Jahrbuch für Geschichte, Sprache
und Literatur ElsasS'Lothringens
Strassburg (Germany). Historisch-Litterarischer
Zweigverein des Vogesen-Clubs
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rsiLXS vftidrtr dünning
BEQUEST
lUNLVERSITY or MICHIGAN
II, GENEKAL LIBRARY_^
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JAHRBUCH
GESCHICHTE, SPRACHE UMÜ UTTERATUR
ELSASS-LOTHRINGENS
HERAUSGEGEBEN
VON MM
iUSTQRiSCH-UTTERARlSCUEN ZWEiGV£REUi
VOGESEN-CLUBS.
XV. JAHRGANG.
STRASSBURG
J. H. ED. HEITZ (UEITZ & MÜNDEL)
1899-
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//
1 /
^■/8 33
Inhalt.
Salt«
I. Gedichte : Im neuen Lenz, Trugende Sterne Frau Sorge
von Christian tjchmitt; Am Höh walder Wasser -
fall von August Pietz; Schiossberg Wildenstcin
von HedcraHclix . . . ♦ . l
II. Vorgänge bei der Präsentation eines Rcichslandvogts
in den Reichsstädten de« Elsasa von 1278—1648 von
JosephBecker 8
in. Das Spital dca Ordens /um heiligen Geietc in der Stadt
Rufach von T h e o b a 1 d W a 1 1 e r 24
rv. Autobiographische Aufzeichnungen von LndwigSpach.
Herausgegeben von F. A. K r a n s . . . . . . 45
V. Der Totentanz von Kien/.heini im Ober-Elsass von
^runo Stehle. Mit einer Lichtdrncktafel und ft
Abbildungen 89
VT. DreikdnigftgpiftU Weihnachts- nnd Neujahrslioder des
Dorfes G^lKirgchweier. Mitgeteilt von Dr A n g.
Hertzog-Uolmar UR
VIT. Rupert S^orrers Novelle «Kunegunda von Vng^erstciii>.
Nach einem im Vogesen-Club gehaltenen Vortrage
des Herrn Dr. J. von S c h 1 n ni b e r g e r bearbeitet
von Prof. Dr. von Päd eisen. Mit 1 Abbildung . . 155
Vlll. Ueber di« älteren Straesburger Familiennamen von E,
von Borries. (Vortrag) IH.j
IX. Die Deminntion in der liananischen Mundart von Dr.
med Kassel 205
X. Ans dem Stammbuch ftiner jongen Strassbnrgerin vor
" hnndert Jahren von Rudolf Reusa . " . . . 223
XI. Ueber Goethe insbesondere ala Lyriker von Ernst
Martin 2H!
XU. Ein Strassburger Standbild des jungen Goethe. I. Be -
riebt von E. M a r t i n ♦ . . " 245
Xin. Zu G. P. Arnold von E. M a r t i n 2n2
XIV. Chronik für 1898 25ä
XV. Sitzungsberichte ♦ > • • • . - • . . . ■ . . 25fi
JLVi. Znr Begrüssung der Generalvcr>;amni[ung des Gesamt -
Vereins der deutschen Gcschichta- und Altertunis -
vereine in Strassburg 1899 von Christian Schmitt. 259
I.
Gedichte;
1. Im neuen Ijens.
Von
Chrisü&u bchmitt.
Der Bergwald grnixit; es stakt das Land
Oleieh einer Braut in Blüten : —
Was in dei Winters rauher Hand
An SchmerE und Not die Welt empfand.
Der frülüing wili's verguten.
Sr sehickt ins fernste, tieftte Thal
Den Mai, den Freudenbring'e!' :
Der Gram entflieht, es weicht die (^ualj
Dem Aermsten einen HoflnuugsstTahl
Entfacht der Lddbeswinger. —
Sieh, friscties Leben siep^end briaht
Hervor aus allen Grüftpn !
Das keimt and spnesst im jungen Lichta
Sohon ainmt die Boaa länger nieht,
Ihr SjioapeBklaid sn ItUlaB.
Und horch, ge\'6%t ist überall
Das trauertrübe Schweigen:
Dil Kuaknek ruA nii haUam Mail,
Doa Aband grftaat di« Naeiitigall,
Dan Tag dar LevehaBxdgia.
Aon steiler Kloft in stolzer Flut
Ist kflhn dar Bsah gestiegen ;
Beswuigan Iit daa B^ataa Wut: —
Ntin will der alte Wandamnt
Nioht l&Bgar mfisaig liegen.
Und wir, neu wie die Wasser dart
Geweekt aus trägem Easteu,
Wir hegten düstern Sinm liinfort
Und freadenloB a» nnierm OH
Des «Iten Zweifislt IiMteii? —
0 nein! — Ihr Brüder, auf, hinaus 1
Der Wellen Gmas, den biedern,
In ilirer BMawt FelMalis»
Soll ihn mit t5naiid«iii Gabzau
Dm ToUe fien endeden I
ZeireUit den Buib mit itarkem Ami
lAstt M die Iiüst UM koitml
Der iiMtern Weltverliehter Seliwarm,
Der mag in selbsterzengtem Htm
Yentaaben OAd Tenoitenl
2. Trügeadd Sterbe.
Von
Chrifttian Sebaitl.
Yfi» loldM mir doeh lo kalt und am
Dia Heimat» da iek lie TerlasBenl
Wie Bah im Traum ich reich und wann
Dm YoUe Lebaa mieh iimüuseiil
Vom Boheidepfad ging kaum svrflok
Büa Blick noeh auf des Dorfes Frieden ;
Es schwur mein Herz, das rechte Glftek
Sei soloher Enge, niokt besohiedon. ~
So in den lauten Strom der Welt
Stiess ich Inn aus mit heissen Sinnen,
Im Kampf, von Glanz und Enhm erkellt,
Der Kränze besten zu gewinnen. — —
0 blinder Wahn ! — Was ich erstritt,
Wie Rauch im Winfl ist es verflogen,
Und nur, was ich entsagend lifct,
Zeigt mir, wie lang ich mich betrogen.
l'nd wie nach meiner Irrfahrt Lasf
Ich einsam nun am Ufer säume,
Steierl oft. ein Hiiftlein vor mir auf
Im iScUalteu altvenrtiULer Baimie.
Dwa. icMeieV iek nüek au F«itttr Iflli^
Ali IM' idi «ine Sekald bagftngan ;
Der schliehttli Stube Dämmerkreii
Dorohspiht mtm Aag^ voll Verlangen* —
Umsonst« stets kehr* ieli tmienid vm :
Kein Wink, kein Gruss, der mich ventäade;
Fremd schaut mich sHes an und stumm.
Und starr und seellos stehn die Wände, —
Ach, die ich einst hier mein genannt^
Sie ßchlnmmern hinter Grabesthoren: — >
Zu spät, zu spat iiab ich erkannt,
Was ioh verliess, was ick verloren.
3. Frau Sorge.
Von
CMstlM Schndtl.
Wohl hat der Frenndsohnft Glück empfenden
Auch raein Gemüt lu Lust und Gram ;
Doch mancher, der sich mir verbanden^
ist längst gegangen, wie er kam.
Sin Scherz, ein thöriehtes Verkennen,
Ein rasches Wort, ein LaTinenspiel: —
Das Ende war ein trotzig Trennen,
Und unser schwacher Band zerfiel. —
Nur dich hat nichts von mir vertrieben,
Seit ich zum erstenmal dich sah ;
In meinem Hoffen, meinem Lieben,
In Schmerz und Not warst du mir nah.
Und hat verscheucht mein menschlielL Fehlen
Der andern leichtverletzten Sinn,
Du liessest ziehn die kleinen Seelen
Und bliebst and nahmst mich, wie ich bin. —
Ich aber tru!^ im tiefstem Herzen
Für dich nur blinden Groll und Hass,
Indes den Scheidenden vuii Schmerzen
Kein Blick gefolgt, von Thrftnen nass. —
Vergiebl — Sie, die ich mir erlesen
Vertrauend einst zum Schirm und Stab, —
Ich weiss nan, was sie mir gewesen,
Und weise, wer mir nein Beetes gab.
- 4 —
Du hielte«ft ans im Kampf, im schwülen,
Wenu mir der let/,ie Hpifer schied. —
I) a hast gelöst mein sehnend Fühlen
Bei kurnr Rast in &Ung und Lied.
Du Iehrto?r -we^ lien Geist mich it>aken
Von falschem Prunk, von ''iii lni Schein,
Und prüfend ihn huiab mich senken
Tief is mein Innerstes hinein.
Und dut ich so, dem Trug entriSRen,
Mich selbst erkannt und meinen Welt»
Ist mir nach aü den Bittemissen
Der sehönste Sieg* den du besohert.
WtB du dem Irrenden erstritten,
Lass mich's geniessen, still und schlicht;
Und darf ich noch um eins dich bitten,
So sei es die«: — Veriui mieh niehtl
4. Am Hohwalder Wasserfall.
Ton
Anlast Dieti.
Ja, hier ist's schön ! Hier möcht' ich wonnetrunken,
Wi6 weltverloren, lanschen stundenlang.
In holder Träume Sehimmerglanz versunken,
Dem einittilodiMlien Sirenensang
Der Waner, ü», gliieh UMf» Kiyitnllen,
Tom Mienthrone muehend niedeilUlon.
0 störmisch nicht, mit wiidgigant'schem Brausen,
Wie des Niagaia^ mieht'ger WogenpraU,
Der, irdtlier donnernd, nni evflUlt mft Onuuen,
Nieht ide des Bheines mideotttWor Ml,
Der schlichte Waldbach, der hier, tannumsftimet,
Im SUberweHensekwalle niederseliftnniet,
Br mmikt so hi lm e Mg; . . in Hannonien,
In flUstemden, sleSk wieirt sein trnnter San^ ,
Und, wie im Banne seiner Melodien,
In meiner Seele singt's im Widerklang:
Erinnprnng-sverklftrte, g:oldne Standen,
Sie tauchen auf, die längst dakiagesobfnuiden.
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5
U«r glM iflii flikit in meines Lebeu Lenxe»
In meines jnngen Dageins blüirndem Mai,
Die HofFnnn^ v, oh mir ihre duft'gen Kränsre
Noch war das wonn'ge Herz von Sorf^^n frei;
Wie wanderhoid sich mir die Zukuuft malte.
Wie morgensoh&n sie mir entgegen strahlte!
Der Jüngling ward zum Mnnn ; . . die Wonüeträame
Zerrannen, 8o wie iiier, im Waidesbadi,
IM« flftehug farb«Bfro]k«ft W^UiMeUiUBt,
Nioht htolt dir Soouier, wm dmr Lm wtnpntk . . .
Und doch« — aaoh nn er hofft, wst mdiMB W«c«tt,
Blfilit* ftichüg MdT JDMidi* ideker OottetMgtii.
Und dodi nad doeli. ob Moh im Brdaatlude
Oft bitterherbe war mein Lebenslos —
So wie im Meer die lauhe Mascheischalt
Die edle Perlo birgt in ihrem Schobs,
Auch in den schicksaliwirr^ten Prüfung-sstunden,
Hab' eines Vaters Liebe ich gefüadeu . . .
Dmm rausch^ o Bach, in i^errlichen Akkorden,
Dem Allerhöchsten rausch' ein Dankes 1 1.- li !
Das Loott L&t dennoch iiebiick mir geworden,
Ol» muoiiii TeoM» aatb mir ittUed; — •
M5n lit die WtU» trott 8lim und WotterütMi«
Vmi leben Domei bUühett doft'ge Seeen.
5. SeUcMberg Wildensteiii.^
Ten
Heder* Helix
Am Abend war'i, als iek sim Schlosaberg iobritl.
Der Herbstwind zog' sretren zur Seite mit.
Der Puss sank ein, in feuchten AViesengrand,
SeUoss mit dem Wa^äer widerwillig einen Bond.
Der Behwand hohe iioppelstim sog Falten,
Wte fie die Q/tUM. lehwerer Zeit geetolten.
cWlllst da zum SchIo(>Be schreiten, (iir s beschau'n?
So geh, ich will es hente dir erbau n,
kh üb es je enf VelieohSk' enteim.
Sah*! enoh im tepfsra Streite untergehn.
Wie alt ich damals war, kennVi eeUer nieltt segeQi
Heb' eU jn eeben dei Hteee Leet gelaregw.
' Srhebt sieh im Tharthal ISO m. hoch über die Thelsohle und
Im giiien bie in* einer Höbe Ten 666 nt
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— 6 —
Manch Stück hat sie von mir hinabgeluhrt,
Ich hab' trotz Schmerz mich nicht vom Plat« gerührt.
Den SchlosRberg schmückt schon lang als Oleiielieraelillli,
Was sich getremii Von mir ohn' Bast nad Buh.
So, VM Jahrtausend icbveigend, oline Zagen
Nor TodeBkftlte trog, darf Leben tragan!»
Dranf langBam schritt inr Höhe ich empor,
Mein Fuss in pirtem Lanbmeer sich verlor. \
Es trag der Wind maneh Blatt hoch in die Luft,
Das lustij; tanzt in Sonnenglanz und Dnft:
Sein letztes Olück — in Daner ron Sekunden —
Anf der MorILne dann liare Bnh gaAinden.
Der Ffkd, er klettert nnteideis geaekiekt
Bergan, bis wo das Ange tranrig blickt
Anf einen Recken kin des Wald's, der fiel
Im Kampfe hier mit wilder Winde f=!pi< !,
Dem Wahl«?pn:ch treu: «Ich will im Kampf erbleichen
Weit lieber noch als treulos von hier weichen !»
Es führt der Weg nun rechtÄ — ich folge naek -
Steigt dann nach links Ms in ein Felsgemadi»
Bant flnstor tber mir das Felsentkor,
Die Sebritte sehaUen dröhnend bier im Ohr,
Sebt — wie die Kekel schlagen Gletscherstnfen —
Bier für die Bosse siokem Tritt sie schufen.
Doch, wie sie Wort liielt meme Rehwand, seht,
Der Burgstall Wildenstein vor mir ersteht :
Hoch in die Luft der Burgthurm freudig steigt
Dort iro gen Süden sieb der Soblostberg neigt
Zvei .and'te Tbfinne seine Flanken deekea,
Ibr Biick streift über die rasieiteii Keeken.
Lant tritt mein Fnss stets anf den starren Stein,
Das nasse Element drang hier nicht ein;
Da Alles einst vor Wasser's Macht hier schwand, —
Der hohe, wilde Fels allein hielt Stand:
Ein Felseukeil, dem Berge eingetrieben.
So stebst dn da — er wlob dn bist geblieben.
Den Fels, so einsam stols, iA Ueb* Ibn sebr;
Im Kreise lagert sieb das ganse Heer
Der Berge, wie um eines Feldherrn Zelt,
Vor dem getreulich man die "Waohp hält.
Fest, anf sich selbst gebaut, dem Kampf sich stellen
— Wie du — wird Menschenmacht uns je terschellen?
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Heut Is^&t mich f eidiierr sein« vom Bergtried huch
Nehm' kh dfo HMitekAA ab, vi« oft mIioa sog
An mir an aadram Ort' loleli Beer Yorbel ~
Wer brieht die alte Garde je entcwei?
Dem Aag' sich, das sie liebt, za fiborf^eben
Sie eilt» lie atiiht niu für der MEtUr Leben.
W» lidi te Beigkieie jetit vor ndr entrollt
lkwat, änMu^kwükt, getonoht in Bot and Oold,
Der Wnld, ist's mir» Nirwana eei nieht teliwer,
Wenn so erhaben die Natur nur w&r'
Wie hier, doch dann auch wieder aufers^hen
In Bergwald, wie er beute hier zu sehen!
u.
Vorgänge bei der Präsentation
eines Reiohslandvogts in den Keiohs-
Städten des Elsass von 1273—1648.'
Yon
Joseph Becker.
N^ach der Niederwerfunig" der Aieinannen im Jahre 496
hatten sich bekanntlich die Franken über das Unterelsass vei-
hreitet. Die fränkischen Herrscher und ihre Nachfolger be-
sassen in der Gegend des heutigen Hagenau bedeutende könig*
liehe Domänen. Im Unterelsass waren aber auch die Staufei ,
welebe 1080 von Kaiser Heinrich IV. mit dem Herzogtum
Sehmben und Elsass belehnt wurden, reich begütert. Ah sie
dann 1188 auch den deutschen Königsthnm bestiegen, da ver-
schmolz allmähiidi jenes alte KAnigsgut mit dem stanflsehen
Itoilienbesiti su einer unlöslichen Gemeinschaft.
Hagenau bildete damals schon den Iditelpunkt für die
Yarvialtung. Henoglich*kaiser]iche Beamte vertraten ab cid-
A Man vergleiche hierzu meine früheren Abhandlungen: 1. «Die
Landvögte des Elsass von 1308— 140S». ätrassb. Inaagoral-Disser-
tation 1894. — ü. «Die Wirksamkeit und das Amt der Iiaadvögte>,
in der Zeitschrift für Onsch des Oborrheins, Bd. X Heft 3, 1896. —
— 8. «Die Verleihung und Yerpiandiiug der KeichslandFogtei Eliass
von 1406—1648», ebenda, Bd. XII Heft 1, 1897. >- 4. «Geschichte der
Beichsdörfer der Landvogtei und Pflege Hagenau», ebenda Bd. XlTHeft
2, 1899. — 5. »Das Beamtentum der Reich?landvoc1^ei Hag-enau»,
in den Mitteilungen der Gesellsohaft für Erhaltung der geaoMeatL
DstfDBMOar dssSwis Band XIZ, laM.
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9 —
vocati» und «sculfeti», Vöj^te und Schullheissen, die grund- und
landesherrlichen Rechte und iuteressen ihrer staufischen Herrn.-
Jene grossen Gesamtbesitzungen der Staufer üelen t)eiin Er-
ItedMD Ihm G«MUediti mit Kouradins Tode 1268 aU cRäd»*
gut» Rudolf fOD Habtbaiy uod «eiiieii Naehfolgem anf dem
deutschen Kfoigtthroii anheim. Von Jenem enteil Hibebuifir
ist die neiehilaiidTOgtei Higetttu itim Sehotw viid mr Ve^-
iviitiiiig des tkhernommeneQ dsissiedken Rekimgiites eiaf^
richtet irorden. Sie umtote for ellem des bei Hefsnen lie«
gende Territorium der etwa 50 Reichsdörfer, den heiligen Foitt
mid die Stadt Hagenau sowie das Schills- und (Bchirmrecht
über die Abrigen neun Relehsstädte des Landes, welehe seit
i354 mm sogenannten DeeapoÜsbund vereinigt waren. £s sind
dies: Weissenburg, Rosheim, Oberehnheim, Schlettsladt, Col-
mar, Kaisersberg, Münster, Türkheim und Mülhausen Letztere
Stadt schied 1515 aus dem Verbände der elsässischen Reichs-
städte aus, um sich der schweizerischen Kid^ieDo-^enschiift an-
fuschliessen. Vorher aber wurde Landau in den Zehnerbund auf-
genommen und der Landvogtei einverleibt.
Die land vögtische Repfierung wurde gebildet durch den
Landvogt, den Heichsscluiltheissen, den Zin^tneister unä Forst-
meister. Dem Jede.'^maligeQ Könige allein, als dem Landesherm
fiber die reicbsunmittelbePBii Gebiete, stand die ununucbriiikte
Terfögung Aber die Landvogtei su. Durch bssotidere Gnade,
mit l[öniglicher Ifadit, in seinem und des Reiches Namen er-
nannte er jene Beamten, oder margab und verpllndete die
Reiehslandwiglei M»h Belieben. Seit der Mitte des 14, Jahr
hunderte wurde die Verpflindnng geradem libUeh ; wir finden
abwechsend Herzöge von Baiern, Oe^erreicb, Luxemburg u. s. w.
als Pfendinbaber der Reichsland vogtei. Von 1408 bis 1504
war di^lbe best&ndig im Pfandbesitze der Ghurfürstw der
Rlieinpfalz. Kaiser Maximilian entzog sie ihnen gewaltsam, und
erst Karl V. erstattete den Pfandschillin^', verpfändete je-
doch 1530 die Land vop^tei wieder an die Pfalz. Erst 1558 konnte
Ferdinand T. die Reirh^lnndvn^rtei Elsas? danernd auslösen an
das Reich und cdas lol) n he Haus Oesterreichs. Durch lie Ver-
pfandung war jenes llen hsp^iit jedesmal aus der Harui des
Kaisers in den teuiporären iks>itz un<l die Herrschaft anderer
Fürsten gekommen, die ihrerseits wieder Stell Vertreter, Uüter-
landvöjrte, für die Verwaltung ernannten : diese residierten zu
Hagenau, während die pfälzischen Churfürslen vou Heidelberg
aus und die österreichischen Erzherzoge von Innsbruck aus als
Oberlandvögte auch die 01)erleitung fnbrten. Yerschreibung und
Ffbadsehaft haben indessen die rechtliche Anerlmnnuttg seitens
der Reiehsstidte und ReichsdOrfer nie erlangt in' dam Sinne,
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— 40
dass man den Pfandiobaber jedesmal auch als Oberlandvogt an-
gesdicn bStte» Vielmehr mueste jeder einzelne BesiUwecbsel
im Amte eine« Obei)«iidvogftee von dem Kataer im Hamea daa
Rmcfaes v<illiogeii weiilen, und auch die m den OlterfaiBd*
vOgien ernannten Unferlandvögte erlangten nur im Namen von
«User und Reich» ihre Anerkennung aeitena der Unterihanen.
Der älteste ausführliche Bericht- Aber die EtniQhrung der neuen
Landvogte in die Stadt Hagenau stammt aus dem Jahre 1486,&
Da dieser Vorgaqg durch alle Jahrhunderte im wesenilicheD
unverändert blieb, so wird jene Schiiderung genfigen, um ein
Biid zu gewinnen von der Präsentation der Landvögte in ihrer
Residenzstadt. Der Berichlerstal ter erzahlt etwa folgendermassen :
Im Jahre 1486 auf Sonntag nach Jakobstag des Aposteln ,
ktirii Herr Philipp, Pfalzgral bei Rhein, ec. ec. unser srnädiger
Herr mit vielen F'ürslen, Grafen, Herrn, Rittern und Knechten
i,'egea Hagenau mit etwa iOO Pferden, um Besitz, zu nehmen
vuu der I^ndvogtei, \velche ihm von unserm allergnädigsten
Herrn Kaiser Friedrich verliehen worden war.
Da wurden von dem Rate der Stadt 8 Personen zu seiner
Gnaden in Geor^jj liruckers Haus geschickt, um S. Gn. will-
kommen zu heissen. Herr Claus Armbrusier, Stettmeister,
führte daa Wort und apcaeh :
cDuroUaucfatigater, hoehgeboraner Fftrst, gnädiger, liehar
Herrl Ew. F* €rn. heiflsen wir im Namen des ehraamea
Ratea und der Gemeinde der Stadt Hagenau Gott wilikomfloen.
Wir entbieten Ew. F. Gn« unsem unterthftnigen, willigen Dienst
alleieit, tnmn una der Zukunft Ew. P. Gn. und achenitan
Ew. F. Gn. i|t Fuder Wein und 20 Viertel Hafer nach dem
alten Brauch unserer Vftter«* Wir bitten Ew. F.Gn. solchea Ge-
schenk in Gnaden aniunehmen und uns ein gnitdigerHerr zu sein.»
Darauf liess der Chürfürst den gestrengen Herrn Götze von
Adolsheim, seinen Hofmeiater^ dem Rat seinenJ)aniL auasprechen
für das Gosrhenk.
Am folgenden >fontn^ Morgen berief «lie Raisglocke die
Herrschaften zur Versammlung. Der Chürfürst erschien mit
seinem Gefolge auf flem Rathause; auch dem Volke war der
Zutritt zur Ratsstube gestaltet.
1 Ha^r StadtarehiT A A SM nr. 7.
2 Kin Bericht von 1544 sagt: «Ihrer Churf. Qsaden wurden
zweea i£erch mit secken yoU ba^rn vnd zwei vierling weisen ver-
ett.» Sdion 189& hatte der Bat der Stadt des Besehtass gefasst, dass
man hinfort beim Empfiaiige des Laadv^ogta diesem ni^t m^r alb
«alle Stadtkannen voll win schenken so!l<^> U7l
botea die Vertreter der Stadt dem aeuen Landvogt «als gewokn-
Uehe Gabe* i|. Fad. Wein u. 90 Viertel Hafir».
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— II
Der churfürsliiche Hofmeister ergriff zunächst das Wort und
wies daraut hin, wie eine Zeit lang zwischen dem Kaiser und
<)em ChurfOrsten ein Zerwil^ni« bestanden habe inbetreff der
LandvQi^. IKea aei aira gailHsb verglichen, und diji kaiaer-
liebe Gnade babe den Pfiüignta die Landvegtei titgesprochen.
Seine cburlBiitliehitt Gnaden aaieD dethaib allbiar gel^omltteo9
um — als Oberlandvogt <— die pAidttgemtae, althergebrachte
Eidealeistung zu thun und die Huldigung entgegen lu nehmen.
Im Auftrage des Rates der Stadt Hagenau antwortete
HerrCSiaua Armbruster: tDer Stadt sei von ihrem allergnadigsten.
Hem und Kaiser ein Empffhlnis- und Gehorsambrief all))e-
reits zugegangen, worin Hagenau und die öbrigen Reichsstädte
des Landes anfp-efordert würden, den Pfalzgrafen als einen
Landvog^t zu empfangen. Dieses kaiserliche Schreiben werde
naan öfrentlich vorlesen ; es h\i[f fol^reudermassen ;
Wir Fnderich von gottes gnaden römischer keiser ?ö allen
ziten merer des richs entl)io(en allen vnd yegeüchen
prelatef], gravea, herrn, rittem, knechten, burgerroeistern, reten^
gemeifiden vnd sunst allen vnd yeglichen vnsern vnd des hei-
ligen reich« vnderthanen vnd getruwen in vnser vnd des richs
lantfougley inne Eisas i4ese8sen vnd dar inn gehörig, in was
wirden, states oder wesen die seint, vnser gnade vnd alles gutt.
Ersamen, edeln, andechtigen vnd lieben getruwen* Wir baben
vB Riercklicben vrsacben vna darsft bewegende dem bocbge-
binrnen Fbülipsen pfalzgraoen by Rine ec beuolben die
oUberQrt vnser bintfougiy in masaen vnd irise sin vorfotdem
die von ^praybnt vnser vorfaren vns vnd deaa beiligen reieh als
lanifougt gdiabi, nu furbass von vnser vnd des lieiligen reichs
wegen, euch als vnser vnd des Hefas obeHantfeugt in sft haben,
zü gebruchen, zü scfaüfiien vnd zft schirmen, vnd gebietend
daruf uch allen vnd uwer yegelichem besunder von römischer
l^aiserlicher macht ernstlich, vnd wellen, das ir iaoe als vnserm
vnd des reichs oberlantluugt geliorsam vnd gewertig siet, wie
sich nach altem herkomen vnd als oben berürt ist, zu tun ge-
hurt, daran tut ir vnser ernstlich meynunp Geben zü Franc-
furt am vier vnd zwenlzip-esten tag des nrionets marli nach
Cristi gebürt viertzehen hundert vnd im sechs vnd achlsigesten,
vnsers keiserlum^ im fünf vnd drissigsten lorcn.i
Hierauf erklärte der genannte Hofmeister, seine churfürsl-
liehen Gnaden seien zur üebernahnnc der Landvogtei und zur
pflichtmässigen Eidesleistung bereit. Deshalb wurde die Form
des altherkömmlichen Schulzbriefes für Hagenau, den der Land*
vogt beschworen mu-ssle^ laut vorgelesen.
1 Hag. ▲ A SU.
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- « —
Der ChurfQrst besprach sich sodann mit seinen Räten und
Hess schliesslich erklären, der Wortlaut des Schwörbriefs gefalle
ihm wohl, bis auf eine kleine Stelle. Es heisse nämlich
darin, wenn ein Jude, der zu Hag^enau eingesessener Börger
sei, eine Missethat verübe, so solle er dem Oberlnndvo^^t zu
Recht stehen im Rate von Hagenau, «worm der Oberlandvogt
dann selber sitzen müsse?». Diesen Punkt möge man ändern,
da es S. Gn. ungelegen sei, persönlich einer solchen Ratssitzung
anzuwohnen ; imii aioge dementsprechend die Formel so um-
gestalten, dass es heisse: cdabj ich selber sitzen solle oder
m in V e r w e s e r.»
Der Rat Hess darauf antworten, dass mau diese Frage für
unbedeutend haltei ob der Oberlandvogt oder Unterlandvogt in
einem «Mmd Falle im Rate aftweaeod sei, zumal auch letiterer
in aeinem Eide gans tfieaeibe Formel babe ; ja auch dem Untcr-
landvogt atehe ea frei, den Scholtheiaaea au einer aolehen Rata-
ntning itt beordern. Uebrigena aei man gern bereit, die ge*
«ünaebia kleine Aiandernng vonunehmen.
Diea gea c h a fa Ibataftchficb ; aodann wurde dem Gburlüiiten
der Schutzbrief lattt vorgeleaen in folgender Focm:
Wir PlnlUpa von goUea gnaden pfaltzgraue by Ryne, hert-
zog in Beyern churfurst und lantfougt in £lma veryehen
dffentiichen mit diesem brieffe vnd tun kiint aUen den, die in
werdent sehen oder hören lesen, das wir geswor^ haut einen
gestabeten eydt mit vffgehabener hant liplichen zu gott vnd
den heiligen, das wir die erbern bescheiden meister, räto,
vnd die bürgere gemeinlich zu Hagenowe, ingesessGn vnd
v^gesessen, burger, pfafTen, cristen, frowenclöster vnd manne-
clöster vnd das lant ;^enieinlich, die nü dartzu gehorent vnd
harnach gehören werdent, diwile wir lantfougt sint, wölent
schätzen, schirmen vnd befriden für dWem vorechten vnd ge-
walt, als ferre wir können vnd raügen. Ouch hant wir ge-
sworen, das wir sy wollen lassen hüben by allen ieren friheiten
vnd die sie habent von keisern vnd königen von alten vnd
nuwen ziten iier vnd die sie furbass gewynnent vnd besunder
by der bftten des heutigen forates, vnd das kein aeboffii daraff
gon sol, vnd sie doby ^nlbaben dea iieaten, ao wir ktanen vnd
mügen, vnd da« 'wir sie vr5Uen loesen büben vnd haathaben
by allen ieren rechten vnd gewonbeiten, vnd euch daa wir
keinem vnserm diener noch anitem deheynen brieffoder aebult
geben anllent, weder vmb einen dienst, noch vmib debeine ander
saehe der schulde «xu gewarten noh die zft erfordern, weder
u0 der stat Hagenowe noch dee reiche pflegede, die dai- z& ge-
höret. Wir hant ouch gesworen, eynem yegelichen riehen
vnd armen^ die aft der vorgenannten etat vnd lande gehörent.
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— 13
inneweodlg md vBwMidig, ans rechten so helffen, alt wre
wir können vnd mufpeD« vnd vmb Sachen, die uff das gerichte
oder riebticube gehörent, noch viieile der merenleile der ecbdf-
fen, vnd vmb sachen, die in den rat gehören, noch vrteil der
merenteil des m richten, vnd nit ander«. Wer ouch, das
dhein iude, der zö Hagenowe ingesessen burj^er ist, üuit mis-
sedete, vmb die ini^sjetat sol er vns zü rechte stoo für dem
rate zfl Hagenowe, doby wir oder vnser verwehser sitzen aöllen,
vnd was der merenteil des rata daruri)ij€ zu rechte sprichel,
domit sol vns ^renügen. Wir hant ouch gesworen, wie dick
wir den von Hagenowe etaen uiderlandfougt (Hier einen schult-
beisstm geben, das wir die darz& halten wullent, das sie ouch
sweren gestabete eyde vff den heilligen, stete zü halten vnd zu
vollbringen alles das, das wir donor gesworen hanf. Dise vor-
geseluriben dinge alle vnd besunder ixai wir gelobet stete vnd
mte sfl halten by dem eyde, den wir danimbe gssnoras hant*
Des i&^kunde faant wir vnser ingesigel tun heoeken an dissn
brieff, der gdbeo Ist in Hagenoive vff montag vor sant paters
tag ad vinenla in dem iore, ais man sefarsip von der gebort eristi
vnssrs lieben herren tusent vierhundert aebtrif vnd ssebs iore.t
' Sodann musste der Pfalzgraf die Hand erbeben nnd dem
Stettmeister folgende Eidesflmnel nachsprechen :
c Wie der brief vorgelesen ist, den wöUen wir stet vnd vest
halten, on alle generde, als vrortich als vns got helfe vnd alle
beiUgen.9
Nachdem der Rat ihm zu der neuen Würde Gluck ge-
wünscht hatte, Hess er fragen, ob S. Gn. die Lanvogtei sellxT
besitzen wolle, — was der Stadl am liebsten wäre, — oder
ob man ihnen einen Unteriandvogt geben wolle.
Der churförstliche Hofmeister antwortete, es sei s» Gnaden
nicht gelegen, selber in Hagenau zu residieren; dft^halh gäbe
er ihnen den Grafen
Kraft von Hohenlohe
als Unterland vogt.
Auch dieser musste für seine Person einen gleichen Schutz-
brief — mntetis mutandis — durch djeselbe Eidesformel be-
scbfvOren, mit seinem Siegel versehen Und der Stadt einblndtgen.
Aach ibn begülckviransehte der Rat und erbat von Ihm
sinsn Sdiultheissen. Als solchen prflsentierto der Graf den
Edlen Jakob von Fleckenstein.
Der Revers, den der ReichsscbuUheiss der IResideni der
Landvogtei ausstellen musste, lautete «Örtlich wie derjenige der
1 Olig.*Urk. auf Pergament mit häogeudem Siegel, im Stadt-
AiA, SB Hag, A A S17 mr. i7.
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~ 14 —
LandvOgte ; ausgelassen ist die Stelle, welche von der Ernennung
des Schttltheissen handelt.
Von dem neuen Schultheissen wurde sodann auf Begehren
des Rates ein Gerichtsschreiber ernannt.
Meister Johannes Waldeck
wurde als solcher von dem Siettmeister vereidigt ; einen Revers
brauchte er aber nicht auszustellen.
Damit war die Präsentation und die Installierung der neuen
landvögtischen Re^Merwnfir für die Sladt Hagenau voüzot^en. Für
die Residenz der Landvogtei nämlich galt als Re^ei, dass Rat
und Bürgerschaft nicht bei der Pi asentation, sondern alljäiii licli
)>ei der Ratswah), die unter dem Vorsitz des Land vogts erfolgte,
Kaiser und Reich den Eid der Treue und des Gehorsams leisteten.
Der ehrsame Rat folgte einer Einladung des neuen Oijei iandvogts
zu einem dmbis».
Auch die nenn anderen Städte der 0ecapoiis waren 1486
von dem Oherlandvogt sur Huldigungsfeier nach der Residenx
der Landvogtei bescbteden worden.^ Das althergebrachte Recht
allerdings machte jedem Oberlandvogt sur Pflicht, sich persön-
lich zur Eidesleistung in die einzelnen StAdte su hegeben. Aber
schon 1438 hatte Oberlandvogt Pflilzgraf Ludwig IV. an die
Stfidte das frenndsdiaftlicbe Begehren gestellt, sie mochten ihn
von dieser pflicbigemissen Präi^entationsreise enthmden uikI
Bevollmächtigte zur Gesamtfauldigung nach Hagenau senden.
Diesem Wunsche haben die StiUite damals zwar willfahrt ; sie
erwirkten sich aber ausser dem gewöhnlichen Schutzbriefe einen
- weiteren Revers, worin der Oberland vogt versicherte, dass diese
aussergewöhnliche Gesamthuldigung unbeschadet des alten Her-
kommens geschehen sei:
«Wir Ludwig .... pfalzgrave bi Ryne .... Als der ailer-
durchluchtigste furste vnd herre, herre Allieclit, römyscher
kunig \ns die lantvogtye in Eylsas heuohlen vnd vns
zü . . . lantvogt in Eylsas gesetzt hei, darunib wir vns zu dirre
zijt hinufT z& den Stetten in die lantvögtie in Eylsas gefügt vnd
den den eid als ein lantvogt p^elon vnd von inen wider genomen
sollen! han, als sich gebührt vnd von alter harkomen ist, des
vns aber die obgenanlen slette von vnserer flissiger begerunge
wegen überhept vnd ir erber sendebotten mit ganczer macht
sfi vns gesant, den wir als ein lantvogt geton hant, als sich ge-
bflrt vnd von aller harkomen ist. — do hekennent wir in kraft
die brieb, das sSllichs den obgenänten Stetten in die lantvogtye
1 Von dem hageuaalsclieQ Berichterstatter erfakreu wir ni|sl^ts
Näheres darüber. YgL aber Strassb. Bez.-Arcli. C 1 nr. 26 nnd Ipas*
mann, Oavt. de Mulh. IV nr. 1891 n. 180S.
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— i5 -
sammentlioii nid sonderlich, diewile sie das von unserer ernst«
licher begerunge wegen geton haut, hernach in iren lüten
barkomen kein irrungen oder vnstatten bringen soIIb.i
Dieser Vorgang von 1438 ist typisch geworden für die
ganze Folgezeit ; die GhiirfrnNten von der Pfalz und die Erzher-
zöge von Oesterreich haben später niemals als Oberland vögle
die Präseutationsreise zu den einzelnen Reichsstfidtpn DngelretftQ«
sondern die Gesamlhuldif^ung in der llesidenz erwirkt.
Während die Churfürstea noch persönlich erschienen, haben
die Oeslerreicher durch eine Doppelgesandtschaft — erzherzog-
liche und kaiserliche Bevollrnächiigle — in ihrem Namen den
actub praesentationis vollziehen lassen.
Gewöhnlich wurden je swei oder drei Ratsmitglieder der
einielnen Stidte nach Hagenau beordert. Erst nachdem der
neneOberherr durch pflichlgemSsse Eidesleistung die Anerkenn-
nng der Hauptstadt erlangt hatte, konnte er gegen die äbrigen
Stfldle cpflicht tun vnd widerumb huldigung ufnehroen».
Auch nicht auf dem Rathause, sondern in der Landvogtei-
h^ausung wurde gewdnlich von^ dem Siettmeister Hagenaus
— im Namen und Auftrage der Städtegesandlen dem Ober-
landvogt «der Eid gestabt» auf die einaeinen Schutsbriefe» die
den Städten ausgehändigt werden mussten.
«"Wie (einer ieden statt) der reuersbrief eigentlich aus*
weyset, das wollen wir stet halten vnd getrewiich, on alle ge-
uprde, .ils wnrlich vns gott helf vnd alle heiligen.»' So schwur
1544 Pfalzgraf Friedrich II. Darauf leisteten 7 Städte: Rosheim,
Schlettstadl, Oberehnheim, Colmar, Xürkbeim, Münster und
Landau tolgenden Eid :
«Wir schworen, den durchleuchtjgsten hochgebornen turs-
ten vnd herrn, berrn Frid riehen ec . . » . vnsern gnedigsten
herrn für einen landvogt 2u haben vnd seinen gnaden im namen
des heil, reycha gehorsam zu sein, ^uler zümblicher ding:, als
das gewohnlich vnd von alter herkhomeh ist, allediwil vnd ei-
lantvogt ist, als vns gott helf vnd die heiligen.»
Inbetreff der Städte Weissenbuig und Kaisersberg wurde
damals (1544) constatiert, cdass sie des berkomens seint,
dass sie dem (Ober)landvogt nit swörent vnd er inen euch nit.>>
Bei der Binsetsung des Erzherzog Ferdinand 1566 beharrte
die Stadt Weissenbuqf bei dem alten Rechte» «dass sie nil
swOren» sondern bloss cgelobeni ; der Oberlandvogt hat deshalb
1 CATt. de Malh. II nr 560.
e Strassb. Bes. Areh. G t nr. 48,
s Vgl. den Bericht über den Astas praeseatatioais lä06 tat
Strassb. Bez.-Areh. C 2 nr. 48.
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- ie —
von ihnen bios« chandtrew genommen,» während er ihnen
laut dem der Stadl eingehändigten Schutzbrief (die Hagenauer
Kanzlei namlieh hatte konstatieii, dass der Landvc^t früher
auch Weissen!) Ii r«^' eineu Srhutzluief gegeben hatte und es
auch jetzt so Imlten müsse) fwiderumben einen gestabten ayd
mit aufgehobener band leiblich zu Grott vnd den heiligen
schwuri».
Die Abgesandten Raisersheigs hingegen hessen sich 15()6
bereden, — und so blieb es auch später, — zu s hwören, wie
die andern Stftdte. Zwei Städte, Rosheim uiul Turkheim, hat-
ten insofern eine Sundei-sleliung, als sie ausser der eidlichen
Treueversicherung dem Landvogl noch einen üiesLezuglichea
schriftUehen Revers ausstellen mussten. Derselbe besagte:^
«Wir hfirgermeiBter» rat vnd nmftmeitter der heyligeo
reichstadt Rosheim bekennen md thnn kmit in vnd mit kraft
die hnefs, tls der allerdumbleuchtigist grossintebtigst tiftrst vnd
henr, herr Maximilian der ander, rSmiaeher keyaer . . . dem
... Ferdinando ertahenofen in Oeeterreich i . / beudhen,
ifer K. Mj. vnd des heiligen xeieha hoidtuogley Bagenow in
vndar Elaaia . . . innemhaben, lu scbütaen vnd zu aehirmen»
und ala aber ir F. Durchlaucht dem wolgeborenen herrn, herrn
Niclausen, freyherrn zu Pollweiler vnd im Weylerthal, ifer F«
DI. Bat vnd vnderlandtvogt im Eisass vnserm gnedigen
herren^ die ermelte landvogtei Hagenow mit allerderselbigen zü-
gehi^ngen, Stetten vnd andern, darin wir dann auch begriffen,
dieaelbige als vnderlandtuogt zu schätzen vnd schirmen, zuge-
stellt und eingei:>en, dass wir demnach anstatt bocbgedachter
F. Dl. , . . als vnderlandtuogt gelobt vnd gesworn, seiner
goaden im namen der F. Dl. von des heiligen reichs wegen,
doch nit in pfandeswys, aller möglichen ding gehorsam zu sein
vnd zu vi'artende wie von alters herkoinen, alles getrewlich vnd
vngeuerlich, vnd dessen zu urkund so haben wir vnser statt
insigel gehenkt an disen hnd, der geben ist mittwochs den
13. Martii im 1566. jar.i
Mit der peinlichsten Sorgfoli wachten die SUdte jedesmal
darAber, daaa die SehwOriHriefo-der Landvagte in der alther-
kfimmliehen Form abgeÜuat waren; denn sie hatten darin
eine der aiehersten Garantten für ihre Reichafireiheit und Reicha-
nnmittelbarkeit.
Allein nur im Kamen cdea- Kalaera und des hl. römiaehen
Reiches» sehwnren sie Gehorsam. Thatsichlieh bestehende
Verpi&ndung hat in keiner Form die Anerkennung der Reicba^
1 Ygl. Obsiduüu Stadt-Axdu A A 46 an IM.
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- 17 —
sUidte «ilaDgt. Bei der HuMigimg 1566 so Hagenau iNsmerk-
ien die Gesandten Colmars» diiss in ihrem Revers die Worte
fehlten, dass die Stadt cnifin pfandeswisei gehuldigt
habe. . Sie nahmen den von dem Enherzoge ausgefeHiglen
Revers aus der Hand von dessen Gommissarien nur unter der
Bedingung entgegen, dass diese ihnen die Auswechslung des
provisorischen Reverses gegen einen richtigen schriftlich ver-
bürgten. Im Jahre i606 wollte Oberland vogt Ei'zberzog Maxi'
miliaii — laut der von ihm vorj^eleglen Schwörbriefe — den
Städten seinen Schutz verbriefen «als von der röm. kay. Majt.
vnd a n d e rn gel i eb ien heiren hrüdem vnd vettern
erzherzogen zu Oesterreich ge u o 11 m § c h H ;^ l ,^ r
regierer der ob e r- vnd v o r d e i- ö s t e r r e i c h i s c h e n
landen.» JJie Nennung der Östei reu hischen Herrn — ausser
dem Kaiser — erregte die Entrüstting der Städter^^'sandten, die
sich mit Mühe belehren Hessen, dass die Verstösse und Unge-
nauigkeiten in den Reversen keineswegs absichtlich, sondern
nur durch Versehen der Kanzlistt u geschehen seien.
Die eizherzoglicheii Goiiiüiiö.särien erlangten die Huldigung
der Städte erst dann, als nie den Umtausch der fehlerhaflen
Schwörbriefe gegen richtige schriftlich verbürgt hatten. ^ Auch
1615 protestierten die Städte energisch gegen die Auibssung,
als könne der enhemglidiA Oberiandvogt sie tvon vregen
des löblichen hanses Österreich in Pflicht neh-
men». Niemata wollten üe die Meinung aufkommen lassen
sab seien die Stidte mit denl' nutzbaren aigentumb des haus
Osterreich aigentumblicbe verkaufte, tradierte vnd von der
Cammergerichts iurisdiction ezimierte stttt vnd Österreich vnser
landtflirst vnd oberer.»*
Die Unterlandv^e wurden nie von der Pfticht entbanden,
persönlich in jeder einzelnen Reichsstadt zur Präsentation und
Huldigung zu erscheinen, die im ährigen für sie, mutatis mu-
tandis, ganz unter den gleichen Formen, verliefen, wie für den
Oberlandvogt. Graf Kraft von Hohenlohe war am 91. Juli 1486
gleichzeitig mit dem Oberlandvogt von der Stadt Hagenau als
Unteriandvogt empfangen worden. Im Februar des folgenden
Jahres trat er die Huldigungsfahrt zu den öhri«:en Reichsstädten
an. In Schlettstadt empfing man ihn am 14., in Mülhausen
am 16., in Colmar am 15., in Türkheim am 19. Februar.
Der Stadt Oberehnbeim stellte er am 20. dieses Monats folgen-
den Scbwörbrief aus:
1 YgL den Bsileht tihsr den aes. piass. 1606 Hag.-lrsh. ▲ A
216 nr. ?3.
s Vgl. den Bericht. StrMsb. Bez. Arch. C 10 ar. {>3.
2
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^ 18 —
Wir Kraft gmue von Hohenloch vnd zu Zigenhan, vndei-
ianluogt in Eises, iuii kuiil alier inenglichen mit disem brief,
daz des richs statt vnd bürgere z& Obarnebenheini vm 2x1 iant-
uogte empfangen haben von des aller durehlflchtigsten boeh-
gebomen furaten vnd herren, hem Fridriches dea romiaeben
Keyaera . . • vnd dea dnrehlucbtigen bocbgebornen föralen vnd
hcrren, berrn Pbybpaen pfaltigraye bi rine ... vnd dea rieba
wegen» vnd nit in pfandea wiae, vnd wir baben inen oucb vor-
ab geswom Jiplieben zü golt vnd den heiligen, getruw vnd holt
ze ainde, darzü beraten vnd beholfen ift allen iren nölen vnd
Sachen vnd inen gewaltz vnd vnrechta vor ze sin in lantoogt»
wi«e, alles, so ferr wir können vnd mögen getruwlicb vnd vnge*
ueriichy vnd by dem selben nnserm geswornen eyde aollen wir
die obgenanten von Obernehenheim dantü nlle ire bur^'ere vnd
die iren by allen iren rechlen, briefen, gnaden, tryheüen vnd
guten gewonheiteu lassen blil>en, als sy harkomen vnd gefi^et
sint von römischen keysern, küni^ren, andern fiiislen vnd herren
vnd als wir sy funden bant vnd sonderlichen doby lassen ze
bliben, üaz die burger vnd burgci jiiue derselben statt zü Obern-
ebenheim vnder der louben doselbst zü recht ston sollen vnd
niergeiiL anderswe, vnd die edeln an dem gericht in dem selbof
doselbst) vnd sollen wir sy ouch bieuon noch furbasser nit tren~
gen noch bekumbern in dbein wiae vnd doby lasaen bliben als
douor stot on widderede allea by vnaeran eyde vngeuerlich vnd
menelich. enaollen wir vnaern dienern noch nieman andera
keinen brief geben vmb achutde oder ander aachen uf die vor-
genant atatt Ehenheiin oder die iren zft fordernde oder ay dar-
unib ;fi jjjejknmbemde oder zfl acfaedigende in dheiner weg,
vssgenoimtn harin alle argtiat vnd geuenle; mit vrkund dia
briefa veraigelt haruber mit vnaerm anhangenden inaigel vff
zistag vor sant matbis ^ heiligen zwölfboten tag des jora
noch Christi vnsers harfün geburt als man zail tuaent vierhun-
dert achtzig vnd siben iore.*
Im Jahre 4544 war die Heschaffung eines passenden Ge-
s< henkes für den Oberlandvogt der Gefren«tHnfi einor ernstlichen
BeralunK der zur Gps.mifhuidigung in ilagenau vei'sammelten
Reichsstiidle* : «Die stett gesandten wurden zu rat, wie gross
sie dem Chnrfursten (Friderich) ein dnnckf^'eschirr vereren woll*
ten, vn«i zeigten an, wie dass sie eins für 80 gülden gekauft.
Nun gedechten sie, es wer an halt zu gering, vnd hetlen
> Orig. Perg. Urk. mit bingendem Siegel im Stadt^Areb. an
Oberehnheim. A A 43 nr. 1.
2 Vgl. Hag.-Arcb, AA21Ö und Batt, das Eigentom von Hagenaa
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— 19 —
eins für 105 guld. machen lassen ; Hmn w^W hievor Pfalz^raf
Ludwigen (1530) eins für 110 gld. vere» t wocion, möchl ir C.
Gii. solchs in vngnaden ufnemea, waun liann das ^^e-
ringer geschirr verert werde. Vtid wart erkannt, dass man das
geschirr für 105 gld. samt 400 goldgulden dorin vereren sollte.»
Nach der Huldigung wurde das betreffende Geeoiienk mit fol-
gend«r An^rtc^abemidit: cZu ingaog d«r ngMnuig» damit
ir Gh. Gn. gnedigst vefspirs^ da» ^ ttiti ir Ghmf. Giidm
ift OberUndfiogtMi «rfc«»tfln vnd dtlllr ballM» m vanhftan sy
eio feringfOgig driahgetchirr mit ioliaimMlem foM, mit «ntar*
tbin^ biit» Ir. Gh. Gd. wolHaa aokha c«teg» ««nhnuif ait
wflcfaoiäbMi . . .»
Des weileftBo beichräU dar B«ncht«r«tattcr den Bechar
foigendermassen :
«Der vergult topf ist ein dupplet gewesen, hat gewogen
7>|i mark Vs lot, die mark pro 14 gld.. tut 105 gld. 4>|j ß.»
Für di*' Anferligung der Revcrsalieo hallen die Slüdlege-
sandlcn in die rhurfnrstliche Kanzlei 20 Gulden geschenkt. Der
Siadtsclueiber Ha^^eti^ius hatte darauf denselben vorgehalten :
«wie dieCanzley hat ime bevolen zu reden, der stett weren vil,
die vererun^ klein, desabalb ir fleissig b^rn, dieseib verei ung
SU pessern».
Die Städteboten beratschlagten deshalb untereinander,« er*
hannten aber:
€mBan man an A anfieng, kome et hia aof daa Z, ako
da» man der canzley 20 gutden in gold erttatten adl md nit
Auf den Morgen naeh dem Hnldigongaalcl wen die Slidt^
geaandten in die Landvogtii heaefaieden worden zum Morgen-
mahl bei dem Churfursten. Sie worden erfreut mit einer Tafel-
musik, denn derGburfftrat lieaa ciam hallien mahle 4 mol mit
IpfeifiTen pfeiffenx».
Ueber ein Festmahl, das die Stadt Hagenau 1544 gelegent-
lich der Präsentation des Ünterlandvo^^t'' veranstalti te, berichtet
der damalige Stadt schrei her von Hagenau wi*- fol^'^t : lUfmontag
nach Lucas Evangelistae anno 1544 (18. oct.) wird dem wohl-
gebornen herrn Heinrich von Fleckenstein, flneiherrn m Dag-
etulj zu ehren, als viiterlantfougt^ von einem ersaroen rat, neu
vnd al^ A\Jich in gegenwart anderer herrn vnd edlen, dergleich
geistlichen vnd weltlichen peraonen nach alter gebranch vnd
herkomen ein gaatmahl gehalten.»
Gleichidlig meldete deneihe Sehreiher dem Probat von
Weieaenbrng und dem Ahle von Kkwler Nenbwg : cErwAidiger
fürst vnd erwürdige geiatliehe Hem» naeh genommener nahl*
seit, die wd vnd kflallidk war, • . • haben atettmeiater» asar-
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— 20 —
Schalk, auch d:e » Iteslen scheffen vnd marschalk von dem lisch
sich erliuijen, m unterlandfougt vnd andern herren zä end
in forma gedankt, vnd hat herr Hans . . . ein hübsch schöne
danksagung ^^hallon. Daruf der vnder landfoiigt glich selber
danksaget .... vnd dabey saget, sy hellen wol vnd redlich
gelebt, jiessen vnd (Jiunkt ii, vnd were fertip: ire essen. Hier-
aiil hebt man den tisch ab vnd stet man vf vnd zog jeder sin
stross vnd weg, vnd gab niemant nichts. Uf die nacht ward
der rat wieder bey einander, vnd essent die Oberbliebent stuck,
vnd gab aber nieiMiif nitl timI ward ,das geschlft also toI*
letd«!» vnd cgoU gab dem Dichter «ikien Ion. Amen.»
Die Schlittsberoerkung des Stsdtschreibers verriU offenbar
dessen Entrilstung darüber^ dass Koch bnd Dienerschaft nicht
mit einem Trinkgeld beehrt wurden, oder auch^ dass er
selber nicht zum Festessen sagezogen worden war.t
.Ana dem Jahre 1555 ist ein recht interessanter ^[»eiseEettel
eines solchen Festmahles erhallen t>
cAnno dorn. 1566 uff Samstag nach Ulrici episcofu schwur
der wolgeboren vnser gnediger herr, herr Eberhart Schenk,
graue EqMch ec. . . als vnderlandfougl, vnd vff sonntag den
andern tag hamach hat ein ersamer rat der statt Hsgenow diso
essen vfT vnsers gnedigen herren disch geben:
Z&erst ein fMiateck, darinn swey hflner verdempft vnd ein
Suppenfleisch, war der erst gang.
Der ander : ein versotten henn sampt dem fleisch, ein
essen visch von barbeln, vnd ein .hammelqüallen gebrotten, in
dreyen platlen.
Der dritt : ein pasteck, darinn salmen «chnidten gebacken,
ein gan« gebraten, vnd ein dracht gesotten eli, aber in dreien
platten o<ler gerirht ;
züin vierten : ein ruben niüss uiil banuneinfleisch geliochf,
vnd ein salmen grad gebroten, aber in zwo platten.
zöm iuniten : salmen gesotten, gehralen kalbfleisch, hüner
vud anders vnd gebackens, aber in dreyen piatlen.
zfim irechsten : ein darsch (Pfanneiikuchen ?) mit eigern
vnd gewüi'z gebacken vnd ein essen krebs, aber in zweyen
platten.
Zum säbenden : kirnen, rettig und kcss.»
Dies war das Menü IQr den Landvogt und die höchslen
Herrschanen ; das Festessen fOr die Stsdfrlte war etwas frugaler,
aber Immerhin noch reichhaltig genug :
1 Tgl. Bag. Arch. A A 150 and Batt I. e.
t Bag. Az^ A A m nr. 11.
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cSo hat man dem rat dise aac hüalgende eäsen gehen:
ZAerst ein pastecli darinnen zwey imner gebacken ;
zdm andern: bräeg (Brühe I) vnd fleii^cb sampt einer
beonen ;
zflm dfiUeu : ein essen eil;
ihm vierten : ein rübennouss mit hemmelaQeisch :
zAm fünften : ein essen aalmen ;
lAm aechsten : ein essen gdtackenes ;
lAm sftfaenteii: geprttes;
n» Mhtea : kreps ;
■im neftnten: kirssen, rettig md kest.»
Die Samme aller Anegtben flkr dieoee FeetmeM wurde lie-
rechnet e«f 17 ff \Z f, F&r ftkrif gebliebene Nehrengimittel
wurden eritel i V il ß 3 ^.
An Wein gingm bei dieeer «Bshettk» auf 11 Olunen.
Ge^gentÜch der BiddigvBgBltier wurta auch die Unter-
JnBdvagle in den eimelnen Reidiaatidle» lekii beidienht und
iMwirlel und atmt Ihrem Gelbige »na der Herberge dem
Gefttbanse, wo man abgestiegen 'war, cgetösli.
Schleif siadt s. B. verehrte 1531 dem Unterland vogt Georg
Schenki Freibefm lu £rpacb, 20 Kixmen^ seinem Kanzler d
Galdi», seinem Kämmerer 1 Gulden» dem Marschau 1 Guklen,
ausserdem wurden 16 Pferde und Reiter auf st&dlieehe« ILosten
jaxi Gastbaus zum Adler bewirtet uad beherbergt.
Unterlandvog^l Han;s Diebold "Waldner war 1559 mit 12
Pferden lu Schlettstadt eiptj^erUten. Für die Bewirtung auf der
Herrenstube bezahlte der Rai 10 S 9 ^ 9 Jl ; für die Morgen«
Suppen der Diener iin Gasthaus 7um Bock 4 ff 15 ß 8
Nikolaus Freiherr Boliweiler erschien am '29. Okloher
i-ÖW mit 28 Pferden sur Präsentation in Sohlt ttstadt. Die Stadl
schenkte ihm 20 Thaler, seiner Dienerschaft 4 Thaier. Der Rat
bezahlte för Bewirtung auf der Hei renstul>e 6 g 19 ß, auf der
•Herberge 13 S 13 ß 8 und heim Sattler 1 E 18 ß.
Georg Freiherr 2u Königseck und Auleudort ist am 26.
Mai 1589 in Schlettstadt eingezogen mit 15 Reisigen und 9
Kutscheiipfefden. In seiner Begleitung befanden sich von den
Merreiebisebeii Beamten su Ensisheim H. Reinach, der Statt-
balter» uiid Dr. Kasper Belst« Von Hagenau hatten sich ihm
angeschlossen der ^ehultheiss QUo von Suis und der Zins-
raeister HitterdMcher. Im Mlalenhof hidt man ESnkebr, Der
BchuHheiss der Sladt stabte dem Unterlaiidvogt den Eid; und
der hindfOgtisdie Snameister nahm den Bargem*Scb)e|tstadts
den Treund ab. Dem. Uulerlandvogt wrehrte man wiederum
SO Thaler, seinem G^dude 4 Tbaler. Auf der Herrenstube
betrug die stidtiacbe Qeebnung S4 IT 6 p 7 im Adler S5
Friedrich Graf zu Fürsten her;: Heiligenberg hatte bei seinem
Einzug in Schletlstadt am 30. Juli lo'J4 17 Reisig^e und
8 Kulschenpferde. In seinem Gefolge befanden sich der Hag.
Reichsächultbeiss Otlo von Sulz und der Zinsmeister Mitters-
bacher. Auf der Herrenstube wurden von der Stadt veraus-
gabt 35 ff 6 ß 8 ^ im Adtor 87 18 ß.i
Gelegentlich der Priseatation vertnchten die auf ihre Frei-
heiten und Rechte sIoIkd ReiefaMtidte unliebsame Bewerber
ttm die Landvogtei auch wohl ihre Bedeutung lühlen su lassen*
Dies wird treffend veranschaulicht durch das Auftreten Hagenaus
1666.»
Nikolaus Freiherr von Bollweiler war schon seit 1561
Kaiser Ferdinands Uttteriandvogt gewesen und hatte sich daf
Missfallen des Hagenauer Stadtrates zugezogen. Als er dann
bei der Erhebung des Erehenogs Ferdinand zum Oberlandvogt
1566 ebenfalls von neuem präsentiert werden sollte, da erhoi)en
die Hagenauer Klage, »als ob sie von Herrn Niclasen von BoU-
weiler hin vnd wieder angezogen vnd loen nachgeredt wurde,
wie auch onulenfi^st beschehen, dn ^raf Jacob von Bitsch vnd
andere ebrenieute mit an der tafel gesessen, dass sie K»-gCQ S.
Fürsll. Durchlt. den Ei-zberzog wider recht vnd biiljciikeit ge-
liandelt betten, welche reden vnd auflag ehr rüehrig vnd inen
niL zu gedulden.»
Der Stadtrat erklärte irei, falls jetzt wiederum jenei Bollweiler
als UnterJaDdv(^ jirftsentiert würde, cso könne die Stadt sich
nit mit im etnlassen».
Die Gommissarien des Enihenogs, welche den Huldigungs-
akt vornehmen sbllten, befragten daraufhin den von Bollweüer
und erhielten lur Antwort, die Hagenauer hfttteii lu Lebittten
des verstorbenen Kaisers und auch sttther unter der IQrstl«
Durchlaucht can ire iurisdiction vnd gereehtigkdt der landvogtei
allerhand neueiiingen vorgenommen». Kraft seines Amtes und
seiner Pflicht habe der Unterlandvogt dasu nicht stillschweigen
können. Dass er sie aber an ihrer Ehre angetastet, gescholten
und {geschmäht haben solle, wisse er nicht; caudem als die ver-
flossen rede bei grauen Jakob zu Bitsch angezogen worden, da
seien der ratsfreund von Hagenaw vnd der syndicus, die mit
an der tafel gesessen, desselben abends mit ihm zu bauss heim
gangen, haben zu kurzweilen mit im gespielt, welches der rats-
freund sonder zvveifel nit getan, wann er die von Hagenaw
fürergebener massen an ehren sollt geschmäht haben».
1 Ygl die Notizen des Schlettstadter Stadtbnehes i
üusüi&h. Bez. Arch. C 9 nr. 48.
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Uebrigens solle man seinetwegen den Huldigungsakt nicbl
einstellen. Die Städte mOchten doch nur dem Erzherzog nis
Oberlandvc^ schwören ; wolle man ihn nicht als Unterlandvoifty
80 könne der Erzherzog einen andern ernennen.
Die Commissarien hieUen dnraufhin den Gesandten vor, das«
der Herr von Bollweiler durch das, was er Amts und Pflicht
halber geredet hal)e, die Ehre der Sladt nicht iniuriert liabe;
es sei kein Grund vorbanden^ die Prftaentation deshalb zurück-
zuweisen.
Die Hagenauer aber beriefen den ganzen Stadtrat, und erst
uacii niebrslündiger Beratung kam man zu dem Entschlüsse :
a Wenn man ihnen eine Urkunde über den Vorfall ausstelle,
die sie später zu ihrer Ehrenrettung gebrauchen könnten, so
seien sie bereit, den actus praesentationis vorzunehmen. Es
hftUen nämlich auch Strassburger Bürger die Schmähreden mit-
angehOrl. und jlie Sache weiter «edNreitet.9
Nor den eindringlidhea Bitten der übrigen Städtebolen g^
lang ee damale» die Stadt Hagenau snr Versöhnung und Naeh*
giebigkeit zu bewegen.
ni.
Das Spital .
des Ordens zum heiligen Geiste
in der Stadt Eufaok.
Yon
flMlaM W«ltir.
Orden tum Mligeo Geitt, deeieii GdMung dte
Iphanlatieraelie -Ifitlelaiter Ifurtlia« der gesdiftftigen Mwester
de» ^medererweekteii Laitnii, MiMchreibaQ euehte, iet einer
.der Siteeten HospitiilordeD des Abendludee. GewUuilieb wiitl Guy
von IfontpelKeri der gegen Ende dee iS* JaMunderle in aemer
Vaterstadt «in bertthmtes Spital f&r arme Kranke irtiAeter alt der
eigeatlldie Gründer ansgesetieD. "ii lii rlnl, itminlininirtilifliMt (itu
OrdensgenosBenschaft durch die Bolle dee PapateB Innoceni YII.
vom 23. April 1198 beiseite mehrere Hauser dieser Art in
Frankreich und Italien eine segenardche Wirksamkeil auf den^
ixehiet der Krankenpflege entfalteten. Entzückt von dem Eifer
des Ordens, liess Innocenz i-20A den Stifter nach Rom kommen,
nberini^' ihm die Leitung des .seit 718 bestehenden Hospitals
«u] Sassiar-, vcrpnh den Orden mit Priestern und vereinigte die
beiden grossen Hospitaler unier demselben Meister. Da nhev
die uralte Stiftung in Rom Nachteile aus dieser Vert:'inif;:un^^
befürchtete, >:o trennte ^^chon 1217 Honorius III. dif beiden
Häuser wiedei , erst 1291 wurden sie durch Papst Nikolaus IV.
endgültig vereinigt.!
1 Tgl. zu diesem kurzen Abriss: Behrot« Histoire des prdrss mo-
nastiqaes. religieaz et mUiUkine, Paria lltl. II, 19ä — Bbi BMuhr
stAck einer pipstliehen Bnlle ans iim Jakve 1*77 giebt In fblfmdsn
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- 25 ~
Die auswirtigen Niederlassungen beider Hlnser waren, ia
Prafvinxen eingeteilt, an deren Spitie ein sog« Obermeister oder
Prorimial stand« So bildeten die am Oberrbein und am Neckar
gelegenen Hdepitiler der tStidte Wmpfen, Markgröningen, Mem«
mingen, Slepbanafsldy Rufacb und Neumarkt und Bern in der
Schweiz die Provias Oberdeutschland des Hauses in Rom,!
deren Obermeister in Stepbansfeid aeinen Sita halte. Unsere
Rufacher Gründung insbesondere stand von altersber in engster
Verbindung mit Stephansfeld, ohne dass es aber ans dem vor-
handenen UrJuuMlenmaterial möglich wäre, das g^enseitige
Verhältnis genauer festzustellen. Vielleicht bringt eine noch zu
erwartende Ausbeutung des reichhaltigen Stephansfelder Arcbives,
da« im BörgerspHa! zn Strassburg- aufbewnhrl wird, dereinst"
die erwünschte Aufklärung. Die folgenden Zeilen enthilten
bloss jene Mitteüunpenj die im Rufacher Stadiarchiv den Sturm
der Zeiten überdauert haben. Die Abhandlung selbst glaubte
ich im Interesse der Sache in zwei getrennten und sich er-
gänzenden Abteilungen zu bieten. Ein erster Teil wird iiaupl-
sächh'ch die Urkunden und R e g e s te ii der unter GG
56 und 57 erhaltenen Briefschaften aufnehmen, ein xweiler Ab-
schnitt mag, so weit es unter Verwertung des übrigen Materials
möglich ist, einen kurzen g e sc h i c b tl i c h e n U e b e r b 1 i c k
tiher die längst ent^^chvrundenen Tage der in Rufach nur noch
durch die Sage bekannten ehemaligen Wohlthätigkeitäaasialt
entwerfen.
t. Urkunden und Regesien.
1. 1870. 27. Febr. Der Riller Jakob von Ratsamhausen
schenkt dem Spital tum heiligen Geiste ia Rufaeb die Boden-
fläche, auf der das Spital gegründet ist.
Vniuersis Chrisli fidelibus preaentes lilleras inspectnria aasi
aiidituris Jacobus, miles de Razenhusen, noticiam subscriptorura.
Quoniam dies hominis pauci sunt et ab humana memoria fa-
dlius elabuntur ea, que nomine teslium et apicibus iitterarum
non perbennantur, Ttttttersomm igitur anribos tarn pres^tium
guam ftitnrorum ioculcari desidero, quod ego ob deaocionem
et amorem, quam habeo ad boepitale sancti Spiritus, et ob re>
niistionem meorum . peccatonim nee non pareotuni meorum
Worten Innoeenz als Orfiader an . . . (hospitalia) Innocentius papa
tertins predeccsfior noster diuinitns. nt pie cre liitur, ire^piratas ad laa-
dem et gloriam omnipoteatis dei pra animarum et corporom euitandis
perfealis et expositonnn iufenliara et paaperam miserabilimnqne et
lafirmomm aubsidio et svbventione fandanit . . . . St. B. — 6G öö, 48.
1 Tgl. Jtone, Seitackrift fär die (jkseMokte des Oberrheina^ 24,
88e.
