shedeckte Dungaboden, s. S. 47 f.) und ein Stück des Inntals auf-
wärts und in Franken die Umgebung von Würzburg, Bamberg und Kichstätt.
Thüringen seheint von dem mit Mainz verbundenen Erfurt Anregung
empfangen zu haben, während in Sachsen erst nach Karl d. Gr. ein Auf
sehwung zu bemerken war; cf. Langet!) al I, 157 f. — Was die Weinkultur
anbelangt (vgl. S. 154), so ist der Anbau für die zweite Hälfte des IV. Jh. itn
Moseltale durch Ausonius bezeugt. Bei Salvian werden die Trierer ad vi mm
praevalidissimi genannt; cf. Düntzer, Bonner Jahrbb. II, 9 f. Überhaupt zeich
nete sieh nach Venantius Fortunatus, VI. Jh., zuerst das Moselland durch
Weinkultur aus, während am Rhein nur die Berge bei Andernach hierfür
bekannt waren. In der späteren Karolingerzeit war das Ahrtal am meisten
bebaut, am Rhein nur einige Stellen in der Nähe der Römcrkastelle und
Pfalzen; besonders Coblenz, Andernach und Sinzig werden von Regln o a. Sisr>
85. Landwirtschaft.
203
propter vini affluentiam gerühmt. An der Mosel war die Anlage von Wein-
spalieren immer von der Sonnenanlage abhängig gewesen. Von der Bedeutung
und Ausdehnung der Weinkultur im Rheinlande können wir uns nur durch
die Anzahl der genannten Weinorte eine Vorstellung machen. Lamprecht,
Dt. Wirtschaftsleben im Ma., I, 505—567, mit Belegstellen. Düntzer, Der
Weinbau im römischen Gallien und Germanien, Bonner Jbb. II, 9 f. E. Pauls,
Zur Gesch. des Weinbaues, -handels und -Verkehrs in der Aachener Gegend,
Z. d. Aachener Gesch.- Ver. VII, 179 ff. Lamprecht (1. c. II, 54—56) gibt auch
einen tabellarischen Überblick über die genannten Weinorte für die Jahre 800,
900, 1000 etc.
Die Viehzucht hatte sich in Germanien immer einer besonderen Pflege
erfreut. Besonders gilt dies von der Pferdezucht. Die Marschengegenden
der Nordseeküste hatten schon bei den alten Chauken diese Zucht begünstigt,
und im Mittelalter galten die Sachsen gleichfalls als gute Pferdezüchter. Die
Zahl der Pferde übertraf bei ihnen die aller anderen Herdentiere. Im Heliand
sind die Hirten Rossehüter. Karl legte ihnen einmal einen Tribut von 300 Rossen
auf. Schon in den alten Volksrechten wird der Pferde mehrfach gedacht, und
beachtenswert sind die verschiedenen Namen für die Pferdegattungen. Karl
war bestrebt, sie auf seinen Gütern in jeder Weise zu heben. Die Tiere wurden
vorzüglich zu Kriegszwecken verwendet; cf. Inama-Sternegg , Dt. Wirtseh. I,
418 ff. Lauffer, S. 72. Langethal 1, 61 ff., 148. — Die Rinderzucht wurde
daneben nicht vernachlässigt, wie die Leges beweisen; besonders war bei den
Franken das Rind ein wichtiges Haustier und wurde vor den Wagen der vor-
nehmsten Männer gespannt, eine Sitte, die sich allerdings bald verlor. Grofse
Rinderwirtschaften (vaccariae) waren aber nur zum geringsten Teil vorhanden,
meist war die Zucht nur im kleinen Betriebe verbreitet. Käse war das wich-
tigste Produkt, als Fleischtier war das Rind weniger wichtig (höchstens Kalb-
fleisch). Zu letzterem Zweck dienten vor allem die Schweine, deren Mast
in den Eichen- und Buchenwaldungen stattfand und die man im Walde durch
sog. Barken oder Schuppen gegen die Witterung sehützte. Die Schafzucht
war immer weniger bedeutend gewesen. Die Wolle und Felle fanden Ver-
wendung, desgleichen die Milch zur Käsebereitung. Ziegen werden nur selten
einmal genannt. Karl hatte auch eine Vorliebe für die Geflügelzucht,
besondere Hühner und Gänse; jedes seiner Güter sollte 100 Hühner und
30 Gänse halten, daneben auch Enten, Tauben, Pfauen u. a. m. Zwecks
Gewinnung von Wachs und Honig (als Surrogat für Zucker und für die Met-
bereitung) wurde auch die Bienenzucht nicht vernachlässigt. Selbst die
Fischerei fand ihre Pflege; Fischteiche und -behälter hatte Karl auf seinen
Gütern anlegen lassen, um den Hof zur Fastenzeit mit Fischen zu versehen.
Langethal, Gesch. der teutschen Landwirtschaft, Jena 1847, I, 46 ff.,
61 ff., 148 n. Michelsen und Neddcrich, Gesch. d. dt. Landw., 4. Aufl.,
Berlin 1 902 (ist ein kurzer Auszug aus vorigem). v.Inama-Sternegg, Deutsche
Wirtschaftsgeschichte I, passim. Hanfsen, Agrarhistorische Abhandlungen,
I. Teil, 1880. Arnold, Deutsche Gesch., I. Bd. Th. von der Goltz,
Gesch. d. deutsch. Landwirtschaft, Stuttg. 1902,1,67—84, 98—116. Lauffer,
Das Landsehaftsbild Deutschlands im Zeitalter der Karolinger, Dissert. Göttingen
1896, S. 63—76. Lamp recht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter,
Lpz. 1886, I, 532 ff., 543 ff . Heyne, D. deutsche Nahrungswesen, Lpz. 1901.
86. Wald. In dieser Periode waren im alten Waldbestande schon
erhebliche Veränderungen eingetreten, wenn auch die tiefgreifendsten
erst in der nachfolgenden stattfinden sollten. Die zunehmende Über-
völkerung führte immer entschiedener zu einer expansiven Wirtschafts-
form. Der kultivierbare und leicht zugängliche Boden war besetzt, und
der einzige Ausweg, um neues Land zu gewinnen, war der Eingriff in
den Wald. Er erwies sich in jenen zurückliegenden Zeiten als ein
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204 V. Kulturgeographie um das Jahr 1000.
wirkliches Kulturhindernis ; seine systsinatische Vernichtung wurde als
ein Verdienst angesehen. Weideland und Ackerland mufsten ihm Schritt
für Schritt abgerungen werden. — Die grofse Rodeperiode begann etwa
mit dem VI. Jh. ; zunächst fanden Waldlichtungen nur in den westlichen
Landschaften statt, erst sehr viel später wurden auch die Wälder des
Ostens in Angriff genommen, und im XII. und XIII. Jh. erreicht hier
das Rodungsverfahren seinen Höhepunkt. Anfangs war es jedem Mit-
glied einer Markgenossenschaft freigestellt, nach Belieben im Allmende-
wald zu roden. Indessen war diese Arbeit eine viel zu beschwerliche,
als dafs sie ein einzelner mit wenigen Arbeitskräften im grofsen Stil
hätte vornehmen können; jedenfalls können die so geschaffenen Lich-
tungen für Ausdehnung der Wohnsitze und Erweiterung der Feldfluren
keinen beträchtlichen Umfang gehabt haben. Dies war erst seit dem
VIII. Jh. der Fall, als andere soziale Verhältnisse eingetreten waren.
Mit den Waldrodungen gingen auch die Gründungen von Ortschaften Hand
in Hand und besonders auch von Klöstern: St. Gallen, Weifsenburg,
Fulda, Uersfeld, Lorsch, Bleidenstadt. Beachtenswert sind die Verord-
nungen Karls d. Gr. im Capitidare de villis, wo er im Art. 36 bestimmt,
»dafs unsere Wälder und Forsten gut in acht genommen und, wo ein
Platz zum Ausroden ist, ausgerodet werden. Wo aber Wälder sein
müssen, da sollen sie nicht zugeben, dafs sie zu sehr behauen und ver-
wüstet werden«. Ein sinnloses Niederschlagen der Bäume wurde also
schon damals nicht gutgeheifsen ; aber Wald war doch im Überflufs
vorhanden, und nicht zum wenigsten verstanden es die weltlichen Grund-
herren, ihre Herrschaft und ihr Kulturland durch Bifänge zu erweitern
und nebenbei auch noch den Klöstern Schenkungen zu machen.
Trotz der vielen Nachrichten über Rodungen, die hier und da vor-
genommen worden sind, können wir uns von der geographischen Ver-
breitung der Wälder am Schlufs des X. Jh. nur eine ungefähre Vor-
stellung machen. Als sicher müssen wir annehmen, dafs die Gebirge
zum weitaus gröfsten Teil noch immer schwer zugängliche Wildnisse
waren, wenn auch einzelne im westlichen Kulturbereich gelegene, wie
Ardennen und Taunus, nachweisbar durchquert werden konnten. Am
schwächsten oder vielmehr gar nicht be waldet waren die Küstengebiete,
insonderheit jene der Nordsee, wo Stürme und Sturmfluten unter den
Waldungen aufgeräumt haben müssen; denn dafs solche ehemals vor-
handen waren, beweisen die in den Torfmooren massenhaft übereinander
gelagerten Stämme, die sämtlich nach einer Richtung liegen und deren
W urzelstöcke noch senkrecht in dem darunterliegenden Sande stehen.
In einem Torfmoor bei Rehorn, unweit Oldenburg, fand man Über-
reste von alten, starken Eichen, die von NO. nach SW. lagen. Man
nimmt an, dafs hier in dem alten Eichenwalde eine Sturmflut eingebrochen
ist, und die durch das stehen gebliebene Salzwasser abgestorbenen Eichen
von einem Orkane nachher gebrochen worden sind. Die Rodetätigkeit
hatte sich zunächst dem Flachlande und den breiten Tallandschaften
zugewendet, in denen innerhalb des Inundationsterrains ohnedies der
Wald schon fehlte; erst allmählich drang sie bis an den Fufs der höheren
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86. Wald. 205
Berglandschafton und in diese selbst vor; doch fand dies für die Mehr-
zahl der deutschen Mittelgebirge erst inv XI. Jh. statt.
Von einer eigentlichen Forstwirtschaft konnte in jenen Zeiten noch
keine Rede sein. Die Waldnutzung erstreckte sich auf vier Dinge: Holz,
Viehweide, Bienenzucht und Jagd. Die Holznutzung gestaltete sich zu
einem regellosen Plänterbe trieb , wobei für den jeweiligen Zweck Holz
nach Belieben herausgeschlagen wurde, ohne dafs man für den Nach-
wuchs Sorge trug. Eine weit höhere Bedeutung hatte der Wald damals
als Viehweide, speziell für die Schweinemast, und die masttragenden
Bäume, wie Eichen, Buchen und Wildobstbäume wurden daher auch
besonders geschützt. Sie gehörten zur Klasse der fruchtbaren Bäume
(fructiferi) im Gegensatz zu den infructuosi oder steriles. Der Wert und
die Gröfse eines Waldes wurden nach der Anzahl der Sehweine bemessen,
die in ihm ihre Nahrung finden konnten. Zu den Waldnebennutzungen
gehörte die Bienenzucht (Zeidlerei), deren Produkte: Honig als Surrogat
für Zucker und für die Metbereitung, und Wachs für die Beleuchtung
namentlich für kirchliche Zwecke unentbehrlich waren. Die Wichtig-
keit aller dieser Produkte für die damalige Zeit lernen wir aus den
Volksrechten kennen und besonders gibt die Höhe der Strafe für eine
mifsbräuch liehe oder widerrechtliche Verwendung der Walderzeugnisse
einen Mafsstab für deren Wertschätzung ab. Dies erstreckte sich nicht
zum wenigsten auf die Jagd , für welche die deutschen Könige und
Kaiser von jeher eine Vorliebe hatten und der sie einen besonderen Schutz
angedeihen liefsen. Dadurch, dafs die königlichen Forsten Immunität
zum Schutz des ausschliefslichen Jagdrechtes genossen, gewann am Ende
des VIII. Jh. das mittelalterlich-lateinische, aus dem althochdeutschen
»Forsts: gebildete Wort foresta, forestis, forest? , welches bis dahin regel-
mäfsig den königlichen Wald, zuweilen auch den Wald eines Grofsen
bezeichnet hatte, die Bedeutung eines solchen Waldes, in dehi das Jagd-
recht entweder dem Könige oder dem von ihm Beliehenen zustand, d. h.
eines Bannforstes (Schwappach). Die allmähliche Ausbreitung und Errich-
tung von Baunforsten und die hierdurch modifizierten Eigentumsver-
hältnisse an Wald und Jagd können hier nicht im einzelnen erörtert
werden.
Von den wildlebenden Tieren des Urwaldes werden uns neben
Schlangen : Bären und Wölfe genannt, auf die eifrig Jagd gemacht wurde.
Wölfe waren besonders die Feinde der Herde , des Wildes und des
Schlachtfeldes. Deshalb befürwortete auch Karl d. Gr. ihre Tötung,
die in jeder möglichen Form mit der Waffe, Wolfsangeln oder Gift vor-
genommen wurde. Ferner war das Schwarzwild stark vertreten, zu
welchem man nicht nur die Wildschweine rechnete, sondern auch Wild-
stiere (bison und bubalus der lex Alamannorum, Wisent und Ur des Nibe-
lungenliedes) und Bären (Roth S. 75). Am geschätztesten war das Edel-
wild, welches mit Pfeil und Speer weidrechtlich erlegt, aber auch in
Netzen und Schlingen gefangen wurde.
Die geographische Verbreitung der einzelnen Baumgattungen kann
eine Veränderung gegenüber der Vorzeit nicht erfahren haben. Durch
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206
V. Kulturgeographie um das Jahr 1000.
den Menschen war eine solche ausgeschlossen, da er nur an der Ver-
nichtung des Waldes arbeitete, niemals aber für Neuanpflanzung sorgte,
und ein durchgreifender natürlicher Wechsel der Wälder hat sich für
die damalige Zeit nicht erweisen lassen. Uber die Verteilung der ein-
zelnen Baumarten geben uns die literarischen Quellen und Funde einigen
Aufschluls. Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel bilden die Ortsnamen,
die überall an die frühere Bodenbeschaffenheit erinnern. Wenn auch
ein grofser Teil der Ortschaften besonders im Osten erst in der nächsten
Periode gegründet wurde, so hat ihr Name für die hier behandelte Zeit
rückwirkende Bedeutung, denn der Baumbestand hat sich, wie gesagt,
nicht geändert. Abgesehen von jenen Ortsnamen, die nur auf die all-
gemeine Waldbedeckung hinweisen und Verbindungen mit -hard, -hecke,
-holz, -borst, -forst, -loh, -strut, -strauch und -busch bilden, bieten die
mit speziellen Baumnamen zusammengesetzten einen Anhalt für die
Art und Beschaffenheit der Wälder. Ein statistischer Überblick zeigt
hier die oben schon hervorgehobene Tatsache der vorherrschenden Ver-
breitung des Laubholzes gegenüber jener des Nadolholzes, während
heute das umgekehrte Verhältnis herrscht. Daher heute das Auftreten von
Waldorten, die ihren Namen von Eichen und Buchen haben, in Gebieten,
die ausschliefslich mit Kiefern oder Tannen besetzt sind.
Der gewöhnlichste Ausdruck für das neue in Besitz genommene und
vom Walde befreite Land ist Bifang und die wörtliche Übersetzung Captura;
ferner Septum, das eingehegte, verzäunte Land im Gegensatz zum blofs
abgegrenzten; Ambitus, schlechthin der Umfang des okkupierten Landes;
Proprisum und Comprehensio, das Land mit Bezug auf den Akt der
Besitznahme; neben diesen noch Haftunga, Piunta, Bunda, Clausura, Exartum
u. a. m. ; vgl Arnold, S. 255 ff. — Die Schwierigkeit des Wälderrodens erörtert
Gradmann, Landschaftsb., S. 372; sind die Bäume durch die Axt oder durch
Niederbrennen beseitigt, > dann beginnt erst das Roden, d. h. das mühsame
Ausgraben der Stöcke«.
Über die Häufigkeit der Namen von Orten, Bergen, Wäldern u. s. w.,
die nach der dort vorherrschenden Baumgattung genannt worden sind, s. aufser
Arnold, p. 510 ff. noch E. von Berg, S. 141 ff. Es zeigt sich da, dafs Buche.
Eiche und Linde am häufigsten bei Namen Verwendung fanden , und zwar
derartig, dafs sie entweder allein als Name auftreten (Buch, Eich, Linden, Uhu)
oder in Verbindung mit anderen, wobei der Baumname teils am Anfang, teils
am Ende steht. Die Namen zeigen natürlich mancherlei Abweichungen, wie
Aich, Aiehen, Aicha, Eicha, Eick oder auch die Früchte wurden zur Namen-
bildung herangezogen: Ecker, Eck, Ecken, Eckern, Eickel. Unter Zugrunde-
legung von Rudolfs Ortslexikon von Deutschland hat sich nach Berg 1. c.
ergeben, dafs von 6905 Ortsnamen, die nach Bäumen benannt wurden, 6115
auf Laub holz hinweisen und 790 auf Nadelwald. Und zwar tritt die
Buche in den verschiedenen Varianten am häufigsten hervor in 1567 Fällen,
dann die Eiche 1467 mal, die Linde 871-, die Birke 477-, die Erle (Eller) 279-,
die Esche 268- (fast nur in Norddeutschland), die Aspe (Espe) 47-, Kirsche 186-,
Apfel 65-, Birne 60-, Hainbuche 27-, Wallnufs (Nufs) 118-, Hasel 361-, Weide 27-,
Elbe 62 mal etc.; von Nadelbäumen dagegen die Tanne 469 mal, Fichte 80-, Kiefer 70-,
I^erclie 31- (nur in Süddeutschland), ferner auf Nadelholz deutend: Kien 140mal.
Unter Berücksichtigung einzelner Landschaften ergibt sich, dafs im Königreich
Sachsen 22 Ortsnamen mit Tanne und Fichte auftreten, dagegen 93 mit Laub-
holzbezeiehnungcn, und doch ist das Laubholz in Sachsen im Verhältnis zum
Nadelholz heutzutage minimal vertreten. In der Provinz Brandenburg kennt
86. Wald.
207
man 139 Orte mit Laubholznamen und nur vier mit Tanne. Unter ersteren ist
die Buche 51 mal, die Eiche 20 mal, die Linde 43 mal, die Birke 23 mal und
die Esche 2 mal vertreten. Im Sehwarzwald tragen 24 Orte Laubholznamen,
nur vier heifsen nach der Tanne, vier nach der Föhre.
Die Frage nach dem Vordringen einzelner Baumarten und dem Zurück-
weichen anderer ist mehrfach diskutiert worden; bald sah man das Klima
und seine Änderungen als die primäre Ursache an, bald glaubte man sie in
den ganz natürlichen Wachstumsbedingungen und -Verhältnissen, die unter den
Bäumen im Kampfe ums Dasein herrsehen, zu erkennen (Hausrath, S. 628 ff.).
Das Auftreten von Schichtenkomplexen verschiedenartiger Baumarten über-
einander in den Torfmooren läfst sich z. T. wohl dahin erklären, dafs Baum-
leichen von entfernter liegenden Gebieten durch Flüsse hineingeschwemmt
worden sind. Auch für einzelne Gebirge Mitteleuropas ist die Frage nach der
ehemaligen Beschaffenheit ihrer Wälder näher erörtert worden. Bei Botanikern
und Forstleuten stand die Ansicht fest, dafs Tanne und Fichte in den Harz
erst vor 500 Jahren eingeführt worden sind, während vordem Birken und
Ilaseigebüsch in den höheren, Buchen und Eichen in den niederen Berglagen
wuchsen. Der Bergbau machte die Einführung nötig. E. Jacobs (Brocken-
fragen, in Harz Zeitschr. 1878, 442 ff.) bestreitet dies freilich und läfst Tanne
und Fichte von alters her auf dem Harz, besonders Oberharz und Brocken,
bestehen; auch der Ort Tanne komme schon 1355 vor. Vgl. dagegen seine
Ausführungen an anderer Stelle (Geschichtl. Bemerkungen über verschiedene Holz-
arten im Wernigerödischen, Harz-Zeitschr. 1894, 407 ff.), nach denen die Buche
bis zu den höchsten Teilen hinaufgereicht haben mufs , wie die Namen an
solchen Stellen beweisen: Boke, Bokeberge, Buchberg, Buchhorst etc. Auch
Zanthier schon (Sammlung vermischter Abhandlungen über das theoretische
und praktische Forstwesen. Berlin 1778, 2, 118) wies nach, dafs in den Brocken-
mooren Holzarten gefunden wären, von denen gegenwärtig keine Spur mehr
vorhanden ist. Neben Eichen und Kiefern, wären Haselnüsse, die noch ihren
Kern hatten, angetroffen worden, während die Kiefer jetzt gar nicht dort
heimisch ist und Hasel und Eiche weit tiefer am Ilar/e angetroffen würden.
In den oberharzischen Schächten sind auch nachweisbar Birken, Weiden, Haseln,
Quitschen zur Grubenzimmerung oft verwendet worden. Vgl. von Berg, S. 138 ff.
Alles spricht dafür, dafs der Harz neben einigem Nadelholz doch weit mehr
Laubholz ehemals getragen haben mufs.
E. von Berg, Geschichte der deutschen Wälder bis zum Schlüsse des
Mittelalters, Dresden 1871. Roth, Gesch. des Forst- und Jagdwesens in
Deutschland, Berlin 1879, besonders S. 46 ff., 75 f. A. Schwapp ach, Hand-
buch der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands, I, Berlin 1886, S. 31 ff., 35 ff.,
45 ff., 56 f. Arnold, Ansiedelungen u. Wandergn, deutscher Stämme, 1881,
S. 241 ff., 255 ff., 493 ff. Bernhardt, Gesch. des Waldeigentums, der Wald-
un«! Forstwissenschaft in Deutschland, Berlin 1872 — 1875. Lauffer, D Land*
schaftsbild Deutschlands im Zeitalter der Karolinger, Diss. Göttingen 189(5,
S. 77 ff. E. Krause, Beiträge zur Verbreitung der Kiefer in Norddeutschland,
Englers Botan. Jahrb. XI (1890). F. Höck, Nadelwaldflora Norddeutschlands,
in Forschungen z. deutschen Land- und Volkskunde VH, H. 4. Tscherning,
Beiträge zur Forstgeschichte Württembergs, Programm, Stuttgart 1854. Grau-
mann, Pflanzenleben der Schwäbischen Alb, Stuttg. 1898. Christ, Pflanzen-
leben der Schweiz, 1879. Lamprecht, Deutsch. Wirtschaftsleben I, 93 ff.
Gerbing, Die frühere Verteilung von Laub- und Nadelwald im Thüringerwald,
Mitteilgn. Ver. f. Ekde., Halle 1900. Krause, Die natürliche Pflanzendecke
Norddeutschlands, Globus 61, 81 — 85. 103 — 108. Ders. , Historisch -geogr.
Bedeutung der Begleitpflanzen der Kiefer in Norddeutschland, Ber. d. Botan.
Ges., 11, 307 — 311. Ders., Deutschlands ehemalige Eichenwälder, Globus 64,
133 — 136. Ders., Die Ursache des säkularen Baumwechsels in den Wäldern
Mitteleuropas, Naturwiss. Wochenschr. 6, 493 ff. Höck, Mutmafsliche Gründe
für die Verbreitung der Kiefer und ihrer Begleiter in Norddeutschland, Ber. d.
208
V. Kulturgeographie um da« Jahr 1000.
Butan. Ges. 11, HOU — 402. Knuth, Die Fichte, ein ehemaliger Waldbaum
Schleswig-Holsteins, Botan. Zentralblatt 47, 225 f. Damköhler, Die mann-
hafte Verbreitung der Haselstaude im Unterharz in früherer Zeit, Braunschweig.
Mag. 4, 110 ff. K. von Berg, über das Verdrängen der Laubwälder im nördl.
Deutschland durch die Fichte und Kiefer, 1841. EinHufs des Mensehen auf
die Verbreitungsgrenze der Nadelhölzer, Globus 63, 198. A. Seidensticker,
Wald-Metamorphosen und bist. Betrachtungen über die Vertausehung der Buche
mit der Fichte im hannoverschen Fürstentum Calenberg, Suppl. z. Allg. Forst-
u. Jagd-Ztg. 1858. S. l ff. Gradmann, Das mitteleuropäische Land»cnaft8bild
nach seiner geschichtlichen Entwickelung, Geogr. Zeitsch. VII, 361 ff., 435 ff. —
Mausrath, Verbreitung der wichtigsten einheimischen Waldbäume in Deutsch-
land, ibid. VII, 025 ff.
87. Bergbau. Über die Nutzbarmachung und Gewinnung der
Schätze des Erdinneren liegen uns verhältnismäfsig wenig Nachrichten
vor. Vielfach sind wir auf Vermutungen und Rückschlüsse angewiesen.
Es ist im höchsten Mafso wahrscheinlich, dafs die Kenntnis der einmal
entdeckten Salzquellen auch während der Stürme der Völkerwanderung:
niemals ganz erloschen ist, auch wenn die Bevölkerung gewechselt hat.
Die bedeutendsten Salinen des westlichen und südlichen Mitteleuropas
müssen seit ältesten Zeiten zur Salzgewinnung benatzt worden sein; ja
für einige des Salzkammergutes hat sich, wie schon oben bemerkt, sogar
eine prähistorische Ausbeutung nachweisen lassen. Viel umständlicher
und schwieriger war die Förderung von Erz, welches nur durch einen
regelrechten Bergbau gewonnen werden konnte. Waren die Vorrich-
tungen eines solchen Bergwerkes aber einmal zerstört, so war eine Neu-
einrichtung nicht, ohne weiteres leicht zu bewerkstelligen, und so konnte
es kommen, dafs Erzgruben mit ehemals lebhaftem Betriebe über ein
Jahrhundert lang unberührt liegen blieben. Indessen hat man nicht mit
Unrecht geschlossen, dafs die reichliche Verwendung von Metallen zu
Gerätschaften, Schmuckgegenständen und Waffen in der frühmittelalter-
lichen Zeit einen regen Bergwerksbetrieb, wenn auch primitivster Art,
voraussetze, denn nicht alles kann auf Einführung zurückgeführt werden.
Westfranken war reich an Gold, aber arm an Silber. Letzteres
kommt in den Vogesen und dem Schwarzwald vor. Die Erzgewinnung
am Oberrhein ist bis auf die römische Zeit zurückgeführt worden. Im
Ilagenschiefs walde bei Pforzheim hat man Reste römischen Bergbaues
gefunden. Auch die Goldgewinnung aus dem Rheinsande im unteren
Breisgau geht in frühe Zeiten zurück.
Erst in der Karolingerzeit lichtet sich mehr und mehr das Dunkel,
und in der sächsischen Kaiserzeit gewinnen wir einen Uberbück über
die Stätten, an denen Metall zu Tage gefördert und Salz gesotten wurde.
Für die Metallgewinnung bildeten die Alpen noch immer das wich-
tigste Produktionsgebiet. Gold, Silber und besonders Eisen wurden in
den Ostalpen geschürft; Salzburg, Steiermark, Tirol und die Schweizer
Al|ien werden uns urkundlich hierfür genannt. Auch für die Salz-
gewinnung waren die nördlichen Randgebiete der Alpen von Bedeutung
geblieben. Kaiser Ludwig d. K. gedenkt in einer Schenkungsurkunde
an die Kirche von Salzburg der Einkünfte von Gold und Salz (908).
87. Bergbau. 209
Otto I. bestätigte 940 diese Schenkung. Neben Hallein, Hallstadt, Her-
zogshall nahm besonders Reichenhall eine hervorragende Stellung als
Salinenort ein. Ein zweites, nicht weniger bedeutendes Salzrevier war
Lothringen, wo Vic, Moyenvic, Marsal und Dieuze, urkundlich genannt
werden. Auch im übrigen Deutschland sind verstreut liegende Salinen
schon damals in Betrieb gewesen, wie Schwäbisch-Hall, Kissingen, Nau-
heim, Salzdahlum, Werl, Salzungen, Salzschlierf, Lüneburg, Halle, auch
Kolberg in Pommern u. a.
Hingegen wurde der Melallreichtum in den weiten Gebieten rechts
des Rheines und nördlich der Donau erst sehr viel später ausgebeutet.
Aber der Anfang hierzu wurde noch im X. Jh. gemacht durch die Ent-
deckung der reichen Silberadern im Harz, insonderheit bei Goslar.
Durch das Bergwesen traten auch Veränderungen in den Bevölkerungs-
und Siedelungsverhältnissen ein. In den Jahren 870 — 948 mufste durch Ver-
bote dein Verlassen der Feldarbeit und Zudrang zu den Bergwerken gesteuert
werden, weil die Äeker unbebaut liegen blieben. Klostermann in Brasserts
Z. f. Bergrecht, XIII (1872), S. 46.
Was die rechtlichen Fragen des Bergwesens anbelangt, die hier im ein-
zelnen nicht verfolgt werden können, t>o neigt man allgemein der Ansicht zu,
dafs das Berg- und Salzregal in der fränkischen Zeit noch unbekannt war und
in seinen ersten Spuren erst im X. Jh. sich nachweisen läfst. Brunn er, Dt.
Rechtsgesch. n (1892), 7G. Arndt, Zur Gesch. und Theorie des Bergregals,
S. 56 ff., 209 ff. v. Inama, Dt. Wirtsch.-Geseh. II. 331 ff. Schröder, Lehrb. d.
dt. R., S. 193. Anders urteilt Dahn, Deutsche Gesch., 1888, I, 2,699. —
Zeumer, Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel, Mitteilungen des Instituts
für österreichische Geschichtsforschung. Bd. 22.
Die Salz Produktion war durch das Emporquellen der Salzsole sehr
erleichtert Schwierigkeiten bereitete, wenn auch noch nicht damals, so doch
bald später das Feuerungsmaterial, welches die Wälder liefern mufsten. Uber
die Betriebsorganisation der Salinen und die technische Einrichtung, cf. v. Inama,
1. c. II, 341 ff. Der Salzertrag mufs trotz der Vielheit und Ergiebigkeit ein-
zelner Salinen doch beschränkt gewesen sein und kann unmöglich alle deut-
schen Gaue versorgt haben, da die nötigen Wege fehlten. Die Hallstätten legten
höchstens Depots an grofsen Handelsstrafsen an. Die Verkehrsstrafse durch
Sachsen nach dem Südosten des Reiches (Kapit. 805, LL. I, 133), scheint be-
sonders dem Salzverkehr gedient zu haben, v. I n a in a- Stern egg, Zur Ver-
fassungsgesch. der dt. Salinen im Ma., in SB. Wiener Akad. phil.-hist Kl., 111
(1886), S. 569 ff. Dasselbe in kürzerer Fassung in seiner deutschen Wirtschafts-
geschichte, 1. c. •
Von den Salinen ist im einzelnen noch zu bemerken : Die Saline zu Hall
am Inn wird im VIII. Jh. genannt und stand damals mit dem Stift Benedikt-
beuren in Verbindung. Die grofse Hallstadt an der Traun wird in der Stiftungs-
urkunde von Kremsmünster schon erwähnt als salina major. Auch Hall, süd-
östlich von jenem Ort (Herzogshall), gehörte zu den Ausstattungsstücken des
Stiftes durch Tassilo. Vgl. Koch -Sternfeld, Die teutschen, insbesondere
bayerischen u. österreichischen Salzwerke im Mittelalter, München 1836, S. 52 f.,
223, 245.
Am Ende des VI. Jh. werden uns auch nähere Nachrichten über die Salz
quellen von Reichenhall gegeben. Herzog Theodo von Baiern widmet dem
Bischof Rupert für das neu zu gründende Bistum Salzburg den dritten Teil
des grofsen Salzbrunnens zu Reichen hall mit 20 Pfannen. Im Indiculus
Antonia und den Breves notitiae Salzburg, wird dieser Schenkung gedacht,
Diese Nachricht läfst auf einen beträchtlichen Grofsbetrieb daselbst zurück-
schliefsen. Die Freigebigkeit des Herzogs läfst auch vermuten, dafs damals noch
Kretjchmer, Historische Geographie. 14
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210
V. Kulturgeographie um das Jahr 1000.
andere Werke in Baiern in Betrieb waren. Wenn 70 Jahre später der Herzog
dem Emmeran erklärt, dal« das Salz im Lande nur gerade für den eigenen
Bedarf hinreiche, so kann dies nur durch das Vordringen der Slaven unter
Samo in eben jener Zi'it erklärt werden, infolgedessen der Betrieb vorüber-
gehend stockte. Vgl. Koch-Stemfeld, 1. c. 30 ff. u. 104 ff.
In Lothringen bildete das Flufsgebiet der lothringischen Saale, Salin,
heute Seilte, mit seinen im Keuper liegenden Salzquellen, den pagus SalinemL*.
Die dortigen Quellen scheinen schon den Römern bekannt gewesen zu sein.
Die ältesten Salinen sind die von Vic (viciis Bodatius), in Urkunden vor dem
VIII. Jh. Von Marsal (Marsallum) wird auch schon aus dem VIII. Jh. gc
meldet. 709 bestand dort eine vollständige Saline. Moyenvic (medius vieüsl
erseheint. 836, in Urk. Ottos I. 954. Die Salinen von Dieuze (Decima, Thusi,
werden 893 genannt. Sie gehörten zu Trier und kamen 1025 an die Kirche
ZU Verdun. Vgl. Koch, Geschieht!. Entwiekelung des Bergbaues u. Salinen-
betriebe« in Elsafs-Lothringen, in Z. f. Bergrecht XV (1874), S. 160 ff.
Kloster Lorch besafs in Wisselsheim (Wizinesheim in payo Weteraba) bei
Friedberg einen Salinenort und auch sonst rechts und links des Rheins mehren
Salinen. Auch Salzbüten (Salzbutina), im Amt Weilburg bei Gleiberg, scheint
seit dem VI II. Jh. ein Salzwerk gewesen zu sein. Desgleichen Homburg v. d. H.
Das Salzflötz von Kreuznach, über Dürkheim zur Nahe und Saar, wurde sehen
im X. Jh. an verschiedenen Stellen nutzbar gemacht. Die Abteien St. Lam-
brecht auf der Limburg und St, Martin oder Sponheim waren hieran beteiligt.
Ubstadt bei Bruchsal im Kraiehgau (Ubestat) ist als Saline schon im IX. Jli.
bekannt; Schwäbisch -Hall am Kocher seit dem X. Jh. Die Salzlager bei
Wimpfen am Neckar hatten dort zur Begründung des Betersstiftes geführt
(ca. 503). Kissingen an der Fränkischen Saale ist seiner Quellen wegen stet»
berühmt gewesen. Salzseh lierf war eine der Salinen des Stiftes Fulda. Audi
Saalin ünster, am Zusammenllufs von Kinzig und Salza, war fuldaisch. Lüneburg?
Saline nahm damals im nördlichen Deutschland einen Rang ein. Schon Ott« >
d. Gr. spricht dem Kloster St. Michael daselbst den Salzzoll zu. Vgl. besonder?
Koch-Sternfeld, S. 78 — 90. — Langensalza scheint auch schon aus der Zeit des
Bonifaz zu stammen. Nach Begründung des Erzstiftes Magdeburg hatten die
Erzbischöfe das Salzregal in Sachsen (bis zum XVIII. Jh. noch). Bei Halle
miellen vier Salzbrunnen hervor. Die Grafen von Wettin und das Erzstift zu
Magdeburg (965) waren an ihnen beteiligt. Die Salzquelle bei Giebichenstein
wird schon unter Otto 1.. 965, urkundlich erwähnt (salSUgo); auch Otto II. be-
stätigt 973 dem Erzstift nochmals die Salzwerke. — In der Gegend von Kol
berg wurden Salzquellen schon im X. Jh. nutzbar gemacht. Thietmar spricht
von einem praesul sahae cirilatis colbergensis (a. 1016), IV, 28, VII, 52.
über die steirischen Silber- und Eisengruben, die salzburgischen Gold
minen, die tirolischen und schweizerischen Eisenbergbaue etc., vergl. die zuge-
hörigen Citate bei Inama-Sternegg, Dt, W. II, 330. Einen Markstein in der
Entwiekelung des deutschen Bergbaues bildet die Entdeckung der Silberadern
im Rammeisberg bei Goslar zur Zeit Ottos I. »Mit Ottos Zeiten brach da?
goldene Jahrhundert an. Es ward zuerst bei uns eine Silberader entdeckt
bemerkt Thietmar II, 8. Diese Nachrieht ist Widukind III, 63 entnommen.
Erst spätere Quellen verlegen diese Entdeckung fälschlich bis in die Zeit
Heinrichs I. zurück. So zuerst das Chron. Saxonum bei Henricus de Hcrfordia.
ed. Potthast, p. 74. Vgl. Waitz, Die angebliche Entdeckung der Metalle Uli
Harz unter König Heinrich, Excurs 15, in dessen Heinrich L, S. 238 f.
88. Verkehr. In der Zeit der Naturalwirtschaft ist der Handel
ein beschränkter gewesen und das Strafsenwesen war in entsprechendem
Mafse dürftig entwickelt. Gegenstünde des Massenverbrauches hätten
auf grofse Entfernungen nicht transportiert werden können, und so be-
schränkte sich der Handel auf jene Güter, von denen eine kleine Gewiehts-
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88. Vorkehr.
211
einheit am Verkaufsplatze einen hohen Preis erzielte. Wenn die Karo-
linger von Pfalz zu Pfalz zogen und bald hier, bald dort ihr Hoflager
hielten, so war hierfür der Mangel genügender Strafsen, wie auch geeig-
neter Transportmittel, um die Nahrungsmittel für den gesamten Hofstaat
auf einen Punkt zu konzentrieren, wesentlich ausschlaggebend gewesen.
Im Westen des Reiches lagen die Strafsenverhältuisse noch immerhin
günstig, denn die Römerstrafsen waren auf Jahrhunderte noch die Träger
des Verkehrs; ihre solide Herstellung sicherte ihr langes Bestehen. In
anderen Landschaften aber war es mit Verkehrswegen sehr traurig be-
stellt, Künstlich angelegte Strafsen gab es nur zum geringsten Teil;
und doch hatte Karl der Grufse den Stralsenanlagen, Brückenbauten,
Kanalprojekten u. dgl. m. sein lebhaftes Interesse zugewendet. Die Strafsen
wurden je nach der ihnen zukommenden Bedeutung in verschiedene
Kategorien geteilt; schon die älteren deutschen Yolksrechte enthalten
Andeutungen hierüber. Die Lex Bajuwariorum unterscheidet via
publica, ubi rex rel dux epreditur, auch ria aequalis oder legitima
genannt, ferner via ctmi irinalis oder pastoralis und semita convicinalis. Neben
den Yizinalwegeu und kleinen Steigen , die nur mit der Nachbar-
schaft in Verbindung standen und mehr nur eine lokale Bedeutung
beanspruchten, kommen hier die grolsen Heer- und Landstrafsen in
Frage, die der Fürst benutzte; es sind die Staatsstrafsen, die oft auch
als Königsstrafsen aufgeführt werden. Die Strafsen befanden sich freilich
nicht in einem glänzenden Zustande, gepflastert waren sie alle nicht.
Im Sommer verwandelten sie sich in Staubbetten, in der Regenzeit in
einen Morast ; für eine Wasserabl'ührung war gar nicht gesorgt worden.
Die Römerstrafsen werden deshalb im Gegensatz zu jenen auch mehr-
mals r Steii ist raison' genannt; so heifst jene bei Siramern 1006: Stein-
straza. — Der Verlauf der Strafsen läfst sich annähernd noch feststellen.
Grofse politische Mittelpunkte, wie C'öln, Trier, Mainz u. a. bildeten
gewöhnlich auch den Ausgangs] »unkt mehrerer Strafsen. Mit der Aus-
breitung der politischen Macht nach O. zu, entstanden neue Punkte, die
dann auch Stationen eines Verkehrsweges wurden ; die Donaustrafse,
die Rednitzstralse, die Erfurterstrafse, die Westfalen durchziehende Magde-
burger st rafse, die niederell »ische Strafse nach Bardowieck und eine andere,
die von Dorstadt an Leck- und Kheingabelung über Bremen nach Ham-
burg führte. Einigen Orten im Osten des Reiches war durch diesen
Handelsverkehr eine gewisse Bedeutung verliehen worden, die die Grund-
lage ihrer damaligen Blüte wurde. Karl d. Gr. hatte schon im Capitular
von 805 bezüglich der Kaufleute, welche nach den Ländern der Slaven
und Avaren reisen : verordnet, dafs die Grenzhandelsplätze, deren jedem
ein Vogt vorgesetzt war, Bardenwich, Schesla (Schesel im Lüne-
burgischen), Magdeburg, Erpisfurt (Erfurt), Halagestadt (Hallstadt
bei Bamberg), Forchheini, Brianberg, Regensburg und Lorch sein
sollten.
Einen ausgedehnten Gebrauch machte man damals von den Wasser-
strafseu, die für den Güter- und noch mehr für den Personentransport
verwendet wurden. Freilich waren die Flüsse nicht reguliert und wo
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V. Kulturgoogrnphie um das Jahr 1000.
Wehre für Fisehereizwecke hergerichtet worden waren, war dem Verkehr
eine Schranke gezogen, und überdies nahm die Versandung hierdurch
rapide zu. Wenn es anging, wurde aber der Wasserweg trotz der Um-
wege, die er forderte, vorgezogen, besonders flufsabwärts, zuweilen aber
auch aufwärts. Zu letzterem Zweck waren in dem kultivierteren Westen
wenigstens Leinpfade zum Aufwärtsziehen der Schiffe angebracht. Welche
Bedeutung man den Wasserwegen beimafs , zeigt der Versuch Karls
d. Gr., Rhein- und Donausystem durch einen Kanal zu verbinden.
Die Benutzung der alten Römerstrafsen wird uns mehrfach bezeugt. Karl
d. Gr. zog auf einer .solchen gegen Tassilo (SS. I, 172). Die späteste Nachricht
von einer Römerstrafse im Rheingebiet ist von 1151: der Verkehr der Mönche
von Orval über S. Vith nach Colli (Lamprecht, DW. II, 240).
Interessante Aufschlüsse über den Zustand der Strafsen und die Art des
Reisens gibt uns die Translatio S. Marcellini et Petri von Einhard. Vgl. hierzu
Matthaei, Einhards Transl. ss. Marc, et Petri, in kulturhistor. Beziehung,
Progr. Gymn., Laibach 1884. Einhard leitete die Überführung der Gebeine
beider Heiligen von Rom nach Seligenstadt im Odenwald und gedenkt hierbei
des mühsamen Reisens in der Wildnis. Der Verkehr war immer mit grofsem
Zeitverlust verbunden. Wie wir aus Einhards Briefen ersehen, war die Reise
von Mühlheim nach Aachen eine sehr beschwerliche ; wegen der schlechten
Wege brauchte er hierzu 7 Tage. In Regenzeiten war der Verkehr in den Ge-
birgen fast ganz ausgeschlossen. Als Einhard die Reise dennoch wagte, fand
er glücklicherweise wenig Morast fluti parum), und die Gebirgsbäche nicht allzu
angeschwollen. Solche Waldgebirge waren immer wenig oder gar nicht bewohnt
und aus diesem Grunde richtete man es so ein, dafs man das Gebirge mög-
lichst in einem Tage überstieg. Von Wiesbaden brach Einhard deshalb sehr
früh auf propter saltum (Taunus), qui eo loco contiguus est, commodius transeund-um.
Eine Strafse über den Taunus schildert er einmal, wo er sich mit seinen
Knechten gründlich verirrt hatte, bis sie endlich durch Nacht und Nebel den
Weg fanden, den sie gehen mufsten. Diese via, qua Ire debebant, war offenbar
die alte Römerstrafse, die von Kastel aus über Wiesbaden weiterziehend, den
Taunus überstieg nach dem heutigen Langensch walbach. — Dem Binnenverkehr
setzten die Flüsse häufig ein Hindernis, besonders zur Zeit der Überschwem-
mungen. Karl konnte 784 deswegen nicht ins nördliche Sachsen vordringen.
Brücken waren nur wenige vorhanden; aber man schreckte auch vor Über-
brückungen grofser Ströme nicht zurück. Die berühmteste war immer noch
die alte Römerbrücke bei Trier (Pom Trevericus). Auch die Rheinbrücke bei
Mainz, die 81.'$ abbrannte, wurde als ein Wunder angestaunt. Bei Reichenau
führte ebenfalls eine Brücke über den Rhein. Über die Elbe wurden unter
Karl zeitweilig drei Brücken geschlagen. Zwei im Jahre 789, eine von diesen
bei Magdeburg, die dritte im Jahre 808 von Karls Sohn, Karl. Über die Donau
wurden zweimal Schiffsbrücken geschlagen. Cf. Lauffer, S. 53. Je weniger
Brücken es gab. um so nichtiger waren die Fähren (navis tramvectoria), so
bei Ehrenbreitstein. Das Fährgeld wurde von der Gemeinde bestritten. Lam-
precht II, 244 gibt als Beispiel die Bestimmungen hierüber für die Fähre der
Abtei St. Maria ad martyres über die Mosel unterhalb Trier.
Die Benutzung der Wasserstrafsen zum Reisen war allgemein üblich.
Nach den Annales Mettens. a. 806, reist Karl d. Gr. navigio per Mosellam Rhenum
von Diedenhofen nach Nimwegen. Besonders stromabwärts (secunda aqua)
gehende Schiffe wurden gern benutzt. So heilst es von Kaiser Ludwig (ann.
Einh. 819): deinde Bingiam veniens secunda aqua ad Confluentem usque per Rhenum
wirigavit. Ebenso zu a. 826: per Moenum fluvium usque ad Franconovurd secunda
aqua navigavit. Auch die Elbe wurde gelegentlich als Verkehrsweg benutzt.
Die erste historisch nachweisbare Fahrt auf ihr ist jene von 805, wo die Flotte
Karls von der Mündung bis Magdeburg aufwärts fährt; und dann im Jahre
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88. Verkehr. 213
'JSl annal. Magdeburg.), wo die Strecke zwischen Magdeburg und Halle be-
fahren wird.
Der erste Schiffahrtskanal in Europa, der freilieh nicht fertiggestellt
werden konnte, ist jener, von dem Einhard in den Annalen a. 793 berichtet.
Karl A Gr. war »von einigen, die die Sache zu verstehen behaupteten, über-
z»ugt worden, dafs, wenn zwischen den Flüssen Radnntia und Alemona (Rednitz
und Altmühl), ein schiffbarer Graben geführt würde, man ganz bequem von
der Donau in den Rhein fahren könnte, da der eine von jenen Flüssen in die
Donau, der andere in den Main mündet. Darum begab er sich sogleich mit
hinein ganzen Gefolge in die Gegend, liefs eine grofse Menge Menschen dahin
Kummen und den ganzen Herbst hindurch arbeiten. Es wurde also zwischen
kiden Flüssen ein Graben gezogen, 2000 Schritt lang und 300 Fufs breit;
jedoch umsonst. Denn bei dem anhaltenden Regen und da das sumpfige Erd-
reich schon von Natur zuviel Nässe hatte, konnte die Arbeit keinen Halt und
Bestand gewinnen, sondern soviel Erde bei Tag von den Schauflern heraus*
schafft wurde, soviel setzte sich wieder bei Nacht, indem die Erde an ihre
alte Stelle zurücksank.« Den Zweck des Kanals hat man in der geplanten
Fortsetzung des Avarenkrieges vermutet, um Truppen und Lebensmittel leichter
nachschaffen zu können. Waitz läfst es zweifelhaft, ob es auf die Förderung
des Handels abgesehen war oder zunächst an den Transport von Schiffen zu
kriegerischen Zwecken gedacht wurde. Über die Richtung des Kanals gibt
Ekkehard (SS. 17, 3Ü2) Aufschlufs: Vallis Caroli Mogni. quam intendebat — in-
thwit apud villam qtuie dicitur Pubuhaim (Bubenheim a. d. Altmühl), et sie ad
etüam quae dicitur Gralien et sie versus Weizenburch (Weifsenburg a. Rezat). Bei
Einhard wird die Rednitz genannt, gemeint ist einer ihrer Oberläufe, die Rezat.
Nach Riezler (Gesch. Baierns I, 181), finden sich Spuren des Kanals in der
angegebenen Gegend noch heute. Der heutige Ludwigskanal verläuft in einer
nderen Richtung. Richter, Annalen d. deutschen Gesch. im Mittelalter,
1885, II, 123.
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
89. Entstehung des Territoriums. Im XIII. Jahrhundert vollzog
sich ein tiefgreifender Umschwung in den staatsrechtlichen Verhältnissen,
dessen Keime in weit frühere Zeiten zurückreichen. Die StAmmes-
herzogtümer hatten sich aufgelöst, auch die alte Grafschaftsverfassung
war durchkrochen worden, dio sonst von der Krono eingesetzten und
auch wieder absetzbaren Reichsbeamten hatten ihre Amtsgewalt soweit
zu befestigen und zu erweitern vermocht, dafs sie unter dem Einflufs
des Lehnwesens als wirkliche r Landesherren« dumini tetrae auftreten
konnten. Schon am Ende der Karolingerzeit hatten die Grafen mehrfach
Amt und Würde ihren Nachkommen zuwenden oder, besser gesagt,
vererben können. Mit der Erblichkeit der Lehen wurde aber der Bogriff
der Dienstbarkeit allmählich verwischt und das dem Grafen unterstellte
Gebiet als Eigentum behandelt, welches wie jede andere Sache auf die
Söhne überging und eventuell auch unter diese aufgeteilt werden konnte.
Der Gau als ehemaliger Amtssprengel des Grafen, in welchem dieser
seine Gerichtsbarkeit ausübte, hatte durch Immunitätsverleihungen und
Exemtionen an andere mannigfache Einbufse erlitten. Wiederholte
Teilungen und Zusammenlegungen führten nun zur Bildung von Terri-
torien, die sich in ihrem Bestände mit dem einstigen Gau nicht mehr
deckten, wie denn auch der Comes sich nicht mehr nach diesem, sondern
nach dem von ihm bewohnten Schlosse nannte. Da überdies der König
die ihm zustehrenden Hoheitsrechte, wie sie sich aus der unmittelbaren
Staatsgewalt ergaben, nach und nach den Fürsten einräumte, so bildeten
sieh ihre Machtbefugnisse zur sogenannten Landeshoheit aus.
So hatte sich nach dem Sturze Heinrichs des Löwen, der damals
ganz auf seine Allodialgüter beschränkt wurde, der weitumfassende
weifische Machtbereich in eine Reihe kleiner Territorialstaaten aufgelöst,
da alle bischöflichen Kirchen, die grofse Mehrzahl der Grafenhäuser, die
wendischen Fürsten jenseits der Elbe, ja selbst einzelne Städte die
Reichsunmittelbarkeit erlangten.
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90. Landgrafschaft Hessen.. 215
Wenn aber bis dabin die Ausbildung territorialer Machtvollkommen-
heit von Seiten der Krone mehr nur geduldet worden war, so fand sie
im Laufe des XIII. Jh. eine rechtliche Grundlage durch die von Kaiser
Friedrich II. eingegangene Confoedtratio cum prineipibus ecclesiasticis von
1220 und das von seinem als Reichs verweser fungierenden Sohne Heinrich
erlassene statutum in favorem principum von 1231. Dieses Gesetz ist von
entscheidender Bedeutung für die ganze weitere Entwickelung des poli-
tischen Lebens in Deutschland geworden. Eine Unzahl kleiner Herr-
schaften erwuchs, die nach wechselvoller Geschichte wieder zu gröfseren
sich zusammenschlössen, um von neuem geteilt zu werden und so fort.
Es ist begreiflich, dafs infolge der grofsen territorialen Zersplitterung
auch das wirtschaftliche Leben vielfach andere Bahnen einschlug und
somit die geographischen Faktoren sich in sehr verschiedener Wirkung
zeigten.
Über die Herausbildung <l(.r Landeshoheit s. Schröder, Lehrb. d. dt.
Reehtsgesch. $ f>0: Die Territorien; wo auch die weitere Literatur über diesen
Gegenstand gegeben ist; aus dieser seien noch genannt: Waitz DV. VII. 302 IT.,
VIII. 415 IT. Eichhorn, Dt, Staats- u. Reehtsgesch. II. 416 IT., III, 223 ff.
von Daniels, Handb. IV, 493 IT. v. Below, Territorium und Stadt. München 11)00.
Der Begriff des Territoriums deckt sieh aber nicht vollständig mit dem
eines modernen Staates. Vor allem war das Territoriuni kein geschlossenes
Gebiet, wenn auch der Landesherr sich alle Mühe gab, es zu einem solchen zu
machen. Anfangs setzte sich der Güterbesitz der Herren. Grafen etc. aus
zerstreut liegenden Besitzungen und Gerechtsamen zusammen, aus Geriehtslehen,
Vogteien, Schlössern nebst ihrem Zubehör, Gehöften. Gefällen u. a. m. Erst
nach und nach vermochten sie die Lücken auszufüllen und ihr Gebiet zu
arrondieren. Trotzdem blieben in dem Bezirke des Dynasten bei den ver-
wickelten Rechtsverhältnissen immer noch Gebiete übrig, die nicht seiner
Landeshoheit unterwürfen waren. Diese schwankenden, nicht genau bestimmten
und vielfach durchbrochenen Herrschaftsverhältnisse gestatten auch keine klare
Vorstellung von einem Territoriuni. keine Bestimmtheit der Grenzen, wo es
anlangt und wo es aufhört. Auch unsere modernen Kartendarstellungen der
damaligen politischen Einteilung dürfen daher nur als stark generalisierte
Schemata angesehen werden. — Selbst die Bezeichnung des Territoriums ergab
sieh anfänglich nicht ohne weiteres aus der Rangstellung ihres Besitzers. Die
Grafen benannten sieh nach ihrer Stammburg und der Käme der Burg wurde
schliefslich auf das Territoriuni übertragen; indessen die Übertragung des
Besitzertitels auf das Land war nicht eine selbstverständliche Mafsnahme. So
gab es bis zum XIII. .Jh. wohl ein Territorium der Grafen von Wirteniberg,
aber noch keine eigentliche > G ra f Schaf t« Wirteniberg selbst. Solche Bezeich-
nungen traten erst ein, wenn ein genügender Zusammcnschlufs der verschiedenen
Territorialstiicke erfolgt war. So hat es auch niemals eine Grafschaft Calw
gegeben, weil die Grafen dieses Namens bereits zu einer Zeit ausgestorben
waren, als die Übertragung des Besitzertitels auf das Land noch nicht allgemein
durchgeführt war. Selbst für das Ende des XIV. Jh. ist dies noch nicht durch-
gehend* der Fall. Wenn hier im folgenden solche Territorien gleichwohl als
Grafschaften, Fürstentümer etc. aufgeführt werden, so geschieht es nur der
Kürze halber. Vgl. hierzu Stalin, Wirtembg. Gesch. II, 652.
90. Laildgrafschaft Hessen. In dem Hessenlande an der oberen
Eder und Lahn war das Grafengeschlecht der Gisonen emporgekommen.
Giso IV. war vom Erzbistum Mainz mit der Grafschaft Maden oder
Gudensberg belehnt worden. Nach seinem 1122 erfolgten Tode gingen
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216 VT Politische Geographie uiu das Jahr 1375.
seine reichen Alloden, wie auch die Lehnsgüter seine* Hauses an seine
einzige Tochter Hedwig über, die dieses Erbteil ihrem Gemahl, dem
Landgrafen Ludwig I. von Thüringen zubrachte. Bis 1247 waren Hessen
und Thüringen zu einem Lande vereinigt und nur zeitweise durch Erb-
schaft getrennt gewesen. Mit dem Aussterben des Mannesstammes der
Thüringer (Heinrich Raspe, t 1247) trat wieder die Trennung beider Länder
ein. Sophie, die Tochter Ludwigs IV. von Thüringen und der heiligen
Elisabeth, war an Herzog Heinrich von Brabant vermählt; sie wufste es
für ihren Sohn Heinrich I., *das Kind von Hessen genannt, nach einem
jahrelangen Erbfolgestreit durchzusetzen (1264), dals ihrem Sohne die
hessischen Lehen verblieben, die damals noch durch einige Stücke ver-
größert wurden. Heinrich I. wurde dann 1292 durch Adolf von Nassau
in den Stand der Reichsfürsten erhoben. Er erwarb Giefsen und Gebiets-
teile im Norden seines Landes. Unter seinen Söhnen wurde es 1308 geteilt,
indem Otto I. (1308 — 1328) Ober h essen mit Marburg erhielt, Johann I.
(f 1311) Niederhessen mit Kassel; doch war nach dem Tode des
letzteren alles wieder in einer Hand vereinigt. Ottos Sohn, Heinrich II.
(1328—1377), gewann noch Treffurt, Teile der Herrschaft Itter und
Spangenberg. 1373 wurde ihm von Kaiser Karl IV. die Landgrafschaft
Hessen als Reichslehen übertragen.
Das Kernstück des Hcssenlandes, der Fränkische und Sächsische Hessen-
gau und Oberlahngau, die ehedem in der Hand Herzog Konrads, des späteren
Königs, und seines Bruders Eberhard vereinigt waren, hatte sich in mehrere
Grafschaften aulgelöst. — Die Grafschaft des Fränkischen Hessengaues, die
den Ausgangspunkt der weiteren Entwickelung bildete, wurde auch nach dem
alten Sitz des Gaugerichtes die (Trafschaft Maden genannt. Neben Maden lag
die Burg Gudensberg (westlich von Kassel., die gleichfalls als Name der
Grafschaft Verwendung fand. Nach der Vereinigung mit Thüringen nannte
sich Ludwig I. noch Graf von Gudensberg; sein Sohn Heinrich Raspe IL:
Graf von Hessen und Graf von Gudensberg. Rommel, Gesch. v. Hessen.
1820, I, 204, 231, über Maden speziell ibid. I, Anmkgn. S. 19 f. Soldan.
Gesch. d. Grofshzgt. Hessen, 1896, S. 27 IT. Nach Beendigung des hessisch-
thüringischen Erbfolgestreites setzte sich Sophie zunächst mit «lein Erzbischof
von Mainz dahin auseinander (1263), dafs dieser die Grafschaft Hessen, die
Städte und Schlösser Grünberg und Franken berg an der Eder, sowie einige
Vogteien und Patronatsrechte ihr und ihrem Sohne zusprach. Grün berg und
Frankenberg wurden als Lehen von Mainz entgegengenommen. 1264 einigt«'
sie sich mit dem Markgrafen von Meilsen. Sie erhielt die Landschaft an
der Werra mit den Städten Witzenhausen, Allendorf, Eschwege, Wanfried
und Sontra. Über letzteres Gebiet vgl. besonders Rommel I, Anmkgn. S. 22.
Das Land um Giefsen, ehemals im Besitz der Grafen von Gleiberg, war durch
Heirat an die Grafen von Tübingen gekommen. 1265 erwarb es Heinrich f.,
der sich nun Herr von Giefsen oder »zu den Giefsen nannte. Eine Urkunde
fehlt. Näheres bei Rommel II, 59 und Anmkgn. S. 45 f. Burg und Gerieht
Schart en berg, unweit Zierenberg (westlich von Kassel), erwarb er 1294,
Schlofs und Gebiet von Grebenstein (im N. von Kassel) 1297 durch Kauf
von Otto von Eberstein (Rommel II. 74 f.). Schon 1293 hatte er Schlofs
Bilstein (Beilstein) vom westfälischen Landmarschall Otto von Bilstein zu
Lehen aufgetragen erhalten. Von Konrad von Schonenberg kaufte er 1305
das Schlofs Trendelburg an der Diemel und einen Anteil am Reinhards
Wald (Rommel II, 8<>).
Landgraf Heinrich II. erwarb 1347 Stadt und Gebiet von Spangen -
berg durch Kauf, und vereinte so mit Hessen das ganze Gebiet der Herrschaft
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91. GrafBchaft Ziegenhain.
217
Dünwerde. Rommel TT, 134 ff. Im Verein mit dem Erzbischof von Trier und
dem Markgrafen von Meilsen hatte er die alte Burg Treffurt an der Werra
den räuberischen Herren von Treffurt (die übrigens auch Spangenberg liesessen
hatten) abgenommen, und so den dritten Teil der Vogtei über die Burg erhalten.
1354 überliefs ihm der Bisehof von Paderborn pfandweise die Hälfte vom
Reinhardswald, die nie wieder eingelöst wurde; 1357 erwarb Heinrich die
Hälfte der ITerrsehaft Ttter, die sich von der Burg Itter südwärts über die
Eder bis in die Nähe von Frankenberg erstreckte. 1358 kaufte er Schlofs
Romrod an der Ohm, in der Nähe des Vogelsberges von einer der Töchter
des letzten Herrn von Romrod. Er legte ferner den Grund zur Erwerbung
Schmalkaldens, welches die Grafen von Henneberg von den Landgrafen
von Thüringen erworben hatten, als der Erbfolgestreit ausbrach. Nach dem
Aussterben des Mannesstammes der Henneberger wurden die drei noch über-
lebenden weiblichen Spröfslinge des Grafenhauses mit Schmalkalden belehnt,
die ihren Anteil ihren Gatten zubrachten, so die eine dem Burggrafen Albrecht
von Nürnberg: Burg und Stadt Schmalkalden, die Vogtei von Herrenbreitungen,
das Amt Brotterode, einen Teil von Benshausen und des Schlosses Scharfenberg.
Albrecht verkaufte aber 1360 diesen Besitz an eine Gräfin Elisabeth von
Henneberg und den Landgrafen Heinrich von Hessen, welche das Land somit
gemeinsam besafsen. Die Zwistigkeiten wegen dieser Gemeinschaft dauerten
bis 1583, wo nach dem Tode Georg Emsts von Henneberg ganz Schmalkalden
hessisch ward. Rommel II, 148, Anmkg. S. 110 f.
Die Landgrafschaft Hessen bestand damals aus zwei gröfseren
Gebietsteilen, die durch die Grafschaft Ziegenhain voneinander getrennt waren.
Der nördliche umfafste das Land an der unteren Werra, Fulda und Eder und
weiterhin westlich der Weser den Reinhardswald; der südliche umfafste das
Gebiet der oberen Eder und Lahn südwärts bis über Giefsen hinaus und reichte
östlich bis zur oberen Fulda.
Die obengenannte Grafschaft Gleiberg (Gleifsberg, Glizberg) lag auf
der rechten Seite der Lahn bei Giefsen mit den Burgen Gleiberg (1030 zuerst
genannt!, Fetzberg und Wedeberg. Sie umfafste die Ämter Gleiberg, Hütten-
berg, Stoppelberg, Giefsen und Cleeberg. Die Enkelin Wilhelms von Gleiberg
(f c. 1167 . Mechthilde, >ar an Pfalzgraf Rudolf I. von Tübingen vermählt
Und brachte diesem einen Teil der Grafschaft zu, welcher als die Herrschaft
(bald darauf auch Grafschaft) Giefsen bezeichnet wurde. Ruprechts Enkel,
Ulrich, verkaufte sie 1265 an Landgrafen Heinrich von Hessen, während die
anderen Teile von Gleiberg an die Merenberger gefallen waren. Alles Nähere
bei Wenek, Hess. Landesgesch. III, 162—242.
Herrschaft (Grafschaft) Merenberg. Die Stammburg liegt im Lahn-
gebiet nordwestlich von Weilburg. Die Herrschaft war sehr beschränkt und
umfafste nur die Orte Merenberg, Schelmehausen, Reichenborn, Rückershausen,
Allendorf, Hasselbach, Neunkirchen, Hüblingen, über welche die Herren von
Merenberg aber keine gräflichen Rechte hatten. Der erste Herr dieses Namens
kommt 1129 vor. Hartrad II. (1141—1189) hatte Irmgard von Gleiberg
geheiratet und durch sie die andere Hälfte der Herrschaft Gleiberg erworben:
die Ämter Gleiberg mit der Burg und Hüttenberg. Seitdem nennen sie sich
Grafen von Merenberg. Mit Hartrad VI. sterben sie 1328 aus und die Erb-
tochter Gertrud bringt Gleiberg ihrem Gemahl Johann von Nassau (Walramsche
Linie) zu. Im übrigen vgl. Wenek, Hess. Landesg. III, 276 ff.
91. Grafschaft Ziegenhain. Mitten in Hessen zu beiden Seiten
der Schwalm hatten die Herren von Ziegenhain Fufa gefafst, die unter
Lehen und Schutz von Uersfeld und später Fulda standen. Als sie selbst
Schirmvögte von Fulda wurden, führten sie den Grafentitel. Nach dem
Aussterben der Grafen von Nidda in der Wetterau erwarben sie
deren Gebiet (c. 120(>), vermutlich durch Heirat.
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218 VI. Politische Geographie um da» Jahr 1375.
Von dem Stifte Hersfeld trugen die Grafen : Ziegenhain , Treisa , Neu-
kirchen, Schwarzenborn und die Dörfer an der Schwalm zu Lehen. Ihre Be-
sitzungen reichten aueh westlich der Schwalm von Jesberg nordlich bis über
Haina und Wildungen. Als sie die Schirmvogtei von Fulda erhielten, bekamen
sie einen Teil des Amtes Oberaula (westl. von Uersfeld) und Rauschenberg.
Auch Stauffenberg (nordöstl. von Giefsen) begaben sie. Vgl. Rommel, Gesell,
v. Hess. I, 127, 207 f., 317 f., Anmkgn. S. 151.
Die Grafschaft Nidda umfafste die späteren Ämter Nidda am SW-
Abhang des Vogelsberges, Bingenheim und Lifsberg. Lifsberg oder Liebesberg
a. d. Nidder hatte aufserdem seine eigene Herren. Nach dem Aussterben dieser
fiel es an Nidda; s. hierüber später. Rommel 1, 317, Anm. 251.
92. Grafschaft Nassau. Die Anfänge des Grafenhauses sind sehr
wenig bekannt; auch über die ältesten Besitzungen und Stammburgen
ist man im unklaren. 1093 wird zuerst ein Graf Dudo von Laurenburg
in der alten Esterau genannt, der ein Nachkomme Drutwins I. auf dem
Einrich gewesen sein soll. Im Anfang des XII. Jh. erstand erst an den
Ufern der Lahn die neue Burg Nassau, welche seit Mitte des Jahr-
hunderts Hauptsitz des Geschlechtes ward, und nach welcher sich dieses
auch fortan benannte. Unter Graf Heinrich II. (f 1247) hatte der Land-
besitz bereits eine beträchtliche Ausdehnung von Wiesbaden bis nordwärts
über die Sieg hinaus. Unter seinen Söhnen, welche die Stifter zweier
neuer Linien wurden, fand eine Teilung des Landes statt. Die Lahn
bildete die Grenze zwischen Walrams Gebiet südlich und Ottos Gebiet
nördlich von ihr. Beide Linien spalteten sich späterhin nochmals, wo-
durch auch Landesteilungen veranlafst wurden, in der Walramschen
Linie um 135"), in der Ottonischen Linie im Jahre 1328 und 1341.
Den Ursprung des Grafenhauses und seine ersten Besitzungen untersucht
eingehend Schliephake, Geschichte von Nassau, Wiesbaden 1866, 1. 84 ff.
Eine der Stammburgen des Geschlechtes ist die Laurenburg in der alten Esterau
an der Lahn, wo der Hurbach einmündet, nach welcher sich die Grafen an-
fangs benannten. Die Burg Nassau an der Lahn selbst wird erst um 1101
durch Drutwin und Dudo gegründet. Der Nachfolger Ruprecht II. erscheint
1158 zum letztenmal als Graf von Laurenburg, 1160 dagegen als Graf von Nassau.
Vgl. Schliephake 1. c. I, 161. Vogel, Beschreibung v. Nassau. Wiesb. 1843,
S. 297 — 301. Zum Schutze ihres kleinen Besitztums und der Neuerwerbungen
bei Nassau, Weilburg u. a. hatten die Grafen gleich anfangs mehrere Burgen
errichtet, so die Burg Freien f eis an der Einmündung des Weilbachs in die
Weil; die Dillen bürg auf hoher Bergkuppe an der Dill gegen che Dynasten
von Merenberg; in der Nähe des Ederursprunges die Burg Ginsberg, in der
Nähe von Wiesbaden die Burg Sonnenberg.
Die Teilung des Landes zwischen Walram und Otto vom 17. Dezember 1255
gibt einen Cberbliek über den damaligen Besitzstand.
Wal ra in s Landesteil bestand aus der Herrschaft Wiesbaden, aus der Vogtei
Bleidenstat, der Herrschaft Idstein und Vogtei Weilburg. Ottos Anteil be-
stand aus den Gerichten Herbora mit Dillenburg, ferner Tringenstein, Driedorf,
Marienberg, Neukirch, Emmeriehenbain , dem Calenberger Gent mit Heinum
und Mengerskirchen, dem Siegerland, Gerechtsamen in den Gerichten Ebers-
bach. Haiger und den Viereenten, der Vogtei Dietkirchen, der halben Vogtei
Ems. Gemeinsam waren beiden Nassau mit Nassau, Stein, Homberg, Scheuern
etc., die Vogtei Schönau und die Grundherrlichkeit Miehlen mit Miehlen und
dem Kloster Afholderbach. Ferner noch gemeinsam mit den (trafen von Diez:
die Esterau mit Esten, der Laurenburg, Langenscheid etc. und gemeinsam mit
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92. Herrschaft Falkenstein. 219
den Grafen von Katzenelnbogen : das Vierherrengericht auf dem Einrieh ; letzterer
war 1158 gemeinsam dem Reinbold von Isenburg abgekauft worden. Der
Distrikt umfafste 29 Dörfer. Vogel, Besehreibung des Herzogtums Nassau,
1843. S. 318 f., 224, wo sämtliehe zugehörigen Orte aufgeführt sind. Schliep-
hake. 1, c. 1, 462 ff. und II, 40—69, wo der Walramsehe Anteil geogmphiseh
sehr ausführlich geschildert ist.
Der Landanteil Walrams wurde durch seine Nachfolger nicht unbeträchtlich
vermehrt. Graf Adolf (seit 1292 König) erwarb Weilburg, welches bis 1294
von Worms an Nassau verpfändet war, endgültig durch Kauf. Unter Graf
Gerlach (f 1361) kam 1326 die Herrschaft Neuweilnau hinzu; 1317 die Burg
und Stadt Katzenelnbogen mit allem Zubehör; 1328 (he Herrschaften Meren-
berg und Gleiberg nach dem Tode des letzten Herrn daselbst, dessen Tochter
Gertrud an Gerlaehs Sohn, Johann I., 1333, vermählt wurde. — Unter Gerlachs
Söhnen fand 1355 eine abermalige Teilung der Walramschen Linie in zwei
neue Linien statt, die Alte Idsteiner und Alte Weilburger Linie, die 250 Jahre
lang bestanden. Adolf 1. (f 1370) erhielt hierbei Idstein, Wiesbaden, Katzeneln-
bogen, die Höfe Neuhof und Wisborn und den Zoll zu Esch. Johann (t 1371)
erhielt Weilburg, Neuweilnau, beide an der Weil gelegen, Freienfels, Greven-
haus, den Nassauschen Anteil an Cleberg, die Cente Bleidenstat mit Wehen
und einigen Dörfern. Gemeinschaftlich blieben: Burg und Dorf Miehlen,
die Vogtei Schönau, das Dorf Retterd, der Wald »die Höhe« zwischen der
CrüfTtel und der Waldaffe, der Zoll zu Wiesbaden, der Walramische Anteil an
Nassau, Laurenburg mit der Esterau und dem Vierherrengericht auf dein
Einrieb. Vgl. Vogel, 1. c 327. Sehliephake, 1. c. V, 3—7. VI, 59.
Durch seine Gemahlin erwarb Johann die eine Hälfte der Gfsch. Gleiberg
(s. Hessen).
Der Landanteil Ottos wurde bereits unter seinen Söhnen zersplittert.
Durch den Tod des einen wurde die Teilung auf zwei Söhne beschränkt.
Heinrich I. (Stifter der alten Dillenburger Linie) hatte von der erst-
maligen Teilung (1303): Ginsberg, Siegen, Haiger, die Herrschaft zum Wester-
walds und erhielt 1328 das Erbe des gestorbenen Bruders Johann: die Burg
Dillenburg mit der Hcrbermark und den Distrikt Calenberg. Emich I. (Stifter
der Hadamarsehen Linie) besafs seit 1303: Driedorf, die Vogtei Diet-
kirchen, die Esterau und die Vogteien Esselbach und Ems. Gemeinschaftlich
blieben Burg und Amt Nassau (Ottonischen Anteils), die Grafschaft auf dem
Einrieh, der Hof zu Miehlen. — Von der Dillenburger Linie zweigte sich nach
dem Tode Heinrichs I. die Beilsteiner Linie ab. Die Teilung von 1341
unter Heinrichs I. Söhne ging dahin, dafs der älteste, Otto IL (t 1351), das
Land zu Siegen mit Siegen, Ginsberg und Hain, die Herbornermark mit den
Festen Dillenburg, Hcrborn und Waidenfels, das Gericht Haiger und Löhnberg
erhielt, — Heinrich (als Stifter der Beilsteiner Linie) den Calenberger Cent
mit den Burgen Beilstein, Mengerskirchen und Eigenberg, das Haus Lieben-
scheid und die Herrschaft zum Westerwalde. Nassau blieb wieder gemein-
schaftlich. Vogel 359—365.
93. Herrschaft Falkenstein. Die Herren dieses Namens sind eines
Stammes mit denen von Bollanden. Auch die Burg Falkenstoin liegt
(wie Bollanden) am südwestlichen Abhang des Donnersberges. Die
Trennung in zwei Linien trat unter den Söhnen Werners IV. (f vor 1222)
ein, indem Werner V. die Linie Bollanden fortsetzte, — Philipp I.
(1221 — 71) die Linie Falkenstein gründete. Durch seine Heirat mit
Isengard von Münzenberg erwarb er die Burg und Herrschaft Königstein
aus der Münzenbergischen Erbschaft und nannte sich: von Falkenstein,
Herr von und zu Münzenberg. Der Falkensteinsche Herrsehaftsbestand
erfüllte einen grofsen Teil der Wetterau.
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220 VI. Politische Geographie um dna Jahr 1375-
Wie die Bollanden zu dem Besitz dieser rechtsrheinischen Gebiete ge-
kommen .sind, ist nicht aufgeklärt. Anfangs waren die frühesten Besitzungen
noch sehr zerstreut im Niddagau, Einrieb und Rheingau. Durch die Heirat
Werners 11. von Bollanden (bis 1171 genannt) mit Jutta, Erbtochter des Grafen
von Nüring. wurde wohl der Grund zu diesen Besitzungen gelegt. Vogel.
Beschr. v. Nassau, S. 241.
Herrschaft Münzen berg (nach Bommel richtiger Minzenberg) in der
Wetterau. Das Herrengeschlecht nannte sieh in früherer Zeit von Hagen.
Erst Cuno I. (1151 — 1210) nannte sich nach der Burg Münzenberg. Durch
seine Gemahlin Lucard, des Grafen von Nüring Erbtochter, erwarb er die Burg
Königstein. Mit Ulrich II. starben die Münzenberger 1255 aus. Das Territorium
Hei an die Schwestermänncr des letzten Herrn. Aus dieser Erbschaft erhielt
Philipp I. von Falkenstein Burg und Herrschaft Königstein. Grüsner,
Diplomat. Beiträge, III, Frankf. 1776, S. 185. Wenck, Hess. Landesgesch. I,
271 IT. Bommel, Gesch. v. Hess. I, 330 ff. Anrakg. S. 271. — Nach dem
Tode Philipps VI. (1373) fiel das Territorium an seinen »Sohn Werner, den
Erzbischof von Trier (f 1418) als letzten seines Geschlechts. — Zum Herrschafts-
bestande der Falkensteiner gehörten damals: Burg und Stadt Butzbach. Grüningen,
Ziegenberg, Cransberg, Rodheim, Liethe, Königstein. Burg Vilbel, Burg und
»Stadt Lieh. Laubach, Hungen, Wölfersheim, Assenheim, Bischofsheim , Ober-
eribach, Burg und Stadt Hain (Hagen), Kalsmunt bei Wetzlar, sowie die
Burg Falkenstein. Grüsner, Diplomat. Beiträge I (1775). Vogel. Nassau.
S. 240 ff.
Die Herrschaft Cransberg (Cranichesberg) mit der gleichnamigen
Burg am östlichen Ende des Taunus bildete ein sehr kleines Territorium mit
den Orten Berenborn (Wernborn) und Wissenbach. 1310 verkaufte es der
letzte Herr von Cransberg (Erwin III.) an Philipp von Falkenstein. Vogel.
S. 245 f.
94. Grafschaft Solms. Am Solmsbach (Solmse) unweit Wetzlar
erhob sich die Burg Solms (Alteberg), von wo aus Markward in der
ersten Hälfte des XII. Jh. den Grund zur Herrschaft legte. Nach Er-
weiterung derselben unter den Nachfolgern umfafste sie die Ämter Braun-
fels, Greifenstein, Hohensolms mit Königsberg.
Graf Heinrichs I. Söhne gründeten neue Linien : Heinrich IL die Solmssche,
Markward I. (+ 1257) die Königsberger Linie. Der letzte der Königsberger Linie,
Philipp (f 1303) hatte schon vor seinem Tode (1350) seine Burg Königsberg
mit Land an Landgraf Heinrich von Hessen verkauft. — Mit Hessen hatten
die Grafen mehrfach Differenzen; die Landgrafen bauten deshalb in der Nähe
von Wetzlar die Burg Hermannstein. Vgl. Solms-Laubach, Gesch. des
Grafen- und Fürstenhauses Solms, Frankf. 1865.
Die Herren von Greifenstein waren 1316 ausgestorben; ihr Gebiet fiel
zum grofsten Teil an Solms. Rommel I, 216 Anm. S. 171 f.
95. Herrschaften Runkel und Westerburg. Beide standen im
Anfang des XIII. Jh. unter den Herren von Runkel. Siegfried II. (um
1194) hatte zwei Söhne, »Siegfried und Dietrich, die die Westerburgische
und Runkelsche Linie begründeten, und das Land teilten. Eine völlige
Trennung fand 1288 statt, bei welcher die erstgenannte Westerburg und
Schadeck, die letztere Runkel erhielt.
Die Herrschaft Runkel war anfangs sehr klein und bestand nur aus
dem (jetzt wüsten) Dorfe Wenigen -Vilmar mit der im X1L Jh. angelegten
Burg Runkel an der Lahn. Später kamen die Cente Aumenau und Schuppacb
zuerst als Pfandschaft, seit 1376 durch Erbkauf hinzu. — Die Herrschaft
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% Grafschaft Diez. 97. Herrschaft Eppenstein. 98. Grafschaft Katzenelnbogen. 221
Westerburg war von der Grafschaft Diez eingeschlossen und umfafste die
Orte : Gemünden, Seck, Stocken, Westerburg, Hergerod, Stahlhofen, Wengenrod.
1^79 kam die Herrschaft Schaumblirg hinzu. Vogel, Beschreibung von Nassau,
1^43. S. 251—255. Keck, Gesch. von Isenburg, Runkel und Wied, Weimar 1825.
Wenck. Hess. Landesgesch. I, 475—82.
96. Grafschaft Diez wegen ihrer Fruchtbarkeit auch die »Güldene
Grafschaft < genannt, auf beiden Seiten der Lahn gelegen. Auf der
linken Seite begriff sie das Gebiet der unteren Aar, auf der rechten
lag der gröfsere Teil zwischen dem Runkel- und Nassau-Beilsteiiischen
Land im O. und dem bei Montabaur vorbeifliefsenden Bach im W. Der
in nächster Nähe der Lahn gelegene Teil hiefs die Niedergrafschaft,
der auf den Westerwald hinaufreichende die Obergrafschaft.
Embricho (Emmerich) scheint der Stammvater der Grafen von Diez
anfänglich Di des sc) zu sein; 1073 wird dessen Bruder zuerst so genannt.
Wenck, Hessische Landesgeschichte, 1783, 1. 537. Von den späteren Grafen
mften Gerhard I. (f 1223) und Heinrich III. (t 1234) zwei Linien, von denen
Heinrichs Linie den Namen von Schlofs Weilnau annimmt (Wünau, Wilnowe)
:;ach den wetterauischen Schlössern Alt- und Neuweilnau am Weilbach (Wilina)
unweit l 'singen. Diese Grafen von Weilnau hatten als eine Nebenlinie
det Grafen von Diez an den meisten Schlössern und Ämtern dieses Hauses
Anteil. Neuweilnau scheint erst in der zweiten Hälfte des XIII. Jh. erbaut
worden zu sein. Sein Zubehör begriff das gleichnamige Städtchen, die heutige
Stadt Usingen und einige Dörfer. Aufserdem gehörten den Weilnauem die
Schlosser Birstein und Bracht. Wenck, Hess. Landesgesch. I, 5<>5.
Die Grafschaft Diez bestand aus 17 Centgerichtsbezirken: Altendiez,
Flacht. Hanstätten, Lindenholzhausen, Dauborn, Niederhadamar (Derner Cent),
Hundsangen, Nentershausen, Meud, Salz. Rotzenhan, Hoen. Rennerod, Vilmar,
Schuppach, Panrod, Kirberg und Camberg. Cf. Vogel, Bcschr. v. Nassau,
S. 20W f., sowie Wenck, Hessische Landesg. I, 531 — 534.
97. Herrschaft Eppenstein (Eppstein) mit der auf steilem Felsen
errichteten Burg am Abhänge des Taunus. Über den ältesten Stamm-
baum des Geschlechtes herrscht wenig Klarheit. Im XU, Jh. wird uns
'ler erste dieses Namens genannt, Gottfried.
Die Herrschaft bestand aus dem Gericht Heuseis mit: Eppenstein, Hof
Häusels. Bremthal, Über- und Nieder-Josbach , Schlofsborn, WaldcrüfTtel, Ehl-
halten. Ruppertshain, Vockenhausen, Eppenhain, Fischbach, Retters, Hornau,
Kelkheim, Hof Glimbach, Ober- und Nieder-Liederbach . Hof Hausen vor der
Sonne und Lorsbach. — Ferner das Gericht Mechtshausen mit: Costheim,
Hochheim, Massenheim, Delkenheim, Wallau, Breckenheim, Nordenstadt, Igstadt,
Medenbach u. a. m. Im allgemeinen vgl. Wenck, Diplomat. Nachrichten von
den Dynasten von Eppenstein, Darmstadt 1775 f. Eigen brodt, Urkundl. Nach-
richten von den Dynasten von Epp., im Archiv f. hess. Gesch. 1837, I, 197—540.
Vogel, Bcschr. v. Nassau, S. 231 ff.
98. Grafschaft Katzenelnbogen. Sie bestand aus zwei Teilen,
der oberen Grafschaft südlich des Mains und rechts des Rheins, und
der niederen Grafschaft nördlich des Mains. Die letztere, welche den
Main selbst nicht mehr berührte, griff bei St. Goar auch auf die linke
Rheinseite über. Erst 1140 nahmen die Herren von Katzenelnbogen,
die sieh so auch erst seit ca. 1100 benannten, den Grafentitel an.
Diether EL (+ 1245) ist der Stammvater der Altkatzenelnbogischen und
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222 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Neukatzenelnbogischen Linie, welche seine Söhne (Diether III. und Eber-
hard I.) begründeten, die sich auch in den Besitz der Burgen teilten.
Der Nanu* erscheint später falsch latinisiert als Cattimelibocm. Im ersten
Teil des Namens ist (\Uti, i'hatti enthalten, im zweiten der ebenso falsch auf
den Malchen-Berg übertragene Name Melibocus, den Ptolomäus für den Harz
anwendet. Vgl. hierüber Wenck, Hessische Landesgeschichte, 1783, I, 176 ff.
Die Besitzungen der Grafen waren anfangs sehr unbedeutend. Noch
1250 bestand die Grafschaft erst aus 17 Orten. Vgl. hierzu Vogel,
Bschrbg. des Hzgt. Nassau, 1843, S. 223. — l'nter Heinrich IL, der zuerst den
Grafentitel führte, wurde in Gemeinschaft mit Nassau von Heinbold von Isen-
burg um 1158 der Dörferdistrikt auf dem Einrieb angekauft; er umfafste
29 Dörfer. Vgl. diese bei Vogel, S. 224. Wenck I, 8. 243—248. Um 1190
empfingen die Grafen die Vogtei über St. Goar vom Abt von Prüm zu lachen.
W enck I, 257 f. Auch die zum Stift gehörigen Besitzungen kamen bald in
ihre Hand: die .Stadt St. Goar selbst, die Vogtei Pfalzfeld, die Dörfer Nastädten,
Hildegenrodt, Burg Schwalbach. Vgl. bei Wenck die zugehörigen Urkunden.
Die Obergrafschaft teilte sieh noch in der ersten Hälfte des XIV. Jh. in das
Land zu Auerberg, das Land zu Dornberg und das Land zu Lichtenberg. Zu
jedem derselben wurden Dörfer gerechnet, die nachher nicht mehr dazu-
gehörten, nachdem in Zwingenberg und Dannstadt neue Schlösser entstanden
waren. In der Niedergrafschaft fanden sich die Schlösser Altkatzenelnbogen,
Braubach. Rheinfels, Hohenstein. Heichenberg, jedes mit einem Dörferdistrikt.
— Die ausführlichste, geschichtliche Darstellung der Grafschaft Katzenein
bogen gibt Wenck, Hessische Lmdesgesch., den ganzen 1. Band mit UB. uni-
fassend, Darmstadt 1783.
99. Grafschaft Isenburg-Büdingren. Ihr war durch Erbheiraten
eine ganze Reihe anderer kleiner Herrschaften einverleibt worden, welche
aber infolge der grofsen Ausbreitung der Familienmitglieder des Hausos
Isenburg mehrfach durch Teilung zersplittert wurden. Das Haus hatte
seine Stammsitze in der Nähe des Rheins. Hier lag die Isenburg auf
einem hohen Berge, welchen der Saynbach mit dem einmündenden
Isenbach und Hummelsbach umgeben. Am Ende des XL Jh. wird ein
Rembold (auch Reiubold) von Isenburg genannt, der mit einer Tochter
des Grafen von Arnstein vermählt, die Grafschaft über den Einrieb er-
hält. Seine Söhne G er lach I. und Rembold II. werden die Stifter
zweier Hauptlinien, die weiterhin sich spalten. Um 1375 bestanden von
der Gerlachscben Linie noch die Linien Isenburg-Büdingen, Isen-
burg-Grenzau und Isenburg- Limburg; von der Remboldschen :
die Linien Isenburg- Wied und die Salentinische.
Die Gerlachsche Linie machte durch Erbheiraten die namhaftesten
Landerwerbungen. Gerlachs Sohn. Heinrich I. (1179 — 1220) war vermählt mit
Isengard von Cleberg. Die Grafen von Cleberg, ein Nebenzweig der
Grafen von Gleiberg, waren mit Graf Friedrich 1211» ausgestorben; ihr Land-
besitz hei somit an jenen Heinrich I. von Isenburg. Die anfangs nicht unbe-
trächtliche Herrschaft erfuhr 1280 durch Abtretung von 6 Dörfern an die
Herren von Eppenstein eine Verkleinerung. Sie bestand schliefslich nur aus
den Dörfern Cleberg, Brandoberndorf. Obere! cen und Ebergöns. Über die Ge-
schichte der Herrschaft und Grafen von Cleberg vgl. Wenk, Hess. Landesg. III.
328 — 355, Mit jener Isengard war später auch die Herrschaft Limburg
an Heinrieb gefallen. Sie bestand aus der Stadt und der Vogtei der Kirche
zu Limburg und dem Dorfe Nesbach, Elz, Oberbrechen, Wersebau und halb
Nomborn. Doch begaben Hessen. Mainz und Trier die Lehnschaft über sie;
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99. Grafschaft Iscmburg-Büdingen.
223
die Isenburger verpfändeten sie seit 1344 allmählich ganz an Trier. Über die
Herrschaft Limburg vgl. Wenk, 1, c. I. 401 — 400; Grüsner, Diplomat. Bei-
träge II. 1—90; J. von Arnold i, Histor. Denkwürdigkeiten, 1817, S. 95 ff.
Vogel, Besehr. v. Nass.. 8. 262 ff.
Unter Heinrichs I. Söhnen fand die Spaltung in zwei Linien statt : Hein-
rich II. (f 1290) erhielt die alten isenburgisehen Brsitzungen, Gerlach III.
(t 1289) die Herrschaft Limburg, nach der er sich benannte. — Heinrichs 11.
Söhne waren: Gerlach IV*.. der die (1873 schon aussterbende) Linie Aren-
fels stiftete und Ludwig (1258—1294) der durch seine Heirat mit Helwig
von Büdingen einen bedeutenden Landbesitz erwarb.
Die Herrschaft Büdingen liegt (getrennt von jenen Herrschaften des
Ijihngebietes) in der Wetterau in der Nähe des Vogelsberges. Der Landteil
zwischen dem Semenbach und der Nidder war Allodialgut der Herren von
Büdingen. Im XII. Jh. findet sich im westliehen Teile ihrer Herrschaft noch
die Herrschaft Ortenberg. Neben den Herren von Ortenberg kommen im
XII. Jh. auch Herren von Büdingen vor, bei denen der Name Gerlach häufig
ist. Sie benannten sich nach ihrem Schlosse, und sie mögen damals die Ge-
richte Büdingen, Eckartshausen und Wenings besessen haben. Endlich treten
dort noch Herren von Gelnhausen auf. Sie scheinen alle miteinander ver-
wandt gewesen zu sein. Am Ende des XII. Jb. werden nur noch die Büdinger
genannt. Im XI II. Jhr. sterben sie mit Gerlaeh aus, der fünf Töchter hinter-
läfst. deren jüngste Hedwig jenen Ludwig von Isenburg heiratet und ihm
einen Teil der Erbschaft zubringt. Er ist der Stifter der Linie Isenburg-
Büdingen. Vgl. G. Simon, Gesch. d. reiebsständischen Hauses Ysenburg und
Büdingen, Frankf. a. M. 18B5, 1, 8 f. ; S. 9—124 werden sehr ausführlieh die
einzelnen Teile der Herrsch. Büdingen behandelt; S. 124 — 153 jene der
Herrsch. Ortenberg; S. 158 ff. folgt ein Überblick über die Verteilung der
Herrseh. au die Büdingenschen Erben. Die Geschichte der obengenannten
Herrengeschlechtcr bringt der II. Band S. 1 — 08.
Unter Ludwigs Enkeln fand eine nochmalige Teilung statt, indem Hein-
rich die Büdinger Hauptlinie fortsetzte und Philipp die schon mit seinem
Sohne Eberhard aussterbende ältere Linie Grenzau stiftete.
Die Kcmboldsche Hauptlinic. Rembold IL, Sohn Brunos I., war
mit einer der Erbtöehter des Grafen von Wied vermählt und erwarb so gemein-
schaftlich mit Ej »penstein dessen Land 1240.
Grafschaft Wied. Die Grafen dieses Namens hatten ihre Allodial-
güter auf der linken Rheinseite im alten Argau, wo sie die Grundherrlichkeit
Kempenich besafsen. Wie sie auch auf der rechten Rheinseite Fufs fafsten,
ist nicht aufgeklärt. Im Jahre 104* übten sie schon die Gerichtsbarkeit in
der damaligen Grafschaft Schonenfeit im Engersgau aus. Von den beiden
Burgen zu beiden Seiten des Wiedbaches (später Altenwied genannt; betrachtet
man die obere als die Stammburg. Die Grafenlinie starb mit Dietrich aus
und sein Land tiel an die Kinder seiner beiden Schwestern, von denen die
eine an Bruno 1. von Isenburg, und die andere an Gottfried von Eppenstein
vermählt war. Auch die Schwestern waren beim Heimfall schon tot, sie hatten
aber Söhne hinterlassen. Die Grafschaft wurde 1240 zwischen Isenburg und
Eppenstein geteilt. • Die Eppensteiner verkauften jedoch ihre Hälfte von Wied
an «-inen Grafen von Virneburg, dessen Tochter Agnes an Wilhelm T. von
Isenburg -Wied vermählt war und diesem jene andere Hälfte als Ileiratsgut
zubrachte, sodafs nunmehr die ganze Grafschaft im Isenburger Hause vereinigt
war. Vogel, S. 213 ff. Simon L e. II, K2. Reck, Gesch. der gräfl. und
fürstlichen Häuser Isenburg, Runkel und Wied, Weimar 1825.
Unter Brunos I. Söhnen trat eine Teilung ein: Bruno II. führte als
Herr zu Braunsberg Burg, die sein Vater noch gebaut hatte und Graf zu Isen-
burg-Wied die Hauptlinic fort Wiedischc Linie , während sein Binder Diether
</f 1253) die jüngere Grenzauer oder Salentinsche Linie stiftete. Als 1373 die
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224
VI. Politische; Geographie um das Jahr 1375.
Linie Isen bürg- Arenf eis (Gerlachseher Abkunft) ausstarb, fiel deren Besitz an
jene beiden Linien zunächst gemeinsam (s. oben).
100. Grafschaft Sayn (-Wittgenstein). Das Grafengesehlecht von
Seyne wird 1145 zuerst genannt. Sein Ursprung liegt im linksrheinischen
Gebiet im Maienfeld. Seine Besitzungen im Eugersgau waren wenig
bedeutend und die Herrschaft umfafste wenig mehr als die Saynburg
selbst. Es scheint aber schon frühzeitig die Freigrafschaft Hadamar
besessen zu haben. Im XIII. Jh. finden wir dann den unmittelbaren
Besitz beträchtlich vergröfsert. Die Grafen von Sayn starben mit Hein-
rich III. 1246 in männlicher Linie aus, und ihr Gebiet ging an die über-
lebende Schwester Adelheid, die an den Grafen Johann von Sponheim
vermählt war, bezw. deren Söhne über. Heinrichs Witwe, Mathilde,
trat diesen aus freien Stück bereits 1247 das ganze Land ab, nämlich:
Schlofs und Stadt Hachenburg, Schlofs Hilkenrod, Freigrafschaft Hada-
mar, die Gerichtsbarkeit vom Bann Maxsain u. a. Nur Schlofs Löwen-
stein als kölnisches Burglehen behielt sie sich vor. Unter den Spon-
heimer Grafen fand 1294 eine Teilung statt durch Stiftung zweier Linien :
Johann (f 1324), der die Grafschaft Sayn erhielt und Engelbert, der mit
Vallendar und Homburg abgefunden wurde. Beide Linien bestanden
400 Jahre nebeneinander (—1008); die Engelbertsche besteht heute noch.
Durch Erbheirat fiel die Grafschaft Wittgenstein 1359 an die Engelbert -
sehe Linie.
Johann, dem die eigentliche Grafschaft zugefallen war, erwarb 1298 vom
Grafen v. Neuenar noch Schlofs. Stadt und Amt Altenkirchen (umfassend die
Kirchspiele Altenkirchen. Birnbach, Mehren). 1318 überliefs ihm Philipp
von Sponheim auch Bann Maxsain. Auch Friedewald, welches 1324 zur Stadt
erhoben wurde, gehörte zur Grafschaft, ohne dafs sich feststellen läfst, wie es
an diese gekommen. — Den Vergleich von 1247 zwischen Mathilde und den
Erben s. bei Ave'mann, Beschrbg. d. Geschlechtes von Kirchberg, 1747,
ÜB. 147. Über die Teilung von 1294, ibid. ÜB. 154. M. Dahlhoff, Gesch.
d. Grafschaft Sayn, Dillenbg. 1874, S. 6—9. Vgl. auch Vogel, Beschrbg. d.
Herzogt. Nassau, 1K43, S. 215 ff.
Grafschaft Wittgenstein, eigentlich Witekindesstein. Grafen dieses
Hauses begegnen zuerst im Anfang des XUI. Jh. Zu ihren Schlössern und
Gütern im oberen Eder- und Lahngebiet besafsen sie die Gerichtsbarkeit in
den Centen des mainzischen Stiftes Wetter. Auch die Burg Battenberg
bei dem gleichnamigen Ort an der Eder, gehörte ihnen, nach der sie sich
öfters auch benannten. Die Burg Wittgenstein liegt bei Laasphe an der oberen
Lahn. Seit 1223 waren sie Lehnsherren vom Erzstift Mainz. Im XIII. .Jh.
trat eine Teilung der Grafenlinie ein, in die Battenberger und Wittgensteiner.
Letztere starb mit Werner 1359 aus. Seine Schwester Adelheid war an den
Grafen Salentin von Sayn (Engelbcrtsche Linie) vermählt -und brachte diesem
die Grafschaft Wittgenstein zu. — Rommel, Gesch. v. Hessen, I, 326 ff.
Anmkg. hierzu I, S. 267 f. mit weiteren Quellennachweisen.
101. Grafschaft Waldeck. Die Entwicklung nimmt ihren Ausgang
von der Grafschaft Schwalenberg. Hermann I. war um 1002 Graf
des Gaues Tilithi mit Hameln und 1014 Graf des Hwetigaues (um Pyr-
mont). Einer seiner Nachfolger hatte auch Besitzungen an der Eder.
Widekind III. (1113 — 1137) nannte sich zuerst Graf von Schwalenberg.
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102. Grafschaft Pyrmont. 103. Abtei Fulda und Herafeld.
225
Die Burg dieses Namens lag bei Mariamünster im Paderbornischen.
Durch seine Gemahlin aus dem Hause Itter vergröfserte er seine Be-
sitzungen. Durch seine Söhne trat eine Teilung des Landes ein. Volkwin
(f 1178) erhielt den gröfsten Teil von Schwalenberg und erwarb von
den Herren von Wal deck das gleichnamige Schlofs; Widekind erhielt
Pyrmont (s. unten). Beide Länder blieben zunächst selbständig. Aber
auch Volkwins Anteil sollte unter seinen Nachfolgern eine Teilung er-
fahren (12.H6), die zu einer dauernden wurde; denn von seinen Enkeln
erhielt Volkwin III. das Schlofs Schwalenberg mit zugehörigem Gebiet
und Adolf I. die südlicher gelegene Landschaft an der Eder mit Waldeck.
Hiermit waren zwei neue Dynastenlinien gegründet, von denen die
Schwalenberger 1356 ausstarb (s. Bistum Paderborn und Grafschaft
Lippe); ihr Gebiet kam nicht mehr an Waldeck zurück.
über die allmählich erworbenen Besitzungen der Schwalenberger Grafen
s. Curtze, Gesch. und Beschreibg. des Fürstentums Waldeck, 1850, S. 603 f.
— Adolfs I. (f c. 1270) Sohn Henrich war mit Mechtild von Arnsberg ver-
mählt, die ihm den Grund Astinghausen und die Grafschaft Züschen (am süd-
östlichen Ende des heutigen Waldecks) zubrachte. — Henrichs Enkel Otto II.
wurde 1349 zum Reichsgrafen ernannt. Sein Sohn Henrich der Eiserne
(f 1397) baute Schlofs Landau. Im übrigen vgl. Wagner, Gesch. Waldecks
und Pyrmonts, 1888, S. 14 f.
Die frühesten Besitzungen beschränkten sich auf die Edergegend um
Waldeck herum. 1247 erweiterte sich das Gebiet, als der Abt von Corvey das
Schlofs Lichtenfels und die Städte Sachsenberg und Fürstenberg mit allen Be-
sitzungen von Corbach bis Lichtenfels an die Grafen verpfändete. 1290 gelangten
in derselben Weise Schlofs und Gebiet von Wildungen vom Erzbischof von
Mainz an die Grafen. Varnhagen, Waldeck. Landes- und Regentengesch. I.
1825, S. 309, 302. Curtze, 1. c. 7.
102. Grafschaft Pyrmont. Auch sio war ein Teil der Schwalen-
berger Grafschaft, in welcher jener obengenannte Widekind eine eigene
Dynastenlinie stiftete (1137).
Der eigenartige Name hat zu mancherlei Vermutungen geführt. Die
ältesten Namensformen der Burg sind Castrum Pirremont 1182, Pi/erremontl 1 85,
Pirre 1236, Pyrmont 1282, Pirmnnt 1246, Penmtnt 1194, Peremunt 1184 etc. Ein
Verzeichnis aller Formen in Verbindung mit den bisherigen Deutlingsversuchen
gibt L. Curtze in seinen Beiträgen zur Gesch. v. Waldeck und Pyrmont, 1866,
S. 136 — 152. — Das jetzige Fürstentum Pyrmont liegt im Gebiet des Wetigaues;
über diesen und die ersten Grafen daselbst vgl. C. Beck, Studien z. ält. Gesch.
von Waldeck und Pyrmont, in Curtzes Beiträgen, S. 242 ff.
103. Abteien Fulda und Hersfeld. In den Urwaldungen der Buchonia,
welche das obere Tal der Fulda bis zu den Höhen der Rhön und des
Vogelsberges hinauf erfüllte, gründete auf Veranlassung des Bonifaz
sein Schüler Sturm im Jahre 744 das Kloster Fulda. Schon 747
wurde die Abtei vom Erzbischof von Mainz eximiert. Sie gelangte in
kürzester Zeit zu aufserordentlicher Blüte und Wohlhabenheit; denn
Kaiser und Könige und andere hohe Gönner machten ihr zahlreiche
Zuwendungen an Gütern, Zehnten, Einkünften und Hoheitsrechten aller
Art. Ihre Abte wurden Regenten und Reichsfürsten und erhielten das
Erzkanzleramt bei der Kaiserin. Sehr umfassend war schliefslich der
Kretschmer, Historische Geographie. 15
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226 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Grundbesitz geworden. Denn aufser dem Territorium in der Buchonia
besafson sie zahlreiche Güter weitzerstreut über die deutschen Gaue im
Elsafs, Rheinfranken, Lothringen, Schwaben, Baiern und selbst Ost-
friesland. Die Schwierigkeit der Verwaltung eines so ausgedehnten
Länderbesitzes veranlagte sie, einen grofsen Teil zu Lehen aufzutragen
bezw. zu veräufsern. — Das gleiche gilt von der nördlich sich anschliefsen-
den Abtei Hersfeld, die etwas älter ist und durch Erzbischof Lullus
begünstigt wurde. Sie war unmittelbar dem Papst unterstellt und hatte
freie Abtswahl. Ihr Herrschaftsgebiet lag in Hessen und Thüringen.
Die vielen Hunderte von Schenkungen an das Kloster seit Karlmann
einzeln mit Namen aufzuführen, verbietet hier der Kaum. Von Bedeutung
war 951 die Verleihung des königlichen Wildbannf Oistes bei Echzell in der
Wetterau. Dieser erstreckte sich über die ganze später so genannte Fuldasehe
Mark. Die Fuldaer Äbte waren somit über die Grenzen der schlichten Grund-
besitzer herausgetreten und hatten eine höhere Machtbefugnis sich erworben.
Die von ihnen eingesetzten Vögte nutzten ihre Stellung aber im eigenen Interesse
aus (wie die Grafen von Ziegenhain), und viel Land ging dadurch der Abtei
verloren. Vgl. Arnd, Gesch. des Hochstiftes Fulda von seiner Gründung
bis zur Gegenwart, 18ti0, S. 41. — Das in Hessen gelegene Territorialgebiet
erstreckte sich vom Seulingswakl im Norden bis Hammelburg an der Fränkischen
Saale im Süden. Im Weslen bildete der rechtsseitige Nebenrlufs der Fulda,
die Hann, die Grenze bis Burghaun; von hier ging sie südwestlich nach der Fulda
hinüber bis zur Mündung der Lüder und an den östlichen Abhängen des Vogels-
berges hinauf; im Osten war es durch die Rhön abgeschlossen. Aufser Arnd
cf. die ältere Darstellung von Schannat. Historia Fuldensis, Frankf. 1729.
Dronke, Codex diplomaticus Fuldensis, Cassel 1850. Ders. , Traditiones et
antiquitates Fuldenses, Fulda 1844.
Die Abtei Hersfeld besafs in Hessen die Ortschaft Hersfeld und die
weitere Umgebung. Die Stadt trat 1370 freilich unter die Oberhoheit der
hessischen Landgrafen. Ferner gehörten der Abtei die Vogtei Niederaula
a. d. Aula, die Vogtei Oberngeisa mit 16 Orten und Burg und Amt Landeck
im Tullifeldc mit 14 Orten; in Thüringen die Vogtei Ohrdruf, die Burgen
und Amter Gebesee, Berka und Breitenbach. Ebenso gehörte Gotha anfangs
dem Kloster, bis es bald an die Landgrafen von Thüringen kam. Auch sonst
besafs Hersfeld noch verschiedene Güter (beim Königshof Arnstadt), Vogteien
über Klöster u. a. m. Hafner, Die Reichsabtei Hersfeld bis zur Mitte des
XIII. Jh., Hersfeld 1889.
104. Herzogtum Braunsen welg-Lüneburg. Von dem alten Stammes-
herzogtum Sachsen hatte Hermann Billung 961 von Kaiser Otto I. be-
trächtliche Teile des Landes als neues Herzogtum erhalten. Kaiserliche
Domänen und wirklicher Faniilienbesitz der Billunger verschmolzen
schliefslich zu allodialem Eigentum, das durch die Nachfolger noch ver-
mehrt wurde. Zugleich aber entstanden in anderen Gegenden Sachsens
mächtige Dynasten, die in ähnlicher Weise emporzukommen suchten;
so : die (jüngeren) Brunonen, die Grafen von Nordhoim und Bomeneburg
und die Grafen von Süpplingenburg. Die Güter und Territorien aller
dieser nacheinander in männlicher Linie aussterbenden Dynasten-
gescblechter waren durch die zurückbleibenden Erbtöchter von einem
Geschlecht auf das andere übergegangen und zusammengehäuft worden, bis
sie Heinrich der Stolze als Herzog von Sachsen und Baiern und Haupt
der in Süddeutschland begüterten Weifen durch seine Heirat mit Kaiser
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104. Herzogtum BrauriHchweig-Lüneburg.
227
Lothars Tochter Gertrud in seiner Hand vereinigte. Der Sturz seines
Sohnes Heinrich des Löwen führte zur Auflösung dieses reichen Länder-
besitzes; er kam zum gröfsten Teil in die Hände der benachbarten
Dynasten und geistlichen Stifter; Heinrich selbst bekam später nur seine
Allodialgüter zurück. Aus diesen entwickelte sich erst allmählich wieder
der spätere Machtbereich der Weifen. Sein Enkel Otto das Kind
(t 1252), ist der eigentliche Neubegründer der weifischen Hausmacht ge-
worden. Vom Kaiser Friedrich II. wurden ihm 1235 die Allodien seines
Hauses als Herzogtum verliehen. Das unter ihm zum letztenmal ver-
einigte Erbe seiner Väter teilten seine Söhne: Albrecht der Grofse (f 1279)
und Johann (f 1277); jener erhielt Braunschweig, dieser Lüneburg. Nach
weiteren Teilungen unter deren Söhnen und Enkeln war das weifische
Ländergebiet um 1375 in den Händen von drei Nachkommen jenes
Albrecht, während die Linie Johanns 1369 erloschen war. Es waren
dies Albrecht II. (t 1384) im Besitz von Grubenhagen mit Gebiet, Magnus
Torquatus (f 1373) von Braunschweig- Wolfenbüttel und Otto der Quade
(t 1394) von Göttingen. Das damals (1369) erledigte und noch umstrittene
Herzogtum Lüneburg fiel erst 1389 an die Braunschweiger Linie.
Hermann Billung hatte s. Z. einen Teil Sachsens erhalten, (he Ostmark
oder Lüneburg, einen Teil der auf beiden Seiten der mittleren und unteren
Weser gelegenen Provinzen, die Schutzvogtei über das Stift Bremen und andere
kleinere Gebiete. — Die jüngeren Brunonen, die von Bruno, Sohn Herzog
Heinrichs I. von Bayern und Neffe Kaiser Ottos I., abstammten, besafsen
das Gebiet am Nordabhang des Harzes um Braunschweig herum. Sic starben
mit Egbert II. lo9<> aus, und dessen Schwester Gertrud bringt die Erbgüter
durch Heirat an Heinrich von Nordheim. — Die Grafen von Nordheim und
Bornen e bürg treten Ende des X. Jh. auf; sie besafsen ursprünglich Gebiets-
teile um Göttingen, Grubenhagen und im nördlichen Hessen, erwarben durch
Heirat noch die Grafschaften Warburg und Werla in W estfalen und zahlreiche
kleinere Güterbezirke von der Grafschaft Stade bis nach Westfalen und zum
Rhein hin. Im Jahre 1116 stirbt das Geschlecht in männlicher Linie aus, und
die letzte Tochter des Hauses Richenza bringt den Landbesitz ihrem Gemahl
Lothar von Süpplingenburg zu. — Die Grafen von Süpplingenburg oder
Supplinburg, deren Stammburg an der Schunter im Kreise Helmstedt
gelegen war, besafsen den südlichen und östlichen Abhang des Harzes, das
ganze Wolfenbütteische mitumfassend, wozu später noch Gebietsteile im Magde-
burgischen kamen, und die Grafschaften Sommersehenburj: und Querfurt.
Lothars Tochter Gertrud wurde an Heinrieh den Stolzen von Baiern vermählt,
der von seiner Mutter Wulfhilde, Tochter des letzten Billunger Herzogs
Magnus (f 1106), die Bilhmgschen Güter schon geerbt hatte. Somit war der
ganze Landbesitz der verschiedenen Dynastengesehlechter in einen einzigen ver-
einigt worden.
Brunonen Nordheimer S u pp 1 i nburger Billunger Weifen
Otto I.
Egbert I. von Nordheini
Markgraf v. Meifsen j f 1083
Egbert II. Gertrud Heinrich Gebhard f 1075 Magnus f 1106
f 1090 f I
Richenza f 1141 Lothar f 1137 Wulfhilde Heinrichd.Schw.
* Hzg. in Baiern
Gertrud f 1143 Heinrich der Stolze
Heinrich der Lowe. t 1139
15*
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228
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Heinrichs des Löwen drei Söhne Heinrich, Otto und Wilhelm teilten
1202 die Erblande ihres Vaters, die nur noch aus dem ehemaligen Allodial-
besitz bestanden. Die Teilung wurde jedoch bald wieder aufgehoben, da nur
Wilhelm einen Sohn, Otto das Kind, hatte. Otto das Kind nannte sich zuerst
Herzog von Braunschweig-Lüneburg (dux de Luneborg et de Brunsteic), während
Heinrich der Löwe sich als dux Saxoniae bezeichnet hatte. Vgl. hierüber
Havemann 1, 375 Anm. Otto vergröfserte sein Gebiet 1236 durch Kauf der
Allodien des Grafen Siegfried von Osterburg in der Grafschaft Stade, in der
Altmark (Distorf , Brome, Gardelegen, Warpke), im Lüneburgischen und Bremischen
(in diesen unbekannt). 1246 gewann er auch Münden und von dort an das
untere Werratal mit Eschwege, Allendorf, Witzenhausen bis Wannfried a. d.Werra
und Sontra am gleichnamigen Nebenfluß*. Doch ging unter seinem Sohne
Albrecht dieses Werragebiet 1264 für immer Braunschweig verloren, zunächst
an die Landgrafschaft Thüringen. 1247 wurde er von der abtiaND von Quedlin-
burg mit der Mark Duderstadt (= Duderstadt Gieboldehausen, Bernshausen)
im südlichen Vorlande des Harzes belehnt. — Ottos Söhne Albrecht und Johann
teilten 1267. (Die Teilung in origg. guelf. IV, 15 f., ferner Hävern. 1, 401.)
I. A 1 b r e c h t als Begründer der älteren Braunschweiger Linie er-
hielt Braunschweig, Wolfenbüttel, Grubenhagen, Göttingen etc. Seine 3 Söhne
a) Heinrich, b) Albrecht der Fette und c) Wilhelm (s. genealog. Tab.) teilten
nochmals (Hävern. 1, 409. Heinemann II, 41 f.): a) Heinrichs Besitz (Stifter
der Linie Grubenhagen, f 1322) ging auf 3 seiner Söhne über, von denen
Ernst schliefslich den väterlichen Besitz wieder in seiner Hand vereinigte und
ihn seinem Sohn Albrecht II. (zum Salze), f 1384 , hinterliefs. Derselbe
bestand aus zwei Gebietsteilen, einem kleineren links der Leine mit dem Schlofs
Grubenhagen, Einbeck und Salzderhelden und einem gröfseren, den südwest-
lichen Oberharz mit Vorland einnehmend, mit Katlenburg, Gieboldehausen,
Lindau, Bodenstein , Seeburg, Duderstadt, Lauterberg, Scharzfeld, Herzberg,
Osterode und dem Bergwerk und Forst von Clausthal. Max, Gesch. d. Fürstent.
Grubenhagen, Hannover 1862, I, 3—5; die ältere Statistik u. Topographie des
Fürstent, ebenda, I, 485 ff. — b) Albrecht der Fette (f 1318) wurde Stifter
der Göttinger Linie und erhielt Oberwald mit Göttingen etc. Ihm üel aber
auch das Land Braunschweig-Wolfenbüttel seines 1292 verstorbenen Bruders
c) Wilhelm zu (mit Ausschlufs einiger kleineren Bezirke, die erst an den
Bruder Heinrich, dann an Otto von Lüneburg [s. u.j fielen). — Albrechts Sohn
Magnus (f 1369) erhielt nach des Vaters Tode Braunschweig-Wolfenbüttel, der
andere. Ernst (j 1367), Oberwald-Göttingen , von denen jeder seinen Anteil
seinem Nachkommen hinterliefs; und zwar: Magnus II. Torquatus (f 1373)
besafs im wesentlichen das Erbe seines Grofsonkels Wilhelm (f 1292), das Land
um Braunschweig, Wolfenbüttel mit der Asseburg sowie einen Streifen nördlich
der Aller mit Gifhorn, ferner Harzburg, Gandersheim, Seesen, den sog. Papen-
diek (Paj »enteich) zwischen unterer Oker und Aller. Sein Tod führte zur noch-
maligen Teilung unter seinen Söhnen Bernhard und Heinrich, den Stiftern
der mittleren Lüneburger und Braunschweiger Linie. — Otto der
Qu ade (f 1391) besafs den Oberwald, d. i. das Land um Göttingen mit der
Pfalz Grone (damals zerstört), Münden, Uslar, Lauenberg im Solling, Nordheim
und das Bergwerk Zellerfeld mit Forst. Dazu erwarb er 1379 die Schlösser
Harste und; Hardegsen.
II. Johann als Begründer der älteren Lüneburger Linie erhielt
«las Land um Lüneburg, Celle und das Deisterland mit Hannover sowie das
Schlofs Lichtenberg östlich von Hillesheim bei Salder und Schlofs Twieflingen
östlich von Schöppenstedt, Sein Sohn Otto der Strenge erwarb hierzu 1283
vom Hildesheimer Bischof : die Graf schalt Ha Herrn und mit Springe a/Haller
und Eldagsen westlieh der Leine und südlich des Deister zu Lehen (Heine-
mann 2, 23); 1300 von seinem Vetter Heinrich (Grubenhagen): Brome nord-
westlich des Drömling und Vorsfelde a/AUer, sowie den sog Hasen winkel
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105. Grafschaft Everatein.
229
südlich jenes Ortes ; 1302 Grafschaft Wölpe (Welpe, Wilipa, Welpia). Des
Schlosses am gleichnamigen Bach, der bei Rethem in die Aller fliefst, geschieht
1151 zuerst Erwähnung. Die Grafschaft umfafste Neustadt am Rübenberge,
die Vogteien Walsrode und Rotenwalde, Schlofs und Vogtei Rehburg und das
später vom Erzstift Bremen eingenommene Schlofs Ottersberg. Havemann I, 348.
Graf Otto trat die Grafschaft an einen Grafen Otto von Oldenburg ab, und
dieser verkaufte sie 1302 an Otto von Braunschweig. Spilcker, Gesch. der
Gfn. von Wölpe, in dessen Beitr. z. ält. deutsch. Gesch., Arolsen 1827, 1, 2 ff., 105 ff. ;
1303 vom Herzog von Lauenburg: die Gebiete um Bleckede und Hitzackeram
linken Elbufer; 1320 die Grafschaft Lüchow (südlich von Dannenberg)
mit gleichnamiger Stadt und den Schlössern Gartow, Bodenteich (südöstlich von
Ülzen), Wustrow (südlich von Lüchow). Hävern. I, 345 f., 461 Anm.; 1321
den linkselbischen Teil der Grafschaft Dannenberg östlich der Jeetze mit
Stadt und Schlofs Dannenberg (der ostelbische Teil der Grafschaft lag
zwischen Sude und Eide mit Dömitz, Neustadt und Hagenow; Näheres
Hävern. I, 339, 460.).
Dieser ganze lüneburgische Besitz wurde, da Ottos Söhne (Otto II. f 1352,
Wilhelm f 1369) ohne Nachkommen starben, Gegenstand eines Erbfolgestreites
mit den sächsischen Herzögen, der um das Jahr 1375 noch schwebte und erst
1389 endete, indem diese Lande an die ältere Linie Braunschweig fielen.
Havemann, Gesch. der Lande Braunschw. u. Lüneburg, Gotting. 1853 ff.
Schaumann, Handb. der Gesch. der Lande Hannover und Braunschweig,
Hannov. 1867. v. Heinemann, Gesch. von Braunschw. und Hannover.
Gotha 1882 ff. Origines Guelphicae, von Leibnitz u. anderen, 5 Bde. Süden,
dorf. Urkundenb. zur Gesch. d. Herzöge von Br. u. Lünebg., Hannov. 1859 ff-
Böttger, Allmähliche Entstehung der Weifenlande. (War mir nicht zugänglich.)
Schräder, Ältere Dynastenstämme zwischen Weser, Diemel und Leine, 1832,
Herzog Otto das Kind f 1252
Albrecht d. Gr. f 1279
Braunschweig
Heinrich f 1322
Grubenhagen
I
Ernst f 1361
I
Albrecht II.
t 1384
Albrecht der Fette f 1318 Wilhelm
Calenberg, Göttingen f 1292
Braunschiceig, Wolfenbüttel t t t
Johann f 1277
Lüneburg
I
Otto d. Strenge f
1330
Magnus f 1369
Braunschweig
I
Magnus II.
f 1373
Braunschweig
(•Lüneburg)
Ernst f 1367
Göttingen
I
Otto d. Quade
f 1394
Otto f 1352
t tt
Wilhelm t 1369
t tt
105. Grafschaft Erersteln. Ihr Gebiet umfafste das Land zu
beiden Seiten der mittleren Weser ; auf der linken Flufsseite Arzen,
Hämelschenburg, Grohnde, Ottenstein, Polle und Stahle; auf der rechten:
Ohsen (1283 an den Erzbischof von Cöln), Halle bei Bodenwerder, die
St&dt Hameln (seit 1261 Albrecht von Braunschweig gehörig), Amelungs-
born (auf der Grenze gegen homburgisches Gebiet), Holzminden und
den nordwestlichen Teil des Sollingerwaldes.
Die Burg dieses Namens lag auf dem sog. Burgberg nördlich von Bevern
(bei Holzminden), wo vermutlich zwei Burgen, einegröfsere (Castrum Everstein majus)
und kleinere sich befanden. Genannt schon von Helmold, Chron. Slav. I, 42. 1284
kaufte sie Heinrich der Wunderliche von Braunseh wcig-Grub., 1364 verpfändete
Albrecht U. (sein Enkel) die Hälfte derselben an die Edlen von Homburg (Orig.
guelf. IV, 505). 1493 wurde sie gebrochen. Über sonstige verstreut liegende
230
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Besitzungen und Gerechtsame vgl. von Spilcker, Gesch. der Grafen v. Everstein,
Arolsen 1833; nach diesem bei: Leo, Territorien 2, 647 — 655. Durch Ver-
gabungen, Verkauf etc. hatten die (trafen das Gebiet mehr und mehr ver-
kleinert und aufgelöst. Der Rest kam unter Hermann VI. durch Erbheirat an
die Weifen, 1408.
106. Herrschaft Homburg (Hohenburg) zwischen Weser und Leine
gelegen mit dem gleichnamigen Schlofs nördlich von Stadt-Oldendorf,
gebaut von dem letzten Nordheimer Grafen Siegfried IV. (f 1144). Vor-
übergehend war das Land in der Hand des Bischofs von Hildesheim
und Heinrichs des Löwen; nach dessen Achtung belehnte der Hildes-
heimer Bischof mit einem Teil des Gebietes die Brüder Bodo und Bertold.
Das Gebiet umfalste Burg Greene (1295 erbaut), Schlofs Woldenstein.
Lüthorst, Wickensen, Bodenwerder (Bodonis insula) in der Weser, Oldendorf,
Lauenstein, Salzhemmendorf, Wallensen ; letztgenannte Orte östlich des Ith. ;
ferner Eschershausen, die Klöster Kemnade bei Bodenwerder und Amelungs-
born, und seit 1355 Homboiken oder Hohenbüchen (ab alta fago). 1409 ging
die Herrschaft an Bernhard von Braunschweig über. Ilavemann, Gesch. v.
Braunschw. BLüneburg 1, 344 f, 657. Leo, Territorien. 2. 674 f.
107. Kleinere Territorien im sächsischen Lande, die alle schliefs-
lich dem braunschweig -lüneburgischen Herzogtum einverleibt wurden,
sind die folgenden :
Grafschaft Dassel (Dasle, Dassila) umfafste die Stadt Dassel, Markolden-
dorf, Lauenberg, Lauenförde, Faistenberg, Hundsrück, die Klöster Fredelsloh
und Ililwardshausen ; ferner zwischen Diemel und Weser: Hofgeismar,
Zierenberg, Grebenstein und Herrschaft Schonenberg sowie einen Teil von Trendel-
burg. Nach Heinrichs des Löwen Sturz wurde Nienover (Newenober, Nigenovere)
an die Grafen zu Lehen gegeben. 1113 wird zuerst ein Graf Reinhold (Reginald)
von Dassel erwähnt. 1329 stirbt das Haus aus, nachdem schon 1303 Nienover
an Albrecht den Fetten von Braunschweig verkauft, ebenso Lauenförde, Fürsten-
berg, Lauenberg, Fredelsloh und Hilwardshausen an die Weifen gekommen
war und 1310 Bischof Siegfried das Weichbild Dassel und Schlofs Hundsrück
erhalten hatte. Hävern. 1, 340, 404 f., 432. Leo, Territor. 2, 678 ff.
Herrschaft Depenau. Die Burg gleichen Namens lag an der Aue bei
Burgdorf, südlich von Celle. Sie wurde später an Konrad U., Bischof von
Hildesheim, verkauft. Nach Aussterben der Edlen von Depenau 1283 kam das
umliegende Gebiet teils an die Grafen von Wunstorf, teils an Welpe. Hävern.
1, 341. Leo 2, 801 Anm.
Herrschaft vom Berge (de monte, von Schalksberge) zu beiden Seiten
des Weserknies oberhalb der Porta Westfalica. Das Dynastengeschlecht wird
seit dem XI. Jh. genannt. Ihr Gebiet kam noch im XIV. Jh. an das Bistum
Minden (s. unten\
Grafschaft "Wunstorf mit Stadt und Herrschaft Wunstorf, Schlofs
Blumenau, Seelse mit 28 Dörfern und den Gerichten Goltern und Bente. Näheres
bei Leo, 2, 702 Anm. Die (trafen von Roda i Immenrode), Limber (Limmer)
und Wunstorf bilden e i n Geschlecht. 1447 kam ihr Gebiet an die Weifen
Wilhelm L). Urk. bei Scheid, Cod. Dipl. p. 558. Hierüber Hävern. 1, 673.
Auch die Grafschaft Nienburg an der Weser gehörte ihnen, doch überliefsen
sie diese im Anfang des XIII. Jh. den Grafen von Hoya. Hoyer, UB. 1, 1. 2.
Grafschaft Lüchow im Flufsgebiet der unteren Jeetze, bestehend aus
Schlofs und Stadt Lüchow (Luchowe) und den Schlossern G art o w (Chartowe
1225. Garttowe 1255), Wustrow (Woztrow 1229, Woztruwe), Bodenteich
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108. Grafschaft Schauenburg 109. Grafschaft Lippe.
231
(Bodendyke). Der erste Graf von Lüchow wird 1144 genannt. Das Geschlecht,
zu welchem auch jenes von Warpke gehörte, starb 1318 aus. Das Land kam
zunächst an den Markgrafen Waldemar von Brandenburg, dann durch Kauf
an Otto den Strengen von Braunschweig (1320) und nach mehrmaligen Ver-
S fändungen 1072 an Georg Wilhelm von Celle (s. oben). Über die Geschichte
es Landes und der einzelnen Schlösser cf. v. Havemann I, 345 f., 4G1 Anm.
Hennings Das hannoversche Wendland, 1802, S. 21 ff. v. Hammerstein, Barden-
gau 411» ff, 481 f. Mithoff IV, 28 f., 76., 116 ff., 288 f.
Grafschaft Dannenberg (Danneberch, Dannenberghe) , unmittelbar
nördlich von Lüchow. Das Grafenhaus tritt mit Volrad 1158 zuerst auf. Auf
Cirund eines Vertrages von 1303 fiel der linkselbische Teil an das ältere Lüne-
burger Haus. Der rechtsei bische Teil kam an die Lauenburger Herzöge und
Markgrafen von Brandenburg. Sie umfafste nämlich links der Elbe: Stadt
und Schlofs Dannenberg mit Gebiet; rechts der Elbe: die durch die Rögnitz
getrennten, von der Sude bis zur Eide reichenden Landschaften Weningen und
Jabel mit Schlofs und Stadt Dömitz, Kloster Eldena und den Burgen Weningen,
Walerow und Glesin, ferner Stadt und Herrschaft Grabow, Feste Marnitz und
einen Teil der mecklenburgischen Amter Neustadt und Hagenow. Havemann I,
33i). Mithoff IV, 57 f.
108. Grafschaft Schauenburg. Von Kaiser Konrad II. hatte Adolf
von Santersleben, der in der Wesergegend begütert war, die erbliche
Grafenwürde erhalten. Seit 1030 baute er die Schauenburg in seinem
Güterbezirk auf dem Nettelberge, nach welcher schon* er sich genannt
zu haben scheint. Die Belehnung seines Enkels Adolf III. (f 1122) mit
der Grafschaft Holstein und Storniarn brachte die Grafschaft in Be-
ziehung zu letzteren.
Die Schauenburg oder in der noch heüte üblichen verderbten Form
Schaumburg. Herrn, de Lerbeck (Chronic, comitum Sehawenburgensium,
Frankf. 1620) nennt sie Möns speculationis. Sie liegt an» Südabhang des Weser-
gebirges, heute auf preufsischem Gebiet. — Die damalige Grafschaft umfafste
das spätere Amt Stadthagen, Ilagenburg, die Gegend um Bückeburg, die Weser-
vogtei und die Hattendörfer Vogtei nebst Bodenberg. Am Grundbesitz waren
jedoch mehrere geistliche Stifter beteiligt. Hierüber Piderit, Gesch. d. Grafsch.
Schaumburg, Rinteln 1831, S. 47. Adolf VI. (f 1315) brachte durch Heirat das
Schlofs Sachsenhagen hinzu, späterhin Otto I. (f 1404) auf dieselbe Weise
das Amt Lauenau im W. des Deisters. Piderit, S. 76, 79.
109. Grafschaft Lippe. Von dem ausgedehnten Haoldschen Komi-
tate hatten die Edelherren zur Lippe, welche an der oberen Lippe bereits
einen reichen Stammgutsbesitz hatten, noch die Gaue Haverga (d. i. die
Gebiete von Rinteln und Bückeburg nebst Teilen von Minden und
Osnabrück), TJmga (südlich dos vorigen um Lemgo), TkiatmeUi (um
Detmold) und Aga (um^Herford und Schildesche) erhalten, welche Lehen
der Paderborner Kirche waren. Bernhard IL hatte durch Heirat die
Herrschaft Rheda erworben. Auch Schlofs und Amt Enger (westlich
von Herford) sehen wir lange in den Händen von Lippe. Simon I. er-
warb 1322 die Hälfte der Herrschaft Schwalenberg und damit die Burgen
Oldenburg (= Alt-Schwalenberg), Neu-Sehwalenberg, Rischenau, das Kloster
Falkenhagen und den Freistuhl zu Stoppelberg. Unter seinen Söhnen
fand 1344 eine Länderteilung statt, die späterhin eine Reihe von
Verwickelungen hervorrief. Otto (f 1301) erhielt die Herrschaft dies-
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232
VI. Politische Goographie um das Jahr 1375.
seits des Waldes (Osning) mit Lemgo und Falkenberg, Bernhard V.
(f ca. 1364), sein Bruder, die Stadt Lippe (Lippstadt) mit der Herrschaft
jenseits des Waldes und einzelne Stücke an der nördlichen Seite.
Schwalenberg blieb noch ungeteilt (bis 1361). Als Heinrich von Schwalen-
berg 1356 gestorben war, kam auch die andere Hälfte dieser Herrschaft
gröfstenteils an Lippe, während der Bischof von Paderborn ein Viertel
erhielt. — Nach dem Tode der beiden Brüder fand, da Bernhard keine
männlichen Nachkommen hatte, eine Vereinigung des ganzen Gebietes
statt, doch ging die Herrschaft Rheda an Tecklenburg verloren.
Die Geschichte der Grafen Haold ist noch wenig geklärt. Am Ende des
IX. Jh. erscheint Haold I. Sein Sohn Haold IL gründete 952 das Kloster
Geseke (östlich von Linpstadt). Kaiser Heinrieh II. sehenkte um 1011 den
Komitat an den Biscnof Meinwerk von Paderborn, der ihn aber nicht voll-
ständig besessen hat, da in den einzelnen Untergauen vielmehr andere west-
fälische Grafen und Herren sich zu behaupten wufsten. — ■ Die Schenkungs-
urkunde von 1011 giebt die beträchtliche Ausdehnung des ehemaligen Koini-
tates an, quem Hahold comes, dum vixit, tenuit, situm scilicet in locis Haverga,
Limga, ThiatmalU, Aga, Patherga, Treveresga, Langancka, Erpesfeld, Silbiki, Mat-
feld, Xihterga, Sinatfdd, Ballevan prope Spriada, Gamlriki, Gession, Sewardeshusun.
Mit Ausnahme des bückeburgischen Distriktes lag der Komitat also links der
Weser, etwa das heutige Fürstentum Lippe, den östlichen Teil der Münster-
schen Tieflandsbucht und das nördliche Waldeck umfassend. Vgl. im allge-
meinen Seih er tzj Landes- und Rechtsgeseh. v. Westf. (1861) I, 332 ff., sowie
seine Dynastengesch. I. Bd., 2. Abt. (1855), S. 331 ff. Die einzelnen Gaue
werden ebenda S. 339 — 343 ihrer Lage nach behandelt, — Zu den Nachkom-
men jenes Haold gehörte auch Bernhard I. (1129—1158), der nach seinen
Stammgütern an der Lippe sich zuerst Edler Herr von Lippe nannte, und
der aus dem Haoldschen Erbe jene vier Gaue erhielt. Cf. Seibertz, Dynasten*
geschichtc, S. 360 ff. — Über die Teilungsurkunde vom 16. Oktober 1344
ß. Preufs und Falkmann, Lippische Regesten, Lemgo 1860, II. Bd.,
S. 177, sowie Falk mann, Beiträge z. Gesch. des Fürstent. Lippe, Lemgo
1847, I, 157—224.
Nachdem jener obengenannte Otto 1360 gestorben war, folgte in seinem
Bezirk sein Sohn Simon III. Über die Differenzen, welche dieser mit seinem
dem geistlichen Stande angehörigen Bruder Otto hatte, und den Vergleich
zwischen beiden 8. Dezember 1366 cf. Falkmann, Regesten II, 318. — Im
Jahre 1361 kam auch eine Teilung der Herrschaft Schwalenberg zwischen
Simon III. und seinem Oheim Bernhard V. zustande. Bernhard bekam
Stadt und Schlofs Rischenau, den lippeschen Anteil an der Oldenburg, den
Stoppelberg und einige Dörfer, wogegen Simon den Rest erhielt, nämlich die
neue Burg und Stadt Schwalenberg. Falkmann, Beiträge I, 176. — Als Bern-
hard V. 1364 gestorben war, nur zwei Töchter hinterlassend, von denen die
ältere Adelheid mit Otto von Tecklenburg vermählt war, da beanspruchte
Simon III. als Stammherr des Hauses seines Oheims Herrschaft. Doch kam
136r> ein Vergleich zustande; Simon räumte der Witwe Bernhards ein reiches
Wittum ein und erhielt den bedeutendsten Teil von Bernhards Gebiet. Indessen
hatte der Tecklenburger das SehloL Lipperode und die Herrschaft Rheda
bereits in Händen und verweigerte die Herausgabe. In der nachfolgenden
Fehde wurde Simon gefangen genommen, mufste sich loskaufen und seiner
Tochter, die Nikolaus, den Sohn Ottos von Tecklenburg, heiratete, Rheda als
Hochzeitsgut mitgeben. Cf. Falkmann, Beiträge I, 178, 182 ff. 201.
110. Bistum Paderborn. Der weltliche Besitz lag im Westen der
Weser zu beiden Seiten des Eggegebirges, durch welches er späterhin
in einen Unterwaldischen und Oberwaldischen Distrikt geteilt wmrde.
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III. Bistum Münster. 233
Da auch hier die Stiftungsurkunde nicht erhalten ist, so können wir
die frühesten Dotationen des Stiftes nur aus den später wiederholten
Bestätigungen vermuten. Viele von den Gauen, Grafschaften und
sonstigen Vergabungen seitens der Kaiser waren schon anfangs nicht
im ausschliefslichen Besitz der Bischöfe gewesen und blieben auch
nachher in den Händen der benachbarten Dynasten.
Ludwig der Fromme stellte das Imtmmitätsprivileg 822 aus. Wilmanns
Kaiserurk. I, Nr. 0. — Zu den Besitzungen des Stiftes gehörten die Gaue
Paterga, Aga, Treveresga, Auga und Soratfeld sowie der Wald von der Dei-
chana durch die Ardenne oder Osnig und Sinde bis zum Weg, der nach Hecrse
führt. — Sehl umfassend waren die Schenkungen Kaiser Heinrichs II. an
Bischof Meinwerk: die Grafschaften des Haold, des Dodico und Immedes-
husen, die aber nur teilweise in den Besitz des Bischofs übergingen. Über
Haold vgl. das über Lippe Bemerkte. — Die Grafschaft des Dodico von
Warburg machte mit der Grafschaft Hertmanns, die Konrad II. schenkte, den
oberwaldischen Bezirk aus. Sie bestand aus Teilen des Hessengaues, Netgas
und Nitergas. Die vom Erzbischof Aribo von Mainz dem Bischof streitig
gemachte Grafschaft gab Kaiser Konrad II. nach Aribos Tode an Paderborn
zurück. — Die Grafschaft Immedeshusen lag südwestlich von Paderborn,
bestehend aus dem Soratfeld, Sinuthfeld, Atmunga, Treveresga und Burklaun.
Von späteren Erwerbungen sind zu nennen: der Reinerswald (1058 unter
Bischof Imad erworben), wurde unter Bischof Balduin (1341—13(50) an den
Landgrafen von Hessen versetzt und nie wieder eingelöst. — Die Burg Büren
und Umgegend gehörte den Freiherren Barthold und Thetmar von Büren.
Beide trugen 1195 ihren Besitz an das Bistum zu Lehen auf und bauten die
Stadt. — Infolge Differenzen mit dem Erzbischof von Köln ging auch Brilon
für Paderborn verloren, ebenso Erwitte; Geseke und Salzkotten waren bis 1 21*4
gemeinsamer Besitz, als ersteres in jenem Jahre ganz an das kölnische Herzog-
tum Westfalen und Salzkotten an Paderborn kam. Vgl. unter: Westfalen. —
Unter Bischof Otto wurde der sechste Teil der Stadt Brakel käuflich er-
worben, unter Bischof Theoderich kam das zweite Sechstel 1315 hinzu. Der
Graf von Waldeck trat 1301 die Wewelsburg (südwestlieh von Paderborn)
an das Stift ab; vorher war sie im Besitz des Grafen Friedrich von Arensberg
gewesen. — Die Grafschaft Tringen wurde 1318 dem Stift geschenkt vom
Dompropst Bernhard von Lippe, der sie den Grafen von Everstcin abgekauft
hatte. Das Hauptgut lag zwischen Driburg und der späteren (1323) Stadt
Dringenberg. — Im Jahre 1323 trat das Stift Heerse dem Bistum das Eigen-
tumsrecht und die Lehnsherrschaft über die Stadt Brakel und die Bergfesten
Hinnenburg und Wernberg ab. — Stadt und BurgVörden konnten vom
Kloster Marien münster nicht gehalten werden und wurden 1324 an Paderborn
abgetragen; ebenso 1341 die neue Stadt Bredenborn. — Nach dem Aus-
sterben der Grafen von Schwalenberg 135G kam ein Viertel der Grafschaft
1358 an das Bistum, während die Grafen von der Lippe das übrige be-
hielten. — Näheres s. bei Besse n, Gesch. des Bistums Paderborn. 2 Bde.
Paderborn 1820. Urkunden des Bistums Paderb., hrgb. von Wilmanns,
Münster 1874 IT.
111. Bistum Münster. Über den ersten weltlichen Besitz des von
Karl dem Grofsen gestifteten und dem hl. Liudger übertragenen
Bistums ist nichts bekannt. Das nördlich von der Lippe gelegene, bis
über die obere Ems zum Teutoburger Walde reichende Gebiet bildete
später den Hauptbestand des bischöflichen Machtbereichs. Am Ende
des XII. Jh. wurde das Bistum reichsunmittelbar. Im Jahre 1252 erfuhr
das Stift einen erheblichen Zuwachs durch den Ankauf der Grafschaft
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234 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Vechta und des Emslandes mit Meppen, die späterhin durch die zwischen-
liegenden Gebietsteile erweitert (s. u.) das sog. Niederstift Münster um-
fafsten. ,
Von Bedeutung sind die rechtegeschichtlichen Verhältnisse in Westfalen,
die Trennung in Freigerichte (Freigrafschaft) und Gogeriehte (Gografschaft ,
die beide nebeneinander bestanden und nach dem Stande ihrer Gerichte-
angehörigen geschieden waren: jene für den Adel und die freien bäuerlichen
Grundbesitzer, diese für die hörigen Leute. Näheres hierüber bei Schröder,
Dtsche. Rechtsgesch,, S. 568 ff. mit weiteren Literaturangaben. Die Sprengel
der Freigerichte, die nach den Hauptorten benannt wurden, deckten sich nicht
immer mit jenen der Gogeriehte. Ein Verzeichnis der 18 Freigrafschaften im
Münsterlande mit den zugehörigen Kirchspielen cf. bei Ledebur, Allg. Archiv
f. d. Geschichtskde. d. preufs. Staates X, 42 ff. Leo, Territorien II, 554 ff.,
der Gografschaften ebenda.
Den Grund zum Niederstift legte der Erwerb der Ämter Vechta und
Meppen, die vordem den Grafen von Calvelage-Ravensberg gehört hatten. Graf
Hermann II. von Calvelage (auch Calverla oder Caula) hatte nämlich um 1072
eine Tochter Ottos von Nordheim geheiratet und durch diesen grofse Gebiets-
teile im Lerigau (westlich der Hunte) und Agredingo (Emsland) erworben, wo
er die Burg Vechta zum Mittelpunkt seiner Herrschaft machte. 1244 starb mit
Otto IL diese Linie aus, und seine Güter fielen nach Vereinbarung als Heiratsgut
an seine Tochter Jutta, die, mit Grafen Heinrich von Tecklenburg vermählt,
von diesem die Grafschaft Sögel und die Güter in Oyte als Morgengabe erhalten
hatte. Als ihr Gemahl 1248 gestorben war, heiratete sie 1251 einen Edelherrn
Walram von Monjoie (in der Eifel) und verkaufte ihren ausgedehnten Land
besitz in Norddeutsehland 1252 an die Kirche zu Münster für 4000O Mark.
1253 wurde Bischof Otto von König Wilhelm mit diesem Besitz belehnt.
Wilma uns, Münster. ÜB. S. 289, 296. Vgl., Niemann, Das Oldenburg.
Münsterland I, 56. Di epen brock, Gesch. d. vormal. münsterschen Amtes
Meppen, S. 156 ff. Stüve, Gesch. d. Höchst. Osnabr. I, 97 f.
112. Bistum Minden hat seit seiner Einrichtung im Jahre 803 sein
Territorium nur stückweise durch Schenkungen von Gütern erworben.
Die Bischöfe hatten es an Versuchen nicht fehlen lassen, ihren Besitz
auf Kosten der umwohnenden Dynasten zu vermehren, doch ohne Erfolg.
Um 137"> reichte der weltliche Besitz von der Porta Westfalica ein Stück
die Weser abwärts zu beiden Seiten des Flusses sich hinziehend bis
Schlüsselburg sowie nach NW. bis fast zur Hunte hinüber.
Minden und Lübbeke waren die wichtigsten Orte, die, als sie Stadtrechte
erhalten, sich der bisehöflichen Bevormundung zu entziehen wufsten. Aufser
diesen gehörten zum Territorialbestande des Bistums die Ämter Petershagen.
Schlüsselburg, Heineberg und Rahden.
113. Bistum Osnabrück. Der weltliche Besitz war anfangs ein sehr
beschränkter. Die Kirche erlangte niemals so grofse Vergabungen, als
sie den ostsächsischen Kirchen zuteil geworden waren. Von auf-
strebenden Grafengeschlcehtern allseitig umgeben, konnten die Bischöfe
nur schrittweise ihren Machtbereich erweitern infolge des Aussterbens
einiger Familien von Edelherren, der Erwerbung von Kirchenvojgteien,
Gütern etc. Unter Bischof Engelbert von Isenburg erlangte das Bistum
die Reichsunmittelbarkeit (1225).
Schon die Gründungsgeschichte ist in Dunkel gehüllt. Der dem Dum-
stifte zustehende Besitz beschränkte sich anfangs auf den Haupthof zu Osna
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114. Grafschaft Hoya. 115. Herrschaft Diepholz.
235
brück und dessen zerstreut liegende abhängige Höfe. Cf. C. Stüve, Gesch.
des Hochstiftes Osnabrück 1853, I, 7, 9. — Engelbert erhielt 1225 vom Kaiser
die Gogeriehte zu Osnabrück, Iburg, Melle, Dissen, Ankum, Bramsche, Damme
und das im Münsterland gelegene Wiedenbrück. Freilich unterstand dieses
Gebiet nicht ganz seiner Gogerichtsbarkeit ; wie einzelne verstreut liegende
Güter, so waren auch mehrere Freigerichte in der Hand fremder Herren,
besonders der Tecklenburger imd ravensbergischen Grafen. Ein Verzeichnis
der Orte und Kirchspiele nach ihrer damaligen Zugehörigkeit (XIII. Jh.) gibt
Stüve, Höchst. I, 80 — 82. Moser, Osnabr. Gesell. III, 61. Unter Bischof
Konrad 1227— 1240) wurde zum Nachteil der Tecklenburger Grafen der Macht-
kreis erweitert und vom Kaiser der Erwerb der Yogteien und Güter bestätigt.
Nur das Gogericht Angelbeck (Ämter Wittlage, Ilunteburg, Limberg, Stemwede)
fehlte noch. In der Fehde mit dem Tecklenburger Grafen Otto hatte Bischof
Konrad 1236 von der Herrschaft des Edelherrn Wibbold zu Dissen: Laer,
Glandorf, Hilter und Dissen erhalten. Acta Osnabrug. I, 58 f. Im Laufe des
XIII. Jh. wurden unter Bischof Konrad IL (126K— 1297) die letzten Reste der
Vogteien beseitigt. Cf. über diese Erwerbungen Stüve I, 104 f., 109, 119, so-
wie über den faktischen Machtbereich ibid., S. 142, 185.
Das dem Bistum 1225 verliehene Gogericht zu Damme-Neuenkirehen
wurde von dem münstersehen Bischöfe streitig gemacht, da eine Gräfin Jutta
von Ravensberg 1252 ihre Grafschaft Vechta und die emsländischen Besitzungen
an den Bischof von Münster verkauft hatte. Die Gemeinden von Damme waren
damals »zweiherrig«. Der Streit um den Besitz jenes Gebietes dehnte sich bis
ins XVII. Jh. aus und kam erst 1817 zum Abschluß*. Cf. Niemann, D. Olden-
burg. Münsterland I, 154 ff. Das Nordländische Amt begriff die erst 1343 vom
Bischof Gottfried begründete Burg Fürstenau, das Gogericht zu Bramsche und
die Gerichte zu Ankum, Quakenbrück (von Bischof Konrad I. 1235 gegründet)
und Badbergen. Cf. Moser, Osnabrückische Geschichte III, 20 IT. Nieber-
ding, Gesch. d. ehemal. Niederstiftes Münster I, 117. Das Nordländische Amt
war durch Bischof Joliann IL zeitweise verpfändet, winde aber 1357 durch das
Dom- und Johannis-Kapitel in Osnabrück wieder zurückgekauft. Cf. Moser III,
199 ff. Stüve, Höchst, Osnabr. I, 221. Mithoff, Kunstdenkmale VI, 47.
Sopp;, Entwickig. d. Landesherrlichkeit im Fürst, Osnabrück, Diss. Tübingen 1902.
114. Grafschaft Hoya. Grafen dieses Namen9 treten seit der ersten
Hälfte des XIII. Jh auf. Ihr Gebiet hat sich aus den Herrschaften
mehrerer edelfreier Herren gebildet, wie derer von Stumpenhausen, von
Hodenborg, von Machtenstede, von Grimbergen, deren Linien nach und
nach ausstarben, so dafs Anfang des XIV. Jh. das meiste schon zu beiden
Seiten der Weser oberhalb der Allermündung in ihrer Hand vereinigt
war. Einen erheblichen Gebietszuwachs bildete im XIV. Jh. schliefslich
noch die Herrschaft Bruch hausen zwischen Hunte und Weser.
Die Grafschaft scheint frühzeitig geteilt gewesen zu sein, in eine Obere
Herrschaft mit dem Hauptort Nienburg und eine Niedere Herrschaft mit Hoya,
von denen diese der älteren gräflichen Linie, jene der jüngeren gehörte. Die
Burg Hoya auf einer Weserinsel entstand im Anfang des XIII. Jh, — Die
Niedere Herrschaft kaufte 1301 einen Teil der Herrschaft (Neu- Bruchhausen
und 1338 Alt-Bruehhausen (östlich von jenem) und Bahrenburg. Die Herrschaft
Bruchhausen umfafste die Kirchspiele Vilson und Sudwalde und einen Teil
von Asendorf. Cf. Höver UB. I, 86, 88, 264, 267. Havemann I, 345. Leo,
Territ. II, 507. Gade", Grafschaften Hoya und Diepholz, Hannover 1900.
115. Herrschaft Diepholz zu beiden Seiten der Hunte. Der ur-
sprüngliche Sitz der Edlen von Diepholz war angeblich eine Burg zu
Cornau, dann wurde er erst nach der Burg Diepholz (Dhepholte, Dev-
holte) verlegt, nach welcher sich auch die Familie nannte. Ihr anfangs
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236 VL Politische Gcograplüe um das Jahr 1375.
kleines Gebiet wurde im XIII. Jh. vergrüfsert durch die Herrschaft
Stemmwede, zu welcher 1318 noch Gebietsteile am Dümmersee mit Lem-
bruch, Hüde und Marl durch Herzog Otto von Braunschweig verliehen
wurden; dieses ganze Gebiet bildete das Amt Leuenfurt (Lemförde).
Die Herrschaft bestand also nur aus den beiden späteren Ämtern Diep-
holz und I^cmförde. Diepholz umfafste den gleichnamigen Flecken, die Vogtei
Barnstorf und Drebber sowie das Kirchspiel Goldenstedt mit mehreren Dörfern.
Lemförde bestand aus diesem Flecken und drei Dörfern.
116. Erzbistum Bremen. Weltlicher Besitz und Macht waren anfangs
gering. Erst Adaldag gelang es 965, Marktgerechtigkeit für Bremen und
967 die gräfliche Gerichtsbarkeit über sein Stift zu erlangen. Durch
Erzbischof Unwan aus dem Geschlechte der Immedinger und seine An-
verwandte Emma erfolgte der erste gröfsere Gebietszuwachs. Den Grund
zur späteren Machtentfaltung legte aber der tatkräftige Adalbert von
Bremen (1043—1072), der eingestandenennafsen darauf ausging, alle
Grafenämter, die in seinem Sprengel Gerichtshoheit hätten, in die Gewalt
seiner Kirche zu bringen. Nicht ohne Widersetzlichkeit seitens der
Nachbarn (der Billunger und Grafen von Stade) gelang es ihm auch bis
auf geringe Teilstücke. Der unangefochtene Besitz der umfangreichen
Grafschaft Stade sollte dem Erzbistum aber erst nach vielen Streitigkeiten
1236 endgültig zugesprochen werden und damit die territoriale Ent-
wicklung des Erzstiftes ihren Abschlufs finden. Kurz vorher (1229) war
auch die Grafschaft Wildeshausen (jetzt oldenburgisch) von den Grafen
an das Erzstift zu Lehen aufgetragen und 1270 durch Graf Heinrich
den Bogener zu völligem Eigentum übergeben worden.
Über die Ottonischen Privilegien von 965 und 967 vgl. van Bippen,
Gesch. d. St. Bremen, 1892, I, 24, 26. Dehio, Gesch. d. Erzb. Hamburg-Bremen,
1877, I, III ff. Das Patrimonium der bremischen Kirche umfafste zu Adaldags
Zeit (931—988) die drei Stifter Bremen, Bücken im Gau Stcoringa, und Bersen
(Bassum) im Gau Lara und das Kloster Ramesloh, ferner die neuentstandenen
Stifte Ileslingen im südlichen Heilanga-Gau und Kipesholt im friesischen
Asterga. Hierzu die Anmkgn. bei Dehio, S. 19.
Unwan hatte dem Stift den Hof Botegun (Adam II, 45) geschenkt
(— Baden im Gaugericht Achim; Hamburg. UB. 1. Nr. 60), Emma, die Witwe des
Grafen Liutger, den Hof Stiplaga (= Stiepel am rechten Ufer der Ruhr in der
Grafschaft Mark), nach Adam II, 76. Erzbischof Libentius (1029—1032) kaufte
von den Anwohnern ein Dorf jenseits der Weser (Adam II, 61), unter welchem
man Lideneshusen vermutet (Hamburg. UB. I, Nr. 66). — Über die Bestrebungen
Adalberts, über seine Diözese eine ähnliche Machtbefugnis zu erlangen wie der
Würzburger Bischof, s. Adam III, 45. Die durch ihn bewirkte Gebietserweiterung
erstreckte sieh auf folgende Landschaften: 1. Auf Grafschaften des Grafen
Beruhard im Emsgau, Westfalen und Engern, u. a. den Lorgoe und Emsgoe
(den er nur 10 Jahre lang behauptetet; ferner den Hunesgoe und Fivelgoe
in Friesland. Adam III, 45, III, 8 und Hamburg. UB. I, Nr. 88. 2. Die Herr-
schaft Lismona (Liestmona, Lesum), den Wild- und Königsbann im Gau Wig-
modi, dazu die ltisula Iiremensis (Vieland), Jtisnla Lechter (Teil des Stedinger-
landcsi, fünf weitere Bruchländereien der unteren Weser und das Küstengebiet
von Iladeln (Adam III, 44). Hamburg. UB. I, Nr. 87 a. 1063, 27. Juni. Über
die Vorgeschichte der Schenkung von Lismona cf. Dehio I, 233.
3. Die Grafschaft Stade. Das Stammschlofs der Grafen war Rosenfeld,
auch Ilersefeld genannt, und vom Grafen Heinrich dem Guten in einen Konvent
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117. BiHtum Verden. 118. Stadt Hauiburg. 237
•
umgewandelt worden (Adam II, 43. Ann. Saxo a. 1010), weshalb der gräfliche
Sitz nach Stade verlegt wurde. Die Grafschaft lag zerstreut in der Bremer
Diözese, zumeist in der Nähe der Elbe (Adam III, 45) und erstreckte sich bis
zur Seve (Seuina). 1062 mufste (traf Udo sie als Lehen der Bremer Kirche
annehmen. Auch die Grafschaft Ditmar sehen, die Heinrich IV. nach Aus-
sterben des dortigen Grafengeschlcchtes jener Kirche geschenkt hatte, wurde
den Stadern zu Lehen gegeben. Hierüber Dehio 1. c. Kritische Ausführungen
S. 69 ff. gegen Dahlmann (Gesch. Ditmarschens2, 1873), der Stade und Dit-
marschen als unter einem Grafen vereinigt ansah. Für die ehemalige Aus-
dehnung der Grafschaft ist die späte, aber unverdächtige Nachricht in der
Rastefiter Chronik (Meibom II, 89) wichtig. Es unterstanden also der Grafen-
gewalt: 1. Ditmarschen, 2. sämtliche Gaue der Bremer Diözese zwischen Weser
und Elbe sowie Waltsati und Mosdi der Verdener, 3. Oberstedingen, d. h.
Teile des Lar- und Amergaues. Dazwischen lagen einige Immunitätsbezirke der
Bremer Kirche. Cf. Dehio, Wesen u. Umfang der sog. Gfscht. Stade, in
Bremer Jb. 1872, 125 — 135. Udos Enkel, Hartwig (f 1168), war Dompropst zu
Bremen und der letzte Graf von Stade, der sein ganzes Allodialvermögen der
Bremer Kirche schenkte. Heinrichs des Löwen Ansprüche auf jene Landschaft
führten zu langjährigen Zwistigkeiten, die im XIII. Jh. ihren Abschlufs fanden,
indem Otto das Kind von Braunschweig-Lüneburg die Grafschaft dem Bremer
Erzstifte überliefs. Über die Gesch. der Grafschaft cf. Dehio II, 52—55, 97—99,
117 f., 143—148. Hodenberg, Diözese Bremen II, 15 f. Kobbe, Bremen
u. Verden (1824) II, 132 ff.
4. Wildeshausen zu beiden Seiten der Hunte, im N. an Delmenhorst
grenzend, mit dem gleichnamigen, sehr alten Ort. Das Grafen haus war mit
dem oldenburgischen verwandt. Heinrich der Bogener trat seine Grafschaft
1270 an das Erzstift Bremen (Erzbisehof Hildebold) ab. Über die Geschichte
der Grfsch. vgl. Bau- u. Kunstdcnkmäler des Herzogt. Oldenburg, 1896, 1, 13 IT.,
die Literat, ibid., S. 56—61.
117. Bistum Verden. Das Stiftsgebiet reichte von der unteren Aller
und Weser bis zur oberen Oste hinüber. Der Landerwerb ging sehr
langsam vor sich ; meist waren es nur einzelne Güter und Gerechtsame,
die durch Schenkung hinzukamen. Es gehörten zum Stift das Kirchspiel
Walle mit 19 Orten, das Kirchspiel Amesen mit 6 Dörfern, die
Kirchspiele Linteloh und Witteloh, die Herrschaft Rotenburg, die
Vogteien Visselhövede, Schneverdingen, Neuenkirchen, Scheefsel und
Sottrum.
Otto IH. hatte dem Stift Markt-, Münz- und Zollgerechtigkeit verliehen.
Oer erste sicher beglaubigte Bischof war Harud (t 830). Die Immunität, die
anfangs sich nur auf Verden selbst bezogen hat, wurde dem Stift 1106 auf
alle Kirchen und Ländereien ausgedehnt. Kobbe, Gesch. u. Landesbeschreibung
der Herzogtümer Bremen imd Verden, 2 Bde., Gotting. 1825 (veraltet). Pfann-
kuche, ältere und neuere Gesch. des Bist. Verden, 2 Bde., Hamburg 1830 ff.
Hoden berg, Verdener Gesehichtsquellen, Celle 1856 f.
118. Stadt Hamburg. In der Nähe der von Karl dem Grofsen an
der unteren Elbe angelegten Burg IIo scheint eine Ansiedelung ent-
standen zu sein, die nach dem Walde, der die Bille-, Alster und Elb-
niederung bedeckte, der Hamme benannt worden ist. Zuerst gewann
der Ort Bedeutung, als er zum Sitz eines Erzbistums ausersehen worden
war (831). Die Zerstörung des Ortes durch die Normannen (845) führte
allerdings zur Verlegung des Sitzes nach Bremen. Seit dem Jahre 1100
datiert die Herrschaft der Holsteiner, da Graf Adolf III. von Schauenburg
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238 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
•
mit Holstein auch Hamburg erworben hatte. Er erweiterte den Stadt-
bezirk durch den Anbau der Neustadt und hob den Ort durch Bewil-
ligung städtischer Privilegien. Auch das Handelsleben entwickelte sich,
zumal Bardowiek 1189 durch Heinrich den Löwen zerstört worden war.
Eine Vergröfserung des städtischen Territoriums erfuhr Hamburg erst
im XIV. Jh.
Das Verhältnis der Stadt zu den Holsteinern hatte sieh im Laufe der
Zeit immer mehr gelockert; 1201 — 1223 war die Stadt in der Hand "Waldemars
von Dänemark gewesen, 1224 kam sie wieder' an die Holsteiner, die hier aber
nur eine Art Schirmherrschaft noch ausübten. — Im Jahre 1342 wurde Eppen-
dorf durch Kauf erworben und 1352 der Elbwerder, bestehend aus dem IJill-,
Moor-, Ochsen- und Finkenwerder. Gallois, Gesch. der St. Hamburg,
Hambg. 1853 ff. Gaedechens, Hist. Topographie der Freien und Hanse-
stadt Hamburg, H. 1S89.
119. Stadt Bremen. Die Stadt stand anfangs vollständig unter der
Gewalt des Erzbischofs, dem ein Vogt zur Seite stand. Nach Selb-
ständigkeit strebend, hatte sie sich erst sehr allmählich von dieser Bevor-
mundung zu befreien gewufst, Von einem eigentlichen Landerwerb konnte
daher auch erst im XIV. Jh. die Rede sein, von einer Landeshoheit erst
sehr viel später. Sie suchte zunächst ihren Einflufs auf das umliegende
Gebiet zu festigen und zwar durch Besetzung der Gografschaften. Durch
Verpfändungen von Besitzungen seitens der Erzbischöfe und anderer
Fürsten kam die Stadt zeitweilig in den Besitz gröfserer Landschaften.
Cber die ersten Versuche der Machtausbreitung cf. Buchenau, Freie
Hansestadt Bremen und ihr Gebiet, 3. Aufl. 19(0, S. 275 ff. Dünzelmann,
Zur Gesch. des Brem. Landgebietes, in Brem. Jb. 1889, 95 ff. v. Bippen,
Gesch. der St. Bremen 1892, I, pass. Zunächst hatte die Stadt im Vielande
(südlich der Weser) Fufs gefafst, dann im N. am Ufer der Lesum (1350i.
wo eine Schanze und Brücke bei Burg gebaut wurden, zu deren Unterhaltung die
Vogtei Langwedel angewiesen wurde; — ferner im Werder-, Huller- und
Blocklande.
120. Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst. Erstgenannte um-
fafste das Gebiet vom Jadebusen (erst 1218 entstanden) an bis südwärts
zur Hunte oberhalb der Stadt Oldenburg, westlich bis zum Saterland und
östlich bis zum Stadland. Delmenhorst erstreckte sich von der Mündung
der Hunte in die Weser an zwischen beiden Flüssen südwärts.
Nachdem der Ort Oldenburg durch Heinrich den Löwen zu einer Festung
ausgebaut war, nannte sich zuerst Christian I. nach dieser Graf von Oldenburg
1155, Nach dem Fall Heinrichs 1180 wurde auch sie reichsunmittelbar. —
Der im Verein mit dem Erzstift Bremen ausgeführte Kreuzzug gegen die
Stedinger brachte 1234 die sog. Brookseite (= westlich des Ollenflüfsehens)
an Oldenburg, während die L echter sei te an Bremen tiel , aber 13HG an
Oldenburg (Delmenhorst) abgetreten wurde, v. Halem, Gesch. d. Herzt,
Oldenburg I (1791), S. 208.
Die Landschaft um Delmenhorst, wo 1247 unter dem (»Idenburgischen
Grafen Otto IL eine Festung erstand, war Abfindungsobjekt für jüngere Söhne
des oldenburgischen Grafenhauses gewesen und entwickelte sich zu einem
selbständigen Gebiet, Nach Ottos Tode fiel sie an den in Oldenburg regierenden
.Johann X., der sich zuerst Graf von Oldenburg und Delmenhorst nannte.
Doch trat 1301 wieder eine Teilung in zwei Grafschaften und Dynasten-
linien ein.
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121. Grafschaft Tecklenburg.
239
Genaue Grenzen lassen sieh für die Grafschaft Delmenhorst nicht an-
geben. Im N. gehörte dazu das Stedingerland bis zur Hunte . im W. mag die
Hunteniederung gegen Oldenburg die Grenze gewesen sein. Böse, Grofshzgt,
Oldenburg, 1863, 459 f.
Die ehemals zu Oldenburg gehörende Grafschaft Wildeshausen, unter einer
Seitenlinie des Hauses stehend, war 1270 an das Erzstift Bremen ge-
kommen (8. d.).
121. Grafschaft Tecklenburg. Nach dem Aussterben der Grafen
dieses Namens war das Land an eine Nebenlinie der Grafen von Bent-
heim gefallen (1268) und nach dem Erlöschen dieser (1329) an den
Grafen Nikolaus von Schwerin.
Die ältere, im XH. Jh. auftretende Namensform war Tekeneborg, Tikkene-
burg, Techeneburg, Tiegneburg; seit dem XV. Jh. wird das Schlofs auf dem
Osning stets Tecklenburg, Tyclenburg, Tikkelenburg genannt. Das bei Ptole-
mäus II, 11, 12 erwähnte Tekelia (Cluver, Germ. ant. I, III, p. 556) hier-
hinter zu vermuten, ist natürlich völlig haltlos.
Die Grafschaft hatte eine beträchtliche Ausdehnung: vom Teutoburger
Wald an umfafstc sie damals (1375) beide Ufer der mittleren Ems bis unter-
halb Lingen und reichte von hier nach NO. über die untere Hase bis in das
heute südoldenburgische Gebiet: Cloppenburg, Frisoythe bis nördlich nach
Barssel einsehliefslich des Saterlandes. Die Ausdehnung des ältesten Graf-
schaftsbezirkes läfst sich nicht angeben; der heutige Kreis Tecklenburg und
die Niedergrafschaft Lingen gehörten ohne Zweifel hierzu. — 1186 hatte Graf
Simon von Tecklenburg nach einem Streit mit Bischof Arnold von Osnabrück
das Kirchspiel Lienen, .westlich von Iburg am Teutoburger Wald, zu Lehen
erhalten (ausseid iefslich der Iburg). Moser, Osnabr. Gesch. II, S. 80 f.
Essellen, Gesch. d. Gschft. Tekklenburg, Sehwerte a. Ruhr 1S77, S. 13 f.
34. Desgleichen erhielt er für die abgetretene Vogtei über Münster vom
dortigen Bisehof die Burg Haren a. Ems. Cf. Müller, Gesch. von Tecklen-
burg, S. 65.
Unter seinem Sohne Otto I. wurden an der ostfriesischen Grenze die
Burg bei Barssel und die Schnappenburg am Zusammenllufs von Vehne
und Soeste hinzuerobert, aber durch eine Fehde, in die er hineingezogen wurde,
erlitt er mancherlei Einbufse. Die Burg Essen an der Hase (über die Gründung
dieser durch Graf Simon nach 1197 cf. Nie mann, Oldenburgisches Münster-
land, I, 57) war zerstört worden, und der Bischof von Osnabrück hatte an der
Hase den befestigten Ort Quakenbrüek erbaut. Otto suchte sich in der Burg
»to Oite« (jetzt Friesoythe) an der Soeste einen anderen Mittelpunkt.
Mit Otto I. starben 1262 die Tecklenburger Grafen aus. Seit 1268 war
die Herrschaft in der Hand seines Schwiegersohnes Graf Ottos von Bentheim
vereinigt, der alsbald die Grafschaft Bentheim seinem Sohne Egbert, die Graf-
schaft Tecklenburg seinem Sohne Otto II. übertrug. — Unter Otto III. wurde
in sumpfiger Gegend eine neue feste Burg gebaut, die Cloppenburg, 1296.
Nachdem mit Otto IV. 1329 auch die Bentheim er Linie ausgestorben
war, folgte ein Graf Nikolaus von Schwerin, der mütterlicherseits mit den
Tecklenburgern vermutlieh verwandt war. Cf. Holsche, Iiistor.- topogr. Besehr.
d. Grschft, Tecklenburg 1788, S. 51. Essellen 1. c. S. 66. Er suchte sein
Gebiet durch Tausch mit anderen abzurunden und nahm 1340 das Sater-
land ein.
Das Saterland oder Sageiterland (XIV. Jh. : Zagelten, 1400: Sag-
harderland, 1157: Zegeederland, 1554: Sagterland) wird von S. nach N. von der
Sater-Ems durchflössen, die mit der Barsseler Ems vereint die Leda bildet.
Im O. und W. wird es von weiten Sumpf flächen eingeschlossen, so dafs ein
Verkehr nach dieser Richtung hin ausgeschlossen ist. Es war einst politisch
ein Teil der Grafschaft Sögel (Sagelten) auf dem Hümmling und hat von dieser
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240 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
seinen Namen (Sello, S. 9.) Die Bewohner waren deutsch-friesischer Herkunft
(Sello, 20 — 25). Seit dem XII. Jh. war der Templerorden dort tätig. Nach
dessen Unterdrückung 1314 bauten die Sater sich selbst ihre Kirchen zu
Ramsloh, Scharrel und Strücklingen. Im Jahre 1340 nahm es Nikolaus von
Tecklenburg. Über das Ländchen, cf. Niemann, D. Oldenbg. Münsterld. I,
163 ff. Nicberding in Strackerjans Beiträgen zur Gesch. v. Oldenbg. L Bd.
Sello, Saterlands ältere Gesch. u. Verf., mit alter Karte von 1588, Oldenbg.
18%. Siebs, D. Saterland, in Z. Ver. Volkskde., Berlin 1893, 239 ff., 373 ff.,
enthält besonders Volkskundliches. Desgl. Bröring, D. Saterland, in Jhber.
d. Oldenbg. Landesver. IX, 1897.
Otto V., Sohn Nikolaus' I. von Schwerin, hatte die Herrschaft Rheda
im Münsterlande an der oberen Ems von seinem Schwiegervater Simon von
der Lippe 1365 als Brautschatz erzwungen. Vgl. Stüve, Gesch. d. Hochstift.
Osnabrück 1, 325 ff.
122. Grafschaft Bentheim. Sophie, die Tochter des letzten Grafen
Otto II. aus dem Hause Luxemburg, hatte Dietrich VI. von Holland
geheiratet. Er begründet die neue Grafenlinie von Bentheim. Unter
seinem Urenkel Otto V. wurde infolge seiner Heirat mit Heilwig die
Grafschaft Bentheim mit Tecklenburg vereinigt. Doch schon unter
seinen Söhnen wurden sie wieder getrennt, indem Otto (III. f 1284)
Tecklenburg-Lingen erhielt und Egbert (1270—1304) Bentheim.
Über die älteren Grafen ist wenig bekannt. — Das Bentheimerland,
welches der ganzen Länge nach von der Vecht durchflössen wird, bildet heute
einen Teil der preufsisehen Grenze, da, wo diese den stumpfen Vorsprung nach
Holland hinein bildet. Die Grafschaft bestand aus: 1. dem Amte Schüttorf mit
den Orten Schüttorf, Ohne und Gildehaus; 2. dem Amte Northorn mit gleich-
namiger Stadt, Kloster Frenswegen und Stiftsherrschaft Wietmarschen ; 3. dein
Amte Nienhus (Neuenhaus) mit Stadt und dem Dorf Veithausen ; 4. dem Amte
Olsen mit Ülsen und Wilsum; 5. dem Amte Emblichheim (Emplicamp^ mit
Emblichheiin und I^ierwald. Dieses Amt hatte damals zu Grenzen auf der einen
Seite der Vecht: 3 Paren (Palen, Pfähle) bis an den Scheerhorner Kamp, auf
der anderen Seite von Holthorner Schlingen bis zu den Gildener Krügen (ver-
mutlich das Wirtshaus der Gilden zu Emblichheim). — Cf. F. von Raet von
Bögelskamp, Beiträge zur Gesch. Westf., zugleich Versuch einer Provinzial-
gesch. d. Gfsch. Bentheim, 1805, I, 40 f„ 79 f., 113 f. Leo, Territorien II,
44!». Möller, Gesch. d. vormal. Gfsch. Bentheim. 1879, 142 f., 162 f. Im
Jahre 1324 verkaufte aber Graf Johann II. v. B. das Amt Emblichheim mit
vielen Gerechtsamen an Gottfried von Borkclo. Möller, S. 177.
123. Ostfriesland. Die Laubachbucht (Laweke, Lauwer-Zee) in
Nordholland ist als Volksgrenze für die sozialpolitischen Verhältnisse
unter den Friesen von grofser Bedeutung. Seit 923 dient sie als Grenze
des zu Deutschland gehörigen östlichen Frieslands bis zur Weser. Da-
gegen bildete die Ems bis zum XIII. Jh. keine wichtige Trennungslinie ;
erst später wird sie zur Begrenzung friesischer Landesteile gebraucht.
Anfangs unter Grafen stehend, wie anderswo im Frankenreiche, hatten
einzelne Distrikte infolge heftiger Kämpfe mit den Landesherren seit
dem XIII. Jh. eine andere politische Entwicklung durchgemacht. Einige
Landschaften gewinnen eine selbständige Stellung als Gemeinde mit
12 — 10 Consules (Redjeven) au der Spitze und suchen sich der Grafen-
n lacht vollends zu entziehen. Zur Sicherung des Landfriedens halten
sie auch zeitweise Bundesversammlungen beim Upstalsbom ab; aber
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123. Ostfriedand
241
von einer einheitlichen geschlossenen, freien Republik zwischen Zuiderzee
und Weser kann keine Rede sein. Im XIV. Jh. stand das Land unter
Häuptlingen (capitales, capitanei), die als reiche und mächtige Grund-
besitzer das sonst jährlich wechselnde Richteramt in ihren Familien
erblich zu machen wufsten und zur Festigung ihrer Macht steinerne
Burgen mit Wall und Graben aufführten, während vordem steinerne
Häuser aufser Kirchen in Friesland nicht gestattet waren.
Karl der Grofse hatte 775 und 785 das Land östlich vom Laubach bis
zur Weser unterworfen und 785 für alle drei Teile von Friesland die lex
FrisioHum sowie 802 die Additio legis Fiisionum erlassen. Die von den Kaisern
den Friesen verliehenen Sonderrechte, auf Grund deren sie ihre Freiheit seit
dem XIII. Jh. behaupteten , suchten sie durch untergeschobene Urkunden
(Karls des Grofsen von 802, König Wilhelms 1248 und König Rudolfs 1276)
zu erweisen. Sie sind sämtlich unecht, wie K. von Richthofen, Unters, üb.
fries. R. II. 1, 145 ff. überzeugend nachgewiesen hat.
Seit alters haben beim Upstalsbom in der Nähe von Aurich nach altem
Brauch (more vetustissimo) Versammlungen von Delegierten (juratf) der friesischen
Distrikte stattgefunden behufs Wahrung des Landfriedens, Verteidigung des
Landes gegen Feinde u. a., wie der Abt Emo vom Kloster Witte-Wierum im
Fivelgo für die Jahre 1216, 1224 und 1231 bezeugt. Die 15 Küren und 24 Land-
rechte (aus dem XII. Jh.) sind nach Richthofen von jenen jurati geschaffen
worden, von Richthofen I, 200. Seit 1231 ruhten die Versammlungen und
wurden erst 1324 wieder aufgenommen, als kurz vorher die Westergoer an der
Zuiderzee durch die leges Upstalsbomicae den Bund erneuerten. Indes fanden
Versammlungen auch nur bis 1327 statt. — Der Upstalsbom stand nach
den übereinstimmenden Angaben der Quellen des XIII. bis XIV. Jh. bei Aurich
zwischen Westerende und Rahe. Er scheint ein Eichbaum (oder mehrere) auf
einer mäfsigen Erhebung gewesen zu sein, über den Namen und die Lage des
U. vgl. Richthofen, Unters. I, 307 II., 317 ff. Mithoff, Kunstdenkmale u. Altert,
im Hannoverschen (1880) VII, S. 187.
In der Grafenzeit war Friesland politisch in Gaue eingeteilt, später in
terrae (Landdistrikte), die den ganzen früheren Gau oder nur einen Teil um-
fafsten. Diese terrae zerfielen bisweilen wieder in coetus, distrietus, östlich der
Ems quadrantes mit eigenen consules. Blök, Friesl. im Ma. S. 41.
Eine eigene Bewandtnis hat es mit den sog. >Sieben friesischen
Seelanden , terrae nuiritimae, die in den leg. Üpstalsb. erwähnt werden,
und die in einem Traktat des XV. Jh. nach ihrer geographischen Lage einzeln
namhaft gemacht werden. Der Traktat ist von K. von Richthofen, Unters. II,
1 — 145 nach Wert und Bedeutimg geprüft und kommentiert worden. Wir
haben in diesem Traktat nur einen später gemachten Versuch zu sehen, an-
zugeben, welches jene sieben vermeintlichen Seelande gewesen wären und
welche friesischen Landesteile zu jedem von ihnen gehört hätten. Auf keinen
Fall sind diese Seelande als politische Staatekörper zu denken , die als sieben
selbständige Republiken den Upstalsbomer Buna zusammengesetzt haben; viel-
mehr sind sie lediglich geographische Begriffe, d. h. auf Grund der hydrographischen
Verhältnisse abgesonderte Landschaften, die nicht einmal vollständig von Friesen
bevölkert waren. Es sind folgende: Erstes Seeland, westlich der Zuiderzee
zwischen Maresdiep (damals eine Wasserstrafse, die durch Nordholland führte)
und Flie, also Wcstfriesland umfassend. Zweites Seeland, zwischen Flie
und Bordena (eine später zugedeichte Strömung zwischen Wester- und Ostergo)
bis Leuwarden, also ein Teil des Westergo und Sudergo. Drittes Seeland,
zwischen Bordena und Laweke (Laubach), bestehend aus dem alten Ostergo
und Teilen des Woldago. Viertes Seeland, zwischen den Gewässern bei
Liamer (ein von der Zuiderzee nach N. streichendes Seengebiet) und der
südlich von Vollenho und der Drenthe sich hinziehenden Reest nördlich von
Kretuchmer, Historische Oeofraphie 16
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242 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Kampen, also die Gaue Waldago, Fulnaho, Thriante (Drenthe). Fünftee
Seeland, von dem Laubach längs der Nordsee bis zur Ems, umfafst die
Ommelande nebst Groningen und den auf dem linken Ufer der Ems gelegenen
Teil des alten Emesga, d. Ii. die Gaue Hug-merke, Hunesga und Fivelga,
Groningen mit dem Westcrwoldingerland und das Reiderland. Sechstes
Seeland, zwischen Ems und Jade, die alten pagi Emesga (teilweise), Asterga
und Nordendi. Aus dem Emesga gingen später die Landdistrikte : Emsigerland
nebst dem 1250 abgetrennten Brokmerland, ferner Reiderland, Mormonnaland
und Overledingerland hervor; aus den übrigen bis zur Jade die Distrikte
Astringerland nebst Auricherland, Nordeucrland , Harlingerland , Wangerland
und Rüstringerland. Siebentes Seeland, zwischen Jade und Weser, be-
stehend aus dem pagus Riustri, dem späteren Rüstringerland (Riostringoland).
Letzteres wurde im XUl. Iiis XIV. Jh. in vier Teile (quadrantes oder Fiardandetc)
geteilt; ein Viertel lag westlich der Jude, die anderen drei östlich von ihr. Das
erstere wird nach einem jetzt überfluteten Ort das > Viertel Bant« genannt ; die
übrigen drei waren Oldensum. Blekese und Langwerthe; cf. Urk. 1315 bei
Ehmck II, S. 163; im XIV. Jh. tritt an Stelle der letzten drei die Trennung
in Butjadinger- und Stadland auf. — Vgl. von Richthofen 1. c. II, 6 f., 115—145
mit zugehöriger Karte.
Grundlegend und erschöpfend für die Geschichte und Geographie des
älteren Frieslands ist das Werk von Karl von Richthofen, Untersuchungen
über friesische Rechtögeschiehte I, II. Teil, Berlin 1880, 82; ferner seine Ein-
leitung zur lex Frision. in MG. Leg. III. — Demgegenüber sind teilweise ver-
altet: Wiarda, Ostfriesische Geschichte, 1791 ff. Freese, Ostfriesland und Har-
lingerld., 1796. L. von Ledebur, Die fünf Münstersehen Gaue und die sieben
Seelande Frieslands, Berlin 1836. Onno Klopp, Geschichte Ostfrieslands 1.
Hannover 1854. Recht brauchbar sind: Ho oft van Iddekinge, Friesland
en de Friezen in de middeleeuwen, Leiden 1881. de Vries und Focken,
Ostfriesland, Emden 1881, geben S. 440—456 ein Verzeichnis aller Karten von
Ostfriesl. seit 1540. Houtrouw, ( )stfrieslund, Aurich 1889, schildert das Land
am Ende der Fürstenzeit, ist aber auch für die ältere Geogr. wichtig. Blok.
Friesl. im Mittelalter, übers, v. Houtrouw, Leer 1891. Für bringer, Die Stadt
Emden, 1892. Heck, altfriesische Gerichtsverfassung, 1894.
124. Grafschaft Holland und Zeeland. Wie überall die grofsen
Stammosherzogtümer sich in Grafschaften oder kleinere Herzogtümer
auflösten, so war es auch in Niederlothringen der Fall, wo einige
Dynasten sich mehr und mehr selbständig zu machen wufsten. Von den
wenigen Grafengeschlechtern, die bleibende Dynastien gründeten, ragte
dasjenige des Kinnemerlandes besonders hervor. Es fand einen Rück-
halt an den deutschen Kaisern, die angesichts der immer noch fort-
dauernden Xorinanneneinfälle in dieser Gegend eine kräftige Stütze
nötig hatten. Das Land zwischen Maas und Flie bildete die Martina
Frcsiar, ihre Verwalter waren die Comitea oder March iones in Frcsia.
Unter den ersten Grafen, die von den Karolingern und Ottonen be-
günstigt wurden, tritt zunächst Dietrich (Dirk) HL auf der Wende des
X. und XL Jh. hervor. Die Sicherung des Landes und die Erweiterung
des Machtbereiches veranlal'ste die Grafen wie anfangs gegen die Nor-
mannen, so auch gegen die Westfriesen vorzugehen. Aber auch gegen
die anderen Nachbarn, den Bischof von Utrecht und die Grafen von
Flandern, mufsten sie sich wehren; dem ersteren entrifs Dietrich III.
die Grafschaft um Bodegraven am Rhein. In der Merwede (im Mün-
dungsgebiet der Maas; s. auch Phys. G. S. 87) hatte er bei Dordrecht
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125. Herzogtum Geldern. 243
eine Zollstelle ungelegt, wodurch er in Fehde mit seiner ganzen Nachbar-
schaft geriet, aber siegreich hervorging. In eben jener Zeit kam der
Name Holland für diese Gebiete auf. Das Grafengeschlecht, welches
gelegentlich auch nach der deutschen Kaiserkrone gestrebt hatte (Wil-
helm von Holland 1247), starb 1299 mit Johann I. aus, welchem sein
Neffe (Sohn einer Schwester Wilhelms II.) Johann 11., Graf von Henne-
gau, folgte. Die schon im XII. Jh. begonnenen Kämpfe der holländi-
schen Grafen mit Flandern wegen der Maas- und Scheide-Inseln fanden
mit der Abtretung ganz Zeelands an Holland im Jahre 1323 ihren Ab-
schlufs. Doch starb mit seinem Enkel Wilhelm IV. der Hennegauer
Mannesstamm bereits aus. Aus den nachfolgenden Kämpfen zwischen
der Kaiserin Margarete, die als Gräfin von Hennegau die Grafschaft von
ihrem Gemahl zugesprochen erhalten hatte, und ihrem Sohne Wilhelm,
Herzog von Bayern, den sie anfänglich selbst zum Statthalter ernannt
hatte, ging letzterer 1351 als Sieger hervor und wurde 1354 als Graf
von Holland und Zeeland anerkannt,
Der Name Holland scheint sieh anfangs nur auf die von dichtem
Huschwerk erfüllten Niederungen zwischen Mcrwede und Maas beschränkt zu
haben. Doch ging der Name mit Ausdehnung des Machtbereiches der Grafen
auf deren ganzes Territorium nördlich der Maas über, also auf jene Provinzen,
die noch heute Nord- und Südholland im engeren Sinne sind. Die Etymologie
des Namens ist strittig: bald deutet man ihn auf Oiiland, d. i. ödes l>and, bald
auf Holtland, d. i. Holzland, jene von Flufs und See beherrsehte Wildnis, wes-
halb der holländische (Jraf auch als comes aquarum oder aquaticus, * Wassergraf ,
bezeichnet wurde. Im Jahre 1081t wird Dietrich V. urkundlich Theodoricus
dei gratia Holtlandensis comes genannt, seine Mutter cotnitissa Holthnidensis. Andere
Formen auch schon im XI. Jh. sind Hollandia, Hollandt; bei Helmold, Chron.
slav. I, 63 u. ö. heifsen die Bewohner Hnllandri
Die holländischen (trafen hatten mit den Westfriesen in fortwährendem
Kampfe gelegen, der erst 1289 zum Abschluß gebracht wurde und auch Nord-
holland in ihre Gewalt brachte. — Viel hartnäckiger war der Streit mit Flandern
wegen Zeelands, des Landes zwischen Bornisse bei Geervliet und Hedensee (der
Scheide). In West-Zeeland hatten die flämischen Grafen (Boudewyn IV.) durch
Konig Heinrich II. bereits Waleheren, Beveland, Borselen, Wolfaartsdyk zu
Lehen bekommen, während die holländischen auf Schouwen begütert waren.
Seit der zweiten Hälfte des XII. Jh. wogte der Kampf zwischen den Nachbarn,
der erst im Jahre 1323 durch einen Schiedsspruch beigelegt worden ist. West-
Zeeland kam zu völligem Eigentum an Graf Wilhelm von Holland.
We nzel burger, Gesch. der Niederlande, Gotha 1879, I, 103 ff. Blok,
Gesch. d. Niederlande, Gotha 1902. I. 154 — 157, 229 ff. Pirenne. Gesch.
Belgiens, Gotha 1899, I. 138.
125. Herzogtum Geldern. Im Lande zwischen Ijssel und Waal
fungierten im Anfang des XI. Jh. einzelne Grafen, unter denen die Grafen
von Wassenberg zu einer prädominierenden Stellung sich aufschwangen;
sie besafsen auf der Wende zum XII. Jh. die Grafschaft um Geldern
sowie Teile von Hamalant, Teisterbant und Güter an der Waal. Als
erster Graf tritt Gerhard I. von Wassenberg um 1070 hervor. Sein
Sohn Gerhard II. heiratete die Erbtochter Irmingard des Grafen Otto
von Zütphen und Hamalant, und hierdurch erfuhr Geldern unter Hein-
rich I. 1179 einen gröfseren Landzuwachs. Heinrichs Sohn, Otto I.,
16*
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244
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
wurde überdies vom Grafen von Löwen mit der Veluwe belehnt. So-
mit war ein grofser Teil der heutigen Provinz Gelderland schon damals
vereinigt. Die Ansprüche, die später Rainald I. auf das Herzogtum
Limburg gegen Adolf von Berg machte, wurden durch die Schlacht bei
Woringen 1288 vereitelt. — Am 19. März 1339 erhob Kaiser Ludwig
die Grafschaft Geldern auf dem Reichstag in Frankfurt zum Herzogtum,
und Rainald II. und seine Nachfolger führten fortan den Titel : * Herzöge
von Geldern und Grafen von Zütphen«. Er nahm damals auch Friesland
zwischen Flie und Lauwers vom Kaiser in Pfand, doch hat er dort nie
seine Herrschaft zur Geltung gebracht.
Die Grafen von Geldern waren auch eifrig bestrebt, ihren Hausbesitz zu
vergrößern, und besonders Otto II. (1229 — 1217) hat in diesem Sinne gewirkt.
Im Oktober 1247 erhielt er von König Wilhelm die alte Kaiserburg zu Nvm-
wegen zu Lehen. Vgl. Blok, Gesch. d. Niederl. I, 181, 293—205. Wenzel -
burger L c. I, 407 ff. <i. Müller, Entwickl. d. Landeshoheit in Geldern, 1889.
126. Bistum Utrecht. Der erste Bischof, welcher den Grund zur
weltlichen Herrschaft legte, war Balderich (918). Nach den erstmaligen
Erwerbungen um Utrecht herum gab ihm Kaiser Otto I. 944 alles Land
zwischen Lek und Zuiderzee, die damals noch einen geringeren Umfang
hatte. Das Bistum wurde von den deutschen Kaisern in jeder Weise
begünstigt, da ihnen angesichts der zunehmenden Machterweiterungen
der weltlichen Herron ein Gegengewicht in Gestalt eines ihnen ergebenen
Kirchenfürsten wünschenswert erscheinen muiste. Durch Otto III. kamen
Bommel und Arkel an das Stift, bald auch die Gaue Niftarlake und
Fletheti. Im Jahre 1024 erwarb es vorübergehend die Grafschaft Drenthe,
1027 die Grafschaft Teisterbant, 1040 die Villa Cruoninga (Groningen).
1042 die Grafschaft Umbalaha (Vollenhove?), ferner Twenthe, 1046 die
Gegend um Deventer und Drenthe endgültig aus der Erbschaft Herzog
Gozelos von Niederlothringen.
Reiche Vergabungen an die utrechtsche Kirche hatten bereits die Karo-
linger gemacht; so Karl der Grofse 777 die Villa Leusden an der Ems mit
allen Heiden und Wäldern und eine Insel im Lek mit der Kirche von Dore-
stadt. Aber auch aufserhalb des nächsten Bereiches in Geldern, Holland, Zee-
land, Friesland und Limburg erwarben sie Güter, Dörfer und Kirchen; vgl.
Blok 1. c. 1, 1G3 f. Wenzelburger 1. c. I, 582 ff.
127. Herzogtum Brabant. Unter den lothringischen Fürstentümern
nahm es schon infolge seiner zentralen Lage die hervorragendste Stellung
ein. Es bildete anfangs nur einen einzelnen Gau, dessen Grafen in
Löwen ihren Sitz hatten. Heinrich I. (1183 — 1235) nannte sich zuerst
i Herzog von Brabant und Lothringen«. Sein Territorium umfafste den
weiten Raum von der Maas im N. und der Scheide im W. südwärts bis
Hennegau und Namur und ostwärts bis zum Lütticher Stift. Es umfafste
mit Ausnahme von Nivellcs und Soignies nur vlämische Völkerschaften,
war aber in den ältesten Zeiten als ein mit Heidegestrüpp bedecktes
Land sehr schwach bevölkert. Die Schlacht bei Woringen 1288 erhöhte
die Machtstellung Brabants und vergröfserte auch das Territorium, indem
Limburg fortan mit ihm bis zum Schlufs des XVIII. Jh. vereinigt blieb.
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128. Bistum Lüttich. 129. Grafschaft Flandern. 245
Mit dieser Erwerbung war zugleich auch die Beherrschung der von
Deutschland nach den Niederlanden führenden Strafsen verbunden und
die Beherrschung der Maaslinie.
Diegrofsartige wirtschaftliche Entwickelung und Blüte hatten die Macht-
stellung der Herzöge gehoben, aber mit der unruhigen Nachbarschaft lagen
sie auch fast unausgesetzt in Fehde. Mit dem Tode Johanns III. 1355 trat
Brabant in Verbindung mit dem Herzogtum Luxemburg durch die Heirat seiner
Tochter Johanna mit Wenzel von Luxemburg. — Pirenne, Gesch. Belgiens
1899. I, 137 f., 271 f., mit weiteren Literaturangaben. Blok, Gesch. d.
Nicderl. I, 295 ff. 298. Über die territoriale Entwickelung auch der anderen
Fürstentümer vgl. besonders Vanderk indcre, Histoire de la formation terri-
toriale des principautes beiges, 1897.
Herzogtum Limburg. Das Ländchen östlich der Maas im Gau
Hasbanien zwischen Maastricht und Aachen hatte anfangs unter Grafen ge-
standen, die seit Anfang des XII. Jh. auch Herzöge von Niederlothringen
waren (Heinrieh I.). Verloren sie freilich noch in demselben Jahrhundert das
Herzogtum, so behielten sie doch den Titel für sieh und ihr Land bei. Drei
feste Schlösser beherrschten das Ländchen: Rode (s' Hertogenrade), Herven und
Spremont. Der letzte Fürst des Limburger Hauses, Walram III., starb 12*0, und
seine an Reinald I. von Geldern vermählte Tochter Inningard brachte ihrem
Gatten Titel und I^and zu; ihm sollte Limburg auch nach Irmingards Tode
verbleiben. Walranis Bruder Adolf, Graf von Berg, erhob jedoch Anspruch
auf Limburg, trat aber 1283 seine Ansprüche käuflich an den Herzog Johann
von Brabant ab. Die hierüber ausbrechende Fehde mit Geldern beendete
Johanns Sieg bei Woringen. Blok 1. c. I, 304. Wenzelburger I, 410.
128. Bistum Lütt ich. Wie Utrecht, so bildete auch dieses Bistum
einen Stützpunkt für die Politik der deutschon Kaiser und wurde auch
aus diesem Grunde von ihnen begünstigt. Infolge der mannigfachen
Schenkungen, die jeweilig nach Umständen erfolgten, wenn Territorien,
Güter und Burgen etc. gerade zur Verfügung standen, stellt das Stift
Lüttich auf der Karte einen merkwürdigen Länderfetzen dar. Aufser
dem langgestreckten Gebiet westlich der Maas (an ihrem moridionalen
Lauf) bis südlich über die Maas bei Lüttich hinaus und um die Graf-
schaft Namur herum besafs es noch Enklaven in Brabant (Mecheln), im
Hennegau und in Namur (Dinant, Fosses, Walcourt, Chimay). Im Jahre
980 hatte es Immunität für seine Besitzungen erlangt. Das Herzogtum
Bouillon in den Ardennen erwarb es 1096, etwas später die Graf-
schaft Clermont; Maastricht befand sich 1215 zur Hälfte im Besitz von
Lüttich, zur anderen im Besitz Heinrichs von Brabant, der es von Kaiser
Friedrich II. zu Lehen besafs.
Vgl. Henaux, Histoire du pavs de Liege, Lüttich 1876, Blok 1. c. I,
186. Pirenne 1. c. I, 140 f.
Das kleine Bistum Cambray (Kamerich) war in seiner Entwickelung
durch Hennegau beengt und hat sich deshalb niemals zu einer hervorragenderen
Stellung aufschwingen können.
129. (Grafschaft Flandern. Sie bildete nicht mehr einen Teil des
deutschen Reiches, denn die Scheide war die altangestammte Grenze zwi-
schen Neustrien und Austrasien gewesen, wie auch bei den späteren
Reichsteilungen. Der erste nachweisbare Graf war Boudewyn (Balduin),
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246 VI. Politische Geographie um da» Jahr 1375.
der auf dem Schlofs zu Brügge residierte. Während anfänglich der
gräfliche Machtbereich die Gegend um Brügge und Sluys umfafste, dehnte
er sich sehr bald weiter nach S. aus; schließlich kam ein Teil von
Artois bis zur Canche hinzu. Aber auch nach N. und 0. suchten
die Grafen ihr Gebiet zu vergröfsern, und sie wufsteu Kaiser Heinrich II.
zu drängen, ihnen die Burggrafschaft von Gent, das Land Waes, die
vier Ambachte und Walcheren mit Nord- und Süd-Beveland zu Lehen
zu geben. Die deutschen Lehen Flanderns bildeten seitdem Reichs-
Flandern, der französische Teil das sog. Krön -Flandern. — Im
XI. Jh. trat die erwähnte Verbindung mit Hennegau ein, die 1070 wieder
aufgehoben wurde, da Robert der Friese Flandern an sich rifs, während
der Sohn der Richildis Hennegau erhielt. Nach dem Tode des Urenkels
jenes Robert, Philipps (f 1 191), wurden durch die Vermählung von dessen
Schwester Margarete mit Balduin V. von Hennegau beide Länder wieder
vereinigt (s. Hennegau und Holland).
Der Name Vlaeland = überschwemmtes Land tritt zuerst im VI 1.. Jh.
auf; im X. Jh. wird das Land nunchia und der Herrscher marchio, Markgraf
(gegen die Normannen) genannt. — Von den französischen Teilen Flanderns,
besonders Artois, ging am Ende des XII. Jh. und 1320 ein grofser Teil wieder
an den französischen König verloren. Vgl. Vanderkindere 1. c. I. 44 lt. Blok
1. c. I. 151. Pirenne I. 103 IT. Die Bewohnerschaft Flanderns war germanischer
und romanischer Abkunft. Flandern« und »Vliimen« haben lange keine
ethnographische Bedeutung gehabt, i Der Wallone aus Amts und der Dietsche
aus Gent oder Brügge wurden in gleicher Weise als Vliimen angesehen. « Gans
allmählich ohne Gewalt ist aber schon im Mittelalter die französische Sprache
und Kultur weiter nach N. vorgedrungen; vgl. hierüber Pirenne I, 365 f. Kurth,
La frontiere linguistique en Belgique, Brüssel 1898.
Die Grafschaft Namur oder Namen, zwischen Hennegau. Brabant
und Lüttich eng eingeschlossen, hatte nachweisbar seit dem X. Jh. unter Grafen
gestanden. Sie umfafste auch den westlichen Teil der Landschaft Condroz (süd-
lich der Maas). Zur Zeit Balduins V. von Hennegau wurden auch Namur und
Laroche mit Hennegau und Flandern vereinigt.
Aufser den oben behandelten gröfseren Territorien gab es noch eine
ganze Anzahl kleinerer selbständiger Gebiete, die in jenen und im Lützel-
burgischen verstreut lagen. So: nördlich von Lüttich die Grafschaft Loon
oder Looz, an der Semoy die Grafschaft Chiny, die Herrschaften
Breda, Stryen, G rimbergen, Valkenburg, die Grafschaften Hoorn,
Kuik, Duvas, Aerschot u. a. m. Über sie vgl. Vanderkindere 1. c.
130. Grafschaft Hennegrau. Das Grafengeschlecht, in welchem der
Name Reginar häufig ist, wird hier seit dem IX. Jh. angetroffen. Mit
Reginar V. starb die männliche Linie des Grafenhauses um 1040 aus, und
seine Tochter Richeldis, die an den Grafen Balduin VI. von Flandern ver-
mählt war, erbte die väterliche Grafschaft, die kurze Zeit (bis 1070) mit
Flandern vereinigt war. Eine abermalige Vereinigung beider Länder,
und zwar ebenfalls durch Heirat, fand 1191 statt. Wilhelms I. Tochter
Margarete brachte schliefslich Hennegau samt dem inzwischen auch er-
erbten Holland und Zeeland ihrem Gemahl, dem Kaiser Ludwig von
Bayern, zu; vgl. im übrigen Grafschaft Holland.
Der Hennegau, lateinisch Hanonia. französisch Je Hainant, umfafst einen
Teil des niederbelgischen Hügellandes an der oberen Sambre bis westlich zur
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131. Herzogtum Lützelburg. 247
Scheide. Den politischen Mittelpunkt und zugleich eine der stärksten Festungen
bildete damals die Burg zu Bergen, Möns, das capnt Hanoniae. Das Land hatte
eine rein wallonische Bevölkerung. Gislebert, Chronieon Hanoniense, ed.
Arndt, 1869. Du vi vier, Recherchen sur le Ilainaut ancien, Brüssel 1866.
Pi renne L c. I, 136. Blok 1. c. I, 149, 185.
131. Herzogtum Lützelburg. Graf Siegfried verwaltete eins Graf-
schaft im Moselgau, während sein Bruder Giselbert dem Ardennengau
vorstand. Ersterer war mit vielen Besitzungen in jenen Gegenden vom
Vater her ausgestattet. Im Jahre 963 erwarb er die Burg Lützelburg
im Methingau vom Kloster St. Maximin in Trier. Erst einer seiner
Nachkommen, Wilhelm (f 1128), nannte sich nach ihr: -Graf von Lützel-
burg«. — Siegfrids Enkel teilten sich in das Erbe: Heinrich II. war
Graf im Bedgau (später Herzog von Baiern), starb aber kinderlos 1047 ;
Friedrich erhielt die Limburger Herrschaften, die durch seine Tochter
Judith an Walram von Arlon kamen; ein jüngerer Bruder Siegfrid
hatte eine Grafschaft im Saargau und Saarbrücken (Stammvater des
Saarbrücker Hauses), während Giselbert im Besitz der Grafschaft Salm
und der Lützelburger Lande den Hauptast des Hauses fortsetzte. Von
seinen Söhnen Konrad I. und Herrnann I. stiftete letzterer die Neben-
linie Salm in der zugehörigen Grafschaft.
Lutze Iburg, eigentlich Lucilinbiirch, später Luxemburg, hiefs die Bur
neben welcher die gleichnamige Stadt entstand. Die männliche Linie des
Grafen Siegfrid war 1136 erloschen; sein Land fiel auf dem Erbwege an
Heinrich I. von Namur und kam 1191 durch dessen Tochter Ermesindis an
Walram III. von Limburg und Arlon (f 1226). Ihr Sohn war Heinrich III.;
er erhielt Lützelburg, während ein anderer Sohn Walrams aus erster Ehe,
Heinrich IV., Limburg bekam. Im Jahre 1310 kam Lützelburg an Johann von
Böhmen , den Sohn des zum Kaiser gewählten Grafen Heinrich (VII.) von
Lützelburg. Unter Johanns Sohn Wenzel wurde die Grafschaft 1354 von Kaiser
Karl IV. zum Herzogtum erhoben. — Im XII. Jh. umfafste die damalige
Grafschaft das Gebiet, welches von Sierck an der Mosel an nordwestlich bis
Longwy (letzteres gehörte zu Bar) hinaufreichte, weiterhin das Land der
oberen Ourthe und im O. bis zur Our und Sauer. Die Gebiete an der Ourthe
waren im XII. Jh. erworben worden; damals auch die Vogtei über Stablo
Stavelot) in den Ardennen. Abgetrennt war die G raf sc ha f t Salm (Alt-
Salm, VieilSalm); die Ruinen der Burg liegen auf einer Höhe an der Albe.
Sie umfafste das ganze obere Tal der Ambleve, eines rechtsseitigen Neben-
flusses der Ource. Gestiftet wurde die Linie Salm von Giselberte Sohn,
Hermann I. Durch die Söhne Hermanns II. fand eine Teilung der Linien statt:
Heinrich I. erbte die alte Grafschaft in den Ardennen , während der jüngere,
Hermann HI., durch seine Gemahlin Agnes, Erbgräfin von Langenstein, in
den Besitz grofser Gebiete im Wasgau kam. Jener ältere Grafschaftebezirk
hiefs seitdem Niedersalm; derjenige im Wasgau Obersalm (s. d. weiter
unten).
Lützelburg hatte später noch eine namhafte Erwerbung gemacht, nämlich
im W. die ganze Grafschaft Chiny, die bis 1336 im Besitz des Hauses
Looz gewesen war. Die eine Hälfte derselben kam damals aus der Hand
Dietrichs III. von Heinsberg an Lützelburg, die andere 1350 aus «lern Besitz
Arnolds von Orville, Herrn von Ruminen. — Einiges kam auch von Lützelburg
ab, so unter Wenzel um 1354 die Burgherrschaft Mirewart und die Vogtei
St. Hubert an das Stift Lüttich. — Im übrigen vgl. Schotter, Einige kritische
Erörterungen über die frühere Gesch. der Gfsch. Luxemburg, Lux. 1859. Ders.,
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248
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Gesch. des Luxemburger Landes, Lux. 1882. van Werveke, Beiträge zur
Gesch. d. Luxemburger Landes, 1886 f. und seine Zeitschrift »Das Luxembg.
Land« seit 1882.
132. Erzbistum Cöln. Schon frühzeitig hatten Merowinger und
Karolinger dem Bistum, dessen erster Bischof im IV. Jh. Maternus ge-
wesen ist, namhafte Schenkungen gemacht. Zur Zeit Ottos des Grofsen,
als dessen Bruder Bruno das Erzstift und Herzogtum Lothringen ver-
waltete, konnte der weltliche Machtbereich leicht vergrüfsert werden.
Noch mehr hatten die in der Diözese sitzenden Dynastengeschlechter
und nicht zum wenigsten die Erzbischöfe zur Vergröfserung des Erzstiftes
beigetragen, indem sie ihre eigenen Familiengüter jenem überwiesen.
Im XIV. Jh. umfafste es grofse, wenn auch nicht zusammenhängende
Landgebiete links und rechts des Rheins, unter den letzteren das Herzog-
tum Westfalen.
Auf der linken Rheinseite lag das Stammgebiet des Erzstiftes Köln. Die
Stadt selbst, die reichsstädtische Rechte übte, war früher die Residenz der
Erzbischöfe gewesen, doch nach dem Aufstande von 1268 hatten diese ihre
"Wohnung in Bonn genommen. — Unmittelbar dem Rhein entlang zog sich in
wechselnder Breite ein zusammenhängendes Gebiet . welches folgende Ämter
umfafste: 1. Hilchenrath (auf dem rechten Ufer der Erft) aus einer
früheren Grafschaft hervorgegangen, war teilweise an das Erzstift durch Kauf
gekommen (1314. 2. Liedbergen links der Erft mit Odenkirchen, mit welchem
später verschiedene Dynasten belehnt wurden. 3. Das Co In er Land, über
welches der Erzbisehof die Erbvogtei besafs. 4. Die Abtei Deutz, die seit
dem Anfang des XL Jh. reich mit Besitzungen ausgestattet war, die freilich
sehr zerstreut (bis nach den Niederlanden hinein) lagen. Auch die Städte
Neufs und Zons a. Rh. gehörten zum Stift. 5. Das Amt Bonn mit den um-
liegenden Dörfern und den Dingstühlen Dottendorf, Walldorf. Widdig und
Dustorf. 6. Lechenich mit Bliesheini, Erp, Friesheim, Gymnich, Ilermühlheim.
Liblar, Müddersheim, Strasfeld. 7. Brühl mit Bergdorf, Brauweiler, Glewel,
Junkersdorf, Keldenich, Kendenich, Kenten, Königsdorf, Löwenich, Mauen-
heim, Merrheim, Munzersdorf, Niehl, Ossendorf, Quadrath, Rofsberg, Schwa-
dorf, Walberberg, Weilerswist. 8. Godesberg und Mehlem mit der Stadt
Unkel am rechten Rheinufer und den Dörfern Rheinbreitbach und Scheuren
sowie der Insel Rolandswerth (Nonnenwerth). Hierzu gehörten die Herrschaften
Drachenfels, Königswinter und Wolkenburg. 9. Rheinbach (Rhenobacum),
von Konrad von Hochstaden geschenkt, mit der Herrschaft Sürsch. 10. Hardt
mit den Herrschaften Antweiler, Ariof, Weingarten, Klein-Bullesheim, Esch,
Marmagen, Wahlen, Sazfey, Weyer, Zingsheim. 11. Nürburg mit Adenau
und Baarweiler und den Herrschaften Kaldenborn und Kallreifferseheid.
12. Altenahr mit Ahrweiler und den Herrschaften Wensberg, Hersbach, Kirch-
sahr, Sahr, Lind. Vischel. — Kleinere Enklaven waren ferner: 13. Andernach,
welches durch Reinhold von Dassel an Köln kam. 14. Zülpich, zum Teil
pfälzisches Lehen bei Jülich, mehrfach verpfändet, kam 1368 wieder an das
Erzstift. 15. Rense, wo das Erzstift schon frühzeitig Fufs gefafst hatte.
16. Rachtig und Zeltingen an der Mosel. — Im Norden sind ferner zu nennen:
17. Kempen mit den Herrschaften Anrath, Hüls, Neersen. Zoppenbroch.
18. Rheinberg mit den Herrschaften Alpen, Issum und Kloster Kamp. Rechts
des Rheines lagen 19. Linz und Altwied mit den Herrschaften Dattenberg,
Lahr, Erpel und Schönstein. Ein gröfseres Gebiet besafs das Erzstift seit dem
XUI. Jh. in: 20. der Feste Recklinghausen mit der Stadt Dorsten, den
Flecken Boer und Hornbergbach. 21. Das Herzogt um West falen (s. nach-
folgenden Paragraphen).
Uber die Einzelheiten vgl. besonders > Historisch-geographische Beschreibung
des Erzstiftes Köln. Eine notige Beilage zu Herrn Büschings Erdbeschreibung:.
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133. Herzogtum Westfalen. 249
Frankf. a. M. 1783. Daselbst werden auch sämtliche Städte, Flecken, Dörfer etc.
in den vorher genannten Ämtern namhaft gemacht; S. 157—16(1: Verzeichnis
der Städte, Flecken, Dürfer, Rittersitze mit erzbischöflicher Gerichtsbarkeit.
S. 167—169: Verzeichnis der Kirchspiele, Dorf- und Ortschaften des Er/stiftes
C'oln. S. 170—178: Verzeichnis der exemten adeligen Sitze und Häuser im
Erzstifte Cöln. F. Walter, das alte Erzstift und die Reichsstadt Cöln. 1866.
133. Herzogtum Westfalen. In dem Gebiet zwischen der oberen
Lippe und Lenne hatten die Erzbisch öfe von Cöln schon frühzeitig
Fufs gefafst und durch geistliche Stiftungen segensreich gewirkt, ohne
dafs sie als Territorialherren etwa über grofsen Landbesitz daselbst ver-
fügten. Im Gegenteil, was ihnen durch Erbteilungen unter den west-
fälischen Grafen zugefallen war, hatten sie ineist an die Dynasten des
Landes zu Lehen weitergegeben. Erst als sie nach dem Sturze Heinrichs
des Löwen (1180) das Herzogtum selbst erwarben, suchten sie durch
Vergrüfserung ihres Besitzes die Landeshoheit fester zu begründen.
Einen erheblichen Zuwachs erfuhr ihr Gebiet, als der letzte Graf von
Arnsberg im Jahre 13(>8 sein Land ganz an das Erzstift abtrug.
Otto I. hatte 936 Hermann Rillung das Herzogtum Sachsen übertragen
zur Sicherung der Grenze gegen die Slaven; doch kann hier nur Ostsachsen
verstanden werden, da den Dukat in Westsachsen Egbert und seine Nach-
kommen bekleideten. Nach dem Abtreten der sächsischen Kaiser wurde in
Westsachsen und Engern kein neuer Herzog ernannt, und die geistlichen und
weltlichen Fürsten Westfalens hatten um so leichteres Spiel, sich Machtbefug-
nisse anzumafsen. Heinrich der Stolze und Heinrich der Löwe versuchten
jedoch bis an den Rhein ihre herzoglichen Rechte wieder geltend zu mac hen,
entgegen den Bestrebungen des Cölner Erzbischofs, aber unter bereitwilliger
Zustimmung der Bistümer Münster, Osnabrück und Paderborn und der Grafen
und kleineren Dynasten.
Nach dem Sturze Heinrichs nahm Kaiser Friedrich I. eine Teilung vor
derartig, dafs er den ducatum qui dicitur Westf/iliae et Anyariae in zwei Teile
schied und den einen, der sich durch das kölnische und Paderborner Bistum
erstreckte, mit allen conti tutibus, advocatiis, conduefibtts und Gütern der cölnischen
Kirche, den anderen Teil aber dein Herzog Bernhard von Anhalt , einem
jüngeren Sohne Albrechts des Bären, überwies. Seibertz, Landesg. II, 291 ff.;
III, 363 und UB. Nr. 81. Seitdem besafs der Erzbischof von Köln das herzog-
liche Fürstenamt als Reichsfahnlehen vom Kaiser.
Unter Erzbischof Konrad (1238 — 1261) erfuhr nach Beilegung einer Fehde
mit dem Bischof Simon von Paderborn das Herzogtum Westfalen einen Zu-
wachs. Der Friede von 1256 bestimmte, dafs Salzkotten und Geseke zwischen
Cöln und Paderborn gemeinschaftlich werden, das Hochgericht Erwitte und
die Stadt Brilon aber dem Erzbischof verbleiben, so wie sie von seinen Vor-
fahren besessen worden. Seibertz, Landesgesch. III, 118, LB. I, Nr. 297. Später
(1294) erhielt er Geseke zum alleinigen Besitz, wogegen Salzkotten ganz an
Paderborn kam (s. d.).
Die Grafschaft Arnsberg, die fast ganz von erzbischöflichem Gebiet
umgeben war, kam 1368 durch Kauf an das Herzogtum, wodurch dieses eine
erhebliche Vergrößerung und Abrundung erfuhr. — Diese Grafschaft ging aus
dem Komitat der westfälischen Grafen südlich der Lipne hervor, wo z. Z.
Konrads I. bereits ein Graf Hermann genannt wird. In der Folgezeit heifsen
seine Nachfolger meist Grafen von Westfalen oder von Werl (Werla),
weil sie ihren Wohnsitz dort hatten. Sein Sohn Hermann IL, Vogt des Klosters
Werden, erwirbt ansehnliche Güter im westfälischen Süderlande mit Arnsberg.
Cf. Seibertz, 2, 123. 126. UB. I, 26. Kindlinger, Beiträge II, Nr. 6. Im übrigen
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250 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
wird der grofse Komitat unter die beiden Söhne Hermanns L (Ludolf und
Bernhard) zersplittert und gerät in andere Hände. Ludolf hatte seinen Erb-
anteil im nordöstlichen Teil des Komitats in der Gegend von Erwitte und
Geseke. Dieses Gebiet kam meist an die Paderborner Kirche, teils auch an die
Nachfolger Ottos von Nordheim, Kaiser Lothar und schliefslieh Heinrieh den
Löwen. Bernhard erhielt den Westen des Komitats; dieser kam später an
die Grafen von Mark Cleve-Berg. — Hermanns II. Enkel, Konrad IL, erbte
mit seinen Brüdern den Hauptteil des Komitats und baute auf der Anhöhe
bei Arnsberg eine starke Burg, wo er residierte. Seitdem wird die Be-
zeichnung Grafschaft Arnsberg üblich. Sein Sohn Friedrich der Streit-
bare vereinigte fast den ganzen Stammbesitz der Familie wieder. Aufser dem
Schlosse Rietberg fRietbeek) gehörte ihm die Wevelsburg bei Büren und der
Donnersberg bei Warburg. Nach seinem Tode 1124 ging die Grafschaft auf
den Gemahl seiner Tochter Sophie, den niederländischen Grafen Gottfried von
Kuick (Cuich). über, der eine neue Grafenlinie begründete. Seine Urenkel
treffen 1237 eine Teilung: Konrad erhält Rietberg im oberen Emsgebiet und
wird der Stammvater der Grafen von Rietberg. Gottfried III. dagegen die Graf-
schaft Arnsberg, deren nördliche Grenze die Lippe bildete und deren südliche
das Rothaargebirge. Hingegen gingen im O. grofse Teile des ehemaligen
Komitats an die Münstersehe und Paderborner Kirche sowie an die Herren
von Swalenberg verloren, im W. an die Grafen von Altena in der späteren
Grafschaft Mark. Ihr Machtbereich beschränkte sich also auf das nachmalige
Herzogtum Westfalen, wo bereits die Erzbisehöfe von Köln sich als Herren
fühlten und die Grafschaft Anisberg mehr und mehr auf ein westliches Teil-
stück des Landes einengten. Alles Nähere bei Sei her tz 1. c. 2, 296—321, sowie
dessen Diplom. Familiengesch. d. Grafen von Westfalen zu Werl und Arnsberg
1845, S. 174 ff. — Trotz mehrfacher Versuche seitens der Arnsberger Grafen,
ihre Macht zu behaupten, entschlofs sich Gottfried IV., den Widerstand auf-
zugeben und die ganze Grafschaft für 130000 Goldgulden an das Erzstift zu
verkaufen. Seibertz. ÜB. II, Nr. 71)3 (25. Aug. 1368) u. Familiengesch., S. 231 f.
134. Grafschaften Clere und Mark. Mit Eberhard beginnt im
IX. Jh. die Reihe der Grafen von Cleve, die ihren Sitz auf der Burg
Cleve hatten, an welcher damals der Rhein unmittelbar vorüberflofs.
Die Grafenlinie bestand bis zum XIV. Jh.; als Johann II. 1368 kinder-
los starb, fiel die Grafschaft als Erbe an seines Bruders Tochter Mar-
garete, die sie ihrem Gemahl Adolf II. von Mark als Ileiratsgut zubrachte.
Cleve und Mark blieben unter den Nachkommen Adolfs noch immer
gesondert; eine endgültige Vereinigung beider trat erst sehr viel später
(14til) ein.
Die Grafen von der Mark und ebenso jene von Berg führten
ihren Stammbaum auf den Grafen Adolf zurück, der seinen Sitz auf
der Burg Altena hatte. Seine Enkel Eberhard und Engelbert teilten
ihren Landbesitz derartig, dafs jener die Grafschaft Altena im engeren
Sinne erhielt und bereits 1161 urkundlich als Graf von Altona auf-
tritt, während der Jüngere den Titel Graf von Berg führte. Ein Enkel
jenes Eberhard von Altena, Adolf, nannte sich 1203 zuerst Graf von
der Mark nach einer Burg östlich von Hamm. Er wie auch seine
Nachfolger wufsten ihren Landbesitz nicht unbeträchtlich zu vergröfsern
bis auf jenen Adolf II. (1328—1347), der die obenerwähnte Verbindung
mit Margarete von Cleve einging.
über die ältesten Grafen von Cleve und ihren Besitz s. Char, Geschichte
des Hzgt. Cleve l.S4f>; Driesen, Fünf Bücher niederrheinischer Geschichten,
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135. Herzogtum Jülich.
251
l f. Gesch. u. Alt. WeetfaL V,
öl ff. ~ Eberhard I (827—835)
war Graf von Cleve und
Twente. Unter seinen Enkeln
fand eine Teilung statt : Bal-
duin II. erhielt Cleve, Rieh-
fried Twente. Letzteres blieb
seitdem von Cleve geschieden.
- Dietrich V. (1219— 1244) er-
wirbt durch seine Heirat die
Herrschaft Dinslaken (unweit
des Rheins, nördlich von Duis
bürg); Dietrich VII. (t 1274)
durch seine zweite Gemahlin
Hülkcnrath und Sassen berg
nebst den Vogteien über Bonn
und das Donistift Cöln ; Diet-
rich VIII. erwirbt Duisburg.
VgL Char. S. 52, 63, 66, 68 ff.
Dietrich IX. erwarb 1335 käuf-
lich die Herrschaft Spellen
südlich von Wesel) ; unter
Johann kam 1361 die Ober-
k-tuwe hinzu.
Die Grafschaft war also
im Anfang des XIV. Jh. schon
' in ziemlich geschlossenes Ge-
biet, nur noch unterbrochen
von dem kölnischen Xanten
und kleineren Dynasten. Auf
dem linken Rheinufer reichte
*ie von Dripstein (bei Borth)
bis nach Cleve abwarte, die
Rheinniederung mit den alten
• Jrafenhöfen Birten, Calcar und
Wissel in sich schliefsend. Auf
dorn rechten Rheinufer bestand
kein so geschlossenes Gebiet,
sondern nur einzelne Städte,
Hiife und Güter, vor allem der
alte Reichshof Wesel, welcher
vorübergehend 1368—1391 in
den Händen der Grafen von
Mark war. A. v. Haeften,
□»erblick über die nieder-
rheinisch - westfäl. Territorial-
gesch. bis z. Anf. d. XV. Jh.,
d. Bergischen Gesch. Vor.
II (1865) S. 23 ff., 35.
135. Herzogtum Jü-
lich. Das Kernstück bil-
dete der Jülichgau ; ein Graf
über diesen ist für das Jahr
'.♦41 urkundlich bezeugt. Die
weitere territoriale Entwicke-
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252 VL Politische Geographie um «las Juhr 1375.
hing in Verbindung mit der Geschiehte des Grafenhauses läfst sich für
die ältcsto Zeit schwer durchführen. Wilhelm II. (t 1207) war der letzte
Graf des Hauses, dessen Besitz an seine Schwester Jutta bezw. deren
Sohn Wilhelm III. überging. Dessen Nachkommen, besonders seine
Enkel Gerhard VII. und Wilhelm V. (t 1361), haben für die Vergrüfso-
rung des Territoriums am meisten gewirkt. Letzterer erwarb sich 1356
den Herzogstitel. Durch die Heirat eines seiner Söhne mit der letzten
Erbin, Margarete von Berg und Ravensberg, gelang es, ein neues Länder-
gebict für das jühchsche Haus zu gewinnen. Unter Wilhelms V. (I.)
Söhnen trat für einige Zeit eine Teilung des väterlichen Erbes ein. Ger-
hard behielt die Grafschaften Berg und Ravensberg, die ihm durch
eine Heirat zukamen, und Wilhelm VI. (als Herzog Wilhelm II.) wurde
Herzog von Jülich.
Wilhelm II. hatte durch Erbheirat die Grafschaft Molbach (jenseits Marn-
bach an der Roer) und die Waldgralschaft erworben. — Die Nachbarschaft
des Cölncr Erzbistunis brachte für die Grafen von Jülich viele Verwickelungen.
Doch gelang es Gerhard VII. 1307, durch einen Schiedsspruch in den Besitz
von Grevenbroich an der Erft zu kommen. Auch auf Bergheim und Münster-
eifel, Düren und Sinzig wuTste er seine Ansprüche geltend zu machen. Ganz
besonders aber hat sein Sohn Wilhelm V. das Wohlwollen König Ludwige für
sich auszunutzen verstanden. 1336 erfolgte die Eventualbelehnung mit der
Grafschaft Berg und in demselben Jahre seine Erhebung zum Fürsten um!
Markgrafen. 134fi wurde sein Sohn Gerhard mit der (Trafschaft Ravensbelg
belehnt (s. d.), und 10 Jahre später erwarb er die Herrschaft Montjoie in
der Eifel. 1357 erfolgte seine Erhebung zum Herzog.
180. Grafschaften Berg und Ravensberg. Beide waren um
1375 in einer Hand vereinigt, wie oben bemerkt. Die Grafen von Ber^
sind eine Nebenlinie der Grafen von Mark-Altena, die mit Engelbert 1.
(f 1189) beginnt, Die Grafschaft umfafste den rechtsrheinischen Teil
des rheinischen Lothringens; die Stammburg der Grafen war Berg an
der Wupper bei der Stadt Burg a. W. Mit Engelberts Sohn Adolf stirbt
1218 die männliche Linie schon aus, und dessen Tochter Irmgard bringt
die Grafschaft ihrem Gemahl Heinrich von Limburg-Montjoie zu. Bis
1348 herrschen in Berg Liniburger Grafen. Des letzten Grafen Tochter
Margarete war mit Otto IV. von Ravensberg vermählt, wodurch nunmehr
eine Vereinigung der Länder hergestellt war. Beider Tochter Margarete,
heiratete einen Jülicher Grafen, durch welchen eine später eintretende Ver-
einigung mit diesem Lande angebahnt wurde. 1380 wurde Berg Herzogtum.
Das Territorium Berg bestand später aus den Amtern Angermund, Beyen-
burg, Düsseldorf, Mettmann, Solingen, Blankenberg, Hückeswagen, Bornefeld.
Löwenburg, Lülsdorf. Monheim, Porz, Miselohe, Steinbach, Windeck, der Vogtei
Siegburg und der Unterherrschaften Broich und Hardenberg. G. v. Below.
Landtagsakten von Jülich-Berg. 1895 ff.
Grafschaft Ravensberg. Im XI. Jh. treten am Osning die Grafen von
Calvelage auf, die im Emsgebiet und westlich der Hunte im südlichen Olden-
burg grofsen Landbesitz hatten und nach einer Burjj nördlich von Vechta sich
benannten. Vgl. das unter Bist. Münster Bern erste (S. 234 ). Als sie am
Osning FuTs falsten, stützten sie sich auf eine Burg am Südabhange des Ge-
birgswallcs westlich von Halle i. YY.. die »ruwe Borg*, nach welcher der dritte
in der Reihe der Calvelager Dynasten, Otto I. (1141 — 1170), sich Graf von
Ravensberg nannte. Vgl. YY. Fr icke, Gesch. der St, Bielefeld und d. Graf seh.
137. Rcichsabtci Prüm, Stablo u. Mulinedy. 138. Grafschaften Ahr, Neuenahr etc. 253
Ravensberg, S. 18 f. Die Grafschaft umfafste die Gebiete von Versmold, Halle,
Borgholzhausen im Teutoburger Walde, ferner «las Land um Bielefeld mit der
Sparrenburg und den Hauntorten Brackwede, Heepen, Schildesehe, Werther,
im N. die 1319 erwähnte alte Limburg mit Hunde und Oldendorp und nach ß
«ler Weser hin Vlotho, Rehme und Exter. Vgl. Leo, Territorien I, 997. — Im I
-labre 134b' war Bernhard, der letzte männliche Sprofs der Ravensberger Grafen,
ins Grab gesunken, und die einzige überlebende Nichte Margarete, die an den
Grafen Gerhard von Jülich verheiratet war. brachte diesem den reichen
Linderbesitz zu. Fricke 1. c. 41 (s. auch unter Jülich).
187. Reichsabteien Prüm, Stablo und Malmedy. Bereits im VIII. Jh.,
als Prüm gegründet worden war, hatten die Pippine und schliefslich
Karl d. Gr. dem Kloster, welches 799 neu geweiht wurde, mancherlei
Zuwendungen gemacht. Schon unter Pippin war es seihständig und
hatte freie Abtswahl. Im XIII. Jh. zählt es über 100 Herrschaften
teils im Besitz, teils als Lehen, wie denn ein grofser Teil der benach-
barten Dynastengeschlechter Lehnstrüger der Abtei waren. Der Besitz
war freilich weit zerstreut.
Zur Herrschaft Prüm gehörten 15 Gemeinden aufser der Stadt Prüm,
Ferner besafs das Kloster Gebiete und Güter im Jülichschen, Kölnischen,
Lutzeiburgischen, Trierischen, Lüttichschen, Geldernsehen und im Französischen
Reich. Vgl. Marx, Gesch. d. Erzst. Trier, II. I, 271 iL Forst, das Fürsten-
tum Prüm. Bonn 1903.
Die Abteien Stablo und Malmedv haben immer in engen Be-
ziehungen gestanden, zumal sie denselben Abt hatten. Stablo, Stmelot,
Shtbulaus, lag an der Ambleve und wurde im VII. Jh. gestiftet, — Malmedy,
Mnlmundarias an der Warge gehört derselben Zeit an. Sie waren im Besitz der
Grafschaft L>gne.
Auch die Abtei Kornelimünster, Büdlich von Aachen gelegen, mag
hier Erwähnung finden. Im Jahre 815 vom hl. Benedikt gegründet, wurde
sie bereits 974 reichsunmittelbar (mit freier Abtswahl).
138. Grafschaften Ahr, Neuenahr und Hochstadcn. Aus dem
Orafengeschlecht, wTelches ehemals den Ahrgau verwaltete, gingen die
obengenannten Teillinien hervor. Als erster Graf tritt Dietrich I. (f um
1190) auf, unter dessen Söhnen die ersten Teilungen in Ahr, Nurburg
und Hochstaden stattfanden. Der jüngste Sohn Otto (r ca. 1167) hatte
Adelheid, die Erbin von Hochstadcn und Wickerath, geheiratet und
damit auch die Territorien des älteren Hochstadensehen Grafenhauses
prst erworben; letzteres stammte von Gerhard I., einem Grafen im Jülich-
gau (bis 1029), ab. — Unter den nachfolgenden Generationen erhielt sich
das jüngere Haus der Hochstaden bis 1246, als Graf Friedrich die Graf-
schaft an Cöln abtrat. Die Linie Ahr war mit Dietrich II. schon
ca. 1160 ausgestorben und dessen Territorium an die beiden anderen
Linien aufgeteilt worden. -- In der Linie Nurburg war vorübergehend
eine Teilung in Neuenahr und Ahr eingetreten. Die Linie Neuenahr
bestand bis 1589, während die andere bald ausstarb.
Die Burg Ahr oder Are lag auf einer Anhöhe bei Altenahr; die Feste
Nurburg aufeinem Berg bei dem gleichnamigen Dorf; die Burg Nuenaroder
Neuenahr lag weiter unterhalb von Altenahr am gleichnamigen Flufs.
Die Grafschaft Hochstaden (das cölnische Amt Altenahr) umfafste Vogtej
Ahrweiler mit Stadt und mehreren Dörfern, ferner Altenahr, Altenburg,
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254
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Reimenhoven, Kreuzberg, Brück, Denn, Pützfeld, Hönningen, Kesseling,
Staffel. Weidenbach, Liers, Sahr, Freisheim, Lind, Vischel und Wensbeig.
Die von Prüm zu Lehen gehenden (iehiete wurden vom Grafen Friedrieh von
Hochstaden an Köln verpfändet — Zur Grafschaft gehörten die drei Burgen
Ahr, Hart oder Hardt hei Stotzheim und Hochstaden am rechten Ufer der
Erft bei Grevenbroich. Einen Teil der Grafschaft Hochstaden bildete auch
das Gebiet von Hardt (das gleichnamig«' eölnischc Amt. mit Arloff, Kuchen-
heim, Mudscheid. Stotzheim und Zingsheim, Weyer, Hüllesheim. Abtei Stein
feld, Antweiler, Breidenbendcn. Firmcnich, Gleim. Harzheim, Holzheim uml
Satzfey.
Die Grafschaft Neuenahr bestand aus nachfolgenden Orten mit Zubehör:
Bengen, Beuel, Birresdorf, Bölingen. Calcnborn, (Dorweiler, Ober-Esch, Nieder
Esch, Gelsdorf, Hemmessen. Holzweiler, Leimersdorf, Nierendorf, Ramersbach.
Ringen, Schalkenbach und Vinxt.
Lothar von Ahr
I
Dietrich II. f ca. 1160
Dietrich I. von Ahr t ca 1132
Ulrich I. von Nurburg
Gerhard I. f ca. 1225
< »tto von Dietrich von
Neuenahr Ahr-Malben;
I
(ierhard f 1265
Otto von Hoch Staden
und Wickeroth t 1167
I
Dietrich III. f 1195
Friedrich HJ. f 1246
189. Grafschaft Blanken heim und Schleiden. Von Gerhard I
von Blankenheim stammten zwei Söhne, (Ierhard II. und Konrad L,
welche die Stammväter zweier Linien wurden: jener der Linie Blanken-
heim, dieser der Linie Schleiden, die jede ihr Territoriuni im Eifel
hochlande hatten. — Ein Nachkomme jenes Konrad L, der ebenfalls
Konrad hiefs, hatte die Erbtochter Elisabeth aus dem Hause der Herren
von Junkerrath, die damals ausstarben, geheiratet. Unter den Enkeln
Konrads (f nach 1292) fand eine Teilung der Territorien statt : Konrad IV
(t 1345) setzte die Hauptlinie fort, während Dietrich die Linie Schleiden
Junkerrath stiftete.
Die Grafschaft Blankenheim umfafste Blankenheimersdorf, Mühl-
heim, Retz, Aldenburg, Birtherhof, Fritzenhof, Mandersheimerhof, Schlemmer*
hof, Schncppcncrhof. Hierzu erwarben die Grafen allmählich verschieden*
Güter, so 1282 Burg und Dorf Steffeln, Underbrecher, Awel und Brenn!« n
von Konrad von Schleiden, 1334 Dorf Duppach u. a, m. Ihre Burgen trugen
sie meist an andere Dynasten (Jülich, Böhmen, Lützelburg) zu Lehen aut.
Aufserdem besafsen sie die Burgherrschaften von Gerolstein (Gerhardstein
mit Bettingen. Stadtkyll, Lissendorf und Roth, und Burg Casselburg bei Pelm.
Die Herrschaft Schleiden hat jener gegenüber nur einen mälsigen
Umfang. Dasselbe gilt von der Herrschaft .Junkerrath mit den Dörfern
Esch. Glaadt, ( iönnersdorf, Feusdorf, Alendorf. Walsdorf, Ahrmühle, Wiesbaum.
Leutherath.
140. Herrschaft Manderscheid. Die gleichnamige Burg an der
Lieser wird schon im X. Jh. genannt. Es bestanden hier zwei Burgen
nebeneinander : die Obere Burg oder Katzenburg und durch ein Tal g<-
schieden die Niedere Burg. Das Territorium wurde später beträchtlich
vergröfsert. Durch Heirat kam im XIII. Jh. die Herrschaft Kerpen
hinzu (nordöstlich von Hillesheim); das dortige Herrenhaus war nach
141. Erzbistum IVier. 142. Grafschaft Sponheim.
255
1217 ausgestorben, und die Erbtochter Gertrud brachte sie an Winnemar
von Manderscheid.
Im XL Jh. hatte infolge eines Zwistes zwischen zwei Brüdern des
Hauses der eine aus Rache die Obere Burg an den Erzbisehof von Trier über-
lassen; letzterer wulste sich hier gegen den zu Hilfe gerufenen Lützelburger
zu behaupten. — Im XIII. Jh. teilten sich die Manderscheider in zwei
Linien: die Hauptlinie unter Wilkin (f 1267) und die Linie Kerpen unter
Richard III.
141. Erzbistum Trier. Es umfafste im XIV. Jh. bereits ein zu-
sammenhängendes Gebiet, welches vom Rhein an die Mosel zu beiden
Seiten aufwärts reichte bis über die Mündung der Saar hinauf. Als
Erzbistum erscheint es schon im IX. Jh. und erhielt bald auch die
Immunität. Die Landeshoheit erwarb es im XIV. Jh.
Seit Erzbischof Balduin i 1307—1354) wird es in ein Oberstift und Niederstift
geteilt Zum Oberstift gehörten die Ämter Grimburg (mit 29 Orten), Wendel (mit
21 Orten), Pfalzel (mit 53 Orten), St. Maximin (mit 21 Orten \ Witlich (44 Orte),
das Cröver Reich, Amt Wedenesch ; das Gericht Merzig und Saargau hatte das
Stift mit dem Herzog von Lotbringen geineinsam; sehliefslieh das Amt Saar-
l»urg ;mit 67 Orten\ nicht zu verwechseln mit dein zu Metz gehörigen gleich-
namigen Orte. Zinn Niederstifte gehörten damals Coblenz mit Ehrenbreitstein,
eigentlich Erembertsstein ; letztere Burg kam nach dem Aussterben der dort
«Uzenden Freiherren an Erzbischof Hillin. Zum Amt Ehrenbreitstein gehörten
15 Orte. Mayen mit 39 Orten, Boppard mit 28 Orten, Engers mit 14 und
Wellmich mit 4 Orten. Näheres vgl. bei Marx, Gesch. des Erzstiftes Trier,
1*58 ff, 5 Bde. Görz. Regesten der Erzbisehöfe von Trier von Hetti bis
Johann IL. Trier 1859— 18(51.
142. Grafschaft Sponheim. Ein Graf Eberhard dieses Namens
tritt in der ersten Hälfte des XL Jh. auf. Die Stammburg mit der von
ihm gestifteten Abtei liegt bei Sobernheim. Die im Laufe der Zeit er-
worbenen Besitzungen lagen zwischen Mosel und Nahe in zwei Hälften
getrennt: die Vordere Grafschaft von der Mosel bis zur Nahe bei Kreuz-
nach hinüberreichend und die etwas kleinere Hintere Grafschaft um die
mittlere Nahe. Im XIII. Jh. erheiratete Gottfried IL mit Adelheid die
Grafschaft Sayn, wo 1246 die Grafenlinie ausgestorben war, (vgl. Graf-
schaft Sayn). Die drei Söhne dieser Ehe teilten: Johann I. erhält
Sayn und die Hintere Grafschaft Sponheirn-Starkenburg ; sein ältester
Sohn Gottfried setzt die Linie der Grafen von Sayn fort, sein Sohn
Heinrich die Linie der Grafen von Sponheim-Starkenburg. Simon IL
erhält Sponheim-Kreuznach (Vordere Grafschaft) und stiftete ebenfalls
nne Linie. Der dritte Sohn Heinrich von Heinsberg erhält nur
Kastellaun, Kirchberg und Neef, die er aber von seinem Bruder Simon
gegen dessen Anteil an Sayn: Blankenberg, Löwenburg, Saffenberg a. d.
Ahr und LIilcherath bei Neufs austauscht.
Der Name des Vaters (Gottfried II.) wird mehrfach irrtümlich als Johann
angegeben. — Die Hintere Grafschaft Sponheirn-Starkenburg umfafste die
Burgen Starkenburg, Ellenbach, Wendig, Winningen. Trnige nebst Zubehör
und ein Drittel der Burgen Sponheim und Dill. Die Vordere Grafschaft
Sponheim-Kreuznach enthielt Kreuznach. Bockelheim mit Zubehör und ein
Drittel von Sponheim und Dill. Vgl. Stramberg, Rheinischer Antiquarius,
HL Abt. 1. B.
i
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256
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
In clor Familie Simons II. tritt unter den Söhnen eine Teilung ein:
Johann setzte die Hauptlinie fort, Heinrich erhielt nur Bickelheim, Weins-
heim, Monzingen, Nufsbaum und auf dem Westerwalde Selters und Max-Sayn.
Höckelheim kam aber 1281 an Mainz und die CJebiete im Westerwald an
Johann von Sayn. Heinrich hatte noch durch seine Gemahlin für seinen
Sohn Philipp "einen Teil der holländischen Güter geerbt. Leo, Terri-
torien I, 629 f.
Gottfried X Adelheid von Sayn
Johann I. Simon II. f 1266 Heinrich
Sayn. Hint. Gfsch. Vord. Grafschaft von Heinsberg
Gottfried Heinrich Johann Heinrich I. Dietrich I. Johann
Sayn Hint.Gfsch. f 1291 Böckelh. Bollanden Heiusb. Blankb Lowenbg.
Simon III. Jobann II. J, ...
■ , . . Philipp
v Bollan cen
Jobann II. Engelbert |
Savn Vallendar Walram
I
Simon IV.
I
Elisabeth f 1417
X ßupr. Pipan v. Pfalz
t t t
143. Wild- und Rheingrafschaft. Von dorn Geschlecht der Grafen
des Nahegaues stammten, wie wahrscheinlich gemacht worden ist, die
späteren Wildgrafen und Raugrafen ah, deren Stifter Konrad I. (i 1161)
und Einich sich in dio Besitzungen ihres Vaters geteilt hatten. Die
Linie des ersteren, also der Wildgrafen, die hier allein in Frage kommt,
teilte sich unter Konrads II. (f 12(53) Söhnen Emich und Gottfried noch-
mals in die Linien Kirburg und Dhaun mit entsprechendem Landbesitz.
Heftige Fehden unter den späteren Mitgliedern beider Linien hatten den
Verlust der Herrschaft Schmidburg an Trier zur Folge. Da mit Johann
die Linie Dhaun auszusterben drohte, so nahm dieser den Sohn seiner
Schwester Hedwig, den Rheingrafen Johann II., zum Nachfolger an.
Dies hatte die Vereinigung der Wild- und Rheingrafschaft zur Folge.
Im Rheingau verwaltete das Rheingrafenamt ein Geschlecht, das
seine Ahnen weit zurückverfolgte. Unter diesen Grafen tritt im XI. Jh.
Embricho I. bestimmter aus dem Dunkel der Geschichte hervor.. Sein
Geschlecht starb in männlicher Linie mit Werner II. 1223 aus. Doch
war des letzteren Tante Lucardis mit Siegfried (t 1193), Herrn von Stein,
vermählt, deren Sohn Wolfram schon 1194 in der Rheingrafschaft folgte
und somit über einen bedeutenden Besitz diesseits und jenseits des
Rheins und der Nahe gebot. Unter seinem Urenkel Siegfried II.
(f 1327) ging der gröfste Teil des Landbesitzes verloren. Es war für
die heruntergekommene Grafenfamilie aber von Vorteil, dafs des letzteren
Enkel Johann II. von dem kinderlosen Wildgrafen Johann von Dhaun
zum Nachfolger ausersehen war und ihm 1350 tatsächlich folgte.
Die Söhne Emichs VI., des Grafen im Nahegau, der sich aber auch nach
seinen Schlössern Kirburg. Schmidburg, Altenbaumberg und Flonheim be-
nannte, waren jene obenerwähnten Konrad und Emich. Bei der Teilung er-
hielt Konrad als der Ältere die Nahegausche Landschaft, bestehend aus den
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143. Wild- und Rheingrafachaft.
257
©
Burgen: Kirburg, Dhaun,
Schmidburg.Grumbach und
Flonheim; — Emich er-
hielt das übrige (s. unten).
Beide Brüder wählten aber
neue Geschlechtsbenennun-
jjen. Konrad bezeichnete
sich als Wildgraf (comes
wkagius, süvaticus, sylvestris),
Emich als R a u g r a f (comes
himtos). Vgl. im übrigen
C. Sch n e i der , Gesch. des
Wild- und Rheiiigrüflichen
Hauses, Kreuznach 1854,
8L 16 f. 24.
Konrad IL (1194 bis
1268) hatte schon bei Leb-
zeiten die eventuelle Tei-
lung unter seinen Söhnen
Emich und Konrad be-
stimmt. Erstgenannter be-
kam Kirburg imd Schmid-
ing, letzterer Dhaun und
Crumbach. Die Kirburger
Linie gliederte sich unter
Emichs Söhnen nochmals
in zwei: Konrad (f 1305)
erhält Schmidburg; Gott-
fried Raub: Kirburg; die
hohen Gerichte, Wälder,
Gewässer blieben gemein-
schaftlich. Gottfried war
mit der Teilung nicht ein-
verstanden , und blutige
Fehde mit seinem Bruder
wie auch mit der Dhaun-
-chen Linie war die Folge.
Auch unter beider Söhnen
setzte sich der Hader fort. Da
mit Heinrich die Schmid-
hurger Linie aussterben
mufste, so verkaufte dieser
Schmidburg 1324 an den
Erzbischof von Trier, wo-
durch der Zwist mit der
Kirburger und Dhaunsehen
Linie nochmals angefacht
wurde. Erst 1342 kam
fT? zu einem Vergleich,
•^•hmidburg blieb bei Trier.
Auch die Linie Dhaun
'honte mit Johann aus-
zusterben, weshalb er 1347
seinen Neffen , Rheirigraf
Johann H., zum Nachfolger
ausersah. Die Wildgraf-
sehaft, d. h. der Dhaunsche
Kreucbmer, Hirtorische Geographie.
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258 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375
Anteil, wurde mit der Rheingrafschaft verbunden. Vgl. Sehn ei der, 1. c.
42 ff.
"Was die Rheingrafen betrifft, so hatten sie ehemals die Herrschaft
Rheinberg mit 15 Dörfern im Besitz mit der gleichnamigen Burg bei Lorch;
ferner das Gut Schierstein, Biburg, Gerolstein a. d. Wisper, che Burg zu Heidcs
heim, Klingelmünde und Kiderich im Rheingau sowie verschiedene Gerecht-
same. — Durch die Heirat der Lucardis (Luitgard) mit Siegfried von Stein
wurden deren Besitzungen links des Rheins zur Rheingrafschaft gezogen.
144. Raugrafgchaft. Wie im vorhergehenden Abschnitt bemerkt,
hatten sich die Söhne Emichs VI. in die Hinterlassenschaft des Vaters
geteilt. Der jüngere, Emich, erhielt die Besitzungen um die Alsenz und
den Apfelbach mit den Schlössern Altenbaumberg , Ruvenberg und
Stolzenberg. Er bezeichnete sich fortan als Raugraf. Unter seinen
Enkeln tritt eine Teilung in zwei Linien ein : die Neu-Baumbergische
und die Alt-Baumbergische. Erstgenannte, mit Ruprecht I. beginnend,
pflanzt sich fort bis auf Philipp IL, durch dessen Heirat mit Anna von
Bolanden zu Altenbaumberg eine Vereinigung beider Linien und teil-
weise auch der Territorien eintrat. — Die Linie Alt-Baumberg hatte
sich im XIII. Jh. in zwei Äste gespalten, von denen der Stolzenbergische
fast sein ganzes Territorium aufgelöst hatte und aus der Gegend ver
schwand, während der andere, der jüngere Alt-Baumbergische, männ
licherseits ausgestorben (1358), sich in einer weiblichen Nebenlinie von
Bolanden fortsetzte und sich mit der Neu-Baumbergischen Linie wieder
vereinigte.
Die mit Georg I. beginnende Stolzenbergisehe Linie besafs neben einem
Anteil an der Burg Altenbaumberg das Dorf Ebernburg, Kriegsfeld, Rohrbach,
Solzheim, Burg Naumburg, Merksheim, Becherbach, Lembach, Sulzbaeh, Keihel
bach und verschiedene Höfe. Fast alles wird von den Nachfolgern ver
schleudert, so dafs beim Aussterben der Linie nichts mehr vorhanden ist.
Philipp II. (Neu-Baumbergische Linie) erhielt beim Tode seines Sehwieger
vaters 1371 den Rest des bolandischcn Erbes, der in seinen Händen war,
sowie auch das Erbe der Grofsmutter Lauretta, welches von den Raugrafen
von Altenbaumberg herstammte. Leo, Territ. I, 589.
145. Grafschaft Veldenz. Die Grafen dieses Namens gehörten zu
dem Stamm der Wildgrafen (s. oben). Die Burg Veldenz stand im Mosel
gau zwischen Trarbach und Bernkastel. Der ausgedehnteste Teil ihres
Gebietes aber lag am Glan, einem rechtsseitigen Nebenflufs der Nahe.
Mit Gerlach V. stirbt 1260 das Geschlecht aus; seine Tochter Agnes
vermählte sich 1270 mit Heinrich von Geroldseck (in der Ortenaul
dessen Nachkommen sich (Trafen von Veldenz nannten.
Veldenz an der Mosel bestand aus Burg und Flecken und fünf Dörfern
Die Gebiete am Glan unifafsten Burg und Stadt Lautereeken mit vier Dörfern und
die Schultheifserei Reichen} »aeh mit 17 Dörfern, ferner die Herrschaft Lichten
berg mit Meisenheini. Hausse r, Gesch. d. rhein. Pfalz I, 325.
14(1. Pt'alzgrafschaft bei Rhein. Das spätere Territorium der Pfalz
und die Pfalzgrafenwürde waren nicht von Anfang an vereinigt gewesen
Seit Otto I. treten in Deutschland vier Pfalzgrafen auf (comites palatini/.
von Lothringen, Sachsen, Baiern und Schwaben, von denen der loth-
ringische mit seinem Amtssitz in Aachen weitaus der bedeutendste war
146 PfakgrafHfhaft bei Rhoin.
259
Die Würde des lothringischen Pfalzgrafen, die zunächst einen hofamt-
lichen Charakter trug, war ein Jahrhundert lang in einer Familie erblich
gewesen. Dann ging sie in verschiedene Hände über, bis sie Kaiser
Friedrich I. seinem Bruder Konrad von Hohenstaufen 1155 übertrug.
Die Hohenstaufen waren aber durch die Erbschaft seitens der salischen
Kaiser in Rheinfranken (seit 1125) sehr begütert. Von den Söhnen des
Staufers Friedrich, Herzogs in Schwaben {f 1146), hatte der ältere (später
Kaiser), Friedrich 1., die schwäbischen, der jüngere, jener obengenannte
Konrad, die rheinfränkischen Lande geerbt. Die letzteren, die hier allein
in Frage kommen, bildeten noch kein geschlossenes Territorium ; das
nachher pfälzische Gebiet war vielmehr noch unter die benachbarten
weltlichen und besonders geistlichen Dynasten geteilt. Aber durch
Konrad, der die Pfalzgrafenwürde erhielt, war infolge weiterer Güter-
erwerbungen jedenfalls ein Kern für die spätere territoriale Entfaltung
der Pfalz geschaffen worden; er verlegte auch seinen Sitz nach dem
Oberrheingebiet, nach Heidelberg. In der Folge ging die Pfalzgrafschaft,
da Konrad nur eine Tochter Agnes hintcrliefs, an seinen Schwiegersohn
Heinrich (Sohn Heinrichs des Löwen) über, und von den Weifen im
Jahre 1214 an die Wittelsbacher, indem Herzog Ludwig von Baiern mit
dieser Würde von Kaiser Friedrich IT. belehnt wurde, ohne jedoch zu-
gleich auch die staufischen P>bgüter zu erhalten. Durch die Heirat
seines Sohnes Otto mit der Erbtochter des Weifen Heinrich aber brachte
er jene Güter für alle Zeit an das Wittelsbachsche Haus. So ward die
Pfalz mit Baiern verbunden. Freilich fand schon 1255 durch Teilung
unter Ottos des Erlauchten Söhnen die Abtrennung von Niederbaiern
statt, und der Vertrag von Pavia 1329 zwischen König Ludwig und
seinen Neffen Rudolf II. und Ruprecht I. schränkte den Landbesitz noch
weiter ein; 1353 ging schliefslich auch die Oberpfalz (in Baiern) an
Karl IV. verloren. Die Pfalz am Rhein blieb jedoch in Ruprechts I.
Hand; sie hatte im Laufe der Regierung der letzten Pfalzgrafen über-
haupt an Umfang durch Kauf, Erbschaft und Kriege zugenommen und
sich zu einem zusammenhängenden Territorium arrondiert.
Über die Pfalzgrafenwürde vgl. Pf äff, Gesell, des Pfalzgrafenamtes, 1847.
Schmitz, Gesch. der lothring. Pfalzgrafen, Diss. Bonn 1878. H ausser, Gesch.
der rheinischen Pfalz, Heidelberg 1845, I, 38—48, 110—126. Schröder,
Deutsche Rechtsgeseb. S. 496 ff.
Konrad (1155—1195) hatte seine Erbgüter seitens des Vaters vermehrt durch
jene seitens der Mutter, einer Gräfin von Saarbrüek. Sein Hauptsitz war die
Burg auf dem Jettenbühel bei Heidelberg; letzteres gewann durch ihn die erste
Bedeutung. Nach der Absetzung des Pfalzgrafen Hermann von Stahleck fiel
1155 ihm die Würde zu. Vgl. über die Quellen H ausser 1. c. I, 53. Nebenius,
Gesch. der Pfalz, Mannheim 1873 (ist im wesentlichen nur ein Auszug aus
Häusser).
Konrads Tochter Agnes bringt die Güter ihrem Gemahl Heinrich zu, der
sich seit 1195 »Herzog von Sachsen und Pfalzgraf bei Rhein« nannte. 1211
trat er seine pfalzgräflichen Rechte an seinen Sohn Heinrich den Jüngeren ab,
der aber 1214 ohne Nachkommen starb. Die Pfalzgrafenwürde fiel an
Ludwig von Baiern und durch Heirat seines Sohnes Otto auch die Lehen und
Güter des letzten Pfalzgrafen; über diese cf. Häusser 1, 71. Sehlofs und Stadt
Heidelberg nebst dem Landstrich an der Bcrgstrafse, dem sog. Stahlbühel
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260
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
(Stalbohel), wurden als Wormssches Lehen der neuen Pfalzgrafenlinie 1225 be-
stätigt. Otto der Erlauchte (1228 — 1253) hatte meist in seinen bairischen
Stammlanden zu tun; vermutlich durch seine Gemahlin gewann er die Hälfte
der Grafschaft Katzenelnbogen. Seine Söhne Ludwig II. (1253—1294) und
Heinrich teilten den bairisch-pfälzischen Besitz ; ersterer erhält Oberbaiern und
die Pfalz. Jedoch war die Pfalz noch immer ohne territorialen Zusammen-
hang; er erwarb aber hinzu Schlote und Stadt Merklingen durch Kauf von den
Grafen von Eberstein, ferner von den Herren von Weinsberg die Orte
Krippenbach, Kappenhart u. a. Der unglückliche Konradin, der letzte Hohen-
staufe, hatte noch 1266 an seinen Oheim Ludwig II. seine Besitzungen im Nord-
fau verpfändet, die nachher den Kern der Oberpfalz bildeten. Cf. Häusser
c. I, 91.
Sein Sohn Rudolf I. hatte mit seinem Bruder, dem späteren König Ludwig,
einen langjährigen Kampf zu bestehen, der mit seiner Verdrängung endigte.
Seinen Neuen Rudolf U. und Ruprecht gab jedoch König Ludwig im Vertrage
von Pavia 1329 einen grofsen Teil des väterlichen Landes, speziell die Pfalzen,
wieder zurück. Dieses pfälzische Gebiet, welches mit wenigen Veränderungen
jahrhundertelang bestehen blieb, bestand aus drei verschiedenen Stücken:
1. dem alten pfalzgräflichen Gebiet am Niederrhein, das schon Hermann von
Stahleck besäte, 2. dem neuerworbenen Gut am Neckar und Mittelrhein und
3. den Gütern in Schwaben, die Ludwig II. der Strenge von Konradin erworben
hatte. Diese drei Landgebiete umfafsten: das erste: Burg und Stadt Kaub,
den Pfalzgrafenstein, die Burgen Stahlberg, Stahleck und Braunshorn, Bacharach,
Diebach, Stegen, Mannebach, Heimbach, Trechtershausen, die Thäler, Rheinböllen,
die Burgen Fürstenberg und Reichenstein. Das zweite: Stromberg, Burg und
Stadt Alzey, Burg und Stadt Weinheim, die Burgen Wachenheim, Winzingen,
Wolfsberg, Elbstein, Erbach, Lindenfels, Rheinhausen, die obere und niedere
Burg von Heidelberg nebst Stadt, Stadt und Burg Wiesloch, die Burgen Harfen-
berg, Oberkeim, Landesser, Turon und die Pfalz nebst Zubehör, die Burgen
Steinsberg, Wellersau, die Städte Neustadt, Hilsbach und Ogersheim. Das
dritte: Burg Hippoltstein, Markt Lauf, Burg Hohenstein, Markt Hersbruck,
Burg Hertenstein, Märkte Plegnitz, Velden und Plech, die Burgen Frankenberg
und Waldeck, die Märkte Pressant, Kemnat, Dorendorf, Burg Durndorf, Markt
Eschenbach und Auerbach, Burg Neustein und Wedenstein , Stadt Neumarkt
mit der Hof mark zu Perengaw, Burg Hernspurg, Bergen, Meckenhausen und
Pfaffenhofen, Markt Lauterhofen, Burg Grünsberg, Burg und Stadt Sulzbach,
Burg Rosenberg, Markt Hirschau, die Städte Amberg, Nabburg, Neustadt, Burg
Störenstein und Murach, Markt Viechtag, Stadt Neuburg, Burg Wettern feldt.
Markt Rötingen, Nitenau, Burg Dreswitz, Peilstein, Regensberg, Waldau, Stefingen,
Sch warzeneck und die Märkte Moisburg, Parkstein, Weiden, Vohendratz und Lu.
Häusser 1. c. I, 153 f.
Hohenstaufen
Konrad f 1595
I
Weifen
Heinrich der Löwe
Heinrich der Ältere
Heinrich der Jung. 1214 Agnes
tt t
Ludwig f 1294
(Oberbaiern-Pfalz)
Rudolf I. f 1319
Ludwig
(König)
Adolf Rudolf H. Ruprecht I.
| f 1353 f 1390
Ruprecht n.
f 1398
Wittelsbacher
Ludwig I., d. Baier f 1231
Otto n., d. Erlauchte 1 1253
Heinrich
(Niederbaiern)
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147. Grafschaft Leiningen. 148. Reichsstädte im Rheinlande. 261
Von diesem dritten Landgebiet, Oberpfalz, wurden unter Pfalzgraf
Ruprecht L 1353 aus finanziellen Gründen an Kaiser Karl IV. die nördliche
Hälfte der Oberpfalz abgetreten, nämlich Burg Störenstein, Neustadt, Hirschau
und Lichtenstein sowie Sulzbach, Rosenstein, Hertenstein, Neidstein, Thurndorf,
Hippoltetein , Hohenstein, Lichteneck, Frankenberg, Laufen, Eschenbach,
Hersbruck, Auerbach, Weiden, Pegnitz und Plech. Hingegen wurden den
pfälzischen Fürsten die Rheinzölle, die 1301 an das Reich verloren gegangen
waren, zurückerstattet und ebenso die erbliche Kurwürde ihnen zugesprochen.
Häusser I, 163 f.
147. Grafschaft Leiningen. Die Stammburg liegt am Eckbach in
der Hardt nordwestlich von Dürkheim. Im XII. Jh. treten die Grafen
mit Emich I. auf. Ihr Territorium umfafste am Ende des Jahrhunderts
ein beträchtliches Gebiet auf der linken Rheinseite vom heutigen Mann-
heim abwärts bis Guntersblum. Auch die Grafschaft Dagsburg in den
Vogesen war damals schon erworben worden. Mit Friedrich I. erlischt
1220 das alte Leininger Grafenhaus. Seine Tochter Liutgard war an
Simon II. von Saarbrücken vermählt; beider Sohn Friedrich II. (f 1237)
gründete die neue Grafenlinie mit den Territorien von Leiningen, Dags-
burg und Herrschaft Hartenburg, die von Saarbrücken abgezweigt wurde.
Unter den Söhnen seines Enkels Friedrichs IV. (f 1316) fand eine Teilung
in zwei Linien statt, die für die ganze Folgezeit von Bedeutung wurde.
Friedrich V. stiftete die Linie Leiningen-Dagsburg, der andere, Gottfried,
die Linie Leiningen-Hartenburg. Der Name Dagsburg wurde später
(XV. Jh.) auf die letztere Linie übertragen.
Die Leiningenschen Besitzungen hegen im Wormsgau. Gegen Ende des
XU. Jh. ging die Grenze vom Rhein aus (Mannheim gegenüber) über Oggers-
heim, Erpolzheim zur Isenach, von deren Quelle nach Ebertsheim, Lautersheim,
Biedesheim, Oberflörsheim, Hillesheim, Guntersblum zum Rhein zurück. Ein-
geschlossen lag das Gebiet des Stiftes Worms. Brinckmeier I, 2.
In der älteren Grafenlinie hatte Emichs IV. (f 1197) Sohn Gertrud von
Dagsburg geheiratet und jene Grafschaft geerbt. Die Grafschaft Dags-
burg (Dasborc, französisch Dabo) lag in den nördlichen Vogesen. Die beiden
jetzt zerstörten Burgen standen auf den Anhöhen südlich von Zabern. Es ge
hörten hierzu die Orte Dagsburg, Walscheid, Albersehweiler, aufserdem mehrere
anderswo gelegene Lehen von Metz, Strafsburg und vom Reiehe. Letztere fielen
nicht an Leiningen, als die Grafenlinie von Dagsburg 1211 ausstarb. Vgl.
im übrigen deBeaulieau, Le comte de Dagsburg aujourd hui Dabo, 2. edit,,
Paris 1858.
Nach dein Tode Friedrichs IV. (1316) fand unter seinen Söhnen die Teilung
statt ; über diese vgl. Brinckmeie r, Genealogische Gesch. des Hauses Inningen
und Leiningen-Westerburg. Braunschw. 1890, I, 114.
148. Reichsstädte im Rheinlande. Ihre Entwickelung zu reichs-
unmittelbaren Stadtterritorien ist jeweilig eine sehr verschiedene gewesen ;
es hatte auch bei den meisten lange gewährt, ehe sie ihre Selbständigkeit
gegenüber den weltlichen oder geistlichen Machthabern durchgesetzt hatten.
Aachen, Aquis granum, Aquüs villa, Achae. Schon unter den Merowingern
seheint dort ein königlicher Hof gewesen zu sein. Doch erst Karl der Grofse
baute diesen Hof zu einer kaiserlichen Pfalz aus, die von den Zeitgenossen als
eine der gröfsten und schönsten bewundert wurde. In jener Zeit war {1er Ort
noch keine Stadt, sondern nur ein vicus (Einhard). Nach Karl dem Grofsen
sind es erst wieder die sächsischen Kaiser, die für den Ort Interesse zeigen.
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262
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375
Die ersten gröfseren Privilegien verlieh Kaiser Friedrich I. llGti, indem er den
Ort zur eigentlichen Stadt erhob, ihm den Mauerbau, zwei Jahrmärkte und
Zollfreiheit gewährte. In einer Urkunde Kaiser Friedrichs II. 1244 wird Aachen
als locus regalis et caput Galliae (!) trans Alpes bezeichnet, dann auch als caput
et sedes regni Teutonia* überhaupt entwickelte es sich erst zu seiner Zeit zu
einer wirklichen freien Stadt des Reiches. Die nächste Umgebung um Aachen
war ehemals zum Königshof gehöriges Gebiet gewesen , kam dann aber ab
Reichslehen in die Hände von Ministerialen des Königs oder in den Besitz
der Kirche. Schliefslich war von dem alten Königsgut nur noch wenig übrig-
geblieben. Aachen hatte seine städtischen Freiheiten besonders gegen die
Grafen von Jülich zu verteidigen. — Qu ix, Gesch. der St. Aachen, 2 Bde.,
1841. Haagcn, Gesch. Aachens, das. 2 Bde., 1874. Hoff ler, Verf. v. Aachen, 1901.
Cöln hatte seine Bedeutung als Bischofsstadt und günstig gelegener
Handelsmittelpunkt trotz aller Wechselfälle seit der Völkerwanderung immer
zu wahren vermocht. Es war z. Z. der Karolinger der Hauptort des Cölngaues
gewesen und von den Kaisern mit verschiedentliehen Privilegien begabt worden.
Fortwährende Kämpfe der reichen Bürgerschaft mit den Erzbischöfen um das
Stadtregiment waren unausbleiblich. Erst in den Jahren 1207 und 1212 erhielt
sie Reichsfreiheit, und 1231 war sie zum erstenmal auf dem Reichstag zu
Worms vertreten. Dem engbegrenzten Stadtgebiet gegenüber lag die Abtei
Deutz, die, im Anfang des XI. Jh. gestiftet, teilweise als Lehen im Besitz der
Grafen von Berg war (seit 1210), zum gröfsten Teil aber der Landesherrschaft
des Erzbisehofs unterstand. Weit verstreut lagen die reichen Güter dieser Abtei
am Rhein von Bacharach bis in die Niederlande und in Westfalen. — Held-
mann, Der Kölngau und die Civitas Köln, Halle 1900. Ennen, Gesch. d.
Stadt Köln, 5 Bde., 18G3— 1879.
Dortmund. Theromanni, Trutmanni, Throhnannia, war ein kaiserlicher Hof
mit Burg, an welchen unter den karolingischen und sächsischen Kaisern sich
der Ort anschlofs. Neben einem Burggrafen, der über Stadt und Stadtgebiet
(Freigrafschaft) die Gerichtsbarkeit ausübte, stand ein Schultheis. Allmählich
wufste die Stadt sich Anteile an der Gerichtsbarkeit zu erwerben ; 1343 besitzt
sie bereits die Hälfte derselben. Als mustergültig galt das Stadtrecht von Dort-
mund, welche auch als Hansestadt einen Ruf in der Handelswelt genofs.
Zweimal (1248 und 1301 ) war sie von den deutschen Königen verpfändet worden,
wodurch sie in blutige Fehden mit den Pfandinhabern verwickelt wurde. Später
kam die Hälfte der Freigrafschaft an die Herren von Stecken, nach deren Aus-
sterben (1504) sie ganz an die Stadt fiel. Fahne, Die Grafschaft und freie
Reichsst. Dortmund, Köln 1854 — 59, 4 Bde. Thierse Ii, Gesch. d. Freireichs-
stadt Dortm., I Bd., 1854. FrensdorlT, Dortmund« !- Statuten, 1882.
Wetzlar an der Lahn führt seine Entstehung ebenfalls bis auf Karl den
Grofsen zurück, unter Kaiser Friedrich 1. wurde es zur Reichsstadt erhoben,
ohne dafs es aber als solche eine Rolle gespielt hätte.
Gelnhausen hatte ebenfalls durch Kaiser Friedrich I., der hier die
stattliche Kaiserpfalz erbaute (jetzt Ruinen), Reichsunmittelbarkeit erlangt (11G9).
Frankfurt, Franconovurdum, Franckenfordr, wird zuerst 793 genannt. Karl
der Grofse hatte dort einen Hof, neben dem Kaiser Ludwig d. Fr. den Saalhof
am Mainufer bauen liefs. Seitdem hob sich der Ort zusehends : als Hauptstadt
von Ostfranken war er wiederholt Aufenthaltsort der Kaiser und Versammlungs-
punkt von Reichstagen etc., zugleich aber auch, als Wahlstadt der deutschen
Könige, ein Vorrecht, welches ihm 1350 durch die Goldene Bulle für immer
zugesichert wurde. Unter Kaiser Friedrich II. gelangte Frankfurt 1245 zur Reichs-
unmittelbarkeit; das Burggrafenamt wurde in ein Reichsschulzenamt verwandelt.
Durch Kaiser Ludwig den Baiern erhielt sie 1329 verschiedene Privilegien ;
1372 kaufte es auch das Schultheifsenamt an sich. — Kriegk, Gesch. v.
Frankfurt a. M.. 1X7 1 . Hörne, Gesch. von Frankfurt. 1893.
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149. Erzbistum Mainz.
2G3
Friedberg in der Wetterau am östlichen Ende des Taunus wurde 1211
unter Kaiser Friedrich II. unmittelbar, blieb aber trotz anfänglicher Blüte zurück
und wurde unausgesetzt verpfändet. Dieffenbach, Gesch. der Stadt und
Burg Friedberg, Darmstadt 18f>7.
Worms war in den Kämpfen mit den Bischöfen emporgekommen, be-
sonders seitdem Kaiser Heinrich IV. die Stadt begünstigte und ihr 1074 den
ersten Freibrief ausstellte. Kaiser Friedrich L und Friedrich II. wirkten für sie
in dem gleichen Sinne und sicherten ihr die Reichsfreiheit — Arnold, Ver-
fassungsgesch. d. dt. Freistädte im Anschlufs a. d. Vfgesch. d. St. Worms,
Gotha 1854. Fuchs, Gesch. d. St. Worms, 1868. Boos, Gesch. d. rhein.
Städtekultur mit bes. Berücks. d. St. Worms, 1897 — 1901.
Speier stand bis zur Mitte des XII. Jh. unter einem königlichen Burg-
grafen, der Vogt über Bistum und Stadt war und die höhere Gerichtsbarkeit
ausübte, die dann an den Bischof überging. Nachdem die Stadt schon damals
durch die Könige wichtige Privilegien erhalten, wurde sie in der Mitte des
XIII. Jh. zur Reichsstadt erhoben. Ihr Gebiet war nur klein. — Weifs
Gesch. iL St. Speier, 1876. Hilgard, Urkk. z. Gesch. d. St. Speier, Strafsbg. 1885.
149. Erzbistum Mainz. Das Territorium bildete keinen eng-
geschlossenen Bestand. Neben den in nächster Nähe von Mainz liegenden
verhältnismäfsig kleinen Gobictsteilen gehörten zum Erzstift weit gröfsere,
die vom Mittelpunkt der Herrschaft sehr entfernt lagen; so zunächst das
Gebiet von AsehalTonburg, welches die Erzbisehöfe seit dem X. Jh. unter
ihre Botmäfsigkeit gebracht haben. In der ersten Hälfte des XIII. Jh.
wurde auch das Landgebiet des wirtschaftlich herabgekommenen Klosters
Lorsch dem Erzstifte inkorporiert. Im Jahre 1324 kam es ferner in den
endgültigen Besitz von Lahnstein. Sehr bedeutend war die mainzische
Herrschaft in Thüringen, wo die Erzbisch öfe sich bereits im XI. Jh. zu
behaupten gewufst hatten; besonders das Eichsfeld hatten sie nach und
nach erworben, und die Stadt Erfurt mit ihrem Gebiet in Abhängigkeit
von sich zu halten vermocht.
Im Nieder-Rheingau mufs das Erzstift schon seit früheren Zeiten begütert,
gewesen sein. Der Waldaffbach bei Schlangenbad bis zur Einmündung in den
Rhein bildete die östliche Grenze, im S. und W. der Rhein. Es waren die
wertvollsten und reichsten Gebiete und schon damals wegen ihres Weins
geschätzt. Es gehörten hierzu die Orte: Eltville (Alfa villa), Winkel (Vinicella),
Geisenheim, Lorch, Lorchhausen, Erbach, Hattenheim, Kiederich, die Dörfer
Neudorf, Trauenstein, Nieder-Walluf, Johannisberg und Rüdesheim.
Unter Erzbisehof Sigfrit IL kamen die noch Übriggebliebeneil Territorien
der ehemals sehr begüterten Reichsabtei Lorsch an «las Erzstift. Hier hatte
Abt Konrad eine heillose Wirtschaft einreifsen lassen, so dafs die Verwaltung
an Mainz übertragen wurde. 12.*{2 wurde die Abtei von Kaiser Friedrich II.
dem Stift völlig geschenkt. Sie umfafste die Gebiete um Heppenheim, Bens-
heim und Hirschhorn. Letzteres wurde mainzisches heben des Herrengeschlechtes
Hirschhorn (bis 1632). Auch Gernsheim am Rhein gehörte zu Lorsch; dort
hatten lange Zeit die Bickebacher die Vogtei inne gehabt.
In Aschaffenburg war durch Herzog Otto von Schwaben 974 das Peter-
und Alexanderstift gegründet worden. Nach* seinem Tode fafste Mainz dort
Fufs, welches seit 1222 auch die Vogteigerechtsame dort ausübte. Das zu-
gehörige Gebiet umfafste noch die ganze westliche Hälfte des Spessarts und
reichte südlieh bis an den Neckar und an die Hohenlohesehe Grafschaft.
In Hessen gehörte dem Erzstifte Amönaburg (Burg und Stadt) mit den
Dörfern Rölsdorf, Bauerbach. Ginseldorf, Mardorf, Erfurtshausen, ferner die
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264 VI. Politische Geographie um dae Jahr 1376.
Kellerei Neustadt mit der gleichnamigen Stadt, Allendorf und Gericht Katzen-
berg. Getrennt von diesen nördlich der Eder besafsen sie noch das Gebiet von
Fritzlar mit Naumburg.
Lahn stein war seit 974 im Besitz des Erzstiftes, doch hat es die Vogtei
hierüber erst 1292 erhalten; 1324 wurde ihm durch König Ludwig der end-
gültige Besitz bestätigt. Es gehörten zu diesem aufser der Stadt Oberlahnstein
mehrere Höfe.
Auch die kleine Herrschaft Dieburg war 1284 durch Kauf teilweise
und 1310 vollständig an Mainz gekommen (im heutigen Rheinhessen östlich
von Darmstadt).
Im Eichsfelde besafsen die Erzbisehöfe nachweisbar schon 1022
Heiligenstadt ; auch Herrschaft Rustebcrg westlich hiervon mit 17 Dörfern mag
vielleicht schon vorher in ihrer Hand gewesen sein. Die Burgherrschaft Harden-
berg mit Nörten fiel ihnen 1055 zu, wurde aber 1232 an die gleichnamige
Familie verpfändet. Im Anfang des XIII. Jh. wurde auch die Burgherrschaft
Hanstein (östlich von Witzenhausen) ihnen durch Otto IV. im Streit mit
den Weifen zugesprochen. Ein beträchtliches Landgebiet auf dem Eichsfelde
erwarb 1294 Erzbischof Gerhard II. durch Kauf vom Grafen Heinrich von
Gleichenstein, nämlich die Burgherrschaften Birkenstein (unbekannt, WO?),
Gleichenstein (bei Reinhausen) und Scharfenstein (unweit Heiligenstadt). Im
XIV. Jh. war auch Worbis an Mainz gefallen. Desgl. Duderstadt, welches
vorher dem Stifte zu Quedlinburg und Braunschweig gehört hatte. Von 1334 — 1378
fiel es mit 29 Ortschaften stückweise an das Erzstift. Im Jahre 1345 wurde
Gibo Idehausen dem Herzog Heinrich von Braunschweig abgekauft. So war
fast das ganze Eichsfeld zu einem mainzischen Territorium vereinigt worden;
einiges wenige kam später noch hinzu.
Erfurt hatte durch das von Bonifaz gegründete, aber bald wieder auf-
gehobene Bistum von jeher in Beziehungen zu Mainz gestanden. Die Erz
bischöfe erwarben schhefslich auch die Hoheitsrechte über die Stadt und
Umgebung. Es hat freilich an Versuchen seitens der Stadt nicht gefehlt, diese
Reehte an sich zu bringen; zunächst aber vergeblich.
150. Bistum Worms. Über die Stiftung und die ersten Bischöfe
ist wenig Zuverlässiges bekannt. Mit Erembert um 770 beginnt erst
die nachweisbare Bischofsreihe. Das Stift war immer nur von sehr ge-
ringem Umfange gewesen, und stand häufig unter dem Bischof eines an-
deren Hochstiftes.
Das Stift lag rechts und links des Rheins. Die Stadt Worms selbst war
freie Reichestadt, die der Bischof in ihren Rechten oft zu schmälern suchte.
Sie war Sitz des Bischofs, gehörte aber nicht zum eigentlichen Stift. Die Feste
Stein und Lampertsheim auf dem rechten Ufer, dann Horchheim und Dinii
stein auf dem linken waren Stiftsgebiete. Schannat, Historia episcopatus
Wormatiensis , Frankf. 1734. Zorn, Wormser Chronik, hrgb. v. Arnold.
Stuttg. 1857.
151. Bistum Speier. Das Stift setzte sich aus zwei gröfseren Terri-
torien in der Rheinniederung zusammen. Das südliche links des Rheins
(im W. vom heutigen Karlsruhe) umfafste im wesentlichen die alte Graf-
schaft Lauterburg, deren Dynasten zur Zeit Friedrichs II. ausstarben.
L'mfassender war das bei Speier zu beiden Seiten des Rheins gelegene
Gebiet, welches von der Hardt hinüber bis nach Bruchsal reichte.
Das südliche Territorium lag zu beiden Seiten der Lauter; im N. um-
schlofs es noch Rheinzabern und Jockgrim. Im W. gehörte, getrennt von ihm
im Berglandc gelegen, noch Dhan hierzu. Das nördliche Territorium umfafste
auf der linken Rheinseite die späteren Ämter Kirrweiler, Deidesheim, Marien
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152. Herzogtum Ix>thringen. 153. Grafschaft Vaudemont.
866
traut und Madenburg mit vielen Dorfschaften, auf der rechten reichte es über
Bruchsal bis in den Kraichgau hinein.
152. Herzogtum Lothringen. Im Jahre 1048 war Graf Gerhard
vom elsässischen Nordgau mit der herzoglichen Würde in Oberlothringen
belehnt worden. Er selbst verfügte über ein beträchtliches Hausgut im
Nordgau, Bliesgau und Saargau, war auch im Besitz des Santois und
des oberen Maastales. Unter seinen Nachfolgern wuchs das Territorium
mehr und mehr an, bildete aber zunächst keinen geschlossenen Länder-
bezirk, sondern war von kleineren Herrschaften durchbrochen, die als
Apanage in der Hand von Nebenlinien des Hauses waren. Lothringen
war im Mittelalter durchaus ein Bestandteil des deutschen Reichsgebietes
gewesen und hatte stets mehr Beziehungen zum Osten als zum französi-
schen Westen gehabt. Auch seine Herzöge wurden als Reichsfürsten
aufgeführt.
Das damalige Herzogtum setzte sich aus drei grofsen Landgebieten zu-
sammen. Das mittlere Stück umfafste das Gebiet von der mittleren Saar
• westlich von Bitsch) an südwestlich über die Meurthe und Mosel bis oberhalb
Bayon. Hierzu gehörten das Gebiet von Nanzig (Nancy) mit dem Bezirk der
Burg Frouard (am Zusammcnflufs von Meurthe und Mosel), ferner Conde an
der Mosel, die Vogtei Esmanz (Amance, Esmantia), Gondreville mit Vogtei, die
Herrschaft Chaligny (Chaliny). Die ehemalige Grafschaft Luenstadt (Luneville)
an der Meurthe war 1243 durch Matthäus II. erworben worden, mit den Burgen
I.uenstadt, Gilbertsweiler (Gcrbeviller) und Valfroicourt. Auch das vorher gegen
diese Grafschaft ausgetauschte St. Die, Moyenmoutier, Estival und die Burg
Spisemberg kamen bald wieder an das Herzogtum zurück. Die Herrschaft Dieuze
war ein Metzer Lehen. — Zum südlichen Teil des Herzogtums gehörten die
genannten Gebiete von St. Die etc., ferner die Herrschaft Mirccourt (Mircuria)
arn Madon mit 51 Ortschaften und Neufchateau (Novum castellum) an der Maas,
im äufsersten Westen, wo die deutsch-französischen Grenzverhältnisse ziemlich
-trittig waren. Auch das ganze obere Moseltal war herzogliches Gebiet bis zur
Kammhöhe der Vogesen hinauf : die Landschaft Habend (Havend nach der
Burg Havendunum) mit der Vogtei von Arches; die gefürstete Abtei Remire-
mont (Reimersberg, Möns Sti. Romarici) bildete die Grenze Lothringens.
Westlich an dieses Stiftsgebiet schlössen sich die Herrschaft Passavant, die Burg-
gebiete von Deuilly (Daguliacus) und Flabemont.
Der nördliche Abschnitt des herzoglichen Gebietes lag im Saarlande. Zu
ihm gehörten die Herrschaft Schauenburg (Scowenburg) mit der Stadt und
Abtei Tholay, Herrschaft Sicrsberg mit der gleichnamigen Burg (Sigeberti
Sutrum) an der Einmündung der Nied in die Saar, ferner die Herrschaften
Bolchen (Boulay) an einem rechten Seitenbach der Nied und Florenges.
Für die Geschichte des Landes ist das grofse, an Material reiche Werk
von Ca Im et, Histoire ecclesiastique et civile de Lorraine, Nancy 1745 iL,
~t Bde., noch immer das wichtigste. Digot, Histoire de Lorraine, Nancy 185G,
6 Bde. Jacquot, HLst. de Lorraine, Metz 1874. Huhn, Gesch. Lothringens,
Berlin 1877, 3 Bde. Derichsweiler, Gesch. Lothringens, Wiesbaden 1901, 2 Bde.
153. Grafschaft Vaudemont (Vaudimont) zog sich zwischen dem
mittleren und südlichen Teil des Herzogtums von Vezelize über Vaude-
mont und Chatel (Chäte) über die Mosel hinaus. Erstere bildete nur einen
schmalen, bogenförmigen Landstreifen und wurde nach der Burg [Vadani-
monSf Gadanimons, Yodanimons, Gudensberg) benannt. Sie war ein vom
Familienbesitz abgezweigtes Gebiet für den Sohn Gerhards I., Hugo, in
dessen Familie es erblich blieb.
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266 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
154. Herzogtum Bar war im Besitz einer aus den Ardennen stain- *
menden Familie. Das Territorium gehörte teils zum französischen, teils
zum deutschen Reichsgebiet. Die Maas bildete die Grenze.
Bei der villa Barri hatte Friedrieh von Oberlothringen im X. Jh. die
Burg (Bar le Duc) gebaut und sieh nach ihr benannt. Zum deutsehen Anteil
gehörten die Herrschaft Longuion (Longwy) mit 29 Ortschaften, die Graf-
schaft Briey und Kastellanei Saucy (Lehen von Met/«. Vogtei Scthenal (liehen
von Verdun), Dun und St, Mihiel an der Maas.
Unter Robert I., der mit der Tochter König Johanns von Frankreich
vermählt war, wurde die Grafschaft zum Herzogtum erhoben (1354).
155. Grafschaft Obersalm. Die in den Ardennen heimische Familie
(s. S. 247), der auch der Gegenkönig Heinrichs IV., Hermann von Salm-
Luxemburg, angehörte, teilte sich später in zwei Linien. Hennann III.
hatte durch die Heirat mit Agnes, Erbgräfin von Langenstein, die Graf-
schaft Blankenberg (Blamont) in den Vogesen erworben (1135). Sein
Sohn Heinrich I. gründete in den Vogesen eine zweite Burg Salm, im
Tale der Breusch (Ruine bei Schirmeck), nach welcher die Grafschaft
im Gegensatz zu Salm in den Ardennen Obersalm genannt wurde.
Unter seinen drei Söhnen fand eine Teilung statt, indem der älteste,
Heinrich IL, Salm, Merchingen, Vivier und Langenstein beanspruchte,
Friedrich Blankenberg erhielt und Johann 1. die Vogtei Hunolstein.
Letzterer hinterliefs nur eine Tochter, die an den Sponheimer Grafen
Heinrich vermählt war. In der durch Heinrich II. begründeten Haupt-
linie erwarb Johann IV. (f 1386) durch Heirat mit Philipote von Valken-
burg die Herrschaft Ravenstein in Brabant.
Die Grafschaft Blankenberg (Blamont) im (>. von Vaudemont war
ehemals eine Vogtei des Bistums Toni, die an die Herren von Türkensteiii
(Burg östlich von Blankenberg) zu Leh«n gegeben wurde. Sie kam an die
Herren von I^angenstem ( Pierre Percee) und im XII. Jb. durch Agnes von
Langenstein an jenen Hermann von Salm. In der Linie des obengenannten
Gmfen Friedrieh blieb Blankenberg bis in das XV. Jh.
Da< Bistum Metz setzte sich aus sehr zerstreut liegenden, wenig zu
sanimenhängenden Gebietsteilen zusammen. Eine bedeutsame Stellung hat
das Stiftegebiet niemals eingenommen. Sehr viel geschlossener war das Terri-
torium der Stadt Metz, mit der die Bischöfe fast unausgesetzt in Fehde
lagen.
156. Kleinere Territorien in Lothringen waren die Grafschaften
und Herrschaften Büsch, Lützelstein. Saarwerden, Finstingen und Saar
bürg.
Grafschaft Bitsch gehörte ehemals ganz zum Herzogtum <>b»r
lotbringen. Die Burg lag auf dein die gleichnamige Stadt überragenden Felsen;
das Castrum Bytis wird schon llTi' genannt. Die Grafschaft kam 1297 durch
Heirat an Eberhard von Zweibrücken, der eine neue Linie begründete (Zwei-
brückcn-Bitsch). Diese Linie starb im XV. Jh. aus. um] durch die Frbtochter
Margareta Ludovica kam Bitseh mit anderen Gebieten an deren Gemahl,
Graf Philipp V. von Lichtenberg Hanau s. unten unter Lichtenberg beim
Termin l.r>'»<K Im Jahre löT.'i fiel es an Karl von Lothringen wieder
zurück.
Grafschaft Lützelstein Petit- Pierre mit der gleichnamigen Burg,
die eim-n Vogesenpafs beherrscht. Sie lag Büdlich von Bitsch und umfafate
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157. Elsafn. 158. Habsburgische Lande im Elsafs.
267
«n nur kleines Territorium. Seit dem XIII. Jh. war sie Lehen des Bistums
Strasburg, seit 1447 der Kurpfalz, von Rodungen, Die vormalige Gfsch.
Lützelstein, Strafsbg. 1880.
Grafschaft Saarwerden. Die Grafen waren unmittelbare Lehns-
leute des Reiches. Ihr Territorium schlofs sich unmittelbar westlich an das
Lützelsteinsche an, zu beiden Seiten der Saar. Das Geschlecht starb mit
Friedrich, Erzbisehof von Köln, 1414 aus, und die Erbtochter Walburg brachte
die Grafschaft an Graf Friedrieh IV. von Mörs.
Andere kleinere Territorien waren noch die Herrschaft Finstingen
(Fenestrange), die, im SW. von Saarwerden gelegen, demselben Grafen gehörte.
Ferner die Herrschaft Saar bürg (im oberen Flufsgebiet der Saar), die
mehr in Beziehungen zum Bistum Metz gestanden hat.
157. Elsafs. Der Eckenbach bei Schlettstadt schied im Elsafs den
Nordgau (Unterelsafs) von dem Sundgau (Oberelsaff). Beiden stand ein
Graf vor, der seiner Eigenschaft nach nur Beamter des Königs war.
Diese Grafenwürde hatte sich im Elsafs als leerer Titel lange erhalten ;
ihre Inhaber wurden Landgrafen genannt. Sie waren als solche aber
keine Territorialherren über das Elsafs. Im Oberelsafs hatten die Habs-
burger von jeher diese Würde besessen, die vom Vater auf den Sohn
forterbte, im Unterelsafs waren es anfangs die Nachkommen der
Etichonen, dann die Grafen von Werd, die Grafen von Öttingen und
seit 1359 das Bistum Strafsburg, welches Amt und Landgrafschaftsgut
durch Kauf an sich brachte; das Landgrafentum des Unterelsafs hatte
somit ein Ende gefunden. — Zur Zeit der Staufer, die im Elsafs reich
begütert waren, wurde zwischen dem Reichs- und Privatbesitz kein
Unterschied gemacht, zumal die Königswürde in der Familie blieb;
beide verschmolzen miteinander. Als nach dorn Erlöschen des staufischen
Hauses die Zeit des Interregnums folgte, bildete sich ein neues Amt,
die Landvogtei, aus. In der Hand Rudolfs von Habsburg, mit dem die
Reihe der Wahlkönige beginnt, waren somit die Landvogtei des ganzen
Elsafs und das Landgrafentum des Oberelsafs vereinigt, aber eine Ver-
schmelzung des staufischen Nachlasses mit seinem Privatgut war nun-
mehr ausgeschlossen. Dem vom Kaiser eingesetzten Landvogt, der
seinen Sitz in Hagenau hatte, war der ganze Reichsbesitz zur Verwaltung
unterstellt, zu welchem auch die Reichsdörfer und Reichsstädte (aufser
Strafsburg) gehörten, die somit nicht ganz reichsunmittelbar waren.
Die territoriale Entwicklung des Elsafs ist sehr eingehend behandelt in
dem vom statistischen Bureau in Strasburg herausgegebenen Buch: Die alten
Territorien des Elsafs, 1896, mit zwei Karten.
158. Habsburgische Lande im Elsafs waren dio nachfolgenden:
Grafschaft P firt. Als erster Besitzer wird Friedrich I. (1225') ge-
nannt. Die Burg lag neben dem gleichnamigen Städtchen Pfirt. Seine Nach-
folger trugen den gröfsten Teil ihres Territoriunis dem Baseler Bistum zu
Ijehen auf. Ende des XIII. Jh. kam die Herrschaft Blumenberg (Florimont)
durch Kauf hinzu. Ulrich II. 1310 — 1324) erwarb ferner noch Burg und
Stadt Dattenried-Delle und nach dem Tode seines Schwiegervaters Reinald II.
von Montbeliard (Mömpelgard) noch die Herrschaften Beifort, Rosenberg
(Rosemont) und Rotenburg^ Mit jenem Ulrich starb 1324 die Grafenreihe
aus; seine Tochter Johanna brachte ihrem Gemahl Albrecht von Österreich,
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26S
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
dem Sohne Kaiser Albrechts L, die Grafschaft zu. Die Grafschaft bestand
1. aus der Herrschaft Pfirt mit der Burg und Stadt Pfirt, Wolschweiler,
Mörnach, Pfetterhausen , Müspach, Riesnach, Buchsweiler und Zubehör;
2. Herrschaft Altkirch mit Burg und Staat, Largitzen, Hundsbach, Bettendorf,
Ballersdorf, Illfurt, Hochstatt ; jeder dieser Bezirke mit weiteren Orten; 3. Herrschaft
Thann mit Burg Engelburg und Stadt Thann und Zubehör sowie der Vogtei
Traubach ; 4. Herrschaft B e 1 f o r t mit den Vogteien Beifort und Ingelsod,
Grofsmeiertum Essis, Herrschaft Rosenberg, Vogtei Dattenried und den Herr
Schäften Blumenberg, Münsterol, Grandvillars und Froberg. 5. Vogtei
Senn heim mit der Stadt an der Thür und dem Dorf Steinbach.
Herrschaft Landser. Die Burg gehörte den Herren von Buden
heim, denen sie die Habsburger 1303 abkauften. Letztere scheinen aber selbst
die sich den Überrhein von Hüningen bis Blodelsheim entlang zog und 10 bis
12 km landeinwärts reichte, zerfiel in das Oberamt (Ober- Landser) mit sechs
Schulzenämtern : Landser, Kappeln, Obermichelbach, Dietweiler, Schlierbach.
Blotzheim und in das Unteramt, welches früher zur habsburgischen Herrschaft
Ensisheim gehört hatte, mit den Scholtiseien : Habsheim, Rixheim, Sausheim,
Ottmarsheim. Aufserdem gehörten zur Herrschaft noch einige Lehen : Hüningen.
Sierenz, Ober- und Niedersteinbrunn, Eschenzweiler u. a.
Herrschaft Ensisheim (Ensheim). Sie bestand aus den drei Orten:
Ensisheim, Rülisheim und Ungersheim. Getrennt von diesen waren die übrigen
Teile der Herrschaft, die zu Lehen ausgegeben waren : 1. Staffelfeiden, westlich
von Ensisheim ; 2. ein gröfserer Landkomplex nördlich hiervon, bestehend
aus: Niederbergheim, Oberbergheim, Bilzheim, Nieder- und Oberenzen, Mun
weder und Meienheim ; 3. Hattetadt, Vöklinshofen am Ausläufer der Vogesen ,
4. Riedweier, Holzweier und Wickensen weicr , nordöstlich von Colmar,
5. Grussenheim, nordöstlich von jenem; 6. Obersaasheim; 7. Nambsheim,
letztere beide in der Nähe des Rheins oberhalb Neubreisach.
Von kleineren Herrschaften der Habsburger sind zu nennen:
Herrschaft Masmünster umfafste das Dollertal. Das Gebiet gehörte
anfangs dem Frauenkloster Masmünster, über welches die Grafen von Pfirt,
dann die Habsburger die Vogteirechte besafsen, die sie zu territorialen Rechten
erweiterten.
Herrschaft Isenheim, anfangs der Abtei Murbach gehörend, ist seit
1303 in der Hand der Habsburger. Es besteht, östlich von Gebweiler gelegen,
aus Isenheim, Merxheim und Kädersheim.
Herrschaft Boll weil er, im N. und W. der Ensisheimer Herr
schaft gelegen, mit Feldkirch, Pulversheim, Regisheim (seit 1555), Ungersheim
und getrennt von diesen im S\V. von Mülhausen : Flachslanden und Heims
brunn (1578).
Herrschaft Landsberg (Hoh-Landsberg) westlich von Colmar ist
1303 jedenfalls schon im österreichischen Besitz. Es gehörten hierzu aulser
der Burg Landsberg: Ammerschweier, Ingersheim, Katzenthal, Kienzheün.
Niedermorsch weicr (z. T.), Türckheim (Vs), Sigolsheim (Vs), Winzenheim (tyj).
Getrennt lag rechts von der III: Logeinheim. Die Herrschaft war lange ver
pfändet.
Herrschaft Weilerthal oder Albrechtsthal umfafste das Weiler
tal und das oberste Breuschtal von Saales an. Es bildete ehemals eine be-
sondere Herrschaft Hohenberg, die durch Heirat an Rudolf von Habsbun:
kam und durch diesen vergröfsert wurde. Sie reichte das Weilertal abwärt.*
bis Scherrweiler (nordwestlich von Schlettstadt) in die Niederung. Schon
vor 131 1 scheint sie an die Müllenheim und dann an den Bischof von Straf?
bürg verpfändet worden zu sein.
Herrschaft Barr mit dem Hohwald im Westen der Stadt war meir-t
verpfändet, mit Burgheim, Gertweiler, Goxweiler, Heiligenstein, Mittelbenr-
heim <z. T.).
schon seit dem XI. Jh. dort land
Die Herrschaft.
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159. Herrech. Rappoltatein. 162 Bistum Strafoburg.
269
159. Herrschaft Rappoltstein bildete ein sehr umfangreiches Terri-
torium in den Vogesen mit mehreren Teilgebieten in der Rhein niederung.
Die Burg Hoh-Rappoltstein (1084 schon genannt), das sog. Alten-Kastel,
lag oberhalb Rappoltsweiler. Eine zweite Burg Grofs-Rappoltstein, eben-
dort gelegen, ist von den Rappoltsteinern erbaut worden ; später (nach
1435) wurde sie nach der neuerrichteten Kapelle auch St, Ulrichsburg
genannt. Eine dritte Burg: Stein wurde den Herren von Giersberg
(Geiersberg) eingeräumt, die ihre Stammburg im Banne Weier im Tal
den Rappoltsteinern überlassen hatten (1304).
Wie das Territorium sich entwickelt hat, ist schwer festzustellen. Aufser
den Burgen gehörten hierzu die Stadt Rappoltsweiler (z. T. Baseler Lehen),
Geniar (östlich von Rappoltsweiler) mit Ohnenheim, Bergheim, Hausen (seit
1315), Markirch mit Eckerich, Fortelbach, St. Blasien, Klcin-Leberau. Hohenack
seit 1279 in den Händen der Rappoltsteiner, 1361 durch Heirat an Graf
Konrad von Saarwerden (1437 wieder zurück an Rappoltstein) ; ferner Weier
im Tal. seit 1290. Heiteren in der Rheinniederung, im XIII. Jh. erworben.
160. Grafschaft Horburg. Graf Konrad I. wird 1225 zuerst nach
der Burg genannt (östlich von Colmar gelegen). Das Grafenhaus besafs
auch die Herrschaft Roichenweier am Vogesenrande. Die letzten, voraus-
sichtlich kinderlosen Grafen verkauften 1324 ihr Territorium an Herzog
Ulrich von Wirtemberg, mit Ausschlufs von Bennweier und Zellenberg,
welches als Lehen vom Strafsburger Bischof behauptet wurde (1329).
Mit dem Tode des letzten Horburgers 1331 (ein nachgeborener Sohn
starb noch 1374), fiel die Grafschaft an Wirtemberg.
Die eigentliche Grafschaft bestand aus : Horburg, Andolsheim, Bischweier,
Munzenheim, Dürrenenzen, Fortschweier, Widensolen, Appenweier, Sundhofen,
Wolfganzen, Vogelsheim, Algolsheim. Zur Herrschaft Reiche nweier fge-
hörten dieser Ort, ferner Altweier, Hunaweier, Bebeinheim, Mittelweier und
Ostheim, ausserdem mehrere Lehen.
161. Reichsabtei Marbach. Die Benediktinerabtei wurde um 724
gegründet. Ihr Landbesitz war durch reiche Schenkungen beträchtlich
angewachsen. Nicht nur in den Vogesen, auch in der Rheinebeue
besafs sie mehrere zerstreut liegende Besitzungen, die sie aber nicht zu
behaupten vermochte.
Die Abtei, umfafste die Vogteien Gebweiler, Wattweiler und St. Amarin
(oberes Tal der Thür). Der geschlossene Territorialbestand reichte vom Vogesen-
kamm östlich bis zum Fufs, die zum Strafsburger Mundat Rufach gehörige
Vogtei Sulz umklammernd.
162. Bistum Strasburg. Der Territorialbesitz des Stiftes war sehr
umfassend, büdete aber keinen geschlossenen Bezirk. Das Gebiet um
Strafsburg selbst gehörte seit der Befreiung der Stadt von der bischöf-
lichen Gewalt 1262 nicht zum Stiftsbesitze. Dieser umfafste die Vogtei
Bernstein, im wesentlichen die späteren Amter Benfeld und Markolsheim
in der Rheinniedorung oberhalb Strafsburg bildend, ferner: Molsheini
(Amter Schirmeck und Dachstein), Zabern und Kochersberg, Wanzenau
und Reichshofen. Im Oberelsafs gehörte hierzu das Mundat Rufach.
Aufser »Territorien des Elsafs« S. 85 ff. vgl. hierzu Fritz, Territorium
«les Bistums Strasburg um d. Mitte des 14. Jh., 1885.
1
270 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Die Vogtei Bernstein. Der bischöfliche Besitz war anfangs wohl auf
Epfieh und Benfeld beschränkt. Später ward die Herrschaft Bernstein mit
Dambach, Seherwciler, Kestenholz erworben, 1228, ferner im Jahre 1219
Rheinau und Kappel. Das getrennt liegende Gebiet Markolsheim wurde 1294
angekauft; seit 1313 ferner Stotzheim, Nonnenweiler. Sermersheim, Schwöbs*
heim. Richtolsheim, halb Hessenheim Arzenheim, Blodelsheim, Urschenheim
(1320). — Das Gebiet von Schirm eck umfafste das Breuschtal von Schirmeck
bis Mutzig. Ein Teil desselben war seit 773 bischöflich; später erst kam
Schirmeek hinzu. — Auch der Grundstock des Gebietes Dachstein ist alten
Datums. Beide zusammen bildeten den Distrikt Molsheim mit 55 Orten. 1366
wurde Schinneck mit dem Breuschtal an den Grafen Johann von Salm vor
behaltlich des Rückkaufes verkauft und von diesem an andere weitergegeben.
Zabern war schon 1071 teilweise in bischöflichem Besitz; Bischof Rudolf
baute auf dem Berge (Borra) eine Burg (Hohbarr). 1316 wird Zabern durch
Austausch mit anderen Gütern ganz bischöflich. — Kochersberg war aus zwei
Güterkomplexen zusammengesetzt, einem westlichen mit 7 Orten, unter ihnen
Kochersberg (Burg bei Neugartheim), und einem östlichen mit 28 Dörfern, die
zur Hälfte dem Reiche gehörten.
Wanzenau (Vendelini augia) in der Rheinau unterhalb Strafsburg. Das
Gebiet gehörte zum Bcnediktinerklostcr Hönau (jetzt rechtsrheinisch). Letztere«
wurde infolge einer Rhcinverlegung 1290 nach Rheinau und 1398 aus dem-
selben Cirunde nach Stralsburg verlegt. Das gesamte Klostergebiet kam sehr
frühzeitig an das Bistum. Ks gehörten hierzu aufser Wanzenau: Gambsheim,
Kilstett, Reichstett. SufTel weyersheim, Weyersheim zum Turm.
Reichshofen (westlich von Wörth a. d. Sauer) kam durch den Herzug
Matthäus von Lothringen 1232 an das Bistum. 1351 ist es Lehen derer von
Ochsenstein, die ihre Anteile weiter verkauften. — Das Mundat Ruf ach mit
der Isenburg (einem alten .Memwinger Schlofs) im Oberelsaff war seit dem
VH. Jh. bischöflich.' Der nördliche Teil (Egisheim) kam 1225 aus dem Dage-
burger Nachlasse hinzu; doch erst 1251 bestätigt. Es bestand aus den Vogteien
Rufach mit acht Orten. Sulz (südlich von Gebweiler) und Egisheim. — Erwähnt sei
hier noch der sog. Grafenbann, d. h. die Frankenburg mit dem südlichen
Teil des Weilertales, zu welchem Breitenau, Grube, Gereuth, Neukirch und
St. Moritz gehörten. Ehemals im Besitz der Grafen von Werd (11<>5\ später
derjenigen von Öttingen. 1358 fiel dieser Distrikt, ebenso Erstein in der Rhein-
niederung an das Bistum. Aus diesem Gebiet setzte sich später zum Teil da*
Territorium des Strafsburger Domkapitels zusammen.
103. Reichsstädte des Elsafs. Aufser Strafsburg gab es noch
zehn kleinere Reichsstädte, die seit Mitte des XIV. Jh. zu einem poli-
tischen Bunde (Zehnstädtebund, Dekapolis) vereinigt waren, der unter
dem kaiserlichen Landvogt in Hagenau stand. Es waren dies Mülhausen,
Colmar, Türkheiin, Münster. Kaysersberg, Rosheim, Oberehnheim, Schlett
stadt, Hagenau, Weifsenburg.
Von diesen bilden Colmar, Türkheim, Münster und Kaysersberg
eine Untervogtei, die sog. Reiehsvogtei Kaysersberg.
Strafsburg. Im Jahre 1262 hatte sich die Stadt der bischöflichen
Gewalt entzogen und war freie Reichsstadt geworden. Ihr Territorium be-
schränkte sich auf das die Stadt umgebende Gebiet, auf welchem ehemals die
Eticho'8che Herzogs- und Grafenfamilie grundherrliehe Rechte hatte. Wie es
an die Stadt gek< mimen ist, ist nicht aufgeklärt.
Mülhausen war ehemals eine königliche Villa gewesen. Das Dorf wurde
im XLII. Jh. zur Stadt erhoben. Sie war im XIII. Jh. lange Zeit ein Zankapfel
zwischen den Bischöfen von Strafsburg und den Hohenstaufen, denen sie 1236
vertragsmäßig zufiel. Als diese ausgestorben waren, brach der Streit nochmals
4
164. KeichHabtei Andlau. 165. Abtei Mauremünstor. 271
aus. Rudolf von Habsburg hatte sich der Stadt angenommen und ebenso sein
Nachfolger Adolf von Nassau, unter dem sie endgültig zur Reichstädt erhohen
wurde. Die Verträge von 1308 und 1309 überwiesen die Stadt dem Kaiser.
Das Stadtgebiet war damals noch sehr beschränkt
Colmar war stets königliche Stadt gewesen, ein Teil des elsässischen
Krongutes mit einigen Wirtschaftshofen, von denen einzelne vorübergehend in
anderen Händen waren. Anfangs besafs Colmar als Gebiet nur Deinheim,
dessen Bewohner im XIV. Jh. in die Stadt zogen. Später dehnte sich das zu-
gebörige Gebiet nach N. aus.
Türk heim gehörte zum Gebiet der Benediktinerabtei St. Gregorien, die
lange ihre Reichsunmittelbarkeit bewahrt hatte. Doch löste sich die Stadt als
freie Reichsstadt von ihrer Abtei los. Dasselbe gilt von Münster, mit dem
es schon der Lage nach immer zusammengehörte.
Kaysersberg war eine Gründung Friedrichs II., der dort zunächst nur
eine Burg gründete (1227), an welche sich ein sulmrbium anschlofs, das 1293
städtische Rechte erhielt.
Rosheim, südwestlich von Mutzig, zur Hohenstaufenzeit in kaiserlichem
Besitz vorübergehend an Lothringen verpfändet, Kaiser Friedrich IT. wufste
es 1218 für sieh zu behaupten. Die Stadt trat dem Zehnstädtebunde bei, alu
dessen Mitglied sie 1323 zuerst genannt wird.
Obcrehnheim am Rande der Vogesen. Seit 1354 gehörte zum Terri-
torium Bernhardsweiler (Kreis Erstem).
Sehl e 1 1 s t a d t, berühmt durch die karolingische Pfalz. Kaiser Friedrich II.
befreite den Ort mehr und mehr von der Gerichtsbarkeit des Abtes von St. Fides.
1217 ist er bereits eine mit Mauern umgebene Civitas. 1281 ist der Abt aus
seinen Machtbefugnissen ganz verdrängt. Zum Stadtgebiet gehörten noch das
Reichsdorf Burner oder Brunner (1310) und der Ort Kinzheim (Kuninges-
hain), 1338.
Hagenau ist entstanden im Anschlufs an das Jagdschlofs «les Herzogs
Friedrich im Heiligen Forst*, welches von seinem Sohn Barbarossa zur Auf-
bewahrung der Reiehskleinodien in einen Palast umgewandelt worden war.
Durch ihn erbielt der Ort 1164 reichsstädtische Freiheiten. Im XIV. Jh. trat
er dem Zehnstädtebund im Elsafs bei. Er war Sitz des kaiserlichen Land-
vogtes, der die übrigen Reichsbesitzungen von hier aus verwaltete. Zu diesen
gehörten eine ganze Anzahl von Reiehsdörf ern, die im Elsafs verteilt lagen.
Weifsenburg hat seit den Merowingern der Benediktinerabtei daselbst
angehört, über die die staufischen Kaiser die Vogteirechte ausübten. Durch
diese wurde die Stadt selbständig, wenn auch die völlige Lostrennung von der
Abtei erst 1518 erfolgte. 1353 trat die Stadt dem elsässischen Städtebunde bei.
164. Relchsabtcl Andlau, Benediktinerinnenkloster im Tal der
Andlau südwestlich von Barr, wurde von der Gemahlin Karls des Dicken,
Richardis, um 880 gestiftet. Die Äbtissin war Reichsfürstin, das Kloster
also reichsunmittelbar. Ihr zugehöriges Territorium (Andlau, Wangen -
bürg, Freudeneck, Birkenwald) war an andere verlehnt worden.
165. Abtei Maursmttnster. Das vom irischen Mönch Leobard
gestiftete Kloster (c. 590) hiefs nach diesem Leobardi Cella. Nach seiner
Zerstörung wurde es vom Abt Maurus um 724 wiederhergestellt (Mauri
numasterium). Nach abermaliger Zerstörung im IX. Jh. liefs es der
Rischof von Metz wiederherstellen und übertrug die Vogtei den Herren
von Geroldseck. Das zugehörige Territorium hiefs seit alters Marra
uquilensis (auch Terminus und Provincia), späterhin Herrschaft Geroldseck.
Die Mark wurde 1359 geteilt und ging in verschiedene Hände über.
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272
VI Politische Geographie um das Jahr 1375.
Zur Vogtei gehörten zehn Dörfer um Maursmünster : Altenheim zur Tauben,
Dimbsthal, Garburg, Ochtenhausen, Hägen mit den Schlössern Grofs- und Klein-
Geroldseck, Lochweiler, Reutenburg, Salenthal, Singrist (signum Christi), Thal.
166. Herrschaft Fleckenstein. Die Burg der Freien dieses Namens
lag südöstlich von Schönau auf steilem Felsen. Zum Territorium gehörten
frühzeitig Lembach, welches zur Hälfte Allod und bischöfliches Lehen
war; ferner Sulz mit fünf Dörfern als Lehen von Cöln und ein Teil
des Riedgaues oder der Grafschaft Uffried, bis an den Rhein reichend;
seit dem XIV. Jh. auch die ehemals selzische Stadt Beinheim, und seit
1345 das getrennt, nordöstlich von Buchsweiler gelegene Zutzendorf.
Auch Kutzenhausen (westlich von Sulz) mit sieben Dörfern war schon
damals als Lehen in ihren Händen.
Erwähnt sei hier die benachbarte Herrschaft Wasichenstein, zu
welcher Niedersteinbach gehörte (seit 1304) ; mit Pfaffenbronn war es Lehen
von Speier. Der letzte Herr dieses Hauses starb 1355, und sein kleines Gebiet
fiel an seine drei Schwiegersöhne, von denen Heinrich von Fleckenstein die
Burg Grofs- oder Ober-Wasichenstein erhielt.
167. Herrschaft Lichtenberg. Der älteste allodiale Besitz hat sich
an die Stammburg Lichtenberg angeschlossen, welche auf einem Höhen-
zuge der Vogesen, der nördlich des Modertales hinzieht, gelegen war.
Das Herrengeschlecht tritt mit Namen zum erstenmal 1210 hervor.
Schon im Laufe des XIV. Jh. hat es einen ansehnlichen Landbesitz zu
verzeichnen, der in der nördlichen Hälfte des Oberelsaff neben einigen
kleineren Gebietsteilen auch gröfsere zusammenhängende Landkomplexe
Als Mctzer Lehen besafsen die Lichtenberg die Gebiete von Ingweiler und
Buchsweiler, die sie durch Kauf einzelner Dörfer vergröfserten. 1288 erwarben
sie die Hälfte der kleinen Herrschaft Hüneburg. Im XIII. und XIV. Jh. be-
safsen sie zu Lehen auch den unteren Teil des Modertales innerhalb der
Vogesen : Pfaffenhofen mit Ober- und Nieder-Modern, Schwindnitzheim, Alt-
eckendorf, Schalkendorf, Offweiler, Engweiler. Als Metzer Lehen wurde vom
I^andgrafen Ulrich von Werd 1332 Brumath mit acht Dörfern gekauft. Auch
mehrere andere kleinere Gebietsteile kamen vom Landgrafen damals an Lichten-
berg, wie Alteckendorf, Diefenbach, Gumbrechtshofen, Hatten, Mietesheim
u. a. m.
Der gröfste Teil der Herrschaft Oberbronn gelangte im XIV. Jh. in
ihre Hand. Oberbronn gehörte ehemals den Herren von Ochsenstein, dann
denen von Born (Burn, Bronn\ welchen es in einzelnen Teilen abgekauft
wurde. — Im Anfang des XIV. Jh. kamen auch Wörth a. d. Sauer hinzu und
1332 einige der obengenannten Dörfer, die zu Wörth gehörten; 1342 ferner
der Distrikt von Offendorf (zur Hälfte, die andere war bischöflich Strafsburgisch).
Hatten war auch schon 1332 käuflich erworben worden. — Westhofen und
Balbronn waren Orte der alten Pfalz Marley (Marlenbeim) und seit 1302 und
1317 als Reichslehen im Besitz der Lichtenberg.
168. Herrschaft Hoh-Königsburg. Westlich von Sehlettstadt erhob
sich auf den Ausläufern der Vogesen die Burg, die ehemals Castrum
Estuphin (= Stephansburg) hiefs (1147). Mit St, Pilt (St. Hippolyte) am
Fufse ist sie 1250 im Besitz der lothringischen Herzoge, die es im
Laufe der Zeit an verschiedene Herren zu Lehen gaben.
bildete.
169. MnrkgrafBchaft Baden.
273
169. Markgrafschaft Baden. Nordöstlich von Freiburg bei dem
Dorfe Zähringen erheben sich die Ruinen der gleichnamigen Burg, nach
der ein Grafengeschlecht den Namen führte, welches in der Stauf erzeit
oftmals in den Gang der Reichsgeschichte eingegriffen hat, Seit dem
X. Jh. besafsen die Zähringer die Grafschaft im Breisgau. Zuerst tritt
von ihnen Bertold I. bedeutsamer hervor (f 1078); gelang es ihm freilich
nicht, das von Kaiser Heinrich III. ihm zugesprochene Herzogtum Schwaben,
nach welchem er den Herzogstitel führte, zu gewinnen, so besafs er doch
zeitweise das Herzogtum Kärnten (1061 — 1073) und die Markgrafschaft
Verona. Unter seinen Söhnen trat eine Spaltung in zwei Linien : die
herzogliche und die markgräfliche ein. Sein älterer Sohn, Bertold II.y
erbte von seinem Schwiegervater die rheinfeldischen Stammgüter, und
nach dem Tode seines Schwagers folgte er auf dem schwäbischen
Herzogsstuhl. Nachdem er auch mit Heinrich IV. Frieden geschlossen,
wurde ihm die herzogliche Würde in den schwäbischen Bezirken über-
tragen, wo sich seine Hausgüter befanden (Breisgau, Schwarzwald, Teck),
ferner die Reichsvogtei über die Stadt Zürich und deren Gebiet, welches
vom hohenstaufischen Herzogtum Schwaben abgetrennt wurde. Diese
herzogliche Linie starb im Jahre 1218 mit Bertold V.# von Zähringen
aus. Hermann I. hatte die jüngere Linie des Zähringer Hauses be-
gründet und war auf die Markgrafschaft Verona abgeteilt worden, die
er aber ebensowenig wie sein Vater wirklich besessen hat. Gleichwohl
hat er den Markgrafentitel angenommen, der für immer dem Hause
verblieben ist. Diese markgräfliche Linie ist in den Gegenden des Uff-
gaues und Murrgaues frühzeitig begütert gewesen, desgleichen in der
Ortenau. Im Jahre 1091 ererbte sie Baden, den seit alters wegen seiner
Bäder berühmten Ort, und Hermann II., der sonst wie auch sein Vater
als Graf von Lintburg auftrat, nannte sich fortan Markgraf von Baden,
wenn auch unter seinen Nachfolgern abwechselnd der Titel Markgraf
von Verona vorkommt. Von seinem Vater her besafs er schon die
Herrschaft Hochberg (Hachberg) im Breisgau und das Dorf Backnang.
Durch seine Urenkel wurden zwei Linien gestiftet, die sich auch in den
Güterbesitz teilten, der längere Zeit geschieden blieb. Hermann V. setzte
die Hauptlinie Baden-Baden fort und erhielt auch das Hauptstammland
Baden mit den Besitzungen im Breisgau, der Ortenau und Backnang,
während der andere Sohn Heinrich (ebenfalls mit dem Titel Markgraf
von Baden) Hochberg erhielt. Jener Hermann V. wufste sein Terri-
torium abzurunden und zu vergrößern. Seine Söhne teilton ebenfalls,
doch war das ganze Gebiet sehr bald wieder in einer Hand vereinigt,
erst unter Rudolf I. (f 1288) und dann unter seinem späteren Nachfolger
Rudolf VI. (t 1H72), während es inzwischen noch weitere Vergröfserungen
erfahren hatte.
Die von Bertold II. gestiftete herzogliche Linie der Zährinjier
hatte durch ihn den Ilerzogstitel erworben und für ihre Güter in Sehwaben
Reichsuninittelbarkeit. Seit 1217 war sie auch mit burgundisehen Gütern be-
lehnt worden, weshalb der Titel eines Herzogs von Burgund ihr verliehen
wurde, und im XII. Jh. liel ihr noch das ostjuranisohe Burgund, also die
Sehweiz, zu. Mit Bertold V. starb diese Linie 1218 aus. Die Reichslehen
Kretschincr, Historische Geographie. 18
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
(Zürich. Bern. Solothum, Freiburg im Üchtland u. a.) wurden vom Reich ein-
gezogen, die Eigengüter fielen an seine »Schwäger, Egeno von Urach und Ulrich
von Kihurg.
Die in arkgrä fliehe Linie stiftete Hermann I. Seit 1102 ist er im
Besitz der Burg Baden, nachdem sie vorher als Reichslehen im Besitz des
Hochstiftes Speier gewesen war. — Hermann V. war mit Irmingard von Braun-
schweig vermählt und tauschte ihr Heiratsgut mit Kaiser Friedrich II. aus,
der ihm Ettlingen als Lehen und Durlach als Aliud abtrat. Auch Pforzheim
war ihm durch Irmingard zugefallen. Sein Gebiet um Baden. Steinbach, Iburg.
Mühlburg. Grötzingen und Forchheim hatte er vorteilhaft abgerundet. — Sein
Sohn Hennann VI hatte durch seine Heirat Ansprüche auf das durch den
Tod Herzog Friedrichs von Österreich 1246 erledigte Herzogtum Österreich,
weshalb er Baden an seinen Bruder Kudolf 1. 1248 abtrat. Letzterer erwarb
durch seine Gemahlin Anteil an Burg Alteberstein, und sein Sohn kaufte später
den anderen Teil hinzu. Im Jahre 1263 hatte er «Ii** Herrschaft Liebeneck
bei Pforzheim noch erkauft. Weitere Erwerbungen seiner Nachfolger sind
1300: Stollhofen mit zwei Dörfern, 1310 ein Teil von Graben, 1304 und 1310:
Burg und Ortschaft Remchingen. 1314: Oberwössingen. 1321: Burg und Stadt
Enzberg und Burg Oehsenberg mit fünf Dörfern. Durch Erbschaft kamen
Burg und Stadt Weinsberg hinzu und 1339 Burg Höheinöd; 1334 als Pfand:
Ortenberg, Offenburg. Gengenbach. ZeH. — Unter Rudolf VI. wurden schliefe-
lieh alle Teile der Markgrafsehaft Baden wieder vereinigt ; er vergröfserte sie
auch noch durch die Güter der Grafen von Freiburg und 1368 durch Rothen-
fein und Reichenbach.
Bertold 1.
Bertoki II. Hermann I. f 1074
Herzog von Zahltagen
Bertold V. 1218 Hermann IV. f H90
t tt !
Hermann V. Heinrich I. f P231
Baden Höchberg
Hermann VI. t 1250 Rudolf I. t 1288
ich f '
r. in X
ttt
Heinrich II. t 12*>7
Friedrich f 1268 Heinrich III. f 1330 Rudolf 1 1314
hinger. in Neapel ron Höchberg von Sausenberg
Kudolf VI. t 1372
Bernhard I. Kudolf VII.
| f 1391
Jakob I. ttt
Karl' I.
Otto 1418
Christoph f 1527 ftt
Philipp 1503
Bernhard III. j 1536 Ernst f 1553 i f -;■
ron Baden-Baden von Baden- Pforzheim
(Durloch)
Die Markgrafschaft Haehberg oder Höchberg war Heinrich I.
(+ 1231) zugefallen, dessen Enkel anfangs gemeinschaftlich regierten; dann
teilten sie den Gesamtbesitz, der aus zwei getrennten Territorien bestand, von
denen Heinrich III. die Herrschaft Haehberg (d. h. das Gebiet von
Tennebach bis zum Kaiserstuhl und zur Burg Lintburg) und Rudolf die Herr-
schaft Sausenberg südlieh von jener am Rheinknie erhielt. Die Hach
berger Linie erwarb noch 1352 durch Heirat die Niederherrschaft Usenberg
[— Stadt Kenzingen, Burg und Herrschaft Kirnberg und Weifsweiler, Vogtei
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170. Grafschaft Erbach. 171. Die Eidgenossenschaft etc. 275
von Münchweiler und den Wildbann von Sulzburg), von der bald das meiste
wieder verloren ging.
Die zur Markgrafschaft Baden und Hachberg gehörigen Teile verzeichnet
Stalin, Wirteniltg. Gesch. II, WS ff. Neben der älteren Geschichte von
Sehöpflin, Historia Zaringia Badensis, Carter. 1 T*»r» ff. vgl. noch von Weech.
Die Zähringer in Baden, Karlsr. 1881. Oers. , Badische Gesch., Karlsr. 1890.
Heyck, Gesch. d. Herzoge von Zähringen, Freibg. 1891. Kienitz, Histor.
Karte des Grofsher/gt. Baden, 18NC.
170. Grafschaft Erbach. Sie lag auf dem Odenwald zwischen
mainzischem, pfälzischem und katzenelnbogischem Gebiet eng einge-
schlossen. Der Hauptort war Erbach mit der gleichnamigen Burg, die
erst verhältnismäfsig spät genannt wird. Sie bestand aus nur 16 Häusern,
in denen Mols die Ministerialen und Burgmannen wohnten. Infolge
einer Veräufserung der Burg hatten mehrere benachbarte Dynasten
geschlechter (Wertheim, Eppenstein, Weinsberg) Anteile an ihr erworben.
Zum Territorium von Erbach gehörten Stadt und Dorf Erbach, Ernsbach.
Erbuch, Erlenbach, Lauerbach. Schönnen, Ebersberg. Heisterbach, Gründerfirst.
Elsbach und Rofshach. — Die Familie der Erbach tritt zuerst in der zweiten
Hälfte des XIII. Jh. auf, und zwar in Gebieten, welche das wirtschaftlich ge-
sunkene Kloster Lorsch besafs. — Ihr Helen ferner zu die Cent Michelstat mit
Kloster Steinbach, Cent Beerfelden und Reichelsheim, ferner das Kirchspiel
Brensbach im Bachgau und Amt Schönberg. Aus den Bickebachschen Be-
sitzungen erwarben die Grafen Burg Tannenberg (139!) zerstört als Raubnest
und Amt Jazza (Jossa) mit der Burg Dachsberg und Jugenheim.
171. Die Eidgenossenschaft der acht alten Orte. Die drei Wald
stätten Schwyz, Uri und Unterwaiden hatten unter Kaiser Friedrich IL
lieichsunmittelbarkeit erlangt, nachdem sie bis dahin den Habsburgern
(als Grafen des Aar-, Zürich- und Thurgaues und Vögten vieler Klöster!
unterstellt gewesen waren (1240). Jene wollten aber diese Mafsnahme
nicht anerkennen, und Schwvz und Untorwalden mulsten 1252 unter die
Habsburgische Oberhoheit wieder zurückkehren. Hatten sich dio drei
Waldstätten in der Verfolgung ihrer gemeinsamen Ziele schon früher
zu einem Bunde vereinigt, so erneuerten sie nunmehr ihr Bündnis
(1. August 1291); sie erreichten es auch, dafs Heinrich VII. 1309 ihrn
Heichsunmittelbarkeit wieder anerkannte. Die Schlacht bei Morgarten,
die, im Interesse Ludwigs von Baiorn, über die Österreicher von ihnen
siegreich erfochten wurdo, befestigte noch mehr ihre Stellung und führte
zu einem desto festeren Zusamnienschlufs der Eidgenossen (1315). Der
Bund gewann jetzt tun so mehr Bedeutung und Macht, als sich ihm
noch andere Städte und Gebiete des österreichischen Herrschaftsbereiches
anschlössen: Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus 1352, Zug 1352 und
Bern 1353. — Schliesslich erkannte auch Kaiser Karl IV. den Bund der
acht alten Orte an.
Die acht alten Orte verfügten im XIV. Jh. über ein Gebiet, welche.-
wenig kleiner war als das heute zu ihnen gehörige , und das sie in der
kurzen Zeit von hundert Jahren sich erworben hatten. An dieser Macht -
ausdehnung nahmen weniger die Länder: (Tri, Schwvz etc.) Anteil als viel-
mehr die Städte. Die Eidgenossenschaft unifafste im Jahre 1375 den Raum
von den Glarner Alpen im 0. bis zu den FVeiburger Alpen und unteren Haan?
im W. und von den Bern»"- Alpen und St. Gotthard im S. bis zur Glatt und
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VI. Politische Geographie um «Ihs Jahr 1375.
«lern Tiigern Gebirgszug nordwestlich von Zürich) im N. und in einzelnen
Strichen bis zur Aare auf der Strecke von Oltingen bis Wangen. Dändliker,
Gesch. d. Schweiz, Zürich 1884, I, 541.
Die Länderkantone haben wir uns in dem heutigen Umfange etwa zu
denken, wie er teilweise durch die Gebirgsgrate vorgezeichnet worden war.
Schwyz wird zuerst in einer Urkunde Ottos II., 24. August 972: Suittes
genannt. Es reichte noch nicht bis an den Züricher See; auch March (im NO.
des Sees) und Gaster gehörten noch nicht dazu. Das Land war ehemals von
den Besitzungen der Klöster (Einsiedeln, Engelberg, Beromünster) und welt-
licher Herren (I^enzburg-Habsburger) durchsetzt; vgl. Näheres bei Üchsli,
D. Anfange der Schweizer. Eidgenossenschaft, Zür. 1891. S. Gl ff. — Das kraft
volle Auftreten der Schwyzer hatte sie auch in den Augen der Aufsenwelt mehr
in den Vordergrund der eidgenössischen Bewegung gerückt , und ihr Name
wurde schlicfslich auf alle Mitglieder des Bundes und das Land übertragen.
Die Schlacht am Morgarten 1315 führte zuerst zu einer Verallgemeinerung,
indem auch die Bundesgenossen von Uri und Unterwaiden mit unter den
Schwyzern und die drei Länder unter Schwyz, Schweiz, begriffen wurden.
Letzterer Name kommt zuerst in den Annalen von Zwetl zum Jahre 1320 vor
in der Form: Sueicz ;Mon. Germ. SS. IX, 062), dann 1350 latinisiert als Suicia
und bei Vitoduran zu derselben Zeit Swiz. Während bis zur Mitte des XIV. Jh.
von den Schwyzern im allgemeinen wie im lokal beschränkten Sinne gesprochen
wird, wird mit der Erweiterung der Eidgenossenschaft auch der Name ent-
sprechend auf die neuen Bundesmitglieder ausgedehnt. Ganz allgemein üblich
wurde er erst nach der Schlacht von Sempaeh, und seit 1415 rinden wir den
Namen Schweiz auch im amtlichen Gebrauch; so heilst es im Geleitsbrief
Siegismunds: allen Landlüten und Stätten in Stcitz, unter welchem, nach dem
Inhalt zu schliefsen, alle eidgenössischen Länder zu verstehen sind. Im weiteren
vgl. den Artikel Schweiz bei Egli, Nom. geogr. — Über den Kanton Schwyz
s. noch Fafsbind, Gesch. d. K. Schwyz bis 179H, 5 Bde.. Schwyz 1832 ff.
Meyer von Knonau, Der Kanton Schw., historisch, geogr. und statistisch.
St. Gallen 1835.
Uri war schon damals auf das obere lieufstal und den Urner See
beschränkt ; im XIV. Jh. war noch das Urserental unterhalb des Reufsursprunj:«:-
mit einverleibt worden. Der Name Uri tritt zuerst 732 auf; 830 wird der
Bezirk pagellns Vronie genannt. Allgemein wurde der Name mit dem Ur- oder
Auerochs in Verbindung gebracht, worauf auch das Wappen (schwarzer Stier-
kopf mit N\isenring) und das gewaltige Schlachthorn, der sog. »Stier von Uri«.
zurückweisen. Über andere Deutungen vgl. Egli s. v. Ursprünglich war Uri
im Besitz der Fraumünsterabtei in Zürich (853 gestiftet) gewesen und stainl
unter der Reichsvogtei der Zähringer, nach deren Aussterben 1218 unter der
jenigen der Habsburger, üchsli, Anfänge d. Schw. E.. S. 27 ff. Lusser.
Gesch. des Kantons Uri, 1802.
Unterwaiden umfafste das heutige Gebiet mit Ausschlufs des Engel-
berger Tales, welches der dortigen Abtei gehörte. Der Name bezieht sich auf
die durch die Bergwähler bedingte Lage, deshalb latinisiert auch Intramontam
Der in den Vicrwaldstätter See vorspringende Kernwald teilte das Land seit
alters in zwei Bezirke. Auf einer Gemeindeversammlung zu Wyfs- Erlen, einem
Weiler bei Kerns, im Jahre 1150 wurde die Trennung beschlossen : Obwalden
bildete das Tal von Sarnen, d.h. ob dem Kernwald, und Nidwaiden das Tal
von Stans, also unter (nid) dem Kernwalde. Seit 1291 wieder vereinigt,
trennten sich die beiden Gemeinwesen 1333 von neuem ; doch bildeten sie
zusammen in der Eidgenossenschaft nur einen Staat, Öchsli 1. c. ti7 t!
Businger, Gesch. des Volkes von Unterwaiden, Luzern 1827 f.
Luzern, urkundlich zuerst 840 Luciaria, später Luceria und IiHMina, mit
dem 740 gestifteten Kloster des hl. Leodegar, weshalb Luzern (als Lndgarli
auch mit seinem Namen in Verbindung gebracht worden ist. Es gehörte tXOffi
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172. Territorien der Schweizerlande.
277
dem Kloster Murbach im Elsafs und kam 1291 durch Kauf an die Habsburger.
Luzern hatte es unter den Stadtkantonen sehr bald zu einem ansehnlichen Terri-
torium gebracht. Die Herrschaft Wäggis mit Vitznau im 0. des Sees gehörte
erst seit 1380 zu Luzern. — Pfyffer, Gesch. der Stadt und des Kantons Luz..
Zürich 1850 f. von Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Luz.,
1851 ff.
Zürich trat 1351 dem Bunde bei. Zur Zeit Bruns hatte Zürich noch kein
Gebiet ; 100 Jahre später hatte es einen Umfang, der gröfser als der heutige
war. Die meisten Erwerbungen fallen in die nächste Periode (s. d.). Zürich
(Turiatm, im X. Jh. Zurih, Zürich) stand mit seinen beiden Münstern, dem
Grofsmünster und dem Fraumünster, unter dem Reichsvogt, bis es 1218 reichs-
unmittelbar wurde und seit jenem Zeitpunkt auch die Rechte und Besitzungen
der Äbtissin allmählich an sich brachte. — Vgl. Meyer von Knonau, Der
Kanton Zürich, St. Gallen 1844. Bluntschli, Staats- u. Rechtsgesch. der
Stadt u. Landsch. Zürich, 1856. Ders., Gesch. d. Republik Zürich, 1847 f.
Glarus war 1352 in den Bund mit aufgenommen worden, mufste aber
drei Jahre später unter Österreichs Hoheit wieder zurückkehren, so dafs es
gerade um 1375 kein freies Bundesmitglied war und es 1387 erst wieder wurde.
Der Umfang seines Gebietes scheint der heutige gewesen zu sein. Dändliker I,
539. Anfänglich bildete es eine Grundherrschaft des Klosters Säckingen am
Rhein, dessen Schutzpatron der hl. Hilarius war; mit seinem Namen wird auch
derjenige von Glarus in Zusammenhang gebracht. Blum er und Heer, Der
Kanton Glarus, histor. geogr. statistisch, St. Gallen 1846.
Zug hatte einen geringeren Umfang als heute; es umfafste nur die
Gemeinden Menzingen, Ageri und Baar, welche drei das Amt Zug ausmachten.
Im Jahre 1273 hatten es die Habsburger käuflich erworben, 1352 trat es dem
Bunde bei, kam nachher aber auch wieder zeitweise unter österreichische Hoheit.
Stadlin, Gesch. d. Kant. Zug, Luzern 1819 ff. Reinaud. Beitrag zur Staat*
u. Rechtsgesch. des K. Zug, Pforzheim 1847.
Bern ist eine Gründung Bertolds V. von Zähringen 1191, der sie als
Schutzfeste gegen den Adel des Landes erbaute. Nach dem Aussterben der
Zähringer wurde es eine Reichsstadt und als solche 1273 bestätigt. Die
Geschichte Berns geht seitdem in Eroberungen und Erwerbungen grofsen Stiles
auf. und besonders die Schlacht am Dornbühl über das zu Österreich haltende
Freiburg 1298 gab ihm einen kräftigen Rückhalt. Fast das ganze Aargebiet
machte Bern sich dienstbar, teils durch Gewalt, teils durch Kauf. Erst der
Sieg bei Laupen 1339 über den widerspenstigen Adel begründete eine sichere
Herrschaft. Nachdem Bern schon vorher einen Anschlufs an die Eidgenossen-
schaft gesucht hatte, trat es dieser 1353 endgültig bei. Stettier, Staat«- und
Rechtsgesch. des Kantons Bern, 1845. Watten wyl, Gesch. der Stadt und
Landschaft Bern, Schaffh. 1867—1872.
tonen orientieren die genannten Werke von Dändliker, Bluntschli.
W a tt e n w y 1 . Segesser und Blumer, Staats- und Rechtsgesch. der Schweizer.
Demokratien, St. Gallen 1850.
172. Territorien der Schweizerlande (mit Ausschlufs der Eid-
genossenschaft). Mit der Auflösung der Gau Verfassung trat auch hier
die territoriale Zersplitterung ein. Die ganze Entwickelung nahm in der
Schweiz aber eine andere Richtung, insofern als gegen Schlufs dieser
Periode schon ein grofser Teil des Landes zu einem eidgenössischen
Gebiet sich wieder zusammengeschlossen hatte.
Im VI. Jh. bildete das ganze Schweizerland einen Teil der fränkischen
Monarchie. Der Vertrag von Verdun beliefs freilich nur den östlichen Teil
(östlich der Aar-Reuls) dem ostfränkischen Reiche, wälirend der westliche seit
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VI. Politische Geographie um dae Jahr 1375.
8*«8 zum burgundischen Königreich gehörte und mit Arclate seit 930 vereinigt
war. König Rudolf III. von Burgund hatte mit seinem Neffen, dem deutschen
Kaiser Heinrich II.. K 06 einen Erbvertrag geschlossen, der 1027 durch Kaiser
Konrad 11. bekräftigt wurde, auf Grund dessen ganz Burgund nach dem Tode
Rudolfs an das Deutsche Reich kommen sollte. Dieser Fall trat 1032 ein. 80
dafs die ganze Schweiz nunmehr zum Reiche gehörte.
Hier kam seit der zweiten Hälfte des XI. Jh. das Haus der Zähringer
empor. Berehtold II. war nach dem Aussterben der (trafen von Rheinfelden
1090) in den Besitz ihrer Stammgüter und vieler Besitzungen im ostjuranischen
Burgund gekommen und seit 1092 auch Herzog von Schwaben geworden;
1096 verzichtete er teilweise auf diese Würde, indem er den Titel mit
Beschränkung auf seine Ilausgüter (im Breisgau» Schwarzwald, um Teck) nur
führte und auf die Reichsvogtei über Zürich. Noch bedeutender wurde tlie
Machtstellung der Zähringer, als dem Herzog Konrad auf dem Reichstag zu
Speier 1127 das Herzogtum des ehemaligen ostjuranischen Burgunds, welches
sieh bis zum Grofsen St. Bernhard ausdehnte und östlich bis zum Zürichgau.
dem Konrad vorstand, von Kaiser Lothar übergeben wurde. Danach nannte
er sich auch Herzog von Burgund und seine Nachfolger Herzoge und Rektoren
von Burgund. Berehtold IV., Konrads Nachfolger, hatte unter Verzicht leistung
anderer Vorteile sein ostj uranisches Burgund etwas vergrößert. Es umfafete
die Reiehsvogteien und Investiturrechte in den Bistümern Lausanne. Genf,
Sitten (Otto von Freis. II, 30), den Landstrich zwischen der Saane und Aar
(Teile des Üchtlandes, den Uffgau), die Grafschaft Kleinburgund östlich der
Aar ( von Thun bis Aarwangen) und die Reichsvogtei Zürich. Von ihm ist eine
zweite Stadt Freiburg im (ehtland gegründet worden (1178) und von seinem
Nachfolger Berehtold V. die Stadt Bern (1191). Die herzogliche Linie der
Zähringer starb mit ihm 1218 aus und die Lehen fielen an das Reich zurück,
während viele kleinere Dvnasten und einige Städte reichsunmittelbar wurden.
Stalin, Wirtembg. Gesch. II. 282 IT.. .116. Über die Verteilung des Zährin-
gischen Erbes vgl. Dändliker 1. c. I. 286.
Die Grafen von Kyburg schwangen sich im XIII. Jh. zu mächtigen
Dynasten auf. Die Stammburg befindet sieh bei dem gleichnamigen Dorfe
unweit Winterthur. Ihre Grafschaft erfüllte den Raum zwischen der Glatt und
dem Rhein. Als das Haus der Zähringer mit Berehtold V. ausstarb, ging ein
Teil der Güter durch die eine der Erbschwestern Anna an ihren Gemahl, den
Grafen von Kyburg. über. Es waren dies die burgundischen Güter um Thun.
Burgdorf, Herzogenbuehsee. Freiburg und die Grafschaft im Thurgau. Unter
Ulrich von Kyburg (f 1231) stand das Haus auf der Höhe seiner Macht.
Unter seinen Nachkommen fand 1240 eine Teilung statt, bei der Hartmann
der Ältere alles Gebiet im O. der Reufs. die altkyburgsehen Lande im Thür-
und Zürichgau, erhielt und Hartmann der Jüngere, sein Neffe, die Güter im
\V., das einstige zähringische Erbe und die lenzburgisehen im Aargau. Frei-
burg blieb beiden gemeinsam. Der Ältere starb aber kinderlos 1261, und seine
Hausgüter und geistlichen Lehen (aufser St. Gallen) fielen an seinen Neffen
Rudolf von Habsburg. Hartmanns des Jüngeren Tochter, Anna, heiratete Über-
dies Eberhard von Habsburg und trat 1273 und 1277 die lenzburgisehen Güter
im Aargau nebst der Vogtei Schwyz und anderen Gütern in den Waldstetten
sowie die Stadt Freiburg im Oehtlande an Rudolfs Söhne ah. Eberhanls
Sohn Hartmann begründete eine neue Kyburger Linie.
Zahlreich sind die kleinen Grafschaften und Herrschaften gewesen, die
in den wirren Zeiten zwischen Kaiser Friedrich II. und Rudolf von Habsbunj:
sich konsolidieren konnten, ohne dafs sie freilich alle einen längeren Bestanil
gehabt haben, teilweise auch in den anderen aufgingen. Die Grafschaft
Greyerz (Gruyeres) im oberen Saanetal. Grafschaft Neuenburg (Neu
chätel) im Westen des Neuchäteler Sees; sie wurde 1218 reichsunmittelbar, doch
schon 1288 an die Grafen von Chälons zu Lehen aufgetragen. Grafschaft
Buch eck oder Buchegg zwischen der Emme und Aar, an welche sich im S.
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»
173. (irafHchaft Wirteinberg. 279
«lie neuenburgische Herrschaft Arborn, im W. die neuenburgische Herrschaft
Strafsberg sehlofs. Solothurn war seit 1218 Reichsstadt und gleichfalls
in den Besitz eines kleinen Gebietes gelangt. Grafschaft Froh bürg weiter
nordöstlich am linken Ufer der Aar. Neben ihr Grafschaft Thierstein.
Auch die bischöflichen Kirchen waren mit Herrschaften ausgestattet: Bistum
Lausanne, Bistum Sitten, Bistum Basel, von welchem die Stadt Basel
sich unabhängig gemacht hatte. Nicht weniger zahlreich waren die freiherr-
lichen Territorien von Corbieres, Lasarraz, Montenaeh, Kien, Strättlingen, Breni-
garten, Weifsenburg, Kramburg. Jegistorf, Münsingen, Signau, Brandis, Maggen-
berg u. a. m. Die meisten von ihnen waren in der Eidgenossenschaft schon
aufgegangen.
Am umfassendsten war jedenfalls das Habsburgische Gebiet; es
umfafste vor der Machtentfaltung von Zürich und Bern noch den Aargau und
Thurgau, die Grafschaft Kyburg und Herrschaften Winterthur und Rapperswil
und ganz im W. die Herrschaft Freiburg. Es schlössen sich die habsburgischen
Schweizerlande unmittelbar an den habsburgischen Besitz im Breisgau an,
d. h. die ganze südliche Hälfte des Schwarzwaldes mit Ausschluis der beiden
Herrschaften Haehberg und Sausenberg, die zur Markgrafschaft Baden in
Beziehung standen. Dändliker I. 541. Nach der Schlacht von Sempach begann
dann der Verfall der habsburgischen Macht in der Schweiz.
In der östlichen Schweiz bestand noch die Grafschaft Toggen bürg
im Tal der Thür. Das reiche Grafengeschlecht, welches auch im Prätigau und
im Tal von Davos begütert war, hatte bis zur Mitte des XIV. Jh. allerdings
viel Einbufse erlitten durch Verpfändungen und Veräufserungen, besonders an
die benachbarte Abtei St. Gallen (gestiftet 720). Die tatkräftigen Äbte fanden
an den Bestrebungen Rudolfs von Habsburg mancherlei Widerstand. Die bei
der Abtei erblühte Stadt wurde 1281 durch Rudolfs Eintreten von den Äbten
unabhängiger und seit der Mitte des XV. Jh. völlig von ihrem Einflufs befreit.
Das Bistum Chur hatte im Rheintal nur ein beschränktes Territorium ; doch
gehörte ihm noch «las ganze Engadin. Das obere Vorderrheintal besafs die
Abtei Disse ntis. Die Gebiete der ehemaligen Grafschaft Laax von Ranz
bis östlich zur Wasserscheide des oberen Inn waren in den Besitz verschiedener
Dynasten, der Tog^en burger. Werdenberger u. a.. ül »ergegangen.
Literatur. Vgl. hier den vorigen Abschnitt; ( >ehsli behandelt besonders
eingehend die älteren reichs- und kirchenvogteilichen Verhältnisse der mittleren
Schweiz S. 104 ff., 125 ff., 138 ff. — Bär, Zur Gesch. d. Gfsch. Kyburg,
Zürich 1894. Majer, Gesch. des Fürstentums Neuenburg, Tübing. 1857.
Benoit. Le canton de Neuchätcl, N. 1861. Chambrier, Hist. de Neueh.
et Valangin, N. 1840. Strohmeyer, Der Kanton Solothurn, histor. geogr.
statist., St. Gallen 1*36. Meisterhaus, Älteste Gesch. des Kant, Solothurn.
1890. Boos, Gesch. der Stadt Basel, 1877. Wegelin, Gesch. der Landschaft
Toggenburg, St. Gallen 1857. von Baumgartner, Gesch. d. schweizer. Frei-
staates St, ({allen. Zürich 1*68, H e n n c - A m -R h y n, Gesch. des K. St. Gallen. 1863.
173. Grafschaft Wirtemberg. Das alte Herzogtum Schwaben hatte
mit dem Tode Konradins von Hohenstaufen (12<>8) vollends allen inneren
Halt verloren. Auf eine Wiederherstellung hatte Kaiser Rudolf 1288
ausdrücklich Verzicht geleistet. Hiermit war die Zersplitterung der
herzoglichen Rechte verbunden, und eine Reihe von Grafschaften und
Herrschaften gewannen an Selbständigkeit und Bedeutung. Zu diesen
gehörte auch die Grafschaft Wirtemberg, die wie alle aus kleinen Ver-
hältnissen heraus ihr Territorium mit Geschick und Glück zu vergröfsern
verstand, so dafs es in der zweiton Hälfte dos XIV. Jh. die übrigen
schwäbischen Herrschaftsgebiete an Arealgröfse schon weit überragte.
Wenn das Land Wirtemberg auch heute noch gern als schwäbisches
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280
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Land oder Schwaben schlechthin bezeichnet wird, so ist doch zu berück
sichtigen, dafs ein wirklicher Zusammenhang der Grafschaft und des
späteren (seit 1495) Herzogtums Wirtemberg mit dem alten Herzogtum
Schwaben nicht bestanden hat. Die Geschichte des Landes Wirtemberg
ist vielmehr die Geschichte seiner Dynastie.
Das alte Herzogtum Schwaben war bis 1079 in der Hand von ver-
schiedenen Dynasten gewesen, als es Kaiser Heinrich IV. an Friedrich I., Grafen
von Hohenstaufen, verlieh. Im Besitz der Staufer blieb es bis zu deren Unter-
gange (126H). Das Land führte den alten Namen Schwaben. Suevia, während
der Name Alamannien, der vor der Stauferzeit mit Schwaben gleichbedeutend
war, allmählich zurücktrat und zu einer Gesamtbezeichnung des deutschen
Zum Herzogtum Schwaben gehörte auch das Elsafs bis zu den Vogesen. im
Süden auch die ganze Grafschaft Chiavenna, während die Nordgrenze noch
z. Z. Kaiser Friedrichs L nach der alten Weise feststand, da in einer Urkunde
von 1155 die nördliche Ausdehnung des Konstanzer Sprengeis mit der Nord-
grenze der Alamannen gegen die Franken identifiziert wurde. Belegstellen
hierzu bei Stalin L c. 646 f.
Das Geschlecht der Hohenstaufen (ursprünglich der Herren von Büren,
lälst sich bis in das XI. Jh. zurückverfolgen. Der Sohn Friedrichs von Büren
(f 1094) war jener obengenannte Friedrich I., der zum Herzog erhoben wurde
und in der zweiten Hälfte des XI. Jh. das Stammschlofs Hohenstaufen auf
einem zwischen Fils und Rems gelegenen Jurakegel der Rauhen Alb unweit
Göppingen (im Bauernkrieg 1525 zerstört) erbaute. Sehr bald hatte das Ge-
schlecht eine ausgedehnte Hausmacht erworben, die seine Erhehung auf den
Königsthron initveranlafste, und im Besitze der Krone wufste es seinen Besitz
durch neuen Zuwachs zu vermehren, so dafs eine Trennung zwischen den
eigentlichen Ilausgütern und den Königsgütern nicht mehr möglich ist. Der
erste Herzog Friedrich (f 1105) hinterliefs zwei Söhne: Friedrich (der Ein-
äugige), der im Herzogtunic folgte, und Konrad, der einige Besitzungen in Ost
franken erhielt und welchem späterhin von Kaiser Heinrich V. noch das Erbe
der Grafen von Rothenburg-Kamberg zugesprochen wurde. — Die Besitzungen
der Hohenstaufen führt Stalin 1. c. 234 — 244 auf; es sind hauptsächlich fol
gende: 1. die alten Hausgüter in der Nähe der Stammburgen Beuren (oder
Wäschenbeuren, nordwestlich vom Hohenstaufen) und Hohenstaufen mit dem
von Friedrich I. gestifteten Kloster Lorch, ferner mit Welzheim (Wallenzin).
Gmünd und Göppingen; 2. die Besitzungen im Brenzgau und im Riefs mit
Giengen, Flochberg, Bopfingen u. a. ; 3. die Besitzungen im Elsafs, besonders
die Erbgüter bei SchleUstadt, dann Königsburg, Rosheim, Königsbruck (nord-
östlich von Hagenau), Waldburgis ( nördlich von Hagenau), Neuburg (westlich) ;
4. Besitz in Baden: die Orte Sinsheim, Ettlingen, Durlach, Eppingen; in der
Ortenau: Gengenbach mit Burg Mahlberg; 5. das salische Erbe bildete den
umfassendsten Zuwachs, der dem Herzog Friedrich 1. durch seine Heirat mit
Agnes, Schwester des kinderlosen Königs Heinrich V., zufiel: die Hauptmasse
dieser Güter lag im Speier- und Wonnsgau; (5. die ehemalige Grafschaft
Rothenburg, die nach dem Erlöschen des Dynasten hauses ün Anfang des
XH. Jh. erworben wurde; letzteres hiefs anfangs nach dem Schlofs Komburjr.
welches von Burkhard I. (Ende des XI. Jh.) in ein Kloster verwandelt worden
ist. Zur Grafschaft gehörte die Gegend um Rothenburg a. d. Tauber mit der
Neuenburg in der Stadt und dem Ort Gelbsattel, ferner der ganze Kochergau mit
Hall und der Vogtei über Komburg; 7. verschiedene Güter in Franken, unter
anderen die Feste Weinsberg; 8. ein grofser Teil des W'elfenlandes, besonders
in den Oberämtern Ravensburg, Tettnang, Wangen und Waldsee, ferner die
oberen Illerhezirke (Kempten) und die Lechgegenden bis Tirol hinauf und
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173. Grafschaft Wirtcniborg.
281
Der Ursprung der Grafen von Wirtcmberg ist nicht bekannt. Die Stamm-
burg lag auf einer Anhöhe bei dem Dorfe Rotenberg am Neckar zwischen Efs
lingen und Cannstatt. Der Name Wirtinebeir erscheint zuerst um 1090, dann
1122 Wirdrneberg , um 1134 Wirtinberc, 1139 Wirdenberr, um 1140 Wirtenberg,
1208 und 1264 als Seltenheit auch Wirtemberc. Unter Herzog Ludwig (f 15'.>3i
zeigt sich die Schreibart Würtemberg mit ü, während man zwischen / und tt
noch schwankte. Durch Generalreskript vom 4. April 1802 wurde die moderne
und zwar schlechteste und sprachlich unberechtigte Schreibart: Württemberg
offiziell eingeführt; et Bacmeistcr, Alamann. Wanderungen S. 13 f. Die etymo-
logische Deutung ist ganz unsicher und die gemac hten Versuche hierzu sind
albern; auch die Ableitung aus dem Keltischen {Virodunmn) ist durch nicht«
wahrscheinlich gemacht.
Eine jüngere Nebenlinie des Grafenhauses Wirtemberg ist die der Grafen
von Grüningen (bei Riedlingen), die ihre Güter im Oberlande um die Donau
herum hatten; unweit Grüningen lag die Burg Landau, nach der sich die Grafen
seit dem Ende des XIII. Jh. auch zu nennen pflegten, nachdem sie Grüningen
veräufsert hatten und seitdem an Bedeutung immer tiefer sanken. — Die
ältesten Besitzungen der Grafen waren im Ob er lande Andelfingen, Bezüge in
Friedingen, Burg Grüningen, Güter bei Hundersingen, Burg Landau, die Höfe
Marbach, Waldhausen, Warmthal mit Habsburg, Güter und Rechte in Wilf
lingen, auf dem Bussen die hintere Burg mit Zul>ehör, Lehengüter in Oggels-
beuren, Stetten, Mietingen, Burg Balzheim, Ort Baustetten (als Lehen von
Constanz), in Baiern Lehensrechte in Beuren bei Babenhausen, im Sigma-
ringischen Burg Ält-Veringen. Güter bei Eschendorf, Langen, Enslingen; im
Oberamt Saulgau der Ort Aishausen, Rechte bei Eschach, diu Grafschaft im
Albegau (Algäu) mit Burg und Herrschaft Eglofs (1243 an Kaiser Friedrich II.
verkauft). Im Unterlandc waren seit alters Bestandteile der Grafschaft um
die Stammburg: die Burg Wirtemberc selbst, Cannstatt, Stuttgart, Waiblingen,
Beutelsbach, Schorndorf, Waldhausen, Leonberg, Neckarems, ferner einzelne
Güter in Göppingen, Betzgenried , Eislingen, Brache bei Asperg, EilHngen. Lehens
träger waren die Herren von Blankenstein, Dienstmänner die von Bernhausen,
Cannstatt, Plochingen, Rommelshausen, Feibach. Stetten, Neckarems, Tannen
fels. Wirtembergische Klostervogteien waren: Lorch (schon vor 1251) und
Denkendorf. Vgl Stälin II, 485 ff.
Dieser recht geringfügige älteste Besitz im Neckar und Remsthal sollte
aber durch Erwerbungen seit Ulrich I. (1241 — 1265) eine erhebliche Vergrößerung
erfahren. Durch ihn kamen die Reiehsgüter der Uracher Grafen an Wirtem-
berg (1260). Graf Eberhard der Erlauchte (1265—1325) hatte bis 1305
erworben die Burg Reichenberg und Backnang, die Herrschaft Neifen 1301 in
der Schwäbischen Alb von Konrad von Weinsperg. der Luitgard von Neifen
zur Gemahlin hatte, ferner Dorf Rutesheim (westlich von Leon berg), 1302, und
Güter zu Marbach, Murr, Laufen, Kirchberg, Rudersberg und Neckarweihingen
1302 von Herzog Herrmann von Teck, und Dorf Kornwestheim 1303 vom
Grafen Ulrich von Asperg. (Stälin III, 107 f.) Von letzterem kaufte er 1308
Burg und Stadt Asperg, Burg Richtenberg (bei Asperg, wüst) und den Glems-
gau mit der Grafschaft und Zubehör; sowie von den Grafen von Berg: Burg
und Stadt Calw. In der Zeit von 1316 — 1323 erwarb er noch eine ganze Reihe
von Gütern, Dörfern und Burgen, über die ausführlich Stälin III, 154 handelt.
Er residierte schon mit Vorliebe in Stuttgart ; unter ihm war die Grafschaft
auf das Doppelte angewachsen. Sein Sohn Ulrich III. erhielt 1325 als (später
nie eingelöstes) Pfand die österreichische Hälfte der Burg Teck und der Stadt
Kirchheini, ferner die österreichische Burg und Stadt Sigmaringen. Auch die
Herrschaft Horburg und Reichenweier bei Colmar im Elsafs hatte er gekauft
mit der Grafschaft Witekisau und Burg Bilstein und Burg und Stadt Zellen
berg 1324 noch bei Lebzeiten des Vaters (Schöpflin, Alsatia illustr. II, 132.);
1325 ferner Burg und Stadt Winnenden, 1328 Ebersberg, 1330 Burg Achalm,
1332 Uihingen bei Göppingen, 1334 Burg Aichelberg, Weilheim, Häringen,
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282
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Hepsisau, Holzmaden und Jesingen vom Grafen Bruno von Kirehberg, 133;»
Klein-Gartaeh, 13:56 Burg und .Stadt Markgröningen. 1337 Burg und Stadt
tirötzingen, 1338 die halbe Burg Arneck, 1339 Burg und Stadt Vaihingen,
1339 Rechte der Grafschaft Aichelberg mit Dürnau, 1342 Sehlofs Ramstein
bei Sehlettstadt im Elsafs, 1342 Burg und Stadt Tübingen von den gleich
namigen Grafen und verschiedene Güter (Stalin III. 177 f., 225 f.) sowie die
Schirm vogteien über die Klöster Hcrrenalb, Denkendorf und Bebenhausen.
Seine Söhne Eberhard der Greiner und Ulrich IV. regierten bis 1361 gemeinsam.
In dieser Zeit erwarben sie 1344 Burg und Stadt Veringen und Beilstein, Burgen
und Städte Böblingen und Calw (1345) sowie die Feste Zavelstein; ferner 1347
den Schönbuch-Wald mit zwei Dörfern, Stadt Sindeltingen zur Hälfte mit Ulrich
von Rechberg 1351. in demselben Jahr Dorf Thamm mit Zubehör. 1352 Herr
schaft Hundersingen, 1355 Burg Greifenstein oberhalb Reutlingen und Dorf
Holzelfingen, 1356 Dorf Thalheim, 1356 Städte Horrheim und Haslach und
Burg Eselsberg bei Ensingen mit Dörfern, 1356 den Rest der Burg Ranistein,
1357 die Burg Lichtenberg ob Botwar, die Vogtei über Kloster Oberstcnfeld.
ferner sechs Weiler, den Stocksberg, die Orte Breehfirst. Algersberg, Völkles-
hofen, V Öhrenberg, Einöde Klein- Asbach und Lembach, 1359 die Pfandschaft
der Feste Mägdeberg im Hegau und die Güter Mühlhausen (Baden) und
Möhringen, 1360 Burg Hoheneck bei Ludwigsburg, 1361 Burg und Stadt Laufen,
1363 Burg und Stadt Nagold, Stadt Haiterbaeh, Kloster Reuthin, sechs Dörfer und
Weiler und Zubehör, 1363 flie Stadt Waldenbuch und acht Dörfer, 1365 die
Vogteien über die Klöster Murrhard und Zwifalten, 1367 Stadt Ebingen und
niedere Burg und Stadt Haigerloch, ferner hall) Magenheim, Brackenheiin und
Klcebronn, 1369 die halbe Burg und Dorf Neuhausen auf den Fildern, 1372
die Schirmvogtei über Kloster Lon b und Adelberg und 1373 Leipheim
a. d. Donau, 1374 Schilzburg im Lautertal. (Stalin 111, 290 ff.. 353 f.)
174. Kleinere Territorien in Schwaben. Neben der Grafschaft
Wirtemberg war eine ganze Reihe kleinerer Graf- und Herrschaften
entstanden, die besonders die südliche Hälfte Schwabens einnahmen.
Grafschaft Calw. Das im XI. Jh. auftretende Grafenhaus spaltete sich
im XII. Jh. in drei Linien: Calw. Löwenstein und Vaihingen, Die Hauptlinie
Calw, die nach der Burg (Calocn, Calva) hiefs, starb mit Gottfried 1262 aus.
Die Löwensteiner Linie, die von einem Sohn Graf Adalberts IV.. Bertold
(1152 — 1167), sich abzweigte, bestand auch nur einige Jahrzehnte länger; ihre
Burgen Löwenstein und Wolfsölden hatte sie an das Bistum Würzburg ver-
kauft (1277). Die Vaihinger Linie hatte nördlich der Enz ihren Besitz und
starb in der Mitte des XIV. Jh. aus. — Sehr ausgedehnt war der Besitz der
(»raten von Calw gewesen, der sich von den Fildern über den Würm-, Glems-.
Enz-, Zaber-, Murr- und Schotzaeh-Gau erstreckte. Es gehörten hierzu: Calw,
und Zavelstein. Ingersheim mit tiebiet; Möhringen mit Plieningen, Echter-
dingen. Böblingen, Sindellingen u. a. ; der ganze Glemsgau mit Hohenasperg,
Markgröningen ; Vaihingen mit Herrschaft ; Burg Enzberg im Kraichgau, Cann-
statt, Laufen, Heilbronn, Löwenstein, Beilstein und Wolfsölden. Ferner die
Vogteien über die Klöster Hirschau. Sindellingen , Reichenbach und zeitweise
Lorsch an der Bergstrafse. - Dieser ausgedehnte Besitz hatte sich bis zum
XIV. Jh. wieder vollständig aufgelöst und war stückweise in Hände benach-
barter Herren gelangt, aufser an die Grafen von Wirtemberg auch an Weif VI,
der als Schwiegersohn des Grafen Gottfried von Calw (f 1113) einen grofsen
Teil von dessen Hinterlassenschaft an sich rifs. Es gehörten hierzu der Glems-
gau, Möhringen, Sindelringen und Ingersheim.
Pfalzgrafsehaft Tübingen. Der ursprüngliche Landbesitz lag an zwei
entlegenen Stellen : am mittleren Neckar und oberen Nagold mit der Burg
Hohentübingen — und ferner um das Sehlofs Ruck bei Blaubeuren. Mit
Graf Anselm, dem Stifter des Klosters Blaubeuren, tritt das Geschlecht erst in
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174. Kleinere Territorien in Schwaben.
283
die urkundlich beglaubigte Geschichte ein. Im Jahre 1148 erhielt es <lie Pfalz-
grafenwürde und vergröfserte seit dieser Zeit seinen Territorialbesitz sehr be-
deutend. Das schnell Erworbene ging aber ebenso sehneil verloren. Zu den
älteren Besitzungen gehörte der Reichewald Schönbuch nördlich von Tübingen
mit den Bezirken von Tübingen. Herrenberg, Nagold. Horb und Dornstetten,
Das Gebiet bei Blaubeuren, mit dem zum grofsen Teil das Kloster ausgestattet
wurde, hatte einen geringeren Umfang. Durch reiche Heiraten wuchs der
Territorialbestand. Graf Hugo (t 1182) erwarb durch seine Gemahlin, der Erb-
tochter des Grafen Rudolf von Bregcnz, dessen Land, die Grafschaft des
churisehen Rätiens. speziell die tiebiete von Bregenz, Gettnang, Feldkireh.
Werdenberg, Sonnenberg und Sargans. Dieser letzgenannte Landbesitz wurde
freilich alsbald als Grafschaft Montfort abgezweigt. Durch seine Verwandtschaft
mit Weif VI. kam Hugo auch in den Besitz von mehreren ehemals eal wischen
Territorien: Möhringen, Böblingen, Sindelfingen, den Fildern und dem Glems*
gau mit Hohenasperg. Sein Sohn Rudolf 1. (t ca. 1219) erwirbt durch Heirat
die Grafschaft Giefsen . die 1264 aber wieder an Hessen verkauft wurde, —
Die vielen Teilungen führten seit dem Ende des XIII. Jh. zum baldigen Ver-
fall. Von Rudolfs 1. Söhnen erhielt Rudolf II. den Sitz Jhrrenberg mit den
oberen Gegenden, Wilhelm den Sitz Asperg mit den unteren. — Auch Rudolfs H.
Söhne teilten : Hugo (f ca. 1267) erhält den Bezirk von Horb und gründet die
Horber Linie, die 1294 ausstirbt und ihren Besitz durch Erbheirat an
Burkard von Hohenberg überläfst; der andere Sohn, Rudolf III., derScheerer
(weil er von den Montfortern die Herrschaft Seiner an der Donau erhalten
hatte), stiftete die Tübingen- H erren her ger Linie, die ihren Besitz (die
Herrschaften Tübingen und Herrenberg, Teile des Sehünbuehwaldes, Sindel-
fingen und Blaubeuren mit den Vogteien) durch weitere Teilungen zersplitterte
und schliefslieh ganz an die Helfensteiner, die Böblinger Linie und Wirtcm-
berg veräufserte. Sie starb ohnedies 1391 aus. Die Vettern der beiden
Grafen hatten zwei andere Linien gegründet: Rudolf IV. die Tübingen-
Böblinger Linie, die die Gegend um Böblingen und mehrere Orte in den
Fildern erhielt, sehr bald aber auch die halbe Grafschaft Calw, Tübingen und
Sindelfingen erwarb. Bis 1344 war aber dieses alles an Wirtemberg verkauft
worden. Die Familie bestand im Breisgau (Herrschaft Lichteneck) noch bis
1631; sein Bruder ITrieh I. gründete die Asperger Linie, die bis 1264 noch
Giefsen besafs, im übrigen aber nur die Herrschaft Asperg im Glemsgau und
Beilstein durch Heirat erwarb. Asperg wurde 1308, Beilstein 1340 an Wirtem-
berg verkauft Vgl. Stalin U, 425 ff. III, 700 ff. L. S ihm id. Gesch. der Pfalz-
grafen von Tübingen, Tüb, 1853.
Hugo f 1182
Rudolf I. Hugo, (iraf von Montfort
Rudolf II. v 1247 Wilhelm, TTraf v. (Hefaen
Hugo f 12H7 Rudolf III. t 1277 Rudolf IV. Ulrich I.
Horber Linie Herrenbcrger Linie Böblinger Linie Asperger Linie.
Grafschaft Hohenberg (Hohinberc, Honberc, Hoenberch). Das
Grafenhaus ist eine Zweiglinie der Zollern-llaigerloch, die in der zweiten Hälfte
des XII. Jh. (zuerst 1179) den Namen Hohenberg nach der Burg bei Deilingen
(Oberamt Spaichingen) annahm. Das Territorium kommt unter dem Namen
Hohenberg zuerst 1258 vor. Den Grundstock bildeten die Herrschalten Hohen-
berg und Haigerloch, die einen beträchtlichen Zuwachs erfuhren zunächst durch
den Anfall des Territoriums der Horber Linie der Tübinger Pfalzgrafen (s. vorher),
bestehend aus Gebietsteilen der jetzigen Oberämter Horb und Freudenstadt (1294).
Mehrmalige Teilungen trugen auch hier zum Niedergange bei. Die erst«' fand
zwischen den Brüdern Albrecht und Burkhanl statt, wobei AI brecht: Hohen-
berg, Horb, Rotenburg und Haigerloch mit zugehörigen Ämtern und Khingen
erhielt, Burkhard: die Herrschaft Nagohl und Wildenberg. Beide stifteten
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2X4 VI. Politische (ieographic uui das Jahr 1375.
neue Linien, <lie ihre Territorien teilten und verloren. Die Albreehtsehe Linvt.
die 1387 im Mannesstammc erlosch, verkaufte 1355 Herrschaft, Burg und
Stadt Triberg und Althornberg an Albrecht von Österreich und 13*1
(Rudolf, der letzte des Hauses) alles übrige, wozu die Städte Hohentarg.
Schömberg, Nusplingen, Friedingen, mehrere Burgen sowie Oberndorf, Horn
Obernau, Rotenbuch, Haigerloch, Buisdorf u. a. gehörten, ebenfalls an Üster
reich. Stalin 111, 297 f. In der Burkbardschen Linie zersplitterte sich der
Besitz durch Teilungen, indem seine Söhne zwei neue Linien stifteten: Otto
(t 1299) die Nagolder Linie, Burkhard (t 1353) die Wildberger mit entsprechendem
Territorium, von denen die letztere sich 1355 nochmals spaltete und den Besitz
teilte. Jener Otto verkaufte jedoch 1362 die Dörfer Remingsheim und Wolfen
hausen an Konrad von Tübingen, 13(13 Burg und Stadt Nagold und Haiterbacli
an die Wirtemberger. Burkhard (aus der Wildberger Linie) veräufserte 1360
seine Hälfte an Wildberg und der Vogtei des Klosters Reuthin, 1364 auch
Bulach mit Gebiet an Ruprecht von der Pfalz, der 1377 auch die andere Hälft*
kaufte. Nur Altensteig verblieb den Wildbergern (welches 1400 an den Mark
grafen von Baden kam). Stälin II, 400 f. III, 666 ff.
Burkhard f 1253
Albrecht f 1298 Burkhard f 1318
I
Rudolf 1.
< >tto Burkhard
Gf. v H.-Natfold <;raf v. H.-Wildberv
Albrecht Rudolf II. f 1299 r 1353
BiMCh°i To£rei8ing „J „ r.r , ,ou, Burkhard Konrad 1856
t 1359 Rudolf IU f 1387
t tt
t f t
ca. 1388
t f t MW
t t t
Grafschaft Zollern. Das Kernstück der Grafschaft bildete die Bun:
Zollern (Zolorin, Zolre, Zolrcn) mit umliegendem Land, welches später da>
Fürstentum Hechingen umfafste, ferner das nachher wirtembergischc Amt
Balingen mit der Feste Schalksburg (Sehalzburg). Unter den älteren Grafen
dieses Hauses, von welchen eine Nebenlinie die Grafen von Hohenberg waren,
tritt Friedrich III. in seinen Beziehungen zu den Staufern bedeutsam hervor,
durch seine Heirat mit Sophie, der Tochter des Grafen von Hätz und Burg
grafen von Nürnberg, erwarb er das Anrecht auf das Burggrafenamt sowie auf
die Besitzungen jenes Grafen in Franken und Österreich, speziell der Grafschaft
Raabs an der Thaya, wo auch Rätz gelegen war. Alles dies fiel ihm sehliefsluh
auch zu. spätestens im Jahre 1192. wo er zum erstenmal als Burggraf von
Nürnberg erscheint. Unter seinen Söhnen trat eine Spaltung des Hauset1 in
zwei Linien ein : Friedrich IV. gründete die schwäbische Linie und erhielt Vi
der Teilung das alte Stammland, während Konrad, dem Stifter der fränkischen
Linie, die Burggrafschaft von Nürnberg mit den fränkischen und österreicliischen
Besitzungen zufiel. Diese Teilung fand um 1226- 1227 statt. Die Söhne Friedrichs IV
teilten nochmals, indem der ältere. Friedrich, als Gründer der Hechinger Linie
die eine Hälfte des Territoriums erhielt, der jüngere, Friedrich (f 1302), die
Schalksburg mit Ortschaften und die Herrschaft Mühlheim an der Donau;
letztere, die sog. Schalksburger Linie, starb 1408 aus, ihr Territorium tiel ab«r
durch Kauf an andere Herren.
Vgl. v. Stillfried und Märcker, Hohenzollernsche Forschungen, Berlin
1847. Dies., Monumenta Zollerana, Berlin 1852, Bd. I. Ein Verzeichnis der
urkundlich genannten Ortschaften im Zollernschen Besitze gibt auch Stähl
n, 506
(Grafschaft Fürstenberg Die Grafen sind eine Zweiglinie der Grafen
von Urach, deren Stammburg bei der Stadt Urach gelegen hat. Egino IV
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174. Kleinere Territorien in Schwaben.
285
von Urach it 1230) war mit einer Tochter des Herzogs Bertold IV. von
Zähringen, Agnes, vermählt und beanspruchte nach dem Aussterben der Zähringer
deren Erbteil (1218), welches die Stadt Freiburg sowie Güter und Rechte im
Breisgau und auf dem Sehwarzwalde umfafste (während die andere Tochter
Anna die zähringischen Besitzungen in der Schweiz erhielt). Nach anfäng-
lichen Streitigkeiten mit Kaiser Friedrich II. kamen sie auch grösstenteils in
den Besitz der Güter. Eginos Söhne teilten das Land: Konrad (t 1l'71) erhielt
Freiburg und die Herrschaften im Breisgau, Heinrich aber Fürstenberg und
die Herrschaften im Schwarzwalde (f 1284). Das Kernstück dieser Besitzungen
umfafste Güter in der Baar mit Villingen als Mittelpunkt und ferner Besitzungen
im Sehwarzwald mit dem Hauptort Haslach, die beide Reichsleben waren; ferner
die Herrschaft Dornstetten an der Nagold. 1283 erhielt Heinrieh noch die Land-
frafschaft in der Baar (früher bei den Grafen von Sulz). Dagegen hatte er
265 die Burg Urach und die sonstigen Reichslehengüter der Grafschaft Urach
an den Grafen von Wirtemberg verkauft (s. vorher). Die Teilstücke der Herr-
schaft Urach s. bei Stälin II, 464. Heinrichs Söhne teilten abermals: Friedrich
gründete die F ürsten bc rge r Linie (noch jetzt blühend) und Egino die Has-
lacher Linie (stirbt 1386 aus). Friedrich erwarb durch Heirat das Gebiet der
Freien von Wolf ach, Heinrich IL, sein Sohn, erwarb in ähnlicher Weise die
Herrschaft Wartenberg. Die Haslach er Linie hatte infolge von Zwistigkeiten
Villingen an Österreieh 1326 verloren Nach ihrem Erlöschen liel die Herr-
schaft Haslach als erledigtes Leben an das Reich und kam später an die
Fürstenberg aufser Villingen zurück. Stälin II, 451. III, 658. S. Riezler,
Gesch. des fürstl. Hauses Fürstenberg und seiner Ahnen bis zum J. 1509,
Tüb. 1883.
Markgrafschaft Burgau. Im Jahre 1375 war sie mitsamt den Haus-
gütern ihres letzten Besitzers in der Hand der Österreicher. Dieser ehemalige
Besitzer entstammte dem Hause der Grafen von Berg, deren Burg über dem
Dorf südöstlich von Ehingen lag. Ihr Territorium umfafste die Grafschaft
Berg (um Ehingen) sowie nördlich von ihr die Herrschaft Sehelklingen
im oberen Blaubachtal und vermutlich auch Wart stein. Graf Heinrich III.
von Berg vermehrte diesen Besitz, als er das Geschlecht der Markgrafen von
Ronsberg nach dessen Aussterben 1212 beerbte. Er nahm damals den Titel
Markgraf von Burgau (anfangs von Berg) an. Die Ronsbergischen Besitzungi n,
die er gewann, umfafsten die Herrschaften Roggenstein und Biebereck und
' die eigentliche Markgrafschaft Burgau südlich der Donau bis östlich zum Lech.
Den Grundstock von Burgau bildeten alte augsburgische Stiftelande, die erst
die Roggensteiner, dann die Bieberecker bis 1180 und schliefslich die Rons-
herger von Augsburg zu Lehen hatten. Unter Heinrichs III. Söhnen fand
eine Teilung statt, indem Graf Heinrich IV. Burgau mit dem Markgrafentitel
und Ulrich die Stammlande Berg und Schelklingen erhielt. Die Burgauer
Linie existierte bis 1301, als der söhnelose Markgraf Heinrich VI. Burgau vor
seinem Tode noch an Herzog Albrecht von Österreich verkaufte. Die andere
Linie Berg-Schelklingen hatte unter ihrem Stifter Ulrich die halbe Herrschaft
Calw erworben, sie aber 1308 schon an Wirtemberg wieder veräufsert. 1343
kam nach einigen Zwischenfällen das Stammland Berg, Ehingen und Schelk-
lingen durch Kauf an Österreich. Die Grafschaft Wartstein im Lautertal
war schon frühzeitig im XII. Jh an eine Teillinie des Bergsehen Grafenhauses
gekommen und vom Stammland abgezweigt worden. Im Jahre 1303 verkauften
sie die Grafen an Osterreich, mit Ausnahme der Burg Wartetein selbst, die
1392 an Baiern fiel. So war der ehemals ausgedehnte Territorialbesitz des
Hauses ganz aufgelöst und in andere Hände gekommen. Stälin II. 352 IT. III.
655 ff.
Grafschaft Hclfenstein. Die gesicherte Geschichte des Grafenhauses
beginnt erst im XII. Jh. mit Ludwig (f 1200). Das territoriale Gebiet, welches
erst 1268 als solches bezeichnet wird, umfafste anfangs jene Bezirke etwa, die
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286 VI. Politische Geographie nm das Jahr 1375.
heute das Oberamt Geislingen bilden. Vor 1210 war auch noch die Graf
schuft Sigmaringen auf irgend eine Weise dazugekommen, alter in dem-
selben Jahrhundert an die (Jrafen von Montfort gefallen. Hauptburgen, die
auch einzelnen Grafenlinien den Namen gegeben haben, sind: Helfenstein auf
schroffem Felsen nordostlich von Geislingen (j. Ruinen); Spitzenberg bei
Kuchen; Hiltenburg bei Ditzenbach; Wiesensteig; Herwartstein bei König*
bronn (Il'87 niedergelegt), (iraf Ulrich II. hatte durch seine Heirat mit der
Erbtochter lies Grafen Hartmann 111. (r 1258) von Dillingen einen beträcht
liehen Güterbesitz in Oberdillingen. Trugenhofcn, Zöschingen, Gundremmingen
erworben. In demselben Jahrhundert kam auch die Herrschaft Blaubeuren
mit der Vogtei über das Kloster hinzu. Mit dem Ende des XIII. Jh. beginnt
ein vorübergehender Verfall des grofsen Besitzstandes, mehrere Burgen mufsten
verkauft werden; indessen die Gunst Kaiser Karls IV. verhalf dem Hause zu
neuem Glanz, da die Burgen und dazu einige Städte wieder erworben wurden
(1351). Die Sühne Ulrichs III. (t 1:515) hatten zwei Linien: die Wiesensteiger
und Blaubeurcr gestiftet. Unter den beiden Enkeln jenes Ulrich fand die
erste unselige Teilung statt (i:i5(i), die zum Ruin des Hauses führte. Gral
Ulrich V. (f 1372) von der Wiesens teiger Linie erhielt die ursprüngliche
Grafschaft: Ilelfenstein, Geislingen. Hiltenburg. Wiesensteig. Spitzenberg.
Rommenthal nebst Dörfern, den Zoll zu Kuchen und die Vogtei über Kloster
Elchingen, (iraf Ulrich VI. (+1:1(11) von der Blaubeurer Linie: Gerhausen.
Ruck, Blauenstein, Blaubeuren, Giengen, Hellenstein, Heidenheini, Kaltenburg.
Hürben. Faimingen, die Klostcrvogtei über Blaubeuren, Anhausen. Herbrech-
fingen, Königsbronn etc. Aus der Teilungsurkunde von l:55t> gewinnt man
♦'inen Einblick in den damaligen Besitzstand des Hauses. Vgl. Kerler.
Gesch. der Grafen von Helfenstein, Ulm 1810. Stiilin II, 388 ff. III. 6Ö0 fb
Grafschaft Kircliberg-Brandenburg. Ihr Territorium lag zu beiden
Seiten der unteren Iiier bis nordlich zur Donau mit den Burgen Kirch berg
a. d. Iiier, Schwendi. Holzheim. Brandenburg (in der Mitte) und Wullenstetten.
Das Grafenhaus tritt Ende des XI. Jh. zuerst auf und spaltete sich im XIII. Jh.
in zwei Linien: die Kirehberger und Brandenburg-Neuhauser Linie, von denen
letztere aber früh ausstarb. Einen Zuwachs erfuhr die Grafschaft nicht; im
Gegenteil, sie wurde seit der Mitte des XIV. Jh. als Heiratsgut der Töchter
an fremde Herren gegeben (zwei Drittel des Ganzen). In einer späteren Zeit
sollten die Grafen aber alles wieder zurückerwerben.
Österreichischer Landbesitz. Nach dem Untergange der Staufer war
es zur Bildung eines Herzogtums Schwaben nicht mehr gekommen. Schwabi n
behielt gegenüber dem Reich eine unmittelbare Stellung; viele Rechte und
Güter waren an die einzelnen Stände übergegangen, und die Habsburger hatten
in dem Lande nördlich vom Bodensee noch zu wenig Hausbesitz. Sie !«'■
safsen nur Waldshut und die Stadt Säckingen. König Rudolf und seine Söhne
waren von nun an eifrig bemüht, den Territorialbestand zu vergröfsem und
Gebietsteile von verschuldeten oder ausgestorbenen Grafen- und Herrenge-
schlechtem an sich zu bringen, wie oben schon mehrfach berührt worden ist.
Unter König Rudolf kamen folgende Territorien an die Habsburger: die
Grafschaft Ve ringen von den Grafen dieses Hauses nördlich von Sigma-
ringen; halb Kirchberg vom Grafen Albrecht von Hohenberg; 1281 : die
Grafschaft L ö w e nstei n nebst W« »lfsöh len vom Würzl »urger Bisehof ; 1 L'88 :
die Herrschaft Magenheim und Stadt Bönnighcim (Mainzer Lehen
Rudolfe Sohne erwarben die Grafschaft im Tiengau nun Hohentengen in der
Nähe der Donau unterhall) Sigmaringen) und im Eritgau, ferner die Dörfer
Hohentengen und Bioehingen, sowie die Burg Friedberg von den N eilen bürgern;
sodann die Burg und Stadt Sigmaringen und die Hälfte von Kallenberg an
der Donau vom Grafen von Montfort -Bregenz. Unter König Albrecht kamen
noch folgende Besitzungen hinzu: Stadt Munderkingen, vor 1297; Stadt Saul-
gau und die Vogtei bis zum Federsee durch Kauf vom Truchsefs von Wart
175. Grafschaft Hohenlohe.
287
bansen; 1801: die Markgraf schaff Rurgau mit den Lehen der Abtei
Fulda; 1308: die Grafschaft zu Hol/heim im Burgau, Sehlok Pfaffenhofen
u. a.; 1303: die Lehensoberherrlichkeit über che Burgen Gerhausen, Ruek und
Blauenstein, die Stadt Blaubeuren mit Klostervogtei vom Grafen von Helfen-
stein erkauft (ohne Eigentumsrecht); 1303: die halbe Burg Teck, halbe Stadt
Kirchheim, die Burgen Hohenkamm und Diepolsburg (Ix'i Unterlenningen)
vom Herzog von Teck; 1304: Burg Lupfen von Heinrieh von Lupfen; 1305:
Ort Bräunlingen bei Donauesehingen. Andere Besitzungen, bei denen sieh der
Zeitpunkt des Erwerbes nicht angeben läfst, sind: die vordere und hintere
Burg auf dem Bussen, Vogteirechte in Tissen, die Burg Neuveringen (s. oben)
bei der Stadt Riedlingen. Feste Habsburg zwischen Veringen und Friedingen\
von den Grafen von Landau gekauft, die Burg Gutenstein im Donautal.
Burg und Stadt Scheer, die Grafschaft zu Wart stein im Lautertal. die
Burg Gundelfingen ehendort, die Vogtei über Kloster Zwiefalten und Radolfs-
zell und Aach, «lie Hinterburg zu Thengen mit Städtehen im Hegau, die Burg
Neuböwen und Amt Krenkingen. Im übrigen vgl. StiUin III, .'57 ff., 41 IT..
108 ff. Unter König Albrecht war 1303 eine Aufzeichnung des Hausbesitzes
in den Vorlanden hergestellt worden durch den Geheimschreiber Burkhard
von Frick; s. das Habsburgisch-österreich. Urbarbueh, hergb. von Pfeiffer in
der Bibliothek d. Liter. Vereins, Bd. XIX.
Herzogtum Teck. Das Dynastenhaus war aus einer Nebenlinie der
Zähringer hervorgegangen. Einer der Sohne Herzog Konrads von Zähringen,
Adalbert I., ist der Stifter der Linie in der Mitte des XII. Jh.; 1187 erseheint
er zuerst als Herzog von Teck. Die Burg liegt bei Owen in der Rauhen Alb.
Den Herzögen gehörte auch die Stadt Kirchheim nördlich von jener (130:$ zur
Hälfte an Österreich verkauft), ferner die Stadt Rosenfeld auf dem Sehwarzwald
(1:557 an Wirtembcrg verkauft); die Herrschaft Oberndorf am Neckar wurde
1374 an die Hohenberg veräufsert. Dagegen kaufte Herzog Heinrieh von Teck
1370 von Heinrich Hochlitz die Hälfte der Burg Mindelberg, der Stadt Mindel
heim und der Feste Mindelburg. 1381 hatte die Familie fast alle ihre Be-
sitzungen um Teck und Kirchheim veräufsert und war immer mehr verarmt.
Stälin II, 300. III, 695 ff.
Kleinere Herrschaften in Schwaben sind ferner die Nellenburgi-
sehen Gebietsteile am unteren Ende des Bodensees mit reichem Güterbesitz
im Klettgau und Hegau. 1 1 09 schon starben die Herren von Nellenburg aus.
und die Erbtochter des letzten aus dem Hause brachte den Landbesitz durch
Heirat an den Grafen von Veringen; beider Sohn Mangold stiftete die spätere
Linie Nellenburg. — Die Herrschaft Neifen (Nifen, Neuffen) mit der
Stammburg in der Schwäbischen Alb. Durch Heirat erwirbt Bertold III. von
Neifen die Würde und den Namen eines Grafen von Marstetten (Burg an der
liier); 132Ü erwerben diese Grafen von Marstetten noch die Grafschaft
Graisbach links der Donau unterhalb Donauworth. Die Burg Winnenden
besafsen sie seit 1210. — Herrschaf t J us fingen nördlich von Ehingen
lag dicht neben Herrschaft Schelklingen ; ehendort die Herrschaft Steufs-
Ii ngen, deren Geschlecht 1370 ausstarb; 1270 hatte es die Burgen Alt- und
Neusteufslingen ( nordwestlich von Ehingen) an Wirtembcrg zu Lehen aufgetragen.—
Das Gebiet der Freien von Urslingen, Herzöge von Spoleto lag im Westen
von Zollern; das Gebiet kam schon 1327 gröfstenteils an die Grafen von
Hohenberg. Die Stammburg Urslingen (Irslingen) lag nördlich von Rottweil. —
In nächster Nähe die Herrschaft Zimmern (Cimberin und das Gebiet
der Grafen von Sulz, deren Burtf bei dem Salinenorte S. gelegen war; sie
war aber bereits im XIII. Jh. in der Hand der Geroldsecker. — Alles Nähere
über diese und noch andere kleinere Herrschaften und sonstige Territorien
bringt Stälin a. a. O. II, 421, 5:5:5 ff.
175. Grafschaft Hohenlohe. Das Grafengeschlecht läl'st sich bis
in das XII. .Jh. zurückverfolgen, wo es anfangs unter dem Namen der
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Herren von Weickershoim auftritt; seit 1178 nannte es sieh nach der
Burg Hohenlohe (= Hoher Wald) bei Uffenheim. Das ursprüngliche
Amtsgebiet scheint der Komitat Mergentheim gewesen zu sein, und eben*
dort im baierischen Franken lagen auch die frühesten Besitzungen. Den
Grafentitcl nahmen einige Mitglieder des Hauses erst spät (seit 1234) an.
und erst im XV. Jh. findet er sich allgemein. Das Haus spaltete sich
Anfang des XIII. Jh. in zwei Hauptlinien: in dio Hohenloh-Hohenlohe
(Stifter Gottfried f ca. 1255) und Hohenlohe-Brauneck (Stifter Konrad 1 12491
Von beiden Brüdern gingen fünf neue Linien aus, die teilweise bald
ausstarben, so dafs auch der territoriale Besitz zeitweise wieder in den
Händen einiger weniger vereinigt ist.
N.
Gottfried
Hohenloh-Hohenlohe
Knnrad
Hohenlohe-Brauneck
Albert
f 1269
Linie II. Speck t'd.
rtTenhciin etc.
1412
t f t
Kraft L
f 1313
hin. H. Wciekernh.
I
Kraft II y 1344
I
Kraft III f 1371
Linie besteht noch "
Konrad
f 1271
1290
t t t
Heinrich
f 1270
L. Jirauncek-
Haltcnbergst.
Gottfried
f 1273
L. Brau neck
Brau neck
1391
t t t
1390
t t t
Gottfried, der Stifter der einen Linie, war um 1234 vom Kaiser zum
Grafen von Romaniola ernannt worden. Unter ihm nVl auch das würzburgische
Lehen Langenberg an Hohenlohe. Nach der Urkunde von 122«; gehörten dazu:
Langenburg (Langenberg) mit Burg und Stadt, Bechelingen, Nesselbach, Neissen-
burnen (wüst), Pünzbach, Forst, Ködern (wüst), Michelbach, Gerabronn, Lindcl-
brunnen, Otzenrode (Atzenroth) und Eberbach. Stalin H, 571. Ferner erwarb
Gottfried verschiedene Burgen (Schenkenberg, Viernsberg, Schupf ) und Güter. —
Von Gottfrieds Söhnen erhielt AI brecht hei der Teilung: die östlichen Herr-
schaften mit Uffenheim, Speckfeld, Entsee, Wcrnsberg und Mockmühl ; Kraft
dagegen: die Gebiete, um die Tauber. .lagst und Ohr ( Weickersheim, Langen
bürg, Waldenburg, Öhringen etc.) und erwarb noch Schillingsfürst und Lichten
eck mit Ingelfmgen. Des letzteren Sohn, Kraft IL (t 1344), erwarb zu dem
väterlichen Besitz noch Forchtenberg Burg und Stadt, die Grafschaft Flügelau.
Burg Lohr mit der Stadt Crailsheim, Burg Ilonhard, Sulz bei Kirchberg a. d.
Jagst, Burleswag, Sindringen. Böhringsweüer, Anteile an Künzelsau, Niedernhall
u. a. — Die von Konrad gestiftete Linie Brauneck spaltete sich unter Beinen
Söhnen Heinrich und Gottfried in die Linien Haltenbergstetten und Brauneck
Brauneck, von denen jene 1391, diese 1390 schon erlischt. Ihnen gehörten
die Herrschaften Brauneck und Reichelsberg. — Vgl. Stalin. Wirtemberg. Gesch.
II, 539 (S. ;">47: ein Verzeichnis der urknndl. nachweisbaren hohenlohischen
Besitzungen ) ; III. G77 ff.
176. Bistum Würzburg. Das im Jahre 741 gestiftete Bistum hatte
bereits im ersten Jahrhundort seines Bestehens einen ansehnlichen L»and
besitz erworben durch viele Schenkungen und die Freigebigkeit der
Könige. Es waren oftmals nur einzelne Güter, die bis zum XII. Jh. an
das Stift kamen, aber es doch mehr und mehr zu einem geschlossen» i>
(tanzen abrundeten. Zugleich hatten die Bischöfe auch durch Er-
werbungen von Reichswäldern und Bannforsten ihren Machtbereich in
anderen Gegenden zu vergröfsem gestrebt. Noch mehr aber verstand» !,
177. Grafschaft Henneberg. 289
sie es, die Territorien der benachbarten Graf- und Herrschaften an sieb
zu ziehen, was ihnen überall da sehr leicht gelang, wo sie schon Lehens-
herren waren. — Aus dem Nachlais der einen hennebergischen Linie
erwarben sie durch Kauf von Eberhard von Wirtemberg: Schlofs Roden-
stein, Markt Steinach, Königshofen, Sternberg, Irmelshausen, Münner-
stadt, Wildberg und einige Güter zu Schweinfurt. Ein Henneberger
Graf, Otto von Bodenlaube, hatte 1254 bereits Bodenlaube bei Kissingen
mit einigen Gütern an den Bischof verkauft. Andere Stücke der Henne-
berger kamen durch Herzog Swantibor an das Bistum. Bertold von
Henneberg-Hartenberg hatte 1353 Burg und Stadt Ebenhausen veräufsert.
Aus dem Bestando einer Linie der Grafen von Rieneck, die die Erb-
truchsessen des Hochstiftes waren, erwarb es 1342 nach Aussterben jener
Linie das Amt Rothenfels. Die Herren von Trimperg hatten nach und
uach fast ihre ganze Herrschaft dem Bistum geschenkt. Von den Hohen-
lohe kaufte es 1345 das Amt Röttingen.
Abgesehen von den üblichen Dotationen, die jedem Bistum verliehen
wurden, kam seit dem VIII. Jh. ein grüfeerer Landbesitz hinzu. lTnter Bischof
Bernwolf kamen damals einige Güter an das Stift: Vilchband im Badenachgau,
Bürgel und Onolzbach im Rangau mit weiteren Orten im Tullifeld und Win-
garteiba. Im Jahre 840: Benefizien im Gau Waklsassen zu Immenstadt, 847 :
ein königlicher Hof zu Ingolstadt, 883: 22 Hufen zu Vach, Hausen und Hau-
bach und 9 zu Schwabhausen, 889: der Zehnte vom slavischen Tribut der
Ostcrstuofe , 903: Frickenhausen und Prosolzheim im Gosfelde und andere
Güter im Badcnachgau, Volkfeld und Grabfeld, die ehemals babenbergisch
gewesen waren. Durch die Ottonen kamen an das Stift: Nordheün im Grab-
felde, Stockheim an der Rhön, Scheckenbach im Saalgau, Teile des Reichs-
forstes heim Schlofs Bernheim und der Villa Leutershausen u. a. m. im späteren
Amte Neustadt an der Saale, ferner 1002: Salza im Grabfelde und die Abtei Seligen-
stadt im Maingau, 1008: die Reichsdomänen Meiningen, Mengersrode, Walaorf
und Altendorf, 1015: der Ilartenbachwald , 1023: der Steigerwald, 1027: der
Murhardt, 1031 : der Reichsforst bei Melriclistadt und noch mehrere andere
Waldungen. Eine lanjje Reihe von einzelnen kaiserlichen Verleihungen und
sonstigen Schenkungen von 1033—1134 s. bei von Lang, Grafschaften S. 262.
Über Erwerbungen aus dem hennebergischen Territorialbesitz vgl. das bei der
Grafschaft Henneberg Bemerkte. Desgl. Grafseh. Rieneck. Ferner Eckhardt.
Comentiirii de rebus Franciae orientalis et episcopatus Wirceburgensis , Würz-
burg 1729. Schöpf, Histor. -Statist. Besehreibg. des Hochstiftes Würzbg.,
Hildburghsn. 1802. Götz, Geogr. Besehreibg. des Mainkreises 1824. Clar
mann. Gesch. des Stiftes Würzbg., Wzbg. 1803.
177. Grafschaft Henneberg. Im südlichen Vorlande des Thüringer-
waldes lagen die ausgedehnten Besitzungen der Grafen von Henneberg,
die aber auch in der Rhön sowie südlich am Main, oberhalb Schweinflirt,
gröfsero Gebiete ihr Eigen nannten. Sie scheinen aus den ehemaligen
Gaugrafen des Grabfeldes hervorgegangen zu sein und benannten sich
nach der beim Dorf Henneberg östlich von Meiningen gelegenen Burg.
Als erster Graf dieses Namens erscheint Poppo I. (t 1078). Unter seinen
Söhnen fand die erste Teilung statt, bei welcher Poppo II. (f 1119)
Lichtenberg, Irmelshausen und Wasungen erhielt und Gotwald I. (f 1144):
Römhild, Themar, Schleusingen, Suhl, Hallenberg und Schwarza; überdies
war er Burggraf zu Würzburg. — Von Poppos Söhnen erwarb Poppo III.
noch Habichtsberg, doch starb mit dessen Enkel Heinrich 1199 diese
Kretüchmer, Histnrlsche «Geographie. 19
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•290
VI. Politische (Geographie um «Ins Jahr 137».
Linie aus, und die Besitzungen fielen an die Gotwaldsche Linie, die durch
-drei Urenkel Gotwalds damals vertreten war: Bertold IL, Poppo VII.
und Otto I. Da diese von neuem teilten, so zersplitterte sich das Gebiet
abermals, und manches ging auch dem Hause verloren; so besonders
durch jenen Otto I. von Bodenlaube (den Minnesänger), der die Herr-
schaft Bodenlaube (bei Kissingen) 1234 an das Stift Würzburg verkaufte,
und schon vorher durch seinen Sohn Otto IL, der 1230 die Herrschaften
Lichtenberg, Habichtsberg und Hildenburg ebenfalls an Würzburg ver-
äufsert hatte. Da die Linie Bertolds IL mit seinem Sohn Bertold III.
1221 schon ausstirbt, so vereinigt Poppo VII. das ganze hennebergische
Land (aufser den veräufserten Stücken) wieder in seiner Hand. Unter
seinen Söhnen Hermann I. und Heinrich III. folgte eine abermalige
Teilung, bei welcher nur Schweinfurt mit einigen Gütern gemein schaftlieh
blieben. Die Zersplitterung wurde unter Heinrichs drei Söhnen, die
drei neue Linien stifteten, noch weiter getrieben. Hermann I. hatte aufser
einem Sohn, der ein Jahr nach ihm schon starb, keine männliche Nach
folge weiter, sondern nur eine Tochter Jutta, die an den Markgrafen Otto
den Langen von Brandenburg vermählt war; schliefslich fiel das Gebiet
an die weibliche Deszendenz und ging teils in andere Hände über, teils
wurde es von den Hennebergern zurückerworben.
Poppo I. f 1078
Poppo II.
Heinrich 1199
tt t
Gotwald I. f 1144
Bertold I. f H57
Poppo VI. f 1190
I
Bertold II. t 1212
I
Bertold III. f 1221
t f t
Poppo VII. f 1245
Heinrich IU.
1262
Hermann 1.
Otto II.
Otto III. t 1244
ff t
t 1290
Bertold V.
f 1284
SehleuHingeu)
I
Bertold VII.
Heinrich VIII. Johann I.
f 1347
t 1359
I
Hormann II. Heinrich IV.
f 1292 f 1317
(Aschach) (Hartenberg)
I
Poppo IX.
Bertold X.
t 1378
t t t
Poppo VIII. Jutta
t 1291 X Otto d. 1..
f f r v. Brandbpr.
Hermann f 1308
1549
ttt
Johann Mathilde Jutta
f 1317 X Heinr. VIII
v. Hen neben»
Elisabeth
X Kberhard
von Wirtemben:
Sophie
15H3 X Albrecht
t ;• f Burggraf
Anna
X Swantibor
von Pommern
Poppo VII., der das väterliche Erbe im grofsen ganzen wieder vereinigt
hatte, war in zweiter Ehe mit Jutta von Thüringen, der Witwe des Markgrafen
Dietriehvon Meilsen, vermählt (1224). Sein Sohn Hermann erhielt deshalb :iJ>
Entschädigung für das mütterliche Erbteil die Herrschaft Schmalkalden. — \)\,
Teilung zwischen Poppos beiden Söhnen war so getroffen worden. daLs Het
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178. Grafschaft Castell. 179. Grafschaft Wertheim.
291
mann I. : Strauf, Irmclshausen, die Hälfte von Münnerstadt, Teile von Kissingen,
ferner Königshofen, Markt Steinach und Zubehör mit kleineren Gebieten im
Koburgisehen erhielt, Heinrich LH.: die Burgen Hennoberg, Aschach, Eben-
hausen, Hartenberg, Osterburg und Hallenberg mit Zubehör und die Städte
und Amter Schleusingen, Suhl. Schwarza, Wasungen, Sand, Malsfeld, Bens-
hausen, Themar, Römhild und die Hälfte von Münnerstadt. — Heinrichs
Söhne regierten anfangs gemeinsam, 1274 teilten sie aber das Land. Die von
Bertold V. gestiftete Schleusinger Li n i e erhielt: Henneberg, Schleusingen,
Wasungen, Mafsfeld. die Hälfte von Themar und die Hälfte des Amtes Bens-
hausen; die von Hermann II. gestiftete Asch ach er Linie bekam: Aschach,
Ebenhausen, halb Münnerstadt und die Hälfte des Gerichts zu Sala, und die
von Heinrich IV. gestiftete Hartenberger Linie erhielt Hartenberg, Oster-
burg, Hallenberg und Schwarza nebst Römhild und halb Themar, ferner die
Hälfte des Amtes Benshausen. — Die von Hermann I. abstammende (Koburgen
Linie starb mit seinem Sohn Poppo I. 1291 aus. Seine Tochter Jutta, die an Mark-
grafen Otto von Brandenburg vermählt war. brachte ihrem Gemahl zu : Roden-
stein, Markt Steinach, Königshofen, Sternberg, Irmelshausen, halb Münnerstadt,
Wildberg und Anteile an Schweinfurt und Kissingen, Burg Hildburghausen
und Schmalkalden, Königsberg und Schildeck. Ihr Sohn Markgraf Hermann
und dessen Sohn Markgraf Johann folgten im Besitz; da letzterer 1317 ohne
Nachkommen starb, so erbten seine Schwestern Mathilde und Jutta. Jutta
war an Heinrich VIII. von Henneberg-Schleusingen vermählt, beide hatten
aber auch nur Töchter: Elisabeth, an Eberhard von Wirtemberg vermählt,
brachte 1353 die vorher angeführten Stücke (Rodenstein ... bis Schweinfurt)
ihrem Gemahl in die Ehe, der sie schon 1354 an den Bischof von Würzburg
verkaufte. Die andere Tochter Sophie, an den Burggrafen Albrecht von
Nürnberg vermählt, bekam Sehlofs und Amt Kissingen; beider Tochter Anna
brachte sie hinwiederum ihrem Gemahl Swantibor von Pommern zu. So
hatte sich das Besitztum der Hermannschen Linie vollständig aufgelöst.
Schult es, Diplomatische Gesch. des gräfl. Hauses Henneberg, Hildburghausen
1788— 1791, 2 Up. Sehöppach und Brückner, Henneberg. Urkundenbuch,
Meiningen 1842—1877.
178. Grafschaft Castell. Von der alten Gaugrafschaft des Iffigaues
hatte das nach der Stammburg Castell im Steigerwald benannto Grafen -
geschlecht einen grofsen Teil in Besitz, während ein anderer Teil würz
burgisch war. Aufser den Amtern Castell und Rüdenhausen gehörten
ihnen Marktbreit, Grofsenlankheim , Kleinlankheim , ein Teil von
Wiesentheid, Prichsenstadt, Grafensteinfeld, Scheinau, Sommerach, Sehlofs
Vogelsburg und Haiburg, Stadt Volkach, Dorf Ostheim, Sehlofs Stetten-
berg bei Gaibach, Stadt Schwarzach, Dorf und Gericht Schnotzenbach,
Sehlofs Schwarzenberg, Niederscheinfeld, Neuenburg, Helmitzheim und
Wielandsheim.
Vieles von «lern Aufgeführten kam sehr bald an Würzburg, Ansbach u. a.
Schon 1321 hatte Graf Hermann III. sein Sehlofs Castell an den Burggrafen
von Nürnberg verpfändet. — Vgl. Viehbeck, Abrifs einer genealog. Ge-
schichte des grärl. Hauses Castell in Franken. 1813. Monumenta Castel
lana, Urkundenbuch 1057 — 1546, hergb. von Wittmann. München 1890.
v. Lang, 1. c. S. 279 ff. Das Grafengeschlecht leitet sich von einem Grafen
Rudolf um 800 her; die urkundliche Geschichte beginnt erst mit der Mitte
des XI. Jh.
179. Grafschaft Wertlieim. Das Grafengeschlecht, welches nach
der Burg Wertheini am rechten Mainufer, gegenüber der Taubermündung
(während der Ort am linken Ufer liegt), den Namen führte, war im Main-
19*
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VI. Politinche Geographie um daH Jahr 1375.
und Bachgau begütert; es erscheint unter diesem Namen zuerst im XII. Jh.
Die ersten Grafen waren Lehensmänner des Bistums Würzburg und
teilweise der Abtei Fulda. Von ersterem hatten sie den Ort Wertheim.
Burg Laudenbach und Freudenberg sowie die Dörfer Lengefeld, Burno
bach, Waidenhausen, Sachsenhausen und Dödesberg zu Lehen. Im
XIII. Jh. kauften sie nach dem Aussterben der Schenken von Klingen
berg die Burg Prozelten am Main mit Zubehör. Damals stand die Graf
schaft unter den beiden Brüdern Poppo IV. und Rudolf II. Poppo IV.
(t 1281) hinterliels drei Töchter, die bezw. an einen Grafen von Eber-
stein, einen Grafen von Hohenlohe und Grafen von Schlüsselberg ver-
mählt waren. Sie teilten mit ihrem Oheim Rudolf II. das Land so, dafe
dieser drei Sechstel, die drei Schwestern je ein Sechstel erhielten. Nur
Wertheim und Freudenberg blieben gemeinschaftlich. Für die übrigen
Gebiete war aber die Nichtveräufserung zur Bedingung gemacht worden,
so dafs vieles wieder an die Wertheim zurückkam, bis auf das an die
Kirche vergebene Gut. Von Rudolfs II. (t 1306) Söhnen hatte Rudolf IV.
(Jung-Rudolf) durch seine Heirat mit Elisabeth, Tochter des Freien
Eberhard III. von Breuberg, sein Territorium erheblich vergrößert.
Das Breubergsche Haus war 1327 erloschen, und <lie vier Erbtöehter der
beiden letzten Herren brachten je ein Viertel der Herrschaft ihren Gatten
zu. Nach einer anfänglich gemeinsamen Vorwaltung teilten die Erben
1330 das Land, wobei Rudolf IV. den unteren Teil des Salhofes in
Frankfurt mit den daranstofsenden Häusern, das Mainfach mit dem
Fronschiffe, den breubergischen Grundbesitz in Frankfurt und das Dorf
und Gericht Bergen erhielt. An der Burg Breuberg war er mit Eppstein
und Trimberg beteiligt. Auch die oben genannte Burg Laudenbach
besafs er nur teilweise mit den Hennebergern, erwarb sie aber ganz 1359.
Sein Sohn Eberhard machte Wertheim zu einem böhmischen Lehen;
er starb 1373 und hatte in seinem Sohne Johann I. einen Nachfolger
Zu der Zeit, als Rudolf II. mit seinen drei Nichten die Grafschaft teilt-
umfafste sie: Burg und Stadt Prozelten mit Zubehör, Besitzungen im Bach
gaue; Mosbach, Sehlierbaeh, Leider, Eisenbach, Wenigenumstätt; als würz
burgisehes Ix?hen : Burg und Stadt Laudenbach; einzelne Güter in Gerlaeh?
heiin, Kützbrunn. Mengebür, Schöllbrunn, Neubrunn, Bettigheini, Obervolkach
Hofstetten ; als Mainzer Lehen : Eschenbach, Sulburg, Weilbach, Massenheim.
Wicker und Hausen; als Fuldaer Lehen: Remlingen und Pfandsehaften auf
die mainzischen Orte: Werbach, Eyersheim und Kulsheim.
Die Herrschaft Breuberg war ein Lehen von Fulda. Die Herren
dieses Namens (ihre Stammburg Breuberg liegt jetzt in Ruinen bei Neustadt
im Mümlingtal) hatten ihr kleines Gebiet im XllL Jh. vergröfsert, als Eln-r
hard I. eine Erbtöehter des ausgestorbenen Geschlechtes der Herren von
Büdingen heiratete (s. auch Herrsch. Isenburg-Büdingen), .\ndere Töchter dt*
letzten Herren von Büdingen Gerlach (f 1247) waren an einen Herrn von
Hohenlohe-Brauneck bezw. Herr von Trimberg, von Isenburg und von Epj*
stein vermählt. Das Büdinger Gebiet umfafste Burg und Stadt Büdingen.
Ortenburg, Schotten, Gedern, Wonnings, Seibold und Gründau.
Vgl. Leo, Territorien 1, 252 ff. Aschbach, Gesch. der Grafen \<>n
Wertheim, Frankf. 184.5.
180. Grafschaft Rieneck und Hanau. Sie umfafste das; ganze
untere Sinntal und ein Stück des Maintales südlich bis über Lohr hinaus
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I
181. Bistum Bamberg. 293
Auch die Grafen von Rieneck waren wie die von Wertheim Lehens-
männer von Würzburg. In der ehemaligen Gaugrafschaft Waldsasscn
besafsen die Grafen freilich nur noch die erb- und eigentümlichen Stamm-
lande im Sinngrund und Spessart: die Amter Rieneck, Bieber, Lar
haupten, Schlüchtern, Rothenfels. Grumbach, Lauda, Lohr, Prozelten (zu
unterscheiden von Stadt Prozelten , unterhalb der Taubermündung).
Gemünd, Aura und Wildenstein.
Rothenfels (Rodenfels) gehörte den Herren dieses Namens und kam im
XIII. Jh. durch Heirat der Lrbtoehter an eine Nebenlinie der Rieneck. Als
letztere 1342 ausstarb, zog Würzburg das Lehm ein. — von Lang, Baierns
Grafschftn. S. 271 ff.
Grafschaft Hanau bestand aus zwei gröfseren getrennt hegenden Terri
torien, von denen das eine zwischen Büdmger und Mainzer Gebiet einge-
schlossen war und das kleinere nordöstlich zu jenem das Gebiet von Schlüch-
tern umfafste. Die eigentliche Stammburg des Grafenhauses war Wachen- *
Buchen. Später nahmen sie ihren Sitz in Hanau, (Hagenowe). Arnd, Gesch. der
Provinz Hanau, 1858. Lehmann, Urkundl. Gesch. der Grafsch. Hanau-Lichten-
berg, Mannheim 1862—1864. Rathgeber, Die Grafsch. Hanau-Lichtenberg,
Strafsburg 1876.
181. Bistum Bamberg. Das Bistum war sogleich nach seiner
Begründung durch Kaiser Heinrich II. mit grofsem Güterbesitz aus-
gestattet worden. Weitere Schenkungen vergröfserten das Stiftsgut, so-
lange sein Stifter noch lebte; aber auch nachher fehlte es nicht an
Zuwachs. Der Tod des letzten Grafen von Meran (1248) brachte die
eröffneten Lehen an das Stift zurück, und letzteres erwarb aus der
meranischen Erbschaft selbst grofse Bezirke, zum Teil durch Kauf von
seiten der Grafen von Truhendingen u. a. Freilich, von dem ausgedehnten
Landbesitz ging ein Teil durch Veräufserungen, Schenkungen an Klöster
u. s. w. dem Stift verloren, aber das Stiftsgebiet umfafste, abgesehen
von den truhendingischen und meranischen Gebietsteilen, ein zusammen-
hängendes Land von Schlüsselfeld nordöstlich bis zum Frankenwalde
hinauf. Aufserdem aber war das Stift von Kaiser Heinrich II. noch
im Kärntnerlande mit Territorialbesitz beschenkt worden. Kaiser Heinrich
hatte als ehemaliger Herzog von Baiern und Kärnten bei Überlassung
dieser Länder an seinen Schwager Heinrich drei Grafschaften sich vor-
behalten, von denen er einen Teil der alten Grafschaft Lurnfeld und
Villach mit der Feste Arnoldstein an das Bistum Bamberg verlieh.
Desgl. kamen Wolfsberg im Lavanttale und Griffen im oberen Gurk-
tale hinzu. Auch im salzburgischen Gebiet, besonders am Atter-See,
war es mit Landbesitz ausgestattet, und zahlreiche Güter besafs es über-
dies im Nordgau, Main- und Niddagau und Thüringen.
Zu den ersten Dotationen des Stiftes gehörten Bamberg, Altenburg,
Aurach, Haistatt im Rednitzgau, Forchheim, die kärntnischen Güter in Villach
und Wolfsberg; Beilengries im Nordgau, Ergaltingen, Nittenau im Donaugau,
Schambach, Abbach, ferner sechs Klöster : Berching, Gengenbach, Haselbach.
Kitzing, Neuburg a. Donau, Stein am Rhein, u. s. w. Im Jahre 1008 wurde
die curtis Salza in comitatu Wilhelmi geschenkt, ferner Eringun, Velden,
Auerbach, Kemnat, Königsfeld bei Weischenfeld, Machindorf im Nordgau; im
Jahre 1009 Lintowa, Linda bei Amberg; 1010: Gut Incerstedde in Nord-
thüringen, Theres (früher Sintherinshausen), Ingershausen, Ober-, Mittel- und
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294 VI. Politisc he Geographie um das Jahr 1375.
l'nterstrey im Grabfeld, Förrenbach, Hersbruck, Form, Crumbach. Schnaittnch,
Ristelbach, Uettling; 1011: Güter Enchoven. Loizenkirchen, Geigin u.a.m. Zur
Abrundung des Stiftsgebiets wurden einige zu entfernt liegende Gebiete ausge-
tauscht gegen benachbarte. Im Jahre 1122 wurde dem Stift von Kaiser Hein
rieh V. die Domäne Crana (— Kronach) überlassen, wodurch es einen be-
deutenden Zuwachs nach O. hin erfuhr. Im Jahre 1160 wurden von Kaiser
Friedrich I. als eigene, nicht reichslehnbaren Schlösser im Bistum Bamberg an
erkannt: Pottenstein, Göfsweinstein, Giechhurg, Lichtenfels, Nordeck. Burg-
kunstadt, Nordhalben, Höchstadt, Winzer in Baiern, Wassenberg in Sachsen.
Griffen, Frankenburg und Föderaun in Osterreieh-Kärntcn. Um dieselbe Zeit
benannte das Hochstift seine geschlossenen weltlichen Besitzungen in Franken
Die Grafschaft im Kerlnitzgau. — Beim Aussterben der Meraner Grafen zog
der Bischof als Lehen ein: den Wald Hautsmor, Gieeh, Niesten, Lichtenfels,
und 1260 erwarb er noch als Ersatz für andere von ihm beanspruchte Gebiete
der meranischen Erbschaft die Bezirke von Weifsmain, Kronach, Nonlhalben.
Steinach, Markt Sehorgast und Kupferberg. — Über andere kleinere RV
Sitzungen und Erwerbungen s. von Lang, Grafschaften S. 210 ff. von Straufs.
Das Bistum Bamberg in seinen drei wichtigsten Epochen, Bamberg 182:»-
Jäck, Gesch. der Provinz Bamberg 1006—1811. Bambg. 1811. Looshorn,
Gesch. des Bistums Bamberg, München 1885. Vonend. Herrschaft des
Hochstiftes Bamberg in Oberkärnten, in Hormayrs Archiv XVII (1826). .V.l.
182. Burggrafen tum Nürnberg. Das eigentlich burggräfliche Gebiet
lag auf der linken Seite der Pegnitz und der linken der Rednitz. Es
umfafste aber nicht das Gebiet eines einzelnen Gaues, sondern setzte
sich aus Bezirken des alten Nordgaues, des Sualafeldes, Rangaues u. a.
zusammen. Die in ihnen zerstreut liegenden unmittelbaren kaiserlichen
und herzoglichen Güter waren dem Schutze des Burggrafen von Nürnberg
unterstellt worden. Im Jahre 1105 wird als ein von Kaiser Heinrich IV
ernannter Burggraf von Nürnberg Gottfried von Raabs (Rätz) genannt,
der in der Markgrafschaft Österreich unmittelbare Reichslehen schon
besafs. Mit einem seiner Nachkommen, Konrad, stirbt ca. 1190 die männ-
liche Linie aus und die zurückbleibende Erbtochter Sophie brachte das
Burggraf entum Nürnberg zugleich mit der Grafschaft Raabs, der gräflich
Abenbergischen Allodialerbschaft ihrer Mutter und einigen fränkischen,
nicht burggräflichen Gütern ihrem Gemahl Friedrich von Zollern (f 1218»
zu. Seitdem ist das Burggrafenamt in der Hand der Zollern gewesen.
Kaiser Rudolf machte es im Jahre 1273 für die Zollern zu einem erb-
lichen Reichslehen; er verlieh dem damaligen Burggrafen Friedrich III.,
dem Enkel jenes ersten Friedrich, die ■ Comiciam Burggraviae in Ntiretit-
berg, die Burg, welche er in Nürnberg hatte, das Besatzungsrecht de«
an der Burg gelegenen Tores, das Landgericht« und verschiedene Gerecht-
same, sowie die Orter Werd, Buch, Schwandt und Schlofs Kreusen u. a.
Die ehemalige Verbindung des Burggraf entums mit der Grafschaft
Zollern (s. d S. 284) war schon unter seinem Vater Konrad (f 1261) und
Oheim Friedrich II. (f 1252) gelöst worden, da beide Brüder als Stifter
neuer Linien das Land geteilt hatten, wobei Friedrich II. die Grafschaft
Zollern, Konrad, die fränkische Linie der Zollern begründend, (von
welcher auch das heutige Kaiserhaus abstammt), das Burggrafentum
Nürnberg mit den fränkischen und österreichischen Besitzungen erhielt
(1226—1227). (Die Grafschaft Raabs war 1218 schon an Herzog Leopold
182. Bur^rgrafentuin Nürnberg.
295
von Österreich verkauft worden.) Die Nachfolger Konrads, sein Sohn
Friedrich III. und sein Enkel Friedrich IV., wufsten den Besitzstand zu ver-
p-öfsern, und das gleiche gilt von den Urenkeln Johann II. (i 1357) und
dann Friedrich V. (f 1398). Letzterem wurde von Kaiser Karl IV. 1363
die Reichsfürsten würde zuerkannt. — Der ausgedehnte Landbesitz, auf
welchen der Name des Burggrafentums Nürnberg in seinem weitesten
l'mfang übertragen wurde, setzte sich aus zwei getrennten gröfseren
Komplexen schon damals zusammen, von denen der eine die Gebiete
um die obere Rednitz und Altmühl umfafste, der andere das Land am.
oberen Main, Saale und Eger begriff.
Konrad (f 1261)
I
Friedrich III, (t 1297)
Johann I. f 1300 Friedrich IV. (f 1332
Johann II. f 1357 Konrad V. f 1334 Albrecht r 1361
Margarete Anna
Friedrich V. (f 1398)
Johann VI. t 1420 Friedrich VI. (f 1440)
Kurf. v. Bmndbg.
Zum alten Bestände des Burggrafentums gehörte also das linksseitige
Pegnitzgebiet; in der Nähe von Nürnberg griff es bei Doos, Poppenreut, Buch,
firofc- und Klein-Rcut, Erlenstegen auf das rechtseitige hinüber; ferner das
Reichsschultheifsenamt Neumarkt, die Gebiete von Altdorf, Schönberg und
Kngelthal ; Schwabach im Sualafeld mit Büchenbach, Tennenlohe, Kämmer-
lein, Reichenbach, Rohr, Gustenfelden, Wolkersdorf und Dietersdorf; im
Rangau : Kadolzburg, Langenzenn und Emskirchen. — Das Schultheifsenamt
Neiunarkt mit 26 Ortschaften (s. diese bei von Lang, Baierns alte Grafschftn.^
>. 245) fiel 1268 beim Tode Konradins von Hohenstaufen an dessen Erbend
die Herzöge von Baiern.
Durch Burggrafen Friedrich III. kam ein Teil der nieranischen Erbschaft
an das Haus. Die Grafen von Andeehs-Meran (s. über diese unter Österreich.
I>ande) starben mit Graf Otto IL aus. Von seinen fünf Schwestern war
Elisabeth mit jenem Burggrafen Friedrich III. vermählt Der sich an-
^hliefsende Erbsehaftsstreit wurde erst 1260 beigelegt. Aufser den Häusern
ler Orlamünde und Truhendingen erbten die Hohenzollernschen Burggrafen,
und zwar die Stadt und Herrschaft Bayreuth mit Obernsecs, Bindlocn und
Weidenberg. Die Orlamünder verkauften bald darauf (1290) von ihrem Erbteil
die Herrschaft Zwernitz an die Burggrafen; späterhin (1336) erhielten letztere-
von jenen auch Kulmbach als Pfand und Johann II. sehliefslich nach dem
Erlöschen der Orlamünder Linie die den Burggrafen schon vorher verschriebene
Herrschaft Plassenburg, Kulmbach und Berneck im Fichtelgebirge. —
Friedrich IV. hatte ferner Onoldesbach oder Onolzbach = Ansbach käuflich
von den Grafen von Ottingen mitsamt dem dornbergi sehen Territorium
erworben 1331). Das letztere gehörte als ein Teilstück des Rangaues den
Bischöfen von Würzburg; diese hatten aber Ansbach schon 1259 verpfändet
und die dort fungierenden Vögte von Dornberg aus dem Hause der Herren
von Schalkhausen hatten ihr Vogteigebiet allmählich zu einer eigenen Herr-
schaft umzugestalten gewufst. 128H starben mit Wolfram die Herren von
Schalkhausen aus bis auf drei Erbtöchter, die ihr Erbteil durch Heirat an den
Grafen von Heideck bezw. an die (trafen von Öttingen brachten. Letztere
verkauften eben 1331 ihren Anteil (Burg Dornberg mit Zubehör, die Vogtei
über Ansbach und das Gumbert usstift daselbst) an die Burggrafen. Diese hatten
von dem Heidecker Anteil auch die Rindsmaulische Besitzung von Windsbach
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2<)6
VI. Politische (ieographie um das Jahr 1375.
schon 1202 käuflich erworben. — Andere Erwerbungen waren noch die beiden
Burgen Rauhen- und Schlechtenkulm 1282. zwischen denen 1370 Neustadt am
Kulm entstand; Schlofs Wunsiedel 12Hf>; 131H: Colmberg und Leutershausen
von den Grafen von Truhendingen. — Unter den nächsten Nachkommen Burggrat
Friedrichs IV. fand zwischen Friedrich V. und seinem Oheim Albrecht 1858 eine
Teilung des Landes statt, die mit Albrechts Tod 1361 schon wieder aufgeholfen
war. Albrecht selbst, der mit Gräfin Sophie von Henneberg vermählt war, hatte
durch sie die Herrschaften Schmalkalden, Hildburghausen und Kissingen mit
Schildeck im Saalgau und Königsberg im Grabfeld erworben. 1360 verkaufte er
Schmalkalden und anderes im Grabfeld, um Altorf und Heroldsberg von Nassau
zurückzuerwerben. Da Albrecht nur zwei Töchter hinterliefs, so ging <ia>
Erbteil seiner Frau an die Tochtermänner über: Margarete brachte einen
Teil der hennehergischen Besitzungen ihrem Gemahl Markgraf Balthasar von
Meilsen zu, und Anna Kissingen, Altorf und Heroldsberg ihrem Gemahl.
Herzog Swantibor von Pommern. — Friedrich V., der nach Albrechts Tod den
burggräflichen Anteil wieder zurückerhielt, kaufte 1304 von Nassau die Reichs-
pfandschaften Kammerstein, Schwabach und Kornburg zurück; 1368 von den
Seckendorf: Günzenhausen; 1371 von den Hohenlohe: Wassertrüdingen uml
137H Uffenheim; 1373 die letzten Anrechte im Rekenitzlande von den Vögten
von Weida. — von Stillfried. Genealogische Gesch. der Burggrafen von
Nürnberg, Görlitz 1844.
188. Grafschaft Öttingen. Das Ries bildet« eine alt« Gaugrafschaft,
in der ein SUjehardm comes in pago Riezzin im Anfang des XI. Jh. schon
genannt wird. Ein comes de Oettingin als Vorsteher des Landgerichts im Ries-
erscheint 1145; von ihm beginnt die ununterbrochene Stammreihe
dieser Grafen. Sie besafsen neben dem Ries noch das Härtfeld mit den
Bargen und Herrschaften von Öttingen, Wallerstein, Allerheim, Harburg.
Flochberg, Baldern und die Vogtei über Kloster Neresheim. In der
Fehde gegen Kaiser Heinrich VTL gingen der Grafschaft aber Crails-
heim, Honhard, Steinberg bei Günzenhausen, Hilsbach und Wahrberg
bei Herrieden verloren (1310). Unter Kaiser Ludwig dem Baiern erhielten
die Grafen Ludwig und Friedrich die Landgrafschaft des Unterelsafs;
die mit dieser verbundenen Herrschaften wurden aber sehr bald (1358 — 1362)
von ihnen verkauft.
Im Ries waren neben ihnen noch die Herren von Hürnheim ansässig
die einen grofsen Teil ihrer Güter an die Öttinger Grafen verkauften; so 1347
die Güter Hochhaus. Schmähing, Niederaltheim, den Wald zwischen Bolstatt
und Hohenaltheim sowie die Vogtei über Kloster Deggingen und 1364 Katzen
stein. — Strelin, Genealog. Gesch. der Grafen v. uttingen, Nördlingen 1799
Stalin, Wirt. Gesch. III, 090.
Die Grafschaft Truhen dingen war zum gröfsten Teil in den Besitz
der öttinger gekommen. Die Truhendingen oder Truwendingen waren ehemals
Gaugrafen im Sualafeld gewesen. Aus ihrem Bezirk gingen hervor die eich
stättischen Ämter: Herrieden, Ahrberg und Ornbaum, die ansbachischen Ämter
Günzenhausen, Wassertrüdingen und Hohen trüdingen mit den Klostervogteien
von Heiden heim und Solenhofen und die Bezirke von Triesdorf, Weidenbach,
Merkendorf sowie das Deutschordenshaus in Stadt Eschenbach. Hohentrüdingen
war der eigentliche Grafensitz. Getrennt von diesem Gebiet besafsen sie ein
zweites im oberen Maingebiet, welches ihnen aus der meranisehen Erbschaft
zugefallen war, da ein Truhending eine Grälin von Meran geheiratet hatte
Seit dem XIII. Jh. ging der reiche Landbesitz durch Heiraten, Veräufserungen,
Verpfändungen an die Nachbarn verloren: die Gebiete im Sualafeld besonder-
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184. ReieliBMtiultc in Frauken und Schwaben.
297
an die Öttinger und Burggrafen von Nürnberg; an <lie letzteren und das Bam-
berger Stift die der meranischen Erbsehaft, von Lang, Grafschaften 8. 303 ff.
184. Reichsstädte In Pranken und Schwaben. Eine Reihe von
Städten hatte in diesen Landen im Laufe der Zeit eine der fürstlichen
Landeshoheit nahekommende Selbständigkeit erlangt. Besonders das
herzogliche Schwaben war nach dem Aussterben der Hohenstaufen reicher
an solchen Städten als irgend eine deutsche Landschaft. Die Stellung
dieser Reichsstädte gegenüber den Landesherren bildete einen Haupt-
knotenpunkt der schwäbischen Geschichte im späteren Mittelalter. (Stälin. )
Nürnberg kommt zum erstenmal als Xovrenberg in einer Urkunde
Heinrichs in. vor. Auf der den Ort überragenden Anhöhe befanden sieh zwei
Burgen, von denen die westliche die burggräfliche, die östliehe, kleinere, die
kaiserliche Burg war. Anfänglich lagen die gerichtlichen und militärischen
Befugnisse in der Hand des Burggrafen, dann aber (XII. Jh.) nahm der Kaiser
vermittelst eines ihm untergebenen Castellanus und kaiserlichen Burgvogtes
(butieularius, Butigler) die Verwaltung des zur Burg gehörigen Reichsgutes selbst
in die Hand, — schon um ein Gegengewicht gegen die mit reichem Allodial
besitz ausgestatteten Burggrafen zu .schaffen. Die Stadt, die unter dem Schutze
der Burg mächtig emporblühte, stand schon gegen Ende des XI. Jh. unmittel-
bar unter kaiserlicher Gewalt. Die Gerichtsbarkeit war auch sehr früh schon
aus dem Machtbereich des Burggrafen ausgeschieden worden und ihm nur die
Aufsicht über die Festungswerke gelassen worden. Die Stadt, für welche im
Jahre 1200 ein Schultheifs bezeugt ist, war unabhängig vom Burggrafen. Im
Jahre 1219 stellte ihr Kaiser Friedrieh II. den ersten Freiheitsbrief aus. Noch
im XIV. Jh. gelang es auch dem Rate, die Reichsvogtei und damit die hohe
Gerichtsbarkeit und den Rechtstitel auf die Landeshoheit über das Gebiet des
Reichswaldes an sich zu bringen. — Vgl. im übrigen Mummenhoff, Der
Reichsstadt Nürnberg geschichtlicher Entwiekelungsgang. Lpz. 1898. Riedel.
Ursprung und Natur der Burggrafschaft Nürnberg, Berl. 1854. Vgl- auch den
Abschnitt: Burggf. Nürnberg.
Rothenburg ob de r Tau her. Zur königlichen Landvogtei zu Rothen-
burg gehörten aufser dieser Reichsstadt noch die nachfolgenden drei. Bis 1108
war Rothenburg im Besitz der Grafen von Rothenburg und Hornburg gewesen;
dann kam es durch die Staufer an das Reich. Im Jahre 1172 wurde es zur
Reichsstadt erhoben und den Burggrafen von Nürnberg unterstellt. Im Jahre
1367 hatte che Stadt die Reichsburg Endsee mit mehreren Gütern erworben.
Noch beträchtlicher waren die Erwerbungen im XV. Jh. — Vgl. v. Winter-
bach, Gesch. d. St. Rothenbg., 1820. Bensen, Gesch. u. Beschrbg. d. St.
Rothenbg., Erlangen 1856.
Feucht wangen. Neben einem Reichsstift (Benediktinerabtei) gab es
auch eine Reichsstadt. Letztere war meist verpfändet ; seit 1376 ständig im
Besitz der Burggrafen.
Dinkelsbühl (Dingspill) erhielt eine seil »ständige Verfassung 1305. Seit
1341 in Pfandschaft der Grafen von Ottingen, kaufte es sich 1351 für immer
los und wurde als Reichslehen anerkannt. Beck, Übersicht üb. d. Gesch.
der ehemaligen freien Reichsstadt Dink., 1886.
Windsheim erhielt 1295 eigene Gerichtsbarkeit , war aber ebenfalls
meist in Pfandschaft, aus der es sich 1360 selbst loskaufte; damals erhielt
es auch die Reichsfreiheit. Cber diese Städte vgl. auch v. Lang, Baierns
alte Gfsch., S. 251 ff.
W ei Isen bürg am Sand, an der Schwäbischen Rezat, wird 792 schon
erwähnt. Bis 1030 im Besitz Herzog Einsts II. von Schwaben, kam sie damals
an das Reich, doch erst 1296 erhielt es eigene Gerichtsbarkeit und nach und
nach auch die reichsstädtischen Rechte.
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298
VI. Politische Geographie um »las Jahr 1375.
Wimpfen am Berg, am Neckar unfern der Jagstmündung gelegen.
Anfangs unter dem Bisehof von Worms stehend, machte es sich allmählich
seihständig. Die Vogtei besafs es vom Kaiser als Lehen , bis es im XIV. Jh.
auch Reichsfreiheit erwarb. Zu Beinern Gebiet gehörte nur das Dorf Hohenstatt.
Vgl. Heid, Gesch. der St. Wimpfen, Heilbr. 1846. Frohnhäuser, Gesch. d.
Reichsstadt Wimpfen, Darmst, 1870.
Hall (Schwäbisch-Hall) war durch die Saline emporgekommen. Nach
dem Aussterben der Grafen von Rothenburg kam es an die Staufer und nach
diesen an das Reich; 1276 wurde es Reichsstadt. Sehr ausgedehnt war das
zugehörige Territorium, welehes aus sieben Ämtern sich zusammensetzte. K o 1 b,
Gesehichtsquellen der St. Hall. Stuttg. 1894.
Heilbronn war ehemals eine königliche Pfalz gewesen und seit 1073
eine Stadt. Anfangs dem Bistum Würzburg gehörig, kam es an die Staufer
und 1268 an das Reich; 1360 wurde es zur Reichsstadt erhoben. Jäger,
Gesch. von Heilbr., 1828. Kuttler, Heilbronn, seine Umgebungen u. s. Ge-
schichte, 1859.
Laufen war nach dem Aussterben der Grafen von Laufen 1212 an das
Reich gefallen, bald aber (1220) an den Markgrafen Friedrich V. von Baden
verpfändet und nie wieder eingelöst worden.
Efslingen besafs schon 886 Marktgerechtigkeit. Kaiser Otto IV. verlieh
der Stadt 1209 bürgerliche Freiheiten. 1243 wurde sie an den Grafen von
Grüningen, 1260 an Graf Ulrich v. Wirtemberg verpfändet. — Pf äff, Gesch.
«ler Reichsstadt Kfslingen, 1852.
Weil der Stadt an der Würm; seit 1275 foppidum nosb-um Wyk) freie
Reichsstadt.
Gmünd (Schwäbiseh-Gmünd), früher auch Kaiserereut genannt, gelangte
aus hohcnstauHschem Besitz zur Würde einer Reichsstadt. Grimm, Gesch.
der ehemaligen Reichsstadt Gmünd, 1867.
Aalen war ehemals im Besitz der Grafen von Öttingen gewesen, ehe es
Reichsstadt wurde. Bauer, Gesch. der Reichsst. Aalen, 1884.
Bopfi ngen und Nor dl in gen liegen im Ries. Letztere Stadt war 898
an das Hochstift Regensburg gekommen, wurde aber 1215 von Kaiser Friedrich 11.
gegen andere Gebiete eingetauscht. Seit 1250 war sie in Pfandschaft der Öttingcr,
von der sie sich im XIV. Jh. loslöste. Vgl. Beyschlag, Gesch. «1. St. Nord-
lünen, N. 1851.
Donauwörth, in der Grafschaft Wöhrd (Werid) gelegen, gehörte ehe
mals den Dillinger Grafen, kam dann an die Staufer (1191) und arbeitete sich
im XIII. Jh. zur Reichsstadt empor, was ihr unter König Albrecht I. gelang.
1376 wurde es an Baiern verpfändet.
Giengen an der Brenz mit einer hohenstaufischen Burg (Kim) wurde
1307 Reichsstadt.
Reutlingen am Fufse der Achalm, ehemals hohenstautisch. Durch
Kaiser Otto IV. erhielt es gleichzeitig mit Efslingen die ersten Freiheiten und
durch Kaiser Friedrich II. die erste Befestigung.
Ulm war eine karolingische Villa gewesen und kam später unter ilie
Reichsvogtei der Dillinger Grafen, vermochte aber nach «lern Aussterben letzterer
» 1258) ein unmittelbares Verhältnis zum Reiche anzubahnen; mit der Vogtei
wurde Graf Ulrich von Wirtemberg belehnt. Im Jahre 1155 war Ulm Reichsstadt,
1274 erhielt es besondere Freiheiten. Fischer. Gesch. d. Stadt Ulm, U. 1863.
Schultes, Chronik von Ulm, 1881.
Rott weil am Neckar in der Baar war ein königlicher Hof (Roturüln
rurtr regali) mit Pfalz. Andere kleinere Reichsstädte, die nicht immer zu
grofser Bedeutung gelangten, waren noch Pfu Mendorf im Linzgau (seit 1220
Ravensburg (seit 1276). Buchhorn, ein Teil des heutigen Friedrichshafen
185. Herzogtum Haiern.
299
seit 1275), Buchau mit der gleichnamigen Reiehsabtei, Biberac h im Rifsthal
(seit l:J12), Memmingen an der Aach (seit 1296), Lindau (seit 1274),
Kempten (Altstadt 1289 reichsfrei; in der Neustadt die Reiehsabtei Kempten
seit 1:560), Kaufbeuren (seit 1286), Leutkireh an der Eschach (seit
xm. Jh.).
Zu den Reichsstädten zählten seit dem XIV. Jh. auch verschiedene
Bischofsstädte, die sich der Landeshoheit des Bischofs mehr oder weniger zu
entziehen vermocht hatten: Basel, Strafsburg, Speier, Worms, Mainz, Cöln,
Regens bürg. Augsburg, Constanz, Magdeburg. Sehröder, Dt. Reehtsgeseh., S. 632.
185. Herzogtum Baiern. Die territoriale Entwicklung gestaltete
sich für Baiern insofern güustiger als bei anderen Ländern, als es bereits
den ersten Herzögen aus dem Hause Wittelsbach gelang, einen grofsen
Teil der alten Grafschaften zu erwerben und zum unmittelbaren Herzogs-
gebiet zu schlagen. Hiermit war einer Zersplitterung vorgebeugt, wie
sie in Schwaben und Franken eintrat; freilich wurde durch mehrmalige
Teilungen des Landes unter den Mitgliedern des herzoglichen Hauses
und die hierdurch hervorgerufenen Zwistigkeiten die einheitliche kraft-
volle Entwickelüng des Landes wieder beeinträchtigt. — Seit Herzog
Heinrich IV. im Jahre 1002 als Heinrich II. den deutschen Kaiserthron
bestiegen hatte, war das Herzogtum aus einer Hand in die andere
gelangt, doch war es meist den Angehörigen der kaiserlichen Familie
verliehen worden. Im Jahre 1061 fiel es an Otto von Nordheim, der
es 1070 an Weif I. abtreten mufste. Die Herrschaft der Weifen währte
dann bis zum Sturz Heinrichs des Löwen 1180. In eben dem Jahre
wurde es an den Pfalzgrafen Otto IV. (I.) von Wittelsbach aus dem
( iraf engeschlecht der Scheyern vergeben, und hiermit begann die Herr-
schaft der Wittelsbacher, die bis zur Gegenwart anhält.
Aufser den Grafschaften in Altbaiern, die gleich anfangs erworben
wurden, konnte bereits der zweite Wittelsbacher, Ludwig I., einen
bedeutenden Landgewinn ausserhalb Baierns verzeichnen. Da der
rheinische Pfalzgraf Heinrich II. 1214 kinderlos gestorben war, so erbten
seine Schwestern, von denen Agnes mit Ludwigs Sohn, Otto, frühzeitig
verlobt worden war. Letzterer wurde daher in demselben Jahre vom
König mit der Pfalzgrafschaft und den Reichslehen belehnt. Hiermit
hatte die bairische Herrschaft dauernd auf linksrheinischem Gebiet Fufs
gefafst. — Unter den Söhnen Ottos II. fand die erste Landesteilung statt
(1255), bei welcher Ludwig der Strenge die Pfalz und den oberen Teil
von Baiern erhielt und Heinrich den niederen Teil mit der Hauptstadt
Landshut. Zum erstenmal tritt hier die Gegenüberstellung von Ober-
baiern und Nie derb aiern in der Geschichte auf. — Nicht unbeträchtlich
war das Erbe der Hohenstaufen, die seit Jahren mit den Wittelsbachern
zusammengehalten hatten. Nach dem Tode Konradins (1268) fiel das
alte Weifengut im bairischen Augstgau an das Herzogtum zurück. Auch
sonst wurden mehrere Neuerwerbungen in der Nachbarschaft (Schwaben,
Nordgau) gemacht, die 1269 unter die beiden Linien geteilt wurden.
Der ältere von den Brüdern, Ludwig, hatte noch andere Landerwerbungen
gemacht und in allen seinen Unternehmungen eine glücklichere Hand
als sein Bruder Heinrich.
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300 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Nach dein Tode Ludwigs des Strengen (1294) nahm sein ältester
Sohn Rudolf die Zügel der Regierung, zugleich auch für seinen jüngeren
Bruder Ludwig, in die Hand. Seit 1302 war letzterer Mitregent. Doch
die fortdauernde Uneinigkeit zwischen beiden veranlafste eine Teilung
(1310), bei der Rudolf den südöstlichen Teil von Oberbaiern mit München,
Ludwig den Nordwesten mit Ingolstadt erhielt. Die burggräflichen Rechte
in Regensburg und die Grafschaften Hirschberg und Leuchtenberg blieben
ungeteilt, ebenso die Pfalz. — Der Münchener Vertrag (21. Juni 1313)
zwischen beiden Brüdern hob die Landesteilung freilich wieder auf und
führte eine gemeinsame Regierung ein, doch durfte Rudolf die Kurstimme
allein führen.
Weit folgenreicher wurde der Vertrag von Pavia (4. August 1329),
der zwischen dem nunmehrigen Kaiser Ludwig und den Söhnen und
Enkeln seines Bruders Rudolf (t 1319) zustande kam, denn er führte zu
einer vier und einhalb Jahrhundert währenden Trennimg Baierns und
der Pfalz. Ludwig selbst erhielt Oberbaiern und vom Vitztumamte
Lengenfeld : Burg und Markt Lengenfeld, Kaimüntz, Schwandorf und
«inige andere Burgen und Märkte, die burggräflichen Rechte in Regens-
burg und die Vorstadt von Regensburg, desgl. die zur Grafschaft
Hirschberg gehörigen Landgerichte. Alles übrige fiel den Nachkommen
Rudolfs zu: die Pfalz und der gröfste Teil des Vitztumamtes Lengenfeld,
der sog. Oberpfalz (s. unter Pfalz S. 260).
Die von Heinrich I. (+ 1290) begründete niederbairische Linie hatte
bis dahin fortbestanden; mit dem noch jugendlichen Johann als letzten
seines Hauses starb sie 1340 aus. Der Kaiser ergriff Besitz von Nieder-
baiem, und nach 85 jähriger Trennung (seit 1255) wurde es mit Ober
baiern wieder vereinigt.
Nur vorübergehend war der Besitz der Mark Brandenburg (1323 — 1373)
und Tirols (1342 — 1363), wogegen jener des Hennegau und Hollands bis in
das nächste Jahrhundert währte. Als 1345 der kinderlose Graf Wilhelm IV.
von Holland gestorben war, nahm der Kaiser für dessen Schwester, seine
eigene Gemahlin Margarete den Hennegau als Frauenlehen in Anspruch,
und vermöge des ihm zustehenden Verleihungsrechtes belehnte er seine
Gattin auch mit den Grafschaften Holland und Seeland und der Herr-
schaft Friesland.
Für die Abrundung seines Landes war es nicht ohne Bedeutung,
dafs er die Grafschaft Graisbach in Oberbaiern, die letzte noch nicht
unmittelbar unterworfene, als Heiratsgut seines Enkels Friedrich erwarb
und damit einen geschlossenen Landbesitz hatte, der vom Mondsee bis
Ulm und von Rattenberg im S. bis über Burglengenfeld und Wald
münchen hinausreichte.
Die Nachkommenschaft Ludwigs sorgte, dafs dieser ausgedehnte
Landbereich nicht allzulange vereinigt blieb, und wiederholte Teilungen
zersplitterten das Ganze. Aus seiner ersten Ehe mit Beatrix von Glogau
stammten Ludwig der Altere und Stephan 1., aus sein erzweiten mit Mar-
garete von Holland : Ludwig der Römer, Wilhelm I., Albrecht I. und
Otto IV. Die Teilung von 1349 schied den Gesamtbesitz in zwei Teile.
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185 Herzogtum Baiern.
301
von denen Ludwig der Ältere, Ludwig der Römer und Otto ganz Ober-
haiern, Brandenburg, die Erbschaft Neifen-Marstetten-Graisbach, Tirol
und verschiedene Güter in Schwaben und Franken erhielten und die
drei anderen, Stephan, W ilhelm und Albrecht, Nioderbaiern und die ganze
holländische Erbschaft. Durch neue Verträge vom 10. November 1350
und 24. Dezember 1351 trat Ludwig der Altere die Mark ganz an seine
Brüder Ludwig den Römer und Otto IV. ab. Ebenso fand im nieder-
bairischen Hause am 3. Juni 1353 zu Regensburg eine Teilung statt,
nach welcher Stephan den gröfseren Teil Niederbaierns mit Landshut,
Wilhelm und Albrecht den kleineren nördlichen Teil mit Straubing,
Landau, Cham sowie die niederländischen Gebiete erhielten.
Es bestanden somit im eigentlichen altbairischen Lande drei
getrennte Landschaften: 1. Oberbaiern mit Tirol unter Ludwig dem
Alteren (V.); 2. Ni e d er b ai er n- Landshut unter Stephan I. und
3. Nieder baier n -Straubing unter Wilhelm I. und Albrecht 1. Die
oberbairische Linie stirbt mit Ludwigs Sohn, Meinhard, 1363, bereits aus,
und Stephan I., der von dessen Land Besitz ergreift, vereinigt Ober-
baiern und Niederbaiern-Landshut wieder, wahrend der Straubinger
Landesteil noch bis 1429 getrennt bleibt.
Als die Grafen von Scheyern, von denen Graf Otto V. seit 1115 sieh auch
naeh der Burg Wittelsbach bei Aichach nannte, unter Otto VI. 1180 zur Herzog-
Würde gelangten, besafsen sie ein nicht unbeträchtliches Gebiet, welches sich
teils aus Familiengut , teils aus anderen erworbenen Grafschaften zusammen-
setzte. Zu ersterem gehörte eine Grafschaft im Westergau um Paar, Ilm und
Glon. Eine zweite Grafschaft lag an der Donau und die Burg Kelheim bis an
die kleine Laber reichend. Auch weiter abwärts hatten sie Besitz in Regens-
bürg und Umgegend, um die Mündung der Aitrach und Isar, in der Gegend
von Straubing und Deggendorf; die alte Grafschaft umfafste etwa die späteren
Ämter Straubing und Natternberg. Im Nordgau besafsen sie ferner Güter um
Kreussen und Kronach, um Amberg, Lengenfeld, Pettendorf und Schwandorf.
Auch im Gau Lnterinntal waren sie begütert. Ferner gehörten ihnen die Graf-
schaft Dachau, nach der sich eine Linie des Hauses nannte, zu beiden Seiten der
Amper und viele Güter an der Würm und weiter südlich. Die Grafschaft Ebers-
berg und Sempt, deren Dynasten 1045 ausgestorben waren, erstreckte sich vom
rechten lsarufer las östlich den halben Lauf der Isen (Nebenflufs des Inn) noch
umfassend und von Moosburg bis zur NÜ.-Biegung der Mangfall. Die Grafen von
Scheyern teilten dieses Gebiet ; die nördliche Hälfte mit der Hauptburg Warten-
berg bei Erding nahmen die Wittelsbacher, die südliche die Grafen von Valley
(Falle», in der Nähe der Mangfall). Vgl. Riezler, Gesch. Baierns, Gotha
1878, 1, 850—53. von Lang, Baierns alte Grafschaften und Gebiete, Nürnberg
1831, S. 1 ff. (z. T. veraltet). Cf. Hundt, Beiträge zur Feststellung der histo-
rischen Ortsnamen in Baiern und des ursprüngl. Besitzes des Hauses Scheyern-
Wittelsbach, Abhdlg. Akad. Wiss. 1868, III. KL, XI, 1. Abt. Kiez ler, D. Herzog
tum Baiern. München 1X67. S. 249—300.
Der in mehrere Linien geteilte Landbesitz der Grafen von Scheyern-
Wittelsbach war nach dem Aussterben aller der allein fortbestehenden herzog-
lichen Linie bis zum Jahre 123* vollständig zugefallen. — Das Aussterben zahlreicher
anderer bairischer Grafenfamilien vermehrte den Besitz des Herzogs. Im
Jahre 1189 starben die Regensburger Burggrafen aus; 1196 die Landgrafen von
Sterfling; 1204 die Grafen von Vohburg und Cham, Markgrafen des Nordgaus ;
1217 die Grafen von Velburg, Besitzer der österreichischen Herrschaft Klamm ;
1218 die Bcilnsteiner Grafen; 1228 die Grafen von Kirchberg; 1229 die Grafen
von Lebenau. Herzog Ludwig I. (1183—1231) hatte die Territorien aller dieser
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Häuser ganz oder teilweis»' erworben. Desgleichen auc h diejenigen einiger salz-
burgischen Familien, in die er .sieh mit dem Er/hisehof teilen mufste; so ver-
zichtete er zu dessen Gunsten 1228 auf den Pinzgau. Näheres hei Riezler.
Cieseh. B I, 14 f.
Unter Herzog Otto II. ,1231-1253) starben die Grafen von Bogen 1242
aus, deren Land den Wittelsbachern zufiel; desgleichen erhielten die letzteren,
wie oben bemerkt, die Grafschaft Valley und Deggendorf, 1247 die Grafschaft
Wasserburg, nach dem Aussterben der Andechser 1248 die Grafschaften Neu
bürg und Schärding, ferner die Grafschaften Diessen, Wolfratshausen, das Gras
sauertal und durch Erbschaft einige Güter des letzten bairischen Pfalzgrafen
Rapoto III. von Ortenburg. Aufserdem aber erwarben sie Herrschaften zahl
reicher kleiner Dynasten und mehrere Kirchenlehen und Vogteien. Vgl. die
genannten Quellen. — Über die Erwerbung der Pfalz unter Otto I. vgl S. 25H.
Die Landesteilung von 1255 brachte die erste Trennung in den ungeheuren
Landbesitz. Ludwig erhielt aufser der Pfalz noch Oberbaiern, zu welchem da-
mals grofse Gebiete von Nordtirol gehörten: Kufstein, Rattenberg, Kitzbühcl
und das Zillertal ; ferner erhielt er da* Burggrafenreeht in Regensburg und einen
Teil der Lande nördlich der Donau, Regenstauf, Burglengenfeld, Kaimünz. Zu
Heinrichs Anteil Niederbaiem gehörte auch die Gegend um Chiemsee, Trost
berg, Traunstein, Reichenhall. Bosenheim und Erding sowie östlich vom Inn
das Innviertel, über die Quellen vgl. Riezler. Gesch. I, 106 Anmkg.
Das staufische Erbe und zahlreiche andere Erwerbungen fielen 1268 an
<lie Wittelsbacher, die 1261), 28. September, den gesamten Neuerwerb teilten
Die nordgauischen Besitzungen wurden geteilt, die altbairischen und schwä-
bischen Teile fielen an Ludwig Letzterer erhielt im Nordgau : Amberg. Barg
Hohenstein, die Vogteien Vilseck, Auerbach. Plech, Hersbruck, Neuhaus, Neu-
markt, Berngau bei Hemau ; in Schwaben : Burg und Stadt Donauwörth, Burg
Tapfheim a. d. Donau, Burg Schwabeck, Dorf Dürkheim a. Wertach, Stadt
Schongau ; ferner im bairischen Augstgau Mering mit dem Heibisch, Stoffen
und Igling bei Landsberg, Peiting, Ammcrgau und den Berghof. — Hingegen
erhielt Heinrich nur die Burgen Flofs, Parkstein, Weiden und Adelnburg
bei Parsberg. Gemeinschaftlich sollten bleiben: Nürnberg, Nördlingen, Lauingen
und die Vogtei der Augsburger Kirche. Doch konnten die Brüder nur in
Lauingen ihre Besitzansprüche geltend machen. S. die Teilungsurkunde in
Quellen und Erörterungen zur Bairischen u. Dt. Gesch. V, 234.
Ludwig, der den gröfseren Teil des staufischen Erbes erhalten hatte
machte noch mehrere Landerwerbungen, unter denen das sulzbachische Erbe
der jüngeren Ortenburger Linie (1268 — 1272) hervorzuheben ist, ferner der Er-
werb der Burg Rotheneck mit den Stammgütern des Bischofs Heinrich von
Regensburg sowie der Ankauf der Burgen Brunn bei Riedenburg im Nordgau.
Altmannstein, Holnstein. Wissing, Neuburg. Im übrigen vgl. Riezler I, 1393 f., wo
auch der geringen Landerwerbungen Heinrichs gedacht wird (1260: MarOjUanl
stein und Güter in der Gegend von Eggenfelden, Pfarrkirchen und Vilsnofen.
ferner 1281 durch Kauf die Allodialgüter der ausgestorbenen Grafen von Moo-
reich war für Heinrich nur vorübergehend (1278 — 1279) gewesen.
Bei der Teilung von 1310 zwischen Rudolf und Ludwig wurde auch da»
Vitztumamt Lengenfeld geteilt. Vgl. Riezler, Gesch. II, 286. — Den Münchener
Vertrag von 1313 s. in Quellen u. Erörtgn. VI, 217. — Den Vertrag von Pavia
1329 s. ibid. VI, 298. Vgl. auch Riezler II, 389. über die zur Pfalz und
Oberpfalz gehörigen Teilstücke s. alles Nähere unter Pfalz S. 258; daselbst auch die
genealogische Übersieht.
Die Grafen von Graisbach waren 1327 ausgestorben. Die Grafschaft fiel
auf Veranlassung des Königs Ludwig an Bertold von Neifen. vermutlich einen
Verwandten der Grafen. Die Herren von Neifen waren 1295 durch Erbschaft
bereits in den Besitz der Grafschaft Marstetten gelangt, zu der nunmehr auch
Graisbach kam. Bertold von Neifen starb 1342 und hinterliefs einen Sohn.
bürg mit den Burgen Moosburg
Der Besitz von Oberöster
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186. BuiriHche Bistümer.
303
«Irr auf Veranlassung des Kaisers in den geistlichen Stand treten mufste,
während die eine der Töchter an Friedrich, den Sohn Herzog Stephans, ver-
loht wurde, und diesem die vereinigte Grafschaft als Heiratsgut zubrachte.
Riezler H, 405 ff.
18«. Bairische Bistümer. Sie gehören zu den ältesten in Deutsch-
land. Ein grofses Stiftsgebiet, welches ein Stützpunkt ihrer Macht-
stellung hätte sein können, haben sie alle nicht besessen; überdies war
ihr Territorialbesitz teilweise über die Nachbarländer verstreut.
Bistum Augsburg. Schon frühzeitig ist das Stift in den Besitz von
Gütern und Gerechtsamen gekommen; so gehörten zahlreiche Besitzungen am
Staffelsee ihm im IX. Jh. an. Im folgenden Jahrhundert war es die Herr-
schaft Geisenhausen, die ein Bischof dieses Hauses dem Stifte zuwendete, die
dann aber an die Grafen von Hals kam. Bischof Bruno schenkte 1C06 seine
Erbgüter; 1059 kam der Wildbann um die ganze Gegend der Sinkel hinzu;
1184 Kissingen, Erringen und Traiteried; 1186 folgte eine neue Reihe von
Gütern: 1258 die Grafschaft Dillingen; 1346 wurde die Augsburger Strafsen-
vogtei zwischen Lech und Wertach an das Hochstift von Herzog Ludwig ver-
pfändet. Auch nach dem Gebirge hinauf besafs das Stift noch die Gebiete
von Füssen, Nesselwang, Sonthofen und Oberndorf. Dillingen war die Residenz
der Bischöfe, während Hauptkirche und Hof in Augsburg waren. Braun,
Gesch. der Bischöfe von Augsburg, A. 1829. Lang, Baierns Gfschftn., S. 375.
Steichele, Das Bist. Augsburg, histor.-statistisch, A. 1861 ff. — Die Stadt
Augsburg hat sich vom Bischof frei zu machen vermocht und war 1276 freie
Reichsstadt geworden.
Bistum Eichstätt. Im X. Jh. bestanden die Besitzungen erst aus
wenigen Tafelgütern. Die ersten gröfseren Erwerbungen brachte das XIII. Jh..
und zwar meist durch Kauf 1277 Spalt, 1284 Wcmfels, 1296 Abenberg, 1382
Sandsee, 1317 durch Waffengewalt Herrieden, Ornbau und Ahrberg. Am be-
deutsamsten aber war die Rückgabe der Lehengüter des letzten Grafen von
Hirschberg 1291, der noch vor seinem Tode dies testamentarisch verfügte. Nach
seinem Tode 1305 traten freilich mit den verwandten bairi sehen Herzögen
Differenzen ein , die bald beigelegt wurden, da Land und Leute dem Bischof
zufielen, die Grafschaftsrechte und das Landgericht aber den Herzögen. Es ge-
hörten hierzu die Herrschaft Hirschberg und Beilngries sowie Bezirk und Ge-
biet von Eichstätt. Sax. Die Bisehöfe und Reichsfürsten von Eichstätt,
Landshut 1884—86. Lefflad, Regesten der Bischöfe von Eichst., 1871—82.
von Lang, S. 325.
Bistum Freising hatte sehr lange unter dem Einflufs der Herzoge
gestanden; erst 1300 gelang es den Bischöfen, sich zu befreien, sie mufsten aber
noch besondere Maßnahmen ergreifen, um ihre Immunität gegen die Herzöge
zu Bchützen. Ihr Gebiet beschränkte sich zunächst auf das engste Terrain um
Freising zwischen Amper und Isar. Nicht unbeträchtlich waren die Besitzungen,
die sonst noch teils in Baiern, teils in österreichischen Landen verteilt lagen.
Genannt seien noch die Herrschaft Werdenfels an der oberen Isar mit Garmisch,
Mitten wald, Obernach, Partenkirchen, Kochelsee u. a. seit 1294. Innichen im
Pustertal mit Toblach, Kartitsch, Pürglein etc. Im Herzogtum Österreich
Waidhofen; auch in Krain besafsen sie an der Save ein gröfseres Territorium.
Ein Verzeichnis aller zugehörigen Teilstücke gibt Lang S. 14 ff. Meie h el-
beck, Hist, Frisingensis, 1854. Deuting er, Beiträge zur Gesch., Topogr. und
Statist, des Erzbist, München und Freising, 1871 ff.
Bistum Regensburg. Die Gebietsentwickelung des Hochstiftes läfst
sich nur schwer im einzelnen verfolgen. Es gehörten zu ihm die Herrschaften
Donaustauf und Wörth mit den Burgen Heilsberg, Wisent, Prennberg und
den Hofmarken Altenthan, Adelmanstein, Lichtenberg, Schönberg, Buch.
Schwabelweis und Weinting. 1269 kam die Burg Falkenstein hinzu. Weitere
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304 VL Politische Geographie um das Jahr 1375.
Erwerbungen machte das Stift an Teilen der Frontenhauser Stammlande ( Ebers -
peunt und Hohenburg am Inn); an der Herrschaft Luppurg, Grafschaft Hohen-
burg auf dem Nordgaue sowie an einigen Herrschaften in Niederbaiern. wie Eitting
und Schlofs Wildenberg, das Brixental in Tirol (1386 an Salzburg verkauft). Im
Österreichischen besafs das Stift Güter an dem böhmischen Gemärke zwischen
der Nerde und der Aist, an der Tey und an der Donau hinab bis Ips. Im
allgemeinen war der Territorialbesitz des Bistums doch nur ein beschränkter.
Bistum Passau. Der anfängliche Besitz bis zum Ende des XII. Jb.
bestand nur aus einzelnen Gutem um die Stadt, mehreren Stiften, Klöstern
und Zehnten etc. Im Jahre 1207 erwarb es käuflich die Grafschaft des Ilzgaues
und die Grafschaft Windberg in Osterreich, womit erst der Grund zu einem
Territorium gelegt war; im Jahre 1227 folgte die Herrschaft Viechtenstein nach.
Die Reichsunmittelbarkeit erwarb es 1262. Im Jahre 1300 kamen das Schlots
Johnstein an der Donau und 1303 die Herrschaft Haichenbach hinzu. Ein
Verzeichnis aller zum Stift gehörigen Besitzungen bei Lang, S. 141 — 145.
Schrödl, Passavia sacra. Gesch. des Bistums Passau, 1H79.
Bistum Co n stanz mag noch hier Erwähnung finden. Sein kleines
Territorium lag auf der Nordseite des Bodensees. Die Bischöfe residierten in
.Meersburg, da die Stadt Constanz selbst sich dem bischöflichen EinHufs zu
entziehen suchte und seit 1192 Reichsstadt geworden war. Regesta episco-
porum Constantiensium, hrgb. von Ladewig u. Müller, Innsbruck 1886 ff.
187. Grafschaft Ortenbunr. Das gräfliche Haus stammte von dein
in Kärnten auftretenden Geschlechte ab; Friedrich, der uns zuerst aus
dem kärntnischen Hause genannt wird, heiratete Richardis, die Erbin
der Grafschaft Lavant. Er baute die Burg Artonburg oder Ortenhurg
und nannte sieh nach ihr. Die Verpflanzung des Geschlechtes auch nach
Baiern wurde erst späterhin durch Engelbert III. bewirkt, der durch
seine Gemahlin in den Besitz der Herrschaften Kraiburg am Inn und
Markwardstein (im S. und W. des Chiemsees bis zum Inn) gekommen
war. Sein jüngerer Bruder Rapoto I. (f 1100) heiratete die Erbtoehtor
des gräflichen Hauses Sulzbach und erwarb durch sie die Gebiete im
Rottachgau sowie die Grafschaft im Isengau, später Grafschaft Kraiburg
genannt. Ihm fielen nach dem Tode seines Bruders auch dessen vorher
gonannte bairische Besitzungen zu. Durch seinen Sohn Rapoto IL kam
auch der Pfalzgrafentitel an das Haus (seit 1209); des letzteren Bruder
Heinrich I. war mit Richiza von Hohenburg vermählt, die ihm die
Herrschaft Retz zubrachte. Die Herrschaften Murach und Tirschenreuth
stammten aus der Sulzbacher Erbschaft* Letzteres kam 1217 an «las
Klostor Waldsassen. Nach dem Erlöschen der Grafen von Hals (1375)
erwarben die Ortenburger auch einen Teil der Hinterlassenschaft : die
Herrschaften Leonberg, Paumgarten. Thann, Harbach, Ganghofen und
den Hof zu Maining.
Der letzte Pfalzgral Rapoto HL starb 1248. Seine Tochter Elisabeth
heiratete einen (trafen von Werdenberg (1256). der sich seitdem Pfalzgraf von
Kraiburg nannte. Elisabeth hatte als Allodien Griesbach und Reiehenberg mit
Zubehör, die Burgen Mässing und Daxberg und die Grafschaften Kraiburg und
Markwardstein zurückbehalten. Im Jahre 1259 verkaufte ihr Gatte alle pfalz-
grü (liehen und alt ortenburgischen Güter an den Herzog von Niedcrbaiern. — Der
weitzerstreute Besitz der Ortenburger hatte aber keinen engeren Zusammenhang,
und ihre Besitzer verfolgten verschiedene Interessen. Überdies kam ein Teil
der Besitzungen für immer vom Hause ab; so wurden im Jahre 1271 die Be-
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188. (irafschaft Leuchtenberg.
305
Sitzungen bei Schwandorf, Nabburg, Lengefeld, Amberg und Hirschau an Baiern
überlassen, desgleichen 1272 die Burg Murach (auf 6 Jahre), die Orte Murach,
Viechtach, Eigelberg, Lind, Winklarn und Weidinger sowie die zerstreuten
Besitzungen zwischen Donau und Böhmerwald, von Sehwarzenfeld bis Hirschau
am rechten Naabufer. — Vgl. Riezler, Gesch. Baiems I, 869 f. IU, 964 f.
Huschberg, Gesch. des herzogL und grätl. Gesamthauses Ortenburg, Sulz-
bach 1828.
Engelbert II.
Markgraf von Istricn
Heinrich Engelbert III. Rapoto I.
Herzog von
Kärnten
Heinrich I. Rapoto II.
(seit 1122: Dietpold Kapoto IV. PfBtegraf
I
Ulrich III. K'V^J11
f 12W
t t t
;- 1248
I
Elisabeth
188. Grafschaft Leuchtenberg. An der Luhe, einem linksseitigen
Nebenflufs der Naab, erhebt sich die Burg Leuchtenberg, nach welcher
ein Grafengeschlecht den Namen führte. Trotz mehrfacher Erwähnungen
von Mitgliedern dieses Hauses hat es schwer gehalten, den genealogischen
Zusammenhang zwischen ihnen für die älteste Zeit festzustellen. Ein
Dietpold von Leuchtonberg erscheint urkundlich zuerst 1196 als Landgraf
im Nordgau. Aufser dem Gebiet der Luhe bis zur Einmündung in die
Naab mit den Burgen Leuchtenberg, Rockenstein und Wernburg treten
die Grafen schon frühzeitig als Besitzer der Grafschaft Waldeck im
Nordgau auf. Als solcher erscheint schon Gebhard L, der eine der Erb-
töchter des Grafen Friedrich von Hopfenohe, Plettendorf und Lengenfeld
(Burglengenfeld) heiratete. Die Grafschaft Waldeck mit der Stadt Kemnat
im oberen Naabtal und die eigentliche Grafschaft Leuchtenberg treten
infolge von Teilungen unter Brüdern des Hauses auch mehrmals getrennt
auf; so unter jenem Dietpold und seinem Bruder Gebhard III. Dietpold,
dem der leuchtenbergischc Anteil zufiel, mufste seine gleichnamige Burg
infolge finanzieller Schwierigkeiten 1233 an den Grafen von Ortenburg
und Murach verpfänden. Unter Gebhards III. Söhnen trat dieselbe
Teilung hervor: Friedrich III. erhielt Waldeek, Gebhard IV. Leuchten-
berg. Es machte sich damals ein Verfall der gräflichen Hausmacht
geltend, denn eben jener Friedrich verkaufte die Herrschaft Wernberg
im Naabtal unterhalb der Luhemündung, an Konrad von Paulsdorf 1282
und ferner Rauhenkulm (Castrum Culmen) mit dem Dorf Fülchendorf,
südwestlich von Kemnat, an den Burggrafen von Nürnberg. Noch
bedeutsamer war der Verkauf des Landgrafenamtes (des Landgerichtes
und Geleites) an Herzog Ludwig II. von Baiern (1283), an welchen auch
Waldeck veräufsert wurde, das damals aber nicht dauernd im Besitz
des Baiernherzogs geblieben ist. Ebenso hatte Friedrich allen bairisehen
Lehen entsagt, desgleichen den bambergischen und regensburgischen.
Friedrichs III. Linie starb 132*.> mit dem Ebracher Abt Friedrich IV.
aus. — Gebhard IV. hatte in seinem Sohn Gebhard V., der sich auch
Landgraf von Falkenberg nannte, einen Nachfolger. Auch er hielt nicht
Kretichm»r, Hi«tori«che Geographie. 20
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306 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
haus, 1284 verpfändete er Falkenberg als Reichslehen an den Bürg-
grafen. Sein Solin Ulrich war nach ihm (mit Ausnahme des Abtes
Friedrich), der einzige männliche Vertreter des Hauses, welches er durch
geschickte Stellungnahme zu Kaiser Ludwig und König Johann von
Böhmen einer neuen Blüte entgegenführte. Anfangs mufste er an Kloster
Waldsassen noch das Einlösungsrecht von Falkenberg und Burg Neuhaus
bei Windisch-Eschenbach sowie Burg Schwarzenwal verkaufen, um aus
den ersten Geldverlegenheiten sich herauszuhelfen. Im Jahre 1316 nahm
er aber Flofs und Parkstein in Pfand von Kaiser Ludwig, der ihm ferner
noch Burg Waldeck und Markt Pressat verpfändete. Burg Thurndorf und
Eschenbach waren vom Könige an Konrad von Schlüsselberg verpfändet
gewesen und wurden mit Erlaubnis des Königs von Ulrich eingelöst,
der dazu noch Schnabelweid und Pegnitz erwarb. Von Herzog Stephan
von Niederbaiern nahm er Stadt Waldmünchen in Pfand und bald auch
Burg Störnstein und Neustadt von Kaiser Ludwig. Im Jahre 1321 er
warb er Burg Wunsiedel und 1322 die Herrschaft Pfreimt im Naabtal,
die vordem noch nicht zu dem leuehtenbergischen Territorium gehört
hatte. Im Jahre 1332 kaufte er von Niederbaiern Burg Schwarzenburg
und Markt Retz, wofür er Burg Falkenstein abtrat. Um 1340 ist er
gestorben, und es folgten seine Söhne Ulrich und Johann, die in
Ankäufen von neuen Landgebieten fortfuhren. Unter diesen ist die
Herrschaft Stierberg bei Petzenstein zu nennen, die nach dem Erlöschen
des gleichnamigen Herrenhauses an Leuchtenberg kam. Kaiser Karl
begünstigte die beiden Grafen in jeder Weise, gab ihnen die Reichspflege
zu Rothenburg a. d. Tauber, das Münzrecht daselbst, den Zoll zu Lauda
und andere Gerechtsame. Nach anfänglich gemeinschaftlicher Regierung
teilten beide Brüder (1366) ihr Land unter der Bedingung gegenseitiger
Erbfolge. Einen neuen Zuwachs erfuhr ihr Gebiet schliefslich noch durch
Erwerb der Grafschaft Hals, deren bisherige Besitzer ausgestorben
waren.
Der Name Leuchtenberg oder Luken perge wird mit dem Flufv
namen Luhe in Zusammenhang gebracht. — Der spätere, zerstreut liegende
Besitzstand des Grafenhauses wird aus der Teilung von 1366 ersichtlich, bei
welcher Ulrich erhielt : die Burgen Leuchtenberg, Pfreimt, die halbe Burg zum
Stein, die Burgen Stierberg, Petzenstein und Troschcnreut mit den zugehörigen
Landgebieten; Johann erhielt Pleystein mit der Stadt (1349 erworben), Grafen
wört mit Markt, Reichenstein mit Markt, Sehönsee, Burg Neuhaus, das Geleit
zu Eger, den Berg Zwirenz und die Güter auf dem Böhmer Walde. Die Buru
Schwarzenburg und Burg Retz, ferner Amt und Stadt Waldmiinehen blieben
gemeinschaftlich. — Über alle anderen kleineren Erwerbungen und sonstigen
Gebietsveriinderungen s. Wittmann, Gesch. der Landgrafen von Leuchten
berg, in Abhdlgn. Baier. Akad. phil.-hist. Kl. 18ö2, S. 1 ff., 237 ff. Brunn er.
Gesch. von Leuchtenberg und der ehemaligen Landgrafen v. L., 1862. von
Lang, Grafschaften, S. 204 ff. Kiezler, Gesch. Baierns I, 878; HI, 959 ff.
Grafschaft Hals an der Donau. Die Burg erhebt sich steil über der
Hz nahe bei Passau. Die Herren dieses Namens starben im XH. Jh. ans, und
die letzte Tochter dieses Hauses Liutgard brachte das Territorium ihrem Gemahl
Freiherrn von Chambe, Albert I., zu, dessen Söhne sich nunmehr von Hals
nannten. Sein Enkel Albert III. wird 1280 in den Grafenstand erhoben. D»t
letzte des Hauses, Leopold, starb 1375. Auf sein Gebiet erhoben Graf Heinrich
189. Grafschaft Mont fort- Werdenberg.
307
von Ortenburg und Johann I. von Leuchtenborg, dem der Kaiser die Graf-
schaft zugesprochen hatte, trotzdem er dem Verwandtschaftsgrade nach weniger
Anrecht hatte, Anspruch. Das neu erworbene Gebiet umfafste die Herrschaft
Hals, Burg und Amt Bernstein in der Herrschaft Osterhofen, die Herrschaften
Harbach und Heidenburg, die Grafschaften Geifsenhausen und Leonberg.
Johann trat hiervon dem Ortenburger Leonberg am Inn, Harbach mit Gang-
kofen an der Bina, ferner die Herrschaften Paumgarten und Thann ab. — Vgl.
L. Brunner, Die Grafen von Hals, Progr. St. Stephan in Augsburg 1857.
Riezler IH, 968 f.
189. Grafschaft Montfort-Werdenbcrg. Das Grafengeschlecht dieses
Namens ist eine Nebenlinie der Pfalzgrafen von Tübingen (s. d.). Pfalzgraf
Hugo (f 1182) war mit einer Tochter des letzten Grafen von Bregenz-
Pfullendorf vermählt, die ihm die Grafschaft des churischen Rätiens:
die Bezirke von Bregenz, Tettnang, Feldkirch, Werdenberg, Sonnonberg
und Sargans zubrachte. Von Hugos beiden Söhnen folgte Rudolf in der
Tübinger Pfalzgrafenwürde nach, während Hugo, der jüngere Sohn, das
mütterliche Erbteil Bregenz erhielt. Er nannte sich Graf von Montfort,
nach einer Burg nördlich von Rankweil (bei Feldkirch) im Rheintal.
Dieses Hugo I. Söhne stifteten zwei neue Linien : Hugo II. die Werden-
berger und Rudolf I. die Bregenzer Linie, die das Land entsprechend
teilten, unter ihre Söhne aber noch weiter zersplitterten. Es bestanden
fortan drei Hauptlinien : die Schwarze Fahne (Werdenberg-Bludenz), die
Weifse Fahne (Sargans-Vaduz) und die Rote Fahne (Bregenz-Feldkirch).
Die letztere stiftete jener Rudolf I., während die beiden andern von zwei
Söhnen Hugos II. ausgingen.
Hugo (t 118*2)
II lipo I. Gf. v. Montfort
(f ca 1230
Hugo II. Rudolf I.
(t 1258) Rote Fahne
Hugo III. Hartmann Rudolf II. Ulrich I. Hugo
Schwarze Fahne Weifse Fahne (Feld- (Bregenz) (Tettnang)
(Werdenberg- (Sargans- kirch)
Rludenz) Vaduz.)
Das Geschlecht der Grafen von Bregenz stammt von einem Ulrich von
Bregenz (X. Jh.) ab; es starb Mitte des XII. Jh. aus. Des letzten Grafen
Schwestersohn, Rudolf von Pf Ullendorf, folgte. Doch auch er starb ohne
männliche Nachkommen, und das reiche Erbe der Grafen von Bregenz kam
durch Heirat seiner Tochter Elisabeth an den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen,
während die andere Tochter Itha Pfullendorf ihrem Gemahl, dem Grafen
Albrecht in. von Habsburg, zubrachte.
Die Grafen von Montfort- Werdenberg hatten sich in die Linien der
Schwarzen und Weifsen Fahne gespalten. Die Schwarze F a h n e (von Hugo HI.
abstammend) besafs die Grafschaft Werdenberg am linken Rheinufer (nördlich
von Sargans), die Grafschaft Bludenz, die Bezirke von Rheinegg mit dem
Rheintal, Freudenberg, Warum, die Schirmvogtei über Kl. St. Gallen und die
Grafschaft Heiligenberg in Schwaben (seit 1277). Die Weifse Fahne (von
Hartmann abstammend) besafs die Gebiete von Sargans, Vaduz, Sonnenberg.
Durch Heirat erwarb sie die Güter Vaz in Graubünden, Ortenstein, den Dom-
leschg. Heinzberg und Schlams. 1348 verkaufte sie an die Pfullendorfer Grafen
20*
Rudolf Pfalzgrof
v. Tübingen
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308
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
die Herrschaft Mayenfeld, die Besitzungen zu Prettigau und in der Länge von
Fragstein bis Davos. Die Rote Fahne (von Rudolf I. gestiftet) spaltete sich
unter seinen Söhnen in die Feldkircher (Rudolf II.), die Bregenzer (Ulrich I.)
und die Tettnanger (Hugo) Linie ; jede mit entsprechendem Landbesitz. Dem er-
werbungslustigen Herzog Leopold III. von Habsburg gelang es, den Feldkircher
Anteil zu gewinnen, indem ihm Graf Rudolf III. die ganze Grafschaft Feld-
kirch mit dem inneren Bregenzer Walde für 30000 Gulden verkaufte. — Vgl.
im übrigen Vanotti, Gesch. der Grafen von Montfort und Werdenherg,
Constanz 1845.
190. Habsburg-Österreichische Lande. Das Kernstück des späteren
österreichischen Staates bildete die Ostmark, Ostarrichi, die anfangs nur
eine Vormark des bairischen Herzogtums war und im wesentlichen das
Land unter der Enns (Niederösterreich) umfafste. Seit 977 stand es, wie
oben gezeigt, unter den Babenbergern; unter Heinrich II. Jasomirgott
wurde die Mark Österreich mit ihren drei Grafschaften und Gerichts-
sitzen Tuln, Mautern und Korneuburg zum Herzogtum Österreich
erhoben (20. September 1156"). In demselben Jahrhundert traten auch
noch namhafte Erweiterungen des Landes ein. So wurde nach dem
Sturze Heinrichs des Löwen und der Auflösung des bairischen Stammes-
herzogtums 1180 ein Streifen auf dem linken Donauufer von der Hasel
bis zur Grofsen Mühl den Herzogen zugesprochen. Noch beträchtlicher
war die Erweiterung ihres Machtbereiches, als ihnen durch Erbschafts-
vertrag die Steiermark, die unter dem letzten steirischen Markgrafen
Ottokar VI. 1180 ebenfalls zu einem Herzogtum erhoben worden, nach
dessen Tode 1192 zufiel. Aber auch sonst vermehrten sie ihren Besitz
durch Erwerbungen von Landgebieten ausgestorbener Dynastengeschlechter
im eigenen wie im Nachbarlande. Nach einer vorübergehenden Teilung
unter den Söhnen Herzog Leopolds V. (f 1194) waren Österreich und
Steiermark unter Leopold VI. wieder vereinigt. Mit Friedrich dem
Streitbaren erlosch 1246 das Babenberger Herzogshaus in männlicher
Linie, und es folgte eine Zeit politischer Wirren, das sog, Zwischenreieh
(1246—1276). Dem böhmischen Kronprinzen Ottokar (Sohn Wenzels I.)
gelang es, im österreichischen Herzogtum Fufs zu fassen; doch konnte
er Steiermark gegen die Ungarn (König Bela IV.) nicht behaupten. Der für
die territoriale Gestaltung wichtige ÜfenerFrieden (22. September 1 254)
lieferte Steiermark den Ungarn aus, jedoch mufsten sie von diesem Lande
den Püttner Bezirk zwischen der Piesting und dem Semering, Hartberg,
und Wechsel an Ottokar abtreten, des gleichenden Traungau. Diese Länder
wurden mit dem Herzogtum Österreich fortan vereinigt und sind es
geblieben, auch als die Ungarn von Ottokar durch die Schlacht bei
Kroissenbrunn (1260) aus Steiermark verdrängt und dieses Land mit
Österreich wieder vereinigt wurde.
In dieser Zeit fand auch eine Trennung des Herzogtums Österreich
statt: in das »Land ob der Enns« oder »Ober Österreich« und das
»Land unter der Enns« oder »Niederösterreich«. Ein weiterer
Erfolg Ottokars war der Erbvertrag mit dem letzten Sponheimer Herzog
Ulrich III. von Kärnten und Krain wegen der Anwartschaft auf diese
Länder. Nach Ulrichs Tode 1269 ergriff er von diesen Ländern Besitz.
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190. HabBburg ÖBterreichischo Lande.
Der weitausgedehnte Machtbereich Ottokars II., der seit 1253 seinem
Vater auch als König von Böhmen gefolgt war, sollte ihm nicht lange
beschieden bleiben, als Rudolf von Habsburg 1273 den deutschen Thron
bestieg. Schon 1276 mufste er im Wiener Frieden dem ganzen öster-
reichischen Landgewinn entsagen und Böhmen und Mähren vom König
als Lehen annehmen. Sein erneuter Versuch, sich wieder in den Besitz
der Lünder zu setzen, endigte mit seinem Tode auf dem Marchfelde
(1278). Rudolfs Bestreben war es nun, die Herzogtümer an seinen Habs-
burger Hausbesitz zu knüpfen, und er bewirkte zu Augsburg zunächst
die Belehnung seiner beiden Söhne Albrechts I. und Rudolfs II. mit Öster-
reich, Steiermark und Krain. Die Reichsverwesung über Kärnten wurde
dem Grafen Meinhard von Görz wegen persönlicher Dienste übertragen,
auch Krain noch als Pfandbesitz ihm überlassen; 1286 wurde dieser mit
Kärnten direkt belehnt. Seit 1283 war Albrecht I. auch als alleiniger
Herr in Österreich-Steiermark eingesetzt worden.
Unter den späteren Habsburgern, Albrecht II. und Otto, die nach
dem Tode Friedrichs des Schönen (f 1330) gemeinsam regierten, wurde
auch das Herzogtum Kärnten mit Krain als Lehen erworben. Hier
war der ehemalige Böhmenkönig, Herzog Heinrich, als letzter der tirolisch-
kärntnischen Linie des Görzer Hauses gestorben; das Land Krain, welches
er nur als Pfand besafs, fiel somit von selbst an Österreich zurück.
Auch Tirol sollte alsbald den Habsburgern zufallen. Mit Margarete
Maultasch hatte Rudolf IV. einen geheimen Erbfolgevertrag geschlossen
und hiermit die Absichton der Wittelsbacher durchkreuzt. Als Margaretens
Sohn aus ihrer zweiten Ehe mit Ludwig von Brandenburg, Meinhard III.,
der eine Schwester Rudolfs geheiratet hatte, frühzeitig starb (1363), er-
griff Rudolf vom Lande Besitz und liefs sich huldigen. Der Schärdinger
Friede 1369 bewirkte die endgültige Verzichtleistung der Wittelsbacher
auf Tirol gegen verschiedene Entschädigungen (Kufstein, Kitzbühel,
Rattenberg u. a.).
Im Jahre 1375 kam Habsburg z. T. auch in den Besitz des VJor-
arlberger Landes, und zwar erstand es die Grafschaft Feldkirch mit
dem inneren Bregenzer Wald für 30000 G. -Gulden von Graf Rudolf V.
aus dem in viele Linien gespaltenen Hause Montfort.
Herzogtum Österreich. Wie S. 1*5 schon bemerkt, war die Ost
grenze der Mark unter Heinrich III. bis zur Leitha und der March vorgeschoben
worden. Die Nordgrenze war lange Zeit unsicher geblieben. Die Waldeinöden
des Manharts zu beiden Seiten des Kampflusses bis zur Thava bildeten eine
Schranke. An der Thaya entstand eine Grenzgrafschaft Raabs (Rakouz), die
im XII. Jh. im Besitz der Hohenzollern war und dann durch Kauf an die
Babenberger kam. Auch das ehedem böhmische Gebiet von Weitra kam im
XII. Jh. an Osterreich. Im SO. bildete der Piestingflufs (Bipmicha) lange die
Grenze gegen Karantanien. Der Ofener Friede 1251 fügte hier aber noch die
sog. Püttner Mark hinzu, d. i. das Gebiet rechts der Piesting bis zum Semering,
Wechsel und der Lafnitz<|iiellc mit dem damals wichtigen Burgort Putina
(Pütten). 13(55 kam dieses Gebiet vorübergehend wieder an Steiermark. Durch
den Frieden von 1251 war im W., also links der Enns, noch der ganze Traun-
gau an Osterreich gefallen, so dafs dieses nunmehr ein langgestrecktes Länder*
gefilde zu beiden Seiten der Donau umfafste. Unter König Ottokar scheint
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VI Politische Geographie um das Jahr 1375.
auch die lüngsteilung des Landes durch die Donau aufgegeben und durch
eine Querteilung ersetzt worden zu sein. Seit 1264 linden sich urkundlich die
Bezeichnungen Oberösterreich oder Österreich ob der Enns, Austria superior,
Austritt supra Anamm, und Niederösterreich oder Österreich unter der Enns,
Austria inferior oder einfach Austria. — Innerhalb des Herzogtums fanden sich
verstreut noch landesherrliche Gebiete geistlicher und weltlicher Herren. Be-
sonders einige Bistümer, wie Passau, Regensburg, Salzburg, Freiburg, waren hier
begütert (vgl. diese).
Lampe 1, Die Einleitung zu Jans Enenkels Fürstenbuch, Wien 1883. —
Die Landesgrenze von 1254 und das steirische Ennstal, im Archiv, Bd. 71,
S. 297 ff. Strnadt, Die Geburt des Landes ob der Enns, 1880. Luschin,
Österr. Reichsgesch., S. 87 ff. Krön es, Grundrifs, S. 199 f. Hormayr, D.
Land ob und unter d. Enns vom IX. — XIII. Jh., in Taschenb. D. vaterländ.
Gesch., 1813, S. 10 ff. Weber, Beiträge z. Landeskde. Österr. unter d.E.
S. 170 ff. Lamp recht, IEstor.-topographisehe Matrikel o. geschichtl. Orts-
verzeichnis des Landes ob d. E. (8—14. Jh.), Wien 1863. Weitere Nachweise
bei Krones L c. und den S. 185 genannten Darstellungen der österr. Geschichte.
Herzogtum Steiermark. Von dem ehemals weit ausgedehnteren
Herzogtum Karantanien war schon in der Karolingerzeit ein Markgebiet im
nordöstlichen Teile des Landes ausgeschieden worden. Im Jahre 1035 wurde
dieses Gebiet gänzlich von Kärnten getrennt. Es umfafete das Gebiet der
oberen Enns, Mur, Mürz, den Oberlauf der Raab und reichte südlich bis zum
Pofsruck und den Windisch-Büheln. Eben damals wurde diese sog. j Karan-
tanische Mark« den Wels-Lambacher Grafen unterstellt, die im Traungau be-
gütert waren. Sie erwarben 1043 auch die obengenannte Püttner Mark, die
sehr bald an das verschwägerte Haus der Grafen vom Formbach-Neu bürg ge-
langte, welche sich nach der Mark Grafen von Pütten nannten. Als die Lam-
bacher Grafen 1055 ausstarben, kam die Karantanische Mark an die Grafen
von Steier, die ihren Sitz zu Stiraburg (Steyr) an der Einmündung dieses
Flusses in die Enns (in Oberösterreich) hatten, und nach denen später das
Land als die »Steiermark* bezeichnet wurde. Sie erweiterten ihren Landbesitz
in schneller Folge. So Helen ihnen nach dem Erlöschen der Eppensteiner
Herzogsfamilie (1122) die ausgedehnten Besitzungen derselben innerhalb der
Mark zu. Ferner die Herrschaft Naun (Cordenons) in Friaul. Im Jahre 1148
erbte Ottokar III. den Nachlafs seines Oheims Grafen Bernhard von Sponheim,
ein Gebiet längs der Drau bis zur Mur mit Marburg und Radkersburg sowie
Güter im Sanntale. Nach dem Aussterben der Grafen von Pütten gewannen
sie 1158 auch die Püttener Mark (die 1254 an Österreich fiel). Durch den
Sturz Heinrichs des Löwen kamen sie auch in den Besitz des bis dahin bäuri-
schen Landes zwischen der Enns und dem Hausruck. Zu gleicher Zeit (1180)
wurde unter Ottokar VI. das Land zu einem Herzogtum erhoben. Mit ihm
starb aber das Haus auch schon aus (1192); auf Grund eines Erbvertrages
(17. August 1186) fiel es an Leopold V. von Österreich. Muehar, Gesch. d
Herzogt. Steiermark, Graz 1844 11., 8 Bde. Gebler, Gesch. des Herzogt.
Steierm., 1862. Reichel, Abrifs der steirischen Landesgesch., Graz 1882.
Herzogtum Kärnten hatte anfangs ganz in Verbindung mit Baiern
gestanden bis zum Jahre 976, wo es selbständig wurde, um 983 — 985 wieder mit
Baiern vereinigt zu werden, und abermals 989, bis die Trennung 1002 eine
endgültige wurde. Es hatte ehedem eine weit gröfsere Ausdehnung als später,
denn es umfafste noch die spätere Steiermark und Mark Krain. Am östlichen
Randgebiete hatten sich noch im letzten Viertel des X. Jh. einige Markgebiete
herausgebildet, wie die Grafschaft Markwards an der unteren Mur und Raab,
jene Raehwins an der Drau und die Grafschaft Wilhelms an der Sann und
Save. Letztere umfafste den alten Pagus Souna, Sevne, zu beiden Seiten d.-s
Sannflusses, im S. im allgemeinen durch die Save. im O. durch die Sottla be-
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190. Habsburg-Östcn-eichische Lande.
311
grenzt, auch Marchia juxta Souvani genannt. Die Grafschaft Rachwins, die
Marchia transsylvana oder Pitouiensis (mit Poetovio, Pettau) umfafste, den
Pagus Zitilinesfeld, Zistanesfeld zu beiden Seiten der Drau, südlich jener Stelle,
wo die Mur der ersteren sich nähert. Sie wurde auch kurz die Murk (a. d.
Drau) genannt mit der Marchburg = Marburg. Die Grafschaft Markwards
umfafste den Gau I lengist, die Mark an der Raab, Marca ad Rapam, nördlich
bis zum Röthelstein reichend und westlich bis zur Kor-Alpe und den Gleiner
Alpen. Der Mittelpunkt war Hengistiburg (vermutlich auf dem Sehlofsberge
von Graz), die spätere fürstliche Pfalzburg Castrum Graezze, Graz, Graz im
XU Jh. Die übrigen Gaue des alten Karantaniens waren der Lurngau im
Über-Drautal, Crovati zwischen Gurk und Drau, Gurcatul, Lavanttal und Jaun-
tal (Pagus Juna südlich der Drau); diese umfafsten etwa das heutige Kärnten;
ferner der Mürzgau , Ennstalgau mit dem Paltentale, Undrimatalgau (Gebiet
der Ingering, Undrima), Leobnergau (Pagus Liubinctal am Knie der Mur). Näheres
über diese Gaue, sowie die österreichischen im allgemeinen bei II über, Gesch.