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96 —
eidem in Rubiaco hospitali contuli, tradidi et assiornaui pio con-
sensu et pura volunlate mee vxoris Agnetis et mee ülie, Juntha
uumine^ aream meaai proprietate michi attinenteia, in qua sei'
licet arm ipsam hospitale in Rubiaco fundatuin exatat el quam
aream Petrus de Tbomarkilch dictus habebat a me qQondam
libere et pacißce titulo proprietatis possidendam, bac condicione
adiecta, quod prouisor seu {xiibeinatoi eiusdem bospitalis, qui
(unc fuent pro feni}>üie, niichi, quanidiu vixero, in natiiiiiale
domini vi^rioti solidi den. et in festo beati Johaniiiä Baptisle
viginti soKdi vsual» monete Basilienaia ainguHs annis et qual-
tuor cappones pro cenau repreaentat. Cum autem ego laoobaa
prelihatus viam tocius carnis in^rressus de rnedio fueio sublatn«,
prenotalas areas r\h omni seruitiite et censu quoiibet vacuas
et solutas omni iinpeticione et contradictione meorum heredum
obturata iusto et uero titulo proprietatis hospitale prediciurnjo-
aidebit et fnietur. Balum et acittin anno Iloniini U^COLsX*
tercio kal. martii presentibus domino Gvnrado dicto Krapho,
domino Wernero Rnfo, domino Andrea, domino Cvnone mili-
libus de Lobi^^asseii, domino Symone de Meginheim, Anshelmo
aduocato, VVaitbero scuiteto in Pbaffinheim, Lutoldo Geaaikrio,
Bertholdo Rc^e, Rvdoipbo de Merkinaheiiiir, Jacobo cellerärio,
Rvddfo Healioo et aliia quam pluribna ßde dignis et honeslis
ad hec omnia premissa vocatis et rogatis in capella beati Ni-
colai cor;iii) :<ltari beale Marie Magd?^ Jene : in cuiu^ teslimonium
cartam prebenlem contra futurorurn euenlus et ambignitatem
munuoine sigilli mei et communitatis Rubiaceiisis» ciuiiutis feci
roborari«
QiiginaL PergtoiaBt Ton den beiden Siageln aeeh die
Schnfirew
<
2. 1270. Ea iat zü wüssende, daz vnser Herre Jacob von
Ratzenhusen Ritter vnd Agnese sin frowe vnd Juntba ir thohter
vnsern spitai gestifTetet Hanl vf irme eytjin mit Aller zügehörde, dn
wir vffe sitzent, alz die briefe bewisent, die wir do vber Hant, diedo
besigelt sint mit vnsers vorgenant Herren Insigel vnd mit der
atette Ingesigei von Ru&cb, vnd ein brief mit des Hofea Ingeaigel
von Strasburg. Vnd ist och do bi gewesen Hern Cünrat Krapho,
Her Wernher Rote, Her Andres, H. Cönrate Rittere von L6b-
gasseo, Her Symont von Meißen heim, Anshelme der vojrt,
Walther Schultheis von Pfaftenheim, Lutotd Gesseler, Bertschm
Kvtiig, Rudolf von Vnglcerheim^ Jacob Keller, Rudolf Bdtaetin,
Johannes züm brunnen, Burckart JMUung, Rftdolf aftm Haaen und
ander erber lute vit ; vnd ist beachehen daz vorige ding vf sant
Nicolaus cappeile vor sant Marien Magdalenen Altar In dem Jor
do man zalt von golz ^^eburt cc,° Ixxo, fertio kalend. martii»
Notiz in einem Güterbuoh aus dem 14. Jahrhundert.
3. 1273. Ks Lsl zu wüssende daz Serung müller vnd
Adelheit sin Gliche würtin hant geben durch got vnd durch
irer aelen Heile willen ab, daz sü habent vnd die mülin, die
an vns gelegen iat, alz der brief bewiaet, dep beaigelt iat mit
vnaerm iQgesigel vnd mit der stette Ingeaigel von Rufach; vnd
hie by was BiUung der atette meiater vnd die brAder vnaera
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— » —
Httse« z& Rufach, Her Bertholt Gappellan sA Ruiacb Anno
m* cc* Ixxiir», vigilia Thome apostoli.
Notiz an deraelbeD Stelle.
4. 1304. Es ist zü wüsseDde, das der siuü (Schlupf,
Durchgang), der do gelegen ist zA Rufach vod der in&lebach
vf lidiende gegeo den lir6tlaiibeii vnder Tnsa^rm Hute, das do
was Waltber Schultheis aeligen von Phaffeobeim, köfl hant vnib
ffinftehalb phunt phenige vmb die statt von Rufach, ah der
briet bewiset, der besi-relt ist mit der vorgenant stette Ingesigel
Anno iiio ccc<^ iiii"^, vi^fiiia Jacohi apostoli.
Notiz wie vorhin.
5. 1307. Donnerstag vor Allerheiligen. «Eisio, Ludwiges
seligen des Schröters tochter von Ruvachi, verkauft an cbrftder
Anriebe, einen Meieter des Spitals su Ruvacb»» und an die
cbräderacliain des Heiligen gdstes Ofden von Steffesvelt» die
Rechte an ein Haus zu Rufnch can irer kilchen» um 1 Pfund
Pfennige. Zeugen : Herman am Stnde, voget zu Kuvach, Wern-
ber von Löbgassen ritter, Otte von Merkenshein u. a.
Gr. Perg. Siege! abgebrochen.
6. 1314. Abiassbriel für die Wohith&ler des Heiliggdat*
Spitals.
üniuersis Christi Iratribus präsentes litferas inspecturis mi-
»eratione diuina fratres Nicolaus Jadronensis, Raytnundus Adi lo
nopoUtanus, Aieiander (Mensis archtepiseopiy Raymundus Has-
sitiensis, frater Petrus Narmensis^), frater Petrus ciiiitatis noue,
frater Jacobus civitatis sancte Marie, frater Guilhelmus ad partes
Tartarorum, Älfonsus Sualinen<?is, frater Nicolaus Botrontinus epis-
copi salutem in eo, qui mi otiioium uera salus splcmiür paterne
glorie, qui sua muuduai iliuminat ineüabiii ciarilale, pia vola üde-
lium de ipsius clementiasima maiestate sperandnin, tunc prscipne
benigno fauore prosequitur, cum deuota ipsorum, humilitas sancto-
rum meritis et precibus adiuuatur: cupientes igitur, ut ecclesiacum
haspitaii sancti Spiritus in Ruhiaco, Basiliensis diocesis, congruis
honoribus frequeotentur et a Christi fidelibus iugiter venerentur,
omntbtts vere penitenlibus et confessis, ^ui ad ipsam ecclesiam
in fesfo eiusdem sancti necnon in festiuitatibus natittitatis do-
mini noidri lesu^ cireanctsioniSy epyphanie, parasceues, resur-
rectionis, ascensionis, penthecostes, in omnihus et sin^nilis fps-
tiuitatibus beate et gloriose Semper virginis Marie, niimiuruque
ac singulorum apostolorum et euangelistarura ac sanctorum
Michaelis artuangeli, ioannis Baptisle, Laurentii, Nicolai« Mar-
tini et sanctarum Marie Magdalena, Katharinen undedm milinm
viiginum, in commemoratione omnium sanctorum, in utroque
festo sancte crucis, nemon in dedicatione ipsius ecclesie ac per
octauas predictarum festiuitatum octauas habenfium, causa
deuotionis peregrinationis accesserint, aut qui corpus Christi
ssenti fnennt, cum pot tatnr infirmia, uel qui in extremis la«
borantes dicte ecclesie quicanciue suorum legauerint facultatttin»
seu qui cymterium dicte oclesie circuierinf, cum deuotiofte "di-
cendo orationem dominicam pro defuoctis, necnon qui ad fabricam
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_ 88 -
lumiiiana, ornarnenta et aiia diele ecciesie necessaria manus
porrexerint aiiiutrices de omnipoteDtis dei misericordia et bea-
toi-uin Petri et Pauli apostolorum ejus aoeloritate confisi, sin-
giili nostmm quadrappDta dies indulgentiarum de peDitenciie
misericordto in donuno relaiaii»»» dummodo dioceniti volunias
ad id accesserit et consensus. lo cutus rei testimoniuui preserfe»
liLteras sigillorum nosfronim jussiniiis appeosione miimri,
O. Caipeotorati, aono domim treceDtesimo quartodecimo, meose
martii, pontifioatiis domini Glementis pape v anno iiono.
Or. P«rg. Die Siegel fidileii.
7. 1928. cAn dem krvmbefi mitwucben m der karwucfaeti».
Jbhannee cNvnberze» von Bufaeb und seine Frau Grele vei^
tchfliilieii all ihr Hab und Gut an das Spital zum hl. Geiste,
empfangen es aber von dem Meister Cuno von Geispoltzheim
gegen einen jährlichen Zins von 1 <rvierde)ing wabsea^.f&r den
Kest ihres Trebens als Lehen zurück.
Or. Peri?. Sieg-el ab.
8. 1333. Muiitag nach Johannes des Täufers Tag. Lutschin
CiOlieliD Yüa Rttfoeb, seine Schwestern Katharina imd Grete^
sowie Anna fiaalwindin und Katbarina HilfenbraodiD, die
Schwestern von Isenburg (Beguinen), verkaufen dem Meister
Gono von Gei^poltzhnim 6 Juchart Matten um 17 Pfund Pfennige.
Or. Perg. Siegel ab.
9. 1384. Freitag vor der ali^^u Vasenacbt». Schwester
Ellin von Affeuthal (Beguine) schenkt dem Spital 4 Viertel
ckorngeit^». Davon sollen nach ihrem Tode 2 dem SpitaLftzu
eigen vallen», swei aber an die SItdt, in der cir Up imd g»-
beine ruwende».
Or. Perg. Siegel ab.
10. 1339. Donnerstag nach St. Nikolsus. A^^nes Zigellin
von Rufach schenkt dem Spila! und dessen Meister Heinrich
von Weissenhurg 6 Pfundpfennige Geldes von Häusern in Rufach
mit der Bedingung^ dass sie calie ior söllent geben Brüder
lohannese irme Sane, den Sü £mphangen bant durch Got in
den vorgenanten Orden vnd Spital» drü phunt pbennige des
vorgenanten gelts . . durch das er desto bas dn notdurft
haben möge».
Or Perg. Siegel ab
11. 1345. Donnerstag vor St. Nikolaus. «Ursula Munchin,
Herrn Vlriches seligen eliche wittwe vom Hus, eins Ritters,
dem man sprach von Wassenberg« fibergiebt dem Spital für ihr
und ihres verstorbenen Sohnes Henln Burckelin Seelenheil 4
Schilling, die dCarnhowers dochternnan in Suntheim» geben
soll, ebenso eine Gans, die Wernher Yinster von Suntbeim
schuldet von «einer HulöJalt, stosset vf die tutschen Herrn
nebent dem güt von sante Clären vnd nebent dem güt von
Anddabei in Suntbeim. t
Gr. Perg. Sieigsl ab.
1 finntbeim ist ein längst vezsehirandsner Ort bei Bnflteb.
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— 5K> —
12. 1347. Henin von Berghotz, «der ze sultzmatt gesessen
istn, verschenkt an das Spital zu Hufach 3 Schatz Reben im
Banne von Bergholz und 3 Ohmen Weingeld von einem Garten
in Westhalten.
Notiz im vorgenannten Qfiterbneh.
13. 1367. Osterabend. «Bartholomäus von Balswiir», Prior
der Prediger in Gehweiler, verkautt dem alten Spiial im Namen
»eines Ordens Ziusen von einem Hause cZur Tuleni in Rutach
und YQB einem Bebgarteo in Santheim*
Qr; Perg. Siegel stark beaehSdigt
14. 1371. Zinstag vor St. Katharina. Frau AmalriebiD
von Slotibeim achenkt dem Sptlatmeieler Gltus Le 4 Kapaunen
Zina von Gütern im Banne von Rufoeh*
Or. Perg. Siegel abgeriaaen.
15. 1372. Monta^j: nach I^i-obleichnam. Hanneman Vogtelin
von Rufach verkauft Claus Lee seine Anaprflclia auf die Bad»
Stube der Stadt Hufnch.
Or. Perg. Siegel ab.
16. 1375. Der Spitalmeisler Claus Lee vereinbigrl aidiniil
Vogt und Rat zu Rufach der «Meise»* wegen.
Wir Brüder GAnrade, Gommentur zü Suis sant Johanseg
orden, Brüder Ludowij^ von Bolaenheim, Commentfire des
d&tscheu Hüses zü Sunlheim, vnd Wilhelme v(3n Burnen ver-
ichent vnd t&ni k&nt allen den. die disen brief an sehent oder
horent lesen, Als in der missebelle vnd stosse. so gevresen sint
iwisehent den geistlichen Brflder Clausen Lee, meiater des
alten Spitals zü RAfach, vnd den Erbern bescheidett dem Scliolt»
heis vnd dem Rate zü Rdfach von der Metze w^en, desselben
sii«0e vnd missehelie !Sii zü bedensiten einhelleciichen vf vns
komen sint, Vnd darumb so han wir sü gütlichen gerichtet
mit einander in alle die wiae als hienach geachriben stal. Daz
Ist «issende, das der vorgen»nt SpHalmeiBler vnd sin nach-
kernen die Metze nemen sönde von dem ersten, so die Sichel
an gat zü snydende zü der Errende, biz vnser frowen tage der
Jungen in allen H&sern der kornlöle, dl« körne verkouffent ;
£s were danne, das man körne dorm schulten w5Ue zü be-
haltende, on alle geuerde. Ouch sol vf die Burck in demselben
Iii von denselben flAsem die Meise iverden an dem Sampztage
vnserm Herren von Strasburg, vnd ouch zü den zweinen messen
vnser frowen der Erren vnd der Jöngeti So sönd sü die Metze
gliche teilen vf die burck vnd in den Spital ; w^z och duich
daz ganze Jore vf den merckte komet in der wochen, daz sol
dem Spital metze geben, on an dem Sampztage, daz sol vnserm
vorgenanten Herren werden vf die burck ; was och in der
.Hflser komet| die gaste emphahent vnd anhaltent, die sollent
ooeh dem vofgenanten Spital durch das Jore metie geben, on
^ üebar die Metse vgl. ito Chronik von fietkr. f oL 841 K
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ao —
am Sampztage, die o -h vT die burck g^ehorent, on alle g'euerde,
vnd als ez von altei liyr komfn ist; wer e2 ai>tir daz der Spital-
meister befände vud dm kuullicheu würde, daz icmau kein
geuerde do mit tribe oder detle, So sol der Voget, der Schultheis
vnd der Raleim beholfen sin vnd dorzA fftD» daz vnserm Herren
vnd d'^rn Spital daz benonnen vnd grebes?ert wurde nach mflgen-
lii hen dingen, nne alle g^euerde. Vnd dez zö einer Sicherheit
vod merer bestetunge dire Dioge, So^ hant wir Brftder Cün-
mde, Brfider Ludwige Gomenture vnd' Wilhelme von Burnen
vorgenaote vnser eigene insigele gehencket an diM hriefe. Der
geben ist an dem nehsten fritage nach dem heiligen Pfingstage
dez iars, do men zalt von gotee geborte drützehenhundert Sä-
bentzig vnd fünf Jnre.
Or Perg. Siegel abgeBohnitten Eine gleichzeitige Abschrift
im Stadtbuch AA. 4.
17. 1378. Montag vor Palmtag. Katharina und rieinbold
von Merkens«^heim, erstere mit Einwilligung ihre:» Voj^les «zer
Bunden», verkaufen dem ^italmeister Clans Lee 10 SchilKnn^
Geld von der Badstube zu Kofach.
Or. Perg. Siegel ab.
18. 1379. Monlag nach «Sungihten». Die Klosterfrauen
von Sl. Marx erlassen dem hl. Geistspital in Ruf'ach eine Gans
cgeltz», die sie fi'üher auf das Spital seihst he7.o'^er\ haben, erheben
sie aber von einer Hofstatt in Suntheim, «gelegen neben dem
Gut der Frowen zer Engelporte» von Gebweiler.
Ör. Perg. Siegel arg besehidigt
19. 1380. Freilag vor St. Johannes zu Sungichlen. «Hen-
man von Sehtaovr ffenant von Stetenberg, ein Eoelkneebtot ^
scheinigt, dass filäcnin Mertzin genant Suebin^ eine Bikrgerin
von Rufachy dem alten Spital zehn Pfond Pfennige zu einfsin
fselgereteT) fi hergeben hat.
Or. Perg. Siegel ab.
20. 1383. Montag nach St. Niklaus. Wilhelm von Gyres-
perg; Komtur der Johannitter in Colmar, tauscht im Namen
seines Ordens GQter und Zins» mit dem alten Spital in
Rufach ans.
Or. Perg. Siegel ab.
21* 1384. Donnerstag vor Maria Himmelfahrt. Der Deutsch«
Ordenskomtur von Wessenberg (Suntheim) verträgt sich vor
Conrad von Wittenheim, Propst der Stifl zu Colmar, Ruselin
Wotmann, Schaffner zu St. Kreuz, Andreas von Hungerstein
Ritter und Junker Simon von W^esod mit dem Spitalmeister
Glaus Lee wegen unterschiedlicher Güter und Güfeninsen her-
rührend von Frau Beatrix von Grünenberg in den Bfinnen von
St.. Kreuz und Logeinheim.
Or. Perg. Siegel vb.
22. 1384. Fest Maria Himmelfahrt. Jekrlin von Luten-
bach erhält als Leben auf 9 Jahre alle Reihen. Gfnien und
Aecker, die das Spital zum hl. Geist von Rufach in Lautenbacb
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— dl
besitzt, so wie Haus, Hof und Trofte daselbst. Das Spital he-
bäll sich >|s ('^s ^YeiDe6f den Krtrag der MussliMUine und j&hr*
lieh eiij Kalb vor.
Notfs im TorgeBftiiBteii Oittrbaeb.
23. 1386. Montag nach Lätare. Die c honesta vidua Ger-
sehina dicta Peygerlenn rdiela qaondam Nicolai KlOphel
Itubiaco» versGbenkt mit Zustimmung ihres Vogtes, de» Ritters
tWerlini de Hunenwilre», alle ihre Göter an das Spital zum
heiligen Geist in Rirfach, «presentibus religiosis in Cbn?;to fralre
Wilhclnio de Giisperg cominendatore, frstre Berthoido de Aiten-
castei cüiiuenluale ordinis et domus sancli Johannis in Golum-
bona, don^nis Waltbeio Palio» Jobanno de Rubiaco preiÄiiteriSy
diclo Otte Rudolf de Schönnowe armigero et Nicoiao dicto Dur-
ren oppidano opidi Rubiacensis.i
Or. Perg. Siegel fehlen.
24. 1388. Hans Wernher uad Otto Rudolf von Schönau
beschenkeD das Spital tum beUigeii Geiste und treten in die
Brnderschaft ein.
Ich Hang Wernher von Schönow ritter Tun kunt aller-
menglich mit disen hriefe, Als min lieber Herne vnd vafter
seiige, Her Jacob von bchönowe, ritter, vurzitten durch sich
äeibs vnd aller siner vordem seligen Heile willen zä eime
rediten selgewle goben hat an den alten apitlal te Rnfiich dez
Beiiigen geists ordens anderbalb Juch ackerSy gelegen in Rufach
banen, dz Juch xe nebest by dem steynin r-nitze in der l9^*
breite, andersit neben Peter von Merkenschen Da vr-
giche ich vnd bekönne mich öffentlich mit disem briefe, dz
die selb gift vnd gahe min gilt wille ist;, vnd wand brfider
Claus Le, Meister vnd pfleger dei selben spittals, mich vnd
Otte Rüdolf, mins brüders seligen sun. In Ir brfiderscbafl des
Heilipen geists eniphahen bat, da hab ich angesehen grolen
golidienst, so leghch in dem selben spittal bedangen wurt, vnd
dz die armen dürftigen in dem selben spiltal de^to bas gespiset
werden, so hab ich och an den selben spittal geben diae nach-
heschri ebnen Güter den dürftigen zu coste durdi min vnd des
egenant Ol in Rßdolf vnd aller vnpre vordem selif^en Heils
wjllen also, daz die selben vor vnd nach gescbribeneo göter
dem egenant spittal eweklich bliben sollen t geben
an dem nehsten fritage noch vnFre frowen dag der Lichtmeß
dratiehenhnndert Acshtzig vnd ;eht.
Qr. Psrg. ffisgel weggeb odien.
5i5. 1389. Donnerstag voi Maria Lichtmess. Cleulin Sur-
eant, Altschultheiss zu cGebelsv r», übergiebt dem Spilalmeister
Glaus Lee und dem Spital -ifhf Schrat/ Rflien in Riifach gegen
zwei Schatz in Piairenheim, fhmit, wie er ausdrucklich sagt,
tman mich, min wip, min kmler vnd alle mine geswüsterte
och do mit verbrüdere In des Egenant spitah BrQdmcbaCt des
Heiligen geistes ordens, vnd /ran vns )ün sol alz andern Inten;
die sich in die selbe brfidei'schatlt verbrAdert hant.t
Gr. Perg. Siegel ab.
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— —
26. 1991. SImtair vor St. Thomas. Der SoUalmeiifer
Ckus Loe beweist vor Cfinrad von Lan/feii, dem orfizial van
Basel, und Götzmann Münch, dem Vogt von Kutach, dass der
Hot neben der voa Osieiu Gut zu Rufacb^ den das Spital vor
achtzig Jahren von Tnn Anna, Yminers Toditer wa AiMMafae»
erworben hal, nicht in dem Diogbof der Aebliaaln von Esehan
gehftrt*
Or. Pari;. Siegel ah.
id03. Montag vor $!• Oswald. Claus Lee nnd Göti-
mann Bader vergleichen sich vor Reinbolt von Nansen, dem
Scliaflner zu Rufach, Wallher Fulin, dena Leulpriester von
Geber schweier, und Conrad von Machtolsbeim, dem Caplan zu
St. Johannes Allar zu Rufach, wegen der neuen Badstube zu
RolMb. GAtamann hehAll aie in Erbiehen.
Or. Peif . £ßegel ah.
98. 1399. Anno domini oce^ xcxxfi dominiet Mtn -oei^
lauam aasnmptionia bte. vii^nia Hanl wir verlieben Clana
Surcanty dem Schultheis ze Rufach, vnSeni Tuben garten von nu
sant llartioatag vber 10 ior, alle ior vmb 1 flf alt der brief
seit.
Notis im vorg^eaannteu Güterbuche»
99. 1 i06. Montag nach Fronleichnam. Henin Kilwari
von FiLifach taii-^rbt mit «dem Erbern priester brüder Bercbtolt
von Ptortzheo^ raeister vnd pQeger des alten spiUals ae Rufacb,
etJiehe Schall Reben* gegen Ackerland im Rufacher Banne.
Or. Perg. Siegel ah.
,S0. 1410. Montag vor St. jBaruaba:>. Der Spitalmeiäler
Johannea von GrAningen und Martin Platten fftr idch und
«TmteneBna aeine'Frau, eine Tochier des verstorbenen Konrad
von Hungerstein, vergleichen sich vor dem bischöflichen Vogt
Krallt von Ungersheim wegen Güter und Zinsen in Lautenbacn,
von welchen cden tulschen Heren von Sunthen acht Schilling
KoUzj» gehören. Zeugen: «Heinrich Schiferslein der kilchberr.
Weither Fnün der caplan vnd Hans vm Wetolxheim ein Edel»
kneeht.
Or. Parg. Sieget lUdl. ^
31. I4S5. Iiem es ist sft vriaaente^ wenne die atai Reyaen
müi^, so sol der alte spittal haben Einen- karraeh vnd svuej pinrt,
die des Rats wartent.
Vnd wfnn mnn daz GewerfT lei(, m der Spüfrilmeisler
geben em zchen inrssige g-elle mit wiiie u IT die slui>e vngetdlich.
Ouch i6i lu wissende, daz ein oüene stjcoi^ sol sin tag vnd
nach durch den spitlaihoil.
Ouch ist zfi wissende, daz der Spittalmeiater alle Ürftnide
aieehen vnd dikrffligen, die es beg^ent, In den afittal enthaltend
vnd roil doem hotten venorgen ad, vnd wenn er es vcm dem
Vogte oder d*»n Reten ermant vnd gcbetfen wirt, semlifhe
dürfitige z& emphohende, <;o sol er den betten gütlichen eren.
Aosaug &m dem alten Sudtboeli. AA. 3.
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33 —
32. 1437. Zinsta^r nach Licbtmess. Burkard von Etissbeim
der Weber kaulL vuu dem Meister Jphannes voo ftUeiUproQi
iin Haus in der BasMogasse zu SO Pfund Stehler.
Qr. PiTf . Siagd ab.
33. 1446« Waltber Kusspfenoig cpriester des heiligen geistet
Ofden meister vnd pfleger des alten SpHals zu Bnbch», klagl
vor dem Schultheiss Thoman Jüdlin gegen Hans von Merkens-
heim, Börprer in Rufach, weil er dem Spital 2 Pfund und 2
Pfennige Zins vorenthält, die sein Vater dem Spital von einigen
Rebatücken in Rufoch geechenkt batto. Hans wird verartailt.
Qr. Perg. Sicgal ab.
34. 1443. Wie die Mets von verkaufftem kom vnd ge*
mflaae vofxitten am Wocbenmarekt genmnen vnd abkoufil.
Wir der Schultheis vnd der Rate sft RulTacb Bekennen
offenbar vnd tünd kunt allen den. So diaen brief ansehen, lesen
oder hören J^n von sei icher Metz wegen, So zu ziUen ge-
nonrien .... Haben wir nü angesehen vnd bedacht vil znnckes
vnd kumbers, So dadurch vf erstanden, vnd der merckt ^e-
schuhet worden vnsern Herren vnd vus schädlich ist, Haben
zum Besten vnd ymb gemeynes nutaes willen sollich Mets xA
vennyden vnd fürder nimer sA nenien von vnn.«erm gnedigen
Herren von Straßburg zü zitten abkoufTt vnd dafür ein ^'ül ge-
nügen gethon, das sollichs genntzhchen ab ist.' Vnd haben
ouch mit den Erwürdigen geistlichen Herren, dem Meister zA
Steffilfelden vnd pflegem des allen Spittais zA Rnffach des
Heiligen Geistes den ouch ein uherkomnif gethon vnb Iren
teilf das das hinfur ouch ab sin, vnd wir vnd vnnser nach-
komen als von der Statt Rufach wejjen Einem Je^jli'^hen Meister
vnd pfleger des Heiligen geistes Golzhuß vnd Spillal zü Ruffach
für soUch Metz, inen Zfigehorende, alle Jor geben sollen Zwey
vierteii Rocken geltz Joiicbs Zinses, zwAsebent den Zweyen
vnser lieben frowen tag der Eren vnd der Jungen, die wir
Inen geslagen vnd versichert Hand vf den Secbtzehen vierteil
korngeltf So die Statt Ruffach Hat vff Hundlingers Mülen
geben vf Zinstag vor Sant Vitt vnd Modesien tag Nach Cnsti
gepurt Tusent vierhundert vierzig vnd Acht Jore.
£opialbn«]i des 15. Jabrkandsrts.
35. 1457. Montag nach dem Maitage. Jos von Baden,
der Meister des Spitals, und Jerg Kürsner, ein Bürger des
Gerichts zu Rappolls weiter, veigleichen sich vor Thenin Glortz-
ner, dem Stadlschaffner zu Rappoh^weiler, wegjsn einem tvier-
teil korngeltz» auf Gütern in Logeinheim.
Or. Ferg. Siegel ab.
36. 1460. Walther Kusspfennig, Kämmerer des Abtes
von Münster, giebt Zeugnis über das Spital zum hl. Geiste.
Wir Hanns Küdoiff, Appt zü Münster In Sant Gregorien-
tale, Bekennen vna offientKcben mit disem Brief, das vf diaen
1 Am Sonntag vor St DloBvsieiitag 1488. Tgl. Chronik von
Berlar. f6L I87i».
S
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u —
Hättigen tag", H.itiim dis BriefTs, für vns komen ist der Erber,
Bescheiden Arbogast kefer, ein KatzlKjtie zü Huffach, vun we^'-en
vnd gebeiP der Eisamen, wisen Schultheis, Meister vad Kate
der Salt Ruffach, ofiTnele aldo vor ynns, wie das der wirdig»
Her Jos von Baden vf dis zitt Meister des Heiligen (i:ei8tes
Spitlal zü RufTach vf ein, vnd die benannten Schultheis, Meisler
vnd Räte zü Huffach andersit etwas Stoß vnd Spenne j(egen
einander liaben, vorderte vnd begerte an vns. Im ein kunt-
schaft der worheit zuuerhoren^ So desshalb die benanten Schult-
heis, Meister md Räte Im Reehteo notdarfftig weren» Tod Er
sieh von Iren wegen besuge an den Erwürdigen Hern Wallher
Knßpfennig, vnnPern kamerer zu Münster Souil Ime dann der
spena halb zu wissen were. Nü vmb deÄwillt»n, das man Bil-
licher, muglicher kont^chafl der worheit nvemandts verzihen,
Sonder vmb empßntlicheit des Rechten allKitt geben sol. So
haben der ongenaiit Hanne Rudolff Appt etc., den benanten
Her 'Walther für vns hesandt vnd Ime ni der gehorsamkeit.
So er vns, vnspfni erden vnd sant Benedicten vprbürüien ist.
Sonder bi (Jem Hohen panne gepolten, ein jfantz Juter woiheit
in diser Sach zu ^agen, nyemands zu lieb noch ze leide, sonder
aHein vmb gottes vnd des blossen rechten willen ; do hat nft
der benant Her Wattber bi der benanten gehorsamkeit vnd
banne, So Ime von vns gepotten ist, geseit, Das Im kunt vnd
wi<?sen sig, In der zilt, als er an geleit sige zü RuflTach, In des
Heiligen geistes orden, da sig vf dte Zitt zü Roflbch ein Meister
gewesen In des heiligen geistes Spittal, Hies Her ßechtoH;
von dem bette er gehört, das vor Ime daseH» ein Meister was,
Hies Her Glaus Leo. Wann so Ime ein Siech kam In sinen
Spitlal, was es Im wyntter,'So neme er In hinvf In sin stuben;
derselb Her Bechtolt macht ouch einen allar In Spittal an die
ende vnd In der meynung, das die siechen, die in des Heiligen
geisles Spittai iej^'en, mochten an Irem Bedle das würdig Sa-
crament sehen; vnd sigen oucb vf die Zitt vier Bedtstatten Im
S{>ittal gewesen ; ob aber der altar gewichet sig oder nit, Sig
Im nii zü wissen. Im sig ouch kund vnd wissen vnd hat das
von (fen allen Sp'tr^lherren f^'ehort, vnd hat ers also gehalten,
dieweiJ vnd er des Heilij{en ^eisl .Spittalherre zü RufTach was:
was fjumder, aruier siechen gen Kuffacii kompt, vnd der nit
von der Statt ist, den ist ein Meisler In des Heiligen geisls .
Spittal verbanden zA emjiboliende gütlichen vnd Ime das beste
ze thünde. Slirbt er, was aldo verlossen wirt von dem Siechen,
das ist des Heiligen geistes Rpittal ; vnd dem mag ein Spillal-
herre das Sacramenl geben, vnd der Jun<^sl toüff sol Im werden
von den Herren Im Münster j vnd wenn so er stirbt, so sol man
In Zu dem Münster Begcaben, vnd sol ein Spittalherre ein
Schilling pfennig dem tottengreber schicken, vnd darnach weder
dem Münster, Mfmslerherren noch dem toltengreber nulzl ver-
bunden. Aber alle die so ^ on der Stall RufTach geporn sint,
den ist kein Spittalherre des Heiligen geistes in sinen Spittal
verbunden zü empfohende. Zü vrkunde diser sach, das die also
vor vns dem benanten Hans Rudolff Appt etc. bescbehen sig,
Inmossen obgeschriben slat. So haben wir Hanns Rudolff Appt
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35
lA Münster obgenant vnser eigen Insigel getruckt bi ende diser
geachriill, Geben vf den osterzinsta^ Anno domini in«cooc* ix*.
AA, 9, 49. Kopialbueh de« 16. Jakr^anderti.
S7. 1479. Zinitag vor St. Valentin, c Jobann von Rege0-
hoim, des Heiligen jreistsorden pnester vnd pfleger zö Rüffach»,
übergie})t Caspar Bader von Rufach als Erbleben cdie forder
Brotloube vfF die bacb Stossende, welliche des Heiligen geists
erden ist, gegen einen Zins von cfttnfllbalbeii aebilling SteMen
wdchentlich pünktlich zu entrichten.
Qr. Peig. Siegel ab.
S8. 1508. Ifonttjg nach St. Velentin. cGilgen Graff vad
Petter Quatterbech» mins gnedigen Herrn niarschalk», beide ron
Rufach lösen vor dem Schultheis«; Frhard Schneeberger von
dem Spitairneister Antengen einen Zins ab von einem Hot in
der Kesselgasse zu Rufach.
39. 1513. Zinslag nach St. Rlisabeth. «Herr Petter,
meister des golzhufes zum Heiiigen gnist zfl Rufach*, ubergiebt
mit Einwilligung Kanrad Klebergers, deä Meisters von cStecbs-
felt»9 dem Rnfaäer Burger Lenti llariolf einen cAekerlioff mit
allen sinen Begriff, rechten vnd iflgehdrungen mit schüren,
stellen, keller vnd pHen . . in viengaß gelegen», nebst
vielen Fel(Jern und Wiesen in Erblehen gegen einen jährlichen
Zins von i Pfund Stehler, 5 Viertel Weizen, 16 Viertel Korn,
2 Viertel Gerste, 18 Viertel Hafer und 100 Wellen Stroh.
Or. Perg. i Siegel we^, das der Stadt Kufach beschädigt.
40. 1537. Montag nach Reminiscere. «Marcus Rufacher,
meister, vnd der Gonvent des Heyligen geists Spittals lu Steffans-
felden» geben Hans Weber ein gut zu Ueiligkreuz bei Colmar
in &falehen.
Or. Perg. Siegel des Ortes Heiligkrevs etwas besehädigt.
41. 1552. Freitag vor Bartholome. « Sigismund us deberger»
heiligen geister ordeiiP connentnal lu Steffansfelt vnd zu disser
leyt conflrmirter meister def httli^ren Geistes huF in Hufkch»,
zwingt Tbengen Heen von Munweiler vor dem Offizial in Alt-
kirch die rOckstfiadigen Fnichtiinsen von 6 Viertel Korn ni
zahlen.
Abschrift auf Tapier.
42. 1553. Freitag nach Lätare. Der Spitalmeister Sigismund
Cleberger löst von Cordula Erebssin von Mitenheim, der Priori^k
von «Gnngel porti in Gebweiler 1^ cschiliing slebier gelte»,
die sie von dem Spital in Kufach bezog, mit einer Hauptsumme
von 13 Gulden ab.
Or. Peif . Siegel ab.
43. 1557. Zinstag vor St, Kaiharina. Jakob Zeiger als
Anwalt des SpitalmeidtHrs Cleberger kauft von Siebolt Klee,
Badstub
neben t der
Gr. Perg. Siegel ab.
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dem Hafener, ein Pfund Geld lastend auf seinem Haus «i)ey
der Korn la üben».
Or. PcTg. Siegel ab.
44. 1591. 10. I)ezpm]>er. Jakob Ansshelrn, der Schaffner,
des Orderibliauses lu ÜufiK h, erhält von Hans Schedeiin 1 ff 11 ß
Geld; von einem Grundsiuck im «Manbergj».
Or. Ferg. Siegel sb.
45. 1604. 15.. April. «Jakob An.^s^lit^lm als .^chafner des
Ehrwürdigen geistlichen vnd wohlgelerten heuen Ciauä Hitler,
heiligen geist Ordens Msgister zu Sfeflhnsfeldt, Wimpfen vnd
Rufifach» giebt dem Bufacher Bürger Adam Kuttfz einen Garten
lehensweise mit dem Beding die Mauer aussttheaaern.
Absduift anf Papier»
46. i6i8. 4. Dezember. Christoph Leo^ der ^italmeister
von Stephansfeld, Wimpfen und Rufach, verzichtet zu Gunsten
des Ordenspriesters Johannes Frick. auf die Meisterwürde des
Hauses zu Rufaeh.
In nomine indiuiduae trinitatis. Amen. Tenore praesentis
pttblici iiistrumenti cunctis pateat euidenter, ei notum sit om-
nibus ac singulis, quod sub anno a natiuitate domini millesimo
sexcentesimo decimo oclauo, indictione decima quiota, Poniifi-
cBtu sanciissimi in Christo patris et domini nostri domini Pauli,
dmiua prouidentia papae eius Hominis <|umti, die Marlis, quae
erat quarta meiisis Iwcembris calendano nouo, post meriuem
inti a horam tertiam ^t (^artam, admodum reuerendus dominus
Christüpborus Leo, oridinis sancli Spiritus et hospitalium StefTens-
feldt, Wimpffen et Ruffach urbe Roma ronfirmatus pi*aeceptor
et magister, in mei notarii et testium mtra scnptorum adhuc
Sjpecialiter vocatorum et rogaturum pieöeuiia ad manus veueia-
bilis ac religiosi fratris Joannis Frickh, praedicti ordinis sacer»
dotis professi, ob vitae et monim honestatem aliaque iaudabilia
prebitatis et virlufum merila, quae hactenus in ipyo enituerunt,
tum eliam quud praetacta hospilalia a predecessoribus nostris
. ita debitis grauata exsistant, ut vix, msi transmissis ad alia
ordinis nostri monasieria fratribus, respirare possint, specialem
gratiam ei facere volens, prioratum in Rufiich libere, pure et
simpliciter resignauit, proui omnihus meli<nribus modis, via»
jure, raiif)np ac forma contulit an resignauit curain, r^gimen,
et admmistrationem praedirtae flojnus seu prioratn«; in Rufach
in spiritualibus et temporaübuä eidem commiitendo, atque omnes
et singulos, ad quos praesens instrumentum peruenerit, submisse
rogando, quatenus praenominatum fratrem in cor||MMralem, realem
et actualem possessionem praeUbali prioratus indoeant induc-
tumque defendant amoto quolihet Detentore eumque ad reglmen
et curam domus praedictae adniittunt^ sibique de iiliuis fructibus,
reddilibus et prouenlibus uniuersis integre respouderi taciant.
Super quibus omnibus ac singulis ego notarius infrascriptus
unum vel plura, publicum seu publica, inslrumentam seu in-
strumenta ooafioere requisitus. Acta sunt haec Wimpinae ci-
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— 37
uitatis iinpeiiUt in monte, in stube conuentuali hoapiUtis uostri
ibidem anno Homini, indictione, pontifirntu, mense, die et
hora praescripiis, praüi>enlibus botiorabilibus et lione??ti^ viris,
reuerendo donäno Simone Kieoz, archipresbiiero capttult ruiaiis
flagenoeiisis inferioris, paroeho iik Wanaeaav et Honaa, ac ho*
nesto Marcello Luekh testihot ad praemitaa singalAriter rogttit
et voeatia.
Glcichzeitif^^e Absclirift aaf Papier.
47. 1020. 20. April. «Johann Frick, Prior zuem h. Geist
zft RiifTach», uborgicht dem Scbusler Hans Gerin*/ **ineii zweiten
Garlen am Ot'denshaus gegen einen jährlichen Zms von 4 S
Stehler im Leben. Er aoll mit Licht darin fein Sorge tragen,
damit kein UnglCkck geeehebe.
AbaahTilfc auf Pftptar.
48. 1021. 13. Februar. Der Spitalmeieter Johaniiee Friek
kündet dem Lehensinhaber Scblegel von Rufach das groaae
Heiliggeistlehen auf, \\r\\ es unrechtmassiger Weise in seinen
Besitz gelangt ist. In Zukunft soll der Pächter entrichten: an Er-
schalz 100 Thaler, an Hauszins 8 B Stehler und an Zins 32
Viertel und 150 Weltea Sirob. Die Reben zieht der Prior an
«eh. Der Wald darf nur mit Bewilligung dea Prkira bemitit
werden. Ferner aoll sich der Pächter TerpHicbten, d&n Prior
alle Fron fasten (inen Wagen mit Holl vor die TbAre w ffthreo.
Pafiararkiuide.
n. 0«toliiolitUoh«r Ueterbllok.
Das Grundungsjahr 1270, das die Zinsbuchl>emerkunij als
bestimmt angicbt, werden wir nnrfi dem WMtlaute der ersten
Urkunde wohl in Zweifel ziehen tlurli ii ; dfnn das «in qua scilicet
area ipsiim liospltale fundaturn t x^tat» die.ser Originalurkunde
spricht zu deullich von eim i trüberen iSiederla^isunp. Die Notiz
von 1270 erwähnt auch nucJi einen zweiten Biiei, der nnt des
Hofes Insiegel von Strassljwr^ bepiei:ell war. Aller Wahr-
scheinlichkeit naeli enthielt diese jetzt nicht mehr vorhandene
Urkunde die obrigkeitliche Bestätigung der bereits früher mit
Wissen und Willen des Ritters Jakob von Katsamhausen auf
«einem Gute erfolgten Einrichtung d^ Ordenahanaei in der
biachöflichen Sladt; und infolge dieser endgültigeii ErmSchtigung
m«9 dann wohl Ritter Jakob 1270 aein wohlthätigee Werk
durch Abtretung dea Baugrundes an die Genoaeenaefaaft ver-
ToUstftndigt haben.
Rasch erweitert« neb der Beaita durch die Schenkung der
aastossenden Mablmahle und durch Ankauf des sog. Schlupfes,
der beutigen Heiiiggeiatgasse» und eines anstossenden Hauses.
Im Jahre 1307 erhob sich schon das Kirchlein inmitten der
Siedeluog, f&r desaen Unterhalt dann 1314 der Ablasabrief er«
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— 38 —
teilt wurde. Von dieser Zeit an fQbrt das Heiltggeislordenshaiii
den Namen alles Spital im Gcgensalie XD dem um 1300 von
d«n Bürgern und dem Rate für die armen Kranken der Stadt
eröffneten St. Jakobspilal. Von den ältesten Vorstehern des
Hauses sind nur folgende wenige Namen auf uns gekommeD.
ßruder Heinrich, cmeiater» des Spitals 1907.
Bruder Wilhelm, cmeister» des Spitals 1317,
Konrad von Geispolzlieim, 1328, 1335.
Heinrich von Weisenhurg 1339, 1343.
Johannes von Lauterhurg 1350.
(t 1390 als Obermeister in btephansfeld).
Ulrich von dem Nuwenroarckt 1364.
Der bedeutendste des Jahrhunderts aber war entschieden
Claus Leo von Brumath 1369, 1393. Ueber ein Vierleljahr-
hundert leitete er die stille Siedelung am Ombache, in der er
die christliche NachstLuliebe in Wort und Thal ausübte, nach
Recht und Gewissen. «Herr claus portner war gar ein frora
man ; v/enn iler zu lisch gieng, Spre( he er lü den kellerin :
Hand Sjerben gege^i^en ? Spre* hent Sy denn Jo, So Elsse
er üuch. Sprechen Sy Nein, So wull er nit essen, Sy weren
denn vor versehen vnd den Siechen essen geben. Wann das
Beschehen, so esse er darnocli uuch.»' Bei Reich und Arm
stand er daher in hohem Ansehen und zahlreich sind die Ur-
kandeui in denen er als weiser Schiedsrichter bei streitigen
Voffftlkon aufirilt. Die AttCdblung der Schenkungen^ die m
aeine Zeit Mlen» fölH in dem alten Zinabuoli, das er selbst an-
gelegt hat, ganze Seiten.* Seibat der Adel scheute sich nicht
in den Riumen seines Bruderachaftahauaes Gastfreundachall
und sichere Unterkunft su suchen« So enfthlte Panthaleon
fiberlin» der Stadtaehreiber von Rufiich« in dem VerfaOr von 1460,
tdaa ein Meister Im Spittal tft litten gewesen 8ig> hab ge-
beissen Her Claus liCo; vnd als die von Schönowe vnd ander
edel lüt dar Inn wonung Hettent, So liess derselb Spittalmeister
die Siechen In die Stube gon Im wintter vnd neme Sy dar In.
JUtten die Edetlüte) Er solt die Siechen nit also In die Stuben
gon lossen, Anlwurt er Inen : liebe Jungherm, dess Huss ist
der armen siechen vnd ist nit uwer noch myn. Wenn Ir das
nit liden wellen, So mögen Ir duss Bliben.s Ausser den Edlen
von Srhönaii traten in jener Zeit auch «die zwen gebrüder
iungherre Matheus vnd Herman von Herenkein, Jungher üar-
I BnfAoher Stadtarchiv. AA. 9. Zengeoverhör von 14tt>.
t Ebenda QG. 54. Register init Holzdecke.
^ febeada AA. 9. ZaugeiiTerhSr.
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— 39 —
tung von Wiliienlielm, Hans vnd Claus von llerkiriieim, langh«r
Jaeselin Burg^ralfe in nfthere BaiiebuDgen sam Onl«psha)i«e
und seinem Meister.! Auch vod einer Laienliruileraehaft tum
hl. Geiste mit dem Hause su Bufach als Mittelpunkt wird uns
aus jenen Tag*»n berichtet. Leider scheinen die Sstiungen
derselben nicht mehr vorhanden zu sein ; nur das mehrerwähnte
Zeugenverhör giebt uns einen näheren AnhalUpunkt in der
Aus<?ape des Henny Burckin von Orschweier, der enähll, twer
In Ir ßrud erschafft was, so die kilch zä OiPwilr verslagen oder
In Bann was, das man denn holte einen priester vsser dem
SpiUal, der kam denn gon 01t\viir vnd wurden die lute bestallet
vnd Mfß ^^ehalten». In der Brudeiscliatt trellen wir n;irh <]eu
Regesten Wernher und Otto Rudolf von Schönau, Clenlin Sur-
cant von Geijerschweier mit beiner Familie, nnd '<Cnrii Slroß-
burger git euch 1 ß gells von der zwei^ier ^-el.i ud< r wo^/en
Hans vnd Claus von Merkisheim, den su J e^. iz. i ti; uit in die
brÄderscbaft*.» Auf Claus Leo fol^e um 14oÜ Wernher Nord-
win aus Rufaeh, sowie die Meister
Berlhold von Pfortzheim 14()4, 4406.
Johannes von Giünningen 1410, 1419.
Johannes von Heilbronn 1410 1 W?.
Mann von Glessen 1443, i44v5.
Waliher Küsspfennig 1446—1450.
Wallher Küsspfennig scheint ebenfalls aus- Rufach zu
Stammen, wenigstens lässl sich im Anfang des 1.5. Jahrhunderts
die Familie in Rutach nachweisen. Er war bereits 1439 und
i440 vertretungsweise Meister in Rufach ; 14G0 ist er Kümmerer
des Abtes in Muster. Unter dessen Nachfolger Jost von Baden
brachen 1400 Streitigkeiten aus wegen der Auf-
nahme der Kranken und der Freiheit des Spitalhofes, die das
oft erwfthnte Zei^enverhör lur Folge hatten und mit der Ver* *
urlellung des Meisters endigten. Aus dem Zeugenverfaör er-
ttren wir u. a.» dass cdie Bitt vom Spittal vib auswärts zog,
d«if Almosen su fordern, clilachen vnd anders»« dass zeitweise
• auch Ordenssehwestem tum hl. Geiste im Spital thätig waren,»
dass aber meistens eine «kellerin» darin beschftftigt vwr, die
ihren Unterhalt von dem Spital beiog und in einem Hftusehen
desselben freie Wohnimg hatte, dass die ganze Hinterlassen»
Schaft der Toten dem Spital SttEel, dass die Rufacher Börger
zum Nachteile des Spitals diesem oft fremde Kranke vorent-
1 Nach den Zinsbidi 00. 54.
s St. R. - 00. 54.
> «Ein Begels wester Im obgeaanten Spittal In ordens des kei-
ugen geistes genaat die vom lampartea.»
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— 40
hielten, da'^s sie den armen Siechen sh^^r auch viele Wohl-
thalen zukonuneii liessHn und dass der Ijo;j i äijtusplalz auf dem
MüQSterkirchhot war.^ Aus der Zeit der Vorsteher
Johannes RegessUeim 1479, 1480,
Anlenge ? 1502, 1503,
Peler Wiganter 4513, 1514,
Sigismund Cleberger 1552, 1557
ist nichts Bemerkenswertes auf uns gekommen« Wiganter war
ein Rufiidier B&rgersohn.
Von dem Meialer Mathias Inasheimer 1573 ist uns die Sl*
teste genauere Bechnungsablage des Ordensbauses erhalten» die
uns Einblick in seine Vermögensverhftitnisse verschafft. Dar-
nach hatte der Orden in Rufacb «Ein Ewig Erbliches» Ein-
kommen an Frachten von 8 Viertel Weisen, 8 Viertel Roggen»
8 Viertel Gerste und 8 Viertel Hafer von dem Ackerhof in
der Eulengasse, der bereits 1400 mit den Worten Erwähnung
findet; cVnser Ackerhof git LX viertel von niler zügehörde,
es sigen acker oder matten ; das siat XXX viertel gutes mal-
kprnes, XV gersten, XV habern.»*
An Frucht Zinsen erhob die Genossenschaft in Rufach
17 Viertel 5 Sester Korn, 2 Viertel '2 Sester Hnfer : in Mun-
weiler 6 Viertel Korn, in Heiligkreuz 6 Viertel Korn und 5
Viertel Hafer «das viertel zu 7 ^esUM" irereiht» ; » n Gnndols-
beinn 7 Sesler Korn und 7 Sester trer.ste , in Oberhergheim 6
Sestei Korn und 6 Sester Hnter ; in Oberentzen 8 Viertel 2
Sester Korn und 1 Viertel 4 Sesler Gerste und in Lo^elnheim
von «Michel Fross des Herrn Lasari von Schwendi Meyer i f.
Korn.* Die Weinzinsen betrugen in Rufach 20 und in
Orschweier 4 Ohmen, die Kapaunenzinsen brachten in
Rufach 2 Stuck und 1 Huhn, in Pfoffenheim 2, in Orschweier
1 und in Geberschweier 3 Stuck ein, und die Geldzinsen
beliefen sich auf 109 17 ß 7 ^. Den HoUheda rf deckte
das Spital teils durch den Erlrag ihrer eigenen Waldungen, teils
durch die sog. Aflerschlfige im Gemeindewald. Eigene Wälder
waren nur wenige im Besits des Klosters. In den 12 Acker
* Vgl. auch die vorstehende Urkunde St. 36.
3 St R. - GG. 04. Vgl. Ecg. Nr 26.
> «Zern heiligen crntz git Hen Ernst XV viert., koafte Herre
Heinrich voa Wissenburg setig der meister von den Barggraffen vmb
XV mark Silbers» (1400). QO. &4.
<> Dieses Viertel Kora wurde dem Orden über 15 Jahre vor-
enthalten nnd als Lazarus von Sclnvendi sich Mieder da/.u bewegen
liess, es zu entricliten, da HcUenkte der Orden am 17. Oktober lb\il
«Janekher Phillip von Kag-eaeck. des wolgeporaen herrn von Sohwendl
Amtmann in Könssheim 5 Goldsounen krönen», weit er sich der
Sache angenommen hatte. QG. 66.
t
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im Rttfielier Banne, die heute noch den Namen Heiliggeistwald
führen, hatte die Stadl das Aeefcerichrecht und auch in den 5
Acker im Oberhergheimer Banne > beanspruchte die Gemeinde
den aobernutien». lieber das Recht der Afterschlä^ire berichtet
folgende Not» : cEs »t zü wiaeende, dz die aftersiege in dem
Hohenberge von vns sint vf genommen, alz die zwcne briefe
sagent, dife wir do hant, die do besigell hat der von Sohünowe
vnd J»inf(her Haneman von Steteberg, do von wir jerlich ^^ebent
in alleweg XVIII U gell».* Schliesslich besass der Orden noch
drei Mühlen, die in Erblehen f^eg'eben wan n : «Vnsser niüle
in der stat vnd zu sant st. nVn jrenl alle wutlien III sester
korns. Vnser mule ze Weslhaiden vnd die bluwelat alle fron-
fasten IX sester alz vor stet».' In wiefern der Orden mit seinen
Gntern einem G e r i c h t e in Konstanz unterworfen war, habe ich
nicht feststellen köotien ; nur eine einzi^^e Stelle im ^^anien Ur-
k undenmaterial erwähnt das auffallende Verhältnis : t Rüschin Rikel
ze Gkindoltzheim git III viertel roken, besasle vns Claus Smit selig,
der eehultheii im Ifänstertal, vnd Stent die güter in dem rechen-
bAcMtfiy vnd sAUeiit me Iniefe vber werden nn dem gerichte
lA Gonstens, do wir ob gelegen sint.»«
Die Ausgaben erstrecken sich nur fiber den Unterhsit der
GebftuKcbkeilen und Ober die Kosten des Haushaltes. So wurde
1573 das Kloster ausgebessert« ein neues GlockentOrmchen auf das
Ordenskirchlein gesetst und ein Glöckcben hineingelienkt. In
die Lüfte ragte aus einem vergoldeten Knopfe ein vergoldetes
Kreuz mit Mond und Sterne* Unter den Haushaltungsausgaben
finden sich als interessante Posten : altem vf Catarina vnd
Pfingsten, alf man altem geprauch nach Nach gehaltenem Gottes-
dienst Kürwy gehalten, ist mit den Personen alP Priester,
Schuolmeister, Or^fanisten, kültwarten vnd scbuoleren, dem dan
iedcs niohlen vf !K) j;e\vesen, l>ei beiden ImbiP vffr.m^^en vnd
vertrunken worden thuet III Omen vnd 8 ff K'i ß in Geld.*
Item alP ich vf schriftlichen befelcb H. Meislers ein schreiben
durch ein krömor gon StraPbnrg- in SteffanPfelder Hof Uferen
lassen, darinnen berichtet, dal- der Herr Wevbischoll Bahr zu
Thann v(T die frontasf Crucis oniinieron werd, hab ich disem
geben X ^. item als vf die tronfast Grucis Anno 1602 die beide
1 «Item hand wir X juch. hoUz in 9bm Herekea baaa, das do
Bechen seligen T\'as> (IdOO). OQ* o4,
8 St. B. ~ ÜG. d4.
* Ebenda.
* Ebenda.
* Dieser Posten kehrt ron Jahr zo Jahr wieder. Die Gastmähler
Warden später bald in der Wirtschaft zum Salmea, bald auf der
Batsstahe abgehalten.
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— 4« —
Herren Conuentualen Nicolaus Harsch vnd Jacob Neher alber
gon Rufach kommen vnd zu Thann sich ordinieren laPen,
seindt sie Im vü' vnd abziehn bei mir eitizog<?n, haben 4 mahl
hei rnir genommen Ihul H ff V ß. Item dlß der Krwürdij,',
Andechtigf vnd Geistlich Htir Heinrich Gro&kopff, besleltigler
Prior Heiligen Geist Ordens vnd ilnuses alhie zu Kufach den
16^ Augusii A* 90 alher koiumen vnd pussessionem genommen,
seindt mit Ir Erwurden alhie gewesen Herr HanP Textor, Con-
uentuaJ zu Steflansfeldtu, Herr Vh'ich Berlsch Notarius vnd
burger zu Straffbur^:, Herr Adam Betz, Jörg Schmitt der
Kutscher vnd sein, gedachts berru VIriehs, HauKrawen, itl von
dem I6*«n Augusti bita ?f den aO>«> geiMit« MomAt stt attem
vljpuigeii tuA venert worden XV 9. XVIII ß III 4.3 Bei de^
selben GelegeiMt erhMt der Stadtsdirdber 8 Goldguldea »im
Geschenk und die beiden SfadtkeplAne' je einen. Der Kaplan
Jakob Bader wurde auaeerdem mit einem iPrieeter Kock» be-
dacht, wcau gebraucht wurden 8 fillea cflcbwarta gefilndt Undiscb
Umecb Jede ele pro 19 bataen, Sodan sum luoUer 4 eleu Tfirfciaoh
grabgrönen die Ellen pro 19 batsena i
GroBtkopf wurde 1594 Obermeister der Hauser Stephans-
Md, Wimpfen und Bufach. Das Haus in Rufach aber verwallet
von da an der ScbafTner Anssheim, der ala fieeokluiig jährlich
7 Viertel Korn und 30 Gf in Geld bezog und die Kapaunen-
zinsen auf eigene Rechnung erhob. Der Schaffner verblieb
ebenfrills unter den beiden Obermeistern Nikolaus Ritter 1601—
16ÜÜ und Nikolaus Harsch, 1607, 1614.
Das RatsprotoLoll vom 14. Mär? 1(>14 berichtet : *(Voiderist
Ist der heilig Geist Ordens Kirch lialiien ^eiedl winden, weil
anietzo die heilli^ Geist ordens henen allhu^, oh man nit zu
iiieii schicken vnd begeren solle, anj^esehen da^ die Statt die
Kirch zu St. StelTan zu ijauwen \iel mühe vnd arbeit damit haben
müessen, daß ebenmessi;,'^ die Kiiche In der Statt in ehren ge-
halten werden aolte» ; > und es wurde beschlossen, den Orden
SU iwingen, ihr Kirchlein in Ordnung zu «Aellen. Wirklich be-
gann in demselben Jahre ein gründlicher Umbau der Siedelung,
deMen Koeten aicli auf 1140 « 2 ß 2 ^ beUefen.» Am St. Katha-
rinentag 1614 Jhnd die feierliehe Wiederau&iahme der gollB^
dieDatliichen Verrichtungen in dem Neubau statt« Aber diese
Unternehmungen, Misswirtschaft und Missjähre hatten den
> St B. — GG. 6& Dia Kapitae Tersahen den GottasdisMt im
Kirehleia.
' 8t. R. ~ B3. 86.
* «Ime H&lüera fclr ein Gmcifix In die Kirehe vnnd den
ügea QajM auMweadig ahn Gabel eu maehea satt V 0»« QG« HL
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VermOgciissUDd dct Hauses» dir o|um dias schon ssit Jahren
mnfcend geworden war, so hiiratttargabracht) dass die cbospitalia
. . . ita debitis gravata . ut vix . . respirare possinl» der Ernsn-
nungsurkuode des Priors FrickiPoo 1618 für keine Niederlassung
vielleicht mtrefTender war, als gerade für die der Stadt Rufach.
Mit dem 30 jährigen Kriege hören die Nachrichten über
das Spital im Rufacher Archiv fast völlig anf. Der Prior Frick
starb in den Schwedenwirren 1634, und 1651 suchte «ler
Prie?;terbri;der <»Mf^t!iin< von StefTrsrifelß > 'Iii» Verhältnisst^ neu
2U ordnen. Das Ordcn-shaus in lUiffach sank zum einsamen
Zinshüf Ii» r:fb und teilte von nun an Kit^ud Und I,eid mit dem
Mutterhause in Stephansfeld, wohm die Erträge Hessen und
wo Sie auch verrechnet wurden. Die Vorsfeher in Ilutach führten
zwar noch den Namen Prior, so Nikolaus Cullol f 1704, Anton
PoitTaut 17()9, 1737 und Franz Joseph Ziss H-Wi-lTOl ; aber
ihre ganze ^Vrbeit erstreckte sich nur über die Beaufsichügnng
der Zinsen und Einnahmen ; von einem Spital war keino Bodo
m^r. Die Stadt RnUi aber hatte das Reebt« cdas «ran
in der Stadt oder Qahn Ein Kindt hingesebt oder gefonden
,wardtt» das nun aoiciie Kindter dosen H; fon SinlisllBlIen hin-
nndtor sehOekfat md solehe Borren seindt sefauIUgy solofae
Kindter amunemony aulT MO Enioiien vndt sn Erhallen ; anch
seindt dieoeilie Herren schnHigy den Bodten, so solche Kindter
von dem Rath anvertraut werden, hinunter sue tragen, aue
Ehren. 1 Auch der Kultus in dem Kirchlein war schon vor dar
Revolution fast erloschen, wie wir aus fol^^enden Andeutungen
in dem Zinsbuche doa PriiMri Ziss ersehen. cEs werden alle woeh
Zwey heillige Messen in der heilligeisler Capelle gelesen, aber
werden nicht ?ipli*^»rt, sond<^rn Monathlich Eine Mess pro fun-
datoribus. Auch wird Jährlich am pfin^rst Montaj.»^ eine predig
in der Capelle gehalten. Es war jährlich eine predig aut Ca-
tharina Tag ; weillen Es aber Kein feyrlag Mehr ist und Nie-
mand Crscbinen ist, so ist siier dem Jahr 1730 Keine Mehr ge-
halten worden. 1*
Die Güter und GeiifiuUchkeiten kamen am 29, BeiemiteT
1791 durch die Revolutionsmänner zum Verkauf. Was noch
davon zu retten war, ging nach der Revolutionszeit mit den
Ueberbleibseln von Stephansfeld in den fiesitz des ijurgerspifals
in Strasaburg Ober.' Das Kirchlein zum hl. Geist steht beute
I Pfisrrarohiv Biifis«lu ürbar, 8* 4T6.
» St. B. — GG. 67.
8 Im Spitalarchiv tn Strassbnrg ist nnter Nr. 11541—11551 das
Urkundennuiten&i unseres Eufacher Hauses seit dem jährigen
Kefffo anibowahxt» Sa sind dies BachanagiahlageB and ProMssakten»
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iiochy ist aber in ein Wohnhaus umgebaut; und die Frucht*
Zinsen, die im 15. Jabrbunderl auf der Spitalmähle lasteten,
sie sind merkwüitligerweise heute rorh rjena Eigentumer des
in eine Oelmüble limiewandeiten BesiUes eine unliebsame
BOrde.
Nachtrag
, zur Geschichte des Deutschritterordens im Jahrb. XIV.
Im Staatsarchiv zu B?ise! befindet sich in den Klmgenlhaler
Papierurkunden Nr. 59 nachloij^endes Verzeichnis der Bewohner
des Hanse-^ iSuntheiin aus dem Jahre 1293 : Rudolf, Comtur
in Sunüi* itn, Bruder Vlilnch Vintcost, Ein Puester vnsi rs Or-
dens, \Verriber von Driiickljerrheimb. Heinrich von Pfaffenbeim,
Syffrid von Straßburg, Wernher von AIßweyler ritter. Ein
Schulcleiihuch der Börger von Rufach aus dem 15. und U).
Jahrhundert (Stadtarchiv, FF. 18) neniU ausser den genannlen
Komturen von Rufach noch :
Niclaus Barner 1491.
Johann Meissen 1501, l.'OO.
Ludwig (von Plirt /) loUti.
Egide Koitenbach 1520.
Auf Seite 55, in Z. 4 ist Weynadten statt Weyandien zu
lesen. Th. W.
Bei meiner gelefrentlichen Anwesenheit im Sekretariat des^SpitaU,
um Einsicht davon zu nehmen, wurden mir Sch'wierigkdten. be-
reitet, dass ich unverricbteter Sache wieder abreisen masste.
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IV
Autübiugiapliische Aufzeiclmungen.
Toa
Ludwig Sfiach.
HmufifeUi vom V. Z. Kimw.
Mein Geburtitag ftUt swau tuf 99. Septenditf 1800;
mttiie Tmhf mir fliMm alten wldriMMi PliuTaelMi&
«rnuMriieh, tnf dk llitte Okldber. Meise Shern bewohnten
das zweite Stockwerk der Wohnttof dee PfSurrert Zabern, Ni*
k«lattaited«a, vier Hinaer iveatwirtt» ab von der Nikolauskirche,
Ein gewölbter Durchgang, zu dem Bocksgässchen und dem Bur^
gerhospital führend, besteht gegenwärtig nodi; daa «nfttche
Haus hat alle Zeitenstürma überdauert.
Meine frühesten Erinnerungen knüpieii aicli an das Müniter
und die Thomaskirche, die man beide von unserer Wohnung,
und noch bequemer von der Bühne aus nordest- und nordwest-
lich übersah. £in erklärter Hang zu romantisch-mittelalterlichen
Eindrucken ma^ von dieser ersfen Fernsicht (int-rrn ; (ier nicht
gerade schone 'lach iiebii- iu^ lilünss f.ist unti r ua»t»rn Fenstern
und der daniais verwahriojsle btaderi lia/, wischen entwickelten
meinen Han^ zu Wasserlandschaften, in den spätem Knaben-
jahren fand diese frühgenährte Atilage in verwegenen ländlichen
Nachenfahrten auf der östlicbeo III, xwischeu grünen Weiden-
inseln reichliche Nahrung.
Im Hause aelbet kam mir Liebe in der eitertiehen Familie
und VeiMteehelnng in der Kflche dee wwittwaten Pihnera
Zabem entgegen. leb war ein frflbentwiekeltoe Kind, du leider
dniebaua nidii leiatotey waa ee in der eraten 2eit ttrapiacb.
Ißt iwei Xabnn konnte icb dentoch keen» krnie Zeit daranf ar-
tbaOte mir der Vater Unterriebt im %ifaräben nnd aeiate nrieb
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— Ä -
dam, liebreich besorgt, auf einen erhöhten Drehstuhl vor seinen
eiipien Sekretär. Er stammte aus einer Colmarischen patrizischen
Familie, ^vnr mit einem aitteslamentariscben Taufnamen Samuel
Jakob bedacht, was ihn dem Spott seiner republikanisch-revo-
lufionären Verwandten und Sfras^sluirger Freunde aussetzte.
S< iQen Vater hatte er frühe verloren, seine Mutter sich mit
einem, wie es scheint, wenig gebildeten Chirurgen in zweiter
Ehe verheirathet. Samuel Jakob wanderte frühe nach Strassburg
aus, verlebte die uniieimlichen Revolutionsjahre im Banquier-
hause Zollikofer (die Abkömmlinge vei lauschteu ihien ächl cieut-
schen Namen in Solicofre), lief als Nationalgardist und muscadin
Gefiihr, auf dem Rbdoe untar den BeUerieo von Kehl erlrtokt
wa tierden and apracli von jener unseligen Zeit mit kaum ver-
hehltem Afaecheu, Er War ein Yoltairianer und doeh dem mys-
teriösen Ahnangsgebiete nicht fremd, woraus er nicht ungern
dem heranwachsenden Knaben Erfidirungen — nach seiner
Meinung unwiderleglich — aar Beherngung (^bergab. Mir ist
unstreitig etwas davon in Fleisch^ Blut und Geist übeigegangen.
Er verlieiiathete sich, 28j§hrig, anno 179d, in siemlich
kärglichen Verhältnissen. Meine Mutter war nicht ganx mit-
leilos ; aber ihr früher bedeutendes elterliches Vermögen war
durch die Kevolutionsjjahre zusammengeschmolzen, und ich
hörte sie mehr als einmal nicht ohne schmerzliche Ruckblicke
von ihren früheren Jahren sprechen^ als Luxus und üeberfluss
sie umg-ab. Sie gehörte oinem Zweige der vielverbreiteten Fa-
milie Roderer an ; ihr Vater war Juwelier, seinem Bildniss zu-
folge ein slaMliiher Mann, der Brüderp^eiiieifnle zugehörig.
Seinen reü^^io-sen Sinn hatte er aul «liese Tochter Maria Doro-
thea vererbt. Sie war ein Kind diitler Ehe, ein jünf»erer Bru-
der ihr in Gesinnung und Gesittung ziemlich unalmlich. Aus
erster Ehe stammte ein Sohn, der in Neuwied sich iiiederliess,
eine Englandei m aus guter Familie (Foster) heirathete und in
seiner weitausgedehnten Nachkommenschaft, zum Theil in Her-
renhut und andern sächsischen Gegenden, zum Theil in Rass-
hnd fortlebt. I>ie Schreckensjahre verdOsterten das GemQth
meiner Mutter. Mein Grossvater Röderer starb in der Angst
und Unruhe; er hatte einen nahen Anverwandten Heinrich
Rausch, einen hiesigen Rentbeeinten des Primen von Darmstadt,'
auf dem Schaffe! enden, gesehen ; ehielt sieh, nidtf grandkta, für
dasöaihe Looa bestimmt. Meine Grossmutter ilDlgle.Shin schnell
nach. Den beruntefgekommenen Umstinden der ellemtosen Kinder
verdankte rieUeidit mein Vater seine eheliche Verbindung.
Er war Grund aus eine naive» ehrliche Natur. Dem
Kamj^ ums Dasein war er nicht gewachsen. Meine Mutter, so
streng rebgifls und opf«r(abig sie war, machte ihm dennoeh
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darüW Vorvftife ; sah voraus» Haas ihren Kindern, drti
Knaben, schwere Ta^e bevonttaden. Unsre Kindheit und erste
Jugend zu erfaeiiern, (hat sie, was in ihren Mittehi und Kranen
«tsDil. Als in den späteren Krie^sjahrcn des ersten Kaiser»
reicbs durch die kommerziellen VerhSltni^sf' ♦Jes Vaters und
zwei Blokaden Stra^^burgs noch mehr Lücken m dem moHe^len
KapilaI und Einkünffffi «ich auswiesen, wurde sie lieroisch,
verdeckte das Fehlende vor V< r\\ tndten und Puhlikumi dass
Ivir nicht in Dörflig^keit verbaiiken, verdankten wir altein
ihrem haushälterischen Sinne. Ihre zarte Gesundheit I r;Kh
darunter zusammen ; aber wir waren gerettet und bewahrt vor
einem unausbleiblich scheinenden Schifft)ruche.
Allein ich eile den Begebenheiten \oi. Von meiner Wenig-
keit habe ich einem neuerworbenen Freunde zu sprechen ge-
lobt. In meiner en^begräoilen Lage spte^ett sich doch ein kleines
Seitenquertier ineiaer bSiirreii Telenladt StnssiMrff sb.