Osterr. I, 207 ff. Ders. , Osterr. Reichsgesch. S. 5 ff. Krone s, Geschichte I,
297 ff.; Grundriß, S. 209 f. Luschin, Reiehsgeseh., S. 82 ff. — Im Jahre 1035
macht sich zuerst eine allmähliche Auflösung dieses ausgedehnten Herzogtums
bemerkbar, als Adalbero, der Eppensteiner, als Herzog verdrängt wurde. Die
Karantanische Mark (s. bei Steiermark) wurde als selbständiges Gebiet abge-
trennt. 1077 wurde das Herzogtum dem Kppensteiner Liutold wieder zurück-
begeben, doch starb das Geschlecht mit Herzog Heinrich im Jahre 1122 aus.
Die reichen Besitzungen des Hauses in der Mark fielen an die Markgrafen von
Steier. Das Grafenhaus der Sponheimer, die auch die Lavanttaler Grafen ge-
nannt wurden, kam in den Besitz des Herzogtums Kärnten als Reichslehen.
Nach ihrem Aussterben 1269 ergriff Ottokar von ihrem Lande Besitz; doch
üherliefs es späterhin König Rudolf I. den Grafen von Görz. 1335 kam es als
I>ehen an die Habsburger. Vgl. Ankershofen, Tan gl und Hermann,
Handb. der Gesch. von Kärnten, 1H43 — 5H, teilweise, auch in 2. Aufl.
Herzogtum Krain. Man hat hier zu scheiden zwischen einer Graf-
schaft Krain iCarniola, Creina), die das heutige Ober-Krain umfafste, und einer
Mark Krain, die das heutige Unter-Krain bildete bis zur Gurk, doch mit Aus-
echluifl des Gebietes rechts der Save von der Sann bis zur Neuring. Der
krainische Karstboden gehörte damals zur Mark Istrien. Creina und Camiola
wurden im X. und XI. Jh. für die Marchia und Comitatus gebraucht. Erst
1077 tritt eine Trennung zwischen beiden ein; die Mark fällt an das Patri-
archat von Aouilcja, der Komitat verliert seinen Charakter als Grafschaft,
Huber und andere bestreiten den Unterschied von Mark und Grafschaft; hier«
ul>er vgl. Meli, Die historische und territoriale Entwickelung Krains vom X.
bia ins XIII. Jh., Graz 1888, S. 38 ff. Die Geschichte beider Landesteile ist
• ine sehr wechselvolle, da sie ihre Herren sehr häufig veränderten. Von der
'»rafschaft waren zwei Drittel an die Stifte von Brixen und Freising gekommen,
♦las übrige unterstand dem Patriarchat und verschiedenen Dynastengeschlechtern,
von denen einige ausstarben: den Weimar-Orlamündern (bis 1112), den Eppen-
rteinern und Sponheimern als Herzögen Kärntens, den Andechs-Meramern
(bifl 1209:. Im XIII. Jh. fafsten auch die Babenberger im Lande Fufs, denn
Herzog Leopold VI. erwarb durch Lehenskauf die Freisinger Güter in Unter-
krain Feudum in Marchia), und sein Sohn Friedrich der Streitbare heiratete
eine Andechs-Meranierin und gewinnt durch sie auch grofsen Güterbesitz in
<>l>er Krain, so dafs er sieh Herr von"|Krain . Dominus Camiolae, nennen
konnte. Nach dem Aussterben der Babenberger gelangten die Sponheimer
Herzöge in den Besitz des Fendilins, als Herzog Ulrich die Witwe jenes Fried-
rieh, des letzten Babenbergers, geheiratet hatte." Die Herrschaftsansprüche des
Patriarchen wurden von diesem immermehr zurückgedrängt, und 1261 war
l lrich III. (f 12G9) fast unumschränkter Herr im Lande. Nach der Zeit des
Zwisehenreiches wurde Graf Meinhard III. von Görz mit Kärnten und Krain
letzteres als Pfandbesitz | belehnt (128<>), wie oben schon bemerkt; 1335 fiel
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312 VI. Politische GeoKTupliie um da* Jahr 1375.
Krain an die Habsburger zurück. Erst unter Rudolf IV. kam 1364 der Titel
>Herzug von Krain < auf. Vgl. Dimitz, Gesch. Krains von d. öltest. Zeit bis
1813, Laibach 1874—1876. Richter, Beiträge z. Gesch. Krains, und Forschungen
zur Gesch. und Geographie von Krain im Mittelalter, in Hormayrs Archiv
1H19, 1822, 1824. Meli 1. c, S. 130 ff. gibt eine Übersicht über "die Besitz-
verhältnisse des Landes im XIII. Jh.
Grafschaft Tirol. Das Tiroler Land, welches sich nur sehr allmäh-
lich zu einem geschlossenen Gebiete abrundete, gehörte anfangs mit seiner
nördlichen Hälfte zum .Stammesherzogtum Baiern . das noch das Eteeh-
und Eisacktal bis unterhalb Bozen umfafste, mit seiner südlichen zu Italien.
In dieser hatten im Anfang des XI. Jh. da.s Bistum Trient und nördlich von
diesem das Bistum Brixen sich zu reichsunmittelbaren Territorien entwickelt.
Kaiser Konrad II. hatte bereite 1027 dem Bischof von Trient die Grafschaft
dieses Namens und das Land nördlich bis zum Brenner und zur oberen Etech
mit den Grafschaften Bozen und Vintechgau und einen Teil des Engadin als
Lehnsfürstentum übergeben. Das Bistum Brixen war in demselben Jahre mit
den Grafschaften im Inn- und Eisacktale ausgestattet worden, zu welchen dann
durch Kaiser Heinrich IV. (101)1) noch ein Teil des Pustertales (Riem und
oberes Drautal bis kurz vor Innichen) hinzukam, so dafs dessen Territorium
im allgemeinen östlich des Eisack und des Brennersattels gelegen war. In-
dessen, diese Gebiete vermochten die Bistümer nicht dauernd im Besitz zu
halten; schon dadurch, dafs sie einzelne Gebiete als Afterlehen weitergalnm,
beförderten sie das Umsichgreifen der weltlichen Herrschaft. — Unter den
Adelsgeschlcchtem ragten frühzeitig die bairisehen Grafen von Andechs-
Moran hervor, die im Inngebiet grofse Besitzungen hatten und Vögte des
Bistums Brixen waren. Ihr Territorium reichte weit nach N. ; es gehörten
ihnen: 1. die Grafschaft Andechs und Diessen zwischen dem Ammer- und
Starnbergersee mit dem Gebiet von Weilheim und vom Walchensee, und dem
Wald von Diessen bis 1 Vissel iberg. Schlofs Andechs liegt am östlichen, Diessen
am südlichen Ufer des Ammersees; 2. die Grafschaft Wolfratehausen, südlich
von Dachau, vom Starnbergersee bis zur Isar; 3. die Grafschaft im Ober-Inn
tal von Strafe bis Kemnaten mit Ambras. Hall, Schwaz, Achensee; 4. das
Norital (die alte Grafschaft Matrei) mit dem Hauptort Brixen; 5. ein Teil
des Pustertales, soweit es zu Tirol gehörte, war schon 101)1 vom Brixener
Bischof als Lehen an die Andechs gekommen. Abgesehen von ihren sonstigen
Besitzungen in Franken und Krain waren sie 1171 auch Markgrafen von
Istrien geworden (letzteres kam 1209 an den Patriarchen von Aquileja), seit
1181 Herzöge von Dalmatien und Kroatien mit dem Titel Herzog von Meran
oder Meranien, unter welchem nicht etwa der Ort Meran, sondern das Küsten-
land von Istrien und Dalmatien zu verstehen ist. Bertold IV. führt zuerst
den Titel von Andechs-Meran seit 11*1). Im Jahre 1218 starben die Andechser
mit Otto IL, dem Gemahl der Elisabeth. Tochter Alberte III. von Tirol, aus,
und ihr Land wurde an die benachbarten Dynasten aufgeteilt. Andechs, Diessen
und Wolfratehausen fielen an die bairisehen Herz» ige, das Nori- und Pustertal
zogen zunächst die Bischöfe von Brixen wieder ein, während sie einen Teil
des Noritalcs mit Matrei und »lein Brenner an Albert III. von Tirol zu Lehen
gaben. Das übrige liel auch gröfstenteils an die Tiroler Linie (s. unten). — Die
ehemals weit ausgedehnt«- Grafschaft Eppan (da Piano, d'Appianoj löste
sich auch allmählich auf und fiel zumeist den Grafen von (Tirol- Görz an
heim. Ursprünglich umfafste sie die Grafsc haft Bozen mit Bozen und vielen
anderen Orten und einen Teil des oberen Inntalcs. Doch schon 11*9 mufsten
die Grafen Greifenstein und Bozen dem Bischof von Trient überlassen. Ihr
seitheriger Besitz beschränkte sich auf die Grafschaft I lten (im Ultental süd-
lich von Meran), den nördlichen Teil des Otztalcr Gebirges bis zur Wasser-
scheide im S. und zum Inn im N. und W. sowie auf die Grafschaft Hohen-
Eppan zu beiden Seiten der Etsch von der lombardisehen Grenze an.
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191. Erebiutuin Salzburg. 313
Den Kern der alten Grafschaft Tirol bildeten der Vintschgau (Ober-
Etechtal) und ein Teil des Engadin. Die Grafen führten den Namen nach
ihrer Stammburg Tirol, die an der Stelle eines römischen Castrum Teriolis
(Notitia dignit. Occ. XXXV, 11, ed. Seeek) errichtet worden war. Sie liegt un-
mittelbar nördlich über Meran, dem alten Majas, welches angeblich vom Neufer
Berg verschüttet worden sein soll und dann als Maias am Rain, Mairain
wiedererstand. Als Mairania erscheint es urkundlich schon 758 und dann erst
wieder als Forum Meran 1234. Grafen von Tirol werden uns seit 1140 ge-
nannt. Ihr Machtbereich erweiterte sich sehr bald. Tm XII. Jh. waren sie
Vögte im Bistum Trient. Vom Bistum Brixen hatten sie die Grafschaft im
Eisacktal zu Lehen und wurden 1214 auch Vögte dieses Stiftes. Im Jahre 1248
erwarb Graf Albert III., der letzte der alten Tiroler Grafen, auch einen Teil
des Ober-Inntales von den Grafen von Andeehs-Meran. Albert III. hatte zwei
Töchter, von denen die älteste, Elisabeth, an den Grafen Otto II. von Meran
vermählt war, die jüngere, Adelheid, an den Grafen Meinhard von Görz. Otto II.
Starb aber schon 1248, als letzter der Andeehs-Meranier, und sein grofser Land-
besitz löste sich auf (s. oben). Auch sein Schwiegervater Albert III. erwarb
damals die Grafschaft im Inntal sowie im Pustertal und die übrigen Besit-
zungen der Andechser im Gebirge. Er selbst starb 1253 und seine Schwieger-
söhne teilten das Land. Graf Gebhard von Hirschberg (Niederbaiern), welcher
die verwitwete ältere Tochter Elisabeth geheiratet hatte, erhielt die nördliche
Hälfte, Graf Meinhard von Görz «Ii«* südliche, d. h. den Vintsehgau von Nau-
ders bis I,andeck, die Besitzungen im Pustertal und Friaul. Doch fiel 1263
auch der Gebhardsche Besitzanteil ihm zu, also die Vogtei über das Bistum
Brixen und das Inntal. Überdies war er in den Besitz der erledigten Stifts-
lehen der Grafen von Eppan (s. vorher) gekommen. Di«- Grafschaft Tirol um-
fafste somit damals schon den gröfsten Teil des heutigen. Mit jenem Grafen
Meinhard von Göns und Tirol beginnt die neue Dynastenlinie. Sein Sohn
Meinhard wurde 1286 mit dem Herzogtum Kärnten (und Krain) belehnt
(s. oben), und sein Enkel Heinrich trug vorübergehend (1307 — 4310) sogar die
böhmische Krone. Seine einzig«' überlebende Tochter Margarete Maultaseh,
die in zweiter Ehe mit Ludwig von Baiern vermählt war, wendete nach dem Tode
ihres Sohnes das Tiroler Land den Habsburgern zu. — Die grofse Mehrzahl
der übrigen GrafenKesehleehtcr in Tirol war teils ausgestorben, teils hatte sie
ihren Landbesitz schon an Meinhard II. veräufsert, Huber, Gesch. «1. Ver-
einigung Tirols mit Osterr.. 1804. Egger, Gesch. Tirols 1872— 1880.
191. Erzbistum Salzburg. Das älteste Stiftsgebiet hatte teilweise
unter der Oberhoheit der bairischen Herzöge, teilweise unter gräflicher
Gerichtsbarkeit gestanden. Im Jahre 798 wurde Salzburg zum Erzbistum
erhoben und seitdem wuchs auch sein Güterbesitz mit Immunitätsrecht.
Freilich bestand dieser Besitz anfänglich aus sehr zerstreut liegenden
Parzellen. Begreiflicherweise strebten die Erzbischöfe ihr Gebiet abzu-
runden und vor allen Dingen auch Grafschaftsrechte zu erringen. So
hatten die letzten Grafen von Piain, Otto und Konrad, 12:")0 ihre Besitzungen
dem Erzstifte zu Lehen aufgetragen und an dieses sogleich auch ver-
pfändet. Als die Plainer 1200 dann ausstarben, nahm sie der Erzbisehof
endgültig in Besitz. — Abgesehen von dem Territorialbesitz im Salzach-
gebiet gehörten zum Stift noch gröfsere Güterkomplexe in Steiermark,
Kärnten und Tirol.
Das älteste Güterverzeiehnis ist der von Bischof Arn Karl dem Grofsen
überreichte Indiculus Arnonia mit den gleichzeitigen Breves notitiae Salzburgenses
(mit Erläuterungen herausgegeben von F. Keinz, München 1H*;9). — Zum
Territorialbestand im X. Jh. geborten schon die beiden Salzaufer von Straf.»
walchen bis an den Pongau, der Salzburggau und Kuchelgau, Pongau, Lungau
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314 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
(oberes Murtal) und Pinzgau. Über den schließlich der Landeshoheit des Erz-
stiftes unterstellten Bezirk und seine Abgrenzung im XIV. Jh. auf Grund der
unverändert gebliebenen Landgerichtsgrenzen vgl. die kritische Arbeit von
Ed. Richter, Untersuchungen z. bist, Geogr. des ehemaligen Hochstiftes
Salzburg. Ergänzungsbd. I (1885), S. 590—7.37 der Mittlgn. d. Inst. f. österr.
Geschichtskde., wo auch der Besitz der Aribonen (Plainer Grafschaft) eingehend
behandelt wird (S. r>38 ff.). — Zum Erzstift gehörten ferner Besitzungen in
Österreich an der Url, Ips, Donau, Wiener Wald bis in die Püttner Mark ; in
Kärnten: die Friesacher (irafschaft mit Friesach und Hüttenberg, aus dem
Nachlafs der (f 1043) Friesacher Grafen familie. ; in Steiermark: die Herrschaften
I^mdsberg, der Wildforst Sausal an der Sulm-Lafnitz, ferner Gröbming im
Ennstal, der Drauboden um Pettau; in Tirol: die Ämter Waidring, Brixleck
und Söll. Vgl. hierzu von Koch- Sternfeld, Salzburg und Berchtesgaden,
2 Bde. Salzbg. 1*10 von Lang, Baierns alte Grafschftn.. S. 91 ff. von
Krön es, Grundrifs d. österr. Gesch., S. 204 mit weiterer Literatur. Hau-
thaler, Salzburger Urkundenbuch I. Salzburg 1898.
192. Königreich Böhmen und Markgrafschaft Mähren. Seit der
Verdrängung des Polenherzogs Boleslaw Chrobry war die Regierungs-
gcwalt wieder in die Hände der Przemysliden zurückgelangt. Nachdem
die Königskrone vorübergehend schon 1086 von Wratislaw II. getragen
worden war, wurde sie 1158 durch Kaiser Friedrich I. erblich dem Stamm-
hause erteilt. Doch erst mit Ottokar I., der die Primogenitur einführte,
blieb sie dauernd dem Lande erhalten. — Unter Ottokar II. gelangte
Böhmen zu höherer Machtentfaltung, da auch Österreich, Kärnten und
Krain vorübergehend hinzuerworben wurden. Mit Wenzel III. erlosch
1306 der Mannesstamm der Przemysliden, und bald darauf (1310) gründeten
die Luxemburger eine erbliche Dynastie in Böhmen. — Die Przemysliden
hatten bereits Mähren erworben, wolches von Kaiser Friedrich I. zu
einer Markgrafschaft erhoben worden war (1182). Wurde es 10 Jahre
später auch von Böhmen wieder losgelöst, so hatte es Ottokar I. 1198
doch von neuem wiedergewonnen, und seitdem blieb es mit Böhmen
vereinigt,
Böhmen ist allseitig durch natürliche Grenzen abgeschlossen, doch hinderte
dies nicht, dafs das Königreich über diese teilweise hinausgriff. So hatte
Karl IV. 1353 einen Teil der Obernfalz hinzuerworben; vgl. hierüber oben
S. 2f»l. Die Przemysliden hatten auch im Meifsener Lande und im Voigtlande
vorübergehend Fufs zu fassen vermocht, der Einflufs Böhmens auf Schle-
sien hatte von jeher bestanden, und unter Karl IV. war letzteres ein liehen
der böhmischen Krone. — Das Egerland, welches von Ostfranken besiedelt
worden war, war lange strittiges Gebiet gewesen, weil es kirchlich und politisch
immer mehr zum Westen hinneigt«'. Ottokar II. hatte dasselbe 12GG in Pfand ge-
nommen, doch ging es 1305 wieder verloren, und erst Karl IV. gelang es, es
von neuem zu okkupieren. — Mähren war seit 1209, wo es der Sohn Brctis-
laws I., U dal rieh, eroberte, stets nur ein Nebenland von Böhmen gewesen und
wurde mehrmals an die jüngeren Prinzen vergeben.
A. Bachmann, Gesch. Böhmens I. Gotha 1899 (neueste (juellenmälsige
Darstellung). Die Spezialliteratur führt Krones, Grundrifs. S. 8f> ff. auf.
Dudik, Mährens allg. Geschichte, Bd. 8 und 9: Mährens Kulturgesch. 1197
bis 130t;, 1878—80. Luschin von Ebengreuth, Österr. R., S. 288 ff.
Bretholz, Gesch. Mährens, 3 Bde.. Brünn 1893.
193. Wettinisehe Lande. Im mittleren Deutschland hatte sich ein
grofses Territorialgebiet entwickelt, welches um 1375 aus den Markgraf-
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193. WettiniHche Lande.
315
schaften Meifsen und Osterland und der Landgrafschaft Thüringen sich
zusammensetzte. Den Ausgangspunkt dieses Machtbereiches bildete die
Markgrafschaft Meifsen, die sich anfangs in der Hand verschiedener
Geschlechter befunden hatte, seit 1089 aber dauernd an das Haus Wettin
kam. Die erste gröfsere Erweiterung des Landbesitzes bewirkte der tat-
kräftige Markgraf Konrad der Grofse (1124 — 1156), der einen beträcht-
lichen Teil auch der beiden anderen Markgrafschaften Zeitz und Merse-
burg in seine Gewalt brachte. Durch Teilung unter seine fünf Söhne trat
freilich eine Zersplitterung des gesamten Landes ein, die auch zu Streitig-
keiten unter den Verwandten führte. Durch glückliche Umstände gelang
es aber Dietrich dem Bedrängten (1197 — 1221), die Landsplitter wieder
in einer Hand zu vereinigen, und sein Sohn Heinrich der Erlauchte
(1221 — 1288) erweiterte die wettinische Macht durch namhafte Neu-
erwerbungen, insonderheit des Pleifsner Landes (1243) und nach einem
blutigen, wechselvollen Kriege auch der Landgrafschaft Thüringen (1247,
1264). Hiermit war die Hausmacht bis zur Werra ausgedehnt worden.
Die Wirren im Innern des Reiches unter den schnell wechselnden Wahl-
königen machten sich auch in diesen Ländern bemerkbar, und die
Schwäche einzelner Dynasten führte zu einer vorübergehenden Auflösung
des ganzen Territorialbestandes. Erst Friedrich der Freidige (f 1324)
legte von neuem den Grund zu einer Machtentfaltung seines Hauses,
indem er den früheren Landbesitz wieder in seine Hand brachte. Er
wie auch seine Nachfolger wüteten ihn zu erweitern und durch Erwerb
einer Reihe zerstreut liegender Herrschaften mehr und mehr abzurunden.
Die alte Stammbesitzung des Wettiner Geschlechtes umfafste ein kleines
Gebiet an der Saale, an welcher auch die Stammburg Wettin bei der gleich-
namigen Stadt sich erhebt. Zu ihr gehörten ferner die Burgwart Zörbig und die
Grafschaft Brene mit Camburg. Durch Erbschaft erhielt Konrad der Grofse
von der Nebenlinie der älteren Wettiner noch die Grafschaft Eilenburg. Diese
ältere Linie, an die unter Heinrich I. von Eilenburg 1089 die Markgrafschaft
Meifsen übertragen worden war, war mit Heinrich dem Jüngeren 1123 erloschen.
Von ihr übernahm Konrad die Markgrafschaft Meifsen. Im Jahre 1136 ge-
wann er auch die Niederlausitz, wo das Geschlecht Wiprechts von Groitzsch
ausgestorben war; desgleichen das Milzener Land (Oberlausitz) und 1143 durch
eine Schenkung Konrads III. die Grafschaft Rochlitz. Auf dem Höhepunkt
seiner Macht stehend, trat Markgraf Konrad 1150 von der Regierung zurück
und teilte das Land unter seine fünf Söhne: 1. Otto erhielt die Mark Meifsen;
2. Dietrich die eilen burgischen Erbgüter und die Markgrafschaft Niederlausitz,
die seit 1180 kurz die Ostmark genannt wurde; Dedo bekam die Grafschaft
Rochlitz an der Zwickauer Mulde und Groitzsch; 4. Heinrich die Grafschaft
Wettin und 5. Friedrich die Grafschaft Brene.
Hinsichtlich der beiden letzten Linien ist zu bemerken, dafs die Wettiner
Linie Heinrichs mit seinem Enkel 1217 ausstarb und Wettin an die Linie
Brene fiel. Letztere, die vom Erzbistum Magdeburg noch mehrere Lehen ( Arnolds-
hagen, Trebus, Schweinitz, Prettin, Jessen, Klöden, Zwetau, Belitz, Zahne,
Wiesenburg, Werben, Gommern) erhalten hatte, erlosch 1290, und das
alte Stammschlofs mit der Stadt Wettin und ein Teil der ehemaligen Graf-
schaft fielen auf Grund einer vorherigen Vereinbarung an das Erzstift Magde-
burg, während die Grafschaft Brene von Kaiser Rudolf I. als eröffnetes Reichs-
lehen an seinen Enkel Rudolf von Sachsen-Wittenberg vergeben wurde (s. S. 321).
Die Niederlausitz-Eilenburger Linie Dietrichs, der nach dem von ihm
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316
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
1 to B
^2
— £.2.
5-&
. —
2 s
es-
erbauten Schlofs Lands
berg auch als Markgraf
v. Landsberg erscheint,
starb mit ihm 11 #5 aus.
Die eilenburgisehen Erb
guter kamen an die Ru-
chlitzer und Meifsener
Linie, die Lausitz ganz
an die entere gegen eine
an den Kaiser gezahlte
Summe (4000 Mark.
Die von Dedo gestiftete
Rochlitzer Linie,
die somit die Mark Lau-
sitz, Groitzsch, Roehlitz,
Eilenburg und Lands
berg besafs, ging mit
Markgraf Konrad 1210
zu Ende, und sein Ge-
biet fiel an den Meifse
ner Markgrafen Dietrich
den Bedrängten, der aber
die Mark Lausitz vom
Kaiser erst wieder ein-
lösen mulste. Die
Meifsener Haupt-
1 i n i e war von Otto dem
Reichen (1157—1190
gestiftet worden, der
Weifsenfeis dazu erwarb.
Nach heftiger Fehde mit
seinem Sohne AI brecht
dem Stolzen und des
letzteren mit seinem
Bruder Dietrich, der zu-
nächst nur Weifsenfe).»
erhalten hatte, vereinigte
dieser (1197—1221) den
ganzen Landbesitz wie
der in seiner Hand, da
er, wie vorher bemerkt,
auch die Rochlitzer Sei
tenlinie beerbte.
Aus seiner Ehe
mit Jutta, der Tochter
des Landgrafen Her
mann von Thüringen
stammte H e i n r i c h der
Erlauchte, der. an
fangs unter Vormund
schaff seines Oheim-
Ludwigs des Heiligen
stehend, seit 1230 selb
ständig regierte. Füt
seinen Sohn Albrecht
den Entarteten, der die
Tochter Kaiser Fried
193. Weltininche Lande.
317
richs EL, Margarete, heiratete, erhält er unterpfändlich das Pleifsner
Land, einen Teil der ehemaligen südthüringischen Mark, in der .sieh ver-
schiedene Grafschaften und LanÜVOgteien herausgehildet hatten. Kaiser Fried-
rich I. hatte 1157 einen grofsen Teil der Grafschaften durch Kauf an sich
gebracht und durch Vögte verwalten lassen. Diese Terra PlLsnensis war zeit-
weise (1291 — 1311) wieder beim Reiche gewesen, bis sie dann dauernd an das
Wettiner Haus fiel ; unter dieser Bezeichnung kommt das Land zuerst in einer
Urkunde Kaiser Friedrichs I. von 1172 vor. Man rechnete dazu: Altenburg,
Schmölln, Werdau, Crimmitzschau, Kolditz, Leisnig, auch Chemnitz und Zwickau.
Doch herrscht Ungewilsheit insbesondere über Altenburg, Chemnitz, Zwickau.
Vgl. hierüber Tittmann, Gesch. Heinrichs d. Erl., Dresden 1845, I, 88.
Die La ndgraf schaft Thüringen bildete die zweite wichtige Er-
werbung Heinrichs. Im Jahre 1242 hatte er mit Bestätigung Kaiser Friedrichs II.
die Eventualbelehnung mit der Landgrafschaft Thüringen empfangen, in welcher
der kinderlose Heinrich Raspe herrschte. Als letzterer 1247 starb, brach der
Streit mit den weiblichen Verwandten bzw. deren Nachkommen gleichwohl
aus, da Friedrich II. nur die Reichslehen zu vergeben berechtigt war, nicht
aber die Stammgüter und die sonstigen Gerechtsame, auf welche die anderen
Erben Anspruch machten. In dem nun folgenden thüringischen Erbfolgekrieg
standen sich Heinrich und Sophie, die Tochter Landgraf Ludwigs des Heiligen
und der h. Elisabeth, gegenüber, da die anderen Prätendenten bald ausschieden.
Die Entscheidungsschlacht zwischen Halle und Wettin 1 203 entschied zugunsten
Heinrichs. Sophie entsagte für ihren Sohn Heinrich das Kind allen Ansprüchen
auf Thüringen; über die ihr zufallenden Gebietsteile vgl. unter Hessen S. 21(5.
Auch die sächsische Pfalzgrafschaft fiel ihm damals zu. Mit diesen
Erwerbungen Heinrichs des Erlauchten hatte der wettinisehe Machtbereich
eine bedeutende Ausdehnung erfahren. Der Umfang der Mark Meilsen
war damals ein beschränkterer als später, besonders nach S. hin, wo gröfsere
Teile seit 1075 zu Böhmen gehörten. Im XU Jh. reichte die böhmische
Grenze bis fast nach Dresden. Der Königstein war 1241 noch böhmisch;
König Wenzel stellte dort eine Urkunde aus.
Sehr schwankend ist der Begriff des Osterlandes gewesen. Schon die
Erklärung des Namens bietet Schwierigkeit. Man vermutet, dafs, weil einzelne
Teile des Osterlandes zu Mnrchia Orientalis, also Niederlausitz, gehörten, der
Name der östlichen Mark auf dieses Gebiet übertragen wurde (Gretschel I, 8<>i.
Tittmann (I, 87) gibt die Grenzen nur ungefähr an : von der Quelle der Elster
bis nach Halle und Merseburg westlich, Roehlitz, Kolditz, Leisnig östlich. Im
XIV. Jh. erfuhr die Bezeichnung Osterland eine Erweiterung, da auch noch
das Pleifsner Land und Schönburg mitbegriffen wurden.
Es folgte die Zeit der Auflösung der wettinischen Macht. Das Pleifsner
Land wurde 1290 von Kaiser Rudolf eingezogen, die Grafschaft Brene vergab
er 'an Sachsen- Wittenberg. König Adolf von Nassau zog auch Meifsen und
die Lausitz ein, und Albrecht der Entartete verkaufte ihm auch Thüringen
noch für nur 12000 Mark. An Brandenburg hatte er nach Tutas Tode die
sog. Mark Landsberg mit Delitzsch und Sangerhausen und wahrscheinlich auch
die Pfalzstädte Allstädt und Lauchstädt verkauft. — Albrechts Sohn. Friedrieb
der Freidige oder »mit der gebissenen Wangec, vereinigte den gröfsten Teil
der verlorenen Länder wieder, woran auch sein Bruder Diezmann hervorragen-
den Anteil hatte. Die Schlacht bei Lucka im Altenburgischen i ,1307) entschied
zugunsten der Brüder gegen Konig Albrecht. Thüringen und Meifsen kamen
wieder in ihre Gewalt, und da Diezmann in demselben Jahre aus dem Leben
schied, so war Friedrich alleiniger Herr der wettinischen Länder. Durch seine
zweite Gemahlin, der Grälin Elisabeth von Arnshaugk, war er noch in den
Besitz von Ziegenrück. Triptis, Auma, Neustadt an der Orla und eines Teiles
von Jena gekommen. Nur die Mark Landsberg und die Niederlausitz blieben
verloren; letztere, die die Markgrafsehaft Diezmanns bildete, war seit 1371 im
Besitz Karls IV., der sie mit Böhmen vereinigte.
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318
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Friedrich der Ernsthafte (1324 — 1349) erwarb noch minderjährig 1324
die Anwartschaft auf die Burggrafschaft Altenburg. Durch seine Heirat mit
Mathilde, der Tochter Kaiser Ludwigs, erlangte er noch verschiedene andere
Vergünstigungen. Späterhin verheiratete er seinen Sohn Friedrich den Strengen
an eine Tochter des Grafen von Henneberg, der die Pflege Coburg als Mitgift
seiner Tochter hergeben sollte. Erst nach mancherlei Zwischenfällen gelang
es Friedrich dem Strengen in einer Teilung mit seinen beiden Schwägern, dem
Grafen Eberhard von Wirtcmberg und dem Burggrafen Albrecht von Nürn-
berg wenigstens Coburg, Neustadt, Sonneberg, Neuhaus, Schalkau, Straut und
Rodach zu erhalten. Friedrich der Ernsthafte erkaufte 1346 ein Drittel der
Stadt Langensalza von den Herren von Salza. Die Mark Landsberg, die unter-
dessen an Herzog Magnus von Braunschweig gekommen war, verkaufte dieser
1347 an Friedrich. Es gehörten dazu Mark und Fürstentum Landsberg, Stadt
und Schlofs Delitzsch, Scblofs Reideburg und Altenhoff. Sangerhausen war
damals nicht mit eingeschlossen. Dagegen sind die zu Lauchstädt gehörigen
Güter miteinbegriffen.
Die drei Söhne Friedrichs des Ernsthaften: Friedrich der Strenge, Bal-
thasar und Wilhelm regierten gemeinsam. Sie machten verschiedene Erwer-
bungen Im Jahre 1353 kam die Pflege Coburg nach dem Tode Juttas, der
Witwe Heinrichs XL von Henneberg, endgültig an Meilsen. Mit dem Vogte
von Plauen kamen sie aber wegen der ihm s. Z. nur unterpfändlich überlassenen
Gebiete von Auma, Triptis und Ziegenrück in Streit, der 1357 dahin beigelegt
wurde, dafs der reufsische Vogt ihnen die genannten Orte und aufserdem noch
Adorf, Mühltroff, Neukirchen, Pausa, Laban u. a. tauschweise gegen die Be-
lehnung mit Borna und Kohren abtrat. Ferner kauften sie 1352 die ehemals
wettinische Stadt Zörbig wieder, desgleichen Haus und Stadt Nebra, Tuch und
die Hälfte des Gerichtes Riedeburg; 1358 erwarben sie che Schlösser Dornburg.
Windberg, Lobdaburg nebst dem Lehen an Tautenberg; 1365 erhielten sie
Schlofs Elgersburg mit Dorfschaften; 1367 kauften sie die Schlösser Wachsen-
burg, Schwarzwald und Liebenstein; 1369 erwarben sie vom Braunschweiger
Herzog noch Sangerhausen unterpfändlich und 1372 käuflich. Auch durch
die Heirat des einen der Brüder wurde eine Erwerbung gemacht. Die Tochter
des Burggrafen Albrecht von Nürnberg und Sophie, die, wie bemerkt, einen
Anteil an der Henneberger Herrschaft empfangen hatte, mit Namen Margarete,
heiratete jenen Balthasar, dem sie die Ämter und Städte Heldburg, Hildburg-
hausen, Eisfeld, Ermannshausen und Ummerstadt zubrachte. (Die andere
Hälfte des Anteils: Königsberg, Schildeck, Kissingen und Neutlingen erhielt
ihre Schwester Anna, die den Herzog Swantibor von Pommern heiratete). Vgl.
S. 290 f. Aufserdem empfing Margarete als Leibgedinge die Orte Tenneberg,
Gotha und Waltershausen.
Gretschel, Gesch. des sächs. Volkes, Leipz. 1863. Böttiger, Gesch.
des Kurstaates und Kgr. Sachsen, Gotha 1867 ff. Tut zsch mann , Atlas zur
Gesch. der sächs. Länder, Grimma 1852. Brecher, Darstellung der Gebiets-
veränderungen in den Ländern Sachsens und Thüringens, Berl. 1*88. — Wenck,
Die Wettiner im XIV. Jh., Lpz. 1877. Posse, Die Märkgrafen von Meifsen
und das Haus Wettin, Lpz. 1881. von Posern-Klett, Zur Gesch. der Ver-
fassung der Markgrafschaft Meifsen im XIII. Jh., Lpz. 1863. Märcker, Das
Burggraftum Meifsen, Lpz. 1842. Tittmann. Gesch. Heinrichs d. Erlauchten,
Dresden 1845.
Landgrafschaft Thüringen machte nur einen Bruchteil des heute so
genannten Thüringer Landes aus. Dieser Landschaftsbegriff war nie ein fest-
stehender gewesen, und die jeweilige Ausdehnung und Begrenzung hat in den
einzelnen Jahrhunderten sehr gesehwankt. Die wechselnde Begrenzung erörtert
übersichtlich F. Regel, Thüringen, 1892, I, 3 — 19. Hier war eine Anzahl
von kleineren Dynasten und Grafengeschlechtern emporgekommen, unter denen
Ludwig mit dem Barte im XL Jh. eine gröfsere Bedeutung gewann. Er hatte
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193. Wettinischc I^ande.
319
von den thüringischen Grafen Günther, Biso u. a. die Dörfer Altenberg, Rein-
hardsbrunn mit zugehörigen Gebieten gekauft und 1039 von Kaiser Konrad II.
einen Teil der wüsten Loibe (des Thüringer Waldes: Tenneberg, Schwarzwald,
Georgen thal, Reinhardsbrunn und Ichtershausen umfassend) zum Geschenk er-
halten. Durch seine Heirat mit der Gräfin Cäcilie von Sangerhausen vergrößerte
er seinen Güterbesitz. Auf seinen Sohn Ludwig den Salier, oder auch der
Springer genannt, den Erbauer der Wartburg (1067), folgte Ludwig III., auf
den vom Kaiser Lothar 1130 die Landgrafsehaft übertragen wurde. letztere
war vordem im Besitz der Grafen von Winzenburg gewesen, deren letztem Ver-
treter Hermann II. sie genommen worden war. Ludwig III. (I. als Landgraf)
hatte durch die Heirat mit einer Tochter Gisos IV., des Grafen von Gudens-
berg, das Kernstück des hessischen Landes erhalten, in welchem er aber schon
vorher Rechte und Besitzungen gehabt haben mufs. Hiermit war die längere
Zeit bestehende Verbindung Thüringens mit Hessen angebahnt worden. Unter
den nachfolgenden Landgrafen erhielt Ludwig der Milde 1181 auf dem Reichs-
tage zu Erfurt endgültig die ihm im Jahr vorher schon zugesprochene Pfalz-
grafschaft Sachsen mit dem Reichslehen. — Mit Heinrich Raspe erlosch 1247
der Mannesstamm dieser Landgrafenlinie.
Pfalzgraf. schaff Sachsen war nicht mit Thüringen verbunden, sondern
Reichsgut gewesen. Ein I'falzgraf Berno wird hier schon 973 genannt; 1040
wird sie dem thüringischen Grafen Dedo von Goseck übertragen, der 104*
auch mit der Herrschaft Weifsenfeis belehnt wurde. Sein späterer Nachkomme,
Friedrich IV., nannte sich nach dem Schlosse Putelendorf bei Wiehe und All-
stadt. Ihm aber wurde vom Grafen Friedrich von Sommerschenburg die Pfalz-
grafschaft entrissen. Nach dessen Tode kam sie 1180 auf dem Reichstage zu
Gelnhausen an jenen Ludwig III., den Milden. Mit Thüringen fiel sie an
Heinrich den Erlauchten, der sie 1291 mit Landsberg, Delitzsch und Sanger-
hausen an Brandenburg verkaufte. Lauchstädt und Allstädt wurden 1318 an
Agnes, die Witwe Heinrichs des Alteren von Brandenburg, als Wittum ver-
geben. Erst 1347 kaufte sie Friedrieh der Ernsthafte zurück. Vgl. Kurze,
Gesch. der säclis. Pfalzgrafschaft, in Neue Mittlgn. auf dem Gebiete hist.-an-
tiquar. Forschen. XVII (1885). Tittinann, 1. c. 90, der die zugehörigen Ort-
schaften aufzählt.
Die Lau sitzen waren nach dem Tode Geros (9f>5^ als Ostmark aus-
gesondert worden. Sie umfafsten das Land der Lusici und Milciener. Anfangs
noch unter den Nachkommen Geros stehend, kam um 1031 Lusici an das Haus
der Wettiner. während das Milziener Land zum gröfsten Teil dem Bistum
Meilsen zutiel. Mit Lusici (die spätere sog. Niederlausitz) wurde 1136 Markgraf
Konrad der Grofse von Meilsen belehnt, als die andere wettinisehe Linie aus-
gestorben war. 1298 und endgültig 1303 fiel die Niederlausitz an Brandenburg.
Die Oberlausitz war einige Zeit (1018 — 1029) in polnischen Händen gewesen,
dann die längste Zeit in böhmischen. Sie wurde schon im XII. Jh. nach der
gleichnamigen Stadt Land Budissin (Terra Budisin) genannt. 1255 war sie an
Brandenburg gekommen. Die Nachkommen der Markgrafen Johann I. und
Otto IQ. teilten 1208 die Oberlausitz in den Budissiner und Görlitzer Kreis.
Die johanncische Linie erhielt den ersteren mit Bautzen, I/>bau, Königsbrück
und halb Hoyerswerda, die ottonische Linie den letzteren mit Görlitz, Lauban,
der Landskrone, Schönberg und halb Hoyerswerda. Das Löbauer Wasser
bildete die Grenze — Markgraf Waldemar vereinigte aber die beiden Lausitzen
in seiner Hand ; doch kamen sie nach seinem Tode (1319) in fremden Besitz.
Die Luxemburger hatten sogleich die Oberlausitz erworben, mit Ausnahme
von Lauban, welches erst 1347 nach dem Tode des bisherigen Besitzers, Herzog
Heinrichs von Jauer, an Böhmen fiel. Karl IV. verleibte sie 1355 direkt dem
Königreich Böhmen ein. Seit 134(> wurde sie auch das »Land der Sechsstädte «
genannt, weil Bautzen, Görlitz, Zittau, Lauban, Löhau. Kamenz behufs Be-
friedung des Landes einen Bund geschlossen hatten. Von Mitte des XIV. Jh.
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320
VI. Politische (ieographie um das Jahr 1375.
an treten aueh die Bezeichnungen Oberlausitz und Niederlausitz auf,
die freilich erst im XV. Jh. allgemeiner wurden. — Die Niederlausita war nach
dem Tode Waldemars an die Wittelsbacher (Ludwig) gekommen, dessen Söhne
sie aber an Markgraf Friedrieh den Strengen von Meilsen verpfändeten.
Karl IV. löste sie 13(14 ein, gab sie vorübergehend an Herzog Bolko von Jauer
und verleibte sie 1370 in sein Königreich Böhmen ein, so dafs er nunmehr
beide Lausitzen besafs.
194. Kurfürstentum Sachsen(-Wittenber^). Das alte Herzogtum
Sachsen war mit dem Sturze Heinrichs des Löwen zertrümmert und in
reichsunmittelbare Gebiete aufgelöst worden. Die Ansprüche, die ein
Vertreter des askanischen Geschlechtes, Otto, machte, der die Tochter
des letzten Billunger Herzogs Magnus geheiratet hatte, blieben unberück-
sichtigt. Aus dieser Ehe entsproß* Albrecht der Bär, der seinen Besitz
vergröfserte und 1123 die Ostmark mit Ausschluss der Niederlausitz gewann.
Für letztere erhielt er eine Entschädigung in der Nord mark, auch Mark-
grafschaft Nordsachsen oder Mark Soltwedel genannt, die durch weitere
Erwerbungen östlich der Elbe so beträchtlich vermehrt wurde. Sein
Sohn Otto erhielt später die Mark Brandenburg, sein zweiter Sohn
Bernhard von Anhalt die Besitzungen an der Elbe. Er war es, der
nach dem Sturze Heinrichs des Löwen mit dem Herzogtum Sachsen
wieder belehnt wurde, welches jedoch nur noch ein bescheidener Bruch-
teil des alten Herzogtums war und in einigen Gebieten an der unteren
Elbe: Lauenburg, Uatzeburg, Dannenberg, Lüchow und Holstein bestand.
Nach seinem Tode (1211) fand eine Teilung unter seinen Sühnen statt.
Der ältere, Heinrich, erhielt die wertvolleren anhaltischen Stammlande,
während Albrecht I. mit den noch schwach besiedelten und wenig kulti-
vierten Landstrichen an der oberen Elbe abgefunden wurde, auf welche
aber der Titel des Herzogtums überging. Die unterelbischen Besitzungen
im Lauenburgischen waren schon unter seinem Vater wieder verloren
gegangen, doch kamen sie unter Albrecht an das Haus zurück (end-
gültig 1227). Als er 1261 starb, trat eine abermalige Teilung seines
Landes in zwei Hälften ein: Sachsen -Lauen bürg (s. d.) und Sachsen-
Wittenborg. Jenes erhielt Johann, dieses Albrecht II. Die herzogliche
Würde mit dem Wahlrecht verblieb zunächst beiden Linien ; doch wurde
nach mancherlei Zwischenfällen die Kurwürde durch die Goldene Bulle
der Wittenberger Linie zugesprochen, und Rudolf I. erhielt den Titel des
Erzmarschalis.
Albrecht 0. Hör f 1170
Otto I. He riihu r<l
v. Brandenburg v. Sachsen t 1212
Albrecht 1. Heinrich I.
tlgjl v- Anhalt
Johann AI brecht 11.
t 1285 v Sachsen-
v. Sachsen Wittenberg
tauenbarg i
RndoH [. v 1356
Kurfst v. Sachsen
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■ •
195. Bistum Meifsen. 19G. Kleinere Territorien. 321
Dar? Kurfürstentum umfafste im wesentlichen den späteren Kurkreis mit
der Hauptstadt Wittenberg, welches schon unter Albrecht L als Residenz aus-
ersehen worden war. Albrecht II. erwarb 1269 die Burggrafschaft Magde-
burg, die aufser den burggräflichen Hechten zu Magdeburg und Halle noch
die Ämter Gommern, Rahnis, Elbenau und Gottau (aussehliefslich einiger
bischöflich brandenburgischer Besitzungen) umfafste. Das Burggrafenrecht in
Magdeburg selbst wurde allerdings 1294 an die Bürger der Stadt verkauft.
Ferner erwarb das Haus (1290) die altwettinische Grafschaft Brene
Bre h n a) westlich von Delitzsch mit Bitterfeld und Remberg, welche dem jugend-
lichen Rudolf L von seinem Grofsvater Rudolf von Habsburg verliehen worden
war. Hierdurch erfuhr das Kurgebiet eine willkommene Abrundung. — Zu
ihm gehörte schon unter Bernhard der spätere Kreis Beiz ig mit der gleich-
namigen Burgwart als Grenzstadt. Es war immer im sächsischen Besitz ge-
wesen ; nur gegen Ende des XIH. Jh. war es vorübergellend unter branden-
bnrgischer I>ehnsherrlichkeit. Vgl. Brandt, Gesch. d. Kreisstadt Beizig I, 17.
Ei 1 e rs , Beiziger Chronik, S. 300. Bergbaus, Landb. d. M. Brandenbg. I, 599. —
Im übrigen s. Gretschel, Gesch. d. sächs. Volkes I, 281 ff. Jacobs, Gesch.
d. Prov. Sachsen, 1883, S. 204 f.
195. Bistum Meifsen. Die Dotation scheint anfangs sehr gering-
fügig gewesen zu sein. Die erste gröfsere Erwerbung machte Bischof
Eido. Später mehrten sie sich, doch waren es immer nur sehr kleine
Güterkomplexe, die noch dazu ziemlich zerstreut lagen.
Bischof Eido empfing 995 von Otto III. verschiedene Lehensgüter: Würzen,
Buchen, Fauch bei Bitterfeld, Gerischo bei Eilenburg, Lubanitz (Löbnitz),
Nerchau; im Jahre 1013 von Heinrich II im Gau Daleminci: die schwer zu
identifizierenden Dörfer Glupp, Difnowocettla, Zenici, Miratinacettla ; im Gau
Chutici: Golenzicacettla; in Nisani: Brochodinacettla. Im Jahre l()f»4 fielen
dem Domkapitel 50 Hufen im Burgwart. Sehrabitz bei Mügeln zu ; im Jahre 10*>8
durch Heinrich IV. 2 Hufen in Liubitawc (Loebta bei Dresden). 1071 kamen
durch Tausch an das Stift: 5 Dörfer im Gau Nisani; ferner durch Heinrich IV.
H Hufen bei Görlitz und 1074: Rothibgresdorf (?); 1090 die Besitzungen von
Cos. einem Vasallen des Markgrafen von Meifsen, und dsis Dorf Wisca (Wint-
schen a. d. Gana). Im Jahre 1108 wurde dem Stift von Hugo von Warda
das Dorf Zuitheca (Zwitich in Daleminci) geschenkt; 1130 von Konrad von
Meilsen das Gut Sremsnitze (Schirmitz) mit Zubehör. 1217 erhielt es die Burg
hesna von Wenzel von Böhmen zum Geschenk, und 1249 erwarb es durch
Kauf Mislewitz und Kupschiz in der Bautzener Gegend. — Machatschek,
Gesch. der Bischöfe des Höchst. Meifsen, Dresd. 1*84.
Bistum Merseburg, 908 gestiftet und 9$1 wieder aufgelöst, hatte
nach seiner Neuerrichtung 1004 mancherlei Schwierigkeiten, um den ehemaligen
lünderbestand vor der Auflösung wieder herzustellen. Die allmähliche Ver-
gröfserung des Stiftsgebietes behandelt Leo, Territor. II. 1037 ff. Schmekel,
Histor. topograph. Beschrbg. des Höchst, Merseburg, Halle 1858.
Bistum Naumburg, ursprünglich in Zeitz gestiftet. Das Stift bestand
aus dem Amt Naumburg und dem an der Elster gelegenen Amt Zeitz.
Lepsius, Gesch. d. Bischöfe des Hochstiltes Naumburg, Naumburg 1816.
Lange, Chronik des Bist. Naumburg, hrgb. von Koster, 1891.
106. Kleinere Territorien. Im Gebiet der Mulde lag die Herr-
schaft Schönburg- Waiden bürg. Mit Sicherheit Hilst sich das
Dvnastenhaus bis in das NIL Jh. zurück verfolgen, wo Hermann I. (f 1182)
als Gründer des Nonnenklosters Geringswalde genannt wird. Die ältesten
Teile ihrer Herrschaft sind Glauchau und Geringswalde als unmittelbare
Kretichmer, Historische Geographie 21
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322
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Reichslehen. Durch Heirat zweier Enkelinnen, Berta und Agathe, traten
sie zu Gerhardtsdorf und Crimitzschau in Beziehungen. Auch Lichten-
stein mit Hallnberg besafsen sie damals schon. Friedrich III. (t 1338)
nennt sich Herr von Lichtenstein und Crimmitzschau.
Mehrere Burggraf schaften existierten innerhalb der wettinischen
Lande, von denen jene von Meilsen, Altenburg, Leisnig und Dohna die
wichtigsten waren. Die Kaiser suchten sie als Stützpunkte soviel als
möglich zu erhalten. Den Burggrafen lagen zunächst militärische Funktionen
ob; bei dem Altenburger gesellten sich zu diesen noch die Gerichtsbarkeit
und Polizeigewalt über die Stadt. Altenburg und Meifson sind die einzigen
wirklichen Burggrafschaften zu nennen. Die anderen blieben blofse
Festungskommandanten oder bei Teilung in mehrere Linien Titular-
burggrafen. So sonderte sich von Altenburg eine Burggrafschaft Flügels-
berg ab; von Leisnig: Rochsburg, Penig, Mutzschen, Strehla. Durch
die mehr und mehr um sich greifendo Macht der Markgrafen von Mcifsen
waren bereits in der ersten Hälfte des XIV. Jh. sämtliche Burggraf schaften
im Mcifsener, Oster- und Pleifsener Lande entweder spurlos verschwunden
oder teils der Landesherrschaft unterworfen, teils mit derselben ver-
schmolzen (Märcker). Nur die Burggrafschaft Meifsen behauptete
sich fortan noch.
Sehr schwierig ist die Ermittelung des Landbesitzes, weil diese Burggraf-
schaft Meifsen »nicht ein geschlossenes Gebiet, sondern der Inbegriff von ein-
zelnen unter verschiedenen Titeln besessenen Herrschaften, Gütern und un-
zähligen geographisch undarstellbaren Güteratomen« war. Ebenso schwierig
ist die Ermittelung der Lehenseigenschaft. Zwei Leheiteverzeichnisse teilt
Märcker mit in seinem kritischen Werk: Das Burggraf entum Meifsen, Leipzig
1842, S. 270 ff. Ein Verzeichnis aller Besitzungen im burggräflichen Amt*
bezirk gibt er S. 102—221, aller übrigen Güter und Herrschaften derselben
S. 222-210.
197. Vogtland. Kaiser Otto DL hatte 999 dem Kloster zu Quedlin-
burg die Landschaft um Gera (Geraha) geschenkt, die durch Vögte ver
waltet wurde. Diese Vogte gehörten der Grafenfamilie von Gleifsberg
an, deren Burg unweit Weida auf dem Veitsberge an der Elster stand
(jetzt Kunitzburg). Über die älteste Geschichte der Grafen herrscht
wenig Klarheit. Der erste, der aus dem Dunkel der Geschichte bestimmter
hervortritt, ist Heinrich der Fromme, dem Kaiser Heinrich IV. die
Vogteien Gern und Weida verlieh. Sein Enkel Heinrich der Reiche,
der am Ende des XII. Jh. lebte, erwarb aufserdem die Vogteien von
Greiz und Plauen, die ihm durch seine Ehe mit der Markgräfin Berta,
Tochter Leopolds von Österreich, zufielen. Durch die Heirat seines
Sohnes mit einer Gräfin von Orlamünde kam er auch in den Besitz der
Untervogtei in Hof und in der Regnitzlandschaft (Terra Reckenitz), so
genannt nach dem Flüfschen, welches oberhalb Hof in die Saale geht.
Heinrich war somit im Besitz aller osterländisehen Reichsvogteien. Die
Lehensbeziehungen zu Quedlinburg waren, was Gera betrifft, immer
bedeutungslos gewesen; seit dem XIV. Jh. fühlten sich die Vögte als
wirkliche Herren.
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197. Vogtland.
323
Dieses nicht unbeträchtliche Territorialgebiet der Vögte, die Tora
advocatorum (Vogtland), sollte unter den Nachkommen Heinrichs des
Reichen oftmals geteilt und teilweise auch wieder vereinigt werden. Um
1375 bestanden sechs Linien nebeneinander.
Unter den Enkeln Heinrichs des Reichen fand eine Teilung in drei
Linien statt, deren Stifter sämtlich Heinrich hiefsen, wie dies auch bei allen
nachfolgenden Generationen bis auf den heutigen Tag gehalten wurde. Hein-
rich I. stiftete die Linie Weida und erhielt bei der Teilung (he Herrschaft
Weida mit Burg Berga und Greiz nebst dem Ostersteine und den eigenen
Herrschaften des Hauses in Werdau und Ronneburg. Heinrich II. stiftete die
Linie Plauen, die .mit der Stadt Plauen und dem Landstrich von Voigts-
Wrg und Ölsnitz an der Elster hinauf über Adorf bis nach Schönberg und
dem Regnitzland ausgestattet wurde. Heinrieh III. stiftete die Linie Gera und
erhielt Gera mit der Pflege Reichenfels und Zeulenroda. Die Vogtei über Hof
und das Regnitzland blieb gemeinschaftlich.
1. Die Linie Weida verkaufte späterhin Werdau und Ronneburg an
die Plauensche Linie und 1237 den Osterstein mit den sonstigen Besitzungen
im Geraischen an die Linie Gera.
2. Die Linie Gera hatte, wiesoeben bemerkt, den östlich der Elster ge-
legenen Teil der Pflege Gera gekauft (1237). Der Enkel des Stifters dieser
Linie vermählte sieh mit der Erbin der Grafenlinie von Lobdaburg-Pausa
Nebenlinie von Lobdaburg-Arnshaugk) und erwarb so die unmittelbaren Herr-
* haften Pausa, Mühldorf, Lobenstein und Salburg. Als auch die Arnshaugker
Linie ausstarb, gewann er noch die Herrschaften Schleiz und Burg. 1270 waren
auch Greiz, ferner Mylau und Reichenbach an Gera zurückgefallen. Doch er-
warb Greiz und Mylau die Linie Plauen durch Austausch ihres Drittels vom
Regnitolande (dem sog. Höferlehen, aus 28 Rittergütern bestehend). Eben
dieser Enkel besafs auch schon die Burg Sparenberg, Reizenstein und Blanken-
l*rg mit Zubehör ; 1295 wurde er von Albrecht dem Entarteten von Thüringen
mit Staschwitz belehnt. — Wegen der Lobdaburger Erbschaft brach nachher
eine Fehde mit den drei Linien der Arnshaugksehen Familie aus, die 1316
beigelegt wurde. Die Geraer blieben in ihrem Besitz. — 1328 erwarben sie
die Reichspflege Langenberg von Friedrich von Schönburg durch Kauf. — Die
spateren Vertreter dieses Hauses, besonders Heinrich VII. (f 1377), kamen in
b indliehe Verwickelungen mit den Landgrafen und dem Kaiser Karl IV. 1371
mufste er seine freie Reichsherrschaft Lobenstein als thüringisches Lehen und
bald darauf als böhmisches Lehen annehmen und 1371 über Gera, Schleiz.
Burg, Salburg und Reichenfels die thüringische Lehensherrlichkeit anerkennen,
so dafs die Linie Gera damit alle reichsun mittelbaren Gebiete eingebüfst hatte.
Auel) die Weidaer Nebenlinie zu Hof (Heinrieh der Rotel mufste 1373 Hof
und das Regnitzland an den Burggrafen von Nürnberg verkaufen.
3. Die Linie Plauen hatte sich unter den Enkeln des Stifters in zwei
Hauptlinien gespalten: die ältere Plauensche Linie, deren Stifter 1316 starb
und Plauen besafs, und die jüngere Linie Rcufs (Rewez) mit Greiz, Ronne-
burg, deren Stifter, Heinrich der Reufse, ca. 1309 starb. Es heilst, wegen seines
langen Aufenthaltes in Rufsland hätte er diesen Beinamen angenommen. Ein
dritter Bruder, der Adorf erhalten hatte, war bereits 1298 gestorben. In der
Reufsischen Linie trat uuter den Söhnen des Stüters abermals vorübergehend
eine Teilung ein, indem der ältere der Söhne Mühldorf, Adorf und Pausa er-
hielt, der ."jüngere, Heinrieh Reufs der Kleine: Greiz und Ronneburg. W ährend
<!ie erstere Linie mit dem Sohn des Gründers schon ausstarb, war es der
letzteren besehieden, weiterzublühen. Auf Heinrich den Kleinen r|- 1349), der
1325 Reichenbach und Mylau vom Kaiser zu Lehen empfing, folgte sein Sohn
Heinrich der Strenge (f 1359), der in den verderblichen vogtlandisehen Krieg
mit dem Kaiser verwickelt war. Er verlor an Markgraf Friedrich von Meilsen
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324
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
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Triptis, Auma und
Ziegenrück. Eine
nochmalige Tei-
lung unter den
drei Söhnen Hein-
rich Benfe1 des
Strengen bestand
nicht allzu lange,
da die beiden jün-
geren Brüder ohne
männliche Nach-
kommen (1372, ca.
1400 starben, ihre
pTemtorialanteüe
Ronneburg und
Weida aber als
erledigte Lehen an
den thüringischen
Landgrafen fielen.
Nur der ältere
Heinrich in Greiz
setzt den Mannes
stamm fort. —
Brückner,
Volks- und Lan-
deskunde d. Für-
stent. Reufs jung.
Linie, Gera 1870.
8. 329 ff. Lim-
mer, Entw. einer
urkundlichen Ge-
schichte des ge-
samt. Vogtlandes,
4 Bde., Gera 1825
bis 1828. Ders.,
Kurze Gesch. des
Hauses Reufs.
Ronneburg 1829.
Mit den drei
Enkeln jenes Hein-
rich des Reichen
kommt die Be-
zeichnung Vogte
auf. Sie besafsen
kein geschlossenes
Territorium , da
noch andere reichs-
unmittelbare Dy-
nastendazwischen-
safsen. Dire Sitze
waren V o i g t s -
berg bei Ülsnitz,
wo der Vogt des
Gebietes Plauen,
welches sich längs
der Elster bis über
Adorf hinauf er-
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T
198. Grafschaft Schwareburg-Kafernburg. 325
streckte, residierte. Erst später gelang es den Vögten, Plauen als Lehen von
den Ebersteinern zu bekommen. Kegnitz-Hof wurde Sitz des Vogtes über
das Regnitzland. d. i. das sog. bairische Vogtland, die Gegend um Hof
und im Tale der Regnitz (Nebenflufs der Saale). Die anderen drei Vogteien
waren : Gera, Weida und Greiz. Daneben und zwischen lagen gräfliche und
herrschaftliche Gebiete, so die Herrschaft Dobenau im Besitz der Eber-
steiner, etwa ein Drittel des heutigen Plauensehen und Voigtsberger Reviers
ausmachend; ferner die Grafschaft Orlamünde im Orlagau und die Graf
schaft Lobdaburg (Lobeda). In der zweiten Hälfte des XI. Jh. bringt
Konrad Arnshaugk Neustadt a. Orla als Grafschaft an sicli ; ferner erwarb er
damals Auma, Triptis, Pöfsneck, Ranis, Oppburg und Besitzungen des Grafen
Wipprecht H. von Groitzsch. Die Grafen gründeten Sehlofs Lobenstein (Lob-
denstein), anfangs des XH. Jh. : Burgk an der Saale, Saalburg, Schleiz, Pausa,
Mühldorf. Vgl im übrigen Limmer, Gesch. d. Vogtlandes I, 119 ff., 133 f.,
136 ff. Alberti, Zur Gesch. des Schlosses Burgk, Schleiz 1879. E. Schmid,
Die Lobdaburg, Jena 184« >.
198. Grafschaft Sehwarzburg-Kafernburg. Über die Entstehung
der Schwarzburg und der Käfernburg bei Arnstadt herrscht wenig
Klarheit, wie auch über die älteste Geschichte des Grafenhauses, untor
dessen Ahnen ein Graf Sizzo im Anfang des XI. Jh. genannt wird. In
der zweiten Hälfte des XII. Jh. tritt unter den Söhnen Günthers IV.
eine Spaltung in zwei Linien ein und mit ihr eine Teilung des Besitzes
unter Heinrich IV. von Schwarzburg (t 1230) und Günther V. von
Käfernburg (t 1220). Heinrichs Enkel, Heinrich VII., gründete die sog.
ältere Blankenburger Linie, welcher jener Günther XXI. angehörte, der
als deutscher König 1349 starb. Während sein eigener Stamm mit seinem
Sohne 1357 erlischt, setzen« seine Neffen Heinrich XIV. (f 1373) und
Günther XXIV. (f 1368) den ihrigen fort.
Die ältesten Besitzungen lagen vermutlich zwischen Ohrdruf und Ichters-
hausen. Doch auch Reinhardsbrunn und Altenberga, die 1039 an Ludwig
den Bärtigen verkauft wurden, gehörten ihnen. Auch Blankenburg mit der
Burg, die ehedem Greifenstein hiefs, sowie die halbe Stadt Ihn waren frühzeitig
in ihrem Besitz.
Die Neuerwerbungen waren sehr beträchtlich, doch kam ein grufser Teil
bald wieder abhanden. Im Jahre 1228 erhielt Graf Heinrich IL Saalfeld und
Ranis als Lehen von Kaiser Friedrich 1. Vorübergehend nur war der Besitz
der Schlösser Kirchberg und Ehrich nebst Toba und Abtsbessingen, die Hein-
rich III. 1230 als Mitgift erhielt, die 1259 aber an Hohnstein wieder zurück-
fielen. Im XIII. Jh. besafsen sie auch Königssee und Ehrenstein, desgleichen
Pöfsneck und Remda. Letzteres wurde 1342 an die Grafen von Gleichen ver-
kauft. Die Hälfte von Jena hatten sie Anfang des XIV. Jh. von den Herren
von Leuchtenburg pfandweise übernommen, traten sie aber 1332 an Land-
graf Friedrich den Ernsthaften ab. Im Jahre 1306 kauften sie von den
letzten (trafen von Käfernburg die Hälfte der Herrschaft Arnstadt mit Wachsen-
burg, Schwarzwald und Liebenstein. Letztere drei werden allerdings 13»>8 an
den Landgrafen von Thüringen wieder verkauft. Durch Kauf erwarben Hein-
rich X. und Günther XXI die andere Hälfte von Arnstadt vom Stift Uersfeld.
1333 erhielten Heinrich IX. und Günther XVIH die Leuchtenburg nebst den
Städten Kahla und Roda vom Grafen von Arnshaugk. 1339 kaufen Hein-
rich XIV. und Günther XXV Stadt und Sehlofs Schlotheim mit den Dörfern
Schwalborn (ausgegangen), Mehler und der Hälfte von Mehrstadt vom Grafen
Heinrich V. von Hohnstein. Im Jahre 134') erhielten sie die Stadt Rudolstadt
nach Absterben der Ürlaniünder mit Otto VII. auf Grund eines Vergleiches
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32G VI. Politische Geographie um da» Jahr 1375.
von 1334. Im Jahre 1340 kauften Günther XXI. und Heinrich XII. Haus und
Stadt Frankenhausen vom Grafen von Beichlingen und 1341 die Hälfte des
Rathsfeldes vom Grafen Friedrich von Beichlingen. 1342 und 1344 erwarben
sie ferner die Herrschaft Dornburg von den »Schenken von Dornburg, die je-
doch schon 1358 an die I^andgrafen von Thüringen kam. Dem König Günther
wurden Stadt und Burg Gellihausen, die Städte Goslar, Nordhausen, Mühlhausen
u. a. von Karl IV. verpfändet. 1351 Avurden auch Stadt und Amt Ilmenau
vom Grafen von Henneberg an Heinrich IX. von Schwarzburg verpfändet.
Nach dem Aussterben der Grafen von Gleichen kam 1361 die niedere Herr-
schaft Kranichfeld an die Schwarzburger. 1367 kauften Heinrich XX. und
(iünther XXIX. das Dorf Esperstedt vom Grafen von Hohnstein. Vgl. zu
obigem besonders Apfelsted t, Heimatskunde für die Bewohner des Fürsten-
tums Schwarzburg-Sondershausen, 1854, S. 4 ff. Hesse, Das sog. Kevern-
burgische Gemähide und die Gesch. des Schlosses Kevernburg, in Rosenkranz
Z. f. die Gesch. der german. Völkerl, S. 1 ff. König, Genealogie des hoch-
fürstl. Hauses Schwarzburg. Rudolstadt 1865.
199. Grafschaft Orlamttnde. Wilhelm I. Graf von Weimar (f 963)
gilt als Stammvater der Grafen von Orlamünde. Sein Enkel, Wilhelm III.
(f 1034), hinterliefs vier Söhne, von denen Wilhelm IV. das Grafenamt
im Eichsfeld und Helmegau (1046 auch die Markgrafschaft Meifsen) er-
hielt; Otto (f 1067): Orlamünde, nach dessen Burg er sich als erster
benannte; der dritte Sohn Poppo: Weimar. Des letzteren Nachkommen-
schaft starb aber 1112 schon aus, und Weimar fällt an eine jüngere
Linie Orlamünde. Denn jener Otto hatte nur Töchter hinterlassen, und
ein Sohn von ihnen, Siegfried von Ballenstedt, wurde der Erbe. Dessen
Sohn Wilhelm erbte nun Orlamünde mit Weimar. Da auch er kinderlos
starb (1140), so fiel beides an Albrecht den' Bären. Dessen Sohn Her-
mann I. Ist der Stifter der zunächst fortlaufenden Grafen von Orlamünde.
Im XIV. Jh. trat dann eine Teilung des Stammes in drei Linien ein :
die Orlamünder, Lauensteiner und Weimarer Linie. In der Orlamünder
Linie hatte Heinrich V. Orlamünde an den Landgrafen von Thüringen
verkauft; der hierüber ausbrechende Grafenkrieg mit Weimar, Schwarz-
burg u. a. wird 1346 dahin beigelegt, dal's Orlamünde bei Thüringen
bleibt, Weimar und Rudolstadt aber an Thüringen zu Lehen auf-
getragen werden.
Hermann II.
Hermann III. Otto II.
(Orlamünde) (Weimar)
Heinrieh II. if V14T Hermann IV.
(Orlamünde) (Lancnstein)
Der Territorialbestand ergibt sich aus der Teilung des Landes in tlie^-
drei Linien. Heinrich II. erhielt : Orlamünde und das Kammergut Schaunforst
mit Zubehör; Hermann IV.: die Herrschaften Lauenstein (zwischen Gräfental
und Ludwigsstadt'' und Vollradiswald, später durch Erbschaft noch die Herr-
schaften Habenswalde und Bucha. — Otto Ii. besafs vorher den meranisehen
Besitz in Franken (die Plassenburg1, Rudolstadt und Weimar. Plaj*senburg.
Kulmbach und Berneck kamen bald darauf an die Burggrafen von Nürnberg.
Rudolstadt kam 1335 ganz an Schwarzburg. — R e i tz enstein , Regesten der
Grafen von Orlamünde, Bnvreuth 1*71. Jovius. Chronik der Grafen von
Orlam., hrgb. v. Mitzschke, i.pz 1S8G.
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200. Crafschaft Maimfeld. 201. Grafschaft Hohnstein.
327
200. Grafschaft Hansfeld. Die älteren Grafen dieses Namens
reichen bis in das XL Jh. zurück. In der älteren Generation ist der
Xame Höver allgemein. Eines Hoyer (f 1183) Sohn, Burkhard (f ca. 1230),
hinterliefs nur Töchter, von denen Sophie ihren Vetter Burkhard VI.
von Querfurt heiratete und mit ihm eine neue Linie Mausfeld Querfurt
13. d.) stiftete. Zu dem bisherigen Stammlande der Grafen von Mansfeld
kam unter Burkhard III. die Grafschaft Hardeck hinzu, sowie als Reichs-
lehen Allstedt und Mohrungen. Burkhard IV. erwarb die Herrschaft
Seeburg, die einer Nebenlinie der Querfurter Herren gehörte und 1192
ausgestorben war; ferner kaufte er Bornstedt. Die Herrschaft Schraplau
rar den Herren dieses Namens genommen und mit Mansfeld vereinigt
worden.
Höver Gf v Mansfeld
: Iis:;
Gchhard IV. Liutjrard Burkhard
v. Querfurt t 1280
Gebhard V. Burkhard VI. (I) Sophie
v. Querfurt f 1244
t 1260 Burkhard II.
v. Mansfeld Querfurt
1496 t 1278
t t f
Burkhard III. t 1331
I
Burkhard IV. f 1354
Die Grafschaft Hardeck gehörte einem Hause, das mit den Grafen
von Piain bei Reichcnhall zusammenhing. Mit den BjüdVrn Otto und Konrad
■'tarb 1260 die Familie aus. Konrads Witwe heiratete dann einen (Jrafen
Albert von Görtz und brachte diesem wohl eine Hälfte der Gratschaft zu;
Ottos Witwe Wilbirgis heiratete zum drittenmal einen Grafen von Rabens-
wald, der die andere Hälfte von Hardeck somit erwarb. Dessen Schwester
( nsela war an Burkhard II. von Mansfeld verheiratet und erbte wiederum
Hardeck von ihrem kinderlos gestorbenen Bruder. — Schraplau war eine
Kaubritterburg nördlich von Querfurt mit zugehöriger Herrschaft. — Der grofse
Reichtum der Maxisfelder Grafen schreibt sich nicht so vom Landbesitz her,
als vielmehr von den Bergwerken, die von Kaiser Karl IV. 1364 mit dem
Bergregal an das Haus kamen. Niemann, Gesch. der Grafen von Mans-
Md, Aschersleben 1H34.
201. Grafschaft iTohnsteiii (Hohenstein). Am Südrande des
Harzes erhob sich bei Neustadt, östlich von Ilfeld, die Stammburg Hohn-
stein. Als ihr Erbauer gilt der Enkel Ludwigs des Bärtigen von
Thüringen, Konrad von Sangerhausen. Der weitere genealogische Zu-
sammenhang ist nicht klar, ob Elger I. sein Sohn oder der Sohn seines
Vetters Beringer von Linterbeck-Bilstein (letzteres wüster Ort bei Ilfeld)
war. Jener Elger I. erbaute die Ilburg und nannte sich Graf von Bilstein,
Ilburg und Ilohnstein. Unter seinem Enkel trat eine Spaltung des;
Hauses ein, indem Dietrich II. (t 1248) die Ilohnsteiner Ilauptlinie fort-
>etzte, während der jüngere, Heinrich I., die Linie Stolberg begründete.
Dietrichs Sohn Heinrich II. wurde vom I lalbcrstädter Stift 12.")7 mit der
Grafschaft Klettenberg belehnt, mit welcher auch die Vogtei über Kloster
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3'J,S VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Walkenried verknüpft war. Von seinen Söhnen begründete Heinrich III.
(t 1306) die Sondershausoner Linie, die mit dessen Sohn Heinrich V.
schon 1356 erlosch und einen Teil des Territoriums der Grafschaft für
immer entzog. Ein anderer Sohn, Dietrich III. (t 1309), stiftete die
Hohnstein- Klettenberger Linie, die sich späterhin in mehrere Linien
spaltete. In dieser hatte Dietrichs Sohn Heinrich IV. (1309 — 1356) noch
die südlich an Klettenberg anstofsende Grafschaft Lohra mit Bleicherode
als Halberstädtor Lehen hinzuerworben, und von Reichlingen die Burgen
Kiffhausen, Rothenburg und Wallhausen.
Ludwig der Bärtig hatte durch seine Gemahlin die Herrschaft
Sangerhausen mit erheiratet, die Später zur sächsischen l'falzgrafschaft kam.
Menzel, Die Herren von Sangerhausen, in Harz-Ztschr. 1881. — Die Schwester
Heinrichs IL, Sophie, trat 1258 an ihren Bruder die Burgen Kirchberg (bei
Lohra) und Erich käuflich ab. — Heinrichs 11. Söhne teilten so, dals Hein-
rich III. (Sondershausener Linie) Kirchberg. Straufsberg. Sondershausen, Erich
und Grenfsen erhielt ; von seinen drei Söhnen ist Heinrich V. (1306—1356)
der letzte des Hauses. Auf Grund eines Erbvertrages mit seinen Schwieger-
söhnen Heinrich und Günther von Schwarzburg 1347 tielen nach Heinrichs V.
Tod Sondershausen mit Dörfern an Schwarzburg. — Die Grafschaft
Kletten berg (Clettenberg) umfafste die westliche Hälfte des thüringischen
Helmegaues oberhalb Nordhausen. In der ältesten Zeit erscheinen die Grafen
von Klettenberg als Gaugrafen (1233); in Nordhausen waren sie Reichsvögte.
Die Burg Klettenberg lag auf einem Gipsfelsen östlich vom gleichnamigen
Dorf (südlich von Walkenried) und war im Anfang des XII. Jh. erbaut worden ;
im 30jährigen Kriege wurde sie zerstört. Klettenberg war Halberstädter Lehen;
erst 1257 war Bischof Volrath durch Austausch der Schlösser zu Alvensleben
an das Erzstift Magdeburg in Besitz von Burg Klettenberg und Arensberg ge-
kommen. Mit der Grafschaft belehnte der Bischof dann Heinrich IL von
Hohnstein. Südlich von ihr lag im oberen Wippertal (oberhalb Sonders-
hausen) die (iraf schaft Lohra, so nach dem am Nordrand der Hainleite
gelegenen Schlofs (Ruinen) genannt, welches im Anfang des XII. Jh. erbaut worden
ist. Die Grafschaft war im Anfang des XII. Jh. gebildet worden. Das Graf en-
geschlecht von Lohra oder Lare (Burg bei Bleicherode), welches noch eine
Grafschaft im Eichsfelde ( Worbis, Harburg, Bodenstein, Bischofferode, Holungen)
besafs, starb nach 1221 aus Im Jahre 1231 waren jedenfalls die Grafen von
Beichlingen schon im Besitz der Grafschaft Lohra, die sie 1289 an die
Landgrafen von Thüringen verkauften. Aus deren Besitz kam sie Anfang des
XIV. Jh. an die Hohnstein. Vgl. K. Mover, Zur Wüstungskarte der Gfsch.
Honstein (!) -Lohra Clettenberg, in Harz-Zischr. 1877, 111 ff. mit Karte.
Wolf, Geschichte des Eichsfeldes, S. 83 ff. Meyer, Chronik der Grafschaft
Hohnsteül-Klettenberg-Lohre. Nordhsn. 1875. II och e, Gesch. d. Gfsch. Hohen-
stein, Halle WM).
Grafschaft Stolberg. Jener obengenannte Heinrich I. von Hohn
stein hatte 1222 Stolberg erworben und wurde der Stifter einer neuen Zweig-
linie. Die kleine Grafschaft, die später in anderen Gegenden Mitteldeutsch-
lands durch Heiraten eine Vergröfserung erfuhr, lag am südliehen Abhang des
Harzes, das Talgebiet der Tyra umfassend.
202. Grafschaft Wernigerode. Das Geschlecht Adalberts von
Haimar, einem Dorfe zwischen Ilildesheini und Lehrte, war in der ersten
Hälfte des XII. Jb. mit dem Grafenamte in Teilen des alten Derlin-
gaues und Astfala betraut. Adalbert führte deshalb den Grafentitel, und
1121 erscheint er zum erstenmal als Adalbert mt romos de Wern'ußjerode.
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203. Grafschaft Blankenburg-Regenstein. 329
Der beiliegende Ort ist jedenfalls älter als dio damals aufgeführte Burg.
Die obengenannten Grafschaftsbezirke, die Lehen von Halberstadt und
von den Weifen waren, mufsten die späteren Grafen im Laufe des
XIII. Jh. an diese zurückgeben. Im Jahre 1268 trugen sie ihr Allod
Wernigerode an die Markgrafen von Brandenburg zu Lehen auf. Eine .
wertvolle Erwerbung machten sie im nachfolgenden Jahre, da die Grafen
von Woldenberg ihnen die Harzburg verpfändeten, die aber nie eingelöst
worden ist. Während sie bisher den Grafen titel immernoch von ihrer früheren
Amtstätigkeit her führten und auch ihr Ländchen 1324 urkundlich Graf-
schaft genannt wird, so fand diese Benennung doch erst ihre volle
Berechtigung im Jahre 1343. Es lag damals der Graf von liegenstein
in Fehde mit dem Bischof Albrecht von Halberstadt, und dem Grafen
Konrad von Wernigerode glückte es als Parteimann des Bischofs, den
Regensteiner gefangen zu nehmen, der als Lösegeld ihm die Grafschaft
bei Wernigerode abtreten mufste.
Der Verkauf der Grafschaft von Seiten des Regensteiner Grafen an Cord
(Curt, Konrad) von Wernigerode ist uns in einer Urkunde vom 26. Juni 1343 noch
erhalten, und es werden in ihr sämtliche Dörfer namhaft gemacht, die hierzu
gehörten. Der damals erworbene Grafsehaftsdistrikt erstreckte sich im Ver-
gleich zu heute im Norden und Osten weit über die Grenzen hinaus. Das
Bistum Halberstadt suchte nämlich den Machtbereich der Grafen zu beschränken,
und der Norden und Osten wurde von Halberstadt eingezogen, weil die Graf-
schaft ein von Halberstadt gehendes Mannlehen war. — Die Wernigeroder be-
safsen die Harzburg von 1269—1369. Damals mufsten sie dem Braunschweiger
Herzog Otto dem Quaden die Hälfte der Burg abtreten, die andere Hälfte
von ihm als Lehen annehmen. — Die Stammgüter der Wernigeroder Grafen
bei Haimar hatten sie im Xn. Jh. zum gröfsten Teil schon an Klöster u. a. m.
fortgegeben. — Vgl. besonders G. Bode, Gesch. der Grafen von Wernigerode
und ihrer Grafschaft, in Harz Ztschr. 1871. S. 1—45, 350—390. Über Ort und
Sehlofs Wernigerode (1121 : Werniggerode, 1141 Wereningerothe, 1187 Wernigherote)
vgl. Jacobs, Wernig. am Sehlufs des Mittelalters, in Härz-Ztsehr. 1879, S. 329—397 .
203. Grafschaft Blankenburg-Regenstein. Im Anfang des XII. Jh.
erscheint Poppo als Graf von Blankenburg und allem Anscheine nach
als Lehensgraf der Weifen. Späterhin treten seine Nachfolger für einen
Teil ihrer Besitzungen wenigstens als Lehensträger des Halberstädter Stiftes
auf. Poppos Söhno stifteten zwei Linien, von denen diejenige Konrads 1.
mit seinem Enkel Konrad II. 1246 schon ausstarb. Siegfried I. (— 1182)
ist der Stammvater zweier neuer Linien, die auch das Territorium unter
sich teilen. Sein Sohn Siegfried II. (f 1245) begründete die Linie
Blankenburg mit Stadt und Sehlofs Blankenburg und dem zugehörigen,
recht beträchtlichen Teile des Harzgaues mit Hasselfelde und Stiege1,
ferner dem Gebiet von Blankenburg bis zur Bode mit Sehlofs Wester-
hausen und dem Gericht Warnstedt. Da diese Linie 1368 ausstarb, so
wurde das Territorium in der Linie Regenstein, die von Heinrich I. (1241)
begründet worden ist, wieder vereinigt. Auch in ihr war unter den
Söhnen Heinrichs eine Spaltung des Landes eingetreten, da Ulrich I.
(t 1267), als Stifter der Linie Heimburg, Heimburg mit Benzingerode
und Börnecke erhielt, Siegfried III., als Stüter der Linie Regenstein, die
Herrschaft Regenstein mit Derenburg und Sehlanstedt bekam. Alles fiel
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330
VI. Politische Geographie um da« Jahr 1375.
nach dem Aussterben dieser Linie 1365 an die Heimburger; doch war
der gröfste Teil ihres Besitzes schon vorher an die Heimburger Linie
und an das Halberstädter Stift, mit dessen Bischof Albrecht sie eine
heftige Fehde auszukämpfen hatten, gekommen. An Wernigerode mufsten
sie einen Teil ihres Grafschaftsbezirkes abtreten (1343) und an die
Heimburger Linie die Burg Regenstein mit Zubehör, alles Gut auf dem
Harz u. a. An die Braunschweiger Herzöge verkauften sie die noch
übrigen Besitzungen im Westen , während sie von der Blankenburger
Linie Westerhausen und Gericht Warnstedt erwarben. Schliefslich mufsten
sie 1348 nach ihrer unglücklich abgeschlossenen Fehde noch Lauenburg,
Gersdorf und Crottorf an den Bischof abtreten.
Stübner, Denkwürdigkeiten des Fürstentums Blankenburg, Wernigerode
1788. Lei brock, Chronik der Stadt und des Fürstentums Blankenburg.
Blankbg. 1864, 1865. Steinhoff, Der Regenstein, Blankbg. 1883. Ders.,
Gesch. der Grätsch. Blankenburg, Quedlinburg 1890.
Konraci 1. f C 1197 Siegfried I. j 1182
Heinrich I. 1241 ~~Sicgfried II. 1245
(Linie Regenstein) (Linie Blankenburg)
1246 Ulrich 1. 1267 Siegfried III.
t f f (Linie Heim 1251
bürg) Linie Regen -
stein)
1365 1368
Johann Ernst t t t 'r t t
1599
t t t
204. Herrschaft (Juerfurt. Die Herren dieses Hauses gehen auf
Eginos Sohn Burkhard zurück. Des letzteren Sohn, Bruno I. (t 1015),
ist der Vater jenes Bruno von Querfurt, der als Missionar unter den
heidnischen Preufsen den Märtyrertod fand. Ein anderer Sohn, Geb-
hard I. (starb schon vor dem Vater 982), setzte die Stammreihe fort. Von
den Nachfolgern interessiert hier nur Gebhard IV., der um 1212 starb
und zwei Söhne hinterliefs, von denen Gebhard V. (von anderen der III.
genannt) die Hauptlinie der Querfurter fortsetzte, während Burkhard VI.
(I.) durch seine Heirat mit Sophie eine neue (jüngere) Linie Mansfeld
stiftete. Das Territorium der Herren von (Juerfurt mit dem gleich-
namigen Hauptort südlich von Eisleben war ein sehr beschränktes,
eng eingeschlossenes und hat niemals eine erhebliche Vergrößerung
erfahren.
Durch Gebhard III. (f 112(5 wurde eine Nebenlinie der Querfurter ge-
stiftet, die auf die Herrschaft Seeburg abgeteilt worden war, aber mit Wichinann,
dem Erzbischof von Magdeburg (f H92>, schon ausstarb.
205. Bistum nildesheiin. Wie bei den meisten Bistümern setzte
sich das weltliehe Stiftsgut anfangs nur aus einzelnen Höfen zusammen,
von denen einige überdies ziemlieh weit vom Stiftssprengel entfernt
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205. Bistum Hildesheim.
331
lagen. Aber die Güterschenkungen und Grafschaftsrechte mehrten sich ;
im XIII. und XIV. Jh. bildete das Stiftsgut schon einen geschlossenen
Bestand zwischen der Leine und der :Oker. In ihrem Streben nach
Vergröfserung der weltlichen Macht liefsen es sieh die Bischöfe angelegen
sein, die Vogteien nach und nach einzulösen. Besonders Bischof Konrad IL
(1221—1240) war hierbei sehr tatig gewesen.
Im X. Jh. lugen die Güterkomplexe des Bistums noch sehr zerstreut.
Bischof Othwin hatte Gysenheim (vielleicht Geisenheim a./Rh.) geschenkt,
Osdag seinen Hof Algermissen, Kaiser Otto I. einen Weinberg zu Boppard etc.
Otto III. und Heinrich II. spendeten gleichfalls sehr freigebig nicht blofs dem
Stifte, sondern auch den Klöstern. 1049 schenkte Kaiser Heinrich III. das
Gut Poppenburg, 1051 : Grafschaftsrechte in Bezirken von sechs Gauen (Nord-
thürintfen, Derlingo, Ostfala, Saltga, Gretinge, Mulbeze-Flutwide), 1052: Wien-
hausen bei Celle mit Markt-, Zoll- und Münzrecht, 1053: mehrere Güter des
geächteten Tiemo im Levagau und Ostfala. Unter Heinrich IV. kamen 1062
und 1065 ausgedehnte Bannforsten an der Leine hinzu, 1068 Grafschaftsrechte
in Gebieten des Valothungon, Aringo, Guddingo. Auch die Erwerbungen von
I.ehenshoheiten über weltliche Grundherren sowie Belehnungen mit bereits er-
worbenem Gebiet (Poppenburg, Burg Schladen, Winzenburg) waren zahlreich.
-Vgl. Lüntzel, Gesch. d. Diözese und Stadt Hildesh., 1858, I, 45 ff., 143 1.,
243 ff., 252, 273—278, H, 26. Wachsmuth, Gesch. v. Hochstift und St.
Hildesh., 1863, 15—17, 29—31. Bertram, Gesch. d. Bist. Hildesh., 1899, I,
101, 122, 126, wo auch die urkundlichen Belege gegeben sind nach Jan icke,
ÜB. des Höchst, Hildesh. und seiner Bischöfe. 1183 kam die Homburg an
•las Stift, welehes sie teils an die Grafen von Dassel, teils an die nach Dir be-
nannten Herren von Homburg als Lehen vergab. Auch die Güter der Grafen
von A sie bürg zwischen Wolde und Burgdorf wurden unter Bischof Adelog
erworben; Schlofs Hallermund nahm er in Pfand, (über den Erwerb von
Vogteien vgl. Bertram 1. c. I, 228 f.) Unter Bischof Konrad II. wurden Sehlofs
Oepenau an der Aue bei Steinwedel und Rosenthal erworben; ferner 1236
<lie sog. »Kleinere Grafschaft* Lauen rode beim Nordwalde (den jetzigen
Häineler, Stein wedeler und Bockmer Holzungen). Die »Grofse Grafschaft«
umfassend Amt Ilten, die »Grofse und Kleine Freie« bis dicht an die Ostseite
von Hannover) kam bald darauf an Otto von Braunschweig. Unter Bischof
Johann I. (f 1260) kam Peine durch Kauf an das Stift; ebenso Lutter am
Barenberge. Noch bedeutsamer waren die Erwerbungen Ottos I. (f 1279): die
Burg Woldenberg, die Grafschaft von Holle, die Gografschaft über 15 Dörfer,
die Vogtei über Baddekenstedt und eine andere sog. ; Grofse Grafschaft« (als
die vorhergenannte), die von Sehirbeck bei Harlessem, also südlich von es-
heim sieh über den Heberberg bis Sebexen (bei Gandersheim) und Olxheim er-
streckt; ferner kaufte er den vierten Teil der Grafschaft im Ambergau. Sieg-
fried IL erwarb 1310 vom Grafen Simon von Dassel das Schlofs Hunsrüek
und die Stadt Dassel nebst der umliegenden Grafschaft. Heinrichs IL wichtigste
Erwerbung ist die Stadt Bockenem von der Äbtissin von Gandersheim Auch
die Poppenburg kam an das Stift zurück. Unter Otto II. (f 1331): Schlofs
Lindau im Untereichsfelde, das Sehlofs Lutter a. Bar. nebst Gericht um! Vogtei,
ferner die Grafschaft Westerhof, das Gericht zu Berka u. a m. Unter Hein-
rich III. : 1341 Haus Wiedelah, 1353 Haus Sehladen. 1357 Schlofs Wohlenstein.
Wachsmuth 1. e. 40 f., 59 f. Näheres über die einzelnen Erwerbungen
sjwie über verschiedene weniger bedeutende gibt Bertram 1. c. I, 1S3 f.,
229 f., 282, 284, 3<M>. 317. 322, 333. Anfser den Urkunden hei Döbner, Guden-
dorf. Janicke ist das Chronicon epise. Hildesh., eontin 1071» — 147-J. MG. SS. VII,
sö4 ff besonders heranzuziehen. A. Barth, das bischöfliche Beamtentum im
Mittelalter in den Diözesen Halberstadt, Hildesheim, Magdeburg und Merse-
burg. Ciöttin^er Dissertation von 1900.
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332 VX Politische Geographie um das Jahr 1375.
206. Bistum Halbcrstadt. Das Stiftsgebiet lag zwischen braun
schwedischem und erzbischöflich inagdeburgisehem Gebiet auf der einen
und den Harzgrafschaften auf der anderen Seite eng eingeschlossen.
Die ersten Bischöfe hatten um den Bestand ihrer Stiftung zu kämpfen;
denn wie die Diözese ihnen infolge Gründung benachbarter Bistümer
verkürzt wurde, so auch das weltliche Gebiet.
Ohne hier die kleineren Erwerbungen im einzelnen zu verfolgen, erhielt
das Stift im Jahre 1052 durch Heinrich III. eine gröfsere Zuwendung in den
beiden Komitaten des Harzgaues mit weiteren Besitzungen im Derlingau. Nord-
tlniringau und Beizern. Teile dieser Gebiete wurden an Dynasten weiter ver-
liehen (so an die Reinstein und Blankenburg). Nach Heinrichs d. L. Sturz er-
langte es Reiehsunmittelbarkeit. — Der besonders tatkräftige Bischof AI brecht
hatte 1319 auch die Grafschaft Askanien hinzuerworben, und 1332 fiel auch
Ennsleben an das Stift. — über alle Einzelheiten der Erwerbungen s. Leo,
Territorien II, 917 — 962, der gerade dieses Bistum ausführlicher behandelt.
Frantz, Gesch. des Bistums, nachmaligen Fürstentums Halbcrstadt, Halbcrst.
1853. Vgl. auch die benachbarten Territorien.
207. Reichsstädte in Thüringen und Sachsen. Die Zahl der Reichs
Städte ist gegenüber den rheinischen und süddeutschen Landen eine
beschränkte. Aufser Bremen und Hamburg sind hier nur Nordhausen,
Mühlhausen, Goslar und Lübeck zu nennen.
Wegen Bremen und Hamburg, die damals noch nicht eigentliche
Reichsstädte waren s. $j IIS, 119.
Nordhausen wird zuerst 874 als kaiserliche Pfalz genannt. Seit 1220
gehörte sie dem Reich und wurde 1253 zur Reichsstadt erhoben. Förste-
mann, Urkundl. Gesch. der Stadt Nordhausen bis 1250. Nordh. 1828—1840.
Ders., Kleine Schriften zur Gesch. der Stadt Nordhsn., 1855.
Mühl hausen war anfangs ein königlicher Hof, der im Anfang des
XIII. Jh. städtische Privilegien erhielt und 1251 freie Reichsstadt wurde.
Pf äff, Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen, Nordhsn. 1874. Stephan,
Vcrfassungsgeseh. der Reichsstadt Mühlhsn., Sondershsn. 1886.
Goslar ist aus Zusammenziehung dreier Dörfer entstanden. Lediglich
die Bergwerke im Rammeisberg haben die Stadt gehoben, die von den sächsi-
schen und salischen Kaisern gern aufgesucht wurde. Seit 1219, wo ihr em
erstes Privilegium von Kaiser Friedrich II verliehen worden ist, hat sie sich
mehr und mehr selbständig zu halten gewuTst und war als Mitglied der Hansa
emporgeblüht. Crusius, Gesch. der vorm. kaiserl. freien Reiehsst. Goslar.
1842—1843. Wolfstieg, VerfassungSgesch. v. Goslar, Berl. 1883. Auch die
Einleitung zu Bode. Urkundenbuch d. St, Gosl., Halle 1893.
Lübeck lag anfänglich an der Einmündung der Schwartau in die Trave.
Nach seiner Zerstörung durch die Rugier 1138 wurde das neue Lübeck 1143
zwischen Wackenitz und Trave erbaut. Erst durch Heinrich den Löwen wurde
der Grund zu seiner späteren Bedeutung gelegt. Von 1201 — 1225 stand es unter
dänischer Hoheit; 1226 wurde der Stadt von Kaiser Friedrich II. Reichsfreiheit
verliehen. Ho ff mann, Geseh. der Freien und Hansestadt Lübeck, 1889
bis 18.92.
208. Fürstentum Anhalt. Aus dem Länderbereiche Albrechts des
Bären hatte sich infolge mehrmaliger Teilungen jenes Territorium als
selbständiges Gebiet herausgelöst, dessen Fürsten sich zum Unterschiede
von den anderen Askaniern nach einer Burg im Selketal benannten
Heinrich L, ein Enkel Albrechts des Bären, erscheint 1218 als erster
208. Fürstentum Anhalt.
333
Fürst von Anhalt, Nach dem Tode seines Vaters Bernhard, des Herzogs
von Sachsen (s. d.), 1212 erhielt er bei der Teilung mit seinem Bruder
Albrecht die väterlichen Stammgüter auf beiden Ufern der Elbe; auf
dem rechten Ufer gehörten hierzu freilich nur Koswig und ein Teil des
Amtes Rofslau. Wurde das Land auch späterhin von neuem geteilt, so
war doch der engere Zusammenhang durch die Familienbande gesichert,
und eine spätere Erbvereinigung (1388) gab eine rechtliche Unterlage
hierfür ab. Schon unter den Söhnen Heinrichs I. (f 1251) fand eine
Teilung statt: Bernhard I., der Stifter der Bernburger Linie, erhielt
Bernburg, Ballenstodt, Sandersleben, Gröbzig und einen Teil der köthen-
schen Lande. Siegfried, der Begründer der älteren Zerbster Linie erhielt,
Röthen, Dessau und Koswig, und Heinrich II., Stifter der Ascherslebener
Linie, bekam Aschersleben, die Vogtei über Gernrode, die Harzgebiete,
und die Grafschaften Kroppenstedt und Hadmersleben. Aus dieser
Teilung ergibt sich der damalige Umfang des Fürstentums. — Die Linie
Heinrichs II. starb mit seinem Enkel Otto II. bereits 1315 aus, und sein
Land, mit Ausnahme von Aschersleben, fiel an die Bernburger Linie,
an seinen Vetter Bernhard II. Aschersleben war der Witwe Ottos IL,
Elisabeth, als Witwensitz gelassen worden, und Bernhard liefs sich deshalb
in der Grafschaft Aschersloben huldigen. Sein Bruder Albrecht, der
Bischof von Halberstadt, erhob Ansprüche auf diese Grafschaft für sein
Stift. Trotzdem nun Kaiser Ludwig IV. dem anhaltischen Fürsten bei-
stand und ihn 1318 und nochmals 1323 mit der Grafschaft förmlich
belehnte, so entschied doch der vom Bischof und seinem Nachfolger mit
Entschiedenheit durchgeführte Krieg zu seinen Ungunsten, und Halber-
stadt behielt die Grafschaft Aschersleben zurück, die somit für immer
dem anhaltischen Hause entzogen blieb. Auch sein Sohn Bernhard IV.
wurde 1348 nochmals mit Aschersleben von Karl IV. belehnt, ohne
besseren Erfolg zu haben. — Die Zerbster Linie hatte ihr Territorium
nicht unerheblich vergröfsert. Schon Siegfrieds I. (f 1290) Nachfolger,
Albrecht L, der in Kothen seinen Sitz hatte, hatte 1307 von den Herren
von Barboy das Schlofs und einen Teil der Stadt Zerbst erworben.
Diese Gebiete, in denen die Linien bereits mehrere Güter besafsen, unter-
standen der Oberhoheit des Markgrafen von Brandenburg und kamen
erst in jener Zeit unter anhaltische Herrschaft. — Albrechts I. Söhne:
Albrecht II. und Waldemar I. hatten gemeinschaftlich regiert. Des Erst-
genannten Sohn Johann I. war schließlich der einzig überlebende Ver-
treter der Zerbster Linie. Im Jahre 1370 erwarb er von den Grafen
von Lindau dio gleichnamige Stadt mit zugehörigem Gebiet im NW. seines
Territoriums. Beim Schlufs dieser Periode war also das Anhalter Land
auf zwei Linien verteilt: die Bernburger Linie, die damals noch durch
Otto III. (f 1404) und Heinrich IV. (f 1377) vertreten war und ihr
Ländchen nochmals geteilt zu haben scheint, und die Zerbster Linie, die
in Röthen, dann in Zerbst ihren Sitz hatte und in Johann I. (f 1382)
ihren alleinigen Vertreter besafs.
Von der Burg Anhalt sind heute nur noch Trümnierreste vorhanden ;
aber auch sonst haben wir nur wenige Nachrichten über sie. Auf dem Grofsen
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Hausberge am rechten Ufer der Selke, ungefähr in der Mitte des Gebirgslaufes
des Flusses, lag der Anhalt. Vermutlich hatten die Grafen von Badenstedt
Ende des XI. Jh. daselbst eine Burg gebaut. Im Jahre 1140 wurde die Burg
wieder zerstört; doch wird von einem Wiederaufbau nichts gemeldet. Vgl.
(). von Heinemann, Die Burg Anhalt mit ihrem Zubehör, in Harz-Ztechr. III.
130 ff. — Die zur Grafschaft Aschersleben gehörigen Teilstücke werden nach
einer Urkunde von 1330 aufgeführt von von Heinemann, Die Grafsch.
Aschersleben bis zu ihrem Übergehen in den Besitz des Ilochstiftes Halberstadt,
in Harz-Ztschr. 187(5, 1 — 25. Im Anschlufs hieran vgl. die Polemik zwischen
Winter und Heinemann, ibid. 1876, 313—322. — Heine, Gesch. des Landes
Anhalt und seiner Fürsten, Kothen 1866. Siebigk, Das Herzogtum Anhalt,
Dessau 1867. von Heinemann, Cod. diplomat. Anhaltinus, Dessau 1867 ff.
Ascherslbn. Linie
Heinrich I. f 1251
Hernburger | Linie
Zerbster Linie
Heinrich II.
I
Otto I.
I
Otto II. f 1315
t t t
Bernhanl I. t 1*16
I
Hernhard II. t 131«
I
Bernhard III.
Bernhard IV.
t 1354
t t t
Otto III.
t 1404
Heinrich IV.
t 1377
Siegfried I + 1290
I
Albrecht I. f 1316
Albrecht II. Waldemar I.
| f 1367
I I
Johann I. Waldemar II.
t 1382 f 1370
t t t
209. Erzbistum Magdeburg. Im Jahre 937 hatte Kaiser Otto I.
auf Bitten seiner Gemahlin Editha in Magdeburg ein Benediktinerkloster
der hh. Petrus, Mauritius und Innocentius gegründet. Die ersten Dotationen
bestanden in dem Königshof in Magdeburg und einer Reibe von Ort-
schaften in der Nachbarschaft. Kurz nachher folgten neue Schenkungen
an das Kloster, die in Gütern, Zöllen und Zuweisung von Hörigen etc.
bestanden. Damals bereits erhielt es oine Fülle von Gütern, die im
späteren sog. Saalkreis um Halle lagen, so Giebichenstein mit der Saline,
Würzen, Eilenburg, Zörbig, Wettin, Löbejün, Löbnitz, Trebnitz, Roda
u. a. m.; bald darauf (965) auch Calbe an der Saale und Rosoburg, dann
Loburg und Tuchheim. Auch weit entfernt liegende Güter, wie ein Hof
in Oberwesel, die Klöster Hagenmünster bei Mainz, Jugenheim im Nahe-
gau, Speierdorf im Speiergau, wurden ihm zugewendet. Die ungewöhnlich
reichen V ergabungen an da« Kloster hatten darin ihren Grund, dafs
Kaiser Otto schon vorher die Gründung eines Erzbistums im Auge hatte
und diese trotz der Widersacherschaft von Halberstadt und Mainz im
Jahre 908 endlich durchsetzte. Zur Ausstattung des Stiftes wurde die
Dotation des Klosters verwendet, und die Mönche, die auf dem Johannis-
berge eino neue Klosterstätte fanden, wurden von Kaiser Otto mit Gütern
bei Hochheim, mit Rothenburg a. d. Saale, dem Gut Retha bei Münden
und Bornstedt im Nordthüringgau entschädigt. Abgesehen von kleineren
Schenkungen, welche die Nachfolger Ottos I. machten, vergröfserten auch
bedeutende Landerwerbungeii das Stiftsgebiet, und Austausch mit ent-
fernteren Gebietsteilen rundete es ab. So wurden Oberwesel und Jugen-
heim gegen Jerichow, Ploten, Luithin, Wranechenstein und Erxleben
ausgetauscht. Das Jüterboger Land kam um 1170 an das Stift, Im
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210. Mark Brandenburg. 335
Jahre 1180 gewann Erzbischof Wichmann auch die Grafschaft Som-
mersell enburg, in der damals der letzte Graf des Hauses gestorben war,
gegen die Absichten Heinrichs des Löwen; auch Haldensleben, welches
zerstört als Neuhaidensleben wieder erstand, wurde mit Sommerschen-
burg dem Stift bestätigt. Nach dem Sturze Heinrichs gewann der Erz-
bischof auch das ganze Gebiet zwischen der Abtei Lütter, Magdeburg
und dem Drömling (1193), sodann das Bruchgebiet von Hornburg bis
zur Bode und von der Bode zur Saale. Im Streit mit den Markgrafen
von Brandenburg, die 1196 dem Erzstifte die Altmark zu Lehen auf-
getragen hatten, wurde diesen die Grafschaft Hadmersleben abgenommen.
Bedeutsam war auch der Erwerb der Grafschaft Seehausen, die Erzbischof
Rudolf vom Halberstädter Stift erkaufte. So hatte sich das Erzbistum,
abgesehen von zerstreut liegenden Besitzungen, allmählich ein geschlos-
senes Territorium, welches von der unteren Havel westlich bis zur oberen
Aller und Unstrut reichte, und ein zweites, kleineres Gebiet weiter ober-
halb an der Saale erworben.
Infolge der Aufhebung des Bistums Merseburg wurde nicht nur dessen
Diözesangebiet, sondern auch das Stiftsgebiet an die anderen Bistümer auf.
geteilt. Neun Städte mit Zubehör (Schkeuditz, Chotug, Würzen, Puchen, Eilen-
burg, Düben, Pouch a. d. Mulde, Löbnitz und Gescerica) kamen damals an
.Magdeburg (981). Doch wurden nach Wiedereinrichtung des Bistums Merseburg
diese Städte später wieder zurückgegeben. — Das Land zwischen Elbe und Havel
mit Plaue. Genthin, Sandow kam in den unsicheren Zeiten des falschen
Waldemar an das Stift, wenn auch die Grenzverhältnisse erst sehr viel später
geregelt wurden. — Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis, hrgb. von M ü 1 -
v e r s t e d t , Magdeburg 1877—1886. Uhlirz, Gesch. des Erzb. Magdebg. unter
den sächsischen Kaisern, Magdeburg 1887. Leo, Territorien II, 968 ff.
Die Grafschaft Sommersell enburg war im Besitz der gleich-
namigen Familie, welche durch Erbschaft auch die pfalzgräfliche Würde von
Sachsen erhalten hatte (XI. Jh.). Mit Adalbert starb 1 18t) das Grafenhaus aus.
I >ie Pfalzgrafschaft kam an die Landgrafen von Thüringen, die Grafschaft aber
durch die Schwester jenes Adalbert, die Äbtissin Adelheid von Quedlinburg
und Gandersheim, an aas Erzstift Magdeburg. Die Grafschaft Seehausen,
jrröfsten teils im Nordthüringgau gelegen (mit Oschcrsleben, Wegersleben, Velt-
heim, Althaidensleben, Seehausen, Kilsleoen, Uhrsleben und vielen anderen),
war ehedem als Ilaiberstädter Lehen im Besitz der Stadeschen Familie
gewesen und kam durch Luitgard von Stade an Friedrich von Sommerschen-
burg; als letztgenanntes Haus 1180 ausstarb, brachte die Witwe des letzten
< Trafen sie ihrem zweiten Gemahl, Markgraf Dedi von Groitzsch und Roehlitz,
zu. Nach dessen unbeerbtem Tode 1207 wurde die Grafschaft von Halberstadt
wieder eingezogen. Bischof Ludolf II. verkaufte dieselbe an die Markgrafen von
Brandenburg; der Papst billigte den Kauf aber nicht, und Bischof Vollrath
gab sie 1247 erblich an das Erzstift Die Brandenburger Markgrafen traten die
letzten Teilstücke erst 1328 an Magdeburg ab.
Die Burggrafschaft Magdeburg war etwas vom Erzbistum Ver-
schiedenes. Sic umfafste die gerichtlichen Befugnisse in Magdeburg und Halle
dgl., und die Burggrafen trugen die Ämter Gommern, Ranis, Eibenau
und G rottau zu Lehen.
810. Mark Brandenburg. Albrecht der Bär war 1134 mit der
Nordmark belehnt worden und einige Jahre spater auch mit dem
Herzogtum Sachsen. Da er hier sich gegen die Weifen nicht behaupten
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
konnte, so wendete er sich den sla vischen Gebieten rechts der Elbe zu,
welche seit dem grofsen Aufstande von 983 sich meist selbst überlassen
waren. Er gewann von den Brissanern die Prieguitz und auf friedlichem
Wege von dem in Brennabor residierenden Slavenfürsten Pribislav die
Zauche, das Havelland und den südlichen Teil des Barnim. Im Jahre
1143 wurden ihm diese Gebiete als erbliches Reichsfürstentum vom Kaiser
Konrad III. zugesprochen. Er selbst bezeichnete sich fortan als Mark-
graf von Brandenburg. Von seinen Nachfolgern machten Johann I.
und Otto III. (1220—1266 [1267]) namhaftere Gebietserwerbungen. Durch
Heirat kam Otto III. in den Besitz der Oberlausitz, die aber 1355
wieder an Böhmen fiel); von den pommerschen Herzögen gewannen sie
die Ukermark und das Land Stargard (letzteres von Waldemar
wieder an Mecklenburg abgetreten), ferner die Lande Barnim und
Teltow zu beiden Seiten der unteren Spree, das Land Sternberg
rechts und Lebus links der Oder (um 1250), desgleichen stückweise die
spätere Neumark östlich bis zur Drage und nördlich bis über Sehivel-
bein hinaus. Unter diesen beiden Markgrafen fand auch eine vorüber-
gehende Teilung des ausgedehnten Landgebietes unter die Stendaler und
Salzwedeler Linie statt, die mit dem Erlöschen der letzteren 1317 wieder
aufgehoben war. Otto IV. (f 1308) kaufte die Mark Landsberg, von
Delitzsch über die Saale bis zur Unstrut reichend, mit Sangerhausen
(1320 fiel sie an Herzog Magnus von Braunschweig, 1347 an die Wettiner
zurück), ferner 1303 die Niederlausitz (1339 von Böhmen wieder ein-
gezogen). Nach dem Aussterben des askanischen Hauses (1320) drohte
das zusammengebrachte Gebiet der Mark zu zerfallen, indem die Naehbar-
fürsten sich an ihm schadlos halten wollten, doch gelang es Kaiser
Ludwig dem Baiern, der die Mark für ein erledigtes Reiehslehen er-
klärte, dem Unheil vorzubeugen und dieselbe seinem unmündigen
Sohne Ludwig dem Alteren zu übertragen (1324). Der ehemalige Terri-
torial bestand konnte freilieh nicht aufrechterhalten werden. Aber die
Ilauptterritorien der Mark blieben damals vereinigt und blieben es auch
späterhin, als Kaiser Karl IV. den letzten Wittelsbacher, Otto den
Faulen, 1373 zur Abtretung der Mark zwang und sie somit an das luxem-
burgische Haus brachte. Durch die Goldene Bulle war die Markgraf-
schaft, zu einem Kurfürstentum erhoben worden (mit Ausschlufs
der Neumark).
Eine wertvolle Quelle für die territoriale Gestaltung und Topographie
bildet das Landbml» di r Mark, welches Karl IV. zur Erhebung der Abgaben
und Feststellung der Einkünfte 1H75 hatte herstellen lassen: Landbuch des
Churfürstentums und der Mark Brandenburg, welches Kaiser Karl IV. im
Jahre IH75 anfertigen lassen, wie auch das Register des Landschosses einiger
Kreise der Chunnark vom Jahre 1451.« Hrgb. von E. F. von Herzberg, 17*1.
Nach den dortigen Angaben wird die Mark Brandenburg (Marchia
lirandenburgensis) in drei Ilaupttcilc geschieden: Marciiia. Transalbanea, Trans-
oderana et Media; und zwar mit der weiteren Erläuterung Marchia Transalbanea
alio nomine Antiqua Marchia. — Marchia Media est inter Albeam et (Mleram sihuita
. . . subdivitur in IX. territoria : Luhns, Barnym, Czncha, Telthow, Terra Obule
(Havelland), Glyn, Prignitz, Ukera, Comitatus Lyndowensis (Grafseh. Ruppin). —
Marchia Transoderana (später Neumark) subdivitur per flumen . . . Wurtam . . .
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210. Mark Brandenburg.
337
cuius pars major trans ßumen Warte versus Septentrionem tendens usque Prussiam.
Alia pars transoderana versus Orienten, que territorium Sterneberg appelatur.
(Karolin. Ldb. S. 41, 43).
Der ältere Kollektivname des ganzen Landes bis zur Oder war, wie
selion bemerkt, Nord mark. Seit U43 wird dureh Albrecht den Bären die Be-
zeichnung »Mark Brandenburgs üblich, einschliefslich des linkselbisehen Teils.
Der letztere war nach dem Erlöschen des askanischen Hauses an Otto den
Milden von Braunschweig gekommen durch seine Gattin Agnes, der er auf
Lebenszeit zugesprochen war. Man nannte ihn nunmehr die Alt mark; ur-
kundlich erscheint dieser Name zuerst 1324. Der reehtselbische Teil erscheint
im Karolinischen Landbuch als Mittel mark zugleich mit Bezugnahme auf
die rechts der Oder gelegenen Gebiete, die Terra transotlerana, die damals
noch nicht als Neumark bezeichnet wurde. Dies war zuerst 1402 der Fall;
s. unten.
Die Alt mark, Marchia antiqua, ist das links der Elbe gelegene Gebiet,
dessen damalige Westgrenze mit der heutigen annähernd übereinstimmte,
während die Nordgrenze etwas weiter hinausgereicht zu haben scheint. Die
»Südgrenze bildete die Ohre, die damals schon bei Wolmirstedt in die Elbe
mündete. Noch während des ganzen XIII. Jh. reichte das Territorium der
Markgrafen über die Ohre nach Süden hinaus, über Frohse bis gegen Sehneit-
lingen, wo es mit der Grafschaft Aschersleben zusammenstiefs. Markgraf
Waldemar verpfändete diese ehemalige Grafschaft Billingesho im Jahre 1316
an das Erzstift Magdeburg. Vgl. im übrigen Riedel. Die Mark Brandenburg
im Jahre 1250, Berl. 1831 8. 192 ff.
Auch rechts der Elbe reichte die Altmark ehemals bis zur Havel hinüber
und südwärts bis Ziesar. Dieser zwischen beiden Flüssen gelegene Landstreifen
war Anfang des XII. Jh. der Maik hinzugefügt worden, wurde aber Mitte des
XIV. Jh. an das Erzstift abgetreten. Eine ausführliche historisch-geographische
Beschreibung des Landes (des Salzwcdelschen, Osterburgschen, Stcndalsehen
und Gardelegenschen Bezirkes) gibt Riedel, 1. c. I, 41 — 235. Mehr historisch ist
Wohlbrück, Gesch. der Altmark, Berl. 1855, Zahn, Gesch. der Altmark,
Stendal 1891.
Die Prignitz. deren Name sich aus dem slavischen Stammesiiämen der
Brissani entwickelt hat, wurde noch bis zum Ende des XIII. Jh. das
»Land Havelberg« genannt, Urkundlicher Nachweis bei Riedel I. 277. Seit
dem XIV. Jh. heifst sie auch die Vorn mrk. Cf. Ledebur, Die Landschaften
des Havelbergischen Sprengeis, in Märkische Forschungen 1, 224. Immerhin
tritt schon im XIV. Jh. auch der Name Prignitz, Pregnitz. Prigeniz auf und
dieser blieb seit Friedrich Wilhelm II. allein in Geltung, während »Vormark«
seit 1780 mehr zurücktrat. Vgl. Beckmann, 1. c. S. 2—0; Büsching, Topo-
graphie S. 19. Berghaus, Ldb. I. BIG. Die Grenzen waren in jener Zeit be-
sonders gegen Mecklenburg noch schwankend: gegen S. sind es die Dosse,
Havel und Elbe, gegen NW. reichte damals das Land bis zur Eide, im NO.
bis zum Daberfiüfsehen auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Bischof
von Havelberg und den mecklenburgischen Fürsten von Wcrle im Jahre 1274;
hierüber Riedel I, 415.
Das Havelland, «las Land der Heveller. meist Heveldun, Hcvellim, auch
Stodorania genannt. Annal. Quedlinbg. a. 997 : Ztodorania, quam xmlgo Heveldun
rocant. Bei Thietmar IV, 20: Stodorania, quae Hcvellim dicitur. Im Karolini-
schen Landbuch Terra Obnle et Merica. Unter Merica ist die Heide bei Spandau
verstanden, unter der eigentlichen Terra Obnle das Gebiet um Nauen *und
Rathenow. Die Grenzen waren durch die Havel. Rhin und Dosse gegeben.
Riedel, 1. c. I, 318.
DieZauche, Terra Zucha, Szuche, Zucheda, Czucha, erscheint als Provinz-
name im XII. Jh. Sic umfafst die Plateauhöhe zwischen den Niederungen
K retaehmer, Historische <;eo»rr*phie 22
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338
VI. Politische Geographie um dm Jahr 1375.
der Havel, Plane, Nieplitz und Nuthe; doch wird nach dem Karolinisehen
Landbuch der Name auch auf die (Gebiete westlich bis Ziesar und südlich bis
über (Treueu-)Brietzen ausgedehnt. Über die Grenzen im einzelnen vgl. Riedel I,
244 ff. Berghaus 1, 582 ff.
Teltow, im XTTX Jh. Teltoue, Telthawe. Die Spree schied es im N.
vom Barnim, während im W. die Nuthe die Grenze bildete. Trebbin und
Mittelwalde waren die südlichsten Grenzorte. Der Barnim, Barnoue oder
ßontove wurde in den sohlen« und »nyen Barnem« geteilt, zwischen welchen
beiden der FinowHuTs (Alveum Vinauie) die Grenze bildete. Bis 1320 mag
diese Teilung in Gebrauch gewesen sein. Dann verlor sie sich. Im Landbuch
Karls IV. ist nur von einem Barnim die Hede. Im N. grenzte der Alte Barnim
an die Ukermark. Im O. bildeten die Oder und das Land Lebus die Grenze
(s. d.), im \V. im allgemeinen die Havel und im S. die Spree. Zur Zeit
Karls IV. war der Barnim in die drei Distrikte: Berlin, Bisdal (Biesenthal) und
Strausberg geteilt. Im kurmärkisehen Landsehofs von 1451 wird er in den
»Nedern Barnym ume Berlyn« und den »Hoghen Barnym den nördlichen,
geschieden. Bis z. Z. des Grofsen Kurfürsten fandet sich letztere Bezeichnung
noch vor. Seit 1(380 etwa heifst er dann »Ober- Barnim«. Riedel, L c. I, 388 ff.
Berghaus, Ldb. II, 373 ff.
Lebus, in älterer Form Litlnts, Lnbis, IAubusua, nach der slavischen
Völkerschaft der Ljubusaner oder Leubuzzi. Die moderne Schreibart ist aber
auch schon Mitte des XIII. Jh. nachweisbar. Anfangs war das Land im Besitz
schlesischer Herzöge, dann im teilweisen Besitz der Brandenburger Markgrafen
und des Erzstiftes Magdeburg. Um 1285 scheint es ganz mit der Grafschaft
vereinigt worden zu sein. Die Grenzen des alten Landes Lebus griffen weit
in das rechte Odergebiet hinüber und umschlossen die Landschaft Sternberg;
seit 1535 ist der Name ganz auf das linksseitige Gebiet beschränkt (s. später).
Für die damalige Grenzbestinimung ist die Urkunde des Erzbischofs von Magde-
burg an Markgraf Ludwig von Brandenburg 1336 wichtig, die wegen ihres
Alters freilich angezweifelt worden ist. Die Grenze ging etwa von Küstrin
durch das Warthebruch bis Kriescht, dann südlich zur oberen Pleiske, diese
abwärts bis etwa nach Sandow und von dort zum Oderknie unterhalb der
Neifsemündung; weiterhin westlich zum Schwielugsee, die Spree abwärts bis
Hangelsberg und durch das Tal der Loehnitz und Stoberow zum Oderbruch. Der
Verlauf der Grenze irn einzelnen auf Grund jener Urkunde ist trotzdem sehr
zweifelhaft geblieben, da die meisten Ortenamen unbekannt sind. Vgl. Wohl
brück, Gesch. d. Bistums Lelms, 1829, I, 33 ff. von Ledebur, Archiv
1831, VII, 86 ff. Worbs, ibid. VII, 53—56. Berghaus, Ldb. III, 154—166.
Freier, Das Land Sternberg, Zilenzig 181)2, S. 152 ff.
Der Glin, auch Schelyn (Urk. von 1212), umfafste etwa die Nordost-
ecke des heutigen Kreises Ost-Havelland. Er wird im N. teilweise durch das
Rhinluch und den Ruppiner Kanal, im O. durch die Havel und im S\V. durch
ein Stück der heute von Spandau nach Fehrbellin führenden Chaussee l>e-
grenzt. Das Landbuch Karls IV. rechnet fünf Burgen zu diesem kleinen Bezirk,
unter ihnen Cremmen, Bötzow und Vehlefanz. Cf. Riedel, 1. c. I, 373 f. Berg-
haus I, 413.
Die Ukermark, Terra l'kera, in der Stiftungsurkunde für das Bistum
Brandenburg 1*49: Yuucri (MG. DD. n. 105); die slavische Bevölkerung waren
die Vucrani, Ucrant (s. S. 172), der Flufs hiefs Ukera. Am Ende des XV. Jh.
kommt erst die Bezeichnung Ukermark auf. Bergbaus II, 258 f. Die noch
heute beobachtete dialektische Eigentümlichkeit, das u in ü herüberzuziehen,
war die Veranlassung, dafs Land und Flufs auf unseren Karten auch als Oker
und Okermark erscheinen; vgl. Berghaus II, 286, der auch für die Schreibung
Oker (nicht Ocker) eintritt. Die Grenze bildeten im 0. die Welse und Randow
(der heutige Landgraben). Das Karolmische Landbuch erlaubt nach den ver-
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•210. Mark Brandenburg. 339
zeichneten Ortschaften auch einige Grenzbestinimungen im S., da Wesendorf
bei Zehdenik, < Jollin, Angermünde und Stolpe a. d. Oder zur Ukermark ge-
rechnet werden ; ebenso im W. Tempi in, Boizenburg und Strasburg. Im N.
wurden auch Päse walk und Torgelow vorübergehend als' feste Plätze des
Ukcrlandes angesehen (Karol. L<lb. S. 43). Doch waren diese sehr bald wieder
in pornmerischen Besitz. Vgl. Riedel I, 459 f.
Die Neu mark hiefs bis Ende des XIV. Jh. und teilweise auch später
noch das »Land jenseits der Oder «. Bereits 1266 erscheint es als Terra frans
Oderam; im Neumärkischen Landbuch von 1137 : Terra transoderana ; im
Karolinisehen Landbuch: Marchia transoderana. Erst 1302 tritt sie als »Nuwe
Mareke uff dissit der Odert auf; 1405: Terra novae Marchiae ; auch »Mark obir
der Oder v. Die Bezeichnungen mit Bezugnahme auf die Oder traten seit dem
XV. Jh. mehr zurück, bis sie Mitte des XVII. Jh. ganz verschwanden. — Bis
zur Mitte des XIII. Jh. war die Oder die Grenze gegen Pommern und Polen
und die Warthe-Netze die umstrittene Grenze zwischen letzteren beiden. Seit
1250 beginnt die Eroberung einzelner Teilstücke der späteren Neumark; im
Jahre 1260 waren die Landschaften Königsberg, Bärwalde und Küstrin (d. i.
der heutige Königsln-rger Kreis) und Laadsberg (der gleichnamige Kreis) sowie
ein Teil der Landschaft Soldin in den Händen der Markgrafen. Bis 1290
waren die Polen bis hinter die Drage zurückgedrängt worden. Im Jahre 1276
war das Land Lippehne, ein Besitz des Stiftes Kamin, käuflich erworben
worden, und 1280 erwarben die Markgrafen auch Bernstein. Bis 1292 waren
ferner die Iiinder Schildberg, Dramburg und Schievelbein in ihrem Besitz.
Hiermit hatte die Neumark einen Umfang erreicht, den sie bis 1816 beibehielt,
indem damals Dramburg und Schievelbein wieder zu Pommern geschlagen
wurden. Die Markgrafen hatten schliefslich von Polen auch das Gebiet jenseits
der Drage bis zur Küddow erworben, doch mufste Ludwig der Ältere diese
Gebiete 1334 wieder abtreten. Vgl. Berghaus, Ldb. III, 337—344. Für die
Geographie des inneren Landes ist das um 1337 zusammengestellte Landbuch
Markgmf Ludwigs des Älteren wichtig. G. W. von Raum er, Die Neumark
Brandenburg im Jahre 1337 oder Markgraf Ludwigs des Älteren Neumärkisches
Landbuch, Bcrl. 1837.
Die Neumark wurde mich dem Landbuch in I>andschaften {terrae) ein-
geteilt: 1. Land Küstrin (Custerhvn) war anfangs von Tempelherren besetzt
gewesen, stand aber kirchlich und politisch mehr zu Lebus in Beziehimg,
weshalb es im Landbuch gerade nicht genannt wird; doch wurde es später
der Neumark angeschlossen. 2. I>and Bär wähle (Bernwolde), nördlich von
jenein, mit dem Distrikt des Cisterzienser-Nonnenklosters Zehden. 3. Land
Königsberg (Konigesberghe), von der Oder bis östlich zum Land Schildberg
reichend, mit einem urkundlich oft genannten Waldgebiet, der Hohen Heide
(A\ia merica). 4. Land Schi ldberg (Schiltberghe), östlich bis an den Soldiner
See und Mietzelflufs reichend, mit der Merica Schiltberg im NW. und der
Merica Doltzick im S. 5. Land Lippehne (Lipana, Leppene, Lippen) östlich
vom Soldiner See. 6. Land Solu in (Sold vir) von der Mietzel im W. bis
ostlieh zum Land Friedberg und südlich von Lippehne. 7. Land Bernstein
(Berrenstein, Berenslen) kam 1315 vom Bistum Kamin an die Markgrafen,
die es sogleich an den Herzog von Stettin weiterverkauften. Doch liefs sich
Ludwig 1328 in Bernstein huldigen, obwohl es pommerisch war (bis 1479).
X. Land Lands berg südlich von Schildberg und Soldin bis an die Warthe. Die
Westgrenze gegen Küstrin ist uns urkundlich sehr genau bestimmt. Wohlbrück,
Lebus I, 400. 9. Land Friedeberg (Fredeberg, Vredeberg), von Landsberg
bis an die Drage reichen«!, im N. noch einen Teil des jetzigen Arnswalder
Kreises umfassend. 10. Land Arnswalde (Arnswolde); hierzu gehörte auch
die Landschaft Dramburg (Drawenburg, Drahenburg). Beide reichten ostwärts
bis zur Drahe. 11. Land Schivelbein, den gleichnamigen Kreis und Teile
des Dramburger umfassend.
22«
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340
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Die Grafschaft Ruppin (auch 1238 Rapin, 1246 Rupyn, 1256 Ruppin)
gehörte den Grafen von Lindow, deshalb im Karolinischeu Landbuch p. 42t:
Comitatus Lyndowensis genannt. Sie nannten sich erst nur Herren zu Ruppin, seit
dem XIII. Jh. aber Grafen von Ruppin und Lindow. Eine eigentliche Graf-
schaft bildete ihr Territorium trotz des Titels nicht. Es bestand aus der
Herrschaft Ruppin, zwischen Temnitz, Rhin und Ruppiner See gelegen, dem
Lande Wusterhausen im Westen bis zur Dosse und Rhin reichend und dem
Land Gransec. Das Karolinische Landbuch nennt als feste Orte: Ruppin
antiqua, Ruppin nova, Lindow, Gransoye, Rynsberg, Wusterhusen und Rynotc. Berg-
haus II, 1 ff. Riedel I, 375 ff.
Bekmann, Historische Beschreibung der Chur- und Mark Brandenburg,
Berl. 1751 ff., 5 Bde. Buch holz, Vers, einer Gesch. der Churmark Brandenbg,
Berl. 1765. Bratring, Statist. -topograph. Beschreibung der M. Brandenbg.,
Berl. 1801—1809, 3 Bde. Riedel, Die Mark Brandenbg. im J. 1250, Berlin
1831, 2 Bde. Berghaus, Landbuch der M. Brandenbg., Brandenbg. 1854 ff.,
3 Bde. Fidicin, Die Territorien der M. Br., Berlin 1857 ff., 4 Bde. Fix,
Territorialgesch. des preufsischen Staates, 3 Aufl., Berl. 1884.
211. Bistum Harclberg. Die Dotation des Stiftes war anfangs eine
bedeutende gewesen, wie die Stiftungsurkunde von 946 zeigt, aber der
Bischof war nicht in den wirklichen Besitz der zugewiesenen Güter
gekommen. Erst später konnten die Bischöfo ihr Stift vergröfsern ; so
erwarben sie käuflich das Land Bellin, die Plattenburg mit Wilsnack
und Zechlin. Zum ältesten Bestände gehörten Wittstock mit Goldbeck
und das Land Klietz im Kreise Jerichow.
Ober den Umfang des Wittetocker Gebietes geben spätere Ortsverzeichnisse
Auskunft. Vgl. hierüber Berghaus, Landbuch I, 639. Goldbeck war als Havel-
berger Lehen 1325 im Besitz der Grafen von Lindow, Herren zu Ruppin, später
(1375) in dem der Familie Bösel; Mitte des XV. Jh. kam es wieder an Ruppin.
Das Landbuch der Herrschaft Ruppin von 1525 von Wolfgang Redorf ver-
zeichnet die zugehörigen Ortschaften. Die Plattenburg wird 1316 zuerst genannt
und damals vom Markgrafen Waldemar an den Bischof verkauft. Das Land
Bellin im Havellande war schon 1294 von den Markgrafen käuflich erworben
worden. Über die Ortschaften dieser Landschaften und die kleineren Er
Werbungen s. Berghaus, 1. c. und die dort verzeichneten Stellen bei Riedel.
212. Bistum Lcbus. Wie über die Gründung des Bistums, so sind
wir auch über den anfänglichen Besitz sehr wenig unterrichtet, Das
Stiftsgebiet war innerhalb des Landes Lelms jedenfalls ein sehr
beschränktes. Es bestand späterhin aus zwei Territorien, von denen
das gröfsere bei Lelms zu beiden Seiten der Oder lag, das andere bei
Fürstenwalde.
Vgl. unten das über die Diözese Lebus Bemerkte. Das Stift war auch in
Galizien (Lublin, Sandomir, Krakau) begütert gewesen. — Der Gebietsteil um
Lebus bestand aus den Vorwerken Lelms, Seelow, Werder, Wollup, den Städten
Lebus, Seelow und Göritz und 26 Dörfern (diesseits der Oder 14, jenseits 12).
Der Gebietsteil Fürstenwalde bestand aus der gleichnamigen Stadt, den Vor-
werken zu Fürsten walde und Beerfelde und sieben Dürfern. Wohlbrück, Gesch.
des Landes Lebus UI, 133 f. Berghaus HI, 169 ff.
213. Schlesien. Das Oderland war seit dem Tode Boleslaw Chrobrys
(f 1025) noch immer ein Teil des polnischen Reiches, wurde diesem
aber seitens der Böhmen (Brotislaw) streitig gemacht. Der Friede von
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213. Schlesien.
341
Glatz 1137 sicherte Boleslaw III. von Polen den Besitz des Landes.
Nach langwierigen Streitigkeiten zwischen seinen Söhnen Wladislaw II.
und Boleslaw IV. kommt es erst unter den Söhnen jenes Wladislaw zu
einer Einigung und Teilung des schlesischen Landes in zwei Hälften,
Ober- und Nied ersc hie sie n , welche für die ganze folgende Zeit von
Bedeutung blieb. Der merkwürdige Grenzhag (Preseca) bildete die Scheide-
linie. Jedes der beiden Herzogtümer wurde später unter die Söhne
Boleslaw V. und Mieslaw (Mesko) und deren Nachkommen wieder geteilt
und entwickelte sich selbständig weiter.
Der Name Schlesien steht mit dem bei Thietmar genannten Pagus
Süensis in Verbindung, d. i. dem Gebiet um Breslau, Schweidnitz und Nimptsch.
Er hiefs angeblich so nach einem bei den heidnischen Slaven geheiligten Berg,
unter welchem nur der Zobten verstanden werden kann, der uns urkundlich
bis ins XIV. Jh. als Slenz, Zlenz, auch Möns Sylencii (1223) namhaft gemacht
wird. Das Nimptsch berührende Flüfschen Lohe hiefs entsprechend Slenza.
Man hat Silensis, Slenz mit der germanischen Völkerschaft der Silingen
(2ihyyut, Ptolem.) in Beziehung gebracht, eines Vandalenstammes, der in der
Völkerwanderung 406 über den Rhein nach Spanien zog. Cf. Zeufs, I). Deutschen,
S. 663, Schafarik, Slav. Alt. U, 405 ff., Müllenhoff, DA. II, 92. Dies würde
allerdings zur Voraussetzung haben, dafs ein Teil der Silingen im Lande zurück-
geblieben wäre und die hereinflutende slavische Bevölkerung den germanischen
Namen auf Berg, Flufs und Gau übertragen hätte. Über den Namen cf. P.
Kühne 1, in Jahresheft d. Ges. f. anthrop. Urgesch. d. Oberlausitz II, 76 — 93.
Partsch, Schlesien 1896, I, 32 f., 330.
Boleslaw III. (f 1138) hatte das polnische Reich unter seine Söhne geteilt
hinterlassen, mit der Bestimmung, dafs der älteste, Wladislaw IL, der Krakau
und Schlesien erhielt, im Interesse der Einheit des Reiches eine höhere Gewalt
als Grofsherzog über die anderen Brüder haben sollte. In dem unausbleiblichen
Streit gewann der Bruder Boleslaw IV. die Oberhand; Wladislaw starb 1162
aufserhalb des Landes. Boleslaw übertrug aber dennoch Wladislaws Söhnen
das schlesisehe Land, die es teilten, so dafs Boleslaw V. Glogau, Liegnitz,
Breslau und Oppeln erhielt, während Mesko mit Ratibor und Teschen ab-
gefunden wurde. Als später ein dritter Bruder, Konrad, ebenfalls Besitzansprüche
erhebt, erhält er 1178 die Markgrafschaft Glogau, während Mesko duren Ver-
mittel ung des Grofsfürsten Kasimir zu seinem Herzogtum Ratibor noch die
Gebiet«' von Beuthen und Auschwitz sowie Zator, Siewierz und Plefs erhält.
Nach Konrads baldigem Tode zog Boleslaw in Glogau wieder ein, doch trat er
seinem eigenen Sohne Jaroslaw, der 1198 Bischof von Breslau wurde, Oppeln
mit Pieschen, Knuzburg und das Neifse-Ottmachauer Gebiet ab. Freilich kam
nach dessen Tode 1201 Oppeln wieder in den Besitz des Vaters, doch war das
Ottmachauer Gebiet von Jaroslaw an das Bistum bereits geschenkt worden,
und dieses bildete später den Grundbesitz des bischöflichen Fürstentums Neifse.
Alles Nähere vgl. in den Darstellungen von Stenzel, Gesch. Schlesiens, 1853,
I, 30 ff. Grünhagen, Gesch. Sehlen., 1884, I, 33—36. mit Quellenangaben
am Sehlufs. Nach dein Tode Boleslaws 1201 eroberte Mesko aber von dessen
Sohne Heinrieh I. das Gebiet von Oppeln, und dieses verblieb seitdem der öst-
lichen Hälfte des Landes, wie denn seit jenem Jahre 1202 die Begriffe Ober-
und Niederschlesien. wenn auch noch nicht unter dieser Bezeichnung, sich
bestimmter herausbildeten. Für die Ausdehnung des Namens Schlesien ist es
bezeichnend, dafs dieser zunächst nur Mittel- und Niederschlesien umfafste,
während der östliche Teil als Oppeln bezeichnet wurde. Noch in der Urkunde
Karls IV. vom 30. November 1H58, werden wiederholt die duces Slezie et Opulienses
unterschieden.
Diese Trennung in zwei Ländergebiete wurde von den feindseligen Herren
derselben noch durch Festlegung einer bestimmten Grenzniarke nachdrücklich
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342 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
gesichert. Schon vordem Instand gegen das zu Böhmen gehörige Glatzer Land
eine Grenzmarke, che Preseka, am Fufse des Eulen- und Reichensteiner
Gebirges entlang ziehend; sie war ein Grenzhag, in welchem man zahlreiche
Stämme gefällt und diese zwischen den stehengelassenen zum Blockzaune auf-
geschichtet hatte. Diese Preseka wurde damals seitens des Herzogs Heinrich 1.
nach N. mier über die Oder weitergeführt, wovon sich Spuren noch erhalten
haben. Sie ging von Friedeberg nach Ziegenhals und von hier nördlich auf
der rechten Seite der Neifse entlang bis zur Oder, weiterhin am Stober und auf
der Grenze zwischen den Kreisen Namslau und Kreuzburg. Grünhagen,
Der schlesische Grenzwald. Z. Gesch. Altert. Schles. 12, 1 — 18. Partschi, 34.
Von Markgraf und Schulte (Cod. dipl. Siles. XIV, S. XXXH) wird bestritten, dafs
die Preseka ein W erk Heinrichs I. sei. Sie sehen in der Preseea, que totam cir-
cuibat terratn Slczie (nach dem Heirichauer Gründungsbuch), die natürliche
Grenze gegen das Glatzerland bzw. Böhmen und Mähren und von Lindewiese
nördlich auf Namslau zu gegen das Herzogtum Oppeln. Denn auch das Neifser-
land, welches Grünhagen zu Oppeln rechnet, wäre samt Ottmachau ein Teil
Terrae Slezie.
Auf eine Schwierigkeit weist Grünhagen noch hin. Die Gebiete von
Rosenberg, Kreuzburg und Pitsehen lagen östlich der Preseka, also in Ober-
schlesien. Gleichwohl verfügte Herzog Heinrich I. über die genannten Bezirke.
Indessen, die zugehörigen Urkunden in Kopialbüchern des Sandstiftes sind nicht
zuverlässig; vgl. Grünhagen, Gesch. Schles. I, Anmkgn. S. 16 f.
Erst seit dem Ende des XIV. Jh. nennen sich einige oberschlesische
Herzöge auch duces Siesie ; der Ausdruck Oberschlesien erscheint zum ersten mal
urkundlich 146'J. Die Umstände, die zur Ausdehnung des Namens Schlesien
auf das ganze obere Oderland geführt haben, erörtert Partsch 1. 35 f.
214. Xicderschlesien hatte unter dorn nächsten Nachfolger Boles-
laws V. eine beträchtliche Ausdehnung erfahren. Unter Heinrich I.
(1202—1238) reichte die Macht des niederschlcsischen Herzogs von den
Grenzen Pommerns bis zum Tatragebirge. Aber schon unter Heinrich II.,
der 1241 in der Mongolenschlacht bei Wahlstatt fiel, wurde sie stark
eingeschränkt. Er war der Stifter der zahlreichen , sich mehrfach
spaltenden Fürstenlinien, die das Land als Privateigentum betrachteten
und es durch wiederholte Erbschaftsteilungen zersplitterten und schwächten.
Die territoriale Entwickelung war folgende: Von Heinrichs II. Söhnen
teilten sich drei in das Land: Boleslaw II. erhielt Liegnitz, Heinrich III.
Breslau und Konrad II. Glogau (Teilung von 1255). Sie begründen
neue Linien, von denen die Breslauer mit Heinrich IV. aber schon 1290
ausstarb. Sein Gebiet geht unter heftigen Fehden an die beiden anderen
Linien über. Unter den Söhnen Boleslaws IL (f 1278) fand eine Zwei-
teilung des Landes statt, indem Heinrich V. Herzog von Liegnitz und
1290 auch von Breslau wurde und der andere, Bolko I., Herzog von
Fürstenberg. Sie wurden die Stammväter neuer Linien, von denen
einige bald wieder erloschen. Heinrichs V. (f 129*5) Söhne teilten 1311:
Boleslaw III. erhielt Brieg. Wladislaw Liegnitz und Heinrich VI.
Breslau. Liegnitz fiel aber nach Verdrängung Wladislaws sehr bald an
Boleslaw, und Heinrich VI., der ohne männliche Nachkommen 1335 starb,
hatte Breslau an die böhmische Krön«' abgetreten. Auch Bolkos I. Söhne
hatten 1303 sieh in die Erbschaft das Vaters geteilt. Der älteste, Bern-
hard, wurde Herzog von Fürstenberg und erhielt Schweidnitz, Bolko II.
Münsterberg und Heinrich Jauer. Der dritte Sohn Heinrichs II. endlich,
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214. Niederechlosien. 343
der Glogauer Herzog K on rad, hatte in Heinrich I. seinen Nachfolger;
von seinen Söhnen setzt Heinrich II. die Reihe der Herzöge von
Glogau fort, während Konrad I. die neue Linie Öls begann. — Das
Endgeschick aller einzelnen Fürstentümer war, dafs sie z. Z. Karls IV.
teils unmittelbar der Krone Böhmen einverleibt waren, teils im Lebens-
verhältnis zu ihr sich befanden.
Die territoriale Herausbildung der kleinen Fürstentümer ist eine sehr
komplizierte. Die durch Erbschaft an mehrere Nachkommen nötig gewordenen
Länderteilungen, bei welchen sieh bald dieser, bald jener Bruder oder Vetter
übervorteilt glaubte, führten zu endlosen Kämpfen, weiteren Zersplitterungen
und neuen Vereinigungen der Teilgebiete. Für die geographische Orientierung
ist die heutige Kreiseinteilung Schlesiens beachtenswert. Auch Grünhagen
hebt hervor, dafs die jetzigen Kreisgrenzen zum gröfsten Teil uralt sind; cf.
Lehens- und Besitz Urkunden Schlesiens und seiner einzelnen Fürsten-
tümer im Mittelalter, hrgb. von Grünhagen und Markgraf 1, 484 ; — im fol-
genden stets unter »LBUrk.« abgekürzt; Bd. I, 18*1, Bd. II, 1883 in Publikationen
aus den Preufs. Staatsarchiven Bd. VII und XVI.
Die erstmalige Teilung des Landes unter die Söhne Heinrichs IL: Boleslaw,
Heinrich. Konrad und Wladislaw war ursprünglich nur eine Zweiteilung, da
die beiden letzteren, für den geistlichen Stand bestimmt, den beiden anderen
als Mitregenten beigegeben waren. Boleslaw und Konrad nahmen Liegnitz
mit Niederschlesien und Lebus. Heinrich III. und Wladislaw Breslau mit
Neumarkt, Schweidnitz, Heiehenbach, Nimptseh, Neifse, Grottkau, Münsterberg,
Brieg, Kreuzburg. Öls, Wartenberg und Stroppen. Da Konrad aber vom geist-
lichen Stand zurücktrat und seinen Landanteil verlangte, so wurde der Boles-
lawschc Teil nach heftiger Fehde nochmals geteilt. Boleslaw erhielt Liegnitz
mit Hainau, Bunzlau, Goldberg, Löwenberg, Greifenberg, Hirschberg, Landshut
und .lauer, Konrad dagegen den grösseren Teil : Glogau mit Wohlau, Winzig,
Herrnstadt, Guhrau, Steinau, Lüben, Sprottau, Sagau, Grimberg und K rossen.
(Lebus war 1249 an die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg und
den Erzbischof von Magdeburg verkauft worden; an letzteren auch Krossen,
welches 1276 von Heinrich IV. zurückgekauft wurde.) Dem ländergierigen
Boleslaw II. gelang es auch, den dritten Teil der Erbschalt seines Oheims
Wladislaw von Heinrich IV. 1277 zu erzwingen, nämlich die Länder von
Striegau und Neumarkt. Die genau verzeichnete Grenze in LBUrk. I, 484 f.
In einem späteren Stadium der Entwicklung (Anfang des XIV'. Jh.) ist
durch Aufteilung des Landgebietes Heinrichs IV. von Breslau (t 12'JO) und durch
verschiedene Wecbselfälle der Besitzstand ein anderer geworden. Die bedeutendsten
Landgebiet«» südlich der Oder, Breslau, Brieg. Schweidnitz, Münsterberg, waren
an die Nachkommen Boleslaws II. gefallen, dagegen Ols, Steinau, Guhrau,
Militsch. Trebnitz. Polnisch- Wartenberg, Namslau. Konstadt, Kreuzburg. Püschen,
Landsberg an jene Konrads, speziell Herzog Heinrich I. (f 1309). Bunzlau
und Hainau, welches er von Heinrich V. von Liegnitz erzwungen hatte (vgl.
hierüber Urk. 1294 6. Mai in LBUrk. II, 3 IT., wichtig für Umfang und Grenz-
bestimmung), mufste er 1297 teils an die Söhne Heinrichs V., teils an Bolko I.
zurückgeben. Auch Namslau, Bernstadt, Konstadt, Kreuzburg, Pitschen, Lands-
berg, Bolcslawice und zwei andere Burgen kamen 1323 an Boleslaw III. von
Liegnitz (LBUrk. IL 12). Von dem grofsen Herzogtum Liegnitz hatte er
einen bedeutenden Teil verpfändet, den Rest, die westlich«' Hälfte von Liegnitz,
Hainau, Goldberg, trat er 1841 an sein«- Sohne Wenzel und Ludwig I. ab, die
1345 und nach des Vaters Tode nochmals teilten (Urk. 1369, 23. Juli, LBUrk 1.
337). Aber nur Ludwig verstand seinen Besitz zusammenzuhalten, indem er
«He Land«* Brieg, Oldau. Lüben, nachher auch Kreuzburg und Pitschen wieder
«Hängte; cf. Grünhagen, Mesch. Selilcs. I, I8f> f.
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344
VI. Politische Geographie um du* Jahr 1375.
Im Herzogtum Breslau wirkte Heinrieh VI., der dureh seinen Bruder
Boleslaw \nel zu leiden hatte und bereite 1327 6. April sein Land an den
böhmischen König Johann zu Lehen auftrug (LBUrk. I, 66), der jenem dafür
die Grafschaft Glatz, die schon immer ein Teil Böhmens gewesen war, auf
Lebenszeit verlieh. Dieser hatte auch Boleslaw zu drängen gewulst, dafs er
1329 9. Mai von ihm seine ererbten Länder Liegnitz, Brieg, Hainau, Goldberg,
Ohlau, Grottkau, Nimptech, Namslau, Bernstadt, Kreuzburg, Landsberg, Pitschen
als Lehen zurückempfing (LBUrk. I, 302, ferner Urk. 1331, ibid. I, 306. und
Wiederholung der Belehnung unter Boleslaws Söhnen 1343, LBUrk. I. 321, und
1345 ibid. I, 328).
Der Landbesitz Bolkos I. umfafste anfänglich Jauer und Löwenberg;
1291 mufste ihm sein Bruder Heinrich V. noch Striegau, Schweidnitz, Reichen
bach, Frankenstein, Münsterberg und Strehlen abtreten. Auch Bunzlau (s. oben)
hatte er erworben. Er gründete die Burg Fürstenberg (an der Stelle des
heutigen Schlosses Fürstenstein) und nannte sich nach ihr Herr von Fürsten
berg. Stenzel I, 110, Grünhagen I, 123. Das weite Gebiet, welches bis auf
die Höhen der Sudeten hinaufreichte, wurde 1301 unter die drei Söhne geteilt,
und es entstanden drei neue Fürstentümer Sehweidnitz, Münster-
berg und Jauer. Da Heinrich von Jauer 1346 starb, so ging sein Land an
Bolko III. von Schweidnitz über. Bolko II. von Münsterberg trug 1336 sein
Land an Böhmen als Lehen auf; es bestand aus den Gebieten Münsterberg.
Reichenbach, Frankenstein, Strehlen, Zobten (Sobotka) und Patschkau
(LBUrk. II, 129). — Auch Schweidnitz- Jauer sollte bald für die böhmische
Krone gesichert werden, da Bolko III. keine Nachkommen hatte und von
seinem Bruder Heinrich nur eine Tochter Anna zurückgeblieben war. Diese,
zuerst für den Sohn Kaiser Karls IV. bestimmt (LBUrk. I, 494), heiratete (nach
dem frühzeitigen Tode des Sohnes) Karl IV. selbst, und Bolko vermachte dieser
Nichte sein Land, welches bestand: aus den Gebieten von Schweidnitz, Striegau,
Bolkenhain, Landshut, Reichenbach (welches inzwischen von Münsterberg als
Pfand in die Hände des Schweidnitzer Herzogs gekommen war; cf. auch
LBUrk. II, 488), Nimptech, Jauer, Löwenberg, Hirschberg, Bunzlau, Zobten (auch
letzteres war von Münsterberg 1343 durch Kauf an Schweidnitz gekommen,
LBUrk. I, 489). Cf. LBUrk. I, 497. Über weitere Landerwerbungen (Hälfte
von Brieg und Ohlau, ferner Grottkau, halb Glogau und 1364 die Niederlausitz),
die Karl IV. begünstigte, da ihm später doch alles zufallen sollte, cf. Grün-
hagen I, 183 f. Bolko starb 1368, und nach mancherlei Zwischenfällen (Grün
hagen 1. c.) wurde Schweidnitz- Jauer an Wenzel, Karls Sohn, vergeben, der
das Land im Todesfalle seinem Vater vermachte.
Für die Entwickelung des Herzogtums Glogau ist das Jahr 1312
mafsgebend, da damals die Teilung des lindes Heinrichs I. (f 1309) stattfand,
welches noch einen Teil von Grofspolen mit Posen, Gnesen und Kaiisch um
fafste. Eis wurde unter die fünf Söhne geteilt, «loch, um einer erneuten Zer
splittcrung vorzubeugen so, dafs nur zwei Teile geschaffen wurden, ein west-
licher, der den Brüdern Heinrich, Johann und Primko zufiel, und ein östlicher
für Bolko und Konrad. Die Urk. 1312 29. Februar (LBUrk. I. 120) gibt den
Umfang an. Der westliche Teil von Öls, Kaiisch und Gnesen umfafste
Lubus, Wohlan, Winzig, Herrnstadt, Trachenberg, Militech, Auras, Trebnitz.
Öls, Bernstadt, Kaulwitz, Namslau. Konstadt, Kreuzburg, Landsberg, Pitschen.
Boleslawice (im russ. Gouv. Kaiisch), Polnisch-Wartenberg, Orla (bei Koschmin),
Sehroda, Pobedist, Kletzko, Nakel. Gnesen, Peisern, Wrimstadt (?), Konin, Neu
Stadt (?). Der östliche Teil mit den Hauptstädten Posen und Sagan um
fafste: Steinau, Lüben, Sprottau. Sagau, Naumburg a. Bober, Grünberg. Krossen.
Panitz (Provinz Posen), Guhrau, Kosten, Schrim, Posen, Rogasen, Usch, Obornik.
Wronke, Grätz, Kriewen, Gostyn, Priment, Brandorf, Bentechin, Sehlawa, Frau
Stadt, Liebenau (Kr. Züllichau). Es reichten die beiden Gebietehälften also
nördlich bis an die Netze ; allerdings blieben die polnischen Länder nicht
lange in den Händen der schlesischen Herzöge. Bereits 1329 hatten aufser Primk«»
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215. Oberechleaion.
345
auch die Herzöge
Johann von Steinau,
Heinrich von Sagan
und Konrad von Olfl
ihre Lande an die
Krone Böhmen zu
Lehen aufgetragen
(LB.-Urk.I,12!);U,17,19
in welchen die I^andge-
biete einzeln namhaft
gemacht werden). Grün«
hagen 1. 144 f. Nach
dem Tode Primkos 1331
huldigten auch Stadt und
Land Glogau dein böh-
mischen König.
Als Karl IV. den
Thron bestiegen hatte,
war er auf einen feste-
ren Anschluß* Schlesiens
bedacht; 1348 und 1355
verleibte er der böhmi-
schen Krone die Lehens-
fürstentümer von Schle-
sien und Polen (d. i.
Oberschlesien) . ebenso
die Marken von Bautzen
und Görlitz ein. Auch
der unmittelbare Besitz
des Königs wird in der
Urk. 1355 9. Oktober
aufgeführt: Breslau, Neu-
markt, Bautzen, Görlitz,
Steinau, Guhrau, halb
Glogau (seit 1331),
Frankenstein und Nams-
lau. Grünhagen I, 1 78 f.
Stenzel I, 130 ff.
(LBVrk. I, 8—13).
215.0berschlesien.
Wie oben angegeben,
hatte Mesko I. zu
seinem väterlichen
Erbteil Ilatibor und
Tesches noch durch
Vermittelung des pol-
nischen Königs Kasi-
mir die Landschaften
Betitheil, Auschwitz,
Zator , Siewierz und
Plefs erhalten , und
1201 gewann er nach
dem Tode Boleslaws
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346
VL Politische Geographie um das Jahr 1375.
noch Oppeln. Dieser gesamt« oberschlesische Besitz wurde unter
seinen Nachkommen mehrmals geteilt und teilweise wieder vereinigt.
Doch vollzog sich die territoriale Ent Wickelung sehr viel ruhiger als
unter den niederschlesischen Herzögen. Erst unter seinem Enkel Wladislaw
trat eine Teilung 1278 ein. Da die genealogischen Verhältnisse der
späteren Nachkommen nicht hinreichend klargestellt sind, so ist der
innere erhschaftliche Zusammenhang nicht durchgehends sicher (s. Tabelle).
— Die oberschlcsischen Teilftirsten hatten schon 1289 dem böhmischen
König Wenzel II. gehuldigt, 1327 erfolgte die neue Huldigung und
Lehensauftragung ihrer Länder an König Johann.
Die vier Huhne Wladislaws I. hatten das Land geteilt, so dafs: Mesko
Teschen und Auschwitz erhielt; Kasimir (f 1812) Beuthen und Kusel; Bole-
slaw (f 1313) Oppeln, Falkenberg und Strehlitz; Przemislaw (f I3<>6) Ratibur
mit Sohrau und Plefs. Unter deren Söhnen landen weitere Teilungen statt.
Die Lehensauftragung aller Teilfürstentümer an König Johann von Böhmen
1327 gibt am besten einen Einblick in die Verteilung der Landgebiete. Die
zugehörigen Urkunden (bei Grünhagen-Markgraf, LBUrk. II.) führen auch die
zugehörigen Gebietsteile regelmässig auf. Johann (f ca. 1371), der Urenkel
jenes Wladislaw L, führt in der Lehensurkunde auf: das Land Auschwitz
(poln. Oswencin, jetzt Oswiecim) mit Stadt und Burg gleichen Namens, Stadt
Autor östlich von jener sowie die kleineren Städte Kentv, Saybusch, beide
an der Sola, Wadowice an der Skawa, Spytkowiee östlich von Zator unweit
der Weichsel. LBUrk. II, 577. Bierniann, Zur Gesch. der Herzogtümer Zator
und Auschwitz, Sitzher. Wien. Akad. phil hist. Kl. 1H(\'2, S. f,07. R. Temple.
im Notizenblatt der hist.statist. Sekt, der mährischschles. Gesellseh. 1871.
13 ff., 1«73, 49 ff. Kasimir (f 1358) besafs Land Teschen mit Stadt und
Burg, ferner Freistadt, Skotsehau, Bielitz, Jablunkau (Jemnicz) und Mahriseh-
Ostrau (Ost ra via), also die östliche Hälfte vom heutigen Ostcrreichisch-Sehlesien,
LBUrk. II. 559 f. Bierniann, Gesch. d. Herzogtums Teschen, 1862; Wladi-
slaw (f ca. 1351): das Land Kosel mit den Städten Kosel, Beuthen, Peiskret-
scham und den Burgen Tost und Sehlawentzitz a d. Klodnitz, LBUrk. II, 417 f.
Ihm gehörte ferner das 1337 von Teschen zurückgekaufte Gebiet Siewierz
(Severien) unmittelbar östlich des Beuthencr Landes mit Sehlofs Siewierz
(Sevor), LBUrk. IL 625; Bolko IL (f 1362): das Land Falkenberg und
Strehlitz mit den Städten Falkenberg, OberGlogau < ( Uogoviti minor/, Zülz
(Czuloss), Grofs-Strehlitz und Prainscn im SW. von Zülz, LBUrk. H, 303.
Hierzu kam 1337 durch Kauf vom böhmischen Könige Land und Stadl
l'rudnik (Xova civihut, Neustadt an der Prudnik), LBUrk. II. 305; Boleslaw II.
(f 1356): das Land Oppeln mit der Stadt Oppeln (Opol), Hosenberg und
Sehlofs Craaslow (Kraskau im Kr. Hosenberg V;. LBUrk. IL 304; Leskt»
it 1836): das Land Ratibor mit Stadt und Sehlofs. ferner Loslau, Sohrau i.
Oberschles., Plels. Gleiwitz (Klewicz) und Rybnik (Hibinek). LBUrk. II, 371».
Statt Loslau stellt in der Urkunde Cosla also = Kosel), vermutlich ein
Irrtum. \'trl. hierzu die genealogischen Tabellen von Grotefend i Stammtafeln
der sebles. Fürsten bis 1740) t. V— VII, die freilich nicht ganz einwandfrei zu
sein scheinen.
Als Boleslaw, der Knkel jenes Kasimir von Kosel und Beuthen 1355
ohne männliche Nachkommen gestorben war. wurde der Krbstrcit übet die
Nachfolge in diesem Herzogtum durch Karl IV. zugunsten der Herzöge Konrad
von Ols und Przemislaw (franko) von Teschen, dem Schwiegersohn Boleslaws,
entschieden. LBUrk. II. 423 und die Landesteilung zwischen Konrad und
Primko (ibid. II, 4*J5 ff.), die sich zwanzig Jahre lang hinzog.
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216. Neifse.
347
216. Nelfsc. Über die Gründung des Bistums Breslau ist uns
wenig bekannt. Erst in einer Urkunde Papst Hadrians IV. (1155) werden
die dem Bistum von Fürsten und Grofsen geschenkten Güter und
Besitzungen in 18 Burggrafschaften (Kastellaneion), nämlich die Burgen
Ottmachau und Militsch und (50 Dörfer, namhaft gemacht. Eine bedeutende
Vergröfserung erfuhr der Grundbesitz des Bistums durch Jaroslaw, den
Sohn Boleslaws V. (s. oben), indem er als Bischof von Breslau (1198 — 1201)
die angrenzende Terra Nissensis für das Bistum erwarb. Hiermit war der
Grund zu dem späteren bischöflichen Fürstentum Neifso gelogt. Doch
waren mit dieser Güterschenkung keine hoheitlichen Rechte verbunden,
vielmehr übten die Breslauer Herzöge die landesherrlichen Rechte über
jenes Gebiet aus. Auch wird Neifse in der Bulle Innocenz' IV. (1245),
in der alle Besitzungen der Breslauer Kirche, unter anderen Ottmachau,
aufgeführt werden, nicht genannt. Um 1222 waren Ujest in Oppeln und
1236 das Städtchen Steinau in Oberschlesien noch hinzugekommen.
Die Fehde zwischen Herzog Heinrich IV. und dem Bischof Thomas, die
1288 beigelegt wurde, erhöhte die Machtstellung des Bistums; in dem
sog. grofsen Privilegium Herzog Heinrichs für den Bischof Thomas (1290)
wird diesem Freiheit von allen Lasten und das fürstliche Recht innerhalb
des Neifse-Ottmachauischen Gebietes zugesprochen. 1344 erfuhr der
weltliche Besitz des Bistums einen erheblichen Zuwachs durch Ankauf
von Stadt und Land G rottkau von dem geldbedürftigen Herzog
Boleslaw von Liegnitz-Brieg. Noch in demselben Jahre nahm der Bischof
das Gebiet vom böhmischen König Johann als Lehen entgegen.
Bis zur Mitte des XI. Jh. waren die Bischöfe wegen der Einfälle der
Böhmen genötigt, ihren Sitz in der Burg Rczen (Ritsehen) am rechten Oder-
ufer zwischen Brieg und Ohlau zu nehmen. Erst nachher konnte der Sitz
wieder nach Bn»slau verlegt worden. Stenzel, Oeseh. Schles. S. 27. Morgen-
hesser, Gesch. v. Schles. S. 6.
über die Urkunde Hadrians IV. von 1154 23. April vgl. Wattenbach
in Z. f. Gesch. Schles. (1858) II, 11)1 — 4. Heyne, Kirchen- und Diözesan-
gesch. Schlesiens, 1.860, I, 104 If. Schulte in Z. f. Gesch. Schles. XXIX
(1895). 73—80. -- Die Urkunde Innocenz' IV. von 1245 9. Aug. bei Stenzel.
l'rkk. z. Gesch. d. Bistums Breslau, 1845, Urk. V S. 7 ff.
Die Überweisung von Ujest an der Klodnitz mufs 1222 erfolgt sein,
da in diesem Jahr Herzog Kasimir von Oppeln dem Bischof deutsehe Ansiede-
lungen auszusetzen gestattet. Urk. bei Tzschoppe und Stenzel, Urkunden-
sammig. z. (iesch. d. Ursprunges «1er Städte in Schles. und Oberlausitz, S. 2s0 f. —
(Jraf Zbrozlaw schenkt 1236 Steinau (Stynavia) in Ob.-Schles. Die Urk. bei
Heyne I. 317. Tzschoppe, 1. c. 8. 300.
In dem grofsen Privileg wird speziell die Terra Khensis und Ofmacho-
vienm mit dem Jus ducale zugesprochen. Die Urk. 1290 2:t. Juni in LBUrk. II,
198. Indessen hatten die Bisehöfe damals noch nicht den Titel eines Fürsten
geführt, den sie erst weit später, noeh nach der Erwerbung von Grottkaa, er-
hielten. Stenzel, Gesch.. S. 106. Die Kastellanei Ottmachau war das ur-
sprüngliche Patrimonium der schlesisehen Kirche; es war ihr sicher vor 1155
verliehen worden. Durch Jaroslaw wurde das Neifserland, nach dem alten
slav. Ort Ncifse benannt, hinzugefügt. Erst unter Bischof Prezlaw wird es
üblich, beide Gebiete unter dem gemeinsamen Namen des N'eifsesehen zu-
sammenzufassen. Vgl. Cod. dipl. Silesiae t. XIV (1889), S. XV— XVII; ebenda
der Liber ftutdationis episcopatus Vratishtviensis . der ein Einnahmeregister des
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348
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375
Breslauer Bistunis aus dem Anfang des XIV. Jh. enthält, hrgb. von Markgraf
u. Schulte. Der Text der Register von Breslau, Ujest (Wyasd), Liegnitz und
Glogau ist von geographisch wichtigen Anmerkungen begleitet.
Grottk.au war von Boleslaw schon 1343 an das Bistum verpfändet
worden, 1344 wurde es verkauft und abgetreten. LBUrk. II, 205, 206. Die
von den böhm. Königen immer von neuem bestätigten Belehnungen ibid. II,
208 ff.
Ferner kamen an das Bistum: die Stadt Patschkau durch Kauf vom
Herzog Nikolaus von Münsterberg. Dieser verzichtet auch (1350) auf alle Hoheits-
rechte im Gebiet von Wansen (nordostl. von Strehlen). LBUrk. II, 213.
Kleinere Erwerbungen waren Sehlofs Kaldenstein (südöstl. von Fried-
berg) 1345, Schlofs Jauernick 1348, Burg Friedeberg 1358, u. a. Näheres
bei Heyne, 1. c. I. 750 ff., 757 ff.
217. Polen. Die östlichsten Landschaften Mitteleuropas standen
jahrhundertelang in engsten Beziehungen zum polnischen Reiche.
Wenn letzteres, auf dem Übergange von Mittel- nach Osteuropa gelegen,
seinen Machtbereich besonders nach Rufsland hinein ausgedehnt hat und
nach dorthin gravitierte, so mufs 68 doch auch an dieser Stells eine
nähere Berücksichtigung erfahren, um so mehr, als das Kernstück des
späteren Königreiches noch zu Mitteleuropa gehört und einzelne Pro-
vinzen, wie Posen, zeitweise auch Preufsen und Pommern, Teilstücke des
Reiches waren. — Schon unter der Herrschaft des Piasten Boleslaw I.
mit dem Beinamen Chrobry (992 — 1025) hatte es eine grofse Ausdehnung
angenommen. Jener hatte Pomereilen mit Danzig gewonnen, ferner
Schlesien, Krakau und Sandomir und Teile von Rotrufsland. Auch die
Lausitz fiel ihm zu; nur Böhmen konnte er nicht dauernd behaupten.
Doch schon unter seinem Nachfolger wurden einzelne Teile wieder los-
gerissen und das Bestreben, sie wieder zu erlangen, was teilweise auch
gelang, füllte einen Teil der folgenden Jahrhunderte aus. Die Aus-
dehnung des polnischen Reiches im XII. Jh. ergibt sich aus der Teilung,
welche Boleslaw III. (f 1139) für seine vier Söhne vornahm. Nach ihr
erhielt der älteste, Wladislaw II., den Primat über das ganze Reich
sowie Krakau, Sieradien, Lentschitz, Schlesien und Pommern; Mesko
(Mieczyslaw): Gnesen, Posen und Kaiisch mit ihrem Zubehör; Boleslaw IV. :
Masowien, Dobrzin, Kujawien und die Kulmer Kastellanei; Heinrich
erhielt Sandomir. Das XIII. Jh. führte aber wieder zur Loslösung
gröfserer Länderbezirke, die ohnedies nur in loser Beziehung zu Polen
gestanden hatten. Die Einwanderung von Deutschen, die Begründung
von deutschen Dörfern und Städten, dann die zeitweilige Herrschaft eines
schlesischen Piasten Heinrich IV. von Breslau (1288 — 1290), der unter
deutscher Überhoheit stand, schienen das polnische Land immer mehr
nach Westen hinüberzuziehen und zu einem Teil des Deutschen Reiches
machen zu wollen. Zwistigkeiten im Innern und ferner die wiederholten
Landesteilungen liefsen den Primat über das Reich immer tiefer sinken,
und damit war den Nachbarstaaten auch die Möglichkeit gegeben, sich
auf Kosten Polens zu bereichern und strittige Gebiete an sich zu reifsen.
Die Grenze Polens war in diesem ganzen Zeitraum niemals eine bestimmte
gewesen und hatte gegen das Deutschordensland, Pommern, Branden-
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217. Polen.
349
bürg und Schlesien unausgesetzt geschwankt, wie die politischen Ver-
hältnisse und die Kriege es fügten. Diese andauernden Feindseligkeiten
gegen die Nachbarn stärkten die nationale Seite des Polentums und ver-
tieften den Gegensatz gegen das deutsche Element, obwohl die deutsche
Einwanderung auch im XIV. Jh. noch anhielt und von den Polen
befördert wurde. Das in mehrere Herzogtümer gespaltene Land sollte
unter Wladislaw Lokietek (1306—1333) wieder in engeren Verband
gebracht werden; seine Machtstellung äufserte sich auch darin, dafs er
1320 zum König gekrönt wurde. Unter ihm und durch ihn verschob
sich auch der Sitz der Regierungsgewalt, der, sonst in Grofspolen gelegen,
Posen und Gnesen gewesen war, nach Kleinpolen, wo Krakau die
Krönungs- und Residenzstadt wurde. Sein Nachfolger Kasimir der Grofse
(1333 — 1370), der letzte polnische Piast, sicherte das Reich nach aufsen-
hin durch Friedensschlüsse und festigte es im Innern.
Der I^andcsname Polen, lat. Polonia, ist ein echt slavischer; Polje heilst
das Feld mit der Nebenbedeutung: Ebene, Flachland. So erklären es schon
die Chronik des Abtes Theodosius von Kiew (XI. Jh.), ebenso die Kaiser-
geschichte des Gervasius (f 1235): inter Alpes Hunine et oceanum est Polonia sie
dicta in eorum idiomate quasi campania, und viele andere bis zur Gegenwart. Cf.
Egli s. v.
Schon in der ersten Hälfte des Mittelalters hatten sich die .späterhin
allgemein üblichen, unterscheidenden Bezeichnungen der einzelnen polnischen
Ijandschaftsbezirke gebildet, wie Grofspolen (Major Polonia), Kleinpolcn,
Kujawien, Masowien, Sieradien u. a. m. Sehen wir, wie bemerkt, von den
schwankenden Grenzverhältnissen in den verschiedenen Perioden der polnischen
Geschichte ab, so gestaltet sieh der Umfang von Grofspolen im Mittelalter
nach Lekszyeki (Poln. Grodbücher I, 5) folgendermafsen. »Der den Namen
Grofspolen führende Landesteil des alten Polens «leckt sich, in der Hauptsache
wenigstens, mit der Provinz Posen. Nur nach Osten hin greift er über das
oreufsischc Gebiet hinaus, indem er über Kaiisch hinweg bis auf wenige
Meilen' an die Warthe, ungefähr bis zur Stadt Warta sich erstreckt. Von da
läuft die Grenze etwas zurückspringend nach Norden, überschreitet die Warthe
in der Biegung bei Kolo, geht dann in nordwestlicher Richtung und wendet
sich in der Gegend von Kwieciszewo der Netze zu.« Nicht zu (irofspolen ge-
hörten dagegen die nordöstlichen Teile der heutigen Provinz Posen, die Gebiets-
teile von Kujawien ausmachten. Chr. Meyer, Geschichte der Provinz Posen,
Gotha 1891, S. 37, 257 ff. Bei der Bestimmung der ältesten Landesgrenzen
von Polen wird man sich an die ethnischen Verhältnisse halten müssen.
Gegen Norden bildete die Netze die altangestammte Grenze zwischen Pommern
und Polen. Hier war Nakel pommerische Grenzfeste gegen die polnischen
Nachbarn. Nakel Castrum tibi confinit Polania cum Pomerania (MG. SS. XI, 466 !.
Fluvium Notez nuneupatum, tibi metae Polonorum terminantur ( Urk. 1296 10. März).
Weiter nach W. wurde die Grenze durch einen dichten Urwald vervollständigt,
durch welchen Boleslaw einen notdürftigen Weg hatte sehlagen lassen, wie
die Vita des Bischofs Otto von Bamberg II, 10 bemerkt. Da letzterer von
Polen nach Pommern über das Kastell Uzda reicht in extremis Poloniae Jinibus
und dieses an anderer Stelle in confinis ntriusque terrae liegend genannt wird
(das heutige Usch), so scheint auch hier die Netze, wie weiter unterhalb
Santoch die Warthe, die Teilungslinie neben den unzugänglichen Waldungen
gebildet zu haben. Bis zum Ende des XI. Jh. hatten die nommerisehen Fürsten
sich mit Erfolg zu behaupten vermocht, dann drangen die Polen nach Norden
vor, besonders seit der Entscheidungsschlacht von 1109, als der Polenherzog
Nakel und sechs andere Festungen wiedergewann. Doch blieb es ein schwan-
kender Besitz. Seit 1269 setzten sich überdies die Brandenburger Markgrafen
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VI. Polit'iHche Geographie um da* Jahr 1375.
in dem Lande zwischen Drape, Netze und Küddow fest. — In) W. scheint die
älteste ethnische Grenze die Oder gewesen zu sein. Bei Rahewin in der Fort-
setzung zu Otto von Freising heilst es: Odera . . . qui ex iüa parte totam Polo-
nium quasi mnriis ambit. Zeitweise (seit Mesko I.) reichte die polnische Macht
westlich über die Oder, doch schon 1163 ging das Land Lelms zu beiden
Seiten der Oder (s. S. 338) Polen wieder an Schlesien verloren. Im Jahre 1249
verkaufte dann Boleslaw der Kahle, der Sohn Herzog Heinrichs des Frommen
von Schlesien, den einen Teil von Lebus an die Markgrafen Johann und Otto
von Brandenburg und den anderen an den Erzbischof von Magdeburg (doch
fiel des letzteren Anteil 133b" ebenfalls an Brandenburg).
Seit Heinrieh I. (dem Bärtigen) von Schlesien hatte der ganze westliche
Teil von Grofspolen bis zur Warthe zu jenem Lande gehört. Unter seinem
Enkel Boleslaw dem Kahlen Hei ein grofser Teil an Polen zurück, jedoch die
westliehen Landesteile verblieben bei Schlesien. Die Gegend von Schwerin
a. d. Warthe südwärts über Meseritz, Brätz, Bomst gehörte noch Anfang des
XIV. Jh. den Glogauer Herzögen, die Gebiete von Birnbaum, Betsehen, Tirsch-
tigel (forstete]), Bentsehen, Köbnitz und Fraustadt dagegen den Polen. Das
Land nördlich der Obra wurde den Glogaucrn 1312 und 1323 aber durch
Wladislaw entrissen, während Unruhstadt, Bomst. Brätsch, Tirschtigel an den
Markgrafen Konrad 1319 verloren gingen; doch kamen diese Gebiete der Neu-
mark sehr bald wieder abhanden. Köbnitz, Bomst und Bentsehen gewann der
Herzog von Sagan wieder. Die Grenze Polens wurde aber sehr bald über die
Obra hinaus verschoben. Noch Wladislaw Lokietek gewann das Land am
rechten Ufer der Faulen Obra von deren Mündung in die Oder an und das
Land am linken Ufer der Obra bis Meseritz. Im Jahre 1343 kam die Gegend
um Fraustadt wieder hinzu, 1345 waren Biesen, Schwerin, Meseritz, Brätz.
Bomst jedenfalls polnisch. Vgl. im übrigen Meyer, 1. c. 23 fT. Wuttke,
Städtebuch des Landes Posen, Lpz. 1877, S. 197 IT. Ferner die Untersuchungen
im Cod. dipl. Majoris Poloniae IV, 352 iL
Was die innere Einteilung des Landes anbelangt, so zerfiel es (ähnlich
wie Schlesien) in sog Kastellaneien, die nach der Burg (Kastell) genannt
wurden ; ihnen standen militärische Befehlshaber (Kastellane, Burggrafen) mit
administrativen und richterlichen Befugnissen vor. Die Abgrenzung der
Kastellaneien ist jetzt nicht mehr festzustellen. Genannt werden folgende:
1. Nakel, 2. Palnki südlieh von Nakel, 3. Gnesen. 4. Lad, 5. Ostrowo, 6. Kaiisch,
7. Kriewen, 8. Kröben, 9. Priment, 10. Bentsehen, 11. Meseritz, 12. Driesen,
13. Filehne, 14. Czarnikau, 15. Usch, 1(5. Sutrogrod, 17. Xions (Kschonz in
der Nähe der Warthe), 18. Bnin (bei Kurnik), 19. Biechowo, 20. Giccz, 21. Kosten.
22. Posen, 23. Hogasen, 24. Scbrimm. Vgl. Meyer S. 45.
Über dem Kastellan stand der Woiwode (poln. Wojewoda) als Statthalter
eines größeren Landschaftsbezirkes. Woiwodschaft. Grofspolen war in zwei
Woiwodschaften geteilt : 1. Land Ka lisch mit Gnesen, Tschemesno, Strelno,
Usch. Schneidemühl, Mogilno, Powidz, Kletzk, Wongrowitz. Polnisclv Krone.
Nakel, Exin, Sennin, Grabow; 2. Land Posen (Terra PowianietmisJ umfafste
das übrige Gebiet. So in einer Lrkunde von 1524; doch werden anderwärts
Strelno, Polnisch-Krone als kujawische Orte bezeichnet, wie überhaupt die
Abgrenzung der Woiwodschaften und die Schaffung neuer durch Teilung der
gröfseren eine sehr wechselnde war.
Ku ja Wien, auf deutsch Kuja, Knjan, auch Wladislawa genannt nach
der ehemaligen Hauptstadt Wladislaw, heute Wlozlawck a. d. Weiehsel mit
dem Beinamen Velus (im Gegensatz zu dem neuen Wladislaw, Jungleslau oder
Innowladislawia, heute Inowrat/.law;, mit zwei Woiwodschaften: Innowladislaw
(seit 140(1) und Brzesc. Das Land zu beiden Seiten der Weichsel oberhalb
Thorn gelegen gehört jetzt größtenteils zu Russisch-Polen. Von der heutigen
Provinz Posen geborten noch dazu die Gegenden um Bromberg, Jungleslau,
Kraschwitz, Schulitz, Gnifkow, Strelno, Polniseh-Krone. Die Bromberger
Gegend wurde lange auch zu Masowien gerechnet. Cf. Wuttke, S. 198. Das
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218. DoutHch -OrdensKebict (Preufsön).
351
Herzogtum Dobrzyn rechts der Weichsel bildete ein Teilstück von Kujawien.
Um diese Länder wurde mit dem Deutsehen Ritterorden im XIV. Jh. ein er-
bitterter Krieg geführt, den Kasimir 1843 durch den Kalischer Frieden be-
endigte ; er behielt Kujawien und Dobrzyn, mufste aber auf das Kulmerland,
Michelau und Pomerellen verzichten, Pawinski, Gesch. des Landes Kuja-
wien, Warschau 1888 (poln). Borucki, Das Land Kujawien, 1883—86 (poln.).
Masow ien (Masovia) schliefst sieh östlich an Kujawien an und umfafst
das Land zu beiden Seiten der Weichsel mit der Hauptstadt Warschau. Es
soll seinen Namen von einem Mundschenken des Königs Mcsko IL, Masos
haben, der sich zum Landesherrn aufschwang, aber bald unterlag. Die äufsere
und innere Entwickelung des Landes 'gehört ganz der polnischen Geschichte an.
218. Deutsch-Ordensgebiet (Preufsen). Das Land östlich der
unteren Weichsel bis zum Meere war seit alters von baltischen (aistischen)
Völkern bewohnt gewesen: von den heidnischen Preiiisen (Pruzzi) und
weiter östlich von den Litauern. Bis zum Endo des X. Jh. waren sie
noch nicht in den Kulturkreis des Deutschen Reiches getreten. Der
Märtyrertod des hl. Adalbert von Prag im Jahre 997 und bald darauf
das gleiche Geschick des Bruno von Querfurt brachten die ersten Ver-
suche, in das Preufsenland vorzudringen, zu einem vorläufigen Abschlufs.
Erst im Anfang des XIII. Jh. wurde das Werk der Christianisierung
von neuem in die Hand genommen, aber es hätte unter Christian, dem
ersten Bischof der Preufsen (1215), keinon dauernden Bestand gehabt,
wenn nicht zugleich auch eine Eroberung des Landes eingeleitet worden
wäre. In einem 53 jährigen blutigen Vernichtungskampfe warf der von
Bischof Christian und Konrad von Masowien herbeigerufene Deutsche
Ritterorden das Preufsenvolk nieder (1230—1283). Von Kaiser
Friedrich IL waren dem Orden schon vorher das Kulmerlan dund Preuisen
als Reichsleben zugleich mit der Reichsfürstenwürde verliehen worden.
Nach dem glücklich beendeten Eroberungskriege begann man mit einer
wirtschaftlichen Eroberung. Waren schon während des Kampfes zahl-
reiche Deutsch-Ordensburgen (Kulm, Thorn 1232, Marienwerder 1233,
Elbing 1237) als militärische Stützpunkte begründet worden, neben
welchen sich Städte mit deutschen Einwanderern entwickelten, so wurde
nun die Gennanisierung des Landes in den nachfolgenden Zeiten des
Friedens systematisch betrieben. Zugleich hoben sich dadurch Handel
und Wandel; wie Marienburg seit 1309 die Residenz des Hochmeisters
wurde, so erblühte als Handelsmittelpunkt das im Küstenbereich gelegene
Danzig. Letzteres war mit dem ehemals pomraerischen Fürsten gehörenden
Pomerellen (westlich der Weichsel) vom Orden erst 1310 hinzuerworben
worden. So war hier im äufsersten Nordosten des Reiches ein neues
Herrschaftsgebiet entstanden, welches unter der Regierung des Hoch
meisters Winrich von Kniprode (1351—1382) den Gipfel seiner Blüte
erreicht hatte.
Der Name von Land und Volk tritt zuerst am Ende des X. Jh. auf.
Während vordem das Volk in Ermangelung eines spezielleren Namens noch
Asticr genannt wird (so bei Cassiodor im Anfang des VI. Jh.; auch Einhard
spricht von den Aisten. die an dem nach 0. sich erstreckenden Meerbusen
wohnen), bezeichnet es die Vita et passio S. Adalberti als Pruzzi und Prutheni
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352
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
und das Land als Pruscia und Pruzzia, bei Martinus Gallus (88. IX, 428) heilst
es Prima, bei Thietmar (VI, 58) Prucia, beim Chronisten Petrus Dusburg Prussia.
Adam von Bremen (II, 19, 83, IV. 18) nennt sie Pruzzi, führt den Landes-
namen aber nicht auf, vielmehr nennt er das Volk auch Semben (Sembi rel
Pruzzi), und das Land heifst bei ihm Setnland, ohne dafs er aber von der geo-
graphischen Situation eine richtige Vorstellung hätte, denn er sieht in ihm eine
Insel. Es dürfte schwer halten, dem damaligen Preufsenlande, d. h. dem
Begriff Pruzzia, eine bestimmte Abgrenzung zu geben. Wie Thietmar schon
unter Preufsen auch Litauen (LituaJ mit zu begreifen scheint, so wird auch in
dem v Erdbuch« Waldemars (Anfang des XIII. Jh.) unter Pruzzia auch LUtoxia, ja
selbst Kurland und Semgallen verstanden ; auch die päpstlichen Urkunden geben
dem Landesnamen eine gröfsere Ausdehnung. Vgl. Töpjpen, Geogr. v. Preufsen,
S. 35 ff. Dusburg (XIV. Jh.) gibt als Grenzen an: die Weichsel, das Meer,
die Mcmel sowie Kufsland und Polen. Jedoch deckt sich der Name des
Preufsenlandes in diesem Falle nicht mit dem von den eigentlichen Pruzzi
bewohnten Gebiet ; abgesehen davon, dafs bis zum alten I*auf der Nogat der
pommerische Bereich sich erstreckte, war auch das so abgegrenzte Gebiet nicht
ausschliefslich von Preufsen bevölkert gewesen ; vielmehr griffen Litauer und
Polen von O. und S. her in die Preufsenländer hinein. Krst im XIII. Jh. er-
fährt der Name eine engere territoriale Begrenzung. Vgl. Lohmeyer, Gesch.
v. Ost- u. Westprcufsen, S. 10 ff. Unklar ist immer noch die etymologische
Deutung des Namens; von den vielen, recht abenteuerlichen Versuchen führe
ich lieber keinen an. Schon die Frage, ob der Name aus dem Preufsisch-
Litauischen oder Slavischen zu erklären ist, ist noch nicht entschieden. Möllen-
hoff (DA. IL 14; vgl. auch II, 348) trat mit Entschiedenheit für slavischen
Ursprung ein. Die Namenbildung Borussia läfst sich zuerst im Anfang des
XIV. Jh. nachweisen und ist seit der Königskrönung 1701 offiziell geworden. —
Näheres über den Namen vgl. bei Voigt, Gesch. Preufs. I, 6Ö7— 673. Loh-
meyer in den Wiss. Monatsbl. VII, 7 ff.; im übrigen Egli, Nom. geogr., S. 743.
Das ganze Land war ehemals in Gaue eingeteilt, deren Namen sich in
späterer Zeit erhalten hatten, ja noch in der Gegenwart im Munde des Volkes
sind. 1. Kulinerland erfüllt den Raum zwischen der Weichsel und ihren
Nebenflüssen Ossa und Drewenz. Es ist oftmals mit Unrecht zum eigentlichen
Preufsenlande gezählt worden, war vielmehr ein Teil von Polen; erst jenseits
der Ossa begann Preufsen. Im O. schlofs sich 2. die preußische Lübau an.
die bis zur Grofsen Wicker reichte. 3. Pomesanien umfafste das Land von
der Weichsel-Nogat im W. bis Elbing abwärts und zum Drausensee, im 0. bis
zur Weeske und südwärts am Ostrande der oberländischen Seen bis zum Dre-
wenzsee und ein Stück die Drewenz abwärts. 4. Ermland oder Warmien
begriff die zwischen Pomesanien und dem Frischen Haff befindliche Küsten-
landschaft, die bis zum Pregel gereicht zu haben scheint. Jenseits des Pregel
folgte als weitere Küstenlandschaft 5. das Samland von Pregel, Deime, den
beiden Haffen und dem Meer umschlossen. Mitten im Lande lag 6. Poge-
sanien, dessen I-age und Begrenzung immer am meisten Schwierigkeit gemacht
hat. im Gebiet der Passarge und oberen Alle, etwa um das Städteviereck Wonnditt.
Heilsberg, (Buttstädt, Liebstadt. An Ermland schlofs sich 7. Natangen an.
welches im übrigen vom Pregel und der Alle (mit Ausnahme ihres untersten
Laufes) umschlossen war. Im SO. von dieser Landschaft lag 8. Barten, in
< irofs-lJarten und Klein Barten oder Plica- Barten zerfallend; letzteres das süd-
westliche Ende von Barten bildend. I ber die Ausdehnung von Grofs Barten
sind wir durch die Grenzbegehreibung von 1323 unterrichtet. Es umfafste das
Land von der Alle an südostlich nicht ganz bis an den Mauersee. Im S. folgen,
östlich an Lübau sich anschließend, 9. Sassen (Hasenland), nördlich bis zum
Drewenz und Schillingsee und östlich bis zur oberen Neide reichend, und
weiterhin 10. Galindien bis an den Spirdingsee. Den SO. des Preufsen-
landcs umfafst 11. Su dauen, auch Jatwesen, Jadwisze und Jatzwingen
genannt und bewohnt von den Jadzwingern oder Jatwiagen, von den Polen
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218. Deutsch Ordensland (PreoTaen).
353
Polexianer genannt, die ein vermutlich selbständiger Zweig der baltischen
Völkerfamilie sind. Sie bewohnten das Gebiet von Inster, Angerapp und den
grofsen niasurischen Seen bis zum Narew. 12. Nadrauen (Nadrue, NadroweJ
zu beiden Seiten des mittleren Pregels östlich vom Samland. Nördlich schliefst
sich als letzte Landschaft 13. Sc h alauen (Scalwe, Scalowe) zu beiden Seiten
der Memel an. Beide letztgenannten I>andschaften waren aber nicht von
Preufsen, sondern Litauern bevölkert. — Wir haben es hier stellenweise mit
sehr alten Namen zu tun, denn bereits bei Ptolemäus werden unter den Völkern
jener Gegend die ruXivdm und Sovitroi genannt (Ptol. III. 5, 9), von denen
jene mit den Galindiern, diese mit den Sudauen in Parallele gestellt worden
sind (vgl. Möllenhoff, DA. II, 19 ff.). — Aufser den aufgeführten gröfseren Land-
schaftsnamen treten auch solche von beschränkteren Gebieten als Teile der
grofsen Gaue auf, wie Pasluk um Preufsisch-Holland, Unsatrapis (Wohnsdorf)
an der unteren Alle, Wuntenowe um Balga u. a.
Als der Deutsehe Orden auf dem Höhepunkt seiner Machtentfaltung stand,
hatten historische und Verwaltungsverhältnisse zu einer anderen Einteilung
geführt. Der Schofs der Städte von 1395 unterscheidet fünf Bezirke: I. Kulmer-
land und Bistum Pomesanien mit 11 Ordens- und 10 Bischofsstädten. II. Pommern
mit Marienburg und Neuteich mit 22 Ordensstädten. III. Das übrige Ordensland
und Balga mit 26 Ordensstädten. IV. Bistum Ermland mit 14 Bischofsstädten.
V. Die Niederlande mit 11 Ordens- und einer Bischofsstadt, Doch ist hierbei
zu berücksichtigen, dafs einzelne Städte doppelt, Königsberg sogar dreifach
mitgezählt ist. Vgl. Weber, S. 329 ff. — Aufser solchen summarischen Ein-
teilungen (zu welchen auch die volkstümliche in vier Teile : Pommern [Pomereilen j,
Kulmerland, Oberland von Ossa bis Passarge und Niederlande gestellt werden
kann) gab es noch eine politische in Komturcien und Vogteien. Vgl. letztere
Imü Weber S. 337—553, mit Kommentar.
Die bedeutendste Erwerbung des Ordens zu dem eigentlichen Stammlande
des Ordensgebietes war das Land Westrich der unteren Weichsel : Pomer eilen
mit der schon damals blühenden Handelsstadt Danzig. Nach dem Tode des
Pommernfürsten Mestwin II. (1295) hatte Grofspolen Ostpommern als Erbe in
Anspruch genommen. Nach dem Fall des polnischen Königs Przemislaus II.
legten aber die böhmischen Könige, die Markgrafen von Brandenburg und
Bogislaw IV. von Pommern-Wolgast das Land mit Beschlag. Der als Statt-
halter von Pomerellen fungierende Peter Swenze suchte nun gegen den neuen
polnischen König Wladislaw Lokietek am Markgrafen Waldemar einen Bundes-
genossen , während Wladislaw einen solchen im Deutschritterorden fand.
Letzterer hatte in Danzig Fufs gefafst und nicht ganz uneigennützig die pol-
nische Besatzung verdrängt; 1309 wurde auch Hirschau vom Orden eingenommen
und bald darauf Sehwetz. Mit Wladislaw zerfallen verfolgte der Orden seine
eigenen Ziele und wufste schließlich auch den Markgrafen Waldemar zu einem
Verkauf seiner Anrechte auf das Weichselland zu bestimmen. 1309 überliefs
Waldemar dem Deutschen Orden die Städte Danzig, Dirschau und Sehwetz
mit den zugehörigen Gebieten für 10000 Mark Silber. Kaiser Heinrich VII.
Instätigte 1313 dem Orden diese Erwerbung. Späterhin wurden die Grenzen
näher präzisiert; als Westgrenze: die Leba und weiter eine zuerst, nach S., dann
mehr nach SW\ ">s z"r oberen Küddow laufende Linie, so dafs Stolpe, Schlawe
und Rügen walde den Markgrafen, Lauenburg und Bütow aber dem Orden zu-
Helen. Die Südgrenze der neuen Erwerbung bildeten die Flü Ischen Dohlinka
und Kamionka (zwischen Küddow und Brahe) und ihre Verlängerungslinie bis
zur Weichsel, denn das Gebiet der Weichsel selbst und der unteren Brahe war
in den Händen der Polen. Lohmeyer, Gesch., S. 133 f. — Aufser Preufsen
besafs der Deutsche Orden aber noch in ganz Deutschland zerstreut eine lange
Reihe von einzelnen Gütern, die zum Teil vom Hochmeister, zum Teil von dem
in Mergentheim a. d. Tauber residierenden Deutschmeister verwaltet wurden.
Voigt, Geschichte Preufsens I, Königsberg 1*27; S. 475 ff. enthält
speziell die Geographie des Landes. Toeppen, Iiistor. -eomparative Geographie
Kri> Uchnier, Historische «.eosrraphle 2a
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
von Preufsen. Gotha 1858 m. Atlas. Weber, Preufsen vor 500 Jahren in kul
turhistor., Statist, und militärischer Beziehung nebst Spezial-Gcographie, Danzig
1878. Lohmeyer, Gesch. von Ost und Westpreufsen, Gotha 1880, I. Teil.
219. Herzogtum Pommern. Am Ende des XIII. Jh. war das
pommerische Land im Besitz von drei Fürstenlinien, als deren Stamm
vater Swantibor (t 1107) angegeben wird. Entsprechend zerfiel das Land
auch in drei Herrschaftsgebiete: Pommern- Wolgast, Pommern Stettin und
Pomerellen. Der Besitz ihrer Territorien, deren Grenzen überdies ziemlich
schwankende waren, war ihnen unter fortwährenden Kämpfen mit den
Polen, Dänen und den askanischen Markgrafen ermöglicht worden. Im
Jahre 1295 starb die Linie in Pomerellen mit Mestwin II. aus, und sein
Land wird ein Streitobjekt zwischen dem Deutschen Orden, Polen und
Brandenburg; letzteres begründete seine Ansprüche durch die ihm von
Kaiser Friedrich II. übertragenen Lehensrechte auf das Herzogtum Pommern.
Beim Friedensschlufs 1310 verzichtete Markgraf Waldemar auf die Gebiete
von Danzig, Schwetz und Dirschau, die an den Deutschen Orden fielen;
aber auch das Land zwischen Grabow und Leba ging ihm an \YTratislaw IV.
verloren, so dafs nur das Gebiet um Dramburg in seinem Besitz blieb.
In Westpommern hatten Barnims I. Söhne sich im Besitz des väter-
lichen Erbes geteilt. Otto I. erhielt bei der Teilung das Land Stettin und
Bogislaw IV. das Land Wolgast. Ein dritter Sohn, Barnim, starb bereits
1295. Pommern zerfiel somit in zwei Herzogtümer. Die Grenze bildete
auf der rechten Oderseite die Ihne, .auf der linken . eine von Demmin
bis Ukermünde gezogene Linie. Das südlich dieser Grenze gelegene
Gebiet gehörte zum Herzogtum Stettin, das nördliche zu Wolgast.
Bogislaw IV. (f 1309) war der Stifter der Linie Pommern-Wolgast.
Sein Sohn Wratislaw IV., der mit dem Fürsten von Rügen eine Erb-
verbrüderung geschlossen hatte, erwarb auf Grund dieser bereits 1325
ganz Rügen mit dem auf dem Festland liegenden Herzogtum Barth.
Nach seinem Tode 1326 trat abermafe eine Teilung in zwei Linien ein
durch die beiden Söhne Bogislaw V. und Barnim IV. (t 1365). Auch
eine Teilung des Landes fand 1372 zwischen Bogislaw und seinen beiden
Neffen statt. Die Swine bildete hierbei die Grenze, indem Bogislaw V.
das Land jenseits der Swine, d. h. Ilinterpommern bis zur Leba mit
Stargard, erhielt und die Neffen Bogislaw VI. und Wratislaw VI. das
Land diesseits der Swine, also Wolgast und Rügen.
In der ältesten Zeit umfafste das Land Po m m e r n ( Potnwaniü, Pomona,
Pomeria, Pomaria) das von dem lechischen Stamme der Pomeranen bewoluite
Gebiet, welches sich von der unteren Oder bis zur Weichsel und von der See
bis südlich zur Warthe und Neifse erstreckte. Nach Abschüttelung des pol
nischen Joches dehnten die pommerischen Fürsten ihren Machtbereich westlich
über die Oder bis in das heute mecklenburgische Gebiet aus. In der Lebens
beschreibung des Bischofs Otto von Bamberg wird eine ausführliche Darstellung
von der Ausdehnung und äufseren Gestalt des Landes gegeben, die trotzdem
manche Unklarheit enthält; es heilst dort II, c. 1: »Es bildet aber dieses I^and,
wenn wir seine ganze Lage sowohl in den Sümpfen und Einbuchtungen des
Meeres, als auch auf dem festen Lande betrachten wollen, gleichsam ein Dreieck,
da es drei Seiten, wie drei mit ihre» Enden zu^arnmenstofsende Linien, und
drei Winkel hat, so jedoch, dafs der eine Winkel gröfser ist als die beiden
219. Herzogtum Pommern.
355
anderen, der sich auch bis nach Leuticien und gegen Sachsen hin, nach N.
zum Meere hin allmählich zurückgebogen ausdehnt. Daher hat Pommern im
Ozean hinter sich Dänemark und die kleine, aber volkreiche Insel Rügen, über
sich aber, d. h. vom N. aus, rechts Slavien und Preufsen und Rufsland, vor
sich aber, d. h. nach S.t liegt es gegen die sich eine kurze Strecke berührende
Grenze von Ungarn und Mähren. Endlich berührt es sich weithin bis an die
Grenze Leuticiens und Sachsens mit dem benachbarten Polen.« Unverständlich
bleibt hier die weite Ausdehnung nach S. bis Ungarn. Unter Leuticien scheint
er das Land der Liutizen zu verstehen, welches hiemach einen Teil von
Mecklenburg mit umfafste.
Swantibor (f 1107)
Westpommern
Wratislaw I. und Ratibor
Barnim I. (t 1278)
Linie Wolgast
Bogi8law IV. (f 1304)
Wratislaw IV. (f 1326)
Linie Stettin
Otto I.
(t 1345)
Bogislaw V.
(t 1374)
Hinter-
Barnim IV.
(f 1365)
I
I
Erich L
(t 1459)
t t t
Botfislaw VI.
Wolgast
Wratislaw VI.
Rügen
I
Otto III.
t 1464
t t t
Wratislaw IX. (f 1457)
Erich II.
f 1474
I
Boginlaw X.
t 1523
Wratislaw X.
/ f 1478
/ t + t
Ostpommern
Swantepolk und
Bogislaw
Swantepo
k (f 1266)
Mestwin II. (f 1295)
t tt
Als unter den Söhnen Swantibors im ersten Jahrzehnt des XII. Jh. eine
Teilung des ganzen Landes stattfand, trat auch zum erstenmal eine Trennung
in West- und Ostpommern hervor. Zwischen beiden bildete im allgemeinen
die Persante die Grenze ; sie schwankte hier allerdings, da die westpommerischen
Fürsten das Land östlich bis zur Leba beanspruchten und zeitweilig auch im
Besitz hatten. Die südliche Grenze bildete jedenfalls die Netze; in der Vita
Ottonis episc. wird jenes grofsen Waldgebietes gedacht, quod Pommoraniam
Pobmiamque dividit (II, c. 10). Es gehörten damals die Neumark und Ukermark
noch zu Pommern. Gegen W. hin reichte letzteres bis nach Mecklenburg
hinein an den Müritzsee und die Gegend von Güstrow. Schwankender war
sie gegen NW., wo die Peene die Seheide bildete. Doch griffen auch hier die
pornmerisehen Fürsten hinüber, und bis zur Mitte des XII. Jh. hatten sie das
Land bis Barth hinauf in Besitz genommen, doch wurde es noch in demselben
Jahrhundert an die Rüginner wieder abgetreten. Diese standen seit längerer
Zeit unter dem Druck der dänischen Herrschaft, die im Jahre 1214 von Kaiser
Friedrich dem dänischen König Waldemar II. über die Insel und das an-
stoßende Festland feierlich bestätigt wurde. Doch nach dem Sturze Waldemars
rissen sich diese Länder wieder los, und auch die pornmerisehen Fürsten er-
oberten sich wieder die Distrikte von Demmin und Loitz und die Grafschaft
Gützkow, so dafs der Rickgraben nunmehr die Grenze zwischen Pommern und
Rügen bildete. Wie die Rügianer zur Sicherung ihres Gebietes um 1209 die
Stadt Stralsund begründet hatten, so schufen sich auch die pommerischen
Herzöge einen solchen Stützpunkt in der Stadt Greifswald.
23«
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356
VL Politische Geographie um das Jahr 1375.
Im Xin. Jh. waren die Grenzveränderungen gegen Mecklenburg und die
Mark sehr beträchtliche. Die Ukermark und die Neumark fielen stückweise an
Brandenburg (s. d.).
Das Herzogtum in Ostpommern mit dem Hauptort Danzig hatte bis 1295
bestanden, als das Herrscherhaus mit Mestwin II. erlosch. Ostpommern wurde
späterhin allgemein Pomereilen genannt (Pomerei bei Joh; von Pos., SS.
rruss. IH, 139). Zur Zeit seiner gröfeten Ausdehnung unter Swantepolk (f 1266)
reichte es südlich bis an die Netze und Brahe und östlich bis an die Weichsel.
Nach W. ist die Grenze unsicherer ; sie scheint bis an den Grabowflufs damals
gereicht zu haben.
Um 1375 setzte sich das Herzogtum Pommern aus drei Teilfürstentümern
zusammen: 1. Pommern-Stettin zu beiden Seiten der unteren Oder bis zur Dina
bzw. Peene, jedoch mit Ausschlufs von Demmin und Anklam; 2. Hinter-
pommern, das Land jenseits der Swine bis zum Lebaflufs ; 3. Vorpommern,
Wolgast und Rügen umfassend, als Land diesseits der Swine.
In Hinterpommern lag noch das Bistum Kamin. Die Gründung
des Bistums fand 1140 in \V ollin statt; infolge der mehrfachen Bedrohungen
seitens der Dänen wurde es 1180 nach Kamin verlegt. Die Bestätigungsbulle
Papst Innocenz' H. für Wollin ist vom 14. Oktober 1140 datiert. Sie bezeichnet
als Grenze der Gerichtsbarkeit des Sprengeis und als Kirchengut die Stadt
Wollin mit dem Markt sowie den dortigen Tabernen und allem Zubehör, die
Kastellaneien Demmin, Tribsees, Gützkow, Wolgast, Usedom, Grolswin, Piritz.
Stargard, Stettin, Kamin mit der Taberne und dem Markt, allen Dörfern und
Zubehör, Kolberg mit dem Salzwerk und dem Zoll, Markt, Taberne; endlich
aus ganz Pommern bis zur I^eba von jedem Pfluge zwei Mafs Getreide jährlich
und fünf Denare sowie den Zehnten des Marktes zu Ziethen. Um einen Streit
zwischen den Erzbischöfen von Magdeburg und Gnesen zu verhindern, nahm
der Papst das neue Bistum in seinen unmittelbaren Schutz. In den genannten
Kastellaneien standen den Bischöfen nur bestimmte Hebungen zu, von eigent-
lichein Landbesitz konnte damals noch keine Rede sein. Barthold n, 121 ff.
Erst späterhin trat ein Zuwachs an Gütern ein. Besonders durch Herzog
Barnim I. wurde der Grundstock des Stiftsgebietes in Hinterpommern gelegt,
welches etwa die heutigen Kreise Köslin, Kolberg und Bublitz (das spätere
sog. Fürstentum) umfafste. Zu eigentlicher Reichsunmittelbarkeit hatten es
aber die Bischöfe trotz aller Anstrengungen damals nicht bringen können.
Seil, Gesch. des Herzogt. Pommern, Berl. 1819 (veraltet). Barthold,
Gesch. von Rügen und Pommern, Hamburg 1839 ff. Fock, Rügensch-pom-
mernsche Geschichten, Lpz. 1861 ff. Berghaus, Landbuch des Herzogt.
Pommern, 9 Bde., Anklam- Wriezen 1862—1876 (sehr ausführlich).
220. Mecklenburg. Das Geschlecht des alten Obotritenfürsten Niklot
(t 1160) hatte in Heinrich Borwin II. einen tatkräftigen Fürsten gehabt.
Das Land stand damals unter dem Drucke des siegreichen Dänenkönigs
Waldemar IL, der sich König der Dänen und Wenden und Herr von
Nordalbingien nennen konnte. Im Verein mit dem Grafen von Schwerin
und dem Erzbischof von Bremen gelang es Borwin 1225 seine Macht
zu brechen. Doch erst nach seinem Tode 1226 wurde durch seine
Söhne bei Bornhöved (1227) der Dänenherrschaft eine Schranke gezogen.
Seine vier Söhne teilten das Land in vier Territorien, Mecklenburg,
Güstrow (Werle), Rostock und Parchim, von denen das letztgenannte sich
sehr bald wieder auflöste. Auch das Gebiet der Rostocker Linie, die
1314 erlosch, wurde an die beiden anderen aufgeteilt. Übrigens befanden
sich Teile des übrigen Landes noch in anderen Händen, so: die Stifts-
gebiete der Bistümer Schwerin und Ratzeburg und die sog. Grafschaft
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220. Mecklenburg. 357
Schwerin im südwestlichen Teil des Landes, die Heinrich der Löwe s. Z.
für den Grafen Gunzel von Hagen gestiftet hatte. Die Werlesche und
mecklenburgische Linie blühten kraftvoll auf, und besonders die letztere
machte auch namhafte Landerwerbungen (Land. Stargard, Grafschaft
Schwerin u. a.). Bei beiden traten auch Teilungen ein: die Mecklen-
burger Linie hatte sich 1352 in zwei neue gespalten, von denen die
Hauptlinie (Albrecht II.) Mecklenburg - Schwerin erhielt, die andere
(Johann II.) das Land Stargard. Schon vor der Teilung waren beide
Fürsten von Kaiser Karl IV. zur Herzogs würde und das Land
Mecklenburg zu einem roichsunmittelbaren Herzogtum erhoben worden
(1348). Die Werlesche Linie hatte sich [ebenfalls geteilt (1337) in die
Güstrowsehe (Johann II.) und Parchimsche (Johann HL). Letztere starb
1375 aus, und ihr Territorium fiel an die andere Linie, die im Jahre 1347
sich abermals gespalten hatte in die Linie Güstrow (Nikolaus III.) und
Waren (Bernhard). Das Mecklenburger Land zerfiel somit um das Jahr
1375 in die vier Teilgebiete: Mecklenburg -Schwerin, Stargard, Werle-
Güstrow und Werle- Waren.
Das 0 bot rite nlandi welches in der ältesten Zeit bestimmter Grenzen
ermangelte, schlofs sich erst im Verlauf der vielen Kämpfe mit den Nachbarn
bestimmter ab. Das von den Obotriten selbst besetzte Gebiet umfafste die
heutigen Distrikte von Schwerin, Mecklenburg, Wismar, die Ostseeküste bis
Doberan, Bützow, Sehwan, Güstrow, Goldberg bis südöstlich nach Malchow
hin. Ein Hauptort und auch ein religiöser Mittelpunkt des wendischen Kultus
fehlten. Die alte Hauptfeste Mikilinburg hatte sich seit der Zerstörung durch
die Dänen (Anfang des IX. Jh.) nicht wieder zur alten Bedeutung erhoben.
Andere Burgen sind (nach Helmold I, 87): Howe, Zwerin, Dobin, Wurle oder
Werle an der Warnow.
In der älteren Zeit hat auch Wagrien mit dem Obotritenlande in engerer
Beziehung gestanden, besonders seit es durch Godschalk mit demselben ver-
einigt worden war. Wagrien umfafste die heute noch so genannte Halbinsel
des östlichen Holstein westlich bis zur Swentine und dem Plönersee, mit den
Orten Lutilinborg (jetzt Lütjenburg) und Oldenburg (Bischofssitz) oder Aldenburg
(Helm. I, 2).
Südlich hiervon lag das Polabenland, meist unter Herrschaft der Obo-
triten. Es reichte südlich bis zur Eide, im NW. bis an die Bille und Trave
und umfafste «las soätere Herzogtum Idenburg, das westliche Mecklenburg
und das Amt Schönberg bis Lübeck hin. Hauptort war Racisburg (Ratzeburg).
An das Obotritenland schlofs sich im (). das der Kissiner (Kiciner) an.
Östlich bis an die Reknitz und Trebel reichend und südöstlich bis an das Land
der Redarier. Letzteres umfafste das Scengebiet des Müntz-, Malchiner- und
Kummero wer- Sees, mit dem Tempel zu Rhetra, dessen I^age nicht mehr zu er-
mitteln ist ; es war ein Kultmittelpunkt des Götzen Radigast (Adam II, 18.
Thietmar VT, 17). F. von Liitzow, Gesch. v. Mecklenburg. Berlin 1827,
I. 101 ff.
Hei der Teilung des Landes unter die Söhne Borwins U. erhielt Johann I.
als Ältester das Stanimsehlofs zu Mecklenburg und die Städte und Lande Wismar,
Gadebusch, Buckow und Brüel, das ganze Land Bresen mit Grewesmühlen,
Burg Dassow und Klütz, ferner die Insel Poel. das Kloster Rehna und die
Burgen Ilow und Neuburg bei Wismar; Heinrich Borwin III.: die Städte
und Lande Rostock, Marlow und Sülz nebst Kloster Doberan; Nikolaus I.:
die Städte und Lande Güstrow, Malchow, Malchin, Röbel, Penzlin, Turne und
Liez, die Schlösser Werle und Schwan, und Pribislaw: Städte und Lande
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VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
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8
Parchim, Sternberg, Goldberg,
Plau, Land Türe, Kloster Do
bertin und Schlots Riehen-
berg. — Pribislaws Territorium
wurde aufgelöst, da dieser sein
Gebiet teils verpfänden, teils
verkaufen mufste. Graf Gun-
zel III. von Schwerin erhielt
hierbei Parchim und Richen-
berg; Johann TL: Sternberg;
Nikolaus: Plau und Gold-
berg; der Bischof von Schwe-
rin das übrige. Lützel, L c.
II, 12 ff.
Im weiteren Verlaufe
hatten diese Territorien man-
cherlei Veränderungen erfah-
ren. So war das Gebiet der
Mecklenburgischen Linie
erheblich vergröfsert worden
durch die Herrschaft Star-
gard, die Heinrich II. durch
seine Gemahlin Beatrix (eine
Tochter de« Markgrafen A1-
brecht) gegen die anfänglichen
Einsprüche ihrer Vettern zu
behaupten gewufst hat (1304).
Nur die Münze und das Eisen-
werk zu Lychen wurde jenen
überlassen. Es gehörten zu
jener Herrschaft die Städte
Stargard , Neubrandenburg,
Lychen und Woldeck. Ein
anderer Erwerb war die Herr
schaft Rostock mit
Gnoien und Schwan, von der
er nach dem Tode des letzten
Fürsten ein Teilstück schon
erhalten hatte (s. unten); mit
ihr wurde er nun von Köni£
Erich von Dänemark belehnt
(1317). Im Frieden zu Ny
köping 1323 wurde sie ihm
auch vom nachfolgenden
König Christoph als erbliches
Lehen zuerkannt. — Unter der
vormundschaftlichen Regie-
rung für seine noch unmündi-
gen Söhne wurde die dänische
Belehnung mit der Herrschaft
Rostok und die branden
burgische mit der l>andschaft
Stargard erneuert. Auch wurde
Meienburg an Brandenburg
zurückgegeben und hierfür
Strelitz, Arensberg und Neuen
dorf erworben.
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220. Mecklenburg.
359
Der älteste Sohn Albreeht II., der um 1335 grofsjährig geworden war,
whlüfe mit der Werleschen Linie sowie mit den Grafen von Schwerin -Witten-
burg und Schwerin-Schwerin einen Erbvertrag. Ihm und seinem Bruder
Johann II. wurde die Herrschaft als unmittelbares Reichslehen übergeben und
Mecklenburg zum Herzogtum erhoben. In den Kämpfen mit dem Markgrafen
Ludwig von Brandenburg gewannen die Brüder Stadt und Land Fürsten-
berg mit den Schlössern Strelitz und Arensberg und einigen Stargardschen
Dörfern, welches sie alles an die Dewitz zu Lehen gaben. Im Jahre 1352
25. November fand in Wismar eine Teilung des Landes unter ihnen statt, bei
welcher Johann II. die Lande Stargard (aulser Fürstenberg), Sternberg, die
Eidenburg mit dem Land Türe und die vom Markgrafen verpfändeten Güter
und Ortschaften erhielt. Albrecht erhielt das übrige. — Im Streite mit Otto
von Schwerin hatten die Brüder in demselben Jahre Boizenburg erworben. —
Im Jahre 1355 fand eine Modifizierung jener Teilung statt, bei welcher
Johann noch die Städte und Lande Lyehen, Wesenberg mit der Liez, Arens-
berg und Ramelow sowie die Landes- und Lehensherrlichkeit über die Graf-
schaft Fürstenberg erhielt.
Auch die Grafschaft Schwerin sollte der Mecklenburger Linie bald
zufallen. Sie war s. Z. von Heinrich dem Löwen von Sachsen gegründet und
an den Grafen Gunzel von Hagen verliehen worden. Nach der ersten Nieder-
lage des Dänenkönigs Waldemar II. 1225 war von der Grafschaft Ratzeburg,
die nicht wieder restituiert wurde, noch Wittenburg an die Grafschaft ge-
kommen. Später ist das Grafenhaus in drei Linien geteilt : Schwerin-Schwerin,
Schwerin -Wittenburg und Schwerin-Boizenburg. Im Jahre 1357 starb Otto
von Schwerin -Wittenburg, mit dem Albrecht und Johann von Mecklenburg
noch kurz vorher in Fehde gelegen hatten, als letzter der Schweriner Grafen.
Er hinterliefs keine männlichen Nachkommen, jedoch einen Bruder Nikolaus
Grafen von Tecklenburg. Entgegen den Erbselmftebestimmungen ergriff Albrecht
von dem I>ande Besitz, wurde jedoch von Nikolaus zur Herausgabe gezwungen,
(»leichwohl hielt es Nikolaus für geratener, die Grafschaft, die von seinem
Tecklenburger Besitz zu weit gelegen war, an die Mecklenburger Herzöge zu
verkaufen (7. Dezember 1358). An diese fiel somit das ganze Land mit den
Städten Schwerin, Wittenburg, Neustadt, Marniz und dem halben I^and Lenzen.
Vgl. Lützow, 1. c. II, 193 f.
Kleinere Erwerbungen Albrechts waren ferner die Pfandschaft der Städte
Röbel, Krakow und des halben Landes Flau von der Werle-Güstrowschen Linie.
Im Lüneburger Erbfolgekrieg gewann er Stadt und Land Dömitz mit Weningen,
(iorlosen und Redesin, die früher einen Teil der Grafschaft Dannenberg ge-
bildet hatten und dann als eröffnetes Lehen an Sachsen -Wittenberg zurück-
gefallen waren.
Das Gebiet der Werl eschen Linie stand in dem angegebenen Um
fange anfangs unter Nikolaus I. Im Kampfe mit den Markgrafen von Branden-
burg mufste er diesen Freienstein, Wesenberg und einen Teil von Turne ab-
treten. Dagegen erwarb er vom Grafen Gunzel III. von Schwerin 1273 Stadt
und Land Parchim ; über die Vorgeschichte dieser Landschaft s. Lützow H,
*>4 f . — Unter seinen Söhnen Heinrich I. und Johann I. trat eine Teilung des
Landes in Werle-Güstrow und Werle-Parchim ein. Da ersterer von seinen
♦igenen Söhnen ermordet und diese deswegen aus dem Lande vertrieben worden
waren, so vereinigte Johanns Sohn, Nikolaus IL, wieder sämtliche Besitzungen.
Sein Vater und sein Oheim hatten 1282 von ihrem Verbündeten, Herzog Bogislaw
von Pommern Stettin, noch Stadt und Land Stavenhagen erworben, sowie das
im Jahre 1252 gestiftete Nonnenkloster zu Iwenack. — Im Jahre 1314 war
mit Nikolaus dem Kinde die Rostocker Linie ausgestorben (s. unten), und die
demselben noch verbliebenen Lande Kaldcn und Hanl teilte Nikolaus II. mit
seinem Vetter Heinrich von Mecklenburg. Sein Territorium wurde lüerbei
beträchtlich erweitert. Es war die östliche Hälfte der zwischen den Städten
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360 VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Lage, Gnoien, Demmin, Malchin und Teterow liegenden Landschaft nebst der
Stadt Neukalden. welche in dieser Teilung Nikolaus zufiel. — Nikolaus II.
starb 13 Iß; das Land wurde nach ihm zwischen seinem Bruder Johann II. und
seinem Sohn Johann III. in Werle-Güstrow und Werle-Parchim geteilt (2. De-
zember 1316). Johann III. von Parchim, der in Goldberg seinen Sitz hatte,
brachte durch Heirat mit der Tochter des Herzogs von Pommern -Stettin
Stavenhagen mit Ivenack, welche» 1282 nur unterpfändlich dem Werleschen
Hause gehörte, als völliges Eigentum an sich. Ferner kaufte er die Schlösser
Meienburg und Freiensteiii, mit denen er vom Markgrafen Ludwig belehnt worden
war. (4. Oktober 1332 — 23. November 1334). Mit seinem Enkel Johann IV. starb
das Parehimer (oder Goldberger) Haus 1375 aus und sein Landgebiet fiel an
die Güstrower Linie.
In der Güstrower Linie war nach dem Tode Johanns II. (f 1337) eine
Teilung unter seinen Söhnen vorgenommen worden, nach welcher Nikolaus
die Lande, Städte und Schlösser Güstrow, Krakow, Plau und Kalden erhielt.
Bernhard aber jene von Röbel, Wredenhagen, Waren und Penzlin (14. Juli
1347). Sie begründeten die Linien Güstrow bzw. Waren.
Das Gebiet der Kostocker Linie hatte unter den Nachkommen
Borwins Hl. gestanden. Sein Enkel Nikolaus das Kind hatte sich in be-
drängter Lage an König Erich von Dänemark gewendet, der auch zu
seinen Gunsten eintrat, im Frieden von Schwan aber (22. Juli 1301) die Herr-
schaft Rostock an sich brachte und jenem Nikolaus nur die Lande Kaland
und Hard (zwischen Kalden und Malchin) liefs. Im Jahre 1314 starb
Nikolaus, und der Rest seines Landbesitzes wurde an die anderen Linien auf-
geteilt (s. oben).
Lü tzow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg,
3 Teile, Berlin 1827—1835. Boll, Geschichte Mecklenburgs, 2 Teile, Neu-
brandenburg 1855 f. Pentz, Geschichte Mecklenburgs, Wismar 1872.
221. Bistümer Ratzeburg und Schwerin. Das Bistum Ratzeburg
war bei seiner Gründung mit 300 Hufen Landes ausgestattet worden.
Der Bischofssitz war anfänglich auf dem St. Georgsberge vor der Stadt,
später räumte Graf Heinrich ihm die Insel bei seiner Burg ein (die
heutige Stadt), wo die Stiftskirche an der Nordseito des alten Polaben-
berges erbaut wurde (vor 1172). Noch im XII. Jh. hatte das Stifts-
gebiet einen grofsen Umfang angenommen. Es reichte von der Mündung
der Trave bis südlich nach Ratzeburg.
Die anfängliche Ausstattung des Bistums Schwerin ist durch die
Urkunde vom 9. September 1171 festgesetzt worden. Auch ihm wurden
300 Hufen Landes zugesprochen mit zwei Dörfern, Borist und Virichim ;
hierzu gewisse Parzellen in der Stadt Schwerin. Abgesondert von diesem
lag ein zweiter Güterkoniplex im Lande Pribislaws ■ das Land Bützow,
die Insel Lieps bei Dobbin, sechs Dörfer im Lande Ilow und Goderac
und einige andere.
Wegen Ratzeburg vgl. Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg, Lübeck
1835. von Kobbe, Geschichte und Landesbeschreibung des Herzogtums
Lauenburg, Altona 189t», I. 285 IT.. 288 IT., wo ein Verzeichnis aller zugehörigen
Ortschaften gegeben ist. Ein bischöflicher Hof war Verchow am Südufer des
Sees, wo die Bischöfe auf einem Berge ein Schlofs hatten, welches sie oft zu
ihrem Wohnsitz wählten, weil sie ungern in Ratzeburg neben den Herzögen
residierten.
222. Herzogtum LauenbuiR.
361
Wigger, Die Ausstattung des Bistums Schwerin, in Mecklenburg. Jahrbb.
28, 197 — 212; erörtert ausführlich die einzelnen Teilstücke des Stiftes und ihre
Grenzen.
222. Herzogtum Lauenburg. Das l'olabenland war voii dem Herzog
von Sachsen, Heinrich dem Löwen, erobert worden, der das Land als
freies Eigentum betrachtete, ohne vom Kaiser belehnt zu sein. Es um-
fafste das Gebiet bis zur Steckenitz. Östlich von ihr lag die Grafschaft
Ratzeburg. Diese nach dem Hauptort Racesburg benannte Grafschaft
war an Heinrich von Badewide gegeben worden, als dieser aus Nord-
albingien verdrängt worden war. Seine Nachkommen blieben in der
Grafschaft bis 1200, als mit Bernhard III. der letzte des Hauses starb.
Sein Stiefvater Adolf von Dassel folgte, doch wurde er von dem siegreich
vordringenden Dänenkönig Waldemar II. vertrieben. Letzterer ernannte
seinen Verwandten, Albrecht von Orlamünde, zum Statthalter der nord-
elbischen Lande mit den Titeln und Würden der vier Grafschaften
Holstein, Stormarn, Ratzeburg und Wagrien. Sein Gebiet im späteren
Herzogtum Lauenburg erstreckte sich weiter als das der bisherigen
Grafen von Ratzeburg, da auch Lauenburg dazu gerechnet wurde, sowie
die Landschaft Sadelbande nebst Bergedorf. Dies änderte sich alles, als
Waldemar II. 1227 bei Bornhöved gesehlagen und verdrängt worden war.
Seit diesem Jahre datiert auch das Herzogtum Lauenburg, welches Herzog
Albrecht I. von Sachsen, der Sohn Bernhards von Sachsen, erhielt. Es
umfafste noch einen Teil der ehemaligen Grafschaft Ratzeburg. Sein
Sohn Johann I. wurde der Stifter der Herzogslinien von Lauenburg.
Unter dessen Söhnen fand um 1305 eine Teilung des Landes statt. Der
ältere Bruder, Johann IL, erhielt den dritten Teil des Landes Bergedorf
und Mölln, während Erich I. und Albrecht III. (der aber 1308 schon
ohne Nachkommen starb), Lauenburg und Ratzeburg erhielten. Da Erich
somit zwei Drittel im Besitz hatte, wurde nach mancherlei Streitigkeiten
1321 nochmals geteilt. Auch das Land II ad ein, ehemals ein Teil der
Grafschaft Stade und seit Kaiser Lothar im weifischen Besitz gewesen,
wurde entsprechend geseilt. So stand das Läudchen einige Zeit lang
unter zwei Linien, der Bergedorfer und der Lauenburger Linie.
Heinrich von Badewide war vom Grafen Albrecht von Ballenstedt (der
Bär) in Nordalbingien eingesetzt worden, als dort Adolf II. als Parteigänger
Heinrichs des Stolzen vertrieben war. Nach manchen Zwischenfällen wurde
Heinrich von Badewide wieder verdrängt und auf Ratzeburg beschränkt. Er
übertrug hierbei die schon über Holstein und Wagrien behaupteten Grafentitel
auf das Ratzenburger Land. Diese Grafschaft umfafste die drei Landschaften
Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch nebst Rehna, Zarrentin und Vogtei
Mölln. Die Lande Sadelbande und Gammc gehörten dem sächsischen Herzog
eigentümlich. Die Steckenitz schied Sadelbande von der Grafschaft. Kobbe,
Gesch. u. Landesbeschrbg. des Hzgt Lauenburg, Altona 1836, I, 12X.
Als Albrecht, Herzog von Sachsen, an dem Kampfe gegen Waldemar II.
sich beteiligte, liefs er sich zuvor die Grafschaft Ratzeburg abtreten und nach
Gefangennahme Albrechts von Orlamünde von diesem auch das Lauenburger
Land. So kam dieses Gebiet an die Bächsischen Herzöge und verblieb ihnen
bis zum Jahre 1089.
362
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
Die Teilungsurkunde von 1321 ist nicht erhalten, doch sind wir durch
anderweitige Nachrichten über die Abteilung unterrichtet. Die Herzöge zu
Bergedorf und Mölln besafsen Bergedorf und die Vierlande nebst Hagede und
einen Teil des Sachsen waldes ; ferner im N. des Landes Panten unweit der
Steckenitz, Behlendorf, Gieseldorf u. a. Die Lauenburger Herzöge besafsen
aufser Lauenburg und Ratzeburg acht Reinbecksche Dörfer, die Riefsenburg,
den Krawel und Amt Steinhorst. Von Hadeln gehörte der gröfste Teil den
Bergedorfern, mit Otterndorf, der andere Teil den Lauenburgern, mit den
Dörfern Wolden und Groden und das Kirchspiel zu Northlede. Auch Ritzebüttel
gehörte ihnen. Kobbe, 1. c. II, 48 ff.
22$. Grafschaft Holstein stand unter den Nachkommen des Grafen
Adolf IV., der sich 1239 von der Herrschaft des Landes zurückgezogen
hatte. Seine beiden Söhne gründen zwei Linien- Johann I. die Kieler
Linie und Gerhard I. die Itzehoer Linie. Johann I. starb 1263 unter
Hinterlassung zweier unmündiger Söhne (Adolf V. und Johann IL). Als
sie herangewachsen, fand 1273 eine Teilung des Landes im Verein mit
ihrem Oheim Gerhard I. statt. Gerhard I. behielt für sich die Stamm
herrschaft Schauenburg an der Weser (s. d.) und von Holstein den nord-
westlichen Teil von der Elbe bis zur Eider, ferner im S. einen Land-
strich von der Elbe bei Wedel bis zur Ostsee bei Travemünde und den
nördlichen Teil von Wagrien. In das übrige teilten sich seine Neffen,
von denen Adolf V. zu Segeberg seinen Sitz nahm und Johann II. zu
Kiel. Unter den drei Söhnen Gerhards I. fand 1294 nochmals eine Teilung
statt und eine Spaltung in drei Linien: Adolf VI. erhielt die Stamm-
herrschaft Schauenburg und hierzu im südlichen Holstein die Herrschaft
Pinneberg, während Gerhard II. die Plönsche Linie stiftete und Heinrich 1.
die Rendsburgische, beide mit zugehörigen Territorien. Es zerfiel die
Grafschaft Holstein somit in fünf Einzelherrschaften, die trotz der Teilung
staatsrechtlich eine Einheit bildeten. Durch Erlöschen einiger Linien trat
eine Veränderung im Territorialbestande der anderen ein. Adolf von
Segeberg starb kinderlos, und der gröfsere Teil seines Landes fiel an
Johann II. von Kiel. Da des letzteren Söhne vor dem Vater starben,
so ist auch sein Territorium 1316 erledigt; dieses erhält nun nach einigen
Zwischenfällen Johann III. aus der Plöner Linie. Auch die Anteile dieser
Linie an Holstein fielen Johann III. (mit dem Reinamen der Milde) zu.
als sein Neffe Gerhard V. 1350 gestorben war. Die bedeutendste Per-
sönlichkeit des Grafenhauses ist im XIV. Jh. Gerhard III., der Grofs*-
gewesen. Er legte den Grund zu der späteren Vereinigung mit dem
Herzogtum Schleswig. Denn nach Besiegung dos Dänenkönigs Christoph II
verhalf er seinem Neffen Waldemar V7. zur dänischen Krone und liefs
sich von ihm 1326 das Herzogtum Schleswig erblich als Lehen über-
tragen. Die Constitutio Wahlemariana bestimmte, dafs das Herzogtum
niemals wieder mit dem dänischen Königreich unter einem einzigen
Herrscher verbunden werden solle. Später erreichte er es noch von
dem wiedereingesetzten König Christoph IL, dafs nach dem Aussterbt-n
des herzoglichen Hauses das Herzogtum Schleswig an ihn bzw. sehn-
Erben fallen sollte. Im Jahre 1375 trat dieser Fall ein. Die herzogliche
Linie in Schleswig, ebenso wie die königliche Linie in Dänemark starben
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3(U
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
aus, und Gerhards Söhne, Heinrich der Eiserne und Klaus, liefseu sich
im Herzogtum huldigen.
Holstein, das Land der Holsaten (Holtsassen), wurde naeh seinen Be
wohnern Holsatia genannt; in dieser Form urkundlich zuerst im Jahre 1141.
Indessen begriff man im Mittelalter unter diesem Namen nicht die ganze
heutige Provinz Holstein. Diese bestand viebnehr aus vier Landschaften, die
nach ihren Stämmen benannt wurden: 1. Dithmarschen, im W. an der Nord-
seeküste zwischen Eider und Elbe; 2. das eigentliche Holstein, zwischen der
Schwentine, Eider, Gieselau und Stör; 3. Stormarn, zwischen der Bille, Trave
und Stör; 4. Wagrien, an der Ostsee bis zur Schwentine und Trave. — Den
Grundstock der Bevölkerung der drei ersten Landschaften bildeten die nord-
albingischen Sachsen, während in Wagrien ursprünglich Slaven salsen (S. 171).
Durch Kaiser Heinrich I. war die deutsche Reichsgrenze über die Eider
hinaus bis zur Schlei und dem Danewirk vorgerückt worden. Diese sog.
Mark Schleswig wurde aber unter Kaiser Konrad II. 1028 an Knud den
(Jrofsen abgetreten, und fortan bildete die Eider wieder die Grenze.
Im Jahre 9(51 war das Herzogtum Sachsen, zu welchem auch Holstein
und Stormarn gezählt wurden, von Kaiser Otto I. an Hermann Billung ver
geben worden. Durch letzteren wurde ein Graf über Holstein und Stormarn
eingesetzt, der meist in Hamburg seinen Sitz hatte. Dithmarschen mit der
trennt gewesen und gehörte zur Grafschaft Stade. Wagrien stand aber als
tributärpf lichtiges Land damals noch unter wendischen Fürsten. Bis 1106
hatten die BUlungischen Herzöge und deren Grafen Holstein-Stonnam be-
herrscht, dann folgte Lothar Graf von Supplinburg, der den Grafen Adolf
von Schauenburg 1110 als Grafen über jene Lande einsetzte, die von da
an häufig unter dem gemeinsamen Namen ^Holstein« zusammengefafst wurden.
Waitz I, 49 ff. Bremer, S. 50.
Im Jahre 1139 wird auch Wagrien erobert, 1143 mit Holstein vereinigt
und der wendischen Herrschaft in jenem Lande für immer ein Ende gemacht.
Im übrigen vgl. Waitz, Schleswig-Holsteins Geschichte, Göttingen 1851.
I. Bd. Bremer, Geschichte Schleswig - Holsteins, Kiel 1864. Frölich.
Geschichte Schleswig-Holsteins, Flensburg 1896 (ist in den Abschnitten der
älteren Geschichte nur «'in Auszug aus Bremer).
224. Herzogtum Schleswig hatte von Anfang an mehr in engeren
Beziehungen zum dänischen Königreich gestanden, wurde aber innerhalb
desselben als ein gesondertes Land behandelt und durch Teilung des
Hauses in eine königliche und herzogliche Linie als Familien-Erblehen
in Anspruch genommen. Seit Knud dem Grofsen reichte Schleswig wieder
bis zur Eider und Levensau (1028). Die Versuche seiner Nachfolger,
den Machtbereich weiter nach S. auszudehnen, führten zu fortwährenden
Konflikten mit den holsteinsehen Grafen. Knud Laward erreichte es
1115 vom Dänenkönig Niels, dafs ihm die Statthalterschaft über Schleswig
verliehen und er selbst zum Herzog über dieses Land ernannt wurde
Hiermit war der Grund zu einer selbständigen Stellung des Landes
gelegt. Eine Vereinigung mit dem Königreich trat unter den Nachfolgern
aber mehrfach wieder ein, da die Herzöge von Schleswig (Waldemar I.
und II.) auch auf den dänischen Königsthron gelangten; jedoch suchten
sie dann das schleswigsche Land als ihre persönliche, von der Verwaltung
Dänemarks getrennte Domäne zu behaupten. Unter Waldemar II. war
auch Holstein nach Vertreibung des dortigen Grafen Adolf III. (1202)
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225. Königreich Dänemark.
365
zeitweilig an Schleswig gefallen ; die Schlacht von Bornhöved 1 227 setzte
dem Siegeslaufe Walderaars aber ein Ziel. Unter seinen Söhnen trat
die Teilung in zwei Linien ein, von denen Abel als Herzog von Schleswig
die herzogliche Linie begründete. Ihr gehörte auch Waldemar V. an,
der mit Hilfe seines Oheims, Gerhards des Grofsen von Holstein, zum
Thron gelangte und Schleswig als ein dänisches Lehen an Gerhard verlieh
(8. Holstein). Mit Waldemars V. Sohn Heinrich starb die herzogliche
Linie 1375 aus, und mit Berufung auf die getroffenen Vereinbarungen
ergriffen die holsteinschen Grafen von dem Lande Besitz, nicht ohne
Widerspruch von seiten Dänemarks.
Das Herzogtum Schleswig erscheint erst seit dem Jahre 1393 unter
diesem Namen, und erst seit 1448 ist er der politisch allein geltende geblieben.
Als Knud Laward 1115 Herzog ward, nannte man das Land »Jütland« und
wohl auch Süd-Jütland (dänisch: Söndcrjülland) im Gegensatz zum nörd-
lichen Teil.
Im XLV. Jh. bestand es noch aus drei Provinzen, von denen 1. die
südlichste die ehemalige Mark Schleswig zwischen Eider und Schlei umfafste
(1028 von Kaiser Konrad II. abgetreten) und einen besonderen Bestandteil
bildete; 2. das eigentliche Schleswig (Süd-Jütland) reichte von der Skodborg-
Aue an der Grenze Nord-Jütlands bis an die südlichen Buchten der Schlei :
Haddebyer Noer und Selker Noer. Von hier ging das Danewirk nach W.
und der sog. Osterwall bis zur Eckernförde nach O. ; 3. Nordfriesland war
gegen Süd-Jütland durch die. Treene sowie die Soholm- und Leck -Aue ge-
schieden. Die trotzige, freiheitliebende Bevölkerung dieses Landes hatte eine
vollständige Angliederung an Jütland lange Zeit verhindert. Erst nach den
grofsen Überschwemmungen von 1354 und 1362 fand ein loser Anschlufs statt.
Cf. Ba ggesen, Der dänische Staat, Kopenhagen 1847, II, 174 f. — Da.«
eigentliche Schleswig war in drei Gaue oder Svssel geteilt: Barwith-Syssel, der
nordöstliche Teil, Ellum-Syssel, der mittlere teil, westlich und südlich von
ienem, und lstate-Syssel, der südlichste Teil. Diese Syssel zerfielen in kleinere
Verwaltungsbezirke, sog. Harden. Bremer, Geschichte Schleswig-Holsteins,
1864, S. 48. Waitz, Schlcsw.-Holst. Gesch. I, 149.
Nordfriesland hat niemals eine staatliche Einheit gebildet; nur das
Gefühl nationaler Zusammengehöhrigkeit hatte in Zeiten der Not einen Zu-
sammenschlufs zur Folge. Das Land war ebenfalls in Harden eingeteilt. Die
friesische Vorgeest bestand aus den drei Geestharden, Karrharde, Nordergoes-
harde und Südergoesharde, und gehörte zum Herzogtum Schleswig. Dagegen
hielten sieh die Bewohner der Utlande (Aufsenlande), d. h. der Marsehharden
und Inseln : die sog. Königsfriesen, lange Zeit noch mehr oder weniger unab-
hängig. Die Aufsenlande umfafsten : die Landschaft Eidelstedt, aus drei Inseln
und Harden Eiderstedt, Eversehop und Utholm bestehend, ferner den Strand,
eine Landschaft mit fünf Harden, die bis auf einige Stücke vom Meere ver-
schlungen wurden, so dafs noch blieben die Bökingharde und Horsbüllharde,
die Inseln Föhr und Svlt, Aufserdem gehörte hierzu die ferne Insel Helgoland.
Cf. Bremer, L c. S. 178 f. W aitz, Seh lesw. Holst. Gesch. I, 12« ff.
225. Königreich Dänemark. Infolge der Lage und natürlichen
Umgrenzung war das Königreich immer ein geschlossener Staat gewesen.
Eine weitere Mach tent Wickelung konnte daher nur in einer Eroberungs-
politik zum Ausdruck kommen. Wie nach Skandinavien hinüber, von
dem die südliche Landschaft Schonen schon immer einen Teil des
dänischen Reiches ausgemacht hatte, so gritV der Machtbereich auch
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366
VI. Politische Geographie um das Jahr 1375.
nach S. und O. zeitweise weit aus. König Waldemar II. (1202—1241)
hatte die Eroberung der Ostseeländer sich zum Ziel gesetzt. Die Reichs-
gebiete zwischen der Eide und Elbe waren ihm vom Kaiser Friedrich II.
förmlich abgetreten worden, und der Kreuzzug gegen die Esten hatte
die Ostküste des Baltischen Meeres in seine Gewalt gebracht. Rügen
und Vorpommern waren gleichfalls dänisches Gebiet; auch in Mecklenburg
konnte er herrisch auftreten. Die Schlacht von Bornhöved (1227) brach
seine Macht. Nur das Herzogtum Schleswig (s. vorher) blieb in loser
Verbindung mit dem Königreich. — Eine innere Gliederung und Zer-
splitterung des Staates durch Erbteilung war durch die Verfassung aua-
geschlossen; der nächste Erbe empfing allein die Krone, sobald er die
huldigende Anerkennung des Volkes gefunden hatte. Dies hinderte
freilich nicht, dafs eine Zerstückelung des Reiches durch Belelmungen
und Verpfändungen vorübergehend eintrat, wie es besonders beim Tode
König Christophs II. 1333 der Fall war. Doch hatte Waldemar IV. alles
wieder zu einem Ganzen vereinigt, ohne es indessen zusammenhalten zu
können.
VII. Kulturgeographie um das Jahr 1375.
226. Die germanische Kolonisation. Karl der Grofse und die
sächsischen Kaiser hatten die ersten erfolgreichen Vorstöfse in die
Slavenländer östlich der Elbe getan. Indessen, das Werk der Christiani-
sierung und Germanisierung machte infolge des heftigen Widerstandes
seitens der slavischen Bevölkerung nur sehr langsame Fortschritte. In
<leu Sorbenländern östlich der Saale bis zum Bober ist es seit Kaiser
Otto I. freilich zu einer gröfseren Reaktion nicht mehr gekommen, um
so mehr aber in den Ländern nördlich bis zur Ostseeküste.' Der grofse
Slavenaufstand des Jahres 983 hatte die erstmaligen Erfolge wieder zu-
nichte gemacht. Erst mit dem XII. Jh. wird das Werk der Kolonisierung
wieder in grofsem Stile in Angriff genommen; die slavische Bevölkerung
wird teils verdrängt oder wenigstens eingeschränkt, teils geht sie unter
*ler deutschen auf. Graf Adolf II. von Schauenburg, Heinrich der Löwe,
Albrecht der Bär, dann auch geistüche Fürsten wie Erzbischof Wich-
.?ram von Magdeburg, sowie der Orden der Zisterzienser und Prämon-
stratenser sind die tatkräftigsten Förderer der Germanisierung Ostelbiens
gewesen. Eine dauernde Herrschaft über das Land liefs sich nicht durch
♦ ine einfache Eroberung bewerkstelligen, sondern nur durch eino mit
System und Methode betriebene Kolonisierung. Der in der Kultur zurück-
gebliebene Slave wurde im wirtschaftlichen Betriebe vom Deutschen sehr
leicht überholt, und da der deutsche Einwanderer von vornherein mit
besonderen Vorrechten ausgestattet worden war, so machte er ihn auch
sozial von sich abhängig. Die Germanisierung war in den Ländern bis
zur Oder im XII. und XIII. Jh. im grofsen ganzen durchgeführt, bis
zum Schlufs des XIV. Jh. folgten auch die östlicher liegenden Länder nach.
Von den deutschen Volkselementen, die im Koloniallande Fufs
fafsten, kommen besonders niederfränkisch-flämische, säehsisehe, thürin-
gische und friesische Kolonisten in Betracht. Die Küstengebiete der
Ostsee, nämlich Ostholstein, Mecklenburg, Pommern bis zur Oder mit
Rügen, sind vorzugsweise von Sachsen besiedelt worden, die binnenwärts
gelegenen Gebiete, besonders die märkischen, dagegen von Niederländern ;
doch lassen sich auch hier sächsische Kolonisten nachweisen, wie denn
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368 VII. Kulturgeographie um daa Jahr 1376.
überhaupt nicht immer ausschließlich das eine oder andere Stammes-
element in einem Gebiet vertreten war. In den südlichen Landschaften
Nordostdeutschlands waren neben den Franken besonders Thüringer zu
finden ; dies gilt für die Länder östlich der Saale, für Sachsen und Schlesien.
Die Hauptquelle für die Kolonisation Ostdeutschlands bildet die
Slavenchronik Helmolds, der vielfach aus eigener Anschauung berichten
konnte, aber sich nicht immer frei von Übertreibungen gehalten hat.
Seine Angaben von der grol'sen Masse der Einwanderer sind von der
Kritik angezweifelt worden. Neben den direkten historischen Nachrichten
dienen auch die Orts- und Strafsennamen als Quelle, sowie teilweise die
sprach wissenschaftliche Erforschung der Mundarten.
Das weitaus gröfste und verbreitetste Kontingent scheinen die
niederländischen oder niederfränkisch-flämischen Kolonisten gebildet zu
haben. Ihr Auftreten reicht bis in den Anfang des XII. Jh. zurück,
wo sie zunächst als Kolonisten der Marschgebiete an der deutschen
Nordseeküste bekannt werden. Denn nicht immer handelte es sich um
eine Germanisierung, sondern vielfach um eine Neubesiedelung unbewohnter
Landstriche. Die in der Wasserbaukunst schon erfahrenen Niederländer
wurden mit Vorliebe in den Marschländern der Nordseeküste und den
Bruchgebieten der ostelbischen Länder als Kolonisatoren verwendet.
Zuerst war es Erzbischof Friedrich I. von Bremen, der einem Zuge
holländischer Auswanderer aus der Gegend von Utrecht, die um Land
baten, das Gebiet zwischen Weser und Wümme anwies (1106). Das
Hollerland östlich von Bremen weist schon dem Namen nach auf sie
hin. Auch das nördlich von Bremen gelegene Blockland wurde schon
in der ersten Hälfte des XII. .Jh. teilweise kultiviert, desgleichen das
Worderland zwischen Lesum und Weser. In Osterstade scheint Anfang
des XII. Jh. eine bedeutende Hinwanderung stattgefunden zu haben, wie
die Ortsnamen zeigen, wenn auch urkundliche Nachrichten nicht vor
liegen. Noch beträchtlicher war die Kolonisation auf dem linken Weser-
ufer von der Hunte aufwärts, im oldenburgischen Stcdingerland und
bremischen Vieland. Auch nach dem Elbgebiet griff die Kolonisation
hinüber. Das Alte Land und Kehdingen (1204 als Terra Stadensis zu-
sammengefafst) wurden in der zweiten Hälfte des XII. Jh. von Nieder-
ländern besetzt; um die Kolonisierung «lieser Gebiete' hatte sich Erz-
bischof Hartwig von Stade grofse Verdienste erworben. In Nordalbingien
hatte besonders der hl. Vicelin gewirkt. Durch ihn wurden die Kremper
Marsch zwischen Stör und Ell»- und die westlich gelegene Wüster Marsch
kultiviert. Am folgenreichsten wurde das Eingreifen des Grafen Adolf II.
von Schauenburg, der neben seinem Ilolsteiner Lande 1139 auch noch
das den Slaven abgenommene Land Wagrien erhielt, Helmold T, 57
bemerkt hierzu: »Weil aber das Land menschenleer war, so sandte er
Boten aus in alle Lande, nach Flandern und Holland, nach Utrecht,
Westfalen und Friesland, und liefs alle die, welcho um Land verlegen
wären, auffordern, mit ihren Familien hinzukommen . . . Diesem Auf-
rufe folgend, erhob sich eine unzählige Menge aus verschiedenen Völkern
und sie kamen mit ihren Familien und ihrer Habe in das Land der
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22t». Die germanische KoloniHation.