Den Geiel em AAlmg des 19. Ishrbiinderls oisg ein Zug
ebarakterisiren, den ich smr nicht mit eignen Angen enstb»
aber von meinen eioenhaften Onkeln nmahm* Die Gelnirt nnd
Tanfe nmnes Binden Ednardt der, etwa i4 Monate jOnger als
icby im Kofvendier 1801 das Liebt erUiekte« fiel in die Zeit einer
grossen Wassersnoth ; der Keller unsrer Behausung sollle nnd
mnsste aber, obgleich er unter Wasser stand, Wein zum Tauf*
sdunause liefern ; Bülten bildeten einen improviairtett Nachen,
und von der muthwilligen Fahrt aufgeregt, begossen die Schif-
fenden dnen beliebten rothhaarigen Hausbund, Sago, die be-
vorstehende Taufhandlun^ symbolisch ironisirend mit der Kel-
Jerflutb Meine arme ftlutler war über den Vorgang derma??^n
erbittert und erschrocken, dass sie für die künflige Laufl)ahn
des T-n mündigen al^s Höste vorauskündete. — IVr treue a-'jp-
taufte» Hund blieb inih-ss unset Liebling, umi l*'i>'ele in den
unvermeidlichen, glücklich '"jherstandenen i^inderkrankheiten
mir und meinem Bruder Gesellschaft.
Der Pfarrer, bei dem wir im obem Stockwerk zur Mieltie
wohnten, — eine kurze gedrungene Gestalt, eine ernste beinah
abaehreckende Perräckenfigur, aus dem vorigen Jahrhundert in
die nene Zeit herOberverirrt, gebdrie der strsng erlbodoien
Intherieehen Geistfiehkeit an nnd war in seiner rationalistiscbett
Gemeinde nicht beliebt, weil er eil vom Teufel predigte, die
Texte sein» Reden fast sinsig ima alten Testamente entlieh,
und den neumodiscben Stil perhorreseirle. Er hatte die Tauf-
handlnng an meinem Bruder vollzogen, wenig ahnend, dass
hinter seinem Bicken das Sakrament karikirt worden. Den
iieranwaelisenden^ wilden Täufling liebte er nicht ; mir war er
gewogen, liess mich in seine mit alten Ktassikem besetsle Bl-
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hliothek einlret^Ti und beschenkfe mi' h bisweilen mit alltesta-
ir. entarischen Bildern. Seine Köchin Salome ^-ab mir, wenn ich
sie in ihrer Werkstatt besuchte, schwarzes Hausbrod tnii Sali
bestreut , sie wiis-^te, dass ich dies, wie die maf,'ern Kühe, aU
Lecktjrbissen /u >5ciiatzen wusste; denn hungii*^ war ich immer,
ünsre Mutter hielt uns systematisch sehr knapp. Dem franzö-
sischen durchreisenden MiHlär, das oft bei uns einquartiert
wurde, inusste icli liold sein, die braven Leute Iheilten mir
von ihrem Kommisbrod mit, und von ihren rohen schnurrbäi'-
tigen Lippen lernte ich die ersten franzöeischen Brocken.
Mdne erste d^tsche Lektüre warf sich, nach Anweisung
mttner Mutter, auf Weisse's KinderAreund, Geliert's geistliche
Lieder und Fabeln, Ralfs Natunjescbichte für Kinder. 0areh
den Kinderfreund worden mir die städtischen Verhältnisse Leip-
iig*s und der Faroilienglieder des Verfassers zur unumstfiss-
lichen Realität» lange konnte ich nicht hegreifen, dass die Leip-
ziger Thore nicht mit den unsrigen konkordirten ; VVeisse's
Knaben und Töchter wurden mir zu ersehnten Brüdern und
Schwestern. Die kleinen Dramen und Singspiele der Sammlung
agirte ich im Stillen. Auch mit Herrn Sptrit wünschte ich
nähere Bekanntschaft, obgleich er mich eing^escbüchtert hätte.
Mit dem Rafl'schen holzschnittartig abgebildeten, wilden und
zahmen Gethier konversirte ich gern ; Gellert's geistliche Lie-
der verwerthete ich als Hausgebet, seine Fabeln waren bis in
mein zehntes und elftes Jahr Musterbilder einer Gattung von
Poesie; dem Lafontaine, den ich ttwi in demselben Alter in
einer französischen Pension zu radebrecht u anlieng, war ich,
das muss ich retrospektiv gestehen, durchaus nicht gewachsen.
Auch hier bin ich wieder unwillkürlich in meiner Ent-
wicklungsperiode zu schnell vorangeschritten. Bereits im vierten
Jahre wurde ich zu einer sogenannten «MadamD geschickt; es
waren dies ganz von jeder äussern Aufsicht freie Kinderbe-
wahranstalten, Knaben und Mädchen bunt untereinander ge-
mischt: dem dort erteilten ABCschützen Unterricht war ich
meilenweit vor ; man steckte mich in eine Primär-Pfknacbule,
neben Si. Nikolai ; auch hier wurde der Unterricht» in einer
und derselben Klasse, Knaben und Mädchen ertheilt ; es moch-
ten wiohl an die neunzig vom Hundert bis ins zehnte Jahr hi-
nauf sein, unter der Leitung der Schullefarer Hirael und Hassel*
mann» der letztere Vater eines spätem, hellenisirenden tüch-
tigen Professors im protestantisdien Seminar. Mein«i Mitschü-
lern unä Mitschülerinnen war ich, der jüngste, in allen Theilen
weit voraus, der erste der Klasse, was meiner angebornen Eä- -
genliebe «ne verderbliche Nahrung gab. Dieselben Räume be-
stehen noch in demselben alterthümlicb hinfäUigeii kaum über-
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tünchten Htose; ich gehe nie daran vorüber, dass nicht dit
Srimientiig an die Kinderjahre Ubeadig würde. Freilich wire
•et besser gewesen, in einer angemesseneren, härteren Probe-
srhule meiner intellektiu'llcn Entwicklung eine weitere Aussicht
zu gewäbrprt : für das Fragmentarische meines ganzen Lebeni
wurden ^rvli hr Verhältnisse damals schon Jtur Gnmdlafre.
Im Herbstmond 1807 machte ich meine et sie ^M ü->ere
Reise; mein Vater führte mich zu Verwandten und Freuuvien
in der kJeitum Laiidstndl Gulmur uuU aii den nahen L<i;jt'lbach.
Von ü üheicii Landpai tien entsinne ich mich nocii ganz wohl
eines Aufenthalts zu Rothau im Steinthal mit meiner Mutter j
ich war Twmhm %mm und Jahr alt und erkannte ganz
wohl, druieliD Jahre apftter, di« Wirthaatabet worin wir «naar
Naoht^artier aii%aaGhlaga« hatten und efnoMrle wkk der
Schelten meiner Mutter hei einem fiaeha» in daaaen Waaaer
ich eine Gerte getaochty um Imaere BagleiteräuMB m heapritaeii. ^
Ein Jahr darauf brachte ich wieder mit meiner Mutter eine
Saison io Baden »i. Der Hirsch war unser Gasthof. Ver-
schiedene Glanzpunkte dieses halb ländlichen Aufenthalte habe
ich in treuem Ged&cbtnias bewahrt, vor allem ein Konzert in
•dem Idchtentbaler Frauenkloster und die nachsichtige ZuTor-
kommenheit, die mir, dem ungezogenen Knaben, von |einip-cri
filteren Herrn zu iheil ward. Namen und Figuren dieser wür-
digen Kinderfreunde sind mir immer norh gegenwärtig ; auch
die Konturen der herrlichen Ge-^n nd {Uit^ten sicii in mein em-
pf&ngliches [Gehirn. Bei spätem Ausflügen uml längerem Auf-
enthalt traten diese halb erloschenen Stadt- und Landschafts-
bilder wie neugefirrusste Gemälde wieder hervor. Die Favorite
mit ihrer Umgebung und ihren geschichtliclien Erinnerungen,
die Säle des Rastatter Schlosses mit ihren Hirschgeweihen und
T&rhenwaffeBy der Engel hoch auf der Zinne hatten mich ge-
Imaelt, «nd das Echo, daa ich anm eulewMle hi mainam
kaum angetralanaa Leben dem neuen Schloiae hiBidan gegen-
ther vernahm, ttete hmg in meinen Obren wieder, ea achien
eine hekannte StSmuMi. H|* miA nach Jahreattneen an dBimriben
Orte wieder grftaale. Ein an deraelben Stelle wm einem aplen»
diden Badegast abgebranntes Feuerwerk liess mir einen unans-
iSedihehen Naehglana. Ein Jahr darauf hoepitirte ioh, wieder
mit meiner Mutter, in Bad Niederbronn. Ueberaus deutlich
^1*-^!^ einzelne Seenen auf dinaam Frähborizonte sich ab :
Promenaden in die nahen Wälder und ein Ausflug zu Wagen
in das Scbloss von Reichshofen, woselbst ein gener^?er Badegast
une untjBT anderen Leokerbiaaen mit Johannisbeeren und
i Frau Helar aamar lad floe leshtsr.
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kirschen bewirih^ liess und ich eigenwilliif die leUteren be>
vorzugie.
So war ich denn auf der Reise in die eigentliche Vater-
stadt Colmar schon mit den altfränkischen Diliireiicen oder
Laudkutsohen bekannt; aber eine neue Welt ;^inja mir in dem
Herbstleben und den für ein Strassijurger Stadtlinui wildfremden
herbstlichen bpässen aaf. Das Herbstanstreicheii war eine be-
Üebte Neckerei, die der Betroffene als eine Gunst anzunehmen
hatte, wenn eine jugeudliche Frau oder ein Mädchen sich die-
selbe ^egen einen Knaben, Jüngling oder Mann erlaubte. —
Ich nahm die Sache höchst tragisch, als ein hübadM« Mildchen
mir mit den verquetschten Rothbeeren von hinten h«r mit beiden
^Aiideii Über die Wangen führ. Doch Uese ich mich ebenso
leicht wieder begütigen und fknd ein halbes Jahr darauf in der
mutwUligeOy etwas Altem cFeindin» eine impronsirte Schwester.
Eb ward nftmUch in dem elterlicfaen Hanse beschlossen^
dasB ich, bevor man mich einem strengeren Sehnlnnterrieht in
der ung^unden Heimathsstadt hingebe, einige Zeit in einem ge-
eigneton Landaufenthalt bei aufmerksamen Freunden verweilen
sollte. Dazu ward ein einfaches Landhaus am Log^hach^ einem
Ableitungskanal der Focht, etwa mne halbe Stunde von Colmar,
bestimmt. Es ist dies die eigentliche nur zu kur^e Idylle
mein^M' Kinderxeit. Dorthin ward ich im Frühjahr 1808 ein-
quarti-n t, in eine Familie, deren Mitglieder nm einem in den
Ruhe in nd versetzten Offizier, seiner Gattin, einer würdigen,
thätigen Matrone, und zwei Töchtern von etwr^ 7ehn und zwölf
Jahren, Amaha und Minna G . . . bestanden. Die Haus-
mutter war zum zweitenmal veilieiiathet ; der Sohn, ihrer
früheren Ehe entsprossen, stand im aktivem Dienste als Hu-
saren-Unteroffizier. — Die beiden Mädchen, meine halblanlen-
artigen Gespielinnen, waren, die ältere von Blatternarben ver*
wilstet, die jüngere m frist^estem ersten Jugendglanze ; es war
in jed^ Sinn eine liebliche Erscheinung ; schnippisch, aber,
in fest eingehaltsner Grense, liebetoll. Die Sebwestem hiageR
am abwesenden damals in Strassburg gamisonirenden Bnider
mit rührender Ndgung ; er war ihr tSgliches Gespräch ; eelbst
der Stiefvater vergütterte den cHelden».
In wenig Tagen ward ich zu einem Gliede des echt pa-
triarchalischen Hauses. Allein darf ich ein durchaus wahrss
Bekenntniss ablegen ? Mehr als die kaum gewonnenen
neuen Freunde kettete mich hier mit unsichtbaren Banden die
herrliche Gegend. Der angeborene Hang zu Naturgenüssen er-
wachte in dem kleinen Knaben wie eine heftij^e Leidenschaft,
deren Fülle ihn jetzt, nach einem lang^en Lebenslaufe, noch
durchströmt. Die eine halbe Wegstunde südwestlich aus der
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Ebne bdiialie BChfoff «mponteigeiMle V<Qg«t«ahillt, nit HoIh
landsburg und anderen Berg:schI5s5;em gekrönt und umgOHM,
die inehrersprechende Einfahrt in das Gregorientlial, dann
weiter westlich die waiMiarUebüeiien Wein- und Wulriherge bis
lu den drei Schlössern von Rappolts weiter hinüber, das war
unstreitig ein herrlicher Anblick, auch den unerfnhi f^nen, nicht-
gereisten Unmündigen aufzurej^w fahis": aWer dass im Grund
eine doch leblosp Natur, eine tü^ '^ -n Knalien nocli von Erin-
nerungen uiibe>lrichene Tafei, ihn wii dem Lebenden abzi'^ht,
ist einem in^stmkiivea Fanatismus zu v<irg!etchen, der weniger
auffallend und lobenswürdig ais abnorm und e^oistisiii er-
scheinen (iürfte. Das kciuiortable Herrenhau«», mit AuktTgerät
und Mühle, einfachem Zier- und Obsl^'arten mit angrenzendem
Rebengelände, das klare Bergwasser, die schatlenspendenden
eroinati$cben Nostbftame vor der Brücke, dieser ganie liebliche
Vordergrund^ die flnielitbtre «ngelNWle Ebne in tadlieber
Rielitung wmn keine nnwftrdige Zagibe in dar grosaen Berg-
nntnr» die dan Horitont gagen Weaten aparrle* Der etidtiaelie
Knabe konnte atch dem kaum verlielilten Eindmok Jungebaa, ellne
dem Spelte m verfiillen. Mittfaeilaani war er ntch dieaer Saite
kelneewaga, er ug ee vor, wann er dam nnr leiebtldn mt^ge-
fordert wurde, seinen älteren Schwaatem von dam grossen
Straaabnig nnd deaaan Herrlichkeiten zu erzählen, einer Neig-
ung zur Grosssprecberei folgend, die, wäre sie später ^i^t
unter dem Drang der äusseren Umstände und den Eingebungen
des gesunden Menschenverstandes erlegen, den Erzähler zu
einem Exemplar seltsamen Aberwitzes gestempelt hriife. Aber
es bUeb, Grott sei Dank, eine vorübtTf^^ehendp Vcrif runp; von
der «wiederholten» Residenz nm {it^niulln heii Lugdharh bli^h
dem spater so oft und hart Gi nussre^elten die unverwusUiciie
Voriiebe für Berg und Thal, im Schiossruinen, Weingelände
und Obstgärten und sin)erklare Bäche. Als bei späteren Neu-
bauten und Gründung industrieller Gebiete der moUeste Acker-
bausitz am Logelbach in grösserem Komplexe aufgieng und ich
ein Yierteljabrhi^n^eft später in dieaelbe Ciegend mich verirrte
nnd nidita jtß atan liebgewonnenen ndaderfond^ dt Utte aiek
mein Selimert gern in unminnliehe Thiinen aufgelöst, nur
hat leider die aabnauditifaliate Erinnamnf neck kaine Zauiier-
formeln aar WiedaiMelmng der Veigangenheit geAmden.
Meine Matter baavehte midi am Logeliiaeh; mit ihr nnd
dem BügenthOmer des MndUohan Beaitithttma beauchte ich simi
erstenmal das nahegelegene Münstertjiial und die historische
Kienersche Papiermühle, Voltairaa Aufontbalt im Jahre 1754.
Während der Fahrt im Thale wuchs mit jeder Wendung des
Wega mein Stannan» mdne Verwnndaraag; da idi im hintern
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— SS -
Theil des Wägelchens hingekauert sass, inachfe ich meinem
Gefühl durch improvisirles halh unterdrücktes jodien Luft ;
kaum haben mir in spätem Jahren die schönsten Schweizer-
reisen emen Icbhatleren, genussreicheren Eindruck hinterlassen.
Auf der Papiermühle erwartete uns eine Seht oberländische
Ner^elei. Der Amphytrio, ein Freund meines Vaters, Hess den
Gästen mit zer5»chnittenem Papier vermischte und zusammen-
geknetele Maccaroni auftragen ; die Mutier fühlte bei dem
ersten Bissen etwas unheimliches ; ich hatte, wie gewöhnUch,
tüchtig drauf los gagessen. Der Gastgebende machte selber in
Eile dem Spass ixk Ende und beruhigte die für den Ififen
ibrss Knaben besorgte Mutter.
Mehr als ein Deiennium spiter fiind idi noch den alten
Herrn Kiener an Ort und Stelle ; er erlaubte sieh keine der-
artigen Sj^lise mehr mit dem mijorennea Jöngling und begnügte
sich, lokale Voltairiauiscbe Anekdoten, Schfe oder apokriphieche,
auftnfinschen und mich mit seinem Haus- und LieblingeafFen
m unterhalten. Ich verdanke dem alten Herrn in seinen etwas
vemachlitsigten Prachtgärten und bei seiner Fontaine einige
recht genussreiche Stunden und habe mir auch erlaubt, solche
Erinnerungen in der fragmentarischen Folge des Nouveau Can-
dide zu verwerthen. Es liegt in der Gastfreiheit der Ober-
els&sser für den Städter des Upterrheins etwaS eigenes, fröhliches
und rührendes; bei Verwandten und Freunden n^eines Vaters
habe ich :*olches besonders im Münsterthal in einem Grade er-
probt, der mich noch jetzt beschämt, da icli in meiner da-
maligen La$?« nur ganz sparhrh dieselbe erwidern konnte.
Jedesmal, wenn ich die verÜossenen Jugendjahre überschaue,
ergreift mich neben wohlgefühltem Dank für vielerwiesenes
Gute, das ich mit AflTenmünze und Versen bezahlte, ergreift
mich ein schwer zu analysirendes Gefühl, und ich werfe mir die
Frage auf, ob ich einem «eignen» Sohne, wäre er mir zu Theil ge-
worden, solche genussreiche Ferien gestatten oder nicht geradezu,
bei dem Hinblick auf perfide Bemingelung, . versagen würde?
Ich wage nicht lu bestimmen^ ob mich meine Mutter ge-
radewegs in die Moorstadt nach Hause mitnahm^ oder oh mir
nicht vergönnt biieb^ lingew Zeit das dolce fiir niente zu hal-
fen. Ich Yermuthe das letalere ; denn mehrere Bekanntschaften
in der Nachbarsdiafti dem Iiogelhach entlang« stammen aus
der firfihesten Zeit meinet dortigen Natur- und l^umlebens.
Huss- oder vielmehr bachabwftrts bestand sehen die Haus-
mäunische Fabrik, niciit in derselben Ausdehnung, doch schon
bedeutend genuf, um neben den grossen industriellen Anlagen
des Münsterthals, neben Mülhausen und Qebweiler genannt zu
werden. Eine Tochter des berühmten Haueesy in weit wtrge*
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- 58 -
rftekteren Jahren als ich, famum dan nahen Knahen Heb und
arknndigta flick anC flonaD apUavan WagaB aach fluBf ala aid
adm dan Naman Madana lerdaa fBMa. Wanifa maiaar wMii
labcndan FkMinde venwitban wMf wia traUthltlg aaleha Ab>
mngey wahre Glookaalfiiia aus altan Tn ao^ an mein aidU
verknöchertes Bttn, an OMina nidit gaas dain Taahalaaa fai^
&lk»ien Ohren schlagen.
Ich kann den Logelbaeh nicht verlaaaao, bevor ich noch
dnes bizarren Umstandes erwähnt, der so recht die verzwickt
geraischteo Zustände <ips Elsasses kennzeichnet. Der Möller, ein
Pächter des Hausherrn, '^^ar katholisch ; sein ältester Knabe
widmete sich dem geistliche n Stande. In ofTenem Felde, dem
Landhause gefr^nfiber, erriclitete dieser küiittiijc Priester einen
zwar klemei^ al»»!r »lurchaub korrekten Altar, mit n!lem snkra-
mentalischeu Zubehör und pitlot eskeu J^lamenscImiU' k , an die-
sem improvisirten F'eM alt ar wollte er Mes^e lesen und lud uns,
meine Ädoptiv-Schwcitern und mich, zu dem, in seinem Sinn,
ernsten Goiiesdienste. Nicht zweimal Hessen wir uns bitten
und wohnten der Geremouie bei. Nun bitte ich zu bemerken,
dass dieser Akt neugieriger Toleram im iwei Mldchen aua-
gieng, deren Bruder in kaiaariicb aaldaliachen Dianaten aland^
und die, so gut wie ich» im latheriadMn Glaaben aateiogea
waren, kh kann michy aiaiit cnüntai» dabei des GOtheachen
Epifpranuna m gedenken» wenn der Diehlar nit aainer Lrage
cdiB nenpoellaekea Kalheliken» ttbergieaat Wae hitle er bei
dieser reellen Entweihung eines hsiÜg gehaltenen KuHos w»
den pertisipirenden Kindern gesagt oder gedacht? Die sditaen
Tage von Aranjuez waren indess für mieh m Ende. Zorn Ge-
hnmh der reinen französischen Sprache an gi^aagen, aoUte ich
einer clegiti mistischen» Privatpension eines Lothringers, des
Herrn Grandmoujrin ilberjjehen werden. Ein g^chwisterkind-
licher Vetter, Au;^usl li^>ehni, ein hochbegabter Knabe, etwas
älter als ich, besuchte sie, war ini Franzöf-igchen woh! bewan-
dert, durch seine An\Yosenheit in dem geprieseuen Iiistitute
mit hochstehenden Fniniiien, z. B. den Söhiieu General Schau-
enburg's in VeriuuUuag gekommen, bisweilen nach Geudert-
beim in das luxuriöse Schloss ^^eladen ; genug dorthin, in dieses
Bastardinslitut, sollte ich mich einbürgeiü, tweii mir das Frau-
aßsische noch spanisch vorkommen werde». Der Abstand zwi-
'asbaa deai idyllisdien OherULnderparadiese und den engen,
flnatam Sekniataben in der KattMgaaae war so gi*osa nnd idi,
der friedliebende, den iandfiUiehcn Nergekien der «Hern Sehnl-
genoanq a lam Anlluig ee aabr eoflgeaelet» daaa ich mit wahrem
Bflimweh an die kaum verioeaane Zeit dacl^fe, Ueberdiee war
die Penaien dnrahaw aiebt, weahatt» man dieaalbe barOhmte^
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— 54 —
das Französische erlernte man swar durch den Ufirlkhen Ge»
brauch mit den Schulkameraden; aber mit dem eigentlidien
soliden Untoricht war es» wo nicht schlecht, doch sehr mittel-
mSssig bestellt. Im Lyzeum und im Gymnasium wurde Latein
hesser dozirt ; von Griechischem wir keine Rede; Geographie
und französische Geschichte wurden aus stereotypen Heften
diktirt; die letztem mit streng legitimistischen Anschauungen;
die £lemente der Arilhmetik und Geometrie wurden ganz un-
genügend von einem verkümmerten Praktikanten vorgetragen;
Kalligraphie und Zeichenkunst war leidlich. Ich erholte mich
einmal in der Wofhp, des Alten (In-, an der protestantischen,
deutsch g-ehaitenen Leseslunde ; aber aiirh diese gien;^ ein, da
die Schüler durch den monopolistisch rri Diuck des Lyzeums
sehr abgenomuie'i liMtfen. Der deutsche Lehrer vor'^tand weniger
von meiner MuUtrsprache als ich. Auch mit der Sitlenreiiibeit
des Instituts unter den altern Kameraden war es nicht zum
besten bestellt. Es war kein glücklicher Geist und eine noch
unseligere Konsequenz, die mich vierthalb Jahre in dieser At-
mosphSre hielten. Freilich der Grund cum reinen gettafigen
Franzdsischsprecheii war geie^t^ und Fragmente aus RadaeTe
Tragödien Ütuflen sich damals schon in meinem willigen Ge-
dächtnisB.
Ein Ereigniss im Innern unsrer Familie tkberrascbte mich
unversehens^ In der atArksten Winteneit des Jahres 1809 kam
meine Mutter in die Wochen; ich wurde wfthrend der Ueber-
gaogsxeit bei meinem Onkel Boehm in der Nachbarsdiaft ge-
borgen; allein das war kein lieblicher angenehmer Aufenthalt
gleich dem Logelbach ; in einem altertümlichen) unheimlichen
Hause wurde ich in ein eiskaltes, einsames Zimmer gebettet
und hatte hinlänglich Müsse, mich innerhalb schlafloser
Nächte nach der traulichen Familienstube zu sehnen. Aus dem
drilten Jghre meines Kinderlebens war mir die Erinnerung
niLines bald nach der Geburt verstorbenen Brüderchens ge-
blieben ; ich hatte die kleine Leiche mit Lenzl)lumen umkränzt
im niedlichen Sargkästchtii gesehn und auf den Golte?»acker
begleitet; ein seliger Eindruck lebte einige Tage in mir fort;
dann verschlang das tagliche Frohleben diese etwas ernsten
Frühiingssinne. Nun trat, gleichsam zum Ersätze des gestorbe-
benen, ein neuer kleiner Bruder in unsre Mitte ; ich begrüsste
ihn freudig in derselben Wiege, welche die frühern geborgen.
Aber froh war ich besonders^ aus dem gespensterbaflen Hause
des Oheims in unsre Wohnung lu kehrsn ; sie lag niebt mehr
am Nicolaistaden ; seit iwei Jahren hatten meine Eltern eine
weniger enge hart neben dem BQrgerbospiz bezogen. Das Haus
gehArteMNir Yermltung des Spitals; ein »emiich weiter Hof
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mit tnsloneiMi««! Girtclien gewährte den Kindern binlängKehen
Raom für ihre Spiele ; im Hof soiren wir unter improvieirten
Baracken «ine Heerde Kaninchen gro^s ; der Gerten wer bin-
reidieiid fQr anaern einfitefaen Bfumenftor und fQr nftchtliche
niominationen, die wir mit entwendeten Liehtstumpen auf
Ideinen Palissaden iwiachen Johanniabeerstauden und Roeeu'^
buschen in Festnächten zurichteten. Auch die Elemente der
Feiierwerkskunst betrieben wir im abgeschloasenen Quartier
fnrsicbtig und im kleinsten Stile.
Südlich^ auf etwa 50 Schritt« unsrer Wohnung gegenAber»
kg die ehemalige nun zum anatomischen Amphitheater umge-
wandelte Hospitalkapelle, ein unheimlicher Anblick, und etwas
weiter der alte, hohe, astronomisrh^ Thurm, auf dem **^trr\ssen-
pflaster durch emen ogivalen Bogen durchbrochen ; ein zweiter
alter Thurm von ganz verschiedone! Gestaltung:, "lit runder
Bedachung, weniger hoch und zm Wohnunor benutzt, hejrrenzte
südostlich den Blick; östHch dehnte sich, mit Ogivluckeii durch-
brochen, ein oblonges TabaksmagTzin ; der ganze unregelmäs-
sisre polygonale Platz halle ein wahrhaft mittelalterliches Aus-
sehn ; die wenipfen baufälligen Heuser fcjnganp: des soj^e-
nannten Goldgiessen sUmmten zu dem Ganzen. In dieser Spi-
talwohnung verlebten wir Kinder fünf Jahre lang unsre glück-
lichste Zeit. Don heranwachsenden dritten Bruder lehrten wir
tum Theil aprecfaen und ergGtsten uns an seinem kindiißben
Lallen.
In dem Boehmschen Hause wutfde vom Hausherrn, einem
tAchtigen CBiemiker und phantastischen Alehymisten, die Küche
sehr oft zum Laboratorium umgewandelt; und wir ergölsten
una an den akhymialiachen Experimenten, wobei fQr den Gold-
Buchenden viel baare Münze in Rauch aufgieng. — Onieel
Boehm, der Gemahl einer altern Schwester meiner Mutter, ent-
wickelte sich nach und nach zu einem Haustyrannen; aber
seine Erfindungsgabe blieb ungeschmälert; er ist der primitive
Urheber des Saffian papiers. Sein Landgut auf dem Wacken
halte er theilweise mit Vorwerken zu einer Leinenfabrik umge-
wandelt ; auch dort verbrachten wir Kinder, ein Vetter und
zwei Cousinen, vergnügte Tage; nur hatte ich das Unclück,
wenige Monate nach dei- Geburt meines jüng-sten Brudeis,
während wir einen Heihenkranz anhüben, von einem Wachl-
hunde, der wüthend seine Kette zerbrach, am imken Fuss er-
griffen, auf dem Bilden unter dem Zetergeschrei der Spielge-
nos^en herumgezerrt zu werden, bis Hülfe kaui. Ich trug eine
tiefe Wunde davon, die mich Monate lang an das Zimmer fes-
selte, mit Höllenstein gebeizt wurde und noch jel2t eine witete
Narbe am Unterbein weist. Die Geduld kostete mir wenig l
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ivar ich doch von der leidigmi Pttünon eine Zeit laiiff befreif ;
die Mutter erwies mir zebnmai mehr Sympathie als ich ver-
diente ; die CkHisinen besuchten mich ; meine Rekonvalescens ver-
lief mm Thdl auf dem WackeBi in freier Luft, und unter mei-
nen MitschfUern war ich von der üsit ab der Held einer
Aventure.
Das kaum entwickelte Kind ist schon, seien wir aufrichtig,
ein höchst niederträchtiges Wesen. Wenn die Pietisten be-
haupten, der Keim aller bösen Eigenschaften liege im mensch-
lichen Herzen und müsse mit allen Mitteln, die zu Gebote
stehen, niedergekämpft werden, so sind sie fürwahr in völligem
Rechte. Die optimistische Ansicht, Hie Kinder seien kleine
Engel und w irrls n nur durch den kontaitt mit der äussern
Weit verscbleciUert, ijst ein barer l'nsinn.
Mein Veiter trat aus der legitimistischen Anstalt, in die
er mich zum Theil hineingeschmuggelt halte, die eigenllichen
Gründe seines Vaters wurden iiur nie erklärt. Offiziell fand
man die Unterrichlsweise allzu nian^el- und löckenhaft; Au-
gust Boehni giiig m die halbweg bürgerliche protestantische
Anstalt Redslob über, deren Inhaber als Predigei' an der Ni-
kolai-Kirdie und Professor der Philosophie am protestantischen
Seminar ^ter einen erspriesslichen WirJnmgshreis ausfüllte.
— Mein Vetter^ um dr^ Jahre älter als ich, tfaeilte mir manches
aus seinen neuerworbenen Elementarkenntnissen und Ansichten
mit; ich habe viel von ihm gelernt und neben der Geliert-^
sehen und Weisseschen Diflsiplin manches gute und schlechte
durcheinander gelesen; auch an den Lektüren meiner Mutlsr
im Lafontainischen Romanfache und an den Schriften der Ma-
dane de Genlis nahm ich Theil. Ritter- und Bandilenromane
sagten mir weniger zu ; doch machte des Herrn Tulpius cMeis-
terstöck» Rinaldo Rinaldini, eine Zeitlang einen nicht unbe-
deutenden Eindruck. Die splendiden Schilderungen morgenl&n-
discher Stenerie vtraren für meine lebhafle, wenig geregelte
Phantasie etwas ergötzendes ; seitdem wurden sie freilich durch
unzählige Reiseberichte in Schatten gestellt, vergessen ; und
wenn ich jetzt z. B. Löher-? mittelländische Inselpemälde
vornehme, denke ich nur mit Errüthen an jene primäi*en Far-
benaufig^üsse zurück.
Meine erste für mich grosse Heise fallt in den beptember-
monat 1810. Basel war das Ziel. Dorthin brachte mich in
einer herrlichen Postchaise ein jüngerer Bruder nieiüei Mutter,
Onkel Röderer. Es war ein blühender Dreissiger, Witt wer
seit einem halben Jahre. Er hatte das Herz eines der anerkannt
schönsten Mädchen Strassburgs gegen den Willen der Anver-
wandten der Greliebten erobert, hatte sie als Gattin heimge«-
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fahrt und nadi kurier fibe im enteil WoctwabeHe fcrlofeii.
Da» tieUiehe Angesieht der jungen Tiuite log nicli an ; aber
Bodi jetst ist mir nur die blane atane LeWienmaake» die man
«nvoraielitig vor dem Knaben enttriUltei gegenwlrlig ; und noch -
jelst ain^ mxt einielne Worte äner tietbeffthlten Laichenrede
im Gediehtniaa. Naeh ei^fthrigem hmdAblichen Wittwirthum
nnd einer Zerstreuungsreiae in das mittägliche Frankreich war
der lebenslustige Handelsmann auf eine zweite Ehe liedachl.
Wenig Monate, bevor er diese Verbindung einging, machte er
«ne Getchäftsrose nach Basel und nahm mich sowie seinen
künftigen Schwager als kleinen Reisekuropan mit. Es waren
selige Tage. Die Lu«?! fahrt ging dnrch das herrliche badische
Land, der Schwarzwald kette entlang. Bei der ungemein müden
günstigen Jahreszeit erhat ich mir das äussere BÄnkdien zum
Aufenthalt und schwelgte im Anhiick der bald lieblichen, bald
grandiosen BiM^^natur. unwillkurlic ho Vei gieithe mit der MüDSter-
thaier Spaiieriahrt ;uislellend ; nur warf ich lüsterne Blicke in
die Wein- und Obstgärten an der Strasse und hatte mir un-
willig statt der raschen Postreise irgend einen Venug in dem
Endlichen Paradie:^ ei beten. — Basel überwältigte mich ; vom
Balkon der drei Kdnige und dem blauen wilden Rhsinstrom
vermot^hte nur die elnkende Naeht mich lu trennen. INe Ter-
maae vor dem Müdfeter, die alterlhümliehen Hftuaer nlid PUtaei
die Weehiler* und Kanfinannsbuden, woiun mich der Qnkel«
«eine Geachifte besorgend, mitachleppte, die Fralie anf dem
RheinbrOekentharm prägte sich für immer meinem Gedicht-
■ieae ein ; bei iplttmn Durchreisen oder Beeuchen in Basel
gedneMe ich dankbar dieaea eraten Auafluga in einie mir fremde
Welt. A«r die badiaehen <3lebirge heftete ich ttahre Sehn>
aoehtsblicke ; wMte. ich doch, dass wir sie bald ftus dem Ge-
sichte verlieren würden. An der fremden luxnriöaen Wirthstafel
üess ich mir wobl sein ; der Onkel übte eine verständige Nach-
aicht und war vielleicht etwas maliziös darauf bedacht, mir
den Unterschied mit der Strassburger Hauamannakoat au Ge-
Diflthe oder vielmehr zum Magen zu führen.
Abends besuchte er das Theater; dieses Vergnügen liess
©r mich nicht mitgeniessen ; ich vermulhe fast, dass er in Basel
und in Colmar nur darauf bedacht war durch laut geäusserte
Spottreden über die cpertormanies» (?) seine Superiorität als
«Gro^sstädter» an den Tag zu legen, und dass er sich vielleicht
mit seinem Begleiter einige Ungelegen heiten zuzog. Die ausge-
lassenen Herren Strassburger kamen stets sehr früh nach
Hause
Ich war in eine einlaciie Nebenkammer verwiesen und er-
götzte mich bis spät in die Nacht am Rauschen des Stroms.
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Mein Unschlitüicht m löschen, entschloae ich mich ebenfalls
nur spftt; ich schien mir dodi etwas vereinsamt in dem wild-
fremden grossen Gasthofe. Die Erinnerung an die reichlich
genossenen köstlichen Weintrauben begleitete mich -in meinem
festen durchaus nicht gespensterhaften Schlummer«
Die Tagreise nach Colmar freute mich weniger, die Ein-
förmigkeit einzelner Parlhien machte mich beinahe ungeduldig,
waren es doch ebenfalls meine beiden Gönner ; den Postillontin
wurde jjrösseres Trinkgeld zum Schnellerfahren versprochen.
Zu Colmar fand ich mirb wieder auf bekanntem Bod»'Ti, im
Gasthof und bei vätei liehen Vei wandlen. Am folgenden Morgen
liess mich der Onkel mrh dem Logelioach wandern, und ich
genoss eine längere Herbstvakanz in dem zu «weiler fl<^imath
umgewandelten Landhause. Diesmal fand ich dort den älteren
Sohn, den Husaren -UnterofP-zier, dei' aber' die meiste Zeit in
Colmar mit eineiA gleichfalls en congö weilenden Kumpane ver^
brachte. Auch der Gunst dieser Waffeniirüder hatte ich mioh
SU erfreuen. In die r^lements militaiMS wwt ich neugierige
BUefce nnd hörte das gegenseitige EiaaiM mit «n, dem ikk,
um nicht aus der Uebung zu kommen^ die Huaaren sehr oft
unterwarfen.
Der Kamerad Herr Ringis — so hiess der Sohn erster
Ehe der Frau Gral — brachte bisweilen eine Begleiterin mit, die
sich als cVeriobte» einführte, aber wie ich sfAterhin an wissen
bekam und verslaiid, nur eine temptnin Verlobung eingegingeii
war. Man drflckte im patriarchalischen Hause die Augem tu ;
es war vermutblich etwas gans gewöhnliches und verzeihliches.
Mein Reisetermin war abgelaufen; ich begab mich wie
ein selbstindiger lange in der Diligence nach Strassburg
und erinnre mich nur, in dem widrigen Kasten einen jungen
Aspiranten für die ^cole orientaliste des dragmans gesehen zu
haben ; er war der Löwe der weit zusammengewürfelten sechs
Personen zälilenden Gesellschaft; eine jim^e ebenfalls allein
reiseruie Dame zeichnete den künftigen üricntahsten vor den
andern i:;e;;('n wärti^'-en Männern aus, beneidete ihn um seine
künftigen Wanderfahrten. Ais wir, fast am Ziel der Tagereise,
bei der «Meinau» anlangten, war viel von dem reich geworde-
nen und berühmten Besitzer, dem (tSpäher» Schulmeister, die
Rede. — Da sich einer der Anwesenden etwas herb über das
mutier ausliess, schnitt ihm der «Aspirant» das Wort ab, und
erklärte apodiktisch: cavec Tennemi tout est permis». Die Sen-
tenz wollte meinem naiven Recht^geföhle nicht munden ; allein
den Wortatreit autonehmes, geiiemte mir nicht ; daia war
ich lu. schflditern und. allnt kindlaeh. hh aollfe späterhin viel
tiefer in das Lehen «des Grafen von Meinaui eingeweiht wer«
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äm ; d\» Pertönliebkeit, moraltteli mir tninder, tkbte dennoch
die Magie der Romantik auf meine befongenen Sinne.
In die Treimflble der Pension fand ich mich nie gans tu*
recht, aber ich bequemte mich in das Einerlei. Wat mich be-
sonders in den düstern Räumen anwiderte, war der Pönal-
kodex der Anatalt. Die körperliche Strafe der Ruthe kam dabei
in Anwendung ; ich darf mich hier des näheren nicht erklären,
ohne den Zartsinn meiner etwaigen Leser zu beleidigen. Sehr
selten wurde zwar zur förmlichen Execution geschritfpn : nur
ist mir die empörende Szene, die einen badischen Freiburger
betraf, noch mit allen Detail« in dem Ciedachtnis geblieben,
das Motiv aber durchaus entschwunden. — Crenug, der arme
ScbuJknabe widersträubte der Hand des Scharfrichters, d. h.
4m Chefs der Anslallj welcher sein brutales, bari)arisches mat-
tier selber auülührte. «Je le dii »i k mon pdre!» rief der heu-
lende, vor Scham und Zorn glühende Junge! — tAh I tu le
diras k ton pfere», erwiderte der Executor, und verdoppelte die
Schläge. — Nur in einer französischen Winkelanstalt mögen
derartige Snnen eich antragen, geduldet oder vertuscht werden,
doch ich vergesse die Snnen iu der engliaehen Schule Ton
iStOB tt. a. w. ISneii lebeuallDglicbeii Abscheu inig ich davon,
konnte nie durch Freiburg deben, ich hätte denn des winseln-
den Opfere gedacht ; und als ich lum erstenmal in den Ge-
sllndnissen Rousaeaua etwas Analoges las, ward mir die Ver»
iweiflung des gestraften Jean Jaqfues klar wie der Tag.
Hein zweiter Bruder Eduard war einer protestantischen
deutsch -französischen Erziehungsanstalt Qbergeben ; sie war hu-
maner, doch in iotellektueUer fieiiehung, glaub ich, kaum aus-
gezeichneter wie die cKalbsgasse» ; doch funktionirte unter den
Präceptoren ein späterhin berühmt gewordener Gelehrter, Jakob
Matter ; und die Frau des Pensionschefs rühmte sich ihrer Ab-
kunft — vielleicht de la rnnin gauche — aus einer altadiigen
französischen Familie. Höchst romaneske Umstände hatten die
Arme während der Revolutionszeil wie eine Schiftbrächige
nach Hothau im Steinthal verschlagen ; dort lernte le ein Un-
terbeamter des Hauses Dietrich kennen, freite um sie, heira-
thete sie und errichtete mit ihr die Strassburger Primiran-
stalt hinter St. Nikolai. Woher sie auch stammen mochte, die
Exilirte besass unstreitig Ton uuU Manieren der guten Gesell-
schaft, bildete fast einen Kontrast mit ihrem Herrn Gemahl
und mochte in früherer Jugend andre Säle gesehn oder er-
tEinmt haben als die Schnlstuben und die Kftche ihres Wvt*
kungskreiees.
Aus mir unerklftrten Ursachen wurde mein Bruder im
Ml^abr 1811 aua dieser Pension gezogen und au einem
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- eo —
rüstigea, witagen, pAdagogiaehen Pfarrer Vierliog nacb Lam-
pertheim veraetit. Mir erwucha dadurch ein kaum gehoffter,
Icaum geahnter Genuas. Mit meinen Eltern, bisweilen mit mei-
ner Mutter alleiti) zog ich zu Fuaa oder tnf einem modaaten
Wägeichen nach dem lieblichen Lampertheim. Das wohlhäbige
Dorf liegt anderthalb Stunden nordwestlich von Strassburg, in
der Richtung von Mundelsheim, zwischen Wiesen, Obstgärten,
Reben und Ackergrund. Der kleine Suflfelbach windet sich in
sanften Krümmungen zwischen Erlen durch die fruchtbare Aue.
An das komfortable Pfarrhaus, dessen Bau von den Zeiten der
Darmstädter Prinzen dalirle, stiess ein Gärtchen, für mich da-
mals ein grosser Garten, mit Laube, Obstbäumen, Blumen- und
Gemüsebeeten; hart daran in südlicher Richtung die Suflfel-
mühle, von einem katholischen Müller bewohnt. Die Simultan-
dorfkirche uüti der Gottesacker begrenzten ebenfalls den Pfarr-
hof mit Nebengebäuden sQdlich ; alte, schattendichte Nuss-
bäume aerten Hof , wid Bronnen : für mich eine Idylle, fatct
wie Logelhaeh. Freilich fehlten die Gebirge ; aber im Presby-
tefinm wohnten PeraAnliohkeif en, die mich * wnmaglicfa noch
mehr anheimdten ala die Oberltoderfirettnde« Ich achitste mei-
nen Bruder Aberaelig, unter Ffarrar Vierlings Leitung su atdien.
leb erfahr, dass aeine Lehratunden, durch mannigfiftclie Scherte
belebt und gewQnt, nie ermfideten ; daaa die Lektnre im Gar^
len auswendig gelernt, für Spaziergänge in dar hilgelreidien
Umgegend die ungebundenste Freiheit herrschte, und zwei
Schulkameraden die benöthigte Lebbaftigkait in das Stillleben
brachten. Die Fnu Pfarrerin war eine noch jugendfrische Ma-
trone und eine unverheirathete Tochter die ältere Schwester
und Aufseherin der Knaben. Die sommerlichen und herbstlichen
Freuden des Pfarrbofes theille ich, so oft es mir vergönnt
wurde ; meine Eilern wollten sich augenscheinlich nicht vou
mir trennen oder konnten bereits die sehr massigen Pensions-
preise nicht mehr erschwingen, anders erkläre ich mir nicht
meinen dahingezogeoeu Aufenthalt in der städtischen Ansialt,
Hierselbst fand man, vielleicht nicht mit Unrecht, dass meine
reine französische Aussprache vielfach auf dem Lande verfälscht
wurde. Die partbeiiscbe Liebe meiner Lehrer ging auf die
Neige. .
Baa famnae Kometeijalir J1811 brachte mir an deaaen Ab-
aeUnaa &n aüUt&riaehea Schauapiel. Mit meinem Vetter Auguat
Boehm fahrte mich der Vater bei aBhraehender Macht auf den
Poljgon SU den Schieaaübungen der girniaonirenden Artillerie.
Hemmgedr&ngt atand, in gehArig abgeaielter Diatans, eine be-
trächtliche Zuachauenahl ; wir Knaben eiigdtiten una nicht
wenig an den paraboliach aufsteigenden und niederplataeoden '
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Leuchtkugeln ; als aber durch spezielle VargQnttigting mein
Vater Eintritt in die eigentlichen Batterimi gewann, fühlte ich
mein Ohrenfell so grässlich erschüttert, dass ich unwillkürlich
wie im Kreisel mich henimp^f^schleufiert fühlt«*, ich hat, aus dar
il5lUschen Atmosphäre bis auf weiteres eiitfpi nt zu werden.
Draussen standen im Nachtdunkel Marketen iprbuden, wo
wir uns vergnü^Hich t baten ; vom blauen Nacbthimmel herab
funkelte die unzähli^M- Sternenschaar, theilweise vom Kometen»
schweif verhüllt oder überstrahlt.
Naciitruhe fand ich keine bei später Nachhausekunft ; meine
erregten Nerven wurden erst mit der Munjenfrische beruhigt.
Mit dem Fruiyahr 1812 ging rneiu ausgesprochener Wunt^ch
in Eriullung; ich sollte zu Pastor Vierling kommen, mein Bru-
der in die Quarta des protest«itiiciien Gymnanums. Man
«laubte mir, den Brief dea Pfanm nr leeen : fSie lenreiaeen
mir daa Hen, eehrieb er an die Ellem, indem Sie mir Eduard
turtaehmen ; — er war uns allen teuer geworden . . • Ihren
ilteni Min werden wir mit ellerliehär Sorge eropfimgen,
doch will ich Ihnen nicht terbergen» dam er hei mir lücbt den
fieUachen Unterricht findet« den er in der Stadt genoas.
Schkken Sie immeihin Ihren Liebling; Gett wird alles hollent-
lieh zum besten wenden.»
Der Abschied in der Stadt war peinlich. — Der Pensions-
chef, im tiefinnigsten beleidigt, übergoss mich mit icht wälscher
Lauge. Er hatte die Mutter darauf aufmerksam gemacht, dass
ich in Lampertheim mehrere bis jetzt eingehaltene Unterrichts-
stunden, u. a. das Zeichnen nicht vorfinden würde, darauf
antwortete ich unbedachtsam «dass ich nach der Xntur leichnen
würde». Ein Hohnlächeln umzog den Mund (]e^ «i Inquisitors».
Meine Mutter wurde feuerroth, hat um Beibehaltung der bis-
herigen Gönnerschaft und die Erlaubniss für ihien Solm, bei
jeder Visite in der Stadt ein ihm liehgewordenes Haus mit
Chef und Kameraden besuchen zu dürfen, was auch generös
gewährt, aber kaum ein oder zwei mal benutzt wurde, in-
dem man mir beim zweitenmal nicht gerade die Thüre wies,
doch deutlich zu verstehen gab, dass ich mein bischen Fran-
zösisch verlerne. Auch mochte meine Protestanten-Qualität schon
damals vermerlit worden sein«
In Lamperfhcim ging mir ein neues Leben auf. Ich be-
pianate ein mir eigen zugewiesenes Gartenbeet und fossle es
dn mit den Üppig sproasendSen IVühlingspappdIzweigen. Kleine
Vögel durfte iäi hegen ; sie gediehen aber wenig unter meinen
Händen, und ich hatte die bittersfisse Lust, die entseelten su
begraben, vor meinen Kameraden mit emer Steiberede und
einem aelbstkomponirten Leichengesang in begleiten*
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— 68 —
Ich daciito, es sollten dies die VcM'übiiiijjen sein zu meinem
künftigen Pfarrersberufe. — Wie weit ist auch hier der Apfel
vom Stamme gefallen 1
Ein vierter Pensionär trat im I^ufe des Sommers als er-
findungsreicher Kumpan in unsre Milte. Er war der Sohn des
Strassburger Notars Zimmer, um »f* Jahr jünger als ich, aber
in mechanischer technischer Gewamltheit, in Anlagen zur Musik
und zum Gelang um Dezennien voraus. Ueberdies war er das:
Kind begüterter Eltern. Ich wurde ausgestochen, darf aber die
Hand auis Hen legen und beliaupteD, dass auch nicht die
kleinste Anlage tum Neid in mir sich kundgab. Meine Mat-
ter^ eine Jogendfrenndin von Frau Notar Zimmer, hatte von
manem fi'dhlichen Landleben in der Nihe der Stadt gespi ocben
und die Eltern des kleinen TauaendkfinaÜers bestimmt» ihn mir
beizugesellen. Louis Zimmer verfertigte kleine aerostatisehe
Ballons, die nicht immer sich gleich gut fällten^ aber seine
Fertigkeit in physikalischen Experimenten andeuteten ; er war
ein Feuerwerker und entwickelte später diese Anlage für Py-
rotechnik in ganz ungewöhnlichem Grade; er war ein Tischler
und unerschöpflich im Erfinden neuer Werkxeoge und Geräth-
schaften ; die Scheune wurde zur Werkstatt unigewandelt» in
der Nähe des Brunnens eine künstUche Fontäne angelegt. —
Das alles genossen wir andre mit ; eine Gunst aber, die mir
allein widerfuhr, das war, meinen Busenfreund hin und wieder
ins Schloss zu Oberhausbergen begleiten zu dürfen und dort
eine herzliche Aufnahme zu erfahren.
Oberhausbergen iie'^i an der südlichen Biegung des lang-
geslreckten niedrigen Rebhügels, der sich von der Mundols-
heimer Kirche bis in die ununterbrochene Ebne von Eck! uisheim
und Wolfisheim hinzieht. Der Fuss- und kleine Fahrweg führt
am östlichen Abhaiii, des Hügels hin ; im Dorfe selbst bildete
das ländlich-städtische Besitzthum der Familie Zimmer den
nördlichen Eingang. Eine hohe baumgekrönte schaltige Terrasse
stiess an eine Zimmerflucht, die mir in jener Zeit wie fürst-
liche Prunkgemächer in herrlichem Glanie sich leigten und ge-
waltig abstachen gegen das modeste Pfarrhaus von Lampert-
heim und meiner Eltern Wohnung in der Stadt. BSn Saal,
der auch in Strassburg för ein Prachtwerk galt» enthielt einen
grossartigen Spiegel, worin bei geÖlTnetem Fenster das Münster,
die Kirchen, die hÖbern Häuser, die Wälle der Stadt sieh
photographisch abzeichneten. — * Ein einfaches, aber nettes
Badezimmer zierte ein Untergeschoss ; geräumige Remisen und
Keller, Obst- Zier- und Gemüsegärten hoben sich nördlich und
östlich vom Scbloss ;ib. Ausnahmsweise ward uns erlaubt, die
Nacht im Herrschafts-Schlosse zuzubringen ; meist aber wan-
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es -
derfen wir beiden Knaben in der Abenddämmerung den «itun-
denlangen Weg in das heimathliche Kosthaus. Trockne Reb-
blftlter und aus Maronea geh6hUe Pfeifen verkürzten den Weg
durch verpönten Genuas.
Ausser seinem vielgewantlten Thütigkeit hnti» Loni'! Zimmer
noch eine andere Eigenschaft oder Fertigkeit voraus. Kr war
her*>its ein kleiner Jäger, manipniijte seine .lagdfliiJe ganz ge-
schickt, und wenn er nacii Vo^flti schoss — was mich jedes-
mal im Innern ergrimmte — .sulUe ich zusehn. Den Vorrang
gewann ich ihm nur m einem Bereich ab : sonderbar genug,
der so vielfach begabte Knabe war irn eigentlichen Sinne geistig
faul, vveiin es zum Erlernen von irgend einer Auigabe, zum
Schreiben auch des kleinsten Pensums, zum Anhören auch der
kleinsten Lektion kam; Sprachen, Historie, Geographie waren
ihna im Grund der Seele veriiMSt ; er bequemte sieh nur iiim
Allemdthigsten ; er dillettirte böchstons in Puppenspielen und
Feenrnftrehen, ein emsthafles Buch in die Hand zn nehmen,
kam ihm nicht in dto Sinn.
Der Pftslor hatte eine aoe seinen Stndentei^ahren stammende
belletristiacfae Bibliothek» wenn ich nach Herzenewunaeh herum-
stöbern durfte. Gallerts Lustspiele und Romane, SchrMets
Wellgeschichto und die Dichter aus dem 18. Jahrhundert
stunden meiner Lesewuth offen. Herr Vierling war ein für
jene Zeit in der That vielseitig gebildeter Mann, kein gründ«
Kcber Latinist und Hellenist, aber dem Elementarunterricht, den
er mir geben wollte, gant gut gewachsen ; er Hess mich das
er<?te Buch der Eneide bearbeiten, es deutsch übersetzen und
eine Aijschrift dieser frühzeitif/en Stilisirnng meinen verwun-
deiien Eltern vorlegen. Griechische rTi unmatik, die Fabeln des
Phädrus und einige Ver^e der Evangelisten durchj^in^^' ich mit
ihm ; nicht viel blieb mir von diesen ersten Proben des grie-
chischen Reichthums. Hier und spater im Gymnasium, sogar
auf der Akademie, wurde viel versäumt. Unnütze Zeit ver-
schwendete ich an deutsche Reichsgeschiohte, ich begrifT den
Mechanismus nicht, und er wurde mir nicht klar gemacht.
Fruchtbringender waren die anllmielischeD Exerzitien ; der
Pfarrer übte uns im Kopfrechnen. Diese erlangte Fertigkeit
gin^ bei mir l^der später in die Brüche.
Im Laufe des Sommers, die eigentliche Epoche wQsste ich
niefal mehr genau lu bestimmen, kam in unsre Hausöbungen
eint Ünteribfochung, die den andern angenehm, mir keines-
wegs erwftnscht schien. Püurer Vierling mit Gemahlin, mit
Frau Notar Zimmer und einem Strassburger verwandten Pfar-
rer nahm eine dreiwöchentliche oder monatliche Vakans vu
«nem Ausflug nach Mannhdm, von dort dem Neckar entlang
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— 64 -
nach Stuttgart, wo einer seiner Sohne, wenn ich nicht irre,
bei Gott« konditionirte, von dort a}) nach SchalHiausea und
Basel. UnwiUkürlich mnssle ich mich fragen, warum meiner
guten Mutter eine solche Erholung njcht gegönnt wurde, un-
willkürliche Vergleiche zwischen der Lag^e der Eltern meiner
Kameraden und der meinigen anstellen. Als später Herr Yier-
]m$ mit vider Sorgfalt die innegehaltene Reiseroute beeobrieb
QBd kalligraphisch in nettem Bande der ^umeimienD ReiaeiV^
ftbrlm übergab^ wurde mir die fievorzugung meines GeaeUen
anfallend klar. — Ein ftbaliclies Geföhl musste meine Ettem be-
fallen ; in nScbstfoIgenden Jahren lockerte meine Mutter mit beinah
krSnkUebem, systematischem Eingreifen die kameradiichen Bande
nnd gab mir aufrichtig das Grundmotiv an. Ich musste ihr Recht
geben ; nur knickte dieses allzufrühe Eingreifen in gesellschaftliche
Zustände und Yerhältnisae die Knospen meiner Jugendblüthen.
Ich eile den Z^tett vonus. Das Jahr 1812 hlabt mit
rosenrothen Zügen in meinem Kinderkalender eingezeichnet.
Nichts erfreulicheres als jene Herbsttage in Lamperlheim. Es
war kein Elfer Jahr, und die ne})en im Kochersberg — daran
stiess ja das Weingut des Pastors — bieten keine Trauben wie
die Golmarer Gelände. Aiier die Septembertage waren durch
eine Gegenwart verschdnert, die mir in meiner frühzeitigen
hjii Wicklung immer noch wie ein schönes Traumbild vorschwebt.
Pfairer F., welcher an der Rhein- und Schwabenreise des ver-
gangenen Sommers theilgenommen, war der Vater zweier mit
uns nngeffibr in gleichem Alter stehenden Midchen, die als
lachten von Pfiurrer Vierling Afters Lampertheim beeuehten»
bisweilen an tmserm Unterrichte sieh befhdiigten, und im
uns allen als liebenswürdige^ heitere, lutrauliehe Gespielinaiin.
rasch geschfttit wurden. Emilie» die ältere» nicht im nundeelaa
schön tu nennen, behanddte mich mit einer sohwe^orUefaMi
Zuneigung, die meinem liebebedflrfiigen Gemäthe beinah unent*
behrlieh wurde, und die leider in diesen Herbsttwiea ihren
temporiren Gipfelpunkt erreichte. Die Mädchen wurden nach
einem an der Traubenpresse verbrachten Abend in die Stadt
zurückberufen, und ich habe sie in den nächstfolgenden Jahren
nur in langen, langen |Z wischenräumen, in total veränderten
Verhältnissen wieder gesehen. Es ist mir von diesem kind-
lichen kurzen Zusammenleben, diesen Spaziergängen auf Wiesen
und in Reben und in nahen Dorfschatien, mit Onkel und
Nichten, nur die schmerzlichsüsse Sehnsucht nach Schwestern
in meiner elterlichen Wuhnung geblieben. Dramatische Szenen
aus diesem ephemeren Arkadien wüsste ich kaum xu melden,
es sei denn das einmalige Begegnen dei' Dorfheerde, welcher
der Heerdestier m^gestätisch voranschritt, bei unserem Anblick
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— 65 —
Miene machend, die unter^^eordnete Harems-Scbaar xu belassen
und sich den kleinen iStädtern entgegenzuwerfen. Ich geleitete
schnell die .geängsteten Mädchen hinter einen Obstgartenzaun»
nnit einer, ich hoffe, nicht fibelstehenden Prottktorsmiene, und
erntete dnn stummen Dnnk pin. Auch einei Rückkehr der
lieben Mädchen mit drii J'liern nach der Stadt weiss ich mich
noch deutlicti zu entsinnen ; der Wej,^ führte lln^rs dem abend-
liclien Erlenbach hin, und lif'un Abschied drängle sieh das Leid
der Scheidenden unwillkürlich in ein paar Worte zusammen,
welche von ihrem Onkel nachher noch einigemal zu ihrer Be-
stürzung hervorgebracht wurden. Mit meinem schüchternen
Wesen drängte ich frühe schon jedes über\välli;;ende Oefühl
zurück ; kann aber bei dieser Poesie der Entsagung doch aus-
rufen: Auch ich war in Arkadien geboren.
Der eintretende Winter von 1812 fie) zusammen mit dem
unheilvollen Röckzug aus Moskau. Auch in unserm engen Krebse
blieb der Gegensloss fühlbar. Im Pfarrhaus verfinsterten sich die
Gesichter und es wurde einem Kioderblicke sehr klar, dass der
Pastor den besuchenden Ackersleuteo gegenüber eine erheuchelte
Ruhe und Vertrauen auf die Regierung zur Schau trug« FQr
mich brachte die frühe, ungewöhnliche Kllte oineii l][m8cbwnng
in das allzu liefagewordene idyllische Verhältnis»». Ich hatte noch
einigemal die Eltern* zu Fuss in der Stadt besucht und ^r
dem Nordwind ausgesetzt zurückgewandert in das ländliche
Heim. Auf den üheifrorenon Wiesengrönden ward zum ersten-
mal das Eisschuhlaufen versucht. Die winterlichen Reize der
Landschaft lernte ich schätzen i^ie die früheren Genüsse ; doclp^
im wilden Schneegestöber des Dezembermonats und im unge-
heizten nördlichen SrbTnr:^immer überfiel mich ein bedenkliches
Fieberfröslelri ; zwar wurde ich prophylaktisch in das Zimnier
der Pfarrerin eingebettet^ allein die benachrichligten Elir n
holten mich eiligst ab, und in der Weihnachtswoche ward mein
Eintritt ins Gymnasium beschlossen. Ein Professor dieser
Bürgerschule, bei dem meine Eltern seit kurzem sich einge-
mietet hatten, nahm ein Examen mit mir vor, erklärte mich
für die Tertia fähig, und so wurde ich mitlen in einem Se-
mester wieder in eine mir fremde Umgebung geworfen. Der
Abschied von Lampertheim war peinlich ; der Pastor hatte
uns mit seinem fröhlichen Grusse beim Aussteigen aus der
Kutsche hewillkommt — und nun ging die Scheidung vof
sieh. Dass ich mit kommenden Sommermonden den Ldirer
nnd den Pendonsgenossen, je mehr je Heber, besuchen sollte,
ward beschlossen; ruhiger sagte Ich Lebewohl, und betrat
gleich am folgenden Tag die zahlreiche Sehulklasse, zugleich
mit einem Verwandten, Kroeber, aus Markirch.
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— 116 -
Meinen Mitschülern war ich in den meisten Fächern, im
Franzüsisclieii absonderUch, weit voraus, und ich konnte bereits
an Ostern in eine höhere Klasse befördert werden , auch dort
ii iici Afigelte ich die meisten meiner älteren Kameraden. Meine
befriedigte Eigenliebe versObnte mkli' mit dem Stadüebeii ; Ich
ging im Lernen aof und war, soml ich'micli erinnei« und
ich mich rühmen darf| von Lehrern und Knalieii ivohlgelitten ;
der nicht sehr strengen Disiiplin mich in fügen, fiel Iceineswegs
schwer; aus dieser firflben Gymnasialsstt stammen einige harne-
mdsehaftliche Verhindnogen» die sieh l&r das ganse Lshoi he-
wfthrten* Als stehende Erinnemng aus diesen ersten Affimt-
liefasn Lehrjahren bleiben mir Streifereien mit meinem jüngeren
Bruder durch Feld und Wald^ anf einige Stunden hinaus^ in
nord- und südlichen Revieren ton Strassbuiif. Wir wsren
leidenschaftliche SchmetterUng^äger und Eaupenzüchter, eine
Yoa Lampertheim überlieferte Passion ; auch die Blechkapsel
zur elementaren Herbarisalion hing ribwechselnd auf unserm
Rücken, so durchzogen wir die Waldungen von Bnimath und
von Neuhof; mit piimitivem spartanischem Proviant versehen
und in ebenso ptiniitiven Dorfschenken für einige Groschen
saures Bier oder iilares Wasser eintauschend. Unsere sonst so
besorgliche Mutter Überhess uns für diese Ausflüge eine un-
begrenzte Flreiheit, die aber auch nie zum ^^enngsten Missbrauch
oder zu einer erheWicben Ungelegenheil führte. Wir ei^öfzten
uns an den spöttischen oder aufmunternden Zurufen der auf
der Hauptstrasse vorheifährenden Passagiere. Noch ertönt in
meineii Ohren der Ausspruch eines Stookfransosany der su seiner
Frau sagte : «Ge senl des attrapeurs da papUionst und der Vor-
wurf der nunmehr "verhairalhaten Pfimrstoohtsr von Lampert-
heim, die uns in der Nlha ihres m uns diesmal nmgangsnen
ileimathdorfes antraf. Wir wslHen uns vermutUieb von unsarm
ScUaraflenleben nichts und keinen Zoll bmt abmarklsn lassen«
Das Ende des für die französische Armee imrliingnissvollen
Jahres 1813 nahte. Die alliirten Heere standen gesdiaart am
rechten Rheinufer; für unsrs bedrängte ge&ngstigta Vaterstadt
eine traurige Periode, für uns Knaben eine bewegte, nach
vielen Seiten hin anziehende Zeit. Die Elastizität der kaum ab-
gelaufenen Kinderjahre lässt mitten in der Bedrängniss keinen
eiprentlichen Kummer aufkommen. Die anwachsende Garnison be-
lebte für uns Kasernen und Strrissen; die soldatischen Uebungen
der Nationalgardisten auf Wallen und ofFenflichen Plätzen
nahmen uns mehrfach in Anspruch ; freilich sahen wir Iheil-
nehmend dioBet*orgniss der Mutter um die gehörige iVovianlirung,
beklagten den Yater, welchem als Kapitän der frt jutüte Wacht-
dienst bei erschütterter GesundUeil bt»schweilich üel; er wurde
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— «7 —
im Laufe deä Dezembers voiübei^ehend vom Spitaltyplius er*
griffen, und a^ter erat erklirte ich mir den gewichtigen, tra-
giadMii Sinn %leier ArntterungAii dar beiden Elteni.
Mit dem Dfeikönigstage i814 begann die Blokade der Stedt ;
vorhergehende tnigi«konüeehe SMnen, beeenden an die Eitf»
quartiemng enknfipliuMl, bildeten gleidiaam den Pmiog su dem
beinahe vier Monate aich fort^nnendea Drama. Gegen«
wtrkig tat mir nech 4er Zomauabrudi einer nicbt unschönen
Dienatmagdy die fon einem französischen Douanier ungebührlich
geängstet wurde ; ebenso sehe ich noeh mit den Augen dea
Geistee das ai>end liebe Hereintreien in unsere Wohnstube einer
eleganten, in Spitzenrobe gekleideten jungen cWiacfaerin»^
die eich auf der Stelle hei der Frau Profeaaorin Braun so sehr
einzuschmdcheln wusste, dass man ihr ein niedliches einge»
heizles Zimmerchen gastlich anwies. Die Szene nahm eine un-
geahnte Wendung am andern Morgen. Es hatfe sich die
lebensfrohe Halbdaine von einem adäquaten eleganten Otlizier
in das Schauspielhaus abholen lassen, war mit ihm in unser
Quartier zurückgekehrt, hatte den temporären Liebiiabei nicht
forlgeschickt und musste nun die tScheUworte der puritanischen
Hausfrau mit in den Kauf nehmen. Sie suchte sich stante pede
eine liberalere Wohnung, zo-' ans und warf im Fortgehü der
Dienstniagd ein belrächllicljt.s Trinkgeld zu, sclued somit
zwischen Fluchen und Danksagung. Im Laufe der Blokade be-
gegnete ich mehrmals auf der Strasse dem üppig schönen
Weibe, das mich Kleinen aber nicht einmal einea wegwerfenden
Blickea wOrdlgte.
AU ieh am Vorabend der Belagerung und noch an den
^niesk Tagen in mehreren Familien die Angat und BekOmmer-
niaa» dae Einpaeken und daa Yeraleckea dea SUbergeaehim und
anderer werthvolkr Gegenatände mit ansehen mnaafe^ wurde .
mir inamer mehr der Emat der Lage khr. Auch d^e Vor*
kehrungen in den Gymnasiahrftnmen gegen das anateckende
Fieber durch eine hässliche Essenz von Gay ton Morvaux fielen
beschwerlieh. Zum Lobe der Lehrer und Schüler sei indem
gesagt, dass der Untenicht keine Stunde unterbrochen und
der £it*er der l4emenden auf dem hiaberigen Standpunirte aieh
erhielt.
Mein Vater hatte als Nationalgardisten -Kapitfin das Privi-
l^ium einer Karte, die ihm vor die Thore bis zu den äusserslen
Posten zu dringen erlaubte. Mehrmals benutzte ich die Gelegen-
heit, mit ihm vor die Gefängnissmaueru des Walles zu gehen,
und in einem kleinen Nutzgarten, den wir rechts vom Spittel-
thor pflöi^teü, wilde Endivien auszujäten und der MuUer in
die schlecht bestellte Küche zu schaffen. Bei einem dieser Aus-
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flöge pelnn^jten wir bis in die Nahe öi'v Schachenmüiilc, ^vo
ein Kosake und ein Badenser Laiidwehrotiizier Posten gefasst
und sich mit dem wachthabenden Offizier des französisclien
Vorpostens freundnachharlich, do( Ii tialh in Zeichen zu unter-
halten schienen. Zum ev>{etmui\ sah ich in nächster Nähe
einen «Sohn der Steppe». Nach kurzen Minuten wurde indess
dieses freundHche Begegnen abgebrochen ; der Franzose rief,
tein Pferd iim^pendend^ dem Russen zu : adieu, oosaque ; dieser
fletsebte mit den Zfthnen, und nach entgegengesetzter Seite hin
entfernten sich die InteHokutoren. Wir ebenfalls suchten mit
beflOgelten Sdiritten das Weite, oder vielmehr die Enge der
Festnng.
Die eigentliche Garnison Sirassburgs betrug an waffen-
tfichtigen Soldaten nicht viel tlber 2000 Mann, unter General
Brottssiers Kommando. Bei den AusfSllen versah die National-
garde ausschliessMch den Dienst im Innern und in einigen
Aussen werken. Auf den Wällen wachte die einheimische Ar*
tillerie. — Die namhafteste Expedition des Oberkommandanten
wurde am Charfreitag 1814 unternommen ; in einem Augen-
blicke, da die Würfel in und um der Hauptstadt Paris schon •
gegen den Kaiser gefallen. Es ist durchaus nicht unmöglich,
dass der französische General sclion K^nntniss von den Haupt-
ereignissen im Innern hntte und er somit seinen Ausfall jonseits-
der Festung von Kehl i-t\ieu die östlich gelegenen hadischen
Ortscliarfen richtete mit der Voraussicht uiinrilzen Blnfver^ies^ens.
Ei' hätte somit gehandelt wie auf einein ;:t i sser n Schiachtleld
bei Toulouse Marschali Soult sich gegen Ii ugton schlug.