369
Wagiren zum Grafen Adolf, um das Land, das er ihnen versprochen,
in Besitz zu nehmen. Zuerst erhielten die Holzaten Wohnsitze an sehr
sicheren Orten im W. bei Sigeherg am Travenaflufs ; auch das Gefilde
von Zwentinefeld und alles, was sich vom Sualenbache bis nach Agri-
mesou (bei Tensebeck östlich von Bornhöved) und bis zum Plunersee
erstreckt. Das Darguner Land (Gegend von Ahrensboek) bezogen die
Westfalen, das Utiner (Eutin) die Holländer, Susle (Süsel im Amt
Ahrensboek) die Friesen. Das Pluner Land war noch unbewohnt.
Aldenburg aber und Lutilenburg sowie die anderen Küstengegenden gab
er den Slaven zu beziehen, und diese wurden ihm zinspflichtig.« Das
Gebiet, in welchem die Kolonisten angesiedelt wurden, reichte demnach
von Plön und Segeberg bis östlich an die Neustädter Bucht. Um dieselbe
Zeit (1142) wurden auch im Mecklenburgischen, im Lande der Polaben
(Ratzeburg und Lauenburg), Westfalen angesiedelt (Helmold I, 91); des-
gleichen im Obotritenlande (1160), wo Heinrich der Löwe mehrere Burg-
vögte eingesetzt hatte, unter anderen einen Edelmann Heinrich von
Scathen zu Mikilinburg (südlich von Wismar), der auch von Flandern
eine Menge Leute herbrachte und sie in Mikilinburg selbst und auf dem
ganzen Gebiet der Stadt sich anbauen liefs* (I, 87). Diese wurden vier
Jahre später von den Slaven sämtlich niedergemetzelt (II, 2). Gleich-
wohl waren noch an anderen Orten des Landes immerhin Kolonisten
vorhanden, »Fläminger und Holländer, Sachsen und Westfalen«. Helmold
konnte 1171 seine Chronik mit den Worten schliefsen: > Das ganze
Gebiet der Slaven von der Eider an der Grenze des Dänenreichs zwischen
dem Baltischen Meere und der Elbe durch weite Länderstreekan hin ist
jetzt gleichsam eine einzige grofse Ansiedelung der Sachsen geworden,
in der Städte und Dörfer erbaut werden und die Zahl der Kirchen und
Diener Christi zunimmt, - Aber, auch die slavisehen Fürsten beförderten
schliefslich die deutsche Einwanderung; eben jener Pribislaw, der Mikilin-
burg zerstört hatte, trat zum Christentum über, stiftete das Kloster
Doberan und begünstigte hierdurch den deutschen Zuzug.
Nicht weniger umfassend war die deutsche Ansiedelung in der
Altmark und Mittehnark z. Z. Albrechts des Bären. Auch hierfür ist
Helmold (I, *K) die wichtigste Quelle: Zuletzt, da die Slaven allmählich
verschwanden, schickte er (Albrecht) nach Utrecht und den Rhein-
gegenden, ferner zu denen, die am Ozean wohnen und von der Gewalt
des Meeres zu leiden hatten, nämlich an die Holländer, Seeländer und
Fläminger, und zog von dort gar viele Ansiedler herbei, die er in den
Burgen und Flecken der Slaven wohnen liel's. Durch die herbeikommenden
Fremden wurden auch die Bistümer Brandenburg und Havelberg sehr
gehoben, weil die Kirchen sich mehrten und die Zehnten zu einem
ungeheuren Ertrage erwuchsen. Aber auch das südliche Elbufer begannen
zu derselben Zeit die Holländer zu bewohnen. Sie besai'sen von der
Burg Soltwedel an alles Sumpf- und Ackerland, nämlich das Balsemer
und Marschier Land mit vielen Städten und Flecken bis zum Böhmer-
walde hin. Mag dieser Bericht auch manche Übertreibungen enthalten,
so lälst sich ein starker Zuzug holländischer Familien nicht in Abrede
Kretschiner, Eliatori sehe <;eoernj>bie. 24 .
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370
VII. Kulturgeographie um daB Jahr 1375.
stellen, denn auch sonst liegen uns Zeugnisse hierfür vor. Im Elbgebiet
weiter südlich hatte Erzbischof Wichmann von Magdeburg eine fruchtbare
Tätigkeit entfaltet. Besonders die Gegend von der mittleren Havel bis
südwärts zur Elbe verdankt ihm eine umfangreiche Kolonisierung mit
Hilfe von Flamändern. Das rechtselbische Gebiet wurde geradezu die
flämische Seite genannt, und jener sandige Hügelzug in der südlichen
Mark heifst noch heute der Fläming. Jüterbog war in den 60 er Jahren
des XII. Jh. Mittelpunkt einer lebhaften Kolonisation. Im Anhaltischen
waren die Abte Arnold von Ballenstedt und Arnold von Nienburg nach
dieser Richtung tätig gewesen. Auch hier liegen, wie überall, zahlreiche
Zeugnisse für niederländische Einwanderung vor: Ortsnamen, wie Flenis-
dorf (Vlemingdorp). Frankenfelde, Strafsen- und Brückennamen, wie
flämischer Damm, pons Flammingeroruin u. a., sowie anderseits Ortsnamen,
die an holländische Orte erinnern und von den Kolonisten in Erinnerung
an die alte Heimat gegeben wurden. Nicht blofs im ostelbischen Lande,
auch in den sächsischen und thüringischen Gebieten westlich von Elbe
und Saale, besonders in der Goldenen Aue, trafen Kolonisten, durch
Zisterzienser herbeigezogen, ein.
Im Altenburger und Meifsener Lande, in der Lausitz und in
Schlesien hatte die Kolonisierung durch Holländer, Sachsen und Thüringer
im XII. und XIII. Jh. Eingang gefunden. Im Meifsen sehen war sie
durch Bischof Gerung und Markgraf Konrad von Meifsen gefördert
worden. In Schlesien hätte sich nie ein befriedigendes Staats- und
Gemeindewesen entwickeln können, wenn nicht die von den Fürsten
begünstigte Herbeiziehung deutscher Kolonisten eine veränderte Grund-
lage für die Kultur geschaffen hätte. Boleslaw der Lange und sein
Sohn Heinrich der Bärtige (f 12'iH) wirkten hierbei besonders mit. Die
Stiftung des Zisterzienserklosters Leubus im Jahre 1175 bildete den
Anfang dieser Bestrebungen. Die Klosterleute wufsten viele ihrer Lands-
leute nach Schlesien zu ziehen, und in kürzester Zeit entstand dort eine
ganze Reihe von deutschen Dörfern, zunächst im Liegnitzschen Gebiet.
Weitere Klosterstiftungen erweiterten den Horizont der Kolonisation und
griffen bereits in die Waldgebiete nördlich der Oder hinüber. Neben
den Dörfern entstanden auch deutsche Städte. Auch das Posener Land
hat im XIII. Jh. seine Kolonisationszeit gehabt. Die früheste Schenkung
von Land an ein Kloster zur Anlegung deutscher Dörfer fällt in das
Jahr 1210. als Herzog Wladislaw dem Abt Winemar von Pforta zur
Gründung eines Zisterzienserklosters Ländercien im Bezirk von Priment
gab. Die schlesischen Klöster, wie Leubus, Heinrichau und Trebnitz,
wurden gleichfalls mit Land im Posenschen bedacht, womit der deutschen
Kolonisation der Boden geebnet war. Das an der brandenburgischen
Grenz«' gelegene Kloster Paradies hat für die deutsche Kolonisation ganz
hervorragend gewirkt. Ilinterpommern ist verhältnismäfsig spät germani-
siert worden, denn erst das XIV. Jh. bringt dort eine wesentliche
Änderung in den nationalen und Kulturverhältnissen hervor, aber auch
nur teilweise, da polnische Stämme (heute noch die Kassuben) die Ger-
manisation überdauerten.
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226. Die germanische Kolonisation. 371
In Preufscn hatte der Deutsche Ritterorden den Grund zur Koloni-
sation gelegt, wobei auch die Bisehöfe von Ernaland und Samland tätig mit-
wirkten. Weit früher als in Hinterpommern hat hier schon in der ersten
Hälfte des XIII. Jh. die Germanisierung begonnen. Die maritime Lage scheint
auch die Einwanderung auf dem Seewege begünstigt zu haben ; gerade die
Küstenstädte müssen auf Grund der Rechtsverhältnisse mit niederdeut-
schen Ansiedlern, speziell Westfalen, besetzt worden sein. Das Binnenland
dagegen hat zum weitaus gröTsten Teil ebenfalls niederländische Kolonisten
aufgenommen, wofür neben allerdings wenigen urkundlichen Angaben wie-
der die Orts- und Personennamen, dann das flämische Recht in einigen
Städten, wie Kulm und Thorn, sprechen. Teilweise ist hier wohl auch eine
Einwanderung von den schon kolonisierten Gebieten aus anzunehmen.
Sehr reichhaltig ist die Literatur über diesen Gegenstand. Von älteren
Werken seien genannt: J. Ee Iking, Dissertatio historico juridiea de Belgis
seeulo XII in Gcrmaniam advenis variisque institutis atque juribus ex eorum ad-
ventu ortis, Göttingen 1770. J. G. Ho che, Historische Untersuchungen über die
niederländischen Kolonien in Norddeutschland, Halle 1791. A. von Wersebe,
Über die niederländischen Kolonien, welche im nördlichen Teutschland? im
XII. Jh. gestiftet worden, 2 Tie. Hannover 1815 f. (das erste kritische Werk,
welches die Hehnoldschen Berichte prüft). L. Giesebrecht, Wendische Ge-
schichten aus den Jahren 780—1182, 3 Bde., Berlin 1843. E. de Borchgrave,
Histoire des colonies Beiges qui s'ctablirent en Allcniagne pendant le Xll. et le
XIII. siecle, Bruxelles 1865 (ist scharf angegriffen und zurückgewiesen worden).
Winter, Die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands, 3 Bde., Gotha 1868 ff.
von der Kopp, Deutsche Kolonien im XII. und XIII. Jh., Gleisen 1886 (Vor-
trag). Kümmel, Die Germanisierung des deutschen Nordostens, Z. f. allg.
Gesch. 1887, 721—736. Ernst, Die Kolonisation von Ostdeutschland, Proer.,
Langenberg 1888. Wen dt, Die Germanisierung der Länder östlich der Elbe,
2 Tie., Liegnitz 1884, 1889 (Programme). Salow, Lothar HI. und das Wenden-
land, Progr., Friedland in Meckl. 1889. Blumenschein, Über die Germani-
sierung der Länder zwischen Elbe und Oder, Progr., Cöln 1894. R. Schröder,
Die niederländischen Kolonien in Norddeutschland z. Z. des Mittelalters, Berlin
1880. Beh e im- Sc h warzbach, Die Besiedelimg von Ostdeutschland durch
die zweite germanische Völkerwanderung, Berlin 1882. Vogel, Ländliche
Ansiedelungen der Niederländer und anderer deutscher Stämme in Nord- imd
Mitteldeutschland während des XII. und XIII. Jh., Progr.. Döbeln 1897.
Bremer, in Pauls Grundrifs d. germ. Philologie, 1900,111, 873 f., 894 ff.,
943 ff. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen der West und Ostgermanen,
1895, II, 343 ff.. 475 ff. Lamprecht, Deutsche Geschichte, 1893, III, 324 ff..
357 ff.. 381 ff. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtsch Gesch. II, 1 ff.
Die Spezialliteratur über einige Landschaften und Provinzen ist nicht
weniger umfassend. E. O. Schulze, Niederländische Siedelungen in den
Marschen an der unteren Weser und Elbe im XII. und XIII. Jh.. Diss., Breslau
1889. Auhagen, Die niederländ. Ansiedelungen in den Weser- und Elb-
marschen, in Landwirtschaftl. Jahrbb. XXV. (1896), 737 ff. Gloy, Der Gang
der Kolonisation in Ost-Holstein, Kiel 1894. Boll, Mecklenburgs deutsche
Kolonisation im Xll. und XIII. Jh., in Jbb. Ver. f. Iiiecklenbg. («cseh. 1848,
XIII., 57 ff. Ernst, Die Kolonisation Mecklenburgs im XII. und Xlll. Jh.,
Rostock ls?5. Wiese, Die Cistercienser in Dargun von 1172 — 1300, Diss.,
Rostock 1888. Salow, Die Nculnsiedelung Mecklenburgs im XII. u. XIII. Jh.,
Progr., Friedland i. M. 1896. W. von Sommerfeld, (ieschichte der Gex-
manisierung des Herzogtums Pommern oder Slavien bis zum Ablauf des
XIII. Jh., Lpz. 18«J6. Riedel, Die Mark Brandenburg im Jahre 1250. Berlin
1831, IL Btl. Rudolph, Die niederländischen Kolonien der Altmark Branden-
burg im XII. Jh., Diss.. Berlin 1888. Bartels, Der Niederbarnim unter den
24*
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372
VH. Kulturgeofiruphio um daH Jahr 137:*>.
Anhaltinern, Progr., Berlin 1892. Guttmann, Die Germanisierung der Slaven
in der Mark, in Forsch, z, brand.-preufs. Gesch. IX, 395—514. E. 0. .Schulze.
Die Kolonisierung und Germanisierung der Gebiete zwischen Saide und Elbe,
Lpz. 1*96. Knothe, Zur Gesch. der Germanisation in der Oberlausitz, in
An h. f. sächs. Gesch. 1876, II, 237 ff. 289 tT. M. Schmidt, Zur Gesch. der
Besiedelung des sächs. Vogtlandes, Progr., Realseh. Dresden- Johannstadt 1897.
Schulze, Die Germanisierung des westelbischen Kursachsen, Wiss. Beil. der
Leipz. Zt. 1897 Nr. 16. Tzse Hoppe und Stenzel, Urkundensammlung zur
Gesch. des Ursprungs der Städte in Schlesien und der Oberlausitz, Hamburg
1832; besonders wichtig die Einleitung. Stenzel, Gesch. Schlesiens, 1M53. 1.
203—253. G r ü n h a g e n , < ieseh. Schlesiens I, 36 ff., 58 ff., 87 ff. \V einhold,
Die Verbreitung und Herkunft der Deutschen in Schlesien, in Forsch, zur
deutsch Land- und Volkskunde IT, 157—244. Partseh, Schlesien, Breslau
1896, I, 350 ff. \Y. von Zeschau. Die Germanisierung des vormals tschechi-
schen Glatzer Landes im XIII. und XIV. Jh. und die Stammeszugehörigkeit
der deutschen Einwanderer, in Vierteljahrssehr. f Gesch. von Glatz 1888, VII. Bd.
Thoma, Die kolonisatorische Tätigkeit des Klosters Leubus im XII. und
XIII. Jh., Diss., Lpz. 1894. W. Schulte, Die Anfänge der deutschen Ko-
lonisation in Schlesien, in Silcsiaea, Festech r. f. Grünhagen, 1898, 35 — 82
Kämme), Die Entstehung des Deutschtums in Osterreich. Bachmann, Ge-
schichte Böhmens, Gotha 1899, S. 399. 470—495. Chr. Meyer, Gesch. der
Provinz Posen, Gotha 1891, S. 55 ff.
227. Ortsnamen. Die Namen der geographischen Objekte gewähren
häufig, wo alle geschichtlichen Quellen versagen, eine Auskunft über
die ehemaligen Verhältnisse der Örtlichkeiten. Sie sind, ihrem Inhalt
nach richtig gedeutet , oft die einzigen Führer in die Vergangenheit
zurück. Die Völker, die jene Namen gegeben haben, sind zum Teil unter-
gegangen, aber ihre einstige Existenz lebt in diesen fort. Es handelt
sieh bei den Ortsnamen nicht blofs um dio Namen der Ortschaften,
sondern auch um jene der Berge, Täler, Seen, Flüsse, Inseln und Meere,
also aller geographischen Ortlichkeiten schlechthin. Diese Namen geben
uns Aufschlufs über die verschiedensten Zustände und Umstände früherer
Zeiten, ethnographische wie sprachliche und kulturhistorische. Sie
unterrichten uns bald über die Lage, bald über die Bodenbeschaffenheit
oder die vegetativen und leninistischen Verhältnisse des Landes. Sie
geben oft auch einen Fingerzeig für die Wanderungsgeschiehte der
Völker. Die keltischen und slavischen Namen lassen die ehemalige Aus-
breitung der Kelten und Slaven erkennen. Besonders haben auch die
charakteristischen Namenendungen, wie wir sie bei deutschen Orts-
bezeichnungen finden, zu weitgehenden Schlufsfolgerungen Veranlassung
gegeben. Statistische Ubersiebten der geographischen Verteilung der
Namen auf Grund ihrer Endungen Helsen erkennen, dafs gewisse Endungen
einzelnen deutschen Stämmen eigentümlich sind. So sind bei den Ale-
mannen besonders häufig Namen auf ucitor, -hofen, ingen, -ach, -beurm,
-wang, bei den Franken auf -hack, -darf, -feld, -heim, -hausen, -scheid, bei
den Thüringern auf -leben, -stedt, bei den Sachsen auf -büttcl u. v. a.
Doch ist auch hier die Regel nicht ohne viele Ausnahmen, und Namen auf
-hausen und -stillt haben sich schliefslich auch in anderen Gegenden Deutsch-
lands nachweisen lassen; nicht immer hat man in solchen Fällen die Prove-
nienz der Namen auf gentilizische Verhältnisse zurückzuführen vermocht.
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227. Ortsnamen. 373
Wie für die stammesgesehichtlichen Erscheinungen, so bat man
<iie Namen auch für die chronologischen Verhältnisse verwendet. Auch
auf diesem Gebiet hat besonders W. Arnold gewirkt. Er suchte zu
zeigen, dafs die Ortsnamen oft auf das politische und kulturelle Leben
zurückweisen, und dafs diese Namen die Phasen der geschichtlichen
Entwicklung erkennen lassen. Während die älteren Ortsnamen eine
Hauptquelle für die Ethnographie sind, zeigen die jüngeren uns den
fortschreitenden An- und Ausbau des Landes. Die Zeit der Wanderungen
reicht bis in den Anfang des VI. Jh.; mit ihm treten wir in eine neue
Periode der Ortsgründungen ein, die sich auch in den Namen wieder-
spiegelt. Sie umfafst die Zeit des V. bis VIII. Jh.; ihr gelieren vorzugs-
weise die Namen auf -back, berg, -dorf, -fehl, hausen, -heim an. Sie deuten
auf den ersten ausgebreitetem! Anbau des Landes hin; auch die ersten
grüfseren Waldrodungen reichen bis in diese» Zeit zurück. Mit dem
IX. Jh. beginnt dann die Periode des intensiveren Ausbaues und der
Rodungen im grofsen Stile. Sie ist charakterisiert durch ihre Ortsnamen
auf -bürg, -Cappel, -hagen, Kirchen, -rode, -zeit. Weltliche und geistliche
Herren, Stifter und Klöster entfalteten hierbei eine fruchtbare Tätigkeit.
Auch die Namen der herrschenden Adelsgeschlechter treten in den < )rts-
aainen bedeutsam hervor. Dafs die angedeuteten chronologischen Grenzen
für die Entstehung der Ortsnamen nicht immer scharf hervortreten und
zahlreiche Ausnahmen zulassen, bedarf kaum hervorgehoben zu werden.
Von einer Skizzierung der Methode und Theorie der gesamten Ortsnamen-
kunde muÜB hier begreiflicherweise Abstand genommen weiden. Neben den
deutschen Ortsnamen müfsten hier ebenso die keltischen, rätischen, slavischen
etc. Berücksichtigung linden. Das unten folgende Literaturverzeichnis gibt
über die wichtigsten Vorarbeiten auf diesem (leinet genügend Auskunft. Über-
dies interessiert den Geographen weniger die rein linguistische als die kultur-
geschichtliche Seite der Namenkunde. Wie über die Kultur des Landes, so
?ehen die Namen aber auch über seine natürliche Beschaffenheit Aufsehlufs;
in ihrer Gesamtheit vermögen sie geradezu eine Vorstellung von der ursprüng-
lichen BodenbeschafFenheit zu geben. Die auf die Bewaldung und ihre Baum-
arten anspielenden Namen orientieren uns über die ehemalige Verbreitung des
Wahles und seine Zusammensetzung; die auf Quellen und Bäche hinweisenden
Bezeichnungen deuten den grofsen Wasserreichtum fies Landes an, der an
vielen Stellen besonders in entwaldeten Gebieten in das Gegenteil sich verkehrt
hat; die mit Sumpf, Moor u. ä. zusammengesetzten Namen geben Aufsehlufs
Über die BodenbesehatTenheit von damals. Arnold hat in seinem Werk S. 4'JH ff.
ein ganzes Kapitel diesem Gegenstande gewidmet.
Auf den ehemaligen oder noch vorhandenen Waldbestand weisen die mit
Wald zusammengesetzten Namen besonders von Gebirgen schon hin (Sehwurz-
wald, Böhmerwold). Oder die Namen endigen auf -hard, -kaard, -Hardt, -hurt
Spessart, die Haart in der Pfalz, Harz, auch in Namen von Waldorten, Hard-
fefd, Hardgraben) ; auf loh dat. lucus), -la. -le Oberloh, Veitsloh); auf holz
•Jägerholz, Steinholz); auf -hörst und -forst, erst eres mehr in Niederdeutschland,
letztens in Mittel- und Oberdeutschland; ferner auf -husch und -st rauch oft
gleichbedeutend mit Wald. Nicht blofs am Kode, sondern auch am Anfang
erscheinen diese Bezeichnungen : Bornstrauch, Strauchberg. Für das Unterholz
rindet sieh auch Hecke (Herkenhausen). Zweifelhaft ist die Bedeutung von
-strut, welches bald als Sumpf, bald als Wold gedeutet wird, vermutlich eine
Kombination von beiden ist. In Zusammensetzungen tritt es meist in Ver-
bindungen mit Laubbäumen auf. Birkenstrut, Krlenstrut, Lindenstrut. Auf den
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374 VII. Kulturgeoffraphie um das Jahr 1375.
Wald weist auch die Endung -rode hin, in Schwaben -ried, in der Schweiz -rüti.
-riitli, in Franken -reut, in Thüringen -roda, am Niederrhein -rath. Diese Namen-
zusammensetzungen gehören zu den jüngsten, sie entstammen gröfstenteils der
grofsen Rodeperiode. Die so benannten Orte liegen meist auf der Höhe, im
Walde und in entfernten Seitentälern.
Für die hydrographischen Verhältnisse sind da Namen mit brück (Nord-
bruch, Bruchhausen) charakteristisch ; ferner brühl, ahd. brogil, broil, für sumpfige
Wiese, ebenso horo (Horbach, Horwieden), fenna, fenni (Rittervenne. Fambach),
mar, merre, adh. mari, meri (lat. mare) für stehendes Wasser (Hadamar, Velmar,
Weimar, Merbaeh, Merrewiesen), ferner siek, siech, sich für Sumpf (Fuhlensiek.
Herrensichen, Sickenberg, auch der Flufsname Sieg wird hierzu gestellt) und
moos oberdeutsch, mör niederdeutsch (Mosbach, Mosgrund, Moorwiesen); in
ähnlichem Sinne räd, röd und sahl, sähl, sohl, ferner schade, Schlote, dann sutte,
pfütze, phul, lache, see. — Auf das fliefsende Wasser nehmen Bezug: Namen
mit -au, ahd. owa, mhd. owe, awe (Blankenau, Hanau, Auhof), mit back ; letztere»
mit Ausnahme der Alemannen und Baiern allen deutschen Stämmen eigen.
Ferner mit born oder brunn, erstere Form mehr dem niederdeutschen, letztere
dem oberdeutschen Sprachgebiet angehörig; born ist mehr fränkisch und
sächsisch, brunn dagegen alemannisch und thüringisch (Paderborn, Heilhronn,
Reinhardsbrunn).
Auf das Terrain beziehen sich Namen mit berg. Meist führte zuerst der Berg
den in Frage kommenden Namen ; dann wurde er auch auf die Siedelung be-
zogen. Synonyma für Berg sind brink im nördlichen Hessen und der Graf-
schaft Schaumburg (Heidbrink, Sehwarzenbrink), bühl (Fleckenbühl, Eisenbühl),
bürgel (Bürgeln), liede (Soislieden), lanue, lehne, lenne, linne (Lanneshof, Lenne-
born), s/om/ (Staufenberg), tarn, rück (Bachrain. Mühlrain, Dickenrück). Ferner
thal, tal auch tel tFreudenthal, Mittelthal, Haehtel). Auch fehl gehört hierher,
bei dem anfangs der Begriff der Ebene, Fläche, im Gegensatz zum Bergland
vorherrschte, dann mehr der Begriff des bebauten Landstückes, des Ack«*rs
sich einbürgerte. Die Orte auf hagen und -hain sind gröfstenteils in ungünstiger
Lage, auf schlechtem Boden, im Wald oder Gebirge angelegt. Beide Endungen
sind gleichbedeutend und nur mundartlich verschieden, kommen auch zuweilen
bei ein und demselben Namen als Varianten vor (Wolfshagen, WolfshainV Die
Bedeutung von -hagen ist die von abgeschlossenem Raum, Gehege mit wirk-
licher Umzäunung oder nur markierter Begrenzung (Altenhagen, Fuldbain).
Für die Verteilung der Baumgattungen bilden die Ortsnamen eine
wichtige Hilfsquelle; siehe hierüber in dem Abschnitt über »Wald«. Des-
gleichen gestatten sie auch einen Rückschlufs auf die ehemalige Fauna des
Landes. Namen wie Auerbach, Wolfshagcn, Bieberstein, Falkenbach, Otters-
bach, Rofsberg, Ziegenberg, Rabenstein, Habichscheid u. a. m. weisen hier-
auf hin.
Ein grofser Teil der Ortsnamen nimmt auf die Siedelungen selbst Bezug ;
so die Namen auf -stedt, -statt und -stadt, die allgemein verbreitet sind. Die be-
griffliche Unterscheidung zwischen -statt und -Stadt zeigt sieh erst seit dem
XVI. Jh. (Arnold 340). Die Endung -hof, -hofen findet sich besonders in ober-
deutschen Namen (Schwaben und Baiern") und weist auf alemannischen Einllufs
hin. Im Gegensatz zu -hof ist -darf die allgemein verbreitete Bezeichnung einer
gemeinschaftlichen, von mehreren bewohnten Niederlassung. Meist tritt sie in
Verbindung mit Personennamen auf. Auf eine bleibende Niederlassung weist
auch -heim, hem, -em, -im, -n; ferner -hausen, ganz allgemein in fränkischen
Ländern verbreitet. Die Endung -leben tritt in zwei getrennten Gebieten häutig
auf : im alten Thüringerlande und in Jütland, den dänischen Inseln und
Schonen. Nebenformen sind -leiba, -leca, -lere. Seelmann (Zur Geschichte der
deutschen Volksstiimme Norddeutsehlands und Dänemarks im Altert, und Mittela.
18*7, S. 7) führt es auf die Warnen zurück. Auf Befestigungsanlagen, und
zwar meist in erhöhter Lage weisen die Namen auf -barg, -fels und -stein hin.
Mit ihnen beginnt eine neue innere Entwickelung. Auf die kirchlichen Ein-
'221. Ortsnamen.
375
richtungen deuten Namen mit -kirchen, -Cappel (Spiescappel, Waldcappel) und
-zell; auf Verkehrsverhälnisse Namen auf fürt una brücke.
Wegen dieser sowie vieler anderer noch auftretenden Ortsnamen, ihrer
Herkunft und geographischen Verbreitung sei auf das schon mehrfach genannte
Werk von Arnold sowie die unten angeführte Literatur verwiesen.
In dem Koloniallande östlich der Elbe haben sich die alten sl avischen
Ortsnamen vielfach erhalten und sind auf die neugegründeten deutschen Städte
übertragen worden. Oder es sind neue deutsche Namen geschaffen worden
(s. unter Siedelungen).
In dem nachfolgenden Literaturverzeichnis haben nur diejenigen Ab-
handlungen Aufnahme gefunden, die mehrere Namen behandeln.
Förste mann, Die Erforschung der deutschen Ortsnamen, Anz. f. Kde.
d. dt. Vorz. IX (18G2), 5 — 8. Ders. D. deutschen Ortsnamen, Nordhausen
1863. Petters, Zur Kunde altdeutscher Ortsnamen, Pfeiffers Germania
XII, 469 ff. Bender, D. deutschen Ortsnamen in geogr., histor. u. spracht
Hinsicht, Wiesbaden 1855. Pf äff, Deutsche Ortsnamen, Berl. 1896. Egli,
Geseh. der geogr. Namenkde. Leipzig 1886. Nagl, Geographische Namenkunde,
Lpz. 1903. Arnold, Studien z. dt. Kulturgeseh , Stuttg. 1882. Dütschke,
Sprachliches z. Heimatkunde des Kreises Schwelm, sowie zur Einführung in
Art u. Ergebnisse der ON.-Forschung, Schwelm 1899. A. Bac meist er, Orts-
namen der keltisch-römischen Zeit. Slavische Siedelungen, Stuttg. 1867.
Glück, Die bei J. Caesar vorkommenden keltischen Namen, München 1857.
Süfsmilch, Verz. mehrerer Länder, Städte und Dörfer von verschiedenen
Namen in der deutschen und wendischen Sprache, N.-Laus. Magaz. 8. 493— 508.
Miklosich, Die slavischen ON. aus Appellativen, Denkschr. Ak. Wiss. XXI,
75 ff. XXIII, 141 ff. Beyersdorf, Slavische Streifen, Baltische Studien 1881,
1883. Gerland, Die Ortsnamen auf -leben, Z. vergl. Spracht X, 210.
K. Christ, D. ON. auf -leben, Z. f. wiss. Geogr. IH, 199—201. Langer,
Die altmärkischen ON. auf -ingen und -leben, Progr. Gymn. Zeit« 1898.
Vogt, D. Ortsnamen auf -scheid u. -auel (ohl). Beitrag z. Gesch. d. fränk.
Wanderungen u. Siedlgn. Progr., Neuwied 1895. Buck, Uber ON. auf -losen,
in German. XVI, 297 ff. J. Müller, Nicdersüchs. Namen auf -hude, Nieder-
sachsen I (1895), S. 240. v. Schwanewede, ON. auf -hude, ibid. S. 255.
Q. Esser, Über einige gallische ON. auf -acum in der Rheinprovinz,
Progr., Andernach 1874. Marjan, Keltische u. latein. ON. in der Rheinprovinz,
Aachen 1882 (Progr.). Ders., Rheinische ON., Aachen 1884. Leonard)',
über die Verbreitung des Grundwortes -rath in ON. d. Reg.-Bez. Trier, Jb. Ges.
f. nütz]. Forsch. 1874, 59 ff. Bofsler, Die ON. von Starkenburg und Rhein-
hessen, German. XXIX (1884), 307—36. Armbrust, Hunsrücker Ortsnamen
in den Kreisen Simmern u. Zell. Bonn 1897. Heeger, Beiträge z. pfälzischen
Ortsnamen kde.. Pfalz. Muscum"'l898, S. 15—24, 107 f. Grimm, Über hessische
ON., Z. hess. Gesch. II, 132 — 154. Arnold, Ansiedelungen u. Wanderungen
deutscher Stämme zumeist nach hess. ON , Marburg 1881. Piderit, Die Orts-
namen in der Prov. Niederhessen, Z. hess. Gesch. I, 283—315 (1837). Friede-
mann, Zur Erklärung nassauischer ON., Ann. Ver. Nass. Alt.-Kde IV, 382.
(iareis. ON. aus der Umgegend von Giefsen nach den ältesten Urkk. d.
Lorseher Traditionskodex. Jb. oberhess. Ver. Lokalgesch. I (1878). Kellner,
Die ON. des Kreises Hanau, Progr. Realseh. Hanau 1871.
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227. Ortsnamen. 377
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,^j^v..,.--t:^tfff^^^ ^ -,-r,-l j ,:»TViJlftiti7^ by Google
378
VII. Kulturgeographie um das Jahr 1375.
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zwischen Elbe, Saale, Bode und Sülze, Magdeb. Gesehbit, XI (1876) 51 ff.
266 ff. Schatte, Die thüringischen Siedelungsnamen in ihrer Bedeutung für
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Namen einiger anhält. Ortschaften u. Wüstungen vor dem Harze, Mitt, V. f.
anhält, Gesch., II. 165 — 222. H. Meyer, Die alte Sprachgrenze der Harzlande,
Dissert. Göttingen 1894. Mucke, Zur deutschen, insbesondere westfälischen
ON.-Kunde, Monatsschr. f. rhcin.-westfäl. Gesehichtsforsch. II (1877), 417—431.
Lohme ver, Zur Etymologie hauptsächlich westfälischer Flufs- und Gebirgs-
namen, Herrigs Arch* XXXIV (1880), 347—376. Jellinghaus, Die west-
fälischen Ortsnamen nach ihren Grundwörtern, Kiel 1896. Woeste, Iserlohn
u. Umgegend, Beiträge z. ON. Deutung etc., Tserl. 1871. Leithäuser, ON.
im Wuppergebiet, Z. bergischen Gesch.- Ver. 34 (1899), 97—122. Derselbe,
Bergigehe ON., Elberfeld 1901. Vgl. dazu Iiistor. Zeitschr. 89, S. 328. Volk-
mar, D. Ortsnamen des Kr. Höxter, Progr. Gymn. Höxter 1896.
Rhode, Die ON. des Amtes Ritzebüttel, Cuxhaven 1894. Handel mann,
Einige ON. in Norder-Dithmarsehen, Z. f. schlesw.-holst. Gesch. XII (1882),
396 ff. P. Lauridsen, Om Nordfrisernes Invandring i Sönderjylland, Histor.
Tidskr. (1893) 6. R. IV. Sunder mann, Über ältere Namen der friesischen
Inseln, Ausland XLVI1 (1874), 999 f. Sundermann, Friesische und nieder-
sächs. Bestandteile in den Ortsnamen Ostfrieslands, Emden 1901. Nomina
geographica Neerlandica, hergb. v. d. Niederl. geogr. Ges., Amsterdam, 188 ff.
Kreglinger, Mein, historimie et etymologiijue sur les noms des communes
de la prov. d'Anvers, ibid. III (1847). Willems, Mein, sur les noms des
communes de la Flandre Orientale, Bull. ('omni. Centr. Statist, II (1845), 287 ff.
J. de Smet, Essai sur les noms des villes . . de la Flandre Orientale, Mem.
Acad. XXIV (1850). Chotin, Etudes etymologiques sur les noms des villes etc.
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G randgagnagc, Vocabulaire des anciens noms de lieux de la Belgitjue
Orientale, Liege 1859.
228. Siede I Kursverhältnisse. Die zunehmende Bevölkerung und
in ihrem Gefolge die fortwährende Landnot der Germanen hatte in den
früheren Zeiten des Mittelalters, wrie schon im Altertum, immer von
neuem zu Übergriffen in das Nachbarland, zu Völkerwanderungen und
-Schiebungen geführt. Die germanische Kolonisation, die nach den
anfänglich kriegerischen Vorstöfsen doch zum gröfsten Teil auf friedliche
Weise sich abspielte, kann als die letzte Äufserung der expansiven Kraft
germanischen Volkstums angesehen werden. Um ihr zu genügen, hatte
das westliche Deutschland schon seit dem IX. Jh. einen intensiveren
Ausbau erfahren. Auch jene Gebiete, die wegen ihrer dichten Bewaldung
schwer zugänglich waren, wurden nunmehr herangezogen; die llode-
periode. die bis zum XIII. Jh. reichte, schuf im Innern des Landes
238. Sietlelnnga Verhältnisse. 379
neuen Raum für die stetig wachsende Volksmenge. Wie hier eine Reihe
von Waldhufendörfern entstanden, so im Bereich der Küste die Marschen*
Dörfer. In den Küstenlandschaften lagen andere Schwierigkeiten für die
Besicdelung vor; die Trockenlegung sumpfigen, moorigen Bodens und
künstliche Schutzanlagen gegen die Flutwellen erforderten besondere
technische Fertigkeiten. Die Herbeiziehung niederländischer Kolonisten
seit dem Anfang des XII. Jh. ermöglichte den weiteren Ausbau der
Küstenstriche, wie im vorhergehenden Paragraphen schon angedeutet
worden ist. — Ein neues weites Feld zu wirtschaftlicher Betätigung
bot das östliche Deutschland, welches bis dahin eine vermutlich doch
iehr wenig dichte slavische Bevölkerung innehatte. Das Land mufs im
wesentlichen noch dasselbe Aussehen gehabt haben und mit Wald und
Sumpf besetzt gewesen sein wie tausend Jahre früher zu Tacitus' Zeiten.
Die primitive slavische Kultur kann hieran nur wenig verändert haben.
Raum war in Fülle vorhanden ; die Mafseinheit , nach welcher den
deutschen Kolonisten das Land zugemessen wurde, war nicht die im
germanischen Stammlande meist übliche Volkshufe, sondern die doppelt
so grofse Künigshufe. So wurden die Kolonisten von vornherein mit
verhältnisrnäfsig grofsen Landflächen bedacht. Die slavischen Siedelungen
aber bestanden nur in Dörfern, und ihre Städte?-, die zwar als duitates
aufgeführt wurden, scheinen mit Ausnahme der Befestigungen sehr
wenig den Charakter einer abendländischen Stadt gehabt zu haben. Die
'k'Utschen Einwanderer gründeten nun entweder neue Dörfer, oder sie
besetzten die alten, die sie nach ihrer Weise umgestalteten. Sie genossen
besondere Vorrechte und wurden sämtlich zu deutschem Recht ausgesetzt.
Indessen wurde die Befreiung von persönlichen Lasten, eine Art Selbst-
verwaltung unter einem Schulzen und Ackerteilung nach deutscher Art
schliefslich auch einigen slavischen Dörfern mit slavischer Bevölkerung
zuteil , so dafs man aus der Verleihung des deutschen Rechtes nicht
immer auf eine deutsche Einwohnerschaft zurückschliefsen darf. An der
Begründung neuer Dorfschaften sind in hervorragender Weise die geist-
lichen Orden beteiligt gewesen; allen anderen voran die Cistercienser,
die übrigens nicht nur im östlichen, sondern auch im westlichen Deutsch-
land ebenso segensreich gewirkt haben. Neben deutschen Fürsten und
Bisehöfen waren es auch slavische Fürsten, welche die deutschen Kolo-
nisten in ihr Land zogen. Da ihre eigenen slavischen Untertanen in
der Kultur sehr zurückstanden, auch keine Abgaben zahlen konnten, so
war eine finanzielle Ausnutzung des fürstlichen Domänenlandes nur durch
Ansiedelung von Deutschen möglich, die auch allein die technischen
Kenntnisse und Erfahrungen besafsen, aber auch ausdauernd genug
uaren, um den Boden der Wildnis zu kultivieren.
Im germanischen Stammlande westlich der Elbe fand der Ausbau und
die Besiedelung des Landes nicht systematisch statt. Erst wo es die Not-
wendigkeit gebot, griff man über «las anfänglich besetzte Flurgebiet hinaus;
soweit es anging, erweiterte sich der wirtschaftliche Horizont in radialer Rich-
tung, indem die zunächst gelegenen Stücke der Allmende mit in den Hebauuirgs-
hezirk gezogen wurden. Dadurch wurde die Anlage von neuen Dörfern not-
wendig, die durch den Gang der Entwicklung herbeigeführt wurde, wenn auch
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VII. Kulturgeographie um da« Jahr 1375.
eine von den Grundherren ganz systematisch betriebene Besiedelang dieser Art
nicht ausgeschlossen war. Während schon in der Zeit vom VI. bis zum IX. Jh.
infolge der anwachsenden Volksmenge ein teilweiser Ausbau der Allmenden
stattfinden mufste, so bildeten das XI. Die XIII. Jahrhundert eine zweite Periode,
während deren man noch weiter und ausgedehnter in das Wald- und Sumpf
land eingriff. Die Siedelungsformen hatten sich hierbei der geographischen
Situation anzupassen. Hierzu gehören die Wald hu fendörfer, die besonders
in gebirgigem Waldterrain sich finden. Die Gehöfte liegen in der Talsohle zu
beiden Seiten des dort rinnenden Baches, und die dem Besitzer gehörigen
Ackergrundstückc zogen in Gestalt schmaler Streifen vom Gehöft aus an den
Talgehängen bis zur Wasserscheide aufwärts. Da die Gehöfte der Talsohle ent-
lang in langer Reihe aufeinander folgten und sich im Laufe der Zeit immer
neue talaufwärts (oft kilometerweit) anschliefsen konnten, hat man diese Gattung
auch als Reihendörfer bezeichnet. Die deutschen Mittelgebirge, wie Schwarz-
wald, Odenwald, Spessart etc., das südliche Hannover, iin Weser- und Allcr-
gebiet zeigen uns viele Dörfer in dieser Anlage. Ganz besonders sind sie aber
in den nördlichen Randgebirgen Böhmens und Mährens vertreten, wo sie im
XII . und Xin. Jh. in grofser Zahl entstanden. Diese Siedelungsform geht bis
auf Karl den Grofsen zurück; die Waldhufe läfst sieh zuerst für das Jahr 793
nachweisen. In den Marschen entstand eine andere Siedelungsform, das
Marschhufendorf. Die Dorfstrafse bildete hier der Deich und die Gehöfte
liegen an der inneren Böschung. An die Gehöfte schliefsen in langen, gerad-
linigen, parallelen Streifen die zugehörigen Grundstücke. Diese von den Nieder-
ländern aufgebrachte Siedelungsform wurde 110G auch in Deutschland ein-
geführt. Sie findet sich nicht nur in der Küstenmarschen von der Scheide bis
zur Elbemündung, sondern auch in den Flufsmarsehen, wie der Wische an der
Elbe, ferner im unteren Weser- und Emslande und den Moorlandschaften, so-
weit sie überhaupt zu kultivieren gingen.
Im Koloniallande des Ostens linden wir eine grofse Mannigfaltigkeit in
den Siedelungsformen. Die Siedelungen der Kolonisten schlössen sieb hier
entweder an die vorhandenen slavisehen Ortschaften an, also die Rund- un<l
Strafsendorfer (s. S. 19(5), oder die Kolonisten gründeten neue Dörfer in Form
von Waldhufen- und Marschendörfern oder in Form von slavisehen Strafsen-
dörfern, die sie als praktisch erkannt hatten. — Die systematische Anlage von
solchen Dorfsehaften seheint immer in derselben Weise vorgenommen worden
zu sein. Ein Unternehmer (locator) mit einigen zur Ansiedelung bereiten Leuten
steekte die Grenzen der DorfHur ab, vermafs das Ackerland zu Hufen, von
denen jeder Bauereine erhielt, und schied die Gemeindeweide und den Gemeinde-
wald aus. Der Unternehmer, der auch die niedere Gerichtsbarkeit ausübte,
hiefs Schultheis, BCholtisse, scholtis, Sc holz, srolUtus. In der Regel waren die
Bauern in den ersten Jahren ihrer Ansiedelung von allen Abgaben ganz oder
teilweise befreit. Die deutsehen Dörfer bildeten freie Gemeinden mit eigener
Verwaltung, mit Teilnahme an der Rechtspflege, mit festen mäfsigen Leistungen,
deren keine die Freiheit minderte. In den slavisehen Dörfern safsen dagegen
unfreie Leute mit zahlreichen und schweren Lasten, träge auf einem Boden
arbeitend, der, wie es scheint, nicht fest verteilt war und von dem sie nach
des Gutsherrn Belieben verjagt werden konnten (Weinhold S. 14). — Wo
slavisehe Dörfer vorhanden, wurde das deutsche meist neben jenes gesetzt. Der
Name wurde wohl beibehalten, aber beide Dorfer durch Beiworte unterschieden,
indem das deutsehe Dorf durch das Wort »Grofs , das slavisehe durch »Klein«
oder »Wenig« charakterisiert wurde (Grofs-Monau und Wenig-Monau, Grofs
Wandris und Weuigen-Wandris). In anderen Dörfern war die slavisehe Be-
völkerung ganz verdrängt worden, oder sie hatte sich in kleinen Fischerdörfern
neben Städten und gröfseren Dorfern erhalten. In der Mark Brandenburg s-üxi
es die sog. Kietze, deren es dort etwa 10 gibt. So heilst es 1315: anHqtiaw
ntriaut prope vilUnn Lunoire (bei Oderberg) sitam et vicum slnvicalem, qui \mlqarii>:>
Khycz voralnr; bei Brandenburg 1321: cum Slavi$ in vico, qui dicitur Kitz ; 1373
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229. Städte. 381
suburbium ante Brandenburg, quod dicitnr Kytz. Vgl. auch Wen dt, Germani-
sier. II , 35.
Hinsichtlich der geographischen Verteilung der verschiedenen Siedelungs-
fonnen in Mitteleuropa vgl. da* mehrfach genannte Werk von M eitzeil,
Siedelungen und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen etc., 3 Bde.
mit Atlas, Berlin 1895. Der«., Beobachtungen über Besiedclung, Hausbau
und landwirtschaftliche Kultur, in Kirchhorts Anleitung zur dt. Landes- u.
Volksforschung 18*9, S. IM ff. (ist ein vor jenem Werk erschienener Auszug
desselben, der die wesentlichen Einzelheiten enthält). Ebenso Schlüter, Die
Formen der ländlichen Siedelungen nach A. Meitzen, in Geogr. Zeitschr. VI
(1900), S. 248 ff., mit Karte. — Vgl. auch Henning in der Z. f. dt, Alt., Bd. 43
(1899). Eine eingehende Darstellung aller sonstigen Eigentümlichkeiten in
den Siedelungsverhältnissen der einzelnen Landschatten und Provinzen in ihrer
historischen Entwicklung würde den Kähmen des Buches überschreiten. Für
diese ist die in den vorhergehenden Paragraphen genannte Literatur heran-
zuziehen. Einige Spezialarbeiten, die neben den modernen Siedelungsverhält-
nissen auch die historischen und ethnischen Grundlagen mehr oder weniger
behandeln, sind noch: Hanke, Feldmarken der Münchener Umgebung und
deren Beziehung zur Urgeschichte, 1882. Schi her, Die fränkischen und
alemannischen Siedelungen in Gallien, besonders im Elsafs und Lothringen,
Strafsb. 1*91. Schlatterer, Die Ansiedelungen am Bodensee in ihren natür-
lichen Voraussetzungen, Stuttgart. Hart mann. Die Besiedclung Württem-
bergs von der Urzeit bis zur Gegenwart, Württembg. Neujahrsbit. 11. Blatt,
Stuttg. 1894. F. von Krön es. Die deutsche Besiedclung der östlichen Alpen-
länder, insbesondere Steiefmarks, Kärntens und Krains, Stuttgart, Grund,
Die Veränderungen der Topographie im Wiener Walde u. Wiener Becken
(Pencks geogr. Abhandlgn. VIII, 1. Heft), Lpz. 1901.
Weise, Die slavischen Siedelungen im H/.gt, Sachsen- Altenburg, ihre
Gründung und Germanisierung, Progr. Gymn. Eisenach 1883. Hey, Die
slavischen Siedelungen im Kgr. Sachsen, Dresden 1893. Pfau, Topographische
Forschungen über die ältesten Siedelungen der Rochlitzer Pflege, Rochlitz 1900.
Reise hei, Beiträge zur Ansiedelungskunde von Mittelthüringen, Mitt. Ver.
Erdkde., Halle 188;*>. Schlüter, Die Siedelungen im nordöstlichen Thüringen,
Z. Ges. f. Ekde., Berlin 19<>2 S. 850 ff. Hagenberg, Innere Kolonisation im
Nordwesten Deutschlands, Strafsburg 1>-91. Gloy. Beiträge zur Siedelungs-
kunde Nordalbingiens, Stuttg. 1*92. Jansen, Poleographie der eimbrischen
Halbinsel, Stuttg. 1896.
229. Stählte. Vor dem XI. Jh. gab es grofse, volkreiche Ortschaften
wohl, die in wirtschaftlicher Beziehung die kleineren Siedelungen über-
ragten, aber es fehlte ihnen doch das eigentlich städtische Wesen, durch
welches sie sich auch in rechtlicher Beziehung vor dem einfachen Dorfe
unterschieden. Mit dem genannten Zeitpunkt tritt plötzlich eine Wendung
ein; deutsche Städte und deutsches Bürgertum treten aus dem Dunkel
hervor, ohne dafs wir imstande sind, die schnelle Entwickelung dieses
Umschwunges im einzelnen zu verfolgen. Das XII. und XIII. Jh. zeigen
das städtische Leben auf dem Höhepunkt seiner Ausbildung, und in
dieser damals geschaffenen Form ist es Ins auf die neueste Zeit, die
erst wieder einen abermaligen Wendepunkt bezeichnet, sich im wesent-
lichen gleichgeblieben. — Die äufseren Merkmale der mittelalterlichen
Stadt waren: Markt und Mauer. Ohne hier auf die Frage nach dem
Ursprung der deutschen Stadtverfassung näher einzugeben, so scheint
das immer lebhafter hervortretende Bedürfnis nach Handel und Gewerbe
das Aufkommen der Städte gefördert zu haben; die rasche Aufeinander-
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VII. Kulturgcographie um dan Jahr 1375.
folge von Städtegründungen im XII. bis XIV. Jh. war vornehmlich durch
wirtschaftliche Interessen mitbegünstigt worden, und der Markt war der
Mittel- und Treffpunkt, in welchem sie zum Austausch gelangten. In-
dessen nicht jeder Ort, der Marktgerechtigkeit besafs, war somit schon
eine Stadt geworden ; als weitere Erfordernisse gehörten hierzu rieben
dem besonderen Gerichtsbezirk und verschiedenen Vorrechten vorder Land-
gemeinde noch die Befestigungsanlage. Bei der im Mittelalter allgemein
herrschenden Unsicherheit auf dem freien Lande waren gröfsere Ort-
schaften als Sitze eines materiellen Wohlstandes ganz besonders räube-
rischen Überfällen ausgesetzt und noch mehr in Kriegszeiten bedroht
gewesen. Einen sicheren Schutz gewährte hier die Stadtmauer, die aufser
den anderen Privilegien dem Orto ausdrücklich zugebilligt werden mufste.
was oftmals erst einige Zeit später geschah.
Die Entstehungsweise städtischer Wohnplätze ist allerdings eine
sehr verschiedenartige gewesen. Abgesehen von jenen, die schon in der
voraufgehenden Zeit eine politische und wirtschaftliche Bedeutung
beanspruchten und als urbs. civitas oder oppidum in der Karolinger- und
Ottonenzeit bezeichnet wurden, die teilweise auch noch mit den alten
Römermauorn versehen waren, kommen hier die eigentlichen Grün
dungsstädte in Frage, die aus einem Dorfe oder mehreren erwuchsen,
die im Anschlufs an eine Kirche, Abtei oder Burg entstanden oder
schliefslich »von wilder WurzeL waren, d. h. von Grund aus neugebaut
und sogleich mit allen städtischen Gerechtsamen begabt wurden. Das
letztgenannte Verfahren war im Koloniallande das allgemein übliche,
und jeder Landesherr war bedacht, sein Territorium mit Städten zu
besetzen, die ihm mittelbar manchen Vorteil brachten. Bei den meisten
Städten ist uns auch das Gründungsjahr bekannt, von einigen selbst die
Stiftungsurkunden erhalten. Solche Gründungen wurden nach bestimmten
Grundsätzen rein geschäftsmäfsig betrieben und auch die rechtlichen und
administrativen Verhältnisse nach einem allgemein gültigen Schema
geordnet, indem die Stadtrechte einer älteren Stadt der neubegründeten
verliehen wurden. So wuchs die Zahl der Städte bis zum Ende des
Mittelalters auf etwa 1000 an, von denen aber die weitaus meisten in
der ersten Periode bis zum Schlufs des XIV. Jh. bereits gegründet waren.
Es war unausbleiblich, dafa die Städte infolge ihrer hohen wirtschaft-
lichen Blüte alsbald auch ihr politisches Selbstbewußtsein dem Stadtherrn
Weltlichen oder geistlichen Standes gegenüber hervorkehrten. Die ziel-
bewufste Leitung der städtischen Interessen seitens der im XII. bis XIII. Jh.
auftretenden Gemeindeverwaltung, des Stadtrates mit einem Bürgermeister
an der Spitze, drängte auf politische Unabhängigkeit hin, die oftmals
aber erst nach langen, heftigen Kämpfen wirklieh erreicht wurde. Jede
Stadt war von Anfang an einem Herrn unterstellt, and nach ihm unter-
schied man die verschiedenen Kategorien von Städten. Wo die Herr-
schaft, dem Reiche selbst zustand, war die Stadt eine königliche oder
Reichsstadt; auch die aus Pfalzen hervorgegangenen Pfalzstädte
gehörten zu dieser Gattung der königlichen Städte. Eine zweite Klasse
229. Städte. 383
bildeten die Bischof sstädte. Ein Teil von ihnen blieb in Abhängig-
keit vom Bischof, der seine Macht zu einer landesherrlichen erweiterte ;
andere wurden zu Reichsstädten, indem die Bürgerschaft in ihren
Kämpfen mit dem Bischof um das Stadtregiment den Anschlufs beim
Reich suchte und Reichsunmittelbarkeit erstrebte. Zur dritten Klasse
gehörten die Territorial- oder Landstädte, die dem Landesfürsten
unterstanden ; sie hatten sich aus kleinen ländlichen Ansiedelungen ge-
bildet, oder sie waren als königliche Städte unter das Regiment eines
Fürsten gekommen, oder schliefslieh — der häufigste Fall — sie waren
vollständig Neugründungen.
Die Blüteperiode einzelner Städte war aber noch durch verschiedene
äufsere Umstände mitbedingt, wie durch die geographische Lage und
historische Ereignisse. Der Levantehandel hatte ehemals mit Vorliebe
die Donaustrafse benutzt, und die an ihr liegenden Städte (Wien, Regens-
burg) blühten mächtig empor. Als durch die Kreuzzüge eine Verlegung
der Handelswege über Italien und die Alpen eingeleitet war, da zogen
andere oberdeutsche Städte vermöge ihrer günstigen Lage (Augsburg,
Nürnberg, Ulm, Basel) den Haupt vorteil. Ein Gegenstück zum ober-
deutschen bildete der niederdeutsche Handel, der eine Stütze in den
beiden Randmeeren, Nord- und Ostsee, fand. Wie die flandrischen
Städte, so nahmen auch die niederdeutschen im Handel einen gewaltigen
Aufschwung, und der grofse Städtebund dor deutschen Hansa beherrschte
vom XIII. bis XVI. Jh. das Handelslebeu Nordeuropas. Nicht weniger
als 70 Städte waren in ihm vereinigt. Auch im Binnenlande waren
Städtebünde geschlossen worden, wie der Rheinische Städtebund mit
tK) Städten (1254) zur Sicherung der Strafsen und Beseitigung lästiger
Zölle; ferner der Schwäbische Städtebund im XIV. Jahrhundert,
der die Selbständigkeit der Gemeinden gegen die Landesherren ver-
teidigte.
Die verschiedene Entstehungsweise der Städte gibt sich auch in ihrer
ätifseren Anlage, dem Verlauf der Strafsen, der I>age der Plätze u. dgl. zu er-
kennen. Daher haben sie in der westlichen Hälfte Deutschlands mit ihrer
älteren Kultur eine andere Physiognomie als im östlichen Koloniallande; im
Westen zeigen sie mehr Mannigfaltigkeit und Unregelmäfsigkeit in der Anlage,
im Osten weit mehr Schematismus. Wo nicht unmittelbar eine Neugründung
vorliegt, sondern die Stadt vielmehr aus einer älteren Siedelung erwachsen ist,
da hat sich das topographische Bild erhalten und gibt sich auch im modernen
Stadtplan noch zu erkennen. Im Rhein- und Donaulande sind die alten
Homerstädte für die topographische Entwicklung der Städte mafsgebend ge-
wesen. Sind sie freilich auch z. Z. der Völkerwanderung teilweise zerstört
worden, so konnten sie von den Germanen doch nicht vollständig vernichtet
werden, und die Niederlegung der massiven Mauerwerke erforderte eine tech-
nische Leistungsfähigkeit, zu welcher die Germanen in ihrer Zerstörungswut
sieh nicht die Zeit nahmen. Mit Hilfe der modernen Strafsenzüge läfst sich
das alte Strafsennetz und auch die Ausdehnung der antiken und der mittel-
alterlichen Stadt noch leicht erkennen (so bei Cöln, Aachen, Strafsburg, Wien).
Meist sind ja die modernen Städte über das alte Weichbild hinausgewachsen,
zuweilen füllen sie aber auch den alten Stadtbezirk nicht mehr vollständig
aus (Trier). Die symmetrische Form der römischen Castra bewirkte es, dafs
Solche Städte in der Anordnung ihrer sieh rechtwinklig schneidenden Strafsen
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Vit Kulttirgeotfraphie um dtw Jahr 1375.
immer noch einige Regelmäfsigkeit erkennen lassen. Dies gilt besonders ini
Gegensatz zu den nicht auf römischer Grundlage entstandenen ursprünglich
deutschen Anlagen. Viele Städte sind aus einfachen Dörfern entstanden
(Würzburg) oder auch aus mehreren Siedelungen, so dafs jede einzelne zur Stadt
erhohen mit eigenem Rathaus und Mauerring sich gegen die andere abschlofs.
Braunschweig ist ein bekanntes Beispiel hierfür, die Stadt der fünf Städte-,
nämlich Altstadt, Neustadt. Hagen. Altewik und Sack, die erst 1345 zu einer
einzigen Stadt vereinigt sind.' Auch Hildesheim, Bielefeld und Münster gehen
auf mehrere Bauernschaften zurück. Da jede der ehemaligen Teilstädte einen
besonderen Mittelpunkt mit Markt, Kirche und Rathaus hatte, von dem die
Strafsen ausstrahlten, so konnte sieh das Strafsennetz nach Vereinigung der
Gemeinden nicht regelmäfsig gestalten, wenn es auch vorher in jeder der Teil-
städte leidlich symmetrisch war. Der Plan des deutschen Haufendorfes kehrt
hier im Grundrifs der Städte mit ihren engen, krummen und winkligen Gamsen
wieder. Noch komplizierter gestaltete sieh die Strafsenanlage, wenn auch noch
die Terrainformation mitbestimmend wirkte. So bietet hierfür das alte Mar
bürg, welches sich am Abhang des Berges, auf dem die Burg stand, entwickelte
ein interessantes Beispiel dar. Wie hier, so bestimmt auch in anderen Fällen
die über dem Ort auf einer Anhöhe gelegene Burg den baulichen Charakter
solcher Städte. In Bischofsstädten nimmt sehr häutig die Domhmnunität mit
der Kathedrale, den Gebäuden des Kapitels u. s. w. die höchstliegenden Teile
des Stadtterrains ein (Halberstadt, Bremen).
Die auf ehemals slavischem Gebiet gegründeten deutschen Städte des
Koloniallandes zeigen von vornherein einen symmetrischen Grundrifs. In der
Mitte liegt der meist viereckig gestaltete Marktplatz, der sog. Ring, mit dem
Rathaus in der Mitte und einem sich anfangs aus Buden (von Krämern und
Fleischern) zusammensetzenden Häuserblock mit ganz engen Durchgängen
Den Ring umgeben die mit ihrer Giebelseite nach vorn gekehrten Bürgerhäuser.
Alle anderen Strafsen laufen mit den Seiten des rechteckigen Marktplatz«*
parallel und .schneiden sich daher meist rechtwinklig untereinander. In nächster
Nähe des Ringes ist ein zweiter Platz ausgespart, auf dem gewöhnlich dir
Stadtkirche steht. Das Strafsennetz reicht Iiis an die mit Toren und Tünnen
versehene Stadtmauer und Graben heran. Für die spätere Weiterentwickelung
solcher Kolonialstädte ist letztere bedeutsam geworden, da die an Stelle der
Mauer angelegten Btrafsenzüge peripherisch verlaufen und die an die Tore sich
anschliefsenden Strafsen radial auseinanderstrahlen, infolgedessen auch die
aufserhalb der Mauer angelegten neuen Strafsen sich peripherisch (nicht recht-
eckig) anordnen. — Auch die Slaven hatten vor der germanischen Kolonisation
schon Städte aufzuweisen (Kamin, Wollin -Julin, Wittst«»ck\ die etwas mehr als
einfache Dörfer gewesen sind; indessen bauten die deutsehen Kolonisten höchst
selten eine vorhandene slavische Siedelung zu einer Stadt aus; meist gründeten
sie die neue Stadt neben einem älteren slavischen Ort und übertrugen auch
dessen Namen auf jene, doeh haben wir es hier in adjtrto mit zwei verschiedenen
Siedelungen zu tun.
Von einer Einzelbchandlung der bis 1:575 vorhandenen Städte Mittel-
europas mufs hier begreiflicherweise Abstand genommen werden; aber auch
ein einfaches Herzählen der Städte hätte wenig praktischen Nutzen. Da auch
die monographische Literatur über die einzelnen Städte ins Ungemessene geht,
so können im folgenden nur solche \\ erke namhaft gemacht werden, welche
die Städtekunde des ganzen Gebietes oder einzelner Landschaften behandeln.
Die aufgeführten Werke sind, was Inhalt und Umfang anbelangt, allerdings
sehr angleichwertig untereinander. Das Material, aus dem eine historisch«-
Siedclungsgeographie sieh zusammensetzt, besteht heute noch aus sehr ver
schiedenartigen Bausteinen.
Über Städtewesen im allgemeinen (mit Aussehlufs der verfassungsgeschicht-
lichen Fragen) vgl. Waitz, DV. Bd. VII. II IT, M\ ff. VIII, 77 ff. Ml ff
von I n am a- Stern egg, Wirtschalt in Pauls Grundrifs d. germ. Phil. III,
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229. Städte.
385
23 ff. Schröder, Lehrb., 8. 008 fF. mit reichen Literaturangaben. von
Bclow, Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum, Bielef. 1898.
Fritz, Deutsche Stadtanlagen, Progr. Lyzeum Strafsbg. 1894 (behandelt
vergleichend den Grundrifs der deutschen Städte). Kallsen, Gründung und
Entwicklung der deutsclien Städte im Ma., Halle 1891 (bespricht alle einiger-
maßen bedeutenden Städte, leider ohne Quellen und Literaturangaben).
F. II ahn, Die Städte der Norddeutsehen Tiefebene in ihrer Beziehung zur
Bodengestaltung, Stuttg. 1885. H. Schmidt, D. Einflufs d. alten Handels wege
in Niedersachsen auf die Städte am Nurdrande des Mittelgebirges, Z. bist. Ver.
f. Niedersachs. 1896, S. 44.i ff. — Vgl. im übrigen die auch auf Städte bezüg-
liche Literatur der vorhergehenden Paragraphen.
Über die Städte einzelner Landschaften in bald mehr, bald weniger histo-
rischer oder geographischer Behandlungsweise vgl. »Das Grofsherzogt. Baden«,
Karlsr. 1*85. »Das Königr. Württembergs 3 Bde., 1882—1886; ferner die Bc-
s.hreibung der einzelnen Oberamtsbezirke. 1824—1886 und seit 1893. »Bavaria«,
München 1860 ff., 5 Bde. Götz und Förster, Geogr.-histor. Handb. von
Baiern. München 1894 ff. Vogel, Beschrbg. des Herzogt, Nassau, Wiesb. 1843.
Wagner, Statist, Beschr. des Grofshzgt. Hessen, Darmst. 1829. Landau,
Beschrbg. von Hessen, 1842. Stramberg, Rheinischer Antiquarius . . .
■Schannat, Eiflia illustrata, hrgb. v. Bärseh, C'öln- Aachen 1824—55, 3 Bde.
Guthe, D. Lande Braunschweig u. Hannover, 1867. Houtrouw, Ostfries-
land, Aurich 1889. Jansen, Poleographie der eimbrischen Halbinsel, Stuttg.
Rieck. Städtisches Leben in Mecklenburg. Progr. Neustrelitz 1897. Heil,
Die Gründung der norddeutschen Kolonialstädte, Progr. Wiesbaden 1896.
Kratz, Die Städte der Prov. Pommern, 1865. Struve, Entstehung der Städte
in der Prov. Brandenburg, Progr. Steglitz 1891. Bork, Städte und Burgen in
Altpreufsen, Königsberg 1895. Wuttke, Städtebuch des Landes Posen, 1864.
Tschoppe und Stenzel, 1. c.
Auch die geschichtlichen Darstellungen der einzelnen Länder und Pro- .
vinzen enthalten beachtenswerte Darstellungen über die Städte, z. B. : Riezler,
Gesch. Baierns H, 194—205. Pi renne, Gesch. Belgiens I, 186—222. Blok,
Gesch. d. Niederlande I, 395—437. Bachmann, Gesch. Böhmens I. 483 ff.
Ein wertvolles, fast unentbehrliches Hilfsmittel für die Städtekunde be-
sonders nach der topographischen Seite sind die für die meisten Provinzen
und Staaten Deutschlands angefertigten Beschreibungen der Bau- und Kunst*
Denkmäler, die oft auch mit selten zu beschaffenden Stadtplänen versehen
sind: F. X. Kraus, Kunst und Altertum in Elsafs- Lothringen, 4 Bde., Strafsbg.
1*76 ff. — »Baudenkmale der Pfalz«, Ludwigshafen 1884 ff. — »Die Kunst-
denkmäler des Grofsherzgt. Baden«, hrgb. von Kraus u. a., 3 Bde., 1887 ff. —
Paulus, Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Kgr. Württemberg, Stuttg.
1**9 ff. — Zingeler und Laur. Die Bau- und Kunstdenkmäler in den hohen-
zollemschen I^anden, Stuttg. 1896. — Die Kunstdenkmäler des Kgr. Baiern«,
München 1892 ff. — Denkmälertopographie der Schweiz, hrgb. v. d. antiepiar.
Ges. Zürich 1890 ff. — »Mitteilungen der k. k. Centraikommission zur Er-
forschung der Baudenkmale., Wien 1856 ff. — Giemen, Die Kunstdenk-
mäler der Rheinprovinz. 1891 ff. - x Kunst- und Geschichtsdenkmäler West-
falens«! Münster 1880 ff. Mithoff, Kunstdenkmale und Altertümer im
Hannoverschen, Hann. 1871 ff., 7 Bde. — Haupt. Bau- und Kunstdenk-
mäler Schleswig-Holsteins, 3 Bde., Kiel 1887 ff. — Bergaus, Bau- und Kunst-
denkmäler der Prov. Brandenburg, Berlin 1885. »Beschreibung der Kunst-
denkmäler d. Prov. Posen«, Berl. 1895 ff. — > Baudenkmäler der Prov. Pommern,
Stettin 1881 ff. — »Bau- und Kunstdenkmäler der Prov. Ostpreufsen , Königsbg.
1«91 ff. — vBau- und Kunstdenkmäler d. Prov. Westpreufsen <. Danzig 1884 11.
— Lutsch, Verzeichnis der Kunstdenkmäler d. Prov. Schlesien, 1886 ff.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- u. Kunstdenkmäler des Kgr.
Sachsen x, Dresden 1882 ff. — Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens,
Jena 1888 ff. — Büttner, Bau- und Kunstdenkmäler Anhalts, Dessau 1892 ff.
Kretschmer. Historische «enfrruphie. 25
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VII. K ulturgeographie um «las Jahr 137r>.
230. Landwirtschaft. Eine tiefgreifende Umwälzung hatte im
früheren Mittelalter in den Grundbesitzverhältnissen wie auch in der
wirtschaftlichen und sozialen Lage Platz gegriffen. Die grofsen Grund
herrschaften. die sich im IX. und X. Jh. gehildet hatten, blieben nicht
einheitliche Wirtschaften; sie wurden von ihren Herren in Teilstücken
an andere Personen zu zeitweisem oder dauerndem, oft auch erblichem
Besitz gegeben. Besonders waren es die Verwaltungsbeamten (viÜici) oder
Meier (majoren), die zu erblichen Grundbesitzern aufrückten. Wenn auch
die meisten Grundherrschaften immerhin bestehen blieben, so wurde
doch ihr Besitz in ritterliche Güter und bäuerliche Höfe von kleinstem
Umfange zerlegt. Von der Veränderung der Besitz Verhältnisse wurde
aber auch die soziale Ordnung berührt: es entwickeln sich Berufsstände
auf wesentlich volkswirtschaftlichen Grundlagen. Durch das Empor-
kommen und die Gründung von Städten mit politischer Selbstverwal-
tung wurde schon ein Gegensatz zwischen der städtischen Bevölkerung
der Bürger und der ländlichen Bevölkerung geschaffen. Aber auch
bei dieser trat eine weitere Differenzierung in Ritter und Bauern
ein. Die Gleichartigkeit der wirtschaftlichen Grundlagen innerhalb die-
ser drei Kategorien hat erst die Gegensätze zwischen ihnen zum Auf-
druck gebracht und damit die Konsolidierung von Berufsständen zur
Folge gehabt. Ein eigentlicher Bauernstand erscheint erst im XII. Jahr
hundert,
Der grofse Fortschritt der Landwirtschaft zeigte sich vor allem in
der beträchtlichen Yergröfserung des landwirtschaftlich benutzten Boden
areals. Nicht blofs die durch die Kolonisation gewonnenen, wenn auch
noch stark bewaldeten Flächen des östlichen Deutschland standen hierfür
nunmehr zur Verfügung, sondern auch im W. war, wie schon bei den
Siedelungsverhältnissen angedeutet worden ist, das nutzbar gemachte
Land vermehrt worden, teils durch Rodungen, teils durch Gewinnuu^
von Marschland und Trockenlegen von Sümpfen und Mooren. Ein
grofses Feld segensreicher Tätigkeit eröffnete sich hier den Oistercienser-
mönchen, die seit dem XII. Jh., seit der Gründung von Kloster Alten-
kampen (im Jahre 1122), ihr Kulturwerk begannen und es bis auf den
fernsten Osten von Deutschland ausdehnten. Altenkampen bei Geldern
wurde das Mutterkloster der meisten norddeutschen Klöster; von ihn»
gingen zunächst Walkenried und Atnelungshorn aus, die neue Toehter
klöster gründeten in Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg.
Pommern, Schlesien etc. Kloster Walkenried hat in der Urbarmachung
der sumpfigen Niederungen des Helinetales Hervorragendes geleistet
(seit 1144). Die Bruchgegenden um Heringen sowie jene an der Helme-
mündung bei Allstedt wurden entwässert; die ganze Talstrecke unterhalb
Nordhausen war durch sie in reiches Fruchtland verwandelt worden und
führte seitdem mit Recht den Namen der Goldenen Aue. In derselben
Weise hatte das Tochterkloster Pforte auf seine sumpfige Umgebung
gewirkt und auch an anderen Stellen bei Jena, Leipzig etc. seine Tätig
keit entfaltet. Seit dem Jahre 1170 datiert die Gründung zahlreicher
Cistercienserabteien im Wendenland bis nördlich hinauf nach Däne
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230. Lnnd Wirtschaft.
387
mark. Überall haben sie die Melioration des Bodens betrieben, Sümpfe
entwässert, Wälder gerodet, Meierhöfe begründet und aus Einöden frucht-
bare Gefilde geschaffen. Sie haben aber auch anregend auf die übrigen
deutschen Einwanderer gewirkt, die, abgesehen von den Niederländern,
welche die gleichen Ziele wie die Oistercienser im Auge hatten, aus Ver-
tretern der verschiedensten deutschen Stämme (Franken , Sachsen,
Thüringer) sich zusammensetzten. Nicht nur im nordöstlichen Deutsch-
land, sondern auch in den österreichischen Landen finden wir geistliche
Orden in der Kultivierung des Landes tätig. Die erste Hälfte des
XII. Jh. liefs in den österreichischen Alpenländern 24 neue Klöster ent-
stehen, unter welchen auch solche des Cistercienserordens waren. —
Man darf nicht alle Kulturtätigkeit den geistlichen Stiftungen zuschreiben
wollen; auch die weltlichen Herren hatten ein begreifliches Interesse an
der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Landes und einer gesteigerten
Ertragfähigkeit.
Eine Änderung im landwirtschaftlichen Betriebe war nicht ein-
getreten und die Ackerbau Wirtschaft hatte damit auch keine wesentlichen
Fortschritte zu verzeichnen. Mit dem Aufkommen der Städte und der
dadurch entstehenden Konsumbedürfnisse wurde nicht nur der Bau der
Handelsgewächse und Gemüse sowie der von Wein und Obst gefördert, auch
neue Gattungen wurden eingeführt. Die meisten vortrefflichen Obstarten
wurden von den Cisterciensern aus Frankreich und Italien mitgebracht ;
die Kunst, Obstbäume durch Pfropfreiser zu veredeln, wurde von ihnen
auch dem Landvolk gelehrt. Selbst mit Rebengeländen wollten die
Alten berger Mönche die Hügel der Heimat schmücken; aber die edle
Burgunderrebe, welche das Stammkloster umrankte, wollte hier nicht
recht gedeihen.
Über die Agrar- und ( Jrundbesitzverhältnisse im allgemeinen sowie üDer die
Entstellung. Bedeutung und Stellung des Bauernstandes vgl. I n am a- Sternegg,
Deutsche Wirtschaftsgeschichte Bd. III, 46 ff., 197 IT., 311 ff. von der Goltz.
Gesch. d. dt. Landwirtschaft 1, 153 ff., 170 ff. (z. T. nach Inama). Ober die
Kultivierung des Landes vgl. die im § 371 aufgeführte Literatur; über die
Oistercienser speziell das W erk von Winter, Die Cistere. des nordöstlichen
Deutschlands, 3 Bde. 1868 ff.
Die wichtigsten Nahrungsgewächse waren Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste,
Hafer, Erbsen, Linsen, Bohnen, Wicken, also nur Getreidearten und Hülsen-
früchte. Besonders hat der Weizen eine gröfsere Ausbreitung erfahren. In
Baiern wird er häufig genannt, auch in Österreich und Mitteldeutschland tritt
er mehr an die Stelle des Roggens. Im W. hat er im westlichen Mosellande
sowie bei Daun (Eifel), Bernkastel, Coblenz, Maifeld, Kreuznach bis zum
XIII. Jh. Fufs gefafot. Der Weizen heilst sonst allgemein ariticum; im Luxem-
burgischen und Lothringischen, wo man französisch sprach, wird die gewöhn-
liche Bezeichnung für Getreide = fnmienhim für den AVeizen speziell (frommt)
verwendet. In einer Trierer Urkunde von 1246 heifst es: Fnnneitlum, quod teutonice
weiz dicittir {et. Langethal II, 337. Lamprecht, Dt. Wirtseh. I, 545»). Ähnlich
bezeichnet nnomt zuerst allgemein Getreide oder Korn und wird seit dem
XI II. Jh. mehr als Koggen spezialisiert. Unter dem Namen rugone kommt
er auch in lateinischen Urkunden vor. Er ist in Deutschland die wichtigste
Brotfrucht, in Raiern und Sachsen ganz allgemein verbreitet Der Dinkel
oder Spelz war seit alters in Sehwaben und der Schweiz zu linden, ferner im
Rheinlande, wo er ursprünglich auch die späteren Weizengebiete innehatte,
25*
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388 VII. Koltargeographie am das Jahr 1375.
und wo sich drei Gebiete für den Spelzbnu in jener Zeit nachweisen lassen
(Lamprecht DW. I, 550). Hafer wurde das ganze Mittelalter über gebaut,
aber nicht so ausschliefslieh als Genulsmittel, sondern mehr als Viehfutter.
Zugleich aber wurde auch viel Gerste gebaut, besonders in Gegenden, wo
die Bierbereitung betrieben wurde. Nötigenfalls wurde das Malz fbraxt au.«
Hafer oder (ferste hergestellt. Der Hirse kommt selten vor. Dagegen tritt
der Gemüsebau mehr und mehr in den Vordergrund, und besonders in der
Nähe von Städten; desgleichen der Anbau von Handelspflanzen wie Flachs.
Hanf, Krapp und Waid. Für solche Zwecke wurde meist das Sommerfeld (im
System der Dreifelderwirtschaft) oder auch das Brachfeld benutzt, und schliefe-
lieh wurden in der Nähe von einigen Städten ohne Rücksicht auf irgendein
Feldsystem das Land nur mit Garten- und Handelepflanzen bestellt. Mainz.
Würzl mrg, Bamberg, Frankfurt a. M., Nürnberg, Augsburg und vor allen Erfurt
zeichneten sich in der Gemüsekultur. Blumenzucht und Erzeugung von Nutz-
pflanzen aus. Die wichtigste Färberpflanze war in Thüringen der Waid (isntis
titictoria) zur Herstellung einer blauen Farbe: Erfurt, Gotha, Langensalza, Tenn-
stedt, Mühlhausen, Weimar, Arnstadt waren Verkaufsplätze von Waid. Aufser
üi Thüringen wurde Waid auch in Franken, Hessen, am Niederrhein, in
Brandenburg und den Ostseeländern erzeugt; Krapp zum Kotfärben am 01»er-
rhein, in Schlesien und ebenfalls an der Ostsee. Zum Gelbfärben dienten
Safran (in Österreich und Steiermark gebaut) und Saf lor {carüuimus tinetoriush
der 1241 zuerst genannt wird und in Thüringen (Erfurt) und Schlesien ge-
wonnen wurde. Zur Tuchfabrikation diente die Weberkarde. Auch der
Flachsbau hatte eine weitere Ausbreitung erfahren. Schließlich ist noch
des Hopfen- und Weinbaues zu gedenken Die- Hopfengärten wiegen in
Norddeutschland vor: in Thüringen, Brandenburg, Schlesien, Mecklenburg.
Schleswig-Holstein, Lübeck. Dagegen stand Süddeutschland im Bierkonsum
zurück; in Böhmen, Österreich und Altbaiern wird Hopfen zwar schon gepflanzt,
doch stand dort die ganze Kultur noch in den Anfängen. Der deutsche
Weinbau machte in dieser Zeit seine bedeutendsten Fortschritte. Die mittel
und süddeutschen Urkunden geben hiervon Zeugnis, die Rheingegenden stehen
begreiflicherweise obenan. Aufser an der Mosel und am Rhein wurde seit
dem XI. Jh. auch an der Saar Wein gebaut. Alle Orte, welche Terrassenbau
erforderten, blieben bis Mitte des XII. Jh. von der Weinkultur unberührt.
Seit dieser Zeit regt sieh der Terrassenbau ; im XIII. Jh. ist er schon weit ver-
breitet (Lamprecht. DW I, 572, II, 54 ff. Hierzu Karte 7 daselbst: Verteilung
der Weinorte um 1237 und 1825). Der Weinbau hatte sich auch im übrigen
Deutschland erheblich ausgebreitet. Nicht nur nach Schwaben, Kranken, Tirol
und Österreich, auch nach Norden war er vorgedrungen. Im XHI. Jh. finden
wir bei fast allen Klöstern Sachsens Weinberge, deren Benennung sich bis auf
den heutigen Tag erhalten hat. Aber schon damals fingen die Klöster an.
ihren Bedarf von Rhein, Mosel und Main herzubeziehen. Corvey kaufte
mehrere Weinberge an der Mosel, Walkenried besafs Weinberge und Kellereien
bei Würzburg (Havemann, Hannov. I, 573). Besonders lebhaft wurde die
Kultur auch in Thüringen und Obersachsen betrieben, wo die ersten Anfange
bis in das X. Jh. zurückreichen. Weinberg«« in der Diözese Brandenburg
werden im Jahre 1184 erwähnt, Wein war vor der Einführung des Christen
tums im Wendenlande sonst nicht gezogen worden. Nach Bommern kamen
die ersten Reben 1128; es war fränkisches Gewächs. Der erste urk um 11 ich er
wähnte Weinberg lag bei Grabow-Stettin (Giesebreeht, Wend. Gesch. I. 18:.
Mögen auch die an den Weingenufs gewöhnten Geistlichen den Anbau in
solchen (iegenden verbreitet und gefördert haben, so scheinen mir doch die
kirchlichen Zwecke (Wein beim Abendmahl) wesentlich ausschlaggebend ge
wesen zu sein. — Der Obstbau scheint keine bedeutenden Fortschritte ge-
macht zu haben, aber auch nicht stellen geblieben zu sein. Er war in ganz
Deutsehland vertreten, insonderheit wieder im Rheinland, von wo aus auch
die Einführung neuer Arten betrieben wurde (Langethal II, 335). Daneben
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231. Wald.
389
ra^te Siidtirol hervor. Apfel und Birnen waren allgemein verbreitet; seit dem
XIV. Jh. auch Kirschen und Quitten. Dagegen sind Beerensträucher als Obst
in «1er ersten Hälfte des XIII. Jh. kaum noch bekannt; statt deren hielt man
steh an die Waldheeren. Der Nufsbaum in Gärten. Höfen und freien Plätzen
wurde wegen der Ölbereitung (Brennöl) und seines Holzes geschätzt, Seit dem
XI. Jh. tritt auch die Edelkastanie in kleinen Wäldern mehrfach auf.
Die Pferdezucht hatte an Bedeutung zugenommen, da der Bedarf für
kriegerische Zwecke und die landwirtschaftliche Arbeit, schliefslich aber auch
für den Fraehtenverkehr immer mehr stieg. Man machte auch schon einen
Unterschied zwischen den edleren Reitpferden und einfachen Arbeitepferden.
Es gab auf herrschaftlichen Gütern grofee Gestüte, und einzelne Landschaften,
wie Oberbaiern, Nordtirol, der Pinzgau und Lungau (oberes Murtal), zeichneten
sich in dieser Zucht aus. Neben den Stallpferden gab es wilde Pferde (equi
pilvestres, equi vagi), die im Freien weideten und nur selten in einen Stall
gebracht wurden (Sachsenspiegel I, 24). Die Rinderzucht stand wie auch
früher der Pferdezucht nach, hatte sich aber etwas gehoben. Mit dem Auf-
kommen der Städte nahm der Konsum an Mastvieh sowie an Produkten der
Viehzucht, Milch und besonders Käse ganz ungewöhnlich zu Butter kam
weniger in Betracht; auch wurde im Mittelalter mehr Kalbfleisch genossen.
Ks wird von grofsen Rindenvirtschaften berichtet, sog. Schwaigen, Viehhöfen,
wo die Zucht in gröberem Umfange betrieben wurde. In den Alpen bestand
<lie Sennerei schon in derselben Form wie heute. Im Frühling fand die Auf-
fahrt der Herde statt ; die Alpenmatten wurden bis zum Hochsommer in immer
größeren Höhen abgegrast (Langethal II, 300 f.). Die Alpen Wirtschaft war
auf Sommerbetrieb der Viehzucht eingeschränkt und beruhte zumeist auf der
Mimendenutzung (Inama Sternegg III, 360 f.). Weit mehr als das Rind diente
das Schwein als Fleischtier. Es war für damalige Zeiten deshalb ein wichtiges
Haustier ; schon die grofsen Zahlen sprechen hierfür, da es Herden von 1000
und 2000 Stück gab. Die Schweineweide bildeten die Buchen- und Eichen-
wälder, deren Wert und Bedeutung von der Anzahl der zu weidenden Tiere
abhängig war. Westfalen ragte schon damals in der Schweinezucht hervor (Seihertz,
I/lgesch. Westf. III, 323). Wie im Winter das Schwein, so scheint im Sommer
das S c h a f die hauptsächlichste Fleischspeise gebildet zu haben. Weit mehr
aber war es die Wollproduktion und die steigende Nachfrage nach Wolle, die
mit der Entwicklung des Tuchraachergewerbes in den Städten in Zusammen-
hang stand, wodurch die Schafzucht eine Hebung und Ausbreitung erfuhr.
Die oberrheinischen Gebiete, Schwaben, Franken, das niederrheinische und
Moselgebiet sowie die nordöstlichen Teile des Reiches bis nach Preufsen hin-
auf besafsen wichtige Standorte für den ( Jrofsbetrieb der Schafzucht (Inama III,
355). Das Moselland und besonders die Hochplateaus waren schon in römischer
und fränkischer Zeit berühmt In der Karolingerzeit scheint dann ein Rück-
gang eingetreten zu sein, aber am Ende des XI. und besonders Ende des
XIII. Jh. blühte die Schafzucht im Ardennen- und Eifellande im grofsen
wieder auf, um dem gesteigerten Fleisch- und Wollkonsum zu genügen. Die
-Anzahl der Schafe in den Schwaigen belief sich im XIII. Jh. sogar auf
250 Stück, im XIV. bis XV. Jh. auf 500 Stück, während im Anfang unseres
Jahrhunderts höchstens 100—150 Stück bei Privatherden gezählt wurden
Umprecht DW. I, 536 f.).
Alles Nähere vgl. bei Inama-Stern egg, Dt. W. IH, 330—371. Lange-
thal, Gesch. d. deutschen Landwirtschaft, 1850, II, 2<J5 IT.. 336 ff.. 378 ff. v. d.
Goltz, 1. c. I, 125 ff. Lamprecht, DW. I, 332 ff., 547 ff. Ferner Fraas,
Gesch. d. Landwirtsch., Prag 1852. Löhe, Gesch. d. dt. Landwirtsch., Berlin 1873
231. Wald. Die Waldrodungen, die im VI. Jh. begonnen hatten,
wurden in dieser Periode in verstärktem Mafse fortgesetzt und erreichten
im XII. .und XIII. Jh. ihren Höhepunkt, zugleich aber auch einen vor-
läufigen Abschlufs. Während vorher vorzugsweise der Westen Deutschlands
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VII. Kulturgcojp-aphie "m ,l»8 Jah* 137».
hiervon betroffen worden war, griff die Waldlichtung nunmehr auch
auf die östliche Hälfte Mitteleuropas über, und in einem verhältnismäßig
schnelleren Tempo als vordem wurden hier Breschen in den deutschen
Urwald gelegt. Bis zum XI. und XII. Jh. hatte man besonders in
der westlichen Hälfte der deutschen Waldgebirge vom Schwarzwald bis
zum Thüringer Wald und dem sächsischen Vogtlande eine eifrige Rode
tätigkeit entfaltet, im XII. und XIII. Jh. drang man auch in die böhmi-
schen Randgebirge und in die dichten Waldgebiete des grofsen Tieflandes
nördlich von ihnen ein. Das Rodungswesen ging mit der germanischen
Kolonisation der Slavenländer Hand in Hand; Adel und Fürsten selbst
slavischer Abkunft, hatten ein persönliches Interesse, das Land zu kulti-
vieren und wirtschaftlich ertragfähig zu machen. Sie begünstigten den
Zuzug deutscher Kolonisten, da die slavischen Bewohner nicht die tech-
nische Fertigkeit besafsen, die dichten Urwälder zu lichten. Die
bedeutsamste Förderung aber erfuhr das Rodungswesen durch die
Klöster, die im XII. und XIII. Jh., wie Arnold sich ausdrückt, geradezu
auf Spekulation gegründet worden und nichts weiter als grolse Rode-
anstalten waren. So lichtete sich der Wald zusehends und hiermit
ändert«» sich auch das Landschaftsbild. Die Verteilung von WaldlanA
und offener Feldflur wurde eine andere, wenn auch noch nicht beständige;
denn noch bis zum XIV. Jh. haben feste Grenzen zwischen beiden nicht
bestanden. Die Wirtschaftsweise bedingte überdies einen Wechsel zwischen
Waldbau und Feldbau; wenn die Nährstoffe aus den humösen Boden-
schichten herausgezogen waren, liefs man das Land brachliegen, welche*
sich dann von neuem bestocken konnte. — Die Waldnutzung hatte
anfangs noch keine wesentliche Änderung erfahren. Mast- und Weide
nutzung standen nach wie vor in erster Reihe, dann die Jagd und
zuletzt die Holznutzung. Jedem Mitgliede einer Markgenossenschaft war
es verstattet, Holz nach Belieben zu schlagen. Es konnte daher nicht
ausbleiben, dafs in den dichter besiedelten Gegenden des westlichen
Deutschland, dann besonders auch in der Nähe der Salinen und Hütten-
orte das Holz im nächsten Bereiche abzunehmen begann, wenn auch
noch nicht ein eigentlicher Holzmangel eingetreten war. Indessen war
die Sorge um einen später eintretenden Holzmangel stets die geringere
gewesen, weit mehr war man auf den Schutz der Jagd bedacht, die durch
allzuviel Xeubrüche leicht eine Einschränkung und tiefergehende Schädi
gung erfahren kennte. In den Bannforsten war das Roden schon ans
diesem Grunde untersagt. Im Laufe der Zeit stellte sich die Notwen-
digkeit heraus, den Rodungen Grenzen zu setzen; es wurden zunächst
nur für einzelne Waldgebiete Rodungsverbote erlassen. Anfangsi traten
sie spärlich und meist wohl mit Rücksicht auf den Jagdschutz auf.
später wurden sie immer häutiger und allgemeiner. So wurde im Jahre
1165 im Lorscher Walde das Roden verboten, 1226 im Rheingau, 1291
in der Mörler Mark, in letzterer zum Schutze der Mast und Weide. Im
Jahre 1237 untersagte Erzbisehof Elterhard von Salzburg im Interesse
des Salinenbetriebs die Umwandlung von abgeholzten Landstrichen in
Ackerland, damit auf ihnen wieder Holz nachwachsen könne*. Wie
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231. Wald. 391
t
in diesem Falle, so wurde eine Förderung der Waldkultur auch durch
eine Verfügung Kaiser Albrechts im Jahre 1304 beabsichtigt, in welcher
er Neubrüche im Ilagenauer Forst untersagte und die Wiederbestockung
der in Feldfluren umgewandelten Teile anordnete (Schwappach I, 154—156).
Die Waldverhältnisse hatten also an vielen Orten schon eine erhebliche
Veränderung erfahren. Auch da, wo keine dichtsitzende Bevölkerung
für den eigenen Bedarf den Wald rodete, fand eine Lichtung desselben
durch Holzverkauf und -handel nach holzärmeron Ländern statt, besonder*
dann, wenn natürliche Wasserstraßen es begünstigten. So wurde schon
im XIII. Jh. auf der Ostsee ein schwunghafter Handel mit Holz
getrieben. Die Holzausfuhr der Stadt Danzig erstreckte sich bis Holland,
Spanien und England. Im Jahre 1342 durfte Holz auf Würm, Nagold,
Enz und Neckar geflöfst werden. Auf der Spree im 1 Havel begann die
Holzflößerei auch schon im XIII. Jh., um aufserdeutsche Länder zu
versorgen (Enders 6f> ff.).
Die unter gemeinsamen Interessen organisierten Markgenossensehaften
iH safsen den Wald als Gesamteigentum. Neben diesen Markwaldungen blieben
aber noch grofse Gebiete übrig, die als herrenloses Land anfangs nominell dem
Konige gehörten, dei sozusagen der gröfste Grundbesitzer im Lande war. Das
Reichsgut fand aber im Laufe der Zeit eine beträchtliche Verminderung durch
die freigebigen Schenkungen, welche die Könige an geistliehe und weltliche
Herren und an die Klöster machten. Die Ausbildung des Lehenswesens
^forderte die Zerbröckelung des fiskalischen Besitzes immer mehr, und Teile
-i<-s Reichsgutes gingen sehliefslich in den persönlichen Besitz des Belehnten
und seiner Erben über. Da überdies die Kaiser in finanziellen Verlegenheiten
Reichsgut zu verpfänden oder zu verkaufen pflegten, so schrumpfte der
fiskalische Besitz immer mehr zusammen, und nicht zum wenigsten betraf dies
die grofsen Bannforste und Reichswaldungen. Aber auch in den Besitzver-
hältnissen der Markgenossenschaften trat eine Wendung ein ; ihre Autonomie
wurde ulimählich beschränkt, die Markwaldungen wurden geteilt, und seit dem
XU. Jh. verschwand «'ine Markgenossenschaft nach der anderen. Um das
XIII. Jh. lagen die Waldeigentumsverhältnisse so. dafs die landes- und grund-
herrlichen Waldungen die gröfsten Flächen einnahmen und nur noch Reste
der früheren grofsen Reichsforste übrig waren. Vgl. Schwapp ach, Handb.
d. Jagd- u. Forstgeseh. I, 109 IT., 126 IT. Enders, Die Waldbenutzung vom
13. bis Ende des 18. Jh., Tübingen 1888. p. 2 ff.
Es möge hier ein Überblick über die wichtigeren grofsen Waldterritorien
Deutschlands folgen unter besonderer Berücksichtigung der Reichswaldungen
in der westlichen Hälfte und mit einigen Angaben über Beschaffenheil und
Zusammensetzung der Wälder. Als Vorarbeiten sind hier zu nennen: Chr. Fr.
Meyer, der frühere und dermalige Zustand der staatswirtschaftlichen, forst-
lichen und rechtlichen Verhältnisse bei den Waldungen in Deutschland und
namentlich bei den «lasigen Reichsforsten, Nürnberg 1851. von Berg, Gesch.
d. deutschen Wälder, p. 287 — 316. Roth, Gesch d. Forst- und Jagdwesens,
8. 144 ff. Schwappach, Handb. I, 111 — 121. Über die dendrologischen
Verhältnisse s. die oben 8. 207 genannte Literatur; lerner Krause, Floren-
karte von Norddeutschland für das XII.— XV. Jh.. in Bctermanns Mittlgn.
1892, 231 ff., mit Karte Tat. 18.
1. Bannforst bei Aachen, ein Teil des Ardennerwaldes. In Urkunden
Karls d. Gr. 804: forestum nostri Aqiustfratmtn genannt ; er dehnte sieh südlich
Über Cornelimünstei bis nach Montjoie aus an das Hohe Venn and kam in
den Besitz der genannten Abtei und der Herren von Montjoie, deshalb auch
als Reichswald von Montjoie bezeichnet. — 2. Der Kondelwald bei dem
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VII. Kultunreojrraphie um «hm Jahr 137f>.
alten Königshofe Cröve oberhalb Cochem am linken Moselufer, schon in Urkunden
Pippins 752 genannt, — 3. Königlicher Wahl zwischen Boppard und Ober-
weid, 8*2») genannt. Hier herrschte überall die Buche und Eiche vor, wie
überhaupt auf dem ganzen Eifelplateau. Näheres über diese Waldungen hei
Lamprecht, Dt. Wirtschaf tsg. I, 93 ff. — 4. Im Nahegau der Soonwald,
der ehemals gröfser gewesen zu sein scheint und den Idarwald mit um-
schlossen hat; heute im Kreise Kreuznach gelegen; er war ganz mit Eichen
bestanden. — 5. Der Reichsforst bei dem Königshofe Lutara (Kaiserslautern)
im Nahegau bis an die (ilan reichend. Im XIV. Jh. kam er an das kur-
pfälzische Haus. — 6. Die Buchenwaldungen der bairischen Vorderpfalz,
in welcher neuerdings auch die Kiefer angepflanzt worden ist. — 7. Der
Winter hauch an der oberen Nahe, 961 genannt, — 8. Der heilige Forst
bei Hagenau im Elsafs, auch Heiligen f orst genannt, mit Eichen- und
Buchenbeständen, nördlich von Hagenau zwischen den Yogesen und tlem
Rhein. Über die Eigentumsverhältnisse an demselben handelt ausführlieh
Ney, Geschichte des heiligen Forstes, Strafsburg 1888/89. — 9. Auf der rechten
Rheinseite der Königsforst bei Bensberg, östlich von Cöln. — 10. Der
Zand er hart in der Wetterau südlich von Fulda kam durch Kaiser Heinrich II.
an die Abtei Fulda. In dem Schenkungsbrief wird die Grenze näher bezeichnet,
— 11. Der Forst bei der Burg Friedberg zwischen Frankfurt und Giefsen
in der Wetterau von geringerer Bedeutung. — 12. Östlich von ihm der
B ü d i n g e r R e i c h s w a 1 d , auch Reichs »Schirmwald, bei Gelnhausen. Ein Weis-
tum von 1380 gibt die Grenzen an; der gröfste Teil lag in Überhessen bis zur
Höhe des Wogalsberges hinaufsteigend. — 13. Der Spessart in der vier-
eckigen Mainschleife war im Mittelalter nachweisbar nur mit Laubholz bestanden,
besonders mit herrlichen Eichenwäldern und deshalb geschätzt wegen seiner
reichen Mast. 14. Der Dreieicher Reichsforst (Trieich, Drieich. Dri-
eichuhi), dessen Grenzen aus einem Weistum von 1338 bekannt sind. Er wird
schon im IX. Jahrhundert genannt und gehörte zu den Pfalzen Frankfurt und
Tri hur. Er lag in dem Winkel, den Rhein und Main bilden, griff aber noch
ein Stück nördlich über den Main bis Vilbel aus und reichte östlich bis an
den Main bei Asehaffenburg und südlich bis Reinheim. Zu ihm gehörte auch
der Königsforst bei Frankfurt (Chnnüjesforst). — 15. Der Forehahi uinfafste
die ganze heutige Bergstrafse zwischen dem Rhein und Neckar und der Berg
zone. — 16. Der Odenwald zwischen Main und Neckar; die Bergstrafse
schied ihn vom vorigen. Er ging an das Kloster Lorsch über, über die letzt-
genannten drei Waldungen vgl. Wenck, Hessische Landesgeschichte, 1783, I,
69 ff. Das ganze obere rechte Rheingebiet von Karlsruhe bis Mainz sowie
der westliche Teil des Odenwaldes waren ausschliefslich von Laubwaldungen
erfüllt. — 17. Der Luizhard, Lufshard im Kraiehgau, nördlich von Bruchsal,
bis an den Rhein reichend, kam an das Bistum Speier. Eine Trkunde Heinrichs IV.
von 1063 gibt den Umfang an. — 18. Königsforst zwischen Neckargemünd
und Laufen, südlich des Neckars zu beiden Seiten der Eisenz. — 19. Reichs-
forst Walle übe rg im Gardachgau, nach der Gardaha (Leinbach) benannt,
in der Nähe von Wimpfen. — 20. Reichswald bei Altdorf und Weingar teil
nördlich vom Bodensee im Amte Ravensburg. — 21. Schönbuch, 1187 ge-
nannt, auch Silva Schainbuoch 1191, nördlich von Tübingen. — 22. Uttinger
Forst bei Aufkirchen an der Wörnitz, 1347 Truhendinger Porst genannt.
23. Der Steigerwald, dessen Grenze die Schenkungsurkunde Heinrichs LI.
an das Stift Würzburg 1023 enthält. Er erfüllte den ganzen Bogen der Main-
schleife bei Sehweinfurt. — 24. Die Hafs berge zwischen Hafsfurt und
Bamberg. 25. Der Frankenwald, früher Nordwald, mit dem Fichtel-
gebirge. — 26. Der Forst von Weifsenburg am Sand im Rezatgebiet. -
27. Der Nürnberger Reichswald, dessen Teile nach den beiden Nürn-
berger Kirchenheiligen benannt wurden. Die Pegnitz trennt ihn in den Reichs-
wald St. Sehaldi, nördlich bis fast nach Erlangen reichend, und den Reichswald
St. Laurenz! am linken Tier. Über ihn handelt die Festschrift f. d. Vers.
232. Bergbau.
303
deutscher Forst- u. Landwirt*1 : Beschreibung des Reichswaldes bei Nürnberg
in geschichtl. und Wirtschaft! Beziehung , Nürnberg 1853. — 28. Auch der
Ba irische Wald war zum grofsen Teil Reichsgut gewesen. — Was die Ver-
teilung von Laub- und Nadelwald in diesen Gebieten Süddeutsehlands an-
belangt, so herrschte der letztere besonders in der östlichen Hälfte vor. Das
fränkische Plateau, der Böhmer Wald und das Fichtelgebirge, desgleichen die süd-
lichen Landschaften einsehliefslich der Alpen, ferner die hol leren Teile des
Schwarzwaldes u. a. in. gehörten dem Nadelwaldgebiete an, wenn auch kleinere
Laubwaldbestände nicht ganz .ausgeschlossen waren.
In Norddeutschland bildete 29. der Harz einen Bannwald. Die Grenzen
sind nirgends angegeben, doch scheinen sie durch das Gebirge gegeben zu sein.
Im Jahre 1157 belehnte Kaiser Friedrich 1. Heinrich den Löwen u. a. auch mit
dem Forst auf den Gebirgen, welche Harz genannt werden. Seitdem blieb er
in} Besitz der Weifen, über Laub- und Nadelwald auf dem Harz vgl. oben
S. 2t »7. — Im Sachsenspiegel werden neben dem Harz noch zwei andere Bann-
wälder genannt: 30. Die Magetheide, in der allgemein die Lüneburger Heide,
die ehemals mit Eichen bestanden war, vermutet wird. Andere suchen sie im
Meifsenschen Gebiet bei einem Orte Brcthin zwischen Torgau und Wittenberg,
weil sie auch die Brettinsehe (Prettinsehe) Heide hiefs. — 31. Die Lage der
Heide zu Koyne ist uns ebensowenig genau bekannt. Hüllmann verlegt
sie in den Thüringer Wald, Neumann nach der Niederlausitz (im Kreise Guben
liegt ein Dorf Koyne), von Berg in die Gegend von Zeitz, wo südöstlich von
der Stadt ein Flecken Kaina genannt wird; daselbst hielt Friedrich I. 1179
einen Reichstag ab. Vgl. Berg, 1. c. 313. Neben den königlichen Wäldern
gab es im westlichen Deutschland eine Fülle von grundherrlichen und frei-
eigenen Markwal« hingen, die hier unmöglich alle hergezählt werden können.
Einen grofsen Teil von ihnen bespricht Roth, 1. c. S. 165 ff.
Dafs im östlichen Deutschland der Wald noch sehr viel dichter stand,
ist mit Sicherheit anzunehmen. Die böhmischen, mährischen und schlesischen
Wälder werden noch als reine Urwälder geschildert. Auch eine Reihe von
Waldnamen sind uns überliefert: die Silva Delvunder an der Delvenau, die Silva
Travena an der oberen Trave, der Wald Isamho an der Schwentine, Hehnold
(I, 83) kommt zum Fürsten Pribislaw in Wagricn durch einen Wald von Eichen ;
die Silva Iiesut auf der Grenze der Länder Havelberg und Müritz, der Wald
Porti im Gau Zemzizi (Urk. Ottos I.), die Merica Werbelt/n westlich des gleich-
namigen Sees (heute Schorfheide), ein beliebtes Jagdrevier der Markgrafen und
Kurfürsten , die Merica versus Streit (Sehweit) zwischen Königsberg i. NM.,
Zehden und dem Odertal; ferner der Zotzen im Havellande, von Nauen bis
Spandau und der grofse. oft erwähnte Wald auf der Grenze von Polen und
Pommern, der in Herbords vita Ottonis sehr anschaulich beschrieben wird,
und bis an die Netze reichte. Eine Zusammenstellung aller in Urkunden und
anderen Quellen genannten Waldgebiete existiert noch nicht; sie würde
wenigstens einen Anhalt für die geographische Verbreitung des Waldes bieten.
232. Bergbau. Während in der voraufgehenden Periode die Quellen,
welche eine bergbauliche Tätigkeit bezeugen, verhältnismäfsig spärlich
fliefsen und auch spärlich fliefsen müssen, weil diese Tätigkeit an vielen
Orten erst in den Anfängen stand oder noch gar nicht eingeleitet worden
war, ändert sich dies mit dem Eintritt in das XI. Jh. und in der nach-
folgenden Zeit. Zahlreiche Bergwerksorte werden genannt, ganze Land-
schaften treten mit einem regen Betriebe plötzlich in den Vordergrund,
die stärkere Produktion von edlen und unedlen Metallen übt ihren
EinHufs auf die wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Die Bedeutung und
Wichtigkeit, die dem Bergwesen nunmehr beigemessen wird, äul'sert sich
auch auf staatsrechtlichein Gebiet. Der König besitzt das Bannrecht
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VII. Kultuiyeogmphie um das Jahr 1375.
über die Wälder, die Jagd- und Fischereigründe, über Mühlen, Brauereien
und Backöfen; er malst sieb auch das Berg- und Salzregal an,
welches im XII. Jh. voll entwickelt ist. Der anfängliche Betrieb lag
ganz in den Händen der grofsen < irundherren; er erforderte viel Er-
fahrung und technische Kenntnisse, und es war daher unausbleiblich,
dnfs die Bergleute, auf deren Geschicklichkeit der ganze Erfolg der
Förderung beruhte, sich unentbehrlich wufsten und ihre Stellung dein
Grundherrn gegenüber unabhängiger zu gestalten suchten. Dies führte
späterhin zu einem genossenschaftlichen Betrieb durch Gewerkschaften,
wodurch der Grundherr immer mehr zurücktrat und schliefslich nur noch
auf Anteile beschränkt war. Seit dem XIII. Jh. treten daher eine Reihe
von Bergwerksordnungen für verschiedene Städte auf, von denen einige
(ähnlich wie die Städteordnungen) als mustergültig auch auf andere Berg-
werksorte übertragen wurden.
('herschauen wir den Gesamtbetrieb in deutschen Landen z. Z.
Karls IV., so hat er schon rein räumlich genommen eine gröfsere Ent-
faltung erfahren. Neben den älteren Bergwerken treten besonders der
Harz, das Sächsisch«' Erzgebirge, Niederschlesien und Böhmen als Pro-
duktionsstätten von Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei und Eisen hervor.
Die Entdeckung neuer Erzgänge, der bedeutende Erfolg in der Gewin-
nung wirkten anziehend auf die Bevölkerung der nachbarlichen und oft-
mals sehr weit entlegenen Länder. Eine Bewegung innerhalb der
Bevölkerung war die Folge. Sächsische und fränkische Bergleute fanden
sich ein und zogen andere Ansiedler nach sich. Einsame Waldeinöden
belebten sich plötzlich und, amerikanischen Verhältnissen ähnlich, wuchs
infolge der zunehmenden Bevölkerung eine Anzahl von Bergstädten in
rascher Folge empor. Deutsche Bergleute zogen aber auch weit über
die Grenzen deutschen Landes hinaus. Südtirol, das ( Jberungarisehe Erz
gebirgo und Siebenbürgen wurden ebenso von ihnen aufgesucht.
Die Salinen hatten in dieser Zeit einen gewaltigen Aufschwung
genommen. Einige neue waren hinzugekommen; die älteren aber wurden
intensiver ausgebeutet. Die zunehmende Bevölkerung machte eine reich
liebere Ausnutzung notwendig. Die Salzquellen waren aber höchst
ungleich über das Land verteilt. Der Süden und die gröfsere ostliche Hälfte
zählten die meisten, während der äufserste Westen, besonders die Rhein
lande, mit ihrer sehr viel dichteren Bevölkerung verhält nismäfsig weniger
mit Salz von der Natur beschenkt worden waren. Hier kamen allein
die lothringischen Salinen in Betracht.
Aus dem Jahre 1172 ist eine kurze Nachricht erhalten über einen Streit
zwischen dem Grafen von Nassau und Erzbisehof Arnold von Trier über Silber-
gruben in der Umgebung von Ems an der Lahn. Die Einser Silberbergwerke
gehören zu den ältesten in Deutschland. Es wurde auf beiden Seiten der Lahn,
am frühesten auf der linken Seite derselben gebaut. Auch weiter unterhalb
hat es damals Silberproben gegeben. Der Erzhischof Siegfried von Mainz liefs
1211» bei Oberlahnstein auf dem Berge Dietenthal ein Silberwerk betreiben. Die
Grafen von Katzenelnbogen hatten dergleichen in der Umgegend von Brau
bach (1301), w<> die Fundgruben stark ausgearbeitet worden sind. Wenck, lies.*.
I^ndesgesch. I, 156. Sehliephake, Gesch. v. Sassau I, i>7i» f.
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232. Bergbau. 395
Die Gegend bei Siegen war seit altera wegen ihrer Bergbauschätze
bekannt; 1079 wird der Ort schon in einer Schenkungssurkunde genannt; 1288
der Stahlbelg bei Müsen. Festenberg, S. 11.
Über die Eitel- und das Moselland liegen uns frühzeitige Nachrichten
über eine bergbauliche Tätigkeit vor. Besonders wurde Eisen gefördert. Das
älteste Zeugnis hiefür bietet die Gegend von Bitburg um 1030. Aber auch die
Bezirke von Coblenz, Simmern, Prüm, Daun, Wittlieh, Bernkastel, Trier u. a.
lieferten Eisen. »Sehr viel geringfügiger, fast verschwindend war die Silber
gewinnung (Bernkastel). Dieses sowie Kupfer, Blei und Zinn mufsten deshalb
eingeführt werden. Lamprecht, Dt. W. II, 329 — 331.
Erster urkundlicher Beleg über einen eigentlichen Bergbau am Oberrhein
ist die Belehnung des Hochstiftes Basel mit der Nutznießung etlicher Silber-
gruben im breisgauseben Münstertal durch König Konrad II. im Jahre 1028.
Mit dem Jahre 1(128 beginnt also die urkundliche Geschichte des Bergbaues
im sw. Sehwarzwald. Seine I lau ptsitze waren : 1. Sulzburg und Badenweiler,
2. .Münstertal und das Bergstädtchen Münster, 3. Todtnau (Tottennowe), bereits
im XII. Jh. eine Kolonie von Bergleuten, 4. Kirchgarten und Hofsgrund, in
alten Zeiten Besitzungen des Klosters St. Gallen, 5. das Glotter- und Sucken-
tal. Der Bergbau ging von der Ebene und den dieser zunächst liegenden
Hügeln aufwärts in die Täler und mit ihm die Bevölkerung, welche er nach
sich zog und, nachdem abgebaut worden, zurücklief». So wirkte der Bergbau
kolonisierend.
Die Gänge des Schwarzwaldes werden durch Verwerfungen oft taub.
Dieser Umstand erklärt die grofse Menge von Gruben, indem Verwerfungen
ein Verlassen der Gruben herbeiführten. Hieraus erklären sich auch die vielen
neuen Belehnungen während des ganzen Mittelalters und die Tatsache, dafs
die Reviere des Schwarzwaldes ganz durchwühlt sind, ohne dafs Gänge von
grofser Länge vorhanden sind. Trenkle, S. 190 fT. Gothein, S. 584, 587.
Dafs im Waldeckschen schon vor 1244 Gold in Winnenbach gewaschen
wurde, beweist die Nachricht, dafs der Abt von Corvey sich den Goldzehnten
in Immighausen vorbehielt. Jener Bach geht in die Itter, diese in die Eder
(Edder). Besonders der letztgenannte Flufs war als Goldrlufs berühmt. Auch
sonst wurde im Waldeckschen nach Gold gesucht; 1250 wird des Goldes am
Eisenberge bei Corbach gedacht. Curtze, Waldeck, S. 67, 73. — Eine Urkunde
von 1150 gestattete dem Abt Willibald von Corvey, am Breuberg nach Metallen
zu graben und sie zu verhütten. Seihertz, I B. z. westfäl. Gesch. I, 67. Im
hennebergiseben Gebiet wurde auch im XIII. Jh. gebaut. Im reufsischen
Gebiet war der Bergbau auch in derselben Zeit nachweisbar vorhanden. Alt
sind auch die Bergwerke bei Salfeld. die angeblich schon 1295 auf Silber und
Bleiglanz abgebaut worden sind. Im XIV. Jh. werden die Bergwerke von
Siebenlehn genannt, wo auf Silber gebaut wurde; 1320 wird der Abt zu Zella
mit diesen belehnt. Cf. Gmelin, S. 381, 369, 150, 253.
Am Harze war die Produktion nicht immer eine gleichmäßige gewesen. Die
politischen Ereignisse trugen hieran die Hauptschuld. Im Jahre 1005 stand
aas Bergwerk im Ilammelsberg still und wurde erst 1016 von fränkischen Berg
leuten wieder aufgenommen. 1105 blieb es abermals unbebaut bis zum Jahre
1111. Dafs Goslar durch eleu Bergbau aulblühte, dafs die vielen dort an-
gehäuften Schätze auch raublustige Feinde anloc ken mufsten, ist leicht erklärlich.
Besonders unter Otto IV. hatte es 1205 zu leiden, als auch ein Teil der Silber-
hütten zerstört wurde. Auch Heinrich der Löwe hatte 1180 durch Entziehung
der Arbeitskräfte und Zerstörung der Hüttenwerke die Staat geschädigt. Bis
1209 blieb das Werk wieder liegen. In der Mitte des XIV. Jh. wurde überdies
das Bergwerk im Ilammelsberg durch Einstur/ geschädigt, bei dem 400 Berg-
leute umkamen.
Am Fichtelgebirge mufste auc h schon seit langer Zeit gebaut worden nein,
Karl IV. bestätigte den Burggrafen von Nürnberg das Hecht auf alle Gold-.
Silber-. Kupfer-, Eisen-, Blei- und Zinnbergwerke (1363). Bei Goldkronach im
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396 VII. Kulturgeographie um da». Jahr 1375.
Fichtelgebirge wurde, wie der Name besagt, Gold gewonnen; 1365 ist vom Mark-
grafen Friedrich die Fürstenzeehe erbaut worden. Gmelin, S. 15t) f.
Der Anfang des Mansfelder Kupfersehieferbergbaues wird von Spangen
berg in das Jahr llt<9 verlegt. Jedenfalls war er im XIII. Jli. schon im Gange.
1223 wird zuerst der Kupferberg (Möns cttpreusj bei Hettstedt erwähnt. Der
älteste erhaltene Lehensbrief Karls IV. für den Grafen von Mansfeld (1364)
enthält eine Besehreibung der Berggrenze. Cf. Gröfsler, 8. 3 f., 6 f.
Die Freiberger Bergschätze wurden im XII. Jh. entdeckt, Die Angabe
des Jahres der Entdeckung schwankt zwischen 1154 und 1172. Die Entdeckung
veranlagte den Anbau der Stadt Freiberg an Stelle von Christianisdorf. Daß
die Bergwerke dort von fränkischen Bergleuten des Fichtelgebirges oder böh-
mischen Bergleuten angelegt worden seien, ist nicht erwiesen. Goslarische
Bergleute zogen z. Z. der Kämpfe Friedrichs und Heinrichs des Löwen in
grober Zahl nach Meilsen, und sie haben den Markgrafen Otto veranlafst, die
Stadt Freiberg anzulegen (1171); in ihr hatten sie die sog. Sachsenstadt inne.
Freiberg ist die Mutter aller übrigen meifsnischen und sächsischen Bergwerke
geworden. Von dort aus wurden im Laub- der Zeit Schneeberg, Annaberg und
Marienberg begründet, die ihrerseits neue Bergwerke einrichteten. Der Frei-
berger Bergbau entwickelte sich in der Folgezeit zu immer gröberer Blüte und
begründete auch den Reichtum der damaligen Markgrafen. Bergwerke bei
Meilsen waren schon im Anfang des XIII. Jh. erschlossen. 1269 war das
Seharfenbergisehe eingerichtet worden. Bei Chemnitz scheint der Bergbau im
XIV. Jh. in Betrieb gewesen zu sein. 1375 wird der Eisen- und Kupfer-
gruben Erwähnung getan. Bei Wolkenstein hat der Bergbau urkundlich auch
schon Ende des XIII. Jh. begonnen. Cf. Gmelin, S. 265 ff.
Schlesien hatte damals in der Edelmetallproduktion nicht zurückgestanden.
Der Kupferbergbau bei Kupferberg reicht trotz der mangelhaften Nachrichten
in die frühesten Zeiten der Kolonisation zurück, und das gleiche gilt von
Sehmiedeberg. In den Diluvialschichten am Sudetenrande, auf der Linie von
Jaucr — Bunzlau — Löwenberg, traten in den Sandlagen neben Halbedelsteinen feine
Goldkörner auf, deren Gewinnung bereits im XIII. Jh. lebhaft betrieben wurde.
In Goldberg, Löwenberg. Bunzlau wurde der Abbau fast zu gleicher Zeit
betrieben. Deutsche hatten ihn, wie es scheint, zuerst in die Hand genommen.
In einer Urkunde von 1217 erkennt Heinrich I. alle Zechen zwischen Plagwitz.
Höfel, Lauterseifen, Deutmannsdorf, Ludwigsdorf und Görrisseifen als der Stadt
Löwenberg zugehörig an. Goldberg bildete ein besonderes Revier (1227 ur-
kundlich erwähnt). Auch bei Niekoisdorf wurde viel Gold gewaschen, so dafs
die Herzöge von Liegnitz es zur Stadt: Nickolstadt erhoben. Der Erfolg war
an den verschiedenen Orten ein verschiedener. Nach der anfänglichen Blüte
war ein allmähliches Nachlassen unverkennbar. Steinbeck I, 94 f.. 104 ff.,
II, 125 IL Über Bergwerke in Oberschlesien ist uns aus dieser Periode wenig
überliefert. Frühestens in der zweiten Hälfte des XIV. Jh. ist der Blei- und
Silberl »ergbau um Beuthen in Angriff genommen worden. Steinbeck I, 95 f.,
II, 140 ff.
Berühmt waren von jeher die böhmischen Silberbergwerke, so Deutseh-
brod an der Sazawa schon im XUL Jh. Gottesgab im Erzgebirge verdankt
dem Bergbau auf Silber und Zinn seinen Ursprung. Bei Budweis wurde' im
XIV. Jh. Silber entdeckt. 1385 wurde die erste Bergfreiheit erteilt auf die
Silbeigruhcii beim Dörfehen Wesch (spater Rudolfstadt). Das berühmteste und
einträglichste von allen Silberbergwerken war schon im XIII. Jh. Kuttenberg,
östlich von Prag. Die Silbererzgänge sitzen hier im Gneis auf. Wie der Name
der schnell erblühten Stadt schon zeigt, waren es deutsche Bergleute, die ihre
Tätigkeit dort entfalteten. Die gröfste Blütezeit reichte von der Mitte des
XI IL bis zum ersten Viertel des XIV. Jh. Der böhmische Zinnbergbau reicht
in nordwestlicher Richtung von Graupen bei Teplitz bis nach Schlaggenwald
(westlich von Elbogen). In letzterem Orte soll er schon im XIII. Jh. bestanden
haben, ebenso in Schönfeld. In Graslitz wurde 137<> der Bergbau auf Kupfer
n. ... _j , c *
Uigitizeo Dy
232. Bergbau.
397
betrieben. In Bergreichenstein am Abhänge des Böhmerwaldea bestand zu
Karls IV. Zeiten eine Ansiedelung von Goldwäschern. Auch in Eule (Jilowa),
südwestlich von Prag, ist früh auf Gold geschürft worden, wenn wir auch die
fibelhaften Nachrichten von Hageks Chronik für unzuverlässig halten. Da-
neben wurden auch Goldwäschereien betrieben. Pisek soll Ursprung, Namen
und Reichtum den reichen Ausbeuten der Goldseifen der Wottawa ver-
danken.
In den Ostalpenländern wurde neben Silber und Kupfer besondere Eisen
gewonnen , welches die Krzberge zwischen Vordernberg und Eisenerz vor-
nehmlich lieferten. Der Hochofenanlagen des Klosters Admont wird 1137
Erwähnung getan (Annal. Admont,. MG. SS. IX, 579).
Wie der Bergbau in Tirol schon zur Römerzeit betrieben worden, so tritt
er auch im Mittelalter hervor, wenn auch die Zeugnisse sich anfangs recht
spärlich einstellen. In der Mitte des XI. Jh. ist von einem Silberbergwerk
Vilanders im Eisackviertel die Rede; 1177 wird es abermals genannt. Vgl. von
Sperges, S. 32, 34. Die aus dem XII. und XIII Jh. stammenden Urkunden
betreffen vorzugsweise die Bistümer Trient und Brixen. Auf dem Calesberge
bei Trient fand ein bedeutender Silbererzbergbau statt. In Trient wurde llb5
zwischen Bischof Albert und den Gewerken wegen des Calenberges ein Vertrag
abgeschlossen.
Re ichenhall hatte auch in dieser Periode seine Bedeutung als Haupt-
saline Deutschlands gewahrt, trotzdem der Ort mehrfach eingeäschert worden
war (1196, 1205, 1266) und die Wildwasser zunahmen, welche die Gediegenheit
der Quellen schädigten. Man hatte aber in der Technik schon Fortschritte
gemacht und war zu einem maschinellen Betrieb mit einheitlicheren und
grofseren Verhältnissen übergegangen. Im Anfang des XII. Jh. scheint man
auch die Salzquellen bei Unken entdeckt und bebaut zu haben. Jene bei
Tuval zwischen Salzach und Niederalben sind um dieselbe Zeit in Betrieb, an
denen Salzburg und Berchtesgaden teilhatten. Um 1300 war dieses Salz-
werk aber schon aufgegeben. Ferner werden genannt die Salinen von Ilallein
oder Mühlbach (Mulbach 1198), deren gewaltiger Salzreichtum den Nachbar-
ländern (Böhmen, Franken) zugute kam. An 24 Pfannen bestanden dort, die
um 1300 zu neun gröfseren eingerichtet wurden. Frühzeitig war Gmunden
die grobe Salzniederlage gewesen ; die Maut daselbst warf im XIII. Jh. jähr-
lich an 1400 Talente ab. Auch in Gösau war ein Salzwerk, welches in der
Fehde zwischen Österreich und Salzburg 1295 niedergebrannt wurde, weil der
Enbischof seine Saline II allein durch jenes beeinträchtigt glaubte. 130H — 1313
wurde unmittelbar über Hallstatt auf den Salzkern selbst eingeschlagen. Auch
der Sündling bei Aussee wurde frühzeitig in Angriff genommen. Um 1147
haben die Cistercienser vom Kloster Rain zu Altaussee Salz gesotten. In der
Nähe entstand Neuaussee. In Hall bei Admont an der Knns waren die Salinen
in Betrieb; besonders Salzburg hatte das Aufkommen dieser HalJstätter be-
fördert.
Auch Herzoghall (das kleinere Hall), Minus Halle, quoil Ducis nnncupatur,
war in Betrieb und wurde 1184 der Abtei Admont bestätigt. Cf. Koch-Stern
fehl, L c. II, 44, 59 f., 6H.
Sulzburg oder -berg (Möns salmtginu) im Breisgau wird als Saline in den
Urkunden früh genannt. An den Salzquellen Bruchsals waren mehrere Stifter
beteiligt. 1056 kam es zum gröfsten Teil in den Besitz des Bischofs von
Speier. Orb wird als praedimu cum sulinurttm fontibus schon 1064 urkundlich
genannt. Saline Sulz am Neckar hatte die Stadt zur Blüte gebracht. Auch
Wimpfen war als Stadt lediglich durch seine Salzlager emporgekommen. An
Schwäbisch-Hall sind mehrere Dynasten beteiligt gewesen. Später entwickelte
es nich zur freien Reichsstadt. Das ganze wirtschaftliche und soziale Leben
war natürlich von der Saline beherrscht. Koch-Sternfeld II, 87, 94 ff.
Die Sülze zu Lüneburg war durch Heinrich den Löwen eifrig gefördert
worden, der zu ihren Gunsten die Salzquellen zu Oldesloe in Holstein, die da-
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39*
VII. Kultnrgeo^rnplüe um «las Jahr 1375.
mals angelegt waren, wieder versehliefsen Hofe. Helmold I. 76. Lüneburg
versorgte den gröfsten Teil von Norddeutschland von der Oder bis zum Nieder-
rhein mit Sulz. 126U wurde neben der alten Saline eine neue entdeckt.
Salzhemmendorf im Calenbergischen ist als Saline sehon seit dem XI. Jh. be-
kannt, ebenso Münder und Salzderhelden. Die Quelle von Salzuflen wurde
im XIV. Jh. entdeckt; es fand sieh dort ein Dorf vor, welches von Hernhanl VII.
von Lippe Stadtrecht erhielt; ferner Fried richshall an der Weira bei Rümhilri
mit einer Quelle, die sehon 1150 benutzt wurde. Auch Salzungen war als
Saline in der Henneberger Grafschaft von Bedeutung und urkundlich oft Be-
nannt. Allendorf a. d. Werra wird 1182 zuerst als Salzwerk genannt ; Sulza
als Saline 1064. Ebenso war Frankenhausen in Betrieb, über welches die
Grafen von Reichlingen als Eigentümer erscheinen bis 1340, wo es an <lie
Schwarzburger Grafen kam. Eimen oder Alten-Salza war unter den magde-
burgischen Salzwerken 1230 in Betrieb. Nach Zerstörung desselben während
der Kriege erstand in der Nähe (irofsen-Salza , welches die Sole aus zwei
Quellen zuleitete. Koch-Sternfeld II, 31 ff., 43 ff.
Im norddeutschen Flachlande werden aufser den Salzquellen von Lüne-
burg und Oldesloe noch einige in Mecklenburg erwähnt, wie Sülte oder Sülze
an der Reknitz (schon 1298 genannt) und eine andere in C'okla (unbekannt),
desgleichen auf Gütern des Klosters Chorin (1258). Riedel, Mark Brandenburg
im Jahre 1250, I, 458. Auch die Kolberger Salinen waren noch im regen
Betrieb (l'rk. Friedrich L 1182).
Gmelin, Beiträge zur Gesch. des teutschen Bergbaues, Halle 1783.
Mo sc)i, Zur Gesch. des Bergbaues in Deutschland, Liegnitz 1829 (war mir
in Berlin nicht zugänglich), von Flurl, Ältere Gesch. der Saline Reichenhall,
in Denkschriften der Bairischen Akad. 1809. von Koch-Stern fei d , Die
teutschen insbesondere baierischen u. österr. Salzwerke zunächst im Ma..
München 1836. Koch, Geschieht!. Entwickig. d. Bergbaus u. Salineubetriebs
in Elsafs-Lothring., in Brasserts Z. f. Bergrecht XV, 159 ff. Feste nberg-
I'ackisch, I). deutsche Bergbau, Berlin 1886, S. 7 ff. Inama-Sternegg
Deutsche Wirtschaftsgesch. II, 329 — 361. Klostermann, Wanderungen
deutscher Bergleute, in Z. f. Bergrecht XIII (1872), 46—57. Gothein, Wirt
schaftsgesch. d. Schwarzwaldes I, 583 ff. Trenkle, Gesch. des Bergbaus im
südwestl. Schwarzwalde, 1028—1869, in Z. f. Bergrecht XI, 185 ff. Neu bürg.
Goslars Bergbau bis 1552, Hannover 1892. Gröfsler, Die geschichtl. Ent-
wickelung des Martfelder Kupferschieferbergbaues, Eisleben 1900. Stein beck,
Gesch. des schlesischen Bergbaues, 2 Bde., Breslau 1857. Mosch, Über den
früheren Bergbau um Niekolstadt, in Ledeburs Archiv IV (1831), 320— 348.
Zöllner, Der erzgebirgische Bergbau im Ma., 1889. Schurtz, Das Alter de?
mitteldeutschen Zinnbergbaues, in Ausland 64, 846 ff. Schurtz, Der Seifen*
bergbau im Erzgebirge und die Walensagen, Forschungen z. dt. Land- Volkskde.
V, 3, 1890. Blattner, Gesch. des Bergbaues der östlichen Schweiz, Chur 1 s>
Peithner von Lichtenfels. Gesch. der böhmischen u. mährischen Berg-
werke, Wien 17*0. Graf Kaspar Sternberg, Umrisse einer Geschichte der
böhmischen Bergwerke, 2 Bde., Prag 1836 — 1838. Schmidt von BergenhoM.
Gesch. des Bergbau u. Hüttenwesens im Kgr. Böhmen von den ältesten bi>
auf die neuesten Zeiten, l'rag 1873.
233. Verkehr. Die Entwickclung des Verkehrswesens steht in engsten
Beziehungen zum Siedelungswesen und zum Handel. Alle drei Faktoren
greifen so vielseitig ineinander und stehen in Wechselwirkung untereinander,
dafs es oft schwer fällt, in jedem Einzelfalle Ursache und Wirkung festzu-
stellen. Neben den wirtschaftlichen Interessen haben auch häufig politisch«
Interessen mitgesprochen, und das erste, was der Römer zum Zweck
einer dauernden Besitzergreifung des Landes tat, war die Herstellung
233. Verkehr.
399 '
von Strafsenzügen. Wenn für das Altertum die Römerherrschaft den
Höhepunkt der Entwickelung des Strafsenbaues in Mitteleuropa bezeichnet
und für das frühere Mittelalter bis zum Jahre 1000 entsprechend die
Karolingerzeit, so wird die hier zu behandelnde Periode in dieser Be-
ziehung gekennzeichnet durch das Zeitalter der Hohenstaufen. Im
Westen des Reiches hatten die alten Römerstrafsen immer noch her-
halten müssen. Mit der Zeit wendete sich der Verkehr von ihnen ab.
Schon im XII. Jh. macht sich dies bemerkbar und seit dem XIII. Jh.
mehren sich dann die Fälle. Au die Stelle der alten Römerstrafse von
Koblenz über Mayen nach Trier tritt die neue Strafse an der Mosel
über Winningen, Kobern, Lonnich bis Polch. Auch die Strafse Trier —
Kirchberg — Simmern— Bingen — Mainz wird um 1331 verlassen, und der
Weg führt fortan über Bornkastel — Ockenheim — Kirchberg — Kreuznach. Im
aufserrömischen Bereiche hatte es schon um 1000 eine Reihe von erofsen
Diagonalstrafsen gegeben, die bis an die Reichsgrenzen führten und den
Verkehr mit den halbkultivierten Nachbarstämmen unterhielten. Zunächst
waren es die Länder bis zur Elbelinie, in denen sich ein ausgebildetes
Strafsennetz entwickelte; mit der germanischen Kolonisation dehnte es
sich weiter nach O. hin aus, wo vordem in den Urwaldwildnissen zur
Slavenzeit kaum einige Andeutungen von Verkehrsstrafsen zu finden
waren. Die zahlreichen Städte, die im Laufe von zwei Jahrhunderten
im Koloniallande emporwuchsen , wirkten notwendig auch auf das
Verkehrswesen ein und brachten es erst zur Entwickelung. Freilich
waren es nicht Landstrafsen nach moderner Auffassung. Zwar existieren
genaue Vorschriften über die Anlage der Wege, besonders über ihre
Breite, die entweder zahlenmäfsig für die verschiedenen Kategorien
von Strafsen festgelegt war (so soll nach dem Schwabenspiegel die König-
strafse 16 Fufs breit sein), oder nach Erfahrungsgrundsätzen sieb ergab,
(dafs z. B. ein Brautwagen und ein Leichenwagen auf der Strafse vorbei-
fahren können, ohne anzustofsen). Der Strafsenkörper selbst aber war
so gut wie gar nicht künstlich hergerichtet worden. Es waren lediglich
Geleisespuren, welehe die Wagen im Erdreich zurückgelassen hatten;
von Beschotterung und Feststampfen des Baumaterials oder gar Pflas-
terung auch nur innerhalb der Ortschaften konnte keine Rede sein.
Es kann sich daher bei diesen sogenannten Strafsen immer nur um die
allgemein innegehaltene Wegerichtung handeln, die zum Teil durch
äul'sere Umstände (wie leichte Übergangsstellen über Flüsse oder gar
Brücken) bestimmt war. Für den Verlauf der Strafsen ist charakteristisch,
dafs sie nicht in den Tälern, sondern vorzugsweise auf der Höhe, wenn
es anging auf der Wasserscheide entlang geführt wurden. Hierauf
weist schon ihre Bozeiehnung hin: Hochstrata, Hoher Weg, Berg-
straf se, und weil auf der Höhe der anstehende, feste Fels des Unter-
grundes hervortritt und eine gesicherte Unterlag»1 für die Strafse abgibt,
auch St ein weg, via lapidea genannt, wobei also nicht immer an eine
gepflasterte Strafse gedacht werden darf. Die breiton, flachen Täler
eigneten sich damals weniger für Strafsenzügc, da sie leicht der Überschwem-
mung ausgesetzt waren und kostspielige Dammbauten nötig machton. Dafs
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400
VII. Kultur^eographip tun da« Jahr 1375.
der grftfste Teil der Strafsen trotzdem in <ler Niederung unter möglichster
Vermeidung des Inundationsterrains der Flüsse sieh befand und be-
finden mufste, ist leicht erklärlich. Auf die Bestimmung der Strafsen
weisen andere Bezeichnungen hin, wie via publica, folnveg, diotuvcc, dictum .
ferner strata regia, cliuningemuec, via militaris, hcristrata, heriwcc, hrcryassc.
Freie Strafse, via peblcia oder harbarisca. Die Bezeichnung Chaussee wird
erst in sehr viel späteren Jahrhunderten allgemeiner üblich. Doch findet
sie sich bereits in einer Brabanter Urkunde von 1140: stratae publica?,
quas chaucidas vocant. Neben König- und Heerstrafse ist in Westfalen
auch die Bezeichnung Hellweg üblich.
Neben den Landstrafsen wurden immer noch die W asser strafsen
viel benutzt, die anfangs besonders in den weniger kultivierten Gegenden
die bequemsten Zugangsstrafsen bildeten. Überdies müssen die Flüs.-e
damals alle sehr viel wasserreicher gewesen sein, denn es wurden auch
kleine Flüsse für die Schiffahrt verwendet, die heute für den Verkehr
völlig bedeutungslos geworden sind. Die damals noch sehr viel dichtere
Bewaldung scheint die Hauptursache für den gröl'seren Wasserreichtum
gewesen zu sein.
Neben den Flüssen gewinnen aber die beiden Randmeere.
Nordsee und Ostsee, eine hervorragende Bedeutung. Schon frühzeitig
hatte die Nordsee dem internationalen Verkehr gedient. Flandern hatte
bereits im XII. und XIII. Jh. eine Suprematie im Handelsleben besessen,
und das Meer bildete die Folie seiner regen kommerziellen Betätigung.
Bald darauf traten auch Holland und Brabant in den Wettbewerb mit
ein. Die mit grofsen trichterförmigen Flufsmündungen ausgestattete
deutsche Nordseeküste bot gleichfalls günstige Bedingungen für den
Handel dar; er entwickelte sich hier, als gleichzeitig auch die Ostsee in
den wirtschaftlichen Horizont des Westens getreten war. Die erste
Annäherung an die Ostsee erfolgte an der Südwestecke, wo Lübeck
emporblühte, welches anfangs in den Bahnen des gotländischen Handels
mit dem russischen Nowgorod in Beziehungen trat, dann aber immer
selbständiger sich stellte und in Verbindung mit anderen deutschen
Ostsee- und Nordseestädten, sowie vielen Städten des Hinterlandes (Hansa)
die deutsche Vorherrschaft über die Küstenmeere sicherte.
Der Verkehr auf den Land- und Wasserstrafsen, die sich um ihren
Verlauf von vornherein der geographischen Situation angepafst hatten,
wurde durch das Zollwesen sehr beeinträchtigt. Wenn die Zollerhebung
mit Rücksicht auf die gebotenen Vorteile (Verkehrserleichterung, Sicherheit
etc.) anfänglich von wohltätigem Einflufs war, so wurde sie schliefslicli
zu einer ungewöhnlichen Verkehrsbelastung, als man die Zollstellen
durch Verleihung an weltliehe und geistliehe Herren, an Städte und
Stiftungen ins Ungeme*sene vennehrte. Andere Mafsnahmen, wie da<
Geleitsrecht und das Grundruhrrecht, waren auch danach angetan, den
Kaufmann von der Benutzung solcher Strafsen abzuschrecken. Kein
Wunder, dafs er sie zu umgehen suchte und Umwege auf anderen Strafsen
nicht scheute, die etwas günstigere Bedingungen noch aufwiesen. Die?-
führte zum i- Strafsen zwange, der dem Kaufmann einen bestimmton Wejr
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233. Verkehr. 40 1
vorschrieb, damit den Zollbereehtigten ihre Einnahme nicht verkürzt
werden könnte. Wie die Landstraßen, so waren auch die Flüsse
mit Zollstationen in dicliter Folge versehen worden. Die Zahl der
Rheinzollstiitten betrug am Ende des XII. Jh. 19, im XIII. Jh. 44, im
XIV. Jh. 64, jene der Elbe 35, und in Unterösterreich gab es 77 Donauzölle
(Sommeilad). Trotzdem wurde der Wasserweg jahrhundertelang be-
vorzugt, weil er auch genügenden Schutz gegen räuberische Überfälle
bot. Erst im Anfang des XIV. Jh. ist infolge der übergrofsen Belastung
der Schiffahrt eine Abnahme des Flugverkehrs zugunsten der Land-
strafsen zu bemerken.
Über das Verlassen der Kömerstrafsen und die Wegeverhältnisse im Rhein-
und Mosellande im allgemeinen vgl. Lamprecht DW. II, 241 f. — Die ver-
schiedenen Kategorien der Straften erörtert Gafsner, S. 75 — 78. Aufser den
obengenannten Bezeichnungen treten noch zahlreiche andere besonders für die
kleineren Lokalwege auf.
Eine Zusammenstellung der in Mitteleuropa vorhandenen Straf sc n am
Ende des XIV. Jh. existiert leider nicht. Die untengenannten Werke führen
nur einige des westlichen oder gar nur des mittleren Deutschlands auf. Das
nachfolgende Verzeichnis kann aus begreifliehen Gründen sich nur auf die
wichtigeren Strafsenzüge beschränken.
1. Die Rheinstrafse von Utrecht über Köln — Mainz auf dem linken Ufer
nach Basel. 2. Die ötrafse von Mainz über Höchst südlich am Rande des
Odenwaldes entlang, als sog. Bergstrafse, Platea Montana, als welche sie schon
loo2 auftritt. Beim späteren Heidelberg führte sie über den Neckar nach
Bruchsal und über Offenburg, Freiburg nach Basel. Sie führt dicht am Ge
birgsrande entlang. Bei Rastatt zweigte sich eine Parallelstrafse ab, die sich
mehr in der Nähe des Rheinufers hielt und über Alt-Breisach— Neuenburg eben-
falls nach Basel ging. 3. Strafse von OfTenburg über Villingen — Donaueschingen
zum Bodensee. 4. Strafse von Speier nach Bruchsal, hier die Bergstrafse
kreuzend und dann südöstlich über Bretten, Cannstatt, Geislingen nach Ulm,
sowie weiter das Ulertal aufwärts über Kempten zum Fernpafs nach Nasscrcith
in das Inntal. 5. Strafse von Würzburg südlich nach Aub (wo sie mit der von
Mainz über Babenhausen, Miltenberg, Tauberbischofsheim verlaufenden zu-
sammentrifft) uud über Rothenburg, Dinkelsbühl, Nördlingen. bei Donauwörth
die Donau überschreitend nach Augsburg lief. Von hier führten zwei Strafsen
über die Bayerischen Alpen, die eine über Kaufbeuren, Füssen zum Fernpafs,
die andere von jener sieh abzweigend über Schongau, Partenkirchen durch die
Scharnitz (Porta Claudia, Scarbia) nach Innsbruck. 6. Strafse von Würzburg
nach Nürnberg und Regensburg, in der Nähe der Donau sich haltend, nach
Wien. 7. Die Salzstrafse von Salzburg nach München. 8. Strafse von Regens-
burg über Waldsassen nach Eger und Hof. 9. Strafse von Nürnberg über
Sulzbach, Schwandorf nach Cham am Regen und durch die Senke von Furth
nach Böhmen hinein, nach Pilsen und Prag. 10. Strafse von Nürnberg nach
Bamberg und von hier das Maintal aufwärts und abwärts.
Die Strafsen durch »las mittlere Deutschland in mehr west-östlicher Rieh
tung hatten ihren Ausgangspunkt in Frankfurt a. M. und in Cöln. Sehr wichtig
waren die Frankfurter Strafsen nach Thüringen : 11. Die Strafse von Frankfurt
durch das Kinzigthal nach Fulda zur Werra. wo bei Vach oberhalb des Werra-
knies eine altberühmte Übergangsstelle sich befand. Von hier führten zwei
Strafsen über den Thüringer Wald nach Eisenach, die eine direkt über Mark-
Bllhl, die andere in östlicher Ausbiegung erst nach Salzungen und dann über
das Gebirge. 12. Strafse von Frankfurt nordwärts nach Giefsen und hier öst-
lich einlenkend nach Alsfeld, Hersfeld und Vach; es war der sog. » Weg durch
KreHcbmer, Historische Geographie. 2<i
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402
VII. Kulturgeojrraphie um das Jahr 1375.
die kurzen Hessen < und 13. Strafse von Frankfurt nach Gietsen über Kirch-
hain, Treisa, Waldkappel und dann südöstlich über die Werra nach Eisenadi:
der »Weg durch die langen Hessen s Die beiden letzteren sind jahrhunderte-
lang die gewöhnlichen Handels- und Vcrkehrsstrafsen zur Frankfurter Messe
gewesen, welche die Kaufleute nicht blofs von Thüringen, sondern auch von
Schlesien, Polen und Rufsland her benutzten. — Von Cöln führten vielbe-
gangene Strafsen durch Westfalen nach Niedersachsen: 14. ein uralter Hell
wreg ging von Cöln über Dortmund, Soest, Lippstadt nach Paderborn und
führte weiter über die Egge nach Corvey an die Weser oder über den Lippe-
schen Wald nach Herford und Minden. Minden selbst bildete wieder den
Ausgangspunkt zweier anderer wichtiger Strafsen: 15. Strafse von Minden auf
der rechten Weserseite als sog. II esse weg über Nienburg nach Verden und
weiter nach Bremen. lt>. Strafse von Minden ostwärt« um das Nordende des
Deisters herum nach Hannover oder nach Pattensen, Sarstedt und Hildesheini.
Sie wurde als Hell weg vor dem Saut forde bezeichnet. Nach Stedler
führte sie diesen Namen nach einem Walde zwischen Minden und Bückebarg.
17. Strafse von Cöln über Altena und Iserlohn, also südlich von obengenanntem
Hellweg nach Soest. 18. Die »Hohe Strafse « von Cöln über den Westerwald
nach Limburg und Frankfurt. 19. Von Hillesheim führte die Hauptstrafst'
teils nach Wolfenbüttel, teils nach Goslar und dem Harzrande entlang nach
Halberstadt (sowie Quedlinburg) und Magdeburg. 20. Strafse von Hannover
über Braunschweig nach Magdeburg.
Südlich vom Harz war Thüringen ein wichtiges Durchgangsland in west-
östlicher Richtung geworden. Von Eisenach gingen zwei Anschlufsstrafsen an
die vorher genannten hessischen aus: 21. Die sog. Oberstrafse über Gotha,
Erfurt, Buttelstädt. Eckartsberga, Naumburg, Weifsenfeis und Leipzig (wie auch
nördlich nach Halle). 22. Eine zweite Strafse ging von Eisenach nordöstlich
nach Langensalza über Tennstedt nach Weifsensce, Cölleda und Eckartsberg;»,
wo der vorige Strafsenzug erreicht wurde. 23. Von Weilsensee ging ein
Strafsenzug ab nach Querfurt, Halle und Dessau mit Fortsetzimg nach Berlin
Ebenso zweigte sich 24. bei Erfurt eine Strafse ab nach Weimar, Jena. Eisen
berg, Altenburg. Waldheim a. d. Zschoppau und Meilsen (Dresden). 25. Die
von Weifsensce nach N. führende Strafse überschritt bei Kinderbrück die
Wipper (die Furt des Chindo) und ging durch den Sachsenburger Pafs (Durch
bruehstal der Unstrut) nach Artern und Sangerhausen (wie auch nach Querfurt,
s. Nr. 23). Auch der südliche Harzrand war im Flufsgebiet der Helme früh-
zeitig mit Strafsen bedacht gewesen. Die von Tilleda nach Nordhausen führende
wird für die älteste des Helmegaues gehalten (vor dem X. Jh. schon vorhanden).
Ferner die Strafse von Nordhausen nach der Pfalz Watthausen, aus dem X. Jb.
stammend. Bei Nordhausen trafen von W. her einige Strafsenzüge zusammen,
von Northeim, Göttingen und Heiligenstadt her, sie führten gemeinsam ost
wärts weiter 26. über Sangerhausen, Eislebcn nach Halle. 27. In Halle mündete
auch die wichtige Strafse von Braunschweig, Halberstadt, Aschersleben, die
weiter nach Leipzig führte.
Neben diesen W. — 0. Strafsen sind die N.— S. verlaufenden zu berücksich-
tigen, von denen einzelne Strecken schon aufgeführt und bei den erstgenannten
berührt werden mufsten : 28. Die Strafse von Bremen, Minden nach Cassel
führte das ganze Fuldatal aufwärts nach Würzburg. 29. Die Strafse von Braun
schweig, teils um den Westrand des Harzes herum nach Duderstadt, Mühl-
bausen und Erfurt, teils um den Ostrand (s. Nr. 27 und 23) ebenfalls nach
Erfurt und von hier über den mittleren Thüringer Wald auf der sogr. Wald-
o<ler Laubenstrafse . die über Apfelstedt, Oberhof nach Suhl führte und weiter
südlich nach Bamberg. - Von Leipzig führten zwei Strafsen nach NürnWri
die eine 30. ging über Naumburg, Jena. Saalfeld, Gräfenthal, Judenbach, Co-
burg. Bamberg nach Nürnberg; die andere 31. über Altenburg, Zwickau, Plauen.
Hof, Berneck, Creufsen nach Nürnberg.
233. Verkehr.
403
Von bedeutenderen Strafsen, die in der vorherrschenden Richtung von
W — O. das Kolonialland östlich der Elbe durchzogen, sind zu nennen : 32. Die
Stralse von Magdeburg nach Brandenburg, Berlin, Frankfurt, Zilenzig und
Posen. Von Berlin liefen die Strafsen der Mark aus: 33. Die Strafse über
Oderberg nach Stettin, dann 34. jene über Küstrin, Landsberg, Usch, Nakel
und weiterhin über Bromberg nach Thorn, sowie über Tuchel nach Danzig.
Auch durch die südliche Mark führte eine Stralse von Leipzig und Dessau nach
iJerlin (s. Nr. 23). Von Leipzig ging 35. eine Strafse ostwärts über die Elbe
l<ei Strehla nach Spremberg, Guben und Krossen und im weiteren nach Posen,
Gnesen und Thorn; sowie 36. die sog. Hohe Strafse von Leipzig über
Grimma, Oschatz, Riesa, Kamenz, Bautzen, Löbau, Görlitz, Lauban, Löwenberg,
Liegnitz, Breslau und weiter das Odertal aufwärts nach Ratibor und Teschen.
Von einer Aufzählung der übrigen Teil- und Verbindungsstrafsen mufs hier
abgesehen werden.
Von den Alpenstrafsen haben im frühen Mittelalter drei eine hervor-
ragende Bedeutung gehabt: der Grofse St. Bernhanl, der Septimer und der
Brenner. Vgl. hierzu das über die antiken Alpenstrafsen Gesagte S. 159 f. Der
Grofse St. Bernhard war seit der Karolingerzeit die beliebteste Verkehrs-
strafse von Frankreich und Westdeutsehland nach Italien gewesen, wogegen
der Kleine St. Bernhanl wenig benutzt wurde. Nahe der Pafshöhe des ersteren
hatte schon am Anfang des IX. Jh. ein Kloster gestanden, die Ablatio, montis
Jovis snncti Petri; aber wie dieses seheinen auch andere schon vorhandene
Hospize von den Sarazenen seit dem Ende des IX. Jh. zerstört worden zu sein.
Das später weltberühmte Hospiz auf dem Grofsen St. Bernhard wurde von
«lern Archidiakon von Aosta, Bernhard von Menthon (f 1086), begründet und
dem hl. Nikolaus von Myra geweiht. Bald aber wurde Bernhards Name auf
das Kloster und den Berg übertragen. Verhältnismäfsig gering war der Ver-
kehr über den Simplon, auf dem ein Johanniterhospiz (urkundlich seit 1235
genannt) bestand : Hospitale s. Johannis de Collilus de Seinplon. Ein bedeutsames
Ereignis in der Geschichte der Alpenstrafsen war die Eröffnung des Gotthard-
passes für Handel und Verkehr. Der Grund, dafs gerade dieser Pafs im Alter-
tum und frühen Mittelalter nicht benutzt werden konnte, ist wesentlich in der
Unzugänglichkeit der Schöllencnschlucht der oberen Reufs zu suchen. Erst
die Anlage einer eisernen Hängebrücke (die »stiebende Brücke x) durch die
vom Flufs durchbrauste Felsspalte schuf eine Verbindung zwischen Reufs- und
Tessintal. Ihre Herstellung fällt in die Zeit von 1218—1225 und deutsche
Kolonisten im Ursercntal scheinen sie veranlafst zu haben ; cf. Schulte I, 169 ff.
Bei Albert von Stade wird dieser Weg ȟber den Berg Elvelinus (d. i. der
Gotthard), den die Lombarden Ursare nennen * schon erwähnt. Als St. Gotthard
erscheint er urkundlich im Anfang des XIV. Jh. Auf der Pafshöhe stand die
Kapelle dieses Heiligen (1331 zuerst erwähnt); cf. Öhlmann III, 288.
Östlich vom Gotthard führten mehrere Pässe über den Kamm, die ihren
Ausgangspunkt in Chur hatten. Der Lukmanierpafs (1917 m) führte vom
Kloster Disentis im Vorderrheintal hinüber nach Biasca, wo der Weg die
Gotthardstrafsc erreichte. Der Pafs wurde nachweisbar schon von Kaiser Otto I.
benutzt (Schulte I, 62). Die Bezeichnung Ilansweg, nach dem Orte Ilanz im
Rheintal angeblich benannt, wird von Schulte (I, 100) nicht auf den Lukmanier,
sondern auf die Strafse aus dem Gebiet der Rhonemündung über Monealieri,
Asti, Stradella bezogen. Abt Johann von Disentis hatte 1374 das oberste der
drei Hospize des Medelsertales, St. Maria, errichtet. Der St. Bernhardin-
pafs (2063 m) führt von Chur, Dorf Splügen hinüber nach Bellinzona; er hiefs
im Mittelalter Möns avium. Monte ulzello. Seinen späteren Namen führte er
n«K-h dem hl. Bernhardin von Siena ff 1414), dem zu Ehren auf «lern Vogel-
berge eine Kapelle errichtet worden war. Der Name findet sich zuerst bei
Tschudi in der Gallia comata (Schulte I, 374). — Chiavenna bildete den Aus-
gangspunkt von drei Fassen. Der Splügen (2117 m) war nur ein Saumpfad
26*
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404 VII. Kulturfreojrraphie um das Jahr 1376.
geblieben, und zwar im Interesse der Bischöfe von Cliur, die den Septimer
Eafs besafsen. Dieser war neben dem Grofsen St. Bernbard einer der am meisten
enutzten Pässe im Mittelalter: Möns Septimits, Möns Set* s, bei Gottfried von Stras-
burg Setmunt und in der Dietriehsage Septmer, Das Xenodocbium saneti
Petri, 831 erwähnt, scheint das älteste Hospiz hier gewesen zu sein. Es wurde
durch die Sarazenen im X. Jh. zerstört; im Jahre 1120 wurde hier ein neues
Hospiz vom Bisehof begründet. Etwas umständlicher war der Verkehr über
den im Altertum benutzten Julierpafs, der gegenüber den beiden vorher
genannten einen Umweg bedeutete. Septimer und Julier führen über Tiefen-
kasten direkt nach Chur, während Bernhardin und Splügen zuvor noch eine
schwer zugängliebe Stelle zu passieren haben, ehe sie Chur erreichen, nämlich
die Via Mala. Der Verkehr fand hier im XIV. Jh. nur auf Schleichwegen
statt, da die Bischöfe von Chur es von Karl IV. 1359 erreicht hatten, da fr <lie
Benutzung aller Graubündener Pässe mit Ausnahme des Septimer verboten
wurde. Doch liefr sich der Rückgang des Septimer- Verkehrs in der Folgezeit
nicht aufhalten, besonders als 1473 die Via Mala zu einer Fahrstrafse ausgebaut
worden war.
Von den Pässen der Ostalpen hatte nur der Brenner seine Bedeutung
von früher gewahrt. Seine mäfsige Höhe von 1362 m, die Kürze des Weges
mit einmaligem Aufstieg und Abstieg gegenüber den weiter östlich liegenden
Alpenstrafsen, die mehrere Parallelketten zu übersteigen haben, sicherte ihm
stets eine hervorragende Stellung und Beliebtheit. Einen besonderen Namen
hatte er im Mittelalter nicht; er bildete die Strafse durch die Vallis Tridentina.
— Östlich vom Brenner bildete der Weg von Salzburg durch das Salzacbtal
und von hier in das Ennstal nach Radstadt und über die Tauern nach
St. Michael in das Tal der Mur einen wenig bequemen Übergang, zumal von
hier aus nochmals die Kärntner Aloen zu überqueren waren, um nach Spittal
in das Drautal zu gelangen. In den Ostalpen bildeten die durchgreifenden
Längstäler allerdings bequeme Ausgangsstrafsen, oft nach beiden Seiten bin.
Waitz, Deutsche Verfassungsgeseh. IV. Bd. Gafsner, Zum deutschen
Strafsenwcsen von der ältesten Zeit bis zur Mitte des XVII. Jh., Leipzig 1889.
Landau, Die alten Heer- und Handelsstrafsen in Deutschland, Zeitschr. f. dt.
Kulturgesch. 1*56. Götz, Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels.
Stuttg. 1888. S. 533 ff. Reise hei, Die alten Heer- und Handelsstrafsen und
ihr Einllufr auf die Besiedelung, Mitt. Ver. Kkde. Halle 1885. Sommer lad,
Verkehrswesen im dt. Mittelalter, in Conrads Handwörterbuch der Staat«wissen-
sehaften, 1. Aufl. (!), Suppl Bd. II, 1897, S. 938—917. Wimmer, Histor.
Landschaftskde. S. 168 ff. Meuskens, Handel und Verkehr in Deutschland
während des XIII. Jh.. in Aich. f. Post u. Telegr. 1897. 25, 601—612.
Von handelsgesehichtliehen Darstellungen u. ä. seien genannt v. Inama-
Sternegg, Dt, Wirtschaftsgeschichte II, III, 1 pass. Falke, Gesch. des
deutschen Handels, 1859. He yd, Gesch. des Levantehandels im Mittelalter,
Stuttg. 1879. Ders., Der Verkehr süddeutscher Städte mit Genua während
des Mittelalters in Forsch, z. dt. Gesch. Bd. 24 (1884), 213—230. Roscher.
Svstem der Volkswirtschaft, Bd. III, 7. Aufl 1899. Schulte, Gesch. d. mittel
alterl. Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien mit Aus
seblufr von Venedig, Leipzig 1900 (vgl. hierzu v. Below, in Histor. Zeitschr.
1902, S 215 ff.). Jacob, Der nordisch-baltische Handel der Araber im Mittel-
alter, Dissert, Leipzig 1887.
Quetsch, Gesch. des Verkehrswesens am Mittelrhein von den ältesten
Zeiten bis zum Ausgang des XVIII. Jh., Freiburg i. B. 1891. Sommerlad,
Die Rheinzölle im Mittelalter, Halle 1804 Hummel, Die Mainzolle von
Wertheini bis Mainz bis zum Ausgang des XV. Jh., Westdt, Z. 1891, 109 IT.,
320 ff. Landau, Die Strafsen aus den Niederlanden und vom Niederrhein
durch Westfalen nach Leipzig u. Nürnberg, in Korresp. Bl. d. Gesamtver. d. dt.
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233. Verkehr.
405
Gesch. Ver. 1862, 47 ff. Zöllner, Hie Bedeutung der Elbe für den mittelalter-
lichen Handel. Progr. Realsch. Chemnitz 1896. Weissenborn, Die Elbzölle
und Elbstapelplätze im Mittelalter. Halle 1901. H. Schmidt, Der Einflufs
der alten Handelswege in Niedersachsen auf die Städte am Nordrande des
Mittelgebirges, Z. bist. Ver. f. Niedersachsen 1896, 443—518. Wiechel, Die
ältesten Wege in Sachsen, mit einer Karte, Dresden 1901. Simon, Die Ver-
kehrsstrafsen in Sachsen und ihr Einflufs auf die Städteentwicklung bis zum
Jahre 1500, Stuttg. 1892. Nie mann, Die alten Verkehrsstrafsen des Erz-
gebirges. Archiv f. Post u. Telegr. 25, 569— 574. Falke, Zur Gesch. der hohen
Landstraße in Sachsen, Archiv sächs. Gesch. VII (1869), 113—143. Schön-
wälder, Die hohe Landstrafse durch die Oberlausitz im Mittelalter, N. Lausitz.
Magazin 56 (1880), 342—368. Regel, Handbuch »Thüringens 1896, in, 275 ff.
F. Günther, Der Harz, 1888, S. 126 ff. Kietz er, Beitrag z. Gesch. d. Ver-
kehrswege in Posen vom Jahre 1000 bis zum Jahre 1893, in Arch. f. Post u.
Tel. 21, 591—605. Ostreich, Die Handelswege Thorns im Mittelalter, Dissert.
Danzig 1890.
über Alpenstrafsen vgl. die genannten Werke von Schulte, Wimmer etc.,
ferner Ohl mann, Die Alpenpässe des Mittelalters, Jahrb. f. Schweiz. Gesch.
III, 165 ff., IV, 163 ff. He yd, Die Alpenstrafsen der Schweiz im Mittelalter,
Ausland 1882, 461 — 467. Reinhard, Topogr.-histor. Studien über die Pässe
in den Walliser, Tessiner und Bündener Alpen, Progr. Luzern 1901. Berger,
Die Septimerstrafse, Jahrb. f. Schweiz. Gesch. XV, 1 — 180. Nüscheler, Histor.
Notizen über den Gotthardpafs, Jahrb. Schweizer Alpenklubs VII (1872). von
Liebenau, Urk. u. Regesten z. Gesch. d. Gotthardweges von dessen Ursprung
bis zum Jahre 1315, in Arch. f. Schweizer Gesch. 19 (1874). Berlepsch, Die
Gotthardbahn, Ergänzungshefte von Petermanns Mitteilgn. Nr. 65. Ferner die
Arbeiten von Wanka über den Brennerund Pontebba sowie Predilpafs (siehe
S. 162). •
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VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropas
im Mittelalter.
234. Kirchliche Einteilung Deutschlands. Die kirchliche Verwal-
tung des Landes hatte bei zunehmender Ausbreitung des christlichen
Glaubens sehr bald die Einteilung in Bezirke, Diözesen, nötig gemacht.
Die Anfänge der hierarchischen Ordnung in Deutschland datieren
seit Karl dem Grofson, und zwar konnte sie zunächst nur im west-
lichen und südlichen Deutschland zur Ausführung kommen. Nach Ge-
winnung der Slavenländor östlich der Elbe folgte in der sächsischen
Kaiserzeit die Gründung einer ganzen Reihe von neuen Bistümern. Frei
heb währte es noch geraume Zeit, ehe die Abgrenzung der Diözesan
Sprengel gegeneinander, die Unterordnung der Suffraganbischöfe unter
die Metropolitane (Erzbischöfe) etc. zu einem vorläufigen Abschluß
gelangt war. In der zweiten Hälfte des Mittelalters zerfiel das Gebiet,
soweit es hier von uns berücksichtigt wird, in zehn Kirchenprovinzen:
Cöln, Trier, Mainz, Salzburg, Bremen, Magdeburg, Prag, Gnesen, Preufsen
und Lund. Jede von diesen Provinzen (Erzdiözesen) zerfiel wieder in
eine Anzahl von Bistümern (Diözesen). Diese Einteilung in grofse und
kleine Kirchensprengel ist ohne Rücksichtnahme auf die politische Ein
teilung des Landes getroffen worden ; ein Ansehluis an die bestehende
Gaueinteilung hat sieh nur bedingungsweise erkennen lassen; von einer
vollständigen Identität beider kann keine Rede sein (vgl. S. 192). Aber
auch mit den Gebietsgrenzen der einzelnen deutschen Stämme steht die
kirehliche Einteilung in keiner Beziehung. So gehörte Franken nicht
weniger als drei Erzdiözesen an: Cöln, Trier und Mainz; das sächsische
Stammesgebiet sogar vier: Magdeburg, Bremen, Mainz und Cöln. Da
gegen beherbergte Schwaben überhaupt keinen Metropolitansitz, und nur
bei Baiern läfst sich ein annäherndes Zusammenfallen der Stammesgrenzen
mit der salzburgischen Kirehenprovinz erkennen, ein Umstand, der dem
Einflufs des Baiernherzoge auf die Kirche in seinem Lande in früherer
Zeit eine wesentliche Stütze verlieh. Das Bistum Bamberg nimmt eine
besondere Stellung ein, insofern es keiner Erzdiözese zugeteilt war, sondern
unmittelbar dein Papst unterstellt war. Das Gleiche gilt von Kamin
234. Kirchliche Einteilung Deutschland«.
407
Die allmähliche Entwicklung der kirchlichen Organisation Mitteleuropas
kann hier nicht im Gesamtüberblick dargestellt werden. Die wichtigsten Einzel-
heiten sind bei den Bistümern im nachfolgenden hervorgehoben worden. Als
die Mehrzahl aller Bistümer gegründet und ihre Einordnimg in die Erzdiözesen
— nach mancherlei Streitigkeiten und Abänderungen — erfolgt war, gestaltete
sich die kirchliche Einteilung nach Erzdiözesen und Diözesen folgendermafeen :
4. Freising.
5. Brixen.
6. Gurk.
7. Seckaii.
8. Lavant.
VI. Erzbistum Magdeburg.
1. Magdeburg.
2. Merseburg.
3. Naumburg-Zeitz.
4. Meifsen.
5. Brandenburg.
6. Havelberg.
7. Kamin (bis 1251).
VII. Erzbistum Prag.
1. Prag.
2. Olmütz.
VIII. Erzbistum Gnesen.
1. Gnesen.
2. Breslau.
3. Posen.
4. Lebus.
5. Kntkau.
6. Wloelawek.
7. Block.
IX. Preufsische Kirchen provinz.
1. Kulmerland.
2. Pomesanien.
3. Warmien (Ermland).
4. Samland.
X. Erzbistum Lund.
1. Schleswig.
2. Ripen.
3. Aarhuus.
4. Odense.
5. Roeskilde.
I. Erzbistum Cöln.
1. Cöln.
2. Münster.
3. Minden.
4. Osnabrück.
5. Utrecht.
6. Lüttich.
II. Erzbistum Trier.
1. Trier.
2. Metz.
3. TouL
4. Verdun.
III. Erzbistum Mainz.
1. Mainz.
2. Worms.
3. Speier.
4. Strafsburg.
5. Constanz.
6. Chur.
7. Augsburg.
8. Eichstätt.
9. Würzburg.
10. Paderborn.
11. Hildesheim.
12. Verden.
13. Halberstadt.
1.
Unmittelbar unter Rom.
Hamberg.
IV. Erzbistum Bremen-Hamburg.
1. Bremen.
2. Aldenburg-Lübeck.
3. Ratzeburg.
4. Mecklenburg-Schwerin.
1.
V. Erzbistum Salzburg.
■SUzburg.
2. Regensburg.
3. Passau.
6. Wiborg.
7. Vendsyssel.
Wir besitzen ein Metropolitan- und Diözesanverzeichnifl aus dem Xni. Jh.
wahrscheinlich vom Kardinal Cenci verfafst; hergb. von Weidenbach, Calend.
histor -Christ., Ratisb. 1855. XIII, 2«8. Nach diesem zerfiel Deutsehland in
sechs Erzdiözesen : I. Mainz mit den SufTragandiözesen : Prag, Olmütz. Eichstätt,
Würzburg, Constanz, Chur. Strafsburg. Speier, Worms, Verden, Hildesheim,
Halberstadt, Paderborn und Bamberg (letzteres ist ein Irrtum, da es exemt
war). II. Cöln mit Lüttich, Utrecht, Münster, Minden. Osnabrück. III. Bremen
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408 VIII Kirchliche Geographie Mitteleuropas iui Mittelalter.
mit Bardowiek, Schleswig, Ratzeburg. Mecklenburg, Lübeck. Riga. IV. Magde-
burg mit Ilavclbcrg. Brandenburg, Meilsen, Merseburg, Zeitz. V. Salzburg
mit Passau. Regensburg. Freising, Gurk, Brixen, Chiemsee, Lavant, Seekau.
VI. Trier mit Metz. Toni und Verdun. Riga wurde 1255 zum Erzbistum er-
hoben und ihm die zwischen 1217 — 1250 neugegründeten Sprengel von Kulm,
Dorpat, Ennland. Ösel, Pomesanien, Samland und Semgallen unterstellt. Über
die weiten* Entwicklung der Diözesanteilung und Einordnung vgl. Weber bei
Wetzer-Welte III. 1634 ff.
Von den auf Deutschland bezüglichen kirchengeschichtlichen Darstellungen
sind zu nennen: Rettberg, Kirchengeschichte Deutsehlands, 2 Bde. Göttingen
184G— 48. Friedrich, Kircbeiigesch. Deutschlands, 2 Tie., Bamberg 1867— 69.
Das wichtigste moderne Werk ist Haucks Kirchengesch. Deutschlands, 8 Bde.
Leipzig 1887 ff. Ferner die einzelnen Artikel der Bistümer (meist ebenfalls
von Ilauck geliefert) in der Realen c yklopädie f. p rötest. Theologie
2. Aull., und ebenso jene bei Wetzer und Welte. Kirchenlexikon. Freiburg
(kath.) — Wiltsch, Handbuch der kirehl. Geographie und Statistik von den
Zeiten der Apostel bis zum Anfang des XVI. Jh.. 1846 Neher, Kirehl. Geo-
graphie u.Statistik mit steter Rücksicht auf die frühere Zeit. 1864 ff. (Letztere
Beiden Werke bieten für unsere Zwecke trotz des Titels nur wenig.) Garns.
Series episcoporum eccles. catholic. Regensburg 1873. — Egli, Kirchengesch,
der Schweiz bis auf Karl d. Gr., Zürich 1893. Gelpke, Kirchengeschichte d.
Schweiz, 2 Bde., Bern 1856 — 61. Wolny, Kirehl. Topographie von Mähren,
10 Bde., Brünn 1855—60. Frind, Kirchengesch. Böhmens, 4 Bde. Prag 1862
bis 1878. Klein, Gesch. des Christentums in Österreich und Steiermark, Wien
1840 ff. Ileppe. Kirchengesch, beider Hessen, 2 Bde , Marburg 1876. Geb-
hardt, Thüring. Kirchengeschichte, 3 Bde., Gotha 1879 — 82. Jensen und
Mich eisen, Schleswig-IIolsteinsche Kirchengesch., Kiel 1873 ff.
235. Erzbistum Ctfln. Das Vorhandensein einer christlichen Gemeinde
tätet sich frühestens bis ins IL Jh. zurückverfolgen. Der erste, sicher nachweis-
bare Bischof ist Maternus, der an der Synode von Arles teilgenommen hat.
Ob die Bischöfe schon in der frühfränkischen Zeit Metropolitangewalt be-
safsen, ist fraglich; erst unter Bischof Ilildebold wurde Cöln wirklich zur Me-
tropole erhoben (795). Das Diözesangebiet Cölna uinfafste das Ripuarierland
auf beiden Rheinufern und das westfälische Süderland, und zwar scheint die
Diözesangrenze auch damals erst festgestellt worden zu sein. Sie lief
vom Rhein oberhalb Breisig über Kesseling nach Kyllburg, dann zwischen
Stadtkyll und Prüm, Malmedy und Stablo, < ornelimünster und Aachen,
Neufs und Gladbach bis unterhalb Venlo an die Maas, folgte derselben
bis an ihre Mündimg in die Waal, ging dann flufsaufwärts bis Emmerich,
wo sie den Rhein überschritt und umschlofs auf dem rechten Rheinufer
noch das Gebiet von Rees und Reynen; von der Mündung der Lippe
lief sie dieser entlang bis in die Nähe von Paderborn, dann südlich um
Medebach, überschritt den Siegflufs, ging der oberen Wied entlang; und
zwischen Erpel und Linz an den Rhein. — SulTraganbistümer waren das
fränkische Bistum Lüttich, das friesische Ttrecht und späterhin die
sächsischen Münster, Minden, Osnabrück.
Vgl. Hauek\ KD. I, 127. II, 208. Binterim und Mooren, Die Erz
diözese Köln. 2. Aufl. Düsseidf. 1892. Podlech, Gesch. d. Erzdiözese Köln,
Mainz 1871>. Lev, Die Kolnische Kircheng» schichte etc , Colli 1883.
Die alte Diözese war in 22 Dekanate geteilt, Der bei Binterim veröffent-
lichte LH*er valoris enthält ein Verzeichnis aller Pfarrkirchen der Cölner Diözese
236. Bistum Münster. 237. Bistum Minden.
409
im XIV. Jh. nach ihrer Einteilung in Dekanate, mit ausführliehem. auch geo-
graphisch beachtenswertem Kommentar,
Die Archidiakonatscinteilung von Cciln war keine vollstUndig durch-
greifende. Es werden uns vier Arehidiakonate genannt : Cöln, Bonn, Xanten
und Soest. Neben diesen vier Archidiaconi majores standen noch einige Ärchidiaconi
minores mit beschränkterer Machtbefugnis. Vgl. Binteritn-Mooren, l. c. I, 3;
ferner Podlech, Gesch. d. Erzdiözese Köln, 1879, S. 7 f., der sich im wesent-
lichen auf Mooren stützt, von Mering, Die Bischöfe und Erzbischöfe von
Köln nebst Gesch. der Kirchen und Kleister d. 8t. Köln u. d. Erzdiözese, 2 Bde.
1844; enthält eine Geschichte der Gründung von Kirchen und geistl. Stiftungen.
Zahlreich waren natürlich die Klöster in der Diözese. Von den bedeu-
tenderen ist vor allem die Ruichsabtei zu Werden an der Ruhr zu nennen,
eine Stiftung des Liudger, Bischofs von Münster. Es war reich mit Schenkungen
auch in Sachsen und Friesland bedacht worden. Ilauck, KD. II, 107. Das
Kloster Avar auf einem Gut W'erethinum zwischen zwei Bächen, die in die
Ruhr gehen, also einem »Werth, Werder«, gegründet und später sehr reich mit
(ȟtem ausgestattet worden. Seh unken, Gesch. der Reichsabtei Werden.
Neuis 1865. Jacobs, Gesch. der Pfarreien im Gebiet des ehemal. Stiftes
Werden, Düsseldorf 1893—94. Beiträge z. Gesch. der Stadt Werden, 1—8,
Düsseldorf 1891 — 98. Kötzschke. Studien z. Verwaltungsgeseh. d. Grofs-
grundherrsch. Werden, Lpz. 1901. — Das Frauenkloster (später Reichsabtei)
Essen, 8-15 von Rabanus Maurus gestiftet, zwischen Ruhr und Emscher,
zwischen Franken und Sachsen.
230. Bistum Münster. Am Ende des VIII. Jh. waren von Karl
dem Grofsen neue sächsische Bistümer gegründet worden, u.a. zu Münster,
als dessen erster Bischof Liudger wirkte, der seit 787 bereits in fünf
friesischen Gauen seine Missionstätigkeit entfaltete. Die Bistümer Cöln
und Utrecht schlössen den Diözesansprengel von Münster im W. ,S. und NW.
ab ; im O. und NO. gegen Osnabrück zog sich die Grenze durch die da-
mals noch unbewohnten Heide-, Moor- und Waldstriche hin. In Münster
gründete Liudger ein Stift für Kanoniker. Zur Diözese gehörten ferner
die getrennt liegenden fünf friesischen Gaue an der unteren Ems: Hug-
merki, Ilunusgau, Fivelgau, Federitgau und Emsgau, sowie die Insel
Bant, von der als Reste heute noch Borkum, Juist und Norderney zu-
rückgeblieben sind (s. S. 109).
Ilauck, KD. II, 406. Tibus, Gründungsgesch. der Stifter, Pfarrkirchen
etc. im Bist. Münster, Münster 1855 Dcrs. , Der Gau Lermerike, 1877.
Stiftungen waren aufser dem Domstift zu M imigernef ord (Münster)
selbst (805 — 809) das Nonnenkloster zu Nottuln, jenes zu Freckenhorst
vor 857 gestiftet) und Metelen, ferner Kloster Liesborn, Herzfeld dlirut-
fel«l) an der Lippe. In Ostfriesland : das Kloster Reepsholt (Hripesholt),
98H von zwei Schwestern gestiftet; Marienthal, Benediktinerinnenkloster,
angeblich im VIII. Jh. gegründet; Nonnenkloster Palmar, 1H53 gestiftet,
Ib'JÖ im Dollart versehwunden; ebenso Langen; Aland, auch Insula oder
Ripa brate Mariae genannt, 1288 gegründet. Für Zisterzienserinnen Meerhausen.
Timmel, Thedinga nördlich von Leer, ferner Sielmönken, sämtlich im XIII. Jh.
gestiftet; Kloster Marienkamn im Harlingerland westlich von Esens. Vgl,
im übrigen Suur, Gesch. der Klöster in der Prov. Ostfriesland, 1838. Für
bring er, Emden in Gegenwart und Vergangenheit, 1892, S. 252 — 258.
237. Bistum Minden. In derselben Zeit als Bremen ist auch Minden
als Bistum entstanden: es scheint aus einer um 780 gegründeten Missions-
Btation hervorgegangen zu sein. Ercambert wurde der erste Bischof; die
Stiftun^surkunde fehlt. Das Diözesangebiet umfafste im allgemeinen
410 VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropas im Mittelalter.
die Gaue Tilithi, Bucki, Lidbekegowe, Morstem, Derve, Loingo, Es lag
also ganz im Lande der Engem und erstreckte sich nach O. über die
Aller hinaus bis nach Celle, nach W. bis zur Hunte.
Wann zuerst Archidiakonate eingerichtet wurden ist ungewifs. 1230 hatte
das Bistum bereit« fünf. Ein älteres Archidiakonateverzeichnis ist nicht vor-
handen, das erhalten gebliebene, ziemlich fehlerhafte, entstammt erst dem
XVII. Jh.: in den Acta synodalia Osnabrugensis ecclesiae ab a. Chr. MDCXXVIII.
Cöln 1653 S. 254 — 256. In diesem werden 12 Archidiakonate fbannij Benannt:
Osen, Apelern, Obernkirehen, Pattensen, Wunstorf, Mandelsloh, Ahlden, Leo,
Sulingen, St. Martini in Minden, Lübbeke und Rehme. Vgl. Holseher,
Beschr. des vormaligen Bistums Minden, Münster 1877 (auch in Z. f. Gesch.
u. Altkde. Westf. Bd. 33 — 35) mit einer Karte der Diözese und sehr ausführ-
licher Grenzbeschreibung. Schröder, Chronik des Bist. u. der Stadt Minden. 18*<6.
Auch in Minden war frühzeitig (um 790) ein Domstift St. Peter entstan-
den; ferner 871 das Nonnenkloster Wunstorf und 8U6 Möllenbeck ( Mulin-
peche).
Der Sprengel reichte nach < ). über die Aller bis nach Celle, nach W. bis
zur Hunte.
238. Bistum Osnabrück wird für das älteste unter den sächsischen
Bistümern gehalten. Eine Organisation erfuhr es freilich erst unter
Ludwig dem Frommen. Die Stiftungsurkunde fehlt; die Grenze des
Kirchensprcngels wurde aber wohl erst später im Zusammenhang mit
den Nachbarbistümern festgestellt. Der Diözesansprengel war der gröfste
in Westfalen. '
Die Diözese umfafste die Gaue Agredingo, Leri, Hasugo, Dersaburg.
Threcwiti und Grainga, d. h. in späterer Zeit das ganze Niederstift Münster,
einen Teil vom Westenvaide und das alte Amt des Gröninger Landes, die
Grafschaft Tecklenburg Lingen. das Kirchspiel Riesenbeck im Stifte Münster,
die Herrschaft Rheda, die Grafschaft Ritberg, Ravensberg mit Ausnahme von
Bielefeld, Herford, Vlotho und den östlich von dort gelegenen Kirchen, endlich
die Grafschaft Diepholz nebst Wildeshausen und dem oldenburgischen Kirch
spiel Werdenburg.
Wir finden 13 Archidiakonate, die aber nicht alle Kirehensprengel der
Diözese umfassen, da dieselben auch nicht immer geschlossene Bezirke dar-
stellen. Dem oft gemachten Versuche, aus den Archidiakonatcn die Gaugrenzen
zu ermitteln, widersprechen die Osnabrücker Einrichtungen ganz entschieden.
Die Nachrichten über die Archidiakonate sind ungenügend, soviele Streit-
schriften aus den 20er Jahren des XVIII. Jh. auch veröffentlicht sind. Eine
Übersicht in Acta ( Ksnabrugensia I, S. 30-1.
Cf. Stüve, Gesch. d. Hochstifte Osnabrück, Jena 1872. II, 561 f.. 682.
über den genauen Verlauf der Grenze cf. Stüve, 1. c. I, Ii.
£39. Bistum Utrecht. Nach der Unterwerfung Frieslands bis zum
Fli durch Pippin von Ileristal (>89 wurde dieses Gebiet nebst benach-
barten sächsischen und fränkischen Gegenden dem Wilibrord mit dem
Bischofssitz in Utrecht überwiesen 096. Als 734 auch Friesland zwischen Fli
und Laubach unterworfen war. wurde dieser Teil mit angrenzenden sächsi-
schen Landschaften hinzugefügt. Anfangs als selbständiges Erzbistum in
Aussicht ge nommen, kam das Bistum unter Karl dem Grofsen an die
Erzdiözese Cöln. Es bestand bis 1559, wo es von Cöln gelöst zum Erz
bistum erhoben wurde.
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240. Bistum Lüttich. 241. Erzbistum Trier. 411
Die Gründung des Stiftes bei Beda (ed. Stevenson) I, S. 'Abi. Pinpin
verlieh dem Wilibrord einen Bischofssitz in seinein Kastell, welches von alters
her Viltaburg, d. i. oppidum Viltortim hiefs. in der Sprache Galliens aber Trajecfum.
Über die Gründung cf. von Rieht hofen, tnters. fries. Rcchtsgesch. II,
352 f., oll ff. In den Urkunden wird Wilibrord bald archiepiscopus, bald nur
episcopus genannt. Ober die Ansprüche Cölns als Erzdiözese und die spätere
Unterordnung unter diese s. v. Kichthofen II, 518 — 522. Was die Grenzen
des Bistums betrifft, so umfafste der westlichste Teil die spätere Provinz Zee-
land (vom Sinkfal bei Brügge bis zur alten Maas), nebst den vier von Sachsen
bewohnten Ämtern (Ami lachten) bei Brügge. An der Ostgrenze gegen die
Münstersehe Diözese lagen im Dekanat Deventer die Kirchspiele Deutikem,
flummelo, Docsburg, Voorden, Lochern. Von hier ging sie an den sächsischen
Utrechter Dekanaten Oldensaal und Drenthe nach Groningen. Näheres bei
Richthofen II. 522 ff., 584, 72fi f.
Die Bistümer in den friesischen Ländern wurden in Dekanate geteilt.
Später trat zwischen den Dekan und den Bischof ein Archidiakon. Der Archi
diakon ist für gewisse Teile der Utrechter Diözese zwischen Fli und Laubach
ein Kanonikus von St. Johann aus Utrecht, für andere von St. Salvator und
St. Maria; für manche Orte sind es Äbte aus Friesland. cf. Richthofen II, 978.
Ein Utrechter Dekanatsregister existiert von 1406 in: Bueherius Belgium
Romanum (für die westlich vom Zuiderzee gelegenen Dekanate). Die Dekanate
bespricht sehr eingehend v. Richthofen II, 523 — 728.
240. Bistum Lüttich. Schon im IV. Jh. hat eine christliche Kirche
in Tongern bestanden, die von ihrem angeblichen Stifter Bischof Ser-
vatius nach Maastricht versetzt worden sein soll, wo das Bistum längere
Zeit bestand. Bischof Hugbert verlegte es dann abermals nach Lüttich
(Leodium), damals noch ein sehr kleiner Ort an der Mündung der Legia
in die Maas, der erst durch diese Übertragung an Bedeutung gewann.
Die Grenzen des Diözesansprengels erstreckten sich nach den Dekanats-
verzeichnissen des XIII. und XIV. Jh. von der Scheide bei Antwerpen in
nördlicher Richtung, den Ufern der Stricne entlang bis zu den Maasmündungen ;
die Maas war Grenze bis Venlo, westlich von Aachen vorbei. Eupen noch ein-
schliefsend bis zur Einmündung der Semoy in die Maas (Wetzer u. Welte II,
275); dann nördlich bis Nivelles, im Bogen zur Strien e zurück. Vgl. auch
Bert eis. Notice sur les limites du l'ancicn dioeese de Liege, Bruxelles 185t).
Es sei an dieser Stelle bemerkt, dafs die kirchliche Einteilung der Nieder-
lande, Flanderns etc. durch die Bulle Papst Pauls IV. 1559 eine gänzliche Uni-
gestaltung erfuhr, da diese Gebiete von den Metropolitanen von Cöln, Trier.
Metz und Münster unabhängig gemacht wurden. Es wurden damals 14 Bis-
tümer gebildet : Gent, Brügge, Vpem, St. Omer, Atrecht (Arras). Hertogenbusch,
Antwerpen, Mecheln, Roermond, Namur, Harlem, Deventer, Middelburg. Leu-
warden und Groningen; — die niederländischen Bistümer standen unter dem
Erzbisehof von Utrecht; die andern unter denen von Kamervk und Mecheln.
241. Erzbistum Trier. Als Bistum scheint es schon im III. Jh.
bestanden zu haben, als Erzbistum wird es 811 aufgeführt, mufs aber schon
früher diese Rangstellung eingenommen haben. Die zugehörige Kirchen-
provinz mit Metz. Toul und Verdun als SurTraganen umfafste wahrschein-
lich schon frühzeitig die Gebiete der ehemaligen Provinz Belgica prima.
Ihrem Umfange nach reichte die Diözese Trier von Mousson und Juvigny
an der Maas im \\\, Iiis Wetzlar im <). ; im N. umschlofc sie Prüm. Maria-
Laach, Andernach und Montabaur; Ini S. Kronau. Bacharach. Tholey und
Wadgassen. Marx bei Wetzcr-Welte XII, 7. — Auch die Arehidiakonatsein-
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412
VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropas Im Mittelalter.
teilung scheint in frühe Zeiten zurückzugehen und die Einteilung in fünf Archi
diokonate für den Anhing des X. Jh. gesichert zu sein.
Marx, Gesch. d. Erzst. Trier, 5 Bde., Trier 1858—1864. Schannat,
Eiflia illustrata oder geogr. und histor. Beschreibung der Ei fei, edit, Bärsch,
Aachen Lpz. 1825— 1855, 8 Tie. Schorn, Eiflia illustrata oder Gesch. der
Klöster u. geistl. Stifter der Eitel, 2 Bde.. Bonn 1888—1892. de Lorenei.
I i« • i t r . z. Gesch. sämtlicher Pfarreien zur Diözese Trier, 2 Bde., Trier 1887.
Die sicher nachweisbaren Klostergründungcn gehen frühestens bis in den
Anfang des VII. Jh. hinauf. Zu den ältesten gehört das berühmteste:
St. Max im in nördlich von Trier, ferner St. Eucharius (seit XII. Jh.
St. Matthias genannt), St. Martin, Mettlach a. d. Saar, und das vom hl.
zeit stammen Prüm (um 762), St. Goar und das Frauenkloster Juvignv, 874.
Spätere Gründungen sind Oberwerth bei Koblenz (1020), Maria-Laach
(1093 — 1112), Abtei Münster bei Luxemburg (1033), Apollinarisberg bei
Remagen (1117). Im XII. Jh. folgen zahlreiche Neugründungen, im XIII.
dann die Stiftungen der Mendikantenorden. Hierüber Marx XII. 27. Rettberg
KI). I, 477 ff.
242. Bistum Metz. Die Gründung reicht auch hier wohl bis in
das IV. Jb. zurück; die frühesten Bischofskataloge sind freilich sehr
fragwürdig, und das Gleiche gilt von den benachbarten Bistümern Toni
und Verdun. Die Diözesansprengel dieser drei umfassen das obere
Mosel- und Maastal. Seit 1552 waren sie im französischen Macht-
bereich und gehörten nach dem Westfälischen Frieden endgültig zum
französischen Reich.
Der Metzer Sprengel erstreckte sich von den Höhen der nördlichen
Vogesen, das obere Saar- und Nahegebiet umfassend bis zur Mosel, über die
die Grenze ein Stück unterhalb I Jedenhofens hinüberführte. Die Südgrenze
verfolgte den linken MoselzuHufs Hupt de Mad, dann die Mosel aufwärts bis
zur Meurthemündung und im {lachen Bogen zur oberen Meurthe. Südlich der
Metzer Diözese lag der Sprengel von Toul, westlich von jener der kleinere
von Verdun zu beiden Seiten der Maas. — Döring. Beiträge zur ältesten
Gesch. des Bist. Metz, Innsbruck 1886.
Klöster im Gebiet von Metz: Gorz, westlich von Metz, gestiftet von Bischof
Chrodegang ; N o va c ella, Hilariacu m, gestiftet von Bischof Siegbold, östlich
von Metz zwischen Mosel und Saar; Hornbach, Gamundias, bei Zweibrücken,
vom hl. Pirmin gestiftet. — Im Sprengel von Toul lagen: Bon Moutier
(Bodonis monaster.), von Bisehof Bodo für Nonnen gestiftet; Kloster Habendi ander
oberen Mosel in Kemiremont; Kloster Senones am Kabadeaubach ; St. Deodat
gestiftet von Bischof von Nevers selbst. — Im Sprengel von Verdun: Kloster
St. Michael (St. Mihiel); St. Vitanus (St. Vanne) in Verdun; Beaulieu.
Waslogium, gestiftet 6T>8 von Groding.
243. Kr/. bist um Mainz. Über die Anfänge des Bistums sind wir
nur mangelhaft unterrichtet, Die in den Katalogen aufgeführten vierzig
Bischöfe vor Bonifaz können nicht als gesichert gelten. Erst in der Zeit
<lc8 Bonifaz tritt Mas Bistum mehr in das Licht der Geschichte und es
gewinnt durch ihn eine hervorragende Stellung über alle die übrigen
Bistümer in deutschen Landen. Im Jahre 747 wird er zum ersten Erz
bischof in Deutschland ernannt. Als Sitz wurde Mainz bestimmt. Während
er selbst Cöln als solchen gewünscht hatte. Als Suffraganbistümer
wurden ihm unterstellt : Tongern (Lüttich), Cöln. Worms, Speier, Utrecht.
243. Erzbistum Mainz. 413
Würzburg, Eichstätt, Buraburg, Erfurt, Strafsburg und Constanz. Von
diesen aber wurden einige sehr bald wieder abgezweigt und dem neuen
Erzbistum Cöln zugewiesen, andere gingen ganz ein; dafür traten später
neue hinzu. In der ersten Hälfte des XIV. Jh. zählte Mainz 14 Suffra-
gane: Worms, Speier, Strafsburg, Würzburg, Eichstätt, Augsburg, Con-
ütanz, Chur, Ilalberstadt, Hildesheim, Verden. Paderborn, Olmütz und
Prag. Die beiden letzteren wurden aber 1343 abgezweigt, so dafs die
obengenannnten zwölf noch verblieben. Die Erzdiözese war somit eine
der ausgedehntesten in Deutschland. Aber auch die Diözese Mainz um-
fafste ein umfangreiches Gebiet, da aufser dem Lande am Rhein und
unteren Main noch Hessen und Thüringen bis an den Harz dazu gehörten.
Das Diözcsangebiet erstreckte sich besonders gegen 0. und NO. hin weit
hinauf bis zum Harz und zur l'nstrut, sowie östlich zur Saale und stellenweise
ül>er sie hinaus, während der Thüringer Wald den südliehen Absehlufs bildete.
Im N. durch die Diözesen von Hildesheim, Paderborn und Cöln abgeschlossen,
im S. durch die Würzburger uinfafste es somit den gröfsten Teil des Hessen-
landes, bis südlich über den Main hinaus. Auch links des Rheins war das
pinze mittlere und untere Nahegebiet dem Mainzer Stuhl unterstellt. Vielleicht
im XI. Jh. schon hat eine Archidiakonatseinteilung bestanden. Die Zahl von
11 Arehidiakonaten mag aber erst später festgesetzt worden sein.
Sehr bedeutend waren auch einige der Klöster innerhalb der Diözese.
Zu nennen sind: 1. Lorsch f Laureshutn, Lauresheim, monnst. Laureaceusc, La/t-
rmense. Laurissa) in der Rheinebene, vier Meilen von Heidelberg an der Wesch-
nitz, war 774 als Benediktinerabtei gegründet worden, seit 1340 Präinonstra-
tenserkloster. Noch heute eine Grabkapelle erhalten. Falk, Gesch. d. ehe-
maligen Klosters Lorsch, Mainz 18(jf>. — 2. Bleidenstadt am Rhein bei Mainz,
htetantium locus von bilde, ahd. Midi = fröhlich. — 3. Disibodenberg, Möns
S. Disibodi. auf steilem Felsen beim Einflute der Glan in die Nahe bei Odern-
heim. Disibod, vermutlich ein Irländer, hatte dort als Klausner gehaust. Angeb-
lich 675 gestiftet, seit 1259 Cistercicnserkloster, 1768 säkularisiert. — 4. Seligen-
stadt, Benediktinerabtei am Main. Der Ort (anfangs Mühlheini) war von
Ludwig dem Frommen 8l5an Einhard geschenkt worden, der dortein Kloster stiftete
und die Gebeine der hh. Petrus und Marcellinus daselbst aufbewahrte, weshalb
der Ort Mühlheim seinen Namen nach dem Kloster allmählich in Seligenstadt
umwandelte. Steiner, Gesch. d. Stadt u. Abtei Seligenst., 1820. — In Hessen
-ind zu nennen: 5. Fritzlar, 732 als Abtei neben der Peterskirche von
Bonifaz gegründet, am linken Ederufer. — 6. Buraburg, welches Bonifaz 741
als »Sitz eines Bistums ausersehen hatte. Die Lage des Ortes ist nicht*ganz sicher
zu ermitteln. Falckenh einer (Gesch. hess Städte u. Stifter S. 7) vermutet,
dafs es der Burberg bei Fritzlar sei. Das Bistum ging sehr bald ein und wurde
dem Mainzer Stift einverleibt, — 7. Kloster Amöneburg, richtiger Amanaburg
nach der benachbarten Arnana, Ohm, benannt, auf einem steilen Basaltberg,
von Bonifaz gegründet 722, die Michaelskirche daselbst 732. Die Stiftung
bestand noch 1058. Seit dem XII. Jh. geht das Kloster ein. — 8. Hersfeld,
Heroljesfeld, Heresfeld, war von Sturm im Buchonischen Walde an der Fulda
zum Sitz eines Stiftes ausersehen worden. Bonifaz fand die Örtlichkeit unge-
eignet und sandte Sturm zum zweitenmal aus, der weiter stromaufwärts Fulda
gründete. Erst später stiftete Lullus in dem verlassenen Uersfeld ein Kloster
als Rival von Fulda (759). Die Abtei stand unmittelbar unter dem Papst,
1648 säkularisiert. Cf. Hauck, KD. II, 58. Hafner, Die Reichsabtei Hers-
feld bis zur Mitte des XIII. Jh., Ilersf. 18K9. — 9. Fulda, 744 von Sturm
gestiftet auf Wunsch des Bonifaz. Nach des letzteren Tod erhebt Erzbischof
LulJus Anspruch auf das Kloster, obwohl dieses bereits 717 von bischöflicher
Gewalt befreit war. Sehr ausgedehnt war der Grundbesitz und berühmt die
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414 VIII. Kirchliche Geographie Mittcleuropaa iiu Mittelalter.
Klostorschule und Bibliothek. Gegenbaur. Das Kl. Fulda im Karolinger-
zeitalter, 1871—1874. Arnd, Gesch. d. Hochstiftes Fulda, 1860. Dronke.
Cod. diplotnat. F'uldensis, Cassel 1H50. Ders. , Traditiones et antiqq. Fuldenses.
Cassel 1844.
Ober die zahlreichen Klöster in Thüringen vgl. Jacobs, Gesch. d. Prov.
Sachsen 1883, S. 75 ff. Winter, Die Cisterzienser des nordöstl. Deutschlands,
Gotha 1871, II, 184 ff. Regel, Handbuch von Thüringen II, 545 ff. mit
weiterer Literatur.
Hauck, KD., I, 34 f., 292. Heimes, Die Erzbischöfe von Mainz, 3. Aufl.
Mainz 1879. Böhmer- Will, Regesten zur Gesch. der Mainzer Erzbischöfe
(bis 1288), Innsbruck 1877 ff. Die Archidiakonatseinteilung bei Würdtwein,
Dioeeesis Mogunt. in archidiaconatibus divisa, 4 vol., Mannheim 1769. Wagner,
Die vormaligen geistlichen Stifte im Grofsherzgt, Hessen, 2 Bde., Darmstadt
1873 — 1878. Heppe, Kirchengesch, beider Hessen, 2 Bde.. Marburg 1876 — 1878.
244. Bistum Worms. Bereits im IV. Jh. scheint das Christentum
in Worms eingedrungen zu sein. Über den Anfang des Bistums selbst
verlautet nichts. Erst für den Anfang des VII. Jh. ist uns der Name
eines Bischofs urkundlich bezeugt. Seit dem VIII. Jh. war das Bistum
als Suffragan dem Erzbistum Mainz unterstellt. Die Diözese war zwischen
die Mainzer und Speierer eng eingeschlossen und reichte quer über den Rhein.
Hauck, KD. I. 35 f. Friedrich, KD. I, 81. Wigand, Die Wormser
Bischöfe und Erzbischöfe, Worms 1855. Auch Boos, Gesch. d. rheinischen Städte-
kultur mit bes. Berücks. v. Worms, 4 Bde., Berlin 1897—1901. — Der rechts-
rheinische Teil der Diözese unifafstc das ganze untere Neckargebiet bis zur
Kocher- und Jagstmündung ; der linksrheinische reichte als ein schmaler Streifen
bis in die Hardt hinauf.
Ober Klöster speziell vgl. Rcmling, Urkdl. Gesell, der ehemaligen Ab-
teien und Klöster im jetztigen Rheinbaiern, Neustadt lh36. Wagner, Die
vormaligen geistlichen Stifte im Grofsherzogt. Hessen, Darmstadt 1873—1878.
Zu nennen sind: Das Augustinerkloster zu Kirsch garten (kortus cerasomm)
bei Worms, zu F r a n k e n t h a 1 , Sinsheim und Höningen; Minoritenklöster
zu Heidelberg, Kaiserslautern, Oppenheim; Cistercienserklöster zu Schönau
bei Heidelberg. Auch Nonnenklöster waren zahlreich vertreten.
245. Bistum Spcier. Die christliche Gemeinde reicht hier in die-
selbe Zeit hinauf wie bei Worms; doch läfst sich eine Bischofsweihe
kaum bis in das VII. Jh. zurückverfolgen. Der Diözesansprengel hatte
einen grosseren l'mfang als jener von Worms, an den er sich südlich
anschlofs. Das linksrheinische Gebiet reichte westlich ebenfalls bis auf
die Hardt an die .Metzer Diözese heran und südlich bis an den Hagen
auer Wald. Der rechtsrheinische Teil umfafste aufser der Rheinniederung
noch das ganze Enzgebiet bis an den mittleren Neckar und den Murr
hardter Wald.
Rcmling, Gesch. der Bischöfe zu Speyer, 2 Bde., Mainz 1852 — 1854.
Kloster Weifsenburg, Wizenburg, Album Castrum, an der Lauter, den
Aposteln Peter und Paul geweiht und vielleicht Ende des VII. Jh. gegründet,
nahm eine hervorragende Stellung ein. Die Propstei ging 1545 auf die Bischöfe
von Speier über. Blidenfeld, nach dem benachbarten Klinga auch Klingen*
münster genannt, stammt aus derselben Z»it. Benediktinerkloster Hirschau,
gestiftet um H30, geriet seit der Mitte in Verfall und wurde auf Betreiben
Papst Leos IX. 1045* wieder neugestiftet. Zisterzienserkloster Maulbronn,
ursprünglich in Eckenweiher, in den 40er Jahren des XII. Jh. gestiftet, bald
246. Bistum Strafshurg. 247. Bistum Constans. 415
*
nachher (1148) nach Maulbronn verlebt. Cistercienserkloster Herrenalb,
Alba dominorum, gestiftet um die Mitte des XII. Jh. durch Bertold v. Eberstein.
Klöster für Cistercienserinncn Rechens hofen 1240 und Frauenzimmern
1246 gestiftet, für Dominikanerinnen St ein he im an der Murr 1255.
246. Bistum Strafsburg:. Die Anfänge des Bistums sind ebenso-
wenig klar, wie die der Nachbardiözesen. Für das IV. Jh. wird freilich
schon ein Bischof Amandus genannt, doch sichere Daten bringt erst
«las VII. Jh. Längere Bischofsreihen lassen sich aber für die ersten
Jahrhunderte nicht aufstellen.
Die Diözese umfafste einen Teil der Oberrheinischen Tiefebene vom
Schwarzwald bis zu den Vogesen hinüber, im S. an die Constanzer und Baseler
Diözese, grenzend. Der Rhein durchflofs sie von Breisach bis kurz oberhalb
dor Lautermündung.
Glöckler, Gesch. des Bist. Strafsburg, 2 Bde., Strafsburg 1879 — 1880.
Weitere Literatur bei Marckwald, Elsafs-Lothring. Bibliographie, Stralsbg.
1869, I, und in der Z. f. Gesch. d. Oberrheins, NF. 1891 ff.
Über die Klöster der Diözese vgl. Hauck KD. I, 292 und Rettberg KD.
II. 78 ff. — Zu nennen sind Kloster Odilienberg an den Vogesen, gestiftet
von Herzog Kthico I., der seine Tochter Odilia als erste Äbtissin einsetzte; Kloster
Hönau, anfangs auf einer Rheininsel, dann am rechten Ufer; Etten heim-
ln iui s t e r am Eingang des Schwarzwälder Münstertals, 734 neu errichtet ; Ebers-
heimmünster fNovimtum), auf einer Insel der 111 unterhalb Schlettstadt;
Suraburg im Heiligen Forst bei Hagenau; Hasel ach in den Vogesen;
Münster im Gregoriental , um 660 von König Childcrich II. gestiftet;
Schwarzach, auf einer Rheininsel Arnolf sau unterhalb Strafsburg, G e n g e n -
bach a. d. Kinzig, Neu weil er nordöstlich von Zabern; Maurmoutier,
Mauri inonasterium. Maursmünster, in der Nähe von Zabern; Leberau
westlich von Schlettstadt; Murbach kam später an Basel, 726 von Pinnin
gestiftet ; Masmünster fiel auch an Basel.
247. Bistum Constanz. Der Sitz eines Bischofs war in den
frühesten Zeiten des Mittelalters Vindonissa (Windisch) gewesen, wo ein
Bischof für das VI. Jh. bezeugt ist. Doch verschwindet der Name dieses
Bistums bald und es tritt an seine Stello ein neues in Constanz auf.
Vermutlich ist der Sitz nach dorthin verlegt worden; Gaudentius (t *513)
ist der erste sicher nachweisbare Bischof. Die Umgrenzung des Sprengeis
wird bereits dem König Dagobert zurzeit des Bischofs Marcianus zuge-
schrieben.
Für die Abgrenzung ist die Urkunde Kaiser Friedrichs 1. vom 27. November
1155 mafsgebend; sie nimmt auf die von König Dagobert gegebene Umgrenzung
Bezug und wird jetzt allgemein für echt gelullten. Gegen die Augsburger
Diözese bildete die Iiier die Grenze bis zur Mündung in die Donau, von liier
mit der fränkisch alemannischen Staminesgrenze übereinstimmend ging sie an
den Neckar oberhalb Marbach, weiter südwestlich /.um Rhein unterhalb Brei-
sach, diesen aufwärts bis zur Aar und ebenso diese aufwärts bis zum Gotthard,
dann auf den nördlichen Talhohen des Yordcrrheins entlang, den die Grenze
oberhalb des Bodensees kreuzte, bis östlich zur lllerquelle. Vgl. Hauck KD. I,
33U f. Funk bei Wetzer- Welte VII, 970. — Im übrigen Regesta episcopor.
Constant., 517—1496, hrgb. v. Ladewig, Innsbr. 1886 IT.
Innerhalb des Sprengeis, allerdings nicht dem Bischof unterstellt, liegt
das altberühmte Kloster St. Gallen. In der Wildnis hatte der hl. Gallus um
♦J14 eine Klause errichtet, welche spater vom hl. Othmar 720 zu einem Kloster
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416 VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropan im Mittelalter.
nach Benediktinerregel erweitert worden ist. Unter Ludwig dein Frommen
wurde es unabhängig vom Grafen und Rischof. von Arx, Gesch. des Kan-
tons St. Gallen, ibid. 1810—1813. von Baumgartner, Gesch. d. Schweiz.
Freist, u. Kant. St. Gallen, 18t>3. — Wie St. Gallen, so wurde auch Kloster
Reichenau, eine Pflanzstätte der Kultur und besonders der Wissensehaft
(Walahfried Strabo, Hennannus Contractu«), 724 gegründet vom hl. Pirmin
auf einer Insel im Bodensee, Augia benannt. Schönhuth, Chronik des ehe-
maligen Klosters Reichenau, Freibg. 183ti. Quellen u. Forschungen z. Gesch.
d. Abtei Reichenau, 1890 ff. Kloster Rheinau, auf einer Insel des Rheins
unterhalb des Rheinfalls, um 778 gestiftet. Kloster L ü t z e 1 a u , auf einer Insel im
Züricher See (Luzilunania, inmla minor J. Kloster Benken (Bainchau östlich vom
See). Kloster S c h ö n e n W er d , W e r t h , oberhalb Aarau. Kloster Buchau
am Federsee für Frauen. Benediktinerkloster Weingarten, XI. Jh. Reichen
bach, Blaubeuren (zuerst in Kgelsee, dann 10x5 nach Blaubeuren verlegt.
Zwif alten, 108«* gestiftet; Wiblingen (1093), AI pirsbaeh (1J»95). Cister
eienserkloster Beben hausen (1190). In der Schweiz Benediktinerkloster
Engelberg ( Möns angelornm), 1 120 gestiftet; Kloster Kempten, Campidunumn
752 gegründet; Säckingen, eine Stiftung Fridolins. Im Schwarzwald Cell
St. Trudperti, Cella St. Blasii. Vgl. über die Klöster auch Stalin, Wirtem.
berg. Gesch. I, 588 ; II, 697 ff.
248. Bistum Chur stand anfangs (bis ca. 850) unter der Mailänder
Metropole. Für die Mitte des V. Jh. scheint ein Bischof bezeugt zu
sein. Die Abgrenzung des Sprengeis war erst allmählich zum Abschlufs
gekommen. Unter Bischof Verendar 1. wurde durch König Dagobert die
Grenze zwischen den Bistümern Chur und Constanz gezogen, welche mit
der Grenze zwischen Rätien und Burgund zusammenfiel. Nach dem
Vertrag von Verdun 843 wurde die Diözese dem Mainzer Stuhl unterstellt.
Zum Sprengel gehörten nach heutiger Geographie «ler Kanton Graubünden
mit Ausnahme von Poechiavo (zu Como), das Urserental in Uri, das Sarganser
und Gasternland bis l'znach in St. Gallen, das Fürstentum Liechtenstein mit
Vorarlberg, der Vintschgau und das Burggrafenamt Tirol bis zur Passer.
Rettberg, KD. I. 21«',; II, 132. Hauck in Herzogs RealencykJ. IV,
111. Planta, Das alte Rätien 1*72. Fetz, Das Bist. Chur histor.-statist. Im-
schrieben, 1*03— 1869.
Berühmte Klöster sind Disentis ( Desertina), in der ersten Hälfte des
VII. Jh. durch den hl. Sigisbert, einem Gefährten Columbans. gestiftet; Kloster
Pf äf fers (Fabarial, vom hl. Pirmin im VIII. Jh. gegründet; Kloster Seh uls
im Engadin, 1095 gestiftet vom Bisehof Ulrich, 1150 nach Marienberg bei Mals in
Tirol verlegt; Kloster Schänis fScattdium, ScenmumJ, Nonnenkloster zwischen
Züricher und Walenstädtcr See; Nonnenkloster Catz oder Kaetzis im Dom-
leschger Tal (Valli.s domestica), Ende des VII. Jh. gestiftet.
24JJ. Bistum Augsburg. Von Oberitalien aus hatte sich das Christen-
tum nach der Donau ausgebreitet, denn im VI. Jh. ist dort das Bistum Augs
bürg, welches von der Römerzeit her bestand, unter dem Metropolitan von
Aquileja nachweisbar. Im VIII. Jh. ist es dem Mainzer Stuhl unterstellt.
In eben jene Zeit fallen auch die meisten Klostergründungen. Um 801
erfuhr der Diözesansprengel eine festere Umgrenzung unter Bischof
Sintbert. Er umfafste alamannische und teilweise auch bairische Gebiete.
Dieser bairische Anteil wurde unter Wicterp zu einem besonderen Bistum
mit dem Sitze Neuburg (Nova) an der Donau erhoben, war jedoch um
800 durch Sintbert wieder mit Augsburg vereinigt worden.
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250 Bistum EichMttttt. 251. Bistum Wartburg. 417
Die auffallende Tatsache, dafs die Diözese zwei verschiedenen Stämmen,
Alamannen und Bajuwaren, angehörte, erklärt sieh dahin, dafs das Bistum in
römischer Zeit schon den nachfolgend angegebenen Umfang besessen haben
mufs, und dafs dann erst Baiern und Alamannen ins Land kamen, zwischen
denen der Lech zum Grenztlufs wurde.
Die Diözese umfafste das Gebiet von der 111er bis östlich über den Lech
hinaus; nördlich der Donau zog sich die Grenze über die Haube Alb bis
Gmünd, von wo aus die Anfänge der Rocher und Jagst, dann die Wörnitz
gegen das Bistum Würzburg, das Sualafeld gegen Eichstätt abschlössen. Jen-
seits des Lechs bildete auf bairischem Gebiet die Donau die Grenze, östlich
ging sie bis südlich von Geiscnfeld und in einem Hachen Bogen zum Starn-
berger See und schied längs der Dm den Würm- und Kochelsee von der
Diözese Freising. Im S. umfafste sie das ganze obere Ix-ehtal (Streber bei
Wetzer-Welte, und Hauck).
Braun, Gesch. der Bischöfe von Augsburg, Augsbg. 1813 — 1815, 4 Bde.
Steiehele, Das Bist. Augsburg, histor. und Statist, beschrieben, 5 Bde., Augsbg.
1864—1895.
Kloster Füssen gestiftet durch den hl. Mang ; Kloster B e n e d i k t b e u r e n
(BuraJ von Bonifaz und Bischof Wicterp 740 gestiftet; Kloster Wessobrunn
(Wezzinbrunnen, Wessofontium) nach der Tradition von Tassilo 753 gestiftet;
Poll in gen, ein Frauenstift aus eben jener Zeit, ebenso Kloster Staffelsee
(Stnphala stagna) und Koch eis ee (Cohalun, Quochalnn) ; Kloster Ottcnbeuren
(Ottemburamim) nördlich von Füssen im Günztal, Kloster Ellwangen, ebenso
wie jenes 764 gegründet; Feuchtwangen an der Sulzach um die Wende des
VI IL— IX Jh. gestiftet; Thier hau pten , 760 gestiftet, am Bache Ach. Vgl.
Rettberg, KD. II, 163 ff.
250. Bistum Eichstätt. Zum ersten Bischof hatte Bonifatius den
Willibald geweiht (741). Erst 745 fand die Abgrenzung der Diözese
statt, nachdem Herzog Oatilo von Baiern in die Abtretung des westlichen
Teiles des Nordgaues an die Franken zu willigen gezwungen war; sonst
hätte Bonifaz Eichstätt zu einer bairischen Diözese gemacht. Es blieb
aber unter Mainz, als späterhin Salzburg zur Metropole erhoben worden war.
Die Diözese umfafste Teile des Nordgaues und Sualafeldes. Sie begriff
das obere Rednitzgebiet bis nördlich zur Pegnitz (das Teilstück nördlich dieses
Flusses mufste an Bamberg abgetreten werden), sowie das Altmühltal teilweise
bis an die Donau unterhalb Neuburg. Suttner, Bibliotheca Eystettensis dioe
eesana, Eichst, 1866—67. Lefflad, Regesten der Bischöfe von Eichstätt. 1875 ff.
Falkenstein, Antiqq. Nordgavienses, 2 Tie., 1733. Sax, Gesch. des Hoch-
stiftes und der Stadt Eichstätt, 1884.
An Klöstern sind zu nennen: Heidenheim. gegründet von Wunnebald
um 750. Ebenfalls dem VIII. Jh. schon angehörig Solnhofen (Cella Solae),
die Zelle des frommen Einsiedlers Sola, am rechten L'fer der Altmühl ober-
halb Eichstätt, ferner Kloster Hasen ried, später Herrenried genannt, an der
Altmühl, angeblich von einem Abt Deocharus760 — 770 gestiftet ; Kloster Wil /.bürg
bei der Stadt Weifsenburg; Kloster Monheim aus dem Ende des IX. Jh.,
Jungfrauenstift.
251. Bistum WUrzbur^:. Den Grund zum Christentum hatte da-
selbst der hl. Kilian gelegt, der ca. 689 den Märtyrertod starb. Die
Organisation des Bistums ist ebenfalls ein Werk des Bonifaz , der
741 den Burehard zum ersten Bischof weihte. Gleichzeitig wunle damals
das Bistum Buraburg für Hessen (auf dem Bürberge bei Fritzlar) und
Erphesfurt (Erfurt) für Thüringen gegründet, die aber nur einmal besetzt
Krotschmer, Hiatoriiche Geographie. •_>7
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418 Vm. Kirchliche Geograi>l»ie Mitteleuropas im Mittelalter.
dann wieder eingingen. — Die weltliche Machthaberschaft des Bistums
hatte sich frühzeitig entwickelt; schon in der Mitte des VIII. Jh. erlangte
es für sein umfangreiches Besitztum die Immunität.
Die Diözese reichte vom Thüringer Wahle, im 0. durch das Bamberger
und Eichstätter Bistum begrenzt südlich bis an den Murrhart und westlich bis
zum Neckar und Spessart.
Hauck, KD. I, 370, 497. — Schöpf, H ist. statistische Beschreibung
des Hoehstiftes Würzburg, 1802. Stamminger, Franconia saneta. Würz-
burg 1881.
Kloster St. Burghardi, anfangs St. Andreas genannt, am linken Main-
llfer, von Burghard selbst begründet und später nach ihm benannt ; Kloster
Megingaudeshausen am Leimbach, 81(5 gestiftet nach Benedikts Kegel.; Frauen
kloster Schwarzach zwischen Würzburg und Schweinfurt ; Kloster Neustadt
am Main, von Megingoz gestiftet ; Kloster Kit zingen oberhalb Würzburg am Maüi
für Nonnen; Jungfrauenkloster Bischofsheim a. d. Tauber, VIII. Jh. gestiftet;
Kloster Amorbaeh am nördlichen Abhang des Odenwalds; Kloster M ur-
bar dt am Kocher; Nonnenkloster Milz, Milize, zwischen Werra und Frän-
kischer Saale ; Benediktinerkloster Komburg, 1078 gestiftet; Zisterzienserkloster
Sehönthal. 1157 gestiftet; Zisterzienser-Nonnenkloster Frauenthal (1232),
Gnaden thal (1243) u. a. ; Prämonstratenserkloster Schef tersh ei m.
252. Bistum Paderborn. Nachdem von Karl dem Grofsen ein
Missionssprengel daselbst begründet worden war, wurde 795 auch eine
Diözese eingerichtet, die zunächst noch dem Bischof von Würzburg
unterstellt wurde. Erst späterhin, und zwar nicht vor 80(5 wurde ein
eigener Bischof (Hathumar) eingesetzt. •
Ober das Gründlingsjahr vgl. Giefers, Die Anfänge des Bistums Pader-
born. 18G0, S. 22. Schef fer-Boiehorst, Annales Pathcrburnenses , 1*70.
S. 37. — Auch hier fehlt die Stiftungsurkunde, welche über den Umfang Auf
klärung geben könnte. Das Bistum umfafste etwa die Gaue Nihthersi, Almunga,
Patherga, Wehsiga, Auga, Netga und den sächsischen Hessengau. also im
wesentlichen Gebiete im W. der Weser. B essen (Gesch. des Bistums Pader-
born, 1820, S. 2 f.) führt die einzelnen Ortschaften auf, die sicher zum Sprengel
des Bistums gehört halten. Im übrigen müssen die späteren Archidiakonats-
verzeichnisse aushelfen. Kosen kränz (die Verf. des ehemaligen Hoehstiftes
Paderborn in älterer und späterer Zeit, in Z. f. vaterl. Gesch. und Alt. Westf.
NIL gibt eine Bistumskarte, die nicht ganz zuverlässig ist. Eine sehr genaue
Angabe der Grenzlinie auf Grund der Grenzörter liefert Holscher, Die ältere
Diözese Paderborn, Z. f. vaterl. Gesch. XXXVII (18791 S. 37 IT. - Archidiakonats
register finden eich bei Schaten, Annales Paderborn. II, 15. Fürstenberg.
Monum. Paderborn.. Lemgo 1714. S. 12*. Bissen, 1. c I, 71 — 77, 294— li.
Sehr ausführlich in der genannten Arbeit bei Hölscher und den Fort-
setzungen das. XXXVIII, 2 Abt. 1 102, XXXIX, 2. 105-163, XL, 2. 52-S7.
Die Diözese umfafste im allgemeinen den gröfsten Teil der jetzigen Fürsten
tümcr Lippe, Waldeck und fast die Hälfte der ehemaligen Grafschaft Ravensberg.
Nach S. bildete die Diemel und Twiste die ungefähre Grenze; im IV. <lie alte
Seheide zwischen Engern und Westfalen, im 0. reichte sie bis über die Weser
hinaus. Wurm bei. Wetzer- Welte IX, 1233.
253. Bistum BUdeshelni. Karl der Grofse hatte den Ort Klze
(Aulica) an der Leine im Gau Guddingo als Sitz eines Bistums in Aus-
sicht genommen und den Bau einer Kirche begonnen. Ludwig der
Fromme verlegte ihn aber nach Hildesheim. Das Jahr der Gründung
oogle
t
254. Bistüm Verden 419
t
ist nicht gesichert, ebensowenig das der Verlegung, welche zwischen 814
bis 822 erfolgt sein mufs. Der Diözesansprengel liegt fast ganz im Ge-
biet der Aller und ihrer Nebenflüsse; er unifafste otwa die Gaue Gre-
tinge, Flutwide oder Mulbeze, Astfala mit der Bischofsstadt Hildesheim,
den Untergau Seotelingon, Guddingo, Wikanavelde, Aringon, Valothungon,
Flenithi, Ambergau, Saltga, Densiga, Leriga.
Die Fmulatio Ecclesie Hildensemensis, welche die Gründungslegende enthält,
gehört einer späteren Zeit an. Die Annalen von Pöhlde gehen das Jahr 817
als Stiftungsjahr an, der Annalista Saxo 815, andere Quellen 814, 818 und 822.
Der erste Bischof war Gunthar, über die Grenzen der Diözese besonders auch
die Quellen und Bearbeitungen vgl. Lüntzel, Die ältere Diözese Hildesheini,
Hildesheini 1837, S. 7 IT. Böttger, Diözesan- und Gaugrenzen II, 307 ff.
Bertram, Gesch. des Bistums Hildesheini, 18«J9, I, 25 ff.
Die Archidiakonate erseheinen seit dem zweiten Viertel des XII. Jh.
häufig. Die erste allgemeine Bestimmung über die Rechte der Archidiakonen
enthält das magnum Privilegium Adelogi episeopi, von 1179 März 28. Lüntzel
legt das Arehidiakonatsverzeiehnis aus dem XVI. Jh. zugrunde; doch mufs
die Einteilung schon im XIV. Jh. dieselbe gewesen sein. Vgl. Lüntzel, ö. 176- 324
und 428 ff.
K Loste rgrü n d u ngen. Hier ist als eine der ältesten Gandersheim
zu nennen, ein Jungfrauenkloster und Stiftung der Liudolfingcr, 856 hierhin
verlegt, während es vorher etwsis nördlicher zu Brunshausen im Gau Flenithi
sich befand. 881 war der Klosterbau fertig. Erste Äbtissin war Hathumod
(t 874). Die Blütezeit des Klosters war das X. Jh., als die Nonne Roswitha
als Dichterin hier wirkte. Lamspringe, Jungfrauenkloster nördlich von
Gandersheim unter Bischof Altfrid um 872 gestiftet ; Ringelheini, Jungfrauen-
kloster, von Graf Immed gestiftet, von Otto I. bestätigt; Augustinerkloster
Marienrode südlich von Hildesheini, 1125 gegründet ; Augustiner-Chorherren-
stii't Riechen he rg bei Goslar, 1117 gestiftet; Benediktinerkloster Clus am
Nordabhange des Clusberges bei Gandersheim, von der Äbtissin Adelheid IH.
gegründet; Kloster Amelungsborn auf dem Auersberge, 1135 von Cister-
ciensern aus Altencampen gestiftet ; W ö 1 1 i n g e r o d e nordöstlich von Goslar,
1174 von den gleichnamigen Grafen gestiftet; erst 1206 wird uns eine Äbtissin
urkundlich genannt Vor 1201 war es jedenfalls mit Cistercienserinnen besetzt
worden. Ebenfalls für Cistercienserinnen (anfangs Benediktinerinnen i ist das
Kloster Mariengarten oder Neuwerk zu Goslar bestimmt worden. 1188
nahm es Kaiser Friedrich 1. in seinen Schutz. Ferner Kloster Wien hausen,
1233 von der Pfalzgrätin Agnes gestiftet mit den Nonnen zu Nienhagen,
wo seit 1216 ein Stift bestanden hat; Kloster Isenhagen am rechten Ufer
der Ise, 1243 für Cistereienser gegründet, die 12511 nach Backenrode bei Hildes-
heim übersiedelten. An ihre Stelle traten Cistercienserinnen, die wegen Ungunst
der LrÜicbkeit 1329 nach Hankesbüttel übersiedelten, wo das Kloster Neu-
isenhagen cutstand. Stederburg, das gleichnamige Schlots, war 1003 durch
Friederunna in ein Frauenkloster umgewandelt worden; Wülfinghausen,
für Augustincrinnen 1236 bei Eldagsen gestiftet; das Kreuzkloster auf dem
Rennelberge vor dem Petritor von Braunschweig, 1241 vom Ritter Balduin von
Campe für Cistercienserinnen gestiftet ; Kloster Escherde, 1203 in dem gleich-
namigen Dorf gegründet. Die Benediktiner siedelten aber nach dem Dörfchen
Bovingehusen über, auf welches der Name Escherde überging.
254. Bistum Verden. In derselben Zeit wie Bremen ist auch das
Bistum Verden organisiert worden. Zum ersten Bischof wurde Abt Patto
von Amorbach geweiht. Die Stiftungsurkunde Karls von 789 hat sich
als gefälscht erwiesen. Der Diözesansprengel reichte durch die Lüne-
burger Heide Iiis in die Altmark.
27*
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420 VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropas im Mittelalter.
Der Sprengel wurde im N. im allgemeinen durch die Elbe begrenzt,
unterhalb Hamburg beginnend aufwärt« bis zur Mündung der Jeetze, die selbst
bis zur Quelle die Grenze bildete. Im weiteren verlief sie der Ohre entlang
zur Quelle der Ilmenau und von hier im Bogen durch die Lüneburger Heide
nach Verden, welches also wenig günstig ganz an den westlichen Rand seiner
Diözese gerückt war.
Hauck. KD. II, 390. P f a n n k u c h e , Altere Gesch. des vormal. Bistums
Verden, Verden 1830. Ders. , Neuere Gesch. d. vorm. B. Verden (bis 1648), 1834
255. Bistum Halberstadt. Auch die Gründung dieses Bistums wird
auf Karl den Grofsen zurückgeführt; es ist aber jedenfalls erst von Ludwig
dem Frommen organisiert worden. Als erster fungierte Hildegrim, der
Bischof von Thalons, der zugleich die Mission in Sachsen leitete, wo
Osterwieck, damals auch Seligenstadt genannt, der Missionssitz nur war.
Erst nach seinem Tode (827) wurde ein eigener Bischof für Halberstadt
ernannt. Der anfänglich sehr bedeutende Diözesansprengel wurde durch
Gründung der Ottonischen Bistümer auf ein Viertel eingeschränkt.
Die Urkunde für Ilaiberstadt (Böhmer Mühlbacher 516) wird von Mühl-
bacher and Ilauck für echt erklärt, wenn auch einzelnes, wie gerade die geo-
graphische Begrenzung interpoliert ist. — Die ehemalige Diözese lag zwischen
Elbe, Saale, Unstrut, Harz, Oker, Aller, Ohre und Milde. Als jedoch 967 die
Diözesen Magdeburg und Merseburg gegründet wurden, mufste Bischof Hildi-
ward im Jahre 9t58 (Thietmar II, 30) ein grofses Gebiet an diese beiden abtreten
(s. Magdeburg und Merseburg).
Vgl. Hauck, KD. II, 410. Ders., Artikel Halberst, in Realencvkl.
f. prot. Theol. VII, 853. Kettberg, KD. II, 470. Reinecke, Die Einführung
des Christentums im Harzgau, Osterwick 18SS. G. Schmidt, UB. des Hoch-
stiftes Halberst. u. seiner Bischöfe, Lpz. 1H83 ff. 4 Bde. v. Mülverstedt.
Verzeichnis der Stifter, Klöster der Stadt Halberst., Z. d. Harzver. IV. 390.
An Augustinerklöstern sind zu nennen : jenes zu Wendhausen bei der
Rofstrappe (IX. Jh.), zu Rofsleben 1140 gegründet, 1265 in ein Jungfrauen-
kloster umgewandelt, zu Marien bor n, 1191 gestiftet von Erzbisehof YVich-
mann; an Benediktinerklöstern: St, Wiperti in der Pfalz, zu Quedlinburg
841 gegründet (seit 114H PrämonstraU, zu Groningen a. «1. Bode, zu Hillers-
leben, anfangs Nonnenkloster, seit 1000 für Benediktiner, zu Arneburg, zu
Ilsenburg 1003, Huysburg, Goseck; für Benediktinerinnen : Drübeck,
um 877 gegründet, Hornburg-Celle im Kreise Querfurt, Had m e rsl eben .
Münzenberg bei Quedlinburg, G arbstedt 1118, Walbeek, Zscheiplitz
1089, Bohrbach 1115; für Zisterzienserinnen: Hedersleben a. d. Selkt
1253, Hedersleben bei Eisleben 1291, Marienstuhl bei Egeln 1258, Alt-
haid ensl eben, 9t>5 für Benediktiner, seit 1228 für Cist., Abbenrode, lUö
für Bened., dann ('ist. t ber sonstige Klöster vgl. Jacobs, Gesch. d. ProY.
Sachsen, 1883, S. 75 ff.
256. Bistum Bamberg. In dem Slavenland am oberen Main, «1er
Wiesent und Aiseh, welches anfänglich zum Würzburger Sprengel ge-
hörte, hatte Kaiser Heinrich II. 1007 ein eigenes Bistum begründet,
welches in Papinberc im fränkischen Gau Volkfeld seinen Mittelpunkt
hatte. Die Abgrenzung der Diözese war nur unter Zustimmung der
Bischöfe von Würzburg und Eichstätt möglich. Im Jahre lOOs war sie
festgestellt. Papst Bonifaz VIII. unterstellte das Bistum 102O unmittel-
bar dem päpstlichen Stuhl.
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257. Erzbistum Bremen -Hamburg. 258. Bistum Aldenburg-Lübeck. 421
Der Sprengel umfafste einen Teil des Volkfeldcs, der durch Main, Red
nitz. Aurach und Viertbach begrenzt ist, und den nordöstlichen Teil des Radenz-
irauts. Später wurde noch ein nördlich der Pegnitz gelegener Teil vom Eieh-
stütter Bisehof abgetreten. Hauek, in Herze »gs Eneykl. IT. :*87 ; Kl). III, 417.
Looshorn, Gesch. d. Bist. Bamberg, München 18Ä, I, 11H ff.
Kloster Banz, 1071 gestiftet von Bisehof Hermann. Benediktinerkloster
Herrenauraeh 1108, Ehrach 1126, Cistercienserkloster Langheim 1132.
257. Erzbistum Bremen Hamburg. Im Jahre 831 war von Ludwig
'lern Frommen das Erzbistum Hamburg (allerdings ohne SufTragane)
gegründet und mit Ansgar besetzt worden.
Der bischöfliche Sprengel umfafste das nordalbingische Sachsen, wes-
halb Bremen auf Ditmarschen und Verden auf Hamburg verzichten mufsten.
*45 wurde aber Hamburg durch die Wikinger zerstört, der nordalbingische
Sprengel ging verloren und dem Ansgar wurde der damals zufällig
erledigte Bremer Bischofsstuhl überlassen. Bremen setzte sich mit
Verden hinsichtlich der Grenze auseinander; letztere erhielt 848 ihre
definitive Gestalt (Dehio I, 13 und Anmerkung S. 13). Seitdem besteht
das vereinigte Erzbistum Bremen-Hamburg, welches 8f>4 durch Papst
Nieolaus I. (Hambg. IIB. n. 14) bestätigt wurde trotz der Einsprüche
von seiten Cölns, welches Bremen ehedem als SufTraganbistum be-
hauptet hatte.
Seit 780 wirkte Willehad als Missionar in dem Lande zwischen unterer
Elbe und Weser. 787 wurde er zum Bisehof ernannt mit tiein Sitz in Bremen ;
<*in eigentliches Bistum war hiermit noch nicht geschaffen worden. Die Urkunde
von ;Adam I, Li) ist sicher eine Fälschung. Die Grenzbeschreibung in
ihr ist materiell zwar richtig, aber vom Standpunkt des XI. Jh. gefafst und
unter Berücksichtigung der Grenzregulierung von 84H; s. D ehio Gesch. d, Erz-
bistums Hamburg-Bremen, 1H77, I. Exc. 1, 2. Nach ihr umfafste der Sprengel
die säehsisch-engrisehen Gaue. 10 an Zahl, die zu zwei Provinzen Wigmodien
rechts und Lorgoe links der Weser zusam menge fafst wurden, sowie die friesischen
Gaue an der Nordsee zwischen Weser- und Emsmündung. Erst unter dem
Nachfolger Willerich erfolgt nach Beendigung der sächsischen Unruhen 804
'lie endgültige Konstituierung des Bistums in der angegebenen Ausdehnung
und dessen Unterordnung unter den Erzbisehof von Cöln (Dehio S. 22;
van Bippen, Gesch. v. Bremen 1, 13). Hl 4 kam ein Teil von Nordalbingien
hinzu; hierüber cf. Dehio I, 3!». Im Jahre Hf,4 wurde es aus dem Verbände
mit Cöln wieder gelöst.
Wenn die Erzbischöfe sich nach der Auflösung des Hamburger Stiftes
meist nach Bremen genannt hatten, so wurde 1223 der erzbischöfliche Titel auch
formell auf Bremen übertragen, van Bippen, Gesch. v. Bremen I, 123 f.
Mit Einverleibung der Hamburger Kirche wurde deren Gebiet zur Erz-
diözese geschlagen. Hclmold I, 17 gibt den Umfang der Hamburger Kirche
an: Nordalbingien (las Land der Tetmarsen, Holsaten und Sturmarn) und die
Slavenländer (der Wagrier, Obotriten, Kyzinen und Circipanen) bis zum Flufs
l'anis (Peene) und Burg Dimin (Deramin).
£58. Bistum Aldenburg-Lübeck. In dem Hauptort der Wagrier
Aldenburg (heute Oldenburg), welcher bei den Slaven gleichbedeutend
Starigard hiefs, bei den Dänen Brandehuse, hatte Otto der Grofse in
der ersten Hälfte des X. Jh. ein Bistum begründet, welches dem Hamburger
Erzbistum untergeordnet wurde. Nach Adam hiefs der erste Bischof
Egward, nach Hclmold (I, 12) Marco. Ihm wurde »das ganze Land der
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422 VIII. Kirchliche Geograpliio Mitteleuropas im Mittelalter.
Obotriten bis an die Peene und die Burg Ditnine (Demmin) untergeordnet .
Gebiete, die später teilweise an andere Bistümer fielen. Eine Stift ungs-
urkunde ist nicht erhalten, daher ist auch das Gründungsjahr ungewifs.
Die Dotation betreffend seien die Bischöfe nach Helmold mit zeitlichen
.Gütern im Überflufs versehen worden. Der grofse Slavenaufstand hatte
auch das Bistum heimgesucht ; denn angeblich seien in Nordalbin^ien
alle Kirchen verbrannt und die Briester ermordet worden. Von der
Aldenburger Kirche wird dies wenigstens berichtet. Doch scheint der
Fortbestand des Bistums nicht auf die Dauer gefährdet gewesen zu sein.
Unter dem Slavenfürstcn Gottschalk wurde der frühere Zustand wieder
hergestellt, die Kirchen neugebaut und die Klöster gestiftet. Nach seinem
Tode (1066) trat infolge neuer Aufstände abermals ein Rückschlag ein.
Erst geraume Zeit später gelang es seinem Sohne Heinrich im Verein
mit dem hl. Vicelin dem Christentum wieder eine gesicherte Grundlage
zu schaffen. Doch war bei Vicelins Tode (1 154) das zerstörte Wagrische
Bistum noch nicht eigentlich wiederhergestellt, wenn dieser auch zum
Bischof von Aldenburg nominell erhoben worden war (1149). Es geschah
dies unter dem Erzbisehof Hartwig. In jener Zeit fand auch eine
Teilung des Bistums in drei statt: Aldenburg, Ratzeburg und Mecklen-
burg. — Vicelins Nachfolger auf dem Aldenburger Stuhl wurde Gerold,
der eine neue Kirche in Aldenburg weihte (1156). Er war es auch,
der die Verlegung des Bischofssitzes nach Lübeck anregte, weil diese
Stadt volkreicher und fester und überhaupt in jeder Beziehung gelegener
wäre.-
Unsere ältesten Nachrichten über die Geschichte des Bistums gründen
sich auf die Chroniken Adams, Helmolds und Alberts von Stade, die in ihren
Angaben sehr häufig abweichen. — Eine genaue Umgrenzung der Diöze>»-
scheint anfangs nicht festgesetzt gewesen zu sein, wenn man nicht die Grenze
des im Jahn- 946 gegründeten Havelbergcr Sprengeis als mitbestimmend für
jene ansieht. In den frühesten Zeiten war der Peeneflufs und die Stadt
Demmin stets als Grenze angesetzt worden, im IX. Jh. für das Verdener Bis-
tum, im X. Jh. für das Hamburger und dann das Aldenburger Bistum im
besonderen. Unter Bischof Hartwig im XII. Jh. erfolgte dann die divisio
episcopatiis Aldenbunfnusis in die drei Diözesen Aldenburg. Ratzeburg und Mecklen-
burg. Nach Helmold I, 6!) sei diese Teilung sehen unter Adalbert erfolgt, der
die Teilung wohl schon beabsichtigt haben mag
Ungewifs ist auch das Datuni der Gründung, welches die einen in das
fünfte Jahrzehnt des X. Jh. setzen, andere erst vom Jahre 968 an datieren.
Das erstere ist das wahrscheinlichere. Vgl. über alle diese Fragen Laspeyres,
Die Bekehrung Nord Albingiens und die Gründung des Wagrischen Bistums
Aldenburg Lübeck. Bremen 18(34. Uber die Verlegung des Bischofssitzes nach
Lübeck und die Gründe hierzu vgl. ebenda S. 202 ff.
Zur Diözese Lübeck gehören die Kirchspiele Oldenburg, Hansühn ( Hosüne i,
Eübeck. Reinfeld. Segeberg, Lütjenburg. Ellerbeck, Plön (Plone), Bosau (Bosowe),
Latin (Uthin), Ratkau (Ratheeowe), Travemünde, Oldesloe (Todeslo), Leezen
beseitige), Bornhöved, Schlamersdorf. Gnissau (Gneshowe), Wesenberg.
Die westliche Hälfte des Holsteinsehen Landes von der Elbe bis nord-
wärts zur Eider bildete das Bistum Hamburg. Helmold I, 6 nennt bei
Besprechung der Hamburger Diözese diesen Teil an erster Stelle; er umfafst
den äufsersten Teil Sachsens, welcher jenseits der Elbe liegt, Nordalbingien
heifst und drei Volker enthält, die Tetmarsen, die Holsaten und die Sturmaren -.
uig
I
259. BiHtum Katzcburtf. 260. BiMtum Mecklenburg Schwerin. 423
Er unterstand späterhin, als weiter östlich die anderen Bistümer entstanden,
noch immer dem Erzbisehof von Bremen-Hamburg. Die bisehöfliehe Gewalt
und Gerichtsbarkeit wurde liier von dem Domprobst zu Hamburg in Vertretung
des Erzbisehofs ausgeübt.
Eine Reihe von Klöstern war in Holstein und Wagrien entstanden. Neu-
minister, eine Stiftung Vieelins, der in dem Orte Faldera eine Kirche errichtet
hatte (1125). Unter Bisehot Gerold wurde sie dureh den Erzbisehof geweiht,
»ler ferner verordnete, dafs der Ort fortan novum monasterium genannt werden
solle. Bisher war er nämlich Faldera oder Wippenthorp genannt worden, t
Hehnold I, 93. Das Augustinerkloster Segeberg (Sigebereh). ebenfalls von
Vicelin gestiftet, am Fufse des Oilbereh, auf dem die Burg Sigeberch angelegt
worden war (1134). Vier Jahre später ging es durch Pribislaw zugrunde und
Vicelin legte es in einem benachbarten Orte Cuzalina oder Hagerestorp an
(Helmold l, 53,58). Ferner das Cistercienserkloster Hei n fei d, 1186 gestiftet;
das Benediktinerinnenkloster zu Preetz, von Albert von Orlamünde 12l6 ge-
stiftet; das ('istercienserinnenkloster zu Ivenfleth um 1230. das 1265 nach
Itzehoe verlegt wurde. Demselben Orden gehörten die Klöster zu Beinbeck
und Uetersen an, 1235. Das Benediktinerkloster zu Cismar, 1237 von
Lübeck dorthin verlegt; das Franziskanerkloster zu Kiel, 1243 von Adolf F\*.
gestiftet, und das zu Ilarostehude bei Hamburg 1242 von seiner Gemahlin.
259. Bistum Katzeburg wTar durch Abtrennung von dem Alden-
burger Bistum entstanden. 1154 wurde Evermodus, Probst zu Magde-
burg, als Bischof eingesetzt. Sein Sitz war anfangs auf dem St. Georgs-
berge vor der Stadt, später räumte Graf Heinrich dem Bischof die
Insel bei seiner Burg, das heutige Ratzeburg, ein, wo die Stiftskirche
erbaut wurde. 1158 erfolgte die päpstliche Bestätigung durch Hadrian IV,
nach welcher die Landschaft Sadelbanflia und das ganze Polabenland zur
Diözese gehörten.
über die Entstehung des Bistums vgl. die Bemerkungen über Aldenburg-
Lübeck. Nach Helmold I, 61» hätte schon Erzbisehof Adalbert in der Mitte
des XI. Jh. einen Bischof Aristo zu Katzeburg (Racisburg) ernannt. Dann wäre
der Bischofsitz angeblich 84 Jahre lang nach dem Slavenaufstande leer geblieben
bis auf Bischof Hartwich. — Die anfängliche Grenzbestimmung des Sprengeis
scheint nur eine ungefähre gewesen zu sein : das Lübeckische Kirchengebiet,
die Elbe und die Bille; im O. war eine Abgrenzung noch nicht getroffen worden.
Das Bistum war mit 300 Hufen zunächst ausgestattet worden. — Im Jahre 1162
fand eine nähere Grenzbestimmung der Diözese statt. Im S. sollte die Bille
bei ihrer Einmündung in die Elbe die Grenze bilden. Als Grenzorte werden
genannt Bilncmuthe, Boyeene, Wilredesfleth, Vrenflcth, Hasfleth, Anremuthe,
Kagit Cucliz. — Im O. fand schliefslich mit dem Bistum Mecklenburg ein
Ausgleich statt dahingehend, dafs die Grenze von der Bucht von Wismar an
zur Stivina fStepenitz) laufen sollte, weiterhin vom Einflufs der Terinza in die
Sude zur Eide und diese abwärts bis zur Elbe. — An Archidiakonaten der
Diözese werden genannt : Lauenburg, Stapel, Kehna und Schlagestorp. — Das
Kloster zu Kehna wurde vom Bischof Ludolf von Katzeburg 1236 gestiftet.
Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg, Lübeck 1835. P. von Kobbe,
Gesch. d. Herzogt. Lauenburg, 1836, I, 2*1 ff., 28H ff. Neuendorff, Die
Stiftsländer des ehemal. Bistums Katzeburg topographisch u. geschichtl. dar-
gestellt, Rostock 1832. Arndt, Das Zehntenregister des Bist. Ratzebg. aus dem
XIII. Jh., Progr. Katzeburg 1833.
260. Bistum Meeklcnburg-iSeh worin war als drittes Bistum aus
dem Aldenburger »Sprengel hervorgegangen. Als Sitz war Mikilenburg
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424 VIII. Kirchliche (iengrapliic Mitteleuropas im Mittelalter.
auaersehen worden; der erste tatkräftige Bischof war Berne. Auf seine
Veranlassung wurde der Sitz von Mikilenburg nach der Grafenstadt
Zwerin (Schwerin) verlegt, welche zum Ratzehurger Sprengel gehörte,
weshalb ein Gebietsaustausch stattfand. 1171 wurde die Verlegung vom
Herzoge bestätigt und die Begrenzung des Stiftes festgelegt. Die Bischofs-
kirche zu Schwerin war der Maria und dem Evangelisten Johannes
geweiht.
Von llelniold I, <J9 wird schon für das XI. Jh. « in Bischof von Mikilen-
lmrg namhaft gemacht, ebenso wie für Ratzeburg (s. d.). Dann trat die
*l jahrige Vakanz ein. Unter Krzbischof Hartwich wurde dann Knimehard
unliniert, dem jener Berne folgte (f 1191). — Die Urkunde von 1170 gibt die
Grenzen der Diözese besonders ausführlieh an. Sie schlefs sieh an die Ratze-
burger im 0. an und umfafste die mecklenburgischen und Hommerschen Wenden-
lande bis zur Peene. Als die Verlegung des Bistums von Mikilenburg nach
Schwerin stattfand, wurde vom Bischof Evennodus von Ratzeburg das Schweriner
Land abgetreten, wogegen das I^and Brexen (Brezcn) ausgetauscht wurde. Die
Bucht von Wismar bildete die Grenze; die Insel Peel gehörte aber noch zur
lühischen Diözese. Anfangs gehörte zum Schweriner Sprengel noch die halbe
Insel Rügen, deren andere Hälfte Rosebild (Rocskilde; einverleibt war; »loch
war sie 1189 von Schwerin wieder getrennt. Nachträglich waren auch noch
Demmin, Tolenze, Plote Lositze, Tribsees und Cireipanien zum Sprengel
geschlagen worden.