Der Generalmarsch berief, walunn l ih» Glocken in den
protestantischen Kirchen zur Festfeier hulcii, die Nationalgarde
auf die Rheininsel und nach Kehl. Der Vater eilte pflichtge-
mäss dem Sammelplatz^ zu. Mit einer Dienstmagd, die eine
magere Fastenspeise im Korbe trug, gelang es mir in später
Nachmittagsstunde, bis an das Süssere Citadellenthor zu gelangen,
dort aber v«urde ich unerbittlich von dem wachthal)enden Offi-
zier ahgevrici-en und kehrte mit der leidigen Nachricht nach
Hause, fest tiberzeugt, dass der Vater einen Hungertag durch-
lebt. Wir wurden in der Nacht unsrer Befürchtungen entle-
dig; die YeteraLen der Nationalgarde vvaren nic|if in die
Reihen der aktiven Soldaten getreten, und auf der Rheininsel
hatten sich die Offiziere an frisch gefongenen und gebackenen
Bbeintischen gesättigt.
Die eigentliche Krisis sollte wenige Tage drauf am Oster-
montag eifolgen. Die Pariser Nachrichten drangen durch die
Sperre; man zählte auf baldige Befreiung und erspriessliche
Nahrung. Wftbrend der Pseudobelagerung — denn eigentliche
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Gefbhr hatte wlliMd dieser ersten Btokade Stranborg dnreh
eineii iuizav0ieli6ade& Konloii deuteabar and ntsascfaii Truppen
nicht IQ beiteben — hatte Senator Rfiderar, im Stadthaus re-
«idirendy die kaiserliche Civilrsfieruttg versehn. Er vmr an 3.
eiisr 4. Januar noch sur Stadt hereingehngt und hatte, eine
Zwangaanteihe afagereehnel, im Grunde sieh doreh ein mildes
Regiment ausgezdchnel und die Börger hei gnter^ Laune lu
erhalten gesuebl. Er gab einige hesufihte Soireen ; die niedem
Volkskiassen stiessen gegen diese cnnerhArle Verschwendung»
unberücksichtigte VerwOnschuDgeo aus ; aber die jingere Da*
menwelt nahm die angebotene Zerstreuung, auch unter den
äussern bedränf^^enden 'Verh5Uni:isen, nicht ungern entgej<en, wie
man denn zu j<*der Zeit am Rt^nd der Vulkane zu lanz(Mi hediebte.
Graf Röderer war nicht im Elsase geboren ; er stammte
aus einer katholischen Parlamentsfamilie von Metz und spielte
wahrend den ersten Jahren der Revolution eine hervorragende
Rulle in der koastiluiren<len Versammlung, darauf als procu-
reur syadic von Paris Ktwo«? er am 10. August Ludwig
XVI., »ich mit seiner Fauuhe lu die Assemblee Ie{;islaij\e in
Sicherheil zu begebti«. Es war wohl in jenem kritischen Augen-
bUck der einsige rationell mögliche Ausweg ; für den Ratbgeher
und den unseligen Berathenen ward dieser in eKtreasis ge-
fisste £ntschlass verfaingniasvoU. Roedarer hielt sich aw Jahre
kng verborgen, trat dann Hrnder unter dem Direklorium und
dem Konsulat aus seiner Ihinkelbeit henrar. Seine litmriseh-
historischen ArbeHan sind geschilst; der Kaiaer verwendete
.ihn zu mehreren gewichtigen Missionen, u. a. bei Joeeph, KOnig
von Neapel, und in Madrid ; Sirassburg war im Grunde ein
trauri^'er letzter Absiecher in dieser glänaenden Laufbahn.
Im Stadthaus wurde jeden Abend der wachthabende Of-
fizier hei dem Senator zu Tische geladen; se gelangte mein
Vater zu der unerbetenen Ehre. Graf Röderer wiisste, dass er
Namensvettern im Elsass hatte, Hess sich aber auf keine weitere
Erörterung ein. Meinen Vater trugte er, ob es mit seiner
Proviantirung {jut bestellt sei, worauf er di»^ vorsichtige Ant-
wort erhielt, man habe nur den verbreitett n Lir i ächten Glau-
ben geschenkt und lebe somit zu den Marktpreisen. Der Graf
beruhigte über die Dauer der Belagerung, er sei überzeugt
dass eine Entscheidung nicht mehr lan^e sich iilnziehen könne.
Bei einer zweiten Wache überhess Kapitän Spacli beinern Lieute-
nant die Ehre der Senatorstafel, nahm aber des Abends seine
Dianstslelle wieder ein und erdhlte lachend, wie Graf Rdderer,
da er ins Theater ging^ verbl&flt ausgesehn^ als er bei dem
prSssntirenden Wachtposten ehM andere Jtommandirende Per-
staiwdilmit bemeritte» Mmn Vater wire nie bsAlhig geworden.
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Wfthrend der Oaterwodie wurden die Tbore zwar nicht
offiziell geöffnet, doeb koiinle mui sieh ungestraft oacb Sehil-
tigfaeim hinaus wagen, die badiachen Landwehraoldateii besebn
und hei der Rfickk^ eine Flaache Iriache Milch herein-
achmugpeln« Wr waren« der Vater und ich, anit einem ehren-
werthen verwandten Straaaburger in sein am sidliehen Ein«
gang SehiKIgheima hegendes Landhaus getreten ; es war selbst-
verständlich in total verwflstetem Zustande und erprasste yoA
den Lippen des Betroffenen einige Kernflöche.
Von nun an wurde Schiltigheim und die Kehler Strasse
während des ganzen Frühjahrs Zielpunkt unserer Spasiergftnge
heim Durchzug der atliirten Truppen, die mit grünen Reisern
g^chmOckt in die Heimat kehrten. Im Gasthof zum Geist
waren auch tSg^Uch die Schärpen (Jer fremden Offiziere zu be-
gaffen und Vergleiche mit dei' Unirorrnirung <ier rran7.ö;-i-^chen
Gartiison an/ustellen. Die Friedensproklamation machte diesem
Paraileiisinus ein Ende.
Meiner Mutter war von der Schreckensrefrierung eine so
schauderhafte Erinnerung ge})lieben, s^ie hatte überdies in der
• herrnhutischen Erziehungsanstalt von Moolmirail iii der Schweiz
während des Jahres 1792 und der ersten H&lfle von 1793 so
streng konservative, legitimistische Ideen eingesammelt, dass die
Wjedminffthrung der BmAoom yub ihr »il ftwämt hsgrtal
wurde. Die HüiriditiBg der ktelglielien Familie hatte das
junge Blldehtn emohfltlert ; sie wehrte in der Hertsgln von
Angwütaie eine hattie Slirlyrsrin und holite, ihr Oheim wfirde
Ar Frankieieh nach all disn HknfundiwaBiig «usfestandenen
Jahren wahre sonnige Vefgeltnngalage herauflUhrsn. Ihre Udier-
aeugung liess in meinem Ideengang deufliehe Spuren auHlek,
Ich stand mit mein«r politiaohan Anlage achon früh ganz vei^
einaelt inmitten meiner Gymnasialgenossen. Bereits im Jahre
181d von ihr in nnsre periklitirenden VermÖgenszustände ein-
geweiht, konnte schon damals keine eigentliche fröhliche
Stirn n^ung die Oberhand gewinnen ; zu melancholisdiem üin-
hrüten \vor ich in der Einsamkeit geneigt.
Dann* ich mich indess nicht ^am ungerecht gegen mvin
Geschick und meine damnüg^e T.age geberde, niuss ich gleicli in
Erinnerung bringen, dass auch in der unruhigen Epoche der
Blokade mir ein lui erwarteter lehrreicher Genuss zu Theil ge-
worden. Zur Fristuiig des Theaterpersonals, das am Hungertuc h
nagte, hatte man den Ofüzieren ein Abonnement lugemuthet.
Mein Vater ubergab mir seine Karte zu alleinigem Gebrauch^
und wihrend der Winter» und FVühlingsmenate lehte ich mich
in das firsaaOsisehe Lustspiel» und Drunenreperterium hinein.
Die Schauspielertruppe 'stand hech Uber liittdgut« Zu dem
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Schlüsse bin ich berechtigt» indem nele der Mitglied r von den
Theatern der Hauptstadt aufgenommen wurden. Ich hatte mich
in eine Ecke des Orche^tiors eingeschlichen, wnrde "rcduldel
und versenkte mich, ohne mit irgend jemand tu verkehren,
in das Anschauen der Schein weit der höhenn Gesellsrtialt und
der dramatischen Heroen. Von Figaro's Hd hzeil (hIcv d»>m
Barbier von Sevilla blieb mir zwar ein Theil d*'^ Intnguenspiels
noch uuentwirrt, dorh gegenwärtig sin(i mir nwh die typischen
Figuren der Hanpiscbauspieler und der Aktricen: an diese
Knabenzeil kmlpll sich meine Vorliebe för das fianzösische
Lustspiel ; es schien, als ob mir zum Voraus die liebliche Er-
scheinung der Mars vorgeschwebt wäre. Talma, den ich lum
erstamnil im Spltberbst 1814 in einer miUe1mä8sigen Tngft-
die durch Vergunet eines meiner guten Gymnasiallehrer su
sehen hekam» blieb mir fremd ; ich war noch nicht im Stande,
diese EinfiMhbeif im tragischen Pathos zu fassen. Spätem Zeiten
mr dieser Genuss vollauf vorbehalten.
Ifeln Theatef>Hospitiren wihrend der Blokade ifthlt nicht
lu roeiBen Erstlinge'GfjUifangen in diesem Fache. In unsrer
Wohnung beim Hoepital hatten meine Ellern eine abgelegene
Stube an einen Musiker des Orchesters verrniethet; der brave
Mann, eine treffliche Bassgeige, war ein schlechter Zahler und
trag seine Schuld ab, indem er mich regelmflssig in das Schau«
spielhaus mitnahm. Es mqg dieses Einschmuggeln etwa in die
Winter von 4810 und 1811 fallen. Ich war bei weitem nicht
allem gewachsen, dorh trug: auch die^^» Vorübung ihre sprjich-
hehen und literarischen Fruchte. Bi.sweilen wenn die Vor-^tc!-
lung sich ungebührlich in die Lfinge zog, überöel mich eine
wnwiderstehiiche Scblafsucht, und ich entsinne mich gar wohl,
eines Abends auf dem Schosse einer mir wildfremden Dame in
den vord eisten Orchesterbänken während eines Entr'acte ein-
geschlummert zu sein. Im llalbtraum hörte ich eine Nachbarin
meine gütige Pflegemutter fragen : A ({\n appaiiient donc ce petit
gar^on? — Bon dieu, est-ce que je le sais? erwiderte die
andere. Ich weiss nicht einm^l^.^ ich mich för das gewährte
Aejl bedankte. An« jenef ^sH- ist infr ehenMIa der blendende
Nacken einer jungei) l^fehauspielerin in feinem Andenken ge-
blieben ; die Sehöiig pflegte sich Ins mitten im Orchester nieder-
{nil G^iff^ nnd Bassgeigen und andern Bewundern lu
kekettirvili tM^Methetiscbe VorMhule fBr den ürfihreifeii Knaben.
Meinthi^en^ Tbettergenfisse verdanke ich indes« dem
deutschen Schauspiei. Es blieb diese« in einer engen Gebin-
Hchkeit, die sp&ter mir die Synagege hergerichtet wurde, ein*
gepfercht; auf ein unerfahrenes schaulustiges Kind machten
anch in diesem beschr&nkten Baume die eJungfirau von Gr-
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)6ans j acier fedie Kieuztalirei» eiueii uiilje.sciireiblicheo erschüt-
ternden Eindruck. Einzelne Szeueo en»cLeinen jetzt noch vor
deQ Augeu des Geistes ; Schauspieler, mit welchen mein Vater
beim Nachhau segeben in ihrer biii>,'erlichen Tracht eini-e
Worte wechselte, schienen mir dennocii wie Helden- eÄtalten.
Wie gerne hätte ich mich diesem hohen Berufe gewidmet,
wäre nicht das bethatigende Daswiiehenlreien der religiösea
Mutter massgebend }{ewe&eii.
So kaon ich denn jetzt !a allen Phasen meiner ersten £r>*
Ziehung den Doppeieinflussder beiden Sprachen und Nationalttftten
verfolgen. Ich gebe hier nur das reine Faktum; eb es wün-
schenswerter gewesen^ nur eine Hauptrichtunp zu kennen,
wage ich in der That nicht mehr zu bestimmen.
Während der Johannisferien 1814 begab ich mich auf den
Logelbach zu meiner verehrten Halbmutter, verweilte dort
einige Zeit, traf aber die gute Familie in ein grosses Leid ver-
lallen. Wilhelmine Graf, die Jüngere Tochter, hatte sieh
am Ende des verflossenen Jahres mit einem Vetter, einem aus
Spanien zurürk kehrenden tapfern Kapitän verlobt ; der wackere
Ihatenlustige Mann war mit der Garnison von SchieUstadt eiu-
jjcsehlossen ; er befehligte dort als tonanfrebender erfahrener
Soldat die Ausfälle, war nach einer Zwistigkeit mit tmein
Obern vom Nervenfieber tödlich er^'riffen, und, gegen sein
Loos ergrimmt, war er im Hospital gestorben. Seine Braut
war und blieb untröstlich. Ihre jugendliche Anmuth war ver-
welkt und zu Gral>e gegangen. Der Aufenthalt aul dem Logel-
bach blieb mir diesmal vergällt. Ich brachte meine Zeit mit
einer griechischen Grammatik zu und Ivehrte nicht uuj^ern in
die Schulstube zurück. Es war mir durch verschiedene Andeu-
tungen klar geworden, dass die Familie Graf in ihren Vermdgens-
umständen, wie meine eigene, räckwSrts gieng. Oer Stiefvater
war todt, der wackere Ringi aus russischer Gefangenschaft
nackt und blos in die Heimath gekommen. Man wies mir auf
dem Speicher den Bettlermantel» den er auf der mühselig langen
Rottle getragen; der verabschiedete Husar befand sich bei
meiner Anwesenheit am Logelbach, zu Münster wo er sich
als fieantter der Hartmannschen Fabrik eine modeste doch
ehrenvolle Existenz sicherte. Sieben oder acht Jahre später
sollte ich wieder mit ihm und seiner paralysirten Mutter zu-
sammentrefTen und frühere Erinnerungen wachrufen.
Im Spätjahi' (1814) knüpfte sich eine Freundschaft an, die
set^ensreicli einen nachhaltigen Einfluss auf meine ganze Lauf-
bahn ausübte. Schon voriges Jahr (1813) hatte ich 'im Gym-
nasium mit den Sühnen des Generals Goehorn ivameradschaft
gepflogen, mit Eugen zuvorderst, der beinah ,ia denselben
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Jahren stand wie ich und mich j^erade durch seinen Uebens-
würdigen leichlsinnigen Frohsinn anzog. Es w.tr ein schöner
Knabe, der keck ins Lei>en hinausMn kte, selbsLu rst niiilif Ii
die Laufbahn seitieö hei Leipzijr gel^lieijeaen chevaleieskeu Vale(.">
einschlaofen, aber mit Lernen so wenig als möglich sich be-
fassen wollte. Wir fanden uns, seltsam genug, einmal auf der
Slraf- oder ArmensiimltM bank der Schulklasse zusammen ;
ich, zum Abhusten eiuer g^^i^en den Lehrer ausgeslosseneu Im-
pertinenz, er, ich weiss nicht mehr für welches Vergehen ; —
der Erste und der Unterste der Klasse — > denn es herrschte
im Gjoinaituin das System der mohilen HttiverU^ltaiig* Im
September 1814 lud er mich im Nameo seiner verwitiweten
Matter, Baronesse von Goehom, auf einige Vakanitage nach
Ittenweiler, ihrem Willwensifie. Dass ich willig folgte« lässt
sieb denken. Meine Mutter gab mir uniähUge Verhaltnngs-
massregeln mit auf den Weg ; ich vergass alles und spieile zu-
vorderst die Rolle eines unbekQmmerteu Jungen aus der Borger«
. kiasse. Eugen, er und sein jüngerer kaum 11 jähriger Bruder
und ich, waren von seinem Privatlehrer, dem späteren Pfiirrer
Kurs von Lingolsheim, auf den Bari^r Landwa^en verpackt
worden. Sechs Stunden von Strassbui^g entfernt scheiden sich
die Wege, die Nacht war früh herein;(ebrochen, die drei Knaben
schlugen zur Fuss die Strasse über Gerlweiler und Sankt Peter
ein ; Fuhrleute, die wir um die Stunde befrugen, antworteten
barsch und roh ; wir zogen allein in der Finsterniss auf der völlig
vereinsamten Landslrasse weiter. In Sankt Peter kloplte Eu^en
an das Fenster eines Iruiieren Stallknechtes seines Vaf<'r< und
bat ihn, uns auf dem Feldwei^' nach dem einsamen Itlenweiler
zu b^leilen und dort die nächtlich losiielasseuen Hunde, die
uns nicht erkennen würden, zu besänttigen. Mir schlug das
Herz, als wir über den Schlossgraben in eine Allee einlenkten
und, auf einer äusseren Treppenflueht emporsteigend, plötzlich
in einen bellerleuchteten Saal traten. Grossmutter, Mutter,
Tante, swei Schwestern flogen den beiden Knaben entge;,'en;
mir sagte die Mutter, eine noch blühende, ju<;endliche Dame
verbindliche Worte, die ich verbl&fft unbeantwortet liess. Ich
war^ im eigentlichen Sinne des Wortes, durch den schnellen
Wedisel von rabenschwaner Finsterniss auf einsamen Pfaden
und dem lampenheUen, von Damen besetzten lieblichen Land-
salon verslört, meiner selbst nicht mächtig and blieb wie ein
Einfiiltspinsel bestürzt in einer Ek;ke, während die jüngere der
gegenwärtigen Sehwest.em, die spätere Baronesse von Bussierre,
ihren Arm um Eduard geschlungen, auf und abging, und mir
von Zeit zu Zeit einen herrischen, echt aristokratischen Bhck -
Buwarf* Es vergingen zwar aur einige Minuten, und beim
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— 74 —
bald darauffolgenden Nachtessen kam ich zu mir selber, prab
gehörige Antwort, und fühlte mich bald, fast wie auf dem Lo-
gelbach, im fremden hohtMi Zirkf»! heimisch. Aus in«^in< r Si hiaf-
stube konnte ich am fnlijeuden Moi -en den Eingang- ms pitto-
reske Andlauerthal, links die drei Kniijen des Ungen?berges,
rechts den Mannelstein, hc|irüssen und auf den thaugetränkten
Wiesen, am Krlenbacbe hin, mich der herrlichen Umgebung
erfreuen.
Itlenweiier, ein zum Landsitze umgewandeltes Cislerzienser-
kloster, -war aus den Händen des Komponisten Pleyel In die
Htode des vertterbeneB Generals gelangt und wvide nun ftkr
die sparsam pensionirte WHive ein erwünschtes Asyl. Wein*,
Garten- und AekerlMin lieferten genugsam Vorrat und einige
Renten Iteslritten die nothwendigsten Aosgaben ; ein sehr g^
regeltes Hauswesen liess nur Beschiftni^img, nicht llangel auf-
kommen. Es war eine halb aristokratische^ halb büfgerliehe
Existenz, ehrenhaft und allseitig geehrt. Frau von Codiom,
damals am Ende der dreissiger Jahre stehend, erschien mir
noch in vollem Jngendglanzc ; deren Mutter, Frau Debeyer, aus
einer Strassburger Patrizierfamilie» etwa sechzigjährig, trug ihr
Alter auf der gefurchten Stirn ; eine nicht verbeirathete Tante
— d reissigjährig — eine spätere Baronp^s^e de Fonlenelles war
jug'endlich aufgeregt, geir^treich, wie ihre ä!tcro Schwester
sprachkundig gebildet; eine alte Gouvernante geborte zur Fa-
milie. Adele, die allere Tochter, i4-^'15 jährifr, eine klavicr-
virtOosin, nahm sich, wie ihre Tanie, meiner an und glättele
unversehends manches an dem Gymnasialklotze — ich spreche
von nachfolgender Zeit. Ich war jrelehrig und nicht undankbar.
Im Garten und auf der Flur befreundete ich mich mit dem
inprovisirlen Intendanten des Hauses, mit Diego, einem nos
Badajoz gebürtigen Spanier, der als Kriegsgefangener nach Itfen*
wdler veraehlagen, vom General bevorzugt, daselbst heimisch
wurde« sich der Familie seines Beschfltxers von gansem Ibfven
hingab, und mit all seinem jfthxomigen Naturell und seinen
stets übersprudelnden Nalionalflftchen innerhalb der llarksieine
des Landgutes die Zuneigung 'sftmmtlicher Hauamitgiied^ er>
oberte. Ausserhalb freiKdi war er gefOrchtet. Eine markige
sonnen- und wetteigebrftuntc Figur! wie eine Silhouette, heraus-
geschnitten aus einer Episode des Gilblas de Santhaure t Er
bewachte als treuer Flurhüter den Rebgarten» dem wir Knaben
allzuhäutige Be^^uche abstatteten.
Die Vakanzwoche verflog allzuschnell. Ich musste, wie ich
sogleich erziihlen werde, zu einer wichtigen Pflichterfüllung
nach Hause zurück. Dass ich nicht ganz missfallen, erfuhr
ich dyrch dje Einladung, mich nochmals im Laufe des Qk-
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tobers sehen 211 lassen. Der ungeschickte, ungehobelte Schul-
junge hatte bich des Abends durch einige französische Stil-
Übungen in bouts rim^s babilitirt.
Im Gymnasiam wurden am Ausgang jedes laufenden Se-
mesters, d. h. um Michaelis und Ostern» von den begabtesteoi
gekrönten Schülern, wie in den Jesuifenanstalten, OflTenllicbe
Slil<« und dialogisirte Exemzien gehalten. Das Auditorium der
jieuen Kirche diente als Festrauro mit obligatem OfGhesler.
Ein -besonderer Umstand gab dem Schulfeste von 1814 einen
eigenen Charakter. Der Lilienorden war von den wieder ein«
gesetzten Bourbonen gestiftet und an ihre Getreuen bei vielen
Gelegenheiten ausgetheilt ; so kam auch die Reihe an die höheren
Klaasen öfTentlicher Lehranstalten und deren bevorzugte Eleven.
Der Rektor der Akademie, Herr Bernard de Montbrison,
heftete mit eigener Hand das weisse Band mit der Lilie in das
Knopfloch der bezeichneten Schuler und betonte die Ver-
günstig-ung", indem er den actus mit dem Anlegen der Too:a in
der römischen Patrizierjugend verglich. Ich that mir etwas
zu Gute mit der verliehenen Huld ; aber nnch wenig Tagen
verboten mir die vorsichtigen Eilern das Anlegen der Lilie,
mit Recht füt den Knaben die Entwicklung einer frühzeitigen
Eitelkeit befürchtend. Zu meiner Vertheidigung sei es indess
gesagt, dass ich ohne das geringste Widerstreben gehorchte.
Dieser elenjcntaro Hausorden des neu erstandenen Küiüg-
tums war aucli m dem kaiserlich gesinnten Strassburg als ein
geringfügiger Schmuck ^erschienen. Nichtsdestoweniger fand
ieh^ drei Deiennien spAter^ als Archivar in den Akten der Po-
IM die Bittschriften erwachsener und geschiltter Bürger vor,
die sich um diesen cverptateni Schmujsk beivarben. Auch
eine eostalistische Republik mOsste sich in Frankreich sur
Eriadung angemessener revoluttonArer Orden bequemen.
Ünt^ess war der IfSnmoud 1815 herangekommen, wie
sin Lauflhuer durdifleg die Kunde der Landung Napoleons im
Golfe von Cannes die Hauptstadt d^ Elsasses ; auf den Ge-
sichtern der Garnisons-Soldaten und vieler Bürger gab sieh
eine unverhehlte Freude kimd. Seine Ankunft in Paris wurde
bestätigt durch die sofortige Flucht der königlichen Oberbeamten;
der Präfekt Kergariou kam nicht ohne einige Insulten weg.
Marschall Soult, duc d'Albuf&ra, erklärte sich schnell für seinen
ehemaligen Herrn und hielt am Osterfeiertag auf dem Kleber-
platz eine Revue sämmtlicher Truppen ab, wo des betäubenden
Jttbilirens kein Ende war. Saramtliche Kompagnien hatten
ihre Shakos auf die Flintenläufe gesteckt; ihr Vivatg-eschroi
mochte, vom lauen Westwind getragen, bis zur deutschen
Wache des rechten Rbeinufers hinüber gellen. Auch die >ia*-
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tionalgarde stimmte in den Jabel ein. Bedachtsamere politische
Köpfe — eine Minderzahl — hielten sich abseils.
Die Bedejikiichkeiten mehrten sich bei der schnell ver-
hängten Grenzsperre. KaiserHche Kuriere nacii Wien wurden
abgewiesen. Bedrohliche Symptome des baldigen Kriegsausbruchs
mehrten sich täglich. General Kapp kam ins Elsass und orga-
Disirte die VertheidigungsanstalteD. Zu meinem Vater^ dem
er als gleichaltrigen Schulkameraden gewogen war, sprach er
hei einem Empfang der Offiziere der Nationalgarde im Palais
die raachen Worte: Eniehst du deine drei Buhen l&r den
Kaiser? In detaelben Vierlelstiinde wurde ein rebellischer
katholischer Landpfarrer hereingebracht, und vom General
barsch angefohren. Der Beargwöhnte beantwortete, mit kaum
zurückgehaltenem Hohnlächeln, aber bündig, die verfiingtichen
Flogen dea Napoleonischen Feldherrn. cNehmt euch in Acht»,
drohte der erzürnte Organisator des patriotischen Widerstands ;
«bei der ersten Klage ... .1», und zu seiner Suite sidh wendend:
clasat ihn laufen!)) Die schnell abgespielte Szene war das nicht
zu verachtende Symptom einer unterirdischen Reaktion. Unter-
dess feierte man in beiden elsässischen Rheindepartements Fö-
derationstage, wobei das immer noch zunehmende vertrauens-
volle Jubiliren in Banketten und Mnrseillaisegesän;^en. gipfelte.
Ernster gestaltete sich der politische Horizont im Laufe des
Juni. Rapp, mit steinen regelmässigen Truppen und dem Korps
der Pdrlisane, bes-eSzte die Grenze an der Lauter, während
falsche GenK hte über bestandene Treffen in der aufgeregten
Stadt /irkululen. Bis in die Gymna-i ilk lassen drang der unab-
weiblu [le Kriegslänn, Da, aiit eineimnale, in der letzten Juni-
vvoche, biach die Hiobspo-st eiüer vej loreneii Hauptschlacht in
Belgien unter der entläuscUlen Einwohnerschaft sich Bahn.
«Rapp sei mit seinen Truppen über die Vogeß^n ins innere
Frankreich gezogen.» Die Stadt war von Truppen entbldsst ;
in den Strassen begegnete man bestürzten Gesichtern, hürte
unverhehlle Zbrnesausbrücbe : cMan verläset uns, wir sind dem
Feinde überliefert.» Doch nach kurzer Zäi drangen bestimm*
lere Nachrichten durch : cRapp mit seiner ganzen, kleinen
Armee ratirire auf Strassburg zu», und in der Frühe des 28.
Juni bekundete Kanonendonner und Geschützfeuer, dass ein
verzweifelter Kampf vier Stunden nördlich von Strassburg
zwischen dem Brumather Walde und dem Laufe der Suffel
begonnen. Noch lebt in der Erinnerung manches Greises das
Andenken an den mörderischen Tag. Bereits vor den Abend-
stunden begann das Einbringen der Verwundeton durch die
Stetnslrasse, auf requirirten Falirzeugen jeder Gattung. Er-
frischender Trank wurde allseilig von schönen und auch von
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kräfligen Händen gespendet, bevor die Wagen .len ferniMi Weg
nach Hern MilitSrspitale einschlugen. Von den Slrohhündela
heiab ertönte der imunlerbrochone Ruf: Es lebe der KMiscr;
mit unterdntrkfpm Sclinu^r? antworteten die barmherzigea
männlichen und weiblichen iSamanter.
Tn der darnufTol'^enden Nncht rothete sich der nördhche
Horizont ; die vvohlhabenilon Dörfer Mundelsheim und Sufleln-
heim giengen, vom Feinde erstürmt, in F!nmmen auf; aber
Rapp mit seinen Kamptv^cnoss<»n behaupiete eine feste Stellung
in den drei nördliclien Sirassburg benachbArten Dörfern. Die
Stadt war vorläufig geborgen, und auch nach der südlichen
Seife hin besetxten die französischen Truppen in gehöriger Ent-
fernung die Zugänge. Es war eine Lagerumwaliung, die dem
Feinde Halt gebot und den Strassburgern das gefahrlose Schau-
spiel einer bedeutenden Kriegsszene vor die Augen brachte.
Wir Knaben besuchten unverzäglieb, bis tu den äuaaeraten
Vorposten, keck und unbehindert die franxQsischen Kanton i-
rungen, sahen noch jenseits Htoheim die leisten Spuren des
ScUachtentags und die brennende Kirche Ton Sufflenheim*
UnanstöschHch blieb der Eindruck dieser Mord- und Brandtage,
In den Strassen und in den einsamsten Gassen der Stadt
entfaltete sich mit deren Umzingelung ein reges Leben. Die
Bewohner der drei nördlichen Dörfer hatten eiligst ihr Geflügel
und ihre Kühe und Schweine vor Feind und Freund geflüch-
tet ; all* das Getier bivouakirte-nun vor den Thüren befreun-
deter Einwohner in schnell errichteten Verschlagen und Ba-
racken. Auch das Haus, das wir znm Teil bewohnten, beher-
bergte solche Gäste. Uns Knaben erprölzle die unerwartete Be-
Tölkerung, der ganze Ernst dieser schwülen Taj^e lastete noch
nicht aiif nns. Für mich indess sollte bald der V'orhan^' zer-
reissen, der mir meine zukünftigen strengen Pflichten noch
verschleierte.
Mitten im Kriegslärru ging das Schnllenipo l)einahe un-
unterbrucben fort. Der Soldalenauts-taiitl in den zwei ersten
Septembertagen, nachdem die bourbuniscbe Regierun;: wieder
eingesetzt und die vier weissen Fahnen auf dem Münster ge-
hisst waren, konnte nichl unbemerkt an ulis vorlieigehn ; aber
auch . diese Tragikomödie liess keine tiefe Spur auröck, grub
keine Furche auf unsre Stirne; boten doch die patrouillirenden,
von selbetgew&hiten Führern befehligten Krieger, sodann die
gegen die offiiiellen Regierungsgebäude aufgepflanzten Kanonen
ebenfalls ehn originelles Schauspiel. Dass die öffentliche Ruhe
und der geschlossene Friedensvertrag ivvischen Rapp und den
Meuterera vorläufig auf Kosten des Beutels der reichen Be-
wohner erlangt wurde, berOhrfe uns trenig. Die verah-
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schicdüten Soldaten füllten in den Tagen vor ihrem Abzüge die
Boutiken der Schneider und dar Krftmer und Hessen den besten
Theil ihres «usgeiahllen Rfickstandes üi den Händen deat Stru»-
hurger sturQck.
Ich mvM hier ein GiesUlndBiss einsdueben, das vielleicht
auf unser ganiee Tretben in dieser unruhigen Zeit ein ecfaiefes
Licht vrerfen dürfte, lige nicht die Entschuldigung in dem un-
verwfistlichen Leichtsinn der Xnabeiyahre« Seit dem Beginn
der warmen Jahreszeit hatten wir unter dem gerftumigen
Schuppen eines Architekten, Vaters eines unsrer Genossen, ein
improvisirtes Theater aufgeschlageDy werauf wir in langem
Zwischenräumen, an Sonntagen und Festtagen, Ritterdramen
oder selbstgeschaffne Produkte aufführten, zur £rgötzung von
Eltern, Geschwistern, Verwandten und Gönnern, die sich gut-
willig unter freiem Himmel auf improvisirten amphitheatrali-
eclien Sitzen zu den abendlichen Dnrstellungen einfanden. Pri-
mitiveres Vertahren mit Dekoralionen, Kostümen und Kompo-
sition lässt sich nicht wohl denken. Beiderseitiger guter Wille
half über Schwierigkeiten und vielleicht Ungreheuerlichkeüen
we^. Die dramatischen Stücke waren einem Bändrhen entnom-
men, das für deutsche Knabeninstitute eigens zugehchtet war,
und dessen Titel und Existenz mir gänzlich aus dem Gedächt-
nis« entfallen ist. Einer unsrer Genossen, der schon genannte
August Böhm, ein begabter junger Mensch — er war älter als
wir alle — hatte sogar ein eignes Lustspiel : cDer Goldmacherj
betitelt, in freien Versen behandelt. Es wer die Krone unsrer
Leistungen.
Für den 1. oder 2. -Seplember, einen der Attfetandetage,
war ein kleines Drama, der englischen Kevolutionsieit entnom-
men, angesagt. Wir wollten unser Vcfeprechen einhalten, und
der Äussern Ungelegenheit ungeaehtet lind sich die gewöhn*
liehe Zuhdrerschaft zusammen. Beim Nachhausegefan wieder-
holte mir man Vater den Ausspruch eines der Helden Fair*
fax, den ich agirt hatte : cDer Himmel schenke Kindern und
Enkeln bessere Zeiten als den Vätern.» Der Wunsch sollte
nicht in Erfüllung gehn.
Die meuterische Garnison war, wie gesagt, bis auf wenige
Bataillone verabschiedet ; den nölhigsten Dienst leistete die Na-
tionalgarde. Mein Vater, im Auftrag eines Landgutbesitzers zu
SchafThausen im nahen Kochersberg, stattete dem Ober-General
einen Geschäftsbesuch im Palais ab, konnte aber nicht zur
Rode kommen über den eigentlichen Gegenstand seines Vor-
sprechens. Rapp, durch die letzten Begebenheiten im höchsten
Grad erbittert, empfieng seinen ciiemaligen Schulkameraden
durchaus unfreundlich und ergieng sich in soldatischen Schelt-
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reden ge^ea Bürger und Nationalgardisten, die ihre Pflicht
währen(l der mnerri Unruhen nicht genügend erfüllt und den
Ober koiumandanten im Stiche gelassen. Es wären dagegen nicht
WM Ent.-chuldij;ungen, sondern viele Gegengründe, triflige, auf-
zu Li rillten gewesen , die fieiierhafle Unruhe des Generals stei-
gerte sich zusehends, und nur mit Mühe besänftigte einer der
Gegenwärtigen, Adjutant Herr von Törckheim (Litis Sohn)
seinen aufgebrachten CM. Za einem AbicbluM des vorg«-
acUag«DeD Ankanlii eifiet editaAn Güterkomplexet unter aolehen
UmilindMi war da Uine Auasicbt. Mein Vater entferate aieh
etwa« verwirrt ; ich gkube nidity daaa «r den ehemaligen Fraond
und Gtener actldem noch einmal geeehen, Rapp hatte aidi in-
deesy ich wiiaa nidit hei welcher Gelegenheit, dahin auage-
sproöbeny daas er «ich, wenn es von ihm abhinge, för die
Knaben des Gdmarer Kdmeraden bemOfaen wQrde. Etwa sehn
oder elf Jahre später wurde mir von Freunden der Wittwe des
General« das Anerbieten zur Erziehung eines hinterlaaeenen
Sohnes gemacht. Ich Hess die Sache auf sich beruhen und war
im Grunde gut inspirirt, der Kleine starb in den Kinderjahren.
Goethe widmete der gebeugten Mutter einige sinnreich tröstende
Yerae, die in seinen Gesarnmtwerken vei'zeichnet stehn.
Im Herbfite 1815 war Kapp in der That darauf bedacht,
im Elsass oder in Baden sich bleibend anzusiedeln. Man hatte
für ihn auf clttenweiler» die Augen geworfen; die jüngere Fa-
milie des Generals Coehorn 7itterte bei dem Gedanken einer
Teräusserung des anmuthigen Landsitzes, woran sie mit JLeib
und Seele hing, auch dieser Plan ging nicht in Erfüllung.
Bapp kaufte nicht fern von Basel das schöne Besitzthum Rlieiii-
weiler und beschloss dort, noch im Mannesalter, aber durch
seine Strapazen und Wunden frühe im Lebensmark angegrifTen,
seine Tage.
Das soeben erwfthnte Ilten weiler, das ich seit einem
Jahre in treuem Henen bewahrt, sollte mir im Oktober des-
«dhen Jahrea, nach au%ehebener Umzingelung der Stadt, wie-
der ein tompocireB Aayl bieten; ich war dorthin geladen, nur
mit der Wamnng, daa« bei dieaen Kriegaznatflnden Kartoflieln
dort die Hauptingredienz der «pammen HaUieiton bildeten.
Nun wnaate ich» was solche Vorbemerkung bedeute nnd wan-
derte getrost in das för mich herrochafUiche SctUösschen. Eine
an den Krieg sich knüpfende Episode gab indes« diesem allau-
hurzen Aufenthalt einen eignen Charakter.
Die Trupp^y welche da« deterreichische Belagerun^korps
Höningens gebildet, zogen durch das Ober- und Niederrheinische
Departement ihrem künftigen Bestimmungsorte zu. Ein Bataillon
war für da« Dorf St. Peter angekündigt, eine Abtheilung sollte
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vorühergeheod in Jttenvveiler lagern. Frau von Coehorn begab
sieb zur Besprechung mit den vonucfreschickten Quartier-
machern nach St. Petei- ; es betrugen sich diese beiden Feld-
webel etwas ungrschiiüeri und redeten die Frau Generalin mit
cMadjiMi» an. — ffb:h bin nicht die Madam» rephzirte sie auf
der Sielie, «ich bin die gnädipre Frau», — und eben so schnell
wurde von den Betrogenen ein respektvoller Ton angeschlagen.
Des Abends kam eine Deputation der Ottiziere nach Itten-
weiler, es waren ausnehmend höfliche Kavaliere, die viel von
der Belagerung Hüningens zu erzählen wusslen und sich üi>er
die herrliche Vogesen -Gegend zwischen Colmar und ihrem
jetzigeii Nachtquartier pan^risch auBliessen. i Selbst der ge*
meine Soldat habe Bich auf dem Marsch gehoben gefQblf,»
Was die Herren indess ignorirten» das waren die Besuche der
siegreichen cKrieger» in den Weinbergen. Im Ganzen verlief
diese Alerte glimpflich ; die Meierei, am Eingang Ittenweiiers,
woraus sich die PSchterslochter vorsichtig in die nabegelegenen
Gebirge geflüchtet, wurde von den Einquarttrten fHedlicb be-
setzt. Nachdem sich die besuchenden Offiziere aus dem Salon
verabschiedet und nach St. Peter surückgegangen, verkehrten
wir Knaben im Meierhause und ergötsten uns am Bramarba-
siren eines Sergeanten, der in der folgenden Nacht mit einigen
Bestecken Reissaus nahm und nichts mehr von sich hören liess.
Für mich war diesmal die Uten weilerer Episode der Ab-
scbluss meiner sorgenlosen Knabenzeil. Ich war um Michaelis
noch nach der halbjährigen öffentlichen Soiemnität aus der
Piinia und zu der propädeutischen philologischen Klasse des
protestantischen Seminars mit zwei Kameraden (Kreiss und
Kiener) entlassen worden ; nicht ohne Mühe hatten wir diese
Beförderung «ertrotzt». Der Sprachunterricht im damalipren
Gymnasium bot uns in der Thal keine weitere Gelegenheit zur
Fortbildung; für Universitjlfsstudien waren wir indess nicbt
hinl-lni,^lich geschult, und diese Zwilterstellung im ersten Jabre
blieb nicht ganz olmp Einfluss auf unsere Lage. Pmt voraus-
gegangenen Studier){^en()s?en kamen wir allzu kn.ilienbafl vor
und batten manches zu erdui tcn ; it; den ^nei hischon und la-
teiiiisciien Kollegien bei Sciiwei|^iiaeu.<ei Vaief und Sohn, bei
dem elfteren besonders, manj^elten uns die Vorkenntnisse: an
der facuU6 des lettres, die wir ebenfalls besuchten, dozirte
ein Priester lateinisch srholasdsche Philosophie, und Herren-
schneiders, des Physikers, Logik war ebenfalls für mich eine etwas
verfrühte Speise, Kran's mathematischer Unlerncbt blieb mir
in den höheren Re*i;iünen unverständlich. Die Sachen besserten
sich im nachfolgenden Studienjahr (1816— 1817) ; Dahlers phi-
lologisches Seminar nüthigte zu einiger Arbeit; eine Vorlesung
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voli G. Sebweighamuer fiber iwtUi«lili wurde nur iilir cnpcim-
lidi und noeh mehr die sonatigüelMa Stil- und B^kuMtioo^
Übungen unter diesem liebenswürdigen Manne und abendliche
fixendtien ähnlichen Inhalts im Kloster St. Wilhelai, un{«f
dem Vorsitie des PIdsgogea Bimly. Diese durchaus fkeien
Vereine holen meiner ferneren Entwicklung bessere Gelegenheit
als die berttfiMQBAssigen Lehrstunden ; dasu gesellte sieh die
Verbindung mit einem etwas illeren Studiosen, dem späteren
Geeebichts-Professor Stahl, der mich för fclassiscbe Phitologie,
mnonigfMhe Lektüre und Komposition zu begeistm verstand.
£e war eine schöne Zeit jugendlichen Strebens und Auf-
schvungs. Er versorgte mich reichlich mit Büchern aus der
SeminarbibUothek ; gemeinsame Lektüre und Spaziergänge in
der unerfreulichen Umgebung der Vatersladt, ZukunfUpläi\e
halfen mir durch ein abgeschlossenes Stilllaben bindorch^ woriv^
jedoch manche Bedrängniss sich ktindgab.
Die Mangelj.ihre von 1816 und 1817 brachten in dem
schon beengten ZusfnnH meiner geplagten Eltern eine Beklem-
mung, die au( ii auf mich störend einwirkte und nicht ohne
Einfiiiss auf rneine phyfsjsche Entvvickfnng hlieb. Allein auch
hier, wie so oft im Leben, sohle gerade diese heklay:enswerthe
Periode, wo in den Strrisf?en Her St?idt und auf Thürsch wellen
sich Hungergestalten zeiiK-^ton un 1 üherrlieiuische Emigranten
schaarenweis nach Amerika durchzojfen, tur mich zu einem
erfreulichen Eigebni-^s Anlass geben, der Anknüpfung^^punkt tür
eine neue Freundschaft werden und mich mit Bewci-fMi von
unverdientem Wohlwollen he^rlücken. Mein Vater liaUe sich
bei fortschreitender Abnahme de.« ^eschäldichen, ni( rkr^ntileo
Verkehrs auf das Fach der juridischen Seite der Handelsver-
hältnisse geworfen ; war t.iue von Haus aus mit Scbnrfsinn
ausgestattete Intelli^euiL, die in verwirrten Angele;jt uhciten -
Rechte herauszuliriden verstand, somit sich für .schiedsnchter-
Ucbe Untersuchungen, für komplizirte Rechoun^^sherichte, für
Syndikate in Fallimenten und Bankerotten ganz besonders
eignete und hiemit ein unbestrittenes Geschaftsfach gründete.
Es war zwar nicht reichlich lohnend, doch an die ofßiielle
Seite schloss sich, den UmslanJea entsprechend, oft ein freund-
schaftliches Verhältniss. Man trug willig uneigennützige geleistete
Dienste durch Gegendienste ab. So hatte sich im Laufe von
1816 mit einer zu Dellweiler pfelegenen Baumwollenfabrik eine
Bekanntschaft anpreknOpft, lUe im Septem)>er 1817 filr mich
eine Eiiikidun^^ auf das lieblich ^'^eiegene Schloss des 18. Jahr*
iiunderts, v.orin die Werkstätte eingencliiet, zur Folge hatte.
Meine Mutter begleitete mich hinaus, bald aber blieb ich mir
sflbsl und den neuen Freunden überlassen ; die neue Verbiiiduug
e.
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gestaltete sich zu einer Wiederholung der S^^enen am Logel-
bach, nur fand sich der naive zwischen dem Knal>en- und
Tiinglingsaller schwebende Jüngling in einer anziehenderen be-
Uuutungsvollen Lage. Die Bewohner des Schlosses })estanden
aus einem alternden Hausherrn, auf dessen Schultern die Ver-
antwoilüchkeit für die seit mehreren Jahren rückgäniriir g"e-
wordenen Geschäfte lastete, au« einer noch juj,'end liehen
Hausfrau, aus einer zwölfjährigen Tochter, aus einem «schweizer-
ischen associ6, der als Strohwittwer im Farnilienzii kel l*^hte,
und aus ab und zuj^eheiicien näheren und fenieien VerwaiuUen
der Dame des Hauses. Unter diesen inuss idi eine zwanzigjährige
brustkranke ^sichte erwähnen, ein gebildetes, liehevolles Mädchen.
Ich schloss mich wahrhaft brüderlich an das arme Wesen, das
vier Jaiire spater in Gernsbach mit Tod abgien^r, aber nach so
l.iugem mehr als lialbhundertjälirigeui Zwischenraum immer noch
wehmütige Erinnerungen in mir wach ruft. Ich widmete iiiiem
Andenken eine Elegie in deutschen Strophen, wohl eines der ersten
gedruckten Erzeugnisse meiner dichterischen Befähigung; wohin
dies flCclitlge Blatt sidi verirrte» weiss kh nieht tu bestimmen.
Ich bin seitdem mehreremal durch Gernsbach und das Murglhal
gefahren, habe es aber nie gewagt, den Kirchhof zu besuchen,
wo die Arme ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die nach Gems-
bach verheirathele Schwester verlor ich gani aus den Augen.
Man gestatte mir eine kurze Andeutung der Lage des
Schlosses zu Dettweiler. Es lehnte sich an Obstgärten iind
ein aufsteigendes, von hoher Bfsuer umgürtetes Bebgelände.
Die Aussicht von dort herab auf die anderthalb Stunden in
Vogelperspektive entfernten Burgruinen von Hohbarr und die
zwei Gerodseck, auf die niedere doch anmuthige Yogesenkette«
die mit dem Kloster von St. Johann abschloss, reicht nicht an
die schönsten des Ober- und Mittelelsass ; mir wurde sie be-
sonders anziehend und werth durch die huldvollen Bewohner
des modernen Sctilosses. Diese Zeit meines ersten Aufenthalts
verfloss ungestört, ungetrübt von leidenschaftlictier Aufwallunjf.
Auch in dem nachbarlichen protestantischen etwas bauernhaften
Pfarrhof fand ich herzliche Aufnahme und einen Studienge-
nossen, der aber schon im nächsten Jahre das Zeitliche segnete.
Unten am Schlossberg lag eine damals von Ostgärten umsäumte
Mühle, zum Theil mit unvollendet gebUebenen Gebäulichkeiten,
Der Müller, ein jüng'erer Bruder des Schlossfahri kanten, ein
origineller doch un^^eschlachter elie maliger Jakobiner, beehrte
mich ebenfalls mit seinem sarkastischen Wohlwollen ; sein
Schwieger- Vater, ein halbgelehrter Bauer, zei|itd sich mir in
der Gestalt eines groben, dünkelhaften Subjeiits, die beiden
Müllerinnei», Mutter und Tochter, als Exemplare der halbge-
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bildeten Einwohnerschaft, tür mich anziehend durch die Neu-
heil der Erschein unjr. Auf dem Schlosshügel und auf dem
damal"' ungeschmälerten AVa5k*<erhtuf der Zorn vorträumte ich
einsame und doch höchst vergnügte Stunden. Der filtere Fa-
brikant, der sich als junpfer Mann und Kavalier viel in der
Gesellscliaft der Hauptsladt Ueslerreichs herumgetrieben und
sogar sicli eines gnädigen Empfangs am Hofe ifihmte, führte
mich erzählend m die Zirkel des letzten Quartals des iS. Jahr-
hunderls ein. Der associ6, ein direkter Abkummling des Zürcher
Ktloniintors, inaciüe mich auf eine drastische Weise mit
schweizerischen Zuständen bekannt umi steigerte bis zur Leiden-
schaft meine Vorhebe füi das palriarclialische Aipenland. Der
Midier bestärkte mich in meinem früheren instinktiven Wider-
willen und Abscheu gegen die Terroristen. In der Nähe der
Hausfirau wurde mir wobl, doch hatte ieh Euersi keine ge-
nügende ErUftrang für die gegenseitige mütterliche und kind*
liehe Zuneigung. Ich ging der Zukunft halbblind entgegen.
Ueine Studiengenossen, Stahl insbesondere, nahmen mich so
sehr in Anspruch^ dass in jener Zeit ein innigeres Anschliessen
an ein wdbliches GemQth ganz unwahrscheinlich und gleichsam
Qberflössig eradiien. Besorgliche Pflege für meine schon da*
mala im Keime angegriffene Gesundheit wurde mir voa der
Hausfrau gespendet; der unerwachsenen Tochter ertheilte ich,
einigermassen als Abtragung meiner Schuld für liebreiche Gast-
freundschan, etwas elementaren Unterricht im Franzfisischen,
der den Eltern im einsamen Dorfe erwünscht kam.
Im Monat Oktober verliess ich, nicht ohne schmerzlichen
Flückblick auf das liel)gewordene Schloss, das Dorf mit seiner
bereits herbstlichen Landschaft und wendete mich^ Strassburg
nur vorübergehend berührend, nach Ittenweiler zum Auf-
brauchen der noch übrigen Vakanzzeit. Auch hier fand irb
schon alles im herbstlichen Trnuerschmucke und im Schlosse
ein neues temporäres Mitj^linl, Isandidat Sclmeegano, den Prä-
zeptor beider Söhne. Ich krfirle oft un<l viel mit ihm ; er
war nicht ohne litterari-rlie Kenntnisse und hofmei tc mich,
indem er mir purilaniscii anriet, von der Lektüre des Boccaccio
abzustehen. Icti hatte ihm nämlich berichtet, dass ich mich
bereits während des abgelaufenen Studienjahrs mit italienischen
Dichtern des seicento beschäftigt — ich hatte eine Vorahnung
meiner künftigen iUtlioniRchen Reisen ; Tasso gehörte in d'e
Fieihe der gemeinschaftüchen Lektüre mit Stahl.
Ich verabredete mit Kandidat Schneegans, der auch als
Diakon des Pfarrers Vierling zu Lampertheim funktionirte,
gegen 'Ende des Monats ihn dorthin zu begleiten. An einem
Samstag Abend warteten wir lange vergebens auf das primitive
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BauernvehikeK das uns in der Steinstrasse abholen sollte; un-
geduldig machten wir uns zuletzt per pedos aposioloruin auf
den Weg. Die Nacht Oberüel uns vorab Mundoisbeim. Aus
verganjjener Zeit her waren mir die Feldwpp;e liekannt; ich
konnte meinem Heimleiter auf dem moraslifren Gan^e üIs sicherer
Führer dienen. IV^r Pfarrer war sehr uninuthig über die Nach-
lris.si;;keit uler Ves ^o^sIk hkeil des Dorfbewohners, welchem da?
Abholen des Diakonen oblag ; er Hess mich seinen üblen Humor
nicht enlgellen, empfing mich freundlich und wie<5 mir das
schönste Gastzimmer an, wogegea ich mich vergebens sträubte,
als Fremder behandelt zu werden. Erst bei diesem späten No-
vemberbesuche erfuhr ich durch ihn und seine Hausfrau die
Unbilden, die beide im Juni 1815 von den feindlichen Wört-
tembergern erlilteii, Plündei un^ , Misshandlung nach dem Tref-
fen und das Jammern der Verwuudelen, der langsam hin-
sterbenden französischen Soldaten. Die arme Fiau Pi'arrerin
war mir im Frühjahr 1815 unter dem Fischerthor begegnet
und hatte mich vorahnend aufgefordert, sie noch vor dem Kriege zu
besuchen. Mit schmerzlichen Erfahrungen dieser Art ward ichge-
sftttigt und verwünschte das systematische Schlachten^ auch im
Iferechteii Völkerluinpfe. Das hdiiurtliUehe Plhrrlia«8 habe ich lei-
der nicht mehr beeucht* Pftmr Yierling ward nach Straasburg
an die Auretienkirche versetzt, staib in den ersten Jahren der
JnUragierung, und seine Wittwe, mitder ich noch einmal hei einem
befreundeten Dichter vorübergehend sprach, kam mir ebenfttlls
aus dem Gesichte, doch nie aus dankbarer Nacherinnerung«
Die Festlidikeit des Reformatiomgubilaums war vorQber^
und das Studienjahr 1817^1818 angetreten^ füir mich ein
Ihfttiger Lebensabschnitt. Die intellektnetlen Bande mit Stab!
knüpften sich tSglich fester, obgleidi er in das streng wissen-
sclHiftliche Gebiet, ich nriehr in das ästhetische fiberging. Ich
schwirinte damals für Ossian und sann darauf, mich einmal
nach Schottland und den Hebriden ant wenden, an Ort und
Stelle die ersischen(?) Yolksgesinge zu sammeln, Jugend-Phan-
tasien, die bei ernsten Lebenspflichten in Nichts zerstoben.
Wenn ich an so manche vorgefasste und wieder aufgegebene
Pläne zurückdenke, überfällt mich eine wahre Beschämung.
Materielle Mittel besonders standen nicht zu Gebote, und solche
durch anstrenjgende Vorarbeiten zu erwerben, war ich ebenfalls
in jener Zeit nicht geeignet. Durch Unterrichtgeben erübrigte
ich einiges für Kollegiengelder und die nothwendigsten Bucher,
fiel aber doch in allem übrigen dem Vater zur Last und Hess
mich sogar in nächstfolgenden Jahren leichtsinnig zu Ausgaben
verfuhren, die durchaus in keinem V«rhältniss zu de|^ be-
schränkten lAge meiner grossmüthigen EUer^ standen.
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Tu den Mussestunden, die imr der Besuch der Kollegien
und lias Privat-Doziren Hess, beschafügU ich mich fortwährend
und leidenschaftlich mit romanischen Sprachen, studirte die
göttUche Komödie mit Kommentar, las zu iriLiacMi rossen Er-
götzen den Donquicbote und, weniger eifrig, doch gewissen-
haft die gedehnte Bramana, mit einem stets balbtrunkenen
alten engltaehen Sprachlehrer kam das Engiisehe auch ernstlich
an die Rähe. Nach SlaUs Beispiei hieli ich mich abseits von
der eigenttich theologischen Abteilung des Seminars. Der Ab-
weg sollte bald xur Hauptslrasse wetden.
In jener Uebergangszett schwebte meine sprachliche Ent-
wickittng im gewöhnlichen Leben unbestimmt iwisdiea dem
FraniOsischen und dem Deutschen. Durch meiaeii frequenten
Umgang mit einigen elaissisdien ganx zum Franztaentum
übergelretenen adligen Familien bitte der gallischen Zunge
völlig die Oberhand gebfibrt; dem war ab« nicht so ; Ich fieog
an zu verstfiziren, doch immer deutsch. Mit Politik beschäftigte
ich mich durchaus nicht, las nicht einmal die loksle Zeitung
und sah mich nur halbweg zu' Frankreich gehörig an. Es lag
nichts Vorgefasstes in diesem Standpunkt; ich gab mir keine
Bechensehaft von unsrer Zwitterlage. Als Stahl um jene Zeit
anfleng, franzfisuche Geschichte in den Quellen zu studiren,
firagte ich ihn verduzt um die Ursache, und er antwortete mit
einem fflr mich keineswegs schmeichelhaften Ausruf des Er*
Staunens über meine Naivetät* Er selber in seiner Eigenart war
indess keineswegs zum Fi-anzosen gestempelt ; ich balte seit
acht Jahren mehr fjranzösischen Geist und geläufige Spracb-
kenntniss eingesogen als ihm in seinem ganzen Lebenslauf
sich anzueignen gelang.
Im Laufe des glühend heissen Sommers (1818) unterbrach
eine überh-indnehmende Brustbeklemmung in der unpresiinden
Strassburc^er Afmo!?ph;ire meine ernstlich {gemeinten Beschafti-
gun^^en ; eine lielieris>\ ürdige Aufnahme in Dettweiier Mar mir
zugesichert; voraussichtlich auf kurze Zeit siedeile ich in die
freundliche Gegend fib^r, die Wochen zogen sich in die
Länge, und bald besass ich den Muth zur Rückkehr nicht mehr.
Ich war in einer Uebergangszeit hegriflen, in einer iMela-
morphose, deren ganze Bedeutung mir erst späterhin klar
wurde. Nicht im geringsten daclite ich dainn, auf die lhe«>lo-
gische Laufbahn zu verzichten, obgleich meine literarische Ten-
denz mich davon .ili/og. Meine frühere do<rmatische Gl.'iubens-
treue war, mir unbewusst, eiäcliüllert. Gerade während diesem
Sommeraufenthalt in Dettweiier halten Schillers Resignation und
die ersten Fragmente von Faust mir pantheistische Ansichten
beigebracht. In meiner nächsten ländlichen Umgebung herrschte
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keine religiöse Stimmung ; niemand befrachte die Kirche. Der
eogbe^^renste Horizont des evangeUsclien Pflirrersy seine ge*
ringe Weti* und Mensehenkenntniss hinderten ihn, unvorsich-
tige Blicke in mein Inneres su werfen ; als er sich eines ßame-
fags Qbel befond, schlug , er mir vor, an seiner Stelle^ improvi«
sirend oder mit seinem Predigtentwurfe, die Kaniel.iu be-
steigen; ich erklärte mich für einen solchen Versuch unAhig«
9er brave Mann raffte sidi susammen und ersparte mir ein
Flaaeo. Viel tiefer drang der katholische Plirrsr, mit dem ich
häufigen Verkehr gepflogen, in meine skeptische Gesinnung;
er diiitfaschaate mich und sagte mir mehr als einmal : Sie
sind Ihren Gtlaubensgenossen voraus ; auch in Ihrer Kirche wird
man Sie nicht dulden. Seine ernsten Worte Hessen mich kalt;
ich legte denselben keine Bedeutung bei, Hess mich wie früher
von ihm zu Gaste laden, und traf bisweilen benachbarte oder
von weitem herkommende Geistliche, mit denen ich mich gani
wohl vertmg. Leicht konnte ich bemerken, dass sie nicht im*
mer mit einander übereinstimmten ; die jöngem neigten sich
schon strengem apodiktischen Glaubensformeln zu ; die ältern
Hessen sich gehn ; sie gehörten wohl zur Schule des Bischofs
Saurine. So sehe ich noch im Geiste die joviale Figur eines
lothringischen Priesters, der in barockem Deatsch seine Pilger-
schaft nach Marieneinsiedel n erzählte. Gepfen mich ge-
wendet, fiel mein väterlicher Gastgeber dem Fremden in die
Rede und wiederholte mehrmals : das ist kein ächter Herr I
(Pfarrherr). Pfarrer Böhmer, so hie;«« mein Ehrenmann —
war ein aufrichtiger Verehrer von Chateaubriand. In diesem
enthusiastischen Bekenntniss stimmte ich ihm jedesmal hei.
Als ich im Spätherbst 1865 flen Kirchhof von Dettweiler i)e-
suchte, fand ich den Grabitem des SeÜgen. Er hatte seine
Jahre nni dm neunziger Zahl gebracht. In dem kalholisciieo
Pfarrhof fand ich einen Neokalholiken vor ; mir ent^rieng der
Muth, den oberen Kaum des ehemals so lieb gewordeneti Hauses
zu j[>e4uchen. Ich entfernte mich auf Nimmerwiedersehen.
Auch in der Kirche unterliess ich's, auf einer grossen Hidmer-
lelter zum Thurm herauf zu steigen ; die Wucht der Erinnerung
drückte mich nieder ; der Allersschwindel ergriff mich.
Bei der verlängeilen Villepiatur von 1818 rüttelten noch
andre Agenten au meinem Kmder^iauben und rissen einzelne
Blätter unbemerkt aus meinem Katechismus. Im Schlosse zu
Zabem garnisonierte eine österreichische Besatzung. Ich kam bei
einer Kindtaufe zu Dettweiler in Kontaict mit einem ungarischen
Hauptmann, der seit bald drei Jahren im Eikn» heimisch ge-
worden« Hof- und Weltmann, drflckte sich der wetteigebr&nnle
Fünfziger, lebhalt iirie ein Jüngling, in lateinisdiery deutscher»
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- w -
italienischer Sprache aus ; das Französische war ihm nicht tje-
rade g^eläufig, aber mit Vultr^ire war er vertraut und ergötzte
!^lch, den nnerfahrenen, an^'ei etulen Theologen mit Argumenten,
die er au^^enscheinlich dem J)u iionnaire von Bayle enlnommei:,
den Kandidaten zu loruliaKineTi. Mich ergötzte das blendende
Feuerwerk; dessen Gttahrlichkeit konnte und n.t clite ich nidit
ahnen. Den hebenswurdlLfon Hauptmann sah icli darauf zu
wiederholten Malen in Zähem und im befreundeten S^clilosse,
wo er mit allen Bewohnern auf vertrautem Fussc slauU und
aeine Familie — unter andern eine hübsche kokette Tochter
— vorführte. Unter seinen Begleitera bemerkte ich einen jungen
Lieutenant) Giulay, der in sjKUt^rn Dezennien rml dem Welt- und
italienischen Kriegsthcater eine ^rowisse nicht viniteiiculende Rolle
s^Jiclte. Da ich lüicb vüiijeileui inijirovisirten Tanze lern hielt, blieb
ich in dieser aristokratischen KaviilierjresellfJchBfl unlx'achtet,
doch entgiciig mii nicht, dass die Dafue des elsässischen Hauses
sich auf Salon-Boden fühlte und die dar|;;ebrachten HulUiguagen
der Magyaren als erwünschten Weihrauch einathmetn.
Gegen mich betrug sich der Hauptmann bei diesen Gele-
ffoibelten ia mumt eignen Wobaimg gtni korrekt ; eiae kwm
bemerklicbe Inmie legte sich am seine Lippen, wenn er mich
Aber mein sehr eleneotaret lulienisehe belobte und 4ie FwU
ediritle der einheimischen Dame« die sich meioes Uatenrichts
nibmte, als gewisse, schon emiofene Retullate vonm iah.
Die Gemison wtm Zebem Terliew vor WintereanfimfC die
Qmurtiere; die finniBsitehe Kriegskontribmioii war entrichtet ;
eine teilte Abschiedsrefne hei Hagenaa fereiiugte die abge-
sonderteA Reipmenter. Es weinte Ihnen manche nnpttriotiache
ThrSne tue JiebUchen Aogen nach. Zum Ilagenauer militfiri»
echen Schanspld war ein Teil meiner Deltweiter Freunde ge-
sogen ; Ich hatte mich nicbt angeechhMeen und verbrachte den
unselig langen Tag auf dem RebhOgel ; dass man sich auf
Spaxier&hrten oder Gftngen ine Gebirge, Wald und Ackerfisid
mehr mit mir alt andern beachttl^le» ftnd ich schon gam In
der Ordnung. So wurde unter andern die entlegene Berg-
festung LOtaelbaTg beeuoht^ die etille Waldeinsamkeit geprieeen,
ein wiederhoMes Einkehren im gastlichen primitiven Wirihshaus
versprochen, aber picht mehr auegeffthrt. Es kiiQpflen sich in
bi^m Grad unangenehme Begegnisse für das belastete Fabrik-
haue an die Tage nach dieser eintägigen Falirt. Auch mir jst es
seitdem nicht gelungen, mich wieder in dietie elsftssische £inMe
zu verirren, und i h habe die herrlichen Baumgruppen dfs^.
Gmufthals und die Thal|;riinde zwisction der Festung und N^*
woiler nur in Photographie bewundert. Desto mehr galten die
Ausflüge einzelnen Meiereien in Zaberns Umgebung, sodann
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(lern HohbaiT und dem benachbarten Geroldseck, dem Kloster
St. Johann unfi dpr Grotte am obern Abh.-^nfr des piltoit ':>kea
Berntes, den Kastamenwälderii von Ernolsheim, dem ehemaligen
bischötlichen Kohanschen Parke, dem K irlsprung mit seiner
Grottenqiielle. Meine d('ut<rhe Versmfischine bot mir ein ei-
wünst lit< ;s Itisfrument, mich den Schlossbewohnern bei festliclier
oder vrrn Zaun gebrochener Gelegenheit angenehm erweisen.
Solche Gedichte, wenn sie in der Thai dem Herzen eutspringen,
sind nicht die schlechtesten.
Auf einem dieser Ausflöge, deit ich mit der noch lebens-
frohen Dame des Schlosses zum Karlsprong machte, blieb ich
sehr l)elroffen, als sie mich in die Mysterien des Lebens einen
Seitenblick werfen liöss. Augenblicke dieser Art sind epoche-
machend im Entwicklungsgänge eines Junglmgs. Mir hatte
bis dahin das Sakrament der Ehe und der Ctvilkontrakt als das
erwünschteste Lebensziel gegolten ; die Lektüre der Dichter
und der iiomanschriflsleller hatte aus diesem Grundgebäude
nicht einen einzi;,^en Stein entrissen. Mich als Familienvater
einmal in einem Pfai'rhüf oder Kanoiiikatshause von Strassburg
wohnen zu sehen, darin gipfelte meine Zukunftsaussicht. Nun
kam bei diesem Spazier^'-ange zu sei bander durch eine mir
jetzt entschwundene Ideenverbindun^: die Reiie auf die Ehe — •
und wie schnitt es nicht in mein Herz, als nitaie mütterlich*»
«Degleiterhn und Grdnnerin ganz flöchtig den Gedanken hin warf ,
dtm die Einigung der Galten durch Krankheit oder körperliche
Gdbreeben lentArt werden ItlkiBe. Und das war nicht verletzend,
io eittem «o nttQrlichen Tone gesprochen, da» ich nichts ein-
weDden» niehto erwidern, vnd der hechgesdillaten illem Frenn.
din nicht das geringste anhaben konnte. Ich kam um einige Jahre
intellektuell gealtert nach Hause surOck und warf unwillkärlich
etwas mehr beobachlende Blicke in meine jetzige Umgebung.
Das akademische Semester 1816 auf 19 war mit aiemlich
ernster Arheit gesegnet, nur entfremdete ich mich immer mehr
der. Idee eines förmlichen Auij|ehens in streng theelcgischem
Studium« Am Wdhnachten kamen die weiblichen Insassen
Dettweilers sum Besuche ihrer Verwandten nach Strassburg ; ich
verbrachte mehrere Abende in der N&he der Mutter, sah sie
im Nebeifrost und Winterwetter bekQmmert scheiden. 6s ward
mir klar, dass ich, aus dieser beginnenden Beklemmung heraus
tu kommen, lein heroisches Mittel ergreifen mQsse. Ben er-
wfinsditen Vorwand gab mir mein etwas leidender Zustand.
(ForiAoUuag folgt im nächsten Baad.}
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V.
Der Totentanz
von Kienzheim im Ober-Elsass.
Bruno Stabla.
♦ •
L
MüLchtipr fesselten Hie Totentänze durch Jahrhunderte
Sinn und Geist zweier grossen Nationen und {gehörten zu den
ausdauerndsten Dar8tellunj!:en der Kunst in der grassen Volks-
masse; daher gebührt ihnen die Beachtung- als einer der
wirksamsten kulturgeschichtlichen Erschein-
u n e n jener Zeiten.» Mit diesen Worten zeichnet Goette
in seinem umfassenden Werke über Holbeins Totentanz und
seine Vorbilder > die Bedeutung dieser Kunst weike des Mittel-
alters und der beginnenden Neuzeil in Frankreich wie in
Deutschland. Zwei Tolenlanzgeniälde ijesass ehedem auch das
Elsass. Das eine befand sich in der 1870 zcr^lürlea Neuen
Kirche zu Strassburg und int von Edel > in seiner Beschreibung
dieser Kirche unter JBeigabe von Abbildungen ausführlich be-
sprochen. cAls im Sommer 1884 die Neue Kirche ausgeweisset
und angestrichen waidt, eo erzfthit er« cmachte der Sohn ihrps
1 Goette, Alexander, Holbeins Totentati?, und seine Vorbüdör,
Strassbarg. Verlag voa Karl J. Trübuer. 18B7. S. 3.
s Edet Friedrieh Wilhelm, Die Neue Kirehe in Strassbarg.
Naohriohten von ihrer Ent^^tchunq-, ihren Schicksalen nnd Merk-
würdig'keiten, besonders anch vomaeuentdecktenTod-
tentauze. Slrassburg, Heitz 1826.
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Baumeisters, Herr August Arnold, durch Zu&U eine sehr merk-
wärdige und grosses Aufsehen erregende Entdeckung im Innern
dieser Kirche. Man war mit den Arbeiten in die niedem Ge-
genden der WSnde gekommen und kratzte auf der nördlichen
Seite, wo sie gegen den Kirchhof sich zieht» um einen Riss
auszubessern, einige Stficke Kalk ab ; da bemerkte Herr Arnold
an der von der alten TQnche entblössten Stelle einige Spuren
von Farbe ; die Neugierde war erreget ; mit Soigftdt wurden
grössere Stficke abgelteet, und bald stellte sich dem Auge eine
ganze Figur dar, welche der erfahrene Kfinsller sogleich iftr
einen Teil eines Fresko^mftldes erkannte .... Man setzte die
Untersuchung auch an andern Stellen der Kirche fort und ent-
deckte, dass die westliche und die nördliche Seite eine voll-
ständige Beihenfotge von Gemälden eines Totentanzes ent-
halten.»