Wiggers, Kirchengeschichte Mecklenburgs. Parehim 1840. Lützow,
Gesch. von Mecklenburg, Bcrl. 1827, I, 2*.M> ff. Boll, Cber die Verlegung des
Bistums von Mecklenburg nach Schwerin, 18f>.'{ (zweifelt die Echtheit der
Dotationsurkunde an). Wigger, Sprengelgrenzen des Bistums Schwerin, in
Mecklenburg. Jahrbb. 28, ls<l- 197. *
An bedeutenden Klöstern sind zu nennen : Dargun im alten Cireipaner-
lande, gestiftet von Bischof Berne, mit Cisterciensern aus der Doberanischen
Abtei; Doberan, gestiftet vom Fürsten Pribislaw nach seiner Rückkehr aus
dem heiligen Lande (c. 1171), der es reich mit Land dotierte. Berne» besetzte
es mit ('istereiensern ; Sonnenkamp, von Heinrich Borowin auf den Wunsch
seiner Gemahlin Adelheid gestiftet 1219, für Benediktinerinnen. Es war anfangs
für Parchow bestimmt, dann nach Kussin unter dem Namen Sonnenkamp
verlegt worden; Dobertin, Stiftungsjahr unbekannt. Die Klöster zu Zar-
rentin und Eldena von den Grafen von Schwerin und Dannenberg gegründet,
Kloster Rühn vom Bischof Brunward.
261. Erzbistum Salzburg. Bonifaz hat die bairisehe Kirche organisiert
und ihre Unterordnung unter Rom betrieben. Einer Aufforderung Herzog
Oatilos Folge leistend teilte er mit seiner Zustimmung die bairisehe
Kirche in vier Sprengel: Regensburg, Freising, Salzburg und
Lorch- Passau, eine Teilung, die bis in die neuere Zeit sich erhalten
hat. Die Diözese Passau bestand schon von römischer Zeit her, in den
drei anderen Orten waren Ruprecht. Emmeran und Corbinian schon
vor Bonifaz tätig gewesen. Ein Schreiben Papst Gregors III. von 7:>9
deutet das Vorhandensein dieser Organisation an. Im südlichen Tirol
bestand ferner noch das Bistum Seben, für welches schon Ende des
VI. Jh. ein Bischof genannt wir«]. Erst unter Tassilo III. kam diese
Kirche an Baiern. Einen Metropolitansitz errichtete Bonifaz für Baiern
nicht, denn als Erzbisehof und Generallegat wollte er in diesem Lande
keinen Nebenbuhler haben. Auf Betreiben Karls des Grofsen erhob
Diaitized bv CjOOqIc
2G2. Bistum Regensburg. 425
aber Papst Leo III. 798 Salzburg zu einem Erzbistum mit den Suffragan-
«liözcsen Passau, Regensburg, Neuburg, Freising und Seben. Neuburg
wurde sehr bald an die Diözese Augsburg (s. d.) angescblossen, die
zur Mainzer Erzdiözese geborte. — Zum ersten Erzbischof von Salzburg
wurde Arn erboben.
Hauck KD. II, 207. Weitere Literatur bei Hanthaler *in Wetzer-
Welte X, 1632 f.
Die Gründung der Kirehe in Salzburg geht auf den hl. Rupert zurück,
der auf den Ruinenfeldern des alten Juvavum Kirehe und Kloster erbaute.
Wie wir über seine Lebenszeit wenig unterrichtet sind, so auch über die Folge-
zeit bis Bonifaz. Unter den Nachfolgern ragt der in »schotte Vergil (seit 745)
durch seine Organisationen und Bauten hervor. Der Diözesansprengel hatte
eine grofse Ausdehnung über das östliche Alpenland, alter wegen der Ab-
grenzung kam der Erzbisehof oft genug in Streit mit den Nachbardiözesen, so
besonders mit Passau und Aquileja. Der Sprengel reichte längs des linken
Orauufers hinab bis an die ungarische Donau unterhalb Fünfkirchen. Der
Streit mit Aquileja wurde Hll dahin entschieden, dafs der Drau Hufs die Grenze
bilden sollte und damit das nördliche Karantanien an Salzburg, das südliche
an Aquileja schlofe.
Kloster Admont an der Erms in Obersteiermark, gestiftet von der
hl Hemma als Benediktinerabtei (vor 1015); 1074 wurde die Kirche zu Ehren
des hl. Blasius geweiht. Wi ebner, Gesch. der Benediktinerabtei Admont,
4 Bde.. Graz 1874—80.
Zur Salzburger Erzdiözese gehörte auch das nur kleine Bistum Gurk,
welches vom Erzbischof Gebhard von Salzburg (1060—1088) begründet worden
war, weil das Territorium von seinem erzbischöflichen Sitz zu entfernt war. Papst
Alexander II. bestätigte es 1070. Das Recht der Bischofswahl besafs der Erz-
bischof allein. Die Residenz der Bischöfe war nicht in Gurk, sondern in einem
Schlofs bei dem Städtchen Strafsburg. Die Diözesangrenzen wurden erst unter
Erzbischof Konrad I. (110(1- -1 147) festgestellt.
Kloster Ossiach ist die älteste Benediktinerabtei in Kärnten, im X. Jh.
von Karlmann gestiftet; das Frauenstift St. Georgen am Längsee, 990 ge-
giftet; Abtei Millstadt, 1001 gestiftet; Victring, Cistercienserabtei 1142 ge
stiftet. — Wetzer- Welte V, 1371.
Das Bistum Lavant wurde im Jahre 1228 von Erzbischof Eberhard II.
mit dem Sitz zu St. Andreae im Lavanttal gegründet, von sehr geringein Um-
fing Weber bei Wetzer- Welte, Art. Kärnten.
Das Bistum Seckau wurde ebenfalls 1218 auf Veranlassung eles Erz
bischofs Eberhard II. von Salzburg gestiftet wegen der zu grofsen Ausdehnung
der Salzburger Diözese. Papst Honorius III. und Kaiser Friedrich IL erteilten
hierzu ihre Einwilligung. Die Stiftungsurkunde des Erzbischofs ist vom
17. Februar 1219 datiert, nach der der Sprengel von der Pfarre Kumhenz (Ko-
ben/, in welcher das Stift Seckau lag bis zum Ende der Pfarre St, Laurentii
in Hengsberg bei Wildon) in die Läntre, und von der Kirche St. Maria in
Prank (bei Knittelfeld) bis zum Pfarrgebiet von J^afsnitz, zwischen Muran und
St Lambrecht in die Breite sich erstreckte. Die Diözese umfafste die Pfarreien
Lind, Weifskirchen, Fiber, Margareten bei Voitsberg, Mooskirchen, Dobel und
Margareten bei Wildon mit allen Kapellen und Zubehör, über die weitere
Entwicklung des Bistums vgl. O. Schmid bei Wetzer-Welte V. 10.">x ff.
26*3. Bistum Regensburg. Durch Emmeran fafste das Christentum
auch in Regensburg Fufs. Das nach ihm benannte Kloster daselbst
blieb auch nachher lange noch der kirchliche Mittelpunkt des nächst-
liegenden Landes und die Äbte des Klosters haben hier bis zur Zeit
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426 VJU. Kirchliche Geographie Mitteleuropas im Mittelalter.
des Bonifaz die bischöfliche Verwaltung ausgeübt und sich auch wohl
Bischöfe genannt. Der erste von Bonifaz ernannte und vom Papst
bestätigte Bischof ist Gawibald (739—761). Der Sprengel hatte eine be-
trächtliche Ausdehnung, besonders als seit dem IX. Jh. Böhmen zur
Diözese Regensburg hinzukam und ihr verblieb bis zur Begründung des
Bistums Prag.
Lipf, Gesch. der Bisehofe von Regensburg, 18.V>. Jan n er. Osch. »1.
Bischöfe von Regensburg, 1**3 — 8ii.
Aufser dem altberühmten Kloster St. Em nie ran in Regensburg exi-
stierten daselbst noch das Obermünster und Niedermünster; KlosUr
Metten (Matena) zwischen Uber- und Niederaltaich; im IX. Jh. begründet
Weltenburg am rechten Donauufer oberhall» Regensburg; Oberaltaich
am linken Uh r
Das Chorherrenstift zu Spalt, U>37 gegründet, ebenso das Nonnenkloster
Gebenfeld a. d. Ilm; im XII. Jh. entstanden St. Jacob, Mallersdorf (Hey/.
Prüfening, von Otto von Bamberg begründet. Reichenbach 1118. Kits
dort" 1121. Rohr, Schamhaupten 1136, Paring 1141, Windberg (Prä-
monstratenser) Uli» und Speinshart 114f>; für Cistercienser Walderbach, Raiten-
haslach.
203. Bistum Passau. Der Sitz des Bistums war anfangs Lorch
(Laureacum) gewesen und wurde dann 738 durch Bischof Vi vilo infolge
eines A Wareneinfalls nach Passau verlegt. Mit Salzburg lagen die Bischöfe
lange Zeit in Streit, da Lorch angeblich einen Sprengel bis nach Pannonien
hin und sogar die Metropolitan würde besessen haben sollte.
Das Diözesangebiet fand 799 eine Erweiterung dadurch, dafs nach
Beendigung des Awarenkrieges das Gebiet zwischen Enns und Raab
ihm zufiel.
Buchinger. Gesch. d. Fürsten!. Passau, München 1816 — 24. Schöller-
Die Bischöfe von Passau, 1844. Sehrödl, Passavia sacra. Passau 187!». Das
histor. Alter der Diözese Passau in seinem gegenwärtigen Umfange, 1880.
Von den Klöstern ist Niederaltaich zu nennen, gestiftet zu Ehren
des hl. Mauritius um 714 von Herzog Oatilo auf Veranlassung Pirmins. Ihm
wird auch das Nonnenkloster Niedern bürg am linken Donauufer und
Pfaffe n m ü n s t e r ( Paphomonagterium) zugeschrieben. Dem XII. Jh. entstammt
Osterhofen. Mondsee {Lunadaau) am gleichnamigen See ; ferner Mattsee
(Matheaeo), westlich von jenem um 7(>0 von Tassilo gestiftet ; Kremsmünster
(Cremifanium) im VIII. Jh. begründet, mit Gütern, Salzquellen etc. reich au-
gestattet. Sehr viele Klöster entstanden im XII. Jh. unter Reginniar (1121
bis 1138): Gleink, Hanshofen, Klosterneuburg, Heiligenkreuz, Klein-Mariazell ,
unter Bisehof Reginbert (1138—1147): Kloster Zwettl, Baumgartenberg, Suben
am Inn, Altenburg in Nietlerösterreich, Wilhcring, Waldhausen.
204. Bistum Freising. Corbinian hat den Grund zur Freisinge»
Kirche gelegt. Sein Bruder wurde dann der erste Bischof. Der Diözesan
Sprengel umfafsto das obere Isargebiet bis östlich zum Inn und südlich
bis zur Wasserscheide von Inn und Isar. Mit Regensburg bestanden
Streitigkeiten wegen der Diözesangrenzen, die 1157 durch Schiedsrichter
lieben Spruch festgestellt wurden.
M. von Deutinger, Besehrbg. d. Bist. Freising, München 1820. Dert-
Die älteren Matrikel des Bist. Fr., 3 Rae, 184!» — 50. Ders. , Beiträge zur Gesch .
Topogr. u. Statist, des Krzb. München Freising. 1850. Mayer, Statistische
Beschreibt;, des Krzb. München-Freising. 1874 fT.
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265. Bistum Brixen. 266. Erzbistum Magdeburg. 427
Bertthmte Klöster waren Tegernsee am gleichnamigen See, von den
Grafen Adalbert und Otgar z. Z. des Papstes Zacharias gestiftet; Ilmmünster
(Ilma, Ilmin), aus derselben Zeit stammend; Altenmünster, Altoniß mona-
sterium, zwischen Kreising und Augsburg, von einem Schotten Alto z. Z. des
Bonifaz gegründet; Seheftlarn (Scaftilare) an der Isar mit der um 762
erbauten Dion ysuskirche ; Schliersee am gleichnamigen See, von Adalunc
gegründet; Rot unweit des linken Ufers des Inn.
205. Bistum Brixen. Es war ursprünglich in Seben (Sabiona)
beim Städtchen Klausen gegründet und erst durch Bischof Albuin am
Kode des X. Jahrhunderts nach Brixen verlegt worden. Die Gründung
von Seben gehört dem Ende des VI. Jh. an, wo ein Bischof Ingenninus
genannt wird. Das Jahr der Verlegung ist nicht gesichert; 967 findet
sich ein Episcopus Prihsinensis bereits erwähnt.
Der Umfang der Diözese war bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts
immer der gleiche gebleiben. Sie erstreckte sich über das l\istertal bis zum
Justcinerbach, über das Eisacktal bis zum Tinnebach und gegen Kardaun, über
das ganze Wipptal, das Oberinntal mit Ausnahme des Patznauntales und der
Scharnitz, sowie das Unterinntal bis zum Ziller.
Sinnacher, Beiträge z. Gesch. d. Kirche Sähen und Brixen, 1821 — 37.
Tinkhauser, Topogr -bist. -Statist. Bcschrbg. der Diözese Brixen, 2 Bde..
Brixen 1851—56. Friedrich, KD. I, 334.
Im XII. Jh. entstanden die zum Teil nur neubegründete Benediktiner-
abtei St. Georgenberg im Unterinntal und Marienberg im Vintschgau, sowie
Mehrerau bei Bregenz. Bischof Eberhard gründete 1200 die Bistümer Chiemsee,
Seckau und Lavant.
266. Erzbistum Magdeburg:. Es ist eine Gründung Kaiser Ottos I.,
der den Gedanken hierzu bereits im Jahre 955 gefafst hat, ihn aber wegen
des Widerstandes des Erzbischofs von Mainz und des Bischofs von Halber-
stadt nicht sogleich verwirklichen konnte, weil diese ihre Sprengel nicht
verkürzt sehen wollten. Erst 968 waren alle Hindernisse beseitigt worden
und Magdeburg wurde damals die Metropole noch für das ganze nord-
östliche Deutschland, soweit es unter deutschem Einflufs stand; das Kloster
des hl. Moritz, die Begräbnisstätte der Königin Editha, wurde zum
Dom- und Hochstift erhoben. Erster Bisehof wurde Adalbert und 968
als solcher feierlich geweiht. Als SulTragane wurden ihm und teilweise
erst seinen Nachfolgern Brandenburg, Havelberg, (Lebus), (Kamin), Merse-
burg, Zeitz und Meilsen unterstellt, von denen er die letzteren drei erst
selbst geweiht hatte. Kamin war zeitweise der Erzdiözese einverleibt
gewesen, ihr aber 1251 dauernd entzogen und unmittelbar dem Papst
unterstellt; ebenso kam Lebus dem Erzbistiun abhanden und fiel sehliels-
lich an Gnesen.
Die Diözese Magdeburg bestand in ihrem nördlichen Abschnitt aus
Teilen des Halberstädter Sprengels, welche der dortige Bischof Hildeward ab-
treten rnufste: nämlich das Gebiet zwischen Elbe, Obre, Bode, Saale und der
via Friderici (etwa zwischen Hadmersleben und Hillersleben, und ferner Teilen
des Ilassegaues und Friesenfeldes bis zum Wilderbaeh, Salzigensee und Sachs-
graben (fovea, qnae est iuxia Valeshtsttu, d. i. Walhausen). Thietmar. II, 14. —
Zu diesen deutschen Landen bekam Magdeburg jenseits der Saale noch wen-
dische Territorien : die slavischen Gaue Serimunt, Nudzizi, Nclctici, Nisici. Im
Jahre 981 erhielt Magdeburg auch Teile des Merscburj:er Sprengels, die aber
1<»15 zum gröfsten 'leil zurückgegeben werden muteten. Während wir die
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428 VUL Kirchliche Geographie Mitteleuropas im Mittelalter.
Grenze gegen den Merseburger Sprengel nur ungefähr bestimmen können, hielt
später die Mulde von Püchau Iiis Bitterfeld genau die Grenze zwischen beiden
Diözesen. Eine Linie von der Mündung der Schwarzen Elster auf Bitterfeld
gezogen bildete sie dann im weiteren. Endlich gehörte zur Magdeburger Diözese
noch die Stadt Baruth mit fünf Parochien. — Der Sprengel zerfiel in Arehi-
diakonate Doch Im -sitzen wir leider kein älteres Verzeichnis von Magdeburg;
ein dem Jahre 1400 entstammendes fand sich auf einem Buchumschlug. Die
Arehidiakonate waren Magdeburg, Wanzleben. Weddingen. Kalbe, Kothen, Halle
und die lJropsteien Mildensee und Pratau.
Vgl. F. Winter, Umfang und Einteilung der Diözese Magdeburg, in
Geschbl. f. Stadt u. Ld. Magdeburg II (1807), 56—71; daselbst auch die Be-
sprechung der Arehidiakonate. Jacobs, Beitrag zur Grenzbestimmung des
Magdeburger Sprengeis, ibid. 1867, 178 — 18i». Böttger u. Winter, Die Diöz.
Magdeburg, ibid. 1868, S. 162 — 181. Jacobs, Gesch. der in d. Prov. Sachsen
vereinigten Gebiete, Gotha 1883, S. 53—57. von Mülverstedt, Regesta
archiepiscopatus Magdebg., 1876, I, woselbst die Literatur für die ältere Zeit.
Zahlreich waren die Augustiner-Chorherrenstifter in dieser Diözese, welche
Jacobs verzeichnet. Der Benediktinerabteien waren drei vorhanden : Das 968
zum Domstift erhobene St. Moritzkloster, das J o h an n es k 1 os t er zu
Berge vor Magdeburg und jenes in Am nien sieben (1120 gestiftet); für Cister-
cienserinnen das Kloster zu Wolmirstädt (1228) und Glaucha (vor 1192),
zu Magdeburg das Lorenzkloster und Agnetenkloster ; das Prämonstraten-
serkloster G ottesgna d e n bei Kalbe und das M a r i e n k 1 o s t e r (Unser Lieben
Frau) in Magdeburg, welches aufser erstcrem viele Töchterklöster begründete.
Vgl. im übrigen Jacobs, Gesch. d. Prov. Sachsen, S. 75 ff. von Mülver-
stedt, Verzeichnis der früher und noch jetzt bestellenden Klöster, Kapellen,
Calandc etc., in Geschbl. f. Magdebg. 1866 und 1867.
267. Bistum Merseburg. Ebenfalls 967 gestiftet. Als erster Bischof
wurde 968 Boso eingesetzt. Unter Otto II. wurde es auf Betreiben des
Magdeburger Erzbischofs Gisiler, der vorher Bischof von Merseburg
gewesen war, 981 wieder aufgehoben und der Sprengel an die benach-
barten Bistümer aufgeteilt, Doch stellte Kaiser Heinrich II. 1004 das
Bistum wieder her und stattete es von neuem aus. Freilich kam das
aufgeteilte Gebiet nicht wieder vollständig an das Stift zurück. Der
Sprengel umfafste auf dem linken Saaleufer den Hosgau und Frisono-
feld ; auf der rechten Seite reichte er bis an die Mulde. Die beiden
erstgenannten Gaue fielen dann an die Diözese Halberstadt.
Über die Wiederbegründung des Bistums s. Hauck III, 410 f. Die Auf
hebung wurde damit begründet. dafs sie sine consensu atque subscriptione canonici*
des Halberstädter Bischofs erfolgt wäre. — Ober den ursprünglichen Umfang
des Sprengeis vgl. Hauck, KD. III, 13.1 Anni., der ihn im Gegensatz zu
anderen Forsehern (Posse, Winter, Uhlirz) auf Grund von Thietmar III, 16 bis
zur Elbe ausdehnt. Das Bistum umfafste Teile des Hessengaues und die slavi-
schen Gaue Chutizi, Susali und teilweise Daleminzia, welches sonst zur Meifsener
1 >iözese gehörte.
Nach Ilauck lief die älteste Grenze vom unteren Lauf der Elster in einem
Bogen zur Mulde bis unterhalb Pouch, jring von hier südöstlich gegen die Elbe
in der Gegend von Strehla, wandte sieh südlich zur Chemnitz und Mulde und
van dieser nordwestlich zur Saale, die sie bei der Mündung der Hippach erreichte.
Bei der Wiederherstellung des Bistums kam freilich nicht alles an Merse-
burg wieder zurück. Der von Arnulf von Halberstai.lt abgetretene Burgwart
Merseburg war nur ein Teil des früheren Besitzes jenseits der Saab-. Bischof
Thietmar mufste sieh ferner 1017 zu einem Vergleich mit Meilsen bequemen.
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268. Butam Naumburg(-Zeite). 269. Bistum Meifsen. 429
bei dem er auf das östlich der Mulde gelegene Gebiet verzichtete und dafür
auf dem westlichen Ufer eine unzureichende Entschädigung erhielt. Hauck,
KD. III, 412 mit den Anmerkgn.
Aufser Hauck vgl. Jacobs, Gesch. d. Prov. Sachsen, S. 68.
Schiucckel, Ilistor.-topogr. Beschreibimg des Hochstiftcs Merseburg,
Halle 1*58.
268. Bistum Naumburg(-Zeitz). Es war als SurTraganbistum von
Magdeburg ebenfalls 968 von Otto I. begründet worden. In dem befestigten
Zeitz war anfänglich Boso als Seelsorger tätig gewesen. Als die Schwierig-
keiten mit dem Halberstädter Bischof beseitigt worden waren, wurde Zeitz
auch Sitz des Bistums, dessen erster Leiter der Benediktiner Hugo (f 979)
wurde. Da dieser Ort durch slavische Angriffe stets gefährdet war, so
wurde mit Bewilligung des Papstes der Sitz 1032 nach Naumburg ver-
legt, welches die Markgrafen Hermann und Eckard II. dem Bistum
schenkten.
Der Sprengel lag zwischen der Mainzer, Merseburger und Meifsener
Diözese und umfafste hier den Raum zwischen Saale und Mulde bis
hinauf zu den Höhen des Erzgebirges.
L e p s i u s , Geseh. der Bischöfe des Hochstiftes Naumburg, 1846. II a u c k ,
KD. III, 134.
Von den Klöstern ist «las bekannteste Pforta (^fonasterimn S. Marine
de Porta), südwestlich von Naumburg. Von einem Grafen Bruno wurde zu
Schmölln ein Benediktinerinnenkloster gestiftet, dasselbe aber 1132 mit Cistcr-
ciensern aus Wolkenried besetzt und 1136 nach Pforta verlegt. Es wurde ein
Stützpunkt der Kultur in jener Wildnis, besonders der Wein- und Obstbau
wurden eifrig gepflegt. Für Cistercienserinnen waren die Klöster zu Beutitz
1218 und zu Langendorf 1230. Andere Klöster waren Rode, MUdenworde
und Grünhain.
269. Bistum Meilsen wurde 968 von Kaiser Otto I. gestiftet; als
erster Bischof wird Burchard genannt. Urkundlich wurden zum Diözesan-
sprengel gerechnet die Gaue Dalaminza, Nisane, Diedesa, Milzane und
Lusiza. In einer Urkunde Kaiser Konrads III. 1144 wird als sechster
Gau Zagost genannt. Seit dem XIII. Jh. scheint letzterer aber zum Bis-
tum Prag gehört zu haben.
Über (he Ausdehnung des Sprengeis vgl. Hauck, KD. III, 135. Die
Urkunde Ottos I. von 1*7 1 (Diplom. I, 8. 552) gibt die find Gaue an, aus welchen
der Zehnte erhoben werden durfte. Nach O. reichte der Sprengel bis zur
Oder, nach N. bis an die mittlere Spree und südlieh bis zu den Höhen des
Erzgebirges. Vgl. auch Bistum Merseburg.
Nach einer von 1346 beginnenden Meifsener Bistumsmatrikel dehnte sieh
die Diözese von den Grenzen Böhmens und der Mulde mit den Orten Penig,
Stollberg, Würzen. Colditz bis zur Mündung der Neifse und dem Queis aus.
Sie umfafste die fünf Propsteien : Meilsen, Riesa, Würzen, Großenhain, Bautzen;
die vier Arehidiakonate : Nisani (Meilsen), Chemnitz. Zsehillen (Wechselburg) und
Niederlausitz; die zwei Diakonate: Meilsen, Bautzen.
Karl IV. wollte Meilsen zum Prager Bistum sehlagen, was ihm nicht
glückte. Im Jahre 1402 kam Meilsen vielmehr durch Benedikt IX. unmittelbar
unter den römischen Stuhl.
Machatschek, Gesch. der Bischöfe des Hochstiftes Meilsen, Dresden
1*84, S. 4—6. Böttger, Diözesan- u. Gaugrenzen IV, 172 ff. Posse im
Cod. diplomat. Saxoniae regni. I.
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430 VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropas im Mittelalter.
Unter den Cistereienscrklöstern ragte Dobrilugk, ebenfalls ein Mittel-
E linkt germanischer Kolonisation, sowie Kencelle in der Lausitz, 1267 gestiftet,
ervor; für Cistcrcienserinuen das Kloster Heilige nkreuz am linken Elbufer
unterhalb Meilsen; Kloster Mühlberg (Güldenstem^ 1228; Kloster Marien -
thal (vallis S. MariaeJ 1234, bei Zittau; Kloster Marienstern Stella S.
Manne} an der Weifsen Elster,
270. Bistum Brandenburg wurde von Kaiser Otto I. 948 gegründet.
Die Stiftungsurkunde verzeichnet die zugehörigen Gaue, die aber nicht
allo vollständig zur Diözese gehört haben können, da einige von ihnen
auch als Teile anderer benachbarter Diözesen genannt werden. Auch
scheinen hier bald nach der Gründung besonders im Norden Gebiets-
veränderungen mit der Kaminer Diözese stattgefunden zu haben. In
der Stiftungsurkunde werden als Grenzen angegeben : im O. die Oder,
im VV. und S. die Elbe und im N. die Provinzen Wucri (Ukermark),
Riaciani, Dassia. — Das Bistum hatte im Slavenaufstande 983 sehr
gelitten und wurde erst 1161 durch Albrecht den Hären wieder ein-
gerichtet.
Die Stiftungsurkunde vom 1. Oktober 948 in MG. DD. I. — Die dort
verzeichneten Gaue sind: Moraciani, Ciervisti, Phni. Zpriawani, Hereldun, Wttrri,
Riaciani, Zamcici, Dassia, Lnsici. Terminum vero eidem parrochiae constituimus
orientem vertut ad flumen Odern et occidentem ac austrum vertut ad Albiam flamm,
ad aquilonem vero mque ad flnes proviliciarum supra nomimtarum: Wucri, Riaciani.
Dassia. Hierzu cf. die Urkunde Kaiser Friedrichs I. vom 20. Juni 11G1, wo
dieselben 10 Gaue wiederkehren, und ebenso jene Bulle des Papstes Clemens III
vom 29. Mai 118.S. — Die Ukermark und die Lausitz wurden später bei der
Stiftung der Nachbarbistümer von Brandenburg getrennt. — Ledebur (in
seinem Archiv f. d. Gesch. d. preufs. St. I, 27 behauptet, dafs die Gaue
Riaciani, Zamcici, Dassia, Lusici zum brandenburgischen Sprengel gehörten.
Gegen ihn wendet sich Böttger ;Diözesan- u. Gaugrenzen 4, hO IT.). der seinem
Prinzipe treu Zemzizi des Havclberger Sprengeis für einen andern Gau als
Zamcici des Brandenburger Sprengcls halten will , während sie beide ohne
Zweifel identisch sind und die beiderseitige Diözesangrenze den Gau eben
schnitt. Das Gleiche gilt von Wucri. Vgl. über diesen Riedel. 1). Mark-
Brandenburg im J. 1250, II, 55!' IT. Nach ihm hätte die Diözese anfangs bis
zur Finow gereicht und wäre dann über diese hinaus bis in die südliche Uker-
mark erweitert worden. Denn das Dorf Parstein , wo das Kloster Chorin
gegründet wurde, gehörte 1233 noch zum Sprengel Kamin, wenige Dezennien
danach al»er zum Brandenburger Sprengel. — Über die (taue und Diözesen
vgl. noch das allerdings veraltete) Werk von Leutsch. Markgraf Gero, S. 1K<> ff. ;
ebenso (Je reken, Ausführliche Stiftshistorie von Brandenburg, Wolfenbüttel
17o6. Fr. Curschmann ist im Begriff, eine Monographie über »die Diözese
Brandenburg« zu veröffentlichen.
An wichtigeren Klöstern sind zu nennen: Lohnin, wohin Markgraf
Otto von Brandenburg eine Cistercienscrkolonie aus «lern Kloster Sittichenbach
berief. Am Ende der Seenreihe, die sich südostlich der Stadt Brandenburg
hinzieht, wurde auf einer Anhöhe in dem damals noch dichten Waldgebiet,
an einem Ort der bei den Wenden Jelenin hiefs (= Hirsehberg\ das Kloster,
welches in deutscher Umformung Lehnin genannt wurde, 1 180 gebaut und 11*3
bezogen. 1512 wurde es aufgehoben. Cf. Winter, Die Cistercienser des nord-
östlichen Deutschlands [, 142 ff., II, 268, Sehr ausgedehnt war der nach und
nach verliehene Grundbesitz, der an vier Stellen der Mark verteilt lag. Als
Kolonisatoren haben die Mönche daselbst eine änfserst fruchtbare Tätigkeit
entfaltet. He ffter, Gesch. des Kl. Lehnin, Brandenburg 1851. Sello, I^chnin.
I
271. Bistum Havelberg. 431
Berlin 1881. — Ein Tochterkloster von Lehnin ist Kloster Himmclpfort in
dem Seengebiet von Lvchen, welches Markgraf Albrocht 1299 durch Zuweisung
von 6 Dürfern und 39 Seen unterstützte. Gründungsjahr 1290 oder 1296.
Kirchner, Das Cist. -Kloster Himmelpfort, in Mark. Forschungen VI, 3. —
Kloster Zinna, nördlich von Jüterbog im Flufgebiet der Nuthe, wurde von
Erzbisehof Wichinann von Magdeburg 1170 gegründet mit Cisterciensern von
Altenbergen. Genannt ist das Kloster noch einem wendischen Dorf Zinna;
im Anklang an diesen Namen latinisiert Coeiia S. Markte; 1 1 79 wurde es durch
<lie Wenden zerstört. Da der verliehene Landbesitz sehr klein war, so konnte
«•> erst nach Überweisung neuer Landgebiete im Anfang des XIII. Jh. sich
wieder heben und eine Kirche bauen; 1227 scheint es vollendet gewesen zu
sein. 1547 wurde es aufgehoben. Winter, 1. c. 1, 139 — 142; II, 271; über
«lie rege Kulturtätigkeit der Mönche ibid. S. 274 ff. Berghaus, Landb. d.
M. Br. I, 510 ff. Kloster Chorin; die Markgrafen Johann und Otto haben
zunüehst auf einer Insel im Parsteiner See ein Kloster mit Namen Mariensee
durch Lehniner Mönche um 1255 — 1256 gründen lassen. Spätestens 1272 ver-
legten diese das Kloster nach Chorin, wo sie eine prächtige, noch jetzt teilweis«'
erhaltene Kirche bauten. Der Name wird anfangs Corin, Korin und Komi
^»'schrieben, seit 1274 auch Chorin. Die Markgrafen hatten das Kloster reich
beschenkt. Nach ihrem Aussterben war die Zeit des Landerwerbe« vorüber.
Winter, I.e. II, 277 IT. Bergbaus, 1. c. II, 299. Im Jahre 1542 wurde es
aufgehoben. — An Cistercienscr- Nonnenklöstern sind zu nennen: Kloster
I'lötzky im Amte Gommern bei Magdeburg, 1228 von Herzog Albrecht I. von
Sachsen gestiftet; Kloster Zehdenick an der Havel, 1249 von Markgraf
•Johann und Otto gegründet; Kloster Seehausen oder Marienwerder
Insula S. Mariae) auf einer Halbinsel des Ober-UkeraccB , um dieselbe Zeit
entstanden; Nonnenkloster in Jüterbog > zum heiligen Kreuz , von Magde-
burg aus gestiftet 1282, anfangs in Jüterbog selbst, seit 1307 bei der Marien-
kirche vor dem Westtore der Stadt. — Kloster in der Vorstadt Ankum bei
Zerfost 1214, seit 1298 in Zerbst selbst. Über alle diese Klöster vgl. Winter
II, 92 ff.
271. Bistum Harelberg. wurde im Jahre 94(> durch Kaiser Otto I.
gestiftet, dessen Stiftungsurkunde noch erhalten ist. Der Diüzesansprengel
war anfangs sehr grol's bemessen worden und eine ganze Reihe von
< iauen weiden namhaft gemacht; später wurde aber ein Teil zur
Schweriner und Kaminer Diözese geschlagen.
Die Stiftungsurkunde ist datiert 9. Mai 946 (MG. DD. I, n. 76). Nach
ihr gehörten zur Diözese die Gaue Zenizici, Liezizi, Nielitiei, Dessen, Linagga,
Mintga. Murizzi, Tholenz, Ploth, Mizerez, Brotwin, Wanzlo. Wostroze. Auch
der Umfang im grofsen ganzen wird angegeben. Terminum verO eidein parochiae
constituimas ab ortu fluvii qni dicitur Vene ad nrirutem. nbi idem ßurius iiitrat in
mare; ab ortu rero ßuminis qxod dicitur Eldia ' Eide! ad occid entern, tibi idem Jlumen
uifinit in Albiam: ab aqttilone wäre Bugianorum, « meridie Strumma Jiuvins (Stremme,
PJaueschcr Kanal) est Jinis praedictarnm prorinciarnm. In der Urkunde Papst Inno-
zenz II. vom 14. Oktober 1140 für Wollin werden aber Demmin, Usedom
Gros Wim. Stettin als diesem zugehörig genannt, obwohl sie in den oben genannten
< iauen lagen. Sie müssen also schon damals abhanden gekommen sein. Die
U rkunde Kaiser Konrads HI. (3. Dezember 1150) spricht zwar noch von den ehe-
maligen 13 Provinzen, vermerkt über als wirklich zugehörig nur die Gaue
Ze-mzizi, Liezizi, Nielitiei, Dessen, Linagga. Morizi, Die Urkunde Friedrichs I.
j'.t. Juni 1179) erwähnt ebenfalls die starke Einschränkung der Diözese und
kann nur noch den Zehnten der Provinzen Zemzizi, Liezizi, Nielitizi. Dessen
lind Morizi bestätigen. Vgl. Böttger, Diözesan- u, Gaugrenzen IV, 124.
Ledebur, Der Umlang insbesondere die Nordwestgrenze des Ilavelbergischen
Sprengeis, in dessen Archiv XI, 32 — 41. Cursehmann, Die Stiftungsurkunde
Bistums Havelberg, Neues Archiv der lies. f. ält. d. GK. 28, S. 393 IT.
432 VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropas im Mittelalter.
Kloster Marien f lieft: für Cistercienserinnen, 123<> von Johann Ganz,
lullen zu Putlitz gestiftet, 1231 bestätigt. Es lag an der Stepenitz in der öst-
lichen Priegnitz und erhielt den Namen Rivus S. Mariae. Kloster zum
heiligen (irabc, 1289 durch Markgraf Otto den Langen gestiftet für Cister-
cienserinnen. Ursprünglich im Dorfe Techow. dann hei jener Kapelle errichtet,
wo «las heilige Blut aufbewahrt wurde. Wahrscheinlich für denselben Orden
das Kloster Wanzka nordöstlich von Neustrelitz, 1290 von Markgraf Albrecht
von Brandenburg gestiftet, Kloster Broda am Nordende des Tollense-Sees.
1170 vom Fürsten Kasimar von Pommern gestiftet.
272. Bistum Kamin. Die Bekehrung der Pommern war unter
heftigem Widerstande erfolgt. Herzog Boleslaw von Polen und Wratislaw I.
waren in ihren Bestrebungen unermüdlich, die heidnischen Pommern
zu bekehret». Nach den ersten fruchtlosen Versuchen glückte es erst
dem Bischof Otto von Bamberg, die ersten Keime des Christentums
zu pflanzen. Platte er schon auf seiner ersten Missionsreise die Grün
düng eines Bistums ins Auge gofafst, so verzögerte sich doch die Durch-
führung bis zur zweiten Reise (1128); vornehmlich durch die Tat-
kraft jenes Wratislaw kam es zustande. Der Sitz des Bischofs wurde
Wollin, und erster Bischof wurde Adelbert aus Franken, ein Mönch
von Magdeburg. Erst nach der Ermordung Wratislaws 1. (1134) ge-
lang es seinem Nachfolger Ratibor, die päpstliche Bestätigung zu er-
wirken, welche durch Innocenz II. am 14. Oktober 1140 erfolgte. Die
furchtbaren Verwüstungen, denen das schutzlos daliegende bischöfliche
Wollin ausgesetzt war, veranlafston aber die Verlegung des Bischofssitzes
nach Kamin um 1180. Fürst Kasimar gründete zu Kamin die Dom-
kirche zu Ehren der hl. Jungfrau und des hl. Johannes, berief Dom-
herren an dieselbe und stattete sie mit grofsen Privilegien aus. Die
Bestätigung durch Papst Clemens III. erfolgte im Jahre 1188, und der
erste Epismpus Caminrnsis war Bischof Konrad. — Bischof Sigwin sali
sich 1205 gezwungen, unter die Erzdiözese Magdeburg zu treten. Gegen
1251 ist das Bistum aber wieder unabhängig und dem Papst unterstellt.
Auch (inesen inachte im XIV. Jh. mehrfach Versuche, es seinem Erz
Sprengel einzuverleiben.
Anfangs wurde das Bistum nicht nach Wollin benannt, sondern hiefs
kurz Pommersches Bistum, episcopntns Pomeranomm. Bei Helmold II, 4 wird es
episcoj>ati(.s Vzna (Usedom) genannt. Nach der Verlegung des Sitzes nach
Kamin -nannten sich auch die Bischöfe nach dem neuen Sitz. — Die Lrkunde
von 114(1 gibt auch che Avisdehnung des Kirchensprengels an, der östlich bis
zur Leba reichte (s. S. 35*J). Im westlichen Pommern wurde jedoch das
Diözesangel >iet erheblich eingeschriinkt, da im Land der Circinani Bischof
Berno von Schwerin gewirkt hat, und die Länder Demmin, Tollense, Plote.
Lositz und Tribsees wurden dem Schweriner Bistum einverleibt. Die Peene
bildete fortan die Grenze zwischen beiden. Vgl. Seil, Gesch. von Pommern I.
184 ff. Barthold, Gesch. von Rügen und Pommern 1840, II, 103 ff .
120 ff. Wiesener, Die Grenzen des Bistums Kamin, in Baltische Studien
43. Bd. Grotefend, Die Grenzen des Bistums Kamin, in Mecklenburg
Jahrb. G6 (1901), S. 1—6.
Das Bistum wurde anfangs dem Papst unterstellt, um den Streit zwischen
dem Erzbisehof von (inesen und jenem von Magdeburg, die es ihrer Metro
politangewalt einverleiben wollten, beizulegen. Seit Anfang des XIII. Jh.
rinden wir es gleichwohl der Magdeburger Diözese zugeteilt. — Neben «lein
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273. Krzhistuiu Prag
433
Kapitel in Kamin gab es auch ein solches in Kolberg; jedenfalls wird auf-
fallend früh ein praepositus Colbergensis genannt. Das Kollegiatstift mufs schon
vor der jetzigen Marienkirche bestanden haben. Karthold, 1. c. II, 246. Die
Residenz der Bischöfe war zuerst die Domimmunität zu Kamin, innerhalb
deren Befestigung der Rischofshof lag; auch in Kolberg und Köslin residierten
sie zeitweise und um die Mitte des XIV. Jh., als ihre Grenze nach SO. ge-
sichert war. auch in Köslin. Barthold. 1. c. III, 327.
Die erste Klostergründung war jene zu Stolp an der Peene, die
durch Ratibor und Adelbert ins Leben gerufen worden ist. Eine Kirche
St. Johannis bestand dort schon vorher; Benediktinermönche des Klosters Berg
bei Magdeburg wurden dorthin berufen (1149). — Grobe bei Usedom war
mit August inennönehen besetzt und durch Ratibor reich dotiert worden. Cf.
Barthold II, 112 f. 1151» wurden diese Schenkungen bestätigt ; Kloster Belbuck
bei dem Dorfe Gummin an der Rega, von Kasimar gestiftet mit Mönchen aus
Lund (1170). Trotz der gebotenen Privilegien verliefsen die Mönche die Stätte
wieder und 38 Jahre später erhob sich ein neues Belbuck, inselartig in der
Rega befestigt. Die Mönche, die die pommerschen Herzöge 1208 hierher ver-
setzten, stammten aus dem friesischen Kloster Mariengarten; Kloster Colbatz
(Colbas), um 1173 von Wratislaw II. westlich des Madü-Sees gegründet, mit
Cisterciensermönchen besetzt. Um 1240 wurde von Franziskanern ein Kloster
in Stettin erbaut; von Augustinern in Stargard und Ueckermünde (später in
Jasenitz); von Dominikanern zu Kamin, Demmin. Nonnenklöster ent-
standen aufserdem zu Treptow a. d. Tollense; letzteres wurde nach dem
nahen Klatzow übertragen, von da nach der St. Marieninsel unweit Dargun,
im Jahre 1243 nach V er eben verlegt; ferner zu Treptow a. d. Rega. zu
Mari en fliefs, Köslin, Kolberg und Wollin.
273. Erzbistum Prajsr. Die ersten Spuren christlicher Bestrebungen
roichen in Böhmen bis in das Jahr 845 zurück, als 14 böhmische Edle
sich in Regensburg taufen liefsen. Während die Anfänge der böhmischen
Kirche zur mährischen in Beziehung standen, trat sie 895 in den Diözesan-
verbaod von Regensburg. Erst zur Zeit Kaiser Heinrichs I. erfuhr sie
durch Herzog Wenzeslaus eine festere Grundlage, und sein Neffe Boleslaw IL
erwirkte es 971 vom Papst und 973 von Kaiser Otto I., dafs Prag zum
Sitz eines eigenen Bistums erhoben und vom Regensburger Sprengel
losgelöst wurde. Auch wurde es nicht der Salzburger sondern Mainzer
Erzdiözese unterstellt. — In die weitreichenden Pläne Karls (IV., damals
nur Mitregent in Böhmen) war auch die Errichtung eines eigenen Bistums
daselbst mit aufgenommen worden, und Papst Clemens VI. erhob mittels
Bulle (30. April 1344) Prag zum Erzbistum mit den SufTraganbistümern,
dem neu gegründeten Bistum Leitomischl und Olmütz. (Das Bistum
Leitmeritz wurde erst später gegründet.)
Das Präger Bistum besafs zur Zeit seiner Gründung einen sehr grofsen
Sprengel, der aufscr Böhmen auch Mähren, Schlesien, Südpolen, Galizien und
Ungarn umfafste. Im Jahre 1063 wurde aber das Bistum Olmütz gegründet
und Mähren somit abgetrennt, und um das Jahr 1000 waren Breslau und
Krakau mit Schlesien und einem Teil Polens ebenfalls ausgeschieden, so dafs
die Diözese Prag s«it 1063 auf Böhmen beschränkt war.
Das Bistum Olinütz war im XI. Jh. als Suffragan von Pnig ausersehen
worden durch Herzog Wratislaw, der Prag schon damals zu einem Erzbistum
erheben wollte. Im Jahre 1063 wurde der Benediktiner Johannes zum ersten
Bischof von Olmütz geweiht, von dem auch das Kloster Hradisch bei Olmütz
1078 gegründet worden ist. Anfangs ebenfalls unter Mainz stehend, kam es
KreUchmer, Historisehe üeoyruphie. 38
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434 Vril. Kirchliche Geographie Mitteleuropa» im Mittelalter.
1314 an <lie Erzdiözese Prag. Da aber damals ein neues Bistum Le i to-
niisch 1 (LitomisliumJ gegründet wurde, so mufste Olmütz von seiner Diöaese
.'50 Pfarreien an dieses abtreten. Nachdem dieses Bistum in den Hussiten-
kriegen fast aufgelöst war. wurde es durch Kaiser Leopold I. 1655 wieder neu
errichtet, der Sitz aber nach Königgrätz verlegt.
Frind, Kirchengesch. Böhmens, 2 Bde., Prag 1862—1860. Borowv
bei Wetzer u. Welte II, 051» IT. Der«., Gesch. der Prager Diözese. Prag 1874.
Frind, Gesch. der Bischöfe und Erzbischöfe von Prag, das. 1873. Wolny,
Kirchl. Topographie von Mähren, Brünn 1855 IT. (Bd. I— V: Olmützer Diözese).
274. Erzbistum Gnesen. Kaiser Otto III. hatte es gelegentlich
seiner Wallfahrt nach Gnesen zum Grab des hl. Adalbert von Prag
im Jahre 1000 gestiftet. Als Suffragane wurden ihm Kolberg. Breslau
und Krakau unterstellt, die damals mitgegründet sein müssen. Das
Bistum Posen blieb zunächst bei Magdeburg; ob Posen erst im XI. oder
XII. Jh. Gnesen zugesprochen wurde, bleibt fraglich. Seit Anfang dos
XII. Jh. gehört es jedenfalls zu diesem. Kolberg hat als Bistum nur
wenige Jahre bestanden. Kamin, welches noch im XII. Jh. seine Stelle
einnahm, wurde der Erzdiözese im XIV. .Ihr. entzogen. Dagegen waren
im XII. Jh. noch die Bistümer Lebus, Leslau (Wloclawek) und Plock
(lies Ploz-k) hinzugekommen; Ende des XIV. Jh. (1387) Bistum Wilna
und Lutzk in Wolhynien, Anfang des XV. Samogitien.
Die Diözese von Gnesen umfafste den südlichen Teil von Pomerellen
rechts vom Brdallufs mit den Woiwodschaften Kaiisch, Sieradz, Leneyza, Teilen
von Hawa und Sandomir.
Likowski bei Wetzer -Welte V, 755 ff. Friese. Kirchengesch. d. Kgr.
Polen, Bresl. 17KG.
275. Bistum Posen. Das Christentum wurde in Polen durch den
ersten christlichen Herzog Miecyslaw eingeführt, der unter Mitwirkung
Kaiser Ottos I. W>8 das Bistum Posen gründete, das der Erzdiözese
Magdeburg einverleibt wurde. Die definitive Loslösung von Magdeburg
erfolgte im XII. Jh., nachdem Erzbischof Norbert von Magdeburg noch
1133 seine Metropolitanrechte energisch vertreten hatte.
Die Diözese umfafste das Warthegebiet zwischen Oder und mittlerer
Netze nebst dem Archidiakonat Warschau in Masowien. — Mover, Gesch. d.
Prov. Posen, Gotha 1891, S. 10 f. Röpell, Gesch. Polens, Hambg 1840, I,
Beil. 4. Neher bei Wetzer- Welte X, 226.
27«. Bistum Breslau. Die Wallfahrt Kaiser Ottos III. nach
Gnesen und seine Zusammenkunft mit Boleslaw Chrobry, dem Polenher-
zoge, hatte auch die Gründung des Bistums Breslau im Jahre 1000 zur Folge.
Es wurde von vornherein der Metropolitankirehe von Gnesen unter-
stellt und nicht von Magdeburg, obwohl dieses letztere Lrzstift hei seiner
Gründung durch Otto I. die Anwartschaft auf die im Slavenlande zu
gründenden Bistümer erhalten hatte.
Die Stiftungsurkunde fehlt, daher läfst sieh die ursprüngliche Grenze
des Breslauer Bistums nur aus späteren päpstlichen Bestätigungshullen der Be-
sitzungen der Breslauer Kirche einigenuafsen bestimmen; hierher gehören die
Bulle Hadrians IV. von 1155, vgl. II e y n e , Denkwürdigkeiten aus der Kirchen
und Diözesangesch. Schlesiens, 18»>ü, I, 104 fT. W. Schulte in Z. f. Gesch.
277. Bistum Lebus. 278. PriMiIsisdie Bistümer.
435
Schles. XXIX (1895), S. 73 ff.; ferner die Bulle Innoeenz' IV. von 1245 bei
Stenzel, Urkunden z. Gesch. des Bistums Breslau im Mittelalter, 1845, Urk.
V, 8. 7 ff.
Das Bistum umfafste das ganze heutige Schlesien mit Aussehlufs der zu
den Erzbistümern Frag und Olmütz geschlagenen Landstriche. Vun Teschen
DlU Aussehlufs der Dekanate Plefs und Beuthen, die zu Krakau gehörten, bis
Krassen dehnte sich das Gebiet aus, innerhalb dessen das Bistum Breslau lag.
Heyne, 1. c. I, 107.
In der Mitte des XIV. Jh. hatte das Bistum an Umfang und Bedeutung
so gewonnen, dafs es in vier Archidiakonate : Breslau, (Jlogau, Liegnitz und
Oppeln zerfiel. Verzeichnis der Archipresbyterate und Kirchen bei Heyne I,
697—727; ferner bei Jungnitz, Beiträge zur mittelalt. Statistik des Bistums
Breslau, Z. d. Ver. f. Gesch. u. Alt. Schles. XXXIII (1899), 385—402. —
A. Schade, Einteilung des Bist. Breslau in der ersten Hälfte des XIV. Jh.
t Gesch. Schles. VII (186G), S. 285—302 (Ergänzung zu Heyne). A. Weitzel'
t>. Archidiakonat Oppeln von 1250—1810, Z. Gesch. Schles. Xn (1875), 379'
bis 394.
Das älteste Kloster war das am Zobten von Peter Whist begründete zu
Burkau 11» >9, mit Augustinern aus Artois besetzt. Die meiste Kulturarbeit
haben die Cistercicnserklüster geleistet, so: das Kloster Leubus, 1175 von
Boleslaw gestiftet, ferner Heinrichau, von Heinrich dem Bärtigen 1222 ge-
giftet, Kloster Kamenz (seit 1248 ebenfalls Cistercienserabtei), Kloster Gr üs-
9an 1249 (seit 1290 Cistercienser), Kloster Bauden 1255 und Himmel witz;
Nonnenkloster Trebnitz, 1203 von Heinrich I. gestiftet; Pramonstratenser-
idoster waren das Vincenzklostcr in Breslau (seit 1193) und jenes in Czarnowanz
1228 ! anfangs in Kybiiik). — Neuling, Schlesiens ältere Kirchen u. kirchl.
Stiftungen, Breslau 1884. Winter, D. Cistercienser d. nordöstl. Deutschld. H,
:J17 ff. Partsch, Schlesien I, 351 ff.
277. Bistum Lelms. Über die Zeit der Stiftung und diese selbst
sind wir sehr wenig unterrichtet. Polnische Chronisten suchten es mit
den Polenherzögen in Verbindung zu bringen. Erst für das Jahr 1133
ist es uns sicher beglaubigt. Wegen der Diözesangreuze waren mehr-
mals Streitigkeiten mit den benachbarten Bistümern Kamin, Branden-
burg und Meifsen entstanden, wobei der Papst als Schiedsrichter ange-
rufen wurde. Bekannt ist uns der Vergleich von 1266, wonach das
Land Küstrin zum Lebusischen, das ganze Land Chinetz, Chinz oder
Kienitz (Soldiner, Landsberger und teilweise Königsberger Kreis) zum
Kaminschen Sprengel gehören sollten. — Metropolit war zuerst der Erz-
bischof von Gnesen, später jener von Magdeburg.
Einen festen Wohnsitz scheinen die Bischöfe zuerst nicht gehabt zu
haben. Von 1276 — 1325 residierten sie in Göritz, seitdem auf einem Berge bei
der Stadt Lebus, wo die Stiftskirche errichtet wurde; nach deren Zerstörung
.-«•it 1385 in Fürstenwalde. — Die Grenzen des Landes Lebus scheinen zum
Teil für jene der Diözese bestimmend gewesen zu sein, soweit nicht späterhin
Einschränkungen stattfanden. Wo hl brück., Gesch. des ehemaligen Bistums
Lebus, 3 Bde., Berlin 1829—1832. Breitenbach, Das Land Lebus unter
den Piasten, Fürsten walde 1H«»0.
278. PreufsIscllC Bistümer. Die dort bestehenden vier Bistümer :
Kulm, Pomesanien, Ermland (Warmicn) und Samland waren anfänglich
SutYrngane des Erzstiftes Riga gewesen, wurden dann aber unmittelbar
• lern Papst unterstellt. Die Gebiete nördlich vom Memel gehörten zum
/Ji^tum Curland. Nachdem bereits Bisehof Christian von Oliva mit der
Errichtung von Bistümern angefangen hatte, wurde diese erst von dem
28*
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436 VIII. Kirchliche Geographie Mitteleuropan im Mittelalter.
päpstlichen Logaten Wilhelm von Modena 1243 durchgeführt und jene vier
damals geschaffen. Die vier Bistümer und ihre Leiter standen unbeschadet
ihrer eigenen Territorialheit zum Deutschen Orden in einem gewissen
Lehensverhältnis, da der Orden den Schutz des ganzen Landes zu ver-
sehen hatte. Kr erlangte aber sehr bald weitgehende Privilegien über
die Bisehöfe, die schliefslieh meist dem Orden selbst entnommen wurden.
Die Diözesansprengel der preußischen Bisehöfe fielen vermutlich absieht
lieh nicht mit den Komturcihezirksgrenzen zusammen. Das Bistum Eng-
land reichte vom Pregel und der Angerapp bis zur Weeske und dem Elbing;
es umfafste also die komtureien Balga, Brandenburg und Teile von Königsberg.
Elbing und Osterode. Vgl. Weber, I'reufsen vor 500 Jahren, Danzig 1878.
S. 2r>9. Es Umfafste also von den altpreufsischen Landschaften Warmien,
Natangen, Barten, Galindien, die nördliche Hälfte von Pomesanien und die
BÜdliche von Nadrauen und Sudauen. Innozenz III. hatte 1211 diese Lande
dem Erzbistum Gnesen unterstellt, 1246 wurde ein eigener Metropolit eingesetzt,
der seinen Sitz in Kiga hatte. Seit 1512 war das Bistum aber exemt. Vgl.
Thiel bei Wetzer Welte IV, 815 ff.
Das Bistum Kulm gehörte als ehemals polnisches Gebiet zur Diözese
Plock, seit 1222 aber zum preufsischen Bistum Christians. Nach der Circum
scriptum und Organisation 1243 umfafste es das eigentliche Kulmerland und
das Löbauer Gebiet zwischen Drewenz, Branitza und I>andschaft Sassen.
Näheres Rosentreter bei Wetzer- Welte III, 1218.
Das Bistum Pomesanien erhielt als Grenzen die Ossa, Weichsel, den
Drausensee, die Weeske aufwärts. Esser bei Wetzer- Welte X, 157 ff.
Dem Bistum Saniland wurde in der Teilunp^urkunde das Gebiet vom
Pregel im S. bis zum Memel im N., und von der Ostsee bis zur Grenze
Litauens zugewiesen. Zu einer wirkliehen Organisation kam es hier erst 1255.
Der Deutsche Orden war dein Mönchswesen wenig geneigt gewesen.
Aufser den beiden übernommenen Klöstern Oliva und Pelplin bestanden nur
die vom Orden selbst gegründeten Klöster.
279. Erzbistum Lund. Ein Bistum Lund existiert seit Mitte des
XI. Jh. Unter Bischof Adzer (1089 — 1137) wurde es zur Metropole er-
hoben und zwar vermutlich zwischen 1103 und 1104. Die Metropole
Hamburg-Bremen beanspruchte freilich ihr Recht auf diese Gegenden
unter Beistand Papst Innozenz" IL (1133); doch erkannte Hadrian IV.
Lund als Metropole an. Die ersten Suffraganate waren Ripen (gestiftet
800), Schleswig (934), Aarhuus (940), Odense (980), Roeskilde (1012), Wi-
borg und Vendsyssel oder Borglum ( 1005).
Zeitweise .standen auch Lübeck, Ratzeburg und Schwerin unter Lund,
wurden jedoch unter König Waldemar (1202 -1241) aus dem Verbände wieder
gelöst. Neher bei Wetzer Welte VIII. 295.
280. Bistum Schleswig. Erzbischof Ansgar von Bremen hatte den
Landschaften nördlich der Eider seine Aufmerksamkeit zugewendet. Als
es ihm gelungen war mit König Horich (Erich) ein friedliches Verhält-
nis anzubahnen, konnte er im Jahre 850 die erste christliche Kirche in
Schleswig (Sliaswic, damals auch Heidiba genannt) errichten. Auch seinen
gleichnamigen, dem Christentum anfangs nicht geneigten Sohn vermochte
Ansgar zur Anlegung einer zweiten Kirche in einem anderen Hafenorte
Ripeu zu bestimmen (800). Doch erst unter Kaiser Otto 1. kam es zu
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280. Bistum Schleswig 437
einer Einrichtung von Bistümern im dänischen Lande, und zwar auf
Betreihen des Erzbischofs Adaldag von Bremen, welcher Schleswig, Iiipen
und Aarhuus zu Bischofssitzen ausersah. Sie waren somit Suffragane des
Bremer Erzbistums. Als 1 104 in Lund auf der Halbinsel Schonen ein
eigenes Erzbistum eingerichtet wurde, wurde diesem auch der Bischof
von Schleswig unterstellt, Doch erstreckte sich dessen Gewalt nicht über
das ganze Schleswig, da der nordwestliche Teil des späteren Herzogtums
unter dem Bischof zu Ripen, die Inseln Alsen, Arröe und Fehmarn zum
Bistum Fünen gehörten.
Die Errichtung der drei Bistümer Schleswig, Ripen, Aarhuus wird nach
Adam v. Brem. II, 4 und IV, 1 in das Jahr 948 verlegt. Doch scheint aus
verschiedenen Gründen die Errichtung nicht an ein einzelnes Jahr gebunden
werden zu dürfen ; die Diözesan- Organisation scheint nur allmählich aus den
missionarischen Einrichtungen sich entwickelt zu haben. Vgl. Laspeyres,
D. Bekehrung Nordalbingiens, S. 70 ff. — Nach Adam U, 44, IV, 2 ging das
Bistum von Aarhuus (Arhusan) wieder ein, so dafs damals nur zwei Bistümer
Schleswig und Ripen bestanden. Nach dem Tode des Bischofs Wal von Ripen
(1065) wurde dessen Sprengel in vier Bistümer zerlegt (Adam IV, 2): Ripen,
das neugebildete Aarhuus, Wiborg und Vcndsyssel (Wendila). — Seit Abtretung
der Mark Schleswig an Dänemark durch Kaiser Konrad II. (1028) brachten
die nationalen Gegensätze eine Loslosung des Landes vom Deutschen Reich in
politischer und kirchlicher Beziehung zuwege. — Das Schlcswiger Bistum
umfafste von den drei Sysseln nur den südlichsten Istate-Syssel sowie die ehe-
malige Markgrafschaft und Nordfriesland. Die westliche Hälfte von Barwith-
Syssel und die nördliche von Ellum-Syssel vergrößerten die Ripener Diözese.
König Knud hatte in Odense ein Bistum für Fünen und die in der Nähe ge-
legenen kleineren Inseln errichtet und wies das von ihm in Roeskilde be-
gründete Bistum Seeland zugleich auf Schonen.
An Klöstern sind zu nennen: Lügumklostcr für Cistercienser, zuerst
in Seem gestiftet, 1173 nach dem Orte verlegt; Guldholm auf einer Halb-
insel des Langsees in Angeln unweit Schleswig, 1192 gestiftet, 1210 unter dem
Namen Rüde k lost er nach einem Platz in der Nähe des Flensburger Meer-
busens verlegt (Schlofs Glücksburg); das Johanniskloster zu Schleswig
für Benediktinerinnen 1196; Franziskanerklöster zu Hadersleben 1232,
Tondern 1238, Schleswig 1240; Dominikanerkloster in Schleswig 1235.
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IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
281. Kreiscinteilung des deutschen Reiches. Schon auf dem
Nürnberger Reichstage von 1438 und dem Frankfurter von 148G, auf
dem ein zehnjähriger Landfrieden verkündet wurde, war zur praktischen
Handhabung des Friedens die Teilung des Reiches in Kreise in Vorschlag
gebracht worden. Der Versuch stiefs hei den Fürsten aber auf Wider-
stand. Erst der Reichstag von 1500 zu Augsburg legte den Grund für
die spatere Kreisverfassung. Ein Reichsregiment sollte eingerichtet
werden und für die teilweise Wahl seiner Mitglieder das Reich in sog.
Kreise eingeteilt werden. Das Reichsregiment sollte aus dem Kaiser
oder seinem Statthalter und 20 Räten bestehen ; sechs von diesen sollten
aus sechs zu diesem Zweck zu errichtenden Provinzen genommen werden.
Diese Kreise werden in der Regimentsordnung nach ihren Bestandteilen
aufgeführt, ohne dafs aber jeder schon einen der späteren Gesanitnamen
hatte (Reichstagsabschiede NF. II, S. 5fc, §6 — 11). Dieses Regiment hatte
aber nur kurze Zeit bestanden; schon 1502 wurde es aufgelöst. Der
Versuch, das Reich in Kreise einzuteilen und auf diese die Exekutive
zu gründen, wurde auf den nachfolgenden Reichstagen wiederholt unter-
nommen, aber auch immer wieder verworfen. Der vom Kaiser Maximilian 1.
berufene Reichstag von 1512 zu Trier, der bald darauf nach Cöln verlegt
wurde, brachte endlich eine Teilung des Reiches zustande. Zehn Kreise
wurden angesetzt, indem man zu den bereits in Augsburg bestimmten
sechs Kreisen vier neue hinzufügte. Böhmen, Mähren und Schlesien
blieben aber aufserhalb der Kreisordnung. Unter Karl V. wurde auf
dem Reichstage zu Worms 1521 die Errichtung der zehn Kreise von 1512
bestätigt und nur zum Zweck der Abrundung einige Veränderung« n
vorgenommen, wie denn auch in späterer Zeit einige Abänderungen
eintraten. Die zehn Kreise, für welche eine bestimmte Rangordnung
nicht festgesetzt war, sind :
1. der Österreichische, b\ der Schwäbische,
2. der Burgundische, 7. der Oberrheinische,
3. der Kurrheinische, 8. der Niederrhein. -Westfälische,
4. der Fränkische, 9. der Obersächsische,
5. der Bairisehe, 10. der Niedersächsische.
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282. Lanclgrnfechaft Heswen. 439
Auf der Wormser Tagung (1521) tauchen zuerst diese Kreisnamen
auf; ob sie auf dieser zuerst geschaffen wurden, ist nicht zu entscheiden. —
Bestanden hat die Kreiseinteilung bis zum Jahre 1803.
Zum Cölner Reichstag 1512 vgl. Rcichstagsabsehiede NF. II, 13fJ IT. be-
sonders £ II, 12. Die Kreisteilung des Wormser Reichstages und im Ansehlufs
die Exekutionsordnung von Nürnberg 1522 s. RA. II, 230 f. — Für die geo-
graphische Betrachtung ist die ganz«' Kreiseinteilung bedeutungslos. Man hat
erkennen wollen, dafs die alte Stammcseinteilung in ihr noeh nachgewirkt habe,
was ich nicht billigen kann. Schon die Benennung der Kreise ist uicht immer
eine zutreffende, wenn beispielsweise zum obersäehsisehen Kreise noch die
Mark Brandenburg und Pommern gesehlagen werden. Überdies sehliefsen sieh
die Kreise nicht gegenseitig aus, da mit Rücksicht auf die damalige politische
Zugehörigkeit innerhalb eines Kreises sich Enklaven eines anderen Kreises be-
finden. Mehrfach wurden auch Reichsstände zu Kreisen gerechnet, welche in
diesen auch nicht einen Quadratfufs Land besafsen.
Über die Entstehung und Entwickelung der Kreiseinteilung orientiert am
lösten Langwerth von Simmern, Die Kreisverfassung Maximilians I. und
«ler schwäbische Reichskreis, Heidelberg lH'Jd. S. 11—61 (dazu Brandi, GGA.
1898); ferner vgl. von Kraus, Das Nürnberger Reichsregiment, 1883. S. 50.
von LancizoTle, Übersicht der deutschen Rcichsstandschafts- und Terri-
torialverhältnisse, 1830, S. 12 — 32. von Daniels, Hdb. d. deutschen Reichs-
und Staatenreehtsgesehichte, 1863, IV, 556 ff. Berghaus, Deutschland vor
100 Jahren, S. 2 ff. Schröder, Dt. Reehtsgeseh., S. 807 IT.
282. Landgxafsehaft Hessen. Unter Ludwig I. erfuhr das Land
1450 durch Erbschaft von Ziegenhain-Nidda, wo das Grafengeschlecht
erloschen, eine erhebliche Gebietsvergröfserung. Die anfangs getrennten
Teile der Landgrafschaft wurden hierdurch zu einem Ganzen zusammen-
geschlossen. Bald darauf fand unter Ludwigs Söhnen, Ludwig II. und
Heinrich III., eine Teilung des Landes in Niederhessen (Kassel) und
Oberhessen (Marburg) statt, die mit dem Aussterben der Marburger
Linie 1500 wieder beseitigt war. Letztere hatte 1479 noch die Grafschaft
Katzenelnbogen durch Erbheirat erworben , wodurch das hessische
Gebiet bis au den Rhein und über den Main hinausreichte? Unter der
kraftvollen Regierung Philipps des Grofsmütigen gewann es eine hervor-
ragende Stellung unter den deutschen Territorien.
Die vereinigte Grafschaft Ziegen hain -Nidda war von dem letzten
'trafen des Hauses Johann II. für geleistete Vorschüsse an Landgraf Ludwig I.
(1413 — 1458) als Erbschaft zugesprochen worden. Die Grafschaft war ein Mann-
lehen von Fulda und Hersfeld. Letztere hatten auch die Vereinbarung zwischen
Johann und Ludwig 6. Mai 1131 bestätigt. Vgl. die l'rkunden bei YVenck,
Hess. Landesgesch. III, 221) -4<l d. Beilage. Von Uersfeld wurde die Lehens-
herrschaft erteilt über: Stadt und Grafschaft Ziegenhain, Treisa, Neukirchen,
Sehwarzenborn, Gemünden an der Strafse und mehrere Dorfer an der Schwalm,
— von Fulda über Grafschaft Burg und Stadt Nidda, die fuldisclie Mark in
der Wetterau, Burg Stormfels, Stadt Rauschenberg, die Vogteien von Kraien-
fehl und Burghards, die Hüllte von Ober-Aula und andere von Fulda her-
rührende bereits im hessischen Besitz befindliche Güter, die Stadt Alsfeld, Schlott
Altenburg, Burg und Stadt Sjmngenberg, Gericht Schemmernmark mit Schlofs
Zierenberg, Kloster Heyda unweit Morschen, Gericht Heringen und einige
Dörfer. Rommel, Gesch. v. Hessen II. 2t»4 ff. -- Bei der Teilung (14»»0,
1466), welche beide Brüder in eine heftige Fehde verwickelte, erhielt Ludwig H.
i 1458 -1471) Niederhessen mit der Hauptstadt Kassel, und Heinrich III. (U5N
440 IX. Politincho Geographie iiui das Jahr 1550.
bisl483) Oberhessen mit der Hauptstadt Marburg, nebst Ziegenhain und Nidda.
Beide Teilgebiete wurden auch vom Standpunkt Kassels aus als »Land dies-
seits des Spiefses * und Land jenseits des Spiefses unterschieden. Der Spiefs
war ursprünglich ein Wald nordöstlich von Ziegenhain. Später wurde der
Name auf einen am Rande des Waldes stehenden Wartturm übertragen, neben
dem ein Sehlagbaum zum Scbliefsen der Strafse errichtet war. Soldan. Gesch.
d. Grofeherzogtums Hessen, S. 58. — Der Kasseler Anteil Niederhessen hiefs
auch kurz das > Land zu Hessen . der Marburger Teil Oberhessen : das >Land
an der Lahn«.
Die vorgeschlagene Teilung von 3. September 1-466, die übrigens auch noch
nicht die endgültige war. sei liier ausführlicher dargestellt, weil sie zugleich
einen geographischen überblick über das damalige Hessen und seine Teile
gewährt,
Niederhessen, das Land diesseits des Spiefses oder Luid zu
Hessen genannt, begriff 22 meist mit Schlössern versehene Städte: Kassel,
Gudensberg, Wolfhagen. Zierenberg, Trendelenburg, Grebenstein, Immenhausen,
Witzenhausen , Allendorf, Eschwege, Wanfried, Schmalkalden. Rotenburg,
Spangenberg, Waldkappel, Lichtenau, Melsungen, Felsberg, Niedenstein, Hom-
berg, Borken, Vach; — ferner 9 freie Landesburgen: der Weideisberg hei
Wolfshagen, Scharteilberg, Sababurg, Veckerhagen, Sensenstein, Bilstein, Reichen-
bach, Heiligenberg, Hauneck ; — aufserdem 8 verpfändete I^andesburgen : die
Gleichen, Ziegenberg, Ludwigstein, Treffurt (mit Sachsen und Mainz gemein-
sam ), Wildeck, Friedewald, Barchfeld, Altenburg a. d. Eder.
Oberhessen, das »Land jenseits des Spiefses« oder »Land an der
Lahn« genannt, zu welchem auch Ziegenhain und Nidda gehörten, begriff 15
freie mit Schlossern versebene Städte : Marburg, Biedenkopf, Wetter, Franken -
berg, Rausehenberg, Gemünden a. d. Wohra, Treysa, Ziegenhain, Schwarzen-
born, Neukirchen, Alsfeld. Grünberg, Nidda, Giefsen. Kirchhain; — 7 ver-
pfändete Städte: Urichstein, Schotten, Driedorf (zum Drittel), Staufenberg zur
Hälfte), Allendorf a. d. Lumda, Burggemünden, Homburg a. d. Ohm; — ferner
7 freie Landesburgen : Blankenstein, Schönstein, Romrod, Altenburg hei Alsfeld,
Hirzberg, Lüsberg, Hessenstein a. Eder; — 11 verpfändete Landesburgen : Storni-
fels, Oleen, Hermannstein, Frauenberg, Nordeck, Merlau nebst Dorf Flensungen.
Landsburg bei Ziegenhain, Königsberg, Bürgeln (halb), Wolckersdorf. Des
Ausgleiches halber sollten einige niederhessische Orte noch hinzugefügt werden,
wie Borken, Homberg, Sontra, Hauneck; doch blieb Sontra niederhessisch,
Homberg. Schmalkalden und Vach wurden geteilt. Borken, Hauneck und das
strittige Friedewald zu Oberhessen geschlagen. Alles Nähere über die Land
teilung bei Rommel II, 2 f., 23—28, 30 f.
Der letzte Graf von Katzenelnbogen hatte seine Tochter Anna dem
Landgrafen Heinrieh III. von Oberhessen zur Gemahlin gegeben und ihm 1458
die Erbschaft seines Gebietes in sichere Aussicht gestellt. 1471) starb er und
Heinrich nahm von der oberen und unteren Grafschaft Besitz mit den Anteilen
an der Grafschaft Diez a. d. Lahn und an Stadt und Amt Butzbach.
Nach dem Tode von Heinrichs einzigem Sohn Wilhelm III. 1500 fällt
Oberhessen mit Ziegenhain, Nitida, Katzenelnbogen an die ältere Linie, die unter
Wilhelm II. alles Land vereinigt. Letzterer erhielt auch von allen Lehensherren,
aufser Pfalz, die Belehnungen über jenes Erbe. Aus der bairiseh-pfälzischen
Fehde um das Erbe des Herzogs Georg des Reichen von Landshut hatte
Wilhelm II. 1505 nur die Hälfte von Umstadt, Bickenburg und Homburg vor
der Hohe erhalten.
In der Herrschaft Ep penstein war 1433 eine Teilung eingetreten
unter den Söhnen Eberhards 1. 1357— 1391). Dieser .hatte durch seine Ge-
mahlin aus der Falkensteinschen Erbschaft die Herrschaft Königstein geerbt.
Verzeichnis der zu ihr gehörigen Orte bei Vogel, Nassau, S. 237). Von Eber-
hards Söhnen erhielt Gottfried VIII. den alten Bestand der Herrschaft mit den
y Googl
283. (Jrnf schaft Nassau. 441
beiden Landgerichten Heitels und Mechtshausen. Er stiftete die (nur bis
zum Enkel Gottfried X. f 1522 bestehende) Linie Eppenstein-Münzenberg. —
Der andere Sohn Eberhard IL stiftete die Linie Eppenstein-Königstein.
Die Herrschaft Eppenstein war durch die fortdauernde Geldnot seiner
Besitzer aufgelöst worden. Gottfried IX. von Eppenstein (Sohn Gottfrieds VIII. )
hatte sein Vierteil an der Grafschaft Diez dem letzten Grafen von Katzeneln-
bogen, ebenso Schlofs Ziegenberg, seinen Teil an Butzbach, am Dorf Bisehofs-
heim und Schlofs Breuberg veräufsert; Gottfried X. ebenso an Landgraf
Wilhelm III. 1492 die Hälfte von Schlofs und Herrschaft Eppenstein und
seinen Anteil von Tal und Schlofs ( )berrofsbach v. d. Höhe. (Die andere
Hälfte von Eppenstein fiel an Mainz.) — Wilhelm III. hatte ferner vom Grafen
Philipp II. von Hanau-Lichtenberg die Hälfte von Stadt und Schlofs Klingen-
berg a. Main mit allen Dörfern und Gerichten gekauft. Dieser gesamte Erwerb
Hei 1500 an Wilhelm II.
283. Grafschaft Nassau bestand unter den beiden Linien, der
Wal ramschen und Ottonischen und deren Nebenlinien fort. Die Wal-
ra rasche Linie war in die Idst einer und Weilburger gespalten. Von
«liesen beiden hatte die letztere beträchtliche Erwerbungen gemacht.
Schon Johann L, der durch Heirat die Herrschaften Merenberg und
Gleiberg 1328 erworben, gewann durch eine zweite Heirat Saarbrücken.
Aber auch sein Sohn Philipp I. (t 1429) hatte durch seine Frau, eine
Tochter des Grafen Craft von Hohenlohe, die Boland-Sponhoimsehen
Herrschaften auf dem Gau : Kirchheim, Boland, Stauf, Tannenfels, Franken-
stein und kleinere Grundherrlichkeiten erworben. Allerdings fand unter
seinen Söhnen 1442 wieder eine Teilung statt in die Weilburger Haupt-
und die Saarbrücker Nebenlinie.
Die Ott onische Linie war in «He Alte Dillenburger und Hadamarsche
Linie gespalten. Die letztere war ca. 1394 ausgestorben und ein Erbschafts-
streit die Folge. Ein Teil des Erbgebietes fiel an Johann L (t 141(5)
aus der Dillenburger Linie. Diese hatte durch Erbheiraten ihren Länder-
besitz zu vermehren gewufst, wenn es auch hier nicht ohne langjährige
Streitigkeiten abgegangen war. Bedeutende Erwerbungen waren durch
Heiraten auch in den Niederlanden und in Frankreich (Orange) gemacht
worden. Seit 1516 hatte sich von der Dillenburger Linie die sog. Bredasehe
Linie (im Besitze Oraniens) mit Heinrich III. (f 1538) abgezweigt, die aber
bald ausstarb. Nebenher bestand auch noch die von Heinrich gestiftete
Linie Nassau-Beilstein.
Von der Walramschen Linie hatte die Idsteiner innerhalb dieser Periode
keine erheblichen Erwerbungen gemacht, desto mehr, wie oben angedeutet, die
Weilhurger. Puter Philipp 1. (t 1421») kamen mehrere Landesteile durch die
verschuldeten Grafen von YVeilnau an das Haus; so im Jahre 1405 die Herr-
schaft Neuweilnau. 1413 als Pfandschaft die Stadt Mengerskirchen und
der Calenberger Cent für 600 Gulden. Näheres über andere Erwerbungen
s. bei Vogel, 1. c. S. 337. — Unter seinen Söhnen fand 1442 die Teilung statt;
Philipp II. erhielt die Grafschaft Nassau auf der rechten Rheinseite; Johann
die Grafschaft Saarbrücken und die Herrschaft Commerey. Gemeinsam
blieb die Herrschaft auf dem Gau und vor dem Donnersberge mit Tannenfels,
Kirehheim, Stauf, Frankenstein, Welsteiu und Altenbevmburg.
Von der Ottonischen Linie hatte die Dillenburger zur Vergröfserung des
Landbesitzes eifrig beigetragen. Die alte Hadamarsche Nebenlinie war mit
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442
IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
Kniit h II T. ca. 1394 ausgestorben. Dessen Schwester Anna war mit Diether VI.
von Katzenelnbogen vermählt, der für seine Gemahlin gegenüber Johann I.
von Nassau-Dillenburg die Erbschaft beanspruchte. Nach dem langjährigen
Streit gewann Johann einen Teil der Herrschaften Ellar, Hadamar.
Esterau und die Hälfte der Vogtei Ems. Heine Söhne wurden durch ihre
Grofsmutter Adelheid Erben der Grafschaft Vianden und der Herrschaften
S t. Vit, B u t g c n b a c h , D a e s b u r g und G r i m b e r g e n. Von diesen Söhnen
war Adolf mit Jutta von Diez vermählt. Nach dem Aussterben der Grafen
von Diez (1388) fiel die Grafschaft an Adolf. Aus dieser Ehe ging aber nur
eine Tochter Jutta hervor, die 1401 an Gottfried von Eppenstein vermahn
wurde. Als ihr Vater Adolf 1420 starb, erhielt Gottfried indessen nur die
Hälfte von Diez, während die andere an die Brüder Adolfs als gemein-
samer Besitz fiel (s. Schlufs dieses Paragraphen;. — Von den Brüdern war
Engelbert I., der allein männliche Nachkommen hatte, mit Johanna, der Erb
tochtcr Johanns von Polanen und Leck 14<»3 vermählt und legte so den Grund
zu den niederländischen Besitzungen: nämlich Polanen, Leck, Breda.
Osterhout, Rosendael. Nispen, Dongen. Terheyden, Steenbergen, Gertruydenl« rg,
Nievart und Klundert. — Auch sein Sohn Johann IV. ff 1475) hatte durch
seine Heirat mit der Tochter Johanns von Loen und Heinsberg, Marie, die
Herrschaften Millen, Gangelt, Vü cht (Waldfeucht) und ein Viertel de-
Herzogtums Jülich erworben. Docli fielen diese Stücke bald «lern Herzig
von Jülich zu. Vgl Lacomblet, UB. 4. Nr. 484.
Ebenso wäre dessen Sohn Johann V. (f 1516) durch seine Gemahlin
Elisabeth in den Besitz der Grafschaft Katzenelnbogen gekommen,
wenn ihm diese nicht von Seiten der hessischen Linie streitig gemacht worden
wäre. Als nämlich Philipp, der letzte Graf von Katzenelnbogen, 147!) in>
Grab gesunken war, brachte seine Tochter Anne die Grafschaft ihrem Gemahl
Heinrich III. von Hessen zu, der sie auf seinen Sohn Wilhelm III. vererbte.
Doch starb dieser ohne männliche Nachkommen 1500. Sein Vetter Wilhelm II.
ergriff Besitz von den erledigten Landen; doch Johann V. erhol» Einspruch
dagegen vor dem Reichskammergericht. Der Katzenelnbogensche Erbschaft-
streit zog sic h über die nächste Generation fort Ins zum Jahre 1557 (v^l
Hessen).
Johanns V. Sohne Heinrich III. und Wilhelm der Reiche gründen zwei
neue Linien, von denen die erstere schon mit Heinrichs Sohn Renatus 1541
erlosch. Aber durch Heinrich, der schon von seinem Oheim Engelbert 11. die
niederländischen Besitzungen geerbt hatte, war ein zweites und zwar in Frank
reich gelegenes Landgebiet an das Nassauische Haus gebracht worden, denn
durch seine Heirat mit Claudia. Tochter des verstorbenen Prinzen Johann von
Chalons und Oranien (Orange im unteren Rhonegehiet) erwarb er das Fürsten-
tum Oranien und die Chalonsschen Herrschaften. Da seine Linie 1544 scholl
ausstarb, so ging der reiche Länderbesitz an den Sohn Wilhelms des Reichen.
Wilhelm I. über, der eine neue Linie N ass a u - O r a n i e n stiftete.
Vgl. über diesen Abschnitt die schon genannten Werke von Schlier
h a k e - M e n z e I und Vogel. A r n o 1 d i , ( «eseh. der ( )ranien-Nassauischen
Länder und ihrer Regenten, Hadamar 1799 — 1816. Pontbriant, Histoired>-
la prineipaute d Orange, Paris 1891.
Grafschaft Diez. Nach dem Tode Adolfs 1420 entbrannte «ler Stielt
um Diez, weil Adolf die Grafschaft seinem Schwiegersohn Gottfried VI IL wn
Eppenstein zugesprochen hatte, nachdem er sie vorher schon an Ciraf Eber-
hard V. von Katzenelnbogen und dann an seinen Bruder Engelbert verpfändet
hatte. 1441 trugen Gottfried und Engelbert die Grafschaft an Trier zu Lehen
auf. Gottfried Vlll. stirbt 14.J7 und sein Sohn verkauft schulden Halber 145i>
die Hälfte seines Anteils (also ein Viertel der ganzen Grafschaft) an Philipp
von Katzenelnbogen. Wcnck, Hess. Landesg. 1, 560 f. und Beilage CCCXL.l.
S. 252. WO die einzelnen Landstücke näher angegeben sind.
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284. Grafschaft Solms. 285. Grafschaft Isenburg. 286. Herrschaft Runkel etc. 443
284. Grafschaft Solms. Das Grafenhaus hatte 1419 auf dem Erb-
schaftswege die Herrschaften Lieh, Hungen und Laubaeh erworben.
Graf Otto war mit Agnes von Falkenstein vermählt gewesen und deren
Söhne Bernhard und Johann erbten nach dem Aussterben der Falken-
steiner die genannten drei Herrschaften. Die Landgrafen von Hessen
besafsen das ehemals Solmsehe Gebiet von Königsberg. Im Jahre 1468
gab Landgraf Heinrich IV. einen Teil dieses Amtes (die an der Dill und
Lemp gelegenen Dörfer) als Mannlehen an Graf Otto zurück.
Laubach mit Gebiet gehörte erst den Herren von Münzenberg, dann
denen von Hanau. Von diesen kam es durch Pfand und Kauf 1335, 1341 an
die Falkensteiner. Das Falkensteiner Haus starb 1419 aus.
285. Grafschaft Isenburg. Von den zahlreichen Linien dieses
Hauses bestanden um 1375 noch folgende: 1. Die Linie Isenburg-
Büdingen unter Johann I.; 2. die Linie Isenburg-Grenzau (ältere Grenzauer)
unter Eberhard ; 3. die Linie Isenburg- Limburg unter Johann HL;
4. die Linie Isenburg - Wied unter Wilhelm I.: 5. die Salentinische
Linie unter Halentin III. Von diesen starb die ältere Grenzauer Linie 1431)
aus und ihr Land fiel mit der letzten Erbtochter Katharina als Heiratsgut
an Salentin V., also an die Salentinische Linie, die seitdem als jüngero
Grenzauer Linie auftritt. Auch die Linie Isenburg- Wied starb 14G2
mit Wilhelm III. aus und das Gebiet fiel mit der Erbnichte Anastasia
an Dietrich IV. von Runkel (s. d.). Ebenso erlosch 1406 die Limburger
Linie mit Johann III. Seine Tochter Kunigunde war an Adolf von
Xassau-Dillenburg vermählt, der das mit hohen Summen schon seit
lange an Trier verpfändete Limburger Land in Besitz nahm ; nach seinem
Tode 1420 zog es jedoch Trier als Pfandobjekt ein.
Die den einzelnen Linien gehörigen Territorien sind schon vorher namhaft
gemacht worden. Die 1373 erloschene Linie Isenburg- Arenfels war durch die
Erbtöchter Lisa und Adelheid an die Wiedische und Salentinische Linie ge-
fallen. 1376 fand unter diesen eine Teilung derselben statt, nach der dann
die Wiedische Linie: Alsbach, Grenzhausen, Hilgerod, Hundsdorf und Remse
erhielt, — die Salentinische: die Gerichte Ransbach und zur Heide. — Die
Herrschaft Herschbach fiel anfangs ganz an Wied, wurde dann an
Katzenelnbogen verpfändet, aber 15» 0 von der Salentinischen Linie zurück-
gekauft. — Die Isenburg-Bü dingische Linie, die Büdingen besafs,
spaltete sich im Anfang des XVI. Jh. nochmals in die Rom lebu rasche (Philipp)
und die Birsteinische Linie (Johann). — Die 14311 erloschene ältere Grenzaucr
Linie besafs die Burg Grenzau mit dem Kirchspiel Nauort, Rachdorf, Breitenau,
Mend und Almesbach. Alles fiel an Salentin V. Vgl. Vogel, 1. c. S. 266.
286. Herrschaft Runkel und Grafschaft Wied. Die älteste Reihe
der eigentlichen Grafen von Wied war im XIII. Jh. ausgestorben und
infolge Erbheirat durch die Isenburg- Wieder Linie ersetzt worden. Auch
diese starb 1462 mit Wilhelm III. aus, und durch Heirat seiner Nichte
Anastasia kam die Grafschaft an ihren Gemahl Dietrich von Runkel (t 1459)
bzw. dessen Sohn Friedrich, mit dem die dritte Grafenreihe von Wied
beginnt. Es vereinigt die Herrschaft Runkel mit. jener Grafschaft und
nennt sich: Herr von Runkel Graf von Wied und Herr von Isenburg.
DieeinzehienTeilecb'silunnuiunehrgchörigenTerritoriuniSß. bei Vogel I.e. 255 f.
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IX. Politische Geographie um daH Jahr 1650.
287. Grafschaft
Sayn Wittgenstein.
Dort bestanden die
Johannsche und
Engelbertsehe
Linie nebenein-
ander fort. Die
erstere hatte 1362
Dorf und Gericht
Oberroßbach von
Isenburg- Wied als
Pfand erhalten ;
1460 kam es end-
gültig in ihren Be-
sitz. Im Jahre 1446
hatte sie ferner das
Amt Reinbach ge-
kauft. Die Engel-
bertsche Linie
hatte ihren ganzen
Besitz 1493 dem
Landgrafen von
Hessen zu Lehen
aufgetragen.
28S. Grafschaft
Waldeck. Heinrich
des Eisernen Söhne
hatten die Graf-
schaft 1308 geteilt:
Adolf residierte in
Landau und be-
gründete die Ältere
Landauische Linie
und Heinrich VII.
besafs Waldeck und
stiftete die Neuere
Waldeckische
Linie. Die Lan-
dauische Linie
starb aber mit
Otto IV. 1495 schon
aus und ihre Güter
fielen an die Wald-
eckische. Diese
hatte sich in eben
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289. Grafschaft Pyrmont. 290. Grafschaft Schauenburg (Schaumburg). 445
gespalten in zwei Aste: Philipp II. (f 1524) stiftete die Altere Eisen-
berger Linie und Heinrich VIII. (f 1513) die Ältere Wildunger Linie.
Heinrich VIII. besafs von der Grafschaft die Ämter Wildungen und
Numburg mit dem Schlote, die Hälfte des Amtes Rhoden und die Burg Itter.
Philipp II. erhielt Schlote und Amt Eisenberg, Schlote, Stadt und Amt Mering-
hausen und Wetterburg, Schlote und Amt Waldeck halb, ebenso die Hälfte
vi»n Rhoden und einen Teil von Itter. Die Städte Corbach, N. -Wildungen.
Sachsenhausen und Sachsenberg sollten ihnen gemeinschaftlich gehören
( urtze, 1. c. S. 606, 608.
289. Grafschaft Pyrmont. Seit 1376 hatten die Grafen ihre
Residenz in Lügde. Im Jahre 1494 starb die männliche Linie mit
Moritz aus. Dessen Schwester Ursula bringt das Ländchen ihrem Gemahl
Johann von Spiegelberg zu; des letzteren Söhne Friedrich VI. und
Moritz und schliefslich sein Enkel Philipp folgen in der Regentschaft.
290. Grafschaft Schauenburg (Schaumburg) hatte 1377 noch
unter Otto I. durch Kauf der Grafschaft Sternberg eine Vergröfserung
erfahren; doch mufste er sie schon 1399 wieder an die Grafen zur
Lippe verpfänden (s. d.) Unter den gemeinsam regierenden Brüdern
Anton und Johann fand 1518 ein engerer Anschlufs an Hessen statt, Die
Kriegswirren, besonders die Hildesheimer Stiftsfehde, die für die beiden
eine Achtserklärung zur Folge hatten, liefsen es ihnen ratsam erscheinen,
fast die Hälfte der ganzen Grafschaft an Philipp den Grofsmütigen
unter der Verpflichtung gegenseitigen Schutzes zu Lehen aufzutragen.
Otto II. (f 1464^ hatte 1460 allen Ansprüchen auf Holstein endgültig
entsagt; doch führen er und seine Nachfolger den Titel eines Grafen von Holstein
fürt. Piderit, Gesch. v. Schaumburg, S. 8.?.
Die Brüder Anton (f 1526) und Johann (j 1527) teilten einträchtigen
Sinnes vorübergehend die (Trafschaft, indem jener die Ämter Schauenburg und
Rodenberg übernahm , dieser ßtadthagen und Bückeburg. — Johann hatte
durch Heirat mit Cordula, des letzten Herrn von Gehmen Tochter, diese aus
einem Flecken Gehmen und 10 Bauernschaften bestehende Herrschaft im
Münsterlande erworben. — Die Lehensauftragimg der halben Grafschaft an
Hessen (1518) betraf die östliche Hälfte, nämlich Hodenberg, Hagenburg und
Arensburg. Cf. Piderit, 1. c. S. 86, 90 f. Die Grafschaft Wunstorf hatte die
Stadt Oldendorf, die Vogteien Lachem und Fischbeck an Schaumburg in Pfand
gegeben.
291. Grafschaft Lippe. Simon III. hatte seine Herrschaft 1399
am die Grafschaft Sternberg vergröfsert, dagegen Lippstadt erst an Köln,
später an die Grafen von Mark verpfändet. Erst Bernhard VII. gelang
es 1445 die Hälfte von Lippstadt zurückzuerwerben. Sein Enkel Simon V.
(1511 — 1536) erscheint zuerst als Graf von der Lippe.
Die Grafschaft Stern berg war 1377 durch Kauf an die Schaumburger
gekommen, von diesen aber bald darauf stückweise an die Herren von Lippe
verpfändet worden. Sie bestand aus dem Sehlofs Sternberg mit den Vogteien
Humfeld, Exten und Bösingfelde (also dem nordöstlichen Teil des heutigen Fürsten-
tums Lippe). — Die Annahme des Grafentitels erfolgte 1528, die Bestätigung als
Reichsgraf 1529.
202. Herzogtum Braunschwcig-Ltiueburg. Der Lüneburger Erh
folgekrieg hatte 1388 zu einem Anschlufs des Landes an das braun
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44<;
IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
schweinische Gebiet geführt. Friedrich, Bernhard und Heinrich, die
Sühne Magnus' II. teilten sich in den Besitz. Nach dem Tode des erst-
genannten nahmen die überleitenden Brüder 1409 nochmals eine Tei-
lung vor, bei der Bernhard das Land Braunschweig und Hannover
mit der Herrschaft Everatein und dem Land zwischen Deister und Leine,
Heinrich das Land Lüneburg erhielt.
Heinrichs Söhne, Wilhelm I. und Heinrich der Friedfertige wufsten
aber 1428 ihren Oheim Bernhard zu einer neuen Teilung zu bestimmen,
die im wesentlichen in einem Austausch der fraglichen Gebietsteile
bestand, so dafs Bernhard jetzt die Lüneburger Lande, Wilhelm I. und
Heinrich der Friedfertige Braunschweig- Wolfeubüttel erhielten. I >a
Heinrich 1473 starb, so vereinigte Wilhelm den ganzen Besitz in seiner
Hand ; zwei Regentonhüuser bestanden somit nebeneinander: die mittlere
Lüneburger und die mittlere Braunschweiger Linie (diese bis
1034). Der letzteren fiel auch das Göttinger Land zu, als die Göttinger
Linie (s. oben S. 229) mit Otto Codes, dem Sohne Ottos des Quaden, 146H
ausstarb. Der so vergröfserte Braunschweig- Wolfenbütteische Besitz wurde
1495 unter die Enkel jenes Wilhelm L geteilt, indem Heinrich (i" 151 4 1
das Braunschweig- Wolf en bütteler Land, Erich I. (t L">40) Güttingen-
Calenberg erhielt. Die Beilegung «1er Hildesheimer Stiftsfehde 1523
brachte beiden Teilen auf Kosten des Stiftes einen neuen Landzuwachs
In der mittleren Lüneburger Linie ist es weit weniger zu Land-
teilungen und Gebietsvergrüfserungen gekommen. Von den beiden
Sühnen Heinrichs des Mittleren (der wegen seiner Stellungnahme in
der Hildesheimer Fehde 1520 abdanken mufste), wurde Otto wegen einer
Mesalliance mit dem Harburger Ländchen abgefunden, während Ernst
der Bekenner die Hauptlande bekam.
Neben Braunsehweig und Lüneburg hatte auch das Fürstentum
(i rubenhagen (s.S.22Hf.'| noch Bestand, war allerdings in mehrere Linien
gespalten und ohne grol'se Aktionsfähigkeit. — ■ Es bestanden also um 1550
nebeneinander: 1. Das Herzogtum Braunschweig- Wolfenbüttel, 2. Braun-
schweig -Calenberg, 3. Braunschweig - Grubenhagen, 4. Braunseh weig-
Lüneburg.
Die Teilung des Lüneburger Landes unter die drei Sühne Magnus' II. in
einer Urkunde zu Üben 138H bei Klcinschmidt, Sammlung von Landtags
abschieden II, 2. cf. Havemann I, 525. Heinemann II, 119. — Die Grafschaft
Everatein (S. 229), «regen deren sie mit dem letzten Grafen diese« Hauses
Hermann in Fehde gelegen hatten, fiel ihnen 14<>8 (nicht 1418) durch Erbheirat
KU; sie umfafste Blomberg, Ärt/.en, Hämelschenburg, Ottenstein, sowie Anteile
an Ohsen und I lol/.minden. Orig. guelf. IV, HI5. von Spilcker, Gesch. d. Gm.
von Everatein, S. 2!»3 f. — Über die Teilung von 14<>'.> zwischen Bernhard und
Heinrich liegt nur eine kurze Notiz vor; Hävern. I, 5»*>3, Heinemann 11. 176.
Erath, Braunschw. Lünebg. Krbteilgn. 33. — Bernhard vergrößerte seinen Besitz
durch Kaut der Herrschaft Homburg (üstlieh der Weser und der Grafschaft Ever-
stein) im Jahre 1409 (Orig. guelf. IV, 509, Hävern. I. 657^ und Pfändung der
Harzburg (Ileinem. II, 179 f.). 1411 erwarb er käuflich die Grafschaft Haller -
mund. Scheid. Cod. dipl. S. 634 f.
Die wichtige Teilung von 1428 bewirkte, dafe entgegen jener von 1409 Lüne
l.urg an den älteren Bruder Bernhard, Braunwhweig- Wolfen Mittel an die beiden
Sohne des jüngeren Bruders Heinrich (f 1416): Wilhelm I. und Heinrich den Fried
292. Herzogtum Braunsen weig-Lüneburg.
447
fertigen fiel. Der Wolfen bütteler An-
teil umfafste Wolfenbüttel, Vechelde» Neu*
brück, Meinersen, Thune, Campen, Wend-
bausen, Brunsrode, Bardorf, Vorsfelde,
Kalvörde, Lutter, Sehöningen, Helmstedt,
Weferlingen, Jerxheim, Hessen, die Asse-
burg, Langelen, Voigtsdahlum, Harzburg,
Lichtenberg, Gebhardshagen, Calenberg,
Greene, Lüthorst (Luthardessen), Hohen-
büchen (Homboiken), Homburg, Stadt-
Oldendorf, Holzminden, Ohsen. Polle,
Eldagsen, das Rath, Ottenstein, Neustadt,
Lauenau, Ricklingen, Wölpe, Rehburg,
Münder. .Vlies übrige umfafste der Lüne-
burger Anteil. Nur die Stadt Braun-
schweig, Lüneburg, die Altstadt Hannover
(die Neustadt sollte ganz zu Wolfenbüttel ge-
hören), sowie verschiedene Gerechtsame
sollten gemeinsames Eigentum sein. Erath,
Erbteilgn., 35 ff. Hävern. I, G22 f . Heinem.
II, 182.
Eine Fehde zwischen den Brüdern
Wilhelm und Heinrich bewirkte, dafs
auch diese ihren Wolfenbüttcler Anteil
im Vertrage zu Schöningen 1432
nochmals teilten, durch welchen Wilhelm
das Calenberger I^and mit den Everstcin-
schen und Homburgschen Teilstücken er-
hielt. Näheres bei Hävern. I , 669 f.
Heinem. 199 f. Doch da Heinrich 1473
starb, fiel sein Teil wieder an Willielm zu-
rück. Letzterer hatte überdies seinen Be-
sitz erheblich vergröfsert. Das durch den
Tod von Otto Codes 1463 erledigte Göt-
tinger Land war im Besitz der Braun-
schweiger Linie trotz der berechtigten
Ansprüche, welche die Lüneburger hatte,
die erst 1512 (Vertrag von Münden) end-
gültig auf dies Land verzichtete. Erath,
Erbt, 66, 98, 114. Ferner erwarb Wil-
helm 1446 durch Lehnsanfall dieHerrschaft
Dorstadt, südlich von Wolfenbüttel und
durch Kauf 1447 die Grafschaft Wun-
storf; Scheid, Cod. dipl.. p, 558. — Wil-
helms Sohne , Wilhelm II. (f 1503). wurde
sehliefslieh 1490 die Stadt Helmstedt
von dem Abte von Werden abgetreten;
Krefs, Vindiciae, p. 431. Hävern. I, 733.
Heinem. II, 216.
Wilhelm II. trat seine Regierung an
seine Söhne Heinrich den Alteren und
Erich I. ab und veranlafstc sie zu einer
Teilung, die den Grund legte für die
noch heute bestehende Gestaltung
des Braunschweigischen Herzog-
tums und des Königreiches (Provinz)
Hannover (exkl. Lüneburg). Heinrich
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448 IX. Politische Geographie um clas Jahr 1550.
erhielt das Braunschweig- Wolfenbütteler Land mit Wolfenbüttel, Lichtenberg.
Harzburg mit dem Rammelsbcrg, Sehöningen, Hessen, Lutter, Bahrdorf.
Kalvörde. Neuhaus, Gebhardshagen, Dahlum, Neuhriiek, Wendhausen, Seesen
mit den Forsten, Gandersheim, Staufenburg, Greene, Luthersen. Hohenbüchen
(Homboiken), Hornburg, Everstein. Fürstenberg, Asseburg. Vechelde, Brunsrode.
Thune, Braunschweig. Helmstedt, Schöppenstedt, Stadt-Oldendorf, Aimdungs
born. Erich I. übernahm Braunschweig-Calenberg mit Münden, IJar
degsen, Uslar, Moringen, Siehelstein. Harste, Friedland, Niedeck, Brunstein.
Lauenberg, Bramburg, Brackenberg, Hol/münden (jetzt zu Braunschweig}, I^auen-
fördc, Lauenau, Springe, Calenberg, Neustadt, Blumenau, Rehburg, Welpe.
Nienover, Polle, Ohsen, Ottenstein, Hannover. Pattensen, Wunstorf, Eldagsen.
Münder, Göttingen, Nordheim, Dransfeld. Vgl. Urkunde bei Erath, Erbtlgn.,
101 ff. Hävern. I, 735. Heinem. U. 217.
Die Hildesheimer Stiftsfehde brachte beiden Brüdern nach ihrer Beilegung
1523 einen Gebietszuwachs, da das Hildesheimer Stift auf die Ämter lVin<\
Steuerwald und Marienburg beschränkt und fortan das kleine Stift im Gegen-
satz zum früheren »grofsen < genannt wurde. Auch diesen Zuwachs teilten si< .
so dafs zu Heinrichs Wolfenbütteler Lande noch hinzukamen: die Schlösser
und Amt er Winzenburg, Woldenberg, Steinbrück, Lutter, Woldenstein, Schladen,
Liebenburg, Wiedelah, Vienenburg. Westerhof, die Stiidte Alfeld. Bockenem.
Salzgitter und die Klöster Lamspringe, Heiningen, Dorstadt, Wöltingerode,
Ringelheim, Rieehenberg. Erichs Calenberger Land wurde vergro Isert durch
die Schlösser und Ämter Hunnesrück mit Markt-Oldendorf, Ärtzen, Lauenstein,
Grohnde, Hallerburg, Poppenburg, Ruthe, Coldingen, die Städte Dassel. Boden
werder, Elze, Gronau, Sarstedt, die Hälfte von Hameln, die Kloster Marienau,
Escherde, Wittenburg, Wülfinghausen und Derneburg. Hävern. II, tiO f. Heinem.
II, 302.
Das Lüneburger Land hatte seit der Teilung von 1428 keine wesent-
lichen Änderungen erfahren. 150t» gelang es Heinrich dem Mittleren
das Sehlofs Winsen a. d. Luhe von den Herzögen von Lauenburg wieder ein
zulösen.
Da er 1520 abdanken mufstc, so folgten seine Sohne, von denen Ernst
der Bekenner seit 1527 bis auf das Harburger Land fast alleiniger Erbe
von ganz Lüneburg wurde. Als er 1546 starb, waren seine Söhne noch minderjährig.
Auch das Gruben hagen er Gebiet war seit Albrecht IL (S. 228) nicht
bedeutend gewachsen. Die erledigte Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg
liel nach dem Erlöschen des Hauses 1497 an Grubenhagen, wurde jedoch von
Herzog Friedrich 1502 an die Grafschaft Honstein versetzt. Sein Neffe Herzog
Erich (f 1427) empfing von der Äbtissin zu Gandersheim, seiner Tochter Agnes.
Sehlofs und Forst Elbingerode zu Lehen. 14*1 kam es auch in Grubenhagen
zu einer vorübergehenden Teilung zwischen Heinrich IV. und seinem Onkel
Albrecht III., wonach jener Salzderhelden, dieser Ilerzberg erhielt, während
Grabenhagen jedem zu gleichem Anteil verblieb. Hävern. I, 715 IT. Nach dem
Tode des kinderlosen Heinrich IV. folgten die Söhne Albrechts.
293. Bistümer Münster, Minden, Osnabrück und Päd er
born. Von ibnen batten einige gröfsere Veränderungen im Territorial-
bestande erfahren, — am wenigsten wohl Osnabrück, welches durch
innere Fehden sehr zu leiden hatte.
Bistum Paderborn. Mit dem Tode des (»rufen Moritz von Pyrmont
1494 fiel die Grafschaft als altes Paderbornisches Lehen wieder an das Bistum
zurück. Mit ihr wurden vorübergehend die Grafen von Lippe belehnt, jedoch
1522 — 152b* war sie wieder in der Hand des Bistums, als sie an die Spiegelbergisehe
Familie kam. Bischof Hermann belehnte 15« M) den Grafen Anton von Holstein
und Schauenburg mit der Grafschaft Stern berg, zu der die Burg Berentrop, das
Dorf Uleln (jetzt Stadt) und die Vogtei Müddcn hörst gehörten. Bessen, Gesch.
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294. Grafschaft Hoya. 296. Grafschaft Diepholz. 296. Erzbmtum Bremen. 449
d. Bist. Päd. II, 20. Er löste auch~1505 [den Teil [der Burg Krukenberg und
Stadt Helmershausen wieder ein.
Bistum Minden hatte noch im 14. Jh. eine Vergröfserung erfahren,
ak Bischof Otto (1384 — 1498) vom Berge als letzter Sprofs seiner Familie seine
Herrschaft von Schalksberg an das Bistum abtrat.
Bistum MünsteV. Das Hochstift hatte sich 1406 durch den Ankaut
der Herrschaft Ahaus im äufsersten Westen vergröfsert und im Osten durcli
die Besitznahme der Burgherrschaft Stromberg. Nach dem Aussterben der
Herren von Ahaus war deren Gebiet an die einzige überlebende Tochter
Johanna von Ahaus und deren Gemahl gekommen. Doch am 2. Januar 1406
verkaufte sie die Herrschaft an das Bistum. Leo, Territor. H, 585. Auch die
Herrschaft Strom berg war zu Lebzeiten des letzten Deszendenten teilweise
schon (1403) an das Bistum verkauft worden; nach seinem Tode fiel sie ganz an
Münster. Weit bedeutsamer war die Abrundung des Niederstiftes, da die Teck-
lenburger das ganze Gebiet um Cloppenburg und Oyte 1400 abtreten mufsten.
1429 kam vom Bremer Erzstifte auch Wildeshausen an Münster; hingegen war
die Grafschaft Delmenhorst nur zeitweise (1483 — 1547) münsterscher Besitz ge-
wesen und um 1550 wieder oldenburgisch. Durch den Vertrag von Münster
25. Oktober 1400 mulste Nikolaus von Tecklenburg auf den nördlichen Teil Beiner
Grafschaft Cloppenburg, Sehnappenburg und Burg to Oyte zugunsten
Münsters verzichten. Vgl. S. 451 unter Tecklenburg, wo alle Teilstücke der
abgetretenen Gebiete namhaft gemacht smd. — Wildeshausen war bis 1429
erzbischöflich bremisches Land, als es von Nikolaus von Bremen an Bischof
Heinrich von Münster verpfändet wurde. Doch auch Münster hatte es 1458
his 1465 an Graf Johann von Hoya und späterhin nochmals 1493 an Wilhelm
von der Busch verpfändet. Nach dessen Tode (1523) nahm es Bischof Friedrich
wieder in Besitz. — Delmenhorst war 1483 durch Bischof Heinrich II. an
Münster gekommen, wurde jedoch 1547 durch Anton L von Oldenburg wieder
zurückerobert. Cf. hierüber unter Oldenburg S. 151.
294. Grafschaft Hoya. Seit Erwerbung von Neu- Bruch hausen war
'ler Länderbestand unverändert geblieben. Die ältere Linie (Niedere
Herrschaft) war 1503 ausgestorben und die jüngere Linie (Graf Jobst I.)
nahm kraft eines Erbvertrages von 1459 von jener Besitz. Doch schon
vorher erfolgte Verfügungen durch Kaiser Maximilian und den Erzbischof
von Bremen führten zur Lehensauftragung über Hoya an den Grafen Jobst
von Seiten Heinrichs des Mittleren von Braunschweig-Lüneburg und des
ehemaligen Bruchhausenschen Anteils (d. h. Alt- und Neu*Bruchhausen mit
Syke, Freuden berg und Harpstedt) von Seiten des Bremer Erzbischofs.
295. Grafschaft Diepholz hatte durch Erwerb gröfserer Güter
um Schlofs Auburg und Dorf Wagenfeld 1441 eine Vergröfserung er-
fahren. Das ITnvermOgen, sieh gegen die Bischöfe von Minden zu schützen,
veranlafste Rudolf von Diepholz 1510 sein Land als Lehen an Heinrich
den Mittleren von Lüneburg aufzutragen, was Kaiser Max 1517 bestätigte.
Auch Auburg und Wagenfeld wurde lf)21 an Landgraf; Philipp von
Hessen aufgetragen. 1532 erscheint zum erstenmal die Grafenwürde
im Hause Diepholz.
Im Jahre 1585 starb das Grafenhaus aus und ihr Territorium fiel 1593
und lGO.i an Lüneburg-Celle is. unten unter diesem).
296. Erzbistum Ii remen. Die Frieseil des Marschlandes Wursten
an der rechten Seite der Wesermündung hatten trotzig ihre Freiheit
29
47)0 IX. Politische Geographie um (las Jahr 1550.
gewahrt. Erzbisch oi* Christoph verlangte, gestützt auf einen Lehenbrief
des Kaisers Maximilian, ihre Unterwerfung, die erst nach einer blutigen
Schlacht 1517 gelang. Doch währte es bis zur Mitte des Jahrhunderts,
ehe die unter ihnen immer wieder auflebenden Freiheitsgelüste endgültig
niedergeschlagen worden waren.
297. Reichsstadt Hamburg. Das Territorialgebiet hatte durch die
Erwerbung des Amtes Ritzebüttel im Jahre 1394 eine neue Vergröfserung
erfahren, wodurch die Stadt einen wichtigen Stützpunkt im Verein mit
der vorliegenden Insel Neuwerk erhielt. Ebenso bedeutend war die Er-
werbung des Amtes Bergedorf und der Vierlande durch den Vertrag zu
Perleberg 1420 mit Sachsen- Lauenburg. Im Jahre 1510 wurde Hamburg
durch Kaiser Maximilian I. zur Reichsstadt erhoben.
Die Herrschaft Ritzebüttel an der Elbmündung gehörte dem edel-
freien Geschlecht der Lappen. Haniburg wufste ein freundschaftliches Ver-
hältnis mit ihnen anzubahnen, woran der Stadt wegen ihres Leuchtfeuers auf
der Insel Neuwerk viel gelegen war. Als die Lappen, in Geldnot geraten,
immer tiefer sanken und mit Hamburg in Fehde kamen, mufsten sie sehliefs-
lieh (1892) kapitulieren und ihr Gebiet fiel an die Stadt.
Mit Herzog Erich V. von Sachsen I^auenburg hatten Lübeck und Ham-
burg gemeinsam einen Straufs auszufechten. Er wurde am 24. August 1420
dahin beglichen, dafs der Herzog die Schlösser Bergedorf und Riepenburg nebst
dem Zoll zu Eislingen, wie auch den halben herzoglichen Wald den beiden
Städten abtrat, Vgl Kobbe, Gesch. d. Herzogtums Lauenburg, 1836, I, 139.
298. Stadt Bremen. Schrittweise hatte die Stadt ihren Machtbereich
erweitert und Erfolge errungen über benachbarte Stämme wie auch über
die Erzbisehöfe, die in mehrfacher ( ieldnot ein Stück Land nach dem
andern an die Stadt verpfändeten. Auf dem Reichstag zu Regensburg
1541 wurde sie von Karl V. in ihrem Besitze bestätigt.
Noch im XIV. Jh. erhielt die Stadt (1376) Schlofs und Vogtei zu Lang-
wedel, ferner 1375 Herrschaft und Schlofs zu Stotel, 1876 Schlots, Vogtei
und Stadt Wildeshausen, 1377 das schon einmal verpfändete Theding-
hausen, 1380 von Graf Otto von Delmenhorst das halbe Sehlofs und den
vierten Teil seiner Herrschaft Delmenhorst, 1382 die Hälfte des Schlosses
und der Herrschaft Bederkesa. Cf. van Bippen, Gesch. v. Bremen I.
234 ff. Freilich blieb die Stadt nicht im ungestörten Besitz dieser Landschaften,
besonders Bederkesas, auf welches auch der Erzbischof Anspruch erhol», bis er
1412 der Stadt den alleinigen Besitz (nach seinem Tode) einräumte. Inzwischen
war auch die andere Hälfte von Bederkesa, die den Lauenburgischen Herzögen
gehörte, an die Stadt verpfändet und 1542 diese im Besitz bestätigt worden,
van Bippen I, 271 f. Im Jahre 1384 war auch das Stadland den Friesen
entwundem worden, aber infolge der erneuten Revolten und trotz Erbauung
der Friedeburg bei Atens im Hutjadinger Lande mutete die Stadt 1424 von
dem Besitz Abstand nehmen, van Bippen 1, 242 f., 272 ff., 283. Buchenau
S. 281, und Taf. VI, Bremen im Mittelalter.
Von den obengenannten Landschaften gingen viele sehr bald der Stadt
wieder verloren. Langwedel (nördlich von Verden) war nur vorübergehend
in ihrem Besitz gewesen und wurde immer von neuem verpfändet; 1419 war
es abermals Pfandobjekt und kam 1482 als solches an die Grafen von Hoya;
cf. die Geschichte bei Mithoff, Kunstdenkmäler V, 58 f. Stohel (in der
Gegend der Wesermündung) kam 1877 an Christian von Oldenburg, cf. Mit-
hoff V, 106. Auch Wildeshausen fiel bald wieder an das Erzstift zurück.
299. Grafschaft Oldenburg. 300. Grafschaft Tecklenburg und Lingen. 451
Durch die auf dem Reichstage zu Regensburg 1541 von Karl V. er-
lassenen Privilegien an die Bremer war der letzte Rest der Abhängigkeit vom
Erzbischofe gelöst worden. Es wurde dem Rat der Stadt die Herrschaft in
den vier Gohen bestätigt: Vieland, Werderland, Hollerland und Blockland nebst
Walle und Gröpelingen, ferner Neuenkirchen, Blumenthal, Bederkesa und Lehe
und die Zölle zu Burg und Warturm. Cf. van Bippen H, 114 f.
299. Grafschaft Oldenburg hatte unter seinem] Grafenhause bis
1550 eine gröfsere Ausdehnung wieder angenommen.
1. Die friesische Wede (das Land um Varel, Bockhorn und Zetel),
deren Bewohner schon 1386 Oldenburgs Hoheit anerkannt hatten. Aber erst
nach langwierigen Kämpfen mit den ostfriesischen Häuptlingen fiel jene Land-
schaft 1481 an Oldenburg. Böse, Oldenburg, 8.312.
2. Stad- und Butjadinger Land. Für die Bremer war der Besitz
der Wesermündung von hoher Bedeutung. Die zu Gewalttaten immer geneigten
friesischen Häuptlinge jener Landschaften waren nach Erbauung (1407) der
Zwingfeste Friedeburg bei Atens 1420 bewältigt worden; Bremen mufste aber
schon 1424 wieder das Land räumen. — An ihrer Stelle suchen sich später
die Oldenburger in den Besitz des I>andes zu setzen und in Verbindung mit
den Herzögen von Braunschweig, Lüneburg und Calenberg wurden sie 1514
desselben Herr. Bei der Teilung erhält Graf Johann XIV. von Oldenburg das
Stadland, während die Herzoge sich in das Butjadinger Land teilen. Braun-
schweig- Wolfenbüttel erhielt Eckwarden, Tossens und die Hälfte von Lang-
warden ; die andere Hälfte nebst Burhave bekam Braunschweig-Lünehurg, und
Waddens und Blexen Braunschweig-Calenberg. Doch veräußerten diese sehr
bald ihren Landbesitz, so dafs Johann XIV. schon 1523 das ganze Stad- und
Butjadinger Land in seiner Hand vereinigt hatte. 1534 wurde ihm der Besitz
von Karl V. bestätigt. Böse, 1. c. S. 158 — 162. Kohli, Beschr. des Herzog-
tums Oldenburg 1824, I, 18 f.
3. Delmenhorst war infolge Verschuldung der Grafen trotz des Haus-
vertrages von 1360 an das Bremer Erzstift 1380 verpfändet und 1423 verkauft
worden. Doch 1436 mufste der Erzbischof Nikolaus von Bremen, der selbst
ein Graf von Delmenhorst war, jene Landschaft wegen Schulden an die Olden-
burger (Dietrich den Glücklichen) verkaufen.
So waren unter Dietrich und seinem Sohne Gerhard beide Grafschaften
wieder vereinigt bis zum Jahre 1483, wo Bischof Heinrich II. von Münster
und Bremen, den Räubereien Gerhards ein Ende machend, Delmenhorst be-
setzte. Seit 1497 — 1547 war es allein in der Hand des münsterschen Stiftes.
Graf Anton I. von Oldenburg nahm es 1547 mit Gewalt und führte so von
neuem eine Vereinigung herbei. Kohli, Oldenburg I, 20. Böse, L c. S. 461 ff.,
3HS f.
300. Grafschaft Tecklenburg* und Lingen. Die (um die gräflich
Lippesche Burgherrschaft Rheda vergrößerte) Grafschaft Tecklenburg
wurde 1400 stark verkleinert, indem Nikolaus II. an das Bistum Münster
fast die ganze nördliche Hälfte seines Landes abtreten mufste. Das ihm
allein verbliebene Stammland mit Rheda teilten 1508 seine Enkelkinder
Otto VII. (f 1541) und Nikolaus IV., so dafs seitdem zwei Grafschaften
Tecklenburg und Lingen nebeneinander bestanden. Nach Nikolaus'
Tode (f 1534) verlieh Karl V. die erledigte Grafschaft Lingen an den
Grafen von Büren.
Die fortwährenden Feindseligkeiten zwischen Nikolaus II. und den
Bischöfen von Osnabrück und Münster führten 1394 zur Eroberung der Clop-
penburg, Schnappenburg und Burg to Oyte und nach einem erneuten Einfall
29*
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452
IX. Politische Geographie um da« Jnhr 1550.
Nikolaus' zur endgültigen Niederwerfung desselben und dem Vertrag von Münster
25. Oktober 1400. Auf diesem wurden von der Grafschaft Tecklenburg an
Münster abgetreten: Herrschaft, Amt und Burg Cloppenburg, Burg und Stadt
Oyte, Burg Schnappe mit allen Herrlichkeiten in den Kirchspielen Oyte, Crapen-
dorf, Lastrup, Essen a. Hase, Löningen, Lindern, Molbergen, am Waterstrom
(Barssel), im Saterlandc und Scharlevresen (Markhausen), im Emslande besonders
dem Hümmeling; ferner Amt, Burg und Stadt Bevergen mit allen Herrlich-
keiten etc. in den Kirchspielen Bevergen, Riesenbeck, Saerbeck, Greven, Hem-
bergen, Detten, Rheine, die Hälfte von Schapen und Gravenhorst mit Kloster.
Otto VII. und Nikolaus IV. teilten 1508 die Grafschaft. Nikolaus erhielt
das fortan als neue Grafschaft auftretende Amt Li n gen mit den vier im
NW. von Tecklenburg gelegenen Kirchspielen Ibbenbüren, Recke, Mettingen
und Brochterbeck. Otto behielt Tecklenburg und Rheda. Esselen, Gesch.
der Grafschaft Tecklenburg 127. — Nach Nikolaus' Tode 1541 nahm Konrad I,
der Sohn jenes Otto (f 1534), die Grafschaft Lingen für sich in Anspruch,
ohne die Belehnung des Kaisers nachzusuchen. Doch war Konrad schlielslich
gezwungen, zurückzutreten und Karl V. verlieh die Grafschaft Lingen 1548
an Graf Max von Büren. Holsche, Beschr. v. Tecklenburg, S. 63. Konrad
blieb auf seine Grafschaft Tecklenburg und Rheda beschrankt.
301. Grafschaft Bentheim. Nach dem Tode Bernhards I. (1365
bis 1421), der keine Nachkommen hatte, ging die Grafschaft an das Hau*
Güterswyk über. Bernhards Schwester hatte Everwin von Güterswyk ge-
heiratet. Ihr Enkel Everwin I. (1421 — 1454) wurde der Nachfolger Bernhards.
Durch seine Ehe mit Metta (Mathilde) von Steinfurt füllt ihm 1421 diese
Herrschaft zu, sowie in demselben Jahre durch den Tod seines Grofr
oheims, eben jenes Bernhard, die Grafschaft Bentheim. Nach seinem Tode
1454 fand jedoch eine Trennung von Bentheim und Steinfurt statt, die
aber unter Arnold II. wieder vereinigt wurden.
Der Stammsitz des ehemaligen reichsunmittelbaren Hauses Güterswyk.
(Goterswyk, Gruterswic) lag im Herzogtum Cleve, eine halbe Meile von Wesel
(1003 in Urkunde Heinrichs II. schon genannt) v. Raet v. Bögelskamp, L c. I, 222
225 f. Möller, L c. S. 223. — Das 1324 verkaufte Amt Emblichheim war
von den Herren von Borkclo an die Herren von Gramsbergen und von diesen
1440 wieder an Bentheim verkauft worden; von Raet, S. 118. Möller.
S. 230. — Everwin I. hatte für seinen Sohn Bernhard H. die Grafschaft Bentheim,
für Arnold Herrschaft Steinfurt bestimmt. Die Söhne beider hiefsen Everwin ,
sie schlössen 1487 eine Erbvereinigung. Da Everwin von Bentheim 1530 ohne
männliche Nachkommen starb, so fiel Bentheim gemäfs dem Vertrage an Stein
fürt, welches inzwischen zur Grafschaft erhoben worden war. Everwin von
Steinfurth Sohn Arnold, 14518 — 1553, hatte überdies die Tochter des Bentheimer
Grafen Maria geheiratet. Möller, 236.
303« Jeverland war eines der sieben friesischen Seelande, gebildet
aus den drei Landschafton Rüstringen, Ostringen und Wangerland
die um 1359 sich unter einen Häuptling Edo Wimken stellten. Dieser
baute Schlofs Friedeburg und Jever, welches dem ganzen Land den
Namen gab. Ein späterer Nachkomme Hayo Harles nimmt eine Teilung
vor (1433), indem er seiner Schwester Kniphausen und den dritten
Teil von Rüstringen abtrat. Es lag dieser Gebietsteil innerhalb des Jever
landes, bestehend aus der Herrschaft Kniphausen, d. h. den Kirchspielen
Fedderwarden und Accum und der Herrschaft Inhausen, d. i. dem Kirch
spiel Sengwarden. Harles' Sohn (1441) führto zuerst den Titel: Häuptling
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303. Grafschaft Ostfriesland. 453
zu Jever, Rüstringen, Ostringen und Wangerland. — Um sich gegen die
Ansprüche der ostfriesischen Grafen zu wehren, die sich vom Kaiser mit
Ostfriesland und Jever hatten belehnen lassen, schlofs sich Edo Wimken II.
von Jeverland an den oldenburgischen Grafen Johann XIV. an. Die
langjährigen Fehden wurden erst beigelegt, als Maria, die überlebende
Tochter Edos, 1532 ihr Land von Karl V. als Erblehen zurückempfiug.
Vgl. im einzelnen Boso, Oldenburg, S. 216, 252 f. Arends, Ostfries-
land u. Jever, 1819, II, 285.
303. Grafschaft Ostfrlesland hatte seit Mitte des XIV. Jh. unter
Häuptlingen gestanden, von denen einzelne ihren Machtbereich zu ver-
gröTsern wufsten, natürlich nicht ohne heftige Fehden untereinander.
1430 schlofs ein grofser Teil der Friesen den sogenannten »Bund der
Freiheit und erkannte Edzard Cirksena, den ehemaligen Häuptling
von Greetsiel und Norden, als gemeinsamen Anführer an. Sein Bruder
Ulrich Cirksena (1441 — 1466) wurde durch Kaiser Friedrich III. in
den Reichsgrafenstand erhoben und mit dem Lande zwischen Ems und
Weser belehnt. Den Hausbesitz hatten er und seine Nachfolger zum
Teil durch Heiraten vergröfsert, doch war es ihnen nicht gelungen,
die Grafenwürde in dem ihnen vom Kaiser zugesprochenen Lehens-
gebiete zur Geltung zu bringen.
Edzard hatte als Anführer des Bundes noch lange mit einigen wider-
spenstigen Häuptlingen zu kämpfen. 1436 und 1438 huldigten ilim die Städte
Norden und Aurich. Durch zweimalige Heirat hatte er Pilsum und Berum
ererbt.
Auch Ulrich erwarb so Esens und Stedesdorf und durch Heirat mit
Theda, der Enkelin Fokke Ukenas, des alten Erbfeindes der Cirksenas, auch
dessen Gebiet (Moormer-, Oberledinger- und Lengenerland). Perizonius,
Gesch. Ostfrieslands, Weener 1868, I, 169.
Im Jahre 1454 trug Ulrich dem Kaiser sein Land zu Lehen auf und er-
hielt es als Reichsgraf schaft Ostfriesland von ihm zurück. Die Lehens-
urkunde führt als zugehörig auf: »die Schlösser, Städte und Ämter, Emden,
Norden, Greetsiel, Berum, Esens, Jever, Friedeburg, Aurieh, Leerort, Stick
hausen und Lengen, und die anderen Schlösser und Dörfer, die da liegen von
der Wester-Ems ostwärts bis an die Weser mit Butjadingen und Stadland mit
allen Eilanden, die neben dem ganzen Lande Ostfriesland in der See nord
wärts liegen und südwärts bis zu den deutsehen Pfählen von der Ae (einem
Flüfschen, welches westlich der Ems durch das Gebiet des heutigen Dollart
Hofs, so dafs also auch ein Teil des Rheiderlandcs hierzu gehörte) bis Detern
(a d. Jumme), Lengen und dem Hampol mitsamt der Friesischen Wedec
Cf. Perizonius, 1. c. I, 170, 177. Klopp, Gesch. Ostfr. I, 228.
Über die Urkunde cf. H c r q u e t , Die Echtheit des ersten kaiserl. Lehnbriefes
f. Ostfr. von 1454 u. s. Verh. z. d. beiden anderen 1463 u. 64, in Emdener
Jahrb. f. Kunst u. Alt. V, 1, 1—13 u. VI, 2, 149—164. Alle halten ihn für echt,
aufser v. Bippen, in Hist. Z. 44, 301 ff. u. Hansische Bl. 1884, III. Ulrich u.
seine Nachfolger vermochten aber im O. ihrer Grafschaft nicht Boden zu ge-
winnen und Ulrich liefs in späteren I,ehenbriefen sich seinen Besitz nochmals
bestätigen, doch fehlen in diesen schon Jever, Friedeburg und Esens. Cf.
O. Klopp, Gesch. Ostfrieslds., 1854, I, 237.
Das Butjadinger Land ging 1514 unter Edzard I. (f 1528) endgültig an
Oldenburg verloren. Desgleichen Jever, wo Fräulein Maria 1532 belehnt
worden war (s. d.). Harlinge Hand schied ebenfalls aus, weil hier der Häuptling
und Seeräuber Balthasar mit Hilfe des Geldrischcn Hofes sich von Enno II.
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454
IX Politische Geographie um das Jahr 1550.
unabhängig gemacht hatte. Bal-
thasars Schwester Unna war an
den Grafen Iiietberg verheiratet
und machte nach Balthasars Tode
(1540) Ansprüche auf das Ilar-
lingerland gegenüber Bremen ,
welches es an sich gerissen. 1547
belehnte aber Karl V. jene Onna
von Rietberg mit dem Lande,
cf. Klopp, 1. c. I, 387 f. Peri-
zonius II, 99.
304. Habsburglsche Nieder-
lande. DicVeränderungen, die
sich hier vollzogen hatten,waren
lediglich durch das Aussterben
der alten Grafen- und Fürsten-
häuser in männlicher Linie und
die Vererbung ihrer Lande an
die Töchter und deren Gatten
hervorgerufen worden. Die
schliefsliche Vereinigung des
gröTsten Teiles der Niederlande
im Hause der burgundischen
Valois wurde eingeleitet durch
die Vermählung Philipps des
Kühnen von Burgund (t 1404)
mit Margarete, der Tochter des
letzten Grafen von Flandern,
Ludwigs III. (1384). — In der
Grafschaft Holland hatten seit
1345 die Baiern regiert; die Erb-
tochter Wilhelms VI. Jakobäa,
die vorübergehend mit Herzog
Johann von Brabant vermählt
war, mufste ihre Grafschaft
sich von ihrem Oheim Johann,
dem ehemaligen Bischof von
Lüttich, erst erkämpfen. In-
dessen auch Philipp der Gute,
der Enkel Philipps des Kühnen,
machte Ansprüche auf Hol-
land und besonders nach dem
Tode Johanns 1425, zumal
seine Mutter Margarete eine
Schwester Wilhelms VI. und
Johanns war. Der blutige und
von Jakobäa mit Energie ge-
führte Streit endigte 1428, in-
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304. Habsburpische Niederlande. 455
dem sie durch mancherlei Schicksalsschläge gebrochen, an Philipp den
Guten Hennegau, Holland und Zeeland abtreten mufste. — Im Herzogtum
Brabant hatte der Lützelburger Wenzel (Bruder Kaiser Karls IV.) die
Erbtochter Johanna zur Ehe. Als Wenzel 1383 kinderlos starb, setzte
sie Philipp den Kühnen zum Erben von Brabant und Limburg ein ; doch
erst dessen jüngster Sohn Anton gelangte nach dem Tode Johannas 1406
zur Regierung. Anton war mit Elisabeth von Görlitz, einer Enkelin
Kaiser Karls IV., vermählt, der ihr 1411 das Herzogtum Lützelburg
(welches er seit seines Onkels Wenzel Tode 1383 besafs), geschenkt hatte.
Da Antons Söhne 1430 kinderlos starben, so fielen Brabant und Limburg
an deren Vetter Philipp den Guten. Auch Lützelburg trat Antons
Witwe Elisabeth 1441 an letzteren ab. — Philipp der Gute hatte überdies
schon 1429 Namur von dem verschuldeten und kinderlosen Fürsten
gekauft.
Philipps Sohn, Karl der Kühne (1467 — 1477), hatte 1472 Arnold von
Egmond das Herzogtum Geldern abgekauft. Dort war nach dem Tode
Rainalds III. 1371 ein Erbfolgekrieg ausgebrochen, nach dessen Beendigung
1379 sein Neffe Wilhelm von Jülich zur Regierung gelangte, der auch
Jülich selbst erbte; da er (1402) und auch sein Bruder Rainald IV. 1423
kinderlos starben, so folgte sein Grofsneffe, jener Arnold. In den nach-
folgenden Wirren (nach Karls des Kühnen Tod 1477), hervorgerufen
durch Arnolds Sohn Adolf und dann seinen Enkel Karl, brachte es
schliefslich Kaiser Karl V. dahin, dafs letzterer Geldern und Zütphen
ihm zu Lehen auftragen mufste (1528).
Karls des Kühnen Tochter Maria war die reiche, vielumworbene
Erbin des burgundischen Herzogtums in seiner ganzen Ausdehnung im
Norden und Süden. Ihre Vermählung mit Maximilian, dem Sohn Kaiser
Friedrichs III., brachte den ganzen Länderbesitz an das Habsburger
Haus. Nach Marias Tod 1482 folgte ihr Sohn Philipp der Schöne
(seit 1494), anfangs unter Vormundschaft seines Vators, und auf Philipp
dessen Sohn Karl V., durch welchen die noch fehlenden Gebiete der
Niederlande (mit Ausnahme des Bistums Lüttich) hinzuerworben wurden.
Zunächst war es das Stift Utrecht, welches durch Streitigkeiten bei
den Bischofs wählen immer viel zu leiden gehabt hatte, und 1527 teilweise
in die Gewalt Karls von Geldern gekommen war. Der Bischof Heinrich
knüpfte mit dem Habsburgischen Hause an und trat 1529 die weltliche
Herrschaft über das Utrechtsche Stiftsland an den Kaiser Karl V. als
Herzog von Brabant und Grafen von Holland ab. Einige Jahre vorher
war auch Friesland den Habsburgischen Niederlanden einverleibt worden.
Der nicht zu bändigende Freiheitssinn der Friesen hatte alle Versuche
der holländischen Grafen, aulser Westfriesland sich auch Mittelfrieslands
östlich der Zuidersee zu bemächtigen, vereitelt; trotz der Parteiungen
unter den. Friesen selbst, trotz mancher Erfolge seitens der Gegner
bewahrten sie ihre Unabhängigkeit. Sie wurde ihnen erst durch den
Erbstatthalter Herzog Albrecht von Sachsen 1498 endgültig genommen.
Sein Sohn Georg trat diese Würde 1524 käuflich an Karl V. ab. Nach
langem Widerstande wurde 1538 auch Groningen erworben. Geldern,
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456 IX. Politische Geographie um da» Jahr 1550.
iin Lehensverhältnis zu Habsburg stehend, hatte inzwischen seinen Herrn
gewechselt. Dem letzten Herzog von Cleve wurde das Land 1543 im
Vertrage von Venlo von Karl V. abgenommen.
So hatte Karl V. das gesamte burgundische Reich in seiner Hand ver-
einigt und, was die Niederlande anbetrifft, vergröfsert. Die Niederlande, eine
Bezeichnung, die übrigens schon im XII. Jh.: Terra inferior. Terrae inferiores
auftritt (vgl. Waitz, DV. V, 16H), umfalsten die 17 Provinzen: Bntbant, Limburg.
Lützelburg (Luxemburg), Gelderland, Flandern, Artois, Hennegau, Holland.
Zeeland, Namur, Friesland, Ryssel mit Französisch-Flandern, Doornick, Mecheln,
Utrecht, Overyssel mit Drenthe und Groningen. (Noch nicht einbegriffen
waren die Bistümer Lüttich und Cambray.) Auf dem Reichstag zu Augsburg
1548 wurden sie zusammen mit der Franche-Comte zum burgundischen Reiche
vereinigt. Doch sollte die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich nicht lange
währen, da sich noch vor Schlufs des XVI. Jh. die nördlich der unteren
Scheide und Maas gelegenen Provinzen als Republik losrissen.
305. Erzbistum Cöln hatte auch in dieser Periode mehrere Er-
werbungen zu dem bisherigen Territorialbestande gemacht: Stadt und
Land Linn und Ürdingen, das ehemalige Reichsgut Kaiserswerth, aber
auch einige Verluste zu verzeichnen.
Stadt und Land Linn mit sechs Dörfern wurden von der Herzogin Mathilde
von Geldern an das Erzstift 1378 in Pfand gegeben. Kaiserswerth war lange
an Cöln, dann an Jülich (1306) verpfändet, 1368 an Ruprecht von der Pfalz,
1399 an die Grafen von Cleve, von denen es 1424 an das Erzstift durch Kauf
überging. — Unter Erzbisch of Dietrich von Moers (1444 — 1449) wurde die Graf
schaft Recklinghausen (in Westfalen) verpfändet. Auch che Stadt Soest ging
infolge der Soester Fehde 1447 an Cleve verloren.
306. Herzogtum Jülich - Cleve - Berg, Grafschaft Mark - Ravensberg,
Herrschaft Ravenstein. Alle die genannten Territorien waren im Jahre
1550 in einer Hand vereinigt. In Cleve -Mark safsen «He Nachkommen
Adolfs (f 1347) von Mark und der Margarete von Cleve, von denen
besonders Adolf IL (VI.) sich hervorgetan hat (Lymers und Ravenstein);
von Sigismund wurde er zum Herzog von Cleve erhoben (1417). Unter
Johann III. (f 1539) fand die Vereinigung mit Jülich - Berg- Ravens-
berg statt.
Im Herzogtum Jülich war die Regentschaft von Wilhelm IL 1393 auf
seinen Sohn Wilhelm III. übergegangen, der durch Erbschaftsansprüche
seiner Mutter, Maria von Geldern, bereits 1379 zum Herzog von Geldern
ernannt worden war. Da er 1402 kinderlos starb, so gingen Land und
Titel an seinen ebenfalls kinderlosen Bruder Reinhold IV. über. Nach
dessen Tode 1423 fiel Jülich (Geldern wurde abgetrennt und kam an
Arnold von Egmond) an die Nebenlinie des Jülichschen Hauses, welche
Wilhelms II. Bruder Gerhard I. (+ 13*50) mit der Erbin von Berg und
Ravensberg begründet hatte. In dem Berg- Ravensbergischen Hause war
aber inzwischen eine Teilung unter den Söhnen des 1380 zum Herzog
erhobenen Wilhelm I. (f 140H) eingetreten : Wilhelm II. erhielt Ravensberg,
der ältere Adolf: Berg. An diesen fiel zunächst das Herzogtum Jülich
und nach seinem Tode 1437 an seinen Neffen Gerhard IL (f 1475). Doch
schon mit dessen Sohne starb die männliche Nachfolge 1511 aus und «lie
einzige Erbin der vereinigten Herzogtümer Marie hatte Johann III., dem
Dig
/ -
307. Grafschaft Manderscheid. 308. Erzbistum Trier.
457
Erben von Cleve-Mark-Ravenstein die Hand gereicht und damit die Ver-
einigung auch mit diesen Territorien herbeigeführt. (Vgl. Tabelle S. 251.)
307. Grafschaft Manderscheid. Das in zwei Linien (Manderscheid
und Kerpen) geteilte Dynastenhaus sollte in dieser Periode zu einem
grösseren Länderbesitz kommen. Die Kerpener Linie starb 1507 mit
Friedrich HI. aus und seine Tochter Margarete von Sombreff bringt die
Herrschaft Kerpen ihrem Gemahl Dietrich IV. von Manderscheid -Schleiden
zu. Eine bedeutende Erwerbung hatte vorher Dietrich III. gemacht, indem
er durch Heirat mit Elisabeth, der Erbtochter des Hauses Schleiden, die
Herrschaften Schleiden und Blankenheim erbte (1468). Von Dietrichs
Söhnen wurden drei neue Linien gestiftet, von denen die ältere von Kuno
gestiftete, Manderscheid-Sehleiden, durch Heirat noch Virneburg, Cronen-
burg und Neuerburg erwarb. Kunos Sohn war jener vorher genannte
Dietrich IV., der Kerpen erwarb. Die von Dietrichs III. Sohne Johann
gestiftete Linie Manderscheid-Blankenheim besafs Blankenheim, Gerolstein,
.Junkerrath, Erp und Bettingen. Die vom dritten Sohn Dietrichs Wilhelm
gegründete Linie Manderscheid - Kail besafs die Herrschaft Kail mit der
Burg Oberkail, Eisenschmidt, Solmlmch, Karlshütte, Bier, Eulendorf,
Gelsdorf und Schwarzenborn. Wilhelms Sohn Jakob (f 1562) ererbt
durch seine Frau Anna die Herrschaft Dollendorf.
308. Erzbistum Trier. Zu den Vergrößerungen des ErzstitVs
gehörten die Herrschaften Schönberg und Schönecken; letzteres wurde
mit 13 Ortschaften dem König Wenzel abgekauft (1384); ferner die Herr-
schaft Limburg a. d. Lahn 1414, als die dortige Dynastenlinie ausge-
storben war.
309. Wild- und Rheingrafsehaft. Unter Johanns II. Söhnen trat
abermals eine Spaltung in zwei Linien und Territorien ein, indem der eine
Sohn Johann III. das wildgräfliche Erbe, der andere Friedrich das rhein-
gräfliche erhielt. Des letzteren Nachkommenschaft starb 1491 aus. Einen
erheblichen Gebietszuwachs hatte die Johannsche Linie zu verzeichnen.
Durch die Heirat Johanns V. (f 1495) mit Johanna von Obersalm gewann
er die Hälfte der Herrschaft Salm; sein Nachfolger Johann VI. (t 1499)
auf dieselbe Weise durch seine Gemahlin die Herrschaften Dimringen,
Vinstingen u. a. ; überdies fiel ihm die Rheingrafschaft der ausgestorbenen
Linie Friedrichs zu. Seine Söhne teilten das Territorium wieder und
stifteten zwei Linien, Philipp (t 1521) die Linie Dhaun, Johann VIT. (f 1531)
die Linie Kirburg.
Die wildgräfliehe Linie Kirburg war mit Otto 1409 erloschen (s. Tafel
S. 257). Johann III. mit Adelheid von Kirburg, einer Nichte jenes Otto ver-
mählt, war von seinem Schwiegervater Gerhard und Otto selbst in den Mitbesitz
des gesamten Kirburger Landes gesetzt worden. Der hierüber mit anderen
Verwandten, den Herren von Dune und Oberstein ausgebrochene Streit wurde
1414 beigelegt. Johann III. blieb im Besitz von Kirburg. Schneider, Gesch.
d. wild- und rheingräfl. Hauses, S. 80 f. Johann V. erwarb dureh seine Heirat
1474 die Herrschaft . Kotslar am Nordende des Waldes von Soigne mit den vier
Orten Rotseiare, Meerbecke, Eversbergs und Cadenberge; ferner 1475 die Hälft«'
der .Lehensherrschaft Salm im Wasgau , die Lehensherrschafteu Mörchingen
(Morange) und Püttlingen (Putelange) südwestlieh von Saargemünde in Lothringen.
458
IX. Politische Geographie um da« Jahr 1550.
Johann VI. erheiratete mit Johannette Gräfin von Saarwerden die freien
Herrschaften Dimringen mit der Stadt, Herrschaft Vinstingen (Fenestrange) in
der Nähe von Salm im Wasgau und Ogewiler (Eigenweiler) westlich von Sahn,
Rayon südwestlich von Luneville, Asinenz (Asmas, Amance) nordöstlich von
Nancy, Neufwiller südöstlich von Dimringen. Die zu jenen Herrschaften gehörigen
Orte verzeichnet Sehneider, S. 56 f. Ihm fiel auch die Rheingrafschaft auf dem
Hunsrück und an der Nahe zu. Ks gehörten hierzu die Amter Kirburg, Wilden-
burg, Thronecken und die Mark Thalfang, Dhaun mit dem Hochgerichtsland,
Grumbach mit der Heide von Sien, das Amt Rheingrafenstein mit den andern
Besitzungen an der Nahe und auf dem Gau.
Nach der Teilungsurkunde vom 6. Januar 1520 zwischen den Söhnen
Johanns VI. erhielt Rheingraf Philipp als Stifter der Linie Dhaun: 1. die
Wildgrafschaft Dhaun (bestellend aus Tal Dhaun, Simmern unter Dhaun, Über-
hochstetten, Nechsthoehstetten, St. Johannisberg; ferner aus dem Amt Rhaunen
mit Stipshausen, Bollenbaeh, Cromenau, Oberkirn, Weitersbach, Sidzbach,
Schwerbach ; und aus dem Gericht Hausen mit Woppenrodt, Wickerodt, Gösen-
roth, Raversbeuren); 2. die Rheingrafsehaft Rheingrafenstein (bestehend aus
Obersaulheini, Eschenloch, Bornheim, Ober- und Nieder-Wendelsheim, Stein-
bockenheim, Münster am Stein, Oberhausen, Münsterappel, Winterborn, Nieder,
hausen, Hochstetten a. d. Alsenz, Alsenz); 3. die Grafschaft Salm; 4. die
Herrschaften Neufwiller, Ogewiler, Pouligny und Bayon.
Rheingraf Johann VII. erhielt als Stifter der Linie Kirburg: 1. die
Wildgrafschaft Kirburg (bestehend aus Sien, Lölbaeh, Schweinsehied, */■ Ober-
reidenbaeh, Niederhundsbach [wüst], Oberhachenbach [wüst], Otzweiler, Bergen,
Berschweiler, Griebelschied, Staufenberg fwüst], Staudernheim, Oberstreits Berg-
weiler, Sulzbach, Weierbach, Meckenbach, Niedermeckenbach (wüst], Kirchen-
bollenbach, Wickenhof, Wiesel- und Ehlenbach, Zaubach und Kerbersheim ;
2. die Herrschaft Wildenburg (bestehend aus Veitsrodt, Kirschweiler, Bruch-
weiler, Schauern, Kempenfeld, Asbach, Oberhusenbach, Breitentheil, Sonn-
schied, Sensweiler, Baalsbach [wüst]; 3. Herrschaft Dimringen; 4. Herrschaft
Merchingen; 5. Herrschaft Püttlingen; 6. Herrschaft Flonheim mit Uffhoven:
7. Herrschaft Asmenz und die Öffnung des Schlosses Salm. Gemeinschaftlich
blieben die Herrschaften Vinstingen, Grumbach, die Bergwerke bei Rheingrafen-
stein, Plaine, Grandfontaine und Gemaingonte, die Waldung von Wildenburg
und Cromenau, ferner Kirn, Sulzbach, Meddersheim und Kirschroth. Vgl. Schnei-
der, S. 133, 154 ff. Fabricius, Erläutrgn. II, 468 ff.
310. Erzbistum Mainz hatte zu seinem Territorialbesitz einige
Neuerwerbungen gemacht.
Greifenstein im NO. von Eschwege wurde 1397 vom Erzbischof erobert.
Eine weitere Erwerbung wurde im Freigericht Wilmundsheim oder Alzenau
(nordwestlich von AsehalTenburg) damals angebahnt. 1400 hatte Mainz in Alzenau
schon Fufe gefafst, bald darauf erwarb es von den Eppensteinern käuflich
weitere Rechte daselbst, die es (bis 1736) mit den Hanauern gemeinsam inne-
hatte; es betraf dies Somborn, Hörstein und Alzenau. 15O0 wurde beiden
Teilhabern das Landgericht von König Maximilian als Reichslehen übertragen.
— Die Eppenstciner hatten 1424 auch Steinheim am Main mit 14 Dörfern
verkauft.
In den Jahren 1491, 1502 und 1505 war Klingenberg am Main durch
Kauf an Mainz gekommen. — Im Jahre 1434 hatte Mainz die Hälfte von Burg
und Vogtei Lindau (bei Gieboldehausen) von Hildesheini als Pfand erhalten.
1492 wird der andere Teil verpfändet. — Das ehemals zu Lorsch gehörig»
Gernsheim am Rhein, das an Katzenelnbogen und dann an Hessen verpfändet
war, wird 1621 vom Erzstift wieder eingelöst. Es gehörten drei Dörfer hierzu
311. Kurpfalz. Die Pfalzgrafschaft hatte unter Ruprecht I. (j 1390)
die halbe Oberpfalz [an Karl IV. eingebüfst, doch war der gröfste Teil
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311. Karpfalz. 459
unter seinen Nachfolgern Ruprecht II. (f 1398) und Ruprecht III. (t 1410,
seit 1400 König) wieder zurückerworben werden. Die vier Söhne des
letzteren teilten das Land: der älteste Ludwig III. erhält die Kurwürde
und die altpfälzischen Stammbesitzungen, Johann die oberpfälzischen
Lande mit Ausnahme von drei Städten und fünf Burgen, der dritte Sohn
Stefan das Gebiet der später Simmerschen und Zweibrückischen Pfalz-
jirafenlinien und Otto die Besitzungen in den Neckargegenden. Die Kur-
linie hatte unter Ludwig III. (t 1436) und Ludwig IV. (t 1449) eine Reihe
von neuen Erwerbungen gemacht; übertroffen aber wurden diese durch
jene Friedrichs des Siegreichen (1449—1476), der durch seine Kämpfe mit
den Lützelsteiner Grafen, mit Ludwig von Veldenz, sowie mit Mainz,
Wirtemberg, Baden seinen Machtbereich beträchtlich erweiterte. Weniger
glücklich war sein Nachfolger Philipp ( — 1508), der in den bairisch-
pfälzisehen Erbfolgekrieg verwickelt, für seino Enkel nur ein mäfsiges
Stück Land im Gebiete von Neuburg an der Donau erhielt. Sehr viel
gröfser aber waren seine Gebietsverluste an Hessen, Wirtemberg, Nürn-
berg sowie an die Grafen von Ottingen und Ortenburg. Seine Schulden-
last zwang ihn schliefslich auch zur Veräufserung einer Reihe von
Besitzungen.
Ruprecht I., der Gründer der Heidelberger Universität, hatte gegen Ende
seiner Regierung noch einige Erwerbungen gemacht: 1385 Kaiserslautern, Zwei-
briicken, Hornbach und Bergzabern, ferner Burg Triefeis, Germersheini und
Anweiler; durch Kauf: Ladenburg, Mosbach, Sinsheim, Neckargemünd, Sickingen,
Flehingen, Gimpern und Weingarten. Ruprecht II. erwarb Umstadt und
Otzberg ; Ruprecht III. : Lauda an der Taubor, Herrschaft Kirchberg am Hunds-
rück, sowie den fünften Teil der Grafschaft Sponheim.
Bei der Landesteilung nach Ruprechts Tode erhielt Ludwig! III., der die
Hauptlinie mit der Kurwürde fortsetzte: Bacharach und Burg Stahleck, das
Tal Steeg und Feste Stahlberg, Lauburg, den Pfalzgrafenstein und Fürsten-
berg, Diebach und Manebach, Sürberg, Alzei. Neustadt, Wolfsberg, Mannheim
und Burg Rheinhausen, Wemheim, Lindenfels, Heidelberg mit seinen zwei
Burgen und Dilsberg; in der Oberpfalz die Städte Amberg, Kemnat, Nabburg,
die Burgen Murach, Waldeck, Helfenberg, Hurbsburg und Rüden, aufserdem
Stromberg am Rhein imd Neckargemünd, sowie gemeinsam mit den Brüdern
einige Ortschaften und Recht auf Gefälle und Güter. Näheres bei II ausser,
I, 264 ff. Aufserdem erwarb er zwei Fünftel der Grafschaft Sponheim (1417).
Ludwig IV. (1437 — 4149) kaufte den letzten Grafen von Löwenstein 1441
ihre Grafschaft ab und erwarb Meckmühl a. d. Jaxt, Aglasterhausen u. a.
Sehr umfassend sind die Erwerbungen Friedrichs des Siegreichen. Häusser
(1. c. I, 396—99) gibt ein ausführliches Verzeichnis aller Besitzungen der Pfalz
zur Zeit Friedrichs, auf welches hiermit verwiesen sei. Durch ihn waren hinzu-
erworben worden: Kaiserswerth, Böckelnheim, Ruprechtseck, Pfeddersheim und
Armsheim; zu beiden Seiten des Mittelrheins: Lambsheim, Dirmstein, Wachen-
heim, Alt- und Neu-Lciningen, Bissesheim, Erfenstein, Grevenstein, Hafsloch,
Böhl, Igelheim, Stolzeneck, Hornberg, Wellersau, Reilingen, Hokenheim, Rothen-
burg; längs der neuerworbenen Bergstrafse: Handschuhsheim, Dossenheim,
Sehauenheim, Schriesheim mit der Strahlenburg, Heppenheim mit der Starken-
burg und Bensheim; im Württemberg-Badischen Gebiet das Amt Weinsberg,
Besigheim, Heidelsheim, Eppingen; im Elsafs: Lützelstein, Einartshausen,
Beinheim, Cleeburg, Hohenburg, Löwenstein, Wachsenstein, Hohkonigsburg,
Geispolzheim, Bietenheim u. a. — Alle diese Besitzungen wurden in 18 Ämter
eingeteilt.
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460 I* Politische Geographie um das Jahr 1550.
Unter Philipp (1476—1508) kam die sog. Junge Pfalz hinzu, im wesent-
lichen das Gebiet um Neuburg zu beiden Seiten der Donau. Verzeichnis der
Orte bei Häusser I, 490, Anmkg. 3. Verloren gingen durch den Krieg an
Hessen: die Orte Umstadt, Otzberg, Rheinberg, Schönberg, Stein, Bickenbach,
Homburg v. d. Höhe und Caub; an Wirtemberg: Weinsberg, Marbach, Maul-
bronn, Neustadt a. K., Meckmühl, Besigheim, Heidenheim, Hellenstein: an den
Pfalzgrafen von Veldenz: Landsberg und Moschel; an die Stadt Nürnberg:
Altdorf, Bezenstein, Hersbruck, Hohenstein, Grünsberg u. a. Häusser, 1. c. 491:
daselbst auch S. 492 f. das Verzeichnis der verkauften und verpfändeten Güter.
— Unter seinen Nachfolgern Ludwig V. (— 1544) und Friedrich II. (— 155<i;
trat dann keine Veränderung mehr ein.
312. Pfalz Simmern und Pfalz-Zwelbrücken. Der dritte der Söhne
König Ruprechts Stefan hatte bei der Teilung einen Teil der Güter auf
dem linken Rheinufer erhalten. Durch die Heirat mit der Erbgräfin
Anna von Veldenz ererbte er die gleichnamige Grafschaft und mit ihr
einen Anspruch auf die Grafschaft Sponheim. Der ganze Landbesitz
wurde unter die Söhne Stefans (f 1459) geteilt. Der älteste Sohn Friedrich
erhielt den veldenzischen Anteil an Sponheim und von seinem väter-
lichen Erbe die simmernschen Besitzungen; er stiftete die hiernach be-
nannte Linie Pfalz-Simmern. Der andere Sohn Ludwig erhielt Zwei-
1 »rücken und Veldenz und gründete die Linie Pfalz-Zweibrücken.
Von den beiden anderen Söhnen König Ruprechts hatte Johann
(t 1443) die Neumarkter Linie in der Oberpfalz gestiftet, die mit seinem
Sohn Christoph III. (zugleich König von Dänemark) schon 144H aus
stirbt. Der vierte Sohn Otto I. (Linie Mosbach) hatte auch nur noch
einen Nachfolger, der 1499 starb. Die Besitzungen der beiden Linien
fielen somit an das Kurhaus zurück.
Die Besitzungen Johanns in der Oberpfalz werden verzeichnet von
Häusser I, 323, jene Ottos I. auf dem Odenwalde, am Neckar und der Berg-
strafse mit den beiden bedeutenderen Orten Mosbach und Sinsheim ibid. 1, 328.
Die Grafschaft Sponheim-Kreuznach (Vordere Grafschaft, vgl.
S. 255) war mit Simon IV. im Mannesstamme 1414 erledigt. Er hatte noch
durch seine Gattin die Grafschaft Vianden mit St. Vith, Bütgenbach und
Dasburg im Lützelburgischen und die Herrschaft Grimbergen in Brabant ge-
erbt. Seine Tochter Elisabeth war an Ruprecht Pipan von der Pfalz verrnählt.
Sie hatte ein Fünftel der Vorderen Grafschaft an die Kurpfalz abgetreten,
während che anderen vier Fünftel bei ihrem Tode 1417 an Johann V. von
Spouheim-Starkenburg fielen. Johann hat ein anderes Fünftel 1422 abermals
an die Kurpfalz (Ludwig III.) verkauft. Da er keine Aussicht auf männliche
Nachkommen hatte, so bestimmte er 1425 die übrigen drei Fünftel der Vorderen
und che ganze Hintere Grafschaft für seine Vettern Markgraf Bernhard von
Baden und Friedrich 111. von Veldenz. Letzterer, ebenfalls ohne männliche
Erben, hatte nur eine Tochter Anna, die an jenen Stefan von Pfalz-Simrnern
vermählt war. Als Friedrich von Veldenz um die Mitte des Jahrhunderts starb
fiel sein Anteil an der Vorderen und die halbe Hintere Grafschaft an Stefans
Sohn: Friedrich. Veldenz selbst hei an den anderen Sohn Ludwig den
Schwarzen. Beide begründen die obengenannten Linien.
Geographisch verteilten sich die Besitzungen folgendermafsen:
Pfalz -Simmer n (Friedrich) bestand aus dem veldenzischen Anteil an
Sponheim und dem Simmerachen Gebiet: Simmern, Laubach, Hohenrein.
Argental, Ravengersburg, Waldeek, Ehrenberg, Wilburg, Daubenheini, Wachen
313. Grafschaft Inningen.
461
heim, Oggersheim, Lamsheim, teilweise: Freinsheim, Hügelheim, Stromberg
und Landstuhl.
Pf alz -Zweibrücken (Ludwig) bestand aus der ehemaligen Grafschaft
Veldenz mit: Veldenz, Lichtenberg, Cusel, St. Remigiusberg, Nahfelden, Pfedders-
heim, Lauterecken, Meisenheim, Landsberg, Moschel, Odernheim, Armsheim;
hierzu als väterliches Erbteil die Grafschaft Zweibrücken mit: Zweibrücken.
Hornbach, Bergzabern, Anteil zu Homburg, Feste Kirkel, Öffnung zu Bunten-
bock, Duchrod, Hussen, Gemeinschaft zu Gutenberg, Falkenburg, Minfeld, Feste
Wegelburg, Neukastel, Trifels, Teile zu Nanstuhl. Hochfelden, Marlei, Alten-
wolf stein.
Ruprecht III. f 1410
von der Pfalz (Konip 1400)
Ludwig III.
f 1436
Alte Kurlinie
Stefan f
mern-Zt
1455)
eibrürk
Ludwig IV
t 1449
I
Philipp
f 1508
Friedrich
d. Siegreiche
t 1476
Friedrich
Simmem
f 1480
Ludwig
Zxceibriicken
f 1489
Johann
Oherpfälz.
Linie
I
Christoph in.
Kg.v. Pancm.
f 1448
ttt
Otto I
MoHbacher L.
1499
ttt
Friedrich d Fromme (hentigo köngl.
"ttoHeinrich mittlere Kurlinie Linie in Baiern ^
t 1559 f 1576
ttt
Von seinem Besitz verlor Ludwig aber durch den unglücklichen Krieg
gegen Friedrich den Siegreichen von kurpfalz (s. d.) einen beträchtlichen Teil
1471. Vgl. das Verzeichnis bei Häusser 1, 392.
313. Grafschaft Leiningen. Die Grafenfamilie war in zwei Linien
gespalten (S. 261). Die ältere Linie Friedrichs V. war mit Hesso 1467
erloschen und dessen Schwester Margarete, die an Reinhard V. von
Westerburg (t 1449) vermählt gewesen war, wendete einen Teil ihres
Erbes ihrem Sohn Kuno (t 1450), bzw. ihrem Enkel Reinhard VI. zu.
Die Linie nannte sich hiernach Lein ingen- Westerburg. Kunos II.
(t 1547) Söhne gründen drei neue Linien mit entsprechendem Territorial-
hesitz: Philipp I. erhielt die Grafschaft Leiningen, Alt- und Xeu-Neiningen;
Reinhard : die Schlösser Westerburg, Schadeck mit einigen Orten und
Georg I.: Schlofs Schaumburg, Cleeberg mit Zubehör.
Die jüngere Linie Gottfrieds hatte sich unter Emichs IX. (f 1541)
•Söhnen in zwei Linien gespalten : Leiningen-I)agsburg-IIartenburg (Johann
Philipp I.) und Leiningen-Dagsburg-Falkenburg (Emich X.).
Jene Margarete von Leiningen hatte nicht' das ganze 'väterliche Erbgut
zu behaupten vermocht, da die wormsischen und kurplälzischen Lehen als
erledigt angesehen wurden und das allodiale Erbe auch von der Hartenburger
Linie angefochten wurde. Cf. Brinckmeier, Gesch. des Hauses Leiningen
II, 111.
Von Fritzmann (f 1345), einem Sohne Gottfrieds I., war eine Nebenlinie
Rixingen {Ruxingen) begründet worden. Kixingen (Rechicourf) war eine Herr-
schaft in Ix)thringen, deren Herren mit Konrad ausstarben. Seine Tochter
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IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
bringt das Territorium ihrem Gemahl
Fritzmann zu. Doch stirbt diese
Leiningensche Linie 1506 sehon aus.
Die Hälfte fiel an das Bistum Metz,
das übrige an die beiden letzten
Erbtöchter.
314. Bistum Worms. Das
Städtchen Neu-Leiningen war
wormsisches Lehen, und das
Stift zog es 1467 ein, als Graf
Hesso von Leiningen gestorben
war. Doch gab dieses es zur
Hälfte an Pfalzgraf Friedrich von
neuem zu Lehen, während die
andere Hälfte an die Georgische
Linie von Leiningen kam, die es
selbst an das Bistum verpfändete.
315. Herzogtum Lothringen.
Das Aussterben der Dynastie in
männlicher Linie hatte zu wechsel-
vollen Verwickelungen geführt.
Herzog Johann L hinterliefs 1389
zwei Söhne, Karl I. und Fried-
rich (t 1415), von denen letzterer
mit Margarete, der Erbin von
Vaudemont und Joinville ver-
mählt war; sie war die Tochter
des Grafen Heinrich V. von
Vaudemont. Karl I., der als
Herzog seinem Vater folgte, hatte
nur eine Tochter Isabella, die
an den Grafen von Anjou und
Herzog von Bar Renatus L ver-
mählt war. Gegen beide erhob
Friedrichs Sohn Anton An-
spruch auf die Nachfolge im
Herzogtum, wurde aber in einer
für ihn ungünstig ausfallenden
Schlacht 1431 zum Verzicht ge-
zwungen. Renatus (Rene") I. er-
kannte 1452 seinen Sohn Johann
als Herzog von Lothringen an
(f 1470); auf letzteren folgte
dessen Sohn Nikolaus, der aber
schon 1473 starb. Damit fiel das
Herzogtum an den Mannosstamm
der Lothringer zurück, und zwar
316. Grafschaft Obei-aalm. 317. Habsburg-ÖHtcrroichiache Territorien. 463
an den Sohn Graf Friedrichs von Vaudemont, der die Tochter Renatus' I.
Jolantha geheiratet hatte; dieser Sohn war Renatus IL, bei dessen Nach-
folgern das Herzogtum zunächst verblieb.
Johann I. f 1389
Karl I. f 1431 Friedrich f 1415
Graf v. Vaudemont
I I
Isubcllii Anton
X Renatus I. v. Anjou
t 1480
, >
Johann II. Jolantha Friedrich
t 1470
j Renatus II. f 1&08
Nikolaus
t 1473
316. Grafschaft Obersalm hatte sich unter den Söhnen Johanns VI.
im XV. Jh. in zwei Hälften geschieden. Simon, der mit Johanna von
Rotselar vermählt war, hatte nur eine Tochter Johanna hinterlassen, die
an den Rheingrafen Johann V. (s. d.) vermählt war und diesem somit
die eine Hälfte zubrachte, und Johann VII. hatte die andere Hälfte.
Sein Sohn Johann VIII. erwarb durch Erbschaft von seiner Grofsmutter
mütterlicherseits die Herrschaft Vinstingen (Fenestrange). Es umfafste
sein Gebiet die halbe Grafschaft Salm, dazu Vivier, Vinstingen, Fauque-
mont (Falkenberg), Ubexy, Brandenburg im Lützclburgischen, Stainville
und Loupy.
317. Habsburg-Österreichische Territorien waren die Grafschaft
Pfirt, die Herrschaften Landser, Masmünster, Ensisheim, Isenheim, Boll-
weiler, Landsberg, Weilerthal und Königsburg.
Einige von diesen waren als Lehen weitergegeben oder verpfändet worden-
Das Sehlofs Hohkönigsburg war 1472 durch Erzherzog Sigismund von öster.
reich und andere wegen Räubereien erobert und bald darauf verlehnt" worden.
318. Herrschaft Rappolstein und andere Territorien. Rapp Oi-
ste in hatte Ende des XIV. Jh. Zellenberg mit Bennweier erworben.
Bergheim war verpfändet und seit 1495 in österreichischem Besitz. Die '
Plixburg (Blicksberg, Pflichteburg) mit den Dörfern Günsbach und Gries-
bach war vorher in verschiedenen Händen gewesen ; 1434 wurde sie
von Rappolstein käuflich erworben. Wasserburg kam 1428 pfandweise
in ihren Besitz (1575 als Lehen von Colmar). 1437 war auch die Herr-
schaft Hohenack wieder an sie zurückgegeben worden. 1495 kauften sie
den Hettenschlag (den Kostenwald).
Grafschaft Horburg war noch in der Hand der Wirtemberger, die
.seit 1397 auch die burgundische Grafschaft Möinpelgard (Montbeliard) besafsen.
Reichsabtei Murbach hatte die in der Niederung liegenden Besitz-
anteile wegen der Entfernung nicht zu halten vermocht, um so entschiedener
aber sich im Murbach-Gebweiler- und St. Amarintal auch fernerhin behauptet.
Reichsabtei Andlau bestand als reiehsuninittelbare Benediktinerinnen-
abtei fort.
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464 IX. Politische Geographie um dun Jahr 1550.
319. Reichsstadt Mülhausen war mit Albrecht II. an das öster-
reichische Kaiserhaus gekommen. 1469 an Karl den Kühnen von Burgund
verpfändet, trat sie aus dem Zehnstädtebunde aus und der schweizerischen
Eidgenossenschaft bei.
Im Jahre 1437 erwarb die Stadt zu dem eigentlichen Stadtgebiet noch
die Dörfer lllzach und Modenheim käuflich hinzu.
Zehnstädtebund. Die zehn Reichsstädte des Elsafs, die der Land-
vogtei als nicht ganz reichsunmittelbar unterstellt waren, hatten 1515 Mülhausen
aus dem Bunde ausscheiden sehen. Dafür war bereits 1511 Landau in der
Pfalz dem Bunde beigetreten.
320. Bistum Strafsburg hatte ebenfalls einige Gebietsteile verlehnt
und verpfändet. So war Mutzig mit Hermolsheim und Wege 1429 an
Wirich II. Puller von Hohenburg in Pfand gegeben worden, wurde aber
1510 wieder zurückerworbeu. Auch Dachstein war lange Zeit an die
Stadt Strasburg verpfändet gewesen; desgleichen der Bezirk Kochers-
berg 1448-1538.
Getrennt von dem eigentlichen Stiftsgebiet war das Territorium des Strafe
burger Domkapitels. Die Herrschaft Frankenburg im südlichen Teile des
Weilertales wird 133(5 als Lehen von» Bistum Strafsburg an die Grafen von
Werd genannt. Als Pfandobjekt war sie durch verschiedene Hände gegangen
und kam 1411 als solches an das Domkapitel. Auch andere Gebiete, wie die
von Kestenholz, Ehersheim, Eschau, Borsch und Erstein gingen aus dem Besitz
des Strafsburger Bistums in die Hand des Domkapitels ül>er.
321. Reichsstadt Strafsburg hatte anfangs nur ein beschränktes
Stadtgebiet gehabt; im Laufe des XV. Jh. erweiterte sich das Territorium
durch Erwerbungen verschiedener Ämter, die im Elsafs verstreut lagen
und fast alle aus altem Reichsgute stammten.
Den Bezirk von Iiikirch (südlich von Strafsburg) kaufte die Stadt 14 18
von Kaiser Siegismimd. Dorlisheim (südlich von Molsheim) wurde seit 149r»
stückweise erworben, Ittenheim und Handschuhheim 1507. Marlenheim (in
der fränkischen Zeit durch die Pfalz berühmt) wurde stückweise 1480, 150*
und 1004 erworben. Wasselnheim 14ÜG. Letztgenannte Gebiete liegen westlich
von Strafsburg im Berglande. Die Herrschaft Herrenstein (bestehend aus Det-
weiler und Dossenheim nordöstlich von Zabern) war Metzer Bistumslehen und
seit 1380 zu 3/-i in Händen von Zweibrüeken-Bitseh und V4 vo11 Lichtenberg
und Bistum Metz. Von diesen erwarb sie die Stadt in einzelnen Teilen KW*.
1422, 1429, 1404, 1478 und 1480. Die Herrschaft Barr wurde 1560 käuflich er-
worben aus dem Besitz der Familie Ziegler.
332. Abtei Maursmünster. Die Marca aquilensis hat an ihrem ehe
maligen Umfange durch Teilung in vier Teile Einbufse erlitten. 1390
war das Haus Geroldseck erloschen. Die Mark kam zur Hälfte an die
LIerren von Ochsenstein und Wangen, zur anderen Hälfte an Lützelstein,
aus deren Besitz §de in verschiedene andere Hände überging.
323. Herrsehalt Fleekenstein hatte eine Vergröfserung erfahren
Niedersteinbach und Pfaffenbronn waren L>20 durch Kauf ganz an die
Fleckensteiner gekommen. Auch das spätere Amt Rödern mit Niederröden:
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324. Herrschaft Lichtenberg-Hanau. 325. Markgrafschaft Baden. 465
und sieben Orten fiel ihnen als kurpfitlzisches und markgräflich badisches
Lehen zu. Dagegen war die Herrschaft Beinheim mit drei Dörfern 1402
an Markgraf Bernhard von Baden verkauft worden. Zu Zutzendorf war
das getrennt liegendo Weitersweiler hinzuerworben worden.
Die Herrschaft bestand damals aus den Ämtern : Fleckenstein, Sulz unterm
Wald, Rödern, Riedgau oder Grafschaft UtTried, Weitereweiler und Kuten-
hausen.
324. Herrschaft Lichtenberg-Hanau. Die Familie der Lichtenberg
war 1480 in männlicher Linie ausgestorben. Das Territorium fiel an
die Nichten des letzten Lichtenberger Herrn bzw. an deren Gatten, und
zwar: zur Hälfte an den Grafen von Hanau, zur Hälfte an den Grafen
von Zweibrücken-Bitsch.
Nicht unbeträchtlich waren die Neuerwerbungen zu dem Hanau-Lichten-
berger Anteil. Die Herrschaft Hüneburg war 1493 schliefslich ganz an diese
neue Linie gefallen. Ebenso hatte das Amt Brumath einigen Zuwachs erfahren
(Eckwersheim 1454). Oberbronn war 1480 der Zweibrücken-Bitscher Linie zu-
gefallen. Auch Niederbronn, ehemals den Landgrafen von Werd, dann (1330)
den Herren von Ochsenstein gehörig, kam nach dem Tode des letzten Herrn
von Ochsenstein an seinen Neffen Heinrich von Zweibrücken-Bitsch. 1535
waren Oberbronn und Niederbronn in der Hand einer Nebenlinie: Zweibrücken-
Bitech-Lichtenberg vereinigt, doch 1541 von Zweibrücken-Bitsch abgezweigt
worden. 1551 kam Oberbronn durch Heirat an den Grafen Philipp I. von
Leiningen- Westerburg. Niederbronn war bereits 1543 an Zweibrücken-Bitsch
zurückgekommen.
Die Grafschaft bestand aus den Ämtern: Buchsweiler, Ingweiler, Pfaffen-
hofen, Brumath, Wörth, Offendorf, Hatten, Niederbronn (um 1550 nicht in
ihrem Besitz), Wolfisheim, Westhofen.
325. Markgrafschaft Baden. Rudolfs VI. Söhne, Bernhard I. und
Rudolf VII. hatten 1388 geteilt; da letzterer 1391 kinderlos starb, so fiel
alles an Bernhard I. wieder zurück. Er vergröfserte sein Land durch
mehrere Erwerbungen, von denen der Ankauf von Hochberg von der
mit Otto 1418 aussterbenden Linie die bedeutendste ist. Sein Sohn
Jakob I. erwarb einen Teil der Grafschaft Sponheim, auf welche schon
sein Vater durch den Vertrag zu Beinheim mit Johann von Sponheim-
Starkenburg 1425 eine Auwartschaft begründet hatte. — Christoph I.
erhielt nach dem Aussterben der Sausenberger Linie 1503 auch die
Herrschaft Sausenberg. Unter seinen Söhnen fand die bedeutsame
Teilung von 1533 statt in Baden -Baden und Baden - Durlach, die beinahe
zweiundeinhalb Jahrhundert lang bestanden hat.
Die Markgrafse Ii a f t H a c h b e r g oder H 0 c h b e r g war noch im Besitz
der beiden Teillinien gewesen, der Haehberger und Sausenberger (s. oben S. 274).
In der Haehberger hatte Hesso 1388 noch Sulzburg gekauft und 1392 von Anna
von Urenberg einen Teil von Burg und Herrschaft Höhingen, dessen anderer
Teil auch schon erworben war, somit auch die ganze Oberherrschaft Usenberg ;
ferner erwarb er 1403 und 1404 die lichtenbergsehen Güter in Ingweiler, Sponeck,
Busweiler und Weifsweiler. Sein Sohn Otto verkaufte aber in Geldverlegen-
heit die beiden Herrschaften Hachberg und Usenberg an Markgraf Bernhard
von Baden (1414). — Die Sausenberger Linie hatte die Herrschaften Röteln
und Badenweiler erworben und erloseh mit Philipp 1503; ihr Gebiet fiel eben-
falls an die Badener Hauptlinie.
Kretachmer, Historische Geographie.
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466 IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.]
In der Baden-Badener Linie hatte Rudolf VII. noch Gernsbach, Gochs-
heim, Neu-Kberstein und Muggensturm erworben; Bernhard L gewann Herren-
berg, llcchingen, Messingen und Masbach, ferner Langenalb, Liedolsheim u. a. —
Unter Jakob I. kam 1422 noch halb Lahr und Mahlberg, Bergheim und Schauen-
burg hinzu. — Durch den Loskauf Karls I. aus der Gefangenschaft wurde an
Kurpfalz der Anteil an Sponheim, Besigheim (1529 eingelöst) und Beinheini
wieder verpfändet und Pforzheim wurde pfälzisches Lehen (1463). — Sein Sohn
Christoph erhielt als Reichslehen die Herrschaften Rodemachern, Reichersberg,
Herspringen, Bolcheren und Ufeldingen in Luxemburg (1492), und 1497 die
andere Hälfte von Lahr und Mahlberg. — Mit der Linie Sausenberg war eine
Erbeinigung 1490 zustande gekommen (Rötelnsches Gemächt); indessen, die
Erbtochter Johanna heiratete einen Herzog von Longueville, infolgedessen mit
der Badener Linie ein Erbstreit entstand (bis 1581).
Bei der Teilung von 1533 wurden die drei Söhne Christophs I. gleich
mäfsig bedacht ; da der eine Philipp in demselben Jahre verstarb, so beschränkte
sich die Teilung auf zwei Hälften. Bernhard HI. erhielt die Sponheim- und
Lützelburgischen Lande (Rodemachern etc., s. vorher), ferner die Städte, Schlösser,
Ämter Baden, Bühl, Steinbach, Iberg, Stollhofen, Rastatt, Rheinau, Kuppen-
heim, Ettlingen mit der oberen Hardt bis zum Rhein, die Herrschaften Lahr,
Mahlberg, Geroldseck, halb Gernsbach, Beinheim jenseite des Rheines und
mehrere Dörfer und Vogteien. Ernst erhielt: Hachberg, Usenberg, Sausenberg,
Röteln, Badenweiler, die Städte und Ämter Pforzheim, Stein, Durlach, Mühl-
berg, Hochstetten mit der unteren Hardt, Eggenstein, Graben, Stafforth, Alten-
steig, Liebenzell, Besigheim, Mundelsheim mit Dörfern und Schirmrechten über
Kloster Gottesau. — Bernhard hatte die sog. Obere Grafschaft Baden-
Baden, Ernst die Untere Grafschaft Baden -Pforzheim. Sem Sohn
Karl verlegt 1565 die Residenz nach Durlach, weshalb Linie und Territorium
fortan Baden -Durlach hieben.
Die Herren von Geroldseck hatten ihren Hauptbesitz westlich um
Hohengeroldseck und Schuttern; seit dem XIII. Jh. besafsen sie Lahr, seit
Anfang des XI V. auch Anteil an Mahlberg. J^ahr und Mahlberg kamen 1426
durch Adelheid von Geroldscck an Graf Johann von Saarwerden, dann an die
Nassauer Grafen von Saarbrücken und schließlich an Baden, doch erst nach einem
langen Rechtsstreit (1629 beendet).
326. Land der Eidgenossen. Das XIV. Jh. war das der Ent-
stehung und Befreiung der Eidgenossenschaft, das XV. das der Erweiterung
und Verstärkung.« Während der Bund der acht alten Orte (Uri,
Schwyz, Unterwaiden, Luzern, Zürich, Glarus, Zug, Bern) sich im Laufe
eines halben Jahrhunderts zusammengefunden hatte, sollte doch län-
gere Zeit vergehen, ehe wieder neue Bundesgenossen mit aufgenommen
wurden. Die rivalisierende Eifersucht unter den Eidgenossen selbst,
besonders zwischen den Land- und Stadtkantonen bewirkte, dafs man
nur schwer und ungern Verbindungen mit neuen Mitgliedern auf Gleich-
berechtigung einging. Man suchte trotzdem durch Bündnisse den Macht-
kreis zu erweitern, indem man anderen Orten eine freilich sehr ein-
geschränkte Teilnahme an der Eidgenossenschaft zugestand. Es waren
dies die sog. ^Zugewandten Orte«. — Vollberechtigte Bundesmitglieder
wurden 14H1 : Freiburg und Solothurn, 1501 Basel und Schaffhausen
und 1513 Appenzell, welches seit 1411 schon unter dem Schutz der Eid
genossen gestanden hatte; sie bildeten fortan die Eidgeno ssons ch aft
der dreizehn Orte. Zu den Zugewandten Orten gehörten: Genf,
Neuenburg, Bistum Basel, Abtei St. Gallen, Stadt St. Gallen, Mülhausen,
Biel und Rottweil in Wirtemberg, Graubünden und Wallis.
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326. I^and der Eidgenossen.
467
Das Verhältnis der Eidgenossen zu Österreich hatte sich infolge
ihres kraftvollen Auftretens seit den Burgunderkriegen immer gelockert,
wenn auch Österreich immer wieder Versuche machte, die Oberhoheit
sich zu wahren. Der Entscheidungskampf 1499 bei Dorneck a. d. Birs
führte zum Frieden von Basel und damit zur vollständigen Loslösung
der Schweiz vom Deutschen Reiche.
In den Kämpfen mit Österreich hatte auch der Territorialbcstand gelegentlich
Vergröfeerung erfahren. Zunächst hatten die einzelnen Kantone selbst neue
Erwerbungen gemacht. S c h w y z hatte 1402 Küfsnacht erworben ; L u z e r n 1380
die Herrschaft Wäggis mit Vitznau, ferner das Entlebuch, Sempach, die Herr-
schaften Wollhusen und Rothenburg und 1407 Willisau durch Kauf; Zürich
hat erst in dieser Periode sein Gebiet wesentlich begründet und vergröfsert:
1384 erwarb es die Herrschaften Küfsnacht (später an Schwyz) und Goldbach-
ferner Höngg; 1385 Vogtei Thalwcil, 1390 Pfäffikon und Wollrau, 1400 Erlen-
bach, 1402 Greifensee, 1405 Männedorf, 1406 Maschwanden, Horgen, Rüsch,
likon , 1408 Herrschaft Grüningen, 1409 Regensberg und Bülach, 1410 Vogtei
Meilen; auch Uri, eng zwischen Bergen eingeschlossen, versuchte im XV. Jh.
über den Gotthard sich auszubreiten, und das Livinental, bis dahin im mai-
ländischen Besitz, kam damals an Uri (1441).
Im Jahre 1415 hatten die Schweizer auch den Aargau den Österreichern
angenommen, 1460 desgleichen den Thurgau; der alte Zürichkrieg zwischen
Zürich und Schwvz nach dem Aussterben der Grafen von Toggenburg (1436)
führte zu einer Niederlage der Österreicher. Auch der Krieg gegen Karl den
Kühnen von Burgund, der 1477 zu Nancy sein Leben beschlofs, trug zur
politischen Stärkung der Eidgenossen und zur Auffassung bei, ein selbständiger
Staat zu sein. — Zwist und Eifersucht der Kantone untereinander führten zu
sonderbaren Verhältnissen, zumal einige Orte nur von einzelnen Kantonen als
Mitglieder aufgenommen worden waren, und auch die IMvilegien der einzelnen
Kantone sehr verschiedene waren.
Genf hatte sich seit dem Anfang des XIV. Jh. dem Vizedomue und Bischof
gegenüber immer selbständiger zu machen vermocht. Als das Haus Savoyen
nach dem Aussterben der Grafen von Genf sich die Suprematie über die
Stadt anmafste, suchte Genf einen Anschlufs an die Eidgenossenschaft und
konnte 1530 seine Unabhängigkeit dem Herzog von Savoyen gegenüber erzwingen.
— In der Grafschaft Neuenburg war 1395 das Grafenhaus ausgestorben
und das Land seitdem durch Erbschaft in verschiedene Hände gelangt, zuletzt
1504 an den Prinzen Ludwig von Orleans, Herzog von Longueville. Mit ver-
schiedenen Kantonen (Solothum 1369, Bern 1406, Freiburg 1495, Luzern 1501)
hatte das Land vorher schon mehrmals Bündnisse geschlossen und war dadurch
in ein engeres Verhältnis zur Kidgenossenschaft getreten. — Die Stadt St. Gallen
hatte sich von der Abtei St. Gallen immer mehr befreit und war 1454 als
Zugewandter Ort der Eidgenossenschaft beigetreten ; kurz vorher hatte auch der
Abt sich als Mitglied aufnehmen lassen (1451). — Die Stadt Mülhausen im
Oberelsaff war 1466 mit Bern und Solothurn ein Bündnis eingegangen und
1515 in die Eidgenossenschaft aufgenommen worden. In ein ähnliches Ver-
hältnis war die Stadt Rott weil in Schwaben 1463 und 1519 getreten. —
Die Stadt Biel hatte vordem in Abhängigkeit des Bistums Basel gestanden,
aber mit einzelnen Kantonen schon 1279 und 1352 Bündnisse geschlossen, bis
sie im XV. Jh. als Zugewandter Ort Aufnahme fand. — Wallis, das Rhonetal,
hatte politisch eine Teilung in Oberwallis und Unterwallis erfahren ; in letzterem
hatten seit 1260 die Grafen von Savoyen die Herrschaft an sich gerissen, in
jenem wufste der Bischof von Sitten in Verbindung mit den Landgemeinden,
den sieben Zenden, sich zu behaupten. Im Jahre 1416 hatten sie schon mit
Luzern, Uri und Unterwaiden ewige Bündnisse geschlossen, 1475 traten sie in
die Eidgenossenschaft ein, nachdem sie auch das Unterwallis wieder zurück-
30»
468 IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
erworben hatten. Gay, Histoire du Valais, Genf 1888. Wolf und Ceresole,
Wallis und Chanionix, Zürich 1888. — In Churrätien hatte der Bischof von
Chur seit alters die geistliche und weltliche Herrschaft inne. Die Absicht des
Bischofs Peter, das Land der österreichischen Oberhoheit zu unterstellen, führte
zu einer Koalition des Domkapitels und der Stadt Chur, die den sog. Gotteß-
hausbund stifteten (Engadin). Ebenso hatte der Abt von Disentis mit den
Herren von Sax und Käzüns und den Grafen von Werdenberg 1395 einen
Bund, den Oberen oder Grauen Bund geschlossen (in den beiden Oberrhein-
tälern). Auch in den Gebieten, welche die Grafen von Toggenburg in Rätien
besessen hatten (Prätigau, Davos, Churwalden), entstand ein Bund 1436, der
Zehngerichtenbund. Im Jahre 1450 traten die drei Bünde in eine engere
Vereinigung ein und 1497 und 1498 traten sie mit den Eidgenossen in ein Freund-
schaftsbündnis (der Zehngerichtenbund erst 1590), wenn auch Graubünden
immer eine gewisse politische Selbständigkeit der Schweiz gegenüber bewahrte.
Neben den zuständigen Orten gab es auch noch gemeine Herr-
schaften oder Vogteien, die von einzelnen Kantonen abwechselnd regiert
wurden. Zu diesen gehörten die Städte Bremgarten, Mellingen imd Baden,
die Grafschaft Baden, die Freien Ämter, der Thurgau und die Städte Frauen
feld und Diessenhofen, das Rheintal und die Grafschaft Sargans; ferner die
Vogteien nach der italienischen Seite hin, wo sie 1503 vom französischen König
abgetreten erhielten : Bellinzona, Blegno und Riviera und 1513 Lugano, Men-
drisio, Locarno, Valmaggia, Bormio, Veltlin und Chiavenna.
327. Herzogtum Wirtemberg. In dieser Periode hatte der Terri-
torialbesitz namhafte Erweiterungen erfahren. Hatte schon Eberhard III.
der Greiner (f 1392) nach dieser Richtung erfolgreich gewirkt und durch
den für ihn glücklich beendeten Städtekrieg auch sein Ansehen und
seine Machtstellung in Schwaben befestigt, so blieb auch sein Enkel und
Nachfolger Eberhard der Milde (f 1417) im Landerwerb nicht zurück,
wenngleich er auch in Geldverlegenheiten beträchtliche Stücke veräufsern
mufste : Im Jahre 1394 kam auf diesem Wege die Burg Neu-Rofswag an
das Kloster Maulbronn und 1399 überliefs er die Herrschaften Sigmaringen
und Veringen, die Vogteien über die Klöster Heiligkreuzthal, Habsthal,
Wald und Hedingen (österreichische Pfandschaften) an den Grafen Eberhard
von Werdenberg für 7212 Goldgulden und 1409 versetzte er an denselben
die Dörfer Langenenslingen und Billafingen, wodurch dieser Besitz für
immer dem Hause Wirtemberg entfremdet worden ist. Sein Sohn Eber-
hard V. der jüngere (f 1419) machte freilich den eingetretenen Verlust
wieder gut, und zwar durch seine Heirat mit der Erbnichte des letzten
Grafen von Mömpelgard, Henriette, durch welche ihm die Grafschaft
Mömpelgard, die Herrschaften Brundrut, Granges, Etobon, Saulnot, Clerval.
Passavant und die Oberlehensherrlichkeit über La Roche zufiel. Später fiel
ihm durch den Tod seiner Schwägerin Margarete ein weiterer Besitz im
Waadtland zu, den er aber 1414 sofort wieder an den Herzog von Savoyen
veräulserte. Als nach seinem Tode 1419 seine herrschsüchtige Gattin Hen-
riette für ihre unmündigen Söhne Ludwig I. und Ulrich V. unter Mitwirkung
eines Vormundschaftsrates dio Verwaltung übernahm und die vom Reiche
rührenden Lehen und Rechte bestätigt haben wollte, liefs Kaiser Sigis-
mund zuvor ein Verzeichnis über die Lehen- und Eigengüter des Hauses
Wirtemberg verfassen (1420), welches einen guten Uberbück über den
Territorialbesitz gibt. Wie Henriette während der vormundschaftlichen
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327. Herzogtum Wirtemberg.
469
Regierung einige Neuerwerbungen gemacht hatte, so bald darauf auch
ihre Söhne, von denen Ludwig L seit 1426, Ulrich V. seit 1433 die
Regierung führte. Im Vertrage zu Nürtingen teilten sie 1442 ihr Land,
wobei Ludwig, der Stifter der Uracher Linie, die westliche Hälfte, Ulrich,
als Stifter der Stuttgarter (oder Neuffener) Linie, die östliche Hälfte
von Wirtemberg erhielt, welche beide durch Neuerwerbungen vergröfserten.
Ulrich V. erlitt freilich auch manche Einbufse und trat 1480 die Re-
gierung an seinen Sohn Eberhard den Jüngeren ab. Sein anderer Sohn
Heinrich war mit Mömpelgard und den burgundischen Herrschaften
bedacht worden, welche dieser aber 1482 ebenfalls seinem Bruder über-
liefs, während Heinrich nur die Herrschaften Horburg, Reichenweiher
und Bilstein behielt. Ludwigs Sohn Eberhard im Bart (der Gründer der
Universität Tübingen 1477) suchte das Unheil, welches die einzige Teilung
im Hause Wirtemberg angerichtet hatte, wieder gut zu machen, indem
er eine Unteilbarkeit des Landes anstrebte. Der Vertrag zu Münsingen
1482 hob die Teilung der beiden Linien auf und knüpfte die Regierung
an das Seniorat, in diesem Falle also an Eberhard im Bart. Er verlegte
seinen Sitz von Urach nach Stuttgart. Nach mancherlei durch Eberhard
den Jüngeren hervorgerufenen Wirren fand dieser Vertrag durch den
Efslinger von 1492 seine Bestätigung. Eberhard im Bart wurde
schliefslich wegen seiner grofsen Verdienste um das Reich auf dem
Reichstag zu Worms 1495 von Kaiser Maximilian zum Herzog von
Wirtemberg und Teck erhoben. Die ganze Landschaft Wirtemberg
wurde in ein Reichsherzogtum vereinigt; nur Mömpelgard, Horburg
und Reichenweiher wurden zur Versorgung anderer Mitglieder der
Familie ausgenommen. Da Eberhard im Bart 1496 kinderlos starb, so
folgte sein unruhiger Vetter Eberhard der Jüngere und nach dessen Ab-
setzung 1498 des letzteren Neffe Ulrich VI. Auch er hatte eine sehr
bewegte Regierungszeit; 1519 — 1534 war sein Land sogar in der Hand
der Österreicher gewesen. Durch seine Teilnahme am Bairischen Erb-
folgekriege hatte er 1505 die Städte und Ämter Weinsberg, Nouenstadt
Heidenheim, Möckmühl, Besigheim, die Grafschaft Löwenstein, Steten-
fels, Gruppenbach, die Lehensherrschaft über Gochsheim, die Schirmherr-
schaft über die Klöster Anhausen, Herbrechtingen und Maulbronn, sowie
den Zehnten in Heilbronn erworben. Ulrich starb 1550.
Eberhard der Greiner hatte zu seinen oben (8. 282) genannten Besitzungen
1377 noch Tuttlingen erworben und 1381 von den Herzögen von Teck die
zweite Hälfte der Burg Teck und Stadt Kirchhciin; dann die Feste (Jutenberg,
Stadt Owen und Sehiltach ; 1382 Burg und Stadt Herrenberg mit Burg Borau
und 13 Dörfern vom Pfalzgrafen von Tübingen.
Eberhard der Milde hatte die Feste und Herrschaft Sehalksburg 1403
vom Grafen Friedrich von Zollern, genannt Milli, erworben mit der Stadt
Balingen, sieben Dörfern und verschiedenen Reehten ; 1 105 Oberefslingen gekauft,
1406 Burg Neckartenzlingen, 1407 den gröfseren noch nicht wirtem bergischen
Teil von Auenstein, 1408 den Rest von Bietigheim, 1410 Burg Rechtenstein
und einiges andere; vgl. Stalin III, 408 f. — Sein Sohn Eberhard der Jüngere
erwarb die Stadt Oberndorf mit der Feste Wasseneck 1416, Ottenhausen 1418,
einzelne Dörfer und Gerichte; vgl. Stalin III, 416.
470
IX. Politische Geographie uin das Jahr 1550.
Eberhard III. d. Grciner
t 1392
I
Ulrich f 1388
I
Eberhard IV. d. Milde
f 1417
Eberhard V. d. Jüngere
t 1419
Uracher Linie ßtuttg. Linie
Ludwig 1. f 1450 Ulrich V. f 1480
Eberhard i. Bart Eberhard d Jüngere Heinrich
f 1496 t 1504 v. Mompelgard
Ulrich VI. Georg I.
f 1550 f 1558
Das oben erwähnte Verzeichnis der Lehen- und Eigengüter des Hauses
Wirteinbcrg gibt für das Jahr 1420 folgenden Territorialbestand. 1. Reichs-
lehen der Herrschaft Wi rteinberg: Die Grafschaft zu \Virtemberg mit
den Städten Stuttgart, Cannstatt, I^onberg, Waiblingen und Schorndorf mit
Dörfern, Weilern und Zubehör. Der Zoll zu Göppingen. Die Grafschaft zu
Aichelberg mit der Stadt Weilheim, der Vogtei zu Jesingen u. a. Zubehör.
Das Herzogtum Teck mit den Städten und Schlössern Kirchheim, Owen, Guten-
berg, \Vieland8tein, Hahnenkamm. Die Grafschaft Neifen mit Stadt Keifen.
Die Grafschaft Urach mit Stadt Urach, Wettlingen. Münsingen. Die Pfalzgraf-
schaft zu Tübingen mit den Städten Tübingen, Herrenberg, Böblingen, Sindel
fingen, dem Schönblich u. a. Zubehör. Die Grafschaft Calw mit Stadt Calw, dem
Wrildhad, Zavelstein. Die Grafschaft Vaihingen mit den Städten Vaihingen.
Rixingen, Horrheim, Haslach u. Zubehör. Die Herrschaft Magenheim mit »1er Stadt
Brackenheim. Markgröningen. Die Grafschaft Asperg. Die Herrschaft Hor-
burg und die Grafschaft Wickisau mit der Stadt Reichenweiher, der Feste
Sponeck und Zubehör. Die Herrschaft Waldhausen. Die Herrschaft Nagold mit
den Städten Nagold und Haiterbaeh. Die Herrschaft Urslingen mit Stadt Rosen
feld. Die Grafschaft Sigmaringen mit der Stadt Sigmaringen. Hornberg, die
Feste und die Herrschaft und Stadt zur Hälfte. 2. Lehen von Böhmen.
Neuenburg, Burg und Stadt. Beilstein, Burg und Stadt. Lichtenberg und
Botwar. 3. Eigengüter der Herrschaft Wirtemberg: Tuttlingen, Nür-
tingen, Grötzingen, Waldenbuch, Lichtenstein, Leofels, Schiltach, Dornhan.
Vogtsberg, Gartaeh, Güglingen, Laufen, Backnang, Winnenden, Marbach,
Göppingen, Sehilzburg, Ilundersingen, Sterncnfels. Bilstein bei Reichenweiher,
Harnstein, Ebersberg, Reichenberg, Waldenstein, Bittenfeld, Hoheneck, Schalks-
burg, Balingen, Blanckenhorn, Bietigheim. Blankenstein, halb Rechtenstein.
Ingersheim, Ebingen, Veringen, Achalm, Hohenstaufen, Lauterburg, Rosenstein.
Gundelfingen, Oberndorf und Wasseneck.
Die Herrschaft über Mompelgard hatte die Gräfin-Mutter Henriette bis
zu ihrem Tode 1444 in der Hand behalten , wonach die beiden Söhne die
gemeinschaftliche Regierung Mömpelgards erst antreten konnten. Mit den
burgundischen Lehen, welche mit Mömpelgard verbunden waren, liefs sieh
Ludwig in Brüssel von Herzog Philipp dem Schönen belehnen. Nach dem Los
übernahm Ludwig Mömpelgard allein und zahlt»' hierfür dem Bruder eine
Entschädigungssumme. Stalin III, 109 ff., 431, 4(i() f. — Die beiden Brüder
erwarben überdies noch 1434 ein Viertel an der Burg Laufen. Wildberg, Burg
und Stadt, die Stadt Neubulach und 12 Dörfer und Weiler 1440; Stalin, III,
45(5. — Wegen der Teilung des Landes unter die beiden Brüder vgl. ebenda 457.
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328. Kleinere Territorien in Schwaben.
471
Anfangs sollte der Neckar die Grenze bilden, indem Ludwig den Teil zur
Rechten und Ulrich den zur Linken erhielt. Sehr bald schritt man zu einem
anderen Mafsstab der Verteilung, wobei man die einzelnen Teilungsobjekte nach
ihrem Werte bemafs. Verzeichnis der Teilstücke bei Stalin a. a. O., wo auch
die übrige Literatur gegeben Ist. Glücklicherweise bestand diese Teilung nur
40 Jahre (bis 1482). — Ludwig hatte nach der Landesteilung weitere Erwerbungen
gemacht: 1442 die Nutzniefsungen der Orte Gräfenhausen, Rudmersbach,
Schwann, Conweiler, Dobel, Feldrennach, Ober- und Unter-Niebelsbach, Neuen-
burg, Dennach, Langenalb; 1443 Teile von Heimsheim; 1443 Häfnerslaeh, die
Hälfte der Feste Hornberg nebst einem Viertel von Stadt und Herrschaft, 1447—1448
die andere Hälfte; 1444 Sickenhausen, Altenburg, Rommelsbach und Deger-
schlacht, ferner die Hälfte der Burg und des Dorfes Hemmingen, den Hof zu
Böhringen, die Feste Unter- Falkenstein mit Dörfern und Zubehör, Schlofs
Hohenkarpfen, Hausen ob Verena, Aldingen, den Berg und Burgstall Lupfen
und fünf Dörfer, den Burgstall Waldau (östlich von Buchenberg), Büchenberg,
Martinsweiler, Brogen, Peterzell; 1446 die Burg Dufslingen und verschiedene
Dörferanteile; 1447 die übrigen Dorfanteile von Dufslingen u. a. ; 1447 Stadt
und Amt Blaubeuren mit der Vogtei über das Kloster; 1448 Bempflingen;
1449 Anteile an Thalheim und Schlofs Andeck u. a. Stalin III, 492 f. — Auch
Ulrich hatte trotz aller finanziellen Schwierigkeiten einzelne Erwerbungen
gemacht, unter anderen die Städtchen Gamertingen, Hetlingen mit Dörfern
von Hans von Rechberg, 1453 die Burg Rodelshausen, 1456 Schlofs Helfenberg
und Anteile an verschiedenen Dörfern, s. Stälin HI, 598 f.
328. Kleinere Territorien In Schwaben. Von den früher genannten
Kleineren Grafschaften und Herrschaften waren einige durch Erlöschen
der Dynastenfamilie aufgelöst worden und in anderen Herrschaftsbezirken
aufgegangen. Als selbständig existierten noch die nachfolgenden als
die bedeutendsten.
Grafschaft Hohenberg. Von den zahlreichen Linien dieses Hauses
bestanden im Anfang dieser Periode noch drei : die von Rudolf II. gestiftete
starb mit seinem Sohn Rudolf III. 1387 aus und ihr Landbesitz ging an Österreich
über (s. S. 284); die von Otto gestiftete Nagolder Linie erlosch ca. 1388, nach-
sie fast alles Land veräufsert hatte, und auch die von Burkhard gegründete Wildberger
Linie, die allerdings bis 1486 noch bestanden hat, hatte nur das Amt Altensteig
von seinem grofsen Hausbesitz zurückbehalten. 1400 fiel es aber bereits an die
Markgrafen von Baden; vgl. Stälin III, 668, Anmkg. 4.
Grafschaft Fürstenberg. Die Fürsten berger Hauptlinie hatte fort-
bestanden; sie war im Besitz der* Landgrafschaft in der Baar. der Graf-
schaft Fürstenberg, der Herrschaft Dornstetten, Wartenberg u. a. (S. 285). Die
Haslaeher Linie starb mit Johann 1386 aus und ihre Herrschaft Haslach fiel
als eröffnetes Lehen an das Reich und wurde von König Wenzel an Benetsch
von Tusnick, dann an das Hochstift Strafsburg verliehen (1388). Bischof
Friedrich gab es bald darauf an Friedrich IV. von Fürstenberg (t 1408) zurück.
Grafschaft II e l f e n s t e i n. Auch hier war der Wohlstand des Hauses
im raschen Sinken begriffen. Die Wiesensteiger Linie hatte 1396 die Stamm-
burg Helfenstein und das Amt Geislingen an die Stadt Ulm verkauft. Es ver-
blieb ihr nur die Herrschaft Wiesensteig. Die jüngere Blaubeurer Linie, die
1445 sich nochmals das Gebiet geteilt hatte, veräufserte 1447 das Amt und die
Klostervogt ei Blaubeuren an Ludwig von Wirtemberg und 1448 das Amt Heiden -
heim und die Vogtei über die drei Klöster im Brenztal an Ulrich von Wirtem-
berg, so dafs ihr kaum noch etwas verblieb. Mit Graf Georg starb diese Linie
1517 aus. Stälin III, 662.
Grafschaft Kirchberg- Brandenburg. Das Territorium war an
Tochtermänner zersplittert und verteilt worden. Indessen, Graf Konrad von
- VI*:
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472
IX. Politische Geographie um dan Juhr 1550.
Kirchberg hatte 1398 bereits mit dem Rückcrwerb der Grafschaft be-
gonnen, sein Sohn Eberhard liefs sich 1417 f. einige andere Anteile noch
verpfänden und ebenso seine Enkel. So war die Grafschaft wieder an das
Dynastenhaus allmählich zurückgekommen. Indessen neue Teilungen schwächten
das Haus und grofse Teile des Gebietes wurden an Georg den Reichen von
Baiern veräufsert. Mit Philipp erlosch das Haus 1510 im Mannesstanim. Seine
Tochter war an Graf Johann von Montfort-Tettnang verheiratet. Stälin III, 679 f.
Grafschaft Hohen zollern. Während die jüngere fränkische Linie
durch die Erwerbung der Mark Brandenburg zur Kurwürde gelangt war, hatte
die ältere schwäbische, gräfliehe Linie nur sehr allmählich emporkommen
können. Sie war in die Hechinger und Schalksburger Linie gespalten, von
denen letztere, die die gleichnamige Feste mit zugehörigen Orten und die Herr-
schaft Mühlheim a. d. Donau besafs, 1408 bereits ausstarb. Im Jahre 1391
^yar die Herrschaft Mühlheim an Konrad von Weitingen und 1403 Herrschaft
Schalksburg an Wirteinberg verkauft worden. Die Hechinger Linie kam erst
durch Jost Nikolaus (f 1488) wieder empor. Sein Sohn Eitel Friedrich IV.
(f 1512) erwarb sogar die Erbkämmererwürde und durch Eintausch von Räzüns
in Graubünden die Herrschaft Haigerloch im Jahre 1497. Dessen Sohn Karl L
(t 1576) wurde vom Kaiser mit den Herrschaften Haigerloch und Wöhrstein
(Werstein) belehnt, aufserdem 1435 mit den Grafschaften Sigmaringen und
Veringen, die im Besitz der Grafen von Werdenberg und nach deren Aus
sterben 1534 in jenem Österreichs gewesen waren.
329. Grafschaft Wertheim. Graf Johann I. hatte durch zweimalige
Heirat neue Gebiete hinzuerworben, die er zum Teil verkaufte und für
das Kaufgeld besser gelegene Gebiete eintauschte, so: die Herrschaft
Riedern mit Anteil an Burg Homburg, Besitzungen bei Brauberg und
Anteile an Klingenberg, sowie verschiedene Güter. Er teilte 1398 das
ganze Besitztum in ein Majorat und Minorat, Johann II. erhielt das
Majorat: Burg und Stadt Wertheim mit Zubehör, Burg und Stadt Freuden -
berg, Laudenbach, Remlingen und die Herrschaft Riedern mit Anteil
an Homburg und Klingenberg. Johann II. starb 1444. Mit seinem Enkel
Johann III. erlosch 1497 die Hauptlinie und das Majorat wurde mit dem
Minorat wieder vereinigt. Letzteres umfafste Schweinburg, Buttart und
Anteile an Kitzingen, Bartenstein, Rieneck, Külsheim und Bickebach.
Es war seinerzeit zunächst an einen Sohn jenes Johann I. gefallen : Michael I.
(+ 1440). Auf dessen Sohn Wilhelm (f 1482) folgte des ersteren Enkel
Michael II. (t 1532), unter welchem die Wiedervereinigung mit dem
Majorate erfolgte. Mit Michael III. starb 1550 das Grafenhaus aus.
330. Bistum Würzburg;. Das Stiftsgebiet, welches sich aus Teilen
des alten Iffigaues, Taubergaues, Badenachgaues, Gotzfeldes, Waldsassen,
Volkfeldes und Grabfeldes zusammensetzte, wurde in der Folgezeit durch
weitere Erwerbungen von angekauften, als Lehen eröffneten Territorial-
gebieten dor Nachbarschaft vergrölsert. Das Schlofs Ascha mit Dörfern,
ehemals im Besitz der Henneberger, kam 1402 als Pfandobjekt durch
die Herren von Bibra an das Hochstift. Aus dem hennebergischen Besitz
stammt auch das Amt Mainberg, welches 1541 gegen Amt Meiningen von
Ifenneberg -Schleusingen eingetauscht wurde. Aus dem Güterbestande
der Herren von Trimperg erfuhr das Stift noch 1376 einen Zuwachs:
Bischofsheim an der Rhön, Alh-nhaslau und Schlüchtern; die letzteren
331. Fürstentümer Ansbach und Baireuth.
473
wurden 1377 gegen Amt Bütthard an die Grafen von Hanau eingetauscht.
Aus don Hohenloheschen Stammlanden war «las Amt Jagstberg als Pfand-
objekt über Baiern 1406 an das Bistum gekommen. Von Stadt und Amt
Kitzingen war ein Drittel, der Speckfelder Anteil 1406 angekauft worden.
Von den Grafen von Castell erhielt das Bistum deren ganze Grafschaft
1457 als Lehen aufgetragen; Stadt und Amt Volkach, welche in Form
von Anteilen im Besitz verschiedener Herren waren, hatte das Stift 1509
vollständig an sich gebracht.
331. Fürstentümer Ansbach und Baireuth. Das Burggraftum
Nürnberg bestand aus zwei getrennten Landgebieten : das um das Fichtel-
gebirge gelegene Gebiet wurde das »Land auf dem Gebirge« oder »ober-
halb des Gebirges* genannt, das um obere Rednitz und Altmühl gelegene
das »Land unterhalb des Gebirges« ; auch die abkürzenden Bezeichnungen
Oberland und Niederland waren im Gebrauch. Burggraf Friedrich V.
hatte noch vor seinem Tode (1398) eine Teilung des Landes unter seine
Söhne dahin getroffen, dafs Johann III. das xobergebirgische« Fürstentum,
das Fürstentum Baireuth oder Kulmbach erhielt, Friedrich VI. das »unter-
gebirgische« Fürstentum, das Fürstentum Onolzbach (= Ansbach, Anspach).
Letzterer wurde überdies 1415 von Kaiser Sigismund zum Statthalter
der Altmark und Mittelmark Brandenburg ernannt und 1417 mit der
Markgrafschaft und Kurwürde erblich belehnt. Da 1420 sein Bruder
Johann III. starb, so fiel auch das Fürstentum Baireuth an ihn. Doch
schon unter seinen Söhnen fand eine Teilung statt (Hausvertrag zu
Kadolzburg 1437). Der älteste Sohn Johann erhielt das Fürstentum
Baireuth, der zweite Friedrich II. die Mittelmark samt der Kurwürde,
Albrecht das fränkische Fürstentum Ansbach und Friedrich der jüngste
die Altmark und Priegnitz (unter Oberhoheit Friedrichs II.) mit dem Sitz
in Tangermünde. Friedrich II. trat die Regierung der Mark an seinen
Bruder Albrecht Achilles 1470 ab. Letzterer hatte überdies das Fürsten-
tum Baireuth von seinem 1460 kinderlos verstorbenen Bruder Johann
geerbt. Um weiteren Zersplitterungen vorzubeugen, wie sie damals in
anderen Häusern allgemein üblich waren, erliefs er 1473 ein Hausgesetz
(dispositio Achillea) über die gesamten zu Brandenburg gehörigen Lande ;
in ihm war speziell für die fränkischen Fürstentümer die Bestimmung
getroffen, dafs sie fortan höchstens zwei regierende Herren haben sollten.
Entsprechend wurden nach dem Tode Albrechts (1486) die Lande unter
seine drei Söhne geteilt ; Johann Cicero erhielt als Kurfürst die Mark,
Friedrich der Ältere (f 1536) Ansbach, Sigismund (r 1495) Baireutli.
Nach des letzteren Tode hatte dann Friedrieh der Altere die fränkischen
Lande wieder vereinigt, doch seine Söhne hatten sie wieder getrennt
(Kasimir: Baireuth, Georg der Fromme: Ansbach).
Auch einige Erwerbungen hatten die Burggrafen in der Zwisehenzeit
gemacht, Noeh Friedrieh V. hatte 1378 Uffenheini von den Grafen (Herren)
von Hohenlohe erworben, 1386 Sehauenstein von den Herren von Wolfstriegel,
und Karl IV. hatte ihm die Reiehsstadt Feuehtwangen verpfändet, die Die
wieder eingelöst wurde (1376). 1401 erwarben die Burggrafen noeh einige kleinere
Restetücke der truhendingisehen Erbsehaft, 1404 Hohentrüdingen und Zubehör
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474 IX. Politische Geographie um da** Jahr 1550.
von Baiern erst pfandweise, dann ganz. Georg der Fromme hatte überdies
1523 von Georg von Schellenberg das schlesische Fürstentum Jägerndorf gekauft;
desgleichen erwarb er die Herrschaft Oderberg, die ihm nach 1532 von Kaiser
Ferdinand I. streitig gemacht wurde. Doch kaufte letzterer ihm das Anrecht
auf sie ab und gab Oppeln, Ratibor und Beuthen in Pfand (s. auch Schlesien).
— Mit Kasimirs Sohn Albrecht Alcibiades teilte Georg 1541 das Land, indem
er jenem Baireuth-Kulmbach gab.
Albrecht Achilles f 1486
Johann Cicero Friedrich d. Ältere Siegmund
(Brandenburg) (Ansbach) (Baireuth }
f 1499 f 1536 f 1495
I
Joachim L Kasimir Georg d. Fr.
t 1535 (Baireuth) (Ansbach)
f 1527 f 1543
I I
Albrecht Alcib. Georg Friedrich
f 1557 f 1603
tt t t t t
332. Grafschaft Ottingen. Die Spaltung des Grafenhauses in
mehrere Linien hatte auch zu Teilungen des Landes geführt. Von den
Söhnen des Grafen Friedrich (t 1423) gingen drei Linien aus: Johann
(t 1449) stiftete die Altwallersteiner Linie, die mit seinem Sohn 1486
schon erlosch, Ulrich (f 1477) die Flolchberger Linie, die mit seinem
Enkel 1549 ebenfalls ausstarb und Wilhelm die Altöttinger Linie, die
allein fortblühte.
333. Grafschaft Hohenlohe. Von den vier bestehenden Linien
des Hauses war die in zwei Äste gespaltene Braunecker Linie (s. Tabelle
S. 288) sehr bald wieder (1390, 1391) erloschen, und 1412 traf das gleiche
Geschick auch die von Albert gestiftete Zweiglinie im Hause Hohenloh
Hohenlohe, so dafs nur Hohenlohe -Weickersheim fortbestand und den
ganzen Territorialbesitz wieder vereinigte.
Der Letzte der A 1 brechtechen Linie Johann starb 1412. Von dem Besitz-
tum war UlTenheim mit Hohenlohe und Teil von Goilhofen 1378 an die Burg
grafen von Nürnberg verkauft worden. Die Hinterlassenschaft (Speckfeld.
Haltenbergstetten, Winterhausen, Sommerhausen etc.) kam teilweise an die
beiden Sehwäger des letzten Grafen (nämlich die Grafen Lienhard von Castell
und Friedrieh Sehenken von Limpurg; doch nur der dritte Teil der Mann-
schaften an Hohenlohe Weickersheim. Stalin III. 675.
334. Herzogtum Baiern. Herzog Stefan I. war 1375 gestorben
und hatte sein Land, welches ganz Oberbaiern und einen Teil Nieder-
baierns umiafste, seinen drei Söhnen hinterlassen, die es nach anfangs
gemeinschaftlicher Regierung 1392 unter sich teilten und die drei Linien
Ingolstadt (Stefan IL), L a n d s h u t (Friedrich) und München (Johann)
stifteten. Überdies bestand noch von früher die Niederbairisch-Strau
binger Linie (Albrecht I.). — Von diesen Linien erlosch die Ingolstädter
aber bereits 1447, die Landsbuter mit Georg dem Reichen 1503, so dafs
die Münchener Linie unter Albrecht IV. dem Weisen wieder ganz Baiern
334. Herzogtum Baiern.
475
vereinigte. — Die Straubinger Linie war 1425 erloschen und ihr Land
nach langen Streitigkeiten 1429 an die drei anderen Linien aufgeteilt
worden, befand sich nunmehr also ebenfalls im Besitze Albrechts IV. Um
einer weiteren Zersplitterung vorzubeugen, führte er die Primogenitur ein.
Die Gebietsvergröfserungen unter der Herrschaft der drei Herzöge waren
keine bedeutenden gewesen ; so 1379 : die Stadt Mohnheim von Ruprecht von
Seckendorf und die Herrschaft Liechtenberg am Lech ; ferner in Niederbaiern
1378 das Erbe Schweigers des Tuscheis mit den Festen Säldenau, Perkheim
and Pering; 1379 Markt Gangkofen, Herrschaft und Burg Paumgarten und
der Stein zu Sandbach; 1386 die Herrschaft Teisbach durch Kauf vorn Bistum
Regensburg und Herrschaft Leonberg von den Grafen zu Ortcnburg; 1377 die
Herrschaft J ulbach am linken Innufer bei Braunau, erst als Pfand, 1382 end-
gültig; 1387 als Pfand die Herrschaft Wörth an der Donau; 1377 aus der
Erbschaft der 1375 erloschenen Grafen von Hals: die Herrschaften Erneck bei
Simbach und Ratzenhofen bei Abensberg; 1392 die Herrschaft Wartstein in
Schwaben. Aus der Hinterlassenschaft der Reichsdienstmannen von Stein
(Hilpoltstein) (ftt 1385) kauften die Herzöge die Stadt Freistadt und Hilpoltstein.
Vgl. Riezler, Gesch. Baierns III, 166 ff.
Die grolse Teilung unter den drei Brüdern fand 19. November 1392 statt;
•lie Urkunde in Quell, u. Erört. VI, 551. Johann erhielt: die südliche Hälfte
Oberbaierns mit München und im X. die Ämter Schwandorf, Regenstauf, Lengen-
feld, Velburg, Hcmau, Riedenburg, Vohburg, Rotheneck, Pfaffenhofen und die
Regensburger Rechte. Stefan erhielt den nordwestlichen Teil Oberbaierns
mit Ingolstadt und im S. die Gerichte Rattenberg, Kufstein, Kitzbühel ; ferner
zwischen Münchener und Landshuter Anteil die Ämter Wasserburg, Falkenberg,
Kling und die schwäbischen Besitzungen meist längs der Donau : Höchstädt,
I^auingen, Faimingen, Gundelfingen, Giengen, Wartstein, Wcifsenhorn, Buch
und Landgericht zu Marstetten. Friedrich erhielt das übrige mit Landshut.
Die Straubinger Nebenlinie erlosch 1425 mit Johann und der freigewordene
J^andesanteil wurde ein Streitobjekt zwischen den drei Linien bzw. deren vier
Repräsentanten. Erst 1429 kam eine Einigung und Vierteilung des Straubinger
Landes zustande. Ludwig VII. (Ingolstadt) erhielt noch zu seinem bis-
herigen Besitz: Schärding, Dingolfing, Kirehberg, die Losung auf Schwarzen-
bürg, Waldmünchen, Retz, die Juden zu Regensburg; Heinrich III. der
Reiche (Landshut): Vilshofen, Hilkersberg, Hengersberg, Landau, Natternberg.
Die Münchener Linie hat in Johanns Söhnen zwei Vertreter: Ernst erhielt
Straubing, Mitterfels, Bogen, den Herzogshof und die Rechte zu Regensburg:
Wilhelm: Kelheim, Dietfurt, Eschelkamm, Furt, Kötzting, die Losung auf
Cham und Deggendorf. Vgl. Riezler III, 279.
Das Aussterben der Ingolstädter Linie mit dem streitsüchtigen Ludwig VII.
(1447) führte zu neuen Streitigkeiten zwischen Heinrich III. (Landshut) und
Albrecht IH. (München). Nach Heinrichs Tode 1450 fand der Streit ein Ende
im Erdinger Vertrage, wonach die . Münchener Linie auf ihr berechtigtes Erbe
verzichtete und nur Deggendorf zurückerhielt, ferner das Gericht Schwaben
und die Herrschaften Liechtenberg und Baierbrunn. Durch eine Anleihe wurde
es Albrecht auch ermöglicht, die noch verpfändeten Teile des Nordgaues, die
1392 der Münchener Linie zugefallen waren, auszulösen; so 1452: Sulzbach,
Schwandorf, Rosenberg u. a.. 1459 Hern au , Burglengen fehl , Velburg und
Kalmünz. Vgl. Riezler IH, 355 und die dort angeführte Literatur.
Das Aussterben der Landshilter Linie (1503) führte zu noch weit heftigeren
Kämpfen, zumal der Schwiegersohn des letzten Herzogs Georg, Ruprecht
von der Pfalz, auf die Erbschaft Anspruch erhob und der Kaiser Maximilian
zugunsten Albrechts des Weisen (Münchener Linie) in den Streit mit eingriff.
Die blutige Erbfehde wurde 1505 auf dem Cölner Reichstag beigelegt. Für
Ruprechts (j 1504) Söhne Otto Heinrich und Philipp wurde ein neues Fürstentum
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IX. Politische Geographie um das Jahr 1560.
Pfalz-Neuburg begründet, die sog. »Junge Pfalz« ; sie begriff Neuburg a. d. Donau
und alles, was Herzog Georg vom Oberlande nördlich der Donau (aufser Ingol-
stadt) hinterlassen hatte. Aus diesen Gebietsteilen nördlich der Donau haben
sich späterhin die Fürstentümer Neuburg und Sulzbach gebildet. Alles übrige
fiel an den Münchener Herzog Albrecht IV. Doch hatte auch Kaiser Maxi-
milian bei der Gelegenheit einige Stücke an sich gebracht: Vogtei und Kloster
Mondsee, Schlöfs Wildeneck und das Landgericht Kitzbühel mit 20 Bergwerken.
Vgl. Riezler HI, 581—638.
Eine Erwerbung machte noch Herzog Wilhelm IV. 1517: die Graf
schaft Hals an der Donau durch Kauf von den Herren von Deggenberg.
Ludwig
v. Brandenburg
f 1361
I
Meinhard
1362
ttt
Ludwig IV.
Stefan I.
Baiern
Ingolstadt
Stefan IL
f 1413
Ludwig VH.
t 1447
ttt
Ruprecht
v. d. Pfalz
Landshut
München
Albrecht L
Straubing
Friedrich
f 1393
Heinrich III.
f 1450
I
Ludwig IX.
t 1479
Johann
f 1397
Ernst
I
Wilhelm
Albrech
der Reiche
t 1503
Elisabeth
Otto Heinrich
Philipp
t m.
t 1460
Albrecht IV.
der Weise
f 1508
Wilhelm IV.
f 1550
I
Albrecht V.
f 1579
Johann
f 1425
ttt
335. Mainsche Bistümer. Grofse Territorialveränderungen sind
nicht eingetreten. Das Regensburger Stift hatte einzelne Stücke veräufsert;
so die Feste Itter bei Hopfgarten nebst Tiroler Besitzungen an Erzbischof
Pilgrim von Salzburg und die Herrschaft Teisbach mit Fronten hausen,
Pilsting und Essenbach an die bairischen Herzöge (s. vorher). — Bistum
Passau hatte 1398 Herrschaft Mattsee käuflich von Salzburg erworben. —
Erzbischof Friedrich von Salzburg tauschte die Gerichte im Landgericht
Tittmoning und gegen Trostberg hin gegen das Halsgericht zu Mühldorf
und in der Herrschaft Mattsee mit Herzog Heinrich dem Reichen aus (1442).
Riezler III f., 819.
336. Habsburg - Österreichische Länder. Der ausgedehnte Land
besitz der Habsburger erfuhr unter den Nachkommen Albrechts II. mehr
fache Aufteilungen. Die Uneinigkeit der Brüder und Vettern unterein-
ander mufste auch das politische Gewicht nach aufsen schwächen
Zunächst hatten Albrecht III. und Leopold III. sich den Besitz geteilt,
wobei jener Österreich ob und nid der Enns erhielt, dieser alles übrige
Die fortan bestehenden Linien der AI bertiner und Leopoldiner regierten
infolge der fortgesetzten Spannungen untereinander die Länder nicht zu
ihrem Heil. Durch Albrecht V. kam 1438 die deutsche Kaiserkrone an
Cfoitizfid-by Gpoglg^
336. Hababurg österreichische Länder.
477
das Habsburger Haus und verblieb
diesem über 300 Jahre. Mit Albrechts
Sohn Ladislaus Posthumus starb
die Albertiner Linie aber 1457
schon aus und die beiden Vettern
Friedrich III. und Albrecht VI. teilen
sich in das Erbe, von dem Kaiser
Friedrich III. Niederösterreich be-
hielt, während er Oberösterreich an
Albrecht VI. abtrug, der sich jedoch
hiermit nicht begnügte. Nach einer
längeren Fehde mufs der Kaiser im
Korneuburger Frieden auch Wien
und Niederösterreich bis zur Grenze
an der Piesting an Albrecht abtreten,
während er selbst nur das Gebiet
von hier bis zum Semmering mit
Wiener-Neustadt behielt.
Unter eben jenem Friedrich III.
sollten aber die gesamten Habs-
burgischen Lande wieder vereinigt
werden. Zunächst starb sein viel-
befehdeter Bruder Albrecht VI.
1463 ohne Nachkommen und ferner
trat sein Vetter Sigismund , der
die auf Tirol abgeteilte Nebenlinie
vertrat, sein Land, welches er den
Wittelsbachern in die Hände spielen
wollte, an Friedrich bzw. dessen
Sohn'Kaiser Maximilian I. 1490 ab.
Durch glückliche Heiraten gelang
es den Habsburgern, ihren Macht-
bereich über einen grofsen Teil von
Europa auszudehnen. Kaiser Maxi-
milian sicherte sich durch die
Heirat mit Maria von Burgund die
burgundische Erbschaft und machte
auch noch sonstige Erwerbungen.
Da späterhin (14%) sein Sohn Philipp
die Erbin der spanischen Krone,
Johanna von Castilien, heiratete,
fiel auch Spanien sehliefslich in den
Habsburgischen Machtbereich. Eine
weit bedeutsamere Erwerbung, so-
weit Mitteleuropa in Frage kommt,
war diejenige des Königreiches
Böhmen und Ungarn, indem
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IX. Politische Geographie um daa Jahr 1550.
Ferdinand I. Anna, die Tochter König Wladislaws von Böhmen und Ungarn,
heiratete. Beide Länder fielen an Österreich (Ungarn freilich zunächst
nur teilweise), als Wladislaws Sohn Ludwig II. in der Schlacht von
Mohacs einen frühen Tod fand. Böhmen blieb seitdem für immer mit
Osterreich vereinigt.
Bei der Teilung zwischen Albrecht III. und Leopold III. erhielt letzterer
1379 Steiermark, Kärnten und Krain, ferner die Gebiete von Möttling (die
Windische Mark) und auf dem Karst (Poik) die istrische Grafschaft mit Pisino-
Mitterburg, Tirol und Vorderösterreich (d. h. die noch Habsburgischen Gebiet»-
in der Schweiz, Schwaben und Elsals). Vom eigentlichen Österreich wuroV
auch das altsteirische Gebiet zwischen Piesting und Semmering w ihm zu-
gesprochen.
Das Küstenland der Adria hatte unter venetianischer Oberhoheit ge-
standen. Triest, als bedeutendster Hafenplatz an der istrischen Küste, hatte
sich von der Oberhoheit des Bischofs immer selbständiger zu machen vermocht
und war 1295 völlig unabhängig von ihm. Dagegen konnte es sich der Ein
griffe Venedigs nur mit Mühe erwehren und suchte schon 1369 einen Anschluß
an die Habsburger zu gewinnen, der ihnen aber erst 1382 gelang. Seitdem
gab es ein österreichisches Istrien mit Triest und Pisino-Mitterburg, während
von Capo d'Istria bis Pola ein venetianisches Istrien bestand.
Eine weitere Erwerbung hatte Österreich in dem Lande jenseits des Ali
berges gemacht. Aus dein ehemaligen Territorialbestandc der Grafen von
Montf ort- Werdenberg waren B 1 u d e n z und das MontafonerTal auf Grund
eines Erbvertrages an Habsburg gefallen (1418), und 1451 kam aus dem Hohen
bergischen Länderbesitz die Hälfte von Bregenz durch Kauf hinzu. Auch die
vorderösterreichischen Lande in Schwaben erfuhren einige Vcrgröfserungen
durch die Nellenburger Grafschaft, die Landgrafschaft im Hegau und die
Landvogtei am nördlichen Rande des Bodensees. Im Jahre 1459 war mit
Ulrich III. der letzte Graf von Cilli ins Grab gesunken. Das Grafengeschlecht
stammte von Friedrich von Soneck ab, welcher seit 1341 als Graf von Cilli
auftritt. 1436 wurden die Grafen in den Reichsfürstenstand erhoben. Stadt
Burg Alt-Cilli und das zugehörige Territorium fielen damals an Österreich.
Maximilian L erwarb ferner in Friaul auf Grund eines Erbvertrages die
Grafschaft Görz, wo der letzte Graf 1500 gestorben war. Mit ihr fielen ihm
aber auch reiche Güter und Liegenschaften in der weiteren Nachbarschaft zu.
Hatten die Habsburger in der Schweiz den gröfsten Teil ihrer Lande auch an
die Eidgenossen bis auf geringe Teilstücke am oberen Rhein im XV. Jh. ver
loren, so gewann Maximilian hinwiederum vom Kurfürsten von der Pfalz die
Landgrafschaft Hagenau und (he Orten au in der Oberrheinischen Tief
ebene. Seine Einmischung in den Bairischen Erbfolgestreit hatte die Rückgabe
der im Frieden von Schärding (1359) abgetretenen Herrschaften von Kitz
bühel, Kufstein und Rattenberg zur Folge, sowie den bairischen Anteil de>
Zillertales. Der Krieg gegen Venedig (1508) trug beim Friedensschlufe ihm
noch die Stadt Roveredo, die sog. vier Vikariate und die Gebiete von Cortina
di Ampezzo, Peutelstein u. a. ein.
Im einzelnen vgl. Krones, Grundrifs, S. 370 ff., 390 ff., 413 ff., 443 ft
wo auch die Spezialliteratur verzeichnet ist. Huber, Österr. Gesch. HI, 266 Ö"
Krones, Handbuch II, 493 ff. Luschin von Ebengreuth, österr. Reich-
geschichte, 259 ff.
337. Herzogtum Schlesien. Die in viele Teillinien gespaltenen
Fürstenhäuser von Ober- und Niederschlesien hatten ihren Territorialbesiu
mehrfach weitergetoilt, ausgetauscht und wieder zusammengelegt. Um
die Mitte des XVI. Jh. bestanden die nachfolgenden Territorien.
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337. Herzogtum Schle«ien.
479
OIs. Die von Konrad I. (f 1366) begründete Linie (s. genealog. Tab.
8. 345), welche die Iünder Öls-Wohlau-Wartenberg in dem S. 344 angegebenen
Umfange besafs, zu welchem unter Konrad II. pfandweise noch die Hälfte
von Glogau, Steinau, Guhrau und Rützen hinzukam, erlosch 1492 mit Konrad
dem Weifscn. König Wladlslaw von Böhmen trat nun das Land 1495 an
Herzog Heinrich von Münsterberg (ausschliefslich Militsch-Tnichenberg)
ab. LBUrk. II, id. 108f., die einzelnen Teilgebiete ibi S. 110. Doch gingen unter
seinen Nachfolgern einige Gebiete wieder verloren; so: 1517 Wohlau mit Steinau,
Raudten, durch Verkauf an Johann Turzo (LBUrk. I, 289), der es seinerseits
1523 an Friedrich II. von Liegnitz verkaufte (LBUrk. I, 293).|
Münsterberg. Mit Johann war 1428 die Linie Bolkos II. (s. Tab.) aus-
gestorben und das Land ging an seine Neffen Ernst und Wilhelm von Troppau
über, von denen letzterer 1454 starb. Das Fürstentum fiel an Böhmen und
König Georg von Podiebrad gab es 1465 seinen Söhnen (LBUrk. H, 156) mit
der Grafschaft Glatz und dem dritten Teil des Herzogtums Troppau. 1472
teüten die Söhne, so dafs Heinrich der Ältere Münsterberg und Frankenstein,
sowie Glatz erhielt (LBUrk. H, 159). Unter ihm wurde (1495) Öls (s. o.) mit
Münsterberg vereinigt.
Das vereinigte Gebiet blieb auch fernerhin noch unter den Podiebrads.
Liegnitz-Brieg- Wohlau. Liegnitz-Brieg war unter die Söhne Boleslaws III.
(t 1352) geteilt worden, so dafs Wenzel Liegnitz, Ludwig I. (f 139H) Brieg
und Lüben zufiel. Ludwigs Anteil: Brieg- Lüben wurde später unter seinen
Enkeln 1400 nochmals geteilt, so dafs Ludwig H. (f 1436): Brieg, Kreuzburg,
Pitschen, Konstadt und vier Dörfer im Ohlauer Bezirk erhielt, Heinrich IX.
(f ca. 1420) den Rest: Ohlau, Nimptsch, halb Hainau und Lüben (LBUrk. I,
352); Wenzels Anteil: Liegnitz und Goldberg wurde durch seinen Sohn
Wenzel, Bischof von Breslau, 1409 an Ludwig II. abgetreten (LBUrk. I, 357 ff.).
Durch eine Heirat des Enkels von Heinrich Johann mit der Tochter Ludwigs II.
wird der ganze Länderbesitz wieder vereinigt (1445); jedoch Kaiser Friedrich III.
verlangt Liegnitz und Goldberg als heimgefallenes Lehen für sein Mündel
König Ladislaus. In der hierdurch herbeigeführten Fehde unterlag aber Johann
1452; er verzichtete daher auf das Liegnitzer und Goldberger Land. Näheres
bei Grünhagen I, 274 — 280. Morgenbesser, Gesch. von Schlesien, 1892, S. 95 ff.,
98 f. Unter den böhmischen Königen Wladislaw und Georg von Podiebrad
herrschten noch immer unsichere Zustände; erst als Matthias Corvinus 1469
den böhmischen Thron bestiegen hatte, sprach er dem Herzog Friedrich I.
(Sohl) Johanns) das Liegnitzer I^and endgültig zu. Unter der langen Regierung
Friedrichs II. (1488 — l.">47) kamen die Lande Wohlau-Steinau-Raudten
durch Kauf 1523 an Liegnitz (s. o. Öls). Er war es auch, der den Erbvertrag
mit Kurfürst Joachim II. von Brandenburg 1537 abschlofs, nach welchem im
Falle des Erlöschens des Liegnitzer Manncsstammes Liegnitz-Bricg-Wohlau an
Brandenburg fallen sollte, eine Vereinbarung, die König Ferdinand 1546 für
ungültig erklärte. Friedrich II. starb 1547. Von seinen Söhnen übernahm
Friedrieh III. das Hauptland Liegnitz mit der Pfandschaft Münsterberg, Georg II.
(f 1586) Brieg und Wohlau.
Glogau-Sagan. Das Glogauer I^and war in eine herzogliche und könig-
lich böhmische Hälfte geschieden; letztere hatte im Jahre 1331 Johann von
Steinau an König Johann von Böhmen verkauft (LBUrk. I, 134). Die böhmi-
schen Könige hatten sie zeitweise anderen Fürsten überlassen; 1384 war sie
durch König Wenzel an Przemislaw (Primko) von Teschen vergeben worden,
d. h. also halb Glogau mit Steinau und Guhrau (LBUrk. 1, 196). — In der
herzoglichen Hälfte hatte Heinrich IV. (f 1369) alles zugehörige Land vereinigt;
dasselbe war nach einer vorübergehenden Teilung unter seinem Sohne Hein-
rich VIII. (f 1397) der Fall. Nach seinem Tode fand eine neue Teilung statt
unter drei seiner Söhne, indem Johann I. als Herzog von Sagan eine eigene
Linie begründete. Im Jahre 1467 besitzt sein Sohn Johann II. das Saganer
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480 IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
Land, während die andere Linie unter Heinrich XI. halb Glogau, Freistath
Krossen, Sprottau und Lüben hat. Da Heinrieh kinderlos war, so vererbt«; er
als Schwiegersohn des Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg sein Lud
an seine Frau und somit auch an jenen. Dem widersetzte sich aber Johann II
von Sagan und schließlich auch König Matthias. W ie oben bemerkt, hatten
die Herzüge von Teschen halb Glogau im Besitz; Kasimir von Teschen tritt
nun Glogau 1479 an Matthias ab, wofür er Kosel erhält. Hierüber wir»!
Johann auch gegen Matthias aufsässig und sucht ganz Glogau sich anzueignen
Der Frieden von 1481 liefs freilich das Glogauer Land dem Herzog Johann
der aber, falls er ohne männliche Nachkommen stürbe, es an Matthias und
dessen Nachkommen vererben müfste; Krossen, Züllichau, Sommerfeld und
Bobersberg wurden damals vorn Glogauer Lande abgetrennt und Albreclit
Achilles überlassen. LBUrk. I, 232, 236, 242. Doch entstanden zwischen
Johann und Matthias neue Differenzen wegen der Nachfolge ; Johann unterW
aber 1488 und mufste auf alle seine Länder verzichten. — Das Glogauer
Land erhielt später Matthias' Sohn, Johann Corvinus, der es jedoch an den
neuen böhmischen König Wlaidslaw abtreten mufste. 1508 wurde es der
böhmischen Krone inkorporiert. LBUrk. I, 256, 258. — Das Land Sagau
war 1500 an den Herzog Georg von Sachsen gekommen, dann 1539 an seinen
Bruder Heinrich und 1541 an dessen Sohn Moritz, der es 1548 an Könijj Fer-
dinand gegen Eilenburg austauschend abtrat.
Militsch und Trachenberg waren ehemals Bestandteile des Fürstentum!
Öls (s. d.) und wurden 1494 von diesem getrennt. Schon vorher (1471
waren sie als militärisch wichtige Festen mit Herrnstadt und Suhlau an König
Matthias abgetreten worden (LBUrk. II, 91). 1494 verleiht König Wladislaw
beide Herrschaften seinem Kämmerer Siegmund Kurzbach. Es war damit der
Anfang sog. Standesherrschaften gemacht worden, die selbständig neben den
Fürstentümern standen. LBUrk. II, 106, 107. Grünhagen I, 362. Karl I. veii
Öls verkauft 1512 an Kurzbach noch Bezirk und Stadt Winzie, Bezirk Wü«
soska (Herrnstadt) und Rzetiensky (Rützen) und Schlofs Suhlau, LBUrk. H. 114
Bestätigung des gesamten Gebietes durch König Wladislaw 1514, LBUrk. U
116. Die Söhne Kurzbachs teilen 1521 das Land, LBUrk. II, 119, 120.
Wartenberg, ebenfalls ein Teil von Öls, war durch König Matth):*
als Standesherrschaft abgegliedert und an Hans Haugwitz vergeben worden
ebenso Herrnstadt an dessen Bruder Hinko. Doch Konrad der Weilse von
Öls nimmt nach dem Tode Matthias' beide Herrschaften mit Waffengewalt ein
Wartenberg erscheint dann im Besitz verschiedener Familien.
Ratibor. Nach dem Tode Leskos 1336 geht das Land an seinen Schwager
Nikolaus von Troppau über, dessen Nachkommen in gerader Linie einander
folgen bis auf Valentin, mit welchem 1521 das Haus ausstirbt. Nachdem schon
1517 das Land Plefs abgetrennt und .seitdem als eigene Herrschaft dtueb
Kauf an ehe Familie Turzo gekommen war, wird Ratibor 1521 mit Oppeln
vereinigt.
Oppeln war geteilt in Falkenberg und Oppeln (S. 346). Heinrich IH. von
Falkenberg starb 1382 kinderlos. Sein Land fiel an die andere Linie (Wh
dyslaw); schon 1372 war hierüber eine Verfügung getroffen, cf. LBUrk. n, 809.
Da aber auch Wladislaw (f 1401) ohne männliche Nachkommen war, so ver-
erbte er sein Land an seines Bruders (Bolko) Söhne: Johann, Bolko IV. und
Bernhard. Bolkos Sohn, Bolko V. (1460) ist sehliefslich wieder alleiniger Erbe
Unter seinem Neffen Johann, der 1509 Cosel noch erhielt, fällt das Ratiborer
Land 1521 an Oppeln (s. o.). Da Johann kinderlos war, hatte er mit dem
ebenfalls kinderlosen Valentin von Ratibor und beide hinwiederum mit dem
Markgrafen Georg von Brandenburg (Vetter Kurfürst Joachüns I.) eine ErK
Verbrüderung getroffen (1512, LBUrk. II, 345, 848), die auch 1519 die Bestätigung
durch König Ludwig von Böhmen fand (LBUrk. H, 355; für Georg speziell
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338. Kurfürstentum Sachsen.
1522, ibid. III, 362). Vgl. im übrigen Grünhagen, Gesch. Schlesiens I, 374 ff.
Gegen diese Vereinbarung protestierte späterhin König Ferdinand von Böhmen,
weise an Markgraf Georg übergehen sollte, der ausserdem noch Oderberg,
1531 fand aber ein Vergleich statt, dahingehend, dafs Oppeln-Ratibor pfand-
Jägerndorf und Beuthen besals. Grünhagen II, 55 ff. 1532 starb Johann von
Oppeln, und Georg (j 1543) und dann sein Sohn Georg Friedrich waren
nominell Herren des Landes. — Kosel und Beuthen war 1471 von Konrad
dem jungen Weifsen von Öls an König Matthias abgetreten und seit 1476
durch königliche Hauptleute verwaltet worden; Kosel erhielt 1479 Kasimir
von Teschen im Austausch gegen Glogau. Schliefslich fiel es 1509 an Johann
von Oppeln. Beuthen verschrieb König Ludwig 1526 nach dem dereinstigen
Tode Herzog Johanns von Oppeln an den Markgrafen Georg von Brandenburg
(LBUrk. II, 454). Auch Oderberg tritt Johann von Oppeln an den Mark-
grafen ab und König Ludwig bestätigt es. LBUrk. II, 409.
Teschen. Die Nachkommen Przemislaws (f 1409) teilen. Sein Sohn
Boleslaw I. (f 1431) erhält Teschen, sein Enkel Kasimir (f 1433) Ausch-
witz und Zator; letztere waren naeh dem Aussterben der dortigen Fürsten-
linie mit Johann II. (f 1405) an jenen Przemislaw gefallen (LBUrk. II, 580).
— Unter Kasimirs Sohn Johann III. (f nach 1495) gingen Auschwitz und
Zator durch Kauf an Polen 1457 verloren und waren somit für immer von
Schlesien getrennt. (LBUrk. II, 606, 617). Teschen blieb dagegen unter den
Nachkommen Boleslaws I. zunächst bis auf Wenzel III. (f 1579).
Troppau und Jägerndorf. Das Land Troppau war 1336 mit Ratibor
vereinigt worden. 1377 fand unter den vier Söhnen Nikolaus' II. (f 1365) eine
Teilung statt, in welcher Johann I. und Nikolaus III. Jägemdorf, Wenzel und
Primko das eigentliche Troppau erhielten. Die wichtige Teilungsurkunde
(LBUrk. II, 484 ff.) verzeichnet sehr ausführlich sämtliche Ortschaften, von
denen sich einzelne allerdings schwer ermitteln lassen. Die eine Hälfte um-
fafste den Nordwesten des alten Fürstentums Troppau, der von jetzt ab das
selbständige Fürstentum Jägerndorf bildet mit den Städten Jägerndorf,
Leobschütz, Freudenthal, Zuckmantel, Deutech-Neukirch und viele kleinere Orte
(LBUrk. 1. c). Die andere Hälfte begriff den Südosten des ehemaligen Fürsten-
tums, der sich die Oppa aufwärts über Troppau hinaus in den anderen Teil
hineinschiebt und im engeren Sinne Fürstentum Troppau genannt wird, mit
Stadt Troppau, Burg Landeck, Koblau, Markersdorf, Boorownik, Hultschin usw. ;
im übrigen vgl. die Urkunde. — Jägerndorf kam nach dem Aussterben der
dortigen Dynastcnlinie durch Heirat der überlebenden Enkelin Johanns IL
Barbara als Mitgift an deren zweiten Gemahl Georg von Schellenberg. Von
letzterem kaufte Markgraf Georg von Brandenburg 1523 Jägerndorf und Leob-
schütz, Schlofs Lobenstein unfern der Oppa, sowie die Städtchen Bennisch und
Bauerwitz (LBUrk. II, 547) und mehrere Dörfer. Georg von Brandenburg starb
1543 und Jägerndorf ging an seinen Sohn Georg Friedrich über. — Troppau
war unter Wilhelm und Ernst mit Münsterberg vereinigt worden (s. d.) und
kam an Georg Podiebrad bzw. dessen Sohn Victorin. Dieser überliefs es 1485
an Matthias Corvinus. Dessen Sohn Johann trat es 1501 an König Wladislaw
ab und dieser übergab es 1515 dem Herzog Kasimir von Teschen. Seit 1526
gehörte es unmittelbar zur böhmischen Krone.
Plel's, im Besitz der Freiherren von Turzo (s. Ratibor) seit 1517, ging 1542
durch Kauf an den Fürstbischof von Breslau, Balthasar von Promnitz, über.
338. Kurfürstentum Sachsen. Es erscheint in dieser Periode in
einer ganz anderen Machtstellung und zugleich auch anderem Umfange
als um das Jahr 1375. Nach dem Aussterben der alten Kurfürstenlinie
von Sachsen - Wittenberg (1422) wurde das Land an der mittleren Elbe
mitsamt der Kurwürde auf den Wettiner Friedrich den Streitbaren
Kretichmer, Uiitoriache Geographie
31
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482 IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
für seine Verdienste in den Hussitenkriegen übertragen (1423). Die Er-
werbung des Titels eines Kurfürsten von Sachsen hatte im weiteren die
Übertragung des Landesnamens Sachsen auf die Wettinisehen Herrschafts-
gebiete im Laufe der Zeit zur Folge. Die Wettinischen Lande bestanden
aus den drei Hauptteilen, den Markgrafschaften Meifsen, Osterland und
der Landgrafschaft Thüringen, die infolge der häufigen Teilungen im
Hause Wettin mehrmals getrennt und dann wieder vereinigt auftreten
Im XV. Jh. trat eine definitive Trennung des Hauses in zwei Haupt-
linien, die Ernestiner und Albertiner, ein. Die Kurwürde besafsen die
Ernestinen denen bei der Teilung der thüringische Anteil im wesentlichen
zugefallen war. Durch die politischen Ereignisse kam aber schliefslich
der Kurfürstentitel an die Albertinische Linie (1548), aber der Landes-
name Sachsen ist beiden geblieben; trotz der Zersplitterung, die der
Ernestinische Anteil erfuhr, werden die einzelnen Teilstücke auch heute
noch im offiziellen Titel als Sachsen bezeichnet.