Durch den Brand der Kirche im Jahre 1870 ist daa Ge-
mälde verloren gegangen ; doch itesitzen wir in £dels genann-
tem Buche einige Abbildungen und gewinnen dadurch eine
Vorstellung von dem Werke des Kunstlers. Leider fehlen uns
auch diese von dem zweiten elRa?;s!schen Totentanz, dem zu
Kien/, he i m im Übor-Elsass. Ihn will noch Billinjj gesehen haben,
der in seiner Beschreibung des Eisass aus dem Jahre 1782 von der
Pfarrkirche spricht, «an deren auswendigen M;iiier man einen
ziemlich beschädigten, aber vortrefflich gemahil-^ewesenen Toten-
tanz gewahr wird, den man fnr ein Werk des Hollieiiis ausg:iebt.i> *
Die übrigen Mitteilungen über üie>^e Gemälde aus späteren
Zeiten (Engelhardt, Wanderun<?en durch die Vogesen 1821 S.
71, Alsa 1817 S. 163, Antiquites de l'Alsace par Golb<5ry 1828
I, S. 20, Rothmülier, Mus^e pitloresque et hisiorique de l'Alsace
1863, S. 59, Gerard, Les arlistes de l'Alsace II, 112)2 bnngen nidUs
wesentlich Neues, so dass die Annaiinie nicht ungerechtfertigt
erscheint, dass ihnen allen die wenigen Zeilen Billings zu Grunde
liegen. Diese sind aber so kurz und inhaltlos, dass daraus
eine Vorstellung über Grösse, Ausdehnung, Anlage, Art der
Darstellung des Werkes nicht zu gewinnen ist. Da erschien
Im Jahre 1897 in den Nummern 23 bis % der Beilage des
Elsässer Tagblattes, das in Colmar herausgegeben wird, unter
dem Utel tGeaehkhtliche Skizzen« Der Totentana; van Kienzheim
Ton Georg Kerni ^ne Arbeit, die akh von neuem mit dem
ehemaligen Gemälde b^acihäfligie. Es war nämlich im Kienz«
^ BiUing, Gesehichte und Bescbreibang des Elsasses und seiner
Bc^\'ohrer von den älte^rcTi bis in die neuesten Zeiten. Basel in dar
Deckerisc hün Buchdrücke rey 17S2. U3.
> Vgl. Kraus, Kunst aad Altertam im saaasa II, 8. 817.
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beimer Archiv eine Handschiifl "[etunden worden, die nicht
nur eine genaue Beschreibung der Bilder, sürnlera auch die
begleitenden Verse zu den einzelnen i)arsteH»in;^'Mi -i^ht Allein
jrauz abgesehen davon, dass die A»l>eU m der Beilage i^cnanater
Zeitung für grössere Kreise verborgen })leibt, teilt Kern die
Hands^iHfl in bocbdeuischer, vielfach falscher Uel)ersetzung
mit. FreiUeh wQrdeii wir durch die Bilder selbst oder dureh
AbfoUdoDgen, vk ef bfliai Stratibiufer Totentanz glMUsbcr
Weise der Fall ist« erat den riehtifea ESablkk in dae KiumU
iMrk gevHnneoy dae sieh allem Aaadiiliie neeli In Anadebaiing
wie AnallElliruQg den Baaler TelenUnaan dreist an die Seite
itellen durfte* Da aber dies nimmer möglich iat, dftrfte eine
getreue Wiedergabe des ttreprunglichen Teilee dieser für die-
eia lse is cfae Kunst- wie Kultnigeiehicbte gMeb wichtigen fland-
Schrift dem Geschichtetorschef wie dem Sprachforschsr und dem
Freunde elsflssischer BiaMtforsehuDg eine willkommene Gabe sein.
Das Manuseript bssteht aus einem Oktavheft von ai BttHern,
deren Vorderseiten Seitcmahlen tragen» und ist gut erhalten ;
nur das Titelblatt und einidne wenige StsUen auf den leliten
Seiten sind fsrdorben. Der Schrift nnch s« sehliessen, stammt
das llanuseript aus dem XVI. Jahrhundert,
Auf dem Titelblatte steht geschrieben :
Folgt der Tote Dantz,
wie er SU Kflnlssn ihm
Kreotsgang sieht.
Darunter die Worte :
0 ihr Maoftohea kiut kumiuet alierbey
Tand Ingkt, welebs der Herr ved der kaeohl sej.
Denn got rieht nach dem Hecht,
Da ligt d«r Harr and amok der Kneekt,
Dieser Sprach auf dem Titelblatt der Haadechrift ist dem
lüenshelmer Telentani keineswegs eigentQmlieh ; er scheint
vielmehr ein alter, weit verbreiteter Kirchboliqimch g e w ea aw
SU sein, der nach Goette^ in Basel folgende Fasenng hatte:
ffie riebt got aaek dem Toskten«
die Herren ligen Bi te kasskten
non raerckefc hie B!
welger her oder kneeht gewesen si.'
Die Frage, wo der Totentana sich befunden, ist verschieden
1 Goette a. a. 0. 8. 7a.
t Am Bei akaas der 8t MiekaelikapeUe ia KaTsetsberg ist sn lesen :
So ist's rocht.
Dfi Ijpy-t der Kleister bei seinem Knecht
YgL Moadelf fiau&sprUche und lotchrifteii t JQlsa&a 3. !&•
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— Ö2 —
beantwortet wofden; man «praeh von ninem Kreusgang wie
das Ifannacript, andere glaubten, er a^ auf die Klnchneoar
gemalt geweaen« wie BSUing eniblt. Die Kirehe liegt von
Weaten nach Oalen ; an deren SOdaeitei von Manern umgeben,
lag der Kirchhof« Die Innenaetie der Mauer, die peralkl lur
Kirehe von Weaten naeh Oaten sich log, trug daa Gemilde, das
mit «nem Daehe, von Slulen getrugen, bedeckt war. Dieser
Gang, der ao den Mauern esllang fifarte, hafte den Namen
Ki^uzgang.
Westen
8Ueu
Osten
a. Khrshe. b. Xlfebhot e. Krenzgang. d.— e. Ifaner mit Toteataas
Dieee Mauer samt Gemälden war bis lur Revolution sr-
tiHllen. Ihr fielen letstere annSdist mm Opler, indem sie mit
Kalkwaaaer ilbertftncht wurden. Bei splteren Arbeiten, bei
Ausbesaerungen an der Mauer wurde der Kalk mit den Bildern
losgehackt, und im Laufe unseres Jahrhunderts verschwand
Mauer samt Totentanz voliständtg.
So erafthlt die Tradition in Kienzheim auf das bestimm»
teste ; und ea liegt auch kein Grund vor, den Mitteilungen
Misatrauen entgegensuhringen, da aie nicht von Iftngst ent-
aehwundenen Zeiten meldet, sondern von Zeiten, die noch
mancher vor kunem seJbst mit erlebte. Es tragt sich überhm^,
ob Billing von dem eigentlichen Totentanz spricht, oder von
den Gemftlden, die sich noch beute an der Nordseite der Kirche
beßnden und die wir in Lichtdruck wiedergeben, nachdem Herr
Dr. Hausmann sich der Mühe unteraogen, aie fir unaere
Zwecke zu pbotographieren.
Diese Bilder zerfallen in zwei Teile. Der erste Teii enthält
sechs kleinere Bilder, die allgemein als Darstellung^ der christ-
lichen Liehpswerke oder leiblichen Werke der Barmhei zijrkeit
bezeicnnet werden. Da die Bilder in sehr schadhaftem Zustande
sich befinden, ist es schwer ein end^rülti^^es Urteil zu fallen.
Diesen kleinen Bildern folgen vier grössere, von denen jedes
uogelähr 1 Meter breit und %50 Meter hoch ist. Einzelne Fi-
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gnrm dnd dmuf dauUich sn erkennen; wae das Ganze ge-
wen, wage kh nicht zu entscheiden« Ans einem Spruchband^
aaf dem die Worte g scfaoene gelalt ge • den dot hilft kein
gwilt , . . bewar mich; ich • , * . und anzu entziffern sind^
geht hervori dass auch hier von Tod und Sterben die Rede war,
dm die Bilder zum Totentanz in ifgend welcher Beiiehnng
standen, zumal auch die mmmenhaftev abgemagerte Gestalt des
Todes neben einem Edeln (Herzog, Fürst) deutlich zu erkennen
ist. Sie als letzten Rest des Totentanzes anzusehen, halte
ich für auegeschloeseoy da nach unserem Kanuacript die jedem
Bilde beigegebenen
Verse oder Sprüche
acht, einige sechs Zei-
len umfassten^ wäh-
rend hier nur ein-,
höchstens zweizeilige
Sprüche vorhanden
sein konnten. Was
das Alter dieser Bilder
nng-eht, so setzen sie
Kenner nach der
Schrift der Spruch-
bander in die Zeil um
loOO, d. h, in die-jelbe
Zeit, in die, wie wir
später sebüii werden,
die Entstehung des ei-
gentlichen lotenUm-
zes fällt.
Nach der Beschrei-
bung kann das gaa^e
Gemälde in drei grosse
Teile zerlegt werden :
in die einleitenden
Bilder, den eigent-
lidien Totentanz und
die Schlusshilder.
Auf dem ersten Bilde
sehen wir den Phr-
nr die KanzeUreppe
hinaufsteigen und hinter ihm den Tod, hinkend, mit
«ner Krteke und einem Stundenjjlas. Unter der Treppe, die
zur Kanzel hinaufführt, sitzen zwei alte Nonnen, die mit ein-
ander plaudern. Ihnen hält der Teufel, jedenfalls zur Strafe
fOr ihre Creschwätzigkeit, die Köpfe zusammen und wehrt ihner.
Fig. 1. Prediger und Teufel nus dem
Berliner Totentanz. Goetto S. 63.
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04 —
mit einem Flieg^enwedel die Fliegen ab. Trotzdem der Pfarrer
ersf die Treppe hinaufsteigt und, wie es im Text heisst, pre-
digen will, folgt doch süfoif spine Busspredifrt. Sie kann
werfen iluur Länge weder unter noch über dem JJildt* gestanden
haben, halte vielmehr neben ihm ihren Platz. In seinen Woi ten
nuicht der Pfarrer die Kinder dieser Welt auf die nachfolgenden
^Ider aufmerksam und fordert sie auf, den Tod, dem keiner
entgeht, kein Alter und kein Stand, recht lu betrachten und
Busse zu thun, ehe Leib und Seele sich scheiden. Dabei führt
er Worte des beil. Hieronymus und des heiL Bemhardus
an, deren Brustbilder den Predigttezt unterbrechen. Der erster»
ist als Kardinal, der zweite als Augu8tinerm5nch dargestellt.
Wenn wir dieses erste Bild mit dem ersten der übrigen
Totentänie vergleichen, so flilU uns auf, dass hier der Prediger
die Kanzeltreppe hinaufoteigt, während er sonst dberall schon
auf der Kanzel stehend und predigend vorgeführt ist.
Auch die beiden schwatzenden Nonnen unter der Kanzel- *
treppe mit dem Teufel sind nur dem Kienzheimer Totentanz
eigen. Zwei Teufelsfratzen am Fusse der iftnzel zeigt der
Berliner Totentanz, wie bei Goette S. €3 zu ersehen ist. (Vergl.
Fig. Ebenso fehlen in den anderen Totentänzen die Bilder
von Heiligen, hier Hieronymus und Bemhardus. Nach Goettes
eingehenden Studien ist der einleitende Prediger die typische
Figur der französischen und norddeutschen Totentänze > — erstens
sind die Muster der letzteren > — so dass uns dieses erste Bild auch
den ersten Fingerzeig auf die Abstammung des Gemäldes giebt.
Nun folgt das zweite einleitende Bild. Es zeigt viele Tote,
die mit Trompeten, Schalmeien, mit Zinken und Heerhörnern,
mit Geigen, Lauten und Hackbrett n. a. in. zum Tanze auf-
spielen. Diese Toten mü^son in und vor einem Hause stehend
gedacht werden , sonst wäre der das Bild begleitende Vers,
durch den Herren und Knechte zum Tanze eingeladen werden^
nicht zu verstehen, da es heisst :
Ir muesien alle iu dies daatzhass.
Soweit erinnert das Bild an das Beinhaus im Klingen-
thaler Totentanz^ wie es Goette S. CIO wiedergiebt. (Vergl. Fig. 2.)
Allein unser Bild zeigte noch mdir. Unten am BeinhattS war
nämlich einer mit dem Aufwerfen eines Grabes beschäftigt cvnd
ist einer do, der dylbt dz grab». Dass dieses Aufwerfen des
Grabes nicht ein eigenes Bild ausmachte, sondern, nur ein Teil
1 Herrn Verlagsbuchhändier Tr&bner sage ich für die Freand^
lichkeit. mit d^r er die Klischee? au;? Goettes Werke zur TerlftgUBg
fiteUte, aucii aa dieser Steile meinen verbindlichsten Dank,
z S. Goette 8. 68. 8 S. Goette S. 62.
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— 96 -
des zweiten Bildes war, geht aus der Schreibart des Manu-
scriptes hervor, das alle Bilder und Sprüche, die zusammen
gehören, durch Linien abgrenzt. (Vergl. den nachfolgenden
Text.) Ein weiteres Bild, das sich eng an das iweite an-
Pig. 2. BeinhauB aus dem Klingenthaler Totentanz. Guetto S. 69.
schliesst, zeigt einen Toten, der mit Schlangen, Kröten und
Würmern bedeckt ist, im Grab. Auf einem Spruchband, das
von seinem Munde ausgeht, stehen die Worte :
Alless dass das leben ye gewann,
Das mass den Tod han.
Biese einleitenden Bilder zeigen vor allem das Planvolle in
dem Vorgehen des Künstlers. Durch die einleitenden Worte
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des Pfarrers ist der Zweck des Kunstwerkes klar und deut-
lidi ausgedruckt: es soll erbauen und zugleich die söndige
Seele erschüttern. In dem zweiten Büde erklärt der Künstler
du* Anlage des Ganzen. Das Bein haus versin n bildet den Fried-
hof, dem jeder Mensch, vom Tode geleitet^ mit jeder Stunde
näherkommt; zutanzt. Und diesen grossen^ von ganzen
Menschheit aufgeführten Tanz, an dem jedes Alter und jeder
Stand teilnehmen muss, in* erschütternder Weise vor die Seele
zu führen, Glicht der Künstler durch die folgenden XtarstellUQgen
und Reimspruche zu erreichen.
Damit kiijunen wir zum zweiten oder HaupUeil des Ge-
mäldes, zu dem eigentlicheil Totentanz. «Hier fängt der Tod
an», sü^^i die Beschreibung, «und kommt und sucht einen jeden
in seinem Stnnd und mit seinem Saitenspiel, damit ihm keiner
ausbleibe, weder Pabst, noch Kaiser und König und filngt an
dem heiligen Vater, dem Pabst, au.» Diesen Teil bilden 25
Bilder, die sich in der Anlage geglichen haben mögen. Es war
nur der Tod und sein Gegner dargestellt ; Beiwerk wie Boden,
Hintergrund, Bäume u. a. fehlte wohl ganz, da bei der genauen
Beschreibung des Kunslweikes der Verfasser unserer Hand-
schrift sicherlich das eine oder andere Mal von die5;en Dingen
presprodien tiätte. Ueber den Bildern slaiiden die dazu ^e-
hüienden Verse. Da, wo dei Tod die Kaiserin holt, heisßt es
ausdrücklich : Er zeigt mit zwei Fingern der rechten Hand auf
zum Reim. Bei der Begegnung mit dem Schultheiss zeigt der
Tod ebenfalls mit zwei Fingern über sich zum Reim. Aehn*
lich in Bild 26, wo es ausdrüeklicb basst: cdie spmeb all stont
ob dem boubt gemolt.» Wenn ee S. 2 beisst; cSanct
JKeronimus ist mit einem Gardinalhüt vats an die Brust ge-
moU, vnden an der Sprucb»^ so ist das jedenfalls so zu er-
klären^ dass die beiden Brustbilder der Heiligen den Text der
Predigt unterbrachen und die Verse dann weiter liefen.
Der eigentliche Totentanz hatte folgende 25 Bilder;
1. Pabst. 2. Kaiser« 3. Kardinal. 4. Kaiserin. 5. König.
6. Bisßbof. 7. Herxog 8. Graf. 9. Abt. 10. Ritter. 11. Pfarrer.
12. Arst. 13. Barfüsser Möncb. 14. Scbultbeiss. 15 Ratsherr.
16. Stadtsebreiber. 17. Bürgerin. 18. Waldbruder. 19. Wucbe-
rer. 20. Handwerksmann. 21. Bauer. 22. LandjBknecht. 23.
Jüngling. 24. Jungfrau. 25. Kind.
Vergleichen vir diese Sterbenden mit denen anderer Toten-
tänze (PariSf La Ghaise-Dieu, Kermaria, Lübeck, Beriin, Klein-
basel), wie sie bei Goettet zusammengestellt sind, so »igt sieb»
1 S. S81-m
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— »7 —
daas "wir zwei Bilder haLen, die s*»n<5t nii -eiul.s vorkommen,
die des Sladtschreibers und des Landskneciiles. Den Ratsherrn
werden wir wohl an Stelle des sonst vorkommenden Büi ^rers
.«elzen dürfen, da die besseren Börger dieses Ehrenamt ja st* ts
liekieideten. Auch die Bürgerin kurnmt in anderen Tolentanz-
geinälden nicht vor. Dagegen fehlten in Kieniheim die Aeb-
tissin, die Nonne, die Edelfrau, der Koch,
der Heide, die Heidin, Sterhende. die in
anderen Gemaiden sich fanden. Ilinsit ht-
lich der Reihenfolge der Persf»nen zeigt
unser Totentanz fjro.ssc Aelirdiehkeit mit
dem in Lübeck, besonders iju Anl'^ai^^ imd
im Schluss; doch i^t die U-horeinslimmuni;
keineswe?:*? so gross, da.-s njan un eine di-
iekti' Kiilleimung denken müssle.
Die Belürchiun^'^, dass bei einer so oft-
maligen Darsteihmg des Todes und seiner
Gegner eine gewisse Eintönigkeit und er-
müdende "Wiederholung in der Gestaltung
der Figuren kaum zu vermeiden sei, liegt
nahe. Allein unser Künstler wusste durch
die irerschiedenartige Behandiung seiner
Gestalten nach vorliegender Beedueibung
reiche Abweebslung setnen Gdnldeii zu
veridhen. Den Tod haben ivir yns ikfat
als Skelett^ sondern als mvinieDbaile, ab*
gemagerie GeslaU Tomittellen, an der man
alle Blppen deutlich aiehf* So heiast es in
BOd «kt In der weichen ^d brast
ytd ryp vnd ryp.i llanchmal, wie in
Bild 90 und S4, ist der Tod nar ?on anf-
iallender Magerkeit, ohne dass die Rippen
selbst hervortreten (er ist nl t ryppig> aber
dyr ; BUd ähnlich SO). Aas dem 3- Leidienstein
Unterleib treten iddfach die Gedftrme he- ^^I^rrGoL^s! 13.
raus ; Schlangen nnd Krtten kriechen aus
dem Henen« den Seiten, den Sehenkeln« ans (Huren, Nase
oder Mmid ; bei anderen kommen die Schlangen ans der Brost
und wickeln sich um Hals und Kopf» Goettei giebt einen
Ucfaenstein aus dem 15. Jahrhundert, der ähnliches seigt
(VergL flgur 3); ferner eine Abbildung aus den MOnchener
Holaschnitten des Tolentanies, wo sich ebenfalls eme Schlange
1 & Id.
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— 98 —
um den Schenke) des Todes windet (Vgl. Figur 4.) Manchmal ist
der Tod gaitt nackt dargestellt wie auf dem l^lde Nr. 7 Tod
und Herzog, wo auädrucklich gesagt ist : Hie stobt der Tod dyr
(dQrr) und na c k e t ; i manchmal ist er mit einer weissen oder
• schwarzen seidenen Binde umwickelt, wie bei Bild 2 Tod und
Kaiser «hie kumbt der tod . . . . mit einem wisen, sidenen binden
vrab sich g^ewycklet». Die Binde, die der Tod auf dem Bilde
Nr. 3, Tod und Kardinal, trägt, ist schwarz und nur um den
Hals geschlagen. Bei Beschreibung des Bildes 4^ Tod und
Hg; 4. Pftbit m den Münchener Holzseksitten das Totentanses.
Goette S. 106»
Kaiserin, ist von einer «hübschen, weissseidenen Binden, vier
Ellen lang, die um Beine, Arme, Schultern und Hals sich
schUngtj», die Hede. Diese Darsstellung erinnert uns an das
Bild, das Goette S. 143 aus dem Grossbasler Totentanz wieder-
Um die Bilder möglichst grauenvoll zu gestalten, sind die
fleischlosen Totenschädel kahl oder mit nur wenig Haaren be-
deckt, bau bpariiche Haar lie^t hi^i- auC dem Schädel^ «alss
gibt. (Vgl. Fig. 5.)
1 TgL weh Bild 11, Tod und Pteer.
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— 99 —
ob er 68 lang nit geslrelt (gekämmt) hatte» (Bild 8.) Dazu war
der Mund, aus dem die weissen Zahne hervorgrinsten, oft weit
geöffnet. Noch tiefeien Eindruck suchte der Maler dadurch zu
erzielen, dass er dem Tod kleine Totenknochen oder Tolenl^eine
kreuz^eis in den Mund zwischen die Zähne gab, wie in Bild 16.
In Bild 17 streckt der Tod den Mund weit auf, man sieht ihm
alle Zähne, eine Schlange kriaekt warn linken Ohr hinein, cum
Mund heraus und diM ttrackt der Tod Boeh die Zunge faenas.
(Vergl. Figur 4 Tod und Pebet.) Trigt er noch «tait eines
Degens, wie in Bild S2» ein Totenbeinf mit dem er luachlägt,
oder vertritt doTo-
fenkopf gar das
«Dintenhömleini
oder Unten&as
und ein Sdienkel-
knodiendenFeder>
Mter, 80 tverdeii
'wobl .die stftriwten
Nerven eich eines
gewioaen Gruseins
nicht haben enthal-
ten können.
Zur Darstellung
des Todes wäbUe
der Künstler jeden-
falls eine ganz
dookle Farbe im
Gegensatz zur Dar-
stellung der Sler-
Lenden die in den ^ ^^^^^^^^ ^ Grossbssler Toten-
buntesten Kleidern taais. Ckrstte S. 143.
erscheinen. Der
Gegensatz musste um so liefer auf das Gebaut des Beschauers
wirken. Nur bei der Beschreibung von zwei Bildern (Nr. 24
und 25): Tod und Jungfrau und Tod und Kind ist von einer
anderen Farbe die Rede. So heisst es bei der Beschreibung
des ersten Bildes: iHie kumbt der tod in bruner färb gcrnolt
zu einer edelen junckfröuwlin» ; und da wo er das unschuldige
Kind ^um letzten Gange holt, erscheint er in der Farbe der
Uosch\^ld : cDa kumpt ein wyser dot». Sicherlich wollte der
Künstler bd diesen beiden Todesopfern durd^ Abtönung der
Farhen auch das Schreckliche des Eindruckes in etwas ah-
-eehivSehen.
Reiche Abwechslung verlidi der Ifaler seiner Darstellung
den Todes auch durch die verschiedenartigen Musikinstrumente,
* ■>
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— 100 —
die er ihm in die Hände gai). Dem Pabstc kommt der Tod
mit o\vf v Harfe in der Hand entgegen ; den Kaiser holt er mit
einer irompete, die Kaiserin mit einer Laute, den König mü
Pfeifen, den Bischof mit ein^^r Orgel, den Heizog- mit einein
ZiulceD; de») Graten mit einein Jngdhom, den Ai>t jnit einen»
Horn, den Edelmann mit einer Heertrommel, den Pfarrer nut
einer Schelle, den Arzt mit einer Pritsche mit Schellen, den
Mönch mit einem Zeitglöcklein, den Schullheiss mit einer Leier,
den Ratsherrn mit einer Klingel, die Bürgerin mit einem Hack-
brett, den Wucherer mit einer Sackpfeife oder Dudelsack mit
fünf Ruhren, den Jüngling mit einer Schalmei, die Jungfrau
mit einer Geige. Es dürfte überflüssig sein, darauf hinzu-
weisen, wie der Künstler durch diese Instrumente gewisser»
masseo Symbole der Sterbenden dem Tode in die Hand gab.
Unier IVompetengeschmetter log der Kaiser zur Scblacht and
zur Jagd, mit der Laute vertrieb sieb die Kaiaeria manche ein-
same Stunde; mit dem. GUScklein versammelte der M5neh auf
dem flachen Lande Groase wie Kleine, um sie zu belehren, zu
unterricbIeD ; und erinnert nicht der zarte Ton der Geige an
die zarte Ajrt der Jungfrau, vielleicht auch an das Tänzchen»
das ihr manchmal darauf gespielt wurde?
Ausser diesen Musikinstrumenten trftgt der Tod dann und
wann auch gewisse Abzeichen der Lebenden, die auf ihre Macht
und Stellung hinwiesen. So kommt er dem Pabste mit einem
fianner entgegen, auf dem zwei Schlüssel gemalt sind, die
Zeichen der päbsilicben Schlüsselgewalt; dem Kaiser mit einer
Fahne mit dem Reichsadler. Da, wo der Arzt zum letzten
Gange abgeholt wird, hat sich der Tod die Gelehrtenbrille auf«'
gesetzt. Dem Stadtschreiber tritt er mit Schreibzeug, mit Fe»
der und Tintenfass entgegen, während er bei der Begegnung
mit dem Waldbruder ein Crucifix in der Hand trägt. Mit
einem Geldsack erscheint er beim Abholen des Wncherers,
mit Karst und Weinflasche, dem elsässiscfaen Logeie, bei dem
des Bauern, mit einem Degen, bestehend in einem Totenbein,
bei der Begegnung mit dem Landsknecht. Und das Kind sucht
er dpdiirch zu beschwichtigen, dass er sich ihm mit einem
Spiel/cug, einem WindloUer oder Mühle ^ an einem bemalten
roten Stecken nähert,
üm jegliche Eantönigkeit zu vermeiden, wnsste der Künstler
auch in die Stellung des Todes möglichst viel Abwechslung zu
1 Bekanntes Spielzeug, das auf den Strassen verkauft wird -
Rädcfi ^n aüJ5 o^efaltetem Papier, die darch den Wind wie ein Mühl-
rad (Muhle) getrieben werden, oder durch den. Wind getrieben im
Isafen. Das Wort ist m Uoehfelden nooh gcbrUaoliUoh.
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— 101 -
bringen. Ruhig" stand er nur wenigen Personen, wie z. B.
dem Pabste ^egeniib t ; dem Kardinril sdUagt er seinen linken
Arm um de^ssen rechlen Arm ; die Kaiserin ("asst er mit seiner
rechten Hand an der hüite, den Bischoi erlabst er an seinem
Fig. 6. Doctor theoiogiae aas dem Berner Totentanz. Goette S. 153.
Hute. Im allgemeinen mfissen wir uns den Tod in lebhafter,
tanzender Bewegung denken ; hei Beschreibung der Bilder 47,
18, 21, 22, 23 macht Verfasser unserer Handschrift ausdräck-
lich darauf aufmerksam. «Doch fährt er für und für (geht
vorwärts), als wollt' er iür sich tanzen», beisst es bei Be-
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Schreibung von Bild 19; «hat das linke Bein nach krumm ge-
krümmt, als wollt* er tanzen», sagt Bild 21. Manchmal schlägt
er auch auf seinen Partner los, so auf den Grafen in Bild 8:
hat «ein todlen bpin oder scbeuckel in der rechten banUt, wollt
den Grafen mit schlagen», oder er stellt seinem Gegner ein
Bein, dass er nicht entrinnen kann, wie e*-- beim Tanz mit dem
Mönch geschieiit, <i\]i\i den linken i'uss dem Motich gar vor die
beiden Füsse und Kutte gehebt, er mu^s mit ihm ^ohen o l.^r
ihm über den Fuss fallen.» Den Schul Ihelss iiackle er unter
dem Kinn, und das Bild mag wohl mit dem des Bern er Toten-
tanzes Aehnlirhkeit j^oliabt haben, wo der Üoctor theologiae in
gleicher Weise vom Tode angegriffen wird. (Vergl. Figur 6.)
Wenn im Vorhergehenden gezeijit wurde, wie der Maler
durch die verschiedensten Mittel Abwechslung in die verschie-
denen ToiiesrreslaUen zu bringen suchte, wie er, um Erschut-
leiuiig de.> Gemütes und dadurch Einkehr in sich zu erreichen,
jene so gr:iuetihafl als möglich vortübrle, so niuss auf eine
Stelle aufmerksam gemacht werden, an der l)esonders dieses
letztere zurücktritt. Man solUe i^daulicn, dass es wohl bei der
Begegnung mit dem Kinde der Fall sei. Doch nicht; auch da
erscheint der Tod als Furcht und Schrecken ^gebietender Herr.
Anders da, wo er die Kaiserin zum letzten Tanze abholt. Da
hat er lieh einen Kranz aus roten Grasblumen oder Nelken int
Haar geflochten, tetne schreckliche Gestalt verhüllt e^ mit der
•eben enwfthiite& chübaehen, vier EUen langen, weiaaen, leide-
neii Balde, die er um Bein und Arm nnd SdiiiUem geaehla-
gern* Voa Schlangen, Krölen, anderen Untimn iai keine Rede.
Gewiaa ein ZMiea dafür, daaa wir ea mit einem feinfühlenden
Künaller an thnn hahen, het dem jeder Pinadatrieh liefen Er-
wfigimgen enfaj^mngen.
Bisi Barrteilung der Steihenden war die Abwechalung schon
dureh die venchiedenen Peraonen« ihr Aller, Ihren Stand ge-
geben nad deahalh die katgüna dea Künatlera nicht ao achwie-
lig. Nach der aorgflltigmi, ebgehenden Beachreihmif iiinaa die
Ausführung der Bilder eine sehr gelungene gewesen adn, und
die Worte Billings werden durch rie vollauf bestätigt, der von
einem cvortrefflich gemalt geweaeneni Totentam qiricht. Einige
Beispiele mögen die Wahrheit meiner Worte bestätigen. Der
Pabst erscheint in vollem Ornat, mit Stola, Manipel, Leviten-
rock, Mantel, Handaehuhen, goldenem Bing, dreiAltiger goU
dener Krone und zwei<igem goldenem Kreuz. Der Kaiaer
trägt eine goldene Kdtt^, goldenen Reichsapfel, goldenes Scep*
ter, goldenes Schwert und goldene Krone. En aei hier auf eine
Stelle in Goette S. 148 aufmerksam gemacht, an der er aus-
führt, daaa die Auaslattung dea Kaiaei» mit Sehwert und Rekha*
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— 108 —
apfel nur in den Toteatanzgcmälden von Paris, Lübeck und
Rcval vorkomme, diese Insignien aber merkwürdiger Weise
ihn oriifinalen deutschen Totentänzen fehlten. Das Vorhanden-
sein dieser Insignien deutet wie der einleitende Prediger und
teilweise auch die Anordnung der Personen auf fransösische
bzw. norddeutsche Abstämmling unaeres GemäldM hin. Auch
dar König tr> dieaelbeii AbnidieD nänet Würde tne der
Kalear^ der Abt eeineii Stab ; der Ant wird mgefUirly wie er
das Watser «ntereucbt ; der Stadtaehraiber trigt eine Pevga«
meotrolle und Sebrelbimig der Wucberer ist dbeii mH Geid«-
illilen beaefaiftigt; der Handwerkamaim trigt die Abaeiehen
einer gannn Reüie Handwerke: Sdinaideraciiere, HamaMr,
KOfmchOfie» KOfonneaaar» Hnfeiaany Zimmerazt, Mrararbeile»
Schnaterable mid Seliar- eder»Raa|ermeaier $ das Kind eder
Knftbiein aitit auf einem lOh&mm Rom oder Stacken (Steeken-
pfbrd) mit kleinem adiwinem Zaum« Dnreh Baigabe dieaar den
eimelnett Peraonen ehafakteriatiaclien Abeeichen will der Maler
aowehl die «naainen Pefaooen kenntlich maeben ; dann aber
will er m allem wrinnbüden« daaa der Kaiaer in AnatUrnng
aeiner RefantenpAichty der Stadtachreiber bei Ftkhrniig aein^
Amtes ebenaowenig wie das Kind beim Spiele vor dem Tode
aicher sind» daaa dieaar nnerwartet, ohne ensnkfopte» kenuni
nnd jung und alt, hoch nnd niedrig mit aich nimmt,
Daa Benahmen der dem Tode Geweihten ist ganz verschie-
denartig; nirgends Schablonenhaftes, überall individualisiertee
Leben« Mit Ruhe und Würde lässt der Pabst den Tod an sidi
herantreten; auch der Kaiaar, der König, der Biachof sehen
mit Gleichmut dem groeaan Angenblick entgegen. Letzterer
steht traurig mit geneigtem Haupt dem Tod gegenüber und
bietet dadurch das deutliche Bild eines Sterbenden. Ganz anders
der Graf in Bild 8. Der st&sst mit der rechten Hand nach dem
Tod, dass er ihn ja nicht anrühre. Der ganz in Eisen gehüllte
Edelmann stellt sich gegen seinen Feind und sieht ihn ckeck-
lichj» und cmännlich» an ; auch der Schullheiss legt seine
Hand dem Tod atif die Schulter, ah woütn er ihn we<;^to?^en ;
selbst die Bürgerin scheint suli nicht zu fürchten, sondern
glaubt, dem Tod Trotz bieten zu können, denn sie sieht ihn
«tapfer» an, während es vom Bauern heisf^t, dass er den To i
«kecklich* an^^esehen, Dass der Landsknecht sich nicht f ine
fügt, ist nicht zu verwundern : «der sieht den Tod w-ihi lieh
sauer an ; er will nicht, dass ci /m ihm kotuiiil«, (n sieht wor-
lich den lodt sur an, er vvyi nit, dz er zu iin gang). Dem ent-
spricht auch der Vers, der über dem Bilde stand :
Weieh' ans, es ist noch nicht daran
Da masst Arbeit mit nii lutfu
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i04 ^
Ich w ollt dieh eh r ja Stücke hauen —
Ob loh also mit dir wollt gon,
leh rat dir das, Iub micli daroiil
Wie gaDZ anders ist die Kaiserin dargestelll, von der nur
die wenige«, inhalUchweren Worte gesagt sind ; £und weint».
Ebenso die Jungfrau. Der Abt dagegen winkl dem herannahen-
den Tode ab und meint, er könne ihm jetzt nicht folgen, da
er seinen Stand nicht ^Mr wohl gehalten». Der Barfüsser
Mönch hält die iiaiide zusammen und dankt dem liehen Golt;
der Waldhrnder fol^t i.-i^nr fi'eiwillio dem Tod; nur mit Wi-
derstreben beugt ^ich der Jün^lin^j^ zwar giebt er dem Tod 4ie
Hand, kehrt aber sein Gesicht von ihm ab.
Nach Vorführung tle$ Kindes hat der Künstler alle Stünde
vom Pabste und Kaiser bis zum Landsknecht und Bauer und
jedes Alter vom Greis — beim Arzt heisst es ausdrücklich : ist
ein Mann von 60 Jahr — bis zum Jüngling, Jungfrau und Kind
dargestellt. Mit dem Kinde endi^^cM auch eine Anzahl von To-
lentüiizgeniülden wie die von Kermaria, Lübeck, Gross-Basel ;
auch Hulbeins letzte Figur ist naturgemüis das Kind. Auch
unser Kienzheimer Totentanz endigte ursprünglich mit dieser
Darstellung. Die folgenden Bilder der dritte Teil des Gemäl-
des — zeigen nämlich eine solche Verschiedenheit in iliiflbssang
und Attsföhrung, dass man auf den ersten Blick sieht, dass der
bis dahin einheitlich durchgeführte Plan verlassen ist. Bild 1^25
zeigen nur einen Toten^ eben den Tod, dem w alle ver-
fallen sind* In Bild 26 dagegen treten drei Tote auf in weisser
und gelber Farbe gemalt, «Hie ^tondt dryg todten by einander,
ein Kdfer; ein TrommelscbUger und ein Fähndrich». Wäh-
rend in allen früheren Sprüchen der Tod den ihm Geweihten
anredet« wenden sich diese drei im allgemeinen an alle Ifen-
sehen :
Wohl auf, ihr Herren, allgemeial
Er sei gross, stark, reiah, arm oder klein.
Er sei jung-e oder auch alt ;
Alle seid ihr kojmnen ia des Tods Gewalt.
Es enlhallen leiiin ich diese Worte eine Wiederhohin^^ der
Einleitung, die hier gar keinen Sinn hat. Diesen (irei Toten
gegenüi»er, die sich in ihrem Sprucli um ihien Gegner nicht
kümmern, sondern nur im allgemeinen zur Busse mahnen,
steht der Narr. Er redet wiederum den Tod an, währeml
ihm do<h drei Tote: Pfeifer, Trommelschläger, Fähndrich,
gegenühcrsichen, uni den Worten : äLieher Tod, ich will dein
Gesell sein». In derselben Weise unterscheidet sich das letzte
Bild von den früheren. Dem Weibel oder Boten folgen mehr
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— 105 -
denn 30 Menschen, unler tienen die Nonnen und etliche Bauern
des Näheren beschrielxMi >tiid. Ihr Gebet als Aulwort auf die
Worte des Todes und iliiu iiitte zu Maria um Beistand in den
letzten Nöten schiiesöen das Ganze unstreitig \Mikung8Voll ab.
Aber gerade eine genauere Betrachtunj]: dieser Worte zeigen
den Unterschied dieser Bilder von den vürhergehendeo und be-
weisen, dass ein anderer sie entworfen, dem dei tvaiiüetrische
Aufbau und die planvolle. Durchführun;^ dos einheitlichen Ge-
dankens unbekannt blieben. Rede und Gegenrede bestehen in
den 25 eisten Bildern aus je 8 Zeilen, an deren Zahl streng
festgehalten wird. Der Spruch der genannten drei Toten
(Pfeifer, Trommelschläger, Fäbndrich) enthält 14, die Antwort
des Narren 6 Verse. Auf Pild 27 redet der Tod den Wobei in
6 Versen en, und seine und seiner Begleiter Antfrort ist wieder-
um in 14 Zeilen gegeben. Es entgeht such dem enfmerksamen
Beobachter nicht« dass die Verse dieser letzten Bilder viel holp-
rigef gebaut sind« als die (HUieren, in denen die vier Hebungen
klar und hestipimt su Tage treten. So nötigen innere nnd
äussere GrOnde sn der Annahme^ diss der dritte Teil unseres
Gemaides die Arbdt einer spftteren^ wenn auch nicht einer viel
^itaM ZeÜ ist.
Am unklarsten ist {las, was die Handschrift über den
Maler mitteilt. Auf Pild Ii folgt auf die Anrode des Todes
nicht sofort die Beachreibung des Pforren, sondern es folgt
eine zweite Rede des Todes» die er an den Ifaler Mli, und
diese ist nicht in 8 Versen, wie alle übrigen, sondern in sechs
Versen niedergelegt. Die Antwort des Malers, wiederum in 6
Versen gegeben, folgt gar erst nach Bild 14, nachdem der
Schultheiss gesprochen, unter seinem Brustbild : cHie stot der
moler gmolt vntz an die hosen». Vielleicht ist diese Unter*»
brechung der einheitlichen Oarsteltung dadurch zu erklären,
dass der spätere Künstler« von dem die letzten Bilder herrülir-
ten, irgend welchen wohl zufallig freien Platz zur Anbrinprung
der beiden sochszeilip^en Strophen und des Bildes des Malers
benutzte und sich (kihei um die bis dahin streng durdigeführte
Anordnung des Stoffes ebensowenig kümmerte« wie er es in
den Schlussbildern gethan.
Wann wurde unser Totentanz gemalt? Kraus » lässt Billing,
der, wie gesap^t, 1782 seine Beschreibung des Elsass heraus-
gab, mitteilen, dass der Totentanz schon Ende des 15. Jahr-
hunderts arg^ beschädig^t jrewesen sei. Das ist ein Irrtum, Bil-
Uog spricht von seiner Zeit. Es steht ausser allem Zweifel, dass
1 Kraus, Kunst oad Altertum im JStsass II, 3. 21S,
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- 106 —
unsere Bilder und Sprürlie zu gleicher Zeit entstanden sind;
denn diese letzteren sind ein wepenllieher Teil des Kunstwerkes.
Unter einenfi Spruche aber steht die Jahreszahl : 1 • 5 ' 1 • 7.
Und auch nach der einleitenden Predigt sieht dieselbe Zahl,
nicht in Ziffern, sondern in Worten aus{;edrückt, so dass es
gar keinem Zweifel unterliegt, dass in diesem Jahre der Toten-
tanz von Kienztieim gemalt wurde. Damit ist aber auch zugleich
ausgesprochen, dass er nicht ein Werk Uolbeins oder seiner
Schule sein kann.
Wäre übrigens die Jabicszahl 1517 auch nicht angegeben,
so würde uns doch der Inhalt der Sprüche auf diese Zeit, auf
den Anfang des 16. Jalirbunderts führen. Der Pabst jammert,
dasa er Pfirflndea wid AMaas um Geld gegeben; dem Kaiaer
thut es leid, dass er Witwen und Waisen, Land nnd Leute
nicht in Rnlie gelassen^ Kri^ angefangen, gebrandacbatzt
habe ; nm den allgemeinen Nutzen sieh aber nicht kümmerte.
Der Kardinal klagt Uber das dppige Leben des Pabstes, das Ihn
wie den Plübst sur Annahme von grossen Geschenken verlei-
tete. Nicht minder bedauert der Bischof, dass er an der Wol-
hist dieser Welt seine Fireude gehabt und seine untergebenen
Priester gar oft cgeschetzt» habe. Den Abt drückt es^ dass er
s^nen Mönchen geboten, was er selbst nie gehalten; Singen -
der Metten, Beten, Messelesen war ihm stets auwider, in welt-
lichen Freuden lebte er dahin, von Klosterregel war er kein
Freund. Der Edelmann schämt sich jetzt, dass er die Armen,
statt sie zu beschütsm, beraubte ; ins Feld ziehen war seine
liebste Beucha fti^^ung. Auch der P&rrer klagt, dass er seine
Schäflein einen W'eg gewiesen, den er selbst nicht gegangen
sei. Angesichts des Todes reut es den Stadtschreiber, dass er,
so oft ein schlechtes Bäuerlein kam, das einen vollen Säckel
hatte, seine Tinte wohl bezahlen Hess. Auch das« einem Lands-
knecht ein besonderes Bild gewidmet ist, — in anderen Toten-
tänzen tritt der Landsknecht nicht auf — weist auf das Ende
des 45. oder Anfang des 16. Jahrhunderts hin.
Wenn so die Grossen dieser Erde ganz beF^onders mitge-
nommen werden, so zeigt sich wiederum ein gewisser \lemo-
kratischer Zug in den Gedichten, der sich der Gedrückten jener
Zeiten annimmt. Der iiirfüsser Mönch im Gegensatz zum Abt
eines reichen Benediktinerklosters hat keine Sünde auf dem
Gewissen, er dankt Gott, dass er stets nach seinen Geboten
gelebt und in sekiem Orden so früh zur Tugend t rzogen wurde.
In ähnlicher Weise spricht auch der Waldbruder von sich, den
wir gewiss hierher rechnen dürfen, so dass ein scharfer Gegen-
satz zwischen hohem und niederem Klerus sofort in die Augen
springt. Nicht minder rein steht der Bauer vor uns. Sein Leben
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107 —
war mir Arbeit, um Wäb und Kind su ernähren ; nie hat er
einen unnützen Pfennige ausgegeben, regelmässig dagegen den
Zehnten bezahlt ; trotz aller Not hat er den lieben Gott nicht
vergessen, diente ihm in Ehren und ging fleissig zur Kirche;
«o sieht er auch jetzt mit Ruhe dem Tode entgegen und spricht ;
Hill sehenden taaR ieh aehoB,
Got zfi dicnnen vnä zft kirchea gen,
Das hcsB ich durch kein nott,
Dester lyobter ist mir der todtl,
Teiyldeht man die Sprflcha unccrea Kiendieiiner Toten-
tanzes mit denen der andmn Gemftlde» ao i«gt aich anm Vor»
teil der ersteren ein bedeutender Unterschied; dieaea ESngdieo
auf individuelle Zuge, wie eben auseinandergesetzt wurde, fin-
det sich in den übrigen nicht, ihr Inhalt iat mehr allgemeiner
farbloser Natur .1
Die Frage, wer den Totentanz gemalt» die Reime gedich-
tet habe, liegt nahe. Das Manuscript giebt an einer Stelle einen
Namen : Dippel Heintz. Es ist dies nach Bild 26, da wo die
drei Toten dem Narren gegenüber treten, also in einem Teil
des Gemäldes, der, wie nacbzuwei.«en versucht "wurde, von
späterer Hand herrührte. Der Strich, der in der Handschrift
nach den Worten des Narren ^^ezo^^en ist, zeigt deutlich, dass
der Name nicht auf dem Gemälde stand, sondern nur in jene
gesetzt wurde. Ist Dippel Heintz der Schreiber uni?erer Hand-
schrift ? ist er der spätere Maler? warum steht der Name ^^e-
rade unter den Worten des Narren ? ist der Maler und. Dichter
auch zugleich "Vei lasser unseres Manuscriptes, da er am besten
eine so genaue Beschreibung g^b^n konnte? Ich vermag die
Fragen nicht zu entscheiden.
Wie kam denn der Totentanz gerade nach Kionzheim?
Das halte unser Städtchen wohl den Bischöfen von l'ascl z(i
verdanken, deren Sladt ja die klassische Heimat der Totentanz-
gemälde ist. Sie erteilten wohl den Auftrag : freilich bat nachher
der Künstler in freier, unabhängiger Weise sein Gemälde ge-
schaffen und aich mehr an französische beaw. norddeutsche
Vorbilder «la an daa von Basel gehalten. 0ie Bisehdfe von Basel
leiHm aich lAmüdi mit den Kappoltateineni in die Rechte fiher
Kienahelm und belogen ihren Zehnten biasur grossen Revolution»
zeigten aber andi wiederum groaae Gewogenheit den Bewohnern
dieses Städtchens. Dabei war Kiensheim ein vielbeeuchter Wall-
ftihrtaort» ea war daa Einaiedeln oder Lourdea dea 15* Jahr-
1 Vgl die Zasammenstellnng der Texte ift Kasimaan, die Ba>-
seler Totentänse. Stattgart 1847.
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— 108 —
bünderto. Kaiser Friedrich Iii. pilgerte selbst dahin mit vielen
F&rsten und Herren und Hess im Jahre 1473 seinen Hut mit
Gold und Silber gefüllt in der Liebfrauenkapelle aufliängen. So
genoes Kienzheim hohes Ansehen bei Königen und Fürsten und
erfreute sich der besnnlerpn frunsi der Bischöfe von Basel;
daneben floss das Geld der Pilger von allen Seiten. Alle diese
' gunstigen Umstände Inigen dazu bei, da^js hier dieses grossar-
(ige Werk im Kreuzgang entstand, von dem heute nur noch
die vergilbten Blatter des Manuscriptes erzählen. Um den
Schmuck der Kirche zu erhöhen, wurden dann wohl die Ge-
mälde an der Nordseile der Kirche, dei' das Pfarrhaus goi^en-
überlag, angebracht und bildeten so gewissermas->en auch für
dieses eine Ausstattung und Zierde.
Für den Freund altolsassischer DiclitiinL! und Sprache ist
die Beschreibung: des G-^^tii ildes und WieihTj^arie lit^r Verse eine
dankenswerte Mitteilung. Wie schon darauf hingewiesen wurde,
bestehen die Sprüche der 25 ersten Bilder aus ach tzei Ilgen
Strophen, jeder Vers hat vier Hebungen ; die Senkungen können
entweder ganz fehlen oder in beliebiger Anzahl vorhanden sein,
z. B*:
Nit verschmioht, Kejser, mya. gestält! oder
Her CIArdi2i41 mit twerem li&t oder
Der Xe;^er vor ^eh den dtoto fSert .
Um den nachfolgenden Text leichter zu verstehen, ist es
aot wendig, dass man einige Eigenheiten der Handschrift kenne.
Zunächst fallt eine Anzahl alter mittelhochdeutscher Wörter
auf: \niz = bis, z. 15. Sanrt Jheronimus ist mit einem Car-
dinalhut vntz an die brüst gemoll ; Köning = König;
dylbt = grübt, der dylbt das grab; was = war, ain heil-
ger vatter was ich gnant ; I u t z e 1 = gering, wenig, mag gar
Jfitzel geheliTen mir; beyten warten, der Tott nit
lengner h e y l e n wyl. Zweimal kommt die alte Form b i s s
sei vor, z. B. Biss mir gnedig, almechtiger herr! Amtere
alte Formen sind v ach et =s fitngt, trechen scharrend
xiidecken, mit «rden wirt man dich trechen. Daneben stehen
Dialektformeni wie sie das . Volk heute noch nach beinahe 400
Jahren gebraacht : gohl =5 geht ; hin vtt = hinauf ; krack
=s Krficke : treyt trägt ; lutler s lauter ; tyffel = Teufel ;
mucken = Fliegen.
Attfliillend ist das hinter cg» gesetzte cn» wenn diesem
ebenfalls ein cn» vorausgeht. Damit wollte der Schreiber nur
den Nasallaut andeuten, und es darf das zweite cn» demnach
nicht gesprochen werden. Langne zungnen ist also gleich
tange zungnn; ebenso schlangnen, jungner, fingner, hangnen
fOr Schlangen» junger^ Finger.
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Nicht Dar im Sundgau, sondern auch in Teilen des Unter-
Elsass Iritl für «nd «r>g» ein f. B. Wing, King für Wind^
Kind : Vfndfnheim bei Strafisburg- heisst im Munde des Volkes
«Flngene». So a\chi auch in den Sprficlien : hing' für Binde,
benprnel für ben^^el — Bändel von J^and; statt Fingern komiot
dann wieder umpr^^kf^hrt findein vor.
Häufig ist dem Vokal i oder dem T'mlaul ü ein <rg» ni:-
gehängtf das woht auch nicht g;esprorhen werden durfte z. J>.
dryjr r= drei, zweygen =. zweien, sig = sie, knugen (für knü-
gen) = Knieen.
Jeder Lehrer weiss, wie schwer es ist, elsassi. «sehen Kin-
dern die richtige Aussprache der Pluralbilduugen Kugeln, Zie-
geln, Eltern heizubr ingen, da sie immer wieder Kuglen, Zieg-
len, Eltren sagen. Diese Melalhesis zeigt auch un'^ere Hand-
schrift z. B. schenklen = Schenkeln, ernden = Aeimeln. Be-
kanntlich ist im Hochdeutschen heim Konsionanlen r eine solche
Um.^ltjdung nicht selten : Bernstein statt Brennstein, Albert
für Albrecht; in unseren SprücJien Hackbert für Hackbrett.
Der Uebtjii4ang von 1 zu r zeigt sich in der Schriftsprache in
Getäfel und Getäfer ; in dem Manuscript steht für Gurgel gur-
ger und für Kiefer kyffel.
Bei der Konjugation des Zeitwortes tritt das Dialektische
ganz besonders in den Vordergrnnd ; nodi beute sagt jedes
sehifWscIb^IemaiinMie Kind: ibr send Toraa ss ibr seid voran^
-wie onserelhndacbrifi; dbenso: wirken bte fOr wirlcat Bosse ;
oder cnit setzen nwer lutt nach freud» nicht setzet« Manch-
mal ist ein cn» eingeschoben« so in wachend = wachet; ir
wissend ss wisset.
Das mittelhochdeutsche hnge i ist fast überall für ei ge*
wahrt = Wyssheit = Weisheit ; schryb s= schreibe ; pfiffen
= pfeifen. Manchmal ist das nenhochdentsche ei geschrieben^
nnd doch mnss das alte i gelesen werden, weil es der Rdm
verlangt, z. B.
Gaogend mir naeli, froaw Kerserin,
aSftdtdg and styl (still), der tats ist mein;
oder wenn der Verfasser schreibt:
Der küiiig wirt dem hiriei gleych
Hiu^veg njmpt der tod axm und rych.
Auch das lange u für späteres an ist noch gewahrt u B.
in hnss = Hsns, cluss t=i Clause,
Der Vokal a ist in vielen Fällen dialektisch, dunkel, den^
o ähnlich zn lesen, wie in folgendem Ters:
In gantzen tranwen ich das rat
Das ir betraobten soad den tod.
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— HO —
Wenn wir auf vorstehende üntersuchung eiaen kunen
Aflckblick werfen, können wir ais Re^uUat zusammenfassen:
Der Kienzheimer Totentanz, der eine innere Kirchhofmauer
schmückte, wurde im Jahre 1517 g^ernalt. Vorbild waren fran-
zösische oder nordfleutsche Gemälde ; nnch Anlage und Aus-
führung^ muss er den bedeutendsten dieser Kunstwerke hrige-
7ählt werden; die Sprache der Reime wie der Beschreibung
ist die altelsässische Volkssprache. Kfide des AB. Jahrhunderts
war er schon teilweise zerstört. In d i Revolution und dann
im 19. Jahrhundert ging er alimähUcU zu Grunde.
II.
Folgt der Toden Dantz^
wie er zu Köotzen ihm
Kreutzgang stot.
0 ihr Menschen kint, kummet all erbey
Ynnd lugkt, welchs der Herr vnd der knecht sey.
Denn got rieht nach dem Recht,
Da ligt der Herr und auch der Knecht,
I. Bänleiteiide Bilder,
l. Bild.
Hie gobt der pfarher oder der predicant die
Cantzel steg.^ hin vff, in einem vhei ack - vnd
mit der rotten saiiiatten stolen,^ vnd wil bredigen.
volgt im der dot nach die stägen vflf vnd
hinck« vnd hat ein Irnii^B vnder dem rechten
arniy vnd ein ttnnd giase^* in der linken bnndt,
treyt* er emhor im nach. .
1 Trem sur Kaaiel. * üebemek. * rote •«mtene Stell,
«ine lange, handbreite Binde, die bei dem Priester über beide Schal-
tern nnd die Brust kreuzweise herabtiän^C ^ hinkt. ' Sjrücke.
< Stundenglas = Sauduhr. ^ trägt.
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- III —
Der Todt.
0 Her, scbrygend » mit lutfr« stiin
Der tod kunipt vnd ist grim,
£in yeder mensch weyst wol,
Das er sterben rnüss vnd sol.
Ich verkundt vch » zü disser frist,
Dz 4 yetzuud die stundi bald vss lit.
Hie dtmi zwft altte nmuieii oder bögynen > vnder
der kanM elfigea vnd sehwateen mit einander,
hobt inen der t^el< die köpff mnmen vnd wert'f
inen die mucken < mit einem muekenwadel«
Hie hebt der pfarber an zu predigen:
0 ir lieben kind diaer weit,
Ir fldllen anafobea diaa icemeld I
In gantaen trauwent Ich da tat,
Daa ir betrachfiBii aoad den tod ;
Dan eüch geaelt iat hie die atund.
Wie, wann vnd wa, iat vch nit knndt.
Dise figur aoUend schwowen:^^
Alt, iang, raann, vnd ouch firouwen,
Die m dessen sterben alle gantz
Vnd kftmen har an dissen dantz«
Dan keiner da kein vorthöyl hat,
Der keyser mit dem buren gat,»*
Der künig' wyrt dem hirten gleych,
Hinweg nympt der tod arm vnd rych»
Er schont keins adels noch gewalt,
Kein gut tiiüfl noch hübsclite gestalt.
Keyner kunst wyssheit acht ei nit.
Er iat 18 nit ab durch yemantz byt.
Sanct Jheronimua: iat mit einem Cardinal hflt
vDtss* an die brast gemolt, vnden an der apmeh,
Darumb band ruw »5 vnd wirken büss.
Ehe Ivb villi tfc'l sich schcyden müss I
Vi>ei euwei «md hnbemj leyd ! 16
Nit setzen uwer lust nach freüd,
I sehreiet. ^ lauter. ^ euch. * dass. 6 Nonnen oder
Beginnen. ö Teufel. ' wehrt 8 Fliegen. « in ganzer Treue,
in voller Treue. sollt. schaaen. gebt. lässt.
bi«. M habet, haltet Buhe. Oeber eaere Sünden habet Laid.
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112 —
Vffi ^"^oM, Silber, gut vnd gelt,
Ocier vff Wülusl diser weit !
Er spricht selber der götlich mundt :
Wachend, ir wissend nit die »lundt,
Zii wölcher der tod krinpfli^' ist !
Wül dern, der sich vor dar zü rist ! »
Darutnb sanctus Jeron ynrjus
Spricht vnd der hey)i}< Bernhardus ;
Ich l§88y ich schryb, in myneii arenn*
So ich dt erschrockenlich bornn:^
Stond vff ir dotten für das gerycht,
Christus dz vrtel selber s[*rycht ;
Der wird eim yeden helonnuoif geben.
Nach dem er hat gefüert sin leben.
Anno domini tusent lünff hundert vnd
Sybendxehen' Jar.
Sanctus Bernhardus hl mit bicscm liouht,^
vnd rait einner schwarlzen iiutten j><.'rnolt vnla
an die brüst, wie ein augustiner xnünch.
9. Biid.
Hie heben an vil dotten vud pGfTen den dantz
an mit drumöthcn,^ mit srharmygen,f mit
zincken, mit liör ii TFin.^ mit •ryp^pn, Lutten,
Hackbred, Lyren, nnl J puint u vnd püflen,
Busunen ^ vnd hörtrummen ; vnd ist einer do,
der dylbtJ^ dz ^'rab mit hou':;en,]? kerst vnd
Schufflen vnd spathen, die ajniicn tragen
mit dotten bounieni» zü, vnd ist dz ir spruch,
Wol her. ir herren viui üuch ir knecht,
Spiiiigaent hör bcy, vom" allem geschiechl,
"Wie jun^^ wie alt, wie schon vnd kruss,**
Ir müessen alle in diss dantzhuss
Anno 1 • 5 ♦ 1 • 7.
» Setzet euere Lust noch Freude nicht auf Gold. 2 der gich zur
Zeit (vor, vorher, ehe die letzte Stunde kommt) dacn rfistst
* Ohren. * das am jüngsten Tag^ erschallen wird, s enthlösstam
Haupt, ß Trompeten. ' Schalmeien. 8 Heerhörnem. • Posaa-
neu. Heertroraraeln. *i gräbt. Hauen. Särge. von.
>9 schon vnd krass schön und krau oder hisilich.
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3. Bild.
Hie Idi ein ioiü im grab, ist vol BchlengneD,
krdtten, wQrni, sagt den sprach, an
einem langen Mdel
Alless, dass das leben ye LTwano,
Uaö muöä den tod bannl —
XI. Ei^^Uiclidr Totantajui.
Hie vahet * der Tudt an vnd kumbt vnd
sftcht einn yeden in sinem stand vnd
mit sinem seyttenspyl, do mit das im*
keiner vss blipf, nach 3 hapst^ keyaer,
vnd köning, vnd fahet an dem
heyligen vaiter, dem Bapet, an«
vnd geht ein nander nach,
AIss man e$ hamach finden
vnd hören würt.
1. £ild.
Hie kumpt der tod zä dem Bapst mit einem
hanner» zwein scbiyssel dorin Crüti wiss, vnd
ein stund glass in der rechten band» ein
harpiTen in der lineken band, vnd henken *
im die kuüen » au buch * herrusa vnd dryg
aeblmgen zA dem hertsen haruss vnd tA
denn sytten vnd zd den schencklen.
Tott.
Hayliger vatter^ ir send t vor an»
fiilh'ch niil mir den vor dants ban ; *
Dan veh die höchste wirdigkeyt
Vif disser erd ist angeleygt.*
Vwer wirdi- vnd beiligkeit
Mikss sin s& dissem dantz berat.
Hand ir uwem stand gbatlen wol
Vwer beyligkeit das gneiasen is aol.
I fängt, s damit da&s ihm 3 noch (weder). < hängen.
* Gedärme. ^ Bauch. seid. ^ Billig habt ihr mit mir den
Tsytaas, den sntsn Tau. * angelegt. gsnisssen.
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— 114 —
Der Babst sloht mil albeD»^ rot sammat
StoleD, manipel,* ein frrOenen sammanten
Leuiten rock, ein rotten sammatten mantte),
mit bendschü, güldenen ring an den fingren,
ein dryfeltige guldine Gron, ein stab mit
einem zwyfeltigen guldinen Grüts.
1. Bapst.
Ain heiiger vatter was^ ich p^nant^
In aller weit gar wol erkant,
Vmb gelt gab ich pfruond« vnd ableaa,
Dess ist ietzund myn lyden groaa.
0 ^oU, durch din barmherlzikeit
Min synd send& mir von hertzeo leyd.
Ich bit dich durch die {^rüette din,
Miner seien wellest gnedig sin.
2. Bild.
Hie kumbt der tod zü dem key*er md einer trumeten,
mit einem gelen fenlen,* mii dem r?dler am fenlen
gemalt, vnd mit einem wisen sitienen binden vmb
sieb gewycklet, vnd ein grose krodt^ am hertzen sitzen.
ToM.
Nit vergeh machl,8 keyser, myn gslalt!
Es hat ein end vwer» gewalt ;
Apffel, zepler, schwert vnd och krön
Wirt ein anderen lierren hon.
Lond varen uwer regimendt!
Ir sterben hie, es ist am endt,
Lassent die weit, es ist min rat,
Gott der ber vch berefiffetM hat.
Der keyser stot In Roten Hosen, vssgeschnilten
Schüben, Greün sammat wamhscht, ein langner
rock, von cineni güldenen stuck gemacht, rnit
güldenen knöpilen oder haffien, mit kostiichenn
' Albe, das nnrcrsTe Amtsgewand des celebriprerden Priesters,
aus weis^^r Li^inwaiid bestehend. > £in reioh ornftmeatierter B&od'
streifen mit breiteren Enden, der bei der Messe an dem linken Arm
getragen wird. > ^^ar. * Pfründen. ^ meine Suaden sind.
^ gelben Ffthntein. ^ Kiöte. > verscbmäbe. ^ eveie. bs-
rufen.
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— 115
f«h«ii t oder nanler gefiellerl»! mit einein |lmchlsg,
mit emer guldiDen ketten, einem guUeoen vfM^
eiDem goldinen lepter, ein guldiii «chwert, em
Schone guldeom Gron«
'V^twoD, weisen* vnd lend ynd och lyt<
Hab ieh in frid gehalten njt;
Scfaatsung gelegt, vti krieg gemacht.
Gemeinen nttti eelten betraebt.
Des mir yefz hdd ist in den lod.
Barmbertziger» ewiger got,
Durch den Inttren todt« den do leid.
Verlieh mym end bannbertzigkfljd!
3. Bild.
Hie kumbt der todt zu dem Canimal vnd schlecht»
sinen lincken arm dem cardinal vni sinen rechluu
arm, vnd sind im die schlan^^ieu vin die bein
viitl durch die macht« geschloffen' vnd by der
weych hin njn, by der brüst haniser, vnd vmb
den halss gewycklet, vnd krömbt di roul, Isert
dz haubt yon im die ougen, »U der kofß vol
kleiner kr5tten, treyt ein tramachyt* swfBchen .
den beynen oder fOeaen mit einer achwartaer ayden
binden vm den halaa, der b(^eni mit
einem dottenbein.
Todt.
Her Cardinal mit nwerem hAt,
%unnget bar naeh| der danti ist g6t.
Der bapet vor vch den reygen f^ert.
Mit im habend ir gerejertt ta
In hohem stand die priealerachaft.
Vom tod aind ir nnn hie behatl«
Dan Ir von bjnnen mfleaend kern.
Ein andren dants wil ich Tcb lern.
Der Cardinal stot in einer sammatten, rotten, laoguen
Schüben oder rock, mit einem wisen kutzhuL,^^ mit
> Hermelinpelz. « geföttert. s Waisen. * Leote. 5 ßchligt.
* £:eT?italia. ' geschlüpft. » tmnischit = trombelsohit, inonochor-
dium, Fidel t. Lezer. ^ Fidelbogea. geregiert Hat von
IUI, rankem PeU, s. Lezer«
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köstlichem beilswerck als die thumherren i vnd
graffen irageo, die wainbst er/net von einem
güldenen stück« in der mitten durch den rock (;e-
stosseD> ein sylbren stab mit einen einfalti^^en
güldenen Creütx» ein roten cardioal büt mit
^weygen spytzen, mit einem iangnen roten schnür.
U. Cardinal,
ich hin g-esefz mit f^oljt^tln her wal
Der rooiiächei) kirchen cardinal j
Den glouben christenhchem stand
Soll Irh hau beschirmpt in dem land.
Do was nun myn hahst yppigklich,
Vil groser schenk 2 nain er vnd ich,
Do von vnsser g!üui)eri zu ^olit,*
0 iier, verlieh vn^ser seien raht 1
4. Bild;
Hie kumpl der tod zu ler k* yvenn vnd hat einen
kranlz vff mit rottben ^naasbiiir)!iinien * vnd grifft
sig mit der lincken hant an da vornan in der
weichen vnd zeygt ir mit der rechten hant mit
den zweygen fierh sten vingren vff zöm rymen*
vnd stot mit dem recliten füss vff einer kugel
viui hat ein hit vor in ^ vnd ein hübsch wiss
sydenen hing 7 vier elen lang durch die bein
vm die zwein arm vnd vm die schultern vnd halss.
Tod,
Grangend mir nach, frouw keyserin^
Zöcbtlg vnd styly* der dants ist mein I
Der tod hat vch hie och heriert,*
Der keyser vor vch den dantz fiert^
Geystlicb, weltlich personen hoch,
Die dantzen vch vor vnd euch noch:
Vwer gold vnd ödelgeslein
Mag vdi hüt^o gehelffen gar klein.
Die keyserin ist geziert mit einem wysen datnmasten
rock, mit litt greOner athasen plegen," die
i Dorahörren. 2 Geschenke. 8 Grunde j^eht (ging-) * Xel-
keu. ^ Mit den zwei vordersten Fingern auf zum Beim, äpruch,
der tUieT dem Bilde gesckifeben steht. * eine Laute toi sieh.
1 Bmde. & stUL • berührt hente. u piege ^ Belag, Ver-
brämung.
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147 —
Ermlen zerbogen * vnd Vitts an die ElenbogeD mit
einem ^Idinen stuclc vnd binder den Elenbogen
einer handbreit euch, vnd mit einem kleinen guldinen
keitenring vnd ein grooae mit swyfachen groBnen
güldenen ringnen, durch ein nander gegossen,
güldene bengnei ^ vfT dem halas mentlin vnd guldinen
agnns dei oder zeyclien, ein grossen guldinen gürtel
vnd schü mit wissen inj^esetxten lepleui ein
guklene gdoppelite Cron vnd vueint.
4. Key(»eriii.
Min meebtig guo* vnd odel zier
Mag gar lötzeU gehellTen mier.
0 todt^ wie grim iat din gestall !
Dn nym^t hinweg glich jung vnd alt.
Min 6del gstall vnd guldin Cron
Mag mich entledigen nit da von.
0 her, verzych mir min sinde gross,
In dl ewig leben mich lo«s I
5. Bild.
Hie kumbt der tod zu dem kfinig vnd hat ein
pfiffen fuotter an vol pfiffen vnd hebt den rechten
fuoss vff bindersich an den arss vnd pfyfft
im vfT dem zincken, Back* den buch fir sich vnd
den köpf binder sich, dz im die kutlen zAm buch
harusser gond.
Todt.
Mechtiger künig, lond* vwer rych!
Ir miessen sin den dolten jjlych ;
In mynen arm sond ^ jr ^ryfTen,
Ein neüws lied wil ich vrh ptiflen.
Darumb gond^ bald an den reyen,
Hie fantzend geistlichen vnd leyen ;
Kiirji^^ (rettend mii nach vfl dem luos;^.
An diesen lanlz ein yeder muoss.
Der könif^ ist bekleidet mit wiss vnd loht geteilt
hosen, vsgeschnitten schü, ein langnen grednen
sammalten dammasten rock, die arm durch die
Ermlen gestossen, die wambst ertnei von einem
I geschlitzt, f wohl Bänder. * wenig. « beugt. ^ lasiel,
• asid. 7 gehet.
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- 118 —
güldenen sluck, ein lang brayt schwer! mit
einem güldenen ort band > in der mitten alss lang
dl besteckt ist alss mit gold beschlagen, Crütz, knopff
vnd mittel alss mit goU, ein güldenen apifel, ein gülden
lepter, ein guUiin Gron, ein lan«.^« i,'oItzs gelss,« kru-
aelechs bor,' ein gross vnd ein kleine güldenen ketten
mit gedoppelten breytten ringen» dz bembt mit
einem güldenen kragien.
5. Kin^.
Mit kin/m gewalt vnd gantzem kraflft
Hab ich geregiert mit herschafft
Gar manig ior. Nun sich^ ich wol>
Das ich ietzt sterben müss vnd sei.
Was hylfft nun alles, das ich hon !
Der tod sprich ,3 Ich muess mit im gohn,
Barmherzi^'er, ewig-er gott I
Hilü mir vss disser grossen noit I
6. Bild.
Hie kumpt der todt sQ dem bischoff vnd nimpt
innen hy einem acblempena am bischoCfhüt mit
der linc ken bandt vnd xycht inen zü im vnd wU
im etwaf sagen; vnd mit der rechten hant by aloem
rechten arm vnd spert dz mul wit vif, daz man im alle
zön f im mu! sieht, vnd schlang in ein recht or mit
dem kopfT zü der j^urgel harus, hat iren vvadel
vmm iren kopfif gewyckelt vnd ein » schwartz krot dem
halss haruss vnd ein schlang zu der lincken hnist mii dem
köpft vmm den rechten arm gewyckelt vnd stoiit im die
rip oder buch gar offen, von der brüst vnlz zü den beynen
ist im ein schlang vmm beydo schencklen gewickelt, hat
ein orgel zwyschen den knugeii ^ vnd den fuessen vnd
trydtio dem byscboff vff die alb am Leuiten rock.
Nun kumendt her in vwer grab,
jEÜscboff, lond ligen eüwren slab ;
Den man eflch vor hat getragen 1 .
Neüwe möhrsi will ich vch sagen
5 urt-bnnd eis^^rnes Band an der Spitze der SchwertPchrid«.
' goldgelb. 3 kranses Haar. * sehe. ^ sprichL * ächiempe =
metallenes Maniftvbani an Smmer* oder Kasleatllür; dann die
Sebliesien an BSeluiA lad Qflrteln ; hier metallene Sehaalle am Hat
'Zibne. s ttae: ein seUang teat •Kaiae«. tritt* »iieaelfiT«^
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— 110 —
Vwern gwalt yelz yber geben,
Nit lenger Um icb vch leben I
Dan vch Ist geseU jelz das zyl,
Der Toti nit lengner beytea * wyl.
Der byachoff tfot Trarenklicli * mit ^eneygiem hoapt
gegenn dem tod' mit vber ein ander geschlagenen
banden an sin herts, mit «diwartien aehohen, mit
Witten alb, mit gi«finem aammatlhen leniten roek^
mit rottem aammatten Cbormantlel, rottein liyacheff
huot» mit goldt vnd edelem geaUan^ ein rolthen
alab, mit einem wjaan naaen deyeUin»* mit einem
kugelechten und radeehtigen* güldenen gelen knöpf»
den Ghormantel mit güldenem ?nd edel geatein, den
flchlempben* iweyer fiogner brayt, do. man dorömen
die baÄeuJu tuoht,
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ ' •
a. Bisehof.
yin bisluoi vnd guldin stab schon
Wolt ich gern beydt v;iren • Ion,
Ümh das ich leben hlyb »Hein
L'nd mich von sindeii uiachpu ieiü.^
Mit wolust der weit mich er^elzl
Min priester gar offt geschetzt|
Dar z& zwang mich der g)'U,^
0 her, verläse mich nyttl
7. Bild.
Hie stoht der toi dyr» vnd nacket by dem hertzo^»^ vnd
kört im dem rucken vnd hepl den lincken fö«s hoch
vff vnlz an den ar.ss vnd byt" dem he»l7o.^r die hü^i
hinder sich vnd nymj»[ Irn Iüm Izo^ l)y dei le. lilen
handt vnd hat emeij jito.ssen zum kt^n in der lincken
hand hoch über »ich vnd hat emeu kleinen
ziocken zwyschen im vnd des herizdgs füessen
lifreri vnd hat einen kaien kopff vnd ein weni^r hör
vnd kurtz, als» wer es ime V6getailen, vnd bat dz inul
offen.
Tott.
Uirtlog, von adel hoch gebom.
Ich pf&ff vch vss mynem hom
* beytee, bäen, mhd. — ^^-arren. * traarig". 3 Nastüchlein.
* also kog-el — radnmd ^ Sciinailc am Chorraantel. * Fahren.
^ aaf das« ich allein kcben bliebe und niiek von Sunden rein inaehea
ktaate, b o^ss. t atnr. den. " Uetet^
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Myn lyedy das ir oiiessen sterben.
Wollend ir sit ewig Terderben^
So riefiieod got an, i es ist zyt,
Lengner werden ir leben nit ;
Dan ir och herendt ' in ds ^il.
Der tod mit vcb denizen wil.
Hie byd im» der hertiog die recht handt vnd hat
twdn Hnsch* wiaen faoBen an, ob den knugen^ ein
weni^ zer achnetslef^ mit wiaea syden gefdettredt,
zwein vaagaebnitten achfi^ ein wolckes« wiaa damasten
wiinbat; ein lyb ferwen vnd greOnen iangnen
aammatten rock mit Iangnen Ermlen, ein lang acb^^rt
swyachen den belnen, mit golt beaeh lagen, ortbaii4»
mittel dl beateek, Griits, bogen, knopfff dz wambst
vnd hembt^ einen guldinen liragen, der rock mit
drygenv rotten aammattenen plegen oder gebrembt» än
gatrickte goldein hnb,« ein rot aammftt barreyht* mit
einem guldinen iangnen achnuor» ein güldene ketten
vm den balaa zweyger zw€rcb finger breygt,
der rock mit acbwartzen aendePo gefietterdt.
7. HArtiog.
Ich hab aiss ein bertxog ehren wert
Nit lang gereygerM> mit dem achwert:
Durnieren," siechen, beissen,!' iagen»
Was kurtzwil hieas, wolt ich haben;
Da mit min zyt ver Irybi« ich hie»
Au aterben gedocht ich nie.
6 her, din gnad von mir nit wend,
So min ieben hie bat ein endt 1
8. Bild.
0er tod wil den gralFen vnd rytier mit der lincken
hand an gryfren ; eo hebt der groCT im die handt
vnd atoaaet aie ime 4arl naaen, vnd wert^^ im, er aol
inen nit angriffen ; het der lod nodi ein wenig
wiaa bor vff dem kopff» alas ob er ea lang nit ge>
atrelt i< hatie,if ein achweHve krot zQ dem rechten
> 80 rufet Gott an. * gehöret. ^ bietet ihm. « leiucue
flündiaetieflr *Kideen. ^waudgas. 'dreien. •Hiebe. ^ Baratt.
io Sendet, Zindcl, ein incUaeher Seidenstoff, sowohl für sich, ala
auch zw Untcifutter gebraucht. (^e)reg"iert. Turuiercn.
1* beizon (=s mit Falken jages). >* venrieb. wehrt. ge-
atrUilt, gekiannt hfttta
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— 121 -
bwken harut, ein j^r hornti i mit einer sydneo
acfawartien bynden am rucken hangnen» ein ach-
lang vm den rechten arm, atsa lang er iat, ein todten
beltt oder achenckel, in der rechten handt, wolt den
graflten mit achlagen, hencken im die derm da vomen
zfim buch haruaer vnd got mit dem rechten knuw*
vff einer hiltienen styltzen,' hat den fAss binden
vs hencken, streckt sinen lincken swtaelien des
rytteraa Unken fuaa.
Tott
Wolgeborner graff vnd rytter zart,
Rumen mit mir zu disser farll
Vwer leben hat hie ein end,
Darum byeltend mir enwer hend
Vnd springend vf!, doch niL zu hoch,
Vwer diener kument hör nach j
Vor vch s^nd vii hin ge Taren *
Der loid Ihuot nieroantz sparen.
Der groff ?nd Ritler atot jung, bfibsch vnd atrack vlErecht
in gelen^ hoaen vnd vssgcschnitlen achühen. einem rotten
aammatfben rock, mit einem vberacblag, vnden mit einem
Som,* einer band breyt, mit blouwen aammat, den rock
zü gegyrtet vnd dz schwert an der lincken band vnd
aythen vnd mit golt beschlagen, orlband mitten knopff
•ias besteckt, Crutz vnd bopren vnd ein gel dammaaten
wambsl vnd stoat dem tod mit der rechten hand,
er 8o1 inen nif an ryerbren^v da hembl oder wamhat
mit einem guldinen kragen, ein gedoppelle krume
güldene ketten mit grossen ringnen. ein kurtz Cru-
aelechten^ falben hart, ein blflwe^ «ammalhen huh,*<>
dz har dorin in gehunden, ein ;;ds zerschoelzlet
sammat bareyt vff.
8. Grair und Rytter.
Ach got, von hymmel thuon ao wo),
Syt dan ich sterben muoss vnd aol.
Verzych" mir, her, royn sinde gross,
Die icb alAtti^ one wyderlaaaH
» Jäger- oder Jagdhorn. ' Knie, » hölzernen Stclsc ♦ Vor
each sind viele hiugeCfthren. gelben ^ Saum. ' rühren.
• kraaa. > blaae ^ Hanbe. " alid so gati ^* Verzeih.
M stets. H Untcrlass.
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— 1Ä2 —
Betryben han in mynem mütt^
Mit hoffart vnd mit gTo<:sen gut.
An den tot gedacht ich seilten,
Dz I066 min sei nit eatgeltten.
9. Bild.
Hie 8tot der tod ^'egem dem apt vnd bept dt linck bein
boch binder eich binder dem rechten bein vff md
streck den groeeen lehen vber andren zeben alle,
vnd am rechten fllae bat er ein spilbret ligen wyas
vnd flcbwartt, vnd man sieb im alle ryp* vnd <big
acbwartzen tbierrers likm bertzen baruss vnd vmb die
gurgel vnd bucln sieh mit ko^tS wit binder sich vnd
liat ds mnl wyt vff vnd ein hörn in heyden henden
vnd btoest es Vber eich» vnd ein grosse grefine firosch
krficht* im sü dem rechten or harnaer» der kepff
da vomen kal» dphinden benck im grauw oder
wies bar dran.
Der Todt.
Her abt, im *ireist liehen oi'deri,
Ir sind iriir üuch zu theyl worden.
Gehorsam, armül viui kv-?r,heit«^
Darumb i^eloht ein hai fen ovflt ;
Hand ir ein geistlich lehea ^1 ii it
Vnd euwer minrfi « wol geregiert,
Das kumpt 9ch am i vtsten^ gar wol.
So vwer sei sich scheyden sol.
Der abt ist ein altter, starcker, langner, feyaster,
dycker, grouwer man, bat ein langne scbwariae
kut an mit willen grosen ermlen« ein wysa
wambsi £rmel, hat ein rotten sfnb mit einem
sylbren krummen koplT oben vtT vod ein wiss
näsen dyecblin,s ds l>oubt beschorenv aber die Gron
oder blat gar grauw vnd winck dem dotten mit
der rechten handt oder verspricht im, er beb
sinen stand uii gar wol gehaltten.
9 Der Apt
Minen mynchen hab ich ^elK»tten hie.
Dz ich selbs hab gehalüen nie.
1 ia lueindin Hot, Sina betrieben iiabe * man sieht ihm alle
Bippetf. * Tiere. * krieekt. » Keasohheit « Mönche. "> iets-
tsn. s NasentMlein.
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— 123 ^
Ganti flchwar mir nya imIImi goo,»
Singneo, leseo, betten, man iion
Zft aller lyt was wUer mich ;*
In weltticher (keOd da lebt ich;
Die regely als sie gebetlen.isU
Hieltte ich nit, da mir yetsund leid ist.
10. Bild.
Hie stol der todt am ruck* vffrecht vnd hat nit dan
dyrre ryp an tn,s hebt den rechten fwiss vff vnd
kriiAbts* vnd stett den rechten fuoss an sin linck kn6g,v
vnd hat ein b6f1nimmens davornen an in* henken
vnd henck da mul wyt herab, sperts wit vff vnd
liat ein gross dotlenbein in der hand, do n^t er
die tmmen^ schlechfyii hepls in der rechten hand lioeh
Iber sich vnd nympt dem kyrrysser oder strit-
baren man sin hallenbarten obenan by dem spytz«**
Todl
Ir fechter von weltlicher rytterachafi an,
fr mie^sen an dissen dantz ganf
Hand ir gehalten striiberschafli*
Nach eren,H recht, füg vnd vs kraflt
Oder hand ir sunst i& wyder recht
Gothen oder uwer knecht.
Das werdend ir gar hart biessen;!*
Dan ir och mit mir hin miessen.
Der atritbar mann oder ein kyrisser» von houbt
an'vnts sA der erden, die schft, hend, fiess»i*
Slot dapffer vff recht vnd IhiK den heim fber
sich nnd hat die hallenbarten in der rechten
hand hart am rechten fuoss vflT der erden ston
vnd stelt sich hart an oder gegem dem todten
vnd sieht inen kecklieben vnd manlichen an,
hat ein lang schwytzerw schwert in der itncken
band mit golt iieschlagen, dz ortband, dz be-
ateckt, dz krumm schwitser krüts hat kein byeglio,
einen güldenen knopff.
1 war. * Die Mette ist die auf ;i Uhr firüli f&tlende hora oa-
aoniee. < war mir widerlieh. * im Rfiekeii * ti^. * krOnni
ihn; V Knie. • Heertrommel. • sich, Tromms!. schlägt.
bei 'an tler Spitze) stritberschaft haltCTi Itämpfeii.
Ii £hren. dagegen. büssen. ^^ zum Kampf geräftet.
XSrassier. gewsf pnet w gehweiaer.
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10 Bin SlrylMr oder gmiitt kyryit«rer naim
leb faab myn stftrck vnd strltherschaft
Nil geballten nacb myner machl^
Mit krieg iefe(t> vnd mil rytben
Wua icb ye waa in den strytten«*
Üen armen man ich aizyl i beroubt.
Wie wol kein recht mir das erloubt»
Sie zfi beBchirmen tbet ich nit :
0 got, dz citg ich lü disser zit.
11. Bild.
Hie ist der todt «^antz nacket vnd bloss vnd nif offen
vnd l i i hl 1^ * wie liie andren todten vnd hat den
pfaihei b]: tMoern Hui^el erhesclitij am vberryck oder
Chürheiiipt viui kcrl sich vm vnd hat den fligel
vber die Ijeydp asslenß j^eschlagen vnd wil mit ime
daruon mit (ier rec hten hant, vnd ein grose schel
in der linoken liandt vnd klinglet dem herren har
nach, hat dz mul wit \{f, man sn Iit ime alle zen,^
hat ncHili har am kopff, hebt dz luick beyn hoch
vff, setz den füss vflf dz recht bein, vff die miltel
ob dem knüg» vnd dantz mit im darvon.
Todt
Ir sind geheissend» ein pastor,
Her kirchher, spryngend vff enthor,
Dantzend her nach, nit kert vcb umbl
Vwer beneOcium und cuiatum
Hilflet vch nil, das wissend scbnell|
Dan ir haben böse exempell
Vwer schefflin gewissl'o vnd <:elert,
Der kirchen giiot vnnülzt veizert
Diflsen rymen sagt der tod* sftm moler
0 moJer,^ Jiebi4er maler myn,
Virwar n du must ouch myn gsell syn I
D&S8 malen aoit du ligen Ion
Du aolt ylenlx» Mit mir hyn goo
' zu Felde. - wo ich je im Streite war. ' allzeit. * rip
r'g, die Kippen xeigond. 5 erhascht ^ Achseln. ' i^ähne
aaf die Mitte oberhalb des Knies. ^ ihr seid geheissen. vua
weiten, Beim, Spraek. J« Ftrifakr. » tilMids.
Digitized by Qu .
An dissen Unis, das sag kh dir,
NU anders dan glych werdaa mir.
Der pfarher sieht trurig vif jjon himmel, hat !«chwar(ze
schö vnd rork an, ein yberyck, ein hochs kugelechlzs *
ait |ifal]ca iieiillui vff, ein sammalteii rollen stol,
ein krti^elechs,2 gelb, \an<^ hor vntz für die oren,
hat ein Lelliljuü<?h mit schwartzem leder vber zog^hen
in der lincken handt, die reciit band an der brüst.
11. Pfarher.
0 harter a tod^ du grimmer man,
Mag ich nU fristung vor dir ban?
Ich hab myn schefHin gewisst^ hin
Ein weg, den ich nit gangnen bin*
Soft ich aber lengner leben,
Ich hofft, got wQrt mir gnad geben,
Bas ich büesate die sinde min.
0 gott^ wdllest mir gnedig sin !
12. Bild.
Hie blot der dot ganlz rippig viid dyr,* ist nit dan
bein an im,< kört dem doctor den rucken, man siebt
im alle sin ven oben, vnd ist kein le^n ' do, keti sycb
mit dem haJss hindersich zu dem wasser besehen,*
hat auch ein plerr vfT oder ougen spiegel > vnd hebt dem
doetor da glas hoch vif mit der linclten händig da
der doctor aol dz waaaer besehen, vnd hat er dryg
sdiellen brydschenio in der rechten hant vnd aehlecht
im z& dants mit vfiT aim dotten kopff, vnd goht im
ein achwartxe krot aü dem rechten iMicken haruss
vnd hat ein an der stimen an der brydschen vnd
hebt den rechten f&ss vff halber fcnig an den lincken
achenckel.
Tot.
Her doctor, mit uwer medicinuni
Erlan:: ir hie yar klein gewinn;
Vch bilüt nit sarop, wasser sehen,
Es ist gantz vmb vch geschehen.
* kugelähnliches 2 krauses. 3 hart. * meine Schäflein hin-
gewiesen. * dürr. * ist nichts als Bein (Knochen) an ihm
^ Lippen. ^ um das Wasser zu besehen. ^ Brille. ein In
■trnment. msdidaum etgentl Medisin wegen des folgenden ge-
winn. EriftBgt
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— 126 -
Ir iniest sterben, icb bin der todt,
Der kein mensch die lengne hie lodt.
Dar vmb lond vwer glas ston,
Zfl tantzen schlag ich die schellen schon.
Der doctor bat zwein schwartze schü vnd bandofften
an, ein langnen rotten rock vntz vff die schft, ein
achwartzen gyrtei, ein S|»iegei ffttter am gyrtci, die
arm durch den rocii ermel gestossen, den rock vmb
sich gegyrledt, hat zwey knebfflen, schwartz wambst
ermel, davornen ein knoptYlin^ am eleribogen nit
zu genegt, höht dz glass in der rechten hand vnd
die linclt hand vnden am glass, riert ers an mit den
vordren glevchen,^ hat eine» ougen spyegel vff, ein
rot) hochs, kugelechl bareyt, ein lang grouw oder
wis8 hör, ein doclor vff 60 jor aU.
12. Doctor.
Ich hal mit mym wasser sc h wogen'
Geholffen man vnd ouch frouwen
Von siech tag) kranckheit, hresten * vil.
So nun der todt mich holen wil,
Dan ich nif wisse einen fund,«
Der mich frysten mdcbt ein stund ;
Die arfseny kund ich nie finden.
Dz ich den tod mdcht öberwinden«
id. Bild.
Hie kumpt der tod /.ix eynem barlüssj^r minch vnd
erhescht inen mit der lincken handt by der kulten
oder kappen vff der rechtten acbsslen vnd hat in
der rechten handt ein zilglöckUn oder nvöckerlin
vnd zeygt es dem herren ; dz kin henck < im herab, man
sieht ime alle iSn, hat den lincken fflss dem mfinch
gar IQr die heyde ffies vnd kutten gehept, er mflss
mit ime gon, oder muss im 9 her den füss fallen,
soll ec vnsenigs werden, hat den lincken schenekel
so wyt gestreck, dz ime die dörm vnd kuttlen gar
hanisaer vallen vnd hangnen, ist ein atlter mynch«
Totd.
Geystlichcr vattet, kumpt an mynen tantzl
Vber gelten halien ir die weit gantz
1 FingergUeder. * Behauen. > Gebresten. < Da kenne ich
keinen Fand, der mir auf eine Stande das Leben verUageni kSintob
s Kinn hingt. ^ unsinnig, thöriekt (sieh m wehren).
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Mit aiiem, das got lA gehert,
Hand ir vch alle zit zü gekei i,
Betten, wachen was vch ein freid;
Wyllig in aller gehorsam keid i
Ir all zyt warend, das sag ich eäcb,
Vttrdieiit haodt ir das ewig reych.
Der Barf&saer her hebt die hend lamen md dancket
got, hat die kap hlndersich gelhoii vnd stot mit
bkiMiii houbt, beachorenen koplT, ein graug har,t
ein grattwe kut, einen seltenen gürtel* mit kndp*
ffenn, ler schnitten sehuo^ wie dan die franciscua
^er*' tragen.
18. fiaifteoaeer Uinch.
Ich danck dir» ewiger golt,
Das ich hab gehaltten din gebott
Vnd also jung in Minen orden
ZA tugend bin gezoghen ^rden.
Darumb du mir nur bist ein trosi,
Von aller pin bin ich erlost.
Ich bil ouch gott für die alle schon,
Die mir gotss^ hie band gethon.
14. Bild.
Hie gryffl* der tot den schul! heyss mit der linckeu
band vnder dem kin an die gulger* vnd kert dz mnl har-
lamer fft dem schultheiss, hat vnden keinen kyflei, 8 nur
obenand zfio, ein giose schlang vmm den halss ge-
vyckel, hat dz mul wit offen, die zung streck Aich
gegen dem schultheyss, ein krot am rechten
backen sitzen, der todenkopff hat noch ein wenig
bar da binden bencken vnd zeygt mit zweygen
finger* mit der rechten handt im tbersicb an
den rymen,i<> hat ein lyr^^ mit einem schwartsen sidenen
binden am halss hangnen, stot krumb mit dem
lincken knOg, ryerti* dem schuUeyssen den rock ann,
den rechten füss hebt hoch vff, hat innen vff dem
lincken beyn obend des knileg ligen.
> Gehorsam. - j^aues Haar. * Gürtei aus einem uder
StriiDk bestehend. * Vftter. » Gates. « greift « GargeL * Eie^
fer. 9 mit Ewei FiDgern. i** sum Eeim oder Spraoh. » Leier.
»» rüJurt, " Knie,
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Tod,
Her, der schultheyss vnd ein amptrna»).
Die «jenieiti wuii vi h hai- nocli j^aii ! >
Hand ir dein ariuen man vnd dern rieb
Gehalleii recht vnd jjftMirtoyff glich.
Das kumpt nun uwer seien wnl,
So sie von hinnen scheydeii so).
Hanl ir aber yemanlz beschwert,
So wärt üch ouch eia vrteyl lierl«*
Der «chullets ist ein 00 ior man all, * ImI «q aeb«
wartss kt^lecbUa.bareyt mit flttien« belli fafOeiler«!
vfft «inen laogneo sehwirtie roek mit f5beii gefflel-
terd mit einem fBhen Vberacblaf, bal die arm durch
die ermel gestoaaen ; der rock got vnti vff die scbü,
hat itvein achwartte acbuo an« iwei dafiart» Wambel
ermel, leyt aio recht ban dem loden vif die Hock
aseV er in gern wegck ate^aea) mit der lincke
band bebt er im den arm, dz er im die gurgel nit
erwargeht
14. Msitbeia.
leb bin gesin scbultbejaa mannig jar;
Ea iat mir leid, dz aag ich für war,
leb nam acbencke,^ klein und gros,
Haneber es am rechten gnos. s
Durcb gaben kumpt mancher vir ; *
Wer niti brecht, der bleyb vor der tyr.
Nun bat myn gwalt ein end,
Got mir sin gnod von bimel send.
Hie stet der moler gmoli vntr an die boaen.
Du bitterer todl, ich ways**^ wohl,
Dz ich sterben müss vnd auch aol ;
Dann von anfang der weit din gwalt
Hastu gefttert vber jung vnd a(t.
0 maria hilf! MIR gnad erwerben
Vmb myne sind, so ich tbün sterben.
^ die Gemeinde wird ench hernach folgen, gehen. * so wird
euch aaoh eia hartes Urteil zu teil. ^ ist ein 6U Jahre altei Hann.
4 Hennelinpelz ^ Taffeu ^ Achs«i. ' Ossshsakt. * Kanehar
SS an seinsm BeehS spftren musta. * vorwftrts. weiss.
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lad —
15. Bild.
Hie kuropt der todl vnd klinglet dem buigemieysler >
voranen mit einem dotenbein, hat dryg ring am yaseoeQ
dryg spitzigen klinglen, kört im den rucken vnd
sieht mit dem kopfT hinder sich, hat ein breit wit
mul, man sieht im alle zen vnden vnd oben,
hat ein scliwartze nuss^ an der stirnen, der lipS
gantz ryppig, hept dz iinck knCig^ an das recht knyg
hoch mit dem läss dobia aufi uimI dants im.voraaeii.
Tod.*
Statme|8tor vnd lieber rahther,
Vch ichlag ich vor den kl|Qgier
Den « gemeinnen imtz der staht i
Man vch ein ampt verluhen hat ;
Vnd^ allen burgern hyltt' und rat
Mit zü teylen, wu es thnt nol,
Ir der j;emeynfi zü sind geben,
£in End hat hie euwer leben.
Hie 8tot der der Borgermeiafer In «chwartien achAhen
mit einem Tbentchla dohinden, acbwaiiz hoaes» ein
ziegelfarbeo rock mit vier frllen, do vornen mit
einem hafflen, einem scbwartzen kullen ajpffel,!^ ein groaa
h|ltzen patet* noeteri' in beyden henden vnd zieht
die ringier eins nach dem andren, vnden ein hylzen
Crützlen am pater noster, ein lang gel hör vntz für
die oren herab, ein achwartien apytzen fOltihdt vff.
U. BhtetiMfalcv rmä mhinher. »
Oer eygen nnts ao üeb mir waa,
Dea gemeynnen nuts ich verf^aa.
Den burgern waa ich nii gemein
In raht» wyM giwa oder klaia (
Va nyd, hasa, gunat» fräntschaft aehleclit
Hab ich jre roten wider recht.
Doch hit ich dich, da aarter got,
Beheüt mich vor dem ewigen dot.
* Soll heisseri St-atnicyster oder rahther ; i, unten. ^ 3Iaus.
* Leib. * felilt im 3IS. da& GlückeaspieL • Zum. ^ Stadt.
8 Um. t 'Om aUen Bürgern seid ihr der Gemeinde sage«
geben, zugeteilt. Manti Istück, l'ek'rine Boeenknmz auf
Hols. ^* Stectmeister, Bürgermeister aad Eatsherr.
9
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— 130 —
16. Bild.
Uie siol der iod krump mit beyden knygen vnd
bygt 1 sich htoder sich mit dem rucken vnd den buch
für sich gegen den statschryber, dz im die kutten vnd
gdermi vnder die bein hencken; heb d?. ünck bein vnd
knyg' hinder sich vfF vritz yber dz recht knig vnd bück
dz recht knig och vnd hebt einen wisen zedel ' in bey-
den heoden^ die hnck oben, die recht vnden am ledel ;
henck ein kmda dotten kopfT dran vnd hat zwey
kleine todten bein Grützwiss yberzwerch im raul in
den zennen ; hat am rechten arm ein längs dotten bein
zü einem schrybzüg, ist ein knög schenckei^ bat zwu fed-
ren im
schrybzyg, hat einen dotten kopü zü einem dynten hern-
iin, * henck
an eynem scbwai Uen s^deiien schnür vnd bat zwuo storcken
fedren & im bdrnKn stecken ; hat ein wyt mul, man sieht
ime die gurgel im mul vaA alte xto ; geht im ain krot
sft der Naeen harun vnd by dem rechten or loeh oucb ein
krot und hat noeh her am kopff, aber nit Yil> ist
am kleinen aedel geschriben: Ich sag dir^ in kurtier (irist*
der todt dir nach iat, du sin eygen bist.
Tod.
Stat schrybeif vwer isi uuch gedacht !
Hand ir bappir vnd dintten bracht?*
So schryben an, v da ir vil gelt
Genummen hand hie in der weh
Ümb klein brieff vnd venifenten ton ; »
Am firf ag ^ seltien aft' kirchen gon.
Die dintten, feder vnd bappir
Verdiennen dar durch dz böUiscb fiir.
Der statschryiaer hat ein kragen hempl an, dz bar in
einei güldene hub>* gebunden, ein gels bor, kört dzantlit»
von dem totten, hat ein lol pareyt** vff mit schwartzen
sydenen beogneN^ vm zoghen, hat einen langnen rutten
I hengt. t Gedärme ' weissen Zettel. « Tintenhomlein,
80 gensant, weit man ein hohles Horn als Tinteuf&ss benutzte.
^ Storohenfeder. ^ ihr Papier und Tinte gebracht? ^ So
sekreikl an. • Fflr das Sskrelliea kleiner Briefe and an Stelle des
verdienten Lotnes habt ihr viel Geld etc. 9 Feiertag^. ginget
ihr. Ii Hemd mit iüragea; Goldkaabe. >< Antlite. Barett.
» B&ndeln.
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— 131 —
rock an vnU an die waito, Jot die ermel hencken, die
arm durch geatotten, hat ein gel foolter, ein grevn «tlaae
wamhethbt ermel; er dytteti dem toCten vff den wisen
ledel mit der rechter hant mit den fiadraoyS er
sol achwygen ; > hat in der linclten hand ein bermendt^
aammra gw|ck]et vnd .ein schrybsygi bat zwein grefin
hosen an« iwein vasgeschnitteii scbuo mit rincken.*
1$. Der her Stahtachryber.
Wann myner dienner vnd subetttud
Mir voiachryb ein bermente hut,*
Ein grossen gwyn ich dauon nam ;
Wan niir ein scblechfzs bOriinf kam,
Dem da was sin aeckel vol,
Der bezalt rair ouch miu dinMen woK
£a ruwgets mich vnd ist mir leydt.
Ich begehr von got barmhertzigkejdt.
17. Bild.
Hie kiimpt der todt ift eioer Durgeriiij dnes rychen
mana lirouw, hat die kein oben hart an ein nander
mit gebückten knigen,* alei ob er tantz, grifft die bur-
gerln mit der lincken hant an vnd nympt aig by
dem lincken arm vnd vril aig mit im fOeren» gonth
im die kutlen tu dem nabel vnd zfim buch haruaer,
hat zwey höitzer vm aich gebunden^ dt er dz hackbred
doruff leygt oder treygt,'^' hat einen schwaHzen ysaenen
klypffel vnd schlecht ir zü tania vff dem hackbert
vod kört dz mul von der frouwen, hat dz mul wyt vff,
man sieht im alle z6nn vnd ein schlang zA dem
lincken oHoch hin nyn zfim mul haruss halber, hat
dz mul mi vff vnd atreck ein apytzige zujig baruas.
Tott.
Oouvr burgeriiiy hebt vch vff hoch
Vwern rock vnd dantzen mir noch!
Vweren guldinen knopff vnd golleru achon
Werden Ir mfieaaeü ligend Ion ;
i deatet * Fingern. > Bohweigen. * Pergament. & Bingen.
ß Wenn einer meiner Diener und Yertreter mir eine Pergamenthait
vollschrieb, einea groeien Gewinn loh davon nahm. * eJoifaehea,.
sehliolites Bänerlein. « reuet. » mit ^cbeügrten Kiile«n. »o
oder trügt » Kragen mit goldenem £jiopf ai« Zierrat.
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132 —
VVaü hic hyiffl weder gelt noch g&ty
Vwer hoffart vnd stcllzer mßf,
Sajr ich, es hylfit üch nit in warheyt,
Ze danUeu seyead iMld beiejt.
Hie stot die burgerin mit sammeii geflochten henden,
ein rot craiten pater nosteri mit einem sylberen
bissen* knopflF an dem pater lioster^ an beyden henden
ein sebwartze scbubi vnii vff die erden, zwein scb-
wartze scbfl» ein rot samatten, (pildenen gyrtel«
ein sammaht goller mit einer Ahenen brog*
mit iweygen giildeoen knftpffen oder bafiten,
Einen gelen scblieger* Tmb dz kyn mit feiner guffen*
an der Hncken sytten an gebafft, hangt ir davornen
harab vntz an den gyrtel vnd siebt den
dotten dapffer an.
17. IMe Bnrgerin.
Min hoflart ^d acbdnen gestalt
Myn man gar offt im buss entgalt,
Sin ybei zyt vnd hört arbeyt
Hat er alt an mich geleyt.
Allein dz ich zu kyreben vnd stross
StoUz inhar kämm, das acht ich gross.
£a ist mir leyd vnd ruwei mich aerr,
Bise mir gnedig, almeebtiger berrl
1ä. Bild.
Hie kumpt der toii mit einem gantzen platten ▼ kopff, eia
langne
jy'urgel, hat nur iVie iiii zön oben, man sieht im alle
ryp ^nr woll, nimpt den walthruder by der rechten hant
mit syaer lincken hand, kört sich hpsviz^ zü im, aiss
wolt er ime etwas sagen, hat ein Crucifix in der
lochten h;md an der schidtrer), hebt den rechten
(uss hiridei sich v!V hnider dem lincken heui schier
bys.-, IM die dyoken hyn vffen, doch fart er tür vnd
vu-, aiss wult Kti' fiirj>ich läutzen.
< Pater noster oder Rosenkrana ans KoraUen. > weissen (sit-
berweißs)? > Schaube — weites, langes üeberkleid. « Besatz.
. & ScLleit r « Steckaadel. ^ bloss» naekt. & seitwärtt. ^ 'wohl
Oberschenkel.
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133
Brflder, kum har mit dinem etab,
leb will dir zeygen odi din grab;
Htslu dtcb febftllmi in gedoll
Vnd in sind^n dü whtiU, i
So wftrt dir f&rbas rouw« geben,
Im elleiid hast gdlert din leboi ;
00 doreh du batt venlienl oebon
Im bymmelrich den ewifren Ion.
Der wallbräder stot io einem lan;irien jjrouweii rock,
oben ein knp dran, frot buckebclit. ^ «,'\vyllig * ,:t';j'en dem
Tod, gybt dem to«l «iie recht handl, hai ein hylizen
pater nobler am arm vnd mit einem hyltienen Grüt^lin,
hat ein lanjinen wisenen hart, ein ((rouw geit^ts heütlin
vff, ein wiss ln»i li runder vntz an die oren, ein blitzen
krygtlin, ^ md cia» ysenen rinjf vrui slabel « vnden be-
schlagen, hat er in der lincken band vnd zwein
reymien schftT vnd dantz oder volyt dem todt noch.
18. Waltbruoder.
Ich hah j^ewondt im hrnoder huss^
Ais f'iii.sidlor in siuer (Inss. 9
Milt Willen betten nacht vnd 1ag,'o •
Gno»t»»r spyss ich Sehlen |»flag;
ijan WZ durch gut mir ward bracht,
In mynem gebet ich ir'> gedacht.
Ich btl auch got füi alle die
Mich «pyssend vnd treoclitend hie.
19. Bild.
Hie kumpt der todl hinderwerck" hart'* ,'in den WUO-
cheren vnd streckt sin hnck bein zwyschen de!^
wuochererss zweyen heynnen, lialt dz recht knu^i kruh,
alss wolt er für dantzen, vnd .schlecht den linrk»'n arm
vm dt\s wiH-hriorss hals« vnd arm. und mit siim h!
rechten arnj nin [ t < r des wöchcreiss rechten iiandt
vnd zerts im duit vssen, hat er erst ein handuol duck-
1 verhalt, wohl von verhuMen, huliligen, homagiare. * Bahe.
' geht bnokelig. ^ v üli^'^ * wohl Krii.Tlein. « Stahl. ' Rie-
menschnhe. * Bruücrhauti. ^ {q meiner ivlaase unklar, viel-
leicht: Mit Willen d. i. gern betete ich Nacht und Tag, hatte dabei
aber atlten guu Speise n auf YMwliaavng tfoktaf. Uirer.
^ Idatenrlrta. nak«. knmm.
— 134 —
katen vnd eronen im seekel genummen, hatz es wöHen
laleDi vemtlet zefaen Groneo oder gelen atuck, hat hör
am dotten köpf, ein breydt mal» man sieht im die
zen am TnäreB vnd obenand kyffel, i hat ein aack pfyff*
mit filnff rörehn* am halss mit einer acbwarlien ayd«
enen binden am rechten arm bencken^ gonht die iwey
gröaten ror btnder ain kopff hart an des wuoche-
rers kofiff und hüben an rierrend.*
Todt.
Wuocherer rych, vei'stand mich wol,
Trucheo * vnd kästen bastu vol
Vnd hast doch kein beniegen * nit,
Das s liafit alss der schändlich gyt. '
Ich wjl dir ein beniegen geben
Das du mit lengner solt leben.
Es wört werden eim * din güt.
Der dirss Nymer dancken Ihfit.
Der wdcherer stot gar ruck gegen dem totten, hal
xwein rotten hosen an, zwein vssgeschnitten schuö mit
reimlen,» einen grennen samatten woppen rock, die
ErnDel vntz an deu elen bogen, ein rot sammat wambst
an, eynen sylbren dolchen nm rucken, ein schwartzen
sydenen gyrttcl, ein rotte satiun allen laschen , In der
lincken hand ein sack mit duckaten vnd Gronen
einer spannen lang, sainmatten hiib'^> vff, die recht
bant hat er erst vol Gronen genummen vss dem sack,
wolt sie zalen, nympt im der tod die recht hand
so grymeklich, dz zehen stuck geltz entpfallen,
Alss kört er dz antlyl von dem tod, er krympt
worlich das muii höfftig.
III« I ,■...■.11 ■ . I .■^,.^ — 1 ■—
10. Wnoeberer.
Het icfr bedacht myner seien beyl,
Der wOrt ich yelz nit letheyr.
Nach wuodierey stund mir myn mflt.
Ich het myh freSd inss syttlich gAt,
Win, 'S vnd kern das koufft ich inn,
Ich firefidt mich, wan es thQr «olt synn.
Desi* Ist die gnad gotts auch thör,M
Verdient hab ich da eyrig für»
1 Kiefer. > Dadelsadcpfelfe. > Itöln-en. < in riUiTSndsr
Weise. Truhen. • Begnügen. Geiz. 8 irgend einem andern.
» mit Eiemen. Haube. 11 HöUe. 1« Weia deshalb, teuer.
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— las-
se. BUd.
Hie kumpt der tod zfl dem handwerkwman vnd
hat einen halb .messigen ansteri im mul mit ein langen
storcken balss,* ?nden einen zaplfen eins fiogerss lang,
vnd pfim ime zü danU do mit mit iifyden henden«
man sieht im nur die obren zSn« hat noch mehr
bor am dottenkopf, hebt dz rechl knu^ viid fuoss
hoch vfT, als er danU, dz ime der buch vff schlitz
vnd ime die kuttlen lA dem buch harussen hencken,
ist nit so gar ryppig.
Tott.
Kum har, du lieber handtwerckss mann,
Vir woi-3 ich dich lang gsücht t^^aual
Du rn\\si springen nn den reyen,
Uelro^'en hast ptall vnd leyen
Mit dineari handweick vnd arbeyt,
Do du klein Cosien hast aQgeleyt,
Hastu geben vmb bargell. *
Scheiden muostu voa disser weit.
Der hantwercksman stot wacker vnd dapffer vff rechte
bat wiss vnd lipfarb' hosen getbeylt an, vssgeschnitlen
schühen mit rincken vnd ryemen, * hat ein Uprock an
mit ermelen vntz an den elenbogen, da vornen mit
knoepftten zü getbcn, hat ein wiss wambst ermel an
mit rothen atlass, ringss wyss vm gebrempt mit IUI
plegen, dz bor in ein schwyrtze sydene hub gebunden, ein
rot linsch bareyt,' henck ein schnider scherlin dorarj, hat 940
hammer in der lincken band, hat ein fei vor im wie ein
kyeüer, » ein kiefermesser \ nd öcheyd, ein band schl^el
im gürtel stecken, ein huüb ysen vnd ein hemerlin,
do mit man die ross ysen vflf s<:hlecht» hat ein zymer axl
in der rechlen hant am rechten waden vff der erden stonb,
hat ein murer köll ^ zwyschen den zweygen waden ligend,
ein schiimaL'her alUo am rechten scliuu an der versen stecken,
[ein sciieriiiessei ] vnd ein schermesser vli dem lethlen
fftss by dem schü reymen.
\ Qefäss (aus Messing) mit eagem Hall« s. angster bei Lexer.
* StoTsbeobals. * Fürwahr. * er batte kleine Kosten und Hess
Bich (viel) baarcs Geld geben. 5 leib- oder Äetechfarbenc ^ mit
Schnallen und Biem^n. 7 leinenes Barett. S Käfer. ^ Maurer-
kelle. 10 Schosterahlf.
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— 136 —
20. Der liaiitvrerckgBsiiiaii 20,
Ach lieber tod, lass mich leben,
Ich wil dir mvn j4Üt gar {reben.
Verdienen wil iche, wie ich kan.
Ich bin nach ein jungner man.
Ich hab nit gedocht, das der tod
Mich so bald beryeffent soltd.
O Got, myner sei verlieh din gnad,
Wann myn leben ein end hat.
21. Bild.
Hie iiunipt der tod zfi einem stHrcken rebburen" vnd
nympl im dz karst helb ' in sm lecht handt
vnd spert dz mul wit vfl, hebba gegen dem buren, alss
irvoH er ime etwas« sagen, hat nur VI zen vndten vnd
obend, gar ein plutten kopff, man sieht im am rucken
alle ryp, hat ein fleschj * ist plechen, in der tinclien bant,
hebt si{r hoch über den kopff vfT, krycht ein schlang
vsser der fleschen vnd wil dem bureo zfl trincken geben,
hebt den rechten fuoss hoch.vff, reuhrt^ den buren schier
an den rock mit dem rechlen knüg, krycht im ein
sehlangen kopff zA dem affteren haruss, krycht
im vber den rechten scfaenckel, thuot dz mul wyt
vff vnd pfyast yber den boren, hat dz linck bein .
euch krum gekrympt, alss wolt er tantzen.
Todt.
Bur, dein nrbeyt vn(! vbel zyl«
Würt ein end haben büt.
Mit mir würslu dantzen schlecht !
Hastu dinen z^henden ' geben recht,
Geben liie von (lineni ;^Q(t,
So rua^äiu äiii ^ar svul geuiütt,
DatJ ein end hal din leben,
DarufT wil ich dir zu trincken geben.
Der reb bur hat zwein growe hosen nn, zwein Zwil-
chen yber slrimpff an mit schwarlzen bendien ge-
bunden, gebunden vnder den knygen, hat vssgeschnitten
sehn an, ein grows röcklin mit iiii faltten, ein g^yrlel
daryber, ein lan^r hör viitz für die oren, ein schwarlzen
spytzen fyhzhuol v(T vnd sieht den dotten kecklichen
1 rufen. - Rebbauern ^ KarstsnVI 4 Flaseke aui Bleok.
& rührt. ^ üble, schwöre Zeit. ^ Zehaten.
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an, bucks sich nobe acü dem tod« bat ein nuwer
houw t vir der rechten asslen, i hept dx helb * nitt
der rechten faandt vnden vad den karst vif der
lincken acbsslen, hebt di helb mit der lincken
band» ein röbmesser am rucken vnder dem
gyrttel stecken.
21. Bar.
Grosse arbeyt, hacken, rytten*
H?^!> ich gethon zü allen zylten,
Da rnil ich wyh vnd kind ernerl/
Kein vn nülz gelt ich nye veiert.
Min zehenden berall ich schon,
Got z(\ diennen vnd kyrehen gon
Das liess ich duich kein nolt»
Dester lychter ist mir der todtt.
22. Bild.
Hie kumpl der tod do her laotzen geyen dem lantzknecbt,
hept den lincken fuoss vflf vntz an den rechten knäg gnick^
vnd stosst mit dem knieg dem lantzknecht an sinen rech-
ten schencklen vnd stol mit i echten schenckel lang, doch
ein wenii^ geney^'l ; hencken im dz ^jedeim zü den buch
haruser, hat ein <le;,^eri sch«'yd mif einer sidenen 8 vml)
den buch yber die kutten t^eljuuden an der lincken sitteo,
man sieht im vil ryp, hat ein lanj; dotenl>eiii für
eiiit ij degen vsser dei 8ciiey«len gezüjjien vnd füerl einen
starcken streych mit beyden lieuden hinder sim kopfT
hör vnd hat dz niul wyl vlT gespert, dz man im vndten
vnd oben zen sieht, ist ein schlang zu ilem rechten orioch
hin nyn, zum nml haiiis, vm den lincken atm harus
vnd streck den kopff gegen den lantzknecht vnd
pfyssl yber in mit einer langne spitzigen zungnen ;
ist der scblangnen wadel noch einer spanen lang nit drynen,<
hat i^ar einen kalen dottenkopll.
Todt
Du frischer bans, beyti« vnd stand still I
Ich bin nit bie, dass ich fechten will;
Ich fSrcht nit din mesaer xucken,
Du müsst dich in das grab echmocken^^^
1 bfiekt i Haue, Hacke. < Achsel. * Stiel (Halm). & ren-
ten, ausreuten, roden. 6 ernährt. Kniekehle. 6 fehit «Sohnur».
0 drianen. warte. achmiegen.
— 438 —
Mit erden wiri man- dich tr£cheii,i
Bich hylfft kein houwen noch stechea«
Dan din leben hat hie «in end,
Lass messer stecken vnd kumb* behend I
Der Lantzknecht stot strack vffrecht, hat den de^eo
in der rechten bandl vif dem latien > ligen, ein hal-
lenbarten in der lincken hant> hat ein sammat wanüM
an echwartx, einen knebelbart vnder der Kaaen, eunst glat,
keinen bart> ein rot bereyht ser^n^lzlet^ mit schw-
artzem aammat wm leyf , ein langne wyae stracke atrau»
fedren dnil^ ein rot geaeas« III molen serfaogen mit
einem hogyaen, eins dumens^ breyt, mit einem grnenen
fttotter oder vnder sugek, zwein.riithen atryropff, vff
dem knüg xerbogesy ewa^fingm lang^ mit greünen
sydenen hoaen bengneM geknyipfft» sehwartaa vaageachnitien
achuo one rincfcen vnd reymen*,< er aicht woriich
den todt aur* an, er wyl. nit, er it im gang.
22. Landtsknecht.
Wich ys»* ea iat nocli nit daran I
Du mftat arbeyt mit mir ban.
Ich loss mirs nicht abtrogwen, »
Ich wolt dich ehr in stucken houwen'-^
Ob ich also mit dir woit gon,
Ich raht dir das, lass mich daruoni
Lass mich blyben in mym wesen,
Wilta vor mir genesen.
23. Bild.
Der tod hat hie einen jflngling mit sin^r lincken
handt by der rechten band .erhascht tä vnd danla mit
im daruon,. hept den rechten fftaa vff hi'nder sich vnft
yber das linek knüg, ist in der weipben vnd bniat yteU<
ryp vnd ryp, hat in der rechten hant ein acharmygen^*
vnd pfifft dem jüngiin vflT der acharmyRtt^, kört sU^
mit dem halss vm gegen dem schaniyeygen oder gegen
dem jüngiin hart an sinem bareyt, man sieht im die
zct) vnden vnd obenand, im dottenkopfif sitt ein achw-
artze krot am rechten orloch vnd ein an der «tymen.»
> iiihd. scharrend vordeckcn. 2 komm. ^ Latz, Hosenlatz.
^ Daumen breit ^ Bäutleln. ^ ohne Scbpallep und Ki^^men. ^ saaer.
9 Weiche aus! • abdrahon. erhascht.' " eitel ^ niclits als.
i< dchalmei. Stirn.
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— 139 —
Todt
Du stoltzer gesell vnd Jün^lin ^üt,
Ein end bat htt din jungaer mftt,
BiMi wyllig vnä latt dyn drureo^*
£8 danlsC hie geyatU<ji vnd buren,
Dan ich aiemantx «cbonen byn,
Ali weit mflaa mir gehoraam ayn,
Dan was das leben ye gewan^
Das mflas den bytlren todt ban.
Der jün^ün stot in geleyiten wiss vnd g^reun hoBen,
iwein breyl gedoppeil vssg^eschnitten schü one ryncken
vnd ryemen,' ein rotten langnen ruck vnts vff die waden
mit einem acfawarti acherteren * ffif ler gefBerlert, mit
«Dem ybencblagt .ein wias kragen hempt, ein grQen
aüaaa wambflt^ der rechte» arm durch den rock ermel
t^estosaen,. hebt mit der lincken band den dlgen by
dem heflt vnder dem rock, gibt deni lod die recht
haiit, kftrt aber dt antlyt» vom tod, iiat ein lang, gelss
kruM hoTi 9 ein rot jSareyt.
23. JQnglin.
Ilin herlz ist leyd vnd k Ummers voll,
dl ich ao jung sterben aoll
In myner jungnen gestalt,
0 fod, du kiimpst mir vil zü ball.
In wolust bin ich erzogen,
Die falsch weit hat mich betrogen,
0 Maria, hymmehsche kunigin,
Wollest min fürsprecheren sin!
S4. Bild.
Hie kumpt der tod in bruner färb* gemolt bü eindr
edelen junckfröuwlin, hat einen strogenen krants*
vff, schwartz fodten bar vff dem kopff, hat ein wyt
mul offen, man sieht im alle zen vnden vnd obent,
vnd ryert» die junckfrouw mit der jrygen'o an ann
die rechte brüst vnd gyget ir z\\ tantz mit der
gyn^en, er ist nit ryppig, aber dyr, dir,^i heucken
im die kutlen z& dem harus^er, bepi den lincken
1 Sei. s Tranein. > ohne SolinaUen vnd Biemen. ^ ftiae
Leinwand, s. Lexer. * Antlitz. gelbes, itranses Haar. " ia
brauner Farbe. ^ Kranz aus Stroji, » T^kH* Gslga. ^> also
«sehr dürr>. 12 fehlt «Bauch».
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— 140 ^
fttss hinder dem rechten beyo bocb viT, als hoch
er gescblytz i9\, vnd krympt dz recht knQg, alss ob
er wolt dantzen.
Todt.
Juncklrouw mit vwerem seltenen krantz,
KiiriunPii hrir .in rnyneti i.intz!
Vi) <'i(ierj vwei kurizwil vnii freütlt
. Würt uch kuinen alss zu ieydt. '
Vwer vfl mulzen, * dantzen, zyeren
Der knaix^n gestalt vnd hoffieren
Mag nit liie «feheltren eüch,
Ir mn essen werden mir frieüch.
Die junckfrouw slot ganlz traurejiklichen gegren
dem todlen vnd sich inon an vnd weint, hat die hent
oder fingner zwyschen ein ander geschlafren. die
linck Hanl vnd arm yher den buch in der weychen ^ yber
den guldinen gurteil, hat ir geles har in ein güldene
hub gebuiulen, doch j(olh ein weni^ hör by beyden oreu^
henck hai^il. alss /.epftlii), ein greünen krantz mit
vil rollen gi assMumen,'* ein wiss halssmendlin 0 mit einem
schwartzen, sydcnen bengnel, ^ rings wyss vmmer, nnit
einem eidenen schwnrfzen kragen, einem grefinen sam-
mathen oberrock, vss geschnitten mit sammat vmlaigt
vff die brystlen lanir vnts vff die erden vnd schft
mit ingesetzten wiesen leplin, ein guldinen gflnet,
der flchlemppen^ henck an der lincken eilten, sind die
ermel am etenbogen abgehouwen, dz hempt am
elenbogen gerysspelt, der rock ermel mit einem honw
ysen geaehnetzlet vff der schulter vnd bym elenbougen.
24. Jongfronw.
Vmb gehen hat mich grosse noll,
So ich vor mich sich slohn den dotl«
Dnss ;iot erbarm niynes springen!
Den k nahen zu leyb « ihel ich singen
Wellliche leider» off vnd vil,
Das mich hie nit mei iuiflen wil.
0 MAtler ^olz.--, vrnh inyne sind
Erwyrb mir gnod vmb dyn kind !
i Euere Kurzwelle und Freuden auf Erden werden euch in Leid
ausschlagen. ' Putzen, schmücken, schniegeln. 8 über dem jBauch
in den Weichen * rote Grasblumen sind Nelken. ^ Hadsmänte*
lein. e Bändel. ? Sehless. Sokualle. « salieb. » Lieder.
10 Gotte«
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— Ul ^
25. Bild.
Hie kumpt ein wys^er dot vnd nympt ein kinci oder
knehlin mit der lincken haut by dem leehlen hendlin
vnd daii{2 mit jin daruoi!, jt^t ^sauU np\n>^^ schrenck
dz linck bein v}>er dz jvrlit twm ba« ein windloffer
oder müU mit einem ^t inolti n n McM stecken jn<ler
rechten hand, vnd bui k sich wit Innder si( h nvder.
dz er dz kncblin kan fueren, hal ein schwarfz ding
vnder der guryel, l)leck die zeii, ist ein scIi Aaftj
ni6neii oder kruUen um rechten or loch, iiuL
vier karten an der windt mülen.
Du kleines jungnes kindetiii,
Eft hat ein end das leben din.
Die falsch weit mecht dich betriegen,
Du styrfcfiicht wflger > jn d^r wegen^ a
Dan hie* mit sinden beladen :
Ea brecht dyner sei schaden.
Danimb mustn dantxen mit mir
In das ewig leben jch dich feir. »
Das kneblin sitz vü einein hyltzenen ross oder stecken,
hat das rössbn ein schwarlzen klein zaüni, hat ein
wiss hembdlin an mit nesseleu düch<^ j;,'emacht, ist
vssgeschnitten, mit schwarlzer sydenei arbeyt ^einacht,
vnd an den ermelen danomen auch vnd am
lincken arm oAias, oueh mit aiden gemaclit, den laum
hat ea jm lineken hendtin, hybscb rotte Granen am
faelaaelin,* ein kurts kruaelieht hör, ^)bl dem tod
dae recht bendlin oder ermttn.
U. Sin kiaaiin
0 we, o we, wasa mag das sin !
Ein -wiser man Tiert mkh dahin,
ich merck vs der grossen nott,
Das es ist der bytter todt.
Er yfft mich bye den heuden an,
Dantzen muss ich und kan nit gan.
Ich gang dester g^wyl liger daran,
So ich noch kein sind gethon han.
1 Windloffer oder Mtlhle (Spiulzeug). • besser. • Wiegen.
* Du stirbst besser iu der Wiege, als dass du dich hier mit Sünden
beladest. » führe. ^ Nesseltooh* ? Korallen am H&lslein.
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142
III. Sohlussbilder«
26. Bild.
Hie stondl dryg todlen by einander, der ein ist
ein langner wisser, strack vfT recht gar ryppig
vnd hat ein rotte schweljci ptifi'i jn beyden bendeo
vnd pfiüt zü feil vnd daulz allen dotten.
Der ander lod ist gel färb, krympt die beyde knög,
hat ein hübsche rothe trumm,« zwein sch\^arlze
klypffel vnd schleclit die truninuti darzü, ist ouch
rippick vnd sieht -sin gesellen an vnd horch g'nüg-
vff sin pfiffen, er hat die zen alle nohe by einauder.
Der dryt tod ist g^elfarb, ist ouch lang vnd hat
ein rot lenlinä jn der rechten handl, einen wy-
sen dotten kopfl' jn niilteln fenlin, slol har! an
der Trummcn, die kutlen hencken jm uir die trunz*
hat ein wit zenn mul, hör noch am dotten-
köpf, zeygl mit der linekaii bant dem narren
Vber sieh vff den Rymen« vnd neygt sich hinder
sich xA dem Nami vnd sagt jm, er sol jm
vff die linck schssel griffen^ er mAss ouch har*
noch da köpftet jm fenlio^f hat zwey dotten bein
Grütswiss jm mul Tnd zinnen.s
piaaar dryger: Pfiffer: Trummenactaager vad Fennerycb
sprueby
die Spruch all stoot ob dein houbt gemolt.
WoWff jr herren allgemein !
Er gross» starck, rych, arm oder klein,
Er sig junge oder ouch alt»
Alle ayndt jr kumen ins todtea gewaK.
Doch hylfft weder guot noch gdt,
Es hylflfl nychtxa in disser welt^
Der her mopss mit dem buren goa,
Das gnot muoss er faren Ion,
Den wysenio kein reden nii helfTen wirt
Neben jm würt atonh^der birt,
1 Sehwebdlpfiff, Jedeofaiis für Sdiwegelpfeife = i^aacpfUfe.
t T^oBimeL * fibalsia.. * eigeatliob abgsbrosksass Spssflitiek,
Splitter. * anleBerliob, * Bahn. ^ fehlt ein Wort, s SUhaeiL
• sei. Weisea.
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Du« muois er Mlbs verantwurten Tiid Jbe«lohn,
Waw er bie jn d isser weit hat gethoti,
Darumb würckendt bie buosa.
Ein jeder hie aterben aol und muooa.
Hie atot der Narr vnd giyfft dem tolden vff die
Hack aebsael mit der rechten hant vnd^ ein roten
bingnen zypffel am ermet heraber hangnen» einen
bninen narren rock an Ali der narren kappen,
bat aig vflT, zwuo langne gelen oren dran genegt^s
zwuo acfaellen, der linck rock ermel geteylt yber
swerch vmb den arm, gel, achwarli, wider gel,
«yss, blouw, gä, Bcbwartz, ein gyrtel fber
den rock, ein grosse täscbeu dran, mit einem
grossen gelen rincken, zwein brun hosen an,
zwein hohe Bund schü, einen kollien stecken jn
der lineken band kötscbt er* har naeb.
86. Der Nar.
Ein Narr bin ich gesin mengen lag,
Gottes gedacht ich nye, ieba sag«
Das macht die vnsteimylieit mya;*
Lieber tod, jcb wil din gesell sin.
Ich hoff sä got, er sehe das an,
Das jcb min fünff sinn nit gebebt han.
Dippel Heinlz.
27. Bild.
Bie stobt der tod an einem Eck oder winckel vnd
wart imts der weybel vnd bot harumer sft jm
ktunpt ann dz eck, do nympt er* mit siner rechten hant
by den bor, by sinem rechten or, ein gantz handuol vnd
vm die band gewyckelt vnd zychtzs jm vber sich
vnd zeygt jra mit der lincken band mit den drigen
fingren yber sich zu dem ryraen, jst gantz rippig,
hal nach alle '/An jm mnl vnf^en vnd obondf, bat
keinen verloren, hebt dz recht knüg vnd füss
hoch vfl vnd stoi vif dem lincken fAss, wie
ein storck.«
1 oad hat s genäht > ketsohen a sieben, vgl Martin n.
Lienbart, Wörtorb. der elsäss. Mundarten; noch gebräachHoh.
4 üngestfiunigkeit, LeidsnsehaftUoiikeit * er ihn. ^ Storch.
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— 144
Der Todt.
Du bist ein weybel vn«l ein bott.
Für war das brini^t dich jn gitMSe nott»
Die gemein u)it beylten/ vber nummen,
By dem hör hab ich dich genurnmen.
Disser snhar müsst du nacher jj^on,
Ich wil dir gelten därunib din Ion.
Hie stot der bot vnd weybel mit dem weybelstab in der
Kucken hant, ein botensehilt am rock an der linken bnisl,
hat ein rotz hör,* er rympiR dz mul vnd bleck die zöbn^
80 hart rupfil jnen der dot bjm bar, hat ein rot hareyt
vffi einen langnen rotten rock mit langnen ermlen, die arm
durch die ermel geatoasen, die schwarlz wambst ermel^
ein lang mesaer z& beyden henden vber den rock ge-
bunden, hat zwein gel hossen an, vaageschnitten schfl mit
rincken vnd reymien, golh jm vil voicks noch^ näm-
lich nier dnn d rissig, band all die köpff vber vfT gon,
wöllendt al mit dem hotten gohn, zwuo nunnen, dereinen
sieht man dz anlügt 3 vnd jren schleyger,^ band alle
schA an, die ander Nunn hebt dem weybel vIT die linck
Hchssel mit jrer rechten handt, hat einen langnen
wisse kut udei' rock an, ein schwarlz scheppe » am halss do
binden vnd vornen, ein wisen slurtz oder schleyger v(T,
ein schwarlz diechlm vlT dem stiirlz. ein belhiechlin jn
der lincken band jn einem jeder j^efassl, der ein hat einen
rechen, der ander ein pflägel, bat einer ein gross glass
jn der linken liand « kan der rechten band ^
vnd schenckel ein zu Irincken, hat einen blouwen hout
vff, einen langnen wisen rot:k, ein girtel vnd ein
gros^^e däscheiis yber den rock gebunden, hat blouwe
hosen an, zwein i)undschuo.
Des weybel oder holten vnd der andren
allen antwuiL 27.
0 gott in diner ewigkeyt!
Ein hörter weg ist vns bereyf,
Den mAssen wir alle hin gohn
Vnsser sind wölleat vns ablobn.*
1 mit Gewalt authun < rotes Haar. s Antlitz * Schleier.
& ScapuUer. f ^ uuiescriicli, IL. S. beschädigt, vielleicht: aad eine
SLanae in. * Taseha. > Uaeare S ünden abfassen.
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Wir habend gelhon wyder den willen dio
jUu wollest vns armen gnedig sin.
0 Maria, jn dem höchsten thron
An viiserein end wollest vns by slhon,'
So sich sei ynd lih scheyden thüt,
Maria« hab vns jn diner hüi,
"Verbirg vns vnder dem mantel din,
Das vnser sei dH kum jn pin,
Vnd das wir mit dir gchn jn das ewig lebeD«
Das wdll vns gol allen geben.
i beistehen.
VI.
Dreikönigsspiel;
Weihnachts- und Neujahrslieder
des Dorfes Geberschweier.
Mitgetttilt Ton
Dr. Aug. HerUofhColmar.
Immer mehr verschwinden in unserer nüchternen und
schnelllebigen Zeit die alten Yoiksgebrftuehe, welche uns in den
Kindeljahren m bestimmten Zeiten des Jahres mit wahrer Wonne
erfüllten. Wer tinter denLesem erinnerte sich nicht mit Freude
der Spiele, Gesinge und AuffOhnmgen, die er in seinen
Kinderjahren gehört, selbst mitgesungen oder neugierig bewun-
dert hat? Unter den anziehendsten Spielen und Auflöhrungen,
an denen wir Kinder uns in den 60er Jahren dieses Jahrhun-
derts im lieben Elternhause oder im unvergesslichen Heimats-
dorfe, ei^ötzten, standen obenan die Woihnachlsspiele, die Weih-
nachts- und Neujahrslieder. Welche Freude ffir un??, die drei
als Könige verkleideten Burschen, während der heiligen zwölf
Nächte, fhheim zu empfanf,'en, ihre Lieder anzuhören und dann
sogar norh mit einem oder dem .mdern dit"=er drei fiohen Per-
sönlich keilen, je nach dem er uns nnhe stand, vertraulichen
Umgang zu pflegen ; wie ür^rne warten wir den voi- dem Hause
das Neujahr ansingenden K unt'rad.'u, das l^rennende Paj^ier iniJ
der beschei^ienen Sclionkmünze züin Fenster hinaus ; und dann
erst, wenn das grosse Herodesspiel mit seinen vielen handeln-
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— lei-
den Personen, mil seiner dramatischen Handlung und in der
That schönen Gesangen, auf den Al>end bei uns angesagt war,
wie gingen uns Kindern die Stunden des Tages langsam hemm?
i)a trat unversehens des Abends, etwa nach dem Kssen, eine
schlanke höbe Männergestalt in die grosse Wohnstube ein, dieser
Mann trug die oMlerMie fiiiuMtcbe Lanciert^Gniform, es war
der cSch ri^ner'Scharl», seines rechteD Kamens nach
Liecb ii^ K«rl^ der stellte deo harllitnigen Herodes dar,
«nd ich' glaube mich wiriilicli davon erinnern lu kfinnen, dass
er durch Haltung und OeUirde eelae Bolle gut wiedergegeben
Kot. leb nenne die Nanien, weil Ich dadurch wirkliche Typen
ans meinero Heimatsdorfe, die jetzt schon hinge nicht inehr
leben, der Vergeseenheil entreissen will, jund weil ich dafQr
halte, dass es auch recht und bilKg sei, bei Mitteilung des
Textes dieses HerodesspMeS der Darsteller tu gedenken.
Auf Kftnig Herodes folgte der hellige Joeeph, als Zimmer-
mannmeister gekleidet, das Werkieug geschultert, bescheiden
und demOtbig im Auftreten, es war der TagMhner Schiry,
da aus RufKÜch lugewanderter Hann, der wc^l, wie mir mit*
geteilt ward, den Teil des Spieles aus Buffach nach meinem
Heimatsdorfe gebraeht hat. Die fVau des Herodes, eine rot-
haarige Dame, das crote Naoni» genannt, gab in zweifel-
haft weissem Gewände und grossen blauen Flügeln an den
A^iseln, den warnenden Engel. Dieser Frau verdanke ich auch
den Teit des Spieles, den ich hier, nach ihrem Diktate mit-
teile ; sie war in den echtster ialiren, als sie mir die^^n
Gefallen erwies, ein armes, altes, runxeliges Mötterlein; und
wie leuchtete dann noch ihr Auge vor Freude, als sie mir dies
kleine Theaterstück, welches sie im Dorfe und in der Um-
ge^^end sogar berühmt p-emachl hatte, in die Feder diktierte*
Meinen Dank hat sie damals gerne und freudig angenommen.
Nun ist sie auch heim^iegangen, mö( lilc sie JeUt im Himmel
den Lohn für ihre Mühe gefunden ha]>en I
Dann kamen noch in komisch prunkvollem Ornate die
«Drei Könige», darnnlcr emer schwarz wie ein Nejier : der
Bogenannte M o h r e n k ö n i g. Diese drei Rollen hatten keine
stSndigen Darsteller, de.>>halb waren deren Träger auch nicht io
berühmt wie die anderen Schauspieler, daher kann ich auch
ihre Namen nicht mehr neimen. Im Kreise stellten sie sich
dann im Zimmer auf: rechts, sal^elklirrend der wüste Herodes,
links die heiligen drei Könige mit dem grossen Sterne an einer
Stange, in der Mitte dann der lederbeschürzte Josef und der
blaubeflügelte Engel.
So wurde das Herodesspiel, welches ich hier wiedergebe,
sprechend und mit eingelegtem Gesänge aufgeführt«
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— 148 ^
Wie leicht zu erkennen, sind es Verse, doch muss der
Text nur in grösseren und iiutzeren Bruchstücken mir mitge-
teilt worden sein ; denn oft werden die Verse holperig und
der erwartete Reim bleibt Öfters plötzlich aus. VieHeicht träj^t
aber meine Miteilung (hmi h^i, so fehh rliatt deren Text aucti
sein mag, den wirklicheu Ie)Lt des Spieles, zu Ruflacb etwa,
auijündij^^ m machen.
Die kleiiierca Stöcke, (II*' u h (iarm noch den Lesein des
Jahrbuchs Mirle^e, sinii Neujahrs- Lieder, welche in meiner
Heimat heute noch y^e.sun<7en werdei».
Ucher die Ges;ings weisen ist es mir unmöglich Näheies
mitzutheiien, es sirnl aber wohl meist \Veis^?n aller deutlicher
Kirchenh'eder ; die Sprache des Spieles sowie der LietJer ist
stark dialektmässig gehalten, und ermangelt manchmai nicht
einer gewissen echt volkstümlich elsässisch^ n Derbheit, so z.
B. die Antwort des Monreakönigs an den Uerodes:
Dto rechte Hand geb^ ich d*r n6t,
Dan da bist ttn Sohttlm, ieh ttsn d'r nlt
In den Neujahi*stiedern herrscht oft auch ein grosser naiver
Naturalismus, der dem Ganzen keinen Abbruch tbut. So «, B.
in den sieben letzten Versen des unter Nr. i. wiedergegebenen
Weihnachtsliedes.
Wir be^nen in diesen Liedern derselben realistisch naiv#»n
AütfassuDg der dar^e*ilelHeri Ereignisse, wie in den en Isprech-
enden Gemälden der berühmten sogen. Schongauer-Sammluug
des Gülmiuer Museuins, und ich stehe auch nicht an, diesen
Erzengnissen der froinmen Dichtung ein hohes Alter zuzu-
schreiben ; in denselben besitzen wir beredte Zeugen des
frommen Gemöthes und des Glaubeas der mittelalterlichen
Bevölkerung^ unseres Landes. Als Denkmäler einer längst ver-
schwundeneu und unserem Zeitalter nicht mehr gel&ufigea
Auffassung der Erlösungsereignisse, seien diese Lieder hier mit-
geteilt. Ich denke sie stehen in keiner Sammlung würdiger
und siciierei aufbewahrt als im Jahrbuch des Vogesenklubä,
In meiner Heimat Geberschweier kennt Niemand mehr
den Text des He ro des spiel Cij, seit 1870 ist dasselbe auch
nicht wieder dargestellt worden, ich glaube daher durch diese
lütteihing, dem Ziele, das sich das Jahrbuch gestellt hat,
wirklich zu entsprechen. Augeregt dadurch, werden vielleicht
antoe Ifilurbeiter desselben glücklicher sein als ich, aod eioen
komklereB Text des Herodesspieles aulfinden und einmde«
kdiineii.
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PreiköAicps- alias Herodesspiel.