Die Söhne Friedrichs des Ernsthaften (f 1349): Friedrieh der Strenge,
Balthasar und Wilhelm I. hatten in brüderlicher Einigkeit gemeinschaftlich
regiert. Als Friedrich 1381 starb und drei Söhne hinterliefs, gestalteten sich
die Verhältnisse schon schwieriger und man schritt 1382 in Chemnitz zu einer
regelrechten Erbteilung, bei der Wilhelm Meifsen, Balthasar Thüringen und
Friedrichs Söhne: Friedrieh der Streitbare, Wilhelm II. und Georg das Oster
land erhielten. Da Wilhelm I. aber 1407 kinderlos starb und Balthasars Linie
mit seinem Sohne 1440 ebenfalls erlosch, so ist der gesamte Besitz in jenen»
Jahre in der osterländischen Linie wieder vereinigt, die damals aus den t>eiden
Vertretern Friedrieh den Streitharen und Wilhelm II. noch bestand.
Unterdessen hatte sich aber der territoriale Besitz nicht unwesentlich ver
gröfsert. Besonders war es jenem Wilhelm I. gelungen, sein Meifsener Land
zu erweitern. Die Herrschaft Riesenburg in Böhmen mit Doxaw und Kloster
Ossegk kaufte er 1398, doch kam sie 1459 dem Meifsener Lande wieder aln
handen. Wichtiger war der Erwerb von kleineren Territorien, wie der Burg
grafschaft Dohna, die zum Teil unter meifsnischer, zum Teil unter
böhmischer Ixmenshoheit stand; es gehörten dazu Dohna, Königstein. Wesen
stein, Rabenau, Königsbrück und Auerbach im Vogtlande. Desgleichen die
Herrschaft Colditz, die seit 1368 ebenfalls unter böhmischer Lehenshoheit stand.
1402 und 1404 erwarb sie Wilhelm durch Kauf mitsamt den Gütern, welche
die Herren von Colditz im Eilenburgischen besafsen. Schliefslich brachte er
auch Pirna, welches vordem mehrmals unter bald meifsnischer, bald böhmi
scher Herrschaft gestanden hatte, an sich. Als er 1407 starb, trat der unver
meidliche Erbschaftsstreit zwischen der osterländischen und thüringischen Linie
sowie noch anderen Prätendenten ein. Zu Naumburg einigte man sieh am 31. Juli
1410 dahin, dafs die Osterländer Linie die an ihre Besitzungen grenzenden Teil-
stücke jener Hinterlassenschaft erhielten (Zörbig, Delitzseh, Düben. Mittweida.
Chemnitz, Schellenberg etc.), die Thüringer Linie (Friedrich der Friedfertige;
den nach Böhmen liegenden Teil (Großenhain, Dresden. Pirna, Tharandt.
Dohna, Königstein, Riesenburg u. a.).
Die thüringische Linie hatte unter Balthasar 1385 die Grafschaft
Käfern bürg erworben, deren Geschlecht damals ausstarb.
Der osterländischen Linie unter Friedrich den Streitbaren und Wilhelm
war allein eine fernere Zukunft besehieden. Beide kauften 1389 von den
Grafen von Schwarzburg Schloß und Stadt Saal fei d, welche sie seit 1270
besafsen; ferner 1393 Schloß Altenberg bei Jena von dem Burggrafen Diether.
1396 Schlots Leuchtenburg mit Kahla und Roda. Von den Reufsen von
338. Kurfürstentum Sachsen.
483
Plauen erwarben sie nach deren Aussterben noch Ronneburg, Werdau, Voigts-
berg und Schmölln. 1410 und 1411 wurde auch Weida teils durch Tausch,
teils durch Kauf gewonnen. Die umfassendste Erwerbung war das Herzogtum
Sachsen (s. d.) mit der Kurwürde, 1423.
Seine Söhne Friedrich der Sanftmütige (1428 — 1464), unter dem derHussiten-
krieg im Lande von neuem wütete, und Wilhelm III. kamen in Differenzen,
als der thüringische Landgraf Friedrich der Friedfertige 1440 gestorben war.
1445 verglichen sie sich zu Altenburg, wobei Wilhelm Thüringen und einen
Teil des Osterlandes erhielt. Trotzdem war der verheerende Bruderkrieg nicht
zu vermeiden gewesen, der erst 1451 endete. An Erwerbungen Friedrichs sind
zu nennen : Lichtenwalde, Sayda und Purschenstein, die ihm nach dem Aus-
sterben der Meifsner Burggrafen mit Heinrich II. (von Hartenstein) zufielen,
und 1439 auch Schlofs Frauenstein ; 1429 hatte er auch die Burggrafschaft
Altenburg erworben, 1443 Hohnstein, 1451 Wildenstein, 1451 Hoyerswerda und
Senftenberg. Demgegenüber hatte der Egersche Vergleich von 1459 erhebliche
Verluste zur Folge ; denn Riesenburg, Dux und Brüx fielen an Böhmen zurück
und Friedrich mulste über 63 meifsnische Städte die böhmische Lehenshoheit
anerkennen (Plauen, Rudolstadt, Sondershausen, Glaucha, Waldenburg, Loben-
stein, Colditz, Eilenburg, Leisnig, Pirna, Königstein, die Hälfte von Dohna,
Dippoldiswalde, Voigtsberg, Ölsnitz, Tharant, Mylau, Reichenbach, Auer-
bach usw.).
Mit seinen beiden Söhnen Ernst und Albrecht beginnt eine neue
Ära. Sie herrschten anfangs gemeinsam, während Ernst die Kurwürde allein
besals. Sic erringen auch manchen Vorteil ; so gewinnen sie 1466 die Herr-
schaft Plauen von den Reufsen, 1472 und 1477 grofse Gebietsteile in Schlesien
(Sagan, Sorau, Beeskow, Storkow) als böhmische Lehen, die allerdings sehr
bald wieder abhanden kamen; 1477 erkämpfen sie die Vogtei über Quedlin-
burg, 1483 jene über Erfurt. Im Jahre 1482 starb endlich auch ihr Oheim
Wilhelm III. und Thüringen fiel ihnen somit zu.
Unter den Brüdern herrschte aber nicht immer das beste Einvernehmen
und der neue Länderzuwachs bestimmte sie, eine Teilung des Ganzen vor-
zunehmen, die zu einer dauernden Trennung führen sollte. Die sog. Leipziger
Teilung vom 26. August 1485 wurde bestimmend für die weitere territoriale
Entwickelung Thüringens und Sachsens. Die Teilungsurkunde in Lünigs
Reichsarchiv, part. .spec, Cont. II, 246 ff.
1. Ernst erhielt: Weimar mit Magdala, Rofsla, Sulza, Weida, Auma,
Triptis, Arnshaugk, Neustadt, Pöfsneck, Ziegenrück, Leuchtenburg, Kahla, Roda,
Burgau mit Lobeda, Orlamünde, Reinstädt, Saalfeld, Wachsenburg, Gotha,
Ualtershausen, Salzungen, Kreinberg, Wartburg, Eisenach, Gerstungen, Kreuz-
burg, Breitenbach, Haineck, Neumark, Büttstedt. Buttelstedt, Schwarzwald, das
Geleit zu Erfurt, Coburg, Heldburg, Hildburghausen, Eisfeld, Sonneburg, Neu-
stadt, Neuhaus. Rodach, rmmerstadt, Zwickau. Adorf, Voigtsberg, Ölsnitz,
Plauen, I>eida, Pausa, Werdau, Crimmitzsehau, Schmölln, Ronneburg, Alten-
burg, Lucka, Borna, Colditz, Läfsneck, Grimma, Eilenburg, Torgau, Schiida,
Dommitzsch, Gräfenhainichen, ferner die Lehensherrlichkeit über die schwarz-
burgischen Besitzungen zu Arnstadt, Blankenburg, Rudolstadt. Ilm, Leutenberg,
über die Grafen von Gleichen, zu Tonna, Blankenhain und Remda, über die
Vögte von Gera und die Reufsen von Plauen, die Herrschaft Wildenfels und
die Schutzherrschaft über das Bistiun Nauinburg-Zeitz.
2. Albert erhielt: Meilsen mit Lommatzsch, Dresden, Pirna, Rathen-
fwönigßtein, Hohnstein, Radeburg, Senftenberg, Finsterwaldau, Ortrandt, Grofsen-
hain, Oschatz, Döbeln, Rochlitz, Mittweida, Kochsberg, Kreinitz, Schellenberg,
ÖfJerau, Zschoppau, Wolkenstein. Geyer, Thum, Freiberg. Frauenstein, Dippol-
diswalde, Tharandt, Leipzig, Dölzig, Pegau, Weifsenfeis, Freiburg, Mühl, Jena-
Dornt»urg, Camburg, EcKartsberga, Sangerhausen, die Vogtei zu Quedlinburg,
->achsenhau8en, Tennstedt, Langensalza, Thamsbrück, die Lehensherrlichkeit über
3f
484
IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
die sehwarzburgischen Besitzungen zu Sondershausen und Frankenhausen, die
Grafen von Stolberg und Mansfeld, die Schenken von Tautenburg und die
Schutzherrschaft über Merseburg. — Da Alberts Anteil gröfser war, so sollte
dieser an Ernst noch 100000 Gulden zahlen; an Stelle von 50000 Gulden trat
Albert Stadt und Amt Jena an Ernst ab.
3. Gemeinsam blieben: Das Bistum Meilsen, Sagan und die Biber-
steinischen Herrschaften (Sorau, Beeskow, Storkow), der Schneeberg mit dem
Neustädtel, alle Bergwerke, sowie verschiedene Revenuen, aber auch Schulden.
Bei der Teilung war also nicht eine einfache Demarkationslinie gezogen
worden. Die beiderseitigen Anteilstücke lagen vielmehr ineinander verschlungen,
was nicht ohne Absicht geschehen war, um die frühere Gemeinschaft und den
innigen Zusammenhalt zum Ausdruck zu bringen.
Doch sollte diese Teilung keine endgültige bleiben. Die weltbewegenden
Ereignisse der Reformation, die gerade in diesen Gebieten ihren Ausgang nahm,
riefen grofse Veränderungen abermals hervor. Der für den Kurfürsten Johann
Friedrich mit der Schlacht von Mühlberg (1547) so unglücklich endende
Schmalkaldische Krieg ; beschränkte den Ernestinischen Machtbereich und hatte
auch den Verlust der Kurlande und Kurwürde zur Folge, die beide damals
auf die Albertinische Linie, auf Herzog Moritz, übertragen wurden. Auch die
Johann Friedrich abgenommenen Güter fielen an Moritz. Die von der Krone
Böhmen als Lehen gehenden Gebiete wurden von dieser requiriert. Doch ge-
lang es Moritz 1549, die Herrschaften und Ämter Colditz, Eilenburg und Leisnig
Adorf, Neukirchen, Schöneck) verlieh Kaiser Ferdinand an den Titularburg-
grafen von Meilsen Heinrich V. Ebenso wurden die von Böhmen belehnten
reufsischen Herrschaften Gera, Burg, Lobenstein, Schleiz und Greiz eingezogen.
Die Schirmvogtei über die beiden Stiftelande Magdeburg und Halberstadt fiel
an den Brandenburger, den Erzbischof Johann Albrecht. Moritz erhielt dagegen
Gotha und Wittenberg und verpflichtete sich, den Kindern Johann Friedrichs
eine Jahresrente von 50000 Gulden zu zahlen, an deren Stelle er aber ilinen
folgende Ämter, Städte und Orte anwies: Gerstungen, Breitenbach. Berka.
Eisenach mit der Wartburg, Salzungen (teilweise), den sechsten Teil von
Treffurt, Kreuzburg, Weimar, Gotha, Tenneberg, Waltershausen, Kahla mit
Leuchtenburg, Roda, ürlamünde, Jena, Kapellendorf, Rpfsla, Wachsenburg.
Dornburg, Camburg, Büttstedt, Buttelstedt, Amshaugk, Weida, Ziegenrück, die
Dörfer und Jagdhäuser Friedebach, Hummelshain und Truckenbom, dasGeleit
zu Wiegendorf. Aufserdem mehrere Klöster (Reinhardsbrunn, Ichtershausen,
Bürgel etc.), sowie die Herrschaft Saalfeld.
Johann Friedrichs Bruder Johann Ernst, der die Coburger Pflege besals,
mufste von ihr das Amt Königsberg an Albrecht von Brandenburg-Kulnibach
abtreten (1551 kaufte das Amt Kurfürst Moritz an sich).
Die Urkunde über die Wittenberger Kapitulation s. bei Lünig, Reich-
archiv, I. c. S. 289 ff. Vgl. Beck, Joh. Friedr. der Mittlere, 1858, S. 29.
330. Vogtland. Im Jahre 1550 bestanden nur noch die beiden
Hauptlinien Weida und Plauen, während der letzte Vertreter der Linie
Gera in eben jenem Jahre ins Grab gesunken war. Innerhalb der
Plauenschen Linie war eine neue Teilung eingetreten. Neben der älteren
Plauenschen Linie, hat die jüngere Reufsische Linie sich in drei neue
gespalten, indem die drei Söhne Heinrichs XVI. die Stifter dreier Zweige
wurden, unter denen späterhin (1564) eine Teilung stattfand,
Im Besitzstande der einzelnen Häuser waren in der Zwischenzeit manche
Veränderungen vor sich gegangen. Die Linie Weida, die schon 1373 d**
Goo
340. Grafschaft Schwarzburg.
485
Regnitzland verkauft hatte, sah sich veranlafst, in den Jahren 1406 — 1427 auch
ihre Anteile an Weida an die Meifsener erst zu verpfänden, dann ganz zu ver-
äufsern, so dafs sie schliefslich weder von Weida, noch vom Regnitzlande etwas
besafs. Die beiden Söhne Heinrichs des Alteren (f 1435) kauften 1454 Schlots
Wildenfels und stiften die Linien Weida-Wildenfels und Weida zu flauenstein,
letztere Linie starb bald aus, aber auch erstere besteht nur bis 1535. Die
letzte Tochter des Hauses Margarete ist an den Grafen von Schwarzburg-
Leutenberg vermählt. Schlofs Wildenfels wird wieder an Wildenfels verkauft,
und von dem reichen Besitz der Linie Weida verbleiben nur die Güter Tims
und Caaschwitz dem Hause Reufs. Vgl. Brückner, 1. c. S. 339.
Auch die Linie Gera hatte vor ihrem Erlöschen empfindliche Einbufse
erlitten. Nicht blofs die Hussitenkriege hatten das I>and materiell geschädigt,
als besonders der Krieg des Kurfürsten Friedrichs des Sanftmütigen gegen
t*einen Bruder Wilhelm (1446 — 1451). Heinrich XII. hatte sich auf des ersteren
Seite gestellt. Gera wurde verwüstet und niedergebrannt; Heinrich starb in
der Gefangenschaft 1452. Die Söhne seines Bruders setzten den Stamm fort
und teilten den Besitz in Gera-Schleiz- Lobenstein. Der mittlere Sohn Heinrich XV.
vereinigt alles wieder, doch seine Söhne teilten abermals 1502; der überlebende
jüngere mufste nach dem Schmalkaldisehen Krieg die böhmische Lehenshoheit
anerkennen und Gera an den Burggrafen von Meilsen, damals Heinrich von
Plauen, abtreten. Mit ihm starb 1550 das Haus aus.
Im Hause Plauen war die ältere Linie (Heinrich XI.) in den
Fürstenstand erhoben und 1426 mit der Burggrafschaft Meilsen beliehen
worden. Doch mufste schon sein Nachfolger sie an dcir Kurfürsten 1433 für
eine Summe von 16000 Gulden wieder abtreten. Auch die vogtländisehen
Besitzungen gingen 1482 an Kursachsen verloren, kamen aber 1547 an die
Linie zurück und nach dem Erlöschen der Geraer Linie fielen jener auch
Sehleiz, Lobenstein und Saalburg zu. Über Gera s. o.
Die jüngere Plauensche Linie Reufs wurde durch die drei Söhne Heinrichs XVI.
repräsentiert, die 1564 teilten (s. später). 1451 hatte diese Linie die Herr-
schaften Ober- und Nieder Kranichfeld erworben.
$44). Grafschaft Schwarzburg. Alle ihr zugehörigen Territorien, die
infolge der oft sich abzweigenden Nebenlinien zersplittert wurden, sollten
um 1550 wieder in einer Hand vereinigt sein. Die Altere Blankenburger
Linie hatte sich unter den Nachkommen der Brüder Heinrich XIV. und
Günther XXV. in zwei Linien gespalten: die Schwarzburg- Blankenburger
und die Schwarzburg-Sondershausener, die sich beide in den Landbesitz
teilten (1374). Die erstere starb jedoch 1418 bereits aus, während die
andere fortbestand und mit Heinrich XXVIII. (f 1488) als Jüngere
Blankenburger Linie fortblühte. Die Linie seines jüngeren Sohnes
Günther XXXIX. erlischt mit dessen Nachkommen, während jene seines
älteren Sohnes Günther XXXVIII. im Urenkel Günther XL. mit dem
fetten Maule den Stammvater der späteren Sondershausener und Rudol-
städter Linien erhält, der zugleich die Schwarzburger Territorien wieder
vereinigt.
Der Territorialbesitz hatte in diesem Zeitraum eine Vergröfserung erfahren.
Im Jahre 1377 hatten die Grafen Schlofs und Dorf Ichstedt, Dorf Borxleben
und Udersleben vom Grafel! von Beichlingen gekauft, und 1378 von dem
Hälfte von Ilm. 139(J kauften sie das Dorf Gänseroda. Dagegen ging ihr Er-
werb des Jahres 1333 (s. o.) an den Markgrafen Friedrich von Meilsen 1392
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IX. PolitiHche Geographie um da« Jahr 1550.
wieder verloren. Im XIV. Jh. besafsen sie auch die Vogtei Hafsleben, Grofc-
Sömmerda und Sehellenberg (letzteres allerdings 1418 an Erfurt wieder ver-
kauft). Von den Erben des Grafen Dietrich von Hohnstein kauften sie 1417
und 1439 in Gemeinschaft mit den Grafen von Stolberg Stadt und Schlots
Heringen. 1424 erwarben sie von den Hohnsteinern auch die Hälfte von
Benneckenstein. 1428 wurde Dorf Ringleben bei Frankenhausen gekauft, und
in demselben Jahre Schlofs und Stadt Kelbra von den Herzögen Friedrich
und Sigismund von Sachsen. Wichtig war der Ankauf der Herrschaft Käfeni
bürg vom Herzog Wilhelm HI. von Sachsen 1446. Die Herrschaft Wiehe er-
warben sie 1448 vom Grafen von Beichlingen, 1464 kauften sie Schlofs Ger-
terode von Eckard von Guttern. — Die 1361 erworbene Herrschaft Kranichfeld
hatten sie 1390 an Burggraf Albrecht von Kirchberg verkauft, bald darauf
aber zurückerworben, um sie 1398 an Meilsen zu verkaufen. Wieder zurück-
gekauft, ging sie 1412 in den Besitz des Burggrafen von Kirchberg über. Vgl.
Apfelstedt, 1. c. S. 4 ff.
Als die sächsischen Ijande 1445 geteilt wurden (s. o.), kamen die schwarz-
burgischen Territorien unter die Oberhoheit des Herzogs Wilhelm. Bei der
Länderteilung von 1485 fand auch eine Teilung der Oberhoheit statt; Kur
Sachsen erhielt sie über die obere Grafschaft, die Ernestiner über die unten'.
Heinrich VII. (Ältere Blankenburger Linie)
Heinrich X. Günther XXI.
f 1337 deutscher König f 1349
I
Heinrich XIV. Günther XXV. Heinrich XUI. f 1357
f 1373 f 1368 f f f
Heinrich XXU. Günther XXIX. Heinrich XX. Günther XXVHI f 1415
f 1384 f 1418 f 1413 |
7—7 f f t Heinrich XXVI.
ttt |
Heinrich XXVHI.
f 1488
(Jüngere Blankenburger Linie)
Günther XXXVIU. Günther XXXIX
t 1484 f 1531
I I
Heinrich XXXIII Heinrich XXXIV.
I ttt
Günther XL
t 1562
341. Grafschaft Mansfeld. Durch eine Reihe glücklicher Erwer
bungen hatte die Grafschaft einen Zuwachs erfahren. Durch den Grafen
Günther! war die Herrschaft' Arnstein dem Grafen Ulrich von Rein
stein abgekauft worden (1387). Diese Herrschaft grenzte im N. un
mittelbar an Mansfeld und war im übrigen von anhaltischem Gebiet
umschlossen. Im Jahre 1377 war Alberstedt (im N. von Querfurt) erworben
worden, 1442 kam Friedeburg als magdeburgisches Lehen hinzu, 1480 die
Herrschaft Heldrungen, die Graf Johann von Hohnstein an Mansfeld
verkaufte. Im Jahre 1439 wurde Hettstedt von den Herzögen von Sachsen
gekauft, 1 440 Burg und Herrschaft Wippra, 1448— 1452 Artern mit Zubehör
342 Grafschaft Hohnstein und Stoiber^. 343 Grafschaft etc. 487
Die Herrschaft Heldrungen lag unterhalb des Unstrutdurchbruehes
am Nordabhang der Schmücke. Der letzte Herr starb 1414; sie fiel dann an
Hohnstein und kam dann an Mansfeld. — Der Erwerb von Zörbig, Bitterfeld
und Gräfenhainichen 1471, die den Herzögen von Sachsen gehörten, war nur
ein vorübergehender.
$42. Grafschaft Hohnstein und Stolberg. Die Grafschaft Hohnstein
.«(and unter den vielen Teillinien des Klettenberger Astes, von denen
die Heringer Linie (von Dietrich VI. (t 1368) gestiftet) 1417 erlosch, die
Heldrunger Linie (von Ulrich III. f 1414) 1609 mit Tode abging, während
zugleich die von Heinrich IV. gestiftete Hauptlinie fortbestand bis 1593.
Während in ihrem territorialen Bestände keine nennenswerten Ver-
änderungen vor sich gegangen sind, hatte Stolberg durch die Heirat
Graf Bothos VI. (t 1455) mit der Erbtochter des Grafen Heinrich IV. von
Wernigerode (f 1429) dessen Grafschaft am Nordrande des Harzes
geerbt. Bodo II. hatte überdies Kelbra und Heringen von Dietrich IX.
von Hohnstein gekauft. Unter den Söhnen seines Enkels Bodo III.
t 1538) fand eine Teilung der Territorien statt : Wolfgang bekam das
Stammland Stolberg, Heinrich X. (f 1572) die Grafschaft Wernigerode,
Ludwig (+ 1574) die Herrschaft Rochefort und später die Herrschaft
Königstein.
Die Grafschaft Rochefort (Itutschfort) in Lothringen war durch
Heirat an die Grafen von Eppenstein und dann durch Heirat Bodos III. an
die Stolberg gekommen und fiel auf dieselbe Weise (1574) schliefslich den
Grafen von Löwenstein zu, da Ludwigs Tochter Anna an einen (trafen dieses
Hauses vermählt war. — Die Herrschaft Königstein hatte in Ulrich 1236 seinen
Herrn verloren. Er hinterließt fünf Schwestern, von denen die eine an einen
(irafen von Falkenstein vermählt war, dessen Haus die Hinterlassenschaft im
Laufe der Zeit fast vollständig ankaufte. Als die Falkensteiner auch aus-
starben, waren wieder fünf Schwestern vorhanden, die an die Häuser Sayn,
Virneburg, Solms, Eppstein und Isenburg vermählt waren. 1419 verglichen
sich die Schwäger danin, dafs Eppstein den dritten Teil des Erbes, die anderen
das übrige bekommen sollten, im Jahre 1535 starb das Haus Eppstein mit
Graf Eberhard aus, dessen Schwester Anna an Bodo von Stolberg vermählt
war und ihm auch die Herrschaft Königstein zubrachte.
Grafschaft Wernigerode. Unter den letzten Grafen dieses Namens
war infolge einer Fehde mit dem Erzbischof Ludwig von Magdeburg diesem
Stadt und Schlofs Wernigerode 1381 zu Lehen aufgetragen worden, während
die brandenburgische Lehenshoheit nicht mehr Berücksichtigung fand. Doch
brachte Kurfürst Friedrich II. die alten seit V2i\$ datierenden Lehenrechte
wieder zur (ieltung, und 1441) trat Erzbischof Friedrich das Lehenrecht an
Brandenburg wieder ab. — Mit Graf Heinrich war 1429 die alte Wernigerodcr
Grafenlinie ins Grab gesunken und das Territorium kam durch Heirat an die
Stolberg (Graf Botho VI., den Älteren 1402- 1455).
343. Grafschaft Blankenburg- Regenstein. Das gesamte Gebiet
war im Besitz der Heimburger Linie. Das Unglück, welches das Haus
in der voraufgehenden Periode betroffen, verfolgte es auch in dieser neuen:
die (»rafen sahen sich infolge fortwährender Geldverlegenheiten genötigt,
ein Stück nach dem andern zu veräufsern. Sie waren Lehensträger
teils von Halberstadt, teils von Braunschweig; 1426 verpflichteten sie
sich letzterem von neuem zur Lehenspflicht. Unter den Gebietsverlusten
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IV. Politische Geographie um das Jahr 1550.
sind zu nennen, 1387 : der regenst einsehe Anteil an der falkensteinschen
Erbschaft und Burg Arnstein mit 24 Ortschaften an Mansfeld. Die
Quedlinburgor Lehen, die die Äbtissin 1477 den Herzögen von Sachsen
zugesprochen, rissen diese 1490 tatsächlich an sich. Teils verkauft auf
Wiederkauf, teils verpfändet wurden Heimburg 1504, Westerburg 1500
und die Herrschaft Derenburg an Botho von Stolberg, drei Dörfer 1540,
Schlofs und Amt Stiege 1548.
344. Bistum Hildeshelm. Das Stift hatte am Ende des XIV. Jh.
und in der ersten Hälfte des XV. Jh. noch beträchtliche Landerwerbungen
gemacht, aber die mehr und mehr zunehmende Schuldenlast zwang die
Bischöfe, eine Reihe von Besitzungen und besonders Burgen an die
Dynasten und Herrengeschlechter der Nachbarschaft zu verpfänden.
Den empfindlichsten Sehlag erfuhr das Stift nach dem Austrag der
Hildesheimer Stiftsfehde unter Bischof Johann IV., durch welche der
Landbesitz eine erhebliche Einbufse erlitt, das »Grofse Stifte in das
sogenannte »Kleine Stift« eingeschränkt wurde.
Unter Bischof Gerhard war Vienenburg mit allem Zubehör vom Wer-
nigeroder Grafen gekauft worden, 1380 wurde nach einer Fehde mit Albrecht
von Sachsen und Lüneburg Schlofs Co Idingen an der Leine an das Stift
abgetreten. 1384 erwarb (ierhard vom Grafen Otto von Hallermund ein Viertel
von Eldagsen, dann 1388 ein Viertel von Burg Hallerspring. Nach dem
Aussterben der Grafen von Wolde übe rg 1383 fielen die Güter, die jene von
Hildesheini zu Lehen trugen, endgültig an das Stift zurück. — Nach Beilegung
der Fehde mit Herzog Bernhard von Braunschweig um die Herrschaft Honi-
burg (nach dem Tode des letzten Homburgers 1401) * fiel das Anrecht auf Grene,
Lüthorst und Hohenbüchen an das Stift, welches aber auf die Herrschaft Hom-
burg verzichten mufste.
Noch beträchtlicher waren die Erwerbungen unter Bischof Magnus, der
1433 von den Herzögen Otto und Friedrich von Braunschweig einen Land-
strich im mittleren Wesergebiete südlich und östlich von Hameln als Pfand
schaft erwarb; es waren Teile der Herrschaften Everstein und Homburg
mit Grohnde, Ärzen mit der Hämelschen Burg. Boden werder, halb Everstein,
Lauensteiii, Wallensen und Hallerburg und die Vogtei auf der Hamel, wogegen
der Bischof die erst 1430 erworbene Feste Dachtmissen den Brüdern zur Bürg-
schaft überliefs. — Cf. Wachsmuth, Gesch. v. Hildesh., S. GO f., Bertram.
Gesch. d. Bist. H., I, 350, 372 f., 394. Die von den Bischöfen zur Deckung
von Schulden an andere in Pfand gegebenen Orte und Burgen verzeichnet
Bertram I, 352, 371, 392.
Das Pfandschaf tsunwesen hatte den Staatshaushalt sehr geschmälert und
Johann IV. suchte die Pfänder wieder einzulösen, wobei er mit den Pfaml-
besitzern, die sich schon als Erbeigentümer fühlten, in Fehde geriet; aber auch
die braunschweigisehen Herzüge wünschten umgekehrt jene 1433 an das Stift
in Pfand gegebenen Everstein-Homburgischen Gebiete zurückzulösen, was Bischof
Johann seinerseits ablehnte. Die hierdurch hervorgerufene Hildesheimer
Stiftsfehde wurde 1523 durch den Vertrag von Quedlinburg beigelegt, wo-
nach dem Stifte von seinen 7 Grafschaften und 21 Schlössern nichts blieb als
die Burgen und Ämter Peine, Steuerwald, Marienburg und die Domprobsui.
welche seitdem das Kleine Stift bildeten. — Cf. Wachsmuth, S. 104 — 1Ä
Hävern an n, Gesch. v. Braunsehw.-Lünebg. II, 1—62.
345. Fürstentum Anhalt. Das Land war in der angegebenen Weise
zwischen die ältere Bernhurger und Zerbster Linie geteilt gewesen. Im
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345. Fürstentum Anhalt.
489
bei weiteren Teilungen einem Verlust einzelner Landesteile vorzubeugen,
schlössen sämtliche Mitglieder des Fürstenhauses 1388 eine Erbvereinigung.
Die Bernburger Linie starb mit Bernhard VI. 1468 aus, nachdem dieser
noch einmal den ganzen Hausbesitz der Linie vereinigt hatte. Sein
Erbe fiel an die Zerbster Linie, und zwar an Georg I. Diese Linie
hatte sich in den Söhnen Johanns L nochmals gespalten in die Sieg-
mundsche und Albrechtsche Linie. Unter den Nachfolgern der beiden
Stifter fanden mehrfach Streitigkeiten wegen der Teilung des Landes
statt. Der Vergleich von 1460 bestimmte, dafs Georg I. von der Sieg-
mundschen Linie Röthen und alles Land auf dem linken Elbufor erhielt,
Adolf I. und Albrecht V. von der Albrechtschen Linie aber Stadt und Schlofs
Zerhst und das Land auf dem rechten Elbufer. Diese Teilung bestand
aber nur bis zum Jahre 1508, als die letzten Nachkömmlinge Adolfs
und Albrechts freiwillig von der Regierung des Landes zurücktraten und
es der Siegmundschen Linie überlielsen. In dieser war aber unter den
Söhnen Georgs I. (t 1474) abermals eine Spaltung in zwei Linien mit
entsprechender Länderteilung eingetreten (bereits 1471): Kothen und
Dessau bildeten die beiden Hälften, während die Bernburgischen Lande
ungeteilt blieben; doch fand 1497 eine Aufteilung auch dieser statt.
Der Anfall des Albrechtschen Landesanteils 1508 führte zu neuen
Veränderungen in der Teilung, die sich im einzelnen nicht mehr feststellen
lassen. Es erhielt hierbei Waldemar VI. das Köthensche Land mit den
Harzer Landen, halb Bernburgund Zerbst, Ballenstedt undKoswig, während
Dessau, Jefsnitz, Plötzkau, halb Zerbst und Bernburg u. a. an Ernst I.
fiel. Die Unzweckmafsigkeit dieser Teilung, die sich besonders in der
Verwaltung bemerkbar machte, veranlalste später die Söhne beider zu
einem Austausch der Gebiete und einer Teilung in vier Abschnitte.
Der Teilungsvertrag von 1544 bestimmte endlich folgendes: Fürst Wolf-
gang erhielt für die Hälfte von Zerbst vielmehr den ganzen Bernburger
Anteil mit Ausnahme von Plötzkau und Warmsdorf; aufserdem besafs
er Kothen, Nienburg, Sandersleben, Ballenstedt, Hoym und Koswig; von
seinen Vettern erhielt Johann II. das Zerbster Land aufser Koswig,
Georg III. Plötzkau, Warmsdorf, Güsten, auch vielleicht Harzgerode und
Güntersberge, und Joachim Dessau, Jefsnitz, Raguhn und Lippehne.
Bernhard VI. hat in Voraussicht seines Todes 146t> Beine Erbgüter (Bern-
hurg, Sandersleben, (iröbzig, Warmsdorf, Erxleben, (üinsefurt, Mönehen-Nien-
l»urg u. a.) dem Erzstijjfc Magdeburg zu Lehen aufgetragen. — Aber auch die
Zerbster Fürsten hatten die von Magdeburg, Quedlinburg und (ternrode als
Lehen gehenden Gebiete sich von diesen verbriefen lassen. — Bernhard VI.
hatte übrigens nach dein Tode seines Vetters Bernhards V. 1420 auch dessen
Erbteil übernommen.
In der Zerbster Linie hatte Siegmund I. als der Ältere das rechte Elb-
uferland mit Zerbst erhalten, Albrecht III. das linksseitige Gebiet Letzterer
hatte 1413 noch Schlofs Dornburg erworben und 1414 Burg Hundeluft von
den Quitzows erobert. — Dem Fürsten Ernst I. war bei der Teilung des Landes
1471 aufser Dessau, Jefsnitz, Raguhn, hall» Zerbst und Hernburg auch das Amt
Wörlitz (mit Wörlitz, Griesen und Schönitz) zugefallen, es aber an drei seiner
J »rüder verkauft, die es an den Kurfürsten von Sachsen weiterveräufserten;
«loch wurde es 1523 wieder eingelöst. — S. Tabelle auf folgender Seite.
V
4<K)
IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
846. Mark Brandenburg. Nach dem
Tode Karls IV. und noch mehr zur Zeit
der Pfandherrschaft hatte die Mark an ihrem
Territorialbestande viel eingebüfst. Di«*
Neumark war ganz losgelöst und an den
Deutschen Orden verkauft worden. Als
Friedrich I. als Kurfürst die Mark 1415
übernahm, bestand sie noch aus der Alt
und Mittelmark, der Priegnitz, Ukermark,
Lebus und Sternberg; aber innerhalb des
Landes waren viele Güter an den räube-
rischen Adel des Landes verpfändet; in
der Ukermark hatten die , Herzöge von
Pommern Fufs gefafst, in der Priegnitz
walteten die Mecklenburger Herzöge als
Statthalter. Die Neuordnung der Verhält-
nisse zu den Nachbarstaaten, wie sie Fried-
rich I. eingeleitet hatte, setzte sein Sohn
Friedrich II. fort; er wufste auch durch
Neuerwerbungen sein Territorium zu ver-
gröfsern. Im Jahre 1442 gewann er von
Mecklenburg die Grenzstadt Lychen und
Kloster Himmelpfort. 1449 wurden im
Vertrage zu Kloster Zinna auch die Grenzen
gegen das Erzstift Magdeburg reguliert.
Der Vertrag zu Guben 1462 brachte ihm
die böhmischen Lehensherrschaften Kottbus,
Peitz, Teupitz mit Wusterhausen, das Land
Beerwalde und den Hof Grofslübben ein.
Im Vertrag zu Mewe 1455 kaufte er vom
Deutschen Orden dieNeuniark nebst Schievel-
bein und Driesen zurück. Albrecht Achilles
gewann aus dem Glogauschen Erbschafts-
streit Krossen, Züllichau, Sommerfeld und
Bobersberg (1482), und Johann Cicero kaufte
die Herrschaft Zossen (1490). Als der letzte
Graf von Ruppin 1524 gestorben war, zog
Joachim L die erledigte Lehensherrschaft
ein. Unter Joachim IL, der die Refor-
mation einführte, kam es auch zu einer
vorübergehenden Teilung, indem sein Bruder
Johann von Küstrin die Neumark mit Stern-
berg, Krossen, Kottbus und Peitz erhielt.
Besonders im S. hatte die Mark einen
erheblichen Zuwachs erfahren. Zunächst das
Fürstentum Krossen, auf welches Albrecht
Achilles Anspruch erhob für seine Tochter
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346. Mark Brandenbarg.
491
Barbara, deren Gemahl Heinrich XI. von Glogau 1476 gestorben war. Der
Vertrag von 1482 mit Johann von Sagan und König Matthias bestimmte,
Crossen Schlote und Stadt mitsamt dem Bobergischen Ländchen und allem
seinem Zubehör, Züllichau (Czulch) Schlols und Stadt, Sommerfeld Schlofs
und Stadt init aller Verschreibung und Gerechtigkeit etc.« unter Vorbehat des
Wiederkaufs an den Kurfürsten abgetreten würden. Die letzte Klausel wurde
erst unter Joachim II. aufgehoben, der im Jahre 1537 wirklicher Lehensbesitzer
von Krossen und Züllichau wurde. Berghaus, Landb. III, 729 — 31.
Von dem Gebiet der Niederlausitz waren durch den Gubener Vertrag
ferner die Herrschaften Kottbus und Peitz als böhmische Lehen hinzu-
gekommen. Die damalige Herrschaft Kottbus bestand aus der Stadt und dem
Schlofs Kottbus nebst 11 Dörfern und dem Lande Kottbus, die zahlreichen
Ortschaften der Vasallen der Freiherren von Kottbus enthaltend, die als Ritter-
güter zum nachmaligen Kreise Kottbus gehört hatten. Die Herrschaft Peitz
bestand aus der Stadt und dem Schlofs Peitz (»an der Pytze«) mit 16 Dörfern;
s. Berghaus III, 517. — Auch die Herrschaft Teupitz (Tupcz, Tupitz, seit
1543 auch Teupitz) wurde mit seiner Herrlichkeit und Zubehör im Gubener
Lehenbrief dem Kurfürsten zugesprochen. Teupitz war ein altes Besitztum der
Schenken von Landsberg, die es schon im XIII. Jh. besafsen. Das Schlofs
Wusterhausen mit Zubehör fiel ihnen erst später vermutlich von der Familie
Schlieben zu. Der so vereinigte Bezirk hiefs seitdem das Schenkenland, doch
mehr im Volksmunde als in offiziellen Urkunden. Alles nähere bei Berghaus
II, 482 ff. — Das Ländchen Beerwalde liegt im SO. von Jüterbog; der Hof
<irofslübben westlich von Kottbus.
Die Herrschaft Zossen kam 1490 aus dem Besitz des Georg von Stein
für 16000 rheinische Gulden an den Kurfürsten Johann Cicero. Von den
zahlreichen Orten der Herrschaft, die Bergbaus II, 481 aufzählt, seien genannt:
Stadt und Haus Zossen, Tüpchin, Neuhof, Sperenberg, Glinick, Kummeredorf.
Im N. war die Ukermark zur Zeit der Pfandherrschaft teilweise in die
Gewalt der pommerschen Herzöge gekommen. Friedrich L und II. wufsten
diese Landschaft wieder zu gewinnen ; Pasewalk und Torgelow mufsten freilich
abgetreten werden. Nach dem Aussterben der Stettiner Herzöge gewannen sie
aber im Jahre 1472 von deren Gebiet die Ortschaften Vierraden, Löcknitz,
(Garz), Klempenow und Altcn-Torgelow. — Im \V. der Ukermark waren Lychen
und Kloster Himmelpfort, die schon 1236 vorübergehend zu Brandenburg ge-
hörten, durch den Wittetocker Vertrag 1442 durch Friedrich I. von Mecklen-
burg zurückgewonnen worden. — Das vorher genannte Garz wurde 1479 vom
Kurfürsten an Pommern abgetreten, wofür jener das Land Bernstein in der
N eu mark erhielt. — Für die Bestimmung des damaligen Territorialumfanges
sind die Urkunden von 28. und 30. März 1493 (Riedel, Cod. dipl. Brandcnbg. V,
483 — 03) betreffend den Vertrag zwischen dem Kurfürsten und Herzog Bogislaw
von Pommern wichtig.
Die gräfliche Familie von Lindow war 1524 ausgestorben und die sog.
Grafschaft Ruppin fiel an das Kurhaus zurück. Die Kurfürsten führten
daher im landesherrlichen Titel auch die Bezeichnung Grafen von Ruppin.
Trotz der dispositio Achillea war die Mark zwischen Kurfürst Joachim IL
und Johann von Küstrin geteilt worden. Das Land Lelms, welches immer zur
Kurmark gehört hatte, wurde hierdurch geteilt, indem der rechts der Oder ge-
legene Teil mit Sternberg an Johann fiel. Als mit Johanns Tode 1571 alle
Gebiete wieder in einer Hand vereinigt waren, wurde die Teilung zwischen
dem Lebuser Kreise links und dem Sternbergsehen rechts der Oder aufrecht-
erhalten (bis 1816). Berghaus, Landbuch III, 169.
Die Neu mark war seit 1402 im Besitz des Deutschen Ordens gewesen.
Trotz aller Bemühungen Kurfürst Friedrichs IL, wieder in ihren Besitz zu ge-
langen, mufste er 1443 gegen eine Geldentechädigung auf das Land ausdrück-
lich Verzicht leisten. Doch die eigenen Geldverlegenheiten des Ordens führten
492
IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
schliefslich zu einem Wiederverkauf an den Kurfürsten. Im Vertrag zu Mewe
(19. September 1455) trat der Orden die Neumark ab mit allen dazugehörigen
Landen, Schlössern, Städten und Rechten, namentlich auch mit den Schlössern
und der Stadt Schievelbein und Driesen. Der Orden behielt sich das Wieder-
kaufsrecht nach dem Tode des Kurfürsten vor, doch ist von diesem niemals
Gebrauch gemacht worden. Vgl. .1. Voigt, Die Erwerbung der Neuraark,
Berlin 1863, S. 362 ff.
347. Polen. Kasimir der Grofse war 1370 ohne Söhne gestorben
und die Krone auf seinen Neffen Ludwig von Anjou, König von Un-
garn (f 1382), übergegangen. Da auch er keine männlichen Nachkommen
hatte, so wurde seine Tochter Hedwig 1384 zum »König von Polen« gekrönt
Durch ihre Ehe mit dem Grofsfürst von Litauen Wladislaw Jagello im
Jahre 1380 fand die Vereinigung Litauens mit Polen statt und letzteres
erfuhr hierdurch einen gewaltigen Aufschwung in seiner Machtstellung.
Mit Jagello war auch Litauen dem Christentum gewonnen worden. Die
Interessensphäre des Deutschen Ordens hatte hierdurch eine erhebliche
Einschränkung erfahren und ein Krieg mit diesem Rivalen war unaus-
bleiblich; das Kampfobjekt war Samogitien. Obwohl der Orden in der
Schlacht von Tannenberg eine empfindliche Niederlage erlitt, blieben
die Grenzen zwischen dem polnischen und dem Ordensgebiet bestehen;
nur Samogitien fiel an Polen. Der Friede von Brzesc (1435) sicherte
diesen Besitz. — Auch im S. hatte das Königreich Polen einen grofsen
Machtzuwachs erfahren; so war 1387 Rotrufsland ihm angegliedert worden
und 1431 fiel ihm auch Podolien zu.
348. Herzogtum Preufscn. Der Orden hatte am Ende des XIV. Jh
auf dem Höhepunkt seiner Machteatwickelung gestanden. Auch die
Insel Gothland und ferner Estland waren ihm zugefallen, und die wirren
Zustände in der Mark Brandenburg zur Zeit der Pfandherrschaft hatten
es ihm ermöglicht, auch die Neumark von Sigismund käuflich zu erwerben.
Bereits 1384 hatte der Orden Schievelbein angekauft; später folgten Stadt
und Gebiet Dramburg nach und 1402 das übrige Gebiet der Neumark.
Auch der glücklich abgeschlossene Krieg gegen Litauen hatte 1380 den
Anschlufs des westlichen Litauen, d. h. Samogitien (Szamaiten) , zur
Folge gehabt. Indessen, die rivalisierende Haltung Polens, die Vereini-
gung Polens mit Litauen (1386), dann auch die innere Zerrüttung
des Ordensstaates und der Zwist mit Adel und Städten führten alsbald
zum Verfall und zur Beschränkung des ausgedehnten Ordenslandes.
Die Schlacht bei Tannenberg (1410) brachte den ersten Verlust ; im
Frieden zu Thorn 1411 mufste der Orden Dobrzin und Samogitien an
Polen wieder abtreten. Der Anschlufs des Preufsischen Bundes, zu
welchem sich Adel und Städte vereinigt hatten, an Polen (Kasimir IV.)
führte zu einem neuen 13jährigen Krieg mit dem Orden (1453—1466).
dessen Hochmeister sich veranlagst sah, eine Reihe von Ordensburgen,
ja selbst die Residenz Marienburg zu verpfänden und mancherlei, so die
Neumark 145") an den Kurfürsten von Brandenburg, zu veräufsern, um
den kostspieligen Krieg führen zu können. Im Jahre 1456 wurde die
Marienburg von den Söldnern, die sie in Pfand hatten, an Polen verkauft,
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349. Herzogtum Pommern.
493
und der Hochmeister mufste 1457 seine Residenz nach Königsberg ver-
legen. Der völlig erschöpfte Orden mufste sich 1466 zu einem zweiten
Frieden von Thorn verstehen, der seinen Besitz auf Schalauen, Samland,
Nadrauen, Sudauen, Natangen, Galindien und Teile von Pomesanien und
Pogesanien unter polnischer Lehnshoheit beschränkte. Polen ergriff da-
gegen von Westpreufsen links der Weichsel Besitz, ferner vom nördlichen
Teil von Pomesanien am Frischen Haff, von Kuhnerland und Ermeland.
Diese Teilung des politischen Besitzes hatte mehrere Jahrhunderte (bis zum
Jahre 1772) Bestand gehabt. — Auch die beiden nachfolgenden Hoch-
meister, die deutschen Fürstenhäusern entstammten, vermochten nicht
mehr den Grund zu einer neuen Blüte des Ordensstaates zu legen. Im
Gegenteil, der Hochmeister Albrecht von Brandenburg hielt es für ge-
ratener, die nach innen und aufsen haltlose Ordensrepublik ganz auf
zuheben und in ein weltliches Herzogtum zu verwandeln , einer
Mafsnahme, der auch der König von Polen beipflichtete. Auf dem
Vertrage zu Krakau 8. April 1525 wurde Albrecht vom König Siegmund I.
mit Preufsen, als einem weltlichen Herzogtum, belehnt. Die Grenzen
des zweiten Thorner Friedens wurden beibehalten; der gröfste Teil des
heutigen Westpreufsen (d. h. links der Weichsel mit Kulmerland und
Ermland rechts von ihr) blieb als königlicher Teil Polnisch - Preufsen
bestehen, während das übrige Land (Ostpreufsen aufser Ermeland) fortan
das herzogliche Preufsen bildete.
$49. Herzogtum Pommern stand im Anfang noch unter den
drei Linien Hinterpommern, Wolgast-Rügen und Stettin, die sich öfters
in mehrere Linien zerteilten, um sich bald darauf wieder zu vereinigen.
Die Hinterpommersche und Stettiner Linie starben 1459 und 1464 aus
und so war eine Vereinigung des gesamten Landes in der Wolgaster
Regentenlinie ermöglicht worden, wenn auch nicht ohne heftige Streitig-
keiten mit den Nachbarn, insonderheit Kurbrandonburg.
In Hinterpommern hatten die Nachfolger Bogislaws V. geherrscht,
die in direkter Linie bis zum Tode Bogislaws IX. 1447 einander folgten.
Des letzteren Vetter Erich L, König von Dänemark, folgte, doch starb
mit ihm 1459 das Haus aus und ganz Hinterpommern fiel auf Grund
des Vertrages zu Rügen walde an Erich II. von Wolgast.
Die Herzöge von Pommern-Stettin hatten von jeher ihr Augen-
merk auf die Wiedergewinnung der Ukermark gerichtet, und die Zeit der
märkischen Pfand herrschoft kam ihnen bei ihren Bestrebungen wesentlich
zustatten. Doch gelang es dem Ilohenzollern Friedrich L, die Ukermark
wieder zurückzuerobern. Als mit Otto III. 1464 die Linie erlosch,
erhob Kurfürst Friedrich II. Anspruch auf das erledigte Territorium auf
Grund der Lehensherrlichkeit über dieses Land. Doch mufste er den
Herzog von Po mm ern-Wolgast Erich II. (f 1474) im Besitz des Landes
lassen. Sein Bruder Wratislaw X., der seinerzeit Rügen und Barth
erhalten hatte, starb bald nachher 1478 und sein Gebiet fiel somit an
Erichs H. Sohn Bogislaw X., der seit jenem Jahre alle pommerschen
Lande wieder vereinigt in seinem Besitz hatte. Wegen der Ukermark
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494
IX. Politische Geographie um das Jahr 1550.
hatte er sich 1493 mit Johann Cicero dahin geeinigt, dafs dieser auf die
Lehensherrlichkeit Verzicht leistete und dafür das Erbfolgerecht in Pom-
mern erhielt. Der Vertrag zu Grimnitz in der Ukermark 1529 zwischen
Kurfürst Joachim I. und Bogislaws Söhnen stellte diese Erbfolgeansprüche
sicher.
350. Mecklenburg war anfangs noch im Besitz der Mecklenbur
gischen und Werleschen Linie; die letztere war wieder in die Güstrowsche
und Warensche gespalten mit entsprechendem Landbesitz. Beide hatten
vom Kaiser Sigismund die nominelle Standeserhöhung als »Fürsten
zu Wenden« erwirkt (1415) und hiermit die Reichsunmittelbarkeit er-
reicht. Eine Erbverbrüderung zwischen den werleschen und mecklenbur
gischen Fürsten (1418) sollte im Falle des Erlöschens der einen deu
Eingriffen benachbarter Fürsten vorbeugen. Die Linie Waren starb
mit Christoph 1426 aus und sein Gebiet fiel somit zunächst an die
Güstrowsche Linie, so dafs Wilhelm von Werle-Güstrow nunmehr wieder
den ganzen werleschen Landbesitz in seiner Hand vereinigte. Da aber
auch er ohne Nachkommen 1436 starb, so fielen die Lande an das Haus
Mecklenburg zurück.
In diesem war der Landbesitz gleichfalls geteilt gewesen zwischen der
Schweriner und Stargarder Linie. Da die letztere mit Ulrich II. 1471
erlosch, so wurde Heinrich IV. von Mecklenburg-Schwerin der alleinige
Besitzer der Mecklenburgischen Lande — mit Ausnahme der Bistümer
Schwerin und Ratzeburg.
Unter Heinrich II. von Stargard wurde im Frieden von Perleberg (8. Mai
1442) Lydien und Kloster Himmelpfort an Friedrich II. von Brandenburg ab-
getreten. — Albrecht VI. und Magnus I. von Mecklenburg-Schwerin hatten von
den Lützowern die Herrschaft Grabow erworben.
351. Herzogtümer Schleswig und Holstein. Heinrich der Eiserne
und Klaus waren 1375 rechtlich in den Besitz von Schleswig gekommen.
Erst aber nach dem Tode Heinrichs (1385) erkannte die dänische Königin
Margarete seinen Sohn Gerhard VI. als Herzog beider Länder an. Im
Jahre 1390 starb die Kieler Linie aus, deren Territorium somit an die
Rendsburger fiel. Eine Teilung zwischen Gerhard VI. und seinen Brüdern
Albrecht und Heinrich fand 1397 statt, bei welcher Gerhard VI. Schleswig,
das nördliche Wagrien nebst der Insel Fehmarn und einige Teile im W
Holsteins erhielt. Das übrige fiel an die beiden Brüder. Die Ritterschaft
und Hamburg blieben ungeteilt Albrecht starb kinderlos schon 1403
Gerhard VI. fiel im Kampfe gegen die Dithmarschen 1404 und Heinrich
war Bischof von Osnabrück geworden. Bald brach der Streit um Schleswig
mit Dänemark von neuem aus, der nach langen blutigen Kämpfen erst
1435 beigelegt wurde. Der Sohn Gerhards VI. Adolf VIII. erhielt hier-
bei das Herzogtum Schleswig nebst Nordfriesland und Fehmarn, doch
mit Ausnahme von der Insel Arroe, des Amtes und der Stadt Haders
leben, des westlichen Teiles von Föhr und der Nordspitze von Sylt.
Indessen kamen Arroe und Hadersleben 1439 doch in den Besitz
Adolfs VIII. Mit ihm starb das Schauenburgische Grafenhaus nach
350jähriger Herrschaft über Schleswig und Holstein aus. Trotz der
351. Herzogtümer Schleswig und Holstein. 495
Ansprüche, die die Holstein-Pinneberger Linie der Sehauenburger machte,
wurde dennoch König Christian I. von Dänemark zu Ripen 1460 von
den Landständen zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein
gewählt, entgegen der Constitutio Waldemariana, die Christian 1448 be-
schworen hatte. Man glaubte aber die Bestimmung der Constitutio da-
durch gewahrt zu haben, dafs Christian I. nicht in seiner Eigenschaft
als König zu Dänemark, sondern als gewählter Fürst von Schleswig-
Holstein zur Regierung gelangt wäre. Somit traten jene Lande auf vier
Jahrhunderte mit Dänemark wieder in Verbindung. Der Wunsch einer
dauernden Veinigung der beiden Länder Schleswig und Holstein unter
sich hatte hierzu geführt. Holstein war ein Teil des Deutschen Reiches,
Schleswig aber ein Lehensstaat von Dänemark. Christian I. erwirkte
vom Kaiser Friedrich III. noch, dafs die Grafschaft Holstein zu einem
Herzogtum erhoben wurde; auch Dithmarschen wurde 1474 demselben
einverleibt, rifs sich aber 1500 wieder los.
Unter den drei Söhnen des Königs und Herzogs Friedrich I. (f 1533)
fand eine Teilung statt. Die drei Anteile wurden nach drei Schlössern
benannt: Gottorp, Sonderburg und Hadersleben. Der älteste Sohn,
König Christian III. erhielt Sonderburg, Johann Hadersleben und Adolf
Gottorp.
Die Kiel -Plöner Linie (S. 363) war mit Adolf VH. erloschen. Sein
Vater Johann III. hatte seinen Besitz noch durch die Hascldorfer Marsch ver-
mehrt, die ihm 1375 und 1378 vom Erzbischof zu Bremen pfandweise über-
tragen, aber nie mehr eingelöst worden ist.
Während des Streites um Schleswig hatte die Königin Margarete die
Besitzungen «1er adeligen Familie Limbeck in Nordschleswig ins Pfand erworben
und sie mit Jütland zu vereinigen gesucht. Beim Friedenschlufs 1435 ver-
zichtete Adolf VIII. grolsmütig auf die Güter und einige andere Enklaven.
Es verblieben daher die Lohharde- d. i. Mögeltondern, die Grafschaft Schacken-
hurg, das GutTroyburg, die nördliche Landzunge der Insel Sylt, List genannt,
Wetterland f öhr, der südliche Teil der Insel Komöe und die Insel Amrum beim
Königreich Dänemark. Erst nach dem Kriege von 1801 wurden diese Enklaven
ganz zum nunmehr preufsischen Schleswig geschlagen.
Bei der Teilung von 1544 zwischen König Christian III. und den Her-
zögen Johann und Adolf blieben unter gemeinschaftlicher Regierung die Ritter-
schaft, die adeligen Güter, die Klöster zu Preetz, Itzehoe, Uetersen und das
St. Johanniskloster zu Schleswig, die Rechte an Hamburg und die Ansprüche
auf Dithmarschen, ferner die Städte. Die Bezirke der drei Landesherren lagen
ganz durcheinander gewürfelt. König Christian III. hatte den Sonderburger
Anteil: Alsen, Sundewitt, Stadt und Amt Flensburg nebst dem Ruhekloster,
Stadt und Amt Segeberg, Oldesloe, Amt Steinburg, die Städte Itzehoe, Krempe
und Wilster, die Klöster Reinfeld Ahrensbök und zu Segeberg und das Dorf
Fockbeck bei Rendsburg; Herzog Johann erhielt den Ha d ersieh ener An-
teil : die Städte und Ämter Hadersleben, Tondern, ferner Nordstrand, Töming-
lehn, Lügumkloster, Fehmarn, Kloster Bordeshohn, die Dörfer Borehstedt,
liehnibeck und Kämpen; Herzog Adolf erhielt den Gottorp sehen Anteil:
die Ämter Gottorp und Hütten, die Landschaften Eiderstedt und Stapelholm,
die Städte und Ämter Husum, Apenrade, Kiel und Oldenburg, die Ämter Neu-
münster und Trittau, die Stadt Neustadt, die Klöster Mohrlurehen, Reinbeck
und Cismar. Cf. Bremer, 1. c. 226 f.
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X. Kulturgeographie um das Jahr 1550
352. Bevölkerungsverhältnlsse. Es hat seine grofsen Schwierig-
keiten, eine richtige Vorstellung von der Bevölkerungsstärke und der
Verteilung der Bevölkerungsdichte in Mitteleuropa während des Mittelalters
zu gewinnen. Allgemeine Volkszählungen sind begreiflicherweise niemals
vorgenommen worden oder wenigstens nur aus einigen Städten liegen
solche ausnahmsweise vor. Wenn sonst irgendwo Zahlengröfsen in den
Quellenschriften angegeben werden, machen sie sich wegen ihrer Höhe
meist verdächtig. Man ist daher lediglich auf ungefähre Berechnungen oder
Schätzungen angewiesen, indem z. B. auf Grund der zahlenmäfsig ange
gebenen Bewaffneten oder Waffenfähigen, der Getauften und Beerdigten
oder der Häuseranzahl und Haushaltungen oder des Konsums einiger
Nahrungsmittel u. dgl. m. auf die mutmafsliche Bevölkerungsgröfse zurück-
geschlossen wird. — Wenn man aber auch nicht mehr in der Lage ist,
fortlaufende zuverlässige Zahlengröfsen für die einzelnen Jahre und Jahr
hunderte zu ermitteln, so hat sich doch aus verschiedenen Umständen ein
allmähliches Anwachsen der Bevölkerung seit dem Altertum konstatieren
lassen. Die fortwährende Landnot der Germanen wurde später durch
den kolonisatorischen Ausbau des Ostens z. T. ausgeglichen. Die über-
schüssige Volksmenge flofs nach dieser Richtung ab; ihr Vorhandensein
läfst auf den beträchtlichen Zuwachs zurückschliefsen.
Diese natürliche Vermehrung hatte bis zur Mitte des XIV. Jh.
angehalten, als zum erstenmal die Pest, der »Schwarze Tode, 134 ^
ihren Einzug in Europa hielt und zahllose Opfer forderte. Nach dem
ersten grofsen Sterbenc, welches bis 1351 wütete, folgte 1356, 1357,
1358 eine neue Seuchenperiode, die mit einigen Unterbrechungen
auch in den folgenden Jahrzehnten sich wiederholte. Wie das XIV. Jh..
welches fast jedes Jahr irgendwo ein > Sterben « aufzuweisen hatte, *o
bringt auch das XV. Jh. neue Pestausbrüche. Die Gröfse des Menschen
Verlustes in Mitteleuropa läfst sich freilich nicht mehr feststellen, denn
die hierfür überlieferten Zahlen sind meist wertlos. Moderne Forscher
haben, gestützt auf diesen, den Verlust auf 60 — 75%, ja sogar
auf 00°/0 der Bevölkerung gosiliätzt. was natürlich übertrieben ist.
Google
1
352. Bevölkerung« Verhältnisse. 497
Indessen, trotz des enormen Verlustes an Menschenleben machte sich
doch die nach grofsen Seuchen oft beobachtete Erscheinung geltend,
dafs eine rasche Volksvermehrung folgte und das ganze wirtschaft-
liche Leben nicht nur keinen Niedergang oder auch nur Stillstand zeigte,
sondern in fortdauernd aufsteigender Linie begriffen war.
Besser als über die Bevölkerung des freien Landes sind wir über
jene einzelner Städte unterichtet. Für einige läfst sich die Bevölkerungs-
zahl mittelbar noch berechnen, für andere, wie Nürnberg und Strafsburg,
liegen genauere Zählungen zugrunde. Jedenfalls darf man sich von
der Gröfse mittelalterlicher Städte keine übertriebenen Vorstellungen
machen; aus allem ergibt sich, dafs gegen Ende des Mittelalters nur
wenige Städte 20 — 30000 Einwohner hatten. Cöln, Strafsburg und Nürnberg
mögen die gröfsten gewesen sein, dann folgte Ulm. Aber schon Frankfurt
zählte nur 9 — 10000 Seelen, und anfänglich ebensogrofse Städte wie Basel
und Zürich blieben in der zweiten Hälfte des XV. Jh. sehr erheblich
hinter 10000 zurück. Überhaupt machte sich bis zum Anfang des XVI. Jh.
eine unverkennbare Abnahme der städtischen Bevölkerung geltend.
Weniger die Seuchen als vielmehr die Abnahme des Zuzugs der Land-
bevölkerung mag hierbei mitgewirkt haben. Doch darf man auch hier nicht
vergessen, dafs das Quellenmaterial sehr ungleichwertig ist, da häufig nur die
Bürger oder Steuerzahler berücksichtigt worden sind, nicht aber die in der
Stadt sich aufhaltenden bäuerlichen Personen und die Vorstadtbewohner.
.Vis in der Mitte des XIV. Jh. die Pest nach Europa eingesc hleppt worden
war, war sie seitdem niemals ganz erloschen oder hatte jedenfalls nur lokal
kürzere und längere Unterbrechungen erfahren. Als das Ursprungsland sahen
die zeitgenössischen Schriftsteller China an, während es mit gröfserer Wahr-
scheinlichkeit Indien gewesen zu sein scheint. Die Seuche nahm ihren Weg
durch das südliche Rufsland und verbreitete sich schnell über das südöstliche
Europa. Sie drang von S. über Österreich und die Schweiz nach Mitteleuropa
ein, aber auf Umwegen hatte sie auch von W. her (Burgund, Lothringen)
Eingang gefunden, sowie von N. über Jütland und Schleswig. Ein Verzeichnis
aller Pestjahre und -perioden gibt C. Martin, Versuch einer geographischen
Darstellung einiger Pestepidemien, in Peterrnanns Mitt. 1879, S. 257 ff. mit
Karte. Im übrigen vgl. R. Höniger, Der Schwarze Tod in Deutschland,
Berlin 18X2, besonders S. 38, 64 ff., 86 ff., 93 f. Haeser, Lehrb. d. Gesch.
der Medizin, Jena 1879, III, 98. Heck er, Die grofsen Volkskrankheiten de«
Ma., ed. Hirsch, Berlin 1885. Lech n er, Das grofse Sterben in Deutschland
1348—1351, Innsbruck 18H4. Iiistor. Ztschr. 91, S. 450.
Eine Vorstellung von der Verteilung der relativen Bevölkerungsdichte
gewinnt man aus der Gesamtzahl der vorkommenden Ortschaften. Auf Grund
(lieser bezeichnet v. Inama-Stcrnegg (UI, 23) die Territorien des Rheiagebietes,
des Mosellandes, Westfalens und die schwäbischen Gebiete in der Zeit bis zum
XV. Jh. als die volkreichsten Teile Deutschlands. Erst in zweiter Reihe stehen
•lann Niedersachsen, Thüringen, Vogtland, Raiern und Tirol. Am schwächsten
besiedelt ist der ganze Osten des Reiches, besonders der Nordosten.
Hinsichtlich der Gröfse der Städte, von denen uns nur wenige Zählungen
vorliegen, wie z. B. von Nürnberg vom Jahre 1449 (s. Jastrow, 1. c. 177 ff.), ist
man auf die Steuerlisten angewiesen (so für Dresden, Meifsen, Rostock, Basel)
oder auf die Eid- und Bürgerbücher (Frankfurt)- Auf Grund solcher Hilfs-
mittel hat man für einzelne Städte folgende Bevölkerungszahlen veranschlagt:
Nürnberg 25—30000 Einwohner {im Jahre 1449), Strafsburg 25000 (2. Hälfte
des XV. Jh.), Cöln 37000 (XVI. Jh.), Augsburg 1*000 U475), Frankfurt a. M.
KretBchmer, Historische Geographie 32
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49*
X. Kultur^eographie um das Jahr 1550.
10000 (1387) und ca. 9000 ;H40). Mainz 5707 (XV. Jh.), Ulm 20000 (1427;,
Würzburg 12000 (1538), Hamburg 7000 (1311); 22000 (1419); 12000 (1526);
19000 (1594), Dresden 3190 (1474); 5000 (1491), Breslau 218G6 (1348). Für
Lübeck glaubt Reisner (Einwohncrzalil Lübecks, Jena 1903) für das XIV. bis
XVI. Jh. ein Anwachsen von 17—30000 feststellen zu können. S. die Tabellen
bei v. Inama, DW. III, 425 und in Conrads Handwörterbuch. — Die Zahl
der über 10000 Einwohner zählenden Städte mufs eine sehr beschränkk-
gewesen sein. Die meisten Reichsstädte und Residenzen mögen noch weniger
als 10000 Seelen beherbergt haben. Alle übrigen aber, zu denen auch die
Kolonialstädte des Ostens gehören, mögen kaum die 50U0 überschritten haben.
von Inama-Sternegg, Dt. Wirtech. III, 21 ff., 425. Ders., Bevölke-
rungsverhältnisse «.les Mittelalt., im Handwörterb. der Staatswiss. von Conrad.
Lexis etc. II. Ders., Die Quellen der histor. Bevölkerungsstatistik, in Statist
Monateschrift. XH. Ders., Die Entwickele, der Bevölkerung Europas seit
1000 Jahren, im Ber. über den VII. internat. Kongr. f. Hygiene u. Demographie
1887, 25. Heft. Jastrow, Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Ma.
und zu Beginn der Neuzeit, Berlin 1886. Höniger, Die Volkszahl deutscher
Städte im Mittelalter, in Jahrb. für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirt-
schaft im D. R., NF. XV. Paasch e, Die städt. Bevölkerung früherer Jahrb., ini
Jahrb. f. Nat. Okon. NF. V (1882), 303 ff. Bücher, Bevölkerung von Frank-
furt a. M. I, Tübingen 1886. Pfaff, Württembergs Bevölkerung in früheren
Zeiten, in Württ. Jahrbb. I (1847), 94 ff. Eheberg, Strafsburgs Bevölkerungs-
zahl seit Ende des XV. Jh., in Conrads Jbb. f. Nationalök. 41 (1883), 297—314.
42 (1884), 413 — 430. Fabricius, Die Bevölkerungsaufnahmen in Hessen-
Darmstadt bis 1858, in Beiträge z. Stat. des Grofsh. Hessen IH (1864). 1—86.
Richter, Zur Bevölkerungs- u. Vermögensstat. Dresdens im XV. Jh., im N. Arch.
f. sächs. Gesch. IL 273 ff. Ders., Zur Bev.- u. Verm.-Stat. Meilsens im Jahre
1481, in Mitt. Ver. f. Gesch. d. St. Meilsen I (1882), 1 ff. Hingst, Freibergs
Bevölkrg. im XVI. Jh., in Mitt. d. Freibg. Alt. Vereins, 1869, 571 ff. Michaelis,
Die Bev. Freibergs in den letzten drei Jahrh., ibid. 1865, 331—340. Bergius.
Die Einwohnerzahl Breslaus gegen Ende des XVI. Jh., in Z. Ver. f. Gesch.
Schles. III (1860). 165 ff. Schönberg, Basels Bevölkerungszahl im XV. Jh..
Tübingen 1879. Süfsmilch, Der Königl. Residente Berlin schnelles Wachstum
u. Erbauung, Berl. 1752. Otto, Bevölkg. d. Stadt Butzbach i. d. Wetterau
während des Ma., 1893. Weitere Literatur speziell für das Mittelalter geben
tlie Werke von Inama, Jastrow und Reisner.
353. Landwirtschaft. Die expansive Ausbreitung der Wirtschaft
liehen Kultur zur Zeit der germanischen Kolonisation hatte im XIV. Jh.
ihren Höhepunkt erreicht. Seitdem machte sich schon eine intensivere
Ausnutzung des Bodens bemerkbar. Eine solche war aber nur bei einer
fortschreitenden Entwickelung des landwirtschaftlichen Betriebes nach
der technischen Seite hin möglich, und es ist bedeutsam, dafs auch die
oberen Schichten der Bevölkerung sich auf diesem Gebiete zu betätigen
suchten und in der Landwirtschaft eine ihnen würdige Beschäftigung
sahen. Das Streben der Fürsten und Klöster, ihre Einnahmen zu ver
mehren, der Niedergang des Ritterwesens und anderes mehr wirkten
hierbei mit, und die ersten Anfänge einer landwirtschaftlichen Literatur
lassen sich bis in jene Zeiten zurück verfolgen. Dennoch war der Stan«i
der Landwirtschaft gegen das Ende dieser Periode kein glänzender un«l
besonders wurde es dem armen Bauern nicht möglich, die Vorzüge des
Fortschrittes recht zu geniefsen. Die ewig geldbedürftigen weltlichei.
und geistlichen Herren sogen ihn systematisch aus; er inufste zahlen
was jene verprafsten und in ihren Fehden verloren. Die Rache de>
353. Landwirtschaft.
499
Feindes richtete sich auch meist gegen das schutzlos daliegende offene
Land, welches an Stelle des Herrn büfsen mufste. Der allgemeine Un-
wille des tief herabgedrückten, rechtlosen Bauernstandes kam in den
Bauernkriegen (1525) zum Ausdruck. Besonders das südwestliche Deutsch-
land, das Elsafs, Baden, Schwaben, Franken, Thüringen, Hessen, Pfalz
und Lothringen hatten unter dem Kriege zu leiden; denn in diesen
Landschaften safs die Bevölkerung verhältnismäfsig dicht, auch die Teilung
des Bodens war am weitesten fortgeschritten und die Ritterschaft zahl-
reich vertreten. Im ostelbischen Deutschland waren die Bauern- und
Rittergüter von vornherein gröfser gewesen und die Bevölkerung stellen-
weise noch recht spärlich', fo dafs es hier weniger zu Reibungen kommen
konnte. Der Krieg hatte jedoch für den Bauern nicht den gewünschten
Erfolg und gestaltete sein Los nur noch trauriger.
Im System der Ackerkultur war keine Veränderung eingetreten.
Die Dreifelderwirtschaft bzw. auch Neunfelderwirtschaft mit langjähriger
Brache war allgemein üblich, wenn auch nicht durchgehends, wie z. B.
in der Hanna im Marchtal. Die Hauptnahrungsmittel waren neben dem
Getreide Rüben, Kohl und Hülsenfrüchte. Der Leguminosenbau wurde
aber auch für die Viehzucht wichtig und durch sie wieder die Dung-
produktion vermehrt. Zugleich ist das XVI. Jh. auch eine Blütezeit
für die Kultur der Handelsgewächse geworden, besonders der Färber-
pflanzen und ölhaltigen Gewächse. Bedeutsam waren auch die Fortschritte
in der Obstkultur, die durch die Bedürfnisse der gebildeten Welt befördert
wurde. Die Wiesenwirtschaft war durch das Dreifeldersystem immer be-
hindert gewesen und ebenso vom Weidegange abhängig und der Brache
unterworfen. — Einzelne Landschaften aber bevorzugten nur bestimmte
Zweige der Landwirtschaft; so z. B. Westfalen die Viehzucht, wogegen
der Ackerbau nur für den eigenen Bedarf eingerichtet war. Die Acker-
felder der Höfe waren daher auch nur klein; den Weideflächen wurde
dagegen eine besondere Pflege zugewendet. Man pflanzte Schattenbäume
für das Vieh; auch der Wald wurde im Interesse der Viehzucht geschont.
Von der zeitgenössischen landwirtschaftlichen Literatur, die auch für
geographische Fragen wichtig ist, sei zunächst genannt das Werk von Conrad
Heresbach, Rei rusticae libri quatuor, universam rusticam disciplinam com-
plectens, Coloniae apud Joannem Birckmannum, 1571 ; dos erste Buch handelt
von der Landwirtschaft im allgemeinen, das zweite vom Garten- und Obstbau,
das dritte von der Viehzucht, dos vierte vom Hühnerhof, Teichfischerei, Bienen-
zucht und Jagd. In seiner Darstellung hat er freilich mehr die Landwirtschaft
der Rheinlande im Auge. Ferner Joachim Camerarius, Opuscula de re
ni8tica, 1577, und das von Melchior Sebitz übersetzte Werk des Franzosen
Charles Etienne, Sieben Bücher vom Feldbau, 1580. Am verbreitetsten
von allen war wohl die Oeconomia ruralis et domestica des Johannes Coler.
Auch Spezialwerke über einzelne Zweige der Landwirtschaft entstanden schon ;
vgl. über die Literatur Langethal, Gesch. d. teutsch. Ldw. HI, 131 ff.
Von den Feldfrüchten waren am meisten verbreitet Weizen, Gerste und
Hafer, dann besonders auch der Roggen, der in Schwaben, wo Spelt gebaut
wurde, aber fehlte. Aufser Schwaben hatte auch die Schweiz und das Mittel-
rheingebiet den Speltbau beibehalten. Roggen wurde vorherrschend die Brot-
frucht und sein Anbau nur in. einigen Gegenden Mitteldeutschlands und Öster-
reichs durch den Weizen, und in den Gebieten der Bierbrauerei durch die
32«
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500 X. Kulturgeographie um das Jahr 1550.
Gerste verdrängt. Aber auch letztere tritt als Nahrungsmittel ebenso wie der
Hafer mehr und mehr zugunsten des Roggens zurück. Dagegen findet im
XVI. Jh. noch der Buchweizen eine allgemeine Verbreitung. Von Hülsen-
früchten sind Erbsen und Bohnen schon früher verbreitet gewesen, wahrend
Linsen nur strichweise gebaut wurden. Dagegen tritt jetzt auch die Luzerne
auf, die von Frankreich in die Rheingegenden herüberkam. — Flachs, Hanf
und Lein waren nicht blofs im herrschaftlichen, sondern auch im bäuerlichen
Wirtschaftsbetriebe vertreten; einige Gegenden Tirols hatten im Flachsbau
einen Ruf erlangt. — In Obst- und Gartenkultur waren neue Gewächse einge-
führt und verschiedene Spielarten erzeugt worden, besonders im Rheinland;
Amarellen, Honigbirnen und Borsdorfer Apfel werden schon genannt. — Der
Weinbau hat im XVI. Jh. wohl seine gröfste Ausbreitung erfahren. Schätzte
man auch schon damals die bessere Qualität des Rheinweines, so begnügten
sich die Fürsten meist mit ihrem selbstgewonnencn Landwein, und insonder-
heit ragte unter den norddeutschen Ländern die Mark Brandenburg hierin
hervor. Neben den Rheinlanden genossen aber auch die tirolischen und öster-
reichischen Weingebiete einen grofeen Ruf, und ferner Schwaben, Franken
und Thüringen.
Auch in der Viehzucht waren manche Fortschritte zu verzeichnen;
selbst einzelne Städte (Nordhausen, Quedlinburg) legten sich auf einen ratio-
nellen Betrieb. In der Pferdezucht hatte man nicht nur den landläufigen Be
darf zu decken (für die Arbeit und das Heer), sondern mutste auch den An-
forderungen einer Veredelung der Rasse durch Einführung spanischer und
türkischer Pferde entgegenkommen. Fürsten, Adelige und Bauern beschäftigten
sich mit der Zucht. — »Während des XVI. Jh. hatte sich das Quantum der
Haustiere, vorzüglich aber der Schafe sehr gesteigert, während die Qualität sich
mit Ausnahme der Pferde so ziemlich gleich geblieben war.« Weniger Förde-
rung und Verbesserung hatten die Rindvieh- und Schweinezucht erfahren, wo-
gegen die Schafzucht während des XVI. Jh. der Schweinezucht an Bedeutung
gleichgekommen war. Die Tuchfabrikation hatte sie in erster Reihe begünstigt ;
sie wurde daher auch im grofsen Stile betrieben und neben den Grundherren
und Bauern warfen sich auch die Städte auf diese Zucht. Die Gebiete des
Oberrheins und Niederrheins, wie der Mosel, Schwaben, Franken und das nord-
östliche Deutschland (der Deutsche Orden) zeichneten sich hierin aus.
Langethal, 1. c. HI, 33 ff., 95 ff., 248 ff. Michelsen u. Nedderich,
1. c. S. 134. Inama-Sternegg III, S. 311—371; S. 360 handelt er über die
Alpen Wirtschaft, v. d. Goltz I, 196 ff.
354. Wald. Während die Rodungen im XII. und XIII. Jh. die
ersten grofsen Veränderungen im Waldbestande, man darf sagen seh
der Eiszeit hervorgerufen hatten, bildeten das XIV. und XV. Jh. die
Periode der mehr lokalen Veränderungen in dem Areal der Waldungen
Das rücksichtslose Niederholzen hatte an vielen Orten schon zu
empfindlichem Holzmangel geführt, wenn hierbei auch immer noch ein
Unterschied zwischen den Ländern des westlichen und des östlichen
Deutschland bestanden haben mufs. Die zunehmende Zahl der Ro-
dungsverbote, die Regelung der Waldnutzung, die Beschränkung des
Brennholzbezuges, die Erlaubnis zur Fällung von Bauholz, die Termin-
bestimmung für Fällung und Abfuhr, die Regelung der Kohlenbrennerei,
der Harznutzung, der Mastnutzung und Grasweide sowie der Jagd
beweisen, dafs man dem Walde eine volkswirtschaftliche Bedeutung bei-
zumessen begann. Es steht fest, dafs die Wälder Mitteleuropas während
des Mittelalters eine wesentliche Verminderung erfahren haben, wenn
wir auch nicht mehr in der Lage sind, die Fläch engröfsen des noch
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— . . — ,
354. Wald.
501
bewaldeten und waldlosen Gebietes für irgendeinen Zeitpunkt zahlenmäfsig
zu bestimmen. Weit eher besteht die Möglichkeit, uns von der Be-
schaffenheit der Wälder und den ersten Veränderungsversuchen im Laub-
und Nadelholzbestande durch Eingreifen des Menschen ein Bild zu
machen. Mancherlei Nachrichten liegen hierüber vor, nur mufs man sich
hüten, sie für das ganze Land verallgemeinern zu wollen. Dafs man
sein Augenmerk auch auf Wiederbewaldung richtete, ist aus den S. 391
erwähnten Verordnungen Kaiser Albrechts und Heinrichs VII. zu er-
sehen. Doch scheint man damals noch nicht an eine regelrechte
Neuanpflanzung von Bäumen gedacht zu haben ; man überliefs solche
Stellen vielmehr sich selbst, bis sie auf natürlichem Wege sich von
neuem bestockten. Erst aus der zweiten Hälfte des XIV. Jh. besitzen
wir Nachrichten von künstlichem Anbau und noch mehr aus dem
XV. Jh., als man Versuche mit der Anpflanzung von Bäumen machte,
die vordem an solchen Orten nicht heimisch waren, — Versuche, die
die ersten, zunächst freilich nur geringfügigen Veränderungen im Laub-
und Nadelholzbestande bildeten. Das Verhältnis im Arealbestande
beider Holzarten hatte eine Verschiebung zum Nachteile des Laubholzes
schon dadurch erfahren, dafs letzteres vorzugsweise den fruchtbaren
lehmreichen Boden innehat und solche Bodenstellen gerade durch
Roden für die Feldkultur nutzbar gemacht worden waren. Auch sonst
finden wir Angaben von natürlichen Veränderungen, dafs das Nadelholz
stellenweise das Laubholz verdrängt, wie auch umgekehrt; z. B. im
Salzburgischen, wo das Schwarzholz vom Laubholz überwachsen werde.
Für gewisse, besonders die masttragenden Bäume war ja die Erhaltung
der Bestände nach wie vor die Norm , und dies galt auch noch im
XVI. Jh. Eine Verordnung im Osnabrückischen besagte, dafs, wem
ein Stamm zum Fällen bewilligt wrar, der sollte fünf oder sechs junge
Eichen als Ersatz pflanzen. Auch im grofsen Stile fanden Anpflanzungen
statt, so bei Seligenstadt a. M., wo man 1491 schlüssig wurde, jährlich
20 — 30 Morgen Landes mit Eicheln zu bestecken. Dafs man an
anderen Stellen auch dem Nadelwald Rücksicht auf Erhaltung angedeihen
liefs, bezeugt eine Aufforderung an den Salzburger Waldmeister, dafs
er die Lärchenwälder nicht durch eine weitgetriebene Gewinnung des
Terpentins schädigen lassen sollte, und Schweizer Weistümer enthalten
ähnliche Bestimmungen. Gegenüber diesen Bestrebungen, gewisse Baum
gattungen zu erhalten, werden an anderen Stellen Versuche gemacht,
neue Baumarten einzuführen. Im Jahre 1420 erbat die Stadt Frank-
furt von Nürnberg die Überlassung von Kiefernsamen, um den Versuch
zu machen, ob Nadelholz in jenen Laubholzgebieten fortkomme. Neben
Kiefern wurden auch Tannen und Fichten angepflanzt und dies mehrere
Jahre lang fortgesetzt, wobei sich zeigte, dafs die Kiefern nicht gedeihen
wollten. Die Familie der Hülpüchel in Nürnberg hatte sich schon einen
Huf auf diesem Gebiete erworben. Auch Markgraf Christoph von Baden
wendete sich 1498 nach Nürnberg zu dem gleichen Zweck. Der Zu-
stand des Waldes war trotz aller der obengenannten Verordnungen und
Mafsregeln kein glänzenderer geworden ; es war dies die natürliche Folge
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502
X. Kulturgeographie um das Jahr 1550.
der ganzen Wirtschaftsweise. Selbst inmitten grofser Wälder, wie im
Harz und im Salzburgischen wurde über Verwüstung und Verschlechte-
rung geklagt. Vom Sturm entwurzelte Bäume sowie durch Windbruch
erzeugtes Holz wurden nicht immer beseitigt und benutzt, und wieder-
holte Verordnungen wurden nötig. Das in den Waldungen zu Tausen-
den sich herumtummelnde Mastvieh konnte an und für sich schon zu
einer Besserung nicht beitragen. Auch die jüngeren Baumbestände und
ein kräftiger Nachwuchs wurden durch den übermäfsigen Wildstand
geschädigt. So ging es noch geraume Zeit fort, ehe man zu einer
rationellen Forstkultur fortgeschritten war; eine solche war aber uur
mit nicht unbeträchtlichen Mitteln und Kenntnissen möglich.
Vgl. alles Nähere bei Schwappach, Handb. I, 156 ff., 181 — 188. Bern-
hardt, Waldeigent. I, 169 ff. En (fers, Waldbenutzung, S. 129. von Berg.
Dt. Wälder, S. 329 ff., 350 ff. Letzterer führt auch eine Reihe von Pflanzungen
in Norddeutschland an; so eine in der Görlitzer Heide vor 1329, wohl die
älteste, bis jetzt bekannte gröfsere waldkulturelle Unternehmung.
855. Bergbau. In dieser Periode hatte der deutsche Bergbau grofse
Fortschritte in technischer Beziehung gemacht und die hierdurch be-
wirkte intensivere Ausbeutung der inneren Bodenschätze übte auch auf
die volkswirtschaftlichen Verhältnisse ihren Einflufs aus. Die Bergbau
künde des Georg Agricola (Basel 1557) gibt Zeugnis, welche Höhe die
bergbauliche Technik bereits erreicht hatte, mit welcher Geschicklichkeit
man die Ungunst der natürlichen Verhältnisse oftmals zu überwinden
verstand.
Ein gesteigerter und ausgedehnter Betrieb machte aber auch die
Herbeiziehung gröfserer Kapitalien notwendig, wie sie die einlachen Ge-
werkschaften aufzubringen [nicht in der Lage waren. Fürsten, reiche
Kaufleute und Städte beteiligten sich dann finanziell an Bergbau Unter-
nehmungen. Unter den bergbauenden Ländern in Mitteleuropa nahmen
damals das sächsische Erzgebirge und ;die österreichischen Länder in
ihrem weitesten Umfange, besonders Böhmen, den ersten Rang ein.
Freilich hatten die Zeitereignisse an vielen Orten hemmend eingewirkt,
und besonders waren es die Hussitenkriege , die in den von ihnen
heimgesuchten Ländern den Bergbau ins Stocken, stellenweise auch zum
Erliegen gebracht haben. Die gewaltige Ausdehnung des Bergbaues
hatte aber auch eine einheitlichere Gestaltung der Rechtsformen und
der iVerwaltungspraxis zur Folge gehabt. Kaiser Maximilian hatte in
seinen österreichischen Erblanden nach dieser Richtung hin gewirkt
Ihm hatte auch der Bergbau daselbst den grofsen Aufschwung zu ver-
danken.
In Baiern suchte besonders Herzog Albrecht IV. den Bergbau in Auf-
nahme zu bringen und ebenso seine Söhne, wie die vielen Vergabungen un<l
Rergfreiheitserklärungen beweisen. Im eigentlichen Herzogtum Baiern tritt
der Bergbau erst im XV. Jh. stärker hervor. 1426 wird bei Fischbaeh in
Oberbaiern ein Silberbergwerk genannt ; 1446 das Eisenbergwerk bei Fischbachau,
in demselben Jahrhundert die Silber- und Kupferbergwerke zu Bodenniais in
Niederbaiorn, ferner das Gold-, Silber-, Kupfer- und Bleibergwerk zu Ammer-
gau. Im Gebiet von Kloster Tegernsee werden im XV. Jh. Bergwerke auf
355. Bergbau. 503
Silber und Blei erwähnt. In der Freisingischen Grafschaft Werdenfels wurden
schon 1418 Eisengänge aufgedeckt. 1476 wurden dort auch Silberadern ge-
funden, die aber oald erschöpft waren. Die Sulzbacher Eisengruben waren
im XVI. Jh. noch gut im Gange. In der Herrschaft Bicistein bei Lam werden
1463 Bergwerke erwähnt. Der Aniberger Eisenbergbau ist im XV. Jh. in
vollem Betrieb. Um 1477 wurde bei Neilla (Markgrafschaft Brandenburg-Kulm-
bach) ein Eisenbergwerk aufgenommen, welches sicherlich vorher schon einmal
in Betrieb war. Cf. Gmelin, S. 162, 395, 399, 404 ff.
In Tirol entwickelte sich der Bergbau im XV. und XVI. Jh. zu voller
Blüte. Besonders der Silberbergbau trat hier hervor. Das Bergwerk am Falken-
stein bei Schwaz war eins der reichsten. Zur Zeit Kaiser Ferdinands I. waren
36 Gruben in Betrieb mit 30000 Arbeitern. v.Sperges, Tirol. Bergwerke, S. 112 f.
Im XV. Jh. wurde in den ehemals bairischen (jetzt tirolischen) Herrschaften
Rattenberg, Kitzbühel und Kufstein gebaut, besonders auf Silber und Kupfer.
1468 wird ein Goldbergwerk im Stubaital genannt. Bald entwickelte sich
auch der Bergbau auf Silber, Kupfer, Blei am Feigensteiii, auf dem Schnee-
berg hinter Gossensafs, in Aren und bei Lünz im Pustertal, zu Terlan und
Nalles an der Etsch, zu Praxi, Stilves und Goldran im Vintschgau, im Tale
Montafon. Im XV. Jh. wurde auch zu Gerenstein, Puchenstein und Cavril
Bergbau betrieben. Cf. v. Sperges, S. 80.
Böhmen hatte durch die Hussitenkriege in seiner bergbaulichen Ent-
wicklung zu leiden gehabt. Das Goldbergwerk zu Eule war 1422 in den
Hussitenkriegen zerstört worden, ebenso andere in der Nähe liegende. Nur
langsam erholten sie sich von diesem Schlage. Knin wurde 1479 zur Bergstadt
erhoben. Auch das Städtehen Freiheit, welches ebenfalls Goldbergwerke besafs,
wurde 1546 Bergstadt, Von den Silberbergwerken war auch Deutschbrod 1422
hart mitgenommen worden. Andere Silberbergwerke blühten auf, so die bei
Budweis, welches 1547 Bergfreiheit erhielt ; 1549 wurde ein neuer Erzgang ge-
öffnet. Bei Joachimsthal im Erzgebirge waren 1516 reiche Silberadern entdeckt
worden ; schon 1518 brachten sie 61000 Gulden ein. Klostergrab, eine Stunde von
Teplitz, mit seinem Silberbergwerk wurde 1504 zur Bergstadt erhoben. Den
empfindlichsten Schlag hatte wohl Kuttenberg in den Hussitenkriegen erfahren.
Ziska hatte hier mehrere tausend Bergleute und Knappen in die Schächte
hinabstürzen lassen (1422—1424) und das Bergwerk somit zum Stillstand ge-
bracht. 1522 war es dann überdies durch einen Wolkenbrueh ersäuft und ganz
ruiniert worden. Michclsberg im Pilsener Kreise stand mit seinem Silberberg-
werk im Anfang des XVI. Jh. in Blüte. Bei Nikiasberg nordöstlich von Bilin
war 1540 ein reicher Silbergang entdeckt worden; 1543 wurde die erste Berg-
freiheit erteilt. Der späterhin so bedeutende Bergbau von Pribram (südwestlich
von Prag) scheint erst Ende des XV. Jh. in Gang gekommen zu sein, wenn
auch der Ort als Bergflecken schon zur Zeit Karls IV. genannt wird; 1536 bis
1538 kam die Silbergewinnung auf 1400 Mark (1 Mark wurde zu 11 Gulden
damals vermünzt). In Ratiboritz (Bergstadt) kam der Silberbergbau Anfang
fies XVI. Jh. in Aufnahme. Mit wechselndem Glück wurde der Betrieb bis 1552
fortgeführt. Tabor hatte seit dem zweiten Jahrzehnt des XVI. Jh. bedeutende
Silberbergwerke im Betrieb. Auch in Krumau wurde auf Silber gebaut, des-
gleichen bei Ledetsch. Der Zinnbergbau blühte im XVI. Jh. in Goldenhöhe
(nordwestlich von Joachimsthal), Gottesgab, Graupen. Letzteres, eine Meile
nördlich von Teplitz, war der Hauptpunkt für Zinngewinnung. 1531 kam der
Zinnbergbau bei Platten (Kreis Eger) auf, ebenso zu Peringen. Schönfeld hatte
an Bedeutung zugenommen und war von Ferdinand I. 1547 zur Bergstadt er-
hoben worden. In .Vithütten nordöstlich von Beraun waren grofse Eisenwerke
in Betrieb. Cf. Schmidt, l. c. 166, 170, 176, 183 ff.. 190 IT., 201, 214 ff.
Zu Kolbnitz bei Jauer fand schon Mitte des XVI. Jh. Bergbau auf Blei
und Silber statt. Besonders wurde, wie auch schon früher, eifrig auf Gold
gebaut. Freilich brachten die Goldberger Bergwerke nicht mehr soviel als
früher, auch die Löwenberger und Bunzlauer waren stellenweise ganz zum Er-
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504
X. Kulturgeographie um das Jahr 1550.
liegen gekommen. Weit mehr waren die Bestrebungen der Hirsehberger von
Erfolg begleitet, die auf ihrem Stadtgut Grünau seit 1498 Gold und Silber
förderten. Besonders aber war es Reichenstein, welches an Stelle der älteren
Goldbergwerke emporblühte (seit 1465^; 1191 wird Reiehenstein zur Bergstadt
erhoben. Bei Altenberg wurde Ende des XV. Jh. und Anfang des folgenden
gebaut, ebenso bei Ketschdorf und Flachenseifen. Dagegen ging der Goldberg-
bau bei Zuckmantel im XVI. Jh. zurück, hob sich aber dann wieder besonders
durch Bischof Balthasar. Die Entstehung des Gottesberger Bergbaues führt in
das Jahr 1530 zurück. Von dem Silber- und Bleibergbau bei Beuthen wird uns sehr
wenig gemeldet; er mufs aber Anfang des XVI. Jh. in gutem Betrieb gewesen
sein, dann liefs er nach und zog sich mehr in die Gegend von Tarnowitz. wo er
um 152« schon geblüht hat. Infolge der Schwierigkeiten der Wasserbewältigung
trat vorübergehend ein Rückgang ein, doch 1544 sind daselbst wieder 13 Hütten
im Gange. Cf. Steinbeck, 1. c. II, 31, I, 139 ff., II, 71 ff., 107 ff.
Auch in dieser Periode hatten die Freiberger Bergwerke an Produktion
nicht nachgelassen. Bei den Länderteilungen des sächsischen Fürstenhauses
wurde Freiberg auch stets als gemeinsamer Besitz angesehen. Das Bergwerk
bei Marienberg ist 1519 entdeckt worden. Das damalige Dorf Sehleiten ent-
wickelte sich hierdurch erst zur Stadt. Der Ertrag war ein grolser, besonders
im Jahre 1540. Anfang des XV. Jh. wurde bei Schneeberg das Bergwerk *der
hohe Forst« erschürft, das sehr beträchtlich war, aber durch die Hussiten sehr
gelitten hat und durch Wassernot ganz in Verfall kam. Das Zinnbergwerk
zu Altenberg begann etwa 1458 und warf in den ersten Jahren an 6000 Zentner
Zinn ab. Doch wurde im XVI. Jh. der Abbau schwierig. Die Silberbergwerke
zu Schneeberg, wo früher auf Eisen gebaut wurde, wurden 1471 entdeckt. Ihr
Ertrag überstieg alle Erwartungen. Herzog Albrecht und Kurfürst Johann Fried-
rich konnten Kirchen und Schlösser bauen und die Kosten langwieriger Kriege
bestreiten. 1479 nahm die Produktion etwas ab, um bald nachher wieder zu
steigen. Die weitere Entwickelung s. bei Gmelin, S. 310 ff. Die Bergwerke
bei Annaberg sind gegen Ende des XV. Jh. entdeckt worden ; sie kamen sehr
schnell zur Blüte und gaben zur Entstehung der Stadt Annaberg Veranlassung
(1497 — 1505). 1429 war das Scharfenbergische Werk von den Taboriten zer-
stört worden und später nicht mehr zu der alten Blüte gebracht worden. Im
Anfang des letzten Viertels des XV. Jh. wurden die Schneebergischen Berg-
werke entdeckt. Ende des XV. Jh. hat der Silberbergbau bei Tschoppau an-
gefangen. Auch das Bergwerk bei Glashütte (Kupfer, Eisen) kam um dieselbe
Zeit auf. Zu Ehrenfriedersdorf wird auf Zinn, Gold und Silber gebaut, in
Wolkenstein und Tretbach auf Silber, in Thum auf Zinn. Jetzt findet sieh
dort nichts mehr (aufser in Ehrenfriedersdorf). In Chemnitz und Umgegend
hatte sich das Bergwesen inzwischen auch langsam weiterentwickelt. Im
XVI. Jh. war in Kursachsen noch eine ganze Reihe von Bergwerken in Be-
trieb: Eibenstock (Zinn), Jugel, Fletschmaul, Laucnstein (Zinn), Ölsnitz, Cotten-
heide, Steinheide (Gold) u. a. m. Cf. Gmelin, S. 276 ff., 300 ff., 357.
Das Bergwerk im Rammeisberg am Harz war mehrfach unterbrochen
gewesen. Bis zur Mitte des XV. Jh. hatte es wieder einmal fast 100 Jahre
stillgestanden. Um 1419 hatte es ein Edelmann aus Prag, Broda, in Gang
zu bringen gesucht. Seitdem ist es nie mehr ganz unterbrochen worden.
Durch Herzog Heinrich den Jüngeren kommt der Bergbau im Oberharz erst
recht eigentlich in Aufnahme (seit 1524). Die Bergstadt Wildemann wurde
1529 erbaut lund bald darauf die schon 1532 vorhandene Silberhütte dasel\*?t.
Das Eisenbergwerk bei Grund soll zu Anfang des XVI. Jh. eröffnet worden
sein ; 1530 wurde dort der Magdeburger Stollen gebaut und 1543 mehr Silber
gewonnen als zu Zellerfeld und Wildemann. Auch bei Gittelde wurde schon
damals Blei und noch mehr Eisenerze gewonnen.
356. Verkehr. Das Verkehrsnetz hatte in der Zwischenzeit natur-
gemäfs eine weitere Ausgestaltung und Verbesserung erfahren. Die
356. Verkehr.
505
immer mehr zunehmende Benutzung der Landstrafsen im Gegensatz zu
den früher gern bevorzugten Wasserstrafsen hatte entsprechende Mafs-
nahmen nötig gemacht, sowohl hinsichtlich der Sicherheit der Strafsen
als auch ihrer technischen Verbesserung. Ein entschiedener Aufschwung
war erst möglich, als mit dem XVI. Jh. die landeshoheitliche Macht der
Fürsten einen bedeutsamen Fortschritt gemacht hatte und damit auch
das Strafsenwesen eine vorteilhafte Regelung erfuhr. — Soweit uns hier
das Verkehrswesen nach der geographischen Seite interessiert, so waren
die alten Strafsenzüge in ihrem Verlauf und ihrer Bedeutung im wesent-
lichen dieselben geblieben. Die zunehmende Bedeutung einzelner Städte
als Handels- und Mefsplätze hatte wohl zu einer Konzentrierung des
Verkehrs auf einzelne Punkte geführt, während andere Orte wenigstens
ais Zwischen- und Durchgangsstationen einen günstigen Einflufs genossen.
Eine durchgreifende Verlegung der Verkehrswege aber war bis zur Mitte
des XVI. Jh. jedenfalls nicht eingetreten. Auch die weltbewegenden
Ereignisse, wie die Entdeckung Amerikas und jene des Seeweges nach
Ostindien, machten sich damals, trotzdem schon ein halbes Jahrhundert
seitdem vergangen war, in verkehrsgeographischer Beziehung noch nicht
geltend. Freilich suchten die oberdeutschen Kaufleute dem sich vor-
bereitenden Umschwung der Handelskonjunkturen in weiser Voraussicht
»'ich anzupassen und strebten, neue Anknüpfungspunkte über Lissabon zu
gewinnen, was ihnen allerdings nur zum Teil gelang. Aber der über
Venedig und die Alpenpässe geleitete Levantehandel hatte doch nicht
so schnell eine entschiedene Stockung erfahren können.
Über das Verkehrswesen jener Zeit im allgemeinen siehe das schon mehr-
fach genannte Buch von Gatsner und die obengenannte Literatur; ferner
A. Köberlin, Der Obermain als Handelsstraße im späteren Mittelalter, Er-
langen 1899. Rübsam, Zur Gesch. d. Verkehrs in Klsafs und Lothringen,
1505—1809, im Arch. f. Post u. Telegr. 21, 537 ff. • Heller. Die Handelswege
Inncrdeutschlands im XVI. bis XVIlL Jh. und ihre Beziehungen zu Leipzig,
mit Karte, Dresden 1884. Gerbing, Beiträge zum Thüringer Geleitswesen im
XVI. und XVII. Jh., Mitt. Geogr. Ges., Jena 13, 50—02. Hertel, Zur Gesch.
<ler Schiffahrt auf der Saale, Geschbll. f. Magdeb. 32 (1897). Rauprich, Bres-
Jaus Handelslage im Ausgange des Ma., in Schles. Ztschr. 26 (1892), 1 — 26.
F. Bruns, Lübecks Handelsstrafsen am Ende des Ma., Hans. Geschbll. 1896,
41—87. Lau ff er, Danzigs Schiffahrts- u. Warenverkehr am Ende des XV. Jh.,
Z. d. westpreufs. Gesch. -Ver., Heft 33 (1893).
XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
357. Der Dreißigjährige Krieg. Das Jahr 1650 steht noch unter
dem unmittelbaren Eindruck des grofsen Krieges, der durch den West-
fälischen Frieden einen nominellen Abschlufs gefunden hatte. Grofse
Veränderungen waren auf politischem wie wirtschaftlichem Gebiete vor
sich gegangen. Das Deutsche Reich war in seinen Grundfesten er-
schüttert, der Reichsgedanke zu einem schwankenden Begriff geworden
Weder war es eine Demokratie, noch eine Monarchie, noch auch nur ein
Staatenbund, sondern jene krankhafte Zwitterbildung zwischen allen
diesen, welche Samuel von Pufendorf mit der drastischen Bezeichnung
eines »Monstrums , beehrt hatte. Die Zentralgewalt war ohnmächtig
gegenüber der Vielheit von Territorien, von denen auch nur die gröfseren
den Kern gesunder staatlicher Entwicklung in sich trugen. — Einen
empfindlichen Schlag hatte die materielle Kultur durch den Krieg er
fahren. Die Bevölkerung war an Zahl zurückgegangen, Deutschland ein
menschenarmes Land geworden. Ein grofser Teil der Acker war ver
wüstet und blieb auch in der folgenden Zeit zunächst noch unbestellt,
so dafs ein junger Wald auf ihnen sich ansiedeln konnte. Überall fehlte
es an Menschen. Wie einzelne Städte auch äufserlich die Spuren de^
Krieges zeigten, so war es noch mehr auf dem freien, schutzlos ds
liegenden Lande der Fall. Ganze Dorfschaften hatte der Krieg vom
Boden gefegt und einen grofsen Teil der Wüstungen geschaffen. Indessen
sind viele der haarsträubenden zeitgenössischen Berichte (Ibertrieben und
von anderen in unzulässiger Weise verallgemeinert worden. Eine kritisch-?
Geschichtschreibung hat auch hier zwischen Wahrheit und Legende zu
scheiden. Denn einmal sind einige Landschaften (z. B. die Österreich*
schon) vom Krieg direkt wenig oder gar nicht berührt worden und dan;i
haben auch nicht alle Länder volle 30 Jahre hindurch sich im Kriep-
zustande befunden.
Der Westfälische Friede hatte im politischen Bestände des Deutscher.
Reiches sehr wesentliche Veränderungen gebracht. Schweden und Franzosen
hatten den Fufs auf deutschen Boden gesetzt, und nicht -unbeträchtliche Geint te
wann ihnen tatsächlich eingeräumt worden. Schweden erhielt hierbei Vor
358. Landgrafschaft Hessen Kussel.
507
pommern mit der Insel Rügen, Teile von Hinterpommern mit Stettin, die
mecklenburgische Stadt Wismar sowie das Erzbistum Bremen und das Bistum
Verden. Frankreich war ein gut Teil der westlichen Grenzlande als Beute
zugefallen. Die Bistümer Metz, Toul und Verdun waren schon unter König
Heinrich II. 1552 dem Deutschen Reiche entrissen worden und wurden beim
Kriedensschlufs Frankreich endgültig zugesprochen. Auch über das Elsafs
erlangte es damals die Suprematie. Freilich wurden die Rechte der Reichs-
stände und ihre Reichsfreiheit aufrechterhalten. So blieben auch die zehn
Reichsstädte bestehen und Frankreich erhielt nur die Landvogtei über sie;
ferner die bisher Österreich zugehörige Landgrafschaft im Ober- und Unter-
elsals nebst dem Sundgau, desgleichen die Stadt Breisach. Die ganze Fassung
des betreffenden Artikels in der Friedensurkunde ist aber so unklar, dafs Frank-
reich im Laufe der Zeit sich die territoriale Landeshoheit im Elsafs anmafsen
konnte. Vgl. Erdmannsdörffer I, 39 ff. — Eine Anzahl geistlicher Territorien
war durch den Frieden aufgehoben und anderen einverleibt worden (die Bis-
tümer Minden, Halberstadt, Kamin, Bremen, Verden, Magdeburg, Schwerin,
Ratzeburg). Für die Pfalz war eine achte Kurwürde geschaffen worden. Die
Schweiz und die Niederlande schieden aus dem deutschen Rcichskörper
aus und wurden als selbständige Staaten anerkannt.
J. G. von Meiern, Acta pacis Westphalicae publica, 6 Bde., Hannover
1734 — 1736. — Severinus de Monzambano (S. von Pufendorf), De
statu imperii Germanici liber, 1667 u. öfter. Hierzu vgl. II. von Treitschke,
S. von Puf., in Preufs. Jahrbb. 35, 36. Jastrow, Pufendorfs Lehre von der
Monstrosität der Reichsverfassung, Berlin 1882. Über die Folgen des 30 jähr.
Krieges vgl. besonders die lichtvolle Darstellung von Erdmannsdörffer,
Deutsche Gesch. vom Westfäl. Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrich d.
Gr., Berlin 1892, I. Bd. in den ersten drei Kapiteln.
Über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen handeln im einzelnen:
Hanser, Deutschland nach dem Dreifsigj. Kriege, Lpz. 1862. — vonlnama-
Sternegg, Die volkswirtsehaftl. Folgen des Dreifsigj. Krieges für Deutschland,
im Hist. Taschenb. 1864, Nr. 866. — Heigel, Deutschland nach dem Dreifsigj.
Kriege, in »Aus drei Jahrhunderten«, Wien 1881. — Roscher, Gesch. d. Na-
tional-Ökonomik in Deutschld., München 1874, S. 219 ff. Für einzelne Land-
schaften liegen auch Spezialarbeiten vor: Gothein, Die oberrheinischen Lande
vor und nach dem Dreifsigj. Kriege, Z. f. Gesch. d. Oberrheins, 1886. 1 ff. —
Kius, Statist. Mittlgn. aus Thüringen und Franken aus d. Dreifsigj. Kriege, in
Hildebrands Jahrbb. f. Nationalök. XIV, 1 ff. — Punt schert, Kriegsschäden
in Retz und Umgebung im Jahre 1645, in Bll. d. Ver. f. Landeskde. Nieder-
österreiehs, Bd. 14 — 15 u. a. m.
358. Landfrrafschaft Hessen-Kassel. Philipp der Grofsmütige hatto
sein Land seinen vier Söhnen hinterlassen mit der testamentarischen
Bestimmung, dafs sie das Land nicht teilen sollten. Im Fall aber, so
sie nicht beieinander wohnen könnten oder wollten«, bestimmte er,
welches Krbteil ein jeder haben sollte. Der älteste Sohn Wilhelm er-
hielt die Hälfte des ganzen Gebietes : Niederhessen mit Cassel, den
gröfsten Teil von Ziegenhain und halb Schmalkalden, Ludwig den
vierten Teil: Oberhessen mit Marburg und Giefsen, die Grafschaft Nidda
und Herrschaft Eppstein, Philipp ein Achtel: die niedere Grafschaft
Katzenelnbogen mit Rheinfels und St. Goar, Georg gleichfalls ein
Achtel: die obere Grafschaft Katzenelnbogen mit Darmstadt. Für die
sieben Söhne von der Margareta bestimmte er kleinere Gebietsteile.
Die vier fürstlichen Brüder ordneten ihre gemeinsamen Angelegenheiten
durch eine Erbeinung auf dem Tage zu Ziegenhain (28. Mai 1568). —
508
XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
Da die beiden mittleren Brüder 1604 bzw. 1583 starben, ebenso die
Söhne aus Philipps Nebenehe 1577 ohne männliche Nachkommen starben
oder aufser Betracht kamen, so fielen alle Landgebiete an die beiden
überlebenden Brüder Wilhelm und Georg, die die Erbschaften teilten
und so den Grund für zwei fortan sich selbständig entwickelnde Land-
grafschaften : Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel legten.
Der Anteil Wilhelms: Niederhessen mit der Hauptstadt Kassel umfalste
alle Schlösser, Städte und Ämter an der Diemel, Fulda, Schwaliri und Werra,
samt den gleichen bei Göttingen und dem Anteil an Treffurt, ferner die Graf-
schaft Ziegenhain, die Herrschaft Itter, Hunech, Barchfeld und die Ämter
Friedewald, den hessischen Anteil an Hersfeld und am Amt Landeck, Heringen
a. d. Werra, Vach, den hessischen Anteil und die Anwartschaft von Schmal-
kalden und die (ierechtigkeit an Herrenbreitungen sowie eine Reihe kleinerer
Besitzungen. — Ludwig erhielt Oberhessen mit der Hauptstadt Marburg von
Boreken und Frankenberg an bis nach Grünberg und Giefsen, ferner die Graf-
schaft Nidda, die Fuldaische Mark zu Bingenheim, die Erbgerechtigkeit an
Wetzlar, die Pfandschaft von Limburg, Rofsbach und Butzbach in der Wetterau,
Hünfeld, Rockenstuhl und Geisa im Hochstift Fulda, den dritten Teil des
waldeckischen Goldbergwerkes auf dem Eisenberg sowie die Klöster Wiesenfeld,
Georgenberg bei Frankenberg und das Antoniterhaus zu Grünberg. — Philipp
erhielt Nicder-Katzenelnbogen am Rhein, nämlich Rheinfels mit St. Goar und
dem Rheinzoll daselbst, Neu-Katzenelnbogen, St. Goarshausen, Alt-Katzeneln-
bogen. Reichenberg, Hohenstein, Braubach, Rens, Embs und den Wartpfennig
zu Boppard. — Georg erhielt Ober-Katzenelnbogen, nämlich Darmstadt, Küssels-
heim, Dornberg, Reinheim, Lichtenberg, Zwingenberg und Auerbach. — Die
sieben Söhne aus Philipps Nebenehe erhielten Lifsberg, Bickenbach, Umstadt,
Ulrichstein, Schotten, Stornfels, Homburg v. d. Höhe und kleinere Gerecht-
same. — Alles Nähere bei Rommel, Gesch. v. Hessen 5, 43—46, sowie über die
Erbeinung von 1568 ebenda 76 ff. mit Urkunde.
Philipp d. Grofsmütige f 1567
Wilhelm IV. Ludwig III. Philipp II. Georg I
f 1592 f 1604 f 1583 f 1596
(Hessen-Cassel) (Marburg) (Rhoinfols) (H.-Daimstadt)
xi^-w» K ißüo Ludwig V. Friedrich
Monte f 1632 f 16|6 (U..Hombrg0
Wilhelm V. Hermann Friedrich Ernst
r 1637 ■/.. Rothenbrg. zu Eschwego zu Rheinfels
J Rothenburger Quart G?°!$<.\1
Wilhelm VI. * f 1661 184$
f 1663 (Grofsherzogl. f + t
Linie)
Als Philipp II. 1583 starb, erhielt Hessen-Kassel aus der Erbschaft die
Ämter Rheinfels mit St. Goar, Reichenberg und Hohenstein. Philipps Sohn
Moritz trat in den Wirren des 30 jährigen Krieges die Regierung an seinen Sohn
Wilhelm V. ab, der sich aber mit Reinen drei Brüdern einigen mufste und ihnen
einen Teil des Landes, den sog. Rothenburg er Quart, überliefs. Zu diesem
gehörte nach dem Vertrage von 1628: die Ämter Rothenburg, Sontra, Ksehwegv
mit ^Gericht Bilstein und Germerode, Wanfried, Anteil an Treffurt, Ludwig
stein, Witzenhausen, Plesse und Neuengleichen. — Nach Beilegung des Mar
burger Erbschaftsstreites erhielt Hessen-Kassel alles, aufser den wenigen an
Darmstadt fallenden Teilen (s. Hessen - Darmstadt, wo das Nähere über den
Streit angegeben ist), nämlich: die Ämter Marburg mit Kirchhain, Rausehen
berg, Schönstein, Wetter, Frankenberg, Viermünden, Wölkersdorf, Gemünden,
halbe Herrschaft Itter (über diese s. Hessen-Darmstadt) und Hessenstein.
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369. Landgrafechaft HeHsen Darmstadt. 360. Grafschaft Hunau-Milnzcnberg. 50*>
Nach dem Aussterben der Grafen von Schauenburg (Sehaumburg) 1640
einigte sich He&sen-Cassel mit dem Fürsten zu Lippe und den Braunschweig-
Lüneburger Herzögen dahin, dafs es die Ämter Schauenburg mit Rinteln, Roden-
kirchen und einen Teil von Sachsenhagen erhielt. Diese Exklave hessischen
I^andes besteht heute noch.
Der Westfälische Friede sprach Hessen-Cassel noch die in ein weltliches
Fürstentum umgewandelte Abtei Hersfeld zu. Die Landgrafen von Hessen
hatten zu ihr seit dem XIV. Jh. schon in Beziehungen gestanden und ihr ihren
Schutz angedeihen lassen.
359. Landgrafschaft Hessen- Darmstadt. Georg I. wurde der
Stifter einer neuen Fürstenlinie, die bis zur Gegenwart fortbesteht.
Seinen anfangs recht kleinen Anteil an der Hinterlassenschaft seines
Vaters wufsten er und noch mehr seine beiden Nachfolger Ludwig V. und
Georg II. zu vermehren, wenn es letzterem auch nicht gelang, das 1604
erledigte Marburger Land ganz für sich zu gewinnen. Hessen-Darmstadt
war ursprünglich kein offizieller Titel, sondern ist erst zur Unterschei-
dung von Hessen-Kassel entstanden.
Die Erwerbungen Georgs I. waren : 1572 Kranichstein und der Sensfelder
Hof durch Kauf; 1578 Schlofs Bickenbach (jetzt Alsbacher Schlots), die
Kaplanei Alsbach und ein Viertel des mit Kurpfalz gemeinschaftlichen Umstadt ;
1583 die Ämter Schotten und Stornfels, Homburg v. d. H. und die Anwart-
schaft auf ein Drittel von Braubach.
Ludwig V. erwarb von dem Grafen Heinrich von Isenburg das Amt
Kelsterbach mit den Orten Langen, Egelsbaoh, Mörfelden, Kelsterbach, Nau-
heim, Ginsheim und dem Gundhof; vom Erzstift Mainz den Mönchsbruch,
einen Teil der Knoblochsau und das erbachische Dorf Langwaden.
Der 1604 erfolgte Tod Ludwigs IV. von Marburg führte zu einer Teilung
seines Landes, welches er übrigens durch die Fuldaer Mark mit Bingenheim,
Echzell, Berstadt, Blofelden, Dauernheim, Leidhecken noch vermehrt hatte.
Das Schiedsgericht hatte den nördlichen Teil mit Marburg der Kasseler Linie,
den südlichen mit Giefsen der Darmstädter zugeteilt. Der Testator Ludwigs^IV.
hatte testamentarisch bestimmt, dafs seine dereinstigen Erben die Religion nicht
ändern dürften. Da Landgraf Moritz jedoch der reformierten Lehre sich zu-
wandte, so sali Ludwig V. hierin eine Verletzung jener Bestimmung und nahm
das ganze Erbe für sich in Anspruch. Es folgte der jahrelange Marburger
Erbschaftsstreit, der 1627 durch einen Vergleich beendigt werden sollte, jedoch
erst am 14. April 1658 endgültig beigelegt wurde. Georg H. erhielt damals von
der Marburger Erbschaft das Amt Braubach, das Kirchspiel Katzenelnbogen
und die Herrschaft Eppstein, ferner die Ämter Königsberg, Blankenstein mit
dein Breidenbacher Grund, Biedenkopf, Battenberg, die Hälfte der Herrschaft
Itter (die andere Hälfte wurde 1650 von Hessen-Kassel gegen das Amt Rosen-
thal, Wiesenfeld, Münchhausen und einige Dörfer eingetauscht), das Amt Giefsen
mit dem Busecker Tal, die Ämter Allendorf, Grünberg, Homberg a. d. Ohm,
Burg-Gemünden, Alsfeld, Grebenau, Ulrichstein, Nidda, Lifsberg, Bingenheim,
Butzbach mit Philippseck, Rosbach, den hessischen Anteil am Hüttenberg, so-
wie die Gebiete der Herren von Riedesel. Sold an, Gesch. des Grofshzgt. .
Hessen, S. 125 f., 135 f., 143, 148 f.
360. Grafschaft Hanau -Mttnzenberg- Lichtenberg. Das Hanauer
Grafengesch locht war seit dem XIII. Jh. im Besitz von Teilen der Herr-
schaft Münzenberg und seit 1481 durch Erbheirat auch im Besitz von
lichtenbergischen Gebietsteilen gewesen. Es spaltete sich damals in die
Münzenbergische und Lichtenbergische Linie. Die erstere starb 1042 aus,
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XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
so dafs nunmehr der ganze Landbesitz wieder in einer Hand ver-
einigt war. An Hessen-Kassel hatten die Grafen verschiedene Gebiete
(Kellerei Naumburg, Ämter Schwarzenfels, Altengronau und Branden-
stein) in Pfand gegeben und mit Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel
1643 einen Vertrag wegen der Erbfolge im Hanauer Lande geschlossen
im Fall des Erlöschens der männlichen Nachkommenschaft (was 1736
erst eintrat).
361. Grafschaft Nassau bestand noch unter den beiden Hauptlinien,
der Walramschen und Ottonischen, und deren Nebenlinien fort. (Vergl.
hierüber S. 218 f.). Der Walramsche Zweig war um 1560 gedreiteilt (Id-
steiner, Weilburger und Saarbrückener Linie) und jede Linie mit einem
Landgebiet ausgestattet. Durch Aussterben von zwei dieser Linien wurde
die ganze Hausmacht schliefslich in der Hand des Grafen Ludwig (Weil-
burger Linie) 1605 vereinigt, um unter seinen Söhnen abermals gedrei-
teilt und bald darauf gefünfteilt zu werden. — Der Ottonische Zweig
bestand anfangs noch als Dillenburger und Beilsteiner Linie. Letztere
starb 1561 aus ; doch gingen von den Söhnen Johanns VI. (t 1606) fünf
neue Linien aus, die eine Teilung des Landes hervorriefen.
Die Alte Idstein er Linie starb mit Johann Ludwig 1605 aus. Graf
Ludwig der Nassau-Weilburger Linie nahm das Land in Besitz, nachdem er
sich mit den weiblichen Nachkommen jenes Johann Ludwig auseinander-
gesetzt hatte.
Die Weil burger Linie, anfangs unter Philipp IU. (f 1559). hatte sich
unter seinen Höhnen Albrecht und Philipp IV. vorübergehend geteilt; da letz-
terer ohne männliche Nachkommen starb, war der Landbesitz bald wieder
vereinigt. Beide Brüder erbten 1574 bei dem Erlöschen der Alten Saar-
brückener Nebenlinie deren ganzen Nachlafs an Land. Nach dem Tode
Philipps IV. 1602, folgten die drei Söhne seines Bruders Albrecht ; von diesen
hatte nur der älteste, Ludwig II. (f 1627), eine Nachkommenschaft. Nachdem
er 1602 nach dem Tode seiner Brüder und 1605, wie bemerkt, durch Aussterben
der Alten Idsteiner Linie alles Land in seiner Hand vereinigt hatte, teilten es
seine vier Söhne, die (aufser Otto) auch neue Linien begründeten: Wilhelm
Ludwig (Neue Saarbrückener Linie) erhielt die Grafschaft Saarbrücken.
Amt Ottweiler, Herbisheim und Gemeinschaft Wellingen; — Johann (Neue
Idsteinische Linie) die Herrschaften Idstein und Wiesbaden, Sonnenberg,
der Weher Grund und Amt Burg-Schwalbach ; — Ernst Casimir (Neue Weil-
burgische Linie) die Herrschaften Weilburg, Gleiberg und Merenberg, die
Gemeinschaften Hüttenberg, Löhnberg und Cleeberg; — Otto (stirbt schon
1632) erhielt die Herrschaften Kirchheim, Stauf!, Neu-Weilnau, Usingen, da*
Stockheimer Gericht und die Gemeinschaft der Rheindörfer. — Gemein
schaftlich blieben Sarwerden, Lahr, Mahlberg, Bliescastel, Homburg, Rosen
thal, Rodenkirchen, Reichelsheim, Ober- und Nieder-Rofsbach, Alt-Weilnau u. a
Teilungsurkunde 26. Januar 1629 bei Lünig, Reichsarchiv I, 708 ff., Vogei
Beschreibung von Nassau, S. 345.
Während des 30jährigen Krieges wurden die Länder der drei Brüd»r
nach der Schlacht von Nördlingen konfisziert; doch der Westfälische Fried-
setzte sie wieder in deren Besitz.
Die Beiist einsehe Linie starb 1561 aus und das zugehörige Terri
torium fiel an Johann VI. von Nassau-Dillenburg.
Die Dillenburger Linie blühte unter Wilhelm dem Reichen, der 15!>7
bei Beendigung des Kateenelnbogischen Erbschaftsstreites von Hessen da«
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361. Grafschaft Nassau.
511
512
XL Politische Geographie um das Jahr 1650.
hessische Viertel der Grafschaft Diez mit den Ämtern Camberg, Weilnau,
Wehrheim, Ellar, Driedorf und die Hälfte von Hadamar erhielt. Von .seinen
vier Söhnen stiftete Wilhelm (von Oranien), der alle niederlandisch-nassauischen
Besitzungen geerbt und auf die rechtsrheinischen ganz verzichtet hatte, eine
eigene Linie, die Oranische. Sein Bruder Johann VI. setzte die Hauptlinie
fort, die sich unter seinen Söhnen (1607) in fünf neue Linien spaltet: Wil-
helm Ludwig starb kinderlos 1620. Sein Anteil fällt an seinen ' Bruder
Georg (Neue Beilstein-Dittenburger Linie); Johann der Mittlere '(Siegener
Linie); Ernst Casimir (Diezsche Linie); Johann Ludwig (Hadamarsche
Linie.)
362. Grafschaft Wied. Nach dem Tode des Grafen Johann 1595
teilte sich das Grafenhaus in die beiden Linien Wied-Runkel und Wied-
Neuwied und das Land entsprechend in die obere und untere Graf
schaft.
363. Grafschaft Sayn- Wittgenstein. Die Johannsche Linie war
mit dem Grafen Heinrich 1606 erloschen. Seine Nichte Anne-Elisabeth
war mit Wilhelm III. (f 1623) Graf zu Sayn-Wittgenstein (der Engel-
bertschen Linie) vermählt, so dafs die Landesteile alle vereinigt waren.
Wilhelm war der Sohn des Grafen Ludwig des Alteren, der seine Besitz
ungen unter seine drei Söhne geteilt hatte. So entstanden drei Linien,
deren Stifter Georg: Linie Sayn- Wittgenstein-Berleburg, Wilhelm HI.:
Linie Sayn - Wittgenstein - Sayn und Ludwig: Linie Sayn - Wittgenstein-
Hohenstein waren. Die mittlere Linie Wilhelms III. , welche die Graf
schaft Sayn geerbt hatte, war mit dessen Sohn Ernst 1632 im Mannes-
stamme erloschen. Doch des letzteren Gemahlin Luise Juliane wufste
es trotz der Wirren des 30jährigen Krieges gegen die übrigen Ange-
hörigen des Saynschen Hauses durchzusetzen, dafs ihren beiden Töchtern
1648 die Grafschaft Sayn zurückgegeben wurde.
364. Grafschaft Waldeck. Es bestanden um 1550 zwei Linien : die
Altere Wildunger Linie, die schon 1598 mit Wilhelm Ernst ausstarb,
und die Ältere Eisenbergische Linie. Auch diese wieder war seit
gel eilt in zwei : die Mittlere Eisenbergische Linie und Neuere Landauische
Linie (stirbt 1597 aus), so dafs vorübergehend drei Linien nebeneinander
bestanden. Da zwei von diesen aussterben (1597 und 98), so war das
Land ganz an die Mittlere Eisenberger Linie gefallen, die sich inzwischen
1588 abermals geteilt hatte in die Neue Wildunger und Neue Eisen-
berger Linie. Die Namen der Linien sind nach den Residenzen ihrer
Stifter gewählt worden. Die Waldecker Grafschaft erfuhr eine erhebliche
Vergröfserung durch die Erbschaft der Grafschaft Pyrmont 1625.
Über die Regulierung der nordwestlichen Grenze gegen Cölnisches Gebiet s
Wigand, im Archiv f. Gesch. u. Altert, Westfal. II, 129. Curtze, L c. 7 f. — Di»
Grafschaft Pyrmont hatte unter den Grafen von Spiegelberg gestanden. als
diese 1557 ausstarben, bis auf zwei Töchter: Ursula, ctie Gemahlin des Grafen
Hermann Simon von Lippe, und Walburg, Gemahlin des Grafen Georg von
Gleichen. Bis 1583 war Pyrmont in der Hand des Lippeschen Hauses, da.nii
riel es an die Gleichen, deren letzter, Hans Ludwig, ohne Aussicht auf Leibe?
erben, die Grafschaft noch bei Lebzeiten, lf>25, an die Grafen Christian un«l
Wolrad IV. von Waldeck abtrat.
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*
365. Grafschaft Lippe. 366. Grafschaft Schaumburg- Lippo. 513
Henrich VI. 1397 f
Adolf f 1431 Henrich VII. f 1444
Ältere Landau. Linie Neuere Waldeck. Linie
; Philipp II. f 1487 Heinrich VIII. f 1513
Otto IV 1495 ;ut Eisenberg. Linie Alt, Wüdung. Linie
t t t
~* Wilh. Ernst 159S
Wolrad H. f 1578 Johann f 1567 f f f
Mittl. Eisenberg. Neuere Landau.
Linie Linie
Franz HI.
Christian 1638 Wolrad IV. f 1640 f 1597
Neuere Wüdung. Neuere Eisenberg. f t t
Linie Linie
jetzt noch regier. Georg Friedr. 1692
t f t
365. Grafschaft Lippe hatte unter der kraftvollen Regierung
Simons VI. (1563—1613) gestanden. Mit Bezugnahme auf testamentarische
Bestimmungen des Vaters hatten seine vier Söhne sich 1616 über die
Form der Regierung geeinigt. Nach dem Tode des einen der Söhne
wurde 1621 eine neue Vereinbarung getroffen und Teilung des Landes in
3 Abschnitte vorgenommen: Lippe mit Detmold, Brake und Bückeburg.
Bei der erstmaligen Teilung hatte Simon VII. Lippe mit Detmold erhalten,
Otto H. (f 1659): Brake, Hermann IV. (f 162<y) : Sternberg und Philipp II.
(f 1681): Alverdissen und Lipperode. Nach dem bald erfolgten Tode Hermanns
erhielt Simon VH. zu seiner Grafschaft Lippe noch Sternberg, während
Otto U. auf Brake, Blomberg und Barntrup beschränkt blieb und Philipp II.
nur Alverdissen und Lipperode behielt, aber sein Gebiet durch Erbschaft sehr
bald bedeutend erweiterte (s. unter Schaumburg).
366. Grafschaft Schaumburg-Lippe. Unter dem tatkräftigen Grafen
Otto IV., der 1531 — 1537 Bischof von Hildesheim gewesen war und
später ein eifriger Protestant wurde, hatte die Reformation Eingang
gefunden, leider nicht ohne wirtschaftliche Schädigungen, wie sie Kriege
und Truppendurchzüge mit sich brachten. Sein Sohn, der nicht minder
rührige Ernst III., hatte beim Kaiser Ferdinand II. die Verleihung der
Fürstenwürde nachgesucht; doch da er im Titel als Graf zu Holstein
aufgeführt sein wollte (vgl. S. 445), so führte dies zu kriegerischen Ver-
wickelungen, in denen er den kürzeren zog. Der Dreifsigjährige Krieg
brachte neue Leiden über das Land. Währenddessen starb 1640 Otto VII.,
der letzte Graf des Schauenburgischen Hauses. Sein Land ging (aller-
dings unter Abtretung einiger Teile an Hessen und Braunschweig) an
einen Verwandten, Philipp II. von Lippe, über, der von seinem väter-
lichen Erbteil nur Alverdissen und Lipperode besafs. Er wurdo der
Stammvater der neuen Linie Schaumburg-Lippe.
Otto IV. hatte mit Erich dem Jüngeren von Braunschweig 1573 einen
Vertrag geschlossen, nach welchem dieser ihm das Amt Lauenau zu Lehen
gab, wogegen Otto jenem die Ämter Bokeloh und Mesmerode zu Lehen über-
liefs. Dafür sollten die Stadt Oldendorf, die Vogtei Lachem und Fischbeck
als ehemalige Wunstorfsehe Pfandschaften nicht von Braunschweig eingezogen
werden. Piderit, I. c. 109 f.
Kretschmer. Historische <;cographio.
>
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514
XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
Ernst III. starb Hi22 ohne Kinder; die Regierung ging auf die Nachfolger
seines Onkels Jobst (Justus) II. (f 1581) über, der Gehmen als Apanage besafc
und sein Besitztum durch Ankauf der Herrschaft Bergen in Nordholland ver
gröfsert hatte.
Jobst I. 1527—1533
Otto IV. 1533-1576 Jobst II. f 1581
> , Snaon VI.
Adolf XII. Ernst III. Heinrich III. Georg
(1576-1601) 1601-1622 f 1593 Hermann
Gern : Meta f 1616
SifiÄ Gem. Elisa" Philipp II.
beth v. Lippe von Lippe
Bronkhorst
J o b s t II e r •
mann
Otto VII.
1622-1635 1635-1640
Nach dem kinderlosen Tode Ottos VII. suchte seine Mutter Elisabeth.
Tochter Simons VI. von Lippe, die (Grafschaft zu retten gegen die Ansprüche
Hessens und des Bistums Minden Verloren ging zunächst die Herrschaft
Gehmen im Münsterland an den Grafen von Limburg-Bronkhorst. Herrn zu
Stimm, dessen Tochter Meta Heinrich III. geheiratet hatte. Die Herrschaft
Bergen wurde 1641 wiederverkauft, die holsteinsche Grafschaft Pinneberg,
die nach der Verzichtleistung 1460 (vgl. S. 536) den Schaumburgera noch ver-
blieben war, an Christian IV. von Dänemark durch Kauf abgetreten. — Im Jährt
1643 übertrug Elisabeth die Grafschaft Schaumburg ihrem Bruder Philipp II., Gra
fen zur Lippe, Herrn von Alverdissen. Doch in dem nachfolgenden Prozefs sprach
der Reiehshofrat 1645 den Besitz des Landes dem Bistum Minden zu, aus-
schliefslich natürlich jener drei östlichen Ämter (Rodenberg, Hagenburg und
Arensburg), die nach Vertrag von 1518 an Hessen (Landgräfin Amalie Eli
sabeth) — und der Ämter Lauenau und Mesmerode mit Borkeloh, die
laut Vereinbarung von 1573 (s. oben) an Braunschweig- Lüneburg fallen
sollten. Philipp IL, der mit Sophie, Tochter des Landgrafen Moritz von Hessen.
(1644) vermählt war, suchte daher Anschlufs und Schutz bei der vielver-
mögenden Amalie Elisabeth, die ihm die vier von Minden beanspruchten Ämter
wieder verschaffen sollte, wogegen er zu einer Teilung der Grafschaft mit
Hessen erbötig sei. Ein Vergleich stellte 1647 che Teilungsobjekte fest. Auch
mit Christian von Braunschweig- Lüneburg setzte sich Amalie friedlich ausein
ander; sie entsagte 1647 den Ämtern Lauenau, Mesmerode und Bokeloh, den
Ansprüchen auf Dorf Hübsedc (südl. von Lauenau,), das Dachtelfeld und klei
nere Lehen sowie 11 Dörfer der ehemals wunstorfsehen Vogteien Fisehl>eek
und Lachen ; der Rest (speziell das Gebiet südlich des Süntel) fiel an Hessen
Der Westfälische Friede bestimmte endgültig folgende Teilung : Graf Philipp
erhielt Schlofs und Amt Bücke bürg Schlote und Amt Stadt ha gen, Hau;-.
Flecken und Amt Hagen bürg. Haus und Amt Arensburg nebst dem
anderen Teil des Amtes Sachsenhagen (ohne gleichnamigen Ort) und du
Städte Bückeburg, Stadthagen, Hagenburg und Flecken Steinhude. — An
Hessen fielen die Ämter Schaumburg und Rodenberg, die Städte Rinteln, Olden
dorf, Obernkirchen und Rodenberg, ein Teil des Amtes Sachsenhagen mit den
Ort und die Dörfer Auhagen und Düdinghausen sowie drei Waldungen. —
Über die Geschichte der Teilung bringt alles Nähere Piderit, Gesch. von
Schaumbg., 1831, S. 132—150.
•
367. Welfenlandc. Das Land war um 1550 in der Hand von
fünf Linien des Weifenhauses (S. 446): Wolfenbüttel, Calenberg, Lünt
bürg, Harburg und Grubenhagen. Sie starben im Laufe eines Jahr
hunderte sämtlich bis auf die Lüne'burgcr aus. Ernst von Lüneburg
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367. Weifenlande.
51 f>
hinterliefs 1546 mehrere Söhne, von denen Heinrich und Wilhelm nach
anfangs gemeinschaftlicher Regierung 1569 das Land in zwei sehr un-
gleiche Teile schieden; sie waren die Stifter zweier fortan allein noch
bestehender Weifenlinien, jener der Dannonberger (herzoglichen), dieser
«ler Lüneburg-Celleschen (später königlichen) Linie. Die Gebiete der
übrigen nach und nach aussterbenden Häuser wurden diesen beiden
allerdings nicht ohne langjährige Erbstreitigkeiton angeschlossen.
Calenberg
Erich L 1540
I
Krich n. 1584
tt t
Dannenbg.
Grubenhagen
Albrecht UI. 1486
I
Philipp L 1551
Philipp TL 1596
t t t
Lüneburg-Celle
ErnHt f 1546
Wolfcnbüttel
Heinrich d. Jüng.
f 1568
Julius 1589
Heinr. Julius 1613
I
Friedr. Ulrich 1634
t t t
Lüneburg
Harburg
Otto I. 1549
Otto II. 1603
I
Wilhelm 1642
t t t
Heinr. 1598
I
August d. Jung.
1666
Dannenbg.-
Wolfenb.
Wilhelm 1592
Ernst II. Christian August d Alt. Friedrich Georg
1611 1633 1636 164S 1641
Lünebg.-Celle Calenberg
L Calenberg- Göttin gen hatte zu seinem bisherigen Bestände nur
noch (mit Wolfenbüttel gemeinschaftlich) die obere Grafschaft Hoya mit den
Ämtern Stolzenau, Steierberg, Ehrenburg, Syke, Siedenburg. Diepenau und
Barenburg nach dem Aussterben der Grafen 1583 erhalten. Nach dem Tode
Erichs II. (1584) fiel sein Land an Herzog Julius von Wolfenbüttel und schlief?
lieh an Lüneburg (s. u.).
2. Grubenhagen. 1596 starb mit Philipp die Linie Grubenhagen aus,
und der Wolfenbütteler Herzog (Heinrieh Julius) nahm es sogleich in Besitz,
mufste es aber 1617 an die Lüneburger wieder abtreten. Hävern., 2, 494. Max,
Gesch. v. Grbhgn., 1, 395 ff., 406 ff.
3. Wolf enbüttel. Unter Herzog Julius fiel Calenberg an diese Linie
s. o.), unter Heinrieh Julius vorübergehend (bis 1617) Grubenhagen. Nach
•lern Aussterben der Grafen von Honstein 1593 fällt ihnen deren Gebiet mit
Scharzfeld, Lauterberg, Lohra und Clettenberg zu. Hierüber Hävern. 2, 423 f.
Als 1599 der letzte Graf von Reinstein (Regenstein) gestorben war, erwarb
Heinrich Julius auch dessen Land mit den Schlössern und Gebieten von Blanken-
burg, Reinstein und Heimenburg. Hävern., 2, 427. Das Hildesheimer »Grofse
Stift« wurde jedoch Friedrich Ulrich infolge des Restitutionsediktes 1629 wieder
•ntrissen. Hävern., 2, 602.
4. Harburg. Die Linie starb 1642 aus, nachdem sie in der Teilung
von 1635 (s. unter 5) noch eine Gebietsvergröfserung erfahren hatte.
5. Lüneburg. Die Teilung von 1569 zwischen den Söhnen Emsts des
Bekenners bestimmte, dafs Heinrich mit einem verbal tnismäfsig kleinen Anteil :
Sehlofs, Stadt und Amt Dannenberg und Kloster Scharnebeck abgefunden
wurden während Wilhelm ganz Lüneburg erhielt. Heinrich vergröfserte zwar
meinen Besitz 1592 durch die Ämter Hitzacker, Luclu ' und Warpke. Sehr
viel bedeutender waren aber die Erwerbungen WillieM der 1583 die untere
Grafschaft Hoya erwarb, bestehend aus Sehlofs und /ant Hoya, Stadt und
Amt Nienburg, Liebenau, Alt- und Neubruclihau«en ; ferner, nach dem Aus-
sterben der Grafen von Diepholz 1585, auch deren Gebiet aufser Wagenfeld
33*
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516 XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
und Sehlofs Auburg. Hävern., 2, 481. Nieberding, Gesch. d. Niederstifts Münster.
I, CHI. — Nach Wilhelms Tode folgten nacheinander seine Söhne Ernsi IL
— dann Christian, durch welchen das von Wolfenbüttel in Besitz genommene
Grubenhagen 1614 an Lüneburg kam, — schliefslieh August der Ältere. Zu
seiner Zeit starb 1637 das Haus Wolfenbüttel mit Friedrich Ulrich aus, und
sein Land wurde Zankapfel zwischen den drei Lüneburger Häusern. Uni eine
Einmischung des Kaisers zu verhindern, einigte man sich am 14. Dez. 1635. Der
Teilungsrezefs legte den Grund für die in der Folge sich entwickelnden Staaten
Braunschweig und Hannover: 1. Die Harburger Linie erklärte sich mit
der Grafschaft Hoya wolfenbüttelschen Teiles und der Grafschaft Reinstein-
Blankenburg zufrieden ; 2. die Dannenberger Linie erhielt Wolfenbütte]
(nach Form und Umfang) etwa das heutige Herzogtum Braunschweig) ; 3. die
Lüneburg- Celler Linie erwarb Calenberg - Göttingen und die Homburg
Eversteinschen Besitzungen (nämlich Ärtzen, Hämelschenburg, Gronde, Boden
werder, Lauenstein, Hallerburg, Wallensen, halb Everstein mit der Pfandschaf:
an Hameln), welche, 1433 an Hildesheim verpfändet, sich trotz Protestes der
Lüneburger in den Händen der Wolfenbütteler befunden hatten. — Die Hoch
schule zu Helmstedt blieb gemeinschaftlich; desgleichen die Bergwerke des
Harzes, die Forsten von Zellerfeld, der Rammeisberg, das Salzwerk zu Julius
hall und das Hüttenwerk zu Gittelde, die Städte Zellerfeld, Wildemann , Gruna
und Lautenthal. Von diesem sog. Kommunionharz fielen 3/7 ^ Lüneburg
2/7 an Wolfenbüttel und 2/7 an Harburg. Da 1642 Harburg (s. u.) ausstarb
wurde deren Anteil unter die beiden überlebenden Linien geteilt. Dagegen
blieb der südwestliche, grubenhagensche, sog. einseitige Oberharz ausschliefe
lieh Lüneburger Besitz. Hävern., 2, 706 f. Schaumann 228—233. Heinemann
3, 89. Urk. bei Ribbentrop, Sammlung von Landtagsabsehieden II, 86. — E?
sei sogleich hier bemerkt, dafs späterhin in dem Teilungsrezefs von 1788 die
Besiteverhältnisse dahin geregelt wurden, dafs Hannover *f7, d. h. im wesent
liehen die sieben hannoverschen Bergstädte (KJausthal, Zellerfeld, Andreasbeiv
Lautenthal, Altenau, Grund, Wildemann) mit den Bergwerken, erhielt, Braun
schweig aber wertvollem Waldbestand. Der Unterharz, d. h. der Ram
melsberg, Juliushall mit Bergwerk und Hütten, blieb als Kommunion-Unterhun
beiden Linien gemeinsam. Heinem., 3, 303.
Eine allerdings auch nur vorübergehende Änderung in der Verteilung
der Welfenlande trat 1636 ein, indem die Lüneburger Brüder August, Friedrieb
und Georg: Calenberg-Güttingen und Grubenhagen als selbständigst.
Staat mit der Hauptstadt Hannover absonderten und jenem Georg überliefsen,
der allein verheiratet war und eine Nachkommenschaft aufwies. — Als 164-
die Harburger Linie ausstarb, erhielt Lüneburg nur die Ämter Harburg und
Moisburg zurück, während der Anteil an Hoya (s. o.), ferner Reinstein und
Blankenburg vorenthalten wurde. — Die Unbilden des 30jährigen Krieges
welche Niedersachsen besonders heimgesucht hatten, veranlafsten die des Krieg«
überdrüssigen weltischen Herzöge, nach gemeinsamer Übereinkunft mit dem
Kaiser Frieden zu schliefsen. Der voreilig geschlossene Frieden von Goslar
bestimmte, dafs die Herzöge auf das »grofse Stift Hildesheim* endgültig ver-
zichten mufsten mit Ausnahme der Häuser Lutter am Barenberg, Coldingen.
Westerhof und Dachtmissen. Das Stift mit 18 Ämtern fiel an Kurfürst Fer
dinand von Cöln, «1er auf Everstein und Homburg verzichtete. — Hävern.. 2,
378; cf. 2, 602. Heinem. 3, 99.
Der nachfolgende Westfälische Frieden ergab daher für die Weifen
so gut wie nichts, als wenig bedeutende Zusagen (alternierende Besetzung des
Osnabrücker Bischofstuhles mit einem braunschweigischen Prinzen) und die
Erwerbung des kleinen Stiftes Walkenried mit dem zugehörigen Hofe Schauen
als freies Reichslehen. 1648 war mit Friedrich der letzte der Söhne Wilhelms
des Jüngeren gestorben, und nach einem Hausgesetze (Georgs von 1641; Retli-
raeyers Chronik, S. 1653' wurde es an Friedrichs Neffen aufgeteilt. Es waren
somit die Wellenländer um 1650 auf drei Herzogtümer beschränkt: Braun
368. Bistum Münster. 371. Bistum Hildesheim. 517
schweig Lüne bürg mit der Residenzstadt Celle (unter Christian Ludwig),
Braunschweig- Culenberg mit Hannover (unter Georg Wilhelm) und Braun-
schweig-Wolfenbüttel mit Wolfenbüttel als Residenz (unter August).
368. Bistum Münster hatte bis auf den Verlust von Wildeshausen
keinerlei erhebliche Veränderungen erfahren.
Bis 1634 war Wildeshausen mit Zubehör münstcriseh, als es durch schwe-
dische Gewalt an das Erzstift Bremen wieder zurückgegeben wurde. Durch
den Frieden von 1648 wurde nach Aufhebung des Erzstiftes das Land von
den »Schweden an Gustav von Wasaburg, den natürlichen Sohn Gustav Adolfs
zu Lehen gegeben.
869. Bistum Osnabrück, durch den Krieg oft heimgesucht, hatte
sich in seinem Territorialbestande nicht verändert. Der Friede, der in
der Hauptstadt des Bistums geschlossen wurde, bestimmte, dafs der da-
malige Bischof Franz Wilhelm im Besitze des Bistums zeitlebens bleiben,
nach seinem Tode aber ein evangelischer Administrator des Hauses
ßraunschweig-Lüneburg mit einem katholischen alternieren sollte.
Cf. von Meiern, Westfälische Friedenshandlungen, VI, S. 397 ff.
370. Bistnm Paderborn. Die Bischöfe hatten sich mit den benach-
barten Dynasten mehrfach auseinanderzusetzen gehabt.
Bischof Salentin (1574—77) hatte die Burg Beverungen a. d. Weser wieder
eingelöst, wie auch das Sehlofs in Salzkotten. Er wirkte auch auf eine Bei-
legung des Streites mit Cöln wegen Erwitte und Westernkotten hin. Die Uni-
versität Freiburg als Schiedsrichterin bestimmte: Das Halsgerieht und Be-
steuerungsrecht bleibt bei Cöln, alles übrige, was die einfache Jurisdiktion nicht
übersteigt, bei Paderborn. Cf. Besse n, Bist, Päd. II, 71 f. — Unter Bischof
Heinrich wurde 1597 ein Vergleich über die Grafschaft Schwalenberg ge-
schlossen, worin betreffs des paderbornischen Viertels alles genau bestimmt
wurde, was bisher unbestimmt war. Bessen II, 88.
Bischof Theodor traf 1597 mit dem Landgrafen von Hessen einen Ver-
gleich, nach welchem Stadt und Kloster Helmarshausen und der Krukenberg
dem Landgrafen als männliches Erblehnen bleiben und mit deren Erlöschen
an Paderborn zurückfallen sollen. Dagegen kamen die Herrschaften Schönen-
berg, Festung Trennelburg, Schlofs und Stadt Liebenau und der Reinhards
wald erblich an den Landgrafen, der deshalb auf Calenberg, Schwalenberg,
Altenburg und Beverungen verzichtete. Es wurde damals die neue Grenze
zwischen Hessen-Kassel und dem Bistum Paderborn so bestimmt, wie sie noch
jetzt besteht. Bessen II, 99.
371. Bistum Hildesheim. In das nunmehrige * Kleine Stift« hatte
die Reformation unter Schwierigkeiten Eingang gefunden, die seit 1576
die Jesuiten im Verein mit den dem bayerischen Hause entstammenden
Bischöfen (Ernst II. 1573—1612; Ferdinand 1613— 1650) bereiteten. Der
grofse Krieg hatte das Land und nicht zum wenigsten die Stadt Hildes-
heim furchtbar heimgesucht, aber er hatte zur Restitution des Grofsen
♦Stiftes geführt. Am 9. April 1643 wurde der Rezefs darüber unter-
zeichnet.
Den weifischen Herzögen verblieben die Ämter Coldingen , Lutter am
Harenberg, Westerhof und das Haus Dachtmissen, ebenso die everstein - hom-
burgischen Ortschaften , während der Bischof seinen Machtbereich über das
(irofse Stift, wie es vor 1523 bestanden hatte, aufser den genannten Stücken
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518 XL Politische Geographie um das Jahr 1650.
wieder ausdehnen konnte. Wachsmuth, Gesch. v. Hild., S. 187. Have
mann, Gesch. Braunsen w.-Lüneb. II, 738. Vgl. auch S. 516.
872. Stadt Bremen. Das Landgebiet hatte in dieser Zeit kein*-
erhebliche Vergrößerung erfahren. Nur im Jahre 1595 hatte der Rat
vom Junker Claus von der Lith den halben Anteil am Gericht BorgfeM
(an der Wümme) gekauft. — Auch der Westfälische Frieden hatte kein»-
Gebietsveränderung gebracht. Die von der Stadt vorher schon mehr
fach erstrebte Erhebung zur freien Reichsstadt war ihr durch kaiser
liches Privileg vom 1. Juni 1646 zwar bestätigt worden, doch wollte
Schweden die Reiehsunmittelbarkeit nicht zugestehen, und erst sehr viel
später (1731) erlangte sie die Anerkennung.
van Bipptn II, 232, 396 u. Urk., S. 404. Buchenau, S. 282.
373. Grafschaft Oldenburg. Nach dem Tode Antons I. (1573t
wurde das Land abermals in Grafschaft Oldenburg (Johann XVI.) und
Delmenhorst (Anton II.) geteilt. Doch da des letzteren Sohn 1647 ohne
männliche Erben starb, so wurde Delmenhorst wieder mit Olden
bürg vereinigt und ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. — Im
Jeverlande war mit Maria die letzte aus dem Gesehleehte der Papinga
ins Grab gesunken; sie hatte ihren Vetter Johann XVI. als Erben ein
gesetzt, der sofort auch die Erbschaft antrat, die ihm gegen die Ein
sprüche der ostfriesischen Grafen 1588 und 1591 durch das Reichs
kammergericht zugesichert wurde. — ■ Das gleiche gilt von der Herr
schaft Kniphausen, die Johann 1592 durch Prozefs erhielt; doch er-t
1623 unter Anton Günther wurde der Graf von Oldenburg in den Besitz
der Herrschaft gesetzt.
Durch die endgültige Vereinigung von Oldenburg und Dehnenborst h-
wie die Besitznahme des Jeverlandes mit Kniphausen hatte die oldenbur
gische Herrschaft die Ausdehnung des jetzigen Grolaherzog-
tums excl. der südlichen Hälfte (Wildeshausen und Münsterland) erreicht.
(Iber die angeführten Einzelheiten vgl. Kohli, 1. c. I, 29. Bös«-, 1. c. 39ö.
464. Arends, Ostfriesland u. Jever II, 287.
374. Grafschaft Hoya. Mit dem Grafen Otto starb 1588 das Ge
schlecht der hoyasehen Grafen aus, und das Land kam an die drei
Weifenlinien Calenberg, Wolfenbüttel und Celle. Die beiden ersteren
erhielten die Amter der oberen Grafschaft : Stolzenau, Ehrenburg, Sycke.
Steyerberg, Siedenburg, Diepenau und Barenburg; Celle die Ämter der
unteren Grafschaft: Hoya, Nienburg, Liebenau, Alt- und Neubruehhauseu
Da 1584 die Calenberger und 1034 die Wolfenbütteler Linie ausstarben
so fiel alles an Celle. — Die Ämter Uchte und Freudenberg waren 1583
an Hessen-Kassel (s. d.) gefallen.
375. Herrschaft Diepholz. Das Herrengeschlecht war 1585 er-
loschen. Herzog Wilhelm von Celle nahm damals Besitz von dem Lan<l^
auf Grund eines Vertrages und der Anwartschaftserklärung von 1517
und 1550.
376. Orafschaft Bentheim. Durch Heiraten Everwins III. (1553
bis 1502) und seines Sohnes Arnold IV. (1502 bis 1(500) war die Graf-
Digitize
i
377. Grafschaft Tecklenburg. 378. Grafschaft Lingen.
519
schaft mit anderen Ländergebieten vereinigt worden, die jedoch unter
die fünf Söhne Arnolds wieder verteilt und getrennt wurden.
Aus Arnolds IL (f 1553) Ehe mit Maria stammten Everwin III. und
Arnold III., von denen jener Bentheim, dieser Steinfurt erhielt. Da Arnold
1561 starb, wurden beide Länder wieder vereinigt. Everwin hatte die Tccklen-
burger Gräfin Anna geheiratet, weshalb nach dem Tode ihres Vaters 1566 auch
dessen Land Tecklenburg an Bentheim fiel. Möller, 1. c. 288. von Raet
von Bögelskamp, 1. c. II, 2. Beider Sohn, Arnold IV. (1562—1606), heiratete
1573 die Gräfin Magdalena von Neuenar und Limburg, durch welche ihm die-
Herrschaften Bodenburg, Alpen und Helfenstein zufielen und, als ihr Vetter, Graf
Adolf, starb, auch noch die Grafschaft Limburg, Herrschaft Lennep und die
Erbvogtei über Stadt und Erzstift Köln. Möller, S. 291. Diesen ausge-
dehnten Länderbesitz teilten 1610 Arnolds Söhne, und zwar erhielt: 1. Graf
Adolf die Grafschaft Tecklenburg mit Rheda ; 2. Arnold Jobst : Bentheim ;
3. Wilhelm Heinrich: Steinfurt, Erbvogtei Cöln und Bodenburg; 4. Konrad
• Jumprecht: Limburg; 5. Friedrich Ludwig: Herrschaft Alpen.
Durch den Tod Wilhelm Heinrichs, 1632, fielen Steinfurt und Bodenburg
über wieder an Bentheim, desgleichen die Herrschaft Alpen durch Friedrieh
Ludwigs Tod 1629, während Limburg 1618 an Tecklenburg kam. Cf. Ess ei-
len, Grafschaft Teckl., S. 174. Möller, S. 304, 329.
Der Bentheimer Landbesitz wurde nach Arnold Jobsts Tode (1613) unter
seine Söhne geteilt. Ernst Wilhelm erhielt Bentheim und wurde Stifter der
Linie Bentheim-Bentheim und Philipp Konrad erhielt Steinfurt als Stifter
der Linie Bentheim-Steinfurt.
377. Grafschaft Tecklenburg. Wie soeben bemerkt, war bei der
Teilung der Territorien des Grafen Arnold III. von Bentheim die Graf-
schaft Tecklenburg mit der Grafschaft Rheda an den ältesten Sohn
Adolf gefallen. Bei dem Tode eines der jüngeren Brüder fiel 1618 auch
noch Limburg an Adolf. — Während des grofsen Krieges hatte auch
diese Grafschaft viel zu leiden. Jedoch fand beim Friedensschlufs eine
Vereinigung mit Lingen nicht statt.
378. Grafschaft Lingen war von Karl V. in Besitz genommen
und der Oberstatthalterschaft der Niederlande eingeordnet worden, bis
sie 1578 an die üranier kam. Das Ländchen, welches in eine Ober-
und Niedergrafschaft zerfiel, hatte zur Zeit des Aufstandes der Nieder-
lande durch Brandschatzungen seitens der Spanier, aber auch der Hol-
länder viel zu leiden.
Die ehemals im Tecklenburger Gebiet eingeschlossene Grafschaft zerfiel
in zwei voneinander getrennte Teil«', indem das bei Tecklenburg verbliebene
Dorf Schale (24 km südöstlich von Lingen) die Trennung bildete. — Der süd-
östlich von diesem etwas höher gelegene Teil, die Obergrafschaft, umfafste
die fünf Kirchspiele: Brochterbeck, Ibbenbüren, Mettingen, Kecke und Hal-
verde. Die Niedergrafschaft lag nordwestlich , zum Teil in der Enis-
niederung, und umfafste zwölf Kirchspiele: Baccum, Bawinkel, Beesten, Bramsche,
Freren, Lengerieh, Lingen, Messingen, Plantlünne, Schapen, Spelle und Thuine.
Cf. J. C. Möller, Gesch. d. vormal. Grafschaft Lingen, 1874, S. 1 f., 141 f.
— Nach dem Tode des Grafen Max von Büren verkaufte seine Tochter Anna
die Grafschaft an ihren Gemahl W ilhelm L von Nassau-Oranien ; ihr Vormund
verkaufte Lingen aber an Karl V. Nach dem Rücktritt Karls V. kamen die
Niederlande und' mit ihnen die Grafschaft Lingen an seinen Sohn Philipp IL,
der die Oberstatthalterschaft, die 1531 — 1555 in der Hand der Maria, verwitweten
Königin von Ungarn, gelegen, im Jahre 1559 an Margarete. Herzogin von Parma.
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520 XI. Politische Geographie um dos Jahr 1650.
verlieh. 1578 willigte er in die Übertragung der Grafschaft Lingen an Wilhelm
von Oranien. Im Besitz der Oranier war sie bis 1702. mit Ausnahme der Jahre
1605—1632, wo sie wieder in spanischer Hand war. Cf. Möller, 1. c. 159 f..
162, 165.
879. Grafschaft Ostfriesland. Unter Enno III. (f 1625) wurde
das Harlingerland für immer mit Ostfriesland verbunden.
Das Harlingerland (Esens, Stedesdorf und Wittmund) war im Besitz der
Gräfin Onna von Rietberg (S. 454). Ihre Enkelinnen Armgard und Walburg
erbten später das Gebiet, jene die Grafschaft Rietberg, Walburg das Harlinger-
land. Letztere heiratete Enno in. 1 151*9 — 1625) im Jahre 1581 und envarl»
so das lang ersehnte Gebiet und, da seine Schwägerin Armgard bald stark
auch Rietberg. Da Walburg und ihr Söhnehen (10 Tage alt) 1586 starben und
nur zwei Töchter noch zurückblieben, so schien die Hoffnung auf den dauern-
den Besitz von Harlingerland vereitelt, da dieses ein Frauenlehen (von Geldern)
war und somit auf die Töchter überging. Indessen die älteste Tochter Sabina
Katharina heiratete ihren Oheim Johann (Bruder Ennos), mufste dafür aber mit
ihrer Schwester gegen entsprechende Entschädigungen das Harlingerland an
ihren Vater endgültig abtreten. Cf. Klopp, Gesch. Ostfrieslands II, 25. 124
Perizonius, Gesch. Ost fr. II, 204.
380. Moderlande. Karl V. hat die siebzehn niederländischen Pro-
vinzen zu einer staatsrechtlichen Einheit verbunden; sie bildeten den
burgundischen Kreis. Nach Karls Abdankung kamen diese Länder an
die spanische Linie des Hauses Habsburg. Es fällt unter ihre Herrschaft
die bewegteste Zeit der niederländischen Geschichte. Die Unzufrieden-
heit mit dem spanischen Regiment führte zu jener allgemeinen Erhebung,
die als Endergebnis eine Teilung des Landes zur Folge hatte. Die
sieben nördlichen Provinzen Geldern, Holland, Zeeland, Utrecht, Fries-
land, Overijssol und Groningen hatten es in dem blutigen Befreiungs
kämpfe vermocht, sich zu einer Republik der vereinigten Nieder-
lande zusammenzuschliefsen, während die südlichen Provinzen Brabant,
Flandern, Hennegau, Namur, Limburg und Lützelburg als Spanische
Niederlande fortbestanden. Der Westfälische Frieden erkannte die
Selbständigkeit der niederländischen Republik und ihre Loslösung vom
deutschen Reichskörper an.
381. Grafschaften Blankenheim und Gerolstein waren als Lehen
des Herzogtums Jülich im Besitz der Grafen von Manderscheid, die
seit 1488 und 1Ö24 in vier Zweige gespalten waren und das Land unter
sich aufgeteilt hatten.
Die Blanken he im er Linie besafs als reichsunmittelbar die Grafschaft
Blankenheim, Herrschaft Jünkerath. Anteil an Herrschaft Mechernich sowie als
landsässig Herrschaft Erp (unter Cohn und Anteil an Monzel und Osann
(unter Trier). — Die Gerolsteincr Linie besafs als reichsunmittelbar die
Grafschaft Gerolstein, als landsässig Anteil an Monzel und Osann und Herr
Schaft Bettingen (unter Luxemburg). Diese Linie erlosch 1697. — Die Schlei-
dener Linie besafs als reichsunmittelbar die Herrschaften Kasselburg und
Kerpen. Manderscheid, Schleiden und Kronenburg, seit 1545 die Grafschaft
Virneburg und Herrschaft Saffenburg, als landsässig Herrschaft Neuerburg
(unter Luxemburg). Teil am Hof Hamel und seit 1586 Herrschaft Malberg.
Diese Linie starb 1503 aus. Linie Kail besafs Dorf Salm, Vogtei Luxem
und seit 1527 die Herrschaft Dollendorf in der Eifel, als landsässig die Herr
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382. Kurpfalz.
521
Schäften Oberkail und
Falkenstein (unter
Luxemburg) , Hoch-
gericht Demerath und
Zenterei Musweiler.
DieLinie erlosch 1742.
— W. Fabricius, Er-
läuteren, zum gesell.
Atlas d. Rheinprov.
II. 347 f.
m. Karpfalz.
Mit Otto Heinrich
war 1559 die alte
Kurlinie ausgestor-
ben und die Kur-
würde fiel an Fried-
rich III. aus der Li-
nie Pfalz-Simmern,
bei der sie bis zum
Erlöschen 1685
blieb. Die Kurfür-
sten waren während
des XVI. Jh. ganz
mit der reformato-
rischen Bewegung
in Anspruch ge-
nommen ; eine we-
sentliche Änderung
des Territorialbe-
standes trat anfangs
nicht ein. Beim
Schlufs des grofsen
Krieges hatte die
Pfalz aber den Ver-
lust der ganzen
Oberpfalz zu be-
klagen, während die
rheinischen Besit-
zungen wie vor 1618
ihr vollständig er-
halten blieben, mit
Ausnahme der Am-
ter an der Berg-
strafse , die Mainz
1463 an Friedrich I.
verpfändet hatte.
Die Oberpfalz und
mit ihr die Kur-
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522 XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
würde fiel an Baiern, während für Karl Ludwig von der Pfalz eine acht«1
Kur geschaffen wurde.
888. Pfalz-Simmern und Pfalz-Zwcibrttcken. Als Friedrich III
zur Kurwürde gelangte, überliefs er das väterliche Erbe, Pfalz-Simmern.
seinem Bruder Georg. Die appanagierten Pfalzgrafen des Simmernschen
Hauses starben erst 1673 aus, wo ihr Erbteil an Kurpfalz zunickfiel. —
In Pfalz-Zweibrücken residierte um 1550 Wolfgang, der seinem Vor
munde (bis 1543) und Oheim Ruprecht die Grafschaften Veldenz und
Lauterecken überlassen hatte. (Ruprechts Linie bestand bis 1689 1
Wolfgangs Gebiet erfuhr eine Vergröfserung durch die Gebiete von
Neuburg und Sulzbach, die ihm Kurfürst Otto Heinrich freiwillig abtrat.
An ihn und seine Söhne knüpft sich die ganze weitere Entwiekelum:
des pfälzischen Hauses, welches mit Baiern sehliefslich vereinigt wer-
den sollte.
Einen bedeutenden Landerwerb erzielte die Linie Pfalz-Neuburi:
aus dem Jülich-Cleveschen Erbschaftsstreit (s. unten Brandenburg und
S. 251), nach dessen Beilegung 1614 ihr die Herzogtümer Jülich und
Berg zufielen.
Die Teilungen des zweibrückischen Landbesitzes führten zu vielfacher Zer
splitterung an die Nebenlinien. Zur Orientierung diene folgendes: Unter
\Volfgangs Söhne waren die Lande geteilt worden.
Drei von diesen gründen neue Linien, die längere Zeit bestandeo.
Philipp Ludwig f 1614) erhielt Neuburg, Johann I. (t 1604): Zweibrücken.
Otto Heinrieh (f 1604): Sulzbach, Friedrieh (f 1597) : Vohenstraufs und Karl
(f KJOO): Birkenfeld. Ott« Heinrieh und Friedrieh starben ohne männlich»-
Nachkommen, und ihr Erbteil fällt an den Kurfürsten Philipp Ludwig. Aufser
dafs die Neuburgische Linie durch diesen Besitz bereichert wurde, hatte
Philipp Ludwig durch seine Gattin Anna von Cleve auch einen Anspruch auf
Jülieh-Cleve-Berg erworben und wurde hierdurch mit in den Erbscliaftsstreit
verwickelt. Der Vertrag zu Xanten 10. November 1614 sprach Jülich und
Berg dem Kurfürsten von Pfalz-Neuburg zu. Unter den Söhnen Philipp
Ludwigs fand eine nochmalige Teilung statt. Wolfgang Wilhelm führte nie
Hauptlinie fort mit dem Besitz von Neuburg, zu welchem nach dem Tode de?
jüngsten Bruders Johann Friedrich noch Hippolyt ein, Heideck, Allersberg
und Gizzin hinzukamen. Der zweite Sohn, Pfalzgraf August, erhielt Sulzbach
— Die Z w ei brüe keusche Linie teilte sich nach dem Tode Johanns 1604
in drei Linien: Zweibrücken, Landsberg und Kleeburg. — Die
Birke nfelds che Linie unter Karl (f 1600) erfuhr eine Teilung in Birken-
feld und Bise Ii w ei ler.
384. Wild- und Kheimrrafsehatt. Von der Nachkommenschaft
Johanns VI. (f 1499) waren zwei Linien hervorgegangen, die Dhaunsche
(Philipp) und Kirburger Linie (Johann VII.). Vgl. Tabelle S. 257. Die
Dhaunsehe hatte sich unter den Enkeln Philipps in drei weitere gespalten,
«lie das Land 1574 entsprechend teilten: die Linie Salm (Stifter: Friedrich
f 1608), welche den lothringischen Teil der Rheingrafschaft (Grafschaften
Salm und Langenstein, Grafschaft Dillec mit den Baronien Vinstingen.
den Herrschaften Ogewiller, Bayon und Neufwiller) besafs; ferner die
Linie Grumbach (Stifter: Johann Christoph f 1585) mit den Herr-
schaften Grumbach und Rheingrafenstein und die Linie Dhaun
(Stifter: Adolf Heinrich f 1606).
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385. Erzbistum Main«. 386. Grafschaft Inningen. 387. Markgrfsch. Baden. 523
In der anderen Hauptlinie, der Kirburger, war schon unter den
Söhnen Johanns VII. (t 1531) eine Teilung eingetreten in die Linie
Merchingen (Johann VIII. f 1548) und Kirburg (Thomas f 1553). Da
letzterer ohne männliche Nachkommen war, so fiel Kirburg an die erste
Linie zurück. Diese Mörchinger Linie teilt sich unter den Enkeln jenes
Johann VIII. abermals in drei Linien, die nacheinander ausstarben:
Linie Tronecken (starb schon mit ihrem Stifter 1637 aus), Linie Kirburg
(tff 1681) und Linie Merchingen (ftf 1688). Die Teilung des Landes
unter diese drei Linien hatte 1607 stattgefunden.
Während des Dreißigjährigen Krieges waren die Rheingrafen aus den väter-
lichen Besitzungen und Residenzen vertrieben worden, kehrten aber nach dem
Friedenssehlufs wieder zurück. - Schneider, Gesch. d. Wild- u. Rheingräfl.
Hauses, 8. 145, 149, 201, 215. Fabricius, Erläuterungen zum geschieht!.
Atlas der Rheinprovinz, S. 46G mit Tabelle.
885. Erzbistum Mainz hatte das 1428 an Hanau verpfändete Orb
und Wirtheim im Spessart 1565 wieder eingelöst. Wichtiger war die
Erwerbung, welche es 1581 machte mit den eppensteinischen und könig-
steinischen Reichslehen am Taunus. Da ferner 1632 das Lehen der
Herren von Hirschhorn durch Aussterben des Hauses erledigt war, so
zog es Mainz damals ein.
Der Mannesstainm der Eppcnsteiner war 1535 erloschen. Ein Schwester-
sohn des Herrn, Graf Ludwig von Stolberg, folgte; doeli auch er und sein
Bruder starben ohne Nachfolger. Darauf ergriff Mainz, welches schon 1575
sich dessen versichert hatte, Besitz von Königstein mit Zubehör und behauptete
sich in demselben trotz des Rechtsstreites mit anderen Stol bergischen Anver-
wandten. Vogel, Beschr. v. Nassau, S. 238 f.
386. Grafschaft Leiningen stand noch immer unter den beiden
Linien, der Friedrichschen und der (fottfriedschen. Die Friedrichsche
(Leiningen- Westerburg), die im Besitz der landgräflichen Würde war,
war in die (S. 461) genannten drei Nebenlinien gespalten, die 1557 eine
Erb Vereinigung eingegangen waren. Die Gottfriedsche (Leiningen-Dags-
burg-Hartenburg) war in zwei Sonderlinien gespalten: Lein'mgen-Harten-
burg und Leiningen-Falkenburg (Ileidesheim).
Ober die Erbgrundteilung von 1557 unter den drei Söhnen Kunos 11.,
vgl. Brinckmier, Gesch. d. Hauses Leiningen, 1800. I, 143 f.
$87. Markgrafschaft Baden. Seit dem Jahre 153:1 war die Dynastie
und ebenso das zugehörige Territorium in Baden-Baden und Baden-
Durlach geteilt. Im Hause Baden Baden war unter Bernhards III.
Söhnen eine Teilung eingetreten, die indessen nur bis 1588 bestanden
hatte. Sehen wir von den Wechselfällen ab, denen Baden-Baden unter-
lag (zeitweilig, 1581 — 1600, hatte es Ernst Friedrich von Baden-Durlach
mit Beschlag belegt), so waren keine erheblichen territorialen Verände-
rungen eingetreten.
Im Hause Baden-Durlach war auf Markgraf Ernst sein Sohn Karl II.
(1553 — 1577) gefolgt, unter dessen drei Söhnen eine Teilung des Landes
erfolgte. Doch war 1604 wieder alles in der Hand Georg Friedrichs
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524 XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
vereinigt. Die Wirren des Dreifsigjährigen Krieges suchten das Land
heim. Friedrich V. verlor es auch zeitweise, doch bringt der Westfälische
Friede es wieder in seinen Besitz.
Die Ämter Stein und Remchingen waren 1629 als Pfand von Baden
Durlach an Baden -Baden gekommen. Deich fielen sie beim Westfälischen
Frieden an Baden Durlaeh wieder zurück. — Ernst Friedrich von Baden-Dur
lueh hatte 1595 die Ämter Besigheim, Mundelsheim, Löchgau, Hessigheim und
Walheim an Wirtemberg verkauft, aufserdem 1603 die Ämter Altensteig und
Liebenzell gegen Malsch, Langensteinbach, Rhodt und einige Orte des Klosters
Herrenalb mit Wirtemberg ausgetauscht.
388. Herzogtum Wirteinberg. Nach Herzog Ulrichs Tode (1550j
führte sein Sohn Christoph (1550 — 1568) die Regierung. Er trat an
seinen Onkel Georg die linksrheinischen Lande mit Mömpelgard ah. Da
mit Christophs Sohn Ludwig die Hauptlinie 1 593 erlosch, so wurde der
gesamte Landbesitz in der Hand Friedrichs von Mömpelgard (Georgs
Sohn) wieder vereinigt. Indessen fand unter Friedrichs Söhnen wieder
eine Dreiteilung statt (1017), bei der Johann Friedrich die Hauptlande
behielt, Ludwig Friedrich aber Mömpelgard und die burgundischen Herr-
schaften bekam und Julius Friedrich : Weiltingen und Brenz. — Unter
Eberhard III. (1628—1674) wütete der grofse Krieg im Lande. Da er
auf schwedischer Seite stand, mufste er schliefslich ins Exil wandern,
doch setzt ihn der Westfälische Friede wieder in den Besitz seiner Lande.
Über den Ankauf Herzog Friedrichs von mehreren Ämtern und (tütern
vom Markgrafen von Baden siehe vorher unter Baden. — Der Sohn jenes Julius
Friedrich, Sylvius Nimrod, hatte die Erbtochter des letzten Podiebrad, Herzogs
von Öls, geheiratet. Nach dessen Tode 1647 fiel Öls an die Brenzer Linie (siehe
unter Schlesien) und blieb ihr bis zu ihrem Erlöschen 1762.
389. Grafschaft Hohenzollern. Graf Karl I. hatte die Herrschaften
Haigerloch und Wöhrstein sowie Sigmaringen und Vöhringen (Veringeu)
als Lehen von Österreich erworben, sowie durch Heirat mit Anna von
Borselen mehrere Güter in den Niederlanden. Unter seinen Söhnen
trat die Teilung in zwei Linien: Hohenzollern Hechingen (Eitel Friedrich III.
und Hohenzollern-Sigmaringen (Karl II.) ein. Beide wurden 162.3 zu
Reichsfürsten erhoben. Wahrend aber das Gebiet des ersteren reichs
unmittelbar wurde mit unumschränkter Landeshoheit, blieben Haigerloch.
Vöhringen und Wöhrstein österreichische Lehen.
390. Grafschaft Löwenstein-Wertheim. Die Grafen von Wertheini
waron in männlicher Linie 1556 mit (traf Michael III. ausgestorben
Die würzburgischen Lehen gingen damals auf das Haus Stolberg über,
und zwar auf die Witwe Katharina Gräfin von Stolberg Königstein, die
das Erbrecht aber ihrem Vater Ludwig von Stolberg überliefs. Er nahm
auch seine ältesten Töchter in die Lehensgemeinschaft mit auf, nicht
jedoch die jüngste, Anna, die an Ludwig III. Grafen von Löwenstein
vermählt war. Da die älteren Töchter ohne Nachkommenschaft starben,
so zog das Bistum Würzburg seine Lehen (die Amter Freudenberg,
Schwanenberg, Laudenbach und Anteil an Remlingen) ein, und erst nach
längeren Zwistigkeiten gelang es den Löwensteinern, seit dem Anfang
391. Kurfürstentum Baiern. 393. Land der Eidgenossen.
525'
des XVII. Jh., in den ruhigen Besitz der Grafschaft Wertheini zu ge-
langen. Ihre eigene Grafschaft stand schon seit langer Zeit unter
wirtem bergischer Landeshoheit. Ludwig III. nannte sich seit 1600 Graf
von Löwenstein-Wertheiin. Zwischen seinen Söhnen Christian Ludwig
und Johann Dietrich fand eine Teilung des Besitzes statt; sie sind die
Stammväter zweier noch blühender Linien : Löwenstein-Wertheim- Virne-
burg (letzteres in der Eifel wurde 1803 gegen Amt Frendenberg ausge-
tauscht) und Löwenstein-Wertheim-Rochefort (in der belgischen Provinz
Namur wurde 1803 gegen Amt Rothenfels in Unterfranken ausgetauscht).
891. Kurfürstentum Baiern. Unter Albrecht V. war die Reichs-
grafschaft Haag in Oberbaiern 1566 an das Herzogtum gefallen, als
Graf Ladislaus als letzter gestorben war. Auch die Herrschaft Hohen-
schwangau wurde 1575 eingezogen, nachdem sie längere Zeit in der
Hand der Herren von Frundsberg gewesen war. Einen glänzenden
Aufschwung erfuhr Baiern unter Maximilian I. dem Grofsen (1597—1651),
trotzdem der Krieg auch seinem Lande übel mitgespielt hatte. Aber
für seine dem Kaiser geleisteten Dienste erhielt er 1623 die Kurwürde,
deren Friedrich V. von der Pfalz verlustig gegangen war (für dessen
Sohn Karl Ludwig 1652 eine achte Kur als Ersatz geschaffen wurde).
Der Westfälische Friede bestätigte ihn in derselben, wie ihm damals auch
die Oberpfalz mit der Grafschaft Cham zugesprochen wurde.
Weitere Erwerbungen Maximilians waren die Reichsstadt Donauwörth
(1007), an der er die Reiehsacht zu vollziehen hatte; ferner die Herrschaft
Min delhe im (1617), die vorher in verschiedenen Händen gewesen war (Teck,
Rechberg, Frundsberg, Herzog von Marlborough). Auch die Grafschaft
Leuchtenberg fiel 1646 an das Kurfürstentum. Der letzte Graf Maximilian
Adam hatte sie an Herzog Albrecht in Baiern vererbt, und dieser trat sie seinem
Bruder Maximilian I. ab.
392. Fürstentümer Ansbach und Baireuth. Albrecht Alcibiades
war infolge seiner Beteiligung am Sehmalkaldisehen Krieg seines Fürsten-
tums Baireuth-Kulmbach verlustig gegangen und 1557 in der Verban-
nung gestorben (s. Tab. S. 474). Dagegen hatte Georg Friedrich, der
Sohn Georgs des Frommen, Ansbach weiter behauptet und war durch
den Wiener Vertrag auch in den Besitz des Baireuther Fürstentums
gekommen. Da vorauszusehen war, dafs er kinderlos sterben würde,
so bestimmte der Geraer Hausvertrag (1598), dafs die fränkischen Fürsten-
tümer an die kurfürstliche Linie in der Mark fallen und an zwei Mit-
glieder des Hauses übergehen sollten. Es waren dies zwei Söhne Johann
Georgs aus seiner dritten Ehe: Christian, der Baireuth erhielt, und
Joachim Ernst, dem Ansbach zufiel. Beide stifteten neue Linien, die
bis in die zweite Hälfte des XVI IL Jh. hinein die beiden Fürstentümer
getrennt hielten.
Georg Friedrich hatte 1577 auch die Administration des Herzogtums
Preufsen übernommen (s. d.). Wegen der schlesischen Fürstentümer siehe
unter Schlesien.
393. Land der Eidgenossen. Die religiösen Interessen hatten das
Land zur Reformationszeit heftig in Aufruhr versetzt und den Bund
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Ö26 XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
der Eidgenossen der Auflösung nahe gebracht. — Eine Gebietserweite-
rung war durch Bern bewirkt worden. Nachdem es bereits 1636 dem
Herzog von Savoyen Genf sowie die Waadt, Gex, Genevois und Chablais
abgenommen hatte, mufste es die drei letzteren 1564 wieder zurück-
geben, behielt dagegen die Landschaft Waadt nördlich des Genfer Sees.
— Von den Wirren des Dreifsigjährigen Krieges ist die Schweiz nicht
berührt worden, doch wurde der Westfälische Friede dennoch für sie
insofern von Bedeutung, als ihre Souveränität durch ihn endgültige An
erkennung fand.
394. Österreichische Lande. Die Söhne Kaiser Ferdinands I
(t 1564) hatten sich in den österreichischen Machtbereich geteilt. Der
älteste Sohn, Maximilian IL, folgte in der Kaiserwürde und behielt sich
Ost erreich, Böhmen und Ungarn vor, während sein Bruder Ferdinand
Tirol erhielt und Karl Steiermark, Kärnten, Krain und Görz. Während
die kaiserliche Linie Maximilians schon mit seinen Söhnen 1621 erlosch,
jene Ferdinands 1665 ausstarb, wurde die Steiermärker Linie seit 161*.+
die Trägerin der Krone. — Der Dreifsigjährige Krieg war nicht zum
Vorteil des Kaiserhauses beschlossen worden. Infolge des Eingreifens
Frankreichs mufste Osterreich auf das Elsafs unter Wahrung sehr
geringfügiger Zusicherungen Verzicht leisten, so dafs seitdem jenes Land
kaum als zum Reich noch gehörig betrachtet werden konnte (s. oben
S. 507).
Die Markgraf schaffen der Ober- und Niederlausitz, die seit 1526
österreichisch waren, hatte Ferdinand TL schon vorher (1635) an Sachsen wieder
abtreten müssen. — Da nach dem Tode König Matthias' 1619 die Steiennärk«-r
Linie mit Ferdinand IL den Thron bestieg, so wurden Steiermark, Kärnten etc.
wieder mit dem Hauptlande vereinigt. Tirol hei beim Tode jenes Ferdinand
1595, der mit Philippine Weiser keine erbfolgefähigen Söhne erzeugt hatte,
wieder an die Hauptlinie. Dann kam Tirol an Rudolfs II. Bruder, Maximilian
(bis 1618), sodann an Erzherzog Leopold von Steiermark, nach dessen Todr
seine Gattin Claudia von Medici (bis 1646) und deren Söhne (bis 1665) <LV
Grafschaft regierten, worauf sie wieder an das Kaiserhaus fiel.
395. Schlesien hatte in denselben Beziehungen zu Österreich bzw.
Böhmen gestanden wie vorher. Über die einzelnen Teilfürstentümer ist
folgendes zu bemerken.
üels war durch die finanziellen Mißstände des Fürstenhauses immer
mehr zusammen geschmolzen. Frankenstein hatte sich von ihm losgekauft
und 1569 unter die Oberhoheit des Kaisers gestellt; bald darauf 1570' auch
Münsterberg in derselben Weise. 1647 war der letzte Podiebrad, Karl
Friedrich, gestorben ; das Land fiel an seinen Schwiegersohn, den Prinzen Syl
vius Nimrod von Wirteinberg Brenz.
Liegnitz-Brieg-Wohlau. Seit dem Tode Herzog Friedrichs IL 1547
war das Land unter die beiden Söhne und deren Nachkommen geteilt, jedoch
nach dem Tode der einzelnen Familienmitglieder 1596 wieder in der Hand
Joachim Friedrichs (j 1602) vereinigt worden. Dessen Söhne teilen abermals
1613: Johann Christian Brieg), Georg Rudolf (Licgnitz-Wohlau). Morgenbesser.
S. 188 f.
(ilogau-Sagan. Das Glogauer Land war seit 1508 unmittelbar unter
Böhmen gewesen (mit Ausschlufs von Crossen). Sagan, welches seit 1548 eben
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3%. Kurfürstentum (Albertinischeft) Sachsen. 527
falls hierzu gehörte, war 1552 an Georg Friedrich, den Sohn des Markgrafen
Georg von Brandenburg, verpfändet worden. 1558 wurde es wieder eingelöst,
bald aber von neuem verpfändet bis 1622. Kaiser Ferdinand II. belehnte
1628 Wallenstein mit Sagau (bis 1634). 1646 wurde es an den Fürsten Wenzel
Eusebius von Lobkowitz verkauft.
Trochenberg mit Prausnitz war nach dem Aussterben der Freiherren
von Kurzbach 1593 an die Freiherren von Schaff gotsch gelangt, 1641 aber den-
selben wieder entzogen worden und von Kaiser Ferdinand III. damals dem
Grafen Melchior von Hatzfeld und Gleichen geschenkt worden.
M ilitsoh mit Suhlau, Winzig, Hermstadt undJUitzen kam 1590 durch
Kauf an die Freiherren von Maltzan.
Oppeln-Ratibor waren seit 1532 an die Markgrafen von Brandenburg
verpfändet und wurden 1552 durch König^ Ferdinand von Böhmen wieder
eingezogen. Nachdem sie vorübergehend in die Hand der Witwe Zapolyas
bis 4556 übergegangen waren, blieben sie böhmische Erbfürstentümer. Abermals
verpfändet an Sigismund Bathori, Grofsfürsten von Siebenbürgen, fiel es 159H
wieder an die Krone. 1621 fiel es an Bethlen Gabor, doch war es 1625 in
der Hand Ferdinands; 1645 wurde es an Polen verpfändet,
loschen. Mit dem Enkel Wenzels III., Friedrich Wilhelm, war 1625 der
männliche Stamm jener Linie ausgestorben, und das Fürstentum fiel an die
böhmische Krone.
Jägerndorf hatte Georg Friedrich von Brandenburg (f 1603) dem Kur-
prinzen Joachim Friedrich zugesprochen, der es 1607 seinem Sohn Johann
< ieorg überliefs. Über diesen wurde aber wegen seiner Parteistellung im Kriege
1621 die Keichsacht verhängt, und der Kaiser verlieh das eingezogene Fürsten-
tum dem Fürsten Karl von Liechtenstein. Auch Beuthen und Oder her g
waren 1617 und 1618 wieder von Böhmen in Besitz genommen worden.
Trupp au war 1614 durch Konig Matthias ebenfalls jenem Karl von
Liechtenstein übertragen worden.
Plefs war nach dem Tode des Bischofs Balthasar von Promnitz 1562
an die Linie seines Bruders Kaspar zu Lessendorf gekommen, dessen Nach-
kommen 1612 aussterben. Die freie Standesherrschaft ging an eine andere
Nebenlinie des Hauses über.
$96. Kurfürstentum ( Vlbertiniscb.es) Sachsen. Moritz von Sachsen
hatte den Kurstaat als( ein abgerundetes Gebiet von ca. 530 Quadrat-
meilen hinterlassen. Seinem Bruder August (1553 — 1586) war es be-
schieden, den Landbesitz noch weiter zu vergröfsern, da das 1547 wieder
verloren gegangene Vogtland, ferner ein Teil des Mansfeldischen Gebietes
und der Grafschaft Henneberg sowie auch die unter sächsischer Ad-
ministration stehenden Bistümer Merseburg, Naumburg und Meifsen an
den Kurfürsten fielen. Einen erheblichen Zuwachs brachte ferner der
Westfälische Friede, der Johann Georg I. die Lausitzen (ca. 180 Quadrat-
moilen) einbrachte, die er bereits im Prager Frieden (1635) als böhmische
Lohen erworben hatte.
Die Spannung mit den Ernestinern hatte fortgedauert. Sie wurde durch
den Naumburger Vertrag vom 24. Februar 1554 zunächst beigelegt, indem
Kurfürst August mehrere Gebietsteile an Johann Friedrich abtrat (s. Emest.
Sachsen). Von diesen mufsten freilich nach der Gefangennahme Johann
Friedrichs die Ernestiner als Unterpfand für die Kriegskosten 1567 die sog.
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528
XL Politische Geographie um das Jahr 1650.
assekurierten Ämter Weida, Ziegenrück, Arnshaugk und Sachsenburg an Kur-
fürst August abtreten.
Gröfsere Gebietsteile des Vogtlandes, die seit 1485 beim Ernestinischen
Hause gewesen waren, waren durch den Prager Vertrag (14. Okt. 1546) als
eröffnete Lehen an den böhmischen König gefallen. Mit ihnen belieh König
Ferdinand unter Mitbelehnschaft der Albertiner den böhmischen Kanzler Hein-
rich V. von Plauen, Titularburggrafen von Meilsen. Doch schon seine Söhne
mufsten Schulden halber den Besitz wieder veräufsern, und Kurfürst August,
der bereits 155G, diesen Fall voraussehend, sich das Verkaufsrecht gesichert
hatte, nahm die vogtländisehen Besitzungen gegen ein Darlehen von 60000
rheinischen Gulden in Pfand ; es waren dies Amt und Schlofs Vogtsberg, die
Städte Plauen, Ülsnitz und Adorf sowie die Flecken Neukirchen und Schöneck.
Die 1563 eingeleitete Wiedereinlösung mifslang, und 1569 wufste Kurfürst
August den letzten Burggrafen Heinrich VH. zum Verzicht auf die Ämter, zu
welchen auch noch das Amt Pausa geschlagen wurde, zu bestimmen. Doch
erst 1575 erteilte König Maximilian H. von Böhmen ihm hierzu die Belehnung.
Seit 1577 wurden diese Besitzungen als vogtländischer Kreis zusammengefaßt.
Die Grafschaft Henneberg, deren Herren auszusterben drohten, war
durch den Erbverbrüderungsvertrag zu Kahla (1. Sept. 1554^) der sächsisch-
ernestinisehen Linie im Falle des Aussterbens der Grafenlinie zugesichert
worden, wofür die Ernestiner die Schuldenlast der Grafen tilgten. Am 20. Januar
des Jahres 1555 wurde der Vertrag durch Kaiser Karl V. bestätigt. Kurfürst August
wufste aber die noch unmündigen Söhne des Emestiners Johann Wilhelm
durch geschickte Operationen zu übervorteilen und hierfür auch die Zustimmung
des Kaisers zu finden. 1573 sprach dieser den unmündigen Söhnen neben
Zwölftel der Grafschaft Henneberg zu und dem Kurfürsten fünf Zwölftel. Im
Jahre 1583 starb nun der letzte Henneberger Graf Georg Ernst, und Kurfürst
August nahm die ganze Grafschaft zunächst in Administration; 1585 drang
dieser auf eine Teilung mit den Ernestinern, doch starb er, ehe diese durch
geführt wurde (1586), und das hennebergische Land wurde zunächst gemein-
schaftlich regiert, Auch als später der eine der (ehedem unmündigen) Söhne:
Friedrich Wilhelm Administrator für die unmündigen Söhne jenes Kurfürsten
August wurde und seine Rechte nachträglich geltend machen wollte, kam
man zu keiner Entscheidung; erst 1660 trat sie ein.
Auch einen Teil der Grafschaft Mansfeld und zwar jenen der vorder
ortischen Linie, brachte er in seine Hand. Die stark verschuldeten Herren
dieser Linie besafsen drei Fünftel der Grafschaft. Über diesen Anteil hatte
Kursachsen drei Viertel der Lehensherrlichkeit, während das andere Viertel
magdeburgisches und halberstädtisches Lehen war. Am 26. Oktober des Jahres
1573 schlofs August mit dem Stifte Halberstadt einen Rezefs, in welchem er die
ehemals hohensteinsche Herrschaft Lohra mit den Städten Elrich und Bleiche-
roda und dem Schutz über das Kloster Walkenried an Halberstadt abtrat und
hierfür che Lehnsherrlichkeit des Stiftes über die Gebiete der Grafen von Man>-
feld (Eisleben, Hettstedt, Bolleben, Kloster und Dorf Wimmelburg, Volk-
stedt etc.) erhielt. Im Jahre 1579 wurde ein ähnlicher Rezefs mit Joachim
Friedrich von Brandenburg, dem Administrator des Erzstiftes Magdeburg, ge-
schlossen. Der Kurfürst erhielt hierbei die drei Vorstädte und die Neustadt
von Eisleben, das Amt Rammelburg mit dem Flecken Wipra und dem Forst,
doch mufste er Bolllebcn, Volkstadt und Ziegelrode wieder abtreten, desgleichen
das burggräfliche Recht, wogegen die vier dem Burggrafen ausgesetzten Ämter
Gommern, Rani", Elbenau und Plötzkau, dem Kurfürsten verblieben.
Die Ober- und Niederlausitz waren seit der Heirat der Tochter des
Böhmenkönigs Wladislaw (f 1516) mit Ferdinand von Österreich beständig bei
diesem Hause verblieben. Erst 1623 wurden sie von Kaiser Ferdinand II. an
den Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen pfandweise überlassen. Im Frieden
von Prag 1635 wurden sie ihm abgetreten. Über diesen vgl. Gretschel, Gesch.
d. sächs. Volkes II, 300 £f.
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397. Ernestinisches Sachsen. 529
397. Ernestinisches Sachsen. Die drei Söhne Johann Friedrichs
des Grofsmütigen hatten, den Verfügungen des Vaters entsprechend, an-
fangs gemeinsam regiert. Nach dem Tode des einen der Söhne (1565)
teilten die beiden anderen derartig, dafs Johann Friedrich II. den
weimarischen Teil erhielt und seine Residenz zu Gotha nahm, Johann
Wilhelm den coburgischen empfing (1566). Das letztgenannte Gebiet
Instand zum gröfsten Teil aus der Hinterlassenschaft ihres kinderlos
verstorbenen Oheims Johann Ernst (f 1553) von Coburg. Jener Johann
Friedrich II. schied aber 1567 durch seine lebenslängliche Gefangen-
schaft aus, und sein Bruder Johann Wilhelm vereinigte die Ernestinischen
Lande in seiner Hand. Freilich mufsto er den coburgischen Anteil
1572 mit den Söhnen Johann Friedrichs II. teilen; doch starben beide
kinderlos in den dreifsiger Jahren des XVII. Jh. Auch unter den
Nachkommen der beiden Söhne Johann Wilhelms trat eine Teilung ein,
doch erst nach dem Tode des älteren Sohnes, Friedrich Wilhelm I.
1602), indem dessen Söhne Johann Philipp und Friedrich Wilhelm II.
mit ihrem Oheim Johann den Besitz teilten. Die ersteren gründeten
die Linie Altenburg, die allerdings 1672 schon ausstarb; Johann stiftete
die in ihren weiteren Verzweigungen noch bestehende Linie Weimar.
Von seinen acht Söhnen lebten um 1650 noch zwei, Wilhelm und Ernst
der Fromme. Da die Linien Coburg und Eisenach 1633 bzw. 1638
«'Höschen waren, so war der Ernestinische Besitz bis auf den Alten-
luirger Anteil in der Weimarer Linie vereinigt. Im Jahre 1641 hatten
Johanns Söhne, Wilhelm, Ernst und Albert, abermals eine Teilung vor-
genommen; da aber Albert bereits 1644 starb und sein Land unter seine
Brüder aufgeteilt wurde, so bestanden im Ernestinischen Sachsen um
1650 noch drei Linien mit entsprechendem Territorialbesitz: 1. die
Altenburger (stirbt 1672 aus), 2. die Weimarer unter Herzog Wilhelm
und 3. die Coburger unter Ernst.
SUchsische Ernestiner.
Johann der Beständige f 1532
Joh. Friedrich I der Grofsmütige t 1554 Johann Ernnt von
Coburg v 1553
f t t
Joh. Friedrieh II. Johann Joh. Wilhelm
gefangen 1567 Friedrich III. f 1573
Coburg Eisenach t ,5(>5 Altenburp ^ Weimar
Mi. Kasimir Joh. Ernst Friedr. Willi. I. Johann
t 1633 f 1638 v 1602 t 1605
Joh Philipp Fr. wiih ii. Weimar Eisenach Gotha
t H>3!) f IHW)
+ ff I Wilhelm Albert Ernst
Fr Wilh III t 1«62 f 1614 d Fromme
f 1672 t t t t 16'r>
t t t
Ober die Naumburgor Kapitulation von 1554 Vgl. den voriges Abschnitt;
ebenso über den Efbverbriiderungsvertrag mit den (traten von Henneberg. —
Zu bemerken ist ferner, dafs die Brüder Johann Friedrich II., Johann Wilhelm
Kretschmer, Historische Geographie 31
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XI. Politische Geographie um dag Jahr 1650.
und Johann Friedrich III. 1555 von den Grafen von Mansfeld die Herrschaft
Römhild mit den beiden Pfandschaften Lichtenberg und Brückenau gegen da-
Kloster Oldisleben eingetauscht haben. Vgl. Gruner, Gesch. Joh. Friedrichs (II. ■
d. Mittleren, S. 217.
Von vorübergehender Bedeutung war die Teilung Johann Wilhelms mit
seinen Neffen Johann Kasimir und Johann Ernst vom 6. November 1572
1. Johann Kasimir und Johann Ernst erhielten den coburgischen Anteil,
nämlich die Pflege Coburg aufser Königsberg, Volkenroda, Krainberg.
Gerstungen, Hausbreitenbach, Treffurt, Kreuzburg, Eisenach, Tenneberg, Gotha
und die hennebergischen Ämter Römhild, Lichtenberg, Salzungen und AÜendorf.
ferner das Einlösungsrecht der vier verpfändeten Ämter Weida, Ziegenrück,
Arnshaugk und Sachsenburg sowie die Hälfte der Pfandschaft Allstedt. —
2. Johann Wilhelm erhielt: Weimar. Jena, Rofsla, Bürgel, Stift Lausnitz. Dorn
bürg, Kapellendorf (1557 von Erfurt abgetreten), Ringleben, Büttstedt, Buttel
stedt, Magdala, Rastenberg, Lobeda, Neumark, Leuchtenburg, Eisenberg, Alten
bürg, Camburg. Roda, Saalfeld, Ichtershausen. Wachsenburg, Georgenthal.
Schwarzwald, Reinhardsbrunn, die Hälfte von Allstedt und das Amt Könige
berg. Gemeinsam blieb die Lehensherrlichkeit über die Schwarzburger ; jen«
über die Gleichenschen Besitzungen zu Ton na fiel an die Coburger, diejenigen
über den anderen Gleichenschen Besitz an Johann Wilhelm, dem auch die
alleinige Erbfolge in Henneberg zugesichert war.
Die coburgische Linie wafd in Coburg und Eisenach geteilt. Nach an-
fänglicher provisorischer Teilung schlössen die Brüder 1596 einen Krbteilungs
vertrag (b. Arndts Säehs. Archiv, III, 400 ff.). Johann Ernst erhielt in diesem
Stadt und Amt Eisenach. Salzungen, Lichtenberg mit Ostheim, Allendorf und
die Hälfte von Allstedt, Kreuzburg, Volkenroda, Gerstungen, die Hälfte von
Breitenbach und Langensalza und Amt Krainberg; — Johann Kasimir erhielt
Coburg und die Ämter Gotha, Tenneberg, Treffurt. Nach ihrer beider Tod»-
fiel aber alles an Weimar und Altenburg.
Schon vor dem Tode Johann Emsts hatten sich die Weimarer und Alten
burger Erben 16.34 dahin geeinigt, dafs bei der eventuellen Erbschaft Weimar
zwei Drittel und Altenburg ein Drittel von der dereinstigen Hinterlassenschaft
erhalten sollten. Dieser Fall trat um 1638 ein. Weimar bekam hierbei den
gothaischen und eisenaehisehen Anteil, Altenburg den Coburger. Vgl. den Ver
trag bei Hellfeld. Beiträge z. Staatsrecht in der Gesch. von Sachsen-Eisenaeli.
1785 ff., III, 132. Das Verzeichnis der zugehörigen Teilstücke gibt auch Rege!.
Thüringen, II, 564.
Die weimarische Linie wurde bis 1605 durch Herzog Johann vertreten,
der seinen Neffen Johann Philipp und Friedrich Wilhelm IL nach dem Tod«
ihres Vaters (1602) den Altenburger Anteil abgetreten hatte. — Von Johann?
acht Söhnen kamen bei der Teilung von 1640 nur drei noch in Frage, von
denen zwei die Stifter noch heute blühender Linien wurden. Da kurz vorher
der Heimfall der Coburger Erbschaft erfolgt war, so gestaltete sich die terri
toriale Gliederung folgendermafsen : 1. Wilhelm, Stifter der weimarischen
Linie, erhielt : Stadt und Amt Weimar. Brembach, Schwansee, Gebstädt, Mag
dala, Schlots, Stadt und Amt Jena, Burgau. Kapellendorf, Ringleben. Berka
a. d. Ilm und die Städte Büttstedt, Buttelstedt. Rastenberg, Lobeda. Neumark
und Magdala. — 2. Albert, als Stifter der Ei sc nach er Linie, erhielt Sta<it
und Amt Eisenach, Wartburg, Völkenrode, Kreuzburg, Marksuhl, Burkersroda
Krainberg. Gerstungen, Hausbreitenbach, Allendorf, Lichtenberg mit Ostheim.
Heldburg, Ummerstadt, Eisfeld, Veilsdorf. — 3. Ernst, als Stifter der Gothaer
Linie, erhielt: Stadt und Amt Gotha, Reinhardsbrunn, Tenneberg, Walters
hausen. Georgenthal, Schwarzwald, Wachsenburg und Ichtershausen, Amt un<l
Stadt Königsberg, Amt und Schlofs Tonndorf und Amt Salzungen mit den
Salzwerken.
Da die von Albert gestiftete Eisenacher Linie mit ihm selbst 1644 schon
wieder erlosch, s<> wird sein Anteil unter den Brüdern aufgeteilt, und zwar
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398. Vogtland. 399. Grafschaften Schwarzburg-Sondershauaen etc. 531
erhielt die Weimarer Linie: Stadt und Amt Eisenach mit der Wartburg, Stadt
und Amt Kreuzburg mit dem Kloster, die Gerichte Marksuhl und Burkersroda,
Amt Genstungen mit Ilausbreitenbach und Amt Lichtenberg mit Ostheim; —
dir Gotha er Linie : Schlofs und Amt Heldburg mit Ummerstadt, Veilsdorf,
Kisfeld, Stadt und Amt Salzungen, Kloster Allendorf, Amt Krainberg und
Völkenrode (s. Lünigs Reichsarchiv, II, 438).
Für die territoriale Entwiekelung vgl. die Karte von A. Brecher, Dar-
stellungen der Gebiets Veränderungen in den Ländern Sachsens und Thüringens
von dem 12. Jh. bis heute, Berlin 1888.
398. Vogtland. Von den beiden um 1550 noch bestehenden
Hauptlinien war die ältere Linie Plauen mit Heinrich VI. 1572 erloschen,
nachdem sie kurz vorher noch Plauen und ihre sonstigen vogtländischen
Besitzungen 1569 an den Kurfürsten von Sachsen abgetreten hatte (s. bei
Sachsen). — Die reufsische Linie blühte in den drei Söhnen Hein-
richs XVI. fort, die 1564 das Land teilten. Der Ältere erhielt Unter-
Greiz, der Mittlere Ober-Greiz mit Schleiz und Burgk, der .Jüngere Gera
mit Zubehör. Der Mittlere hinterliefs zwar drei Söhne, die jedoch ohne
Nachkommen bis 1616 ausstarben. Dir Anteil Ober-Greiz fiel an die
ältere Nebenlinie, die Unter-Greiz schon besafs, das übrige an die jüngere
Nebenlinie, die nunmehr Gera, Schleiz, Saalburg, Lobenstein, Köstritz,
Ebersdorf, Hirschberg (seit 1549 zu Reufs 'gehörig) besafs. Im Hause
Greiz fand 1625 wieder eine Teilung in Ober- und Unter-Greiz zwischen
den Söhnen ihres Stifters statt. — Die reufsische Linie zu Gera erfuhr
unter den Enkeln ihres Stifters eine Teilung (1647) in drei Häuser:
Gera (Heinrich IL), Schleiz (Heinrich IX), Lobenstein (Heinrich X.),
während Saalburg an einen Enkel Heinrich I. kam.
399. Grafschaften Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-
Rudolstadt. Unter den Söhnen Günthers XL. fand die bis zur Gegen-
wart fortbestehende Teilung der Grafschaft statt. Als der älteste Sohn
Günther XLI. 1552 gestorben war, teilten die beiden anderen Brüder
und stifteten zwei neue Linien: Johann Günther dio Linie Schwarzburg-
Arnstadt (Sondcrshausen) und Albreeht VII. Sehwarzburg-Rudolstadt.
Während im Rudolstädter Hause keine weitere Teilung stattfand, spal-
tete sich die Arnstädter Linie schon unter den Enkeln Johann Günthers
in drei neue Linien : Arnstadt, Sondershausen und Ebeleben, von denen
aber die erste und dritte sehr bald wieder ausstarben (1669, 1681).
Bei der Teilung 1584 erhielt die Linie Schwarzburg- Arnstadt, die
später Sondershausen hiefs, 2/3 der unteren Grafschaft mit den Ämtern Son-
Heinrieh XVI. f 1535
Heinr. d. Ältere Heinrich d. Mittlere Heinr. d. Jung. (I)
Iblb . 1
fff Heinr. II. Heinr. IX. Heinr. X.
(Gera) (Schleiz (Ix>hen-
t 1666 stein}
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XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
dershausen, Ebeleben, Böchingen, Keula, Scherenberg, die Vogtei Hasleben und
die Städte Sondershausen, Greufsen und Ehrich sowie Vs der oberen Grafschaft
mit der Herrschaft Arnstadt, den Ämtern Käfernburg und Gehren. Die Linie
Schwarz burg-Rudolstadt erhielt 2/8 der oberen Grafschaft, nämlich die
Amter Rudolstadt, Blankenburg, Schwarzburg, Paulinzelle, Leutenberg, Ehren-
stein, Ihn, Könitz und die Vogtei Seeberg, ferner Va der unteren Grafschaft
mit den Ämtern Frankenhausen, Arnsburg, Straufsberg, Kelbra, Heringen und
Schlotheim.
Hinsichtlich der territorialen Veränderungen ist noch zu bemerken, dat
Schwarzburg-Söndershausen 15U3 die Grafschaft Hohnstein gemeinsam mit den
Stolbergern zufolge eines Vergleiches von 1433 erwarb. Vgl. Apfelstedt,
1. c. S. 8, wo ein Verzeichnis der meist kleinen Ortschaften sich findet.
Infolge der Ansprüche , die Herzog Julius von Braunschweig machte . ge-
lang den Grafen nur der Erwerb der Amter Grofsbodungen, Uttenrode, Craja,
Wallrode, Bockelnhagen, Zwinge u. a. — Bedeutsam war ferner der Erwerb
der unteren Grafschaft Gleichen i. Jahre 1631 zufolge eines Erb Vertrages von
1623 mit dem Grafen Hans Ludwig von Gleichen. Sie bestand aus den Dörfern
Gunthersleben, Ingersleben, Sülzenbrücken, Freudenthal u. a.
Günther XL. t 1552
Gunther XLI Joh. Günther Albrocht VII.
f 1582 f 1586 f 1605
Christ. Günther I. Ludw. Günther
- An** äzzzzz — 55sr T
1669 Anton Günther I. 1681 Albr Anton U
t t t I t t t f 1710
N
Christ. Wilhelm Anton Günther II.
(bis 1720) f 1716
tt-t
400. Fürstentum Anhalt. Die Zerbster Linie des Fürstenhauses
bestand in den beiden Zweigen der Köthener und der Dessauer fort
(s. Tab. S. 490); da jene mit Wolfgang im Jahre 1566 ausstarb, so führte
die Dessauer, dio in Johann LT., Georg III. und Joachim ihre Vertreter
hatte, allein das Regiment. Da aber auch die beiden letzteren ohne
Nachkommen (1553 bzw. 1561) starben und von den drei Söhnen
Johanns II. (t 1551) auch nur Joachim Ernst zurückblieb, so war
das ganze Anhalter Land in seiner Hand wieder vereinigt. Doch sollte
es nicht lange ein Ganzes bilden, denn Johanns Söhne teilten von neuem
das Land in vier Teilfürstentümer (1603). Nur eino von den fünf Linien
starb mit der folgenden Generation schon aus (die Köthener 1665i
während die anderen (die Bernburger 1863, Röthen- Augustäische 1847
Zerbster Linie 1793) länger bestanden und allein die Dessauer bis heute
fortblüht. Diese Besitzteilung des Jahres 1603 trug insofern einen an
deren Charakter, als das gesamte Fürstenhaus 1635 sich dahin einigte
das allerdings schon 1606 und 1611 eingesetzte Seniorat einzuführen,
nach welchem der Alteste die oberste Leitung haben und die allgemeinen
Landes- und Hausangelegenheiten besorgen sollte. — Beim FrieMiens
schlufs 1648 behielt Anhalt zwar die eingezogenen Gernröder Stifts^üter
aber die 1315 dem Lande verloren gegangene Grafschaft Ascherslebeu
kam nicht wieder zurück.
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401. Mark Brandenburg. 533
Die Teilung vom 17. und 19. Juni 1603 bestimmte, dafs nur vier Landes-
teile angesetzt werden sollten, während einer der Brüder, August, durch Geld
sieh entschädigen liefs. Johann Georg I. erhielt als Altester Dessau mit
Lippene, Raguhn, Wörlitz, Sandersleben, Freekleben und Zubehör, Christian:
Birnburg, Plötzkau, Gröbzig, Ballenstedt und Hoym, Harzgerode, Günther»
berge mit Zubehör, Rudolf: Zcrbst, Kermen, Lindau, Rofslau und Koswig.
Ludwig: Kothen und den Brambach, Wulfen mit den Jeser und Palberger
Marken, das Mönchsholz, die Abtei hinter Sollnitz und das schwarze Land,
Warnsdorf samt Kölbick und das Vorwerk Deupzig mit Zubehör. Bergwerke
und Salzwerke etc. blieben gemeinschaftlich. Das Stift Gernrode, die Propstei
zu Grofe- Aisleben u. a. wurde dem Ältesten zugesprochen. — Im Jahre 1611
ül>erliek Johann Georg aus praktischen Gründen das Amt Plötzkau seinem
Bruder August. Als die Köthen-Ludwigsche Linie 1665 erlosch, fiel aas zuge-
hörige Gebiet an die Nachkommen Augusts, die die Kothen- Augustäischc Linie
bildeten, während Plötzkau an den älteren Bruder zurückgegeben wurde. —
Wegen der Grafschaft Lindau (die 1372 vom Grafen Ulrich an den Fürsten
Johann von Anhalt verpfändet und 1457 wieder käuflich abgetreten worden
war), war nach dem Erlöschen der Grafcnfamilic (1524) ein Streit mit dem
Kurfürsten von Brandenburg ausgebrochen, der Anspruch erhob, weil jene
Grafen auch che Herrschaft Ruppin besafsen, die berechtigterweise an Branden-
burg fiel. Der Streit wurde 1577 beigelegt, so dafs Anhalt die Grafschaft zu einem
erblichen Mannlehen von den Markgrafen (Kurfürsten) zu Brandenburg empfing.
401. Mark Brandenburg. Die geteilten Marken waren nach dem
Tode des ohne männliche Nachkommen gestorbenen Johann von Küstrin
1571 wieder in der Hand des Kurfürsten Johann Georg vereinigt. Von
Lebus hatte Johann von Küstrin 155(3 die Herrschaften Beeskow und
Storkow gekauft, die somit gleichfalls an das Kurhaus fielen. Einen
bedeutenden Zuwachs erfuhr Brandenburg durch die Belohnung Johann
Sigismunds mit dem Herzogtum Preufsen (1618). Hier war schon
1511 Albrecht von Brandenburg (aus einer der fränkischen Nebenlinien)
zum Hochmeister ausersehen gewesen. Durch den Vertrag zu Krakau
l.">25 wurde der Ordensstaat Preufsen zu einem weltlichen Herzogtum
unter polnischer Lehenshoheit erhoben und Albrecht mit diesem erblich
belehnt. Im Jahre 15(59 erhielt Kurfürst Joachim II. auf dem Reichstage
zu Lublin für sich und seine Erben die Mitbelehnung über jenes Herzog
tum. Als 1618 die herzogliche Linie mit dem schwachsinnigen Herzog
Albrecht Friedrich erlosch, fiel das Herzogtum Preufsen unter polnischer
Lehenshoheit an Johann Sigismund. Der Besitz war aber ein sehr un-
sicherer, und nur mit grofsen Opfern konnten Georg Wilhelm und der
Grofso Kurfürst 1641 die Wiederbelehnung von Preufsen erreichen. —
Kine andere Gebietserweiterung war aus der jülich-cleveschen Erbschaft
erzielt worden. Der letzte Herzog von Jülich-Cleve-Berg, Graf von Mark-
Ravensberg, Herr zu Ravenstein, Johann Wilhelm war 1609 gestorben.
Der Kurfürst von Brandenburg Johann Sigismund, wie der Pfalzgraf
Wolfgang Wilhelm waren die Hauptprätendenten, die sich um das Erbe
.stritten. Nach einer durch die Umstände herbeigeführten gemeinschaft-
lichen Regierung kam es 1614 zu einem Vergleich, bei welchem Branden-
burg die Länder Cleve, Mark, Ravensberg und Ravenstein
und die kleinen flandrischen Herrschaften Winendael und Breskesand
erhielt, Pfalz-Ncuhurg dagegen : Jülich und Berg. Doch verzichtete Später*
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534 XI. Politische Geographie um das Jahr 1650.
hin Georg Wilhelm 1624 auf die Herrschaft Ravenstein zugunsten von
Pfalz-Neuburg, und 1629 wurde für Ravensberg eine gemeinschaftliche
Verwaltung durchgeführt.
Durch den Dreifsigjährigcn Krieg ist auch Brandenburg-Preufsen
in Mitleidenschaft gezogen worden, doch wurde es im Westfälischen
Frieden reichlich entschädigt. Es erhielt Hinterpommern, das Bistum
Halberstadt mit den Herrschaften Lohra, Klettenberg und der Grafschaft
Hohnstein, das Bistum Minden, das Hochstift Kamin, die Anwartschaft
auf das Erzstift Magdeburg (mit Ausnahme der an Sachsen schon vorher
vergebenen Ämter Querfurth, Jüterbog, Dahme und Burg.)
Das dem brandenburgischen Kurfürsten gehörige Gebiet hatte somit in
dieser Periode eine erhebliche Ausdehnung angenommen. Während das Mar-
kische Land unter Kurfürst Friedrich I. ein Areal von ca. 23751 qkm um-
fafste, war das Staatsgebiet unter Johann Sigismund auf ca. 81000 qkm an-
gewachsen und unter dem Grofsen Kurfürsten nach dem Friedensschluß auf
ca. 109540 qkm.
Das Herzogtum Pommern war nach dem Tode Bogislaws X. 1523
imter seine Söhne Georg I. (Wolgast) und Barnim XI. (Stettin und Hinter-
Sommern mit Kamin) wieder geteilt worden und blieb es auch unter den
[achkommen Georgs 1. (f 1531); Barnim XI. war kinderlos geblieben. Unter
Bogislaw XIV. fand die Wiedervereinigung sämtlicher pommerscher Länder
statt (1625), aber mit ihm starb das pommersehe Herzogshaus 1037 aus.
Nach dem Erbfolgerecht hatte nunmehr Brandenburg die Herrschaft erhalten.
Doch in den Wirren des Dreifsigjährigen Krieges war Pommern von den
Schweden besetzt gehalten worden, und im Westfälischen Frieden konnte der
Grofse Kurfürst nur Hinterpommern erlangen, von welchem er einen Streifen
östlich der Oder mit Stettin, Garz, Damm, Gollnow an Schweden noch mit
abtreten mufste. Die Auslieferung Pommerns von seiten Schwedens hatte sich
aber bis 1653 noch verzögert.
402. Herzogtum Mecklenburg. Nach dem Tode Heinrichs V.
war sein Neffe Johann Albrecht Alleinherrscher im Lande (seit 15"»2).
Doch verlangte späterhin sein Bruder Ulrich eine Landesteilung, die
denn 1556 durch den »Ruppinsehen Machtspruchs auch zustande kam.
Johann Albreiht sollte Schlofs und Amt Schwerin, Ulrich dagegen
Schlofs und Amt Güstrow erhalten. Von den eingezogenen geistlichen
Stiftungen sollte Johann Albrecht die Klöster Rhena und Zarrentien.
Ulrich Kloster Dargun, alle übrigen Stiftungen und Komtureien sollten
gleichmäfsig verteilt werden. Ulrich starb 1603 und sein Gebiet fiel an
seinen jüngeren Brtider Karl. Da auch dieser 1610 ohne männliche
Nachkommen starb, so fiel Güstrow wieder an Schwerin zurück.
Nicht lange sollte das Land vereinigt bleiben, da Herzog Adolf
Friedrich auf eine abermalige Teilung drang. Im Jahre 1611 kam in
einem zu Fahrenholz vorläufig abgeschlossenen Vertrage eine solche zu-
stande, bei welcher Adolf Friedrich den schwerinschen Anteil, Johann
Albrecht den güstrowschen erhielt. Zur besseren Abrundimg der Landes-
teile fand am 3. März 1621 zu Güstrow ein Austausch einzelner Gebiets
teile statt.
Der Dreifsigjährige Krieg rief auch in Mecklenburg vorübergehend
eine Umwälzung hervor, da Kaiser Ferdinand II. das ganze Land an
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102. Herzogtum Mecklenburg. 535
Wallenstein verpfändete (19. Januar 1628). Nach Wallensteins Abdankung
wurden die Herzöge durch Gustav Adolf wieder eingesetzt und 1635
vom Kaiser bestätigt. Im Westfälischen Frieden nmfsten sie aber in
die Abtretung von Wismar, der Insel Poel und Neukloster willigen,
wogegen sie die Bistümer Schwerin und Ratzeburg erhielten.
Heinrich V. Albrecht VII.
f 1552 f 1547
Joh. Albrecht Ulrich Kurl
f 1576 t 1603 f 1610
I
Johann VII. f 1592
Adolf Friedrich I. Joh. Albrecht 11.
(Schwerin) (Güstrow)
t 1658 f 1636
, ■ |
Christ. Lud- Adolf Gustav Adolf f 1695
wig Friedr. H. t t t
| (M.-Strelitz)
sein Neffe:
Friedr. Wilh.
(M.' Schwerin)
Der Vertrag zu Fahrenholz (9. Juli 1611) bestimmte, dafs zur schweri ti-
schen Hälfte gehörten: die Ämter Schwerin, Criwitz, Tempzin, Neubukow,
Doberan mit Marienehe, Mecklenburg, Gadebusch, Goldberg, Wredenhagen,
Zarrentien, Neustadt, Strelitz, Fürstenberg, Iwenack, Wanzke, Eldena, Dömitz, die
Höfe Poel und Wichmannsdorf sowie die damaligen Wittumsämter Lübz, Witten-
burg, Rehna. Zur güstrowsehen Hälfte gehörten: die Ämter Güstrow,
.Sternberg, Schwan, Ribniz und Gnoien mit dem Sülzer Salzwerk, Dargun, Neu-
kalden, Stavenhagen, Stargard, Broda, Feldberg, Wesenberg, Plau, Marniz, Neu-
kloster und Boizenburg, das Wittumsamt Grabow mit Gorlosen und Walsmühlen,
Grewismühlen ; letzteres sollte nach dem Tode der Witwe Ulrichs gegen
Ivenack und Wanzke ausgetauscht werden. Weiteres bei Lützow, Gesch. von
Meckl, EU, 148 f.
Im Vertrage zu Güstrow (3. März 1621 1 wurde die Teilung der herzog-
liehen Ämter auch auf die Kitterschaft und die Städte ausgedehnt. Zur Arron-
dierung der beiden Landesteile wurden die Ämter Grabow, Marnitz, Neukloster,
Sternberg und Walsmühlen zu Schwerin gelegt, während dieses hiergegen
seine Ämter Strelitz, Goldberg, Wredenhagen, Fürstenberg, Ivenack und Wanzke
abtrat. An Schwerin kamen ferner die Städte Wismar, Partium, Waren,
Kröpelin und die adeligen Städte und Flecken Brüel, Malchow undDassow; —
an Güstrow: Lage, Krakow, Malchin. Röbel, Teterow, Neubrandenburg, Fried-
land, Woldegk und die adligen Städte Penzlin, Sülz und Marlow. An Güstrow
fiel ferner wegen gleichmäfsiger Verteilung der Elb- und Schaalzölle Boizen-
burg, an Schwerin: Dömitz und Zarrentien. — Rostock mit Warnemünde und
die vier Landesklöster Dobertin. Malchow, Ribnitz und zum Heiligen Kreuz in
Rostock blieben gemeinsam. Cf. Lützow, 1. c. III, 160 f.
Die Entschädigung, welche der Westfälische Frieden für die abgetretenen
Gebiete (Wismar, Poel, Neukloster) brachte, bestand in dem Bistum Schweri n,
dessen Administrator Adolf Friedrich bereits war; es umfafste Bötzow und
Warin mit 26 Dörfern, das Klosteramt Rühn mit 13 Dörfern, einen Teil der
Stadt Schwerin (die Schelfe) und 21 Tafelgüter. Das Bistum Ratzeburg,
dessen Administrator Gustav Adolf von Güstrow war (seit 1636), bestand aus
einem Teil der Stadt Ratzeburg und der Vogtei Schönberg mit 27 Dörfern.
Ferner erhielt Schwerin die Johanniterkomturei Mirow und Güstrow die Kom
turei Nemerow.
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536 XL Politische Geographie uru dan Jahr 1650.
403. Herzogtümer Schleswig und Holstein waren dänischer bzw.
deutscher Lehenstaat. Um 1559 standen sie in der angegebenen
Dreiteilung unter Friedrich L (königliche Linie) und seinen Oheimen
Johann der Altere (Haderslebener Linie) und Adolf (Gottorper Linie)
Die endgültige Niederwerfung Dithmarschens 1559 führte zum Anschlufs
dieses Landes an Schleswig -Holstein; os bildete aber eine besondere
Landschaft, die unter die drei Landesherren geteilt wurde. — Als Johann
der Altere 1580 kinderlos starb, fand eine Teilung zu Flensburg statt
(19. September 1581). Der Haderslebener Anteil wurde zwischen dem
König Friedrich II. und Adolf von H.-Gottorp geteilt. Seinem Bruder,
Johann dem Jüngeren, hatte der König einen Teil seines Gebietes ab
getreten, doch hatte Johann keinen Teil an der Landesherrschaft.
Vielmehr stand Schleswig-Holstein seit dieser Teilung bis 1773 immer
unter zwei regierenden Landesherren : dem König von Dänemark un<]
einem Herzog der Gottorper Linie. — Johanns des Jüngeren Anteil
wurde unter seiner zahlreichen Nachkommenschaft weiter zersplittert
Es gingen aus ihm vi»*r kleinere Herrschaften hervor und entsprechend
fürstliche Linien : Sonderburg, Norburg, Glücksburg und Plön, die sich
im weiteren spalteten, jedoch von einer weiteren Landzersplitterung
absahen.
Die Teilung von 1581 war ho getroffen worden, dafs die Gebietsteile de.-
königlichen und herzoglichen Anteils keinen geschlossenen Bestand bildeten
sondern in der Anordnung miteinander abwechselten. Hierdurch sollte auch
der Auffassung vorgebeugt werden, als sei das Land wieder in zwei gesondert«
Staaten zerfallen. Der königliche Landesanteil utnfafste die Stadt«
Hadersleben. Flensburg, Segeberg, Rendsburg, Oldesloe, Heiligenhafen, Itzehoe.
Krempe und Wüster, die Ämter Hadersleben, Törning, Flensburg nebst Bred
stedt. Segeberg, Rendsburg, Steinburg und die Landschaft Süderdithmarschen.
Der gottorpsche Anteil mit dem Rcsidenzsehlofs bei Schleswig enthielt die
Städte Tondern, Apenrade, Schleswig, Eckernförde, Husum, Kiel. Oldenburg
und Neustadt, die Ämter und Landschaften Nordstrand, Tondern, Liigum
klostcr, Apenrade, Gottorp. Hütten mit Wittensee, Mohrkirchen, Stapelholm.
Husum. Eidelstedt, Kiel nebst Kronshagen, Oldenburg, Cismar, Reinbeck, Trems-
büttel, Trittau, Norderdithmarschen und die Insel Fehmarn mit der Stadt Burg.
Den gemeinschaftlichen Anteil bildeten die vier Klöster zu Uetersen.
Itzehoe, Preetz und Schleswig mit ihren Besitzungen und sämtliche adlige Güter
des Landes; hierzu gehörte auch die Stadt Lütgenburg, die später zum könig
liehen Anteil kam. Der Anteil Johanns des Jüngeren, der ihm von Fried
rieh II., seinem Bruder, überlassen war. umfafste die Inseln Alsen, Arröe mit
den Städten Sonderburg und Aeröeskiöhing, die Halbinsel Sundewitt, das Ruhe
kloster (an dessen Stelle 1582 von Johann das Schlofs Gliieksburg erbaut wurde
nebst Gebiet, die Stadt Plön, die Ämter Plön, Ahrensbök und Reinfeld, wozu
snäter die Amter Rethwisch und Traventhal kamen. Bremer, I.e. S. 239. —
t her die weiteren Teilungen von Johanns Anteil innerhalb seiner Familü-
s. Bremer, S. 250 f.
Die kleine Herrschaft llolstein-Pinneberg war seit dem XIV. Jh. im
Besitz der Grafen von Schauenburg gewesen. Als die Linie mit Otto VI. 1640 (siehe
Schauenburg ausstarb, erhoben die beiden Schleswig holsteinschen Landesherren
König Christian IV. und Friedrich HL, Anspruch auf diese Herrschaft, weicht
aus den drei Ämtern Pinneberg, Hatzburg und Barmstedt bestand. Trotz d<-
Widcrspruehs anderer Verwandten blieben sie im Besitz des Landes, welche?
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403. Herzogtümer Schleswig und Holstein.
537
sie teilten. Das Amt Barmstedt bekam der Herzog, das übrige der König.
Waitz, Sehlesw.-holst. Gesch. II, 556 f.
Reichsgrafschaft Ranzau. Im Jahre 1649 trat Herzog Friedrich HI.
seinen Anteil an der Pinncberger Herrschaft, nämlich das Amt Barmstedt, an
den königlichen Statthalter Christian Ranzau (Rantzau) ab. Letzterer wurde in
diesem Besitz vom Kaiser 1650 bestätigt und sein Ländchen zu einer unmittel-
baren Grafschaft des Deutschen Reiches erhoben (1726 fiel sie an Dänemark).
Waitz, L C. II, 600.
XII. Kulturgeographie um das Jahr 1650.
404. BeviUkerungsrerMItnlsse. Der empfindlichste Schlag, der
Deutschland durch den grofsen Krieg getroffen hat, war der Verlust an
Menschenleben ; die Entvölkerung des Landes war eine allgemeine, wenn
sie auch in den einzelnen Landschaften sehr verschieden war, je nach
dem die Kriegsfurie gehaust hatte. Die fortwährenden Verwüstungen.
Brandschatzungen, Truppendurchzüge und Einquartierungen hatten den
materiellen Besitz zum Teil vernichtet, aber auch die Träger des Besitzes
heimgesucht. Es ist begreiflich, dafs die Bauernschaft auf dem freien
Lande ohne jeden Schutz am härtesten durch die brutale Soldateska
mitgenommen wurde, während die Städte, an und für sich über mehr
Mittel verfügend, überdies mit Mauer und Graben versehen, sich oft
gegen einen raublustigen Feind zu halten vermochten oder auch sicli
rechtzeitig loszukaufen wußten. Es hat dies alles aber nicht verhindern
können, dafs auch so manche Stadt dem Kriegssturm zum Opfer gefallen
ist. Eine zahlenmäfsige Bestimmung des durch jenen Krieg herbei
geführten Menschenverlustes in Deutschland ist oft genug versucht
worden. Die Angaben, dafs das Land die Hälfte oder fast zwei Drittel
der Bewohnerschaft verloren hätte, dafs 12 — 13 Millionen Menschen
ums Leben gekommen wären, lassen sich nicht erweisen und sind durch
aus haltlos. Dagegen liegen besser beglaubigte Nachrichten wenigstens
von einigen Landschaften und Bezirken vor. Es ist hierbei zu berück
sichtigen, dafs innerhalb der Bevölkerung aber auch eine starke Fluk
tuation stattgefunden hat, dafs die Bevölkerung sich vor den Drangsalen
des Krieges nach anderen Stellen flüchtete, und manches Dorf, welches
vom Erdboden verschwand, hatte seine Einwohnerschaft nur an andere
Ortschaften abgegeben. Ein Rückschlufs von der Anzahl der damals
entstandenen Wüstungen auf einen entsprechenden Verlust an Menschen
ist daher nicht immer zulässig. Trotzdem darf die Einbufse an Menschen
leben nicht unterschätzt werden, zumal nicht blofs der Krieg direkt,
sondern auch verschiedene Folgeerscheinungen des Krieges, wie Hungers
nöte und Krankheiten, mit dazu beigetragen haben. Besonders waten
es die wiederholten Ausbrüche der Pest, die seit 1621 in Deutschland
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405. Wüstungen.
539
wrieder in verstärktem Mafse auftrat; sehr stark im Jahre 1625 und zwar
ziemlich allgemein (in Amsterdam, Kopenhagen, Rostock, Bremen, Berlin,
Leipzig, Dresden, Braunschweig, Erfurt,. Halberstadt, Strafsburg), ferner
1634 in Württemberg und Baiern.
Der Bevölkerungsstand von Deutschland vor und nach dem Kriege läfst
>ich mit einiger Zu vcrliissigkeit auch nicht annäherungsweise schätzen. Scherr
Deutsche Kultur- und Sittengeschichte, 1897, S. 323) gibt die Bevölkerung von
1618 zu 16 — 17 Millionen Seelen an, welche bis zum Jahre 1649 auf 4 Millionen
zusammengeschmolzen sei, ohne aber anzudeuten, auf welcher Grundlage er zu
diesen Zahlen gekommen ist. — Für einzelne Landschaften liegen nähere An-
gaben vor, welche einiges Licht auf das Mafsvcrhältnis der Verluste gegenüber
•lern früheren Stande werfen, von Inama- Stern egg , Die volkswirtschaft-
lichen Folgen des Dreißigjährigen Krieges, in Raumers Histor. Taschenb. 1864,
•S. 14 IT., hat das einschlägige Material zusammengestellt. In Wirtemberg hat
M 1634 noch 313000 Seelen gegeben, die bis 1641 auf kaum 48000 zurück-
gegangen seien und bis 1645 sich wieder auf 65267 vermehrt haben. Von den
18158 Einwohnern des Kreises Henneberg im Jahre 1631 seien 1649 nur noch
5840 übrig gewesen. In der Lausitz waren von 299 Bauern und 436 Kossäten
in 21 Dörfern nach dem Kriege nur noch 58 Bauern und 81 Kossäten vor-
handen; in Thüringen zählte man von 1773 Familien in 19 Dürfern später nur
noch 316. Im nassauischen Flecken Miehlen waren von 130 Haushaltungen
nur 20 Familien noch vorhanden, und in Einrichenhain im Amt Rennerod war
alles bis auf eine Familie verschwunden. In Böhmen hätte es vorher an
3 Millionen Einwohner gegeben, nach dem Kriege nur noch 780000. — Die
Städte waren hart mitgenommen worden, wie die grofse Zahl von verlassenen
Häusern zeigt. Die sächsische Stadt Freiberg zählte im Jahre 1640 von
1700 Häusern kaum noch 500. Chemnitz hat drei Viertel seiner Häuser ver-
loren. Meiningen hatte von seinen 4000 — 5000 Einwohnern schliefslieh nur noch
1300 behalten ; von 600 Häusern waren an 350 vernichtet worden. In Göttingen
lagen noch im Jahre 1664 290 Häuser niedergerissen, in Helmstedt standen
1637 295 Häuser leer. Ravensburg in Schwaben hatte seine wohlhabenden
1400 Bürger bis auf 400 verloren, Memmingen zwei Drittel seiner Einwohner
nügen, um die für einzelne Orte behauptete Höhe des Verlustes zu kennzeichnen.
<janz unberechenbar ist der materielle Schaden an Gütern anderer Art gewesen.
405. Wüstungen. Nicht alle Siedelungen haben dauernden Bestand
gehabt. Eine grofse Anzahl von ihnen, die uns in historischen Quellen
namhaft gemacht werden, ist spurlos verschwunden ; von anderen ist
uns die Stelle, an der sie sich ehemals befunden haben, noch bekannt,
"der der Name lebt als Bezeichnung der Flur noch fort. Solche Stellen
abhanden gekommener Ortschafton bezeichnet man als > Wüstungen,
Odungen , ab-, aus-, eingegangene oder abgekommene Orte, vi IIa
deserta oder desolata, vastitudo . Ein spurloses Verschwinden
ist natürlich nur bei Kleinsiedelungen, wie Dörfern, Weilern, Einzel-
höfen etc., möglich gewesen; doch hat dieses Schicksal auch gröfsere
Ortschaften (kleine Städtchen) betroffen, wenn dies auch nur seiton der
Fall war. — Die volkstümliche Auffassung hat das Entstehen solcher
Wüstungen allgemein auf den Dreilsigjährigen Krieg zurückgeführt. Dafs
unter den Greueln dieses Krieges die Bewohnerschaft ganzer Dörfer bis
auf den letzten Insassen aufgerieben worden ist, oder dafs jene aus
Furcht ihre Siedelung freiwillig verlassen haben, ohne je wieder zurück-
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540 XII. Kulturgeogniphie um das Jahr 1650.
zukehren, ist an zahlreichen Beispielen nachzuweisen. Der starke Hück
gang der Bevölkerungsziffer macht ohnedies das Verschwinden von Ort
schatten erklärlich. Es hat sich indessen herausgestellt, dafs ungleich
mehr Dörfer schon in den voraufgehenden Jahrhunderten eingegangen
sind, und dafs der Dreilsigjährige Krieg jedenfalls nur einen Bruchteil
an Wüstungen beigesteuert hat. Das XIII. und XIV., aber auch die
beiden nachfolgenden Jahrhunderte haben besonders viele Ortschaften
vom Boden verschwinden lassen. Die Ursachen hierfür scheinen je-
weilig auch verschiedene gewesen zu sein; nicht immer sind sie auf
kriegerische Ereignisse zurückzuführen.
Über den Begriff der Wüstung vgl. H. Besch orn er, Denkschrift übet
d. Herstellung eines histor. Orteverzeichnisses für das Kgr. Sachsen, Dresden
1903. S. 16. Ders. , Die Wüstungen und ihre Entstehung, Montags-Beil, des
Dresdener Anzeigers, 16. Juni 19U2. Ferner G. von Below, Territorium u.
Stadt, 190<>, S. 55, Anmkg. 2. Weitere Literaturangaben in den genannten Ab-
handlungen.
Was die Ursachen des massenhaften Versehwindens von Ortschaften
anbelangt, so sind sie ohne Zweifel zu einem grofsen Teil 1. auf kriegerische
Verwüstungen zurückzuführen, und die früheren Kriege haben hier ebensoviel
verschuldet als der Dreifsigjiihrige Krieg. In der Altmark stammen die meisten
Wüstungen aus der Zeit nach dem Tode des Markgrafen Waldemar. Im Dreißig-
jährigen Krieg dagegen ist nur ein einziges Dorf untergegangen (Danneil in
Ledeburs Archiv IV, 208). Bessen (Gesch. d. Bist. Paderborn I, 284 f.) führt
mehrere schon vor 1375 durch Krieg untergegangene Orte im Paderbornischen
auf, unter anderen auch eine Stadt Blankerode auf dem Gipfel eines Berges
zwischen Kleinenberg und Stadtberg. Gelegentlich der Fehde des Erzbisehof >
Theoderich von Cöln (XV. Jh.) wurden in der Grafschaft Pyrmont 80 Dörfer
verbrannt, von denen nur 10 wieder aufgebaut worden sind. — 2. Eine andere
tiefgreifende Ursache war die Gründung von neuen Städten und die Ver
gröfserung schon bestehender. In Hessen entstammen die meisten Städte dem
XIII. und XIV. Jh., und ihre Bevölkerung wurde aus den benachbarten Dörfern
beschafft, die sogleich oder nach und nach verschwanden und ihre Fluren an
den Stadtbezirk anschlössen. Je mehr Städte aufkamen, um so mehr Dörfer
wurden verlassen. Neben der grösseren Sicherheit und Schutz vor Bedrückung
waren es auch die günstigeren Lebens- und Erwerbsverhältnisse der Stadt, dit-
den Dorfbewohner hierzu anreizten. Wie mehrere Dörfer sich zu einer Stadt
zusammenschlössen, so vereinigten sich auch mehrere kleine Dörfer zu einem
grofseren, wobei ebenfalls der Gesichtspunkt des gröfseren Schutzes mafsgebend
war. — 3. Ein weiterer Grund für die Entstehung von Wüstungen war die
Ungunst der geographischen Lage, sei es dafs diese durch klimatische Verhält
nisse oder durch zu schlechten Boden sich bemerkbar machte. Besonders im
Walde oder auf rauhen Gebirgen angelegte Orte hatten hierunter zu leiden
und wurden deshalb verlassen ; schon für das XII. Jh. liegen Beispiele vor.
Vgl. über diese Frage im allgemeinen Arnold, Ansiedelung, u. Wanderungen
dt, Stämme, S. 597— 604. Die rein geographischen Ursachen betont A. Grund.
Die Veränderungen der Topographie im Wiener Walde und Wiener Becken
(Pencks Geogr. Abhandlngn. VIII, 1), Lpz. 1901, S. 121 — 139. Im übrigen s
auch Landau, in Z. d. Ver. f. hess. Gesch. VII, 381 IT.
Vollständige Wüstungsverzeichnisse liegen uns von nur wenigen J-m«l
schatten vor; überdies ist die Literatur sehr zerstreut. Das nachfolgende Ver
zeiehnis kann natürlich nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen. Im übrigen
vgl. Grund L c. der auch vereinzelt»- literarische Notizen noch aufführt.
J. Plafs, Untergegangene Orte in der Oberpfalz. Verhdl. d. hist. Ver
d. Oberpf., 49. 231— 2G8. Heintz, Verschollene pfälzische Ortsnamen. Mittlen
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405. Wüstungen.
541
hist. Ver. d. Pfalz, V, 49 ff. Straub, Die abgegangenen Orte des Elsafs,
Strafsburg 1887. Poinsignon, Ödungen und Wüstungen im Breisgau, Z. f.
Gesch. d. Oberrheins, II (1887). Baumann, Abgegangene und unbenannte
Orte der badischen Bar u. d. Herrschft. Hewen, in s. Forsch, z. Schwab. Gesell.,
1899, 343 — 364. Bossert, Abgegangene Orte in Franken. Uers., Zur Topo-
graphie von Württembg. Franken, 1881. Pregizer, Verzeichnis alter, nament-
lich abgegangener Burgen. Württembg. Jahrbb. f. Statist, u. Landeskde., 1880,
Suppl., S. 91 ff. Sehäffler und Brandl, Über die Konstatierung von Wü-
stungen im bair. Kreis Unterfranken u. Aschaffenburg. Löhers Archiv. Z.,
1880, V, 205 ff. Schranzhuf er, Abgekommene Ortschaften im Gerichtsbez.
Schwechat, Bll. f. Ldkde. Nied.-Österr., 1881. Ebenda 1882, 1883 Artikel von
Neill.
Wenck, Hessische Landesgeschichte I, S. 28, Cber die Wüstungen der
Gfsch. Kat/.enellenbogen. E. von Sobbe, Ausgegangene Ortschaften u. An-
siedelungen in der Umgebung von Salzkotten, in der Z. f. G. u. Alt. v. Westfal.,
35 ßd. Nachträge hierzu im 50. Bd. (1892), 2 Abt., 153 ff. Schwanold,
Fürstentum Lippe, 1899, S. 84: Die Wüstungen das. Wagner, Die Wüstungen
im Grofsherzogtum Hessen. Darmstadt 1854, 62, 65. L a n d a u , Histor.-topogr.
Beschreibg. der wüsten Ortschaften im Kurfürstentum Hessen. Cassel 184*.
Hof fme ister, Flurbenennungen aus dem Amtsbez. Wetter, Z. hess. Gesch.,
X. 238—261. Lyncker, Die Wüstg. Schützeberg bei Wolfhagen, Z. hess. Gesch..
VI, 105 — 119 (1*854). Armbrust, Verschwundene Burgen u. Ortschaften bei
Melsungen. Hessenland, X (1896), 6, 20. Weber, Über die Wüstg. Berring-
hausen, Z. hess. Gesch., VI, 350. Max, Die ausgegangenen Orte des Fürstent.
'»rubenhagen, in dessen Gesch. d. F. Grub., I, 492 — 535 Lüntzel, im 2. Jahres-
l>er. d. Ver. f. Kunde der Natur u. Kunst in Hildesheim (30. Juli 1846). von
Mengershausen, Wüste Ortschaften im Fürstent. Göttingen, Neu. vaterl.
Areh. 1832. II, 282. Grotefend, Wüstg. Loese bei Catlenburg, Z. h. Ver.
Niedersachs., 1853, 224. Fiedler, Die jetzt wüsten Ortschftn. Gilgen, Soersen,
Golzheimer, Ankensen, Pewelschmehr , Z. h. V. Niedersachs., 1873, 125 ff.
Dürre, Wüstgn. des Kreises Holzminden, Z. h. Ver. Niedersaehs., 1878, 175
bis 223. Bode mann, Wüste Ortschaften in d. Prov. Hannover (1715), in
L h. V. Niedersachs., 1887, 242—255. Deppe, Wüstgn. im Kreise Güttingen,
Prot. bist. Ver. Göttingen 4, 26-86.
We rneburg. D. Namen der Orte u. Wüstgn. Thüringens, m. 1 K.,
lahrbb. Erfurt. Akad., N. F. XH (1884), 1 -213. von Wi ntzingeroda-
fvnorr, D. Wüstungen des Kreises Duderstadt, Heiligenstadt, .Mühlhausen und
Worbis (im Erscheinen). Weyhe, Wüstgn. in und am Klinkener Luch, Anh.
f L. u. Volkskde. d. Prov. Sachs., IX (1899), 89 ff. Reise hei, D. Wstg.
Breitenfurt bei Wenigensömmern, Mitt. Ver. Ekde. Halle, 1897,92. Reise hei,
0. Wstg. Sömmeringen bei Papstorf im Kr. Osehersleben, Mitt. V. Ekde. Halle
1897, 74. Hertel, Die Wüstungen im Nordthüringgau, 1899. Groefsler,
l'rkundl. Nachweise über den Lauf der Saale und die an demselben gelegenen
Wüstungen, Arch. f. L. u. Volkskde. d. Provinz Sachsen, VII (1897). Lange,
Wüste Dorfstätten der Mosigkauer Heide, Mittlgn. Ver. f. anhält. Gesch. III,
236. Stenzel, Zur Gesch. der Wüstgn. Anhalts, Mittlgn. Ver. f. anhält. Gesch.,
VI, 114 ff., 323 ff, 337 ff. Schulze, Bedeutung der Namen einiger anhaltischer
Ortschaften u. Wüstungen vor dem Harz, Mittlgn. Ver. f. anhält. Gesch., III,
598. Schulze, Bedeutung der Namen der auf «lern anhält. Harz befind].
Wüstgn., Mittlgn. Ver. f. anhält. Gesch., IV 81 ff. F. Crull, Untergegangene
Ortschaften, Jbb. Ver. mecklenbg. Gesch. Schwerin 1896, Nr. 9, 10. Winter,
We eingegangenen Ortschaften zwischen Elbe, Saale. Bode u. Sülze, in Gesch. -
RH. f. St. u. Ld. Magdeburg 18(58, 345—365, 473—199. Theune, Wedders-
ieben, eine Wüstg., Harz Z. 1880, 353. Schönermark, Die Wüstgn. des
I larzgebirges (Rheinbaeh 1897, nicht sorgfältig genug, cf. Harz-Z. 1898, 356).
von Mülverstedt, Die wüsten Dörfer Rosten u. Bösen, Gesch. -Bll. f. Magdebg.