P'erioneB.
Eiu Engel
Jotepli
H»fodM.
Per Ell8«l.
Ei«r traton wir da bi «Uer Spit , .
üliiMi. gatoB Abftfti gelie Ootl,
Ein' gat«n Abend, eine glftelCMlige Zeit,
Gleich wie uns die heit'ge Schrift Mdeut't.
Für was kommen wir dslMZ?
FQr Each au/.uknmien
Dass Christus der Herr
Geboren wär.
Wolltet Dir dAMdblg uibörai in guter Bali,
8p tragt alaa klalaa (Maid
Uad hdrt aas sa.
Des Enj^eit Botschaft.
Eine ^osse Freud verkünd' irh Sa«Il
Allen Völkern anf Erdenreich.
K-onimet ihr Hirten alsoball zu cun m Schöpfer in den Stall,
Dort werdet Ihr Ihn sehn liegen zwiM^hen Gebs und Esel ia
der Krippe,
Oaaa veriatMa ton Jederaiaaa.
Dte drei k'flnlc» traten anf.
Uei*ode« begrUü«t sie.
B»)d mir willkommen Ihr dr«i WaiMa.
Wo wolltet Ihr hinreiien?
Wo wolltet Ihr einkehren?
Kommt 2U Mir m mein'n i'aiast,
Daaa werd* ioU Koeb «o^ebaitB
AU auiae Uebea Oast.
Wardet Ihr Mir was Neu's era|1|le%
Daaa ward' leb Eaab mit Fravidf aabSna.
IMe drei KönijBre singen mlteiaaader.
Kun so sag ich auch für wahr
Wa« ich hab gesehen.
Ist so weit von mir entternt
Ia daa gaasen jüdischen Landen
Ha bdIgroMer gliasaadar Stent
lit aafantaadea.
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— 150 —
l. Klinit;.
Derselbe Öterii sohreit Uns za
Dass wir nach Bethichem
Kei£$eu müsseo.
2. KSaig (Mohrenkdniff).
Derselbe Steru schreit Mir in die Ükreu
Dm8 der König der JnUeii lei geboren.
3. Kteig.
Deaeelbeii Siern hftbe iek gesehen
Wie Jesu» sein Kreats in den Armen liegen TuiL
Nnn 80 reist nnr Ua Ihr drei Weisen,
Beiset bis an das BetUeheimische Bezirk,
Sobald Ihr Jesnm von N'azareth thnt finden
Kommt ^'leich >vicd('rum zu Mir;
Denn ich h.ib noch meiireres Silber,
Weyiiraucii und Myrrhe, deniüelbigcn K.i>nig ssa verehren.
Engel.
Nein, nein, Ihr drei Weisen,
Bin* andere Strasse mttsst' Du reisen
Ddbn der Herodes ist ftlseh in seinem Sinn.
Sobald er Jesum von Nazareth that finden,
Hnss er gleich des Todes niedersinken.
Heiodes zum Mohrenküui^.
Bist da der König ans Mohrenland,
So gib da mir die rechte Hand.
MohrenkSnig.
Die rechte. Hand geb' ich dir n^t.
Denn du bi^t ein Schehu, ich Iran d*r nät
Emdes
Hoial D&ä gehl mich an, So gebt es zo.
Bs bringt mir Tag nnd Naeht keine Bah.
Iflh ▼erde gldch eine Hordthat aassehiekeft
Um alle nengebomen Kniblein sa s ehl aehtaa.
Ich vernahm ich werde darunter
Den nengeborncn König finden.
Alles ist bekannt
Im ganzen liiilischeu Land:
loh bin üonig und kein Anderer.
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151
1. R^nig.
Nun so machen wir Uaf
Auf die Bei 8
Da koinatt dir DtoMr md bringt dia Pford.
*• iit AllM Cob maä Am wertet
Kon jetst nehmen wir mit üns
Gold, Silber, Weihraneli und Myrrlw
DeiBMlhigui Kdaig ni verdur«»*
Engel.
Acli Joseph, lieber Joseph mpin.
Macli dich fori mit Haria und dem kleinen Kindelein I
Ach. da Engel Goties mein,
Wo soll ich denn iiinäiekea
Kit Karin ond dem Kindeleint
Die KM&t irt teuer, die X«tt«r in lelkwiehv
Dti Kind üt Uein,
aegnrnlle fahrende Strnüen Mit Mrdem widBiibtHileieUt
Ach dMi Gott erbarm,
Wie ftind wir eo anal
Enget
Joseph, lieber Joseph mein,
Denk' nnr all^it. an den Engel Gottes deinl
Der wird immer dein Bescbätxer sein.
Alte Mltq^er tlntM In Orapp« iti N n d dk» eieifa.
Wmm Sehliea wlii gMugM:
Xrd* nnd Wasier,
Lobet Foner,
Ihr himmlischen Flammen,
Ihr Menschen nnd Fti£rf^lein!
Stiiiiniec Alle zusanniien
Hier unten auf Erden
Im Hiniinei dort, droben:
Das Kindelein im Krippelein
Wollen wir loben.
Knria die Xangfra«!
Iit giäcklieb gewesen.
Heut bat Sie geboien
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— 1Ö2 —
1 'a- ewige Wesen,
Hier nnten auf Erden.
Im Himmel dort droben
Bm KindeleiB,
Im Kfippelein
Wollen wir loben.
Heat ist UnB der Heiland
Auf £rden ergrang^en.
Ihr Menschen nnd Engelein
Stimmet Alle ^u^.anlmen
Hier unten auf £rden.
fn Himmel dort droben.
Bngel.
ITvn jetst vttnieh* ich Euch Eine glückselige Zeit,
Den GK>tt der heilige Geist bei Baeh bleib f
Er mdehte Boeh erlenchteii und regieren I
tid mit der Zeit in den Himmel fahren ! '
£l8iElssisohe Neujahrs- und Weibnachtslieder.
L Neqlnhrsgrut.
Wir komraep dftlie?
Am Abend so spät,
Und wünschen euch Allen
Ein glücklich's neu'b Jahr,
Biae MhUehe Zeit
Dftse unser Herr Jesus
¥om Himmel herabsteigt (bh)
Und da» ist wahr.
Drum wünschen wir euch Allen
Ein gflückselig's neues Jahr,
Wir g'ing^en nan wohl
In den Stall hiuem
ünd fanden Herrn Jesnm
Im Krippelein
Maria zog ihr* Haanehnure ans
Und schneidet Herrn Jesu
Zwei Bitschelschnür d'raas
Und Joseph zog Hein
Hemdelcin aus
Und schneid't Herrn Jesus
Zwei Windelein daraus.
Jetsit luumner N. N. '5 Neyohr a g'sunge, wenn er dbbis gto,
deeh*s vohr» und vemmer nix bekoR»me, se g«to e güet Johr.
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153 —
T)ie himmlisehen Stimmen das G-loria sio^ea.
Die iiimmlische Stadt geboren sie hat.
Ihr«i Hirten auf dem Felde sie rennen und laufen,
Si* kdiuieii*! aiclit YerteknikiifeA d«r Y%Ur und Boe.
Wm sthen lie &Mmf tAm lursigM KUi4el«üi
Zwischmi sirtf Tieres; Oefes« Etel aUMer.
Der Vater war so arm er hat kein Pfännelein
Dem Kindelein tn kochen kein Brod ud kein Sehnals
Kein Mehl und kein .Salz.
jb'oigt Neiyahrs wünsch wie oben, oft wird no^ hiuufMetCt:
I stand uf mc spetzige Stein
Und frier durch Mark und Bein.
Wenn er is 6bbjs w&un schanke
So müent'r i nöt i&ng bedanke !
III. HmOfthrsgraM.
's *sch geboren ein Kindclein;
8ein Namen ist
Hm Jmu Christ.
Wer will dem Kiadeleift
Sein P^stter eeln?
Der Heilig Johannes,
Für wahr, für wahr
Der liebe Gott hat's geeegftet
Die heilii;,'' Katharina
^Vill dem Kindelein
Sein Goettel sein.
Fir wahr, für wahr
Der liebe Oott kM's g segnet
Für wehr» für wilir
Do wünsch ich evek
E giücklieh's neu's Jahr.
Wir wünschen dem Herrn N.
E goldene T^sch
Un uf alle vier Eck
E brotene F68ek.
tV. Ne^ialifegrvie.
HiaBmel «nd Erden
SoUen frdkUeh werdea
An dieeeu heUi^ii nese» Jelir.
Ihr |[eiieehenk§nder»
Ihr armen Sander
Freuet euch dass Jesu^ geboren wer!
Gott möcht' euch geben
Seinen Seg-en
An diesem heiligen neun Jahr!
— 154 —
V. WeibiiAebttUed.
In dieser heiligen Xacht
Zwisclien zwöil' und eins
Hat geboren die Jun^j^fraa rem
Ein kleines Xindelein.
AnBg^esoUosBeo ist es dbenU,
Mass liegen in dem Stall,
Lei loa viel Frost und Kälte
Für Uns Menschen all'.
Was soll (Jena dieses sein?
Was soll's bedeuten ?
Dass ich euch so edles Kind
Hier in der Krippe find*
Zar WiAterueity
Ansgefdiloseen iibemU
Hubs Jiegen in dem Stall
Leiden viol Frost und Kälte
Für üns Monschen AU'.
Wo kommeu dann
Die drei König her?
Aas fremdem Lende
Geld, Silber, Weibnnch, Myrrbe
Demselbigen Cdnig sn verebren
In jenem Stell
Ausg-cschlossen überall
3Iuss liegen in dem Stall
Leiden viel Frost und Kälte
Für uns Menschen all*.
VIL
Rupert Sporrers Novelle
„ Kunegunda von Vngerstein' ' •
Nach einem im Vogeieii-Gliib GebweUer tfm 4. 1. 1899 gehtl-
tenen Vortrag« des Herrn Dr. J. von ScM«mbeif«r bearbeiut von
Prof. Dr. V. Dadetoen.
Ib get'iog^r Entfernung vor dem früheren Unterthore der
Stadt Gebweiler, links von der nach Sulz fuhrenden Landstrasse,
bg noch im vorigen Jahrhundert das Schloss Hungerstein. Die
AbHIdung, die sich ku Anbange zu Rupert Sporrers band-
schriOilohtr Novelle fKunegunda you V n^LisfeiD» S. 21 findet
und wohl von da in i. P» Decks Beschreibung der Stadt Geb-
weiler in den Jahren 4780—1786 (Gebweiler bei J. Dreyfus,
1884) S. 17 übergegangen ist, zeigt nicht mehr die alte Burg
mit Mauer und Graben, sondeni eine Ansicht des damals der
Familie Kemjpf von Angralh gehörigen, baulich veränderten
Schlosses aus dem Jahre 170O.> Zur Zeit der franidsischen Re-
volution in bOrgeriicben Besitz geraten, machte es bald darauf
mnem Landhause Plali, und heute steht an derselben Stelle
das Haus des Fabrikanten Ed. Ffey.
Schloss Uungerslein war im Miltelaller der Statumsitz einer
Familie des niederen Adels, die in der elsässischen Geschichte
des 13. und 14., besonders aber des 15. Jahrhunderts keine
nnbedeutende Rolle gespielt hat. Die Hungersteiner besessen
1 Diese ZsU ist nachher, aber aagenscheinlioh von derselben
Hand, gelegentßch der Hhizafdgang eines Sehlossabifibniktes in 1800
abgeändert worden. Vermutlich befand sieh also das Ckb&ude anch
um 180O noch in demselben Zustande.
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156 —
ausgedehnte Lehen; so halten sie 1256 mit aiuieren liittern
von den Grafen von Horhin-; (ins ruterlehen des murbachiscben
St. Amarinthales eiyialten,* 1384 iiler^'ah ihnen der Landvojrt
aul Befehl des Kaisers AVen/e! (h«» Burg zu Oberehnheim, so-
wie Inginarsheiin samt Zwin;( und B-iim als Mit!pbeii,8 und
im 15. Jahrhundert wurde ein dstpn oichisrhes Lehen, das
an der Strasse Basel-Breisach gf^U ^iene Dort Bal^'au mit Zwin^
und Bann und «aml dem Gerichte daselbst, dazu der Kirctjen-
salz und Zehnte zu Esjxich im Breisgau und Reben bei Rim-
bach im Sulzer Bann, den Edlen von Lobgassen und denen von
Hungersfein gemeinschatiiich verliehen.* Im Jahre 1414 erhält
ein Kittor Wilhelm von Hunger.stein ais \ asali der Herren von
Froberg die Erlaubnis ein Willuui auf die Zehnten von Hoch-
sladi bei Ahkiich^ zu eirichlen. in erigerem Verhältnis slanden
die Hungersleiner zu der Abtei Murbach und zu den Heri'en
von Rappoltdtein. Schon der erste des Gesctilechtes, dessen ur-
kundlich Erwähnung geschieht, Herr Wilhelm von Hungerstein
(1235), erscheiot als Vasall der Abtei Marbach.* Zu Anfang
^es 14, uiod . noch mehr im 15. Jahrhanderl sehen wir die
Hungersieiner, einen Konrad, Peter, Wilhelm^ unter den Man-
nen der Herren von RappoMstetn einen ehrenvoMen Platz ein*
nehmen. Sie leisten den leltteren durch Büi^schaOen, bei
Unterhandlungen und aonet mancherlei Dienste, wolllr tie durch
Schenkungen oder durch Zuwendung von Leben belohnt werden.
Wie Konrad von Hungiersteili, VogtheiY der Hentm von Rappoll-
stein, vom Murbacher Abte Barlboloroaetts von Andlau 1456
die lieiden Dörfer Berghoh und Zelt ffir 800 Gulden als Pfiitid
erliAK,' so verleiht Herr Wilhelm von Rappolt^tdn 1460 dem
Peter von Hungerstein und seinen Erben einen durch den Tod
des Haiis Us^eUind ertcdiglen Hof mit Rechten und Zubehfir
in der Unterstadt Gebweiler.* Von allen diesen GOtern hatten
die Edlen von Hungerstein geordnete EinkQnfte in Natura oder
Creld ; wir erfahren sogar, dass sie ersparte Kapitalien auf Zins
ausliehen. 9 Nur ein einziger Hungersieiner, Dieisi he, der als
Ritter zu Colmar bezeichnet wird, nähert sich dem Typus eines
RaubriUers. Wir erfahren nämUd) von ihni) er habe eine €»0-
< Schöptlin Als. iii., Ao&gaba Eavenes Bd. Y, S. 6gl.
» Dasei bbt V» 265.
* Ging nach dem Tode des letsten Hungerst^ners (1487) an den
bisberigen Mitbesitzer Talendn von Neueastein Aber (das. TV, 977).
» das. V, 747.
« das. IV, i>40 u. V, 681.
' das. IV, 227.
8 Rappoltstpinnr ürkondaeboeh IV, MO.
» das V, öbä u. m.
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— 158
Seilschaft, die Lecbbartt. um sich gesammelt und die gemein«
schaftlichen Feinde angegriffen, wenn sie sich nicht mit ihr
versöhnten. So erh< Dietsrhe von Hungerstein, der den Zehnten
des Hofes der Rappolfsteiner zu Könsheim (Kienzheim) bean-
spruchte, im Jahre 1423 durch Vergleich mit Smassrnann von
RapiioH^iein 500 rheinische Gulden und eine Verleihung von
3 Fudern WeinJ'^
Im übrigen haben sich die Hungersteiner als Mannen ihrer
Lehnsherren, vor allem der RappoUsteiner, an mehreren Heeres-
lügen und Schlachten beteilijj^t, so z. B. Konrad von Hunjrer-
stein an der Eroberung der Hohen Königsburg im Jahre 1454,ii
Peter und Ulrich ao der Schlacht von Seckenheim {Im Mann-
heim) am 30. Juni 1462 auf Seiten des Siegers, Kurfürsien
Friedrich I. von der PF.'tb' <regen die kaiserlichen Feldherren
Marki^arf Karl I. von Ba<i( n und Graf Ulrich von Württemberg.!*
Dieses tapfere Ritlergoscijl < ht, das, nebenbei bemerkt, in
seinen einzelnen Mitpüedein aullallend kurzlebig nnd kinderarm
war, endete im Jahre 1487 durch ein furchtbares Vei- brechen :
Ritter Wilhelm von Huni^erslein wurde von i^einer zweiten Frau,
Kunigunde Oiel von Gielsperg, mit Hilfe zweier Knechte er-
drossell.
Ueber die Familie Giel (Gielo) saj?t Leu im Schweizerischen
Lexikon VIII, 504: «Ein altes Adelicbes Geschlecht in dem
Thurgäu und den Stift St. Gallischen Landen, welches zu ver-
schiedenen Zeiten die Schlösser und Heri-schaften Glattburg,
Gielsperg, Liebenberg, Gyrsperg,»» Helffenberg, Bichelsee, Ober-
dorß, Sclvneeberg, Weis.«eneck, Bichweil, Eppenberg, Reisen-
bürg, Wasserburg, Zuckenried und Wengi besessen, und die
meiste sieb Gielen von Olattburg, aber auch einige von Giels-
perg, und auch von Liebenberg geschrieben . . • .i Schloss
Gielspei-g lag fswischen dem Kloster Magdenau und dem Bau-
Hoff, in dem Schwanenbacher Gericht, in der Stift St. Gal-
lischen Graffachafl Toggenbui^, darvon die Überbleibsel jetz
Spillberg genannt werden ; weiches die Gielen besessen, sich
darvon geschrieben, und A. 16^27 an die von Thum verkaufft.»'*
Die Glattburg war schon im Jahre 1485, nachdem das Appen«
zeller und Sl. Gailer Landvolk sie zweimal, 1405 und 1484^
«erstört hatte, vcm der Familie Giel an das Stift St. Gallen ver*
10 das III, S. 160.
" das. lY, 294 und 5981
» das. ly, 984.
" Vielleicht daher die Verwechslmi^- bei Schöpftlli-BavenM V,
681, wo Kunigunde «von Girsperg» genannt wird.
" Leu a. a. 0. VIII, 5U7.
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— 159 —
kauft wordeD«ti Die Gielen scheinea danach wenig seaahaft
gewesen tu .sein, vielieicbt weil sie wegen ihres gewalilhäfigen
Charakters nirgends lange geduldet worden. So mi^en sie aus
der Schweiz nach dem Elsass gekommen sein. Sicher ist, dass
im Jahre 1489 Hans Giel von Gietsper^^ von Wilhelm von
Rappoltstein mit dem Schlösse} Dlzach bei Mülhau^ien heiehnt
wurde. I* Aber auch Kunigunde ist schwerlich von einem
Schweiler Famiüensitze aus dem Rilter von Hungerstein in die
Ehe gegeben worden. Wie aus einem Briefe ihres Vater.s Ru-
dolf vom 5. März 1487 und aus einem Verzeichnis der Korn-
zinsen etc.n deutlich hervorgehl, wohnte Rudolf in Watt-
weiler.
D*"r Verfasser der Novelle «Kune^^undu von Vngersleinf,
Rupert bporrer, c^ehört zu der aus Weingarten -«tarnmeuden
Bildhauerfamilie, deren Kunst die Stadt 'i*'h\vciler rnil der
Darste]lurj<^ der Hinunelfahrt Mariae, mit nu iirei eu Staliu n und
dem Chorgeläfel in der Sl. Leodcifariuskirche bes* henkt hal.
Der Vater, Fidel Sporrer, ist iui Jahre 18.. in Gebweiler ge-
storben. Rnperl Sporrer, der sich selbst als Bildliauer bezeichnet,
entnahm den St(jn seiner Novelle der Bei!a;ie einer Schaff-
hausener Zeitung vom Jahre 4796. Kr bezeichnet den Bericht als
Auszug au» einer alten Urkunde des uralt-adeligen Geschlechts der
Edlen von Unj^erstein* Die älteste uns bekannte Darstellung des
Ereignisses flndet sich in Luks Rappoltsleiner Annalen fol.
360^262.18 Job. Jak. Luk, geboren zu Strassburg 1574, ge-
storben daselbst 1653, war vor 1620 Rappoltsteinischer Regis-
tralor au RappoitsweUer, Am 28. November 1620, so schreibt
er dem Herrn von Rappoltstein, sei der Anfang seiner Chronik
gemacht worden ; am 11. November 1622 hatte er sie bis 1360
fortgeführt. Seinen Bericht über die Hungersteiner Mordthat
will er cvon f&memmen leutten ^^ehört und dann aus alten
Kundschafften gezogen» haben. Aus dieser Quelle haben die
Späteren, nämlich Pfeflel in den Prosaischen Vei-suchen (Tü-
bingen 1812) 10. Teil, S. i34, August Stöber in den Sagen
des Elsasses, S. 47 Ü'., L. Hugot unter dem Titel: La tour du
chAteau de St. Ulrich ä Ribauvilie, im Gluneur du Haut-Rhin
vom 17. März 1844 und F. G. Franlz in der Revue d'Alsace
» Leu ft a. 0. VUI, 696.
1* Diakonus SigiBomod Billing m Ainn. h zxt seiner Abschrift
TOn Loks Bericht der Mordthat (Stadtbibliothek von Colmar).
17 Akten der Familie v. Hangerstein im Bes. Archiv von Ober-
ElBass IV, Nr. 8 und 6^
1* BeshrkB-ArcMv V. Ober-fllsais, Serie E. 10H9 Den Text hat nach
der in Anro. 16 erwähnten Billingschen Abschrift veröffentlicht Jul.
Batbgefoer: Die Herrschaft BappoiUteia, Strassbarg S. 62—68.
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- 160 —
1864, S. 28—35»» geschöpft. Das Blttt der SchaffhauseDer Zei-
tung, auf das Spoirer sich beruft, ist uns leider nicht zugäng-
lich ; aber yon Luic weicht Sporrer in wesentItehen Poaktea ab.
Wir haben in ihm einen dtehlerisch veranlagten Laien vor uns,
dem es weniger auf geschichtliche Treue als auf romantische
Ausmalung des Ereignisses snkam. Wie er die That selbst um
ein Jahrhundert suröckdatiertM* (oder sollte er 1487 cum 14
lahrhundert gerechnet haben ?), so l&sst er bei der Schilderung
der Oertiichkeiten, der Gharakteneichnung seiner Personen und
der Darstellung alier Einselheiten seine Phantasie frei walten ;
iiQ übrigen hat er ein ziemliehes Geschick in der Führung des
Dialogs und der Durchfuhrung setner Charaktere, unter denen
Hato, der Vater Kunigundens, «ein Wildfan^ ohne seines
Gleichen», mit ersichtlicher Vorliebe geschildert ist. Wir sahen
schon, dass des Junkers wirklicher Name Rudolf war ; Luk
gibt ihn ebenso richtig wie den von Kunigjundens Bruder Wer*
ner, den Sporrer Radbold nennt. Die Schwester Wilhelms von
Hungerstein, liha, und die Mutter Kunigundens, Bertha, .<rhoint
Sporrer nach eigener Erfindung lienannt zu haben. Woher
weiss er ferner, däss Wilhelm von Hungerstein zur Zeit seiner
Brautwerbung ()5 Jahre und 7 Monate, Kunigunde kaum 18
jähre alt war? Die Ahnen der Hungersteiner sollen nach ilun
schon im 10. Jahrhundert bei Turnieren tngegen gewesen sein»
Das wSre ja immerhin möglich ; schlimmer ist es, dass er den
Bitter Wilhelm mit rühmlich«! Narben von Säbelhieben aus-
stattet) die er aufs einen Kreuzzfigen (t) von den Sarazenen erhalten.
Dagegen kennt Sporrer nicht die bei Luk erwähnte Mutter
Wilhelms, Magdalena Behrhartin, die bei dessen Tode noch im
Kloster Unterlinden zu Colmar lebte.** Er weicht von Luk darin
ab, dass er den Bitter Wilhelm bis zur Che mit Kunigunde
ledig gewesen sein lässt, während dieser bei Luk als Witwer
erscheint. Er fuhrt weder den Schaffner Wilhelms, Diebold
Lochniann, der bei Luk wie in den geschiclillicheii Aklenshickon**
eine Holle spielt, noch den Namen des später zu erwähaeoden
Sonderdrnek unter dem Titel: Lsdame de Hoogerstein, Gneb-
willer, J. B. Jung. 1865.
<o Das Datum, der 16. Juii 1487, steht irkandlieh fest ; s. Raj^
poitst Urk. B Y, S74 Sohdpttn-Bnvsnes Y, 681 glH sinen «üschen
Tag« den 95. Mri\ an.
n Eappüitöt. Uxk.-B. V, H90.
ts In erster, verrnntUeh Underloter Ehe war er mit Snsenne
von Ostein Uf)7-Hg5 verheiratet gewesen. fXach den Mittenung'cn
des Hrn. Archivratt Dr. P^anaeiifliänud in Colmar ; vgl. auch frantfi
a. a. 0. Seite 7.)
» Rap poltet üik.*B. 8M. Knnignnde TenMltte ikn später
anzaschwärzen ; ihre Aussagen onter den AktM in Ben. AiekiT von
Ober-£(iasi, Familie Hangentein VI, Nr. 8.
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Sehlossknechtes, der Kmiigunden zur Flaefaf am Hoh-Bappolt»
stein verhelfen wollte, an. Endlich stimmt das einiigo Zitat, das
Sporrer aus seiner cUrkunde» anführt, nur dem Sinne, aber
nicht dem Wortlaute nach mit Luk Oberein.M Anderes über-
gehe ich hier, um nicht das Interesse an der Novelie vorweg-
zunehmen ; man findet es in den Fussnoten unter dem Texte.
Auf keinen Fall scheint die Annahme gestattet, dass Sporrer
Luks Rappoltsteinische Annalen gekannt habe. Sein Manuskript
beündet sich in der Coimarcr Stadtbihüothpk, deren Bil>1ioth^»kar
Herr Dr. Waltz es uns guti^'sl zur Benutzung uberlassen hal,
und trägt die Nr. 5074 AI. Kme ebendaselbst befindliche Ab-
schrift von X. Mossmann ist an vielen Stetten ungenau.
Kunegpunda Von Vn^erstein.
Ton BapMTt tponer.
Diese wahre Geschichte, welche in einer alten Vrkunde
des Vralt- Adelirben Geschlechts der h'dlen Von Vngerslein [ge-
funden worden und in einer f^edruc klen l>eylage, in einer schaff-
hauser Zeitun^^' im Jahr 171M} erschienen, hat mich Veranlast
eine kleine Historie zu schreiben, weilen mir das schloss Vnger-
slein nicht nur allein wohl bekant, und ganz nahe bey der
statt gebwiller im oberen Elsas ligt, sonderen in meiner
jugendt sehr oftt Von einem alten Mütterchen die daselbst
wohnte, Von einem Ritter willhelm Von Vngerstein erzählen
hörte, welches mir aber beVor ich den auszug obgedachter
Vrkunde zu lesen bekam, Vihlmehr ein Mfirchen als eine Wahr-
heit zu sein scheinte. weOen disa enfthlungan enÜfish nidit
QbereiiistimtaD mit der wahren Geaehichte»» und man fiwt Ton
jedem alten schlösse allerhand histörchen enililt. auch würde
mir diae gesebichte als ein Roman Torkommen^ wan mir nicht
obiger anaasug Von ohngeflUir zu banden gekommen wSre,
bitte auch den Gen(e)igten laaer mir allenlallsige fdiler die
nicht im Gelehrten Thon klingmi^ vol Tennen dan ich kein
historienacfareiber, sonderen ein bi(l)dhauer bin, und diese ga-
schicbte 80 nach und nach bey winterabendten für die lange
weil zu Tertreiben, susamengesezt habe, weil ich es wohl der
mühe Werth glaube.
24 S. unten Anm. 44.
26 Ist kein Widerspruch, sondern soll keissen : schon bsTOX ich
d«a Auszug' — die wahre Öesohichte — zu lesen bekam, hielt ieh
die Erzählung des Mütterchens für mftrehenhaft, und dies werde
nan daroh einen Vergleich mit dem Aassuge bestätigt.
U
102 —
Rillcr Wilhelm Von Vngerslein der letsle seines stammens
lebte im 14ten Jahr hundert Rubi;; undirn frieden, auff dem schloss
Vngerslein. er war an Geld und jjut selir iieich, seine Schwester
jiha weiclie bei Jhme wohnte, und eben unter einer schaltigen
finde in» schlosshofife neben Ihm saasse, sprach zu Ihme,
bru(ier, es wäre doch schade, wan ein so Edler stamm wie der
Vnserige erlöschen solle, du Must dir eine Gattin aus einem
Edlen Geschlechte suchen, damit du Erben bekomst und unser
Edler stamm nicht mit dir absterbe. Thuest du diäes bruder dan
sterbe ich zufrieden.
williielm. — Treibest du. spass mit mir Schwester oder
ist dir ernst. Doch wann ich wüste das mich ein gewisses
fräulein so ich jüngst bey einem feste gesehen, heurathen wolle,
ich glaube ich liesse mir es in meinem alter noch gefallen sie
zu freyen. aber was schwazd ich. jeder junge Ritter würde
mich beneiden, und mich einen alten Gäcken schelten, und das
fräulein selbst w&rde mich Verlachen.
Itha« dich Verlachen hrnder, das glaube nicht, dan
jedem ist bekandt das willbellm Von Vngefstein seine Jungen
Jahre in heiligen zügen gegen die Saracenen sugebracht hat,
und immer den weeg der Rechtschaffenheit gewandelt, und in
die fussstapfen seiner Tapferen VorElteren getretten ist, dessent-
wegen wird dn jedes fräulein» wer sie auch Immer sein mag
deine band mit willen annehmen, und jeder Edle Vatter dir
seine Tochter geben« du hast ja Neulich selbst gehört, auff der
bürg Wildenstein ' wie alle dort Veraamelt gewesenen Edlen
bedauren worden wan der heldenstamm der Vngerst einer er-
löschen solte. Nenne mir das fräulein, ich will für dich um
sie werben und du wirst meinen antrag gelingen sehen, so
wahr ich jtha heisse.
w i 1 1 h e 1 m. — ich weiss zwar wohl da^ dir die zunge gut
gelöst ist, aber Qberlege Schwester 65 Jahr und 7 Monath zähle
ich schon und meine hanre >^eind schon weiss wie schnee, und
das fräulein zählt kaum 18 jähr ist .schön wie ein engel, und
alle Jungen Ritter beneyden einander um Ihre Gunst. Nein
Schwester ich Kenne sie dir nicht du würdest selbst meiner
spotten.
Itha. — dein Edler stamm ersezt dein alter, wie Vible
Ritter in di.ser gegendt können sich Rühmen schon im lOten
jähr hundert bey Turnieren üregenwärtig jrcwesen zu sein wie
die Vngerslein. deine Güter deine schä?.e ersezen deine weissen
haare, dein gebogen haupt welches dir zur Ehre gereicht, komt
£• ZvL Oberst im &i. Amariathal.
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- 163 —
von deinen Mülieseli|(^en kreuzzü^ea her welchcb jedermann
bekani ist. deine falten im Gesicht werden durch die Narben
der sabel hiebe der Saracenen noch Verherlicht, dan sie heweiseii
das du als Mann Von Ehren gefochten hast. Nenne mir das fräu-
lein wiUhetm, und mein Antrag wird gewiss nlcfat fehl schlagen.
willhelm. «— mii du iiaii alles ao Gut ani meineoi Vor-
iheil auslegen kanet^ so will idi sie dir dan Nennen, eher lache
nidit Itha es Ist — ach idi mus seihet lachen fiber meine
Thorfadt. es ist kunegunda Von Gielsperg, ilie Tochter Hatos
des wilden, wie man Ihn su Nennen pflegt.
Itha. — kunegunda von Gielspeig ha. ha« du hast einen
guten Geschmack hruder. dises ist Creylicfa das scfaOnste fräu*
lein im lande, die Von einer menge Ritletn angebettet wird,
aber dessentwegen darlbt du den muth gar nicht sincken lassen;
Ihre Mutter war in meiner jugendt meine busenfreundin, ich
war mit Ihr im kloster, und sie wird Von Ihrem Rohen hato
sehr übel gehalten, wie auch das frftulein kunegunda und Ihr
hruder Radbold*
willhelm. — um so mehr, wird kunegund sich Trachten
zu VerElichen. ich habe auch bemerckt beim nemlichen feste,
das sie mit heinrich Von hohenburg," liebäugelle ; dessent-
wegen deine Werbung nicht geHngen wird, und zudeme ist
hohenburg sehr wohl heym keyser empfohlen, wo er gewiss
eine erträgliche stelle hoffen kan.
Itha. — liolTen und schon haben ist zweyerley. und der
RechtschafTne mus die Ehre nicht durch die stelle suchen,
sondern er mus der stelle die Ihm anVertraut ist Ehre machen,
und dises kanst du dich Rühmen jederzeit gethan zu haben,
heinrich Von hohenburg ist freylich ein schöner Muthiger Kitter,
aber die liauptsache fehlt unterdessen doch, lieralich dein Ver-
mögen, dan wan auch kunegunda würcklich heinrichen freyen
wolte, so würd es der wilde Ilato <iennoch gewiss nicht au-
lassen weil heinrich kein Vennö^ea hat.
willhelm. — du hast wohl Recht, aber dennoch förchte
ich die sache möchte Misslingen und ich würde mich schämen.
Itha. — ich hin ganz gewiss Unterricht, das Hato sehr
in eebulden steekt und seine Tochter nur an einm Reichen
Ritter sucht mVerEhlichen» um durch einen solchai £ydam sich
widerum herauaiuheUfen, nun sage mir hruder wo ist gleidi
ein Reicfaefer als du hist
willhelm. — das könte angehen, ich Aherlatse dur das
Geschäflle du hist geschickter darzu aU idi.
AugensclKÜAUoh eine Gestalt der diohtehsoheii Phantasie &.
Spefrsfs*
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164
Ttli a. — Nun frisch gewagt, ist halb gewonnen. Morgen
wei Je nach Gielspeigß bürg Reisen, unter denrt Vorwand, nricine
alte gespihlin berlha (so hies kunegundens Mutter) wider zu
sehen, und da gibt ein wort das andere, und darzu ist bertha
ein Gutes deutsches weib, deim ich inicfi sicher ;in\'ertrauea
darfT, und die nur das Glück Ihrer Tochter suciil, und dich
ohnedemc hoch schäzt.
w i 1 1 h e 1 m. — Nun Gott geleite dich Itha, nimm Rosse
und diener so Yihl du wilat mit dir, und komme bald wieder.
Nun habe auch für Gut geAinden eine kleine Erzählung
Von kunegundena herkunflt zu machen.
In dem GebGrge der Vogesen, Ragen noch die Trümmer,
dea ierat(^rt«n achloaaea Gidaperg 1>aurig Ober schwane
Thannen herVor, und ein heiliger achauer durchfthrt den ein-
sammen wanderer, wan er beym anbliek auff dem xuckerstock-
IZIrmigen lierg, dieee Ehmahliga Veste bürg betrachtet« und
daJiey das schicksaal Menschlicher dinge erwigt. — in disem
einsamen nun im walde Versteckten schlösse das nunmehro
eine wohnung der NachtEuIe und der Räuberischen sperber ist,
erblickte kunegunda das liecht der weit. Ihr Vatter Hato von
Gielsperg, ein wildfang ohne seines gleichen, sprach am Tage
der NiederkuniR seiner bertha. weih, ohne zweyfel wirst du
bald Niederkommen, ich will dir zeigen das ich ein zärtlicher
Gatte bin. ich will heute auff die jagd gehen, und alles wildl
was erlegt wird soll dir zu lieb auffgezehrt werden, am Tage
deiner Niedei kunlTt. auch soll deine gesundheit aus meinem
grossen bächer gedruncken werden, wann auch ein fass geleert
wird Tbut nichts, es wäcbs dises Jahr wider wein genug, da
nahm er sein jagdhorn, und blies so stark hinein, das der
Guten berlha die obren Gäliten. da bertha ein Missfallen ab
diseni gehörn bezeugte, sprach hato zu Ihr, ich sehe \vö)il das
du kein Musicalisches gehör hast, ich will dir aber mein jagd-
lied singen, daran ich schon lange Jahre studierte, und heute
ausgemacht habe, ich habe es mit unserem Schulmeister zu-
saniengesezl der beynahe s(» ein gescheider kopi ist wie ich,
es ist nur schade das der mcker nicht Von Adel ist. Nun höre
dan. und er fieng so zu singen an.
D%B jagen ist mein Ortete inst
zieh's allem andern für
man ist so frisch, rennt durchs gebüich
als wie ein wildes Tliier.^^
M Per Yen ist aasgestriehen and damnter steht : und That
als wie nä Thier«
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— 165
bertha koate sich des lachoii niehi enthalten, ich habe
mir es wohl eingebildi sprach Hato, es werde dir gefallen, es
ist sich aber nicht zu Verwunderen, lebe indessen wohl bertha,
und mache das du mir einen wackeren hüben brinjfst, hörst
du's. da nahm er seine Jäger und Hunde, und ^ien^^ mit
Ihnen auil die Jagd, sie blieben die ganze nacht aus : erst am
morgen Näherten sie sicli der burpf wieder, und der Thurm-
wächter köndlirte die ankunflt seines herrn, durch das blasen
seiner Tronipette an. und alles lieff Ihme enti^'^ej^'^en, um Ihme
Glück zu wurischen wegen I>erl}ias Glücklicher NiederkunlTt.
was hat sie dan zur weit g(e)biachl, sprach er zu einet dort
stehenden Magd, ein schönes Mädchen gab dise zur autwort.
Ey was zum Geyer schere ich mich um eine dirne, spmch er,
war wohl der Mühe werth das ich mich die Ganze Nacht
plagte und so Vihl wild erle-:te we^n einer pHannerin. er
gieng die Treppe hinaufl und ferride in berlhas zimraer, und
machte der guten frau die oljren äo Voll Von erzählung seiner
jagd, das sie um disem Verdriesslichen Geschwäz los zu wer-
den, befahle, man soite das Neugebome kind anhero bringen,
wdchas er aber ent nach noch Vihlam mäh]^ «idlich an-
ackaoete. pu — udeha Nase, wie moia mido» dar mir be«t
Naehl einan dacha labandigf ana dar äOUe hanins geholt liat,
doch iat diese nicht ao acfafio wie die* mdam Mopsen, aeht dt
daa Hanl ohne lilme, sie hat ja eine furlie wie ein gea o t ten a r
kraba» Augen wie dar Gresia kalar wan er auff die Iiiina
laurt, fort mit dem fraaengeaii&t, ea gram ja iria ein apan»
flrekel. waib^ aprach er, ich waide mich ein wwg achlaffon
legen, und wan ich wider wache, dan aolst kdren, wie wir
heute Nacht ahenthaor heatanden, und wie meine hunda sich
auffgeführt hahen, und er legte aich an bette» ao war kom*
gundens Valter, aia arfala auch einen Grasen Thtil aeinflr
Wildheit« konle aelbe aber heaier yeilMife& ala Ihr Yatter» daa
aie war sehr adialkhafft.
Nun kommen wir widernm auff unsere Hialoria.
des anderen Tage machte sich Itha auff den Weeg mit
Roes und knechten, und nachdeme aia dber herg und Thai
geaogen, kamen sie da es schon Nacht wäre, an den fuss des
bergs worauff Hatos bürg stuhnde. Mayestetisch scigte sich der
hohe wachtthurm im blassen Mondeschein, auff welchem ein
feuer brante, welches den Reisenden zum leiiatarn diente, wie
diamanten funckelten die Glasur ziegel auff dem dache, sie
stiegen den luckerstock-fSrmigen berg hinauff, und kamen
endlich an die schon Verschlossene porten des Schlosses, wer
aeyd Ihr Ruffle ein Wächter, und was ist euer Verlangen.
Itha. — wir aind Ikbrande und Verlangen Nacbiheri>ei:ge
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— 16d -
in diser bürg, und ich eine Ehmalige schuhlgeäpihlm Yod deiner
gebieteriii. Meide Ihr dieses.
Der Wächter Gieng sogleich, und Thate wie Ihme auff-
getragen war. (Uato war eben abweseudt ;) und beiiha aehickte
sogleich den achloasVogt mit einigen kn«chfen, um die Thore
zu öffnen, er befiihl auch aeinen knechten su beyden aeiten
mit brennenden feckeln au leuchten, er aber gieng zu Itha und
sprach lu Ihr» ziehet ein Edle frau in die bürg meines gebieten,
nnd befielet mit was ich euch dienen kan.
Itha. Gehe zu bertha deiner Gelneterin» und sage
Ihr, Ii ha Von Vngerstein seye gekomen sie zu besuchen. Der
schloesVogt That^ wie Ihme befohlen war. bertha käme sogleich
Von kunegunda Ihrer Tochter begleitet.
sey mir dauaendtmal wittkomm werthe Itha, achon Vihlo
Jahre war mein sehnlichsler wünsch dich nodi einmahl au
sehen, wann es in meiner Gewalt gestanden w&re, ich wtlrde
längstens schon nacher Vngerstein gereist sein didi zu uro*
armen.
Itha. Eben dieses war auch schon längst mein gros*
tes Verlangen, mein bruder^ der dein haus sehr schSzt, hat
mir dises Gefolge das ich bey mir habe, ausrüsten lassen und
sagte zu mir, ziehe hin zu deiner Freundin bertha, uad erfreue
mich mit der Nachricht das sie sich wohl finde.
hertha. — der Gute wilihelm, dausendt danck dem Edlen
freund. 0, wann ich im stände wäre Ihme dieses zu Vergelten,
Von Grund meines herzens wolte ich es Thun, und ich auch,
sprach kunegunda die dem Gespräch zuhorle. lielve fienndia
sprach bertha du wirsi Mude sein Von deiner Reise , ich will
dir und den deini^en ein Gutes Nachtlager zuljereilen lassen,
und Morgen will ich mein Herz Vor dir ausschütten.
Es ist auch wörcklich ein wahres GlQcke seine leiden
wahren freunden klagen zu können, dan der leidcute gebraucht
Rath und Trost, man uahia ein kleines Nachtmahl und Gien^^
zur Huhe. kunegunda wachte noch lange und sagte zu Ihrer
Magd^ was mag wohl das zu bedeuten haben, das Itha Von
Vngerstein so pldilich bey Nacht daher komt.
hm antwortete die Magd, unsere Gnädige frau zu besuchen,
wie sie ja selbst sagte.
du Magst mir sagen was du wilst, sagte kunegunda, das
{Qus was anders sein, sie hat mich ja immer angeguckt als wan
sie in mich Verliebt wäre«
so denckt jedes schöne Mädchen wan jemand zu Ihr komt.
sie schlieff nun endlich auch ein bis am folgenden Tag.
bertha war die erste die den anderen Morgen auf! war.
und machte anstalten Ihrer Theuren freunditi ein recht gutes
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frahflslück suniberaiten« itha kam endlich auch, und man seile
neh und Genooe das früheatück, und alles war fröhlich, da man
nun fertig tvar^ befahl bertba der kuncgunda fOr das Mittafr-
niahl zu sorgen, und sie Gienge mit Ihrer freundin Itha, in
den nahe beym schloss gelegenen liodenwald, welcher eben in
Voller blOhe war, und seine balsamduffle weit und breit aus»
spendete, da sie nun sich allein Glaubten^ fieng bertha mit
Ihrer freundiu so zu reden an.
die Glücklichsten Tage meines lebens habe ich an deiner
Seite erlebt Hebe Itha, (und sie umarmten sich,) da ich nun
Von dir j^eti'ent wurde, zwange man mich einem Mann die
band zu geben, den ich wej^'en seinen rohen Sitten nicht lieben
konte. obwohl er kein Verdorbenes Herz hat. aber seine er-
ziehung" ward Vernacblässigt, dan weil er der einxige söhn
eines Fieichen Vatters war. so wurde Ihm alles zugelassen, er
Verliebte sich dermaassen in die jagd, das er sonst sich zu gar
nichts widmefe, auch sich sonst mit prar nichts beschfitTtigt,
keine Überlegung hat, alles was er sieht haben will, um] des-
sentwegen schon Vihle Güld-brieffe Versezt, die er nimmer zu
lösen im stände ist. und ich beförchte in meinem aller noch
darben zu müssen.
beide freundinen Vergossen häuffige Thränen bey diäei
erzählung.
Itha. Gute bertha, ViUe freude empfinde ich twar
dtdh zu sehen> aber dein Ynglück schmettt mioh dermaasen
da« icb ea nicht ausmdrficken Vermag, doch Mie freundin»
nach dem Begen komt schön welleri ich kan dir ViAeidit dh)
in deine wanden giesaen, besonders wan du dann bey tragen
wilst, und wir werden noch nftbere freundinen werden.
bertha. — ach Rede liha» wan ich ja mein leben in
Gefahr seien milste» um dir g^fig zu sein ich wolle es
gerne Thun.
1 tha. «*- Nun weil du mir dein antrauen geschenekt hast»
so will aoch idi die spräche der AuflHchtigkeil mit dir spredien«
du kennst meinen bruder^ welcher sehr Reich ist| wie du schon
ottt wirtft gehört haben, "und noch ludeme bey jederman in
gutem Ruff steht, er ist der letste seines stammens, welches for-
derst mich und alle bekanle Edle die Von den Tiiaten der
Vngerstein wissen sehr kräncket, weil diser Edle stamm gefahr
laufft mit meinem bruder abzusterben, weswegen Ihme jeder-
man Rathet sich mit dn^ff) Edlen fräulein zu VerEhiichen,
damit doch diser alte stamm fortgepflanzt würde, und da wir
jüngst so allein hev einander sassen ich und mein brud»^r und
über disen Gegenstand sprachen, so eiktärle er mir das er
deine Tochter zu seinem weih wünschte, ich Versprach Ihme
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— 168 —
90gleich| eiDo ReiM fu dir lu machen» und dir diseii antrag
kund XU Thun« deine freundschafft fär mich ^hl noch ohn*
Veigeasan hoffendt. deine Tochter würde Glückliche Tfige an
der säten meines braders erleben, und ich wurde Mutter- und
Schwester stelle an Ihr Vertretten, und unser A^ndschafits»
band wurde durch die anVcrwandscbafTt Noch mehr befestigt,
auch wurde mein bruder deines Uato schulden gewiss, bezahlen,
weil er dessentwegen nichts manglen mOste* hier hast du mein
Geständnis.
berth a. — 0. liebste Itha wieGlöcktich wurde ich sein,
wan das scbicksaal mir so Günstig wäre und uns durch Neue
freundschaffts bände noch mehr zusamen knüpfte; aber als wahre
fraundin auffrichtig wie eine deutsche, mit dir (j^esprocheUy kan
ich dir und deinem bruder solches nicht Rathen.
Itha. — erkläre dich bertha, was hast du für ausÜüchien,
ist dir elwan mein bruder nicht anständig,
berfha. — wie kaust du so Reden Itha. ich will dir
eine Neue probe meines Zutrauens in lieh geben, .wisse das
weder Miller willhelm noch du durch meine Tochter Glücklich
würdet, dan das Mädchen li tt (lan/. die Wildheit Jhres Vatters
und ist darneben so schalckhalTl das sie Ihre bosheiten auf
eine sciilaue art zu Verbergen weist ach das macht mir noch
den Grösten kummer. dises gestehe ich dir als freundin, damit
du nicht einst sagen kanst ich hfttte dich angeführt, dafür be-
wahre mich Gott, in einer so wichtigen Sache dto walurheit zu
Yerhehlen^ wäre ein Grosses Verliiechen.
wie vihle der beuttgeu Hitler wftrden so sprechen, son-
derbahr wan es um eine Reiche beurath zu Thun ist, da
würden alte fehler zu Ihren Gunsten ausgelegt, auch wann ein
lediger Mensch Von einer Mutter als ein Mann der alle fehler
hat, ausgeschrien ist, wan er komt und fordert Ihre Toditer
zur Ehe, so hat er sich in einem augenblick geändert, und
bat nun alle dugendten, wan die beurath der Tochter, der
Mutter in Ihren kram Taugt.
Itha. — Gute bertha deine AuffrichUgkeit bewegt mich
bis zu zShren, du must aber überlegen, das, das Mädchen
noch Sun^ und an willhelmen einen Rechtschaffenen und Ver*
nünffligen Mann bekomt, der Ihr, Ihre fehler au£f eine an-
ständige art wird wissen abzugewtiinen ; und ich werde mir
alieerdenckÜche Mühe geben, sie zu einem Guten weih zu bilden,
und ohne deme änderen sich junge leulhe gewöhnlich, wan
sie in fremde häuser kommen. i(i;uil)e mir bertha du wirst noch
freude an deiner Tochter erleben, deucke nur wie Ruhig wirst du
schlaffen, wan du dein ken kanst meine Tochter ist Versorgt, dnruni
gebo deine einwilligung, und für das übiige lasse mich soi^eu.
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— 169 —
bertha. — Gott gebe das ddn« Prophezeiung wahr
werde, wann du Glauben kaust, das meine Tochter so aus*
&llen ktote, ao seist du Von meiner selten mit Gröstem Ver-
gnügen mdne einwilligung haben, ich würde mich die Glück-
lichste aller weiber schAzen, wen ich einmahl Vernehmen
würde das du und dein bruder Glücklich mit Ihr leben würdet.
— — aber ich fSrchte das GegentheiL
Itha« — ich habe dir schon gesagt, du sollest mich für
alles sorgen lassen, aber Glaubst du das dein Gemahl seinen
willen auch darvu geben werde.
b«-rtha. — für dieses kan ich dir zwar nicht schwören,
aber er sch&st das haus Vngerstein zu hoch als das er es solte
abschlagen, und zudeme, kan ja seine Tochter kein grösseres
Glück erwarten, ich werde, so bald er wider nacher hause
kernt Ihme den Vortrag machcMi und dir sogleich Nachricht
Von allem geben aiilf das darfFst du zählen.
Itha. — Gute bertha, Thue das. o wie Glücklich würde
ich sein wan ich die Tochter meiner jjeliebfen bertha, meine
Schwester nennen konte, aber glaubst du das Kun^unda auch
werde zufrieden sein.
bei tlia. — o ja dan die Guten Täge die sie bey Jhren
Vatter hat seind leiclit zu zählen, obwohl er sie sehr liebt, und
Mädchen wan sie können Reiche frauen werden, sind fast
immer zufrieden, übrigens, werde ich dir Von allem genaue Nach-
richt geben, und wie ich hoffe eine Gute, dan ich werde
Kunegunda sogleich ausforschien.
Itha. — aber zögere nicht lang bertha, damit wir wissen
auff was wir sihlen können.
bertha. — so bald Hato wider surOck sein wird, beVor
S Tig Vorüber seind seist du schon Nachricht haben, komme
indessen Itha, wir wollen sehen ob das lltttagmahl lubereitet
eeye, und dan wollen wir sehen wie wir den Nachmitag am
angenehmsten zubringen können, und so giengen sie band in
Hand durch den wald neben einem kleinen back, welcher
durch seine Vihlen krümmnngen und ftlle über felsen und steine
ein angenehmes gerftusch machte, und so Näherten sie sich
allgemach der bürg wieder, wo kunegunda Ihnen entgegen
hüpfte, um Ihnen anzukünden das, das Mittagmahl zubereitet
seye. Sobald sie in die bürg ankamen sezte mau sich zu Tische,
und alles war fröhlich. Itha dranck aulf die Gesundheit Juncker
Hatos und bertha und kunegunda auff die, des Ritter wilhelm.
Er lebe dausendt Jahr, sprach kunegunda und stürzte den
bächer aus.
Tthn. — danck dir schönes kind, das du an meinen
bruder denckest.
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170 -
kunegunda. — Ey warum aoltoii dan die Mflddifiii
nicht an die HSnner dencken sonderbar an Bolche wie Ritter
willhelm«
Itha, — du kennst Ihne also lidies MSdehen*
kunegunda, — ja ich hahe Ihne hey einem feste in
Gebwüler das die dortigen^' Edlen gaben gesehen, und jeder^
man sagte er seye der Bechtschaffneste und Heichsle Ritter
im lande«
Itha. — so. und ich habe willhelmen sagen gehört du
habest Ihme am besten Gefotlen von allen fr&ulein die gagen-
wftrtig waren» er hat mir auch ein kleines Geschenck für dich
mit gegeben» welches du als ein seichen seiner besonderen ach*
tung für dich annehmen wirst; hierauff sog Itha ein iSd^en
herVor und Übergab es kunegunden, wefche es annähme und
Ihre Mutter fragte ob sie es Mfenen dörffle. diese erlaubte es
Ihr, und seife hinzu» weit dich Ritter willhelm seiner fireund*
schallt würdiget» so ist deine asfauldigkeit Ihme gebührendten
danck abcustatten.
kuneguoda öffnete das Iftdcben, und fand zwey armbänder
wie auch ohren behänge, Von Gold und mit Edelgesteinen be-
setzt, sie sprang in die höhe Vor freude und Verwunderung,
und fiel itha um den Hals und küste sie. 0 wie bin ich doch
dem Ritter willhelm so Gut, spraeh kunegunda, dancket Ihme
Vihl dausendmahl in meinem Nahmen. Edle frau. ich war Ihme
schon gut da ich nur Von Ihme sprechen hörte, aber jezt
empfinde ich so etwas für Ihne das ich nichl ausrodrucken
Vermag. 0 der werlhe Edle Mann.
indessen war das mittagmahl Vorüber, und bertha und
Itha Gient(en wieder in den lindenwald. indessen kunejiunda
mch mit Ihren g^escheiicken zierte, und sich selbst nicht Genug
Vor dem Spiegel betrachten konte. da indessen herlha und Itha
noch so manches im Vertrauen mit einander sprachen, so
pienf?pn sie wider allgemach der huv^ zu, wo Itha Ihren
dieneren befahl sich auff den folgenden Tag Reisefertig zu
machen, man Vertriebe sich den Abend bis in die späte Nacht
mit kurzweiligen Erzählungen, wo kunegunda die fröhlichste
Von allen war. worauff man sich zur Ruhe be^ab. den anderen
Tag nähme Itha Von Bertha und kunegunden absrined, und
dise wünschten Ihr Glück zu Ihrer Vorhabenden reise, kunc-
es beweisen sehr Vihle häuser in Gebwiller das daselbst
ein sahlreicher Adel müsse gewohnt habeu, an den Meisten diser
hiossren waren noch Vor (der) Bevolntion wappen zu sehen, wslehe
diese meinuTig' bestättigten. auch Tragt der plaz dpn Nahmen noek,
wo die Edelleathstabe oder ^imlä war. (Anmerkung E. Sporren.)
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— m
gunda Gab Itha als selbe achon tu pferde steigen wolte noch
äne(n) feurigen kuss und sprach , das ist für Ritler willhelm,
und alle anwesendte lachten über Ihre offeDberzigkeit. und so
Reiste sie mit Ihrem Grefolg fert, und kam am folgenden Tag
wider nacher Vngeratein, wo sie Ihreaa bruder sogleich alles
erzählte und Ibme gegründete hoffntiiig inacbta, da« Ihr sweck
erfüU werde.
indessen warfeie man auff »juncker Hato, welcher nach
etlichen Tagen auch wider zu Gielsperg ankäme, und seinen
Sohn Radbold mitbrachfe, welchen er aufi" der uniVorsitSt zu
Heidelberg abgeholt hatte, 2;^* erzählte seiner heriha was er
auff diser Reise Merck würdiges gesehen und gehört habe, auch
sezte er hinzu, er wolle seinen buhen nicht mehr auff die hohe
sohiil schicken, indeme diser zulezt ein Taugenichts und ein
dummkopf werden wiirde. ja was noch das wichtigste, gar das
jagen Vergessen würde, er habe es auff diser Reise an Ihme
bemerckt, dan es seyen hie und da haaseii aufgesprungen, und
der TölTel hätte selbe nicht einmahl creseiicn, wan er sie Ihme
Nicht gezeigt hStte, er hätte mögen Rasend werden über den
dummen kerl. Nach deme legte er sich schlaffen, des anderen
Tags als er sehr Guter laune war, erzahlte Ihme bertha das
Itha Von Vngersteln bey Ihr gewesen sey sie zu besuchen.
Hato. — Itha von Vn;;erstein. was ist denn diser allen
bettschwester eingefallen das sie hiebero gekomcn ist.
bertha. mich au besuchen wie ich dir achon sagte,
dan in ignserer Jugendt waren wnr bejaaineii im kloster zu St.
atepban in atraabyrg^^a und waren sehr Vertiftiite freundinen.
Hato. poi Eleanent das iet waa anders, da nimt micha
nicht ' mehr wunder^ daa du Uaueat wie eine kase wann du
Mteat» daa komt fon 4em kloaterTbon. ich wohnte letalen
SoDfag dem hohen amte bey tu at. atepban in Strasburg, und
die Nonnett Mvaiiirteny daa war ein gefodel und ein Goiude),
i^ aaeihte ich kAate es nicht auriialten ; wann ich mein jagd*
hom gehlasen bitte, so würde man daa Ganae kaaengeschrey
niebt einmahl gebart haben.
bertha. — das glaube ich Gerne (sagte aie lächelnd)
aber hdre lieher Hato ich wolte dir Gerne etwas Entdecken,
du muat mir aber Versprechen daa du nicht böse darüber
werden willst.
Hato. — wann es was Gutes ist, warum solte ich dan
b&se werden. wUl etwan daa kloster Murbach oder andere denen
^ Aach davon weiss IiOk aiakta an bar iohCea.
80 £*Fefe Madaag Spovrers, wie aUes. was er Tan Itha und
Bertha «rafthlt^
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179 —
ich schuldig bin, bezalt sein« dan halte dein Maul ich ^vill
nichts Von Bolchen besuchen wissen, dan die kerls jagen mir
offt gaU in leib das ieh zerbersten mtehte, wan sie Ihr geldt
forderen.
bertha. — Nein es ist nichts Von diesem allem, Ilha
-war hier — um unsere Tochter für Ihren bruder als ^^'emahlin
SU Verlangten, wan du deine einwiiiigung darzu Giebst.
Hato. — Mordsapperment weib das wäre was anders, das
könte ein Guten schick abgeben wan es dem Gack ernst wäre,
der kerl i^t Reich Von steinalten Adel, und wir kämen eine
böse dirne loos. was hast du dan g"eantwortet,
bertha. — ich habe geaatwortet, ich wolie deine Kük»
kuDttt erwarten um dir Nachricht daVon zu geben.
Hato. — schicke Gleich nacber Vngerstein und Meldeich
seye gar wohl zufrieden.
bertha. — nicht zu Rasch liato. man niiis die sache
doch auch zu Vor überlegen und kunegunden auch etwas da Von
sagen.
Hato. — was hrauchts da Yihl .Weesens man hat zeit
genug sum überlegen wan die hoebMit Vordber ist. jeit aber
nt idne zu Verlieren^ sonst ktote es dte graukopf wiedsr
Reuen, hole mir kunegoodeD» und ieh werde Ihr auf «lae
Geacfaickte art den Vortrag maehen« und du sollft aebatt das
hato den köpf am Rechten fleck siwn hat«
bertha bebhle ihrer kammermagd kunegunden herhef an
rulTen, welche auch sogleich kam.
kunegunda. — Guten Tag lieber Vetter nnd Ifulteri
was ist Euer Verlangen das Ihr mich Ruften läst.
bertha. — Dein Vetter wird dir «inen Vertrag madwn
meine Tochter, höre Ihn an. und aie wandte sich au Iiiram
Vatter.
Hato. — kom her liebes Gunderl (so nannte er sie waa
er es Recht gut meinte); ich will dich so eben zu keiner heu*
rdth zwingen, aber wisse das willhelm Von Vngerstein Tödlich,
in dich Vernarrt ist, und dich zu EUchen Verlangt, eine Vor-
treffliche gel^i^eiiheif rt^'wh zu werden, die man nicht alle Tag
hat. der kerl |j;it klemodien, [»ferde, diener, Mägde, wein, kurf
alles in überüuss. und ist Von altem stamm, er hat einen Guten
Ruhm, dan er hat mehr Saiacenen köpfe herunter gesäbelt
als ich hasenköpfe. da wirst du eme Reiche Gnädige frau, und
wan dir der alte Verleidet, findest ja andere genug, als Valtei
war es meine Schuldigkeit dir dieses alles Vorzutragen, ich
hoflte auch du werdest meinem Vätterlichen Rath folgen, dan
ich meine es Gut mit dir. bertha wolle anch etwas darein reden,
aber hato htesae sie schweigen, und sagte es gebQhre nur ge«^
— 173 —
scheiden leuten, wie er fley« den kinderen gnte lehren lu fdiep*
null liebes Gnnderi was hast du einzuwenden.
k u n egnnda. — aber Heber Vatfer, Conrad Von liechtenau.*^
H a t o. was fraz, der du bist, ich will dir den Conrad
Von liechtenau mit der karwalsche geben, ja oder Nein, oder
die kanvatsche ; welche er auch wurcklich Von der wand nahm.
k u n e g 11 n d . — aber lasset mir doch nur einen ein-
zigen Tag bedenckzeit.
H a 1 0. — kanst dencken so Jang du wilst^ wan wilibelm
dein Mann ist.
be r tha. — aber lieber bato sey doch auch ein wenig be-
scheiden.
H a 1 0. — was, dansendt donnei welter woll Ihr weiber
gescheider sein als ich, und schwang würcklich die peitsche
gegen kunegunden, und sie schrie aus Vollem hal^e, ja ja
lieber Vatter ich will den Hitler Von Herzen Gerne, und sie
entfernte sich.
Hato. — hast du Gesehen b^rtha, wie listig ich Ihr das
jawoH heraus gelockt habe, den Gescliaden leuten Misslingt
halt sehen etwas, die gute hertha muste sich halt alles gefallen
lassen, um nur nkbt Von disem Rohen Mann lUsshandelt zu
Verden, sie gieng sn Ihrer Tochter in Ihr itmmer welche weinte.
her tha. — du kennest ja deinen Vatter meine Tochter,
hast du gesehen, wie imscfaiklich es ist wann man so Roh ist,
und du hast disen fehler so starek als ddn Vatter» du bist aber
noch jung, und kanst dir solche Sachen abgewöhnen, dises ist
audi mein MfltferlklMr Rath, sonsten wOrdest dn niemahl
GMeUich werden, und wan dn auch eine königtn wOrdest.
kunegunda* «-* ach was, Idi Yeriange ja gir keine
kAnigin zu werden, wann ich nur schon fran Von Vngerstein
wire.
her tha. — warum hast du dich dnn lang geweigeii
dein Jawort an geben da dein Vatter dir den Vortrag machte.
kunegunda. — ich habe offl sagen gehört, man müsse
nicht so dergleichen Thun als wan es einem so ernst wäre um
das heuratben, «on^t würden die Männer zu stolz werden.
indessen unterredete sich hato mit dem schloss kaplan,"
ob man willhelmen schreiben sollte, oder ob sie niiteinnnder
die Reise nacher Ungersteiii a(Ti)treten wolten. da wurde end-
lich liesfhlosFen, das man Ihme sclireiljen und zugleich ein-
laden solte nacher Gielsperg zu kommen, auff diese einladuug
Wieder eine Erfindong B, Sponrers.
S2 Weder der SohloBBkapkui Msh der ftüker erwikate 8ak«i*
meister ^ndeji sich bei Lok.
- 174 —
käme Hilter wiUhelm selbston mit dnem zahlreichen und
prftchtigen Gefolg.
Juncker Hato, welcher Von diser ankunfft bena(eh)nchttgil
war, Ritte Ihme entgegen, bis zu einem Jagdhaus wo er wiU*
helmen erwartete, welcher dan auch bald ankam, hato empfieng
den Ritter Vor der Thür des jagdhauaes.
Hato. — Gott xum Gruss Ritter willheimi es freuet mich
Recht sehr, euch bey mir zu sehen.
will he Im. — danck euch Juncker hato, ich bin so frey,
und komme auff die Einladung, welche Ihr mir zu überschicken
die Gute batet.
Hato. — Recht so Ritter willheim, wer sich lang bitten
!äst der kernt nicht Gerne, er sezle sich auch zu pferde und
Ritte langsam neben Ritter willhelrnen her. wo sie beyde sich
miteinaiuler über Vei schidenes besprachen, hato aber unterbrach
das Gespräche und sagte cseht Ritter hier wäre ich Vor zwey
Jahren in lebens gefahr. ein wilder Eber dem ich den fang
geben wolte, hätte mir bey nahe den garaus gemacht, wan
nicht mein wenzel (so hies ein anwesender Jäger des hato)
herbey geeilet wäre, und denselben mit seiner lanze durch-
stossen häLle, es war eia Verzvveyfüetes Thier er hatte ein
paar hauer wie Eleffanten zähne». willheim kante den hato
schon, und Thate dergleichen als hätte er ein wohlgefollen ab
diaem Crespräch, und so näherten ate sich allgeniaeb dem schloae«
der Thurm wftchter fieng an, seine Tromppette lu blasen, da
er den zug doi berg hereuff ziehen sah.
bertba käme auch mit Ihren kämmer frauen entgegen, und
als sie züsamen Treffen, sprach bertha zu Ritter wiUbelm, seiet
mir wilkomm Edler Ritter, diser Tag soll unter die Gläcklieheisii
meines lebens geiftit werden, da ich Euch hier sehe.
willheim. — Ihr aezet mich in Verlegenheit Edle tnxk
euch zu antworten, auch för mich ist dises gewiss der GlQckr
Uehste Tag, Von Euch Edle frau so Gütig auffgenomen m
werden. Iiä wünschte Von herzen solches Verdient zu haboiu
Hato. — schon gut, schon gut, wir wollen indessen ab«
steigen und das Nachtmahl einnehmen, dan ich kan nicht
recht hofflich sein, bis ich geessen und gedruncken habe, aiier
dan Thut es mir keiner Vor.
man stieg ab Von den pferden, und führte willhelrnen, in
ein für Ihn zubereitetes gemach, wo er sich umkleidete, kune*
gunda hatte sich bishero noch nicht sehen lassen, freylich hatte
sie durch ein heimlich loch geguckl, und den Ganzen zug ge-
sehen, welches Mädchen würde der fürwiz nicht auch gestochen
haben, ein gleiches zu Thun.
Nach einer weil kam Juncker hato zu wiilhelfnen, und
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— 175
sagte Ihme das» das nachimaU lubereitet seye^ und fahrte
Ihne in den speiaesaal» wo schon alles bereit war* aneh kune*
gunda ynr 86hon da. wo Ritter willhelm sie auff das b5fflichste,
bewittkomte. kunegunda danckie Ihme mit Vihler bescheidenheit
und so sezte man sieb xu Tisch. Nachdeme man mit Essen
und Trincken fertig war, Vertriebe man sich die seit mit
alierley gesprächen. und Juncker hato welcher wie g-ewöbnlich
eine starckc portion wein zu sich genommen, hatte Manchen drol-
ligen einfalle worüber sich die Gäste lustige machten. Erst nach
Mitternacht Gienge man schlaffen, des andern Tags stund Ritter
willhelm frühe auff. und gieng mit einem seiner diener, in
den Von seiner Schwester Itha beschriebenen nn^renefimen lin-
denwald. der Morgen war heiter und schön, und die Nachtigall
sang bezauberendt an dem Christall-kiaren bächlein, welches
ftnaiulhi<:: durch den Grasereichen boden dahin schlängelte.
will he Im. — das ist ein wahres paradies.
Diener. — ja — besonders waa das Iräulein kunegunda
darin ist, dan ist auch die EVa dann.
Hato der hinter einem busch stunde, und dem ganzen
Gespräch zuhörte sa^rt ja und Ritter willhelm der adam und
ich Gott Vatter, alle iiengen an zu lachen, und man wünschte
sich einen Guten Morgen, Nachdeme man noch eine weil im
Wald herum gegangen war, so leutete die Glocke auff dem
Thurm der schkws kapeile, welches da« zeichen zur Mes.«e war,
wo sieh aueb alles im seblosse hin Verfögte, nachdeme nun
die Messe aus war» Verlangte Ritter witlbelm mit Juncker Hato
und mit berthen allein lu sprechen, sie Giengen in ein beson-
deres ammer. woraufT Wilhelm Hato und berthen folgender-
mnassen anredete.
willhelm. — Juncker Hato und Ihr Edle firaiu, Ihr wer-
det mir Veninben das ich so irey war durch meine scbwester
um Eure Tochter ansuchen zu lassen, und weilen Ihr mich
eures Zutrauen« gewfirdiget, und mich noch Ober dies, durch
Euer freundschaffUiches schreiben su euch geladen, sonsten ich
es nicht würde gewagt haben hiehero zu kommen, so bitte Euch
auch zugleich, mir die gesinnung Eurer Tochter zu wissen zu
Thun, ob ich auch Von Ihr hoffen kan, was mir Eure Güte
schon zugesagt iiaU Ihr solt Versichert sein. da< ich Von meiner
Seite nicht ermanglen werde, sie mit aller gebührenden hoch-
schäzung SU hehandlen, und mich gegen Euch seit meines
lebens, als euren Ergebenen Eydam Verhalten werde, und mit
allem was in meiner gewalt steht zu dienen Verlange.
berlh a. — danck Euch Edler Ritter, für das zutrauen so
Ihr in uns sezet, wir schäzen uns Recht Clücklich euch unsere
Tochter an Vertrauen zu dörffen, und einen so schäzbaren £y-
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— 176 —
dam wie Ihr seyd zu bekomen. auch unsere Tochter die gleich
Vihl bochschäzung für euch bat, fühlt sich eben so GJücklich,
und ziehet euch allen anderen fär.