1868, 471 f. Meyer, Wüstg. Gruba, Gruve, Grovinge, Harz-Z. 1875, 300
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542 XII Kultuiyeo^niphio um das Jahr 1650.
K. Mever, Wüßtgn. der Gfseht. Stolberg, Rofsla u. Hohnstein, mit Karte,
Harz Z.* 1871, 249—290; 1877, 111 ff. Koch, Wüstg. Riesleben im Amte
Heringen, Harz-Z. 1871, 122. Janieke, Wann ist Klein-Salbke eingegangen,
Gesch.-Bll. f. Magdeburg, 1868, 282. Jacobs, Die Wüstungen Ribbenrode
(Rimmerode) u. Nordler in der Gfseht. Wernigerode, Harz-Z. 1897, 485. Hertel,
Wüstgn. im Jerichowschen, Gesch.-Bll. f. Stadt und Land Magdeburg 34 (1899),
206 — 327. Dietrich, Die Wüstung Cyprehna bei Barby, Bl. f. Handel, Ge-
werbe u. soz. Leb., Nr. 20, 21, S. 148 f., 158 f. Gröfsler, Wüstgn. des Friesen-
feldes u. Hassegaues, Harz-Z. 1875. 335—424; hierzu Nachtrag ibid. 1878, 119
bis 231.
Ziegenmeyer, Wüstgn. im Hzgt. Braunschw. zwischen Weser u. Leine.
Z. h. V. Niedersachs. 1892, 350 ff. Dürne, Wüstungen um Braunschweig
Z. h. V. Niedersachs. 1869, 67. H. von Strombeck, Wüste Dörfer im
Braunschw. Amtsger. Vorsfelde, Z. h. V. Niedersachs. 1864, 1 ff. Ziegen-
meyer, Wüstg. Kegelhausen im Braunschw. Solling. Z. h. V. Niedersaehs.
1886, 324. II. Mommscn, Verschwundene Ortschaften, Niedersachsen HI.
S. 12 ff. Sehr oeder, Wo lag d. verscholl. Dorf Heybecke, Arch. Ver. f. Gesch.
zu Stade 1881, 91. Günther, Wüstgn. Odenhusen u. Oydeshusen, Z. h. V
Niedersachs. 1883, 280 ff. Fromme, D. wüsten Orte im Gebiete des Marsthem.
Z. h. V. Niedersaehs. 1884, 118 — 153. Plettke, Untergegangene Dörfer im
Hzgt. Bremen, Niedersachs. III, 132. Buchenau, Verschollene Dörfer im
Gebiete Bremen, Bremer Jb. 1886, 85—119, 1900, 94—114.
406. Landwirtschaft. Der grofse Krieg hatte auf <üe landwirt
sebaftliche Bodennutzung einen tiefgreifenden Einflufs gehabt. Das Aus
gehen ganzer Dorfschaften mit ihren Insassen hatte dem offenen Lande
die Arbeitskräfte entzogen, und ein grofser Teil der Acker blieb un-
bestellt. Die bedeutsamste Folge des Krieges war die Abnahme der
bebauten Fläche. Wir sind freilich nicht mehr in der Lage, die
A realgröfse des wüst gewordenen Landes zahlenmäfsig zu bestimmen,
doch mufs sie mit Rücksicht auf das nachgewiesene Eingehen so vieler
Siedelungen und die späteren Mafsnahmen einer erneuten Kultivierung
sehr beträchtlich gewesen sein. Jedenfalls liefs das freie Land weit
mehr als die Städte die Spuren des Krieges erkennen. Viele Acker
felder füllten sich mit wildwachsenden Sträuchern und fingen an sich
wieder zu bestocken. Anderseits scheint die durch die Umstände ver-
anlafste lange Zeit der Brache für die Kräftigung des Bodens nicht ohne
Vorteil gewesen zu sein, denn, er war fruchtbarer als vorher geworden,
und einige Jahre nach dem Kriege konnte der frühere Zustand wieder
hergestellt worden, wenn auch nicht in der ganzen Ausdehnung. —
Der Druck, der auf der ganzen Landwirtschaft nach dem Kriege lastete
hing noch mit anderen Faktoren zusammen. Die Gewerbe in den
Städten lagen darnieder, es fehlten die regen Wechselbeziehungen
zwischen Stadt und Land; durch die Verarmung der Bürger wurde die
Nachfrage nach den Landesprodukten geringer, die Fruchtpreise sanken
und erschwerten es dem Bauer, sich wirtschaftlich wieder aufzuraffen
Vor allem war der Viehstand zurückgegangen, die Schafzucht fast
ruiniert, so dal's die ehemals blühende Tuchfabrikation zum Stillstand
kam. So waren die wirtschaftlichen Wechselbeziehungen zwischen Stadl
und Land an vielen Orten ganz aufgehoben.
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407. Wald.
543
Der Mangel an Vieh hatte einen Mangel an Dünger zur Folge. Von
einer Wiesenkultur konnte man Abstand nehmen, denn das nötige Futter war
für das wenige Vieh sehr leicht zu beschaffen ; nur solche Länder, in denen
die Viehzucht immer schon herrschte, wie die Marschen, Österreich und überhaupt
die Alpenländer, behielten die Wiesenarbeiten bei. Mit Ausnahme von Sachsen
und Thüringen, wo die Tuchfabrikation sich zu behaupten wufste, lag vom
ganzen Norden Deutschlands der dritte Teil alles früher bebauten Landes wüst
da. Die Fürstentümer Calenberg, Grubenhagen und Göttingen besafsen der
Wüstungen so viele, dafs sich Wölfe dort einfanden ; denn Wolfsjagden kamen
in diesen Gegenden nach dem Kriege öfters vor. Die Wölfe hatten sich nach
dem Kriege besondere im Waldeckschen stark vermehrt. Sie wagten sich bis
in die Städte (so in Rhoden 1652). Auch der Bär war damals noch im Böhmer-
walde und Fichtelgebirge stark vertreten. — Im Süden Deutschlands lagen che
Verhältnisse nicht besser, zumal wie im Rheingebiet neue Kriege und Ver-
heerungen eintraten. Österreich und die Alpenländer waren in dieser Beziehung
glücklicher gewesen, da nur Niederösterreicn unter dem Kriege zu leiden hatte;
freilich waren auch sie von Truppendurchzügen, Bauernaufständen, Einwohner-
verlusten nicht verschont geblieben. Langethal, IV, 77 f., sowie 56 ff.
v. d. Goltz, I, 235 — 247, Roscher, Gesch. der Nationalökonomie in Deutsch-
land, 1874, 8. 219 ff., Erdmannsdorf er, Dt. Gesch. v. Westf. Frieden I,
104 ff.
Dafs der wirtschaftliche Betrieb (besonders auch nach der technischen
Seite hin) keine erheblichen Veränderungen und Fortschritte gegenüber den
voraufgelienden Perioden erfahren hatte, lag in den Zeitumständen, die für
solche Dinge wenig Mufse übrigließen. Gleichwohl ist zu bemerken, dafs an
verschiedenen Orten trotz der Kriegswirren auch Neukulturen vorkamen, dafs
man sieh an die Bonitierung von Natur weniger günstig beanlagter Örtlich-
keiten machte. Zu diesen gehörten die Moorgebiete im nordwestlichen Deutsch
land. Osterholz 1185 und Lilienthal 1230 sind als Klöster die ersten Siede-
lungen im Teufelsmoor bei Bremen gewesen. Bald nachher wird auch Worps-
wede genannt. Seit dem Ende des XVI. Jh. machte man von der Geest aus
in das Teufelsmoor vorstofsend Kolonisierungsversuche. zuerst 1582. Besonders
der östliche Rand des Teufelsmoores (Oberende) war in Angriff genommen
worden. Die Entwässerimg war hier sehr leicht. Bis ins XVII. Jh. wurden
die Moore nur zum Torfgraben benutzt. Erst 1633 gedachten einige Em der
Bürger den abgegrabenen Untergrund zur Kultur zu verwerten. Sie erhielten
einen Teil des Hochmoores bei Timmel in Erbpacht, gruben den Kanal, errichteten
Wohnungen and legten so den Grund zum Grofsen Fehn. Rasch folgten
andere nach: 1637 das Lübbcrs-Fehn, 1639 Hülner-Fchn, 1647 Bokzeteler-
Fehn, 1660 Neues Fehn. Auch der Kanal des Rauder- Fehns ward begonnen,
doch erst ein Jahrhundert später vollendet, Die alte Papenburg stand auf
«lern sog. Thurmwarf und war das einzige Gebäude der Gegend im Moor.
1631 erstand Dietrich von Velen, münsterscher Drost des Emslandes, das Gebiet,
und legte den Kanal an bis an das alte Haus Papenburg. Einzelne Häuser erhoben
»ich. ha Jahre 1661 waren es 15, 1674 34 Häuser. Klopp, Ostfricsl. II, 430 f.
407. Wald. Erst in dieser Periode war man zu einer rationellen
Waldwirtschaft fortgeschritten, und die vorteilhaften Wirkungen wären
noch mehr hervorgetreten, wenn sie nicht durch Kriege und Hemmnisse
anderer Art wieder stark beeinträchtigt worden wären. Eine wirkliche
Besserung war aber auch erst möglich geworden, seitdem die Landes-
herren im Besitz der Forsthoheit ihre wirtschaftlichen Mafsregeln mit
Erfolg durchsetzen konnten. Es ist begreiflich, dafs bei der gewaltigen
Ausdehnung des hier zu berücksichtigenden Gebietes die Wirkungen
nicht überall gleichmäfsig sich geltend machen konnten, dafs auch eine
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XII. Kulturgcographie um das Jahr 1650.
völlige Umkehr der Wirtschaftsverhältnisse nicht sozusagen im Hand
umdrehen zu erwarten war. Die schnelle Aufeinanderfolge der nun-
mehr erscheinenden Forstordnungen beweist, wie dringend notwendig
Abhülfe geboten war; fast alle beginnen mit Klagen über den entsetz
lieh verwahrlosten Zustand der Wälder. Die Rodungen, wie sie im
früheren Mittelalter im grofsen Stile ausgeführt worden sind, waren zwar
längst eingestellt worden, da man im XIV. und XV.. Jh. sein Augen
merk schon mehr auf die Erhaltung der Waldungen richtete; dies hin-
derte aber nicht, dafs nach wie vor gerodet wurde und gerodet werden
mufste, um den Ansprüchen der zunehmenden Bevölkerung zu genügen
Solche Eingriffe in den Wald zur Gewinnung von Kulturland geschahen
in gröfserem Umfang schliefslich noch bis in das XVIII. Jh. hinein,
aber ihre Ausführung war insoweit streng geregelt, als jede Rodung er>t
die Genehmigung des Landesherrn erfordere. Nur in den abgelegensten
schwer zugänglichen Winkeln des Hochgebirges, besonders in den Alpen
konnten Lichtungen nach Belieben noch vorgenommen werden. Ab
gesehen von den systematischen Rodungen hatte der zunehmende Holz-
konsum den Wald stark gelichtet. Jene Gebiete, in welchen Handel um!
Industrie blühten, die an grofsen Wasserstrafsen gelegen waren. un<!
namentlich solche, in welchen Bergbau und Ilüttenbetrieb grofse Hol/
massen erforderten, eilten anderen um Jahrhunderte voraus. Im all
gemeinen kann man sagen, dafs das mittlere und westliche Deutschland
bereits im XVI. Jh. jene Stufe forstlicher Kultur einnahmen, welch*
der Norden und Nordosten erst im XVIII. Jh. erreichten (Schwap-
pach 381). Der ganze Osten mufs, trotzdem auch für ihn Wahlord-
nungen in grofser Zahl erstanden, unvergleichlich viel waldreich«
gewesen sein als der Westen. Aus den preufsischen Waldungen bezoj:
die Hansa noch immer ihren grofsen Bedarf an Schiffsbauholz. Bert
bau und Hüttenbetrieb blühten dagegen mehr in Süd- und Mitteldeutsch
land und hatten eine entsprechende Schädigung des Waldes zur Folge;
da jeno eine vorzügliche Einnahmequelle bildeten, so ordnete man ihn«,
den Forstbetrieb unter. Die Waldordnung für das Erzstift Salzburg von
1524 gibt nicht nur Vorschriften über die Nutzung der landesherrlichen
Waldungen, sondern schreibt auch Privaten den Absatz des Holzes im
Interesse dos Bergbaues und der Salzsiedereien genau vor. Der Ein
Hufs, den der Dreifsigjährige Krieg auf den Zustand der Wälder au-
geübt hat, wird von den Forschern sehr verschiedenartig beurteilt ; bah"
sieht man in ihm die vornehmliche Ursache des weiteren Niedergange-
der Waldwirtschaft, bald will man in ihm eine vorteilhafte Schonzeil
herauserkennen. Jedenfalls hat sich der Krieg in den einzelnen Ge-
bieten, was die Wähler anbelangt, in sehr verschiedenem Mafse bemerk
bar gemacht, und auch die Länge der Zeit, während deren die Kriege
furie wütete, mufs hierbei Berücksichtigung finden. Für das sonst holz
reiche Münsterland ist er sehr verhängnisvoll geworden; auch das mittlere
Emsgebiet zwischen Rheine und Meppen mufs damals die empfindlichst*
Einbufse erfahren haben, die auch heute noch nicht gehoben ist. Fälle
dieser Art Uelsen sich in stattlicher Zahl zusammenstellen. Oft mufsten
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407. Wald.
545
die Landbewohner mit ihrer Habe vor den sengenden und mordenden
Soldatenhorden in die Waldesdickichte flüchten, die sie durch lange
dauernden Aufenthalt natürlich verwüsteten; auch der Verbrauch des
Holzes seitens des Militärs sowie die drückenden Kriegskontributionen,
die meist durch den Ertrag der Waldungen gedeckt wurden, trugen das
Ihrige dazu bei. Auf der anderen Seite wird hinwiederum die gute Ver-
fassung des Waldes vor und nach dem Dreifsigjährigen Kriege hervor-
gehoben. Über die GröTse des Holzvorrates vor dem Kriege geben uns
freilich die Quellen keinen direkten Aufschlufs; aber eine übergrofse .
Ausnutzung war wegen des Mangels an Transportwegen (mit Ausnahme
der Wasserläufe) nicht vorhanden (Enders, S. 105, 138). Ja, während
des Krieges mufs der Wald in einzelnen Landschaften an Areal und
Holzmasse gewonnen haben, da die Bevölkerung an Zahl abgenommen
hatte und die Wüstungen sich in Wald verwandeln konnten. Roscher
sagt: >Es ist charakteristisch, wenn der Grofse Kurfürst durch Verord-
nungen von 1663 und 1664 wieder eine Politik des Waldrodens und
der Waldkolonisation einschärfen mufste, während vor dem Kriege in
vielen Teilen Deutschlands Symptome drückender Holzteuorung Vor-
gekommen waren.«
Was die Neubewaldung abgeholzter Stellen anbelangt, so überliefs
man sie meist der Natur. Höchstens liefs man einzelne Samenbäume
zurück, die in kürzester Zeit rings um sich her einen neuen Baum-
anflug schufen; da vereinzelte Bäume aber durch Stürme immer sehr
gefährdet waren, so schritt man auch zum Überhalt ganzer Horste, die
teils zur Wiederbesamung, teils als Windschutz dienen sollten. An
anderen Orten befolgte man wieder andere Systeme. Besonders die
Verjüngung des Nadolwaldes überliefs man sich selbst. Doch war künst-
liche Verjüngung durch Saat nicht ausgeschlossen, wie dies auch in der
vorhergehenden Periode schon beobachtet werden konnte, und besonders
in Süddeutschland wurde sie ausgeübt. Am Ende des XVI. Jh. wurden
auch in Schleswig-Holstein die ersten Nadelholzkulturen angelegt. Beim
Laubholz gestaltete sich die Verjüngung günstiger, da auch die zurück-
bleibenden Stöcke von neuem ausschlagen konnten und überhaupt kürzere
l Tmtriebszeiten ermöglicht wurden. Nebenbei wurde aber durch Saat
und Pflanzung auch die künstliche Verjüngung besonders von Eichen
eifrig betrieben.
über die Quellen orientieren Schwappach, S. 280 ff., und Roth,
S. 397 ff. Am wichtigsten sind hier die Forst- oder Waldordnungen der ver-
schiedenen Landesherren ; schon im XVI. Jh. treten sie in grofser Fülle auf.
Roth, S. 400 — 457, bespricht einen grofsen Teil von ihnen und gibt S. 397 ein
Verzeichnis der wichtigeren vom XVI. Jh. an. Sammlungeiuvon Forstordnungen
sind: das Corpus juris Venatorio-forestalis tripertitum . . . editum opere et
studio Ahasveri Fritschii, Jena 1676 (2. Aufl., Leipzig 1702). Müllenkampf.
Sammlung der Forst- und Jagdordnungen verschiedener Länder, 2 Tie., 1791,
1796. — Forstarchiv zur Erweiterung der Forst- und Jagdwissenschaft und
der Forst- und Jagdliteratur, hcrgb. von Moser, 17 Bde., Ulm 1788—1796; Fort-
setzung von Gatterer, Neues Forstarchiv, 1796 — 1807. — Behlen und Laurop,
Systematische Sammlung der Forst- und Jagdgesetze deutscher Bundesstaaten
von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, 4 Bde. (enthaltend Baden, Nassau.
Kretschmer, Historische Geographie. 35
v -.' i V i -" ii "iM-ini* i - 1
546
XII. Kulturgeographie um da» Jahr 1650.
Raiern), 1827 ff. Eine erneute Durcharbeitung der Forstordnungen würde au«'n
viele geographisch interessante Einzelheiten zu Tage fördern. Über Polizei
Ordnungen, \Veistümcr, Waldbeschreibungen, Waldbesichtigungsprotokolle vgl
Schwappach, L c. — Die älteste unter den erhaltenen Forstordnungen ist die
des Erzbisehofs Matthäus Lang in Salzburg von 1524 und für Brandenburg
> unterhalb des Gebürgs* (Ansbach) von 1531.
Die Hauptnutzungen im Walde waren im XV. und XVI. Jh. unbedingt
das Holz und die Mast. Alle anderen Nutzungen waren nebensächlich. Auch
die Zeidelweide, die im XIH. und XIV. Jh. Gegenstand der Verpfändung eint>
ganzen Waldkomplexes war (Nürnberger Reichswald), war nicht mehr Haupt
nutzung. Enders, Waldbenutzung, 8. 114.
408. Bergbau. Während dieser Periode war das Bergwesen in
seiner Entwickelung rüstig fortgeschritten und durch Wiederaufnahm^
älterer Bergbaubezirke auch zu weiterer Entfaltung und Blüte gelangt
Die Drangsale des Krieges hatten ihr aber mannigfachen Abbruch
getan, so dafs der Bergbau sich gerade am Schlufs dieses Zeitraum*
nicht im glänzendsten Lichte zeigt.
Der Erzbergbau im Oberharz läfst sich in seinen Anfängen bis in
das XIII. Jh. zurück verfolgen; die Pest des Jahres 1348 brachte ihn
aber zu völligem Erliegen. Erst im XVI. Jh. sollte er wieder auf
genommen werden, so dafs auch die Besiedelung des inneren Harzt*
eine Förderung erfuhr und ein ganze Reihe von Bergstädten in kür
zester Zeit erstand. Wie hier, so war auch in sächsischen Landen da<
Berg- und Hüttenwesen nach einem vorübergehenden Rückgange wieder
lebhaft in Gang gekommen. Zahlreiche Erfindungen und Vernes^
rungen im technischen Betriebe, wie die Bohr- und Schiefsarbeit, die
Erzgewinnung durch Firstenbau, die Hundebeförderung in den Strecken
Markscheiden mit dem Hängekompafs u. a., legen hierfür Zeugnis ar
Von den böhmischen Bergwerken hatten einige sich auf der Höhe wohl
gehalten, während andere im Niedergang begriffen den Betrieb auoh
während des Krieges noch aufrechterhielten und wieder andere gan;
aufgelassen wurden, wie unten näher gezeigt ist. Den nachteiligsten
Einflufs hat der Krieg auf die schlesischen Bergwerke ausgeübt. Ein
Teil der Bergleute war ausgewandert, Mangel an Geld, an Arbeitern
und technisch geschulten Bergmeistern machte sich überall gelten!
Aber trotzdem war der Abbau nur an einigen Stellen zum völligen Er
liegen gekommen. Ähnlich lagen die Verhältnisse in den meisten deut-
schen Länderen damals.
Unter Herzog Julius von Rraunschweig nahm das Berg- und Hütten
wegen am Harz einen kräftigen Fortgang. Neue Gruben wurden angelegt uni
der Ertrag um 20 (XX) Taler erhöht. Nach Anfang des XVH. Jh. wurden au'
einer Zeche der Harzbergwerke etwa 2000— 0000 Zentner Erze gefördert. Wann
Klausthals Gruben geöffnet wurden, ist unbekannt; vor der Mitte des XVI. JL
waren sie jedenfalls noch nicht sehr bedeutend. Erst 1554 scheinen sie wieder
aufgenommen worden zu sein. Ebenso kam Zellerfeld empor und Lautenthai
Die Bergordnung Herzog Heinrichs von 1553 betrifft die Fürstlichen Bergwerk-
von Grund, Wildeinann, Zellerfeld, Lautenthal und die übrigen Silber-, Bki-
und Kupferbergwerke im Gebirge. Auch Lauterberg war bereits im XVI. Jh
bekannt. Altenau ist ziemlich spät aufgekommen; 1593 wurden dort Eisen
Silber-, Blei- und Kupfergruben aufgenommen. 1617 wurde der Ort zur Stadt
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408. Borgbau.
547
erhoben. Sehr schwer ist das Alter der anderen Harzbergwerke zu bestimmen.
Kaum bis über das Ende des XIII. Jh. rückwärts lassen sich Spuren nach-
weisen. Erst im XVI. Jh. gewinnt er hier eine gröfsere Ausdehnung, und im
XVII. Jh. steht er in voller Blüte. — Auch der Bergbau zu Ilmenau blühte
schon im XVI. Jh. ; 1564 wurden an 24 Zentner Kupfer wöchentlich gewonnen
und aus jedem Zentner 24 Lot Silber. Doch blieb das Bergwerk bald liegen.
Seit 1550 hatte der Mansfelder Bergbau mit Schwierigkeiten zu kämpfen
gehabt. Unter den Bergleuten brachen seit 1526 wegen fehlender Löhnung
wiederholt Streiks aus. 1564 geriet er momentan ganz ins Stocken; 1570 wurden
die Bergwerke von den Lehnsherren (Erzbischof von Magdeburg und Kurfürst von
Sachsen) sequestriert. Letzterer übernahm ganz die Leitung. Nach 1609 blühte
er wieder auf, um bald wieder zurückzugehen, wozu auch der Krieg beitrug.
1648 waren nur noch 20 Bergleute zugegen. Vgl. Gröfsler, S. 16, 18—20.
Zu Altenberg waren bis 1645 51 Zechen auf Zinn im Gange, trotz furcht-
barer Katastrophen durch Einstürze. Nach einem zeitgenössischen Verzeich-
nisse wurden in den Bergwerken von Freiberg und der Nachbarschaft von
1542 — 1616 jährlich an 80 Zentner Silber und bis an 1000 Zentner Kupfer
gewonnen. Schneeberg war noch immer eine der reichsten Silberstätten, wo
auch auf Kobalt und Wismut gebaut wurde. Doch liefs der Ertrag im XVII. Jh.
sehr erheblich nach, nur jener des Kobalts stieg. In Dippoldiswalde wurde
immer noch eifrig auf Silber, Kupfer, Blei und Zinn gebaut; von 1547 — 1708
waren 118 Zechen im Gange. Die Bergwerke bei Marienberg nahmen im
XVII. Jh. an Ausbeute ab. Am Ende des XVI. Jh. waren bei Chemnitz neue
< Jruben auf Silber geschürft worden. Doch geriet nachher der Bergbau wieder
in Verfall. Auch aas Bergwerk zu Annaberg stand noch in voller Blüte, wenn
es auch später nachliefs. Man hat die Ausbeute von 1492 — 1577 auf 3695000 Taler
berechnet. Im XVI. Jh. war der Bergbau zu Gever ein sehr lebhafter, besonders
auf Silber, Kupfer und Zinn. Vgl. Gmelin, S.*279, 291, 298, 331 ff., 358. fc»
Böhmen war noch immer eines der bergbautätigsten Länder. Die Erfolge
waren freilich an den einzelnen Orten sehr verschieden, und die politischen
Ereignisse trugen an dem Niedergang einiger mit bei. Bergreichenstein hatte
mit seinen Goldbergwerken sehr gewonnen, so dafs es 1584 zur Bergstadt
erhoben wurde. Dagegen hatte das Werk zu Eule nicht wieder die alte Blüte
erreicht. Unter den Silberbergwerken hatten die Budweiser eingebüfst ; im
ersten Viertel des XVII. Jh. wurden sie aufgelassen. Die Joachimsthaler hatten
durch den Krieg gelitten, der die Grubenhäuser zerstörte und die nichtkatholi-
schen Arbeiter vertrieben hatte, so dafs sie fast ganz zum Erliegen kamen. In
Kuttenberg hatten es die Kaiser nicht fehlen lassen, den gesunkenen Silber-
bergbau wieder in Gang zu bringen, doch ohne grofsen Erfolg. Nikiasberg
war durch den Krieg in Verfall geraten, doch nicht ganz aufgelassen worden.
Zu Pribram wurden in der Zeit von 1553—1574 jährlich an 463 Mark Silber
gewonnen. Die Stadtgemeinde selbst war seit 1579 an dem Bergwerk beteiligt.
Doch der Bau war etwas zurückgegangen, er wurde aber trotz des Krieges von
der Stadt immer aufrechterhalten. Auch in Ratiboritz ist eifrig fortgebaut
worden mit freilich nicht immer gleichem Erfolg. Schlaggenwald blühte noch •
als Zinnbergwerk; 1557 — 1559 wurden an 22 300 Zentner gewonnen, ebenso in
Schönfeld und Lauterbach. Zinnwald war 1564 eröffnet worden. Doch brachte
auch hier der Dreifsigjährige Krieg das Werk zum Erliegen. In Graslitz stand
im XVI. Jh. der Kupferbergbau noch in voller Blüte. Über 2000 Bergleute
waren dort beschäftigt. Das Religionsedikt Ferdinands II., das die meist
lutherischen Arbeiter vertrieb, brachte den Bergbau aber fast ganz zum Verfall.
Vgl. Schmidt, a. a. O. 164 ff. bis 225.
In Giehren wurde im XVII. Jh. der Zinnbergbau erweitert betrieben;
von mehreren Zechen daselbst wird berichtet. Der Gablauer Metallbergbau
beansprucht ein höheres Alter, doch erst 1559 ist der Versuch einer Wieder-
aufnahme gemacht worden. Mit wechselndem Erfolge war gebaut worden, bis
der Betrieb 1610 zum Erliegen kam. Der Bergbau bei Gottesberg hatte gute
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548
XII. Kulturgeographie um das Jahr 1650.
Fortschritte gemacht, und kurz vor Anfang des Dreifsigjährigen Krieges lieferten
die Werke an 120 Zentner Silber an die Breslauer Münze. Nachher ging auch
er zurück.
Das Silber- und Bleibergwerk zu Tarnowitz war im weiteren Aufschwung
begriffen (bis zum Jahre 1563). Schwierigkeiten bewirkten freilich das Wasser
und das kaiserliche Verbot der Silberausfuhr, doch wurde er mit wechselndem
Glück weiterbetrieben (bis 1608). Der Krieg wirkte sehr ungünstig ein; bis
1628 nahm er bis zum fast völligen Verfall ab, und dies blieb so bis zum
Schluls des Krieges.
Im XVI. Jh. waren die Quecksilbergruben von Stahlberg in der Pfalz,
von Landsberg und Kreuznach in Betrieb, desgleichen ein Silberbergwerk bei
Birkenfeld, ein Kupferbergwerk bei Herstein unweit Trarbach und mehrere
Bleigruben bei letzterem Orte. 1566 erhielten die Grafen von Sayn die Freiheit
auf Silberbergbau. Auch die Pfälzer Bergwerke bei Trarbach sind schon im
XVI. Jh. im Gange gewesen. Vgl. Gmelin, S. 157 f.
Der ehemals vermutlich nicht unergiebige Bergbau in der Oberpfalz war
im XVI. Jh. sehr im Verfall. Auch Agricola berichtet, dafs zu seiner Zeit die
Gruben bei Amberg ganz eingegangen seien. Doch Kurfürst Max I. suchte
die Eisenbergwerke bei Amberg wieder zu heben imd liefe auch an anderen
Stellen Versuche vornehmen. Gmelin, S. 396 ff. Zu Wiesenthal am Fiehtel
berg hatte der Betrieb niemals stillgestanden. Einige 80 Zechen waren dort im
Gange (Silber). Bei Goldkronach wurden 1577—1578 an 20 Mark reinen Goldes
Ausbeute gewonnen. Vgl. Gmelin, S. 361. In der ersten Hälfte des XVII. Jh.
wird der bedeutendste Eisensteinbergbau im Waldeckschen am Winsenberge bei
Adorf betrieben. Bei Twiste und Rhoden wurden 1568 Bergwerke auf Kupfer
angelegt. Auch sonst waren im Waldeckschen viele Kupferbergwerke, zu Sachsen-
hausen, Ense, Nordenbeck, Goddelsheim u. a. m., in Betrieb. Vgl. Curtze,
Waldeck, S. 77. Auch die Goldgewinnung in der Eder spielte immer noch
eine Rolle. 1600 hatten che Einwohner des Dorfes Affoldern so viel Gold
gewaschen, dals sie kurz (he »Sandwäseher« genannt wurden. Seit 1645 fand
ein ziemlich starker Betrieb statt. Dagegen war der Goldbergbau bei Corbach
seit 1600 nicht mehr in Betrieb. Vgl. Curtze, S. 69. Tirol war auch im XVI.
und XVII. Jh. noch immer reich an Silber und trug viel zu einer allgemeinen
Münzverbesserung bei. 1568 werden Goldseifen an der Sill und am Werer
bache genannt. Auch zu Toblach und Innichen wurde gebaut. Das Bergwerk
am Falkenstein bei Schwaz .freilich hatte seit Mitte des XVI. Jh. schon
abgenommen und noch mehr im XVII. Jh. Der Goldbergbau scheint auch
im XVI. Jh. im Erzstift Salzburg noch immer beträchtlich gewesen zu sein, wie
die Bergwerksordnung von 1532 zeigt, besonders in Gastein, Rauris, im Brixener
Tal, im unteren und oberen Pinzgau, zu Rastaut, Ramingstein und im Lungau.
Vgl. Gmelin, S. 227 ff., 165 f.
409. Verkehr. Die jeweilige Bedeutung der Verkehrsstrafsen in
Mitteleuropa steht in engsten Beziehungen zu den Bedürfnissen de?
Handels. Die veränderte Konstellation im Welthandelsbetrieb macht«
sich nunmehr unverkennbar geltend. Der Verkehr über die Alpenpäss*-
gowTann ein anderes Aussehen und liefs jedenfalls nach, was zunächst
die oberdeutschen Städte verspürten, wogegen die Zufahrtstrafsen von
der See aus und besonders die Seehandelsplätze eine höhere und in
vielen Beziehungen auch andere Bedeutung als früher gewannen. Wie
bei den niederländischen Häfen, so läfst sich dies auch bei den deutschen
im einzelnen nachweisen. — Im Binnenlande machte sich der dorm-
ni^reride Einflufs einzelner Handelsmittelpunkte geltend, und die gesamt*
litung des Verkehrs wurde durch sie vornehmlich bestimmt. Indessen
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409.. Verkehr. 549
kam hierbei nicht allein der Gütertransport in Frage, sondern auch der
Personenverkehr und die im diplomatischen Interesse liegende schnellere
Nach richten beförderung wirkten mit ein. Insbesondere gilt dies von der
letzteren, wie die ersten Anfänge von Posteinrichtungen es zeigen, die
sogar bis in das XVI. Jh. zurückreichen. Die Überwindung grofser
Entfernungen in kürzester Zeit und auf leichteste Art erfolgte im An-
sehlufs an eine auf Erfahrung begründete Ausnutzung der Terrain- und
Lageverhaltnisse der Örtlichkeiten sowie in Rücksicht auf die zwischen-
liegenden wichtigeren Städte, die nötigenfalls berührt werden sollten.
Hiermit steht die Benutzung bestimmt vorgezeichneter Poststrafsen
in Verbindung, die allen anderen Landstrafsen gegenüber eine erhöhte
Bedeutung gewinnen mufsten; ihre volle Ausbildung für Personen-,
Brief- und Stückgutbeförderung fällt freilich erst in das XVIII. Jh. —
Der immer mehr zunehmende Transport von Maasengütern im Binnen-
lande bedingte auch eine Ausnutzung des von Natur geschaffenen Wasser-
.strafsennetzes, welches aber erst durch Verbesserung des Fahrwassers
und künstliche Verbindung der natürlichen Wasserwege den gesteigerten
Anforderungen entsprechend praktikabel gemacht werden mufste. Die
Anlage zahlreicher Kanäle in dieser Zeit und zumeist im norddeutschen
Tieflande legt hiervon Zeugnis ab. — Dafs der Dreifsigjährige Krieg
eine Verzögerung und zeitweiligen Stillstand aller dieser Bestrebungen
hervorrief, ist nach dem weiter oben Dargelegten begreiflich.
Grofse, politisch zusammenhängende Territorialgebiete begünstigten gewisse
Strafsenzüge. So hatten die habsburgisehen Lande ihre besonderen Verkehrs-
linien, und innerhalb der Hohenzollernländer läfst sich Ähnliches beobachten.
Im wesentlichen waren aber doch immer die Handelsbeziehungen mafsgebend
gewesen. Besonders Hamburg gewinnt mehr und mehr eine einzigartige
Stellung, wichtige Strafsenzüge nehmen in dieser Stadt ihren Anfang. Andere
Städte des Binnenlandes (wie Frankfurt a. M. und Leipzig) konzentrieren die
Handelsprodukte in ihren Plätzen, um sie dann wieder nach den lokalen Absatz-
plätzen zu vertreiben. Näheres hierüber s. bei Götz, Verkehrswege, S. 727,
und besonders Heller, Die Handelswege InnerOeuteehlands im XVI., XVII.
und XV IH. Jh. und ihre Beziehungen zu Leipzig, Dresden 1884. Hasse,
Osch, der Leipziger Messen, Lpz. 1885. Ehren berg, Hamburger Handel
und Handelspolitik im XVI. Jh., 1885. — Hamburg und Antwerpen seit
300 Jahren, Hambg. 1889. Baase h, Hamburgs Seeschiffahrt und Waren-
handel vom Ende des XVI. bis Mitte des XVH. Jh., in Z. f. Hamburg. Gesch.,
1893. Sc h wecken dick, Beiträge zur Gesch. von Emdens Handel und Schiff-
fahrt, in Bmder Jahrb. I, 3, 33—69 (1874); — Zur Gesch. von Emdens Handel
und Schiffahrt, ibid. VI, 1, 85—106, sowie VII, 1, 1 — 18. M.Mayer, Baierns
Handel im Mittelalter und in der Neuzeit, München 1893 (eine kurze Skizze).
Zirngibl, Gesch. des haierischen Handels, München 1817. Kurz, Österreichs
Handel in älteren Zeiten, Linz 1822. Geering. Handel und Industrie der
Stadt Basel (bis zum Ende des XVII. Jh.), Basel 1886.
Anfänge zu Korrektionen der Wasserverbindungen mit Hilfe von Kanälen
liegen schon aus ziemlich früher Zeit vor. So hatte Herzog Magnus von
Sachscn-Lauenburg schon 1542 einen Kanal aus dem Bederkesaer See in die
Weser leiten wollen : er kam aber nicht zur Ausführung (Hudorf f, Zur Gesch.
des Geestekanals, in Archiv f. Gesch. von Bremen, Verden, I^auenbg. zu Stade I
1862), S. 32). Im Jahre 1608 tauchte der Plan auf, zwischen Weser und Elbe
im Anschlufs an die Geeste einen Handelskanal anzulegen, der gleichfalls
unausgeführt blieb (Rudorff, S. 33). — Der Finow-Kanal wurde anfangs des
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XU. Kulturgeographie um da» Jahr 1650.
XVII. Jh. unter Joachim Friedrich angelegt, im Dreifsigjährigen Kriege alter
zerstört und erst unter Friedrich d. Gr. wiederhergestellt Berghaus, Landb. I.
446. — Der erste Gedanke zu dem sog. Fried ric h-Wiihel m s- Kanal
wurde 1556 von Kaiser Ferdinand I. (damals Besitzer der Lausitz) und Kurfürst
Joachim II. gefafst. Auf Grund einer Vereinbarung sollte der Kaiser die Streck?
Spree — Müllrose und der Kurfürst jene von Müllrose bis zur Oder bauen; aber
nur der kaiserliche Teil wurde hergestellt. Der Grofee Kurfürst nahm den
Plan später wieder auf und führte ihn 1662 — 1668 vollständig durch ; 1669 fuhr
das erste Schill hindurch. Ausführliche Beschreibung bei Berghaus, Ldb. II,
173 — 184. — Eine Kanalanlage: Elbe— Eide — Stör — Schweriner See — Wismar
wurde 1568 vom Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg begonnen. Um
Brandenbutger Gebiet zu vermeiden, wurde die Neue Eide mit 10 Schleusen
gegraben und bis 1573 vollendet; das Kanalstück Schwerin — Wismar war bis
1572 fertig geworden. Doch war die Benutzung dieser Wasserstralse nie sehr
bedeutend und im Dreifsigjährigen Kriege verfiel sie. - Der Verkehr auf vielen
Flüssen war dadurch sehr erschwert, dafs sich die anliegenden Territorien und
Städte betreffs einer Regulierung nicht einigen konnten. So lag es bei der
Oder zwischen Breslau und Frankfurt. Die Regulierimg der oberen Oder hatte
keinen Zweck, wenn die Passage bei Frankfurt nicht frei war. — Sehr viel
empfindlichere Hindernisse lagen bei anderen Flüssen, wie dem Rhein bei
Bingen, vor. Im XV. Jh. machten die rheinischen Kurfürsten gemeinschaft-
liche Versuche zur Freilegung einer Fahrstrafse; 1517 mufs die Felsenöffnung
schon sehr bedeutend gewesen sein. Im XVI. Jh. wurde zuerst mit Pulver
gesprengt; Ende des XVII. Jh. konnten die gröfsten Holzflöfse passieren.
Quetsch, Gesch. d. Verkehrswesens am Mittelrnein, 1891, S. 9. Im übrigen
vgl. noch Gothein, Zur Gesch. der Rheinschiffahrt, in Westdt. Z. 1895,
231—256. Graff, Die Rhein-Seeschiffahrt, Cöln 1890 (enthält einiges). Ecker
mann, Kanalprojekt von 1629, Z. Ges. f. Schlesw. Holst. Gesch. 25, 15—22.
Gruber, Die Bedeutung der Isar als Verkehrsstrafse. Progr. Handelsschule
München 1890. Wutke, Die schlesische OderschifTahrt in vorpreufsischer
Zeit, in Cod. dipl. Siles. XVII (1896), Urkunden und Aktenstücke.
XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
410. Das Reichsgebiet. Im Westfälischen Frieden hatte das Reich
erhebliche Verluste im Westen erfahren. Frankreich hatte die Supre-
matie über das Elsafs gewonnen, 1681 sich in den Besitz von Strafsburg
gesetzt und 1697 im Frieden von Ryswik die Bestätigung zu seinen Er-
oberungen erhalten. Auch die Herzogtümer Bar und Lothringen waren
ihm 1766 zugefallen. Im NW. hatte sich die Republik der Vereinigten
Niederlande konstituiert und vom Reiche losgerissen, und im Süden
hatte die Schweizerische Eidgenossenschaft dieselbe Stellung errungen.
— Im Osten war eine Gebietsvergröfserung erfolgt, freilich nicht zu
Gunsten des Reiches, sondern vornehmlich des Königreichs Preufsen;
letzteres war seit 1618 im Besitz de* Herzogtums Preufsen als eines
polnischen Lehens. Der Friede von Oliva (1660) befreite es aber end-
gültig von dieser Lehensherrschaft. Noch bedeutsamer für Preufsen war
aber der Erwerb der schlesischen Herzogtümer, die im Berliner Frieden
1742 vom Reiche, mit welchem sie bis dahin auch nur mittelbar durch
die Krone Böhmen verbunden waren, losgerissen wurden.
Mit Ausnahme von Böhmen, Mahren, Schlesien und dem Herzogtum
Preufsen waren alle Territorien auf die genannten zehn Reichskreise verteilt.
Das Reich setzte sich aus den reichsständischen Territorien zusammen, die aus
Kurfürstentümern, Fürstentümern und nicht gefürsteten Territorien sowie den
Reichsstädten bestanden , ferner aus reichsunmittelbaren Herrschaften , aber
ohne Reichsstandschaft, und den sog. Rczefsherrschaften, in denen der frühere
Landesherr seine Rechte nüt Vorbehalt an einen benachbarten Fürsten ab-
getreten hatte (Schröder, Lehrb. d. dt. R., S. 824 f.). Von den vielen hundert
Territorien war eins ein Königreich, ein zweites ein Erzherzogtum, die anderen
unterstanden geistlichen Herren als Erzbistümer, Bistümer, Abteien, Propsteien
oder weltlichen Herren als Herzogtümer, Markgrafschaften, Fürstentümer, Land-
grafschaften, von denen aber nur einige die fürstliehe Würde hatten; sodann
als gefürstete Grafschaften, einfache Grafschaften, freie Reichsstädte mit republi-
kanischer Verfassung und Reiehsdörfer. Im ganzen gab es damals an 1800 Sou-
veräne, von denen 314 reichsständische und 1475 reichsritterschaftliche waren.
— Über die Territorien und ihre. Stellung /.um Reieli vgl. Schröder a. a. 0.,
wo auch weitere Literatur im allgemeinen wie für einzelne Landschaften gegeben
ist. Für geographische Zwecke dient Anton Friedr. B ü s c h i n gs Erdbesehreibung,
Hamburg 1787 ff., besonders R<1. 5 — 10, und H. Berghaus, Deutschland vor
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352 Politische Geographie um da» Jahr 1770
100 Jahren, Leipz. lr*W, 2 Bde. (ist im vv» sentliehen ein Auszug aus Büschin^:.
z. T. nut wörtlicher Anlehnung, weiren der kürzeren Fassung aln-r sehr brauchbar
411. Land«n*afoefamft He»Hen-Kii8M?l. Das hesisseh-Kasselsche Terri-
torium war in zw< i Teile geschieden, von denen Wilhelm VI. nach der
Regen tsrhaft meiner Mutter Amalie Elisabeth seit 1650 den Hauptteil
'1» * Landes regierte, wahrend der Rothenburger Quart i Rothenburg. Esch-
wege. Rheinfels) als Apanage im Besitz von Nebenlinien war (s. S. 508).
Daa Britischen der Hanauer Grafenfamilie I73*i brachte auf Grund eine»
Erb vertrant s von 1K4."> noch einen gjöiseren Zuwachs des Landes: in
der Grafschaft Hanau Münzenberg is. 6. 510).
Die Lan dura f schalt Hessen-Kassel wunle in fünf Flufsdistrikn-
geteilt: 1. Landschaft au der Fulda mit der Haupt- und Residenzstadt
Kassel und den Ämtern Bau na. Alma, Naustadt, Lichtenau. Spangenberg, Mel
suntren, Friedewaid und 41 adeli^n < "richten. — 2. Landschaft an der
Werra mit den Ämtern Vach und Allendorf und 21 adligen Gerichten. —
.". Landschaft an der Di^m^l mit den .Vmtern Grebenstein, Sababurg.
Helmershausen. Trendelburg, H« »fgeismar. Zierenberg, Wolfhagen um! 19 (*••■
richten. 4. Landschaft an der Schwalm mit den -Vmtern Gudensberg.
Felsberg. Hombi-m und Borkeu ; >üe ehemalige Grafschaft Ziegenhain mit den
Ämtern Ziegenhain. Sehonstein. N< ukin h»-n und Ober Aula mit 31 Gerichten.
5. Landschaft an der Lahn mit den Ämtern Marburg, Kirchhain.
Rauschenherg und Wetter und 25 Gerichten — 6. Zu keinem der Flufsdistrikte
gehörten die Ämter Rosenthal. < iemünden an der Wohra. Frankenbelg und
Haina.
Der R < » t h e n b u r e e r Q u a r t umfaßte das Amt Rothenburg, Sontra, Gan
erbschaft Treffurt ein Drittel von dieser neben Kurmainz und Kursachsen),
die Ämter Wanfried, Ewhwege, Ludwigstein und Xeuen-4 deichen mit Vier Herr-
schaft Please in hraunschweigischeni Gebiet seit 1571 hessisch \ Hierzu gehörten
ferner die niedere (irafeehaft Katzenelnbogen mit den drei Ämtern Rheinfels
mit der Hauptstadt St. <i«>ar. Reichenberg mit Nastätten und Hohenstein mit
Langenschwalbach und Schlangenbad sowie die Hälfte des Vierherrenlandes
i-lie andere Hälfte gehörte den Nassauer Grafenlinien). Das Vierherrenland,
cm Stück des ehemaligen Einrieh, bestand aus neun Kirchspielen: Marienfels,
Kachheim, Dornholzhausen. Singhofen. Kirdorf. Obertiefenbach. Weyer, Ober-
waimenbaeh und Altenberg.
Die Grafschaft Hanau-Münzenherg mit den Ämtern Bücherthal.
Windecken, rVmibriinerberg. Rodheim. Dorheim, Ortenberg, Steinau und
S< hl'icbt. rn. Ftrandentfein und Schwarzenfels, Bibergrund, Lohrhaupten, Alten-
h-iMau. Bah* •nhauser» s Hes^en-Darmstadt\ ein Viertel von Sehlofs mid Stadt
bVneck und die ehemalige Reichsstadt (Gelnhausen.
Das Fürstentum 'ehemalige AbteD Hersfeld mit den Ämtern Nieder
,\ da, Geifi« Hauneek. Lindeek. Kreuzberg und Frauensee. — Die Hälfte der
f't ra f "fth A f t S e h a u p n b u r g mit Rinteln. Bodenkirchen und Teil von Sachsen
hager». Auch die Ämter Uchte. Frendenberg und Auburg; eretere beiden in
d» r Grafschaft H"\a gelegen seit 15*2 hessisch, letzteres in der Grafschaft
Diepholz, it, 15*5 hessisch. Die Herrschaft Schmalkalden mit den
A intern Schmalkalden und Hallenberg und den Vogteien Herrenbreitungen.
Barch feld und Brotwle.
412. Landirrafschaft Hessen-Darmstadt. Unter den Nachfolgern
Georgs FL (t l^ol; wurde der Landbesitz beträchtlich vermehrt. Der
bedeutendste Krwerb war derjenige der Grafschaft Hanau-Lichtenberg.
d< ( o -chleclit münnliehcrscits 1736 ausgestorben war und nunmehr
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413. Fürstentum Nassau. 553
durch Erbheirat an Ludwig VIII. von Darmstadt kam, allerdings erst
nach einem längeren Erbschaftsstreit mit Hessen-Kassel.
Ludwig VI. (1661—1678) erwarb durch Kauf die zweite Hälfte von Eber-
stadt (die andere hatte sein Vater erworben), da-« Sehlofs Frankenstein und die
Dörfer Ober-Beerbach , Nieder-Beerbaeh , Schmal-Beerbach, Allertshofen und
Stettbach, — durch Tausch: ein Achtel von Umstadt (mit Kurpfalz gemein-
schaftlich). — Ernst Ludwig (1678—1739) erwarb 1708 ein zweites Achtel
von Umstadt. Von den Grafen von Erbach kaufte er 1714 das Amt Seeheim
und Tannenberg mit Bickenbach, Jugenheim. Seeheim, Malchen, Balkhausen,
Staffel, Quattelbach, Wurzelbach, Beedenkirchen, — und von der Familie
Wallbrunn mehrere Orte: Ernsthofen, Asbach, Hoxhohl, Klein- Bieberau, Neutsch
und Hartenau. Unter Ludwig VIII. (f 1768) kam Hanau-Lichtenberg an das
Haus, da jener mit Charlotte, der einzigen Tochter des letzten Grafen Johann
Reinhard, vermählt war. Es gehörten hierzu die Ämter Lichtenau und Will-
stett auf dem rechten Rheinufer; auf dem linken da4* Amt Lemberg mit
Pirmasens und die unter französischer Oberhoheit stehenden Ämter Buchs-
weiler, Brumath, Hatten, Ingweiler, Neuweiler, Kuzenhausen, Pfaffenhofen,
Offendorf, Westhofen, WolHsheim und Wörth. Über Babenhausen entstand ein
Streit mit Hessen-Kassel, nach dem 1771 Darmstadt das Amt Schafheim erhielt.
Der gesamte Territorialbestand der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt um-
fafste zwei Regierungsbezirke: Giefsen und Darmstadt. I. Giefsen (aus Ober-
hessen, der Grafschaft Nidda und Herrschaft Itter bestehend) umfafste das
Oberamt Giefsen, die Ämter Allendorf, Grünberg, Burggemünde, Homburg a. Ohm,
Alsfeld, Grebenau, Stadt Lauterbaeh, Ämter Ulrichstein, Schotten, Nidda, Storni-
fels, Lisberg. Bingenheini, Sehlofs Peterweil, Ämter Kofsbacb, Butzbach, Klee-
borg, Hüttenberg, Königsberg, Blankenstein, Biedenkopf, den Grund Breidenbach,
Amt Battenberg und Amt Itter. Aufserdem mehrere adlige Gerichte und Güter. —
2. Darm Stadt (aus der oberen Grafschaft Katzenelnbogen und dem Anteil
der Grafschaft Eppstein bestehend) umfafste die Ämter Darmstadt. Kelsterbach.
Rüsselsheim, Dornberg, Jägersburg, Zwingenberg und Lichtenberg, die Gemein-
schaft Umstadt, die halbe Herrschaft Eppstein, Amt Braubach mit Kirchspiel
Katzenelnbogen (eigentlich zur niederen Grafschaft gehörig). — 3. Die Herr-
schaft Hanau-Lichtenberg (z. T. unter französischer Herrschaft) mit den
obengenannten Ämtern.
418. Fürstentum Nassau. Nach vielfachen Teilungen und erneuten
Vereinigungen war der Liinderbestand um 1770 auf vier Linien verteilt,
die als Neueste Usingener, Neueste Saarbrückener, Neue Weilburger und
Diezsche Linie bezeichnet werden, jede mit einem entsprechenden Land
gebiet ausgestattet. Dem Walramschen Hauptzweige gehörten die drei
erstgenannten Linien an, dem Ottonischen die letzte.
Unter Ludwigs II. (r 1627) vier Söhne war das Landgebiet des Walram-
schen Zweiges in der S. 510 angegebenen Weise geteilt worden. Sein ältester
Sohn, Wilhelm Ludwig (f 1640) (Neue Saarbrückische Linie), wurde der Stamm-
vater dreier neuer Linien : Ottweiler. Saarbrücken und Usingen, von denen die
ersten beiden schon 1728 bezw. 172M ausstarben; das Gebiet des Stammvaters
war somit in der Usingener Linie wieder vereinigt. Aber diese selbst hatte
sieh 1718 wieder in die Neueste Usingener und Neueste Saarbrückener Linie
geschieden.
Ludwigs II. zweiter Sohn, Johann, gründete die Neue Idsteinsehe Linie,
die mit der folgenden Generation 1721 schon ausstarb. Der dritte Sohn, Emst
Kasimir, stiftete die Neue Weilburger Linie, die bis heute fortbesteht (Luxem-
burg). Der vierte Sohn, Otto, starb 16:52 ohne Nachkommen, und sein Lind
wurde damals an die Bruderlinien verteilt (Gothaischer Teilungsrezcfs 1651.
Lünigs Reichsarehiv 1, 708).
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554 XIII. Politische Geographie um da« Jahr 1770.
Im Ottonischen Hauptzweige waren die von Johann VI. (f 1606) ab-
stammenden fünf Nebenlinien bis auf eine erloschen: die Neue Dillenburger
Linie bereits 1620, die Siegcnsche Linie 1734, die Beilstcin-Dillenburger Linie
1739, die Hadamarsche Linie 1711. Nur die Diezsehe Linie bestand fort und
erbte auch den ganzen Territorialbesitz.
In dem Walramschen Zweige war an die Idsteiner Linie 1688 die Reichs-
fürstenwürde verliehen worden, in demselben Jahre auch an die Saarbrücken
Usingener Linie. Im Ottonischen Zweige war Wilhelm Friedrich von Nassau
Diez 1659 zum Reiehsfüreten erhoben worden. Diese Linie kam 1702 auch
wieder in den Besitz der Oranischen Länder in den Niederlanden und 1748
der Erbstatthalterschaft daselbst.
Der Territorialbestand im Nassauischen Hause war folgender:
1. Neueste Usingener Linie (N as s a u - S a a r b r ü c k - U s i n g e n) , bestehend
aus den Ämtern Usingen, Kirberg, Wehen, Burg Schwalbach, \\ iesbaden, Herr-
schaft Idstein, der Hälfte des Zweiherrischen um Miehlen (mit Nassau-Weilburg
gemeinsam), dem Viertel des Dreiherrischen um Nassau (gemeinsam mit Weil
bürg l/A und Nassau-Diez l/2), dem Achtel des Vierherrischen (mit Weilburg
zusammen V4» Nassau-Diez 1/4, Katzenelnbogen 1/2) und dem Amt Lahr in der
Ortenau in Baden.
2. Neueste Saarbrückener Linie (Nassau Saarbrück-Saarbrü eken).
bestehend aus der Grafschaft Saarbrücken, Herrschaft Ottweiler im Trierschen.
Amt Homburg im Waegau (mit Pfalz-Zweibrücken gemeinsam), Jugenheim, zwei
Drittel der Grafschaft Saarwerden. Residenz Saarbrücken.
3. Neue Weilburger Linie (Nassäu-Weil bürg), bestehend aus den
Ämtern Weilburg, Weilmünster, Lähnberg, Mehrenberg, Kleeberg, Hüttenberg.
Gleiberg, der Hälfte des Zweiherrischen, einem Viertel des Dreiherrischen, einem
Achtel des Vierherrischen, einem Drittel der Grafschaft Saarwerden, den Ämtern
Kirchheim-Bollanden, StaufT und Alsenz.
4. Diezsehe Linie (N assau -Diez), bestehend aus der ehemaligen Graf
schaft Diez mit den Ämtern Diez, Hanstetteu, Kirchberg, Kamberg, Nassau
(die letzten drei hatte sie mit anderen Herren gemeinsam), ferner dem ehe
maligen Siegensehen Lande mit den Ämtern Siegen, Ober- und Nieder-Netphe.
Hilchenbach, Kronibach-Ferndorf, Freudenberg, Heifslingen, den dillenburgischen
Ämtern Dillenburg, Haiger, Herborn, Burbach, Driedorf, Mengerskirchen (Ellar ,
Tringenstein, Ebersbach, Wehrheim sowie dem Amt Hadamar.
414. Grafschaften Sayn -Wittgenstein. Luise Juliane hatte die
mühsam wieder orstrittene Grafschaft 1652 an ihre Töchter abgetreten,
die 1654 den Landbesitz teilten. Die Ältere, Johan nette, erhielt Sayn
Alten kir eben und brachte dieses ihrem Gemahl Johann Georg von
Sachsen Weimar-Eisenach zu. Deren männliche Nachkommenschaft er
losch 1741 und das Land fiel an eine Seitenlinie Brandenburg-Onolz
bach. — Die jüngere Tochter, Ernestine, erhielt Sayn-Hachenburg,
sie war vermählt mit Salatin Ernst zu Manderscheid-Blankenheim.
Johannettes Tochter, Eleonore, war mit dem Markgrafen Johann Friedrnh
von Brandenburg-Onolzbaeb vermählt, der die Regierung 1741 antrat. In Sayn-
Hachenburg war Salatin Ernst 1705 ohne Sohne gestorben. Ein Sohn einer
seiner Töchter, Georg Friedrich, folgt in der Regierung und später dessen
Nachkommen. — Vgl. Dahl hoff, Gesch. d. Grfsch. Sayn, S. 32 ff., 49.
Die Grafschaft Say n - W i t tge n stei n zerfiel damals in die beiden
Hälften a) Say n- Wittgenstein zu Wittgenstein mit 1. der Grafschaft
Wittgenstein, der Stadt Laasphe und 2f> Dörfer und 2. der Herrschaft Vallendar
415. Kleinere Grafschaften etc. 417. Fürstentuni Waldeck Pyrmont. 555
(nicht reichsunmittelbar, sondern unter Trier); — b) Say n -Wittgenstein
zu Berleburg mit 1. der Grafschaft Berleburg und 22 Dörfern, 2. der Graf-
schaft Homburg, zwischen dem Herzogtum Berg und der Grafschaft Mark gelegen,
und 8. der Herrschaft Neumagen an der Mosel (unter Trier). — Die Graf-
schaft Sayn bestand aus zwei Teilen: a) Sayn-Altenkirchen (seit 1741 im
Besitz der Markgrafen zu Brandenburg-Onolzbaeh) mit Stadt und Amt Alten-
kirchen, Amt Freusberg, Stadt und Amt Friedewald, Amt Bendorf; b) Sayn-
Hachenburg mit dem Städtchen Hachenburg und der Vogtei Rosbach.
415. Kleinere Grafschaften im Rhein lande. Von ihnen be-
standen noch die Grafschaft Wied, Grafschaft Solms und die Graf-
schaft Isenburg.
Die Urafschaft Wied zerfiel in die obere Grafschaft oder Wied-
Runkel, bestehend aus der Herrschaft Runkel mit sechs Kirchspielen und
dem Oberamt Dierdorf mit sieben Kirchspielen — und die untere Graf-
schaft oder Wied-Neuwied mit der Stadt Neuwied und zwölf Kirchspielen.
Grafschaft Solms. Von dem in mehrere Linien gespaltenen Grafen-
hause war die Braunfelssehe Linie 1742 in den Reiehsfürstenstand erhoben
worden. Der Territorialbestand verteilte sich auf vier Häuser: I. So lms-
Brau nf eis besafs die eigentliche Grafschaft Solms zu beiden Seiten der Lahn
mit den Ämtern Braunfels und Greifenstein und von der Herrschaft Münzen-
berg die Amter Hungen, Wölfersheim und Gambach sowie Anteile an der
Gemeinschaft Münzenberg. II. So lms- Lieh -Hohen so 1ms besafs das Amt
Hohensolms mit Schlofs und Städtchen und von Münzenberg die Ämter Lieh
und Niederweisel sowie Anteile an Münzenberg. III. Solms-Laubach: das
Amt Laubach mit Schlofs und Stadt und früherem Reichsflecken Freiensen,
das Amt Utphe und Anteile an Münzenberg. IV. Solms-Rödelheim besafs
Amt Rödelheim und Assenheim (an welchem auch Hanau und Isenburg Anteil
hatten).
Urafschaft Isenburg-Birstein und Büdingen. Die Offenbaeh-Birsteinsehe
Linie des Grafenhauses war 1744 in den Reichsfürstenstand erhoben worden.
I. Das Fürstentum Isen bürg- Birstein bestand damals aus dem Gericht
Reichenbach mit Schlofs Birstein, Gericht Wenings, Wolferborn, Langenselbold
und Langendiebach, Oberamt Offenbach (ein Teil des alten Dreieicher Reichs-
forstes). H. Grafschaft Isenburg-Büdingen-Büdingen mit den Ge-
richten Büdingen, Dilsheim und Mockstatt. III. Grafschaft Isenburg-
Büdingen- Wächtersbach mit den Gerichten Meerholz, Gründau oder
Lieblos und Eckardshausen.
416. Bistum Fulda. Die Abte von Fulda hatten schon seit dem
X. Jh. eine hervorragende Stellung eingenommen, da ihnen damals der
Primat vor allen Äbten in Germanien und Gallien vom Papst erteilt
worden war und Kaiser Otto I. ihnen auch die Erzkanzlerwürdo bei
der Kaiserin verliehen hatte. Papst Benedikt XIV. erhob im Jahre 1752
die Abtei zu einem exemten Bistum, während sie bis dahin unter dem
Metropoliten von Mainz gestanden hatte.
Das Hochstift bestand aus 20 Ämtern: Fulda, dem Cent Fulda, Amt
Salzschlirf, GrofsLüder, Burghaun, Fürsteneck, Geifs, Fischberg, Mackenzell,
Biberstein, Weiers, Neuhof, Motten, Brückenau, Hamelburg, Saleck, Salmünster,
Urzel, Propstei Blankenau und Amt Herbstein.
417. Fürstentum Waldeek- Pyrmont stand zunächst noch unter
der Herrschaft zweier Linien, von denen die Neuere Eisenbergisch^
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556 XIII. Politische Geographie um da« Jahr 1770.
Linie mit Georg Friedrich 1692 erlosch. Seit jenem Jahre ist Waldeck
immer in einer Hand vereinigt gewesen. 1711 erhält Anton Ulrich von
Kaiser Karl VI. die Würde eines Reichsfürsten.
Das Fürstentum besafs 13 Städte: Korbach, die Hauptstadt des Landen
Nieder -Wildungen, Mengeringhausen, Sachsen hausen, Rhoden, Siiehsenberg
Landau, Freienhagen, Waldeck, Züschen, Fürstenberg, Alt -Wildungen und
Arolsen, ferner die 9 Ämter: Eisenberg, Arolsen, Eilhausen, Rhoden, Landau.
Wetterburg, Waldeek, Wildungen, Lichtenfels. — Aufserdem gehörte seit 1625
(s. S. 512) hierzu che Grafschaft Pyrmont mit Schlofs und Neustadt Pyr-
mont und 10 Dörfern, welche zusammen ein Amt bildeten.
418. Fürstentum Lippe. Seit 1621 bestanden die drei genannten
Linien Lippe, Brake und Bückeburg (Schaumburg), jede mit einem
Teilgebiet der väterlichen Grafschaft ausgestattet. Die Nachkommen
schaft der Linie Ottos IL, die Brake mit Blomberg, Barntrup und
Schieder erhalten hatte, starb aber 1709 aus. Der sich anschliefsend^
Erbschaftsstreit zwischen Lippe und Schaumburg wurde 1748 beigelegt;
Blomberg und Schieder kamen vorübergehend an Schaumburg. — Lippe
wurde 1720 durch Karl VI. zum Reichsfürstentum erhoben, doch erst
1789 durch Joseph II. bestätigt.
Die Grafschaft umsehlofs 5 Städte: Detmold, Lemgo, Horn, Blomberg
und Salzuflen und 8 Amter: Detmold mit den Vogteien Detmold, Haiden.
Lage und Falkenburg; Udinghausen, Schötmar, Horn, Varenholz, Brake, Barn-
trup und lipperode (1748 erst an Lippe Detmold von Schaumburg abgetreten .
Gemeinsam waren die Stadt Lippe oder Lippstadt mit dem König von
Preufsen als Grafen von Mark, und die Ämter Oldenburg, Stoppelberg um i
Schwalenberg gemeinsam mit Paderborn.
419. Grafschaft Schaumburg -Lippe hatte keine Veränderung
erfahren.
Graf Philipp (f 1681) hinterliefs zwei Söhne, von denen Friedrich Christian
in der Regierung folgte, während Philipp Frust die Seitenlinie Alverdissen
begründete, welche nach dem Aussterben der Hauptlinie mit Graf Wilhelm,
dem Erbauer der Feste Wilhelmstein im Steinbilder Meer, im Jahre 1777 die
< riafenreihc fortsetzte.
Die Grafschaft bestand aus den Ämtern Blomberg und Schieder, ferner
Alverdissen und Grafschaft Sternberg (seit 1732 an Braunschweig -Lüneburg
verpfändet) mit Schlofs Sternberg und den Vogteien Humfeld, Exter und
Bösingfelde.
420. Kurfürstentum Hannover. Auf Grund des Testamente«
Herzog Georgs (t 1641) war das Land in die beiden Teile Lünebure
und Calenberg geteilt und den beiden ältesten Söhnen zugefallen (S. 515).
Da aber nur der jüngste der vier Söhne, Ernst August, männliche Nach
kommen hatte, so wurde 1705 der gesamte Länderbesitz wieder unter
Georg Ludwig in einer Hand vereinigt und blieb es für die folgende
Zeit. Auch diesem gelang es erst 1702, der bereits seinem Vater vom
Kaiser verliehenen Kurwürde allgemeine Anerkennung in den welfi-
schen Ländern zu verschaffen. Ihm war es ferner beschieden, durch
die verwandtschaftlichen Beziehungen seiner Mutter mit dem englischen
Königshause, als Georg L den englischen Thron zu besteigen, ein Er
420. Kurfürstentum Hannover. 557
eignis, welches anfangs für Hannover von wirtschaftlicher Bedeutung
war, später aber dieses Land nur zu einem Spielball englischer Inter-
essen machte.
Einen grösseren Gebietszuwachs erfuhr Hannover 1733 durch die
endgültige Abtretung der ehemaligen Bistümer Bremen und Verden.
Georg t 1641
Christian Ludwig Georg Wilhelm Johann Friedrich Ernst August
t 1665 f 1705 f 1679 f 1689
Georg Ludwig
(Georg I. v. Engl.)
Sophie Dorothea ^ f 1727
Georg II. f 1760
Georg in. f 1820
Nach dem Tode Christian Ludwigs 1665, der den Lüneburg-Celleschen
Teil hatte, fand nach den üblichen Streitigkeiten über die Erbfolge zwischen
den beiden nächstfolgenden Brüdern ein Vergleich dahin statt, dafs Georg
Wilhelm gegen sein Calenberger Land Lüneburg-Celle mit den Grafschaften
Hova und Diepholz und dem Stift Walkenried mit »Schauen eintauschte, während
Johann Friedrich Calenberg mit Grubenhagen erhielt. Hävern. 3, 217.
Heinem. 3, 128. Johann Friedrich starb 1679, und in seine Rechte trat Emst
August und dann dessen Sohn Georg Ludwig, der nach dem Tode Georg
Wilhelms 1705 auch den Celleschen Teil übernahm.
Jenes Stift Walke nried überliefe Georg Wilhelm aber 1671 der Wolfen-
bütteler Linie für die fünf Dannenbergschen Ämter.
Der seit dem Westfälischen Frieden bestehende schwedische Besitz von
Bremen und Verden wurde nach der Schlacht von Fehrbellin 1675 den
Schweden streitig gemacht, doch blieben diese gegen Abtretung des Amtes
Thedinghausen und der Vogtei Dörverden (zwischen Aller und Weser) an das
Gesamthaus Braunschweig zunächst noch Herren im Lande. Der Nordische
Krieg gegen Karl XII. hatte aber zur Folge, dafs Schweden gegen eine Geld-
entschädigung Bremen und Verden und das Amt Wildeshausen 1719 an Braun-
schweig-Lüneburg abtrat (Kaiserl. Ratifikation 1733). Hävern. 3, 274 ff., 391 f.,
491 ff., 498. Heinem. 3, 120. — Bei der Überrumpelung des Wolfenbütteler
Herzogtums 1702 behufs Anerkennung der Kurwürde überliefsen Georg und
Georg Wilhelm jenem das Amt Thedinghausen an der Weser, während die
Vogtei Dörverden bei Lüneburg verblieb.
Im Jahre 1689 war der letzte Herzog von Lauenburg gestorben. Auf
Grund einer Erbverbrüderung von 1369 fiel sein Land dem braunschweigischen
Gesamthause zu. Trotz der Prätensionen von Kursachsen, Anhalt und Mecklen-
burg nahm Ernst August von dem Herzogtum Sachsen-Lauen bürg, zu
welchem auch die Landschaft Hadeln gehörte, Besitz. — Bei der in Frage
kommenden Teilung des Lauenburgsehen Landes zwischen Hannover und
Wolfenbüttel verzichtete letzteres 1705 auf seinen Anteil, für den es von Han-
nover das Amt Campen a. d. Schunter erhielt. Hävern. 3, 318 ff., 382 ff.
Heinem. 3, 121 f, — Auch die Landschaft Hadeln gehörte noch zu Lauenburg,
doch war sie durch den Kaiserl. Gesandten unter Sequester gestellt worden;
1731 wurde (fieses aufgehoben zu Gunsten Hannovers. Heinem. 3, 235. Ferner
trat Dänemark an Hannover für 70000 Taler 1739 das zu Lauenburg gehörende
Amt Steinhorst ab. 1741 erhielt es von Bremen für Vegesack das Amt Blumen -
thal und Gericht Neuenkirchen.
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558
XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
Der Territorialbestand des Kurfürstentums Hannover war seinen
historischen Teilstücken nach folgender:
I. Fürstentum L ü n e b u r g • C e 1 1 e mit den grofsen Städten Lüneburg,
Ülzen und Celle und den kleinen: Harburg, Dannenberg und Lüchow; ferner
mit 22 Ämtern (von denen jene Städte ausgeschlossen waren): Harburg, Wil-
helmsburg , Moisburg , Winsen a. d. Luhe , Büttlingen , Scharnebeck , Lüne,
Gartze, Bleckede, Hitaacker, Dannenberg, Lüchow, Wustrow, Schnackenburg,
Oldenstadt, Medingen, Ebsdorf, Bodenteich, Isenhagen, Knesebeck, Klötze,
Fallersleben, Gifhorn, Meinersen, Burgdorf, Ahlden und Rethem. Hierzu
gehörte die Grofsvogtei oder das Amt Celle mit 12 Amtsvogteien : Celle,
Kiklingen, Ilten, Burgwedel, Bissendorf, Essel, Winsen a. d. Aller, Fallingbostel,
Soltau, Bergen, Hermannsburg und Bedenbostel; ferner 4 adlige Gerichte:
Gartow, Brome, Fahrenhorst und Wahtlingen sowie verschiedene evangelische
Stifter und Klöster.
II. Fürstentum Grubenhagen mit acht Ämtern: Rothenkirchen, Salzder
beiden, Cattenburg, Osterode, Herzberg, Seharzfels, Radolfshausen und Elbinge-
rode und den kanzleisässigen Städten Einbeck und Osterode; ferner dem
Gericht Rüdigershausen auf dem Eichsfeld. — Wegen des Harzes, der teilweise
mit Braunschweig gemeinsam war, vgl. das oben S. 516 Bemerkte. Zum ein
seit igen, d. h. Hannover allein gehörenden Oberharz gehörten die Bergstädte
Klausthal, Altenau und St. Andreasberg mit Bergwerken und Silberhütten und
drei kleineren Orten. Zum Kommunion - Ober harz, von dem 4/7 hannöve
lisch und */7 braunsehweigisch waren, gehörten die Bergstädte Zellerfeld, Grund,
Wildemann und Lautenthal sowie drei kleinere Orte. Der ganze Unter harz
bildete Gemeingut mit seinen Bergwerken (Rammeisberg bei Goslar).
III. Fürstentum Calenberg war in landständischer Beziehung in
drei Quartiere geteilt: 1. Hannöverisches Quartier mit den Städten Altstadt
Hannover (Hauptstadt des Kurfürstentums), Neustadt Hannover, Münden, Wilns-
dorf, Pattensen, Eldagsen sowie den Kammerämtern Calenberg. Wittenburg,
Coldingen, Langenhagen, Ricklingen, Neustadt am Rübenberge, Rehburg. Wölpe
imd Blumenau und den adligen Gerichten Linden, Rössing, Bredenbeck und
Bremerode. — 2. Hameln-Lauenausches Quartier mit den Städten Hameln und
Bodenwerder, den Ämtern Springe, Lauenstein, Ohsen, Grohnde, Polle und
Ärzen und den adligen Gerichten Limmer, Dehnsen, Banteln, Hastenbeck, Ohr
und Hämelschenburg. Das Lauenausche Quartier bestand aus drei Ämtern :
Lauenau, Bokeloh und Lachem. — 3. Göttingisches Quartier mit den Städten
Göttingen und Nordheim, Münden, Dransfeld, Moringen, Uslar und Hardegsen,
den Ämtern : dem Landgericht auf dem Leinberg bei Göttingen, Amt Münden,
ßrackeuberg, Friedland, Reinhausen, Niedeck, Brunstein, Westerhofe, Moringen.
Hardegsen, Harste, Uslar, Lauenförde, Nienover und Erichsburg sowie den adligen
Gerichten Hardenberg, Geismar. Adelebsen, Altengleichen, Imbsen, Gartendörfer.
Wacke, Imbshausen, Jühnde, Üssinghausen und Ohlershausen.
IV. Herzogtum Bremen mit nur zwei Städten: Stade und Buxte
hude und den Ämtern Altkloster, Neukloster, Harsefeld, Zeven, Bremervörde,
Ottersberg, Osterholz, Lilienthal, Blumenthal, Hagen, Amtsschreiberei Stotel
Amtsvogt ei Vieland, Amt Nordholz im neuen Lande Wursten (seit 1635 ein-
gedeicht). Bederkesa, Neuhaus, Rhedingen, II immelpf orten, — femer dem Alten
Land, Land Kehdingen, Gericht Osten, dem alten Land Wursten, Gericht Lehe
und Gogericht Achim sowie mit den Domkirchen zu Bremen und Hamburg
und 31 adligen Gerichten. — Hierzu gehörten ferner Stadt und Amt Wüdeshausen
V. Fürstentum Verden bestand neben der Stadt Verden aus zwei
Ämtern: Verden und Rothenburg.
VI. Herzogtum Sachsen- Lau enbur'g mit den drei Städten Rfltse»
bürg, Lauenburg und Müllen und den fünf Ämtern Ratzeburg, Lauenbnrg.
Neuhaus, Schwarzen heck und Steinhorst sowie 27 adligen Gütern und Gerichten
421. Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel. 559
VII. Land II ad ein (war früher dem vorher genannten Herzogtum nicht
einverleibt gewesen) bestand aus drei Ständen : 1. Stand oder das Hochland
mit 7 Kirchspielen ; 2. Stand oder das Sietland mit 5 Kirchspielen und 3. Stand :
die Stadt Otterndorf.
VIII. (traf schaft Hoya war dem Kurstaat einverleibt worden. Sie
wurde in vier Quartiere geteilt 1. Quartier mit den Ämtern Sycke, Ehrenburg
und Frauenstift Hassum. 2. Quartier mit den Ämtern Stolzenau, Diepenau,
Steyerberg ^ Siedenburg, Bahrenburg und Harpstedt. 3. Quartier mit Stadt
Nienburg, Amt Nienburg, Hoya und Liebenau. 4. Quartier mit den Ämtern
Alt- und Neu-Bruchhausen, Westen und Thedinghausen. (S. unter Braunschweig).
IX. Herrschaft Diepholz mit den Ämtern Diepholz (mit zwei Vog-
teien Barnsdorf und Drebber) und Lemförde. (Das Amt Auburg war an
Hessen-Kassel gefallen trotz des Protestes von Hannover.)
421. Herzogtum Braunschwelg-Wolfenbttttel. Seit dem Teilungs-
rezefs von 1635 war der Bestand des Herzogtums wenig verändert und
vergröfsert worden. Nacheinander regierten hier die beiden älteren
Söhne Augusts des Jüngeren und dann seine Enkel (August Wilhelm
und Ludwig Rudolf); letztere ohne männliche Nachkommen (s. Tabelle).
Augusts des Jüngeren dritter Sohn, Ferdinand Albrecht I. (t 1687),
war seinerzeit mit dem Haus Bevern und einem Geldzuschufs abgefunden
worden. Sein Sohn Ferdinand Albrecht II. wurde 1735 somit recht-
inäfsiger Regent und setzte die Bevernscho Linie fort. — Die Haupt-
stadt des Landes wrurde 1753 Braunschweig; der Name wurde seitdem
auch für das Haus und Land im engeren Sinne üblich.
AuguBt d. Jung, f 1666
Rudolf August Anton Ulrich Ferd. AI brecht 1.
(ohne m. Nachk.) 1714 (Bevern) f 1687
1704 | |
August Wilhelm' Ludwig Rudolf Ferd' A^£cht U'
(o. m N.) (o. m. N.) 1 ,
1731 1735 Kurl I1 1780
Der Friede zu Celle 1679 hatte Thcdingbauscn und Dörverden an das
Gesamthaus Braunschweig gebracht. Rudolf Äugust hatte seinerzeit einen Teil
von Thedinghausen erhalten, den anderen erhielt er 1702 (s. o. Hannover).
(Lünig, Reichsarchiv IV, 171. Hävern. 3, 189 Anin.) Das Amt Thedinghausen
gehört auch heute noch zu Braunschweig. — Die trotzig auftretende Stadt
Braunschweig wurde 1671 von den Weifen genieinsam eingenommen, ihrer
Selbständigkeit beraubt und zu einer Landstadt gemacht. Während bisher die
Weifenhäuser gemeinsame Anrechte an die Stadt hatten, verzichtete die Cellesche
Linie ganz auf diese und die Abtei Walkenried, wogegen Rudolf August die
fünf Ämter Dannenberg, Hitzacker, Lüchow, Wustrow und Scharnebeck an Georg
Wilhelm von Celle abtrat. Hävern. 3. 187, v. Selchow, Magazin f. deutsch.
Rechte u. Gesch. I, 114, 124, 135.
Die Lauenburger Angelegenheit wurde 1706 geregelt. Anton Ulrich von
Wolfenbüttel erhielt Amt Campen an der Schunter und drei Dörfer des Amtes
Gifhorn, v. Selchow, Magazin I, 192 f. Hävern. 3. 193. Hein. 3, 236. —
Ludwig Rudolf hatte bereits 1690 von seinem Vater und Onkel als erbliche
Apanage die Grafschaft Blankenburg erhalten. 1707 wurde diese durch den
Kaiser zu einem reichsunniittelbaren Fürstentum erhoben. Da Ludwig Rudolf
aber 1731 selbst Herzog wurde, so wurde Blankenburg wieder mit Braunschweig
für immer vereinigt. Hävern. 3, 594 f.
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560
XIII. Politische (ieographie um das Jahr 1770.
Das Herzogtum zerfiel in vier Distrikte: L W ol f e n b ü 1 1 e 1 s eher
Distrikt mit den Städten Braunseh weig, Wolfenbüttel und Schöppenstedt
und den Ämtern Wolfenbüttel, Rothenhof, Winnigstedt, Salzdahlum, der Eich
Lichtenberg, Gebhardshagen, Neubrück, Campen, Salder, Achim, Bärnsdorf
und den Gerichten Kissenbrück oder Hedwigsburg, Weudhausen und Vechelde
sowie 17 adligen Gerichten. — II. Scheningsch e r Distrikt mit den
Städten Helmstedt, Seheningen und Königslutter, den 11 Ämtern Könige
lutter, Scheningen, Jerxheim, Hessen, Voigtsdahlum, Warberg, Bardorf, Neuhau.«.
Vorsfelde, Calvörde (abgesondert gelegen) und dem Gericht Langleben sowir
7 adligen Gerichten. — III. Harzdistrikt mit den Städten Gandersheim
Siit Stift) und Seesen und 6 Ämtern: Gandersheim, Seesen, Staufenburg,
arzburg, Langelsheim und Lutter am Barenberg sowie 12 adligen Gerichten
— IV. Weserdistrikt mit den Städten Holzminden und Stadt-Oldendorl.
den 7 Ämtern Wickensen, Greene, Forst, Bevern, Allersheim, Fürstenberg un<I
Ottenstein und 6 adligen Gerichten.
422. Kleinere Territorien und reichsunmittelbare Gebiete im nord-
westlichen Deutschland waren die folgenden:
Grafschaft Spiegelberg stand unter der I>andeshoheit des Fürstentum*
Calenberg. Seit 1631 hatte sie dem Grafen von Nassau-Diez gehört. Das alt«
Schlofs lag im hannoverschen Amt Lauenstein. Es gehörte zum Gebiet »1er
Flecken Coppenbrügge mit fünf Dörfern.
Grafschaft Rietberg (Rittberg) an der oberen Ems war seit dem End«-
des XVII. Jh. im Besitz der Grafen von Kaunitz. Sie umfafste das Städtchen
Rietberg mit Schlofs Eden und vier Dörfern.
Grafschaft Holzapfel an der Lahn war aus der Reichsherrschaft Esterau
erwachsen und vom Fürsten Johann Ludwig von Nassau-Hadamar dem Grafen
Peter zu Holzapfel 1643 verkauft und vom Kaiser zu einer unmittelbaren
Reichsgrafschaft erhoben worden. Eine Nichte jenes Peter brachte sie als
Heiratsgut ihrem Gemahl Lebrecht von Anhalt- Bernburg zu. Es gehörte zur
Grafschaft das Städtchen Holzapfel und neun Dörfer, die Waldenseransiedelung
Charlottenberg und das alte Schlofs Laurenberg.
Herrschaft Reichenstein lag im Wied-Runkelschen Oberamt Dierdorf,
bestand aus dem Dorf und einem alten Schlofs und war 1698 aus Wiedschem
Besitz an den Freiherrn von Nesselrode gekommen, der 1702 Reichsgraf wurd» .
428. Westfälische Bistümer. Bis auf Minden, welches 1648 an
Brandenburg gefallen war, bestanden die übrigen noch fort.
Bistum Münster setzte sich aus zwei getrennt liegenden Gebieten zu-
sammen, dem Oberstift oder dem südlichen und dem Niederstift oder dem
nördlichen Teil, überdies zerfiel es in vier Quartiere: 1. Das Wollbecksehe
oder Dreinsche Quartier mit den Ämtern Wollbeck, Sassenberg und Strom-
berg. 2. Das Wernische oder Steversche Quartier mit den Aintern Werne.
Dülmen und Lüdinghausen. 3. D;is Braemsche Quartier mit den Ämtern
Ahaus und auf dem Braem, Horstmar, Reine, Bevergen und Bocholt. 4. Das
Emsländische Quartier mit den Amtern Emsland, Cloppenburg und Vechta.
Bistum Paderborn. Das Eggegebirge teilte das Stift in den Vorwaldischen
und Oberwaldischen Distrikt. 1. Der Vorwaldische Distrikt (westlich der Egge',1
umfafste die Ämter Neuhaus, Delbrück, Boke, Lichtenau und Wünnenberg,
die Herrschaft Büren und das Amt Wewelsburg. 2. Der Oberwaldische Distrikt
umfafste die Amter Dringenberg, Steinheim, Beverungen und Lügde. Unter
des Domkapitels Gerichtsbarkeit standen die Städte Lippspringe und Breden-
born sowie einige Dörfer.
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424. Gefürstete Benediktinerabtei Corvey. 426. Grafschaft Oldenburg. 561
Bistum Osnabrück. Neben der Hauptstadt Osnabrück bestand es aus
7 Ämtern: Iburg mit 16 Kirchspielen, Fürstenau mit 15 Kirchspielen, Vörden
mit 16 Kirchspielen, Hunteburg mit 3 Kirchspielen, Witlage mit 3 Kirchspielen,
Gronenberg mit 9 Kirchspielen und Reckenberg mit 4 Kirchspielen sowie der
Stadt Wiedenbrück.
424. Gefürstete Benediktinerabtei Corvey. Das Kloster war auf
Veranlassung des Abtes Adalhard von Kaiser Ludwig I. 822 gestiftet
und mit Mönchen aus der Abtei Corbie in der Picardie besetzt worden;
deshalb nova Corbeia genannt. Seit 1039 besafsen sie freie Abtswahl
und der Abt den Fürstenrang. — Im Jahre 1783 erhielt er durch Papst
Pius VI. den Rang eines Bischofs.
Aufser dem Kloster am linken Ufer der Weser gehörte der Abtei die
Stadt Höxter (Huxori), das Frauenkloster Brenkhusen, die Propstei St. Jakobs-
berg und 18 Dörfer und Vorwerke. M. Mever, Zur älteren Gesch. Corvevs
und Höxters, Paderb. 1893.
Benediktinerabtei Werden an der Ruhr, eine Stiftung des hl. Liudger,
ersten Bischofs von Münster. Der Abtei, die reichen Güterbesitz hatte, gehörte
ehemals auch die Stadt Helmstädt-Lüdinghausen, Herrschaft Frimörsheim im
späteren Fürstentum Mörs. — Zum Gebiet der Abtei gehörten im XVIII. Jh.
noch die Stadt Werden, der Flecken Kettwick (— g) an der Ruhr und einige
Dörfer.
Frauenstift Herford in der gleichnamigen Stadt, im VIU. Jh. angeblich
gestiftet. Papst Hadrian, Kaiser Ludwig I. und Konrad II. hatten 1101 und 1147
dem Stift verschiedene Privilegien und weltliche Hoheit verliehen. Ein
grölseres Gebiet besafs es nicht.
Gefürstete Frauenabtei Essen, 873 als Benediktinerkloster vom Hildes-
heimer Bischof Altfried gestiftet. Schon frühzeitig besafs sie neben anderen
Privilegien das Recht, einen eigenen Schirmherrn zu wählen. Die Erbvogtei
empfing der Grofse Kurfürst 1648 zu Lehen. — Es gehörten zum Gebiet: die
Abtei Essen mit der Stadt, das Städtchen Steill oder Stele, Herrschaft Relling-
hausen, Huckarde, Dorf Borbeck mit einem Schlofs der Äbtissin. Die Stadt
Essen wollte sich als freie Reichsstadt aufspielen, wurde aber 1670 durch das
Reichskammergericht als Untertanin der Äbtissin erklärt.
425. Herrschaft Jeverland. Anton Günther von Oldenburg hatte
schon bei Lebzeiten die Regierung des Jeverlandes an seinen Schwester-
sohn, Fürsten Johann von Anhalt-Zerbst, übertragen (1660). Die angeb-
lichen Anrechte des dänischen Königs führten 1689 zu einem Vergleich,
auf Grund dessen letzterer auf die Lehenshoheit über Jever verzichtete.
Im XVII. Jh. war man in Zweifel gekommen, ob Jever überhaupt zum
Deutschen Reich gehörte und ob es zum Burgundischen oder Westfälischen
Kreise zu rechne« sei. Der Lehensauftrag der Gräfin Maria von 1532 an Kaiser
Karl V. liefs sogar den König von Frankreich als angebliehen Besitzer auf-
treten, und dieser wollte die Überherrlichkeit an den dänischen König Christian
abtreten (1682).
Die Herrschaft setzte sich zusammen: aus den Landschaften Ostringen
mit Jever und Vogteien Sillenstadt und Waddewarden), Wangerland mit
Vogtei Altenmark, Oldorf. Hohenkirchen, Minsen, Tettens und Insel Wangeroog)
und Rüstringen mit der gleichnamigen Vogtei.
426. Grafschaft Oldenburg sollte nach dem Tode von Anton
Günther 1667 wieder auf die Grafschaft Oldenburg im engeren Sinne
Krct«chm»r Historische Geographie
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562
XIII. Politische Goographie um das Jahr 1770.
und Delmenhorst beschränkt werden. Da er ohne legitime Erben starb,
so ging die Regierung auf Friedrich III., König von Dänemark, und
Christian Albrecht von Holstein-Gottorp über. Die Nachkommen des
ersteren sind bis 1770 fortlaufend die Regenten des Landes. Vorüber
gehend (1711—1731) war Delmenhorst an Kurhannover verpfändet
gewesen.
Die Grafschaft Oldenburg bestand aus der Stadt und Landvogtei
Oldenburg mit den vier Geestvogteien Oldenburger Hausvogtei, Wüsteland,
Wardenburg und Hatten und dem Ammerland, den vier Marschvogteien
Muhriem oder Elsfleth, Oldenbrock, Strückhausen und Hammelwarden und
Stedingerland. Ferner gehörten hierzu die Landvogtei Neuen bürg mit den
Vogteien Buckhurn, Zetel (beide die sug. friesische Wede), Ape, Zwischenahn,
Rastede, Jade und Sehweiburg, aufserdem Amt (uder edle Herrschaft) Varel
mit mehreren Dörfern, Amt Schwei und Landgericht Ovelgönne mit dem Stad-
land und Butjadingerland suwie Land und Amt Würden jenseits der Weser
— Die Grafschaft Delmenhorst umfafste die Stadt und Landvogtei 1 leimen*
hurst mit der Hausvogtei und Vogtei Stuhr sowie den zum Stedingerland«»
gehörigen Marschvugteien Berne und Altenesch.
Herrschaft Kniphausen und Varel. Anton Günther hatte die Herr-
schaft Varel seinem unehelichen Suhn Anton L, der 1653 durch kaiserliches
Diplom zum Reichsgrafen von Aldenburg erhoben worden war, als reiche-
unmittelbares Gut überlassen, und er wendete ihm 1657 auch Kniphausen als
freie Allodialherrsehaft zu. Hierüber Kohli I, 33. Die später erfulgenden Ein-
sprüche vun Seiten Dänemarks wurden 1693 duich den Aldenburgischen Traktat
beigelegt; danach Helen dem Nachfulger Antun II. zu: das Amt Varel unter
dem Titel »Edle Herrschaft Varel«, ferner Kniphausen und die Vurwerke und
Ländereien desselben zu Neuenfelde, Witbeckersburg, Ovelgönne, Roddens.
Seefeld, Blexersand im blexander und boitwardcr Gruden und im Neuen
Huben. Kuh Ii I, 42. Böse, Oldenbg. 800.
427. Grafschaft Bentheim. Der durch konfessionelle Gründe her-
vorgerufene Ehezwist des Grafen Ernst Wilhelm (1643—1693) mit seiner
Gemahlin und seinen Söhnen war durch den Bielefelder Vergleich 1691
endlich beigelegt worden. Die starke Verschuldung der Bentheimer
Grafen veranlafste Friedrich Karl Philipp sein Land an Kur-Hannover
1753 auf 30 Jahre zu verpfänden.
Ernst Wilhelm vun Bentheim war anfangs morganatisch mit Gertrud
van Zelst (Kammerjungfer seiner Schwester) vermählt, die ihm sechs Kinder
schenkte und 1666 vom Kaiser zur Reichsgräfin erhoben wurde. Doch hatte
Ernst Wilhelm bereits seinem Bruder Philipp Kunrad vun Steinfurt und seinen
Nachkummen die Erbnachfolge in seinem Lande zugesichert. Die Hoffnung
seine eigenen Söhne als Nachfulger einzusetzen, wurde durch den Streit mit
seiner Gemahlin Gertrud gestört, die nach dem Haag floh und die Söhne dort
zurückhielt, weshalb Ernst Wilhelm sie enterbte. Letztere, besonders sein
ältester Sülm Ernst, machten aber später ihre angeblichen Rechte dennoch
gegen den Vater und den designierten Nachfolger Arnold Moritz Wilhelm
('Sohn vun Philipp Kunrad") geltend und erzielten im Vergleich zu Bielefeld
(1691), dals jenem Ernst die Grafschaft Steinfurt und Arnold Moritz Wilhelm
Bentheim nach des Vaters Tode zugesprochen wurden. Cf. Möller, L c. S. 337 ff
367, 370, mit Urkunden am Sehluis.
Auf Arnold Moritz Wilhelm (1693 — 1701) folgte dessen Sohn Hermann
Friedrich (1701—1731), auf diesen sein Sohn Friedrich Karl Philipp, der Schulden
halber 1753 die Grafschaft an Hannover verpfändete. Cf. Die akteiimäfsL'*
Geschichte der Verpfändung bei von Raet von Bögelskamp, L c. H, 193 — SW.
— .
I
428. Republik der Vereinigten Niederlande. 563
Die Grafschaft Bentheim zerfiel in die obere und untere Grafschaft,
von denen jene ein Reichslehen war. Die obere Grafschaft begriff die drei
Ämter Schüttorf, Nordhorn und Emblikheim, die untere Grafschaft die Ämter
Neuenhaus und Olsen.
Die GrafschaftSteinfurt lag ganz im Bereich des Hochstiftes Münster.
Sie war 1495 zur Reichsgrafschaft erhoben worden, die das Hochstift anfocht.
1716 kam ein Vergleich zustande, nach dem Schlols, Stadt und Kirchspiel
Steinfurt (auch Burg-Steinfurt genannt) reichsunmittelbar bleiben sollten,
während die Kirchspiele Borehorst, Laer und Holthausen mit der Bauerschaft
Höpingen unter der Landeshoheit von Münster bleiben sollten.
428. Republik der Vereinigten Niederlande. Seit dem West
feilschen Frieden waren die Niederlande ohne Beziehungen zum Deutschen
Reiche gewesen und bildeten einen selbständigen Staat. Sie bestanden
aus den sieben Provinzen Gelderland, Holland, Zeeland, Utrecht, Fries-
land, Overyssel, Stadt und Land Groningen. Unter ihrem Schutze stand
die Landschaft Drenthe. Die Bevollmächtigten der Provinzen bildeten
die Generalstaaten der Vereinigten Niederlande, doch war Drenthe von
diesen ausgeschlossen. Das gleiche gilt von den sog. Generalitäts-
landen, die erst später von den damals noch spanischen Niederlanden
hinzuerobert worden wraren und Teile von Geldern, Brabant und Flandern
umfafsten. — Der sog. Barrieretraktat von 1714 hatte ihnen nach dem
•Spanischen Erbfolgekrieg noch das Recht verliehen, einige Festungen an
«ler französischen Grenze zu besetzen.
Einteilung und Umfang der sieben vereinigten Provinzen waren folgende:
1. Gelderland oder Nieder-( leidern, da Ober-Geldern 1648 abgezweigt
worden ist. Es bestand aus: a) dem Nimwegischen Quartier mit den drei
Städten Nimwegen (holländisch Nijmegen), Tiel (Thiel) und Bommel sowie den
sechs Ämtern Nimwegen, Maas-Waal, Ober-Betuwe, Nieder-Betuwe, Tieler- und
Bommeler - Waard und Beest; b) dem Zutphenschcn Quartier mit den fünf
Städten Zutphcn, Doesburg, Deutichem, Lochern und Grol (Groenlo) und den
vier Ämtern Zutphen, Landd rosten- und Schulzenamt, Doesburg und Lochern;
ferner gehörten hierzu die Herrschalt Borkelo, Lichtenvoorde, Bredevoort, die
Bann<*rherrsehaft Wisch und Grafschaft sHeerenberg; c) dem Arnheimschen
Quartier oder der Veluwe mit den fünf Städten Arnheim (Arnhem).
Öarderwvck, Wageningen, Hattera und Elburg uud den Ämtern der Veluwe,
Veluwe-Zoom und Loo.
2. Holland, schon damals eine reich angebaute, volkreiche Provinz.
a) Südholland mit den Städten Dortrecht, Harlem, Delft, Leiden, Amsterdam,
Gouda, Rotterdam, Gorkum, Schiedarn, Schoonhoven und Briel, ferner der
Haag oder sGravenhage. Hierzu die Ämter Gooiland, Loosdrecht, Amstelland,
Koneujerland, Rheinland, Woerden, Schicland, Delfland sowie mehrere Inseln.
b) Nordholland mit den Städten Alkmaar, Hoorn, Enkhuizen, Edam, Mon-
nikendam, Medenblik, Purmerend und den Ämtern Noord-Kenemerland, Water-
land, Westfrieeland von der Zijpe gegen Osten, ferner einige Inseln: Texel,
Flieland, Ter Sendling. Wieringen, Marken, Urk und Schokland, letztere in der
Zuider Zee.
3. Zeeland, wesentlich aus Inseln bestehend, mit dem Quartier an der
VVester-Sehelde mit den Städten Middelburg, Vlissingen, Veere und den Inseln
St. Joostland, Nord- und Süd-Beveland, Wolfersdyk — sowie dem Quartier an
der Oster-Schelde mit der Stadt Zirkzee auf der Insel Sehouwen. ferner den
[nseln Duiveland, ter Tholen und St. Philippsland.
.%*
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c
564 XTIT. Politische Geographie um das Jahr 1770.
4. Utrecht mit den Städten Utrecht, Anicrsfoot, Rhenen u. a. ; da;*
platte Land wird in vier Quartiere geteilt: das Oberquartier, Niederquartier,
Eemland und Montfoort.
5. Friesland, bestehend aus dem Ostergo, Westergo, Zeven wolden un<l
den Städten Leeuwarden, Bolswerd, Franeker, Dokkum, Harlingen, Stavoren.
Hindelopen u. a.
6. Over-Ii SB el, bestehend aus dem Quartier Salland mit dem Drostarat
Ijsselmuiden und den Städten Deventer, Kampen und Zwolle, — dem Quartier
Twente mit Ryssen, Almelo, Oldensaal u. a. und dem Drostamt Haarbergen —
sowie dem Quartier Vollenhoven mit der gleichnamigen Stadt.
7. Groningerland, bestehend aus der Stadt Groningen und ihrem
Gebiet und den Ommelanden mit dem Wester-Quartier, Hunsingo, Fivelgo.
dem Alten Amt und Westerwolde.
Die LandschaftDrenthe hat keine Städte, sondern nur zwei Flecken,
eine Festung und 37 Dörfer.
Die Generalitätslande umfassen vom Herzogtum Brabant: 1. das
Quartier Herzogenbusch mit der Meierei Herzogenbusch, dem Land Kuik nebst
der Stadt Grave und der Herrschaft Ravenstein an der Maas (seit 1624 bei
Pfalz-Neuburg) mit 14 Dörfern ; 2. einen Teil des Quartiers Antwerpen mit den
Herrschaften Breda, Willemstadt, Prinsenland, Steenbergen und der Markgraf
schaft Bergen op Zoom; 3. die Stadt Maastricht und Grafschaft Vroenhovc. —
Vom Herzogtum Limburg gehörten dazu ein Teil der Grafschaft Valkenburg.
Grafschaft Dalem und ein Teil des Landes Hertogenrade. — Vom Oberquartier
Geldern: Venlo, Stevens- Waerd und Amt Montfoort. — Von Flandern
das freie Land von Sluis, das Hülster Amt; letzteres aus den »vier Ambachtenc.
Hülst, Axel, Assenede und Bouchoute bestehend.
429. österreichische Niederlande. Die Spanischen Niederlande
waren infolge der lange bestehenden kriegerischen Spannung zwischen
Frankreich und Spanien stets in Mitleidenschaft gezogen worden und
hatten nach der französischen Seite hin mehrfache Gebiets Verluste
(Artois, Lille, Valenciennes, Cambrai etc.) zu verzeichnen gehabt. —
Nach dem Tode Karls II. (1700) von Spanien fielen die Niederlande
an die deutsche Linie des Hauses Habsburg. Beim Schlufs des
Spanischen Erbfolgekrieges wurden im Rastatter Frieden dem Kaiser
Karl VI. die Niederlande (neben Neapel, Sardinien etc.) zugesprochen
(1714). — In sehr günstiger Lage befanden sich die Niederlande damals
nicht, zumal der Osterreichische Erbfolgekrieg neues Elend über das
Land brachte und die Scheidemündung im Besitz der niederländischen
Republik war.
Es gehörten zu den österreichischen Niederlanden: 1. das Herzogtum
Brabant, aus dem Vlaamschen und Wallonsehen Brabant bestehend, a) Stadt
und Quartier Löwen, zu welchem neben mehreren Meiereien auch Land Sichen
i Nassau-Oranien gehörig) und Herzogtum Arschot (den Aremberg gehörig ! g«-
rechnet wurden, b) Stadt und Quartier Brüssel, Hauptstadt und Sitz der Her
zöge, während Nivelle mehr der Hauptort des Wallonsehen Brabants war
e) Stadt Antwerpen mit dem gröfsten Teil ihres Quartiers. Das in ihm liegend'
Herzogtum Hoogstraten gehörte dem Hause Salm Salm, das Herzogtum Turnh<»ut
im Norden dem österreiehisehen Landesherrn, an den es 1723 von Kurbranden
bürg abgetreten worden war. d) Die Herrliehkeit Meeheln, sonst selbständig
war Brabant einverleibt worden. — 2. Das Herzogtum Limburg, auch
Land von O vennaas, d. i. jenseits der Maas, genannt, mit der Hauptstadt Lim-
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430. Bistum Lüttich. 481. Krzbistum Cöln.
565
bürg und den Gebieten Baelen, Herve, Monzen, Walhorn und Aspremont
sowie einem Teil der Grafschaften Walkenburg, und Daelem und des Landes
Hertogenrade. — 3. Das Herzogtum Lützelburg oder Luxemburg mit
den Ämtern (prevötes): Luxemburg, Arlon, Bastogne, Marche, Chiny, Virton,
St. Mard, Biedburg oder Bibrich, Epternach oder Echternach, Remich, Greve-
machern und Orehimont, ferner den besonderen Herren gehörigen Ämtern
Dicklichi Estnlle, Durbuy und La Roche sowie dem Marquisat la Pont d'Oye. Im
Herzogtum lagen auch die Grafschaften Rochefort und Montaigu, die Herr-
schaften Briquemont, d'Ochamps und Bertry (alle diese dem Hause Stolberg
gehörig), — ferner die Herrschaften Chassepierre, Cugnon, Feuilly, Orgeo,
Havresse und Hatton (dem Hause Löwenstein sämtlich gehörig); — die Graf-
schaft Roussy, die niedere Grafschaft Salm, Grafschaft Vianden (Nassau-Oranien)
und Grafschaft Wilz. Aufserdem gehörten hierzu sieben Baronien und mehr
als dreifsig kleinere Herrschaften. — 4. Die Grafschaft Flandern, einge-
teilt in vier Distrikte: a) Distrikt Gent mit der gleichnamigen Hauptstadt, der
Burggrafschaft Gent, Grafschaft Aalst, den Städten und Kastellaneien Oudenaarde
und Kortriik, dem Land Doornik, Land Waes, Stadt und Herrlichkeit Dender-
monde und Kastellanei Bornhem sowie von den vier Ambachten die Amter
Assenede und Bockhout; b) Distrikt Brügge mit kleinem umliegenden Gebiet;
c) Distrikt Ypern mit Kastellanei und Stadt dieses Namens, Herrlichkeit Waasten
oder Warneton ; d) das freie Land, 't vrije Land, den nordwestlichen Teil
von Flandern, von der Küste bis Middelburg und Dixrauijden reichend. —
5. Die Grafschaft Hennegau (Hainau t) mit den Städten Moos, Roeulx,
Soignies, St. Ghislain, Ath, Chievre, Leuse, Lessines, Hai, Braine le Comte.
Enghien, Binche, Fontaine l'Eveque und Beaumont, ferner mit dem Herzog-
tum Havre und den Marquisaten Isieres und Sare, den Fürstentümern Ligne,
Barbancon, Nebecque, Tour und Tassis und Grafschaft Bossut sowie einigen
Pairien und Baronien. — 6. Die Grafschaft Namur mit den Städten Namur,
Charleroi, Walcourt, Bovines, ferner zwölf kleinen Herrschaften und mehreren
Abteien. — 7. Das Herzogtum G e 1 d e r n (Gelderland) bestand aus zwei An-
teilen: dem österreichischen mit Stadt und Festung Roermunde, den Herr-
schaften Swelm und Elmpt und mehreren Dörfern sowie dem preufsischen An-
teil mit den Städten und Ämtern Geldern, Stralen und Wachtendonk, Middel-
aar und Kriekenbeek, Land Kessel und den Herrlichkeiten Walbeek und
Twistede, Well, Aarssen und Aaff erden. Das Drostamt Montfoord gehörte
Preufsen, stand aber unter Oberhoheit der Generalstaaten.
430. Bistum LUttlch hatte trotz der bewegten Geschichte der
Nachbarschaft fortbestanden.
Das Stift umfafste die Hauptstadt Lüttich (niederdeutsch Luijk, latei-
nisch Leodium) an der Maas, ferner die ehemalige Grafschaft Hasbain, Graf-
schaft Looz (Loon), Grafschaft Hoorn (seit 1576 unter Schutz des Hoch-
stiftes, seit 1614 in seinem Besitz), das Marquisat Franchimont mit dem
Brunnenort Spaa, Landschaft Condroz mit den Städten Huy, Chiney und
Dinant, das Land zwischen Sambre und Maas, abgesondert vom Hauptlande
des Stiftes im SW., mit den Städten Cuivin, Florennes, Thuin etc.
431. Erzbistum Cöln umfafste drei getrennte Ländergebiete: das
eigentliche Erzstift zu beiden Seiten des Rheins, bestehend aus dem
oberen und unteren Erzstift, die Grafschaft Recklinghausen und das
Herzogtum Westfalen.
1. Das obere Erzstift Cöln begriff die Ämter Bonn, Linz, Andernach,
Ahrweiler, Altenahr, Grafschaft Reiferscheid (gehörte den Grafen Salm), Ämter
Zülpich, Lechenich, Brühl, Hardt, Stadt Rhens, Zeltingen und Alken.
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566 XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
2. Das untere Erzstift umfafste die Ämter Hülchrath und Erpratli.
Stadt Neuis, Liedberg mit Herrschaft Odenkirchen, Königsdorf, Ürchngen.
Kempen, Uheinberg und Deutz.
3. Recklinghausen lag am Lippeflufs mit der gleichnamigen Stadt
und Stadt Dorsten.
4. Das Herzogtum Westfalen bestand aus vier Quartieren: a) dem
Rhüdensehen Quartier mit Amt Ostinghausen, Gaugrafschaften Erwitte, Geseke.
Rhüden und Herrschaftsgerichten Fritzharzkirchen und Meirich; b) den
Werleschen Quartier mit Grafschaft Arensberg und Ämtern Werl -Neheim,
Menden und Balve ; c) dem Bilsteinschen Quartier mit Ämtern Bilstein, Frede-
bürg. Waldenburg und Gericht Attendorn, Freigrafschaft Hundemen und Herr
schaft Oberkirchen; d} dem Brilonschen Quartier mit Ämtern Brilon, Medebach
Stadtberg oder Marsberg und Volkmarsen, Herrschaften Kanstein. Padberg,
Almen und" Freigrafschaft Düdinghausen.
432. Kleinere Territorien auf linksrheinischem Gebiet waren die
folgenden :
Die gefürsteten Abteien Stablo (Stavelot, Stabulatum) und Mal-
medy, die meist unter gemeinsamen Äbten standen, aber wegen des Vorranges
öfters Streit hatten. Es gehörten zum Gebiet das Fürstentum Stablo mit den
Städten Stablo und Malmedy und die Grafschaft Logne mit dem gleich
namigen Schlofs.
Die Abtei Co nie Ii- Münster, auch Inden genannt, mit der Stadt
gleichen Namens und mehreren Dörfern.
Grafschaft Reckheim, in der Nähe der Maas, seit 162.** Grafschaft,
bis Mitte des XVTTJ. Jh. im Besitz der Grafen von Aspremont, mit Städtchen
Reckheim und einigen Dörfern.
Herrschaft Anholt, seit 1641 im Besitz der Salm, mit Stadt und
Schlofe.
Herrschaft Wittern, im Herzogtum Limburg westlich von Aachen,
mit Schlofs Wittern, Mecheln (Hauptort) und Dörfern. Anfänglich (— 16**2
brabantisehes Lehen, seit 1723 im Besitz der Grafen von Plettenberg.
Grafschaften Blankenheim und Gerolstein gehörten dem
Hause Manderscheid (Schlofs an der Liser\ ebenso wie mehrere Baronien im
Kylltal.
Herrschaft Gehmen, im Münsterschen Amt Ahaus, war bis 1640 im
Besitz der Schauenburger und dann der Grafen von Limburg-Bronkhorst, Sie
bestand aus dem Schlofs Gehmen mit einem Flecken. Einige Kirchspiel«
(Gescher, Heyden, Südlohn, Ramsdorf, Weseke und Velen) waren 1558 an
Münster gefallen.
Herrschaft Wickerad (Wickrath), an der Niers zwischen Herzogtum
Jülich und C'öln, bestand aus den Orten Wickerad, Fliede, Wetechevrelde.
Haen, Heerad, Berg, Beckerath, Bucholt und der Herrschaft Schwanenberg.
Grafschaft Kernen und Lommersum, jene an der Erft, diese
zwischen Euskirchen und Bonn gelegen. Sie kam 1711 in den Besitz der
Grafen Schaesberg, 1712 wurde sie zur Reichsgrafschaft erhoben.
Grafschaft Schleiden, in der Eifel, aus Schlofs und Flecken diese»
Namens und einigen Dörfern bestehend, seit 1598 den Grafen von der Mark
gehörig.
433. Erzbistum Trier wurde in ein oberes und unteres Erzstift
geteilt, von denen jenes im allgemeinen links des Rheins zu beiden
Seiten der Mosel lag und jenes rechts desselben.
434. Erzbistum Mainz. 435. Bistum Worms.
;>Ö7
Das obere Erzstift umfafste die Hauptstadt Trier, die Ämter Pfalzel
und St. Maximin, die l'aulinerpropstei bei Trier, die Ämter .Saarburg, Grim-
burg, St. Wendel, Sehmidburg, Hunold, Baldenau, Bernkastel, Neumagen (zu
Sayn- Wittgenstein), Wittlich, Wülschbillig, Kylburg, Schömcken, Sehönberg,
Hillesheim, Dhaun, Manderscheid, Ulmen, Kochern, Zell und Baldeneck.
Zum unteren Erzstift gehörten Amt Ehrenbreitstein mit Coblenz,
Amt Bergpflege, Herrschaft Vallendar, ein Teil der Grafschaft Sayn, die Ämter
Wränzau und Hersbach der Grafschaft Nieder-Isenburg, Ämter Hammerstein,
Mayen, Münster-Meinfeld nebst Alken, Boppard, Welmich, Ober-Wesel, Monta-
baur, Limburg a. d Lahn, Camberg und Wehrheim (letztere mit Nassau-Diez
gemeinschaftlich).
Die gefürstete Abtei Prüm war seit 1575 mit dem Erzstift vereinigt
gewesen. Sie bestand aus dem Abtslande (mehreren Dörfern) und dem Kon-
ventslande (mit dem Flecken Prüm und den Orten Brieresborn, Herlings-
ilorf u. a.)
434. Erzbistum Mainz erwarb mit dem Tode des letzten Herrn
von Kronberg, Johann Nikolaus, dessen ganze Herrschaft im Jahre 1704,
da sie nunmehr ein erledigtes Reichslehen war. 1715 wurde dem Erz-
stifte Neubaumberg im Oberamte Kreuznach von Kurpfalz abgetreten.
Auch die Hanauer Grafen waren 1 736 ausgestorben ; wegen ihres Anteils
am Freigericht Alzenau entstand mit Hessen-Kassel ein Streit, der 1748
durch Teilung des Gerichtes beseitigt wurde.
Das Erzbistum bestand aus dem Erzstift im engeren Sinn, dem Eichs-
feld, Stadt und Land Erfurt und einigen zerstreut liegenden Bezirken. Es um-
fafste: 1. das Vicedomamt in Mainz und % aufscrhalb Mainz mit Castel, Cost-
heim und Weisenau, ferner die Ämter: 3. Höchst mit Höchst und Hochheim,
4. Kronberg mit Kronberg und Eschhorn, 5. Ohlen mit Ober- und Nieder-
Ohlen. Hcchstheim und Algesheim, 6. das Vizedomamt Rheingau, die Ämter
7. Lahnstein, 8. Steinheim, 9. Dieburg, 10. das Freigericht mit dem Flecken
Alzenau, 11. Haussen, 12. Vizedomamt Aschaffenburg mit dem Amt Schöll-
krippen und Bessenbach, Schmerlenbach, Klein-W allstadt, Bachgau, Stadt und
Cent Seligenstadt, Obernburg, Stochstadt und Rothenbuch, 13. Amt Klingen-
berg, 14. Miltenberg, 15. Amorbach, 16. Bischofsheim, 17. Krautheim, 18. Ober-
amt Starkenburg, 19. Amt Gernsheim. 20. Neu-Baumberg, 21. Oberamt Amöne-
burg, 22. Amt Fritzlar, 23. Oberamt Königstein. Aufserdem besafs das Dom-
kapitel die Stadt Bingen und den Marktflecken Hochheim mit Zubehör und
die Dompropstci einige Dörfer.
Das Eichsfeld wurde durch den Dün in das untere Eichsfeld im N.
und das obere im Süden geschieden. Im oberen Eichsfeld gehörten zu Mainz :
die Städte Heiligenstadt und Worbis, die Amtsvogteien Haarburg (bei Worbis),
Scharfenstein, Gleichenstein, Amt Bischofsteiu, Greifenstein, Treffurt, Rusten-
berg, ferner die geistlichen Stiftungen Reiffenstein, Beuren, Auroda, Zell,
Hülfenberg und 13 adelige Gerichte (Bodenhausen, Bülzingslöwcn. Hagen,
Hanstein etc.). — Im unteren Eichsfeld: Duderstadt, die Amtsvogteien Gie-
boldehausen, Lindau, die Klöster Geroda und Teistungenburg bei Duderstadt
und die Gerichte Westerhagen und Winzingerode.
Die Stadt Erfurt mit den Ämtern Tondorf. Atzmansdorf, Mühlberg,
Vargula, Gispersleben, Vippach, Sömmerda, Alach, das Hospitalgericht und
Lehnsgut Isseroda.
4UJ5. Bistum Worms und die übrigen süd westdeutschen
Bistümer. Das Bistum Worms erwarb 1705 Neuhausen, welches die
Kurpfalz an das Stift abtrat.
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
Das Stift wurde eingeteilt in die Amtskellereien Stein (Lampertheim
Hurehheim, Dirmstein, Neu Leiningen und die Amtsschaffnerei Neuhausen mit
Rhein-Dürkheim und Liebenau.
Das Bistum Speier bestand aus zehn Amtern östlich des Rheins
das Oberamt Bruchsal, Ämter Kilslau, Grombach, Rothenburg. Pidlippsburg und
Gersbach; — westlich des Rheins: Kirrweiler, Deidesheim und Marientraut
Ferner besals es im Unterelsafs (unter französischer Hoheit) das Oberamt I^auter
bürg mit Stadt, Rheinzabern und Jockgrim, Amt Madenburg mit Schlofs und
vier Dörfern und Amt Dehn (Dhan), auch Tanstein genannt, mit sieben Dörfern
— aufserdem die Propstei Weifsenburg, seit 1545 Speier gehörig, mn
Amt Altenstadt und acht Dörfern.
Das Bistum Strafsburg hatte den gröfsten Teil seines Territorium»
auf damals französischem Boden liegen. Auf deutschem lagen nur die beiden
Ämter Oberkirch in der Ortenau und Euenheim im Breisgau. Dagegen auf
französischem Gebiet befanden sich die zehn Ämter: Dachstein, Mutzig und
Schirmeck, Benfeld, das Amt des Domkapitels, auch Pflege Frankenburg ge
nannt, Wanzenau, Zabern, Kochersberg, Girbaden, Markolsheim und das Ober
mundat Rufach mit den drei Vogteien Rufach, Sulz und Egisheim.
Das Bistum Basel lag teils auf deutschem, teils auf eidgenössischem
Gebiet. Auf deutschem befanden sich die sieben Ämter: Delsberg, Bruntrui
(seit 1271), Zwingen, Bierseck, Pfeffingen (seit 1008), Schlingen im Breisgau
und das Oberamt der Freienberge (seit 1423), ferner die vier Städte: Del?
berg (Delmont), Bruntrut, St. Ursitz, Lauften. Auf eidgenössischem Gebiet
lagen die Städte Biel und Neuenstadt (Bonneville), die Herrschaft Erguel und
lllfingen und der Thesenberg.
436. Pfälzische Lande. Um 1770 bestanden nur noch zwei pfäl-
zische Linien: Sulzbach und Birkenfeld. Die Simmernsche Linie war
mit dem Pfalzgrafen Karl 1685 erloschen und die Kurwürde an den
katholischen Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg übergegangen. Da
seine Nachkommen schon in der nächsten Generation 1742 ausstarben
so fiel die Würde an die Sulzbacher Linie, nämlich an Karl Theodor
der späterhin (1777) mit der Pfalz das erledigte Kurfürstentum Baiern
verband. — Unterdessen wTar auch die Zweibrückensche Hauptlinie mit
allen drei Teillinien (Zweibrücken, Landsberg, Kleeburg) 1731 erloschen,
und der kleine Landbesitz war an die dritte Hauptlinie Birkenfeld über
gegangen, die einzige, die noch bis zur Gegenwart fortbesteht (bairische
Königslinie).
Die pfälzischen Territorien waren somit in den Händen von zwei Linien
vereinigt worden. Aufser der Zweibrückenschen war auch die alte Nebenlinie
Veldenz mit Leopold Ludwig 1694 ausgestorben. Testamentarisch hatte dieser
widerrechtlich sein Gebiet der Zweibrückenschen Linie Kleeburg vermacht
Die Kleeburger Linie hatte mit Karl X. 1654 den schwedischen Königsthron
bestiegen, und dessen Sohn, König Karl XL. sollte der Erbe von Veldenz
werden. Hierüber entstand ein langjähriger Erbschaftsstreit mit den nächsten
Agnaten des Pfälzer Hauses. Auch über das erledigte Zweibrückener I.an<i
stritten sich die Kurlinie und Birkenfeld, nachdem der letzte Kleeburger, Gustav
Samuel, der sein Land der katholischen Kurlinie zuwenden wollte, 1731 ge
storben war. Erst 1733 wurde der Streit beigelegt. Der Kurfürst behielt die
Ämter Veldenz und Lauterecken; Birkenfeld erhielt Lützelstein und Gutten
berg. Das zweibrückensche Erbe dagegen fiel mit Ausnahme des Unteramt*
Stadteck an Christian III. von Birkenfeld. Vgl. im übrigen Häufser. Gesoh
d. rhein. Pfalz, II, 758, 830, 891.
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i
436. Pfälzische Lande.
569
Die Grafschaft Sponheim war zu ein Fünftel seinerzeit an die Kurlinie
^fallen ; zwei Fünftel waren in der Hand von Pfalz-Simmern und Baden ge-
meinsam (S. 572) gewesen. Nach dem Tode Ludwig Philipps 1655 fiel das Mitanrecht
an diese 2/5 an die Kurlinie. Späterhin einigte sich Kurfürst Johann Wilhelm
von Neuburg mit Baden (1707) dahin, dals sie beide durch Tausch einen getrennten
Besitz herstellten, indem Kurpfalz die Stadt Kreuznach mit 23 Ortschaften er
hielt. Verzeichnis dieser und des badischen Anteils bei Häufser, II, 836.
Unter Karl Philipp wurde 1742 auch der Jülichsche Erbsehaftsstreit mit
Preufsen endgültig beigelegt. Jülich und Berg blieben bei der Pfalz.
Unter Karl Theodor, dem Letzten der Pfalz-Sulzbacher Linie fand noch,
• ine Reihe von Grenz- und Tauschverträgen statt. Er erwarb Kaiserswert (1768).
Im Oberamt Bretten wurden gegen den Ort Unteröwisheim die Dörfer Spran-
tal, Geldeshausen und Zeisen hausen erworben, durch Kauf ferner das Dorf
Dietelsheim, Zwingenberg am Neckar (1751), die Herrschaft Ebernburg mit
mehreren Dörfern (1771). Auch mit Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld fand ein
Austausch mit mehreren Orten statt. Alles Nähere bei Häufser, 1. c. II, 917—919,
mit weiteren Angaben.
Der Umfang der einzelnen pfälzischen Territorien ist folgender:
Fürstentum S i m m e r n (der Kurlinie gehörig) bestand aus dem Oberamt
Simmern mit 70 Ortschaften, Oberamt Stromberg mit 14 Orten, Amt Böckel-
heim mit dem gleichnamigen Schlofs und den Städtchen Sobernheim und Mon-
zingen und mehreren Dörfern, ferner der Herrschaft Hohenfels am Donners-
h<-rg (als Pfand von Sponheim).
Fürstentum Lautern (zu Kurpfalz) bestand nur aus dem Oberamt
Läutern mit dem Hauptort Lautem oder Kaiserslautern und den Unterämtern
Otterberg, Rockenhausen und Wolfstein sowie den Gerichten Kübelberg, Ram-
stein, Steinwenden, Weilerbach, Mohrlautern, Neukirch, Alsenborn und Wald-
tischbach.
Fürstentum Veldenz umfafste die beiden Oberämter Veldenz an
der Mosel und Lauterecken an der Glan mit gleichnamigem Schlofs und
Städtchen mit Dörfern und der Schultheifserei Reichenbach.
Fürstentum Zwei brücken (auch Pfalz-Zweibrücken genannt), aus
der ehemaligen Grafschaft Zwei brücken und einem grofsen Teil der ehe-
maligen Grafschaft Veldenz bestehend. A. Von der Grafschaft Zweibrücken
stammten: das Oberamt Zweibrücken mit der Stadt, dem Unteramt Kirkel
; Reichslehen) und von Amt Homburg 4/9 (während 6/9 zu Nassau-Saarbrück
gehörten); das Oberamt Neucastel oder Bergzabern (von Frankreich zum
Elsafs gerechnet); das Oberamt Guttenberg (seit 1733 bei Zweibrücken) mit
Ort Minfeld und zehn Dörfern (unter französischer Hoheit). — B. Von der Graf-
schaft Veldenz stammten: Oberamt Lichtenberg mit Vogtei Burgfrieden, Pfeffel-
bach, Conken, Baumholder, Berschweiler, Propstei Ulmeth und Unteramt Nohe-
felden ; das Oberamt Meisenheim mit elf Vogteien und dem Unteramt Lands-
berg (mehrere Orte waren in dem Oberamt mit anderen Herren gemeinschaftlich).
— C. Zu Pfalz-Zweibrücken gehörten auch die Grafschaft Lützelstein und Amt
Böschweiler im Unter-Elsafs (französisch), ein Anteil an der Grafschaft Spon-
heim und die Herrschaft Rappoltstein mit acht Ämtern. Von der genannten
Grafschaft Sponheim, und zwar der Vorderen Grafschaft, gehörten 3/ä zu
Kurpfalz: das Oberamt Kreuznach mit dieser Stadt und dem Flecken Spon-
heim. Welstein und Genzingen (*-/6 gehörten EU Baden), Die Hintere Grafschaft
gehörte Kurpfalz und Baden gemeinschaftlieh seit 1672); sie bestand aus dem
Oberamt Trarbach mit dieser Stadt und Schlofs Starkenburg a. d. Mosel, den
Ämtern Kastelaun, Dill. Winterburg, Herrstein. Birkenfeld und Allenbach sowie
dem sog. Cröver Reich, einem Ländchen auf dem linken Moselufer.
Das Herzogtum Jülich war in 23 Ämter eingeteilt: Bergheim, Born
und Millen, Boslar, Brüggen, Düren, Euskirchen, Geilenkirchen, Grevenbroich,
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ItlO XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
Haimbach, Heinsberg. Jülich, Köster, Montjoie, Münstereifel, Neuenuhr, Xiij
eggen, Nörvenich, Randerath, Sehönforst, Sinzig und Keniagen, Wehnneigten i
Wassenberg, Wilhehnstein.
Das Herzogtum Berg umfafste 16 Ämter: Angermund, Beyenburg
und Barmen, Blankenberg, Broich, Düsseldorf, Elberfeld, Hardenberg, Hucke-
wagen und Bornefeld, Löwenburg und Lülsdorf, Mettmann, Miselohe, Monheim
Porz, Solingen, Steinbach, Windeck.
437. Grafschaft Salm oder die Obere Grafschaft Salm, im Gegen
satz zur Niederen Grafschaft im Herzogtum Luxemburg. Mit Frankreich
fand 1751 ein Teilungsvergleich statt.
Sie umfafste Stadt und Schlofs Salm, die halbe Stadt Balzweiler und
Anteile an verschiedenen Meiereien in den Vogesen. Dagegen standen <ii>
Herrschaften Ogeviller und Pouligny unter französischer Herrschaft.
Kleinere Territorien waren die Grafschaft Wartenberg, ohi>
recht zusammenhängendes Gebiet zwischen dem Rhein, Unterpfalz, Westri< :
und Falkenstein (seit 1707 Reichsgraf schaft), mit dem Hauptort Mettenham
Grafschaft F a 1 k e n st e i n neben der vorigen mit dem gleichnamigen Flecken
dem Städtchen Weinweiler und einigen Dörfern. Seit 1667 gehörte sie Lothringen
1731 dem späteren Kaiser, Herzog Franz Stephan; Herrschaft R ei polt*
kirchen mit dem Schlofs und zahlreichen Dörfern zwischen kurpfälzisrheii:
Gebiet gelegen; Grafschaft Krichingen (Creange) mit den Herrschaft« n
Saarwellingen, Püttlingen und Rollingen im Westrich, teils unter französisch« r
teils Luxemburger Oberhoheit; die Herrschaft Bretzenheim mit Schloß
und Dörfern gehörte dem Erzstift Cöln ; Herrschaft Dachstuhl (Dagstuhl
zwischen Saarburg und Grimburg, ein kurtrierisches Lehen. Im übrigen vd
Fabricius, Erläuterung zum geschichtl. Atlas der Rheinprovinz, 181*8.
4:58. Wild- und Rhelngrafschaft. Von den Söhnen Johanns VI
(f 1499) stammten die jüngere Dhaunsche und Kyrburgsche Linie
letztere starb 1688 aus, jene spaltete sich in drei Teillinien: die Sahnsche
Grumbachsehe und Dhaunsche. Da die letztgenannte 1750 erlosch, so
blieben die beiden anderen übrig, von denen die Grumbachsche sich
nochmals in die zu Grumbach und die zu Stein geteilt hatte, so »laf>
um 1770 also drei Hauptlinien mit folgendem Territorialbesitz existierten
Die Salm sc he Linie zu Salm und jene zu Kyrburg besafsen die obes
genannte Obere Grafschaft (gehörte Salm-Salm allein) Salm und ferner da*
Oberamt Kyrburg zu beiden Seiten der Nahe mit der Stadt Kyrn oder Kim.
die Schultheifsereien Kirchenbollenbach, Löllbach und verschiedene Flecken,
ferner l/4 der Ämter Flonheim, Tronecken, Wildenberg und Dimringen sowi»
ein Achtel von Wörstadt und :,/4 vom Hochgericht Rhaunen.
Die rheingräflich Gr um bachsehe Linie besafs Herrschaft inul
Amt Grumbach im Westrich mit dem Schlofs, einen Teil des Efsweiler Tal»*
und ein Viertel von Wörstadt (Wörrstadt), einen Teil der Herrschaft Tron eck' t
(Mark Talfang), ein Viertel der Herrschaft Dimringen, die Wildgrafschaft Dhaun
auf dem Hunsrück mit Amt Haussen und halb Meddersheim.
Die rheingräfliche Linie zu Stein besafs die Rheingrafschaft zum
Stein (Rheingrafenstein) an der Nahe mit der Residenz Grehweiler; Herr
schaft und Amt Wildenburg auf dem Hunsrück, 1/4 von Dimringen. r,/s vi*
Wörstatt.
439. Grafschaft Lein in gen. Von den Westerburger Linien wann
zwei ausgestorben ; die fortbestehende Georgs I. hatte sich unter seim-n
440. Markgrafsehaft Baden. 571
Urenkeln in jene Christoph Christians und Georgs II. gespalten. Jede
von ihnen war mit einem Anteil am Territorium bedacht worden. —
Von der Dagsburger Linie bestanden um 1770 drei: die Hartenburger
Ivon Joh. Philipp I. her), die Dagsburger und Heidesheimer (von
Emich X. abstammend). Vgl. geneal. Tab. S. 462.
Das ältere Leiningen- Westerburgische Haus (mit den beiden
Linien: der Christophischen und Georgschen) besafs:
I. einen Anteil an der Grafschaft Leiningen, und zwar: 1. beide Linien
gemeinsam : Grünstadt, Hünningen, Wattenheim, Münchweiler, Gambach, Hoch-
««peier, Quirnheim; 2. Die Christophsche Linie allein: Alt-Leiningen, Hort-
lingshausen, das sog. Hintere Gericht mit einigen Pfarrdörfern, dann noch die
Dörfer Kirchheim, Saussenheim und Bissersheim; 3. die Georgsche Linie
allein : (he Hälfte des Städtchens Neu-Leiningen, Asselheim, Albsheim, Lauters-
heim, Monsheim, Obrigheim und mehrere Höfe;
H. die Herrschaft Westerburg auf dem Westerwalde, und zwar: 1. Ge-
meinsam: Westerburg, wovon die Christophsche Linie ein Drittel, die (ieorgsche
zwei Drittel hatte ; 2. die Christophsche Linie allein : Wilmenroth, Berzhan, Gcr-
sassen; 3. die Georgsche Linie allein: Gericht Gemünden, Winnen, Wengeroth,
Nirnhausen und das sog. Obere Gebiet mit den Dörfern Hergeroths, Halbs
und Stahlhofen. — Zu dieser Herrschaft gehörten noch: Weltersburg und Herr-
schaft Schadeck, beiden Linien gemeinsam ; aufserdem die Herrschaft Forbach
im Westrich bei Saarbrücken und ein Teil der Herrschaft Oberbrunn im
Unter-Elsais.
Das jüngere Leiningen-Dagsburgische Haus besafs : Hartenburg,
Dürkheim, Humstein, Dörfer Frankenstein, Hochspeier, Steinbach, Grofs- und
Klein-Boekenheim, Hedesheim, Butersheim, Guntersblum, üversheim, Dogels-
heim, Walertum. Die Grafschaft Dagsburg in den Vogesen stand unter fran-
zösischer Landeshoheit.
440. Markgrafschaft Baden. Die im XVI. Jh. erfolgte Teilung in
eine Ohe re Markgraf schaft (Baden-Baden) und eine Untere Graf-
schaf t (Baden-Durlach) (s. S. 465) dauerte bis zum Schlufs dieser Periode
fort. Da der Letzte aus dem Grafenhause Baden-Baden. August Georg,
1771 ohne Nachkommen starb, so wurde sein Territorium mit dem
anderen wieder vereinigt laut eines 1765 geschlossenen Erbvertrages.
Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden erhielt vom Kaiser die Stadt
Kehl 1696 und 1701 die Landvogtei in der Ortenau, die jedoch 1701 wieder
eingezogen worden Ist. Seine Residenz verlegte er von dem damals zerstörten
Baden nach Rastatt (1689).
Die Obere Markgrafschaft umfafste: 1. das im engeren Sinne so
genannte Gebiet mit den Städten und Ämtern Rastatt-Kunpenheim, Baden,
Ettlingen, Steinbach, Bühel-Groschweier, Stollhofen nebst Schwarzach. 2. Amt
Kehl (ein Viertelanteil); 3. Amt Staufenberg in der Ortenau; 4. Herrschaft
Mahlberg (seit 1629); 5. die Landvogtei Ortenau mit den Vogteien (Jriefsen-
heim, Appenweier, Ortenberg und Acheren.
Die Untere Markgrafschaft begriff das Oberanit Karlsruhe mit der
seit 1715 vom Markgrafen erbauten Hauptstadt Karlsruhe und den Amtern
Mühlburg, Graben und StarTort, den Oberämtern Durlach und Pforzheim,
den Ämtern Stein, I^angensteinbach und Roth sowie dem Marktflecken Münzes-
heim im Kraichgau.
Die Markgrafschaft Hachberg oder Hochberg umfafste: 1. die
eigentliche um den Kaiserstuhl zerstreut liegende Markgrafsehaft, 2. das Amt
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
.Sulzburg, 3. die Herrschaft Röteln, i. die Landgrafschaft Sausenberg mit dem
Städtchen Schopfheini, 5. die Herrschaft Badenweiler.
Zu Baden gehörte ferner die Herrschaft Grave n stein (Amt Rothleben,,
einst der Hinteren Grafschaft Sponheim angehörend; von der vorderen
Grafschaft zwei Fünftel: das Überamt Kirchberg und Amt Koppenstein, Naum-
bürg und Sprendlingen (s. auch Pfälzische Lande). — Ferner die Graf schalt
Eberstein im Murgtal mitSehlofs und Flecken, Stadt Gersbach und mehreren
Dörfern. Abteien u. a. m. ; — die Herrschaft Rödern achern in Luxem
bürg und verschiedene durch Heirat an Baden gekommene Herrschaften in
Böhmen : Herrschaft Lobositz mit vier Ämtern; Schlackenwert, Teusing, Podersarn.
Töppelsgrün, Pürlos u. s. w. — Auch das Amt Beinheim im Ober-Elsafs war seit
1402 im badensehen Besitz.
441. Herzogtum Wlrtemberg. Im Dreifsigjährigen Kriege war
das Land furchtbar heimgesucht worden, aber auch in der Folgezeit
fand es wenig Ruhe, sich zu kräftigen. Unter Eberhard Ludwig (1677
bis 1733) wurde vorübergehend die Herrschaft Wiesensteig von Baiern
erworben. Im Jahre 1723 starb die auf Mömpelgard abgeteilte Linie
aus, und laut eines Erbvertrages nahm der Herzog von dem Lande
Besitz. Frankreich legte zu Gunsten der illegitimen Nachkommen des
letzten Grafen von Mömpelgard Beschlag auf einzelne Teile der Graf
schaft (Horburg, Reichenweier im Elsafs; Blämont, Clemont, Hericourt,
Chätelot, Grangcs, Olerval, Passavant in Burgund) und eroberte schliefs-
lich auch die eigentliche Grafschaft selbst, mufste letztere aber 1736 und
1738 wieder zurückgeben und 1748 auch die Nebenherrschaften.
Kleinere Gebietevergröfserungen bestanden in dem Ankauf der Kom-
turei Winnenden vom Deutschen Orden (1665) und der Herrschaften
Sterneck. Justingen und Bönnigheim (1749, 1751).
Das Herzogtum zerfiel in vier Abteilungen: 1. die weltlichen Ämter
und Städte, im ganzen 59: die Ämter Stuttgart, Cannstatt, Waiblingen, Schorn
dorf, Leonberg, Göppingen. Dies waren die sechs ältesten Ämter. Seit 12M
folgen dann nach : Amt Urach, Münsingen, Nürtingen, Backnang, Marbach,
Beilstein mit der Herrschaft Stcttenfels und Gruppenbach, Neuffen, Calw, da.«
Städtchen Wildbad, die Ämter und Städte Neuenburg, Brockenheim, Dorn
Stetten, Winnenden, Güglingen, Groningen, Vaihingen, Tübingen. Herrenberg.
Böblingen, Städtchen Sindelfingen, Ämter und Städte Heubach. Lauflen, Bot
war, Tuttlingen mit den Herrschaften Lupfen, Karpfen und Falkenstein ; Dorn-
han mit Herrschaft Sterneck; Nagold. Ebingen, Ämter und Städte Hornberg
Kirchheim unter Teck, Murhard, Bahlingen, Bietigheim, Wildberg, Blaubeuren.
Sulz, Pfullingen, Weinsberg, Neustadt. Meckmühl, Kloster und Amt Maulbronn.
Herrschaft Heidenheim mit Kloster Herbrechtingen ; Hohentwiel, Amt Steins-
lingen, Besigheim, Mundelsheim, Freudenstadt, Altensteig, Liebenzell, Sachsen
heiin, Dorf Höpfigheim, Stadt und Amt Ludwigsburg; — II. die den Fürsten
eigentümlichen Kammerschreibereigüter: Gomaringen, Marschalken
Ummer, Winnenthal, Stetten im Remstal, Hohenkarpfen mit Hausen ob Frena
Gochsheim, Freudenthal, Heimsheim, Wendlingen, Köngen, Neidlingen, Brem
Weiltingen, Liebenstein, Stamheim und Ochsenberg, ferner die Herrschaften
Welzheim und Justingen; — III. die Klosterämter Blaubeuren, Anhausen.
Königsbronn, Adelberg, Denkendorf, Bebenhausen, Hirsau, St. Georgen, Lorch,
Alpirsbach und Herrenalb mit den Ämtern Derdingen und Merklingen. -
IV. Lehensberechtigung, Gerechtsame etc. besafs Wirtemberg in einigen Gebieten
und Städten. So war die Grafschaft Löwenstein ein Lehen des Herzogtum*,
und in zahlreichen Reichsstädten hatte es Gerechtsame.
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442. Bistum Constanz und andere geistliche Territorien in Schwaben.
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442. Bistum Coostanz und andere geistliche Territorien in
Sehwaben. Der Diözesansprengel war einer der umfangreichsten in
Deutschland, hingegen war das Stiftsgebiet doch verhältnismäfsig klein.
Es gehörten zum Hochstift Constanz die Stadt Meersburg mit der
bischoflichen Residenz, Stadt Markdorf, Herrschaft Ittendorf, Abtei Reichenau.
Vogteien Geienhofen und Bollingen, Amt Köthelen im Klettgau. Der Dom-
vogtei Baden gehörten dem Bisehof die sog. äufseren Ämter Klingnau, Zurzach
und Kaiserstuhl; im Thurgau die Obervogteien Arbon, Bischofzell, Gottlieben,
Güttingen und elf Gerichtsherrlichkeiten. Auch das Domkapitel besafs deren zwei.
Propstei Ell wangen war seit 1460 eine weltliche Propstei unter dem
Schutze von Wirtemberg. Sie begriff das Amt Ellwangen mit der Stadt, Amt
Jaxtzell, Neuler, Röthlein, Tannenberg, Wasseralfingen, Abts-Gemünd, Kochen-
burg imd Heuchlingen.
Abtei Kempten war schon in der Mitte des XII. Jh. zu fürstlichem
Range aufgerückt. Es gehörten zu ihr: die Stiftsstadt und Reichsstadt Kempten
(s. S. 299), Marktflecken Buchenberg und St. Martinszell, Schlots und Amt Sulz-
berg, Flecken Thingau, Herrschaften Wagegg, Westerriedt, Günzburg, Rothen-
stein, Calde, Grönenbach, Teisselberg - Hetzlinshofen - Erbishofen , Hohenthan
und Kemnath, Flecken Ix>gau, Markt Dietmannsried, Pflegamt Zum Falken.
Frauenabtei Lindau hatte nur einige Güter unter Gerichtsbarkeit der
Reichsstadt Lindau.
Frauenabtei'Buehau besafs die Herrschaft StraXsberg in Wirtemberg
sowie Gerechtsame und Gefälle in den österreichischen Städten Sulgau, Mengen
und vielen Pfarrdörfern.
Mannsabtei Salm ans w eiler (Salmansweil , Salem , Salemium) , 1 1 34
gestiftet, seit 1142 freies Reichsstift. Sie hatte ihren Besitz in den um das
Reichsstift belegenen Dörfern; ferner gehörten ihr die Ämter Owingen und Oste-
rath, Herrschaft Schwemmerberg und verschiedene Vogteien, Pflegämter etc.
Mannsabtei Weingarten stand unter Kaiser Heinrich unmittelbar
unter dem Reich. Sie umfafste die drei Herrschaften Brochenzell am Schüben,
Hagnau am Überlinger See und Reichsherrschaft Blumeneck in Walgau (seit
1618), ferner Orter und Güter in der Landvogtei Altdorf.
Mannsabtei Ochsen hausen, 1KX) von St. Blasien aus gestiftet, seit
1391 selbständige Abtei, besafs den gleichnamigen Marktflecken, die Herrschaften
Tannheim, Umendorf, Ober- und Unter-Sulmentingen, Hornbach und Fischbach.
Mannsabtei Kaisersheim in der Nähe von Donauwörth in der Graf-
schaft Graisbach, gestiftet 1135, seit 1446 reichsunmittelbar, mit der Abtei
Pillenh«»fen im Pflegamt Laber, den Ämtern Niederstotzingen und Kammingen.
Tapfheim und Tolpertstetten, Nördlingen, Unter- und Ober-Thürheim, Lauingen,
Ulm, Biberberg, Pörnitzstein, Sulzdorf, Huisheim, Ammerfeld und Genderkingen.
Mannsabtei Roggenburg an der Günz, 1126 gestiftet unter dem
Schutze von Ulm, besafs verschiedene Dörfer und Weiler.
Mannsabtei Irsee (Yrsee, Ursin, Trsingum), 1182 gestiftet, besafs da.-
Dorf Irsee und mehrere Pfarren.
Mannsabtei Elch in gen (Aichlingen), 1128 gestiftet, besafs das Ober
amt Elchingen und die Pflegämter Tommerüngen, Fahlheim und Stoffenried.
Mannsabtei Ursperg, 1125 gestiftet, mit den Dörfern Längen-Haslach,
Pilhausen und Zell.
Mannsabtei Schussenried oder Soreth mit den Dörfern Almanns
weiler, Michelweneda, Steinhausen und Staflangen; sie wurde 1188 gestiftet,
1367 reichsunmittelbar.
Mannsabtei Weifsenau (Atigia alba, Augia minor) am Schufsen be-
safs das Dorf Oberhofen und mehrere Höfe.
Mannsabtei Roth, 1126 gestiftet, mit den Dörfern Berkheim und Has-
lach und einigen Weilern und Höfen.
In der schweizerischen Land-
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574 XIII- Politische Geographie um das Jahr 1770.
Mannsabtei March thal (Martalum, Martebeüum), gestiftet Anfang des
XI. Jh., seit 1171 Propstei, seit 1418 Abtei, 1575 reichtsunmittelbar. besafs die
Dörfer Marchthal, Dathausen. Dieterskirch, Hausen, Kirchbirlingen u. a. dl
Mannsabtei Gengenbach, im VIII. Jh. gestiftet, besafs von ihrer,
ehemaligen Gebiet nur noch Schaffner zu Offenburg und Zell am Hammersba. L
Mannsabtei Zwifalten, 1089 gestiftet, Uegt am Fufs der Alb zwischen
zwei Bächen, Ach ; daher Zwifaltach, duplices aqitae. Sie besafs zahlreiche Dorfer
der Umgegend, ferner die Herrschaft Reichenstein mit Schlots und Dörfern
Thalheim und Lauteren sowie das Schlofs Mochenthal.
Mannsabtei Peters hausen, 980 gestiftet, mit den Herrschaften
Staufen, Hilzingen und Rietheim und drei Dörfern.
Propstei Wettenhausen, Ende des X. Jh. gestiftet, besafs die Ober
vogteien Grofskölz und Röthigen, Amt Wattenweiler sowie einige Dörfer un>!
Weiler.
Frauen ah tei Gutenzell (Bona cella). auch Gotteszell, etwa 1240 p
stiftet, mit sehr geringem Güterbesitz.
Frauen ab tei Heggbach (Heppach) besafs das Dorf Mietingen un
einige Weiler.
Frauenabtei Rothniünster {Vallis b. Marine), erst seit 1224 an ihr*
letzte Stelle verlegt (früher Hohenmauern genannt und bei Rottweil gelegen
besafs einige Dörfer.
Frauenabtei Baindt (Poundum, Abbat. Bintensis, Hortus ßoridttsf an
Schufsen, 1340 gestiftet, hatte kein eigenes Gebiet sonst.
<
443. Grafschaft Hohenzollern. Von den durch die Söhne Karls 1
(f 157Ö) gestifteten drei Linien: Hechingen, Sigmaringon und Haiger
loch starb die letztere 1634 aus und ihr Territorium fiel an Sigmaringen
Hohenzollern-Hechingen besafs die Stammburg Hohenzollern, die
Residenzstadt Hechingen, den Marktflecken Grosseiringen und verschieden-
Dörfer : Stetten, Rangendingen, Boll , Steinhofen , Burladingen, Gauseltinge:.
Killer, Starzel, Hausen, Stein u. a. m.
Hohenzollern Sigmaringen begriff die Grafschaft Sigmaringen mit
der Stadt und den Dörfern Sigmaringen, Krauchen wiesen, Hausen, Langen
Enslingen und Bingen, ferner den Frauenklöstern Habstall, Laitz, Gornlieim
Inzhofen. Aufserdem gehörte unter österreichischer Hoheit hierzu die ehemalig*
Grafschaft Vöhringen mit den Dörfern Vöhringen, Benzingen und Hartenhause:
auf der Scheer. Auch die Herrschaft Haigerloch und Wöhrstein stand unter
österreichischer Lehenshoheit mit dem Städtchen Haigerloch, den Dörfern Gruel
Zimmern, Stetten, Bietenhausen u. a. m.
444. Fürstentum Fürstenberg. Von den zahlreichen Linien des
Hauses war seit 1744 nur noch die Stühlinger übrig, auf welche die
1544 der Heiligenberger Linie verliehene Reichsfürstenwürde übergim:
Sie besafs 1. die Grafschaft Heiligen berg, ein Oberaint bildend
mit dem gleichnamigen Schlofs und mehreren Dörfern; 2. die Herrschaft
Jungnau mit dem Marktflecken Jungnau, dem Dorf Enneringen und Weile:
1 foehberg ; 3. die H e r rs c h a f t T r o c h t e 1 f i n g e n , ein Oberamt bildend, mi:
dem Städtchen Trochteltingen und den Marktflecken Steinhüllen und Meiehingen;
4. die Herrschaft Hausen im Kinzigtal mit Wolfach und Haslach; 5. die
Herrschaft Möfskirch an der Donau mit gleichnamigem Schlofs und Sta<lt
dem Markt Meningen und Dörfern; 6. die Herrschaft Waldsperg (Wald-
berg) mit den Dörfern Wondorf und Grombach und einigen Höfen; 7. die Herr
sehaft Gundelfingen mit Schlofs Neufra und Gundelfingen, Stadt Hain^er
Dorf Bibisbausen im Lautertale; 8. die Landgrafschaft Baar mit dem
Marktflecken Donaueschingen, dem Städtchen Fürstenberg, den Obervogtei
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445. Die Lande der Grafen Fuggor.
575
ämten Blumberg, Hüf fingen, Löffingen und Moringen, der Vogtei Geisingen u. a.;
8. die Landgrafschaft Stühlingen mit den Obervogteiamtern Stühlingen,
Möwen und Neustadt.
445. Die Lande der Grafen Fugger. Das zuerst im XIII. Jh.
zu Reichtum und Ansehen gelangende Geschlecht hatte sich durch An-
kauf von Territorien eine grofse Macht erworben und wurde 1530 von
Kaiser Karl V. in den Grafenstand erhoben. Die Familie war in zahl-
reiche Linien gespalten, die mit kleinem Territorial besitz ausgestattet
uaren.
I. Der Marx (Markus) Fuggersehe Hauptast besafs die Herrschaft
N'onlendorf zwischen Lech und Sehmutter, die Dörfer Ehingen und Lauter-
bronn und die Orte Dütenstein, Diemingen und Wangenhof.
II. Der Hans Fuggersche Hauptast; von diesem besafs 1. der
Kirchheimsehe Zweig die Herrschaften Kirchheim, Eppichhausen, Türken Fehl
und Sehmüehen; 2. der Mückhausensche Zweig die Herrschaft Mückhausen
a. d. Sehmutter und Schwindegg; 3. der Glöttsche Zweig: die Herrschaften
Ulött, Oberndorf und Elgau.
III. Der Jakob Fuggersche Hauptast; von ihm besafs 4. der Baben-
hausische Zweig die Herrschaften Babenhausen a. d. Günz und Boofs a. d.
Iiier; 5. der Wasserburgsehe Zweig die Herrschaften Wüllenburg, Gaiblingen
und Biberach, das Pllegamt Röttenbach a. d. Günz und die Herrschaft Wasser-
l'urg am Budensee. — Ferner gehörten der Raymundschen Linie der Fugger
•lie an Donau und Iiier gelegenen Grafschaften Kirchberg und Weifsenhorn
mit den Herrschaften Adelshofen, Wulenstetten, Pfaffenhofen und Maurstetten.
Kleinere Territorien waren ferner die Grafschaft Hohenembs am
OlxTrhein oberhalb des Bodensees mit den Schlössern Alt- und Neu-IIohenembs,
dem Marktflecken Embs, dem Reichshof Lustenau u.a. Die Grafschaft
Hondorf im Gebiet der Wutaeh gehörte der Abtei St. Blasien im Schwarz-
wald, die aufserdem die Herrsehaften Staufen (an der Grenze der Markgraf-
»chaft Baden), Kirchhofen, Gutenberg, Gurtweil an der Schwarzach und Ober-
ried im Schwarzwald besafs. Auch auf schweizerischem Gebiet hatte die Abtei
Territoriall »esitz. — Die Herrschaft Eglof am Argen zwischen Isny und
Wangen war als österreichisches Pfand im Besitz der Grafen von Traun und
Abensberg (seit 1661). — Die Grafschaft Thannhausen am Mindelflufs
bei Ursperg war seit 1677 unmittelbare Reichsherrschaft. — Die Grafschaft
Hob e n-Geroldsegg im Breisgau mit dem Schlots, ferner Schlofs Dütenstein,
den Dörfern Selbach und Mittelbach. Im Jahre 1634 starben die Grafen aus;
sie kam an die Grafen von Kronberg, 1691, dann an Karl Kaspar von der
Leven, der 1711 Reichsgraf wurde. — Die Herrschaft Eglingen, seit 1727
im Besitz der Thum und Taxis mit dem gleichnamigen Marktflecken und
••inigen Weilern. — Das Fürstentum Liechtenstein mit Schlofs und
Flecken Vaduz, Schlofs Schellenberg, den Dörfern Treisen, Balzers, Schan,
Eschen und Mauren sowie dem Kloster Benderen. Die beiden Linien des
Hauses waren 1618 und 1623 in den Reichsfürstenstand erhoben worden. —
Die Grafschaft Thengen neben der Landgrafschaft Baar mit der Stadt und
einigen Dörfern, seit 1653 im Besitz der Grafen von Auersperg. — Die Herr-
s <• h a i" t e n T e 1 1 n a n g und Argen am Bodensee ; jene mit dem Landwaibel-
anit und Ämtern Hemmickhofen, Langnau und Neukirch, diese mit den Ämtern
Langenargen, Nonnenbach und Thunau. Sie gehörten seit dem VIII. Jh. den
Montforte. — Das Geschlecht der Erbtruchsessen war aus dem freiherrlichen
GeHchleeht von Waldburg hervorgegangen, deren Amtsbenennung schließlich
zum Geschlechtsnamen wurde. Im XVIII. Jh. existierten sechs Linien: die Erb-
truchsessen zu Zeil -Zeil, im Besitz der Grätsch. Zeil im Allgäu; die Erb-
truchsessen zu Zeil-Wurzach, im Besitz von Herrschaft Wurzach und
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576 XJU- Politische Geographie um das Jahr 1770.
Mahlstetten ; die Erbtruchsessen zu Wolf egg- Wolf egg, im Belitz von
Herrschaft Wolfegg, Waldburg, Kifslegg, Waltershofen, Prafsberg und Leipolz
die Erbtruchs essen zu Wolfegg- Waldsee besafsen die Herrschaft Wall
see und Gericht Winterstetten ; die Erbtruchsessen zu Scheer-Scheer.
im Besitz der Herrschaft Scheer, Grafschaft Friedberg, Herrschaft Dünner,
tingen und Bufs. Die Erbtruchsessen zu Scheer-Trauehburg besät*-?
die Grafschaft Trauchburg und Anteile an den Herrschaften Kifslegg und Herroth
446. Bistum Augsburg hatte kein vollständig geschlossenes Stifts
gebiet, welches in dem Raum zwischen Lech, Wertach und Iiier bis in
die Voralpen hinein lag.
Es wurde in 14 Ämter eingeteilt : Dillingen mit der gleichnamigen bischoi
liehen Residenz, Aislingen a. d. Donau, Westendorf-Killenthal, Zusmershausen
PfafTenhausen, Schöneck, Bobingen, Schwabenmünchen im Lechfelde, Buehlo«
Leeder, Oberdorf, Nesselwang, Sonthofen und die Stadt Füssen. Aufsei den
besafs es mehrere Güter und Ortschaften im Donaulande sowie in Tirol.
447. Frankische Bistümer. Die beiden gröfsten waren das Hoch
stift von Würzburg und Bamberg, die eng zusammengrenzten und in
Verbindung mit dem Erzstift Mainz fast das ganze Maintal (die deshalb
sog. Pfaffengasse) beherrschten. Etwas kleiner war das Hochstift Eich
stätt, welches auch mehrere zerstreut liegende Enklaven besafs.
Bistum Würzburg umfafste: 1. die Hauptstadt und 57 Ämter und
Gerichtsbezirke mit Würzburg und den Ämtern Veits-Höchheim , Karlstadt
Hornburg in der Weren, Rothenfels. Schönrain, Aura, Gemünden, Trimberg
Kellerei Aurach a. d. Saale, Ämter Kissingen, Ebenhausen, Münnerstadt, Aschach
Neustadt a. d. Saale, Bischofsheim, Hilters, Fladungen, Meirichstadt, Weehter-
Winkel, Königshofen, Sulzfeld. Lauringen, Rothenstein, Sefslach, Ebern. Eh
mann, Hafsfurt, Mainberg, Sulzheini. Kellereien Poppenlaur, Prölsdorf und
Grofs-Langheim, Ämter Gerolzhofen. Ober-Schwarzbach, Schlüssel feld. Markt
Bibart, Iphosen, Volkach, Werneck, Arnstein, Klingenberg, Prozelsheim, Dett« 1
bach, Kitzingen, Bütthard. Aub, Röttingen, Jaxtberg, Laads, Grünsfeld, Hart
heim, Freudenberg, Hohenburg a. M. und Ripperg, sowie Anteil am Markt
Hecken Remmlingen. — 2. Dem Domkapitel gehörten die Orte: Kundor
Hochheim, Stelle, Braunsbaeli bei Schwäbisch-Hall u. a. — '.i. Der Dompr«»p*tr
gehörten die Ämter und Kellereien: Oehsenfurt, Klein-Ochsenlurt, Eubebtadt
Randersacker, Eusenheim, Sulzdorf a. d. Tauber und Tiefen-Stockheim. —
Aufserdem besafs das Hochstift die Reiehsvogtei über drei Reiehsdorfer U.
Schweinfurt.
Bistum Bamberg umfafste die Haupt und Residenzstadt Bamberg m.-
Gebiet, das aus vier Teilen bestehende Kammeramt: Hallstadt. Gülsbach
Strullensdorf und Geifsfeld, ferner die Ämter Eggolsheim und Reifenlur:
Forchheim, Marlofstein und Schelmberg, Neudeck oder Ebermanstadt. AVol»
berg, Warberg und Göfsweinstein , die Pflegen Bottenstein. Veldenstein und
Giech oder Schefsliti, dir Ämter Leyenfels, Weischenfeld, Bollfeld, Arnsteü
Nisten oder Weifsmain, Burgkunstaolt, Kupferberg. Ludwig Schorgast. Mark;
Schorga^t, Leugast und Teuschnitz, Hauptmannschaft Kronach, Ämter Fürten:
berg. Lichteniels. Schönbrunn und Doringstadt. Städtchen Staffelstein, Ann-*
Baunach, Zeil. Ebersberg. Burg Ebrach und Wachenroth, die Verwalter?
Schüsselau, Centgericht Bechhofen, Ämter Hochstätt a. d. Aisch, Oberhochstätt
Herzogenaurach und < )bersch<*infc]d, sowie die Pflege Vilseck in der OheritfaL
Die in Kärnten dem Bistum gehörigen Amter und Güter waren 1759 an Oster
reich verkauft worden.
Bistum Kichstätt. Das Hochstift zerfiel in das Unterstift und Oberstift
Das l'nterstift umschlofs die Residenz Eichstätt, das Oberamt der Landvogte:
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448. Fürstentümer Ansbach und Baireuth. 577
Oberamt Hirschberg. Ober- und Pflegciimter Küpfenberg. Titting-Raitenbuch,
Obemiessing, Dolnstein und Nassenfeis. — Das Oberstift begriiT die Ämter
Sandsee. Ahrbcrg-Ohrnhaum, Wahrberg-Herrieden und Wernsfels-Spalt nebst
Abenberg, ferner die Herrschaft Flügelsberg und Hofmark Mayren in Ober-
bakrn. — Im Hochstift Eichstätt befand sich ein kaiserliches Landgericht zu
Hirsehberg. mit welchem Kurbaiern seit alters belehnt war. Wegen Aufhebung
und Erneuerung desselben 1749 entstand ein jahrzehntelanger Prozefs zwischen
Baiern und dem Stift,
448. Fürstentümer Ansbach und Baireuth. Die beiden Söhne
Johann Georgs, Kurfürsten von Brandenburg, Christian (f 1655) und
Joachim Ernst (f 1625), hatten jener das Fürstentum Kulmbach-Baireuth,
»lieser Ansbach (Onolzbach) erhalten und neue Linien gestiftet. Christians
Söhne führten eine neue Teilung in die Baireuther und Kulmbacher
Linie herbei, von denen jene aber 1627 erlosch und diese 1763. Mithin
wurden die gesamten Lande in der Hand des Fürsten Alexander von
der Ansbacher Linie wieder vereinigt.
Das Fürstentum Kulmbach-Baireuth bestand: 1. aus dem Ober-
land mit den Amtshauptmannschaften Baireuth und Kulmbach, dem Oberamt
Schauenstein und Helmbrecht, der Landeshauptmannschaft Hof. der Amts-
hauptmannschaft der Stadt und Sechsämter Wunsiedel, dem Oberamt Lichtenberg,
Thierbach und Lauenstein, dem Oberamt Münchberg und Stockenroth, Gefrees-
Bemeck-Goldkronach und Stein. Krcusen, Pegnitz und Schnabel waidt, Ostern-
ohe, Neustadt am Kulm ; — '2. aus dem Unterland mit den Hauptmannschaften
Krlangen. Neustadt a. d. Aisch und den Oberämtern Baiersdorf, Hoheneck,
Ipsheim und Neuhof.
Fürstentum Ansbach umfafste die 15 Ämter: Ansbach, Schwabach,
Kadolzburg, Burgthann, Roth, Stauff, Günzenhausen. Hohentrüdingen, Wasser-
trüdingen, Windsbach, Feuchtwangen, Kreilsheim, Kolmberg, Kreglingen und
FfTenheim, ferner die Feste Wilzburg, das Vogteiamt Geyern und Anteile am
Dorf Randesacker in Würzburg.
449. Fürstentum Hohenlohe. Es bestanden damals die beiden
Hauptlinien , die Waldenburgsche und Neusteinsche , die selbst aber
viele Teillinien besafsen. Die erstere wurde 1744, die andere 1764 zur
reichsfürstlichen Würde erhoben.
Die Grafschaft bestand aus folgenden Teilen: 1. dem ganzen Hause ge-
meinschaftlich : Öhringen, die Hauptstadt am Flüfschen Ohrn. — 2. Besitzungen
der Waldenburgschen Hauptlinie: a) Die Bartensteinsche Linie besafs die Ämter
Bartenstein, Herrenzimmern, Sindringen, Sehneldorf, Pfedelbach und Mainhard;
b) die Schillingsfürstsehe Linie: Oberamt Waldenburg mit der Stadt, die Ämter
Kupferzell, Geilenkirchen, Adolzfurt, Sehillingsfürst mit Schlote. Residenz und
Marktflecken Frankenau. — 3. Besitzungen der Neusteinsehen Hauptlinie:
c> Die Ühringsehe Linie besafs die Ämter Neuenstein, Michelbach, Beutingen,
Ornberg, Zweiflingen, Künzeisau, Hollenbach und Weikersheim ; d die Langen-
burgsche Linie: Stadt und Amt Langenburg; e) die Ingelfmgsche Linie: die
Ämter Ingeinngen und Schlotsberg; f) die Kirchbergsehe Linie: die Ämter
Kirchberg und Döttingen. — Aufserdem besafs die Waldenburgsche Hauptlinie
noch die halbe Grafschaft Gleichen im Gothasehen Gebiet und die Linie
Sehillingsfürst die Herrsehaft Wilhermsdorf.
Kleinere Territorien im Maingebiet waren noch die folgenden:
Grafschaft Schwarzenberg. Die Herren von Seinsheim hatten
1420 die Herrschaft Schwarzenberg gekauft und deren Namen schliefslich an-
Kretschmer. Hiitoriifhe Geographie
J
578
XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770
genommen, nachdem sie zu Reichsfreiherren geworden waren. 1671 wur«i»ii
sie Reichsfürsten. Ihr Territorium bestand aus den Ämtern Mark-Schainfei-1
mit Schlots Schwarzenberg, Geiselwind, Seehaus mit Schlofs Hohenlan-lslx-r-.;
Erlach, Mark-Breit und Michelbach.
Herrschaft Seinsheim umfafste me Ämter Wasserndorf, Huttenheim
und Gnözheim.
Grafschaft Rio neck war nach dem Erlöschen des Geschlechtes l.xtf
aufgeteilt worden. Mainz besafs das Amt Lohr, die Grafen von Nostiz da.«
Städtchen Rieneck mit Zubehör, an welchem auch Hanau partizipierte.
Grafschaft Castell. Die beiden Linien CasteU- Remlingen und Castell
Rüdenhausen besafsen jede die gleichnamigen Ämter. An Remlingen waren
aber auch Wertheim und Würzburg beteiligt,
Grafschaft Wert heim stand unter den Grafen von Löwenstein
Wertheim. Sie umfafste: 1. die eigentliche Grafschaft Wertheim mit der Haupt
Stadt, Amt Freudenberg (z. T. würzburgisch), Amt Schwan berg, Könighein?
(z. T. niainzisch) und Lautenbach ; 2. Herrschaft Breuberg (Lehen von Fulda
3. Amt Klein-Heubach (Heidbach), 1721 von den Erbachern gekauft; 4. Gral
schaft Löwenstein, unter wirtembergischer I^andeshoheit. Die gräfliche Link
des Hauses besab hiervon Stadt und Amt Löwenstein und Sulzbach a. d. Murr
das fürstliche Amt Abstadt oder Wildeek ; 5. die Grafschaft Virnenburg in der
Eifel, deren Grafen Mitte des XVI. Jh. ausstarben, worauf ilir Land durch
Heirat an Löwenstein-Wertheim fiel. 6. Aufserdem besafs das Haus mehrer-
Herrschaften im Burgundischen Kreise und Böhmen.
Grafschaft Erbach. Die Grafen waren 1532 in den Fürstenstand er
hoben worden und besafsen das Territorium in drei Linien. Es umfafste dir
Ämter Erbach, Michelstadt, Freienstein, Fürstenau, Reichenberg, Schönl>en:
König und Wildenstein und mit Wertheim gemeinschaftlich Amt Breuberg
Herrschaft Limburg. Das Dynastenhaus starb in der Gaildorf schon
Linie 1690, in der Speckfeldischen 1713 aus. Kurbrand» -n bürg hatte 1683
die Anwartschaft auf das Limburger Reichslehen erworben und vom Kaiser
bestätigt erhalten. Im Jahre 1713 nahm der König von Preufsen Besitz vorn
Lande, räumte es aber den Allodialerben ein, während der Kaiser die Reiche
lehen unter Sequester stellte, dem König Friedrich Wilhelm I. von Preufser
aber 1728 die Belehnung über sie erteilte. Friedrich der Grofse übertrug diese
limburgische ii Reichslehen an das fürstliche Haus Ansbach als Reichsafterl ehm
(1744); mit den limburgisrhen Allodialerben einigte man sich zwei Jahre später
Die Allodialerben besafsen hiernach: 1. die eigentliche Herrschaft Limburg nii'
dem Städtchen Gaildorf mit etwa 180 Dörfern und Weilern ; 2. die Herrscha'i
Speckfeld mit den Flecken Markt-Einersheim und Sommerhausen sowie meh
reren Dörfern. — Die Markgrafen zu Brandenburg-Ansbaeh erhielten das Dorf
Markertshol'en sowie die gräflich limburgisehen Güter in einer Menge von
Dörfern.
Herrschaft Welzheim war ein wirtembergisches Lehen der Lim
burger Grafen, nach deren Aussterben 1713 es eingezogen und 1718 an eint
Gräfin von Würben verschenkt wurde. Sie bestand in dem gleichnamigem
Marktflecken.
Herrschaft Hausen, innerhalb der Herrschaft Limburg, bestand ui
dem einzigen Dorfe dieses Namens und war seit 1746 als Reichsafterlehen von
Kurbaiern im Besitz der Fürsten von Ansbach.
Herrschaft Wiesentheid mit Schlofs und neun Dörfern, zwischen
Würzburg und Fürstentum Ansbach, gehörte seit 1697 dem Hause Schönborn.
Herrschaft R e i c h e 1 s b e r g . zwischen Aub und Röttingen, mit Sehlofc
und einigen Dörfern war seit 1521 würzburgisch und 1600 als Lehen im Besit:
der Freiherrn von Schönborn.
450. Territorien des Deutschen Ordens. Es sei an dieser Stell'
auch des (tüterbesitzes des Deutschen Ordens gedacht. Die Lande des-
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460. Territorien dos Deutschen Ordens. 579
selben bildeten freilich, seitdem das Herzogtum Preufsen ihnen abhanden
gekommen war, kein geschlossenes Territorium, sondern waren in Gestalt
von einzelnen, oft sehr kleinen Herrschaften über ganz Deutschland und
die Nachbarländer verstreut. Sie bestanden aus dem Meistertum
Mergentheim, welches seit dem XVI. Jh. nach der Säkularisation
des Ordens ständiger Sitz des Deutschmeisters war, und elf Provinzen,
sog. Balleien (Balliviae), denen ein Landkommentur (CommendatorJ vor-
stand. Die Balleien selbst wurden weiter in Kommentureien oder Kom-
inenden eingeteilt und diese in Ämter.
Im folgenden ist ein Überblick über die Balleien und Kommentureien
des Ordens gegeben, ohne jedoch bei jeder einzelnen den oftmals nur auf
einigen Dörfern, Weilern oder einem Hause bestehenden zugehörigen Besitz auf.
zuführen.
I. Das Meistertum Mergentheim. Die Stadt Mergentheim oder
Mergenthal, d. i. Marienthal (im Taubertal), mit umfassendem Landbesitz in Ämtern,
Vogteien, Gütern, Dörfern etc. in der Nähe, wie weiteren Nachbarschaft.
II. Ball ei Franken mit 15 nicht nur in Franken, sondern auch in
fernen Ländern liegenden Kommentureien: Uliingen (Ellingen), dem Sitz des
Kommenturs, Viernsberg, zu Nürnberg, zu Würzburg, zu Münnerstadt, zu Heil-
bronn, zu Öttingen, Kapfenburg, zu Ulm, zu Donauwörth, Blumenthal, zu
Gerighofen, zu Regensburg, Fritzlar, Kloppenheim.
III. Bailei Elsafs und Burgund mit 14 Kommentureien: Alach*
hausen, Sitz des Kommenturs, Rohr- und Waldstätten, Meinau, Beugen, Frei-
burg, Ilitzkirch, zu Basel, zu Mühlhausen, Itixheim, zu Rufach, Gebweiler, zu
Kaisersberg, zu Andlau, zu Strafsburg.
IV. Bailei Österreich mit 8 Kommentureien: dem Deutschen Hof
zu Wien, zu Neustadt im Lande unter der Enns. bei Graz, der Hauptstadt
von Steiermark, zu Meretiza und Grofs-Sonntag in Unter-Steiermark, zu Laibach,
zu Möttling und Tschernembl in Krain, zu St. Georgen, im Sandhofe und zu
Freisach in Kärnten und zu Linz.
V. Bailei an der Etsch und am Gebirge lag in Tirol und stand
unter tiroliseher Landeshoheit; mit 5 Kommentureien: zu Wegenstein bei
Bozen, das Deutsche Haus zu Trient, die Kommende zu Lengmofs auf dem
Ritten, das Deutsche Haus zu Sterzing und Kommende Schlanders.
VI. Ball ei Coblenz mit 7 Kommentureien: zu Coblenz, zu Linz im
Erzstiit Cöln, in der Reichsstadt Cöln zu Waltbreitbach und Rheinberg, zu
Trarr, zu Muffendorf und die Pilzenburg in der Stadt Mecheln.
VII. Bailei Hessen mit 5 Kommentureien: das Deutsche Haus in
Harburg, Kommende Schiffenberg, Oberflörsheim, zu Griffstädt. das Deutsche
Haus in Wetzlar.
VIII. Bailei Alten -Biesen mit 12 Kommentureien: Alten-Biesen im
Hochstift Lüttich, Jungen-Biesen in der Reichsstadt Cöln, das Deutsche Haus
zu Maastricht, Siersdorf im Herzogtum Jülich, Bernsheim, (ieminert in Brabant,
Beekevoort, Grüterode und Feucht, Udingen und Holt, Ramersdorf, St. Peters
Voeren in Limburg, St. Ägidü in Aachen, die Herrschaft und die Hebungen
Diepenburg, Beverst und Damnis, die Hebungen von St. Truijen und Tongern.
JX. Ball ei Westfalen mit 10 Kommentureien: zu Münster, zu Osna-
brück, Duisburg, Brakel, Welmen, Mahlenburg, Mülheim, Stronden, Olpe im
Herzogtum Berg und Essen.
X. Ball ei Thüringen mit 4 Kommentureien: Lehsten im Amte ErkarU-
bergn, Liebstädt zwisehen Weimar und Eckartsberge, Negelstidt oder Keilstetl
an der Unstrut und Zwetzan oder Zwäzen an der Saale unweit Jena.
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580 XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
XI. B a 1 1 e i Lothringen mit den Kommentureien : Trier, Beckingen.
Meinsiedel, Saarburg, Saarbrücken, Luxemburg u. a.
XII. Ball ei Sachsen mit 7 Kommentureien: Lucklum im Fürstentum
Wolfenbüttel, Langeln in der Grafschaft Wernigerode, Dommitzsch im sächsi-
schen Kurkreise, Bürow in Anhalt, Weddingen im Hochstift Hildesheini.
Güttingen, Dansdorf im Amte Beizig.
Hierzu käme als besondere Bailei jene von Utrecht mit 10 Kommentureien :
zu Dieren in der Veluwe, Thiel, Maasland, Rheenen, Leijden und Katwijk,
Schoten in Friesland, Doesborg, Sehelluinen, Middelburg und Schoonhoven.
451. Kurfürstentum Baiern. Nach dem Westfälischen Frieden, der
den bairischen Herzog in der Kurwürde und im Besitz der Oberpfalz
bestätigte, folgten vier Kurfürsten als Regenten des Landes : Kurfürst
Ferdinand Maria (bis 1679), Maximilian Emanuel (bis 1726), Karl AJbert
(bis 1745) und Maximilian Joseph (bis 1777). Da mit letzterem der Mannes-
stamm der bairischen Herzöge ausstarb, so fand damals die endliche
Vereinigung Baierns mit der rheinischen Pfalz statt durch Karl Theodor
von Pfalz-Sulzbach.
Kleinere Veränderungen im Territorialbestande waren: 1661 der Erwerb
der Herrschaft Rottenburg durch Kauf, 1724 die Einziehung der Herrschaft
Breiteneck nach den» Erlöschen der Grafen von Tilly, desgleichen 1734 Ein
ziehung der Herrschaft Hohenwaldeck nach Erlöschen der Grafen von Maxelrain.
Um 1770 war der Tcrritorialbestand folgender: L Oberbai er n mit
1. dem Regierungsbezirk München. Neben der Haupt- und Residenzstadt
München gehörten hierzu die 32 Pfleggerichte: Dachau, Crantzberg, Pfaffen-
hofen, Mainburg, Neustadt, Abensberg und Altmannstein, Riedenburg, Kösching.
Vohburg, Ingolstadt, Schrobenhausen, Rain, Donauwerth, Wembdingen, Aischa
am Paar, Friedberg, Moringen, Landsberg am Lech, Schongau, Hohenschwangau.
Weilheim am Anger, Starenberg, Wolfratshausen, Tölz, Aurburg, Aibling.
Schwaben, Wasserburg, Rosenheim, Marquartstein, Traunstein und Reichenhall.
Hierzu gehörte ferner die Herrschaft Mindelheim, welche ursprünglich ein
Besitztum der Herzöge von Teck und dann verschiedener anderer Herren war, im
Spanischen Erbfolgekriege sehhefslich als Reiehsfürstentum an den Herzog von
Marlborough fiel, dann aber an Baiern kam. Auch die Herrschaft Wiesensteig
gehörte hierzu; sie war seit 1705 einige Zeit im Besitze von Wirtemberg ge-
wesen. — 2. Regierungsbezirk Burkhausen mit 15 Pfleggerichten : Neu-Ötting
Mörmosen, Kraiburg, Kling (in dessen Gebiet das Bistum Chiemsee gelegen
ist), Hohenaschau mit Wildenwart, Trosburg, Wildshut, Braunau, Uttendorf.
Julbach, Maurkirchen, Friburg, Mattigkofen, Ried und Schärding.
II. N i e d e r b a i e r n. 3. Regierungsbezirk Landshut mit der gleichnamigen
Stadt und 20 Pfleggerichten: Erding, Dorfen. Neumarkt, Vils-Biburg, Geigen
hausen, Teisbach, Dingelfing und Reisbach, Gänkofen, Eggenfelden, I^mdau.
Pfarrkirchen, Griesbach, die unmittelbare Reichsgrafschaft Hals, d\e
Pfleggerichte Vilshofen, Osterhofen, Naternberg, Kirchberg, Eckmüll. Rotten-
burg und Mosburg. — 4. Regierungsbezirk Straubing, a) Oberer Distrikt mit
5 Pfleggerichten: Kelheim, Dietfurt, Abbach, Haidau und Stadt am Hof:
b) mittlerer Distrikt mit den Gerichten : Straubing, Mitterfels, Gossersdorf, Cham
unmittelbare Reichsgrafschaft). Furt, Kotzing, Neukirchen und Viechtach;
c) unterer Distrikt mit 10 Gerichten: Leonsberg. Schwarzbach, Linden, Zwisrl
und Weesenstein. Regen, Deggendorf, Hengersberg, Winzer, Diesenstein und
Bernstein.
III. Die Obern falz zerfiel in einen südlichen und nördlichen Tri!,
beide geschieden durch sulzbachisehes und bambergisches Gebiet. Sie ur»
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452. Bairischc Histümer. — 453. Erzbistum Salzburg.
581
fassen 5. den Regierungsbezirk Amberg. a) Südlicher Teil mit den Pfleg-
gerichten : Amberg, Pfaffenhofen und Hainburg, Neuniarkt, Rieden, Salem und
Zeitlarn, Freudenberg, Hirschau, Nabburg, Neuburg vor dein Walde, Weterfeld,
Bruck, Retz, Waldmünchen, Murach, Treswitz-Tenesberg ; b) nördlicher Teil
mit den Pfleggerichten : Bernau, Waldsassen und Tirschenreut, Kemnat. Waldeck
und Pressat, Eschenbach und Grafenwerth, Turndorf und Holnberg, Tumbach,
A Urbach, Herten- oder Hartenstein mit der Herrschaft Rothenburg.
Die Fürstentümer Neubarg und Sulzback waren damals noch im
Besitz der Pfalz und seit 1742 bei der Kurlinie Sulzbach vereinigt (s. S. 568 f.).
Das Fürstentum Neuburg umfafste die Hauptstadt mit dem Ptlegamte Neuburg,
Amt Burkheim. Grainbach, Monnheim, Maurn, Landvogtei Höchstädt, Ämter
Lauingen und Gundelfingen, alle drei in Schwaben, Amt Constein. Amt Heideck,
Hilpoltstein, Allerberg, Hemmau, Beretzhausen, I^aber-Lupburg, Regenstauf und
Amt Burg-Lengen fei d mit den Pflegen Kaimünz und Schmidtmühl, ferner
•las Landvogteiamt Neuburg mit vier Pfiegäratern : Rennerzhofen, Reicherts-
liofen. Vclburg und Schwandorf sowie die Herrschaft Bleistein an der böh-
mischen Grenze (seit 1418). Das Fürstentum Sulzbach bestand aus dem
Landgericht Sulzbach, Parkstein und Weiden, Pflegamt Weiden und den Ämtern
Flors und Vohenstrauls.
452. Balrische Bistümer. Wie schon bemerkt, gehörte ehemals
die ganze Erzdiözese Salzburg dem Baiernlande an. Vermöge seiner
Lage nahm das Erzstift Salzburg eine Sonderstellung dem Herzogtum
gegenüber ein. Regensburg, Freising, Passau waren mehr oder weniger
aber von herzoglich bairischem Gebiet umschlossen.
Das Hochstift Regensburg bestand aus den drei freien Reichs-
herrschaf ten : 1. Donaustauf, unterhalb Regensburg, mit mehreren Schlössern,
Märkten und Dörfern ; 2. Wörth (Werth), ebenfalls an der Donau, mit dem
gleichnamigen Markt und vier Dörfern; 3. Hohenburg am Lautrachflufs, nur
aus dem Schlosse bestehend. Aufserdem besafs das Stift die Herrschaft Pech-
larn im Lande unter der Knns und die Verwaltung in einigen niederbairisehen
Orten.
Das Bistum Freising besafs die Stadt Freising, Grafschaft und Amt
Ismaning, Grafschaft Werdenfels in den Alpen mit der Grafschaft zu Parten-
kirchen und Mittenwald sowie die Herrschaft Burgkrain zwischen Ober- und
Nicderbaiern ; aufserdem in Oberbaiern: Pflegamt Kranzberg mit fünf Märkten,
in Österreich : Stadt Waidhofen mit zwei Märkten im Viertel ob dem Wiener
W'idde und Engersdorf nebst Markt Strafs im Viertel unter dem Mannharts-
berg; — in Steiermark: Rottenfels; in Oberkrain: Herrschaft Bischoflack,
und in Tirol: Markt und Gericht Inichen im Pustertal.
Bistum Passau bestand aus der Hauptstadt Passau mit Inn- und
Ilzstadt, dem Landgericht Oberhaus, den acht Herrschaften: Viechtenstein,
Hafner- oder Obernzell, Fürsteneck, Leoprechting, Wolfstein, Wegseheid,
Riedenburg und Obernberg und dem Richteramt Waldkirchen. Ferner besafs
das Stift im Lande ob der Enns: die Grafschaft Neuburg, bei Passau, die
Herrschaften und Schlösser Starenberg und Pihrenstein und fünf Märkte;
im Lande unter der Enns: die Stadt Mautern, sechs Märkte, Schlofs Tribensee,
Propst ei Ardacher u. a.
453. Erzbistom Salzbure? bestand aus vier Landschaftsbezirken,
die seit Karl dem Grofsen die üblichen Benennungen hatten : dem Salz-
burggau, Pinzgau, Pongau und Lungau.
Das Erzstift wurde in 33 Pflegämter eingeteilt: Laufen, Staufeneck,
Kas*-henberg, Tittmoning. Müldorf, Mattsee. Strafs- Walchen, Altenthan, Liechten-
582 XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
than, Neuhaus, Wartenfels und Hüttenstein, I lallein, Glaneck, Gölling, Werfen.
Bischofhofen, Taxenbach, Zell im Pinzgau, Lichtenberg, Löf er, Itter, Zell am
Ziller, Windisch-Matrey, Mittersill, Rauris, Gastein, Grofs-Arl, 8t. Johann im
Pongau, Radstatt, Mautterndorf, Mosheim und Haufs. — Aufserdem gehörten
dem Erzstift in Kärnten : Pflegamt Stall am Moll, Märkte Sachsenburg a. d. Drau
und Felsberg, Städte Freisach mit Schlote Geiersberg, St. Andree und Stras
bürg, Märkte Altenhofen, Gurk, Hüttenberg und Guttering, Herrschaft Rauchen
kaitz und drei Propsteien; in Steiermark: Schlofs und Markt Deutz-Landsberg
und die Orte Haus, Gröning und Wolkenstein ; im Land unter der Enns:
Stadt Traismaur, Ober- und Unter-Gwölbing u. a. ; im Land ob der Enns: der
gröfste Teil des St. Wolfgang-Sees.
454. Grafschaft öttingen. Der Hauptzweig der Grafenfamilie, die
sich in mehrere Linien spaltete, war 1674 in den Reichsfürsten stand
erhoben worden. Da von den Linien einige wieder ausstarben, so
existierten um 1770 noch die drei: die fürstliche zu Spielberg, die
gräfliche zu Wallerstein (seit 1774 auch fürstlich) und die gräfliche zu
Katzenstein- Baldern.
Die Spiel bergsehen Lande unifafsten das Oberamt Öttingen mit
Amt Schneidheim und Stadt Öttingen, nebst den Oberämtern Aufkireh, Münchsrot.
Dürrwangen, Spielberg und Sainmenheim sowie der Verwaltung Dornstatt.
Die Wallerstei tischen Lande umfafsten das Härtfeld mit den
Ämtern Wallerstein, Flohberg, Marktoffingen, Thannhausen, Neresheiin, BU
singen, ferner den Oberämtern Alerheim, Harburg, Hönaus, Pflegamt Kloster-
zimmern, Amt Christgarten und Vogtei der Abtei Deggingen.
Die Katzenstein-Baldernsehe Linie besals das Oberamt Baldern
mit Schlofs und Flecken, Ämter Rötting und Auf hausen und Pflegamt Katzenstein
Kleinere Territorien in Baiern, die zum Teil an andere Herrschaft*
gebiete angeschlossen waren, sind noch die folgenden :
Grafschaft Ortenburg in Niedcrbaiern mit den Schlössern Alt- und
Neu-Ortenburg, mit dem Markt und den Dörfern Seldenau, Steinkirchen und
Dorsbach.
L a n d g r a f s c h a f t Leu ch te nberg bestand aus vier Ämtern : Leuchten
berg, Pfreimbt, Wemberg und Mifsbrunn. Sie gehörte zum Kurfürstentum
Baiern.
Grafschaft Sternstein, bestehend aus zerstreuten Gebietsteilen ÜB
der Oberpfalz: Stadt und Schlofs Neustädtl a. d. Naab, Dorf Sternstein mit
Schlofsruine, Schlösser Waltlau und Waldturn mit mehreren Orten.
Grafschaft Haag in Oberbaiern gehörte zum Kurfürstentum. Si«
bestand aus Markt und Schlofs Haag, dem Augustinerkloster Ramsau und
mehreren Dorfschaften.
Herrschaft Ehrenfels im Fürstentum Neuburg. Das Schlofs Hohen
Ehrenfels liegt bei dem Markte Beretzhausen am Laber. 1567 war sie an den
Pfalzgrafen Wolfgang von Neuburg veräu Isert worden.
Herrschaften Sulzburg und Pyrbaum in der Oberpfalz gehörten
den Herren von Wolfstein, die 1740 als Keichsgrafen ausstarben worauf der
Kurfürst von Baiern trotz der begründeten Ansprüche der Allodialerben alle?
Land annektierte. Die Herrschaft Sulzburg bestand aus dem Schlofs Ober
Sulzburg mit einem Marktflecken, zwölf Dörfern und dem Kloster zum Grab.
Die Herrschaft Pyrbaum umfafste da.s Schlofs und Markt Pyrbaum sowie eint1
Reihe von Dörfern. Die Dorfer Mühlhausen und Bieberbach gehörten den Wolf
stein seit 1353. Doch auch in fremdem Gebiet lagen einzelne Güter derselben
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ioo. Reichsstädte.
583
Herrschaft Breiteneck in der Oberpfalz war eine Reichsherrschaft
und im Besitz der Grafen Tilly, die 1724 ausstarben. Die Lehensgüter fielen
an Kurbaiern, die Erbgüter an den Gemahl der Erbtoehter des Hauses, Grafen
Monti'ort. Die Lehensgüter bestanden in der Stadt Freienstadt a. d. Schwanach,
Schlofs und Markt Holenstein, Markt Hohenfels bei Burglengenfeld. — Die
Allodialgüter waren Schlofs und Markt Breiteneek bei Dietfurt und Schlofs
Helfenberg bei Velburg.
Herrschaft Hohen- Waldeck in Oberbaiern bei Wolfratshausen
geholte anfangs den Herren von Waldeck, nach deren Aussterben 1483 sie
1502 durch Kauf an die Familie Maxelrain überging und von dieser 1734 an
Kurbaiern. Es gehörten zur Herrschaft: Hohen- Waldeck , ein Dorf, das
Kollegiatstift Schliers am Schliersee, Markt Miesbach, Schlofs Wallenburg und
einige Dörfer.
Propstei Berchtesgaden (Berchtolsgaden) mit dem fürstlichen Stift
dieses Namens und dem dabei befindlichen Markt, dem Markt Schellenberg,
Pfarrei Ramsau und acht Gnodschaften der Schönauer, Ramsauer, Bischofswiser,
Gerer, Sehessauer, Auer, Berger und Ettenberger. Aufserdem gehörten dem
Stift verschiedene Herrschaften in Österreich : Herrschaft Eisenthür bei Krems ;
in Baiern : die Propstei Jettenstetten, Weidenbach und Pflegamt Wasen-Tegern
bach ; in Salzburg : die Propstei Niederrheim am Heiberge.
455. Reichsstädte. Die Freien und Reichsstädte erhielten erst 1500
die Anerkennung ihrer Reichsstandschaft und erst im Westfälischen
Frieden die volle Gleichstellung mit den anderen Reichsständen. Auf
dem Reichstage wurden sie auf zwei Bänke verteilt, und zwar so, dafs
von den insgesamt 51 Reichsstädten: 14 auf der rheinischen Bank und
37 auf der schwäbischen safsen. Nicht alle Reichsstädte aber waren mit
Territorialgebiet versehen.
Die Reichsstädte der rheinischen Bank sind in der amtlich
festgesetzten Reihenfolge :
1. Cöln am Rhein, welches aufser der nächstliegenden Feldmark kein
Gebiet besafs.
2. Aachen. Das Gebiet der Stadt, das sog. Reich von Aachen, umschliefst
die Stadt und ist von einer Landwehr umgeben. Der Wurmflufs teilt es in
zwei ungleiche Teile, beide mit mehreren Dorfschaften besetzt.
3. L ü b e c k. Zum Gebiet gehörten das Städtchen Travemünde, Fischerort
Schlukup, die Ämter Ritzerau, Behlendorf und Bergedorf mit dieser Stadt an
der Bille und den Vierlanden. Indessen gehörte Amt Bergedorf (ehemals
sachsen-lauenburgisch) seit 1420 Hamburg und Lübeck gemeinsam.
4. Worms, unweit des Rheins, hatte aufser der Feldmark weder Dörfer
noch Höfe. Auf der rechten Rheinseite stand ihr nur eine als Acker- und
Wiesenland benutzte Gemarkung, das sog. Bürgerfcld und die im Rhein liegende
Insel Sponswörth zu Gebote.
5. Speier, innerhalb des Hochstiftes Speier hatte aulser ihrer Feldmark
kein Gebiet. Im Jahre 1689 war die Stadt von den Franzosen gänzlich zerstört
worden.
6. Frankfurt am Main besafs die Dörfer Bornheim, Hausen und
Oberrod, drei Viertel vom Kirchdorf, Niederrod (das andere Viertel gehörte
dem Deutschen Orden), ferner den Frankfurter Wald als Teil des Dreieicher
Bannforstes. Nieder-Ursel besafs es mit Solms-Rödelsheim gemeinschaftlich.
Über die Reichsdörfer Sulzbach und Soden setzte es mit Kurmainz einen ge-
meinschaftlichen Oberschultheifsen. Aufserdem besafs es den Flecken Bonames
oder Bornes und die Dörfer Niedererlenbach und Dürkelweil (Dortelweil).
584 XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
7. Goslar hatte ebenfalls kein grofses Stadtgebiet. Die wichtigste Nah
rungsquelle bildete, der Bau des Bergwerkes im Rammeisberg sowie die Bier
brauerei (Gose). Das 1178 gestiftete Kloster zum Neuenwerk am Hosentor
besafs mehrere Landgüter und Meiereien innerhalb des Hoehstiftes Halbentidt
Auch zwei unmittelbare evangelische Reichsstifter existierten daselbst : das Stift
der Heiligen Simon und Judas, 1040 von König Heinrich III. gestiftet uml
das Reichsstift zum Petersberge, 1056 von Agnes, Gemahlin Heinrichs III. ge
stiftet, mit grofsem Grundbesitz bis zur Oker und in Goslar selbst ausgestattet
K. Bremen. Ihr Gebiet hatte im Laufe der Zeit eine erhebliche Ein
bufse erlitten. Doch erreichte sie es endlich, dafs ihr die schon seit lange zuer-
kannte Erhebung zur freien Reichsstadt im Jahre 1731 durch Georg IL von
Hannover zugestanden und durch den Stader Vergleich von 1741 allerdings-
unter Preisgabe eines Teiles ihres Gebietes allgemein anerkannt wurde.
Die Schweden hatten im Bremer Gebiet mehrfach Eroberungen gemacht,
und im Vergleich zu Stade 1G54 mufste die Stadt Bederkesa und I/ehe ganz
abtreten und auch Blumenthal und Neuenkirchen blieben ihnen nur teilweise.
Im zweiten Stader Vergleich 1741 trat sie die beiden letztgenannten Ämter voll
ständig ab und behielt nur die Hoheit über Vegesack, welches auch lieut-
noch eine bremische Stadt ist. Ferner verzichtete sie auf die Hoheit ül>er die
Dörfer Grambke, Grambker, Moor, Mittelsbüren, Niederbüren, Oslebshausen
Wasserhorst, Wummensied, Niederblockland, einen Teil von Vahr und die
Burg, endlich auf alle Besitzungen im Teufelsmoor. Das Gebiet war in vier
Gohe eingeteilt: Ober-Vieland , Nieder- Vicland , Werderland und Holler- und
Blockland mit dem Gerichte Borgfeld.
9. Mühlhausen. Ihr Gebiet war gegen das kurmainzische EichsfeM
durch Graben und Hecke abgeschlossen, im S. und 0. durch Grenzsteine.
Es umfafste 20 Dorfschaften, 13 andere lagen wüst.
10. Nord hausen an der Zorge. Es befand sich dort eine Reichsvogte;
und ein Reichsschultheifsenamt. Beide waren in verschiedenen Händen gewesen,
bis Kurbrandenburg sie 1715 der Stadt überliefs. Sonst hatte Nordhausen kein
Gebiet.
11. Dortmund besafs das Gebiet einer alten Grafschaft, die ihr seW
im XIII. Jh. zur Hälfte gehört haben mag. Die andere Hälfte, seit 1290 im
Besitz der Grafen von Lindenhorst, fiel 1504 ebenfalls an die Stadt, die pich
mit ihr vom Kaiser belehnen liefs. Es gehörten zum Stadtgebiet die Dorfer
Brechten, Bresehiem, Doesen, Ellinghausen, Ober- und Nieder- Evickc, Gamm
Groppenbrock, Holzhausen, Kemminghausen, Lindenhorst und Schweringhausen
12. Friedberg in der Wetterau hatte aufser der Feldmark kein eigen«-.*
Gebiet ; überdies war es seit 1349 an die über der Stadt gelegene Burg Fried
borg verpfändet.
13. Wetzlar an der Lahn, seit 1693 mit dem kaiserlichen und Reich.*
kammergericht. Ohne Gebiet.
14. Hamburg konnte es lange Zeit nicht zur unmittelbaren Reich.-
standsehaft bringen, weil die Krone Dänemark als Besitzerin von Holstein e*
in seiner Machtvollkommenheit beschränkte. Erst im Gottorpschen Vertrag
176* wurde es vom dänischen Druck freigemacht und 1770 wurde es voll
zähliges Mitglied des Reichstages. — Ihr Gebiet umfafste Landschaften in der
Marsch wie auf der Geest. Es gehörten hierzu: 1. der Alstertlufs mit den Gütern
Barmbeck und Eilbek (1306 und 1310 den holsteinischen Grafen abgenommen);
2. Amt Ham mit den Dörfern Horn und Fuhlsbüttel (seit 1283); 3. der in
der Elbe gelegene Billwerder mit drei Kirchdörfern, der Ochsenwerder mit
••iner Kirche, der Moor- und die Hälfte des Finkenwerder; 4. Amt WohMorf
mit den Dorfern Wohldorf, Olstede, Farmsen. Volksdorf, Schmalenbeck?,
Hansdorf und Teil von Hovesbüttel; 5. Amt Bergedorf (mit Lübeck gemein-
sam; s. dieses). 6. Von den holsteinsehen Ämtern Trittau und Reinbeek besaf«
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455 Reichsstädte. 5£5
Haniburg seit 1750, von Trittau: die sog. sieben Rühmer Dörfer. Maiendorf.
Altenfelde, Bramfelde, Steilshope, Alsterdorf, Sassel und Bargstede; von Rein-
beck: die 11 Geestdörfer Lohebrügge, Sande mit Zoll, Ladenbeek mit Zoll,
Boburg, Hawickhorst, Steinbeek, Schiffbeck mit Zoll, Ovendorf, Oststeinbeek
mit Zoll^ und Mühle, Glinde, Sehlemme desgl. ; ferner die Marschländer Reit-
brock, Krauel, Schleufse, Billewerder, Korslack und Altengamm und noch drei
I'aehtstücke ; 7. Amt Ritzebüttel an der Mündung der Elbe (Ende des XIV. Jh.
erobert), es umfafste das Kirchspiel Groden mit dem gleichnamigen Pfarrdorf,
dem Flecken Ritzebüttel und das neueingedeichte Land Neufeld, — und das
Kirchspiel Dösen mit acht Dörfern, Cuxhafen und der Insel Neuwerk; 8. das
Johann iskloster in Hamburg besafs noch die Dörfer Bostel, Winterhude, Eppen-
dorf, Eimsbüttel wie auch das ehemalige Kloster Harvestehude ; 9. das Hospital
St. Georg besafs die Dörfer: Langenhorn und Bern.
Die Reichsstädte der schwäbischen Bank sind die folgenden:
lä. Regensburg besafs kein eigenes Gebiet. Nur vorübergehend war
der Besitz des bairischen Pflegamtes Stadt am Hof (1705—1714).
l(i. Augsburg. Das Stadtgebiet beschränkte sich auf das Dorf Ober-
hausen. Aufserdem hatte die Stadt die Land- und Reichsvogtei über die Dörfer
Gersthofen, Stettenhofen und Langhofen.
17. Nürnberg hatte von allen Reichsstädten das umfassendste Gebiet:
1. den sog. Nürnberger Kreis zwischen Schwarzach, Pegnitz und Schwabach
mit dem Sebalder und Lorenzer Reichswald (vgl. S. 392); 2. die Pflegämter
innerhalb der Linien der nächsten Stadtumgebimg: Wöhrd, Gostenhof, Hospital
St. Johannes und Kasernen mit Pfarre; — aufserhalb der Linien die Hospitäler:
St Leonhard, St. Peter und St. Jobst, ferner die Pflegämter Altorf, Lauf, Hers-
bruck, Reicheneck, Engeltal, Hohenstein, Velden, Petzenstein, Hilpoltstein,
Gräfenberg und Lichtenau.
18. Ulm. Das Stadtgebiet wurde in zwei Abschnitte geteilt. Die obere
Herrschaft enthielt die acht Ämter: Langenau, Weidenstetten, Bernstadt, Ballen-
dorf, Ellensehiefs, Leinheim, Altheim und Albeck. — Die untere Herrschaft
begriff 11 Ämter: Geifslingen, Stetten. Überkingen, Böhringen, Altenstadt,
Süfsen, Stubersheim, Türkheini, Lonsee, Nellingen, Scharenstetten, Bermaringen,
Pfui und die Herrschaft Wain.
19. Eislingen am Neckar besafs die Dörfer Mettingen, Deizisau, Möh-
ringen und Washingen in den Fildern.
20. Reutlingen mit den Pfarrdörfern Bezingen, Wanweil, Ommen-
hausen und Bronnweiler.
21. Nord lingen im Riefs mit den Dörfern Nähermemmingen, Gold-
burghausen und Schweindorf und verschiedenen Anteildörfern.
22. Rotenburg ob der Tauber. Ihr Gebiet war mit einer Landwehr
Hecke, Graben und Tünnen) umgeben. Gröfsere Orte innerhalb ihres Terri-
toriums waren Gebsattel, Schweinsdorf, Mörlbach, Steinsfeld, Ohrenbaeh, Adels-,
Gatten- und Hardershofen, Windelsbaeh, Steinach, Bettwar, Neusitz, Sehecken-
bach, Ober- und Unter-Nordenberg, Endsee oder Ensenheim, Ober- und Unter-
Gailnau und • Schlösser Seideneck und Reinsberg.
23. Hall (Schwäbisch Hall) am Kocher mit den Ämtern innerhalb der
Landwehr (des Henggrabens): Schlicht, Rosengarten, Bichler und Kocheneck;
außerhalb der Landwehr: Ilzhofen, Hohenhard und Velberg.
24. Rott weil am Neckar mit den 1591 angekauften Gütern der einstigen
Graten von Zimmern, mit den Pfarrdörfern: Altstatt, Dauchingen, Dcislingen,
Dietingen, Duningen, Epfendorf, Herrenzimmern, Stendorf, Villingen.
25. Überlingen mit den Sehlösscrrn Höhen-Bodman und Ramsberg
und sechs Dörfern.
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5SG XIII. Politische Geojrraphie um da« Jahr 1770.
26. Heilbronn besafs die Pfarrdörfer Flein, Neckargertach und Fren-
kenbach.
27. Gmünd (Sehwäbiseh-Gmiind), anfangs Kaiserereuth genannt, im
Remstal mit den Pfarrdörfern Bargau, Dewangen, Herrligkofen, Iggingen, Mögg
lingen, Böbingen, Lautern, Muthlangen, Oberbettringen, Spreitbach, Weil, Wetz
gau, Zinunerbaeh.
28. Memmingen an der Ach. Ihr Gebiet umfafste die Herrschaft
Eisenburg, Güter und Schlösser Künersburg, Oberholzgrün, Wespaeh, Dörfer
Unterholzgrün, Lauben, Frickenhausen, Krkheim. Dankelsried, Arlesried,
Woringen, Hausen, Volkrathofen, Steinheim, Buxach, Berg, Egelsen.
29. Lindau besafs die Dörfer Esehach, Rickenbach, Schönau und Ober-
eitnau, ferner Schachen, Tegelstein, Hory, Heimasreutin, Streitelsfingen, Hoch
buch; die Schlösser Senfftnau und Alwind; die Pfarrdörfer Heckenschweiler.
Signum nszell, Weifsenberg, LTnterraitnau u. a.
30. Dinkelsbühl a. d. Wernitz besafs nur den Weiler Tiefweeg.
31. Biberach mit den Dörfern Oberholzheim, Altenweiler, Baltringen,
Ingerkingen, Laubershausen u. a. m.
32. Ravensburg im Allgäu besafs die Herrschaft Sehmaleck sowie als
Reichslehen das Oberforstamt über den Altorfer Wald.
33. Schwein furt. Ihr Gebiet bestand nur aus den Dörfern Oberndorf
oder Ober- Rein fehl, Zell und Madenhausen.
34. Kempten an der Iiier besafs keine Dörfer, aber viele Güter, Renten.
Zinsen u. dgl.
35. Windsheim an der Aisch (in Mittelfranken) mit den drei Pfarr
dörfern Wiebelsheim, Iltersheim und Oberntuiff.
36. Kaufbeuren im Wertachtal mit den Dörfern Oberbeuren, Maur
Stetten, Obergermeringen, Oberostendorf und Westendorf.
37. Weil am Wurmflufs, auch Stadt Weil oder Weil die Stadt ge
nannt, besafs kein Gebiet.
38. Wangen am Argen mit den Dörfern Wormbrechts, Maria Thann,
Niederwangen und Deichelriedt.
39. Isny war ohne Gebiet.
40. Pfullendorf im Hegau besafs Dorf Linz und die Pfarren Uniensee.
Zell und Denkingen.
41. Offen bürg in der Ortenau war ohne eigenes Gebiet.
42. Leutkirch an der Eschach desgleichen.
43. Wimpfen im Kraichgau am Neckar besafs das Dorf Hofstatt.
44. Weifsenburg am Sand besafs nur noch das Dorf Wengen. Vier
andere Ortschaften waren 1680 an Eichstätt abgetreten worden.
45. Giengen an der Brenz ohne eigenes Gebiet.
46. Gengenbach in der Ortenau an der Kmzig ohne Gebiet.
47. Zell am Haniniersbach ohne Gebiet.
48. Buchhorn am Bodensee. Ihre Herrschaft Baumgarten mit dem
Schlofs und dem Flecken Eriskirch stand unter der Obrigkeit der Landvogtei.
49. Aalen im Kochertal besafs die Weiler Ober- und Unter-Rombach.
Hamerstatt, Rothenberg und Klein-Hurblingen.
50. Buchau am Federsee war ohne Gebiet.
51. Bop fingen am Rande des Riefscs hatte Anteil an dem nahe
gelegenen Dorf Oberdorf.
456. Die schweizerische Eidgenossenschaft. Seitdem die Schweiz
durch den Westfälischen Frieden endgültig vom Deutschen Reiche los
gelöst worden war, spielte sie nach aufsen hin keine aktive Rolle mehr
Dafür war aber ihre innere Entwickelung keine so ruhige, da der Gegen
satz von Stadt und Land sich immer mehr zuschärfte, aber auch innerhalh
der Stadtbevölkerung schroffe Gegensätze sich herausbildeten. Kon
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456. Die schweizerische Eidgenossenschaft.
587
fessionelle Unterschiede wie auch die verschiedene Rangstellung der
Kantone untereinander riefen oft genug Spannungen und Reibungen
hervor. Die kantonale Differenzierung war von früher her dieselbe
geblieben. Man unterschied die dreizehn alten Orte, die den
Grundstock der Eidgenossenschaft bildeten, ferner die elf zugewandten
Orte, die nicht als vollberechtigte Mitglieder und meist auch nur von
einigen der alten Orte hinzugezogen worden waren, und als eine dritte
Kategorie die gemeinen Heerschaften bestehend aus Landvogteien und
einzelnen Städten.
A. Die dreizehn alten Orte und Städte.
1. Stadt und Ort Zürich bestand aufser der Hauptstadt des Kantons
selbst aus 19 inneren und 13 äufseren Obervogteien, so genannt, je nachdem
die Obervögte derselben in Zürich oder wegen der Entfernung aufserhalb der
Stadt in der betreffenden Vogtei ihren Sitz haben. Die 19 inneren Obervogteien
waren: Wollishofen, Horgen, Wettschwyl nebst Bonstetten, Birmenstorf nebst
Urdorf, Wiedikon, Altstetten, Höng, Uegenstorf, Neuamt Bülach, Rümlang,
Schwammendingen und Dübendorf, Wipkingen. Küfsnacht, Ehrlibach, Meilen,
Mannedorf, Stäfa (Stäfen) und Ebmatingen. — Die 13 äufseren Land- und
Obervogteien waren: Kyburg, Regensberg, Eglisau, Flaach, Lauffen a. Rh..
Altikon, Hegi, Greifensee, Grüningen, Wädenschweil, Knonau und Sax oder
Forsteck. — Das sog. Kelleramt an der Reufs steht direkt unter Oberhoheit
von Zürich ; desgleichen die beiden Städte Stein am Rhein und Winterthur.
2. Stadt und Ort Bern umfafste: 1. die um die Stadt gelegene Land-
schaft mit vier inneren Ämtern: Seftingen, Sternenberg, Zollikofen, Conolfingen.
2. Die deutschen Landgebiete, u. zwar a) die aus weltlichem Besitztum hervor-
gegangenen hinter: Schenkenberg und Wildenstein, Castelen, Biberstein, Lenz-
burg, Aarburg, Bipp, Wangen, Arwangen, Landshut, Büren, Nidau, Erlach,
Arberg, Burgdorf, Brandis, Summiswald, Trachselwald, Signau, Könitz, Laupen,
Thun, Oberhofen, Unterseen, Nieder-Simmenthal, Ober-Simmenthal, Saanen,
Frutigen, Hasli, Aelen ; — b) die aus säkularisierten Stiftern hervorgegangenen
Amter: Königsfelden, Zoffingen, Gottstadt, St. Johansen, Fraubrunnen, Frienis-
berg, Thorberg, Buchsee, lnterlaken. — 3. Die welschen Lande umfassen die
I^andschaft Waadt (nais de Vaud), und zwar a) die ehemals weltlichen Ämter :
Vevey, Lausanne, Morsee, Aubonne, Nyon, Ifferten (Iverdun), Milden, Oron,
\\ ifflisburg; b) die ehemals geistlichen Ämter: Fetterlingen. Romainmoutier
und Beaumont. — Ferner die vier im Argau belegenen Städte: Bruck, Lenz-
burg, Arau und Zoffingen.
3. Stadt und Ort Luzern mit 15 Landvogteien: Wallisau, Wykon,
Sempachersee, Rotenburg, St. Michaels, Merisch wanden, Büren, Knutweil, Rufs-
weil, Entlebuch, Malters und Littau, Kriens und Horw, Ebiken, Habsburg.
Weggia und zwei freien Städten Sempach und Sursee sowie mit der Abtei
St, Urban (Cistercienser Ordens).
4. Ort Uri. Das Land wurde in 10 Genossamen eingeteilt: Altorf,
Flüelen und Sisikon, Bürglen ob dem Gräblein, Bürglen unter dem Gräblein,
Scelisberg, Isenthal und Bauwen, Attinghausen, Spiringen, Silenen, Erstfelden,
Walsen. — Zu Uri gehörte ferner das Livinenthal (oberer Tcssin), welches der
Herzog von Mailand 1466 an Uri abgetreten hat. — Unter dem Schutz von
Uri stand noch das Unseren Tal.
5. Ort Schwyz. Das Land wurde in 6 Quartiere geteilt: das Neue
Viertel, das Alte Viertel, das Nieder- Wasser viertel, das Arterviertel, das Steinen-
viertel und Muttenthalerviertel. Aufserriem besafs Schwyz seit 1440 mehrere
Höhen am Züricher See, und unter seiner Oberherrschaft standen Küfsnacht
und die Landschaft March am Züricher See. Die Waldstadt Einsiedeln war
Ö88
XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
ein kleines Gebiet, auf welches Schwyz und Kloster Einsiedeln Herrschaft-
anspräche erhoben.
6 Ort Unter wählen bestand aus dem Thal ob dem Walde mit sechs
Gemeinden (Kilchgängen), dem Tal nid dem Walde, eingeteilt in 11 Teile
(Uertenen) mit (5 Gemeinden.
7. Ort Zug umfafste: 1. die Stadt und 2. das sog. Amt mit den drn
Quartieren : Aegeri, Menzigen und Bar ; 3. die 5 Obervogteien : Cham, Gangol
Bchwyt, Hünenbergen, Walch wyl und Steinhausen.
8. Ort Glarus wurde eingeteilt in 15 Tagwen (Tagmen): Glarus, Enneda
(Knnetbüls), Mitlödi-Sool-Schwendi, Schwanden-Thou , Eschen, Bettschwand
Diesbaeh-Häzingen-Hafslen, Ennetlind Reuti, Linnthal. Matt und Dorf, Ein».
Engi und Matt, Nettetal, Mullis, Näfels, Ober- und Nieder-Urnen, Bilten und
Kercnzen. Ferner gehörte hierzu die ehemalige Grafschaft Werdenbelg, 1517
zugleich mit der Herrschaft Wartau angekauft.
9. Stadt und Ort Basel. Die Landschaft bestand aus sieben Ober
VOgteien, und zwar den unteren : Münchenstein, Klein-Hüningen, Riehen,
und den oberen : Liechstall, Farnspurg, Wallenburg und Homburg.
10. Stadt und Ort Frei bürg im Uchtlande. Das Gebiet bestand aus
der alten I Landschaft mit 27 Kirchspielen, und aus den 19 Landvogteien
Illingen, Plaffeyen, Jaun oder Bellegarde, Favernach, Wippingen, Montenach.
Stäffis, St. Albin, Cheire, Font und Wuissens, Ueberstein, Romont, Kuw, Thal
bach, Boll, Corbers, Gryers, Chatel, St. Denis, Attalens.
11. Stadt und OrtSolothurn. Das Gebiet umfafste 1 1 Landvogteien,
8 diesseits und 3 jenseits des Jura: Bucheckberg, Kriegstetten, Flumental, am
Labern, Falkenstein, Bechburg, Ölten, Gösgen, Thierstein, Gilgenberg, Dorneck.
12. Stadt und Ort Schaf hausen. Das Gebiet umschlofs zehn
Vogteien: Buch, Tayingen, Herblingen und Reyer, Merishausen, Schleitheini,
Beringen, Löhningen, Neuhausen, Rüdlingen und Neukirch. Sie liegen meist
im Hegau und Klettgau.
13. Ort Appenzell. Das Land zerfiel in die inneren und äufseren
Rooden. Die inneren sind: die Schwendiner Rood, Rüthiner Rood, Lehner
Rood, Schlatter, Gonter, Rickenbacher, Stecklenegger , Hirschberger und
Oberegger Rood. Die äufseren Rooden, ehemals 6 an der Zahl, wurden in
20 Gemeinden eingeteilt: Urnäsch, Herisau, Schwelbrunn, Hundweil, zum Stein.
Schönengrund, Waldstadt, Teufen, Bühler, Speicher, Trogen, Rehetobl, Wald,
Grub, Heiden, Wolfshalden, Lutzenberg, Walzenhausen, Rüthi, Gaifs.
B. Die 23 Landvogteien und 2 Städte,
die gewisse Kantone als gemeinschaftliehe Oberherren besitzen.
1. Landvogtei Thurgau. Bis 1460 war das Land im Besitz von
Österreich. Die 8 alten Orte waren die Oberherren. Hauptort, wo der alle
2 Jahre alternierende Landvogt der 8 Orte seinen Sitz hatte, war Frauenfeld
Der Landbesitz war hier sehr zersplittert, da 22 geistliche Stände und Gerichts
herreil und 24 weltliche sieh in die Vogteien und Gerichtsherrlichkeiten teilten.
2. Landvogtei Rheinthal ist in fünf Höfe oder Gerichte geteilt,
im oberen Rheintal: Gerichte Altstetten, Oberried, Matbach, Bemang (Berneck;.
im unteren Rheintal: nur das Gericht Thal.
3. Landvogtei Sargans, eingeteilt in das obere Sargans mit diesem
Ort, Ragatz, Pfäffers und untere Sargans mit Walenstadt. Aufserdem dir
Herrschaft Wartau.
4. Landvogtei Gaster nördlich vom Walenstadter See besteht au»
einigen Pfarren und Flecken.
5. Landvogtei Uz nach mit dem gleichnamigen Städtchen und mehreren
Dörfern.
6. Landvogtei Garns zwischen Grafschaft Werdenberg und Togerenbun:.
7. Stadt Rappersch weil (Rapperswyl) mit Gebiet am Züricher Ser
457. österreichische Lande. 589
8. Grafschaft und Landvogtei Baden. Sie umfafst neben der
Hauptstadt Baden auch Ober-Baden, Baden im Argau genannt, 1. acht Ämter :
Gebistorf, Birmenstorf, Hordorf, Dietikon, Wettingen, Ercndingen, Siggenthal
und Liitgem; 2. die bischöflich-konstanzisehen äufseren Ämter: Klingnau,
Zurzach und Kaiserstuhl; 3. Stift Wettingen an der Limmat, 1227 gestiftet;
4. Herrschaft Weiningen in der Grafschaft Baden ; 5. Gericht Uetiken. Aufscr-
dem noch einige niedere Gerichtsherrlichkeiten.
9. Die oberen freien Ämter nördlich vom Kanton Luzern: Amt
Meienberg, Muri, Hitzkirch und Bettweil ; ferner die Herrschaften Heideck und
Reufseck.
10. Die unteren freien Ämter: Villmergen, Sarmenstorf, Rofsweil,
Krumamt, Wollen, Niederweil, Dottiken, Hagligen, Büblikon und zwei Klöster.
11. Stadt Bremgarten an der Reufs.
12. Stadt Mellingen an der Reufs.
13. LandvogteiSchwarzenburg zwischen Sense und Schwarz wasser.
14. Landvogtei Murten am gleichnamigen See.
15. Landvogtei Grandson am Neuenburger See.
16. Landvogtei Orbe und Tscherlitz.
17—23. Die sieben italienischen Land vogteien Bellenz (Bellin-
sona), Riviera oder Polese, Bollcnz, Lauis (Lugano), Luggarus (Locarno), Mein-
thal, Mendris (Mendrisio).
Als freie Stände unter dem Schutze der vier Waldstätte galten das Stift
Engelberg und Flecken Gersau am Fufse des Rigi.
C) Die 11 zugewandten Orte.
1. Stift zu St. Gallen, bestehend aus der sog. alten Landschaft, Land-
schaft der Gotteshausleute mit dem Oberamt und Unteramt, und ferner der
Grafschaft Toggenburg, zerfallend in das obere Amt mit 12 Gemeinden und
das untere Amt mit 14 Gemeinden.
2. Stadt St. Gallen.
3. Stadt Biel.
4. Oberer oder Grauer Bund mit den Hochgerichten Grub-Schlöwis-
Tenna, Disentis, Waltensnurg, Flims, Heinzenberg-Thusis-Saffien-Tschapina,
Schamsertal und Rheinwald, Lugnetz, Misox (Mesocco).
5. Gotteshaus- Bund mit den Hochgerichten: Chur, Hochgericht der
vier Dörfer, Ortenstein im Domleschg, Ober-Vaz, Ober-Halbstem, Bivio oder
Stella, Pergel, Pusclav, Ober-Engadin, Unter-Engadin. Münstertal.
6. Zeh ngerichte Bundmit den Hochgerichten Davos, Kloster Castels,
Schiersch, Maienfeld, Bellfort, Schalllik (Schanfigg). — Nr. 4 — (i bilden das
Graubündener Land, zu welchem noch das Veltlin, das Land Worms (Bormio)
und Cleven (Chiavenna) gehören.
7. Wallis, bestehend aus sieben Teilen, Zenten: Gombs, Brieg, Visp,
Raren, Leuck, Siders und Sitten; ferner der Landvogtei St. Moritz und ver-
schiedenen Pfarren.
8. Stadt Mülhausen im Elsafs war 1515 der Eidgenossenschaft bei-
getreten.
9. Fürstentum Neuen bürg, seit 1707 preufsisch , umfafst«' die
Souveränität Neufchatel (Neuenburg) mit 17 Meiereien, Landvogteien bzw.
Herrsehaften und der Grafschaft Vallengin mit fünf Meiereien.
10. Stadt und Republik Genf.
11. Weltliches Gebiet des Bistums Basel mit den Städten Biel,
Neuenstadt, Herrschaft Erguel.
457. Österreichische Lande. Der österreichische Machtbereich
hatte im Laufe der Zeit einen gewaltigen Umfang angenommen, besonders
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590 Xni. Politische Geographie um das Jahr 1770.
seitdem auch die spanischen Niederlande an den österreichischen Zweig
der Habsburger gefallen waren. Die pragmatische Sanktion Karls VI
sollte dieses Reich zu einer untrennbaren Einheit machen. Indessen
ging vieles von dem Länderbereich auch wieder verloren. Wie die Land
grafschaft des Elsafs, der Sundgau, die Landvogtei über die zehn ehe
maligen Reichsstädte daselbst an Frankreich fielen, so das Herzogtum
Schlesien an Preufsen, ganz zu schweigen von den Verlusten, die Oster-
reich schon vordem in der Schweiz erfahren hatte. — Der gesamte
Territorialbestand Österreichs in der zweiten Hälfte des XVIII. Jh. läßt
sich in fünf Abschnitte gliedern: 1. Niederösterreich, bestehend
aus den Ländern ob und nid der Enns; — 2. Innerösterreich:
Steiermark, Kärnten, Krain und Friaul; — 3. Oberösterreich: Tirol,
4. Vorderösterreich, die weiter westlich gelegenen und meist sehr
zerstreut liegenden Gebietsteile von Vorarlberg bis zum Rhein bin.
Den 5. Abschnitt bilden Böhmen und Mähren.
Die Bezeichnungen: Ober- und Niederösterreich sind die urkundenmäfsigen
für die obengenannten Länder damals gewesen, während so heutzutage nur die
Länder ob und nid der Enns genannt werden, wie es übrigens auch schon im
XIH. Jh. der Fall war; vgl. S. 308.
1. Das Erzherzogtum Österreich im engeren Sinne oder Nieder
Österreich begriff:
a) Das Land unter (nid) der Enns. Es wurde in vier Viertel ein
geteilt : Das Viertel unter dem Wiener Walde und jenes ob dem Wiener Walde,
für welche auch die Bezeichnung des Steinfeldes und Tulnerfeldes üblich war,
ferner nördlich der Donau: das Viertel unter und jenes ob dem Manhartsber^e.
auch Marchfeld bzw. Gänsefeld genannt. — Im Lande unter der Enns gab ee
17 landesfürstliche Städte, in der Reihenfolge der vorher genannten Viertel
geordnet waren dies: die Hauptstadt Wien. Klosterneuburg. Baden, Wiener
Neustadt, Hainburg und Bruck a. d. Lcitha; — Tuln, St. Pölten, Ips; — Kot
neuburg, Uetz, Laa; — Krems, Stein, Egerburg, Waidhofen und Zwetl. Aufser
dem gab es 20 Städte, welche besonderen Herren gehörten und 124 Marktflecken
sowie 114 Stifter und Klöster und 1510 Dörfer.
b) Das Land ob der Enns zerfiel ebenfalls in vier Viertel: das Hau?
ruckviertel, Traunviertel, Mühlviertel und Machlandviertel. Es enthielt 7 lande?
fürstliche Städte : Linz als Hauptstadt, Wels, Gmundenk Föcklabruck; — Enn«
Stevr; — Frevstadt, Das Mühl viertel wies keine solche auf. Ferner gab &
5 Herrenstädte; 81 Märkte, 35 Stifter und 643 Dörfer.
2. Innerösterreich bestand aus 4 Landschaften:
a) Herzogtum Steiermark. Untersteiermark umfafste: 1. den Graz» r
Kreis mit der Hauptstadt Graz, früher auch Vorauer Viertel genannt; 2. den
Marburger Kreis oder Viertel zwischen Mur und Drau mit den Städten Mar-
burg a. d. Drau, Pettau, Voitsberg und Fridau; 3. den Cillikrcis oder Viertel
Cüil mit dieser Stadt, ferner Rein, Feistritz, Windischgrätz ; — Obersteierroark
bestand 4. aus dem .ludenburger Kreise mit Judenburg, Knittelfeld, Murau
Hottenmann, Wölz; 5. dem Brucker Kreise mit Bruck a. d. Mur und Lechen
b) Herzogtum Kärnten wurde abgeteilt in Unterkärnten mit Klai^n
furt. St. Veit, Völkermarkt, Friesach, Strasburg, St. Andree, Wolfsberg, St. Leon
hard, Bleiburg; — und Ubcrkürnten mit Villach, Gmünd.
c) Herzogtum Krain zerfiel in fünf Teile: Oberkram (Laibacher Km>
Fntcrkrain (Neustädtler Kreis), Mittelkrain oder die Windische Mark, Inner
DjfljM bV
457. Österreichische Liirnie.
591
krain (das Karstland) und Istrien. Von den 20 Städten waren die bedeutenderen :
die Hauptstadt Laibach (Ljublana), Krainburg, Gurkfeld, Weichselburg, Gotschee,
Möttling, in Istrien Mitterburg (Pisino). Das österreichische Istrien umfafste die
ehemalige Grafschaft Mitterburg und Herrschaft Castua (Köstau) unweit Fiume.
d) Österreichisches Friaul mag hier der Vollständigkeit halber mit
aufgeführt werden. Zu ihm gehörten: 1. die gefürstete Grafschaft Gradisca,
seit 1717 von einem österreichischen Landeshauptmann verwaltet ; 2. Grafschaft
(iörz, wurde 1500 vom König Maximilian nach dem Aussterben der Grafen in
Besitz genommen ; 3. die Hauptmannschaft Tulmino im Quellgebiet des Isonzo :
4. Idria mit Gebiet ; 5. das Gebiet von Aquileja ; 6. die Stadt Triest ; 7. Stadt
.St. Veit am PHaum (Fiume).
3. Oberösterreich umfafste im allgemeinen die Grafschaft Tirol.
Diese wurde damals in sechs Teile (Viertel) geschieden : 1. Viertel Unterinntal
mit Innsbruck und Hall; 2. Viertel Oberinntal, ohne gröfsere Stadt; 3. Viertel
Vüitsehgau mit dem Städtchen Glums ; 4. das Etschviertel mit Meran und
Bozen ; 5. das Eisackviertel mit Stcrzing ; 6. das Pustertal mit Lienz. Als
7. Gebiet galten die sog. Welschen Confinen, ein an der italienischen Grenze
liegender Strich Landes, mit Roveredo.
4. Vorderösterreich zerfiel in drei Hauptteile: den Breisgau, Schwä-
bisch -Ost erreich und die Vorarlbergischen Herrschaften.
a) Die Landgrafschaft im Breisgau war seit 1367 österreichisch.
Sic bestand: 1. aus dem Unterland, dein eigentlichen Breisgau mit der Haupt-
stadt Freiburg, den Städten Alt- Breisach, Villingen, Breunlingen, Neuburg,
Kenzingen, Endingen, Burkheim und Waldkirch; den Kameralherrschaftcn
(.lasteil berg und Schwarzenberg, Tryberg, Hauenstein und fünf Abteien mit
deren Gebiet : Abtei St. Blasien mit den Herrschaften Stauffen, Kirchhofen,
Gutenberg, Gutweil, Blumeneck und Grafschaft Bondorf sowie die Abteien
St. Trutpert. St. Peter. Ettenhcimmünster und Schütteren; ferner noch ver-
schiedenen Stiftern und Klöstern; — 2. dem oberen Rheinviertel mit den vier
Waldstädten am Rhein: Laufenburg, Rheinfelden, Säckingen und Walshut;
ferner den Herrschaften Rheinfelden und Laufenburg, erstere aus den Land-
schaften Frickthal, Möhlinbach und Rheinthal, letztere aus den Tälern Knisten,
Mettau, Solz und Gansingen bestehend.
b) Schwäbisch - Österreich zerfiel in sechs Teile: 1. die Markgraf-
schaft Burgau zwischen Donau und Lech (seit 12*3 österreichisch), wurde in
fünf Vogteien geteilt, mit der Residenz Günzburg, Marktflecken Burgau, Herr-
schaft Krumbach, Landsberg und Seifriedsberg ; — 2. die Landgrafschaft Xellen-
burg nahm einen Teil des alten Hegau ein; seit 1465 österreichisch. Mit dem
Städtchen Stockach, dem Sitz des Landvogtes, dem Städtchen Ach und den
Herrschaften Hilzingen, Langenstein, Mühlhausen und Singen mit Niederhofen ; —
3. die Landvogtei in Schwaben, aus der alten weifischen Grafschaft Altorf
hervorgegangen, die erst 1415 samt der Leutkircher Heide zu einer Landvogtei
eingerichtet und zu der Hauptlandvogtei in Ober- und Niederschwaben geschlagen
wurde. Die Landvogtei wurde in eine obere mit 15 Amtern und untere mit
drei Ämtern geteilt; — 4. die Grafschaft Hohenberg, seit 1381 österreichisch,
aus zwei getrennten Teilen bestehend, der niederen Grafschaft mit den Städten
Rotenberg. Ehingen und Horb am Neckar, und der oberen Grafschaft mit den
Städten Schönberg, Fridingen und Oberndorf, den Märkten Spaiehingen und
Schraniberg und der Herrschaft Wehrweg; — 5. die sog. Fünf Donaustiidte:
Munderkingen an der Donau, Waldsee in der Grafschaft Waldburg, Salgau
an der Schwarzach, Richlingen an der Donau • und Mergen in der Nähe von
ihr; — 6. mehrere Stifter, Landschaften und Städte; Stifter: Wiblingen, Bene-
diktiner Abtei mit Flecken und Dörfern, Karthause Buxheim, Stift Heiligen
Kreuzthal mit Dorf Andelfingen und Urspring, Benediktiner -Nonnenkloster.
Landschaften: Kirchberg und Weifsenhorn a. d. Donau, als Lehen im Besitz
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
der Fuggor; die Hohenzollernsche Grafschaft Sigmaringen, über die Bich Öster-
reich die Hoheit zueignet«-. Erbach oberhalb Ulm, Berg bei Ehingen, Bufs am]
Üf fingen, Guterstein a. d. Donau. Hausen und Stetten am Kaltenmarks Wort
hausen am Riefs, Kollenberg und Rohnsberg a. d. Günz, Gerieht Reuthen und
Amt Bierstetten. Städte: Con stanz, seit 1549 unter Habsburg, Steckhorn.
Radolfzell , Sehelklingen , Ehingen und Vühringen auf der Alb. Die Stadt
Vöhringen gehörte Österreich, das Dorf Vühringen mit zwei anderen dagegen den
Hohenzollern-Sigmaringen.
c) Die Vorarlbergischen Herrschaften, im ganzen vier an Zahl".
1. Grafschaft Feldkireh-Montfort, seit 1365 österreichisch, mit der Stadt Feld-
kirch, dem Reichsflecken Rankweil, Schlofs Montfort oder Starkenberg:
2. Grafschaft Bregenz kam 1451 und teilweise 1532 an Österreich. Zu ilir
gehörte Herrschaft Hoheneck, von Bregenz bis Wangen und Isny reichend ;
3. Grafschaft Bludenz, 1376 österreichisch ; — 4. Grafschaft Sonneberg war 146?»
im Besitz Eberhards von Waldburg und wurde ihm bald nachher von Öster-
reich genommen.
5. Königreich Böhmen. Im XIV. Jh. war es von Karl IV. in
12 Kreise eingeteilt worden Im Jahre 1714 wurden ebenfalls 12 Kreise, aber
in etwas anderer Gruppierung, neu formiert. Die Hauptstadt frag (Praha) stand
aufserhalb der Kreiseinteilung. — Die Kreise waren: der Bunzlauer. Königin
grätzer, Chrudimer, Tschaslauer, Kaurzimer, Bechiner, Praehiner, Pilsener.
Saazer, der 1714 mit dem Elnbogner Gebiet vereinigt worden war. der I^it
meritzer, Rakownitzer und Podiebrader Kreis. — Das sog. Egerland mit der
gleichnamigen Stadt bildete einen gesonderten Verwaltungsbezirk.
Zum Königreich Böhmen gehörten noch einige nicht an Preufsen gefallen«
Teile von Schlesien. Von Niederschlesien zunächst ein Stück vom Fürstentum
Neifse mit den Städten Zuckmantel, Weidenau, Jauernick, Freiwalde, Friedberg,
Kaltenstein mit Dörfern; von Oberschlesien die 4 mittelbaren Fürstentümer
Troppau , Jägerndorf, Teschen und Bielitz, ferner 8 Minderherrschaften :
Oderberg, Freudenthal, Olbersdorf, Friedeck. Freistadt, Roy, Deutsch-Leuthen
und Reichenwaldau.
Markgrafschaft Mähren war in fünf Kreise eingeteilt : den Olmützer
Kreis mit zwei Vierteln, dem Goldsteiner oder Trihauer Viertel; uud dem Perainr
und Freudenthaler Viertel: dem Hradischer Kreis: dem Brünner, Znaimer und
Iglauer Kreis.
458. Karsachsen. Das in der Hand Johann Georgs I. vereinigte,
etwa 700 Quadratineilen umfassende Gebiet wurde nach seinem Tode
leider wieder unter seine vier Söhne zersplittert. Kr selbst hatte 1652
die Teilung testamentarisch verfügt. Im Jahre 1657 wurde der brüder-
liche Hauptvergleich geschlossen, der noch einige Änderungen brachte
Der älteste Sohn Johann Georg II. erhielt die Kurwürde und den
Hauptanteil. Seine drei Brüder, als Stifter von Nebenlinien, wurden
ebenfalls bedacht. August, der Administrator von Magdeburg erhielt
Weilsenfels und den thüringischen Kreis, Christian I.: das Stift Mors»
bürg und die Niederlausitz, Moritz: das Stift Zeitz, den Vogtländischen
und Neustädter Kreis. Diese drei jüngeren Linien starben aber bis 174f>
sämtlich aus und seit jenem Jahre war die äufsere Einheit des Kur-
staates wieder hergestellt. Bis zum Jahre 1770 fanden dann kein»
territorialen Veränderungen mehr statt trotz der Verwickelungen, in «Ii*
Sachsen durch die vorübergehende Verbindung mit dem Königroidi
Polen und durch den Siebenjährigen Krieg hineingezogen wurde.
Nach dem Testament Johann Georgs I. erhielt der älteste Sohn, der mu-b
malige Kurfürst Johann Georg II. (1656—80), den Wittenberger Kreis Knr
r
458. Karsachsen.
593
kreis), die Burggrafschaft Magdeburg, den Leipziger, meifsnisehen und erz-
gebirgischen Kreis sowie die Markgrafschaft Oberlausitz, aufserdem noch einige
andere Anwartschaften, Berechtigungen wie auch Verpflichtungen. — Der zweite
Sohn, August, erhielt die vier eximierten Herrschaften, Ämter und Städte
Querfurt, Dahme, Burg und Jüterbog nebst den Amtern, Schlössern und Städten
Sachsenburg, Eckarteberga, Bibra, Freiburg, Sangerhausen, Langensalza, Weifsen-
see, Sittichenbach, Heldrungen, Wendelstein und Weifsenfeis. — Der dritte
Sohn, Christian, erhielt die Niederlausitz, Dobrilugk, Finsterwalde, Bitterfeld,
Delitzsch und Zörbig. — Der vierte Sohn. Moritz, erhielt aufser dem kur-
eächsischen Anteil an Henneberg noch die Herrschaft der Schenken von Tauten-
burg (1640 an Kursachsen gefallen) mit Frauenpriesnitz und Nieder-Trebra,
ferner Vogtsberg, Plauen, Pausa, Triptis, Arnshaugk, Weida und Ziegenrück.
Johann Georg
Kurfürsten
I., Kurfürst v. Sachsen f 1656
[ Weifsenfels Merseburg
.loh. Georg II.
f 1680
I
Johann Georg III.
t 1691
I
.loh. ( Jeorg IV.
f 1694
Friedr. August
d. Starke
Kg. v. Polen
f 1733
I
Friedr. Aug. II.
Kg. v. Polen
f 1763
I
Friedr. Christian
f 1763
I
Friedr. Aug. III.
t 1827
August
f 1680
I
Joh. Adolf I.
t 1697
Jol
|
l. Adolf II.
1746
T
t t 7
Christian I.
f 1691
Christian II.
f 1694
I
Moritz Wilh.
f 1731
t t t
Zeitz
Moritz
f 1681
I
Friedr. Heinr.
f 1713
I
Moritz Adolf
t 1759
t t t
Bei der Vollziehung des Testamente traten 1657 mancherlei Differenzen
zwischen den Brüdern ein, besonders auch wegen der Zuteilung der schrift-
sässigen Ritterschaft und der Lehen. Der brüderliche Haupt vergleich führte
noch zu folgenden Bestimmungen : dem Herzog August wurde die Belehnung
mit den schrifteiissigen Gütern zugesagt und ihm ferner noch zugeteilt Amt
und Stadt Thomasbrück, Röblingen, die Städte Laucha, Mücheln und Kindel-
brück, die thüringischen Stifter und Klöster Beutitz. Langendorf, Weifsenfels,
Reinsdorf, Bernroda, Kölleda, Salza, Kaltenborn, Rohrbach, Zwiest und
St. Ulrich. — Dem Kurfürsten blieben Amt Treffurt, Schulpforta, die Stadt
Tennstedt, die Schutz- und anderen Gerechtigkeiten in den Städten Erfurt,
Mühlhausen und Nordhausen, die aus dem Halberstädter und Magdeburger
Permutationsrezefs erworbenen Rechte in bezug auf Thüringen und Mansfeld,
endlich alle Balleien und Komtureien in Thüringen, die Grafen- und die gesamt«'
schriftsässige Ritterschaft Thüringens (aufser jener des Amtes Sachsenburg). —
Der dritte Bruder, Christian, erhielt seinen Testamentsanteil unter dem Vor-
behalte der schrifteässigen Ritterschaft für den Kurfürsten. — Der vierte Bruder,
Moritz, erhielt noch die Schrifteassen in den vier assekurierten Ämtern und
im vogtländischen Amte Pausa. Die übrigen Schrifteassen behielt sämtlich der
Kurfürst.
Ferner ist zu erwähnen, dafs im Jahre 1659 das gräfliche Haus Barby
«•rlosch und die Grafschaft als kursächsisches Lehen an Herzog August von
Sachsen -Weifsenfels fiel. — Im Jahre 1660 wurde mit den Ernestinern die
Kretschmer, Historische fiPo*raphie. 38
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
Grafschaft Henneberg geteilt. Kursachsen erhielt hierbei fünf Zwölftel:
Amt und Stadt Schleusingen, Amt und Stadt Suhl, Amt Kühndorf, Amt Bens
hausen sowie die Klöster Rohr und Vefsra (s. im übrigen Ernestinisches
Sachsen).
Die gesamten Kurlande sind in sieben Kreise geteilt. Hierzu kommen
noch zwei Stifter Merseburg und Naumburg-Zeitz.
1. Kurkreis, das alte Herzogtum Sachsen (s. über dieses S. 320t mit
24 Städten, 3 Flecken und 494 Dörfern. Es bestand aus 11 Kreisämtern:
Wittenberg, Gräfenhainichen, Beizig, Gommern mit Elbenau, Seyda, Annabttlg,
Schweinitz, Pretsch, Sehlieben nebst der Herrschaft Baruth, Liebenwerda und
Bitterfeld. Seit 1659 wurde dem Amte Wittenberg auch die erledigte Graf-
schaft Barby zugerechnet.
2. Thüringischer Kreis setzte sich aus 13 unmittelbaren Ämtern
zusammen, ferner dem Fürstentum Querfurt und dem unter kursächsischer
Landeshoheit stehenden Teil der Grafschaft Mansfeld. Die 13 Ämter waren:
Tennstädt, Schulamt Pforta, Tautenburg, Treffurt (letzteres ganerbschaftlieh, da
auch Mainz und Hessen daran Anteil hatten), Weifsenfeis mit den drei Gerichts-
Stühlen Burgwerben, Stöfsen und Mölsen, Freiburg, Eckartsberga, Sangerhausen.
Sachsenburg, Weifsensee, Langensalza. Wendelstein und Sittiehenbach. — Das
Fürstentum Querfurt war 1635 im Prager Frieden aus den vier zum Erx
stift Magdeburg gehörigen Ämtern Querfurt, Jüterbog. Dahme (und Burg, das
1687 aber durch einen Vergleich an Kurbrandenburg fiel) gebildet und dem
Kurfürsten Johann Georg I. überwiesen worden. Es fiel bei der Teilung an
die Weifsenfelser Linie Augusts, dessen Sohn Johann Adolf I. noch die Ämter
Heldrungen, Wendelstein und Sittichenbach hinzufügte. Nach dem Aussterben
dieser Linie wurden letztere Ämter bis auf Heldrungen wieder abgezweigt. Bb
gehörten also zum Fürstentum fortan die Ämter Querfurt. Jüterbog, Dahme
und Heldrungen. — Der kursüchsische Anteil an Mansfeld enthielt
5 Städte und 42 Dörfer: die Altstadt und die Neustadt Eisleben und Hettstädt.
Hierzu 11 Ämter, von denen eins im Besitz der Fürsten von Mansfeld und die
übrigen meist wiederkäuflich veräufsert waren : Ober- und Unteramt Eisleben.
Wimmelburg, Bornstedt, Arnstein-Endorf, Walbeck, Wiederstcdt, Rammelburg.
Leiningen-Morungen, Artern, Vock- oder Voigtstädt.
3. Meifsnischer Kreis mit 14 Ämtern: Meilsen, Oberamt Dresden,
Dippoldiswalde, Pirna, Hohenstein und Lohmen, Stolpen, Radeberg mit Laus-
nitz, Moritzhurg. Grofsenhain , Senftenberg, Finsterwalde, Mühlberg, Torgau
und Oschatz.
. 4. Leipziger Kreis mit 14 Ämtern: Leipzig, Delitzseh, Zörbig. Düben.
Eilenburg, Erbamt Grimma, Sehulamt Grimma, Mutsehen, Leifsnig und Döbeln.
Rochlitz, Kolditz, Borna, Pegau, Stiftsamt Würzen.
5. Erzgebirgischer Kreis mit 15 Ämtern: Freiberg, Augustuslmrg,
Chemnitz, Frankenberg, Nossen, Grillenburg mit Tharand, Frauenstein, Alten
berg , Lauterstein , Wolkenstein mit Rauenstein , Stolberg , Grünhain mit
Schlettau, Schwarzenberg mit Krottendorf, Wiesenburg, Zwickau mit Werdau
6. Vogtländischer Kreis mit 3 Ämtern: Voigtsberg, Plauen und
Pausa.
7. Neustädtischer Kreis mit 3 Ämtern : Arnshaugk mit Triptis- .
Weida mit Mildenfurth und Ziegenrück. Neustadt a. d. Orla war die Haupt
Stadt des Kreises.
8. Stift Merseburg mit 5 Ämtern: Merseburg, Lützen, Zwenkau.
Schkeuditz und Lauchstädt.
9. Stift Naumburg-Zeitz mit 3 Ämtern: Stadt und Amt Naumburg,
welches aus den vereinigten Ämtern Georgen kloster, Schönburg und Saleck
bestand, Stadt und Amt Zeitz (in vier Striche geteilt: den Profener, Langen
dorfer, Zipsendorfer und Forststrich) und Amt Hainsburg.
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459. Ernestinischen Sachsen.
595
10. Die Ober- und Niederlausitz war seitdem Frieden von Prag (1635)
als erbliches Lehen im Besitz von Kursachsen gewesen. Kurfürst Johann hatte
1652 testamentarisch die Oberlausitz seinem Nachfolger in der Kur vermacht,
während er die Niederlausitz dem Administrator des Stiftes Merseburg, Herzog
Christian I., hinterliels. Nach dem Aussterben der Merseburger Linie 1738 fiel
auch die Niederlausitz an die Kurlinie zurück. Hinsichtlich Verfassung und
Verwaltung waren beide Lausitzen zwei gesonderte Landschaften. 1. Die Öber-
lausitz umfafste zwei Kreise: a) den Bautzener Kreis mit drei von den sog.
Sechsstädten : Bautzen (Budissin), Kamenz und Löbau, zwei Standesherrschaften
Hoyerswerda und Königsbrück und zwei katholischen Stiftern : dem Domkapitel
zu St. Peter in Bautzen mit 33 Ortschaften und dem Jungfrauenstift Marien-
ftem mit bedeutendem Gebiet in zwei Bezirken, von denen der eine die Stadt
Wittichenau und 4«> Dörfer umschlofs, der Eigensche Distrikt das Städtchen
Bernstadt und 7 Dörfer. Aufserdem gehörten zum Kreis 10 Städte und
250 Rittergüter ; — b) den Görlitzer Kreis mit drei von den Sechsstädten :
Görlitz, Zittau und Lauban, jede von ihnen mit einem Ratsgebiet und zahl-
reichen Dörfern umgeben, ferner den zwei Standesherrschaften Muskau und
Seidenberg, den Nonnenklöstern Maria Magdalena in Lauban und Marienthal
l»ei Ostritz, dem evangelischen Stift Joachimstein, 8 landesherrlichen Städten
und 150 Rittergütern. — 2. Die Niederlausitz zerfiel in fünf Kreise: a) der
Luckauer Kreis mit der Kreisstadt Luckau, den Standesherrschaften Dobrilug
und Drehna, 4 Städten und 62 Gütern; b) der Gubener Kreis mit Kreisstadt
Guben, dem Stift Neuzelle mit 37 Dörfern, dem Johanniter-Ordensamt Schenken-
dorf, den 5 Standesherrschaften : Forst und Pforten, Torau und Triebel und
Arntitz sowie 55 Rittergütern; c) der Lübbener oder Krummspreeische Kreis
mit Stadt Lübben und Amt Lübben mit 24 Dörfern, dem Johanniter-Ordens-
amt Friedland, den Standesherrschaften Lieberose, Straupitz und Leuthen sowie
12 Gütern; d) der Kalauer Kreis mit Kalau, der Standesherrschaft Lübbenau
und 24 Dörfern, sowie 69 Rittergütern : e) der Spremberger Kreis mit der
gleichnamigen Stadt und Herrschaft und zahlreichen Dürfern. —
Es sei hier auch der Herrschaften der Grafen von Schön bürg
gedacht, von denen damals zwei Hauptlinien existierten, die 1700 in den
Heichsgrafenstand erhoben worden waren. Die obere oder schönburg- walden
burgache Hauptlinie besafs die Herrschaft Waldenburg, Grafschaft Hartenstein
Utia Herrschaften Stein und Lichtenstein ; erstere waren Reichsafterlehen von
Böhmen, letztere von Kursachsen. — Die niedere oder schönburg -penigsche
Hauptlinie besafs die Herrschaften Glauchau (Lehen von Böhmen), Remsau
Penig, Rochsburg und Wechselburg (Lehen von Kursachsen).
459. Ernestlnisches Sachsen. Es bestanden im Anfang dieser
Periode drei Linien : Altenburg, Weimar und Gotba nebeneinander. Da
die erstere 1672 erlosch, so führton die beiden anderen den Stamm
weiter. Sie zersplitterten sich anfangs in mehrere Linien, von denen jede
mit Territorialbesitz entsprechend ausgestattet wurde. Die Weimarer
Linie teilte sich in drei Zweige: Weimar, Eisenach und Jena, die 1741
erloschen waren bis auf die Weimarer Hauptlinie. Die Gothaer Linie
hatte 1672 den Altenburger Anteil mit der Weimarer geteilt. Nach dem
Tode ihres Stifters Ernst des Frommen (1675), der 18 Kinder hatte,
teilte sie sich in sieben neue Linien und Territorien: Gotha, Coburg,
Meiningen, Römhild, Eisenberg, Hildburghausen und Saalfeld. Die
Linien Coburg, Römhild, Eisenberg waren bis 1710 erloschen, so dafs nur
vier blieben und um das Jahr 1770 fünf Fürstentümer das ernestinische
Sachsen zusammensetzten. — Die endgültige Aufteilung der Grafschaft
Henneberg (1660) hatte erhebliche Gebietsvergröfserungen noch zur Folge
38*
596 XIII. Politische Geographie am da« Jahr 1770.
gehabt. Auch die noch immer schwebende Frage wegen der vier ver-
pfändeten Ämter Weida, Ziegenrück, Arnshaugk und Sachsenburg
wurde dahin entschieden, dafs die Ernestiner auf das Einlösungsrecht
verzichteten.
Die Teilung der Grafschaft Henneberg wurde auf Grund der Bestim
mungen von 1573 vorgenommen (s. 8. 528). Die Ernestiner erhielten hierbei
sieben Zwölftel, die Altenburg, Weimar, Gotha folgendermalsen unter sieh teilten :
Altenburg erhielt die Ämter Themar, Mafsfeld, Meiningen, die Kellerei
Behningen, das Kammergut Henneberg und den Hof Milz; Weimar die Ämter
Ilmenau und Kaltennordheim, die Waldungen zu Wasungen und Sand und
das Jagdsehlofs Zillbach ; Gotha die Ämter Frauenbreitungen, Wasungen und
Sand (vgl. Arndts, Neues Archiv f. säehs. Gesch., S. 229 ff.).
Beim Aussterben der Altenburger Linie fand 1672 eine Teilung der Erb
Schaft zwischen Weimar und Gotha statt, trotzdem letzteres eigentlich alleinige
Anwartschaft hatte. Gotha erhielt Altenburg, Coburg, Saalfeld und die henne
bergischen Länder sowie die Lehensherrlichkeit über die schwarzburgischen und
anderen Besitzungen; Weimar dagegen Stadt und Amt Dornburg, Allstedt,
Rofsla, Stadtsulza, Bürgel, Heusdorf und Krainburg sowie die Hoheitsrechte
und Steuern in Remda, Apolda und Hardisleben.
Wilhelm f 1662
Weimar | Eise nach Jena
Joh. Ernst II. f 1683
Wilh. Ernst Joh. Ernst III.
t 1728 f 1<07
I
Ernst August I.
f 1748
In der Weimarer Linie hatten die vier Söhne Wilhelms anfangs gemeinsam
regiert (ein Sohn Adolf Wilhelm von Marksuhl starb schon 1668); doch hielten
es 1672 die anderen drei Brüder für ratsam, nach Besitznahme des Altenburger
Erbteiles zu teilen. Johann Ernst erhielt das Fürstentum Weimar, be-
stehend aus Weimar, Ilmenau, Berka, Tannroda, Büttstedt, Rastenberg, Brem-
bach, Oberweimar, Rofsla, Hardisleben, Lützendorf, München, Kattendorf,
Tiefurt und Ettersburg. — Johann Georg bekam das Fürstentum JCisenaeh,
bestehend aus Eisenach, Lichtenberg, Ostheim, Creuzburg, Marksuhl, Burkers
roda, Gerstungen, Hausbreitenbach, Ringleben, Schwansee, Bachstedt, Mark
vippach, Kaltennordheim und Krainberg. — Bernhard erhielt das Fürsten
tum Jena mit Jena, Burgau, Lobeda, Capellendorf, Allstedt, Dornburg, Bürgel,
Heusdorf, Magdala, Gebstedt, Buttelstedt, Wiegendorf, Döbritschen, Beulbar.
Ilmsdorf, Göschwitz, Wöllnitz und Rutha, Obertreba. Wormstedt. Graitschen.
Synderstedt, Kalbsrieth, Remda und Apolda. — Das Aussterben der Jenenser
und Eisenacher Linien bewirkte den Anfall ihrer Länder an Weimar, und da
in diesem Hause 1741 die Primogenitur eingeführt wurde, so blieben die Lande
Weimar-Eisenach fortan vereinigt.
In der Gotha- Altenburger Linie hatten die sieben Söhne Emsts & Fr
1679—1680 eine Teilung getroffen: 1. Friedrich I. erhielt das Fürstentum
Gotha mit Stadt und Amt Gotha, Tenneberg, Georgenthal, Schwarz wähl,
Reinhardsbrunn, Wachsenburg, Ichtershausen, Altenburg, Leuchtenburg. Orla-
münde, Völkenrode, die Kollektur Langensalza, Greufsen und Stadt Pökneck
(letztere 1682 an Johann Ernst von Saalfeld überlassen). — 2. Albert erhielt
das Fürstentum Coburg mit Coburg, Rodach, Neustadt, Sonneberg, Sonm-
feld, Mönchröden, Amtsverwaltung Neuhaus. — 3. Bernhard erhielt da?
Fürstentum Meiningen mit .Meiningen, Mafsfeld, Wasungen, Sand, Frauen
Joh. Georg f 1686 Bernhard t 1678
1741 1690
t t t t t t
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460 Herrschaften der Grafen Reufs*.
597
breitungen, Salzungen, den Dörfern Herpf, Stephershausen, Uttendorf, Mehlis
und dem Kammergut Henneberg. — 4. Heinrieh erhielt das Fürstentuni
Römhild mit Römhild, Königsberg (1683 an Ernst von Hildburghausen über-
lassen), Themar, Behningen, den Hof zu Milz und die eehterischen Lehen. —
5. Christian erhielt das Fürstentum Eisenberg mit Eisenberg, Roda und
Camburg. — 6. Ernst erhielt das Fürstenburg Hildburg hausen mit
Hildburghausen, Heldburg, Eisfeld und Schalkau (letzteres 1723 an Meiningen ). —
7. Johann Ernst erhielt das Fürstentum Saalfeld mit Saalfcld, Gräfenthal,
Zella, Stadt Lehesten. — Gemeinsam blieb die Lehensherrrlichkeit über die
sehwarzburgischen , hatzfeldischen und reufsisehen Lehen. (Urkunden bei
Liinig U, 612 f.; Hellfeld, Beiträge z. Staatsrecht in d. Gesch. v. Sachs.-Eisen.
II, 2«0ff.)
EmBt der Fromme f 1675
Gotha Koburg
Menningen
Römhild Eisenberg Hildbgh.
Saalfeld
Friedrich I. Albert
Bornhard
t 1691
Friedrich II.
f 1732
I
Friedrich III.
f 1772
t 1699
t t t
Heinrich Christian Ernst Joh. Ernst
t 1710
t t t
f 1707
t t t
Ernst Ludwig
I
Karl
Friedrich
f 1743
Ant. Ulrich
I
Georg
f 1803
t 1729
I
Franz Josias
f 1764
I
Ernst Friedr
f 1800
Ernst
Friedr. DI.
t 1780
Als von diesen Linien drei erloschen waren, traten die unvermeidlichen
Erbschaftsstreitigkeiten ein, die erst 1734 — 1735 wieder beigelegt wurden. Die
Hinterlassenschaft der drei Brüder wurde aufgeteilt. Gotha erhielt die eisen-
bergischen Lande und sieben Zwölftel von Themar. Meiningen erhielt Sonne-
berg und Neuhaus und zwei Drittel vom Amt Römhild. Saal f cid: Stadt und
Amt Coburg, Rodach, Neustadt, Gestungshausen und Mönchröden, ein Dritte'
von Römhild und fünf Zwölftel vom Amt Themar. Hildburghausen erhielt
.Sonnefeld, die Kellerei Behrungen, den Hof zu Milz und die eehterischen
Lehen. — Die Einführung der Primogenitur schützte das Land (seit 1719) vor
weiteren territorialen Zersplitterungen. — Über die territoriale Entwickelung der
thüringischen Landschaften vgl. aufser den allgemeinen Darstellungen des
ganzen Landes und der Teilfürstentümer auch die übersichtliche Darstellung
in Regels Hdb. v. Thüringen U, 565 ff.
460. Herrschaften der Grafen Reufs. Die Herren Reufs von
Plauen waren 1673 sämtlich in den Grafenstand erhoben worden. Das
ältere Haus der Reufsen hatte sich (s. S. 531) in die Linien Obergreiz und
Untergreiz geteilt; letztere starb aber 1768 aus und ihr Gebiet wurde
mit Obergreiz vereinigt. — Das jüngere Haus war in vier Linien
gespalten: Gera, Schleiz, Lobenstein und Saalburg, von denen die Linie
Schleiz mit ihrem Stifter Heinrich IX. 1666 schon ausstarb. Schleiz hei
damals an Heinrich 1. von Saalburg, der jedoch Saalburg mit den beiden
anderen Linien teilen mufste. — Die Linie Lobenstein hatte sich 1678
nochmals geteilt in die Lobenstoiner, I lirschberger und die Ebersdorfer
Linie. Die Hirschberger orlosch schon 1711. — Die Linie Schleiz hatte
keine eigentlichen Teilungen mehr vorgenommen. Ein jüngerer Sohn
dos Stifters, Heinrich XXIV., hatte die Paragiatslinie Reufs - Köstritz
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
gestiftet. — Von Wichtigkeit war der Hausvertrag der Reufsen, dafs
fortan keine weiteren Teilungen des Landes stattfinden sollten (1681).
Die ältere Hauptlinic besafs die Herrschaft Greiz und Burgk und einen
Teil der Pflege Reichenfels. Vor dem Jahre 1768 (s. oben) waren die Lande
geteilt ; die obergreizische Linie besafs die Ämter Obergreiz und Dölau mit der
Stadt Zeulenroda und zwei Dörfern der Pflege Reichenfels ; — die untergreizische
Linie : die Ämter Untergreiz und Burgk. Überdies gehörte jeder Linie die Hälfte
der Stadt Greiz mit den zwei Residenzschlössern oben auf dem Berge und
unten im Tal der Elster. Daher die unterscheidende Bezeichnung Obergreu
und Untergreiz.
Die jüngere Hauptlinie besafs in ihren drei Zweigen, und zwar: 1. die
Geraer Linie: die Herrschaft Gera mit Stadt und 78 Dörfern, 34 Ritterhöfen
und dem Städtchen Langenberg, ferner das Amt Saalburg; 2. die Schleizer
Linie: die Herrschaft Schleiz mit Stadt und Schlots und die Landeshoheit
über Reichenfels, welches der Nebenlinie Köstritz gehörte ; 3. die Lobensteiner
Linie: die Herrschaft Lobenstein und Ebersdorf; letztere bestand aus dem
Amt Ebersdorf und der Pflege Hirschberg.
461. Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-
Rudolstadt. Die drei Teillinien des Hauses Schwarzburg- Sonders-
hausen: Arnstadt, Sondershausen, Ebeleben waren bis auf die Sonders-
hausener ausgestorben (s. Tabelle S. 532). In letzterer hatte Anton
Günther I. die Regierung schliefslich allein geführt. Seine Söhne
Christian Wilhelm und Anton Günther II. gingen 1681 eine Teilung ein.
Sie stifteten die Linien Sondershausen und Arnstadt. Im Jahre 1697
wurden sie in den Reichsfürstenstand erhoben und ihre Grafschaft zu
einem unmittelbaren Reichsfürstentum gemacht. Die Erbvereinigung
mit der Rudolstadter Linie 1713 setzte die Primogenitur in beiden
Häusern fest; die Landerteilungen hatten damit ihr Ende erreicht. Jedoch
wurde die Spaltung in zwei Hauptlinien bei gegenseitigem Successions-
recht festgehalten. — Die Linie Schwarzburg-Rudolstadt, in der
in regelmäfsiger Folge der Sohn auf den Vater gefolgt war, wurde erst
1710 in den Reichsfürstenstand und die Grafschaft ebenfalls zu einem
unmittelbaren Reichsfürstentum erhoben.
Das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen setzte sich <la
mals aus folgenden Teilstüeken zusammen: 1. dem 0 be r f ü rsten tu m , W-
«tehend aus den Ämtern Arnstadt mit 8 Dörfern, Küfernburg mit 16 Dörfern,
Gehren mit 3 Marktflecken und 11 Dörfern, ferner den untergleiehischen
Dörfern Sulzenbrück, Ingersleben und Günthersleben nebst Anteil an dem
Dorfe Stetten ; 2. dem Unterf ü rsten tum, bestehend aus den Ämtern Keula
mit 8 Dörfern, Scherenberg mit Abts-Bessingen und 3 Dörfern, Stadt und Amt
Sondershausen mit 12 Dörfern, Klingen mit 12 Dörfern, Stadt Greufsen, Vogtei
Hafsleben, Amt Elxleben mit 4 Dörfern, Städtchen Ehrich und Amt Rodungen
mit 4 Dörfern.
Das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt bestand ebenfalls au*:
1. dem Oberfürstentum mit den Ämtern Rudolstadt mit der gleichnamiger,
Stadt, dem Städtchen Teichel und 9 Dörfern, Blankerode mit 20 Dörfern.
Schwarzburg mit Städtchen Königssee und 34 Dörfern, Paulinzelle mit 9 Dörfern.
Könitz mit Schlofs und 3 Dörfern. Leutenberg mit 29 Dörfern, Ehrenstein mit
6 Dörfern, Ilm mit 6 Dörfern, Vogtei Seebergen; 2. dem Unterf ürste n t um
mit Stadt und Amt Frankenhausen und 7 Dörfern, Amt Arnsberg mit 2 Dörfern.
Straufsberg mit 2 Dörfern, Heringen mit 8 Dörfern, Kelbra mit 4 Dörfern un<l
schliefslich dem Marktflecken Schlotheim mit zwei Dörfern.
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r
462. Grafschaft Stolberg und Wernigerode. 463. Bistum Hildesheim. 599
462. Grafschaft Stolberg und Wernigerode. Von den Söhnen
des Grafen Christoph stammten die beiden Linien Wernigerode (Stifter
Heinrich f 1672) und Stolberg (Johann Martin f 1669) ab. Beide teilten
sich unter den Enkeln nochmals in die Wernigeröder und Gedernsche
Linie und in die Stolberg - Stolbergsche und Stolberg - Roslasche Linie.
Die letzteren beiden kommen hier in Frage, da sie das alte Territorium
der Grafschaft besafsen.
Die Stolberg-Stolbergsche Linie besafs das Amt Stolberg und Hain (ersteres
Lehen von Mainz), ferner das Amt Hohenstein und Anteil am Klosteramt Ilfeld
(beide zu Hohenstein gehörig). — Die Stolberg - Roslasehe Linie besafs Amt
Rosla und Questenberg (Lehen von Kursachsen), Amt Wolfsberg (Lehen von
Halberstadt), Ebersburg und Berenrode. — In Gemeinschaft mit Schwarzburg
besafsen die Grafen noch die Ämter Heringen und Kelbra.
Die Grafschaft Wernigerode war seit 1268 ein Lehen von Branden-
burg. Sie war 1429 an Botho VI. von Stolberg gefallen. Den Stoiberger Grafen
waren von Brandenburg, welches die Lehenshoneit fortdauernd besafs, viele Ge-
rechtsame der Landeshoheit eingeräumt worden (1714). Die Grafschaft umfafste
Schlols und Stadt Wernigerode, Amt Wernigerode, Gericht Schierke und einen
Anteil am Amt Hasserode.
Grafschaft Hohnstein war nach dem Aussterben des Hohnstein-
Klettenberger Stammes 1593 vom Weifenherzog Heinrich Julius mit Beschlag
belegt und dem Grafen Stolberg, der laut Belehnimg von 1428 Anwartschaft
hatte, vorenthalten worden. Erst 1635 wird den Stolbcrgern die Grafschaft als
Lehen des Herzogs zu Calenberg eingeräumt. Im Jahre 1645 wurde die Graf-
schaft unter die beiden Stolbcrger Linien geteilt. Stolberg-Stolberg besafs Amt
Hohnstein mit dem Städtchen Neustadt und 13 Dörfern; Stolberg-Wernigerode :
den Forst des Amtes Hohnstein mit dem Dorf Rothesitte. Zur Grafschaft
gehörte auch das Stiftsamt und Pädagogium Ilfeld mit dem Flecken und zwei
Vorwerken.
463. Bistum Büdesheim. Stift und Stadt bildeten seit 1643 ein
seltsames Doppelding in kirchlichen und staatlichen Verhältnissen. Die
weitaus gröfsere Zahl der Bewohnerschaft waren Protestanten. Das
Domkapitel sah sich als eigentliche Grundhorrlichkeit im Stifte an.
Anderseits war die Stadt so gut wie unabhängig, ohne dafs sie wie andere
freie Reichsstadt war.
Das Territorium setzte sich aus folgenden Teilen zusammen : 1. der Stadt
Hiklesheim ; 2. dem sog. Kleinen Stift mit der Stadt Peine, den Ämtern Peine
und Steuerwald, dem Dompropsteigebiet mit 9 Dörfern, dem Domkapitelsamt
Marienburg und 12 Gerichten ; 3. dem sog. Grofsen Stift, welches dem Bistum
im XVI. Jh. verloren gegangen und in den Besitz der Braunschweiger gekommen
war, die es erst 1643 wieder zurückgaben. Es bestand aus den Städten Alfeld,
Elze und Bokenem, den Ämtern Ruhla, Poppenburg, Gronau, Wirzenburg,
Bilderlahe, Woldenberg, Liebenburg, Schladen, Vienenburg und Hundesrück,
ferner den Domkapitelsämtern Steinbrück und Wiedelah und 34 Gerichten der
landtagsfähigen adeligen Güter. —
Die Abtei Quedlinburg stand mit ihrer Vogtei unter dem Schutze
des Kurhauses Sachsen (seit 1477). Im Jahre 1G97 kam die Vogtei an das
Kurhaus Brandenburg. Es gehörten zum Stift die Stadt Quedlinburg, der
Flecken Ditfurt und der Ramberg im Harz.
Die Abtei Gernrode war schon vor 1624 im Besitz der anhaltischen
Fürsten gewesen; 172H wurde Leopold von Dessau mit ihr belehnt. Das Stifts-
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800
XIII Politische Geographie um das Jahr 1770.
gebiet bildete ein kleines Amt mit der Stadt Gernrode, Vorwerk Staminefeld,
Lusthaus Stubenberg, Haberfeld, jedoch ohne ein einziges Dorf.
Das Stift W a 1 k e n r i e d. Die Schutzvogtei war in verschiedenen Händen
gewesen (der Grafen von Klettenberg, von Hohenstein, der Herzöge von Sachsen);
1U48 kam es an die Braunsehweiger, seit 1672 speziell an die Wolfenbütteler.
Es gehörten dem Stift aufser der Klosterkirche mit Flecken der Hüttenort
Zorge und das Dorf Hohegeifs.
464. Grafschaft Malisfeld. Die hinterortische Linie war 1666
erloschen, während die vorderortische bis 1780 fortbestanden hat. Die
ganze Grafschaft war teils kursächsisches, teils magdeburgisches Lehen.
Da der König von Preufsen zugleich auch Herzog von Magdeburg; war,
so besals er auch die Lehenshoheit über das gräfliche Land.
Der kursächsische Anteil umfafste die S. 594 genannten Städte und
Ämter. — Der magdeburgische Anteil setzte sich zusammen aus: 1. dem Mans
feldischen Kreis mit dem Schlofs, Stadt oder Tal-Mansfeld und Mittelamt Man»
feld und dem Unteramt der Herrschaft Frideburg mit Städtchen Gerbstedt,
ferner den landesherrlichen Ämtern Hedersleben, Grofs-Örner, Gerbstedt und Neu-
Asseburg sowie den Privatbesitzungen Amt Leimbach, Burg-Örner, Polleben.
Helmsdorf, Gericht und Vorwerk Helbra; 2. dem Schraplauisehen Kreis mit
dem Oberamt der Herrschaft Frideburg und Amt Holzzelle, Domänenamt Helffta,
Amt Schraplau und Bennstedt, ferner den Privatbesitzungen Amt Seeburg,
Erdeborn, Gericht Schochwitz u. a. m.
465. Fürstentum Anhalt. Das Land war noch immer unter die
vier regierenden Fürstenlinien (die Dessauer, Bernburger, Köthener und
Zerbstor) geteilt. Auch Erwerbungen waren gemacht worden ; so im
Jahre 1659 nach dem Tode des letzten Grafen von Barby das Amt
Walter- Nienburg und Mühlingen. Am bedeutsamsten war aber der
Erwerb der Herrschaft Jever im Oldenburgischen. Fürst Rudolf von
Anhalt -Zerbst (f 1621) war mit Magdalene von Oldenburg vermählt
gewesen; nach dem Tode des letzten Grafen von Oldenburg 1667 fiel
jene Herrschaft an Rudolfs Sohn, Johann.
Das Fürstentum setzte sich aus folgenden Teilen zusammen : 1. Anhalt«
Dessau, aus 13 Ämtern bestehend: Dessau, Wörlitz, Rehsen, Pohlitz, Retzau,
Libbesdorf, Reupzig, Scheuder, Frafsdorf, Gröbzig, Radegast, Sanderslehen,
Grofs- Aisleben. Aufserdem besafsen die Dessauer Fürsten noch verschiedene
Güter im Herzogtum Magdeburg (Alsleben, Maxdorf), im Havellande (Mühlow.
Premnitz), in Kursachsen (Salzfurt, Löberitz, Grofs Möhlau und Pratau) und in
Ost preufsen, die teils von König Friedrich Wilhelm I. an den alten Des^auer
(Fürst Leopold I.) 1720 geschenkten, teils von diesem gekauften Güter: den
Flecken Bubainen und die Ämter Norkitten, Schwägerau, Woyrothe und
I 'usch dorf. — 2. An halt -Bern bürg bestand aus 8 Ämtern; im LTnter
fÜratentum an der Saale: Bernburg, Hecklingen und Plötzkau, im Oberfürsten-
tum am Harz: Badenstedt, Harzgerode, Güntersberge, Hoyni und Gernrode. —
'A. A n halt- Köth en mit 4 Ämtern: Kothen, Nienburg oder Mönch-Nienburg.
Wulfen und Warnsdorf. — 4. An halt- Zerbst mit 7 Ämtern: Zerbst, Walter
Nienburg. Dornburg, Lindau, Rofslau, Koswig und Mühlingen.
466. Königreich Preufsen. Am 18. Januar 1701 hatte sich Kur
fürst Friedrich III. von Brandenburg die Königskrone in Königsberg auf
das Haupt gesetzt. Als erster König in Preufsen beherrschte er am
Ende seines Lebens ein Gebiet von 112524 qkm mit etwa 1 650000 Seelen
466. Königreich Preufsen.
601
Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I. und noch mehr sein Enkel
Friedrich II. vergröfserten das Staatsgebiet um rund 82000 qkm und
legten den Grund zur Machtstellung Preufsens, so dafs es nach dem
Hubertusburger Frieden in die Reihe der europäischen Grofsmächto ein-
treten konnte. — Bis zum Jahre 1770 hatten sich die territorialen Ver-
hältnisse folgend ermafsen gestaltet:
Im äufsersten Nordosten ist keine erhebliche Neuerwerbung zu
verzeichnen. Das Herzogtum Preufsen, mit welchem der Grofse
Kurfürst schon 1641 von Polen belehnt worden war, wurde ihm nach
Ahschlufs des Schwedisch-Polnischen Krieges im Vertrage von Wehlau
1657 zu unumschränkter Herrschaft zugesichert, jedoch unter Verzicht-
leistung seinerseits auf das Ermland. Der Friede zu Oliva (1660)
bestätigte diese Vereinbarung und der polnische König erkannte dem
Kurfürsten die volle Souveränität über Preufsen zu. — Von geringer
Bedeutung war der Erwerb der beiden Herrschaften Tauroggen und
Serrey, welche 1691 mit dem kurfürstlichen Lande vereinigt wurden.
Den Grund hierzu hatte die Heirat des Markgrafen Ludwig (Bruder
Friedrichs I.) mit der Prinzessin Luise Charlotte von Radziwill gelegt,
«lie jene beiden Herrschaften (auf heute russischem Gebiete) ihrem
Gemahl geschenkt hatte. Dieser war bereits 1687 gestorben, die Prin-
zessin 1695. Trotz des Einspruchs des polnischen Königs wurden diese
Gebiete schon 1691 eingezogen, und sie blieben preufsisch bis 1793.
Einen beträchtlichen Landzuwachs erfuhr das Gebiet des Kurfürsten
durch die Erwerbung von Pommern. Im Westfälischen Frieden war
dem Kurfürsten Hinterpommern zugesprochen worden. Die Übergabe
des Landes von Seiten der Schweden verzögerte sich bis 1653, als es
durch den Grenz vertrag zu Stettin abgetreten wurde, mit Ausschlufs
eines zwei Meilen breiten Streifen Landes am rechten Oderufer von
Kamin südwärts über Greifenhagen hinaus bis an die Grenzen der
Neumark. Durch den Frieden von St. Germain 1679 trat Schweden
auch das rechte Oderufer ab mit Ausnahme von Gollnow und Damm. —
Unter Friedrich Wilhelm I. kam auch ein Teil von Vorpommern an das
Königreich. Nach dem Nordischen Kriege traten die Schweden im
Frieden zu Stockholm 1720 an Preufsen ab: Stadt und Festung Stettin,
die Städte Damm und Gollnow rechts der Oder, ferner Vorpommern,
zwischen Oder und Peene, die Inseln Usedom und Wollin, das Haff und
die beiden östlichen Odermündungen; die westliche Peenemündung
bildete die Grenze als gemeinschaftlicher Besitz. — Am östlichen Ende
von Hinterpommern liegen die Herrschaften Lauenburg und Bütow, die
auf dem Vertrage zu Bromberg 1657 als Lehen an Brandenburg ab-
getreten worden waren; auch die Kastellanei (Starostei) Draheim in
Hinterpommern wurde damals von Polen pfandweise überlassen.
Gegen SO. hin hatte das Königreich durch Friedrich den Grofsen
eine Erweiterung und Begrenzung erfahren, die bis zum heutigen Tag
fortbesteht. Unter Kurfürst Joachim II. war bereits eine Erbverbrüderung
mit dem Herzog von Liegnitz -Brieg-Wohlau geschlossen worden (1537),
welche aber der böhmische König nicht anerkannt hatte (S. 479). Als
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
1675 das Liegnitzer Fürstenhaus im Mannesstamm erloschen war, gelang
es dem Grofsen Kurfürsten nicht, jenen Vertrag zur Ausführung zu
bringen. Er mufste sich mit dem zum Fürstentum Glogau gehörigen
Kreis Schwiebus begnügen, der einige Jahre später (Retraditionsrezefe
von 1694) durch eine Intrige dem preufsischen Staate wieder abwendig
gemacht wurde. — Erst Friedrich der Grofse brachte den Streit wegen
der Liegnitzer Erbschaft endgültig zum Abschlufs; der Friede von
Hubertusburg 1763 trug ihm nicht nur die geforderten drei schlesischen
Fürstentümer ein, sondern ganz Ober- und Niederschlesien mit dem zu
Mähren gehörigen Distrikt von Katscher und der Grafschaft Glatz.
Ausgeschlossen blieb das Fürstentum Teschen mit Oderberg und die
Stadt Troppau. Im weiteren verzichtete Maria Theresia als Königin von
Böhmen auf alle Lehensrechte über Krossen, Kottbus, Peitz, Teupitz.
Beeskow, Storkow, Zossen und die Herrschaft Schwiebus, die hiermit an
Preufson zurückfiel.
Das Königreich Preufsen setzte sich um 1770 aus folgenden Terri-
torien zusammen:
Mark Brandenburg, welche in die Kurmark (d. i. die Altmark, Mittel-
mark, Priegnitz, Ukermark) und die Neumark zerfiel, a) Die Altmark (mit
14 Städten und 564 Dörfern) bestand aus sieben Kreisen: Stendal, Salzwedel,
Gardelegen, Arendsee, Seehausen, Tangermünde und Arneburg, b) Die Prignitz
(mit 11 Städten und 246 Dörfern) war in sieben Kreise geteilt : Perleberg, Pritzwalk.
Kyritz, Havelberg, lenzen, Wittstock und Wilsnack. Von Wilsnack wurde 1765
der Plattenburgische Kreis abgezweigt. Die Plattenburg am Flufs Carthan ge-
hörte ehemals den Bischof eu von Havelberg. _c) Die Mittelmark (mit
62 Städten und etwa 1000 Dörfern), bestehend aus acht Kreisen: Havelland,
Nieder- und Oberbarnim, Lebus, Teltow, die Zauche, Ruppin und Beeskow-
Storkow. Vom Havellande war der Glin-Löwenbergische Kreis 1680 abgetrennt
worden. Im Jahre 1772 wurde der Luckenwalder Kreis hinzugefügt, der früher
als Exklave zum Herzogtum Magdeburg gehört hatte. Zum Teltow war auch
das sogenannte Schenkenland geschlagen worden , aus den Herrschaften
Wusterhausen und Teupitz bestehend, d) Die Ukermark (mit 19 Städten
und 375 Dörfern) bestehend aus dem Ukermärkischen und Stolpischen Kreise;
letzterer mit der Markgräflich-Schwedtechen Herrschaft (Schwedt und Vierraden ,
e) Die Neu mark (mit 38 Städten); sie bestand aus der Stadt Küstrin, den
drei vorderen Kreisen Soldin, Königsberg und Landsberg und den vier hinteren
Kreisen Friedeberg, Arnswalde, Dramburg und Schievelbein. Zu diesen Kreisen
der ursprünglichen Neumark waren später hinzugefügt worden : das Land Stern
berg (als Teil von Lebus, vgl. S. 33b), der Kreis Krossen und Züllichau (das
ehemalige Herzogtum Krossen bildend) und der Kreis Kottbus mit Kottbus
und Peitz.
Herzogtum Pommern umfafste ganz Hinterpommern mit dem ehemalig»»
Fürstentum Kamin und einen Teil von Vorpommern bis zur Peene (d*1
übrige war noch schwedischer Besitz). Der Bezirk der Kriegs- und Domänen
kammer zu Stettin enthielt: 1. den Kreis Randow mit Stettin, 2. Krei*
Anklam, 3. Demmin und 4. Usedom mit den Ämtern Jasenitz, ükermönde,
Spantikow, Königs-Holland, Torgelow, Stolpe, Klempenow, Verchen, Treptow
Lindenberg, Loitz, Padagla (Pudgla auf Usedom) und Wollin. In Hinterpommern
gehörten zum Stettiner Bezirk acht Kreise: 1. Greifenhagen (mit den Ämtern
Colbatz, Wildenbruch und Stepenitz), 2. Kreis Pyritz (mit Stargard und den
Ämtern Pyritz, Dölitz und Marien fliefs), 3. Kreis Saazig (mit den Ämtern
Saazig, Etavenstein, Massow, Bernstein). 4. Kreis Naugard - Dabern (mit den
466. Königreich Preußen. 603
Ämtern Golnow, Gülzow, Naugardten), 5. Kreis Regenwalde und Labes, auch
Borkscher Kreis genannt, 6. Kreis Flemming mit Kamin, 7. Kreis Greifen-
berg mit Amt Belbuck, 8. Osten-Blücherscher Kreis um Plathe an der Rega.
Der Bezirk Köslin zerfiel in acht Kreise: t. Kreis Bclgard-Polzin, 2. Kreis
Neustettin (mit den Ämtern Neustettin, Ratzebur und Draheim), 3. Kreis Köslin,
auch das »Fürstentum« (nämlich Kamin) genannt (mit den Ämtern Kolberg,
Köslin, Körlin, Kasimirsburg, Bublitz, Friedrichsburg [ehemals Quarkenburg] ),
4. Kreis Schlawe (mit den Ämtern Rügenwalde und Buckow), 5. Kreis Stolpe
mit Amt Schmolsin, 6. Kreis Rummelsburg, 7. Kreis Bütow, 8. Kreis Lauenburg.
Herzogtum Schlesien. Die alte Landesverfassung mit ihren Fürsten-
tagen hatte Friedrich der Grofse beseitigt. Unter seiner Oberhoheit als Herzog
von Schlesien liefs er die fünf mittelbaren Fürstentümer (Breslau, Öls, Troppau-
Jägerndorf und Sagan, Münsterberg) bestehen und fügte zwei neue (Carolath und
Trachenberg) noch hinzu. Von den sechs freien Standesherrschaften verblieben
daher noch vier (Wartenberg, Militsch, Plefs und Beuthen). — ' Das ganze Land
wurde in zwei Kriegs- und Domänenkammerbezirke eingeteilt: zu Breslau mit
40 Kreisen und Grofsglogau mit 26 Kreisen.
A. Bezi rk Breslau, und zwar in Niederschlesien drei unmittel-
bare Fürstentümer: 1. Fürstentum Breslau (mit vier Kreisen: Breslau, Neu-
markt, Kanth, Namslau), 2. Fürstentum Brieg (mit sechs Kreisen : Brieg, Ohlau,
Strehlen, Nimptsch, Kreuzburg, Pitschcn), 3. Fürstentum Schweidnitz (mit fünf
Kreisen: Schweidnitz, Striegau, Bolkcnhain, Landshut, Reichenbach). — Drei
mittelbare Fürstentümer: l. Fürstentum Neifse unter dem Bischof von
Breslau (mit zwei Kreisen: Neifse und Grottkau), 2. Fürstentum Öls, stand
vorher noch unter den Nachfolgern des Prinzen Sylvius Nimrod, Herzogs zu
Wirtemberg , die es unter sich teilten und teilweise wieder vereinigten. Der
letzte weibliche Spröfsling des Hauses hatte sich 1768 an den Prinzen Friedrich
von Braunschweig-Wolfenbüttel vermählt. Das Fürstentum bestand aus vier
Kreisen: Öls, Bernstadt, Trebnitz und Konstadt; 3. Fürstentum Münsterberg,
seit 1653 unter den Grafen von Auersberg (mit zwei Kreisen : Münsterberg
und Frankenstein). — Zwei freie St a n des herrsc haften: 1. Standesherr-
schaft Wartenberg unter dem Herzog von Kurland mit der Standesherrschaft
Goschütz (seit 1741) den Kreis Wartenberg umfassend. — In Oberschlesien
l>efitanden zwei unmittelbare Fürstentümer: 1. Fürstentum Oppeln (mit
zwölf Kreisen : Oppeln, Rosenberg, Lublinitz, Grofsstrehlitz, Tost, Gleiwitz und
Slawentitz, Kosel, Ober- oder Kleinglogau, Neustadt und Zülz, Falkenberg;
2. Fürstentum Ratibor (ein Kreis). — Zwei mittelbare Fürstentümer, die
nach dem Friedensschlufs nur teilweise in preufsischen Besitz kamen, soweit
sie links der Oppa gelegen waren, nämlich: 1. Fürstentum Troppau (die Stadt
dieses Namens war österreichisch geblieben), seit 1614 unter Karl von Liechten-
stein und seinen Nachkommen ; ebenso 2. Fürstentum Jägerndorf, von 1523
bis 1621 unter Hohenzollern, seit 1622 unter den Liechtenstein. Beide Fürsten-
tümer mit dem Distrikt Katseher (westlich von Ratibor) machten einen Kreis
mit der Kreisstadt Leobschütz aus. — Zwei freie Standesherrschaften:
1. Standesherrschaft Plefs war im Besitz des Hauses Promnitz, in welchem
Siegmund Seyfried 1652 vom Kaiser zum Reichsgrafen erhoben worden war.
Mit Loslau und Oderberg machte sie den Kreis Plefs aus; 2. Standesherrschaft
Beuthen im Besitz der Freiherren Henckel von Donnersmarek, die 1651 in den
Reichsgrafenstand erhoben wurden. Sie bildete den Kreis Beuthen. — Zwei
freie Min der herrsc haften (stafus minores, welche auf den ehemaligen
Fürstentagen kein 'Virilstimme hatten): 1. Minderherrschaft Loslau, 2. Minder-
herrschaft Oderberg; beide gehörten zum Kreise Tiefs.
B. Bezirk Grofsglogau, einen Teil von Niederschlesien ausmachend.
Vier unmittelbare Fürstentümer: 1. Fürstentum Jauer (mit vier Kreisen:
Jauer, Hirschberg, Löwenberg, Blindau), 2. Fürstentum Liegnitz war mit dem
nachfolgenden Wohlau vereinigt gewesen in der Hand Georg Rudolfs. Da
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
dieser 1G53 ohne Söhne starb, fiel sein Land wieder an die ßrieger Linie,
an Johann Christian (f 11)311), zurück. Dessen drei Sühne teilen das Ganze.
Georg III. (Brieg), Ludwig IV. (Liegnitz) und Christian (Wohlau mit dem
Weichbilde Ohlau). Da die beiden ersten 1663/64 ohne Nachkommen starben,
vereinigte Christian das väterliche Erbe. Dieser starb 1672; auch sein viel-
versprechender, noch jugendlicher Sohn Georg Wilhelm, als Letzter des alten
Piastenstammes, folgte ihm 1675 ins Grab. Der Kaiser zog nunmehr die Fürsten-
tümer als offene Lehen ein trotz der berechtigten Ansprüche des Grofsen Kur-
fürsten (s. oben). Das Fürstentum Liegnitz zerfiel in sechs Kreise: Liegnitz,
Goldberg, Hainau, Lüben, Parchwitz, Mertschütz, 3. Fürstentum Wohlau (mit
fünf Kreisen: Wohlau, Winzig, Herrnstadt, Steinau und Räuden), 4. Fürsten-
tum Glogau (mit fünf Kreisen: Grofsglogau, Guhrau, Freistadt, Grünberg,
Sprottau und Seh wiebus). — Drei mit telba re Fürst entümer: 1. Fürstentum
Sagan, im Besitz der Fürsten von Lobkowitz (mit drei Kreisen : Sagan, Priebus,
Naumburg am Bober); 2. Fürstentum Traehenberg, im Besitz der Grafen von
Hatzfeld, die 1741 in den preufsisehen Fürstenstand erhoben worden waren
3. Fürstentum Carolath, ebenfalls 1741 zum Fürstentum erhoben (gehörte zum
Kreis Freistadt). — Die freie Standesherrschaft Militsch, seit 1590 im Besitz
der Freiherren von Malzan. — Drei freie Minderherrschaften: 1. Minder-
herrsehaft Neuschlofs. 2. Minderherrschaft Freyhan. 3. Minderherrschaft Sulau.
Diese drei Herrschaften zusammen mit der Standesherrschaft Militsch und dem
Fürstentum Traehenberg bildeten den Kreis Militsch.
Die Grafschaft Glatz war früher in verschiedenen Händen als Lehen,
Pfand o. dgl. gewesen. Seit 1561 war sie ständig bei Böhmen gewesen, bis
sie Friedrich der Grofse 1742 eroberte. Sie bildete nur einen landrätlichen
Kreis, der in sechs Distrikte geteilt wurde: den Glatzer, Landecker, Habel
schwerdter, Hummelschen, Wünsehelburgischen und Neuroder Distrikt.
Herzogtum Magdeburg bestand aus vier Kreisen, von denen der Holz-
kreis und Jerichowsche Kreis den zusammenhängenden Hauptbestand, der Saal-
kreis und Luckenwaldische Kreis gesonderte Bezirke bildeten. 1. Der Holzkreis
lag links der Elbe mit Magdeburg und Kalbe, der Residenz der Erzbischöfe.
Es gehörten hierzu die Amter der Möllenvogtei mit der Neustadt Magdeburg,
Sudenburg, einem Teil des Neumarkts in der Altstadt Magdeburg und mehn*ren
Dörfern, ferner die Ämter Kalbe, Brumby, Egeln, Athensleben, AltSafsfurt,
Wansleben, Dreileben, Wolmirstädt, Sommerschenburg, Alvensleben, Unnnen-
dorf, Ampfurt-Schernike, Schönebeck, Aken, Rosenburg und die Klosterämter
Gottes Gnade bei Kalbe und Hillersleben. 2. Der Jerichowsche Kreis rechts
der Elbe bis zur Havel mit den Ämtern Jericho w, Sandau, Alten-Plathow,
Loburg, Derben-Ferchland und Nigrip. 3. Der Saalkreis mit der Stadt Halle
und den Ämtern Giebichenstcin, Rothenburg, Wettin, Brach witz, Beesen und
Petersberg. 4. Luckenwaldiseher Kreis mit dem Klosteramte Zinna.
Fürstentum Halberstadt. Das Stiftsgebiet war 1648 säkularisiert und
dem Grofsen Kurfürsten zugesprochen worden. Es zerfiel in fünf Teile: 1. der
Halberstädtische Kreis mit der gleichnamigen Stadt, den vier Ämtern: Ann
der Majorei in der Stadt, Amt Groningen, Kloster Groningen, Schianstedt nebst
der Grafschaft Regenstein, ferner dem dompropsteilichen Amt Harslebcn sowie
den Gerichten Aderstedt, Beckendorf, Einersieben, Gunsleben, Langenstein
Neindorf, Nienburg und Nienhagen. Wegen Regenstein war Streit mit Braun
schweig. Es gehörten zu dieser Grafschaft damals die Ämter Westerhausen,
Stecklenberg und Westerburg; 2. der Ascherslebensche oder Ermslebensehe
Kreis mit der Stadt Aschersleben, den Ämtern Gatersleben, Haus Neindorf.
Ermsleben und Conradsburg, dem Domkapitelsamt Schneidlingen, dem Amt
Wieningen (im Besitz von Hessen • Honiburg), dem Vorwerk Victorseck im
Besitz von Änhalt- Bernburg), dem Gerieht Westorf und dem asseburgischen
Amt Falkenstein ; 3. der Üseherslebensehe Kreis mit den Ämtern Oscher»
466. Königreich Preufsen.
605
leben, Krottorf, Emmeringen und Weferlingen ; 4. der Osterwieck-Hornbiirgische
Kreta mit der Stadt Osterwieck, den Ämtern Hornburg, Wülperode und Stötter-
lingen, dem Domkapitelsamt Zilly, dem dompropsteilichen Amt Dardessen und
den adeligen Gerichten Börsel und Deersheim; 5. die Herrschaft Derenburg
mit dem Städtchen, einem Dorf Danstedt und zwei Vorwerken.
Herrschaften Lohra und Klettenberg waren nach einem langen Erb-
schaftsstreit im Westfälischen Frieden für Halberstädter Stiftslehen erklärt
worden und somit dem Kurfürsten zugefallen. Die Herrschaft Lohra bestand
aus der Stadt Bleicherode, den Ämtern Lohra, Mönchenlohra, Kleinbodungen.
Nora und Dieteborn und zehn Dörfern. Die Herrschaft Klettenberg umfafste
die Städte Elrich und Sachsa, die Ämter Klettenberg, Frohnderode, Mauderode,
Woffleben und Benneckenstein mit dem gleichnamigen Städtchen und zwölf
Dörfern.
Fürstentum Minden. Das Bistum war ebenfalls im Westfälischen Frieden
jwufsisch geworden unter dem Titel eines Fürstentums. Es umschlofs die zwei
unmittelbaren Städte Minden und Lübbecke und fünf Ämter: Hausberge mit
den Vogteien zwischen Berg und Bruch, Gohfeld, übernstieg und Landwehre;
Detershagen mit der Stadt und den Vogteien Windheim, auf der Börde und
Hofmeister; Reineberg mit den Vogteien Quernheim, Gohlenbeck, Levern, Als-
wede, Schnathorst und Blasheim ; Rahden mit zwei Vogteien : Rahden und
Stemmwederbelg, und Schlüsselburg mit dem Flecken, den Kirchspielen
Heimsen und Buchholz sowie einigen Dörfern.
Herzogtum Cleve, Grafschaften Mark und Ravensberg. Nach anfangs
gemeinschaftlichem Besitz von Pfalz-Neuburg besafs der Kurfürst von Branden-
burg die Grafschaften Cleve und Mark seit 1624 für sich allein, seit 1666 auch
Ravensberg.
Das Herzogtum Cleve umfafste drei Städtekreise zu beiden Seiten
des Rheins mit 29 Städten (unter anderen Cleve, Emmerich, Zevenaar, Huissen,
Büderich, Goch, Kalkar, Orsoy, Xanten, Duisburg, Dinslaken, Rees, Ruhrort,
Schermbeck, Wesel) , ferner a) den Clcveschen Kreis mit den wintern Cleve,
Cleverhamm, Kalkar, Düffel. Kranenburg, Grieth, Gennep - Oeffeld, Gennep-
Ottersum, Asperden, Goch, Uedem. Herrschaft Hamb, Amt Winnekendonk.
Sonsbeck sowie 15 Unterherrschaften ; — b) den Emmerichschen Kreis mit
den Ämtern Huissen und Malbourgen, Lymers, Lobith, Emmerich, Hettcr,
Rees und Kgl. Kirchspiel Grietherbusch, sowie i) Unterherrschaften;
c) den Weselschen Kreis mit den Ämtern Xanten, Winnental, Büderich
Wallach, Bislich, Wesel, Holten, Schermbeck. Götterswickerhamm, Spellen,
Dinslaken. Beeck, Orsoy und 12 Unterherrschaften. Vgl. Fabricius, S. 231 ff.
Die Grafschaft Mark zerfiel in vier land rätliche Kreise und diese in
sechs Landgerichtsbezirke: 1. Landgericht Hamm mit gleichnamigem Amt,
2. Unna mit den Ämtern Unna, Camen, Schwerte, Lünen, Hörde, 3. Hagen
mit Amt Wetter und Städtchen Herdicke, 4. Altena mit Stadt und Amt,
ferner Amt Nienrade, Iserlohn, 5. Lüdenscheid mit sieben Gerichten. 6. Bochum
mit den Ämtern Bochum und Blankenstein, 7. das Gogericht Schwelm, 8. Amt
Plettenberg, 9. verschiedene Patrimonialgerichtsbezirke am Hellwege, 10. im
Sauerlande : Bruch und Hemern, 11. die Soestische Börde mit zehn Kirchspielen,
12. die Grafschaft Limburg (im Besitz des gräflichen Hauses Tecklcnburg-Bent-
heim-Stcinfurt), 13. Stadt Lippstadt.
Die Grafschaft Ravensberg umfafste die unmittelbaren Städte Biele-
feld und Herford, die vier hinter Sparenberg mit fünf Distrikten, Ravensberg
mit drei Vogteien, Limberg mit zwei Vogteien und Vlotho mit zwei Vogteien.
Fürstentum Mörs war als Grafschaft schon 1267 ein clevesches Lehen.
Nach dem Aussterben der Grafen von Mörs war sie lange im Besitz der
Nassauer (Ottonischen Linie) und kam dann (1702> an Brandenburg. 1707 wurde
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XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770.
sie zum Fürstentum erhoben. Es gehörten zu ihr die Stadt und Hundertschaft
Mörs, sechs Kirchspiele, die Herrlichkeit Friemersheim mit drei Kirchspielen,
Herrlichkeiten Crcfeld, Krakau, Budberg und Ossenberg.
Grafschaft Tecklenburg. Unter Hans Adolf (seit 1674) ging die Graf
schuft ihrem Zerfall entgegen; Graf Konrad von Solms-Braunfels, Sohn einer
Tochter des Tecklenburger Grafen Otto VH. (f 1534), machte 1576 Ansprüche
auf einen Teil der seiner Mutter nicht zugestandenen Erbschaft. Nach einem
Jahrhundert nahmen die Nachkommen jenes Konrad den Prozefs 1686 und
1696 wieder auf und gewannen ihn auch. 1698 verglichen sich die Grafen
von Solms mit Hans Adolf dahin, dafs Schlots Tecklenburg und drei Viertel
der Grafschaft sowie ein Viertel von Schlofs und Herrschaft Rheda an die
Sohns fallen sollten. Indessen, Friedrich Moritz, der Bruder und Nachfolger
Hans Adolfs, focht den abgeschlossenen Vertrag abermals an, und die Solmser
Grafen hielten es für angezeigt, ihren Anteil an König Friedrich I. von Preufsen
für 300000 Taler zu verkaufen. Dieser liefs 1707 die Grafschaft und Rheda
besetzen und verglich sich mit Friedrich Moritz wegen dessen Viertelanteils
an der Grafschaft. Doch gab König Friedrich Wilhelm I. von Preufsen 172H
die Herrschaft Rheda wieder heraus und erhielt dafür die ganze Grafschaft
Tecklenburg, während die Tecklenburger Grafen sich mit Rheda und Limburg
begnügten. Essellen, Gesch. d. Gr. Teckl., S. 160, 198 f., 200.
Die Grafschaft umfafste die Städtchen Tecklenburg, Lengerich oder
Margareten-Lengerke und Wester-Cappeln mit sieben Kirchspielen.
Grafschaft Lingen war seit Wilhelm 1. (1578) in der Hand der Oranier
gewesen und kam nach dem Tode des letzten Oraniers Wilhelm III. an da*
Königreich Preufsen. Wilhelm III. war mit der Tochter Jakobs II. von Eng
land vermählt, seit 1688 Königs von Grofsbritannien. Nach seinem Tode 1702
beanspruchte die Grafschaft gegenüber dem Prinzen Johann Wilhelm Frieso von
Nassau-Diez der König von Preufsen Friedrich I. ; letzterer gestützt auf das
Testament seines mütterlichen Grofsvaters, des Prinzen Friedrich Heinrich von
Oranien, der seine Tochter Luise (Gemahlin des Grofsen Kurfürsten) und ihre
Erben seinem eigenen Sohne Wilhelm substituiert. Daher ergriff der König
am 25. März 1702 sofort von Lingen Besitz.
Cf . E s s e 1 e n , Gschft. Tecklenburg, S. 200 f. Möller, Gesch. v. Lingen.
S. 195. — Die Grafschaft war eingeteilt in die niedere Grafschaft mit den
Städten Lingen und Freren und acht Kirchspielen und die obere Grafschaft
mit Stadt und Land Ibbenbühren, Brochterbeck, Recke und Mettingen.
Fürstentum Ostfriesland. Graf Enno Ludwig war 1654 zum Reichs
fürsten ernannt worden. — In den Streit zwischen der Fürstin Christine
Charlotte, welche 1665—1690 die vormundschaftliche Regierung für ihren noch
unmündigen Sohn Christian Eberhard führte, mit den Ständen des Landes
hatte sich der Grofse Kurfürst, für die letzteren Partei ergreifend, eingemischt
(1672). Für seine Bestrebungen, soweit sie Seehandel, Kolonien und Kriegs
Hotten betrafen, schien ihm Ostfriesland ein geeigneter Stützpunkt zu sein; er
suchte sich daher zunächst eine Anwartschaft zu sichern. 1682 nahm er die
Festung G retsiel an der Emsmündung mit Gewalt und stand so mit einem
Fufs schon im Lande; bald folgte Emden, wo mit den Ständen ein Pakt zum
Schutze des Landes geschlossen wurde. — Durch Abtretung des Kreises Schwiebus
erreichte es Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, dafs ihm 1694 vom
Kaiser die Anwartschaft auf Ostfriesland zuerkannt wurde. Cf. K 1 o p p , Ostfr. IL
384, 404, 450, 463. Perizonius, Gesch. Ostfr. III, 227, 356. — Als mit
Karl Edzard 1744 der letzte Cirksena ins Grab gesunken war, liefs Friedrich
der Grofse, der in Erwartung des alsbald eintretenden Falles kurz vorher mit öVr
Stadt Emden einen Vertrag geschlossen hatte, am 26. Mai vom Lande sofort
Besitz ergreifen. Klopp, Gesch. Ostfr. II, 579 ff. Perizonius, IV, lff
Einteilung und Umfang des Fürstentums waren folgende: 1. Stadt und
Amt Aurich mit sechs Vogteien ; 2. Stadt und Amt Norden mit zwei Vogteien
Dioi
467. Polnische Gebiete.
607
«ler Insel Juist und den Teel-Landen; 3. Stadt und Amt Emden mit sechs
Vogteien; 4. Amt Berum mit vier Vogteien und den Inseln Norderney und
Raitrum; 5. Amt Gretsiel mit zwei Vogteien und Borkum; 6. Amt Pewsum
mit vier Kirchspielen; 7. Amt Leer mit fünf Vogteien; 8. Amt Stickhausen
mit zwei Vogteien ; 9. Amt Friedeburg mit zwei Vogteien. Aufserdem gehörten
zum Fürstentum sieben adlige Herrschaften : Dornum, Lütetsburg, Jennelt,
Risum, Petkum, Loge und Goedens. — Das Harlinger-Land war Lehen
des Herzogtums Geldern; es umfafste Stadt und Amt Esens und Amt Witt-
mund sowie die Inseln Langeoog und Spiekeroog.
Obergel (lern war nach dem Utrechter Frieden 1713 dem preufsischen
Könige als Entschädigung zugesprochen worden. Wahrend ein Teil von
< leidem österreichisch (s. S. 565) war, wurde der andere preufsisch. Es gehörten
hiereu die Städte und Ämter Geldern . Stralen , Wachteudonk , Middelaar,
Kriekenbeek, das Land Kessel, die Herrschaften Walbeek, Twistede, Well,
Aarssen, Aafferden und das (unter Oberhoheit der Generalstaaten stehende) Drost-
amt Montfoord.
Preufsen. Um das Jahr 1770, also vor der ersten Teilung Polens war
'ler Besitz des preufsischen Königs noch immer nur auf jene Stücke Ostpreufsens
iwschränkt, wie sie s. Z. Kurfürst Johann Sigismund erworben und ererbt
hatte (also mit Ausschlufs von Pomesanien und Ermland). Der königlich
preufsische Anteil war von Friedrich dem Grofsen 1752 in zehn Kreise geteilt
worden, doch bestand die ältere Einteilung in Distrikte und Ämter nebenher.
1. Särländischer Distrikt (Samland und Teile von Nadrauen und Barten) mit
Her Hauptstadt Königsberg und den Hauptämtern Fischhausen, Schaaken,
I^abiau und Tapiau. 2. Natangischer Distrikt (Natangen, Teile von Barten und
Galindien) mit acht Ämtern : Brandenburg, Balga, Bartenstein, Gerdauen, Barben,
Rastenburg, Angerburg und Sehesten. 3. Oberländischer Distrikt (Teile von
Pogesanien, auch Pomesanien und Galindien) mit zehn Ämtern : Gilgenburg,
Orteisburg mit Wittenberg, Neidenburg, Osterode mit Hohenstein, Deutseh-
Evlau, Marienwerder mit Kiesenburg, Schönberg, Mohrungen. Preulsisrh Mark
und Prcufsiseh-Holland. 4. Litauischer Distrikt (Klein-Litauen) mit den Ämtern:
Memel, Tilsit, Iiagnit und Insterburg. 5. Polnischer Distrikt mit fünf Ämtern:
Oletzko, Lick, Johannesburg, Lotzen und Rhein.
Wegen Grafschaft Mansfeld s.S. 600; wegen Grafschaft Werni-
gerode S. 590 und Neuehätel in der Schweiz S. 589.
407. Polnische Gehlete. Vor der ersten Teilung Polens gehörte
Westpreulsen noch zu diesem. Erst das Jahr 1772 brachte jenes Land
(jedoch ohne Danzig und Thorn) mit dem sog. Netzedistrikt in preufsischen
Besitz. Dieses ganze Gebiet war aber unter polnischer Herrschaft nicht
ein eigentlicher Bestandteil des Königreichs Polen gewesen, vielmehr
hätte Westpreulsen sich seit der Unterordnung unter den polnischen
König als frei und selbständig gefühlt und eigene Landtage abgehalten.
Polnisch -Preufsen umfafste: 1. das Kulmerland mit 13 Städten,
dem Kulmschen Kreis mit 10 Ämtern und dem Michelauschen Kreis mit
fl Ämtern; — 2. die Provinz Marienburg mit 6 Städten und den Kreisen
Marienburg, Christburg und Elbing; — 3. Pomcrellen oder Kleinpommern
mit 16 Städten und dem Dirschauschen und Stargardschen Kreis, jener mit
II, dieser mit 17 Ämtern; — 4. Ermland mit 12 Städten und dem Brauns-
bergischen (5 Ämter) und Heilsbergischen Kreis (5 Ämter) — Der Netze-
di.strikt ist seinen Grenzen nach erst 1770 festgestellt worden. Er zählte
nicht weniger als 47 Städte und 4 Kreise: Bromberg, Kamin, Deutsch-Krone
und Inowrazlaw.
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608 XIII. Politische Geographie um das Jahr 1770
Das eigentliche Königreich Polen bestand damals aus drei Haupt-
teilen: Grofs-Polen, Klein-Polen und Litauen. Zu Polen und Litauen
gemeinsam gehörten die Herzogtümer Kurland und Semgallen an der Düna
1. Grofs-Polen, auch Nieder- Polen genannt, bestand aus den Woiwod
Schäften Posen, Kaiisch und Gnesen. Doch wurden im weiteren Sinne noch
hinzugerechnet die Woiwodschaften Sieradz, Wielun, Rawa, Lenczytz, Brse<7.
Inowraclaw (an Prcufsen abgetreten), Dobrzyn, Plock, Masurcn. — Von d>r
Woiwodschaft Posen war 1772 der genannte Netzedistrikt abgetrennt worden.
— Überdies gehörten zu Grofs-Polen die Städte Danzig und Thorn. — IL Klein-
Polen oder Ober- Polen umfafste die drei Woiwodschaften Krakau, 8an-
domir und Labiin; im weiteren Sinne wurden aber auch die russischen Land-
schaften Wolhynien, Podolien, Kyowien (Kiew) und Podlachien dazu gerechnet,
über die weitere Einteilung des polnischen Reiches in Distrikte etc. sowie
über die in Rufsland liegenden damals polnischen Gebietsteile vgl. Büsching*
Erdbeschreibung II, 1G2— 352 (1788).
468. Schwedisch -Vorpommern. Der Westfälische Frieden hatte
ganz Vorpommern sowie den westlichsten Teil von Hinterpommern der
schwedischen Krone zugesprochen. Nach dem Nordischen Kriege trat
Schweden 1720 Vorpommern südlich der Peene an Brandenburg ab
und blieb seitdem auf den Rest beschränkt.
Eis gehörten hierzu: 1. das Fürstentum Rügen, bestehend aus der Insel;
2. das Land zu Stralsund; 3. das Fürstentum Barth nüt den Städten Barth.
Damgard, Tribsees, Grimm, Franzburg und Richtenberg, ferner Dars und Zingst.
4. die Grafschaft Gutzkow mit Gutzkow, Loitz, Lassan, Greifswald u. a.,
5. Land Wolgast.
Von Mecklenburg gehörten den Schweden noch die Stadt Wismar uwl
die Ämter Poel und Neukloster.
469. Herzogtümer Mecklenburg - Schwerin und Mecklenburg-
Strelitz. Unter den Nachkommen Adolf Friedrichs I. von Mecklenburg
Schwerin war wegen der Erbfolge Streit entstanden. Sein Enkel Friedrieb
Wilhelm und sein jüngerer Sohn Adolf Friedrich II. erhoben Anspruch
(s. Tabelle S. 534 f.). Überdies starb die Güstrowsche Linie mit Gustav
Adolf 1695 aus. Der Kaiser hatte Friedrich Wilhelm als Herzog belehnt,
doch erhob das niedersächsische Kreisdirektorium hiergegen Einspruch
Der sog. Hamburger Vergleich (8. März 1701) führte zu einer ein!
gültigen Teilung des Landes. Herzog Friedrich Wilhelm erhielt Schweriii
und Güstrow, aufser der Herrschaft Stargard, mit allem, was seit der
Teilung von 1621 die beiden Häuser gemeinschaftlich hatten, also auch
die Stadt Rostock mit Universität etc. Adolf Friedrich II. erhielt das
Fürstentum Ratzeburg mit völliger Landeshoheit und die Herrschaft Star
gard mit den Komtureien Mirow und Nemerow. So waren zwei neue
Staaten entstanden: Mecklenburg- Schwerin und Mecklenburg- Strebt/
Mecklenburg • Schwerin zerfiel in zwei Kreise: 1. Mecklenbur
gischer Kreis mit 23 Ämtern : Schwerin, Walsmühlcn , Hagenow, Toddlt:
Redentin. Dcmpzin, Gadebusch, Zarrentin, Wittenburg, Bakendorf oder Garn
melin. Boitzenburg, Rhena, Grevesmühlen, Mecklenburg, Buckow, Doberan
Sternberg, Kriewitz, Dömitz, Eldena, Grabow, Neustadt, Lübz. Hierzu gehörten
ferner 18 Landstädte. — 2. Wendischer Kreis mit 19 Landstädten und 11 Äinten1
Güstrow, Goldberg, Marnitz, Plan. Wredenhagen, Stavenhagen, Neukuhla
Gnoien. Ribnitz, Schwan, Dargun. — Die Stadt Rostock mit ihrem Distrik:
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470. Herzogtum Schleswig-HolBtein. 609
— 3. Das ehemalige Stiftsgebiet des Bistums Schwerin war 1648 in
ein weltliches Fürstentum umgewandelt und an Mecklenburg - Schwerin
verliehen worden. Es umfafste die drei Städte Bützow, Warin und die
Schelffe oder Neustadt bei Schwerin, ferner die Ämter Bützow, Rhün und
Warin.
Mccklenburg-Strelitz umfafste den Stargardschen Kreis mit elf
Ämtern: Wanzka, Broda, Stargard, Feldberg, Strelitz, Fürsten berg, Wesenberg,
ßergfeld, das Heideamt, Mirow und Nemerow,
ferner das Fürstentum Ratzeburg mit drei Ämtern: Amt Ratze-
burg (mit dem Domhof der sonst zu Lauenburg gehörigen Stadt und dein
Palmberg sowie den Vogteien Schlagsdorf und Rupensdorf), Amt Schönberg
und Amt Stove.
470. Herzogtum Schleswig -Holstein war um 1770 ganz in den
Besitz des dänischen Königs gekommen, ohne dafs es deshalb einen
Teil des Königreichs Dänemark ausgemacht hätte. Die eigentliche
Lehenshoheit über Schleswig, insonderheit den herzoglichen Anteil, war
bereits 1658 aufgehoben worden, so dafs Schloswig nunmehr ein sou-
veränes Herzogtum bildete. Auch der Friede von Traventhal (1700)
bestätigte dies von neuem. Die Versuche der dänischen Krone, sich
ganz Schleswigs und auch Holsteins zu bemächtigen, wurden bald darauf
wiederholt, als der minderjährige Karl Friedrich 1702 als Herzog folgte.
Späterhin wurde dieser durch den König ganz aus seinem Lande
verdrängt, doch erhielt er im Frieden von Friedrichsburg 1720 seine
holsteinschen Besitzungen wieder zurück. Dagegen wurde der herzogliche
Anteil an Schleswig durch ein Patent vom 22. August 1721 mit dem
königlichen Anteil vereinigt und Schleswig vom König Friedrich IV.
als »souveränes« Herzogtum bezeichnet, jedoch nicht, wie man dänischer-
seits später glauben machen wollte, dem eigentlichen Dänemark inkor-
poriert. Auch der Name Schleswig- Holstein wurde beibehalten.
König Friedrich IV. hatte um dieselbe Zeit seinen Besitz durch
Neuerwerbungen vergröfsert; so war es ihm gelungen, auf verschlagene
Art in den Besitz der Grafschaft Rantzau (S. 537) zu kommen, die
im Falle des Aussterbens der Grafenlinie laut eines Vertrages von 1669
an den dänischen König fallen sollte. Den letzten Grafen wufste er
unter nicht erwiesenen Beschuldigungen zu internieren und von seiner
Gemahlin zu isolieren, um das Erlöschen der Linie sicherzustellen. Im
Jahre 1726 eignete er sich die Grafschaft bereits an und liefs sie durch
einen Administrator verwalten. Ferner erwarb er die Herrschaft Nür-
burg und einen Teil der Insel Arröe von Friedrich Karl, dem Letzten
der Plönschen Linie, der unter seiner Befürwortung als ebenbürtig
anerkannt worden war. Von dem nur als Apanage geltenden Anteil
jenes Johann des Jüngeren (s. S. 536) waren somit nur noch zwei Herr-
schaften übrig, in Holstein das plönsehe Gebiet und in Schleswig das
glücksburgische, welches das Amt Glücksburg, die Nübelharde in
Sundewitt und einen Teil der Insel Arröe mit der Stadt Arröeskiöbing
umfafste. Im Jahre 1749 gelang es dem König Friedrich V., auch diesen
Teil der Insel Arröe zu erwerben, so dafs nun die ganze Insel königlich
39
610
XIII Politische Geographie um das Jahr 1770.
war. Auch das Besitztum der Plönschen Linie fiel dem Könige 1701 zu,
als dort jener oben genannte Friedrich Karl kinderlos starb; es uinfafste
Stadt und Schlofs Plön, Ämter Plön, Ahrensbök, Traventhal, Reinfeld
und Rethwisch.
Einen Wendepunkt der territorialen Entwicklung Holsteins bildete die
Erhebung zweier Angehöriger des herzoglichen Gottorpschen Hauses, des Karl
Peter Ulrich zum russischen Kaiser (Peter HI.) und des Bischofs Adolf Friedrich
zum König von Schweden. Peter hatte den gottorpschen oder, wie er fortan
genannt wurde, grofsfürstlichen Anteil von Holstein auch weiterhin in Besitz;
er forderte auch vom dänischen König die Herausgabe des herzoglichen Teiles
von Schleswig, als er 1762 ermordet wurde. Die Kaiserin Katharina, welche
die Vormundschaft über ihren Sohn Paul führte, verzichtete im Vertrag zu
Kopenhagen 1767 auf den herzoglichen Anteil von Schleswig und willigte in
den Austausch des grofsfürstlichen Anteils von Holstein gegen die Grafschaften
Oldenburg und Delmenhorst, Im Jahre 1773 wurde die Abtretung des grofe
fürstlichen Anteils vom Zaren Paul nochmals bestätigt.
Somit war Schleswig-Holstein ungeteilt im Besitz Christians VH. von
Dänemark. Nur noch das kleine Gebiet des Herzogs von Glücksburg war vom
übrigen Lande gesondert.
über die Einzelheiten vgl. Bremer, Gesch. Schleswig-Holsteins, S. 268,
309, 321 ; die Verteilung der einzelnen Ämter, Städte, Inseln nach dem künig
liehen und gottorpschen Anteil ibid. S, 324, ferner S. 326, 330, 340, 346.
Das Herzogtum Schleswig umfafste im Jahre 1770 die Ämter:
Hadersleben, Apenrade, Lügumkloster, Tondern, Bredstedt, Husum mit der
Landschaft Pelworm, Insel und Landschaft Nordstrand, Landschaft Eidelstedt,
Amt Hütten mit Landschaft Stapelholm, die Ämter, Gottorp, Flensburg, Sonder-
burg, Nürburg, die Inseln Alsen, Arröe und Femahrn.
Das Herzogtum Holstein umfafste die Ämter Rendsburg, Kiel.
Bordeshohn, Cronshagen. Neumünster, Plön, Ahrensbök, Cismar, Segeberg.
Traventhal, Reinfeld, Rethwisch, Reinbek, Tremsbüttel, Trittau, Steinburg, die
Landschaften Norder- und Süder-Dithmarschen, die Grafschaft Ranzau, die
Herrschaften Herzhorn und Pinneberg. — Die Herrschaft Pinneberg begriff die
gleichnamige Landdrostei mit vier Vogteien sowie der Herrschaft Herzhorn und
der Stadt Altona (seit 1664 mit Stadtrecht begabt).
Das Hochstift Lübeck sei hier mit erwähnt. Seit 1535 war es mit
evangelischen Bischöfen besetzt worden. Im Westfälischen Frieden entging es
der Säkularisation. Residenz war Eutin. Es gehörten hierzu die Ämter
Eutin und Schwartau oder Kaltenhof, aufserdem eine Reihe von Domkapitels
gutem sowie ein Palast und 44 Häuser in Lübeck.
471. Königreich Dänemark. Das eigentliche Dänemark hatte im
Innern keine territorialen Veränderungen erfahren. Die durch die
Insel- und Ilalbinselnatur bedingte Einteilung verhinderte dies. Eine
Machterweiterung konnte auch nur nach N., nach Skandinavien hinüber,
stattfinden oder nach dem Festlande, wo Schleswig und Holstein schon
lange in Beziehungen zu Dänemark gestanden hatten, die Grafschaften
Delmenhorst und Oldenburg wenigstens zeitweise, aber auch die Ostsee-
länder den Druck Dänemarks oftmals fühlen mufsten.
Insel- Dänemark zerfiel in zwei Stifter: 1. Das Stift Seeland mit
A. Insel Seeland. Sie wurde eingeteilt in die Ämter Konenhagen, Roer
kilde, Friderichsborg, Kronborg, Jägerspreis, Soröe, Ringstea, Wordingborg
Tryggevelde, Kallundborg, Draxholm, Sübyegaard, Holbeck, Anderskow. Korsoer
und Hirschholm. Aufserdem gehörten" hierzu vier Grafschaften und fünf
Digitiz
471. Königreich Dänemark.
611
Baronien. B. Insel Möen mit dem Städtchen Stege. C. Insel Bornholm,
welche seit alters zu Dänemark gehörte, 1149 — 1520 im Besitz des Erzstiftes
Lund war, dann an Lübeck (als Pfand) und Schweden (durch Eroberung 1645)
kam, aber seit 1658 wieder dänisch geworden ist. — 2. Das Stift Fünen mit
A. Insel Fünen, eingeteilt in die Ämter Odense, Nyeborg, Rugaard, Hinds-
guvel und Assens, ferner zwei Grafschaften Wedelsborg und Gyldensteen und
fünf Baronien. B. Insel Langeland bildete eine Grafschaft. 3. Insel
Laaland mit den Klosterämtern Halsted, Aalholm und Mariboe sowie den
Grafschaften Christiansäde, Christiansholm und Knutenborg sowie vier Baronien.
D. Insel F alster war lange Zeit (bis 1765) Leibgedinge der dänischen Königin.
Die Halbinsel Jütland wurde damals in Nord- und Südjütland ge-
teilt, von denen letzteres eben Schleswig und Holstein umfafste. Nordjütland
wurde vordem in neun Syssel (Distrikte) geteilt, später aber in vier Stifter:
A. Stift Aal borg mit den Ämtern Aalborghuus, Aastrup, Börglum, Seigels-
trup, Oerum und der Baronie Lindenborg; B. Stift Wiborg mit den Ämtern:
Haids- Amt und Skivehuus- Amt ; C. Stift Aarhuus nüt den Ämtern Mariager,
Silkeborg, Dronningborg, Aakiär, Skanderborg, Hauerballegaard, Stiernholm,
Kallöe, den Grafschaften Friisenborg, Löwenholm und Scheel sowie drei Baronien
und dem Edelhof Rosenholm; D. Stift Ripen mit den Ämtern Riberhuus,
Böfling, Lundcnäs, Koldinghuus, der Grafschaft Schackenburg, einer Baronie
Ryssenstecn und einem Gut Troyburg.
39*
XIV. Kulturgeographie um das Jahr 1770.
472. BeviUkerungsverhältnlsse. Wenn nach dem grofsen Kriege
ein entschiedener Rückgang der Bevölkerungsziffer zu konstatieren war,
so stieg sie in der Folgezeit wieder merklich an; doch erst das XVIII. Jh.
läfst einen schnelleren Aufstieg erkennen, durch weichen in den ein-
zelnen Landschaften nicht blofs der ehemalige Bevölkerungsstand erreicht,
sondern verdoppelt und verdreifacht worden ist. Die Feststellung dieser
Tatsachen begegnet freilich bei dem Mangel an zuverlässigen Zählungen
erheblichen Schwierigkeiten, doch steht es mit dem Quellenmaterial
hier ungleich günstiger als für die voraufgehenden Jahrhunderte. Zum
Teil können statistische Zahlen auch für das XVIII. Jh. noch nur mittel-
bar berechnet werden, wobei man die Mortalitätstabellen, Mannschafts-
zählungen, kirchlichen Seelentabellen, Aufnahmen für polizeiliche Zwecke.
Steuertafeln, Protokolle der politischen Landesvisitationen u. dgl. m. zu
Grunde zu legen pflegt. Doch fanden in einigen Ländern, wie z. B. in
Osterreich unter Maria Theresia, auch schon systematische Volkszählungen
statt. So ist es für verschiedene Länder und Provinzen immerhin mög-
lich, die Bewegung der Bevölkerungsmasse in den einzelnen Jahrzehnten
zu verfolgen.
Hinsichtlich der Bevölkerungsdichte scheinen gegen früher keine
erhoblichen Veränderungen eingetreten zu sein, da die mittleren Rhein-
gebiete, dann Altwirtemberg, das preufsische Westfalen und die kur
sächsischen Lande noch immer die am dichtesten bevölkerten Gebiet»'
Deutschlands waren.
Näherrs siehe bei von Inaina -Stern egg, Bevölkerung des Mittel
alters und der neueren Zeit bis Ende des XVIII. Jh. in Europa, in Conrad»
Handwörterb. der Staatswiss. II, 060 ff., mit vielen Zahlentabellen und Literatur
angaben für alle Länder Europas. Ferner Süfsmilch, Göttliche Ordnung.
4. Aufl. 1775. Mein minder, in den Württembg. Jahrbb. 1847. — Fabri
cius, Beiträge zur Statistik des Grofsherzogt. Hessen III. (1864). von Gin-
dely, in Denkschr. d. K. Akademie d. Wiss., phil.-hist. Kl. XVIII. (1869:. Siehe
auch die oben S. 498 angeführte Literatur.
Dafs die Zahlen je naeh der zu (ininde gelegten Berechnungsweise oftmals
von einander abweichen, kann nicht auffallen. Auf Grund der Mortalitäts-
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472. BevölkerungsverhftUnisse.
G13
tabellen ist für Preufsen (exl. Schlesien) für das Jahr 1748 eine Bevölkerung
von 2 313625 Seelen festgestellt worden, für 1778 von 3487216 und für 1790
von 3 910704. Die Kunnark Brandenburg zählte 1617: 329660 Einw., 1688:
399 240, 1740: 475991. 1774: 628343 Einwohner. In den österreichischen
Landen (exkl. der Niederlande, Ungarns, Illyricns etc.) belief sich die Bevöl-
kerung 1754 auf 6134558, 1762 auf 4889516 und 1784 auf 7 937 404 Einw. ;
in der Schweiz 1671 auf 118675 und 1791 auf 176580 Einw. — Was die Stadt-
bevölkerungen anbelangt, so sind diese über che kleinen Verhältnisse weit hinaus-
gewachsen. Wirkliche Grolsstädte mit über 100000 Einw. gab es nur wenige.
Wien hatte 1754: 175 400 Einw. und 1772: 192971; Berlin 1755: 126661 Einw.,
eine Zahl, die nach dem Hubertusburger Frieden bis auf 98000 zurückgegangen
war, dann aber schnell stieg, so dals sie gegen Ende der Regierung Friedrichs
des tirofsen fast 150000 erreichte. — Über den Zuwachs der Bevölkerung durch ,
Einwanderung siehe den folgenden Paragraphen.
Die beifolgende statistische Übersicht der wichtigsten europäischen
Staaten in der zweiten Hälfte des XVIII. Jh. bildet einen Auszug aus einer
zeitgenössischen Tabelle, betitelt: *Acht statistische Tabellen zur bequemen
Übersicht der Gröfse, Bevölkerung, Reichtum und Macht der vornenmsten
europäischen Staaten. Zwote, vermehrte und ganz umgearbeitete Auflage, e
Leipzig, Schönfeldische Buchhandlung, 1783. — Zum Vergleich sind auch einige
nicht zu Mitteleuropa gehörige Staaten mitaufgenommen worden.
Statistische Übersicht der europäischen Staaten.
• 1
Flacheninhalt in
geogr. □ Meilen
Wahr-
Hcheinliche
Volksmenge
Staats-
einkünfte
Kriegs-
staat
fl.
Mann
Preufsische Monarchie
3630
53/4 MW.
32 Hill.
203 000
Nämlich :
Unabhängige Erblande:
2024
3300 000
729j
Westpreufsen mit Bromberg
1367
612000
und Netzedistrikt . . .
6381
Schlesien mit Glatz
640
1 700000
Neufchatel, Vallengin . .
17
40000
Zum Deutschen Reich ge-
hörige Erbstaaten:
1606
2400000
Kurmark Brandenburg . .
510\
728
720000
Neumark Brandenburg . .
218/
256 000
398
417 000
Magdeburg in. Mansfeld, Hai-
berfitadt, Hohnstein, Qued-
165
364 000
Minden und Ravensberg
Lingen und Tecklenburg
671
20/
87
150000
37 000
68
102 000
Cleve und Mörs ....
50i
108 000
Mark
84
160
130 000
261
48 000
-
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614
XIV. Kulturgeographie um das Jubr 1770.
Flächeninhalt in
jfeogr. Q Meilen
Wahr-
scheinliche
Volksmenge
Staats-
einkünfte
fl.
Kriegs
Mann
Kursachsen
Herzogtum Sachsen u. Mark-
grafsehaft Meilsen mit
Thüringen, Vogtland etc.
Oberlausitz
Niederlausitz
Kurbraunschweig
(-Hannover)
Karpfalz - ba irische
. Staaten
Baiern
Oberpfalz
Mindelheim, Wiesensteig
Neuburg und Sulzbach . .
Pfalz am Rhein
Jülich und Berg ....
österreichische
Monarchie
Böhmen
Mähren m. Österr.-Schlesien
Niederösterreich ....
Land unter der Enns . .
I,and ob der Enns (Ober-
österreich mit Innviertel)
Innerösterreich ....
Steiermark
Kärnten
Krain
Osterr.-Friaul
Tricster-Gebiet
Oberösterreich ....
Tirol
Vorarlberg
Vorderösterreich ....
Breisgau
Schwäbisch Österreich . .
Hohenems
Falkenstein
Langenargen, Tetnang . .
Niederlande
Brabant mit Antwerpen und
Mecheln
Flandern
Hennegau .......
730
555
90
85
692
1051
567 1
128
9J
145}
130l
704
347
10 320
909
477
637
407
230
441
191
214
60
9
426
65
54
46
3V.
6
116
115
42
915
491
112
469
Vl4 HilL
1 353 000
284 000
113 000
800 000
8 200 000
1 400000
130 000
400000
270000
19V2 Hill.
2 266 000
1 385 000
2 235 000
1 685 000
550000
1586 000
760 000
290000
400000
115000
21000
686 000
590 000
9 600
287 000
150000
117000
3 700
4000
128 000
1 880 000
560 000
570000
200000
9 1111.
24 000
7 Hill.
10 Hill.
15 000
24 000
100 278 000
Mill.
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472. BevttlkerungsverhaltnisHe.
615
-
Flacheninhalt in
geogr. | | jvieuon
Wahr
seheinliche
Volksmenge
Staats-
einkünfte
fl.
Kriegs
Staat
Mann
Luxemburg
20
158
10
8
94 000
380 000
48 000
280 000
das Mailändische . . .
das Mantuanischc . . .
192
152
40
1 100 000
900 000
200000
2710
3170 000
8<y
oyu ouu
Kroatien
j>anauscne ^uiuuirgrenze .
Galizien und Ladomirien
i .
471
328
1050
178
1300
370 000
2Ü000O
1 250 000
132 000
2 797 000
Helvetlen
956
1850000
- —
Vereinigte Niederlande
625
2 340 000
23 Mill.
36 000
Holland, Westfriesland . .
boeland, Utrecht, Geldern,
Oberyssel, Groningen . .
Friesland, Drenthe, Generali-
tätslande
120
1
380
125
981000
1023 000
336 000
Dänische Staaten
10 382
81/« Hill.
11 Mill.
78 000
Königreich Dünemark . .
809
1 090 000
Herzogtum ocnleswig .
22072
423
l 60V2
440000
300 000
290 000
Königreich Norwegen . .
Herzogtum Holstein, Ran-
zau, rinneberg . . .
7000
i
l <5
730 000
320 000
Island und baröer . . .
2 33b
M) 000
Schweden
12 968
3 Mill.
6 Mill.
46 000
Polen
10 307
9 Mill.
c 3 Mill.
15 900
Rufsland
303 000
24 Mill.
56 Mill.
470 000
Großbritannien u. Irland 6 054
11 Mill
112 Mill.
58 378
tahr/pii::.
(1 1.1 Maien-
»chiffe)
i
1
1
9915
26 Mill.
156 Mill.
224 000
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616
XIV. Kultnrgeographie um das Jahr 1770.
T** 1 Vi n i n ri fl 1 f l n
i ittvlldllllliniw Iii
geogr. Q Meilen
Wahr-
scheinliche
Volksmenge
Staats-
einkünfte
fl.
*
staaT
Mann
Spanien
9 277
11 Mill.
06 Mill.
90 000
2000
2'/2 Mill.
23 Mill.
24 000
Venedig
863
2 736 000
10 Mill.
8000
CDU
6 JLoU uuu
3 Will
ö iUlll.
o UUU
Beide Sizilien ....
1850
6 Mill.
12 Mill.
27 000
Sardinische Staaten . .
1259
3 185 000
11 Mill.
24 000
mit Piemont, Savoyen
Osmanisches Reich . .
11410
12 Mill.
478. Landwirtschaft. Der I )reifsigjährige Krieg hatte gerade der
Landwirtschaft tiefe Wunden geschlagen; die ersten drei Jahrzehnte
nach ihm liefsen die Spuren hiervon noch erkennen. Das abermalige
Aufblühen der Landwirtschaft war aber auch von dem Gedeihen der
anderen Zweige des wirtschaftlichen Lebens abhängig, von Handel, Ver-
kehr und Gewerbe. Sie wirkten gegenseitig aufeinander ein. Die blofse
Fruchtbarkeit des Bodens genügte nicht, wenn nicht auch die Bedürfnisse
seine Kultivierung forderten, und wenn nicht auch eine intelligente,
zielbewufste Leitung den Betrieb förderte. Die deutschen Klein fönten
des XVIII. Jh. haben gerade nach dieser Richtung hin rühmlich mit
gewirkt; in der Förderung dieser Bestrebungen, die zur Nachahmung
reizten, war schliefslich eine Art Wettbewerb eingetreten. Das Bild,
welches uns die einzelnen Territorien bieten, ist demnach ein sehr ver
schiedenartiges; die politische Zugehörigkeit einer Quadratrute Landes
zu diesem oder dem Nachbarstaate konnte von wesentlicher Bedeutung
für seine wirtschaftliche Lage sein. — Von grofsem Einflufs war die
Einwanderung fremdnationaler Elemente, speziell der Hugenotten in den
Jahren 1650, 1680, 1704, 1724 und 1750, die in Holland und Deutschland
fast eine Viertelmillion stark sich niederliefsen. Der Religion sdruck
hatte aber auch in anderen Ländern ähnlich gewirkt wie in Frankreich,
im Jahre 1732 verliefsen 20000 Salzburger das Land und fanden Auf-
nahme in Preufsen.
Das Gedeihen der Landwirtschaft war aber auch von der sozialen
Lage der Bauern abhängig. Die mehr oder weniger starke Belastung
der Bauern oder gar noch die Leibeigenschaft übten jeweilig ihren un
mittelbaren Einflufs auf die Bodenkultur aus. In den Ländern, die unter
geistlicher Herrschaft standen, wie Hildesheim, Münster und Paderborn,
erklärte sich die ungünstige Lage der Ackerwirtschaft zum Teil hieraus,
sie standen in einem merkwürdigen Kontrast zu den benachbarten
preußischen und holländischen Ländern und alljährlich mufsten sich
473. Landwirtschaft.
617
Tausende von westfälischen Bauern auf die Wanderschaft besonders
nach Holland (Hollandgänger) begeben. Ganz anders lagen die Ver-
hältnisse im preußischen Teile Westfalens, in Lingen, Tecklenburg, Lippe
und Bentheim; wo der Boden weniger ergiebig war, hatte man den
Flachsbau eingeführt, und Bielefeld nahm im Anfang des XV1IT. Jh.
schon eine Rangstellung in der Leinenfabrikation ein. Der Flachs ver-
drängte dort schliefslich alle anderen Feldfrüchte. — Hessen hatte wenig
Bergbau und Industrie und war durch den Krieg heftig mitgenommen
worden. Auch trotz der Einwanderung von französischen Emigranten
hatte das Land es nicht zu einer grösseren Bedeutung im landwirtschaft-
lichen Betriebe bringen können. In dem benachbarten, allerdings stark
gebirgigen Nassauer Lande stand stellenweise wenigstens die Wein- und
Obstkultur in Blüte. Eine kräftige Entwickelung liefs sich überhaupt
im ganzen Rheinland erkennen. Neben den ebengenannten beiden
Kulturen blühte am Niederrhein auch der Leinbau (Jülich) und nicht
zum wenigsten der Getreidebau, der noch eine beträchtliche Ausfuhr
nach Holland zuliefs. Das linksseitige Rheingebiet, die Eifel, war natür-
lich wenig ergiebig, mit Ausnahme des Moseltales, dessen Bewohner sich
derselben Begünstigung seitens der Natur erfreuten als jene des Rhein-
tales im engeren Sinne. — Von anderen norddeutschen Ländern hatten
Braunschweig und Hannover nur schwer sich emporringen können; die
Bauern, besonders im Braunsen weigschen, mufsten neben der Landwirt-
schaft noch in der Hausindustrie (Garnspinnerei) eine Nebenbeschäftigung
suchen. Auch in den hannoverschen Landen waren die Bauern gedrückt
und standen zum Teil noch unter Leibeigenschaft. — Weit günstiger
gestalteten sich die Verhältnisse in den Niederlanden, Ostfriesland bis
in die Jütische Halbinsel. Hier kam überall dem freien Bauer der
fruchtbare Marschboden zustatten. Die Fortschritte im Deichbau waren
der Bodennutzung zugute gekommen. Getreide- und Ölsaatbau (Ostfries-
land) warfen einen reichen Ertrag ab, und besonders entwickelte sich
in den Küstengebieten überall die Viehzucht; die Mehrzahl der Grund-
stücke bestand daher in Grünland. — Mecklenburg stand unter dem
Druck der adeligen Gutsherren, die fast den ganzen Boden im Besitz
hatten. Auch hier spielte die Viehzucht, speziell die Pferdezucht, eine
grofse Rolle. Hinterpommern unter brandenburgischer Oberhoheit stand
schon erheblich zurück. Die Mark Brandenburg dagegen war dank der
Rührigkeit ihrer Herrscher wieder emporgekommen, trotzdem der Boden
sonst nicht sehr begünstigt ist. Die Einwanderung von Franzosen,
Salzburgern und Böhmen war gerade hier von segensreichen Folgen für
die Landwirtschaft gewesen. Wie der Grofse Kurfürst und Friedrich
Wilhelm I. schon, so hat besonders Friedrich der Grofse die Koloni-
sation zur Hebung der Bodenkultur befördert. Die Melioration der vielen
Bruchgebiete der Mark war die gröfste Errungenschaft, die aus seinen
Bestrebungen in der Friedenszeit hervorging. — Weitaus am günstigsten
lagen die Verhältnisse in Sachsen. Das Emporblühen des Bergbaues,
der Gewerbe und des Handels hatte eine wohltätige Rückwirkung auf
die Landwirtschaft. Durch die Tuchfabrikation, die niemals ganz dar-
(»18
XIV. Kulturgcographie um daH Jahr 1770.
niederlag, wurde die Schafzucht neu belebt, zumal Wolle besser bezahlt
wurde als andere Landesprodukte. Aber auch die Fruchtpreise waren
dort gestiegen, und Sachsen hatte die Nachwirkungen des Kriege*
schneller als alle anderen Länder überwunden. Thüringen wurde vom
nahen Sachsen noch günstig beeinflufst, wenn es diesem auch nicht
gleichkam. Mit Sachsen stand auch Schlesien in Beziehung. Krapp
und Wolle lieferte es für das Nachbarland, und niederschlesischer Weizen
wurde bis zur Ostsee und über sie hinaus vertrieben.
Auch der Süden Deutschlands hatte sich nach den Drangsalen d€«
Krieges wieder aufgerafft. Dies gilt selbst von der Pfalz am Rhein, die
aufser dem Dreifsigjährigen Kriege noch die französischen Mordbrenner
in den achtziger Jahren des XVII. Jh. im Lande gehabt hatte. Ge-
treide-, Obst- und Weinbau in der Vorderpfalz, dann auch die Rinder
zucht der Hardt standen im XVIII. Jh. wieder in Flor. Auch das rechts-
rheinische Gebiet (Baden, Breisgau) stand mit seinem Getreidereichtuiu
nicht zurück. Niederschwaben suchte in der Linnen-, Obst- und Wein-
kultur seinen Erwerb, während Oberschwaben schon von Natur nur
wenig Mittel besafs, sich aufzuschwingen. In Franken stand Obst- und
Ilopfenbau in Blüte, aber alle anderen Zweige der Landwirtschaft waren
von geringerer Bedeutung. Recht ungünstig war Baiern dagegen gestellt
Noch im Anfang des XVIII. Jh. lag selbst in den fruchtbarsten Teilen
des Landes ein Drittel der Felder wüst. Da auch das Handelsleben
sehr verloren hatte, die Donau nicht mehr die grofse Strafse für den
Produktentransport war, so fand (mit Ausnahme des Inntales) die Land
Wirtschaft keinerlei Anregung und Förderung. Sehr viel besser stand
es mit Osterreich und Steiermark, zumal sie vom Dreifsigjährigen Krieg*
verschont geblieben waren ; aber dieser Vorteil wurde auch wieder ein
geschränkt durch die nach Tausenden zählende Auswanderung von
Protestanten, durch den Türkeneinfall von 1683 und die Nähe des frucht
baren Ungarns, welches Wein, Wolle, Getreide und Schlachtvieh billig
lieferte und die Preise herabdrückte. Gleichwohl wufste sich Österreich
immer noch in der Landwirtschaft vorteilhaft zu behaupten. Traurig
lagen die Verhältnisse in Böhmen und Mähren. Der gröfste Teil des
Bodens war im Besitz des Adels und der Geistlichkeit, und überdies
hatten auch diese Länder durch Auswanderungen Verluste gehabt. Nach
dem Ausspruch eines Zeitgenossen war der vierte Teil des Ackerbodens
in Böhmen mit Wald überwachsen.
Einen ungewöhnlich schnellen Aufschwung, zugleich aber auch eine
beträchtliche Ausbreitung hatte die Landwirtschaft in Preulsen erfahren. Ihre
Hebung und Entwicklung ging mit der Besiedelung und Herbeizichung
fremder Kolonisten Hand in Hand. In der Zeit von 1640 — 1740, vom
Grofsen Kurfürsten bis König Friedrich Wilhelm I., waren an 6(X)00() Mensehen
angesiedelt worden. Im Jahre 168ö zog der Kurfürst an 7000 Hugenotten nach
Berlin ; aber auch die Schweiz und die Pfalz gaben Kolonisten her. die nach
dem menschenarmen Ostpreufsen sich wendeten, wo im Polenkriege von 1656
bis 16ö7 an 13 Städte, 249 Dörfer zu Grunde gegangen waren, an 23000 Menschen
als Gefangene fortgeschleppt und 80000 durch Seuchen erlegen waren. Von
1708—1711 wütete überdies die Beulenpest, welche angeblich 235 836 Seelen
Digitized by Google
473. Landwirtschaft.
also etwa den dritten Teil von Preufsen, hinraffte. Friedrieh Wilhelm I. sucht«'
in den Jahren 1721 — 1727 das Land durch Herbeiziehung von Ansiedlern
aus allen Teilen Deutschlands und der Schweiz von neuem zu kolonisieren.
Von den im Jahre 1732 eintreffenden Salzburgern nahm er an 20694 in seinem
Staate auf und siedelte sie besonders in den litauischen Gebieten an, welche
ebenfalle über die Hälfte an Bewohnern eingebüfst hatten. Allen gewährte er
besondere Vorrechte und steuerfreie Jahre, um sich in die neuen Verhältnisse
einzuleben und den verödeten Boden wieder mit Erfolg zu bestellen. Friedrich
der Grofse wirkte in demselben Sinne fort; an 300000 Kolonisten siedelte er
an verschiedenen Stellen seines Staates an und gründete 900 Kolonistendörfer,
so dafs am Schlufs seiner Regierung der preufsische Staat einschliefslich der
früher schon eingewanderten ca. 600000 beinahe eine Million Einwohner
gewonnen hatte, von denen 200000 dem ländlichen Berufe oblagen. Für
einen grofsen Teil dieser Kolonisten wurde aber erst neues Land geschaffen.
Die bruchartigen Gebiete der märkischen Wasserläufe, die noch aus der Eiszeit
stammten (s. S. 86), wurden trocken gelegt und urbar gemacht. Friedrich Wil-
helm I. hatte in den Jahren 1718 — 1725 das Rhin- und Havelluch kulti-
viert, einen Gebietsstreifen von 25 km Länge. Hier entstand die Musterdoinänc
Königshorst. Auch in Ostpreufsen war er ähnlich vorgegangen und hatte bei
Trakehnen ein 14 000 Morgen grofses Gebiet aus Moorboden gewonnen und
daselbst 1732 ein Gestüt angelegt. Noch umfassender wirkte auf dein Gebiete
der Landesmelioration sein Sohn Friedrich. Die bedeutendste Leistung war
unter ihm die Trockenlegung des Oderbruches, in welchem von 1746 bis
1753 an 225000 Morgen Landes gewonnen und 1200 Familien in 43 neuen
Dörfern angesiedelt wurden. Hierzu gehört ferner die Melioration des Warthe-
bruches, wo 122 672 Morgen dem Sumpfe abgerungen und 95 neue Kolonien
geschaffen wurden. Im Anschlufs an die Arbeiten seines Vaters an der oberen
Havel wurde auch das Döllntliefs entwässert, das Bruch an der Silge in der
Prignitz (1747), andere Gebiete am Rhin, an der Dosse, an der Jäglitz, die
Dammschen und Stettiner Brücher (1749), die Bruchgebiete bei Hornburg,
Halberstadt und Oschersleben (1754), das Fiener Bruch zwischen Havel und
Elbe. Auch in Pommern wurden ähnliche Arbeiten ausgeführt, so die Ent-
wässerung des Plönebruches und das Senken des Maduesees (1770), wodurch
14 338 Morgen dem See abgewonnen wurden; desgleichen die Melioration der
Ihnaniederung oberhalb Stargard. Nach der Erwerbung Westpreufsens ( 1772 >
suchte er auch dieses Land nach der polnischen Mifswirtschaft zu heben.
Durch Friedrichs Tätigkeit wurden auch andere deutsche Fürsten angeregt,
wie Kurfürst Karl Theodor von Baiern, der einen Teil des Donaumooses trocken
legen liefs. Vgl. Beheim-Schwarzbach, Friedrich Wilhelms Kolonisations-
werk in Litauen, Königsberg 1879. Dcrs., Hohenzollernsche Kolonisationen,
Leipzig 1874. R. Stadel mann, Preufsens Könige in ihrer Tätigkeit für die
Landeskultur, Leipzig 1878. Roscher, Gesch. d. Nationalökon. in Dtsehld..
S. 394 ff. von der Goltz, 1. c. I, 389 ff. Michelsen-Nedderich. 1. c,
S. 145 ff. Meitzen, Der Boden und die landwirtsehaftl. Verhältnisse des
preufsischen Staates. Berlin 1868 — 71.
In den österreichischen Landen hatte Kaiserin Maria Theresia der Land-
wirtschaft ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt, aber doch nicht so erfolgreich
wirken können wie Preufsens Könige. Die verschiedenen Nationalitäten sowie
die verschiedenen agrarischen Verhältnisse schufen mancherlei Schwierigkeiten ;
überdies herrschte in Böhmen und Mähren noch die Leibeigenschaft, überall
war der Adel zahlreich vertreten, während die Krone nur wenig Güter besafs.
Wirkliche Fortschritte waren nur im Erzherzogtum und den deutschen Teilen
von Steiermark und Kärnten zu finden. Der Kaiserin Bestrebungen richteten
sich auf den Feldbau (Neukulturen. Kleebau), den Obstbau (besonders in Böhmen
und Mähren), die Viehzucht (Schafzucht), die Maulbeerbaumkultur, Bienenzucht
u. dgl. Vgl. hierüber alles Nähere bei Langethal, 1. c. IV, 271 ff.
620
XIV. Kulturgeographie um das Jahr 1770.
Im landwirtschaftlichen Betriebe hielt man es für geratener, den Körner-
bau etwas zu beschränken zu Gunsten der Futterkräuter und damit der Vieh-
zucht, die durch die Dungproduktion mittelbar wieder dem Ackerbau zugute
kam. Der Rotklee, dessen Kultur im XVI. Jh. schon in Oberitalien und
Brabant betrieben wurde, fand in Deutschland erst in der zweiten Hälfte des
XVIII. Jh. allgemeine Verbreitung. Im Westen und Südwesten war er durch
gehend» besondere in den klimatisch begünstigten Teilen zu finden, im mitt-
leren und östlichen Deutschland stand er noch zurück, obwohl Friedrich der
Grofse ihn in jeder Weise begünstigte. Auch die Lupine (aus Italien) liefs er
auf sandigen Länderein anlegen, jedoch nicht als Futterpflanze, sondern für
die Düngung. — Neben dem Klee spielte dann die Kartoffel damals eint
grofse Rolle, zumal als menschliches Nahrungsmittel. Sie wurde 1586 durch
Franz Drake in Europa eingeführt, aber erst 1700 in der Pfalz gärtnerisch an
gebaut und 1720 in Brandenburg. Erst von da an wird sie in Deutschland
Feldfrucht, aber allgemeiner verbreitet wird sie erst seit der Mitte des Jahr-
hundert«. — Eine andere amerikanische Pflanze war der Tabak, der in Deutsch-
land während des Dreißigjährigen Krieges Eingang fand. Ende des XVII. Jh.
wird er schon angebaut in der Pfalz, Hessen, Thüringen, Sachsen, Altmark und
Franken. Friedrich der Grofse sorgte für eine grofse Verbreitung. Wie auf
den Obstbau, so wTar er auch für die Kultur der Maulbeerbäume bedacht
und damit der Seidenraupenzucht. Im Jahre 1784 zählte man in der
Mark und Pommern an 4 (50 (»0 Maulbeerbäume; der Ertrag an Rohseide betrug
1785 an 17000 Pfund. Aus klimatischen Gründen ging die Kultur aber später
zurück.
Eine Hebung erfuhr die Viehzucht aus den vorher angegebenen
Gründen; die Pferdezucht wurde schon durch den militärischen Bedarf ge-
fördert. Einige Staatsgestüte entstanden (Trakehnen 1732, die meisten jedoch
eist nach 177«)). Die Rinderzucht bedurfte weit mehr der Aufbesserung
und sie wurde ihr durch den Kleebau zuteil; desgleichen die Schafzucht.
Dagegen stand die Schweinezucht zurück, wenn auch ihre Zahl sich ver
mehrt hatte.
Über die einzelnen Produkte der Landwirtschaft (Ackerbau und Viehzucht
handelt sehr eingehend Langethal, 1. c. IV, 128—205, 239—245; im übrigen
auch die obengenannten Werke; ferner Biomeyer, Die Kultur der landwirt
schaftlichen Nutzpflanzen, 1889, 1891. Von zeitgenössischen Werken sind zu
nennen: Leopoldt, Einleitung zu der Landwirtschaft, 1750. Eckhart,
Experimental-Okonomie, 1754. Schubart, Ökonomisch kameralistische Schriften.
6 Bde., Leipzig 1783 — 1784. Reichart, Land- und Gartenschatz. 1753. Beck
mann. Grundsätze der deutschen Landwirtschaft, 1769 (5. Aufl. 1802).
474. Wald. Alle Darstellungen der waldwirtschaftlichen Verbältnisse
im XVII. und XVIII. Jh. entwerfen von ihnen ein trauriges Bild. Die
Forstordnungen beklagen stereotyp den schlechten Zustand der Wälder;
doch sind diese Klagen wohl nicht immer ernst zu nehmen, sie scheinen
als Einleitungsphrasen oftmals nur einen erneuten Erlafs der Forstord-
nung motivieren zu sollen. Die Einwirkungen des Dreifsigjährigen
Krieges waren, wie oben gezeigt, von Vorteil wie Nachteil für den Wald
bestand gewesen. Im Sollinger Walde waren herrliche Eichen- und
Buchenbestände emporgekommen und die früheren Blöfsen mit jungem
Unterholz bedeckt worden, da der geringe Viehstand dies nicht mehr
am Aufkommen verhinderte (Enders 140). Aber dieser stellenweise sich
günstig gestaltende Zustand war bald überwunden und Ende des XVII. Jh
macht sich ein Rückschritt in der Waldkultur in verstärktem Mafse
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474. Wald.
621
fühlbar. Zunächst sind es wieder die Waldrodungen, die besonders im
Osten mehr denn je zur Ausführung kamen und nachteilige Erschei-
nungen zur Folge hatten. So wurde in Preufsen wieder tüchtig gerodet,
vorzugsweise an solchen Stellen, deren Holz wegen der Entfernung von
Transportstrafsen keinen Nutzen schaffen konnte. Das Wort Friedrichs
des Grofsen, dafs ihm »Menschen lieber seien als Holz«, ist hierfür,
charakteristisch. Trotzdem war er ein zu guter Staatswirt, als dafs er
die wirtschaftliche Bedeutung dos Waldes ganz hätte übersehen können,
und mehrfach mahnte er zur Sparsamkeit im Holz verbrauch. Die Her-
stellung von Knüppeldämmen wurde verboten, ebenso das Maiensetzen
zu Pfingsten. In industriereichen Gegenden durften keine Eisenhämmer
oder Glashütten angelegt werden; auch das Kohlenbrennen sollte be-
schränkt werden. Dessenungeachtet liefs er den Wald in Oberschlesien
an vielen Stellen im Umfang einer ganzen Feldmark zu kolonialen
Zwecken niederholzen. Aber dies geschah eben in dem holzreichen
Oberschlesien, wo seinerzeit auch die Kreuzburger- und Malapanehütten
errichtet werden konnten, während in dem holzärmeren Niederschlesien
der Holzverwüstung Schranken gesetzt und Torf- und Steinkohlenfeue-
rung begünstigt wurden. Wie stark der Holzkonsum war, zeigt auch
die Flöfserei auf der Oder und ihren Nebenflüssen in jener Zeit. Be-
sonders der englisch-französische Seokrieg erforderte viel zum Schiffsbau,
sowie die französische Fafsfabrikation. Eine Firma in Stettin förderte
jährlich für 400000 Tal er herabgeflöfsten Holzes allein nach Bordeaux.
Auch für Pommern, Ostpreufsen und Litauen enthalten die Forstord-
nungen Anweisungen zum Roden an geeigneten Stollen. Unheilvoll ist
die Abholzung des Waldes auf der Frischen Nehrung unter Friedrich
Wilhelm I. geworden, da durch seine Beseitigung der Dünensand seine
Beweglichkeit wieder erhielt und durch sein Rück würtssch reiten das Haff
versandete. Auch im Binnenlande waren durch Entfernung des Waldes
Sandverwehungen verhängnisvoll geworden ; so besonders im Emsgebiet,
wo durch Anlage von Tannenkämpen erfolgreich vorgebeugt wurde.
Die münstersche Regierung verteilte 1779 an 631 Pfund Tannensamen
zu demselben Zweck. Bei aller Fürsorge, die in solchen Mafsregeln
und Verordnungen zum Ausdruck kommt, ging man im Notfalle bei
finanziellen Verlegenheiten ebenso rücksichtslos gegen den Wald vor,
und besonders während des XVIII. Jh. hat der auswärtige Holzhandel
riesenhafte Dimensionen angenommen und eine entsprechende Uber-
nutzung der Wälder zur Folge gehabt. Holland, für welches die ober
rheinischen Gebiete jahrhundertelang die Holzmagazine gebildet hatten,
absorbierte immer noch den gröfsten Teil. Für die Waldwirtschaft war
es ebensowenig vorteilhaft, dafs man ihr das Berg- und Hüttenwesen
überordnete. Der grofse Gewinn, den die Bergwerke abwarfen, gab hier-
bei den Ausschlag. Jene obenerwähnten Holzvorräte des Solling wurden
daher noch im XVII. Jh. durch Anlegung von Eisenhütton, Kupfer-
hämmern, Glashütten u. dgl. nutzbar gemacht, von Seckendorf^ rät 160f>
in seinem »Teutschen FürstenstaaU den Betrieb von Hütten und Hämmern
da zu befördern, wo »das Holz sonst nicht zu Nutzen zu bringen ist ;
«22 XIV. Kulturgeographie uro das Jahr 1770.
ebenso Gottlob von Justi 1758, dafs die Bergwerke allein zum Reichtum
führen. Desgleichen die Forstordnung für Steiermark von 1767. Im
österreichischen und salzburgischen Gebiet war Ahnliches schon im An-
fang des XVI. Jh. geschehen. Leopold, Karl VI. und Maria Theresia
handelten in dem gleichen Sinne und suchten um jeden Preis die Berg-
werksrente hinaufzuschrauben. Die Forstordnungen sind in einem ent-
sprechenden Sinne abgefafst. So jene für den Breisgau 1754, für Oster-
reich ob und nid der Enns 1752, 1766, für Steiermark 1767.
Die künstliche Verjüngung des Waldes mufste natürlich auch eine
Veränderung des Bestandes der verschiedenen Baumgattungen nach sich
ziehen. Für Eichen hatte man zwar immer noch eine besondere Vor-
liebe; Anleitungen zur ihrer Anpflanzung finden sich seit der Mitte
des XVI. Jh. vor, und im XVIII. Jh. wurden die Bestrebungen mich
dieser Richtung durch Verordnungen unterstützt. Nicht blofs in der
Nähe der Dörfer wurden sio angepflanzt, auch ganze Eichenkämpe
wurden geschaffen. Weit geringer war ihr gegenüber der Anbau der
Buche und der übrigen Laubhölzer. Besondere Beachtung verdienen
die Nadelholzsaaten und -pflanzungen, die seit dem Anfang des XVIII. Jh.
in gröfserem Umfange vorgenommen wurden. Seit 1673 wurden Nadel-
holzkulturen im Harz betrieben. Auch hierbei suchte man durch An-
leitungen anregend zu wirken, der Handel mit Nadelholzsamen kam da-
mals zu grofser Entwickelung. Der durchgreifende Umschlag in der
Verteilung von Laub- und Nadelwald begann im XVIII. Jh., um dann
im XIX. Jh. dem letzteren die entschiedene Vorherrschaft zu sichern.
Die natürliche Verjüngung des Nadel- und Laubholzes sowie che künst-
liche beider erörtert sehr ausführlich unter Beibringung vieler Quellenzitate
Schwappach, Forst- und Jagdgesch. I, 380 ff., 394 ff., 409 ff. Über die Wald-
nutzungen vgl. ibid., S. 356 ff., ferner Enders, Waldbenutzung, S. 156 ff. (Hol
länderholzhandel), 1G3— 168. Die Sparsamkeit mit Holz zu Gunsten anderer Zwecke
wurde zuweilen ins Unglaubliche getrieben. Joseph IL ordnete an, dafs die
Toten statt in Särgen in schwarzen Tüchern beerdigt werden sollten. Die Ver-
wendung der Steinkohle an Stelle von Holz trat erst gegen Ende des XVIII. Jh.
ein, als die Holzvorräte schon stark zusammengeschmolzen waren.
Über die Verhältnisse in Schlesien vgl. Grünhagen, Schlesien unter
Friedrich dem Grofsen I, 386, 538 f., H, 372 ff. Von Brandenburg gibt ein
Verzeichnis aller Waldgebiete Bekmann, Beschrbg. d. Churmark Brandenbg.
I, 758. Ober die Forsten in Posen s. Meyer, Gesch. d. Prov. Posen, S. 176 f
— In Oldenburg waren Ende des XVII. und Anfang des XVIII. Jh. die Hol
Zungen noch sehr bedeutend, wie sich aus dem Ertrag der Mästungen ergibt
Nachher liefs dieser nach, weil die Waldungen für Teich- und Sielbauten stark
gelichtet wurden. Sehliefslieh hatten sie einen grofsen Verlust durch die Fran
zosen, die viele tausend Bäume für Pallisaden und Verschanzungen verwen-
deten. Kohli, Oldenburg I, 319. — Über die Einsgebiete vgl. Schriever,
Zur Gesch. der Wälder in den Ämtern Linien und Freren, in Mittlgn. hist.
Ver. f. Osnabrück XII (1882), 336—357. Diepenbrock, Gesch. d. Amt«
Meppen, S. 586— 590. — ("her den Wald in Lippe Falk mann, Beiträge zur
Gesch. des Fürstent. Lippe IV, 201 ff. Ferner Hansrath, Forstgesch. der
rechtsrheinischen Teile des ehemaligen Bistums Spever, mit Karte, Berlin 189t<
Mone, Über das Forstwesen vom XIV. — XVIL Jh. im Breisgau, der Mark
grafschaft Baden, Bist. Speier und Rheinhessen. Z. f. Gesch. d. Oberrheins. II
(1851). Kegel mann, Darf altwürtteniberg. Forstkartenwerk des Kriegsrat«-»
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475. Bergbau.
623
Kicser. mit 2 K., in Württ. Jahrbb. 1890, 1891. Bujack, Gesch, des preufsi-
sdien Jagdwesens von der Ankunft des Deutschen Ordens bis zum Schlufs des
XVIII. Jh., in Preufs. Prov.-Bl. 22 (1839), 481 ff.
475. Bergbau. Der anfängliche Niedergang des Bergwesens in
Deutschland nach dem grofsen Kriege machte sehr bald einem erneuten
und um so lebhafteren Betriebe Platz, und nicht zum wenigsten waren
es die Landesherren, die diesen Aufschwung beförderten. Empfindlich
hatte sich zunächst der Mangel an tüchtigen Borgarbeitern und Berg-
meistern bemerkbar gemacht; teils waren sie wohl dem Kriege zum
Opfer gefallen, teils hatten sie sich auch dem Auslande zugewendet, und
besonders die spanischen Kolonien hatten einen grofsen Teil übernommen.
Anderseits waren aber manche Bergreviere verlassen worden, dadurch
dafs sich die Bergleute nach anderen mehr versprechenden Gebieten
hinzogen. Besonders war es der Steinkohlenbergbau, der im Laufe des
XVIII. Jh. plötzlich eine ganz andere Bedeutung gewann. Die früheste
Gewinnung der Steinkohle reicht bis in das Ende des XII. Jh. zurück,
als zuerst bei Lüttich Kohlen abgebaut wurden. In Deutschland selbst
scheinen die Aachener und dann die Zwickauer Gegend zuerst in der
Kohlenproduktion tätig gewesen zu sein. Aber doch erst im XVI. Jh.
wurde der Steinkohlenbetrieb etwas lebhafter, als die Salinen und die
Glashütten ihren Bedarf an Holzkohle nicht mehr zu decken vermochten.
Der Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet wurde erst verhältnismäfsig spät
aufgenommen (1734); von Bedeutung wurde er erst seit 1766, als durch
den Bergmeister Decker neue Einrichtungen und Verwaltungsmafsnahmen
getroffen wurden. Die Schiff bar mach ung der Ruhr am Ende des Jahr-
hunderts brachte den dortigen Betrieb besonders in die Höhe. — Auch
das Saarbrückener Kohlenrevier gewann, als im XVIII. Jh. die loth-
ringischen Salinen verbessert wurden.
In älteren Bergbaugebieten war der Betrieb in ungestörtem Fort
gange geblieben; aber überall ward doch erst das XVIII. Jh. für den
Aufschwung bedeutend. Der Betrieb im Oberharz datiert seit dem
XVI. Jh. Eine genügende Betriebssicherheit wurde erst geschaffen, als
man für den nötigen Wasserbedarf gesorgt hatte. Im Jahre 1714 wurde
der Oderteich angelegt mit «lern Rehberger Graben, der bis St. Andreas-
berg führt, und 1732 der Dammgraben für Klausthal begonnen, aber
auch sonst noch auf dem Klausthaler Plateau Wasserreservoire und
künstliche Seen geschaffen. — Das Freiberger Berggebiet war nach vor-
angegangenem Niedergange um die Mitte des XVI. Jh. wieder empor-
gekommen, jedoch erst die technischen Verbesserungen ein Jahrhundert
später brachten es zur Blüte, so dafs das dortige Hüttenwesen muster-
gültig für andero wurde. — Wie der Kupferschieferbergbau im Mans-
i'eldischen und im Saalkreis wieder lebhafter in Aufnahme kam, be-
. sonders seitdem auch Friedrich der Grofso an der Produktion beteiligt
war, so gewann auch Schlesien durch ihn wieder Bedeutung. Das
Beuthen-Tarnowitzer Bergbaugebiet, welches schon einmal unter den
fränkischen Hohenzollern geblüht hatte, wurde von ihm einer neuen
Blüte entgegengeführt. Der Steinkohlenbergbau war freilich damals
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XIV. Kulturgeogruphie um das Jahr 1770.
noch gering und wurde erst gegen Ende dos Jahrhunderts durch Fried
rieh Wilhelm von Reden gehoben. — Was den Salinenbetrieb anbelangt,
so hatte er in verschiedenen Landschaften nachgelassen, besonders dann,
wenn in der Nachbarschaft auf billigere und leichtere Weise Salz ge
wonnen wurde. So versorgte die Saline von Schönebeck bei Magdeburg
fast ganz Preufsen.
Als Halle und Schönebeck bei Magdeburg preufsisch wurden, wurde aus
landisches Salz verboten (1720 — 1723). In Schönebeck wurde das Hauptsalz-
amt installiert. Die Saline zu Artern wurde 1726—1729 wieder in Stand gesetzt.
Auch Sulza bei Kösen, wo schon 1682 vorübergehend ein Betrieb eingerichtet
war, wurde damals von neuem in Angriff genommen. Die Saline von Dürren
berg bei Merseburg war besonders in den Jahren 1744 — 1763 emporgekommen.
Sulza war 1682 ein Raub der Flammen geworden. Als die älteren Salzquellen
verfallen waren, wurden neue gehot>en. So entstand 1710 das altenburgiscbe
Neusulza. Frankenhausen war als Salzstätte noch immer von Bedeutung. Noch
in der zweiten Hälfte des XVIII. Jh. wurden hier an 30000 Stück Salz erzeugt
Die Salzquellen von Broekhausen in der Grafschaft Mark waren seit lange in
Betrieb. 1735 wirkte Preufsen dort bei Königsborn (bei Unna). 1753 wurde
im Kirchspiel Rehme bei Minden Neusalzwerk angelegt. Die verlassenen Salz
werke des Dürkheimer Gebietes wurden 1716 wieder aufgenommen; 1736 wurde
Philippshall vom Kurfürsten Karl Philipp erbaut; bei Kreuznach 1729 Karls
hall und 1740 Theodorshall. Die Saline Salzhausen bei Nidda wurde 1593 an
gelegt. Im XVIII. Jh. war der Salinenbetrieb in Schwübisch-Hall sehr bedeutend
An 65 000 Zentner Salz wurden jährlich versotten und hiermit das Gebiet vom
Rhein bis nach Nürnberg versorgt. In Moosbach am Elzbach (Neckar) wurde
1756 eine Salzquelle entdekt, der Karlsbrunnen, der 1762 — 1767 mit Sud- und
Gradierwerken versehen wurde und 4000 Zentner Salz jährlich lieferte.
Im Waldeekschen war der Betrieb auf Eisen immer noch sehr bedeutend.
1698 lieferte der Winzenberg allein 14 000 Fuder Eisen. Im XVI. Jh. wurde
bei Bergfreiheit im Waldeekschen auf Kupfer gegraben mit gutem Erfolge
1561 wurden hier an 4021 Zentner Kupfer gewonnen. Von 1574 nahm der
Ertrag ab und 1590 hörte der Betrieb auf. Doch 1624 wurde er wieder auf
genommen und bestand bis 1742. Auch die Edder lieferte noch immer Gold.
1707 trat eine Gesellschaft von Unternehmern zur Goldgewinnung zusammen,
die jedoch sich bald wieder auflöste. Aber die Bewohner von Affoldern he
trieben die Wäscherei weiter fort. Im Laufe des XVII. Jh. wurde auch das
Ilmcnauer Bergwerk wieder aufgenommen, doch ging es trotz günstigen Erfolges
1739 wieder ein. Im Hennebergischen Gebiet wurde Prisen gefördert, 1 7 1 :>
waren 18 Zechen im Gange. Goldkronach hatte durch den Dreifsigjährigen
Krieg emgebüfst. 1695 wurde der Betrieb wieder aufgenommen und noch
12 Werke auf Gold, Silber, Kupfer, Eisen waren in Betrieb. Um den Fichtel
berg wurde viel Eisen gegraben, so bei Wunsiedel, wo auch Silber, Blei un<l
Gold gewonnen wurde, bei Weifsenstadt Zinn. 1676 wurde das Eisenbergwerk
bei Neilla (Brandenburg-Kulmbach) wieder in Betrieb genommen. In der Zeit
von 1715—1767 hatte es an 10000 Gulden abgeworfen. Um Baireuth war der
Bergbau auf Kupfer und Eisen in 51 Zechen und Fundgruben im Gange. Auch
im Saalfeldischen wurde eifrig abgebaut; um 1727 waren 31 Zechen im Gange,
die auf Kobalt und Kupfererz arbeiteten, bis zu 200 Zentner Kupfer, 2000 bi>
3000 Zentner Kubalt und 200 Zentner Alaun ergaben.
Die Freiberger Bergwerke waren infolge von Kriegen und Preiserhöhung« :!
im XVII. Jh. nicht mehr so ergiebig als im XVI., aber ihr Jahresertrag war
immer noeh beträchtlich. Den Ertrag von 1630—1685 von Jahr zu Jahr vgl.
bei Gmelin, S. 285. Im XVIII Jh. hatte die Ausbeute der Freiberger Berg-
werke beträchtlich nachgelassen ; mehrere Gruben waren ganz eingegangen.
Statt 5— 6000 Bergleuten ehemals waren nur noch 3500 in Tätigkeit. Es wurden
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625
jährlich an 24—30000 Mark Silber, 3—4000 Zentner Blei und 600 Zentner
ochwarzkupfer gewonnen. Erst seit der Mitte des XVIII. Jh. tritt ein ent-
schiedener Umschwung im Betriebe wieder ein, als neue Gangfelder auf-
genommen wurden un.d auch die Landesregierung fürsorglich eingriff. Im
XVIII. Jh. wurde in Schneeberg vorzugsweise Kobalt gewonnen, ferner Blei-
glanz, Kupferkies, Zinnerz, Silber, so dafs es immer noch zu den ergiebigeren
gehörte. Alle näheren Belege bei Gmelin, 336 — 349. Zu Annaberg sind noch
sechs Stollen auf Silber und Kobalt in Betrieb. In Altenberg wurde immer noch
eifrig Zinn abgebaut; 1736—1765 betrug die Produktion 45000 Ztr. Zu Lauen-
stein wurden noch jährlich 8 — 9000 Zentner Zinn produziert (1750), desgleichen
bei Ölsnitz, Falkenstein, am Gottesberge im Voigtlande. In letzteren Befs der
Zinnbau nach und man warf sich auf Kupfer- und Eisenerze. Bei Voigtsberg,
bei Weisensand und bei der Bunauschen Mühle an der Göltzsch waren Gold-
seifen, die noch um 1700 florierten. Ehrenfriedersdorf hatte im XVIII. Jh. im
Ertrag sehr nachgelassen. Statt der 2000 Zentner Zinn in der ersten Hälfte
des Jahrhunderts wurden nur noch 600 Ztr. produziert. In Johanngeorgen-
stadt kam der Bergbau erst 1654 auf durch böhmische Bergleute. Kurfürst
Johann Georg I. baute damals die nach ihm benannte Stadt. Erst lieferten
die Gruben besonders Zinn. 1662 entdeckte man Silbererz. 1727 waren allein
93 Gruben in Betrieb, 1763 11 Stollen und 63 Gruben.
Das Goldbergwerk zu Freiheit in Böhmen hatte stillgestanden ; es wurde
1765 zwar wieder aufgenommen, jedoch 1772 aufgegeben. Von den Silberberg-
werken hatte das Joachimsthaler noch immer eine gute Ausbeute und Teufen
von 300 Lachtern. Das Pribramer Silberbergwerk hatte sich nur in mäfsiger
Höhe gehalten; gegen Ende der Periode ging es immer mehr abwärts. 1771
brachte es nur 40 Mark Silber ein, um späterhin eine so glänzende Höhe
wieder zu erreichen. Der Giehrener Zinnbergbau hatte im Anfang der Periode
noch leidliche Erträge gehabt Von 1668 — 1727 ruhte er aber fast ganz. Dann
wurde er wieder aufgenommen, ohne ihn zur alten Blüte zurückzuführen.
Sehr eifrig wurden die zweibrückischen Quecksilberbergwerke abgebaut,
die im Jahre 1765 an 43000, 1768 an 30000 Pfund Quecksilber produzierten.
Frühestens in den Anfang des XVII. Jh. gehören: die Eisengruben am Spes-
sart, bei Herrenhausen, Raubach, Honnefeid, Grenzhausen und Alsbach, ferner
bei Idstein, Fischbach ; die Blei und Silberbergwerke bei Obernhof, Wienar an
der Lahn, die Gräflich Erbachischen bei Elimanshausen, die Quecksilbergruben
Münster- Appel, die weilburgischen bei Kirchheim, auch die Bergwerke bei Weil-
münster, Brunnscapel, Ohren und Meskede.
Aulser den früher genannten Werken von Feste nberg-Packisch,
D. dt. Bergbau, S. 21 ff., Kloster mann, Wanderungen, S. 56 f., Koch,
Gmelin, pass. u. a. sind hier auch die zeitgenössischen Arbeiten heranzuziehen :
J. C. W. Voigt, Mineralogische Reisen durch das Herzogt. Weimar und
Eisenach und einige angrenzende Gegenden, 1782. Hefs, Haligraphia, Eis-
leben 1603. Kopp, Beytrag z. Gesch. des Salzwerkes in den Soden bei Allen-
dorf an der Werra, Marburg 1788. J. E. Brauns, Amoenitates subterraneae,
i. e. breviarium de metallifodinarum hercinicarum origine, progressu atque prae-
stantia, Goslar 1726. Hardanus Hücke, Historia von den im Fürst. Braun-
schweig am Harze gelegenen Bergwerken. H. Calvör, Acta historico-chrono-
logico-mechanica circa metallurgiam in Hercynia superiore, Braunschw. WT63.
Rohr, Merkwürdigkeiten des Vor- oder Unterharzes, 1736. Liebknecht,
Hassiae subterraneae speeimen, Giessen 1730. Cancrin, Gesch. u. Beschrei-
bung der vorzüglichen Bergwerke in Hessen, Waldeck, am Harz etc., Frankf.
1767. Ders., Gesch. und Beschreibg. der in der Gfsch. Hanau, Amt Bieber etc.
gelegenen Bergwerke, Leipzig 1787. Becher, Mineralog. Beschreibg. der
Öranien-Nassauischen Lande nebst einer Gesch. des Siegenschen Hütten- und
Hammerwesens, Marburg 1789. G. Jars, Metallurgische Reise zur Untersuchung
Kretschmer, HlitorUch« Geographie. 40
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XIV. Kulturgeographie um das Jahr 1770.
und Beobachtung der vornehmsten Eisen-, Stahl-, Blech- und Steinkohlen werke
in Deutschland, Schweden etc. von 1757 — 1769, aus dem Französ. von Gerhard.
4 Bde., Berlin 1777. Forbers, Bergmännische Nachrichten von den merk-
würdigsten Gegenden der Zweibrückischen, Ch urpfälzischen, Wild- und Rhein-
gräfl. u. Nassauischen Länder, Mitau 1776. F. von Berol dingen, Bemer
kungen auf einer mineralog. Reise durch die pfälzischen Quecksilberbergwerke,
Berlin 1788. Bieringer, Histor. Beschreibung des mann fsf eidischen Berg-
werkes, Leipzig 1734. Charpentier, Mineralog. Geographie der Chursäeh-
sischen Lande, Leipzig 1778. Petr. Albinus, Meilsnische Bergchronika.
Dresden 1590. Klozsch, Ursprung der Bergwerke in Sachsen aus der Gesch.
mittlerer Zeiten untersucht, Chemnitz 1764. Brückmann, Magnalia Dei in
locis subterraneis , Braunschw. 1727. Oetter, Von den Bergwerken des Burg-
graf entums Nürnberg. Ferber, Neue Beiträge zur Mineralgeschichte verschie-
dener Länder, Mitau 1778.
476. Verkehr. Die Bedeutung der einzelnen Verkehrsstrafsen
kommt in ihrer relativen Benutzung zum Ausdruck. Noch im XVIII. Jh.
hatten die Strafsen meist nur lokale Bedeutung; die weltwirtschaftliche
Konkurrenz gewisser Massengüter, der Grofsbetrieb fehlte, oder er stand
■damals zunächst noch in seinen Anfängen. Nur wirklich wertvolle
Gegenstände von mäfsigem Umfange konnten befördert werden und
lohnten den Transport, während minderwertige Massengüter von weither
bezogen mit der einheimischen Ware nicht mehr konkurrieren konnten.
Der lokale Markt war daher dem Kleinbetriebe noch gesichert; land-
und forstwirtschaftliche Produkte könnten in Massen nur bedingterrnafsen
aus der Ferne bezogen werden. Die Bedingungen knüpften sich vor
allem an die Beschaffenheit der Verkehrswege und Verkehrsmittel. Die
Binnenlandstrafsen waren nur mäfsig in Stand gehalten und weitergehen-
den Bedürfnissen entsprechend nicht umgeändert und zu Kunststrafsen
ausgebaut worden. So hat ein so hervorragender Volkswirt wie Friedrich
der Grofse nach der Erwerbung Schlesiens gerade für den Strafsenbau
herzlich wenig getan, und er soll tatsächlich nicht eine einzige Meile
Kunststrafse gebaut haben (eine Meile kostete damals 21 000 Taler).
1770 suchte er wenigstens einige Gebirgswrege zu verbessern (Schweidnitz —
Glatz sowie Schweidnitz — Landeshut), die als Kolonnenstrafsen aber zu-
nächst auch nur militärischen Zwecken dienen sollten. Waren nun in
anderen Landschaften auch mehr und bessere Strafsen vorhanden, so
kam der Transport per Achse doch so teuer zu stehen, dafs der Herbei-
führung von Massengütern eine gewisse Grenze gesetzt war. So konnte
Holz zu Brennzwecken eine Achsenfracht schon von mehr als 20 km
nicht vertragen, und von den zu Holzlieferungen an die in der Stadt
lebenden Grundherren verpflichteten bairischen Bauern heifst es, dafs
sie bei den grofsen Entfernungen nicht ihr eigenes Holz hinführen,
sondern solches in der Stadt zu diesem Zweck erst ankauften. — Gleich-
wohl war der Vertrieb von Massengütern nicht ausgeschlossen, aber er
war nur dort möglich, wo Wasserstrafsen genügend vorhanden waren
So wurde Holz auf den Schwarzwaldbächen in den Rhein geflöfst und
gelangte so nach den Niederlanden, deren unerschöpfliches Holzmagaxin
der Schwarzwald jahrhundertelang gewesen ist. Auf demselben Wege
wurden auch Cerealien verfrachtet, und wie der Rhein so dienten auch
476. Verkehr.
G27
alle anderen grofsen Ströme dem gleichen Zweck. Brandenburg und
Polen waren die Hauptlieferanten, und die Weichsel mit Danzig an der
Mündung war dio wichtige und allein brauchbare Transportlinie für die
Abfuhr. Man begreift, wie den Polen ihre Handelsbetätigung unterbunden
war, als nach der Teilung Polens die untere Weichsel einem rivalisie-
renden Nachbarstaate zufiel. Indessen bot damals auch nur der flufs-
abwärts gerichtete Verkehr solche Vorteile dar, da das Aufwärtsziehen
der Schiffe wieder Zeit und Kräfte an Menschen und Tieren erforderte.
Der Einflufs der Verkehrswege auf Siodelungs- und Bevölkerungsver-
hältnisse war immerhin so weitreichend, dafs grofse und gröfste Städte
mit ihrer Massenbevölkerung immer nur am Meere oder an schiffbaren
Binnenwasserstrafsen möglich waren.
Der deutsche Seehandel war im XVII. Jh. durch die unsicheren
Verhältnisse auf dem Meere sehr erschwert. Spanische und später
holländische und englische Schiffe kaperten unausgesetzt, und besonders
wirkte auch der Seekrieg zwischen Holland und England schädigend
ein. Die englischen Navigationsakte schlössen den Handel nach England
und den Kolonien aus, und so blieb es auch noch unter der Regierung
Friedrichs des Grofsen. Im XV. und XVI. Jh. waren die Deutschen
die reichste Nation Europas, im XVIII. Jh. die ärmste. Da durch den
mangelnden Schutz zur See jede Unternehmung gehemmt war, so blieb
dem deutschen Kaufmann nichts als der Handel aus zweiter und dritter
Hand, — ein grofser Kleinhandel. Auch hier zeigt sich wieder, dafs
die für Handel und Verkehr nicht ungünstigen geographischen Verhält-
nisse der deutschen Küsten nicht zur vollen Entfaltung kommen können,
wenn nicht auch die politische Situation es zuläfst. Nur bei ihrer Mit-
berücksichtigung kann der Einflufs geographischer Faktoren auf das
wirtschaftliche Leben der Kulturvölker richtig bewertet werden.
Lötz, Verkehrsentwickelung in Deutschland 1800—1900, Leipzig 1900,
S. 11 — 18. Sax, Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft, Wien
1878 f. Huber, Die geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs,
Tübingen 1893. Zu dein oben Bemerkten vgl. noch Klopp, Ostfriesland II,
418 ff., III, 83 ff. Grünh jigen, Schlesien unter Friedrich d. Gr. II, 374 ff.
Da die Wasserstrafsen damals eine hervorragende Bedeutung hatten, so liefs
man sich auch ihre Verbesserung und Vervollständigung angelegen sein, wie
die mehrfachen Kanalbauten bezeugen. In den Jahren 1743 — 1745 liefs Fried-
rich der Grofse den Plaueschen Kanal bauen zur Erleichterung des Handels
und besonders des Salztransportes aus den Salinen von Schönebeck nach der
Mark und Pommern. 1745 war der Templiner Kanal in der Ukermark angelegt
worden zur Abfuhr des ukermärkischen Getreides und später des Holzes; 1766
entstand der Werbelliner Kanal in der Ukermark. Seit 1772 ist die Netze mit
Brahe und Weichsel durch den Bromberger Kanal verbunden. Auch in anderen
Gegenden des norddeutschen Tieflandes war man bestrebt, Wasserverbindungen
zu schaffen. Holländischersrits war um 1700 die Absicht hervorgetreten, einen
Kanal von Münster über Zwolle nach der Zuiderzee anzulegen und zur Umge-
hung Emdens einen solchen von Rhede oder Bellingwolde nach Groningen.
Gegen diese Projekte wurden die ostfriesischen Stände beim Bischof von Münster
vorstellig. 1723 hatte gleichwohl Bischof Clemens August den sogenannten
Max-Clemens-Kanal von Münster in nordwestlicher Richtung nach dem Orte
Hardrup an der bentheimschen Grenze begonnen, um so bis zur Vecht zu ge-
40»
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628
XIV. Kulturgeographie um das Jahr 1770.
langen und weiter bis Zwolle. Vgl. Fürbringer, Der Max-Clemens- Kanal und
sein Erbauer Kurfürst Clemens August von Cöln, Bischof von Münster, im
Emder Jahrb. VIII, 1, 103 ff. — Der Verkehr auf den Wasserstraisen hatte aber
noch manche lästige Schranke zu überwinden. Noch im Jahre 1710 zählte
man auf der schiffbaren Strecke der Weser von Münden bis Elsfleth nicht
weniger als 32 Zollstellen. Von diesen entfielen 12 auf Hannover, 4 auf Preufsen.
3 auf Hessen, je 1 auf Paderborn, Braunschweig, Wolfenbüttel, Lippe und Olden-
burg. Vgl. Spannagel, Minden und Ravensberg, 1894, S. (J.
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V
Index.
Abkürzungen: Bg. = Burg. Bggft = Burggrafschaft Bat. = Bistum.
Ebst — Erzbistum. Fret. = Fürstentum. Gft. = Grafschaft. Hft. = Herrschaft.
Hzgt. = Herzogtum. Kfrst. = Kurfürstentum. Kgr. = Königreich. Kl. = -Kloster.
I/lft. — Landschaft Ldgft. = Landgrafschaft Mgft. = Markgrafschaft. Pfalzgft. = Pfalz-
grafschaft. Rst = Reichsstadt. Schi. = Schlofs. St. = Stadt.
A.
Aach 281
Aachen, Rst. 2GL 583
Aalborg SU
Aalen, Rst. IM. 22& 586
Aar, Fl 36
Aargau 4G7
Aarhuus 4.')0, fill
Abbach 293
Abbenrode, Kl. 420
Abenberg 303.
Abersee 43
Abodriten 111
Achalm, Bg. 281
Achensee 312
Adenau 248
Adorf, St. 318. 323. 528
Admont, Kl. 425
Adulas 38
Aeröeskiöbing, St. 536.
Aestii IIA
Affolderbach, Kl. 218
Ägerisee 31
Agri decumates 143
Ahaus, Hft. 44Ü
Ahr, Fl. 64
Ahr, Gft. 253
Ahrberg 226. 303
Ahrensberg 68
Ahrmühle 254
Ahrweiler 248. 253
Aichelberg, Gft. 282
Alumannen 165
Alamannien 180, 182. 28Q
Aland, Kl. 409
Alb, Fl. 56
Albegau, Gft 281
Alberschweiler 2öl
Albrochtsthal, Hft. 268
Alendorf 254
Allemiorf 216. 228_. 264. 530
Aller 92
Allerheim, Hfl. 296
Allstädt 319
Almere IM
Alpen 30 ff.
Alpen, Hft 248. 519
Alpenvorland 44
Alpirsbach, Kl. 41fi
Alsfeld 439
Altbruchhausen, Amt 518
Alteberstein, Bg. 214
Altena, Gft 250
Altenahr 253
Altenbaumberg, Behl. 258
AJtenberg, Schi. 482
Altenburg 318. 483, 530
Altendiez 221
Altendorf 2SÜ
Altengronau, Amt üli!
Altenhaslau 412
Altonheim 212
Altonhoff 318
Altonkampen, Kl. 386
Altenkirchen 224
Altenmünster, Kl. 421
Altensteig, Amt AftL 524
Altenthan 303
Althaldensleben, Kl. 420
Althornberg, Hft 284
Altkatzenelnbogen, Schi. 222
Altkirch, Hft. 268
Altmannstein, Bg. 302
Altmark 189, 331
Altmühl, Fl. 59
Altwied, Amt 248
Alzey 260. 459
Amarin, Sankt, Vogtei 269
Amberg, St. 260. 302. 452
Ambras 312
Ameland, Insel 106
Amelungsborn, Kl. 229, 419
Ammensieben, Kl. 428
Ammergau BOB
Ammcrschweier 268
Amönaburg, St. 263
Amöneburg» Kl. 413
Amorbach, Kl. 4 LS
Ampsivarier 1(>4. 1H5
Amrum 113
Andechs, Gft. 312
Andelfingen 281
Andernach 150. 248
Andlau, Kl. 21L 463
Andreasberg 616
Angeln, I.dft. 121
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T r
630
Index.
Angeln, Volk IUI
Angerap 103
Angormund, Amt 252
Anglii 142
Angrivnrier HL 166
Anhalt, Fret. 882. 488. £>3iL
SQQ
Anholt, Hft. IIS. 566
Ankum, Kl. 431
Anrath, Hft. 248
Ansbach, Fret. 289, 423. 52a.
521
Antweiler, Hft. 248
Antwerpen, iSt. 564
An weiter 459
Apenrade, Amt 495. 53b'
Appenzell 588.
Apollinarisberg, Kl. 412
AraeFlaviae 143. 151
Arbon 151
Ardennen 62 f.
Arensburg, Amt f>14
Argen, Hft. 515
Arkel 244.
Arlof, Hft. 248
Arneck, Bg. 282
Arnesen 231
Arnoldstein 293
Arnsberg, Oft. 249
Arnsbaugk, Amt 528. 53Q
Arnstadt, Hft. 325. 532
Arnstein, Bg. 488.
Arnswalde 339
Arme, Insel 494
Artenburg, Bg. 304
Ärzen 229
Asberg 15Q
Ascha, Schi. 412
Aschach, Bg. 2Ü1
Aschaffenburg 263
Aschersleben 333
Asmenz, Hft. 4.r)8
Asperg, Hft. 283
AsBeburg 228.
Attereeo 43
Attuarier 164
Auerbach 482
Augsburg, Kst. inl 221L
497 585
Augsburg, Bst. 303. 416. 576
Äugst 15Q
Auma 312. 324
Aumenau 220
A urach 293
Auras 344
Anrieh, St. 453 f.
Auschwitz 346
Austrifrancia 183
Aviones 142
Awel 254
B.
Baar, Lgft. 47_L 524
Bacharach 260. 459
Backnang 281
Baden,Mgft.273.4fi5 523.671
Baden, Gft. L Schweiz 468.
589
Badenweiler 4fifi
Baiern 183. 299. 424. 525.
580
Baindt, Kl. 514
Baireuth, Fret. 2üll 413. 525.
511
Bairischer Wald 15. 393
Bajuwaren 168
Balbronn 212
Baldern, Hft. 296
Balingen, Amt 284
Ballenstedt 33JL 489. 533
Baltischer Höhenrücken 1Q1
Baltrtim 109
Bamberg, Bst. 293. 420. 526
Bant, Insel 109
Banz, Kl. 421
Bar, Hzgt. 266
Barby 593
Barden wich 211
Barmstedt, Amt 536
Barenburg, Amt 518
Barnim 338
Barnstorf, Vogtei 236
Barr, Hft. 268
Barten 352
Bärwalde 339
Basel, Bst. 568. 589
Basel, 8t. 219. 299. 588
Bataver 14L 165
Batinoi 141
Battenberg, Bg. 224
Bauland 58
Baumgartenberg, Kl. 426
Beaulieu, Kl. 412
Bebenhausen, Kl. 282. 416
Bechelingen, St. 288
Bederkesa, Hft. u. Schi. 450
Beerwalde 4HU
Beeskow, Hft 483. 533
Beilngries 293. 303
Beilstein, Bg. 219
Beinheim, Hft. 212, 466
Belbuck, Kl. 433
Beifort, Hft. 262 f.
Hellin 340
Bellinzona 46ÜL 589
| ßelzig, Kreis 321
I Beneckenstein 486
j Benediktbeuren, Kl. 417
! Benfeld, Amt 269
Bengen 254
Benken, Kl. 41Ü
Bennweier 269
Benshausen 212. 291
Bensheim 263
Bentheim, Gft. 240. 452. aliL
5ü2
Beraun 84
Berching, Kl. 222
Berchtesgaden, I*ropstei 523
Borg, Gft. b. Ehingen 285
Berg, Hzgt. 252. 455. 522. 533.
520
Berga, Bg. 323
Bergbau 156. 208. 502. 544
623
Bergdorf 248
Berge, Hft. vom 23Q
Bergedorf, Amt 450
Bergstraße 399
Bergzabern 4ft9
Berka 530
Bern 224. 225. 222. 582
Bernburg 333. 489, 533
Berneck 295. 326
Berngau, Vogtei b. Hemau
302
Bernhardt npafs, Sankt 403
Bernheim, Schi. 289
Benkhausen 228
Bernstadt 344
Bernstein 152. 159
Bernstein, Land L NM. 3Ji2
Bernstein, Vogtei b. Strafsbg.
269 f.
Bernstein L Leuchtenbg. 301
Berum, Amt 453
Besigheim, Amt 466. 524
Besunschaner 123
Bethenzer 121
Bettingen 254. 451
Beuel 254
Beuren, Bg. 280
Reuthen 34fL 481. 52L 603
Bcutitz, Kl. 429
Beveland 243
Bevergen, Amt 452
Beverungen, Bg. 517
Bevölkerungsverhältnisse
496. 538. 612
Beyenburg, Amt 252
Biberach, Bst. 291L ^
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Index.
Biburg 258
Bickenbuch ÜÜL 508
Biel, St. ifiL 589
Bieler See 4£
Bielitz, Frst. 522
Bienenzucht 2Q3, 205
Biesbosch
Bietigheim 462
Bilstein, Bg. 21k 281
Bilzheim 26g
Bingen 150
Bingenheim, Amt 218
Birkenfeld 522
Birkenstein, Hft. 2M
Birstein, Schi. 221
Birten 251
Bischofsheim 220. Iii 422
Bischofsstädte 383
Bitburg lüü
Bitsch, Oft 2fifi
Bitterfeld 321. 482
Blankenberg 252. 255. 2&L
Blankenburg a. Harz, Gft.
322, 482
Blankenburg L Thür. 325.532
Blankenheim 254. 45L 520.
566
Blasien, Sankt 269. 575 .
Blaubeuren, Hft 286. f.
Blaubeuren, Kl. 282 f. 416
Blanenstein, Bg. 2*6 f.
Bleckede 229
Blei 15L 325
Bleicherode 328
Bleidenstadt, Kl. 413
Blidenfeld, Kl. 414
Blies 51
Bliescastel 510
Bliesheim 248
Blockland 238
Blomberg 513
Blotzheim, Amt 268
Bludenz 418
Blumenau, Schi. 230
Blumonberg, Hft. 267 f.
Bober 100
Bobersberg 490
Böblingen 282. 283
Boboraner 173
Bockelnhagen, Amt 532
Bockenem, St. 331
Bodden 121
Bode 20. 22
Bodenburg, Hft. 512
Bodenlaube, Hft. 290
Bodensee 38
Bodenstein 228
Bodenteich, Sehl. 222. 230
Boden werder 230, 488. 516
Bodrizer 121
Bodungen, Amt 532
Bogen 302. 475
Bohlwege 162
Böhmen 8L 314. 422. 522
Böhmen, Volk 123
Böhmerwald 15
Boiohemum 162. 123
Boizenburg 535
Bojer 138. 168
Bökinghardc 365.
Bolchen, Hft. 2ü5
Bollwoiler, Hft. 268. 463
Bondorf, Oft 515
Bonn 150. 248
Bönnigheim, St. 286
Bopfingen, Rst 280.228.586
Boppard 255
Börde 24
Borglum, Bat. 436
Borkeloh 514
Borkum 102
Bormio 4£8
Borna 31*
Bornefeld, Amt 252
Bornholm, Insel 142. 611
Bornstedt 322
Borselen 243
Brabant, Hzgt. 244, 454. 564
Bracht, Schi. 221
Brahe 102
Brakel, St. 233
Brambach 533
Bramsche 235
Bramwald 6fi
Brandenburg, Bst. 430
Brandenburg, Mark 336. 420,
533. 602
Brandenstein, Amt 510
Brannibor 188
Braubach, Schi. 222
Brauneck, Hft. 288
Braunfels, Amt 220
Braunsberg, Bg. 223
Braunschweig 226. 445. 559
Braunshorn, Bg. 260
Breda 442
Bredenhorn, St. 233
Bregenz 15_L 301
Breisgau 521
Breitenau 220
Breiteneck, Hft. 583
Breskesand, Hft. 533
Bremen, St. 238. 450. 518, 584
Bremen, Hzgt. 558
Bremon, Ehst. 236. 42L 4491
507
Bremgarten, St. 229. 589
Brene, Gft. 315. 321
Brenner 39. 161. 404
Brenz 524
Breslau, Bst. 342. 434
Breslau, St. 343. 428
Bretzenheim, Hft. 510
Breuberg 292
Breusch, Fl. 53
Brianberg 211
Brieg 343 f. 429. 526
Bricy, Gft. 26fi
Brienzcr See 36
Brilon, St. 233. 242
Brisigavi ltiti
! Brixen, Bst. 312 f. 422
j Brizaner 171
Brocken 10
Broda 432, 535
Broich, Amt 252
Bromberg 350
Brookscite 238
Brotterode, Amt 211
Bruchhausen, Hft. 23">
Bructeri 140, 165
Brficl 351. 535
Brühl, Amt 248
Brumath, Amt 465.
Brunn, Bg. 302
Brüx 483
Bublitz 356
Buch 225, 303. 425
Bucha, Hft. 326
Buchau, Abtei 416. 513
Buchau a. Federsee, Rst.
222, 586
Bucheck, Gft. 228
Buchegg, Gft. 228
Büchen 321
Buchhorn, Rst. 228, 586
Bucinobantes 166
Buckow 352
Bückeburg, St. 231. 51i
Bückeburg, Amt 513 f.
Buchouia 225.
Buchsweilcr, Amt 268. 465
Büdingen, Hft. 222
Büdinger Reichswald 392
Bühl, Amt 466
Bulach 284
Bunzlau 343
Buraburg, Kl. 413
Büren, Bg. 233
Burg, Hft. L Vogtl. 323
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632
Index.
Burg, Gft. L Hessen 439
Bnrg-Schwalbach, Amt 610
Burg-Steinfurt, St. 563
Burgau, Mgft. 285. 28L 591
Burgau L Thür. 530
Burgdorf 22S
BQrgel 283. 530
Burghardi, Sankt, Kl. 418
Burgkundstadt, Schi. 234
Burglengenfeld, Gft. 305
Burgund 223
Burgundiones 142
Burgward ien 121
Burkersroda 530
Buroi 141
Butgenbach, Hft. 442
Butjadinger Land 451
Buttelstedt 530
Bütthard, Amt 413
Büttstedt 530
Butzbach, St. 220
C.
Calbe 334
Calcar 251
Calenberg, Frst. 228, 440.
515. 55S
Calvolago, Gft. 234
Calw, St. 2fil f.
Camberg 22L 512
Camburg 315. 530
Caninefates 141
Cannstatt I5L 281
Carniola, Gft. 811
Carnuntum 151
Carolath, Frst 604
Castell, Gft. 292. 473, 518.
castellum 197
Castrum 122
CattimelibociiB 222
Catz, EL 41fi
Caub 260. 460
Cella St. Blasii, Kl. 41ß
Cella St. Trudperti, Kl. 416
Celle 518
Chablais 526
Chaligny, Hft. 265
Chaloi 142
Cham SQL 415. 525
Cham a von 141. 164 f.
Charudes 142
Chasuarii 141
Chatten 140. 164 f.
Chattunrier 164 f.
Chauken 14L 166
Chemnitz 482
Cherusker 14L 166
Chiavenna 280. 468
Chiemsee 46
Chimay 245
Chiny, Gft. 242
Chizzinen III
Chorin, Kl. 431
Chur, Bst. 27ä 416
Churrätien 468
Churwalchen 182
Churwalden 468
Cilli, Gft 428
Circipaner 122
Cismar, Amt 536
Cismar, Kl. 423
civitas 132
Cleberg, Gft 212. 212. 222
Clermont, Gft. 245
Cleve, Hzgt 250. 455, 533.
605
Cloppenburg 232. 442. 452
Clus, Kl. 419_
Coblenz 150. 255
Coburg 318. 530. 526
Colbatz, Kl. 488
Coldingen, Amt 617
Colditz, Hft. 482
Colditz, Amt 484
Colidizi 122
Colmar 271
Colmberg 296
Cöln, Ebst. 248 408, 45JL
565
Cöln, St. 150. 262, 299, 492.
583
Commercy, Hft 441
Conde 265
Condroz, Ixift. 565
Constanz, Bst. 222. 304. 41L
513
Corbach 225
Cordenons, Hft. 31Q
Corvey, Abtei 561
Crailsheim 288. 29ß
Craja, Amt 532
Cransberg, Hft. 22Q
Creina, Gft 811
Criwitz, Amt 535
Cröver Reich 255
Cuberni 14Q
Cu gern er 140 165
D.
Dachau, Gft 301
Dachsberg, Bg. 275
Dachstein 210
Dachstuhl, Hft. 52Q
Dachtmissen 517
Daesburg, Hft. 442
Dagsburg, Gft. 261
Daleminzier 122
Damm 531
Damme 235
Dänemark, Kgr. 865. ßlQ
Dänen 162
Dane wirk 126. 864
Dänischer Wohld 121
Dannenberg, Gft., Amt 222.
23L 515
Danzig 2M
Dargun, Amt 535
Dargun, Kl. 424
Darmstadt 508 f. 553
Darfs 122
Dassel, Gft. 230
Dassow 357. 535
Dattenberg, Hft. 248
Dattenried, Vogtei 268
Davos 468
Dedoschaner 128
Deggendorf 476
Deggingen, Kl. 226
Deiche 104
Deidesheim, Amt 261
Deister 68
Delitzsch 318, 482
Delmenhorst, Gft 238. 450,
518. 562
Demmin 356
Denkendorf, Kl. 282
Deodat St., Kl. 412
Depenau, Hft. 230, 331
Derenburg, Hft 488
Dessau 333, 482, 533
Detmold 281
Deutsch 122
Deutsch Leutben, Hft 592
Deutscher Orden 523
Deutsch-Ordensballeien 51$
Deutsch-Ordensgebiet 251
Deutz, Abtei 248. 262
Deventer 244
Dhaun, Bg. 252. 458
Die, Sankt 265
Diebach 260
Dieburg, Hft. 264
Diepenau, Amt 518
Diepholz, Gft. 236. 449. Efe
518. 552
Diepolsburg, Bg. 282
I Hessen 302* 312
Diessenhofen, St. 468
Dictfurt 425
Dietkirchen, Vogtei 218 *•
Dietweiler, Amt 268
Dieuze 2Ö9
Diez, Gft. 221. Mi 512
Dill, Bg. 255
Dülec, GfL 522
Dillenburg 218 f.
Dillingen, Gft. 303
Dimringen, Hft. 457 f.
Dinant 245
Dinkel 381
Dinkelsbühl, Rat. 22 7.586
Dinslaken, Hft. 251
Disentis, Kl. 222. 416
Diaibodenberg, Kl. 411
Dissen 225
Dithmarschen 236. 364, 536
Dobenau, Hft. 325
Doberan, Kl. 35L 421
Doberan, Amt 535
Dobertin, Kl. 358. 424, 535
Dobrilugk, Kl. 43Q
Dobrzin 422
Dodico, Gft. 233
Dohna, Bgft. 322, 482
Dollart 102
Dollendorf, Hft. 45L 520
Doller, Fl. 53
Dollertal 268
Dömitz 229. 231. 535
Donau 41
Donaustauf, Hft. 3D3
Donauwörth, Ret. 228. 302,
525
Donnersberg 52
Dormagen 150
Dornberg L Hessen 222
Dornberg, Vogtei 225
Dornburg 318, 32k 530
Dornstetten, Hft. 285
Dorstadt, Hft. 441
Dorsten, St. 248
Dortmund, Rst. 262, 584
Doxanen 112
Drachenfels, Hft. 248
Dratzigsee 102
Drau 4Q
hrnwehn 26
Drebber, Vogtei 23fi
Dreieich 322
Dreisam, Fl. 56
Drenthe, Lft. 564
Dresden, St. 482, 428
Dreswitz, Bg. 2fiQ
Drewenz 103
Driedorf, Amt 218 f. 512
Driesen 420,
DrObeck, Kl. 420
Duderstadt 22*, 264
Index.
Dümmersee 22
Dün U
Dunoi 142
Dünwerde, Hft 211
Dürkheim a. Wertach 302
Durlach 280. 4M
Düsseldorf, Amt 252
Dux 483
Dyle 108
E.
Ebbegebirge 62
Ebeleben, Amt 532
Ebenhausen, 8t. 282
Eberbach 288
Ebernburg 258
Ebersberg, Gft. 301
Ebereheimraünster, Kl. 415
Eberetein, Gft. 512
Ebingen, St. 282
Ebrach, Kl. 421
Echternach, Kl. 412.
Echzell 22fi
Eckernförde, St. 536
Eger, Fl. 84. 138
Egerland 314
Eggenstein, Amt 466
Egisheim 210
Eglingen, Hft. 515
Eglof, Hft. 515
Ehingen 285
Ehrenbreitstein 255
Ehrenburg, Amt 518
Ehrenfels, Hft. 582
Ehrenstein, Amt 532
Ehrich, St. 522
Eichsfeld 11 f. 263 f. 561
Eichstätt, Bst. 303, 411, 516.
Eider 102. 113
Eiderstedt, Ldft. 113, 3liL
425. 536
Eidgenossenschaft 275. 4<*>6.
525. 586
Eifel 62
Eigelberg 212. 305
Eilenburg 315. 334, 4M
Eilsleben 335
Einbeck 228
Einrieb 212 f.
Einzelhöfe 126
Eisack 32
Eisen 156, 208. 325, 624
Eisenach 530.
Eisenberg 445. 530, 521
Eisfeld 218, 531
Eislingen 281
Eitting, Hft. 3ül
Elbe 23
633
Elbenau, Amt 32L 528
ElbBandsteingebirg 11
Elbstein, Bg. 260
Elchingen, Kl. 523
Eldagsen 488
Eldena 231 424. 535
Eidenburg 352
Elgersburg, Schi. 318
Elisii 142
Ellar, 442, 512
Ellwangen 513
Elsafs 26L 50L 526
Eltville 263
Emblichheim, Amt 240, 452
Embscher, 62. 138
Emden, Amt 4M
Ems, Flufs 88
Ems, Vogtei 218 f.
Engadin 468
Engelburg 268. 416
Engelthal 225
Enger, Amt 231
Engern 166
Engers 255
Ensisheim, Hft. 268, 463
Entlebuch 461
Enz, Fl. 52
Enzberg, St. 214
Eppan, Gft. 312
Eppenstein (Eppstein) 22L
440. 553
Erbach, Gft. 215, 518
Erbtruchsessen 515
Erding 302
Erft, El. 64
Erfurt, St. 211. 263 f. 561
Erlaf, Fl. 43
Ermannshausen, St. 318
Ermland 352, 436, 423
Erneck, Hft. 415
Erpel, Hft. 248
Eruli 142
Erwitte 232, 242. 511
Erx leben 334
Erzgebirge 16
Eschenbach 260 f. 222 306
Escherde, Kl. 412
Eschwege, Amt 228, 608
Esens 453
Esmanz, Vogtei 265
Esselbach, Vogtei 212
Essen, Abtei 402, 561
Essen, Bg. 239
Eislingen, Ret. 228, 585
Esterau, Hft. 218, 442
Etsch, Fl. 32
Ettenheimmünster, Kl. 415
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634
Index.
Halingen, Amt 28SL 466
Eucharius, Sankt, Kl. 412
Eudoses 142
Europa 25
Everschop, Insel 365
Everstein, Gft. 222. 44k 488.
51fi
Exter 253
F.
Faimingen 286. 475
Falkenberg L SchleB. 346
Falkenbcrg L Leuchtenbg.
30(1
Falkenberg L Lippe 232
Falkcnhngen, Kl. 231
Falkenstein, Ilft. 212
Falkenstein, Gft 520
Falster, Insel HS. 611
Fanü 113
Fecht, FL 53
Fehmarn 12L IM. 536
Feldberg 535
Feldkirch, Gft. 302 f.
Fenestrange, Ilft. 463
Feuchtwangen, Hst. 222. 413
Feuchtwangen, Kl. 417
Fichtelgobirge 15 f.
Fildern 53. 283
Fils, Fl. 52
Finne U
Finow-Kanal 549
Fischbeck, Vogtei 513 f.
Fischland 122
Flabemont 265
Flachs 153. 388. 600
Fläming 9Ü
Flandorn, Gft. 245. 565
Fleckenstein, Hft. 222. 4Ü4 f.
Flensburg, St. 425. 536
Flensburg, Amt 536.
Fletheti 244
Flevo lacus *iL IM
Fli IS6
Flochberg, Hft. 22ß
Flonheim, Hft. 256. 45fi
Florimont, Hft. 2fi2
Flügolau, Gft. 288
Föderau n, Schi. 234
Fohr 113. 335. 424
Fohrdon 12Q
Forchheim 21L 224. 223
Forst 283
Forst bei Hagenau 322
Fossa Drusiana 88
Franchimont 565
Francis 181
Franconien lflfl
Franken, Ld. u. Volk 134.
183
Frankenberg 213
Frankenburg, Hft. (strafsbg.)
220. 464
Frankenburg, Schi, (bambg.)
221
Frankenhöhe 58
Frankenstein L Schles. 344.
m.
Frankenthal, Kl. 414
Franken wald 24 f. 322
Frankfurt a. M. 262. 422. 583
Frauenfeld, St. 468
Frauenstein, Schi. 483
Frauenthal, Kl. 41S
Frauenzimmern, Kl. 415
Freckenhorst, Kl. 402
Fredelsloh, Kl. 230
Freiberg, St., L Saclisen 396.
624
Freiburg L Cchtland 274. »RH
Freienfels, Bg. 218
FreiHing, Bst 303. 423. 581
Freistadt, St. 425
Freistadt, Hft. L böhm. Schle-
sien 522
Frenswegen, Kl. 240
Freudenberg ;Gft. Wertheim)
222. 422. 521
Freudonstadt, Amt 283
Freudenthal, Hft. 522
Freyhan, Hft. 604
Friaul 122. 184. 521
Friedberg L d. Wctterau 263.
584
Friedaberg L NM. 332
Friedeborg, Bg. (SchleB.) 348
Friedeburg, Schi. 452 f.
Friedeck, Hft. 522
Friedingen, St, 28L 284
Fricdland 535
Friedrich - Wilhelm« - Kanal
660
Friesen 162
Friesheim 24S
Frisches Haff 126
Frisiavones 141
Frisii 141
Friesland 186. 455. 564
Frisoythe 939
Fritzlar, Kl. 264. 4_Ci
Froberg, Hft. 268
Frohburg, Gft. 222
Frouard, Bg. 266
Fug^er .F>7n
Fulda, Fl. 62
Fulda, Abtei 225. 413, 555
Fundusoi 112
Fünen, Insel 118. fill
Fürstenau, Bg. 235
FOrstenberg (Dassel) 2X1
Fürstenberg, Bg. L Schles.
344
Fürstenberg, Bg. L d. Pfah
260. 452
Fürstenberg, Gft. L Schwaben
284, 42L 524
Furstenberg, St. L Waldeck
225
Fürstenberg (Mecklenburg*
535
Furt 425
Füssen, Kl. 411
«.
Gabreta 26. 138
Gadebusch 352. 3iiL 535
Gail, Fl. 41
Galindien 125* 352. 423.
Gallen, Sankt, Abtei, 212. 202.
415. 167. 582
1 Gallen, Sankt, St 582
1 Garns, Ldvgt. 588
Gandersheim, St. 228.
\ Gandersheim, Kl. 419
Gangelt, Hft. 442
Ganghofen, Hft. 304
Garbstedt, Kl. 420
Gardelegen 228
Garmisch 303
Gartow, Schi. £29 f.
Garz 534
Gaster, Ixivgt. 588
Gaugeographie 120
Gaugrenzen 122
Gebweiler, Vogtei 262
Geest 104
Gehmen, Hft 445. 514. 5&
Gehren, Amt 532
Geisenfeld a. d. Um, Kl. 42£
Geisenheim 263
Geislingen 286
Geisenhausen, Gft 303. 3QI
Geldern, Hzgt. (Gelderland.
243. 454 f. 563— 565
Gellep 150
Gelnhausen 222. 262
Gemünden 439
Generalitätslande 563 f.
Genevois 526
Genf, St. 15L 462. 52fL 5ffl
Genf, Bst. 228
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Index.
635
Genfer See 35
Gengenbach, Kl. 223. 415,
574
Gengenbnch, Rat. 214,280.
586
Georgenberg, St., Kl. 422
Georgenthal 53Ü
Gepidi 142
Gera, Hft. 484, 571
Gerhausen, Bg. 2M f.
Germanen JUS
Germanien 137
Gennersheitn 150. 459
Gernrode 333. 533, 522
Gernsbach, Hft 4££
Geroldseck 27jL IGü
Gerolstein 254. 457. 520. 566
Gersprenz, Fl. 62
Gerterode, Schi. 486
Gicbichenstein 334
Gieboldehausen 228, 264
Giechburg, Sehl. 294
Giengen 2SQ. 286. 293. 425.
586
Giefsen 2lfif. 552
Gifhorn 228
Gilbertsweiler, Bg. 265
Ginsberg, Bg. 218 f.
Glaadt 254
Glarus 215. 211. 588
Glatz, Gft. ÜÜ1
Glntzer Neifse 98.
Glaucha, Kl. 428
Gleiberg, Gft. 217, 212, 510
Gleichenstein 2tü
Gleink, Kl. 426
Gleifsberg, Gft. 21L 322
Gleiwitz 343
Glesin, Bg. 221
Glin 838
Glogau 34JL 422. 52fi
Gmünd, Rat -298. 586
Gnadenthal, Kl. 418
Gnesen, Ehst. HL
Gnoien 358, 535.
Goar, Sankt 22L 412
Godesberg, Amt 248
Göhrde 9fi
Gold 156. 208. 395. 624
Goldbach, Hft. 462.
Goldberg L Schles. 343f.39ß
Goldberg L Meckl. 358, 535
Goldene Aue 21
Gollnow 534
Goltern 23Q
Gommern, Amt 321 528
Göppingen 28Q
Gorkau, Kl. 435
Gürlitaer Neifse 1Q0_
Gorz, Kl. 412
Göns, Gft. 418.
Goseck, Kl. 420
Goslar, Ret. 332. 584
Görsweinstein, Schi. 224
(iotha 318, 530. 596
Gothen 142
Gottau, Amt 321
Gottesgnaden, Kl. 428
Gotteshaus-Bund 468, 582
Gotthard 32, 403
Göttingen, Frst 228. 515
Gottorp 425. 536
Graben, Amt 466
Grabow, St 231
Grabow, Amt 535
Gräfenhain ichon 481
Grafschaft 121
Grandson, Ldvgt. 5Sft
Grassauertal 302
Grata 341
Grauer Bund 468, 582
Gravenstein, Hft. 522
Greene, Bg. 23Q
Greetsiel, Amt 4f>3
Greifenberg 343
Greifenstein,Amt(Solms)220
Greifenstein, Bg. L Thür. 325
Greifswalder Oie 121.
Greiz, Hft 181
Grewismühlen 35L 535
Greyerz, Gft 228
Grimbergen, Hft. 235. 442
Grimburg, Amt 255
Gröbzig 333, 533
Grohnde 222. 488. 516
Groitzsch 316
Grobe, Kl. 4X1
Grone, Pfalz 228
Gröningen, Kl. 420
Groningerland 244. 564.
Grofsbodungen, Amt 532
Großenhain 482
Grofser St. Bernhard 160. 403
Grofs Polen 342, 608
GrofBwin 356
Grottkau 343 f. 348
Grubenhagcn 222. 515. 558
Grumbach, Amt 458
Grünberg L Schles. 343 f.
Grünberg L Hessen 213
Grund, St. 516
Grünhain, Kl. 422
Grüningen 220
Grüningen, Hft L Schwz. 432
Grüssau, Kl. 435
Gudensberg, Gft. 215
Guhrau 343 f
Guldholm, Kl. 432
Gundelfingen, Hft. 425, 514
Gundremmingen 286
Günthersberge 482, 533
Günzenhausen, Amt 226
Gurk, Bat 425
Güsten 48J)
Güstrow, St. 352
Güstrow, Amt 535
Gutenzell, Kl. 524
Gttterswyk 452
Gützkow 356
IL
Haag, Gft. 582
Haar 62
Habend, Ldft 265
Habichtsberg 289
Habichtswald 6fi
Habsheim 268
Ilachberg, Mgft 223. 465 f.
521
Hachenburg, St. 224
Hadamar 224. 442, 512
Hadeln 552 -
Hadersleben, St 494 f. 536
Hadmersleben, Kl. 42ü
Hadmersleben, Gft. m
Hafer 153. 388. 429
Hagenau 221, 428
Hagenburg, Amt 514
Hagenmünster b. Mainz, Kl.
334
Haichenbach, Hft. 304
Haiger 218 ff.
Haigerloch, Hft 283. 422
Hain, St 219 f.
Haina 218
Hainau 343 f.
Hainich 21
Hainleite 21
Haiterbach, St 282
Halagestadt 211
Halberstadt, Bst 420. 528
Halberstadt, Frst 604
Haldensleben 335
Hall a. Kocher, Rst 298. 585
Hall L Tirol 312
Halle 209. 253
Hallein 202
Hallerburg 488, 516
Hallermund, Gft HU
nallerspring, Bg. 488
II:illsU»dt 209
■
636
Hallstätter See 42
Hals, Gft 306, 415
Hanialant 243
Hamburg, Rst. 2ÜL 450. 498,
584
Hainburg, Bat 422
Hameln, St. 222
Hämelschenburg 229. 516
Hanau, Gft. 292 f . Ml 502.
Hanau-Lichtenberg, Hft. 553
Hanau-Münzenberg, Gft. 552
Hannover, Kfrst 556
Hanstein, Hft. 264
Haold, Gft. des 222
Harbach, Hft. 301 302
Harburg, Hft. L Öttingen 296
Harburg a. Elbe 515
Hardeck, Gft. 322
Hardegsen, Schi. 228
Hardenberg, Hft 264
Hardt, Aiut 24 m
Hardt 51
Harfenberg, Bg. 2ßQ
Harii 142
Harlebucht Iii
Harlingerland 520
Harste, Schi. 228
Hartenburg, Hft 261
Härtfeld 296
Harz 69. 155. 393
Harzburg 228, 446
Harzgerode 489, 523
Harzheim 254
Hasbain, Gft 565
Haselach, Kl. 415
Haselbach Kl. 293
Hasenried, Kl. 412
Hasenwinkel 228
Haslach 282, 286
Hasleben, Vogtei 532
Hafsberge 52, 392
Hatten, Amt 465
Hatzburg, Amt 536
Haufendorf 195
Hausbreitenbach 530
Hausen, Hft. 5T4
Hausen, Hft. L. Limburg 528
Hausruck 43.
Hautsmor 294
Havel 96
Havelberg, Bst. 340. 431
Havelland 332
Havelluch 619
Heberberg 60
Hechingen 284. 524
Hedersleben b. Eisleben, Kl.
420
Index.
Hegau, Lgft. 418 .
Heggbach, Kl. 574
Heide zu Koyne 323
Heideck 522
Heidelberg 259, 459
Heidenburg, Hft. 302
Heidenheim 286
Heidesheim, Hg. 258
Heilbronn, Rst 289, 586.
Heiligenberg, Gft 30L 514
Heiligenhafen, St. 536
Heiligenkreuz, Kl. (Passau)
426
Heiligenkreuz b. Meilsen,
Kl. 430
Heiligenstadt 264
Heilsbronn, Bg. 303
Heinrit-hau, Kl. 310. 435.
Heisterbach 225.
Helbe 22
Heldburg, Amt 318
Heldrungen, Hft. 482
Helfenstein, Gft. 2SS, 471.
Helgoland 115
Hellberge fifi
HellenBtein 286
Hellweg 402
Helmarshausen, Kl. 617
Helme 22
Helmstedt 442
Helvecones 142
Helvetier 138
Hemau, Amt 475
Henneberg, Gft. 289, 528.
594
Hennegau, Gft. 246, 565
Herbermark 219
Herbornermark 212
Herford, Kl. 561
Heringen, Schi. 486 f.
Hermannstein, Bg. 220
Herminones 139
Hermunduri 141
Hernspurg, Bg 260
Herrenalb, Kl. 282, 415, 524
Herrenaurach, Kl. 421
Herrenberg, Bg. 462
Herrenbreitungen, Vogtei217
Herrenried, Kl. 411
Herrenstein, Hft. 464
Herrioden, Amt 226
Herrnstadt 343 f. 522
Hersbach, Hft. 248
Hersbruck, Vogtei 302
Herschbach, Hft. 443
I Hersfold, Abtei 225. 413. 508.
552
Heruler 142. 168
Heraberg 228
Herzfeld, KL 4üü
Herzogenbuchsee 228.
Herzogs hall 209
Herzynischer Wald 29
Hessen, Volkst 165
Hessen, Lgft. 215, 432
Hessen-Darmstadt I^rft 5C£i
552
Hessen-Kassel, Lgft 507.
552
Heaseweg 402
Hessigheim, Amt 524
Heuberg 58
Heuseis 221
Heveller 172, 188
Heyda, KL 439
Hiddensee, Insel 123
Hilariacum, Kl. 412
Hilchenrath, Amt 248
Hildburghausen, St 318
Hildburghausen, Hft 296,
592
Hildesheim, Bst. 330, 41>
488, 512, 592
Hildesheimer Berge 6*
Hilkenrod, Schi. 224
Hillersleben, Kl. 420
II il polt stein üä
Hils 68
Hilsbach, St. 26Q
Hilwardshausen, Kl. 2.?< >
Himmelpfort, Kl. 43L 49L
404
Himmelwitz, Kl. 13ü
Hinterer Wald 25
Hinterpommern 356 493. 507
Hippoltstein 26L 022
Hirschau, Kl. 260. 282, 411
Hirschberg, Hft (Eichstätt
am
Hirschberg L Schi. 343
Hirschberg L Vogtl. 531
Hirschhorn, Hft 523
Hitzacker, Amt 229, 515
Hochberg, Mgft 273. 4hb, 511
Hoclispessart 56
Hochstaden, Gft 253 f.
Höchstadt, Schi. 224
Hochstetten, Amt 466
Hodenberg, Hft. 235
Hofgeismar 230
Hofstetten 292
Hohe Acht gS
Hohenasperg 2<S,'j
Hohenberg, Gft. 283, 4IL 521
d by Googlei
Index.
637
Hohenbüchen 230
Hohenburg a. d. Nordgaue,
Gft. 304
Hohenburg a. Inn 304
Hoheneck, Bg. 282
Hohenembs, Gft. 575
Hohen-Geroldsegg, Gft 466,
575
Hohenlohe, Gft. 2SL 424.
677
Hohenrod, Bg. 274
Hohensolms, Amt 220
Hohenstaufen, Bg. 5& 28Q
Hohenstein L Katzenelnb.,
Schi. 222
Hohenstein L Oberpfalz
26i. m
Hohenstein, Gft. 322
Hohentrüdingen, Amt 2116.
413
Hohen- Waldeck, Hft 583
Hohenzollern, Berg fig
Hohcnzollern, Gft. 412. 524,
51i
Hoher Meifsner 66
Hohes Venn 63
Hohkönigsburg, Schi. 463
Hoh-Königsburg, Hft 2Z2
Hoh-Undsberg, Hft 268
Hohnstein, Gft. 322. 482. 599
Hoh-Rappoltstein, Bg. 269
Holceten 162
Holland, Gft 242, 454. 563
Hollerland 238
Holstein, Gft, Hzgt 362,
3ß4. 424. 6m m f .
Holt säten 162
Holzapfel, Gft. 560
Holzheim, Gft. 282
Holzminden 229
Homboiken 230
Homburg, Hft. 230. 488
Homburg v. d. IL 460, 509
Hönau, Kl. 4JÜ
Honhard, Bg. 28H
Höningen, Kl. 414
HoogHtraten, Hzgt. 564
Hoorn, Gft. 565
Hopfenohe, Gft 305
Horb, Amt 283 f.
Horburg, Gft. 262, 463
Hornbach, Kl. 412
Hornburg-Celle, Kl. 42Ü
Horrheim, St. 282
Horsbüllharde 365
Hömel 22
Höreelberg 21
Hotzenplotz 98
Hova, Gft. 235, 442. 515.
518. 559
; Hoyerswerda 4M3
Hoym 482, 538
Hückeswagen, Amt 252
Hüls, Hft. 248
Hümmling 82
Hundsrück 62
Hüneburg, Hft 4fifi
Hunolstein, Vogtei 266
H uns rück 62
Hunsrück, Schi. 331
Hunte 92
Hunteburg, Amt 235
Hürnheim, Hft 206.
Husum, 8t. 536
Husum, Amt 425, 536
Hütten, Amt 495. 536
Hüttenberg, Amt 212
Huy 62
Huysburg, Kl. 420
L
Iberg, Amt 466
Iburg L Baden 274
Iburg (Osnabr,) 235
Ichstedt, Schi. 4*5
Ichtershausen 312. 530
Idarwald 322
Idstein, Hft 212. 610
Ihna 10Q
Ijssel 106
Iiier 39
Ilm, Flufs 22
Um, Amt 532
Ilmmünster, Kl. 421
Dow, Bg. 351
Ilsenburg, Kl. 42Q
Immedeshusen, Gft 233
Inden, Abtei 566
Ingaevones 139
Ingolstadt 475
Ingweiler, Amt 165
Inn 40
Inneröstorreich 590
Innerste 20
Innviertel 302
Inster 103
Insula Batavorum 141
Ips, Fl. 4S
Inneishausen 282. 291
Irsoe, Kl. 513
Isar 32
Isenburg, Gft 443. 555
Isenburg-Büdingen, Gft. 222.
443
Isengau, Gft. 304
Isenhagen, Kl. 412
Isenheim, Hft 268. 463
Iser 80. 138
Isergebirge 80
Isny, Rst 5J5ü
Issum, Hft. 248
Istacvones 132
Ith 68
Itter, Hft. 217. 608. 563
Itzehoe, Kl. 423
Itzehoe, St. 495. 536
J.
Jabel, Ldft 231
Jado Ul
Jitgerndorf 424. 48L 522-
522. 603
Jagst, Fl. 52
Jauer, Frst 343 f. 603
Jauernick, Schi. 348
Jazza, Amt 225
Jena 530
Jerichow 334
Jeschkenberg 28
Jeser Marken 533
Jeverliind, Hft. 452. 518. 561
Jockgrim 264
Johanneskloster b. Magdebg.
428
Johanneskloster z. Schleswig
437
Johnstein, Schi. 304
Jugenheim 225
Jugenheim, KI. 334
Juist 102
Julbach, Hft. 415
Jülich, Hzgt. 25L 455. 522.
533. 562
Julier 16L 404
Juliushall 5_L6
Junge Pfalz 460. 426
Jungnau, Hft. 574
Junkerrath, Hft 254, 45L
520
Jura 58
Justingen, Hft. 282
Jutae 162
Jüterbog, Kl. 431
Juthungen 166
Jutia 162
Jütland 116. 169. 365. 6JJ
Juvavum 151
Kadolzburg 295
Kaetzis, Kl. 416
638
Index.
Käfernburg, Gft. 325, 482,
532
Kahla 325, 182
Kail, Hfl. 151
Kaisersheim, Kl. 573
Kaiserslautern 459
Kalden, St. 36Q
Kaldenhorn, Hfl. 248
Kaldenstein, Schi. 34«
Kallreifferscheid, Hft. 24g
Kaimünz 302
Kalsmunt 22Ü
Kamenz, Kl. 435.
Kamin, Bst. 356. 432
KammerHee 43
Kamp, Kl. 24S
Kampoi 142
Kanäle 542
Kappeln, Amt 268
Kjirantanien 185
Karantanisrhc Mark 31Ü
Karawanken 41
Karbonen 125
Kärnten, Hzgt. IM, 310. 590
Karrharde üiiü
Kartoffel 62Q
Kasehuben 120
Kassel 216. 43a
Kaaselburg, Hft. 520
Katlenburg 228
Katzhach 98
Katzenelnbogen, Gft. 22L
440. 442. 508. 553
Kaufbeuren, Rst. 222- 586
Kaufunger Wald ß6
Kelhra, St. 48fi f.
Kelheim, Bg. 301
Kellerwald 62
Kelsterbach, Amt 5Q9
Kelten 138
Kemnade, Kl. 23Q
Kemnat, St. 459
Kempen, Amt 248
Kempenich 223
Kempten a. d. liier, Kst. 151.
299. 586
Kempten, Abtei 416. 573
Kenzingcn, St. 2Z4
Kerpen, Gft. 254, 520. 566
Keula, Amt 532
Kiel, Amt 536.
Kiel, St. 425, 58fi
Kietze 380
Kiffhausen, Bg. 328
Kimbern 142
Kinnemerland 242
Kinzig, Fl. 56. 52
Kirburg, Amt 458
Kirchberg L Sponheim 255
Kirchberg, Bg. bei Lohra
325. 328
Kirchherg, Hft. am Hunsrück
452
Kirch berg-Bran den bürg, Gft.
286. 471
Kirchheim, Hft. 510
Kirchheim, St. 2*L 4G9
Kirchsahr, Hft. 248
Kirnberg, Hft. 274
Kirrweiler, Amt 264
I Kirachgartcn, Kl. 414
| Kissiner 171 351
! Kissingen 202. 22L 296
I Kitzbühel 302. 475. f. 428
1 Kitzingen, Kl. 418
| Klausthal 516
Klein Bullesheim, Hft. 248
Kleinbmgund, Gft. 278
i Klein-Mariazell, Kl. 426
j Klein-Polen 60S
Kleiner St. Bernhanl 160
Kattenberg, Hft. 32L 605
Klima 131
Kling, Amt 415
Klingenmünster, Kl. 417
Klodnitz 28
Klusterneuburg, Kl. 426
Klüt/. 351
Kniphausen, Hft. 452, 518.
562
Knüllgebirge 6fi
; Kobandoi 142
I Kochelsee, Kl. 412
I Kocher, Fl. 52
Kolberg 202. 356
Komburg, Kl. 418
Kondelwald 321
Köiiitfsber^r L Neumark 33ä
Königsberg L Grabfeld 296
Königsberg i, Solms 220
Königsberg L Preufsen 607
Köni^sburg. Hft. 463
| Königsfriesen 3<>5
i Königshofen 289, 221
Köni^rstein, Bj;. zu Falken-
stein 212 ff. 4SI
Köniirstein L Sachsen 482
Könitfswinter, Hft. 248
Könitz, Amt 532
Konstadt 344
Kornelimünster, Abtei 253.
566
Kosel 346. 481
Köslin 356
Köstritz 531
Koswig 333. 482. 533
Kothen 333, 482. 533
Kottbus 4üü f.
Kraiburg, Hft. a. Inn 304
Kraichgau 55
Kraienfeld, Vgt. 4Ü9_
Krain, Hzgt. 186. 31_L 52ü
Krainbery ">."><)
Kranichfeld, Hft. 326, 48«
Kreiseinteilung 43^
Krempe, St 536
Kremsmünster, Kl. 426
Krenkin^en, Amt 287
Kreuzberg 254
Kreuzburg 343 f. 530
KreuzkJoster b. Braunscbw;:
419
Kreuznach 255
Krichinfien, Gft. 510
Krkonos 80
Kronach 294
Kronenburg, Hft. 520
Kron-Flandern 246
Kroppenstedt, Gft. 333
Krassen 343 f . 42Q
Krummer Rhein 88
Küddow 102
Kufatein 302. 415
Kujawicn 350
Kulm, Bst. 436
Kulmbach 225, 326. 5H
Kulinerland 352. 423
Kupfer 156 f. 325, 624
Kuppenheim, Amt 466
Kurisches Haff 122
Kurpfalz 458. 521
Kurs: ich neu 5ii2
Küfsnacht, Hft. 461
Küstrin 332
Kyburg, Gft. 228
Kvffhäuser IL 4 85
Kyll, Fl. 64
Laacher See 63.
Laaland, Insel 1 18. 611
Lachem, Vogtei 513
Ladenburg 150. 4M!
Laesö 118
Lahn, Fl. 62
Lahnstein 263 f.
Lahr, Hft. 248. 466
1/amspringe, Kl. 419
Landau, Schi. L Waldeck
225
Landau, Bg. L Wirtembg. X)
d by Goog\p
Index.
6H9
Landeshoheit 211
T^indesser, Bg. 200
T.Andgraben 100
Lnndsberg, Ilft. L Elsafa 268.
463
Landaberg, Schi. L Sachsen
316
Landaber« L NM. 332
Landsberg L ßchlea. 344
Landaber« L Pfalz 460. 522
Landser, Ilft. 268. 462
Landshut 313.
Landstädte 383
Land Wirtschaft 151 . 200. 38JL
128, 512. 616
Langeland, Insel Qll
Landen, Kl. 409
Langenburg 288
Langendorf, Kl. 429
Langensalza, St. 318
Lumrenstein, Gft. 522
Langensteinbach 521
Langenzenn 235
Langeoog 109
Isingheim, Kl. 421
Lungl und 118
I.angobardi 142
Langwedel, Ldft. 238, 150
Largitzen, St. 26s
Laubach 1 Münzenberg 22Q
Laubachbucht 186, 24Ü
Lauchstädt 312
Laudenbach, Bg. 222
Laudenbach, Amt 472. 524
Lauenau, Amt 231. 514
Katlenburg, Hzgt. 361
I.auenförde 230
iAiienrode, Gft. 230. 3J1
Lauenstein (Hamburg) 230.
516
Ijuienstein, Hft. (Orla-
münde) 326
Ijuienstein (Hildesh.) 488
Uufcn, Rat. 298
Duingen 302. 475
Lausanne 151
I.ausanne, Bat. 228
Lausitz 182, 316. 312. 521
Lausitzer Platte Z8
Lautenthal, St. 5IH
Lauter, Fl. 53
läutern, Frst. 569
Lauwerzee 186. 240
Uvant, Fl. 11
Uvant, Bat. 425
Lurant, Gft. 304
Laweke 241
I Leba 102
j Lebenau, Gft. 801
j Leber, Fl. 53.
Lebus, Bst. 340, 435
I.ebua 338. 31Ü
Lech 32
l.echenich, Amt 248
Lechteraeite 238
Leck 442
Leerort, Amt 45Ii
Lehnin, KI. 430
Leine 22
Leiningen, Gft. 26L 46L
523, 520
Leisnig, Amt 484
Lcitomischl, Bst. 434
Lek 88.
Lembach 258. 222. 282
Lemförde, Amt 236
Lemgo 232
Lengen, Amt 453
Lennep, Hft. 512
Lengcnerland 453
Lengenfeld, Amt 475
Lenne, Fl. 62
Lentienses lfiß
Dönberg, Gft. 304
i Leonberg, Hft. 301
Leubus, Kl. 220, 4,'if,
Leubuzzen 122
| Leuchtenberg, Gft. 305. 525.
582
Leuchtenburg 325, 482. 530
Leutenberg, Amt 532
Leutershausen 289. 226
I^utkirch, Rst. 222, 586.
Levbucht 110
Lieh, St. 220
Lichtenberg L Katzenelnb.
222
Lichtenberg, Schi. b. Hildes-
heim 228
Lichtenberg, Hft. L Veldenz
258
Lichtenberg, Bg. ob Botwar
882
Iichtenberg L Henneberg
282
Lichtenberg, Bst. Regens-
bürg 303
Lichtenberg, Hft. L Elaafs
212. 465. 502
Lichtenock, Hft. L Breisgau 1
Lichteneck L Hohenlohe 288
Lichteneck L Pfalz 261
Lichtenfels, Schi. 225, 221
I.ichtenatein 26JL 322
Liebenau, St. 512 f.
Liebeneck, Hft. 224
Liebenstein 318. 325
Liebenzell, Amt 466. 524
Liebesberg, Amt 218
Liechtenberg, Hft. 475
Liechtenstein, Frst. 525
Lied bergen, Amt 248
Liegnitz 343 f. 422. 526, 603
Lienen 232
Liesborn, Kl. 109
Lieser, Fl. 64
Lies, St. 352
Ligonen 121
Lijmfjord 117
Limber, Gft. 230
Limberg, Amt 235
Limburg, Hft. 222. 628
Limburg, Hzgt. L Brabant
245, 564
Limburg L Ruvonsbg. 253
Limes, römischer LH
Limes Saxonicus 116
Limmer, Gft. 230
Limpurger Berge 58
Lindau, Rat. 222, 586.
Lindau, Abtei 5JJ1
Lindau, 8chl. L Eiohafeld 331
Lindau j. Anhalt 533
Lindenfela, Bg. 260
Lingen, Gft. 45L 512, 6M
Linonen 171
Linz, Amt 248
Lippe, Gft. (Frst) 23L 445.
513. 556
Lüppehne 322, 482
Lipperode 232. 513
Lirsberg 218. 5M
Litauen 422
Liutizen 121
Livinental 462
Lobdaburg, Gft. 323. 325
Lobeda 630
Lobenstein, Hft. 323, 484,
Ixjcarno, Ldvgt. 468. 589.
Lohe 28
Lohr, Bg. 288
Lohra, HK 382. 528. 605
Loisach 32
Lommersum, Gft. 566
Longobarden 162
Longuion, Hft. 266
Looz, Gft. 565
Lorch, Kl. 280. 282.
Lorach, Kl. 263. 225. 282. Hü
640
Index.
I.£schgau, Amt 524
Loslau 346. 603
Lothringen 1BJL 265. 462
Idenburg 252. 255
Löwenstein, Gft 286. 524
Löwen stein er Berge 58
Lowerzer See 32
Lübbeke 234
Lübbesee 102
Lübeck, Bst. 42L 610
Lübeck, Rat 332. 428. 583
Lubus 344
Lübz, Amt 535
Lüchow, Amt515, s. auch Gft.
Löchow, Gft. 222 f.
Luenstadt, Gft. 265
Lugano, Ldvgt. 468. 582
Lugii 142
Lügumkloster -ML 425. 536
Luizhard 322
Lukmanierpafs 403
Lülsdorf, Amt 252
Lund, Ebst. 436
Lüneburg-Celle, Frst. 515*
55*
Lüneburger Heide 92. 323
Luneville, Gft. 265
Lupfen, Bg. 281
Luppurg, Hft 304
Lurnfeld, Gft 223
Lusizer 172
Lützelburg, Hzgt. 241. 454
565
Lutter a. Barenberge 331 . 511
Lüttich, Bat. 245. 4QÜ 4LL
565
Lützelstein, Gft. 266
Luzem 275 f. 467. 587
Luxemburg, Hzgt. 565
Lychen, St. 358
31.
Maare 63
Maas 04. 8L 108
Maastricht 245
Machtenstede, Hft 235
Maden, Gft. 215
Madenburg, Amt 265
Madüsco 102
Magdala 530
Magdeburg, Bggft. 32L 335.
593
Magdeburg, Ebst 334 f. 421
Magdeburg, Hzgt. 604
Magdeburg, St. 2JLL 222
Magenheim, Hft. 286
Magetheide 23. 393
Malilberg '2iML 4ÜÜ. 510
Mähren 8L IIB. 314. 522
Maienfeld 224
Main 52. 138
Mainberg, Amt 422
Mainhardter Wald 58
Main- Wenden 174
Mainz, Ebst 2B1L 412, 458.
522. 562
Mainz, St 222. 498
Malapane 28
Malchen 57. 222
Malchin 35L 525
Malchow, St 35L 535
Malmedy, Abtei 253
Manderscheid, Hft. 25A 45L
520
Mannheim 459
Mansfeld, Gft. 32L 486. 528,
524, m
Mansfelder Seen 13
Marbach 28L 460
Marburg 216. 44 Q, 508
Marburg 311
March 84. 113
Marchthal, Kl. 524
Marcomanni 111
Maresdiep 241
Maria-Laach, Kl. 412
Marienberg L Vintschgau,
Kl. 422
Marienborn, Kl. 420
Marienburg L OP. 492
i Marienburg, Amt (Hildesh.)
448
Marienfliefs, Kl. 432
Mariengarten, Kl. 419
Marienkamp, Kl. 402
Marienrode, Kl. 419
Marienstern, Kl. 430
Marienstuhl, Kl. 420
Marienthal, Kl. 409. 43ü
Marientraut, Amt 264
.Marionwerder, Kl. 431
Mark 250. 455. 533. 605
Mark gebiete 115
Markgröningen, St 282
Markolsheim. Amt 269
Markomannen 168
Markwardstein, Hft 304
Marley, Pfalz 222
Marmagen, Hft 248
Marlow, St. 362. 535
Marne IIS
Marschboden 104
Marschhufendorf 380
Marsi 140
Marstetten, Gft. 282. 302
Martin, St., KL 412
Masmünster, Hft. 2ß8_. 463
Masmünster, Kl. 41 f.
Masowschanen 173
Masowien 351
Massenheim 221. 202
Mafsfeld, St. 291
Masurischer See 103
Matrei, Gft. 312
Mattiaci 140
Malt nun 140
Mattsee, Hft 426
Mattsee, Kl. 426
Mauersee 103
Maulbeerbaum >320
Manlbronn, Kl. 414
Maursmünster, Abtei 271.
415. 464
Maximin, Sankt 255. 412
Maxsain 224. 256
Mayenfeld, Hft. 308
Mecklenburg, Hzgt 356. 484
534
Mecklenburg, Bst. 423
Mecklenburg-Schwerin.Hzgt.
fiüs
Mecklenburg-Strelitz, Hzgt
608 f.
Meerhausen, Kl. 402
Megingaudeshausen, Kl. 41§
Mehrerau, Kl. 427
Meiningen 289. 422. 526
Meifsen, Bst. 32L 429. 484.
527
Meifsen, Mark 188. f. 312
Meifsen, Bgft. 485
Melibocus 52. 222
Mellingen, St. 589
Memmingen, Rat 299. 586
Mendrisio 468
Mengerskirchen 218 f. 441
Meppen, Amt 234
Meran 313
Merenberg, Hft 212. 212. 610
Merklingen, St 260
Merseburg, Bst. 321.428. 52L
524
Merseburg, Mark 188
Mersen 118
Merwede 82
Mesmerode, Amt 514
Metelen, Kl. 409
Mettlach, Kl. 412
Mettmann, Amt 252
Metz, Bst. 266. 412. 502
Metz 15Q
Index.
641
Meurthe, Fl. M
Michael, Sankt, Kl. 412
Michelntat 21h
Mikilinburg 111
Mildenworde, KL 122
Militech 344. ML 522
Milize, Kl. 418
Millen, Hft. 112
Millstadt, Abtei 125
Milz, Kl. 418
Milziener 112
Mimigerneford 409
Mindelberg, Bg. 282
Mindelheim, Hft. 525
Mindelhcim, St. 287
Minden, Bst. 234. 409. H8 f.
606
Mirecourt, Hft. 265
Miselohe, Amt 252
Mitteleuropa 26
Mittenwald 303
Moder, Fl. 53
Moen, Insel 611
Mohnheim, St. 475
Mohrkirchon, Amt 53fi
Molbach, Gft 252
Moldau 83
Mölln, Vogtei 361
Mompelgard 262. 420. 521
Mondsee, Kl. 42& 128
Mondsee 13
Moniort, Gft. 283. 286. 307
Monheim, Kl. III
Monheim, Amt 252
Montnfon 478
Montjoie, Hft. 2M
Moorbrücken 162
Moormerland ihli
Morawa 173
Merchingen, Hft. 157 f.
Moritz, Sankt 270
Moritzkloster, Sankt, Kl. 128
Morizaner 112
Möre, Frst. 605
Mosel 54. $11
Möfskirch, Hft 574
Moyenvic 909
MQhlberg, Amt Mi
Mahlberg, Kl. Mi
Mühlhausen (Baden) 282
Mühlhausen L Thür., Ret.
332. 584
Mahlheim, Hft. 281
Mulde 22
Mülhausen L Eis. 27(L ML
ML m.
München 475
KretDchmor, Hlatoriache G
Münchweiler, Vogtei 215
Mundelsheim, Amt 466, 524
Münden 228
Münnerstadt 282, 221
Münster, Bst. 233. 102. 148 f.
511. 560
Münster L Gregoriental, Kl.
41 5
Münsterberg, Frst 313 f.
422. 526. 603
Münstereifel 252
Münsterol, Hft 268
Münzenberg, Kl. 120
Münzenberg, Gft. 212 f . 502
Mur 4Q
Murach, Hft 301 f.
Murbach, Kl. 262. 115. 463
Murg, Fl. 5fi
Murhardt Kl. 418
Murrhardt- Wald 58, 282
Murten, Ldvgt 582
Murtensee 46
Naab 26
Nabburg, St. 26a 152
Nadrauen 352. 123
Nagold, Fl. 52
Nagold, Hft. 283
Nagold, St. 282
Naharvali 112
Nakel 311. 350.
Namen, Gft. 246
Natnslau 344
Namur, Gft. 246. 454, 565
Naristi 111
Nassau, Gft. 218. III. 510.
Nassau-Diez 551
Nassau-Saarbrücken 554
Nassau-Weilburg 554
Natangen 352. 493
Naumburg a. Bober 341
Naumburg, Bst 321. 122,
527. 524
Naun, Hft. 310
Nebra, St. 318
Neckar 59
Noersen, Hft. 248
Neifen, Hft 281
Neifse (Bst. Breslau) 347.
am
Nellenburg 28L 478, 591
Nemetes 111
Neresheim, Kl. 296
Nethe 108
Nette, Fl. 61
Netze 29
Netzedistrikt 607
Neubrandenburjr 358. 535
Noubruchhausen, 'Amt 449.
518
Neubukow, Amt 535
Neuburg b. Wismar, Bg. 352
Neuburg L Baiern 302, £22.
581
Neuburg, St. 260
Neuburg a. D., Kl. 223
Neuburg L Wirtembg. 280
Neucelle, Kl. 130
Nenchatel, Gft. 228
Neue Eide 550
Neuenahr, Gft. 253
Neuenbürg (Neufchatol) 278.
467. 589
Neuenbnrger See 15
Neuenkirchen, Vogtei 237
Neuerburg, Hft 520
NeufwUler, Hft 4M
Neuhaus, Bg. L Baiern 306
Neuhaus L Thür. 318
Neuhöwen, Bg. 287
Neukirch 218. 270
Neukirchen 218. 318. 439
Neukloster 535
Neumark 322. 190 f. 602
Neumarkt L Schlesion 343
Neumarkt, Amt (Nürnberg)
295
Neumarkt, Vogtei L Baicrn
MB
Neumünster, Amt 49.ri
Neumünster, Kl. 423
Neuschloß, Hft. 604 .
Neu-Schwalenberg, Bg. 231
Neufs, St 150. 218
Neustadt a. Rübenberge 229
Neustadt 8t. L Pf. 260 f.
Neustadt St L Hessen 261
Neustadt a. d. Orla 312
Neustadt a. M„ Kl. 418
Neustadt a. Kulm 226* 460
Neustadt L Mecklenbg. 535
Neustadt St. L Holstein 536
Neustein, Bg. 260
Neuveringen, Bg. 2R7
Neuweilnau 212. 221. HL
51ü
Neuwerk, Kl. 119
Neuwerk, Ins. 450
Nidda, Gft 217 f. 508. 553
Nidda, Fl. 52
Niddagau 220
Nied 51
41
642
Index.
Niederaltaich, KL 4M
Niederbaiern 580
Niedergermanien 144
Niederirsen 216. 440. 608
Niederlande 454. 520. ßjü
Xiederlausitz 315. 526, 528,
535
Niederlothringon 181
Niedernburg, KL' 426
NiederöBterreich 308
Nieder-Polon 608
Niederealm, Gft. 241
Niedorachlesien Ml f. 603
Nienburg, Amt 518
Nienburg L Anhalt 483
Nienburg, Gft. 230
Nienhagen, Kl. 412
Nienhue, Amt 240
Nienover 230
Nimptach 343 f.
Nimwegen 150
Nordalbingier 161
Nordeck, Schi. 234
Norden, St. 463
Nordergoeaharde 366
Norderney 109
NordfrioBiand 365
Nordgau 168
Nordhalben, Sehl. 234
Nordhausen, Rst. 332. 584
Nordheim 228. 283
Nördlingen, Rst. 298. 585
Nordmark 183
Nordsachsen 183
Nordsee 128. 400
Nordaeeküste 103
Nordstrand 113. 436. 536.
Nordwäld 7ü
Noricum 146. 184
Noriker 138
Norital 312
Nortabrezi 111
Northorn, Amt 240
Nottuln, KL 403
Nova cella, Kl. 412
Nuithones 142
Numburg, Amt 445.
Nürburg, Amt 248
Nürnberg, Bggft. 234
Nürnberg, Rst. 231. 49L 585
Nürnberger Reichswald 392
Nusplingen, St. 284
Nyon 151
O.
Ober Aula 218. 433
Oberbaiern 580
Oberbronn, Hft. 251. 212
Oberdeutsche Hochebene 44
Oberer Bund 468
Obergeldern, 601
Obergermanien 144
OberGreu 531
Oberhessen 216, 440. 508.
663
Oberkail, Hft. 521
Oberlausitz 526. 528. 535
Oberledingerland 453
Oberlothringen 181
Obermichelbach, Amt 268
Oberndorf, Hft. 281
Obernkirchen, St. 614
Obei-osterreich 308 531
Oberpfalz 26L 468. 680
Oberpfälzer Wald 15
Ober-Polen 608
Oberrheinische Tiefebene 50
Obersalm, Gft. 241. 266. 463
Oberschlesien 341. 345
Oberstenfeld, Kl. 282
Oberwerth, Kl. 412
Obodriton 111
Obornik 341
Obotritenland 361
Obra 39
Obstbau 388. 620
Ochsenberg, Bg. 214
Ochsenhausen, KL 613
Ochtum 92
Oddesund III
Odense, Bst. 436
Odenwald 56. 155. 392
Odilienberg, KL 415
Oder 36
Oderberg 414. 481. 521 532.
G03
Oderbruch 99* 619
Offen bürg, Ret. 214. 536
Ogersheim, St. 260
Ogewiller, Hft. 522
Ohlau 343 f.
Ohlau, FL 38
Öhringen 288
Oker 70
Olberedorf, Hft. 532
Oldenburg, Gft. 238. 451.
518. 661
Oldenburg L Lippe 231
Oldenburg, St. L Holst. 435.
536.
Oldenburg, Amt L Holst. 636
Oldesloe 495. 53fi
Olmütz, Bst. 433
Öls 343 f. 413. 526. 603
Ölsnitz, St. 528
Omanoi 142
Onolzbach 289. b. Ansbach
0 pol janer 113
Oppa 98
Oppeln 345. 480. 521. 603
oppidum 131
Orbe, Ldvgt 589
Orla 341
Orlamünde, Gft. 326 t
Ornbaum, Amt 236
Orne, FL 54
Ortenau 478
Ortenberg, Hft. 222
Ortenburg, Gft 304. 582
Oschersleben 335.
Osier 125.
Osnabrück, Bst. 234 f. 410.
448. 51L 561
Osning 68
Osaegk, Kl. 482
Ossiach, KL 426
Ostarrichi, Mgft 184
Osterburg, Bg. 291
Osterfrancka 183
Osterhofen, Hft. SQL
Osterhofen, Kl. 42fi
Osterland, Mgft. 315, 311
Osterode 228
Österreicb, Hzgt. 309
Ostfalen 166
Ostfriesland 240. 453. 560, ÜQ6
Ostgermanen 139
Ostmark (österr.) llfi. 184
Ostmark (Sorbenld.) 188
Ostringen, L<lft. 452
Ostsee 128. 400
Ottenbeuren, Kl. 411
Otteraberg, Sehl. 229
öttingen, Gft. 296. 414. 582
Uttinger Forst 392
Ott machau 341
Ottweiler, Amt 610
Our, Fl. 64
Ourthe 118
Over Jjssel 564
Oyte, Bg. u. St. 234. 452
P.
Paderborn, Bst. 232. 418.
448, 517_ 56a
Palberger Marken 533
Papenburg 543
Papendieck 228
Paradies, KL 370
Parchim, St. 368. 535
Parkstein 260. 306
Partenkirchon 303
Index.
643
»
Passarge 103
Passau, Bst. 304. 426» 476.
Hl
Patschkau, 8t. 344, 348
Paulinzelle, Amt 532
Paumgarten, litt. 304. 301.
475
Pausa 318. 323
Paving, Kl. 426.
Peene 102
Pegnitz 26L 30fi
Peine 33L 118
PeiBkretscham, St 34ü
PciU m f
Penzlin 351. 'ML 535
Persante 102
Pest (Schwarzer Tod) 121
Petershagen, Amt 234
Petershausen, Kl. 511
Petronell 151
Peucini 132
PfaffenmünBter, Kl. 426.
Pfaffers, Kl. 4JÜ
Pfäffikon 4fil
Pfalzer Bergland 52
Pfalzel 255
Pfalzen IBS
Pfalzfeld, Vogtei 222
Pfalzgrafenstein 260, 15 B
Pfalzgrafschaft bei Rhein
25S
Pfalz-Simmern 1BLL 522
Pfalz-Zweibrücken 460, 522
Pferdezucht 154, 203. 339.
500. 620
Pfirt, Gft. 26L 463
Pforta, Kl. 129
Pforzheim 274. 466
Pfreimt, Hft. 306
Pfullendorf, Rst. 228. 586
Pfyn IM
Pielach, Fl. 43
Pilatus 3fi
Pinneberg 511. 530
Pinzgau 12
Pirna 482
Pitschen 313 f.
Piain, Gft. 213
Plassenbarg, Hft. 225
Plattenbarg 310
Plau, St. 353* 535
Plauen, St. 528
Plauescher Kanal 621
Plech, Vogtei 302
Pleckenpafs 161
Plegnitz 260
Pleifsner Land 311
Plels 316. 181 521. 603
Plottendorf, Gft. 305
Plöner See 102
Plötzkau 482, 533
PlÖtzky, Kl. 131
Poel, Insel 351. 58&
Pogesanien 352
Polaben 121
Polabenland 35_7
Polanen 1 12
Polen, Volkst. 112
Polen, Kgr. 348. 492. 601
Polle 229
Pollingen, Kl. III
Polnisch-Krone 850.
Polnisch-Preufsen flQI
Pomereilen 253.
Pomesanien, Bst. 436
Pomesanien, Ld. 252. 493
Pommorn, Volkst. 112
Pommern, Hzgt. 251. 128,
581. 602
Poppenreut 295
Porz, Amt 252
Posen, Bst. 131
Posen, Ld. 350
Posen, St. 2M
Pottenstein, Schi. 221
Pouligny, Hft. 15fi
Prag, Ebst 133
Pramsen, St. 346
Pratigau 468
Preetz, Kl. 423
Pregel 103
Pronnberg, Bg. 203
Preseka 312
PrichsenHtadt 291
Preufsen, Volkst. 115
Preulsen 35L 122. 523.
600 ff. 607
Prignitz 331
Prozelten, Bg. 292
Prudnik, St. 216.
Prüfening;, Kl. 426
Prüm, Fl. 61
Prüm, Abtei 258. 112. 561
Pruzzi 115
Pustertal 40
Putelange, Hft 475
Putelendorf, Schi. 319
Püttener Mark 31fi
Püttlingen, Hft. 151 f.
Pyrbaum, Hft. 582
Pyrmont, Gft. 225. 415: 512
«*
Quadi 112
Quakenbrück 235
Queich, Fl. 53
Queis KH)
Quedlinburg, Abtei 522
Querfurt 330, 594
lt.
Raabs, Gft. 221
Rabenswalde, Hft. 326
Rachtig, Amt 218
Radigast 112
Radolfszell 281
Raetia 116, 182
Rahden, Amt 234
Rahnis, Amt 321
Rakatai Iii
Ramelow, St. 352
Ramesloh, Kl. 23ü
Rammelburg, Amt 528
Rammeisberg 825. 504. 516
Ramstein, Schi. 282
Randow 100
Ranen 112
Ranis, Amt 528
Hanshofen, Kl. 126
Ranzau, Rgft. Q3L 602
Rapperschweil, St 588
Rappoltstein, Hft. 262. 168
Rastatt, Amt 466
Ratibor 346. 480. 52L 608
Rattenberg, Hft. 418
Ratz, Gft 284
Ratzeburg, Bst. 360. 423.
121, 535. 602
Räuden, Kl. 435
Raugrafschaft 258
Rauhe Alb 58
Rauhenkulm, Bg. 226
Rauschenberg 439
Ravensberg, Gft. 252. 533
605
Ravensburg, Rst. 228- 586
Ravenstein, Hft. 266. 455.
533
Rechenshofen, KI. 115
Reckheim, Gft 566
Recklingliausen 248 455.
56Ü
Redarier 112. 351
Rodnitz, Fl. 6Q
Rednitz-Wenden 174
Reepsholt, Kl. 402
Rega 102
Regen 16
Regensburg, Bst. 303. 476.
581
Regensburg, Rst 151. 21L
222. 585,
41*
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644
Index.
Regenstauf 302- 425
Regenstein, Oft. 329. 482
Regnitz, Fl. 60
Regnitz Hof 325
Regnitzland 323
Rehburg, Schi. 222
Rehme 253
Reichenberg, Schi. 222
Reichelsberg, Hft. 288. 57s
Reichenau, Kl. Uli
Reichenbach, Kl. (Regcnsbg.)
42f>
Reichenbach, Kl. (Constanz)
416
Reichenhall 209. 3Q2, 392
Reichenstein, Hft. 560
Roichenwaldau, Hft. 592
Reichenweier, Hft. 28L 269
ReichB-Flandern 246
Reichsstädte 382
Reideburg, Schi. 318
Reinbeck, Amt 536
Reinbeck, Kl. 423
Reineberg, Amt 234
Reinfeld, Kl. 423
Reinhardsbrunn 319. 325,
53Ö
Reinhardswald 66. 211
Reinsberge 11
Reipoltskirchen, Hft. 520
Remagen 15ü
Remchingen, Amt 524
Remingsheim 284
Rdmiremont, Abtei 265
Remlingen 292. 422. 524
Rendsburg, Amt 53ß
Rendsburg, St. 536
Reuse, Amt 248
Rennsteig 188.
Re reger 111
Reschen-Scheideck lfij
Rethra 112
Reudigni 142
Benfe, Fl. 36
Reufs, Gft. 323, 484. 53L 522
Reuthin, KL 282, 284
Reutlingen, Ret. 298. 585
Rezat, Fl. 6ü
Rezen, Bg. 317.
Rheda 23L 45L 5111
Rheiderland 453
Rhein &L ML 64. 81
Rheinau, Amt 166
Rheinau, Kl. 41fi
Kheinbach, Amt 248
Rheinherg, Hft. 258
Rheinfels, Sehl. 222. 508
Rheingau 220
Rheingrafenstein, Amt 458
Rheingrafschaft 256. 451.
522. 570
Rheinhauson, Bg. 260. 459
Rheinisches Schiefergeb. 155
Rheinthal, Ldvgt. 588
Rheinzabern 150. 264
Rhinluch 612
Rhoden, Amt 415
Rhön 65 f.
Rhone 35
Ribnitz, Kl. 535
Richenberg, Schi. 358
Richtenberg, Bg. 281
Riechenberg, Kl. 419
Riedenburg, Amt 475
Riedern, Hft. 412
Riedgau, Amt 465
Riedlingen, St. 281
Rieneck, Gft 289, 292, 518
Ries 58. 147. 296
Riesenburg, Hft. 482
Riesengebirge 8Q
Rietbeck, Schi. 250
Rietberg, Gft. 250. 454. 560
Rigi 31
Rinderzucht 15JL 203. 889.
500. 620
Ringelheim, Kl. 412
Ringgau 66
Rinteln 509. 514
Ripen, Bst 436
Ripen 611
Ripesholt 236
Ripuaria 181
Ripuarier 165
Rischenau, Bg. 231 f.
Ritachen, Bg. 341
Ritzebüttel, Hft. 450
Riviera 4(18
Rixingen 461
RöbeL St .352. 359
Rochefort, Gft, 481
Rockenstein, Bg. 305
Roda, Gft. 230
Rode, Kl. 429
Rodemachern, Hft. 466.512
Rodenberg, Amt 5_Li
Rodenkirchen, Amt 509
Rodenstein, Schi. 289
Rödern, Amt 465
Rodungen 204
Roeskilde, Bst. 436
Roga.se n 344
Roggen 202. 382. 499
Roggenburg, Kl. 513
Roggenstein, Hft. 285
! Rohr, Kl. 426
Rohrbach, Kl. 420
Rolandsworth, Insel 248
Römerstädte 149
Römorstrafsen 401
Römhild 530, 591
Romö 113
Ronneburg, Hft. 323
Rorau, Bg. 169
Rosomont, Hft. 261
Rosenberg, Hft 262 f.
Rosenheim 302
Rofsla 530
Rofslau, Amt 333
Rofsleben, Kl. 42Q
Rostock, St. 351 f.
Roth, Kl. 513
Rothaargebirge 62
Rothenburg ob d. Tauber,
Rat 280. 29L 585
Rothenburg ob d. Tauber,
Gft. 280
Rothenburg a. d. Saale 334
Rothenburg, Amt L Heesen
508
Rothenburg, Hft. i.Schwg.467
Rothenburger Quart 508, 552
Rotheneck, Bg. 302
Rotheneck, Amt 175
Rothonfels, Amt 2MÜ
Rothmünster, Kl. 574
Rotklee 620
Rotalar, Hft 452
Röttingen, Amt 289
Rottweil a. Neckar, Rat 228.
467. 585
Roy, Hft 522
Rückershausen 212
Rudekloster, Kl. 432
Rüdenhausen, Amt 291
Rüdesheim 263
Rudolstadt 32& 532
Rugon 168
Rügen 122. 356. 193. 502
Rugianen 122
Rugii 142
Ruhekloster ü3ti
Ruhme 22
Kühn, Kl. 424
Ruhr, FL 62
Runddorf 196
Runkel, Hft 113
Ruppin, Gft. 340. 49fi
Rusteberg, Hft. 264
Rüstringen, Ixlft 242, 452
Ruvenberg, Schi. 258
Digitized by Google
&
Saalburg 531
Saale 22
Saalfeld 32a. 482. 520, 592
Saane, Fl. 36
Saar, Fl. 54
Saarbrücken, Gft. 24L 44L
51Ü
Saarburg, llft. 267
Saarwerden, Gft. 261
Sabal Ingiol 142
Sachsen, Volkst. lüfi
Sachsen, älteres llrzpt. 182
Sachsen, Kfrst. 4SL 522
Sachsen, Pfalzgft. 313
Sachsenberg, 8t. 225
Sachsenburg, Amt 528. 530
Sachsengraben 1S2
Sachsenhagen 23L 502
Sachsen-Lauenburg , Hzgt.
(s. Lauonbg.) 557 f.
Sachsenwald 362
Sachsen-Wittenberg, Kfrst
320
Sächsische Schweiz 22
Säckingen, Kl. 212. 416.
Sadelbande 861
Saffenburg, llft. 520
Saflor 388
Safran 388
Sagan 343 f. 423. 483 f. 526.
604
Sagelten, Gft. 239
Saifnitz 161
Salier 164
Salm, Fl. 64
Salm, Gft. 24L 266, 522. 520
Salmansweiler, KI. 523
Salza 283
Salzburg, Ehst. 313. 424. 425.
581
Salzdahlum 209
Salzderholdon 22ä
Salzgewinnung 1 57. 208. 322*
Salzhemmendorf 23Q
Salzkotten 233, 242
Salzschlierf 202
Salzungen, Amt 53Q f.
Samland 12L 493
Samland, Bst. 436.
Samogition 492
Samsö 118
Sand, St. 291
Sandersleben 333. 482, 533
Sandsee 3Q3
Sangerhausen 318. 32s
SarganB 3QL 4£iL 5ss
Index.
Sassen 352
Sassenberg 251
Sater-Ems 239
Saterland 239
Sauer, Fl. 53 f. 64
Sauerland 62
Sausenberg, Hft. 224, 465 f.
Save 41
Saxonia 181
Sayn, Gft. 224 f.
Sayn- Wittgenstein, Gft. 444,
512. 554
Sazfey, llft. 248, 254
Schaffhausen 588
Schafzucht 203, 389
Schalauen 352, 493
Schalksburg 284, 462
Schambach 293
Schamhaupten, Kl. 426
Schänis, Kl. 416
Schärding 202, 415
Scharfenberg, Schi. 212
Scharnebeck, Kl. 515
Schartenberg, Bg. 216
Scharzfeld 228
Schauenburg, Gft. (s. folgd.)
23L 445. 552
Schaumburg-Lippe, Gft. 513.
fififi
Scheefsel, Vogtei 237
Scheftereheim, Kl. 418
Scheftlarn, Kl. 422
Scheide 108
Schelklingen, Hft. 285
Schellenberg 482
Schelyn 338
Scherenberg, Amt 532
Schivelbein 329, 490
Schiffahrtskanal 213
Schi ff graben 69
Schildberg 339
Scbildesche 253
Schillingsfürst 288
Schlawentzitz, Bg. 346
Schlechtenkulm, Bg. 296
Schleiden, Gft. (Hft.) 254,
45L 520, 566
Schleiz, Hft. 323. 484, 531
Schlesien 340, 428, 526, 592,
603
Schleswig, Bst. 436
Schleswig, Hzgt. 364. 494,
536, 609 f.
Schleswig, St. 536
Schlettstadt 221
Schlierbach, Amt 268
Schliersoe 40
645
Schliersee, Kl. 421
Schlotheim, St. 325
Schlüchtern 422
Schlüsselberg, Gft. 292
Schlüsselburg, Amt 234
Schmalkalden 212. 296, 508.
552
Schmidburg, Hft. 256
Schmücke 71
Schnappenburg 239. 452
Schneidemühl 350
Schneverdingen, Vogtei 232
Schömberg, St. 284
Schönau, Vogtei 218 f.
Schönberg, Hft. 452
Schönbuch 58. 283, 392
Schönburg, Gft. 32L 595
Schönebeck 624
Schönocken, Hft. 452
Schönenberg, Hft. 512
Schönenwerd, Kl. 416
Schongau, St. 3U2
Schönstein, Hft. 248
Schönthal, Kl. 418
Schotten, Amt 509
Schraplau, Hft. 322
Schrim 344
Schroda 344
Schule, Kl. 41Ü
Schussenricd, Kl. 673
Schüttorf, Amt 240
Schwabach 295 f.
Schwabeck, Bg. 302
Schwaben 166, 182. 280
Schwäbisch - Bayerische
Hochebene 14
Schwäbisch-Hall 209
Schwäbisch-Österreich 691
Schwalenberg, Gft. 224
Schwalenberg, St. 232
Schwan, Amt 535
Schwandorf, Amt 415
Schwanenberg, Amt 524
Schwanson 121
Schwarza 289. 291
Schwarzach, Kl. 416
Schwarzburg, Gft. 325. 485
Schwarzburg-Rudolstadt 631.
598
Schwarzburg- Sondorshausen
53L 598
Schwarzenberg, Gft. 521
Schwarzenborn 218. 439
Schwaraenburg L Baiern 306.
475
Schwarzenburg L Schweiz,
Ldvgt. 589
Google
646
'Index.
Schwarzenfels, Amt 510
Schwarzen wal, Bg. 306
Schwarzer Tod 422
Schwarzwald 54. 318. 325.
530
Schwaz 312
Schwedisch • Vorpommern
am
Schweidnitz, Fret 342 f.
Scbweinfurt, Rat 586
Schweinezucht 203, 382. 500.
m
Schweiz 226. 525. 58G
Schweizer! scheHochebene44
Schwerin 352. 494. 525
Schwerin, Bat. 423. 535. £03
Schweriner See 102
Schwyz 225 f. 4fiL 582
Sclavania im 182
SechsBtadte SIS.
Seckau, Bst 425
Seeberg, Vogtei 532
Seehausen, Gft. 335
Seehausen, Kl. 431
Seeland IIS
Seelande, 2 fries. 241
Seesen 228
Scesker Berg 103
Segeberg, Amt 586
Segeberg, Kl. 423
Segeberg, St. 425, 536
Seidenraupenzucht Ü2ü
Seillo, Fl. 54
Seinsheim, Hft. 528
Seligenstadt, Abtei 282, 413.
Selke 21
Semana IM
Semnonen 141. 165
Sempach 462
Sompacher See 46
Sempt, Gft. 301
Senones, Kl. 412
Septimer lfiL 404
Seulingswald 65
Severien 346
Sevor, Schi. 34fi
Siebenberge 68
Siebengobirgo Iii
Siedenburg, Amt '< 1 s
8ieg, Fl. 62
Sieghurg, Amt 252
Siegen 212
Siegerland 21B
Siersberg, Hft. 265
Siowierz 346
Sigmaringen 2SL 286. 422.
574
Süber 208. 325. 624
Silingai 142
Simmern, Frst. 56il
Simplon 161
Sincfal 1ÜL IM
Singulones 142
Sinsheim, Kl. 414
Sinzig 252
Siusler 112
Skiren 168
Slavia 182
Slezaner 173
81ovenen 17(1 174
Slovincen 120
81ovaken 120. 123
Smeldinger 121
Soest, St. 455
Sögel, Gft 234. 232
Soldin 332
Solingen, Amt 252
Solling 66
Solms, Gft. 220. 443, 555
Solnhofen, Kl. 412
Solothurn 151.224.222.588
Soltwedel, Mark 182
Sommerfeld 420
Sommerschenburg, Gft. 335
8onderburg 425. 536
Sondershausen 328. 531
Sonnonberg, Hft. 510
Sonnenkamp, Kl. 494
Sontra 216. 508
Soonwald 322
Sorau 346. 483
Sorben 112
Soreth, Kl. 513
Sottrum, Vogtei 231
Spangenberg, 21 fi 432
Sparenberg, Bg. 323
Sparrenburg 25Ü
Speier, Bst 263 f. 414. 568
Spoier, Rst 290. .*»8.'t
Speierbach 53
Spellen, Hft. 251
Spelt 202, 422
Spessart 55. 155. 322
Spiegelberg, Oft. 560
Spiels 440
Splügen 16JL 403
Sponheim, Gft. 255. 452 f.
Spree 26»
Sprevaner 122
Sprottau 343 f.
Stablo, Abtei 253. 566.
Stade, Gft. 236
Stadland 451
Stadthagen, Amt 23L 5. 14
Staffelsee, Kl. 411
Stafforth, Amt 466
Stahlberg Bg. 260, 452
Stahleck, Bg. 260, 452
Stapelholm, Lschft. 495u 536
Stargard 356= 358, 535
Starkonburg 255
Stauanen 115
Stauff, Hft 510 i
Stauffenberg 218]
Stavenhagen 360. 535
Stederburg, Kl. 419
Steffling, Ixlgft 30J
Stein a. Rhein, Kl. 223
Stein, Amt 466. 524 \
Steinau, 343 f. 342
Steinbach, Amt 252 466.
Steinbach, Kl. 225
Steinburg, Amt 425. 536
Steinfeld, Abtei 254
Steinfurt 512. 563
Steinheim, Kl. 4iü
Steinhorst, Amt 362
Steinhuder Meer 22
Steinsberg, Bg. 260
Steinweg 329
Steiermark, Hzgt. 310, 520
Steigerwald 58. 282. 322
Stemwede, Amt 235
Sternberg L Mecklenbg., Ami
535
Sternberg, Gft. 445
Sternberg L Lippe 513.
Sternberg L WQrzbg. 282
Sternstein, Gft 582
Stettin 35*; m, jv>i
Stouerwald, Amt 448
Steufslingen, Hft. 281
Steyerberg, Amt 518
Stickhausen, Amt 453
Stiege, Amt 488
Stierberg, Hft. 306
Stiraburg 310
Stober 28
Stockheim 282
Stoderaner 172
Stolberg, Gft. 328. 481. 522
Stollhofen, Amt 466
Stolp, Kl. 433
Stolpe 102
j Stolzenau, Amt 518
! Stolzenberg, Sehl. 258
' Stolzinger Gebirge 66
Stoppelt>erg, Amt 211
Storonstein, Bg. 2iiL> f.
Storkow 483, 533
Stormarn, Volkst. 162
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-
Stormarn, Ldft. 384
StonnfelB, Bg. 439
Stornfels, Amt 509
Stornstein, Bg. 306
Stotel. Hft. u. Schi. 450
Stotzheim 2hl
StraTsberg, Hft. 229
Strasburg, Ii st. 269 f. 415
4r,i, 568
Strafsbarg, Rat. 150.229,464.
421
StraTsondorf 136
Straubing 475
Straufaberg 328
Strehlen 344
Strebte 369, 535
Stromberg, Hft 449
Stahlingen, Ldgft. 525.
Stumpenhausen, Hft. 225
Sturmarii lfil
Stattgart 281
Suavi lfifi
Suardones 142
Sudauen 352. 4M
Südergoesharde 365
Süderland 62
Sudeten 18 f . 138
Sudinen 14L 125
Suebi 141
Suevia 182
Suffolweyeraheiin 21ü
Sugambrer 140. 165
Suhl 289
Sulz, Gft. 282 f.
Sulz unterm Wald, Amt lfifi
Sulzbach, 258. 225. 392. 522,
581
Sulzburg, Hft 5H2
Sundewitt 495, 536
Sürsch, Hft. 248
Sycke, Amt 449. 518
Sylt 113. 365. 494
T.
Taasinge 118
Tannenberg, Bg. 225
Tapfheim a. d. Donau, Bg. j
302
Tarvispafs lfil
Tauber, Fl. 59
Tunern 40
Taunus 61. 138
Taurisker 138
Teck, Bg. 2SL 281 469
Tecklenburg, Gft 239. 45L
519. 606
Tegernsee 4Q
Tegernsee, Kl. 422
Index.
■
Teiabach, Hit. 425 f.
Teisterbant 243
Teltow 338
Tempzin, Amt 535
Tenchterer 140. 165
Territorialstädte 383
Territorium 214
Terschelling, Insel 106
Teschen 346, 481. 52L 592
Tettnang 280, 302, 525
Teupitz 490 f.
Teuriochaemi 162
Teutiscus 129
Teutoburger Wald 68
Teutonen 138
Teutonia 180
Teatonicus liy
Texel, Insel 1ÜG
Thann, Hft. 268. 304. 302
Thannhausen, Gft. 525.
Tharandt 482
Thava 84
Thedinga, Kl. 409
Thedinghausen 45ü
Themar 289
Thengen, Gft 515
Thoodiscus 129
Thotmarai IUI
Thierhaupton, Kl. 417
Thierstein, Gft. 229
Tholay, St. 26a
Thronecken, Amt 458
Thun 228
Thuner See 36
Thür, Fl. 53
Thurgau 462 f. 588
Thüringen, Ldgft. 182. 216.
228. 315. 312 f.
Thüringer Uli
Thüringer Wald 23. 1Ü5
Tburndorf, Bg. 306
Tirol, Gft 312. 591
Timmel, Kl. 409
Tirschenreuth, Hft 304
Toggenburg, Gft. 229
Tolensaner L22
Tondern, St. 495. 530
Tondern, Amt 536
Tool, Bst 412. 502
Toxuandri 141
Trachenberg 344, 480. 522.
604
Traisen, Fl. 43
Traubach, Vogtei 268
Traun, Fl. 42
Tiaunsee 43
Trebnitz, Kl. 310. 435
647
Treffurt 217. 508. 530
Treisa m 432
Treismaur 151
Tremsbüttel, Amt 536
Trendelburg 2ÜL 230
Triberg, St. 284
Triboci 141
Tribsecs 356
Triefeis, Bg. 459
Trier, Ebst. 255, 41L 45L
566
Triest 428
Trimperg, Hft. 289
Tringen, Gft. 233
Triptis 312. 324
Trittau, Amt 495. 536
Trochtelfingen, Hft. 5Ii
Troppau 48L 522. 592. 603
Truhendingen, Gft. 293. 296
Truige, Bg. 255
Tubanten 165
Tübingen, Pfalzgft. 216, 282
Tugost 76
Turcilingen 168
Türkheim 268. 221
Turmborg 102
Turne, St. 352
Turnhout, Hrzgt 5lü
Turon, Bg. 260
Twente 244. 251
Twieflingen, Schi. 228
Tschechen 123
Tscherlitz, Ldvgt. 589
V.
Überlingen, Kst 298. 585
Ubier 140= lfifi
Uetersen, Kl. 423
Uffenheim 288, 296. 424
Uffried, Gft. 212. 465
Ujest 341
Ukennark 338. 491
Ukraner LI2
Ulm, Kst. 298. 498. 585
Ulsen, Amt 240
Ummerstadt 318. 531
Umstadt 459 f. 5ü*
Unkel, St. 248
Unstrut 72
Unter-Greiz 531
l 'nterwalden 275 f. 588
rpstalsbom 240 f.
Urach, Bg. 285.
urbs 192
Uri 225 f. 462. 6H7
Ursperg, Kl. 573
| Usch 344. 350
3ö by Google
648
Inder.
Usedom 126. 356
Usenberg, Hft 214. 465
Usingen, Hft 510
Usipoter IUI 165
Uslar 228
Utholm, Insel 365
Utlande 365
Utrecht, Bst. 244. 408. AHL
455. 564
Ulten, Oft. 312
Uttenrode, Amt 532
Uznach, Ixlvgt 58g
V.
Vach 508
Vaduz 307
Vaihingen, St. 282
Valfroicourt, Bg. 2fi5
Vandali 142
Vangiones 141
Varel, Hft. 562
Varini 142
Varisti 141
Vaudemont, Gft. 265
Vecht ÖS
Vechta, Amt 234
Velburg, Gft. SQL 475
Velden 2fi£L 223
Veldenz 258. 460 562
Veltlin 468
Veluwe 5ß3
Vendsyssel, Bst 436
Venedi (Veneti) HQ
Verden, Bst. 23L 419, 502.
Verdun, Bst 412, 501
Vereinigte Niederlande ">63
Voringon 282. 286. 412
Verkehr 168. 210. $>8. 5iLL
548. 626
Verona, Mgft. 213
Vlämen 246
Vlieland, Insel 106
Via Mala 4Ö4
Vianden, Gft. 412. 460
Vic 209
Victring, Kl. 425.
vicus 131
Vidivarii 115.
Viechtach 305
Vioclitcnstein, Hft 304
Viehzucht 154. 203. 4M f.
620
Vieland 233
Viorlande 362
Viorwaldstättor See 32
Vilbel, Bg. 220
Villa 121
Villach, Gft. 223
Vilseck, Vogtei 302
Vilshofen 302. 425
Vindelicia 146
Vindelicier 13Ü
Vindobona 151
VindoniHsa, Bst. 415
Vineta 125
Vinstingen 45L 46JL 522
Vintschgau 174
Vinxt 254
Virneburg, Gft. 520
Vischel, Hft. 248. 254
Visselhövede, Vogtei 237
Vit, Sankt, Hft. 442
Vogelsberg 65 f.
Vogelsburg, Schi. 291
Vogesen 51
Vogtland!^ 322. 225.484. 631
Vohburg, Gft. 301. 425
Voigtsberg 324. 483
Volcer 138
Volkach 29L 413
Vollradiswald, Hft. 32ß
Vorarlberg, Hft. 522
Vörden, St. 233
Vorderer Wald 15
Vorderösterreich 691
Vorderspessart 66
Vorpommern 3_5_ß
Vorsfelde 228
W.
Waadt 526
Waal 81 f.
Wachenheim, Bg. 260
WachsenburK, Schi. 318
Waes 246
Waggis, Hft 27L 461
Wagrien 121. 351. 3fi4
Wagrier 111
Wahlen, Hft. 248
Waid 202. 388
Walbeck, Kl. 420
Walchensce 30
Walchoren 243
Wald 154. 203. 500. 543. 620
Waldeck, Gft 224. 305. 444.
512. 555
Waldonbuch, St. 282
Waldenburg 288
Waldgrafschaft 252
Waldhausen, Kl. 426
Waldhufendorf 380
Waldsassen, Kl. 304. 306
Waldsee, Amt 280
Waldsperg, Hft 514
Walensee 31
Walerow, Bg. 231
Walheim, Amt 524
Walkenried, Kl. 386. 528
Wallensen 230. 488. 516
Walleretein, Hft. 296
Wallhausen, Bg. 328
Wallis 46L 689
Wallrode, Amt 632
Walsrode, Vogtei 229
Waltershausen 318
Wanfried, Amt 508
Wanfried, St 216
WTangen, Amt 280
Wangen, Rst 686
Wangerland, Ldft 452
Wangeroog 109
Wanzenau 269 f.
Wanzka, Kl. 432
Waron 360. 494. 535
Warmien 352
Warnen 161
Warnaber III
Warpke, Amt 228. 515
Wartburg 310. 530
Wartenberg Hft. 343. 480. 603
Wartenberg (zu Salm\ Gft.
510
Warthe 29
Warthebruch 619
WartflteinLLaiilfirtal285 281
Wäschenbeuren, Bg. 2S0
Wasichenstein, Hft. 212
Wassenberg, Gft. 243
Wasserburg, Gft. 302
Wasserburg, Amt 415
Wasserstrafsen 400
Watten 104
Wattweiler, Vogtei 269
Wede, Friesische 451
Wedenesch, Amt 255
Wedenstein, Bg. 260
Wehra, Fl. 56
Wehrheim, Amt 512
Weichsel 100
Weidenbach 254
Weida, Flufs 98
Weida, Hft 323. 628. 530
Weiden 260. 302
Weil der Stadt a. d. Würm,
Rst. 298. 586
Weilbach 292
Weilburg, Hft. 218. 510
Weilerthal, Hft. 268. 463
Woilnau, Schi. 221
Weilnau, Amt 512
Index.
649
Weimar 326. 5ßü
Wein 152. 154. 202. 388. 500
Weingarten, Hft. 24s
Weingarten, Kl. 41fL 573
Weinheim, St 260
Weinsberg, Hft. 260
Weinsberg, St. 211
Wense Elster 22
Weifsenau, Kl. 513
Weifsenburg a. Sand, Rat.
222. 586
Weifsenburg, Kl. 414
Weifsenburg L Elsafs 211
Weifsenfeis, Hft. 313
Weistritz 98
Weifsweiler, Hft. 214
Weizen 202. 382. 493
Welatabi 111
Weleti Hl
Wellersau, Bg. 2GQ
Welten 125
Welzheim, Hft 578
Welzheimer Wald öS
Wenden 11Q
Wendhausen, Kl. 420
Wendig, Bg. 255
Weningen, Ldft. 231
Wensberg, Hft. 248
Werdau, Hft 323
Werdau 483
Werden, Abtei 402. 561
Werdenberg 301
Werdenfels, Hft. 303
Werderland 238
Werl, Gft. 203. 249
Worle, Schi. 351
Wernburg, Bg. 305
Wernigerode, Gft. 328. 482.
599
Werra 62
Wertach 311
Werth, Kl. 41G
Wertheim, Gft 291 472 524.
f>7s
Weschnitz, FL 51
Weser fiL 20
Weserborgland fil
Wessobrunn, Kl. 411
Westerburg, Hft 22Q f.
Westerwald 6J.
Westerwald«, Hft. z. 212
Westfalen, Volkst. lfifi
Westfalen, Hzgt 249. 56fi
Westflinge 182
Westfranken US
Westgcrmanen 139
Westhofen 212. 465
Wettenhausen, Propstei 514
Wetter 138.
Wetterau 213. 439
Wetternfeldt, Bg. 260
Wettin, Gft. 315_
Wetzlar, Rst 262. 584
Weyer, Hft 248
Weyersheim zum Turm 270
Wiblingen, Kl. 416
Wiborg 436. fill
Wickrath, Hft. 566
Wickerad, Hft 566
Wied, Gft 223. 443. 512, 555
Wiehe, Hft 48fi
Wien 151
Wiener Wald 43
Wienhausen, Kl. 419
Wieringen, Insel IM
Wieso, Fl. 56
Wiesbaden, Hft 51Ü
Wiesentheid, Hft. 23L 578
Wicsloch, St 2fiQ
Wietmarschen, Hft 240
Wildberg 284L 289, 4IÜ
Wildemann, St. 51fi
Wildenberg, Schi. 304
Wildenburg, Amt 4M
Wildeueck, Schi. Hü
Wildenfels, Schi. 4i&
Wildeshausen, Gft 236 f.
443 f. 511
Wildgrnfschaft 25JL 452. 522.
510
Wildungen 218. 225. 445
Wilhering, Kl. 426
Willisau, Hft. 4M
Wüster, St. 536
Wilzburg, Kl. 411
Wilzen III
Wimpfen a. Berg.Rst 228. 586
Windberg, .Sohl. 31Ä
Windberg, <ift. 304
Windeck, Amt 252
Windisch, Bst. 415
Windsheim, Ret 22L 58fi
Winendael, Hft 533
Winningen, Bg. 255
Winterhauch 322
Winterthur 161
Winzer L Buiern, Schi. 234
Winzig 343 f. 521
Winzingen, Bg. 2fi0
Wiperti, Sankt, Kl. 420
Wipper 12. 102
Wirtemberg, Hzgt. 213. 4ii>L
524. 522
Wisent, Bg. 303
Wismar .'157. 507. 535
Wissenbach 22Q
Wissing, Bg. 302
Witckisau, Gft. 281
Wittelsbach, Bg. 301
Wittern, Hft. 566
Wittenburg, Ldft 3fil
Wittenburg, Amt 531.
Wittgenstein, Gft. 224
Wittlage, Amt 235
Witzenhausen 2JjL 228
Wohlau 343 f. 422. 526
Wöhrstein, Hft 422
Woldeck, St. 358
Woldenberg, Gft. 488
Woldenstein, Schi. 230. 331
Wolfenbüttel 228. 515
Wolfgangsee 43
Wolfisheim, Amt 465
Wolf ratshausen, Gft 302.312
Wolfsberg, Bg. 260
Wolgast 356. 423
Wolkenburg, Hft 248
Wolkersdorf 295
Wollhusen, Hft. 462
Wollin, Bst. 432
Wollin, Insel 125
Wolmirstädt Kl. 428
Wölpe, Gft. 222
Wöltingerode, Kl. 413
Wörlitz 48JL 5M
Worms, Rst 150. 293. 588
Worms, Bst. 26L 264. 414.
462. 562
Wörnitz, Fl. 52
Wörth a. d Sauer 222. 465
Worth L Baiern, Hft 3ÜU.
415
Wredenhagen 360. 535
Wülfinghausen, Kl. 412
Wundsiedel, Schi. 236
Wunstorf, Gft 230. 442
Wunstorf, Kl. 410
Wursten 449
Würzburg, Bst. 288. 412. 412.
516
Würzburg, St 498
Würzen 32L 334
Wusterhausen 490
Wustrow, Schi. 230
Wüstungen 532
Watach, Fl. 56
X.
Xanten Läli
Y.
Ybbs, Fl. 43
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650
Index.
Yssel (Jjssel) 82. IM
Yverdun IM
Z.
Zabern 26'.*
Zanderhart 392
Zarrentin 3fiL 535
Zarrentin, Kl. 424
Zator, St. M6
Zauchc 331
Zeeland, Gft. 242. 563
Zavelstein 281
Zehdenick, KI. IUI
Zehngerichte-Bund 468. 589
Zehnatädtebund 4M
Zehntland 144
Zeite, Bat 421)
Zeitz, Mark 188
Zell a. Hammerabach, Rat.
MB
Zellenberg, St. 269. 281
! Zellerfeld 228, 518
Zeltingen, Amt 248
Zerbst, Kl. 421
/erbst 4H1L 533
Ziegenberg, Schi. 43a
Ziegenhain, Gft. 212 f. 432,
598
Ziegenrück 312. 324. 52iL
530
Zierenberg 216. 23Q
Zillertal 802
Zimmern, Hft. 281
Zingsheim, Hft. 24ö
Zingst 122
Zinn 395_
Zinna 2«
Zinna, Kl. 431
Zlenz 12Q
Zobten 190. 34L 344
Zollern, Gft (b. auch Hohen-
zollern) 2M
Zons a. Rh., 8t 248
Zoppenbroch, Hft. 248
Zörbig 315. 334. 482, 4SI
Zorge 22
Zossen, Hft 49Q f.
Zscheiplits, Kl. 420
Zug 275. 2TL 588
Zuger See 22
Zugewandte Orte 466
Zuiderzee 106
Zollichau 430
Zülpich, Amt 248
Zürich 214 f. 222. 462, 582
Züricher See 31
Züschen, Gft. 225
Zütphen, Gft. 242
Zweibrücken 452. 522. 561!
Zwettl, Kl. 426
Zwifalten, Kl. 282, 282. 416.
514
Zwinge, Amt 532
I
Nachträge und Berichtigungen.
S. 10 ist Zeile 4 als Zeile 1 hinaufzurücken.
S. 15 Z. 11 v. u. füge hinzu. B. Knüll, Historische Geographie Deutschlands im Mittel-
alter, Breslau 1903; behandelt die Kulturgeographie des Landes bis 1300.
S. 57 Z. 21 v. o. Vgl. noch Neu mann, Der Schwarzwald, Bielefeld 1902.
S. 62 Z. 21 v. u. lies : übersetzt.
8. 111 Z. 1 v. u. füge hinzu: Sello, Der JadebilBen; sein Gebiet, seine Entstehungs-
geschichte, Varel 1903.
S. 162 Z. 9 v. o. lies : Schulte.
S. 208 Z. 8 v. u. Vgl. noch Gradmann, Der Dinkel und die Alamannen, in Württ.
Jb. f. Statistik, Jahrgang 1901, 103 ff.
S. 279 Z. 20 v. o. Vgl. hierzu O. Redlich, Rudolf von Habsburg, Innsbruck 1903.
S. 381 Z. 34 v. o. füge zur Literatur: Partsch, Schlesien Bd. II, 1, Breslau 1903.
Schlüter, Die Siodelungen im nordostl. Thüringen, Berlin 1903.
S. 387 Z. 18 v. u. Vgl. Uhlhorn, Die Kulturtätigkeit der Cisterzienser in Nioder-
sachsen, in Z. d. hist. Ver. Nieders. 1890, S. 84— 110. Sebicht, Die Cister-
zienser und die niederländ. Kolonisten in der goldenen Aue, in Harz-Zeitschr.
1888, S. 1-74.
S. 468 Z. 14 v. o. Vgl. noch Plattner, Die Entstehung des Freistaates der drei
Bünde und sein Verhältnis zur alten Eidgenossenschaft, Davon 1894.
S. 488 Z. 20 v. u. lies : Hämelschenburg.
S. 515 Z. 7 v. u. lies: Lüchow.
S. 613 Z. 22 v. o. füge hinzu : nach der Teilung Polens.
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