Hato. Ja das ist hey roeiDer Seel wahr Ritter will*
heim.
heriha wolte kunegunden holen, aber Hato Verhinderte es
und sagte still zu Ihr, er wolle sie gelbsten abholen, er müsse
Ihr Vorhero noch einigen Guten Unterricht Geben^ wie sie sich
iü disem augenblick zu Verhalten hntte.
er Gieng zu, Ihr auff Ihr zimmer und redt^le- sie al;;0 an.
)&it liebes Gunderl, ist der Handel so Vihl als richtig, du kanst
jert Gnädige frau Von Vngerstein werden, der keri weist nicht
(hs du ein so böses Rippe bist, du must auch bis du Ihne
hast, deine bosheiteu lleisig Verbergen, und wan du dich jezt
im reden Verfeh(l)st so kriegst du eine Tacbtel, das dir der
köpf an eine wand fahrt, aiäo mm dich in acht, hast du's
gehört.
Nach diesem fflbrte er sie in das Zimmer, wo willfaelm und
beftha Ihrer warteten, als sie in das timer Trat, wadite sie
eine TieCfe Verbeugung, und Ritter willheUn Redete sie fol-
gender Maassen an.
willhelm. — frftulein kunegunda. ohne Zweyffel wird
euch bekant sein^ was Yrsacfa ich es gewagt habe hiefam ni
](ommen. und wdlen Euer heir Vatler und frau Mutter, mir
Ihr Jawort gtlt%«t Verliehen, tu meiner Vermählung mit Euch,
so bitte ich Euch, schönste kunegunda ; das Joes tiber mich au
sprechen, und mit annehmung meines antrags, mich zum
Glücklichsten aller sterblichen zu machen.
kunegunda. — Edler Ritter, ich bin nicht nur allem
stell auff die Gunst so Ihr mir bezeugt, sondern ich schSie
mich sehr Glücklich die Gattin eines Mannes zu werden, den
so Vihle Vortreffliche eigenschafncii über alle Männer erheben
die ich kenne« ich werde mich auch stets befleissen Eure Huld
zu erhalten.
Hato. — bravo bravo, meine kirider Ihr Taugt zusamen
wie käse und brodt. kein Schulmeister köute besser Reden als
Ihr.
bertha. — der Himmel segne Euch und Gebe euch Glück-
liche T5ge. ich werde auch den Allmächtigen bitten, damit er
Euch lange und im irieilea leheti läst. Hato nahm kunegunda
bey der band und le'^te seihe in die des Ritters, und sprach
Ihr scyd Vereint, der hininiel will es haben und hato ist zufrieden.
Ritler willhelm zöge einen kostl)aren Ring herfür, und
steckte Ihn kunegunden an den finger. sie machte eine Tieffe
Verbeugung und sprach, nur der Todt soll mir dieses kleynod
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— 177 ^
entreissen. und sie bat um erlaubnus sich entfernen zu dörfTeo,
welches man Ihr auch bewilligte. Ritter willhelm h'es indessen
seinen Schreiber kommen um den iieura1I)> iionlrackt auilzu-
sezen. Nachdeme dieser Nun allen puncten zu papier ^t^sezt
hatte, sprach willhelm zu Hato. wann Ihr nun die mühe nehmen
.ivolt Juncker diesen Contrackt zu durchlesen, Villeicht wänscht
Ihr das einte oder das andere geändert zu haben.
Hato, — ausser meineni NaliineB ni sebreibeii lah& ich
es im studieren nicht weit gebracht, in der Mnsic aber, da Mn
ich weiter geknmmeny den wan kh mein jägeriied anff meinem
Horn bkse» hört man mich weit und breit, ich will aber den
sehntaneister kommen hunen, das eir mir es Voriese. er kan
so zimmlicb gut lesen, wan er es suvor hnchstabiert. man
Roifte den schnlmeistery welcher anch eogleiGh kam ; nnd dieser
läse einen artickel nach dem andMn. Hato hOrte anffmercfcsam
TO. es ist alles recht Ritier, sprach er aber das wichtigste ist
doch Vergessen worden.
willhelm. — und was dan Juncker.
Hato. — ein fass Gebwiller wein in den kau/T damit man
doch auch eure Gesundheit drincken kan. dan ich bin «n
Grosser liehhaber Ton einem glas wein^ sondeibar wan er
Gnt ist.
willhelm. — o so Vihl Euch beliebt Juncker, alles was
in meiner gewalt ist, steht euch zu Diensten» hier ist meine
band und sie gaben beyderseits die bände.
bey damahligen Zeiten wurde ein band Versprechen bey
denen deutschen so heilijr wie ein Eydsch(w)ur gehalten.
Nun ^va^ man beyderseits zufrieden und alles ^var Ver-
gnügt, und lu an bescliaf!^i jte sich mit bestimm iint^ des liocbzeit
festes, welches dan auch auil eine bestirnte zeit festgesetzt
wurde.
Ritter willhelm bliebe noch den tolgeudeji Tag zu Gielsperg,
wo Ihme zu lieb eine Grosse jagd angestellt wurde, als dieses
alles Vurbey, nahm er abschied Von kunegunden Ihren Elteren
und Ihi ern bruder Radpoid und kehrte frölich nacher Vnger-
steui zurück.
Nun Richtete man sich Von heyden seiten auflf die Hocli-
zeity welche auch gar bald mit Grossem pracht Vollsogen wurde,
60 Ritter und 40 Edle Damen begleiteten .den zug in die Idrehe.
Nach disem wurde ein prftchtig GastmaU angesteDt.
wie eine Glftniende Sonne schimmerte konegmide in diesem
sircfcel. alle« bewunderte Ihre schtahelt, nnd ihr anetindiges
betragen, man bemerckte die schhinge nicht, die unter den
Rosen Verborgen läge. endHch da die hodoeit fiMte Torfiber
waren. entfer(n)ten nch die Oiste, und wanechten dem Neuen
<
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— 178 —
Ehepaar Taasendt GlOek und leegen. dan jederman wanseb-
te daa der stamme der Vngmteuier mOdite fortgepflanit wer-
den« auck Hato und bertha Nahmen abacfaied. dieae Gabe
Ihrer Tochter noch Vihle Gute lehrea, und ermahnte sie
Gott zu lieben und zu ffirchten. damit sie lang und Glück-
lieh leben mOge^ und ao Verliessen aie sich mit Vihlen Thrft-
nen.
Radbold Icunegnndens bruder bliebe auflf Verlangen Rittor
willheims, zu Vngerstein, damit bunegunda Nicht allenfaJs das
heimwehe bekommeh möchte.
indessen unterrichtete Itba Ib^e Neue Schwägerin in der
hauswirlhschafft.
dan noch heut zu J ag würde eine walire (iel1t^5che frau
sich Nicht Glücklich schäzen Von welchem stände sie auch
wäre, wan sie sich nicht um die Haushaltung annehmen dÖrlUe.
und glaubte sie könte weder eine gute Güttin, noch eine gute
Mutter werden, eine in der That lobwürdige Meinung.
kunegunda schien die lehren der Itha sehr willij^;- anzu-
nehmen, aber zum Vnglücke starb diese das erste Jahr nach
der bochzeit. auch Ihre Mutter bertha starb fast um die nem-
liehe zeit,s3 worauff kunegunda niemand mehr förchtete. weil,
der gttte Ritter Ihr. m YihI dnreh die Finger sähe, so wurde
sie ausgeUssen und Yerschwoiderisch, und Ihr bruder Radbold
uBteratitste sie- und halif Ihre Versäm^den.
. 'Nadhdeme-aie Imn tefleng es sa arg «i' machen^ ao machte
Ihr der Ritler iwar Mera Voratelhinjieny aber es halff nichts'
nehrdan diese ji&nge beehmtin war aehon aiwier den aehraneken
der Yentanft nad der ISfarharkeit. aie spötte des Ritters und
adi&hpfte Ihne mit den Gr<U>sten ausdrfteken nnd ttaterworlen ;
und Ihr bruder Radbold, drohete dem willbe(l)m, wan er seine
achweeter nicht wolle machen lassen, was Ihr gefiele, so wolle
er eine zerstohmng eufT dem schloss Vngerstein anrichten, das
man lange Jahre daVon Reden werde.**
Der Gute Alte Mann wüste sich nun niclit mehr zu helfTen.
sie V-exkauiSle Ihme alle Kleinodien und GerathscbafTten sogar
w Beide TodesfAlle sind von R. Sporrer erfanden worden.
^ Nach Luk begehrte Kanigundens Bruder Werner, als er nftob
lansbraek Mkm wollte, etllshe üdhiotfen toii ssIbsb Sohwager
Wilh. V. Hungerstein, and als ihm diese verwcif^crt wurden, drohte
er mit den oben angeführten Worten. In der TJ r k a n d e heisst eb:
«da Wernher Qiel wolc ritten gen luäsbruck, vordert er au her
Wilhelm ron eMahett (Kleinodien) md tob sndeni, weit er jm nit
g-ebcn, sprach, kern er herwider. wolt aber ein ramor in dem schloss
machen da« man vonjm sagen mieste». (Aussage finnels, geweseaer
«kellerin» za Hangerstein, in den Akten d. Familie Hnngersteim «—
Bes. AveblT von Ober-Bsaas VI, Nr. S.)
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— 179 —
YeFMSte sie Ihme seine GOkibrieffe. ^nUhdfli sähe wohl ein,
das er zuiezt um alles das teinigo kommen würde, wessent*
wegen er GraiT Ku<io(l)ph von Rappo(l)tstein,M so dazumahi
landVogt im Elsas war, um hülff anruHte, das dieset- Ilime
doch Gegen das unbillige betragfin seiner finau und Ihres bniders
beystehen möchte.
Graff von Rappoldstein Versamlete zu (]i<=em Ende die dstnu
bestirnten tollen, und die sache wurde untersucht, and inau
fände das willhe(l)ni schon Tieff in schulden steckte, es wurde
also Verordnet, das dem Ritler zwey Iht iu r und kuneguaden
zwey Mägde gelassen wuiden. aus den ühn^rü einkünfRen
Sölten die schulden getilgt werden, und liadboid kuuegundens
bruder muste Vng-erslein veilassen.
Diese eingeschi jiiickte lebensarl behalte dieser Sirene nicht.
Nun sänne sie aull Rache, und aull was arl sie des Ritters
loswerden möchte, dazu bediente sie sich der AlJmachl Ihrer
Reize^ wordurch sie die zwey dieiier des (Utters zu bezauberen
woste« das sie mit Ihr in den schwanen tnachJag einwilligt^
Iliren Herrn bej der ersten Gele^icnheit tu ermorden. esaCondfL
aiieb gar nichi lange an» so stellte sieb eine gelegenbeit dar
diese ecfaröckiiche Tbat sn Vollnehen.
Dan als Ritter wUlhelDi einstens an einem schwOblea
Sommertag in dem Gewölbe seines scMoeses nm der k&blnag- m
genSeeien sasse^ lV«t kunegunda pVMKch mit des Rittere sw^
knechten in das GewOlbe.
kuneguttdfa. — bab^ ich dich endlich dnqiahl am
Rechten ort dii alter Geishals, schon lang;» warst du metner
Vnwürdig du Elender.
will heim. liebe Kunegunda. wo habe ich Verdient
das du mii mir alten Mann so Verfahrest, ich habe ja nur
Mittel gebucht dich wann du einmahl meine Jahre bekomst,
Vor dürfftigkeit zu schüzen, ich bitte dich misshandle micl)
nicht, und dencke das du die Rache des himmeb auff dich,
liehen würdest.
kunegunda. — Höre wiUhelm, es ist noch ein einz.jged
Mittel für dich übrige, dein leben, und die liebe die ich allzeit
zu dir halte zu erliallen. Thuest du das, — Gut, wilst du
aber nicht, so soisi au^eubhcklich Von meinen bänden auffdie
gräuhchste art sterbeu.
SS Wieder derehm uigstchiekäleh. Bi war Herr Smsiimianu
TOB Beppolutein, dem Wilhelm v. H. am 21. Jan. 1486 in einem
lang'en Briefe die Anfeindan^n Koni^ndens and deren Vaters und
Bruders g^en seinen Schai&ier Diebolt Loehmann klagt. Nebst Ant-
wort Yom il 1 im Bapp. Urfc. B. Y, 8661
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— 180 —
hiertuff zog sie ein pergament herVor, und sagte, hier
sdireibe einen brieff wie kh dir Ibne angelien werde, du seist
micfa «her nicbt fragen, welchen gehnpch ich daVon machen
wdle. es Sülle dir genug sein, das du dieh wider dardurch in
meine Gunst seiest und dein leben erhaltest.
Der Gute Mann mustesich nun alles gefallen lassen, und da
er ihr Versprach solches zu Xhno« gäbe sie Ihm zn schreiben
an.
wie das er setner Sünden und Misset baten halber^ eine
wahUhhrts Reise nacher Jerusalem m angetreten hätte, und
wegen seinem alter Vilieirht nicht mehr zurück kommen \\ärde.
so empfehle er seine liebe kunegunda dem schuz Gottes und
seinen freunden, und wr»n wie schon gesagt es der Göttlichen
Vorsicht gefallen sollte Ihne -niil der Reise sterben zu lassen.
HO erkläre er seine Theure Ehgeniahlin als ein/ifre erhin seines
Ganzen Vermögens. 97 DaraufT Gab sie Ihme sein eigen Sigii,
und er muste den Brief! Versieglen.
Hierauf! sprach das Vngeheuer zu Ihme, nun lieber willlielra,
weil du nun naeinen willen t>o willig Vollzogen so will dir auch
deinen lohn daiur geben, und sie wart! Ihme behende einen
strick um den hals, und der arme wehrlose Mann^ wurde Von
seinem eignen weib und Von seinen dieneren eidrosselt. sie
liessen Ihne bis in die Nacht liegen, alsdan nahmen Ihne
seine Mörder, und begrueben seinen Todten leichnam in den i
wald.tNi
Aber die* straffende hand Gottes blieb nicht lange aus. dan
Kachdeme der RHter ehiige Tage Von niemand gesdien wordien, i
That kunegunda dergleichen als mangle sie Ihne, sie schickle |
auch an einige orte nnd Hess fragen ob man Ihne nicht gesellen
hätte, alsdan gieng sie selbsten und fragte Ihme nach» und
That sehr bekfimmert, endlich suchte man auch im schloss Vnger-
stein Selbsten, und kam auch in obgedachtes Gewdihe wo man
dan den brieff.^fand»* man entsieglefe Ihne, und schlösse eln-
hsttig aus dessen inuhslt, das der Ritter nacher Jerusalem gereyst
iefs«
indessen starb auch Juncker Hato. er stürzte Vom pferde
auff einer jagd, und wurde Verschieiffl^ indeme er im steigliägel
seines pfenls hangen bliehe.^
M Bei Luk hsisit es nur: ein WsUiihrt in v.eytt& laiid.
S"' Davon berichtet Luk nichts.
'8 Bei GnndolsheiTn, wo er später aofgefu nden ward. (Bes.
Arch. TOD Ober-£lt»ass, F&m. t. HuogeisteiA, Nr. 6.)
M Naeh Luk wurde das Sefareitui aus dem Gewölbe genommem
and in des Ermor ^ ten Stnbe auf den Tisch gelegt.
4^ Wieder aas E. Spoxrers Phanta&ie öntapnuigen.
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— 181 —
hieravIF fieng kunegandft Ihr ftudiloaes leben auff ein
Neues an. wordurch sie aber sehr in Verdadit kam, indeme
sie sich ipU den dieneren des Ritters gar XU gemein nuichta,
ja sogar Ihnen dessen kleider schenekte.
Man fiöng an unterschiedlich zu muthmaassen. JEndlich
plagte das bose gewissen, einen diser diener dermaassen, das
er sdne Sünde beichtete.^! der beicbtvatter sagte Ihm, er
könne Ihn Von diser Grossen Missethat nicht kissprechen^ er
müsse solches der weltlichen obri^keit anzeigen, welches er auch
Thale. worauff kunegunda und der andere diener sogleich in
Verhaflft genommen wurden, der erstere führte die obrigkeit aufi"
den plaz, wo sein ermordeter herr begraben war ; welchen
man auch wöroklirh eikante, und mit Gebührenden Ehren
nacher Gebwiiler zur Erden beslatlele. den zwey knechten
■wurde das Vrthei! g-pPUll, das derjenige der es anzeigte noit
dem Schwert solle hmgerichtet werden, der andere wurde
Gerädert.
kunegunda wurde dem adelichen Gericht übergeben welches
sie nach den damahligen landessilten zum Verdräncken Ver-
urtheilte.*«
als nun die Richter das Vrlheil über sie gefallt hatten,
wurde sie in den sonders dazu bereiteten Saal Geführt, welcher
Ganz mit schwarzem Tuch behängt war. die Richter sassen
Rings herum aulF erhabenen bäncken, und j^inegunda wurde
von zwey schergen hinein begleitet.
weit Reizender war sie in Ihrer einfachen leinen kleidung
als in ihrem Crösten puz. Ihre pechschwaraseo haar hiengen
locken weis liber Ihre schulfern, Ihr schön blaues Aug, schauete
die Hichter Traurig im \ind sehänte mitleiden eiilehen zu
wollen, allen stunden llurAi^^n in den äugen, und der dasu
bestimmte konte vor sehluchien Ihr kaum den Sentenz ablesen,
welcher also lautet \
kunegunda Von Vngeratein
Dlsen M^hiyien du Ynwördig Getragen hast, und deinen
Gatten^ der dich mit Gutthaten überhAufiTle, auff die unmensdh
Jichste art ermordet, so ist das «Gerechte Vrtheil fiber dich
gesprochen ^rden, das du durch die hand des henckers Vom
leben zum fide sollest Hingerichtet werden, du hast zui* Gnade
Auch davon weiss Luk nichts zu berichten.
Bei Kiadler r. Enobloch, Obcrbadisohes Oesehleehterlraeh
1894. I. S. 441 findet sich unter Rudolf Oiel von Glattbyr^ die Notiz
(ohne Qnellenangabe), dass Kunigunde in Zürich verurteilt, au«
eem Wasser der L i m in a t gerettet and nach 3 Jahren auf Begöiur
des Landvogtes plrich von RappolCsteia ausgeUefort zu Bappolts«
woUer im Kerker gestorben sei. (n
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— 182 —
annoch acht und Vierzig ilunJen zu leben, wo du noch zeit haät
deine Grosse Missethat zu bereuen und Gott den Allmächtigen
bitten das er dir in deiner leisten stund heystehen, und deiner
armen Seel Gnädige sein wolle ameii.
sie wurde gefragt ob sie annoch etwas ein»twen<len hatte,
sie * an(t)wortete Nein, darauff ward nach damahliger ' 6e-
woiinheit der atab gebrochen und Ihr für die fftsse geworfen«
sie' hOrte Ihr Vrtliml mit vihler Gelassenheit an. worauff
sie wider in das Geftngnis geführt, wo zwey Getstliehe Ihrer
warteten, welehe sie bis an Ihr Ende nicht Verliessen;
die erste nacht scblieif sie fest ganz durch, allein da man
Ihr sagte» das sie die folgende tim Mitternacht Ihr leben En-
digen werde, fieng jsie ao sehr kleinmOthig in werden, sie
ränge die hände und weinte fest immer.
Die Mitternachts stunde wurde zu Ihrer hinrichtung be-
atimmt« nm den allzugrossen zutauff des Voicks zu Verhinderen,
aoch war dieses die bestimmte stunde für Adeliche, in solchen
fällen. Cndlic}i Rückte die schröckliche Mitternachts stunde
immer näher, und kuno^T^unda Gebärdete sich immer ängstlicher ;
uß(l die Glofkr* schlug zwöjffe. auff den schlag Traten die zwey
zur hinrichtung bestimmte zeug^en herein, und kündigten Ihr an
das Ihre letzte stunde nun geschb^en halte, uacb Ihnen folfrfe
der scharÜnchter, in einen Rothen Mantel einj^ehülit Von
zweyen seiher Trabanten bef^^leitet. bey disem anblick wurde
kuhegunda ohnrii^u htig.*» diese kehrten sich aber nicht daran,
und Ijamien Dir, Ihre Hände zusamen und iuhrten sie die
Treppe hinunter, wo ein zu Ihrem empfang bereiteter karren
stunde, man sezte sie Rückwerls darauf!, neben Ihr die zwey
Geistlichen^ hinter Ihr der scharfTrichter ; und so fuhr diser
T^rigo zun^ nach dem ort^ wo kunegnnda aolte ins wasser
geworffisn werden.
Die Nacht war finster und störmitMshT und der welterhshn
Girrte IVaurig auff den ThOrmen der nahe gelegen(en)
statt gahwiller. als ob sie diese TVaur geachtehte Verkfindigea
wollen. ^
endlich käme man an den bestimmten Teich, worin knne-
gunda Ihr leben Endigen aolte. man stellte die elende RAdklinga
an den Teich, und nachdeme sie den Geistlichen noch einige
Gebette nachgesprochen, zog einer der Henckersknecbte piöciich
dnen sack über sie, bände solchen unten zusamen, und wafife
sie ins wasser. der scharffrichter der autf der anderen seite
Bei Luk }>mdtt der J<{aeiuriclkter die Verurteilte (um sie zu
retten} so hfurt, «dasi ibr ein obnmaekt aakaaunea» uid wiift sis
daan ms Wasser.
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.j
- 183 —
des Teichs mrtele so^ sie langsam wider binaus^ und legte
sie in den dam Ijestimmteli. Todten Imuut. aldan entfernten sidi
die sengen, ünd befttblen dem sdiarffrichter sie an den ort an
begraben wo man die arme Sdnd^r an begraben pflsgte. und ,
enuernten sich.
Vnterdessen wartete ein Gewisser Von Adel, dessen nahmen
ich nicht Nennen will (heist es in der Vrkunde) weil sein ge-
schlecht noch biflhet ; ^ diser fsrspradie dem Nachrichter eine
ansehnliche summa Gelds« wan er Ihme kunegunden noch le-
bendig überliefleren könte. es gelange Ihme auch, dan sie war
würcklich nicht dodt. und wurde in dem haus des scharfT-
lichters widerüm herg-estelt, und flüchtete sich in Mannskleidei en
mit obg-emeitem adelichen , ohne das es jemand Merckte in-
deme sie jederman Verjyraben erlaubte, AufT das schloss Thier-
stein der Schweiz,*^ wo sie luniV .labr lang lebie, und sich um
kein haar prehessert hatte, bis Von ohnfrefähr jemandt nacher
Thiersteiu kamt, und sie erkarite, aber mciit dergleichen Thate,
und es dem Graden Von Rappoltslein anzei^^te, welcher sogleich
deren ausliell» i unjy Verlangte, welches Ihme der Grail Von
Thierslcin auch nicht abschlagen konte.
Nun wui'de sie zum zweiten mahl vor Gericht Gestdlt. da
hiesse es, man könne sie nicht zweymahl zum Tode Verdammen,
indem« es niebt Ihre schuld seje das si« noch tebe.
Da wurde besddoesen» das sie tu Jebenslftngticher Ge-
UngniHlrBffe solle Ymrtlieüt werden. Graff von Rappoltslein
fibemalune aie» und aeite sie in sein achlosa hoh-Rappoltstein
Guftnfsn in einen Iliufn (dieser Thurm ist noch sa sehen),
aber aneh da, da doch Ihre Reiie schon anfieogen m weickoo,
gewan sie 4oeh den Thnrmwichtar das er sie an eoMm langen
Seil in einem Grosssn korb hinuntm-Iiess, wdches aber nicht
so atUie Hergehen konle» das es die Hunde welche das schloss
bewaditen nicht gewahr wurden, und häufTig herboylieffen.
wdebe sie auch ohne Zweyffel würden zerrissen haben, wan
man nicht herbeygeeilt wAre. GralT Rappoltstein liess sie anffs
Neue sezen, und das Gemach worin sie war, mit Eysemem
Gitter wohl Verwahren, dem Thurmwächter der Ihr fortlielflten
Wolfe, wurde der köpf abgeschlagen .^(^
Graff Rappoltatein Verbotte auch seinen Söhnen auH daa
** Luk: «sin Adaispazson, dssiea gssddssht Ich shieathan) nieht
nennen will, wakha, via au Tajcnratsu, auTor kundsehaft mit ihr ge-
habt hat»
i^ Lak sagt nor: ins Schweytzerl%ad vff ein schlos.
Lok giA»t den Kamen dss Wlehtsn : cseMosskaeeht Philip
von Bacherach» und berichtet, er sei <vff fuinemmen von Adel Fur-
biU des landfis verwiMB woidea». Dies ist richtig, dsan in den Ar»
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— 184 —
Nachdrücklichste, sich d\^ßm Thurm zu näheren förchtendt, tte
möchten von Ihren srhlan^jen blicken bezaubert \ver(1en.<7
Nun Iii an Ihr wahr Geworden was das alte deutsche
spricliwori stgt, Nemlich — was das Hänslein einmal gewohnt
wird Arv iians nicht mehr Insi^en. da*? will sagen — wann
einer jn seiner jugendl em Verdorbnes Herz hA. ändert solches
sich wellen ha alter, es seye dan das er keine gelegenheit mehr
hat anderen zu schaden^ und seine bosbeiten auszuüben.
chiven des Ober-Elsass, Bappoltsteiiier ürknnden, findet tUdt üm
Original der Urfehde, Philipp von Bacharach schwören mn^^ste
(Text siehe bei E. Q, FiAnUf La oame de Hungersteiii, S. Ut. Anm.).
*f Lttk tehllesit leiAen Berfobt mit Worten : aber man lutft
grutt Aorg zQ ihr, vii4 Jiea mui iie jimgeB Heiren von Eappeleiein
^nicht hinauff kommen m ihrer g-efenjEfnire, die anrh von ihren
Schwestern von aoloben Sehlaneenj^'c vnd bhokh gewaruet vud ab-
gemahnet wirdfees* — Yorker lieisat es: Wmw aber die fraw von
Hangersteya ventorben, hab ich noch keinen berieht davon bekonuDMi
mögen. Sie war eine ausbündicre prhone, vnd von Katar dahin ge«
neigt, das sie sehier jederman als ein andere Venus zn ihrer luk
reytzte.
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VIII.
Ueber die
älteren Strassburger Familiennamen.
(Vortrag.)*
Von
E. V. BmtIm.
Die Familiennamen sind erst verhältnismässig späten Ui-
sprmigs. In einfachen bäuerlichen Verhalliiissen, wo der Mensch
noch nicht beweglich ist, sondern an der Scholle klebt, zeigt
sich das Bedürfnis nach ihnen nicht. Dieser Zustand dauerte
in Deutschland bis in das elfte, iwdlfte Jabrbundeit, bis ni
dem Zeitolter der Ereunfige. In dieser Zät voHsog eicb ein
Wandel, von dem Professor Seh m oller einmal sagt, man
kdnnte versucht sein, zu behaupten, er sei gewaltiger gewesen,
als dei^ im sechzehnten Jahrhundert durch die Entdeckungen
und Erfindungen hervorgerufene und als der des neunzehnten
Jahrhunderts mit seinen ungeheueren technischen Fortschritten.
Damals wurden die Deutschen -aus einem Bauernvolk ein Volk
mit Städten, Grosshandel und Gewerbe.
* Dieser am 27. November 1898 im historiscli-litteraii sehen
Zweigverein des Vogesen-Olubä gehaltene Vortrag ^vollte versüchen
eine kurze Darstellung der Entwicklung der Strassburger Familien-
Barnen Mi etwa snm Jahre 1500 im Anschluss an die aaf diesem
Gebiste gntndlegenden Werke so geben. Da es mir leider bis heute
unmöglich gewesen ist nnd aaok noeh auf l&agere Zeit hin unmdg-
lieh sein wird, das hier nelfacb nur bruchstück* und andeutungs-
weise Gegebene su ergänzen, zu erweitern and zu. vertiefen, so wird
— 186 —
In diese Zeit fiUH die Entstellung der Famiiiennamen.
War bis dahin bei der geringen Bevölkerung der Ortschaften
und bei den gleich mässigeo Zuständen ein Name ausreichend
gewesen, so wurde das jetzt anders ; namentlich mag auch bei
der schnellen Ausbildung des Privaturkunden wesens sich die Notp
wendigkeit herausgestellt haben, die in den Urkunden genann-
ten Personen genau von einander zu unterscheiden, was z. B.
hei den vielen Burkhard^ Heinrich und Waither in Strassburg
ohne eine?i Zu^-^t:' nicht moi^lich gewesen wäre. Entsprechend
der Entwicklung des Städtewesens treten im zwölften Jahrhim-
derf die ersten Familiennamen in den Städten Süd Westdeutsch-
lands und am Mittel- und Niederrhein anf.
Man hat festgestellt, dass sie ^ich zurrst 1106 in Kola,
1145 in Zürich, 1168 in ilasol urkundlich ^ünden. Dazwischen
hinein föllt nun die erste Nennung eines Strassburger Ge-
.scblechlsnaniens ; in einer Ui künde des Kaisers Lothai- tür Slraßs-:
bürg vom Jahr 1129 wird Burcharäus Puery zu deutsch Kind
genannt* Man könnte denken, dieser Burcharä sei wirklich ein
Kind gewesen; dann hätte eradiaber kaum zum Zeugen einer
der Vortrag fast anverändcrt ab^ct^inckt, in der Holbiuiig, daas an-
dere, die über mehr Zeit und Yorkeantuisse Yorfügeiif angeregt werdaa
diesen dankbaren Stoff za bearbeiten.
Ich tienne eimg^e wichtigere Werke:
E. Förstemann, Altdeutsches Namenbaoh. Bd. 1: Personea- :
namen 1854. ^
Pott, Die Personeitiiamea, iasbesondei^ die TMUfeanaitien uad
ihre Entateboagsarten. 3. Aalt 1889. Sehr reiehei, aber tmOberBiebt-
lieh gebotenes Material.
Vi 1 mar, Vermisebte Aviii&tse. 1. £«]idcbeii..l8öb, s» Deuta&bes
Namenbiichlein. 1863.
Andresen, Die dectschen Faniiliennamen. Progr.amm d. Kesl-
schule zu Alühlheim a. li. Üahr. 1862.
Fr. Stark, Die Eosenaiaeii der Germanen. Wien 1868.
Steub, Die oberdeutscbeii I'amiliennanieii. 1870. Mit Vorsiebt za
gebrauchen.
Becker, Die deutsoben Satanamen. Progranun^der GewerbeBobols
za Basel 1878.
Andresen, Die aitdeutscben Personen namen in ihrer Entwick-
lung und Erscheinung als beatige Oeschlechi^namen. 1673. Ein
grundlegendes Büchlein.
Heintze, Die deatsehen Familienaamflu. 1882. Eine fleisaige 2a*
iammensteilung.
Von den zahllosen Lokalnamenbuchcrn nenne leb:
Fr öli n P r. Karlsnilirr Nanienbach. 1850.
E. Güutlier Förstemann. I'eber die Familien n amen in
Nordhaosen im 13. a. 14. Jahrhundert. Programm Nordbauäea 1861.
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— 487 —
Kaisarurkttode geeignet, «uaterdem fuhrt er selbst 18 Jahre
spftter^ und seine Nachkommen Jahrhunderle lang dea Namen
Puer oder Kind. Von diesem 2^itpunkt, 1129, an nimmt die
Zahl der Geschlechtsnamen allmählich immer mehr zu ; doch fin-
den sich in den l'rkunden noch lan^^e Zeitohenso viel und mehr
i:^innamij?p unter den als Zeugen aufgeführten Peisonen. Die
unteren Schichten der Stadtbevölkerung führen sopar noch bis
in ^das 14. Jahrhundert nur einen Namen, dorn dann als
unterscheidendes Merkmal der Name des Haadwerks oder der
Hantierung beigesetzt wird, sNoraus sicii schliessUch auch wie-
der Geschlechtsnamen entwickeln.
Ehe ich auf die Behandlung dei Slrassburger t-atmlK naa-
raen im hesondern eingehe, möchte ich nocli auf die ^ ui 'aUS-
setzungen hinweisen, unter denen, allein die Namensfoi schung
sich fruchtbar gestalten kann, Vorausaetzungen, die hei mir nur
in sehr beacbrinkfam Maase erfüllt aind. In erster Linie sieht
eine genaue Kenntnia der Entwicklung der dentachen Sprache;
denn fflr die lautliche Entwicklung der Eigennamen gelten na-
türlich dieaelben Geaelte, wie ffir die der andern Wörter. Aller-
dings ist diese Entwicklung häufiger durch willkürliche Ein-
grille gcetM» die aam Teil durch Eitelkeit, zum Teil durch
Klugheit veruraacbt «ind. Sehr oft aind auch die Wörter, aus
denen die Naoien ttraprungUch gebiklet aind, verloren gegangen : *
der Name Pagem$Uehtr^ in der Auaaprache heute hftufig mit
dem franzödachen ftige suaammengebracht^ bedeutet einen, der
Pferde, niederdeutsch pogtfi^ absticht, Purgold und Vollgold
haben mit Gold nichta au thun, sondern sind aus den altdeut-
schen Namen Burgolt und VolkoU = Burgwall und VolkwaU
entstanden, Dollfuss lia«, wie jetzt nachgewiesen ist, mit Fuss
nichts zu thun^ sondern ist die laiinisierle Form des um den
ersten Buchstaben gekürzten Namens Adolf ; wie natürlich ist es,
den Namen Thierauf, besonders wenn ein Thürhüter, wie es
hier in Stm^sburg zur Zeit der Frill ist, ihn Irä^i, als Thürauf
zu deuten, und doch ist die Ablt^ituii;^ aus dem altgermanischen
Namen Dierolf nachgewiesen. Es ml ersichtlich, wie bei der
Gestaltung dieser Namen die Volks>eivmoloifie nach^,'eho}fen hat.
Thatsächhch ist <\ie Mögli chkeit, mehrere verschiedene Deutungen
von einem Namen zu geben, so iiäiifig-. dass An d rese n, einer der
um diesen Zweig der WissenschaO verdientesten Gelehrten, ein
sehr reichhnltigea Büchlein gesclineiien hat, das den Titel
fühl t ; alvonkurrenzen in derErkiünmg der deutschen Gescblechts-
namen.» Ein Hauptergebnis dieses Buches ist, dass in zweifel-
haften Fällen die Herleitung aus einem altgermaniscben Per-
aonenftämen stets den Vorzug verdient, wie aus den eben an-
gefahrten Beiapielen ja schon hervorgeht.
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488 —
Ein Teil der Doppeldeutigkeil wird aber meist vei schwin-
den, fffnn man die ^lamen in ihrer Schreibun{f einige Jahr-
hunderte zurück verrdgen kann oder wenn man^ gestütat auf
die jUautnesetze, die jetzt vorliegende Form in die netwendig
vorauszusetzende ältere und älteste Form zurOckver wandelt.
Zum Studium der Familiennamen reicht jedoch die Kenntnis
der Entwicklung' der hochdeutschen Sprache aliein nicht
aus; es ist auch notwendig den Dialekt der Gegend» aus der
der Name stammt, zu kennen ; so wird beispielsweise ein öber-
deutschrr Muhe haben, die Namen NotUbohm =r Nusshaum oder
Quademichel — Bösmiehel zu erkennen ; einem Niederdeutschen
wird es bei Namen wie Hafenbrädl ^ Topfbrätchen, Kabushow
bei = Kohlkopf, Pfilzer, Pfauwadel u. s. w. ähnlich ergeiien.
Sc]iliei>?5lich wird durch Vertrautheit rnit der Oerthchkeit und ihrer
Umgebunp:, mit den Sitten und Gewohnheiten des Landes die
Erkennung der Familiennamen bedeutend erleichtert.
Wenden wir uns nun den Familiennamen Slrassburjjs zu,
so können vvir sie, um einen Ueberblick zu ^ewinnerij in ver-
schiedener Weise einteilen, erstens einfach grammatisch,
zweitens nach ihrer wörtlichen Bedeutung, drittens
nach dem Motiv der Benennung, eine Einteilung^ die von
, der vorigen durchaus zu ti*ennen iai.
Die gra mmaliacke Eiiiteilang wfiid« als Unterabteil*
ungen etwa ergeben : Substantive, einfache und zuaammenge-
setzte, und twar aus zwei Substantiven wie Siubenweg, oder
aus Adjektiv und Substantiv wie Virnekorny odpr aus Verbal-
stamm und Substantiv wie Haumesser u. s. w. ; sodann Substan-
tive mit vollgesetzter Präposition {zur Megtäe) ; sodann Adjek-
tive, einfach wie Süu oder zusammengesetzt wie SelUnrieh;
Zahlwörter wie Zehn und Oriisehen, u. w. ; sehlieaslich die
sog. Satznamen wie GemthewohL
Die Einteilung nach der Bedeutung ist in den Namen-
büchlein einzelner Städte am häufigsten angewandt, aber selten
folgerichtig durchgefnhrt. Den breitesten Raum nehmen hier
die Personennamen, und zwar in erster Linie die alten
deutschen Personennamen ein. Diese, unsere heutigen Vor-
namen, sind natürlich eigentlich Gattungsnamen gewesen ;
auf ihre ursprungliche Entstehung gehn wir hier nicht ein;
denn zur Zeit des Aqfkommehs der Geschlechternamen war
die Erinnerung daran, dass Albrecht «der durch sein Ge-
schlecht Glanzende». Wallher «der über das Heer Waltendem,
Wernher «der des Heer Wahrende») u. s. w. bedeute, wohl
nicht mehr sehi re^'«*. — Ferner j^eben viele Familiennnmen
den Ort der Heil urift oder die W o h n Stätte an, ent-
weder unverändert wie Wurzgart oder abgeleitet vae Lieben^
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180 —
jf€f/er. Sodann .flnden sich Namen von Aemtern und
Wflrden wie Burggraf, SeMihmsij Bobsi, vm Ge-
werben, wto Krtbier^ Oiieman^ Keueler; von Ständen,
wie i?f l/er, Atller/f«, Wafeltr; ferner Terwandtschafts«
namen, wie Gewtermam, VtiUHtifid, Viele Famifiennamen
bezeichnen Eigenschaften wie Tämeher^ Snelmaniit
Keek n. a. w., andere Teile des menschlichen
Körpers, wie ScAM/ke/, Lente, Kle i d u n gastücke wie
Bosbein, We r k ze uge wie /foKfliesier, Nahrungsmittel
wie Wissbreteltn. Namen von Pflanxen und Tieren nnd
Teile derselben, wie Blumel^ Schwan^ Danris = Tannen-
reis, Kaizmor treten in grosser Zahl auf; auch Naturer-
scheinungen und Naturkörper, wie Win ler, SHtr«,
Daj/stern = Ta^rstern, u. s. w. kommen vereinzeil vor.
Man könnle nun glauben, aus der Bedeutung der Wörter,
die als Familiennamen auftreten, ergebe ?iich das Motiv der
N a m e n g e 1) u n f,"^ ohne weiteres; das ist ober durchaus nicht
<lev Fall. Wenn beispielsweise eine Familie Kalb heisst, so
ivann das ebensowohl eine Anspielung auf körperliche oder
geistige Vorzüge sein, als vielfache Beschäftigung mit Kälbern
andeuten, als schliesslich, was das wahrscheinlichste ist, den
Namen des Hauses, in dem die Familie wohnt, bezeichnen.
Die letzterwähnte Einteilung, die nach dem Motiv der Namen-
gebung, soll der folgenden kurzen Uebersicht über die Strass-
burger Familiennamen zu gründe gelegt werden. Es scheinen
sich dahei vier grosse Gruppen zu ergeben :
i. Man seilte in dem Eigoinamen einer Person den
Namen ibrea Vaters entweder ebne jegliche Verinderung, oder
In der Verkleinenmgs* oder Koseform^ oder auich im iweiten
Fall (Genitiv) mit oder ohne den Zusata cSohn»;
S. man beceichnete einen geborenen StrassHurger nach
seuier Wohnwig, einen Auswärtigen, der sich In Strassbnrg
niedergelassen hatte» nach seinem Heimatsort;
3. das Amt, die ThAtigkeit» das Handwerk ihnd im B^mi*
liennamen Ausdruck ;
4. eine auffallende äusserliche oder innerliche Eigenschaft
oder eine Gewohnheit gab Veranlassang tur Namengebung.
Begannen wir mit der ersten Crnippe. Häufig wird der
Name des Vaters ohne Veränderung dem des Sohnes hinzuge-
fügt; man kann vielfach auch feststellen, dass der Vaters-
name zunächst mit dem Zusätze «Sohn» im GenetiV stand, dann
aber der Bequemlichkeit halber einfach im Nominativ beigesetzt
wurde ; so heisst es beispielsweise in einer Urkiindc von 1229
Ruäolfus filius Lenzeliniy aber 12.33 Rudolfus Lenzeltnus, o<l >r
einmal Johannes des Stehen Sune und bald darauf Johann
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— 190
Sicke. Solcher als Familiennamen gebrauchter Vornamen (in-
tlen sich im alten Strassburg wie heute eine grosse Anzahl z.
B. Albrecht oder auch etwas verändert Obrecht^ Engelbreeht
(glänzend wie ein Engel), Humbrecht aue Huyinbrechl (durch
Klugheit ^Irmzend), EUenharl oder Elharl (durch Tapferkeit
kräftigV Ger hart, Burkhart, Ltenharl, Hawart, — Haduwart (des
Kami if s vvarlenJj, Mt^tnnch =: Afaginrich. }feg inr ich (nrdchüg
herruft hciid) und L^/ricA (durch Erbgut laäclilii;}, ferner Hentwig^
Sifril, Heinbold, Zeizolf, Anshelm^ Eigilwart^ Brunj^ Arbo-
gast. Auch der l>ekannte blrassburi^er Name Prechter geht
auf einten Vornaruen zurück : Berchlhari (der mit deni filänzen-
den Hecij. Vuu lieiii^ennamen linden ^ich als Familiennamen
Marx^ Lux^ Malern nach dem Apostel des Klsass Maternus,
Bilgtrin^ Pcregrinus, VelUn ^ ValenUn. In starker Verkfinung
erscheint Nape aus Nadbert (durch Gnade gläniend), Gope,
heule als Gaup häufig, aus GodbtrL Boppeaus Bodeberiy Sieke
aus einem mit Sig b^innenden Namen herzuleiten, Ecke^ von
einem der vielen mit Bek», Schwert^ gebildeten Namen, Wieker
aus Wighard (im Kampfe stark), Rif, verkürzt aus Riehfirid
(im Fri«ien mächtig)« und schliesslich Namen vrie Kunö^ Biiffo^
Hug^ Lai.
Sehr oft kommen die Verkleinerungs- oder Schmeichelfor-
men der Vornamen als Familiennamen vor. Ich fasse alle diese
Deminutive als Patronymika auf; denn zum Familiennamen
wird das Deminutiv erst dann, wenn dem Namen ^des Sohnes
die Verkleinerungsform des Namens seines Vaters zur Unter-
scheidung beigefügt wird. Bas wird naturgemäss am leichtesten
in dem F'alle eingetreten sein, wenn der Sohn dadurch geehrt
wurde und sich dadurch geehrt fühlte, dass man ihn nach
dem Namen seines berühmten Vaters nannte. Ein klassisches
Beispiel dafür isl Johannes Winlin, der als Sohn des jerossen
Münslerbaumeislers Erwin dvn Zutiamen «der kleine Ernunfl
führte. — Biese Naiucn sind auf verschiedene Weise gebildet.
In Strassburg kommen drei Verkleinerungsendungen in Betracht,
die ursprüngiich -tzo, -i/o, -in lauten und sich bisweilen mit
einander verbinden. Zu der ersten \v\ gehört der in Strass-
burg bis auf den heutigen 'l'o^ . ehv hitutiyo Naiut Volz {Folz\
von einem niit Volk beginnende Manien abgeleitet, eigentlich
Volkizu, daneben eine Erweiterung Aav Verbreiterung davon
VoUsche^ Völtsche^ der Name eines mäculij^en, weitverbreiteten
Strassburger Geschlechts; femer Jtfan^, was hxjis Maginzo {tom
Stamme Magtm mächtig) entstanden sein^ aber auch von Ber-
MflMfi herkommen kann, Bvtuehe zum Stamme 6eraA^ glänzend,
und läempsehe zu Lomperi^ Lanipreekt^ X9\e durch folgende
Urkundenerwähnung bestätigt wird : Jodoeus dieiut lAimpetUu,
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- 191
/Uw$ quandam Lßmperii äi^H Lmpteha* Weizet und Bei^^l
mnA Koseformen mit doppelter Abieitimgiulbe zu Wernher
und HermatM; die im 11. Jahrhundert regierenden Bischöfe
von Strassburg^ dieses Namen« werdan in den Quellen bald mit
dem einen^ bald mit dem anderen genannt. Fernar ist m nennen
Grimel tum Stamm Grim, LenM€l zum Stamm Land oder zu
dem aus Lorenz verkürzten Lenz^ •chliessiich Jeekd lu Jaco-
bus, letztere beide Heiligennamen.
Mit -lin oder -«/i«, -«Vi« abgeleitet f^mö (eine grosse Zahl
von Fariiiiiennamen ; sie sind nicht irnrrKM- Imcht zu frkenrRin.
Einer der bekanntesten ist Ripelin. Rypelin^ der >iame des
Geschlechts^ dem, wie aus einer Urkunde von 1253 ersichtlich,
die heute noch blühende Familie Zorn von Bulach f iiisj i f>«<en
ist. Da der Name Zorn auf eine ungestüme G* itiülsart üm-
weist, so glaubte man in Ripelin an dris Wort Ilupel d. h. un-
gehobeller Mensch anknüpfen zu luü.ssen, ein Wort, das als
Verkleinerungsform von Ruprecht jedenfalls erst in jüngerer
Zeit zu der ungünstigen Bedeutung gekommen ist. Ripelin er*
kiftrt ganz ein&ch elien al« Deminutiv zu Rupreehi oder
aadi zu Riehbatd, was etwa cdar im Uemcbea Kühne» he-
deutet. Der ftltesle Ripelin .findet sieh urkundlieh im Jahre
1107, sogleich daa erale Strasaburger fielspiel einar Ver*
kleMieruDgafonn als Geaehlechfsname. AehnUch- Ve/Ae/t«, ver-
mutlich atatt VSikelni vom Stamme Volkf vielleicht aber auch
ckleiner F«Uk€», Nhpüim lu dem obenerwähnten Nttpe^ BnB-
böldelin, mehrlacb in der Verbindung Reinbold Remböldelinf
daiin der bekannte Ncime Oberlin zu Obrecht, Alhrtckty oder-
zu Otbert, «der durch Besiti Glänzendem Hüffelin, das mit
' Ripelin verglichen werden kann und auf Hugfried^ Hüffel zu-
rückgeht, Sidelin von einem alten Stamm Sind, Sid, der eigent-
lich «Reise» bedeutet, Loterlin zu Chtothari^ Berlin vom Stamme
Bero, der Bär, der für die Deutschen ursprünglich der Köni;;
der Tiere war, Lebelin^ vielleicht zum Siauime /ju6, /icb, oder
etwa zu Liutbald^ Leopold, order Volkikiihne», Ihlzlin von Ülz
zu Ulrich. Büttzelin von Buiz zu Burkhard u. s. w. ^eben
dem obenerwähnten Lertze! zum Namen Land oder m Jjy-enz i
findet sich LtnzeUn^ ?A< "\Veilcrbildunjf von (rossv zu Ooltfrieä^
OvsstLh^ (Jösselin, forner BelschcUn, zui uck^jehend auf Bez^
Betsnh. was eine Kn eforrn von Bero i.^t, si )\licsslich auch
PampJiilm, I^fajtphilin als Deminutiv des Heiiii^fnaHMiens Pam-
philus. Lösel in ist urkundlich nachweisbar al?; Ocnun utir zu
Nicolaut durch einen Rcinbold deriii^S als filnis Nicolai und
1275 ala ReinbM LStttin vorkommt. Von Nicolaus kommt
auch dar Name Lmwelin, wie dadurch bewieoen wird, dass
derselbe Hann änmat Meaeriauwelin^ ein andermal Claus der
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I
Messerschmidt genannt wird» wahrscheinlich geht auch Logel auf i
Jfieokmi xorflek« Ee widmprieht dies aHerdings der soMt
heobaehteten Raget, nach der infolge der versehtedenen Be-
tonung in Niederdeutschland der erste, in Oherdeutschländ der
sweite Teil längerer Namen verloren geht^ z. B. aas ßetrihoh'
MOSM in Stiddeutschland ßwrthtl oder Barths in Norddeutseh-
land Memu, Mßbu u. e. w. wird. Doch finden sich auch sonst
Attsnahmen von dieser Regel in Strassbnrg, so das ohen an-
gefahrte Winim von Srmn^ sowie Stöfßimjim CkHgiopharmi.
Auch Mium$im dflrfte unter diesen Umstinden auf Hermmm
lUTUcksufQhien sein.
Wollte man von diesen Famiiiennamen auf -in die weih-
liehe Form hilden^ etwa wie man im vorigen Jahrhundeii und
auch heute noch hier und da stall Frau Karseh oder Frau
Sekmidt die Karschm und die Schmidlin sagte, so wäre es i
sehr unschön gewesen, an die Deminutivendung -in die weih-
üche Endung -t« zu fügen ; man bildete daher den betreffen-
den Namen statt mit -t« mit -er und hüngte an diese Endung
die Silbe -in So finden wir eine Clara Ripelerin von der
Familie Ripeltn, eine Bertha Lenlzeiertn von der Familie
Lentzelin u. s. w., ein Beweis, dass die Familiennamen noch
nicht fest geworden waren.
Sehr aulTallend sticht von allen diesen oberdeutschen De-
minutivformen der Name Heinrich Hennicken ab, der eine
niederdeutsch gebildete Verkleinerungsfona vüü Johannes zeigi.
Eine andere Form von Kofe^eiiamcn sind die mit -mannte-
Ijildeten ; auch heute noch sagt wohl ein Vater schmeichelnd
zu seinem Söhnlein Hans: mein Hansemann. Hierher rechne
ich Frillemann, dessen erster Teil aus Fridüo zusammenge-
zogen ist, Ruitmann zu Hruoährid ^ Bu iartd üder RuäilOy Tuische'
manny was auch Dculschmami sein könnte, vielleicht aus
Dietsehemann vou Dietsche = Diez zu Dietrich, Hizemann zu
eineir vom Stamme Hild^ «Kampf», gebildeten Form Bvte,
Eeiimann entweder geradexu wun Stamme JBwf oder vom Stamme
Ägilf cSdiwert» statt SUmmm mit voigesetstem B, wie nicht
ungewöhnlich ist, TieUeichi eher auch su Aet7sft. AuffaUenÜ
sind auch xwet mit -kind gehitdefe FamiUennamen» nSmlieli
Etz§kiiid xum Stamm Adal und BtnMtd m dem liemlich oft
w>rkomme»den Namen Hesse,
Eine gans besondere Art der WeiterhUdnng der Vor-
namen zu Familiennamen ist die durch die Ableitungssilbe
-er ; so finden wir Jotirgtr lu G^arg^ BomHf und Hanseler su
Hans, Dämmeret zu Dammer = Dankmar, Der Künstler der
Münsterkanzel nennt sich Hcms Hammer oder JlaMsiarer, was
vielleicht als Hagmar sn deuten ist. Hierher gehört auch
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— 103 —
Jbcktit TOD Haek zum Stamme Sag^ wenn es nicbt etwa den
W<nnber{liacker, Weinbauer bedentety und Gym*$r von Qün*
zum Stamme ^wnd Krieg. — Eigentflmtieii sind die Zu-
wiiamensetsaDgen BtttMU und OoMj^tehi^ m denen ach an
die aus zweistämmigen Namen gebildeten Koeeformen die voll-
wichtigen Sill>en -oU und »pneht angeschlossen haben. ])er
Doppelname OufriedHch lässt sich einfach als Friedrich^ OUom
SaA«, «rkiären ; vermutlich bedeutet der aeltaame Name OiHMH'
$9» G088O, Sohn des Gii§ = Aegidius.
An die aus Vornamen entstandenen Familiennamen, die
ich aus verschiedenen Gründen verhällnismässip: ausführlich be-
handelt habe, schliessen sich nm leichterten die Verwjtndtschafts-
nnrnen an, die Geschleclitsniunen «'•p'.yrirdpn '■"ind. So fmdet
sich schon im 13. JahrlumHcrL urkundlich ein Otto äiclus
Pairuus^ zu deutsch also «öheiin», ein Name, der auch sonst
vorkommt, ich brauche nur an den St. Galler Geschichts-
schreiber Gallus Oeheim m erinnern ; ferner gieht es Kegtlin^
die uns aus der Redensart aKind und Ke^el» i,^e!äuflge Bezeich-
nung für ein uneheliches Kind, bütl um \'. !rd in einer Urkunde
von 1243 ein Cunrudus dtcius Gevaltrmann^ in einer andern
von 1260 Conradus Pktlenn erwähnt, beides natürlich den-
selben Mann bezeichnend, das zweite Mal mit dem das lateini-
sche palrmn» lautlich genau wiedergebenden PAelerln, lie«le
Pfeiler, was hier in Stnmbnrir bei jeder Tanfe ni bftren kl.
Bald findet aich andi VtUer, VttUirUm und VefMrAM* nnd
auf dieeem Gebiet haben es die Strasaburger bekanntlich bhr
SU einem Stiefatf€ mit firamOsisefaer Endnng gebracht.
IMe «weite grosBe Gruppe von Fainitieiinamen bilden die-
jenigen, welche die Hecknnft andeoten. Abgesehen m ^nigen
alljgeaieinen Namen wie Dorfmamf Wm fenMHHi, findet sich
m frftherer Zeit meist einlkch die Pripesitioa «en vor den betr.
Ortsnamen gesetst, i. B. «e« Quatzenheim^ wm H^ii$h€im,
vom Ofenbwtg u. s. w. Bekanntlich ist das von erst seit etwaSOO
Jahren als Adelsbezeichnung anch vor anderen als Ortsnamen
gelHrinchlich. In früherer Zeit war es einfiich Herkunft sbezeich-
nung und hat als solche vielfach bis sum lahre 1789 gedauert ;
so fahrte beispielsweioe die heute hier noch recht zahlreiche
Familie PHedoUkemj eine der ältesten und geachtetsten Gärt-
nerfiMnilien Strassburgs, das een bis zut* Revolution, in der sie
es wahrscheinlich in d*>r Befürchtung, der Aristokratie zuge-
rechnet zu werden, ablegte. Daneben kamen schon früh die
von Ortsnamen abgeleiteten Appellative vor ; so ist Lnbenzeller,
was auf das heule w"»- itembergische Liebenzell an der Nagold
hinweist, der Name einer Familie, der einer der Anführer des
städtischen Heeres in der Freiheitsschlaeht bei den Haus))er-
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— 4Ö4 —
;;en 1262 abgehörte. Ebenso i^l als At^ektiv aufzufassen Mar-
giliuit was wahrscheinlich dea Ursprung- aus Marsal in LoÜi-
ringen andeutet. Im 13. Jahrhundert nannte sich die FamUie
einfach Marsilius, z. B. Wezelo Marsilius : -^prder hei erwei-
tertem Gesichtskreis war der Ursprung aus Marsal nicJit mehr
vorneliin ^jenug, sie nannten sich Wetzet von MarstUen und
gründelen darauf den Anspruch, aus Marseille zu stammen.
Andere Namen Riehen die Zugehörigkeit zu einem Volkssfamm
an ; so tinden wir schon sehr früh Hesso, Peier, Ptterlin^ auch
Bauwartts, Swab^ Swehelin, Boemus^ der Böhme, Dacianus,
der DfuftN Lumbarl bedeutet wohl rinen der vielwriuiieniden
tombardisch»^n Handelsleute, der sicli m Stras.'^buiv i'icilerge-
lassen hatte, wahrend Lamparier auch auf den deutschen Na-
men Landbcrl oder auf das Dorf Lampertheim zurucki:jehen
kann. Ferner kommen Tülschy Tutsehtmann,, auch heule in
Strassburj; niihl ungewöhnUch, und Welsch vor. Bei Nariien
wie PuUcr, Pülkr^ Römer und dem schon um 4300 vorkom-
menden Russe ist jedenfalls eher au einen vorübergehenden
Aufenthalt in Apulien^ Rom und Moskowitien zu denken als
an eine Abstammung dorther ; neuerdings ist übrigens versucht
worden« den Namen PülUr oder PtUUr, der durdi die finlhr
von Bohenburg bekannt und berflchligt geworden ist, durch
puUariu$^ der Hähnerverwalter, zu erklären, ob mit Recht,
weiss ich nicht.
Eine grosse Ileihe von Namen geht aber auch auf die
Wohnstäile der betreffenden Familie in Strassborg selbst zu-
rück und zwar in der verschiedeiiartijcsteii Form. So ^ebt es
die Familien zu der SehSnny am Wastw (m aqua), Wwrss*
f/art, Howelüchel^ was ich mit «Heulöchlein» übersetze und
wübei vielleicht an eine sumpfige Gegend, etwa beim heutiges
Grünen oder Kagenecker Bruch zu denken ist, Büler, der am
B&hi, Hügel, wohnt, zum Riet, Closener = Klausner, PferricIitTf
eigentlich ein Park- oder Pferch be wohner. £ine alte Minisierialee-
famiiie nannte sich de poria lapidea, von der SteininporUm^
oder Steininburgelor, einem Thor, das am Anfang der heutigen
Mönstergasse nahe dem Brog^lieplatz lag; andere Familiennamen
sind de Stßfmlo. — zum Stalle, in Finkxvdhr, inter mercalo-
ms oder unter den Kouflulen^ Irans Bruscam = jenseits der
nreusch (III), anic mo7iasterium = vor dem Münster, m Kai-
besgasse, in Suinyasse^ de Slubenweg u. s. w., dann auch in
der Form SteingiUscr^ Biergässer (nach der Biergasse, nahe
dem Bruderhof), Hor'jässer, nach der Hör-, eigentlich
Horwegasse = Scboiulzgasse, heute Haargässchen.
Hierher gehört nun eine ^duze Reihe von Namen, die man
zunächst versucht ««eia küxmie^ anders aui^uTasäen. Die Strassen
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dar Mdte waren n&miioh im Mittelalter nicht numeriert ; es
wir dtt 'm dar IIMm Zeit m wenig nötig, wie heute selhüt
in grosien Bftrfeni. Als die Städte wueiiseik, half man sich in
den Urkunden lunächat mit möglichst genauer Angabe der
Naclibaren; dann aber kam die l^tte auf, jedem Hauae einen
Namen sn geben, der woraflglieh ven der Hand des Ifalers eder
des Steinmetien biktlich dargiaslelll wurde. Erst mögen nur
wenige Hiuser soldie HausieldMsi gehabt haben; dafür sprieht«
dass gegen Ifitte des 13. Jahrbunderts ein Haus einfach zu dm
Bilde — es war eine Mutler Gottes — genannt wurde« Anfliig*
lieh mögen auch laflUlig vorhandene Gegenstände Veranlassung
zur Namengebung gewesen sein z. B. bei den Häusern zu dm
Bosenboume, zu der Wilgen ^ Weide oder zu dem Spieg^.
Bald jedoch erfand man Namen und liesa dabei der Phantasie
und dem Witz freien Spielraum. So finden wir schliesslich
nicht bloss ein Haus zur Ackes =s Axiy zum Dorn, zum Fasan,
zur Lilie^ zumÄnlvogel ssiEn\e, zum Blau futs (eine Falkenart)
u. s. w., sondern nurh zum DintenhÖrnelin = Tintenfass, zum
Helfanten — RIefant, zum Eselskopf, zum Hasensprnnq. rum
Kameellhi^r, zum Malsch) ecken ~ Hftj'-clii eck, zt'/« MtiKrwunder
e= Sirene, zu den Muchenwääeln, zum slarkan Pfaffen^ zum
SiUekust ^ PsiUacus, Sittich, Pa|>agei, zum liorafftn = Brüll-
affen u. s. w.
Eine ganze Reihe derjenigen Namen, die nicht ihrei Her-
leitung^ wohl aber ihrem Entstehungsgrund nach schwer
erklärbar erscheinen, finden dadurch ihre ErledigTjng. Ein in
der Geschichte der mystischen Bewegung des 14. Jaluliuiitierts
vielgenannter Mann ist Rulmann Merswin, der einer anjjeseheneii
Slrassburger Familie dieses Namens angehört. Der Name, der
zwar nicht Meerschweinchen, wie man denken könnte, sondern
Delphin bedeutet, ht aber aueh der eines Hauses, an dem ver-
mutlidi dieses seit iUester Zeit von der bildenden Kunst bevor-
sugtsste Wassertier aufgehauen war. Auch für viele anders Fa-
' milien lassen sich die entsprechenden Hliisemamen nachweisen, i,
B. Ar die Familien' Sng^l^ Priol =s Prior, Belfant^ Büfp^
Widder, Büh, ßoek, Hirz == Hirsch, VSgeliu^ Schwan, Pfime
«(Plau), ifaAfi, Waekfei, Krimfogel =s Raubvogel, Fe^e/f «san^,
Jündifuii^ als Hausname beute nodi vorhanden, während es
andererseits jetzt noch eine Familie Xaf^/iMff giebt, femer TSrefte
^ Lolch, Blümzl, Bebsioek, Ikmrii =: Tannenreis, RiMnu,
Axt, Tanz u. s. w. Für ^cle andere ist dieser Ursprung un-
ZH'eifeihafl anzunehmen, z. B. für die Namen Kalb, Tm^s
.SS Traube, Trübtl. Aber auch hier kann genau genommen nur
nach sorgfältiger Untersuchung jedesmal entscliieden werden,
4ib der Name der Familie von dem des Hauses abgeleitet ist. £s
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— 196 —
bildete sich nämlich sehr^früh auch der Gebrauch aus, die Hüuser
nach den Bewohnern zu riennen, was zu tnprk würdigen Miss-
verständnissen führte. S<> bewohnte im 13. Jahrhundert eine
Famihe <ies Namens Hauvari =^ üadwßort, des iUinpfee
wartend, den Hof Spiessgasse 25, neben dem eine Gasse abbo<c,
die noch der Familie den Namt^n HauwarisgesseÜn <»rhielt.
Bald that sich dort eir.o Bade.slube zum Hauwarl auf, die
s<:hon iin 15. Jahrhundert den Namen zum Eöer führte, wed
man Ilauwari als Hauer d. h. männliches Wildschwein auf-
gefasst h^lle. Diese Aulfassung ist dann 4601 durch die noch
vorhandeue Skui|itnr anerkannt worden, und die Gasse heisst
heute noch Haueryasse, franzosiscti Hue du Sanglier. Aehnlich
ist es detn Hause Alter Fischmarkt 7 ^e^ang^en. iiier wohnte
im 14. Jahrhundert ein«- F;iiiiilie Mörlin^ nuch der das Haus zu
Herrn Mörlin oAev zu dem MörUn -enannt wurde. 1466 heisst
es schon zu der Mörlin^ lateini.ch Aelhiopissa^ 1587 zu der
itform, und zur franiöeischea Zeit wurde der Name d la Mau-
resH Obersetzt, wie es jetzt noch heisst. — In diesen Fällen
würde man ohne Kenntnis des thatsachlichen Verlaufs un-
zweifelhaft zu falschen Schlüssen kommen.
EiDe dritte grosse Gruppe von Familiennamen bat ihren
Ursprung in Bezeichnungen für Aemter, Wörden, Handwerke
und Beschäftigungen» Dass diese Namen sich in Geschlechls-
namen verwandelten, hat seinen Grund darin, dass viele Aemter
und Wurden erblich wurden, Handwerke und Beschäftigungen
häufig thatsächlich vom Vater aut den Sohn forterbten. Von
jenen nenne ich Burggraf, Zollcry Sehuitheiss^ Bichlery Voyfy
Vöglelin, Heimburger (= Amtsbote, preco)) DrUzthnj walir-
scheinlich ein Mitglied der Dreizehner, der Strassburger Behörde,
die das Auswärtige und das Kriegswesen unter sich hatte,
Spender (lat. Dispensalor), der Name eines bischöflichen Kassen-
beamteii, Sttfier, vertnullich ein richterlicher Beamter. Siocker
oder Siccker, eigenliiuh der Mann, der die Aufsicht uber den
Stock, d is Gt t iij^jfnis, führt, ähnlich Twinger, vielleicht auch
FilUmann, was •Awa den städtischen Polierer bedeuten könnte,
aber auch den Maiai clinen kann, der die Fallfiatter an der.
Thoren herablässt, f- ! üer Wachlery SchajJ'ner, Horwer, was
einen Strassenreimguüj;>!beanntea bezeichnet. Dann iolgeu VuiUr,
RiUerlin^ Junckherre und Waffler, was dasselbe, nämlich Ed'^l-
knecht, lat. armiger, bedeutet, Knappe KnechUlin, Venäe ^
Fusssoldal, Schütze, Armbruster, Vener =z Fähndrich, schliess-
lich Kellermann, KuehinmeUter^ Küsterlin und viele andere.
Sehr viel mannigfaltiger sind die Haiidwerksbezeichnungen,
die Familiennamen geworden sind, weil wir einerseits eine sehr
weitgehende Spezialisierung in den Namen der Handwerke,
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— 4Ö7 —
aiidmneits verschiedene Mitlel angewendet finden, dasselbe
Handwerk zu beieicbnen. Man nennt den Handwerker nämlich
auch nach seinem Handwerksseug und nach seinem Produkt.
So heisst ein Schuster sowohl SutUr (= sulor) oder Schuh-
suier,. als auch Leist oder Leistemann, ein Bäcker Deck, < ber
auch Wissbrelelin^ was der Name einer sehr anp'eschetien Fa-
milie ^ewoi den ist. Auch hwr nalfiHirli sehr oft der Name
des Hauses auf den Bewoliner überge^jan^i n. So mochte etwa
ein Schneider < jue iScIiere an s^oineai Hdtuse ausmeis.sehi la^^en,
^vJe man das an dem Hause Nikolausslailen 16 so hübsch sieht,
und ein späterer Bewoimer erhielt den Namen Scher. Von
den hierher gehörijren Namen nenne icii nur einige weiiiger
bekannte, z. B. Pfulzer^ was ich als ßrunnenmacher von lat.
jmieus ableite, Swerifegti ^ Buckeler = Schili^ Kugeler ^ einer
der Cugeln d. h. Mäntel macht, Birtr und Birmann (Bier-
brauer, Bierverklttfer), Birmenttr Pergamenter, Wuehrm'n
noch ohne den tadelnden Beigeschmaeki Dwker^ ferner Wör/,
WArielin^ oder aueh Kandel s=. Kanne, Siauffe =^ Becher,
SchvMwhtir, vielleicht geliört auch Sekonb hierher, ym einen
Strohbund bedeutet, das Zeichen, dass es neuen Wein giebt,
aodann S«il, Smidelin^ Blotbalg, Zengilin, Mesierer^ KetienoTy
Kessler^ BleUr, vielleicht auch Haumesser und Bibisen^ dann
W^fsrmann = Gaukler, Ilappenmachcr, ein Sichelmacher,
Kistner, Büchsener, Löffeler, Kübeler und Kübel, Slueler^ viel-
leicht auch Siullecher, einer der SluOmekan d. h. StuhlOber-
zuge macht; zum fassgewerbe gehören die Kiefer^ Kufelin,
Fässlery Fasszieher und Bareler. Sehr alt ist die Familie
Zeideler (= Bienenzüchter), ebenso die Welker^ Walker^ die
Flaäerer (— Kuclienbacker), die Wenner, Wanner (= Wannen-
macher), die Salzmuter Sal/händicr) u. s. w. u. s. w. Leute,
die Ptwn«? verkauflen, wurden häufig mit Namen, die mit mann
fusanimengcsetzl .sind, bezeicJinet ; so linden sich Familien
Oieimann., heute Ohlmann (Oelhändler), ferner Eisenmann.,
Kesemann, Essigmann., Louchmann, Holzmann., aber auch Na-
men auf -er, wie Ochsener, Krebser^ Milchtr^ Boner, Krüter
(iieule Kräultr)^ Heniyer Honig-verkäufer) u. s. w. Kömer
bedeutet wahrscheinlich den auf dem Kornmarki die A;.fsicht
führenden Beamten; ein Kornverkäufer heisst Komkouf, auch
findet sich in Straaabuiy eine alte berOhmte Familie Vimekamf
entaprechend den in andern Gegenden Deutschlands vorkomoM*
den Fimhdbtr:, AUrogge^ OUrogge» Der Name Sehoti^ SchoUe-
«ann bedeutet nicht etwa einen geborenen Schotten, dann wäre
die Häufigkeit des Namens gerade im Eiaass unerklärlich, son-
dern einen hausierenden Klemer ; in firfiherer Zeit sogen n&m-
lich gdegentlicb Schotten als Hausierer herum, und diesen
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198 —
Nunea Ubertrng man dann auf alle Krämer. Auch der Humer
kam hier zu seinem Rechte; so findet sich 1427 Sifril Sur-
zapf^ der Winsticher, und Adolf Sma^riem, der Saiiler^ 1587
Bonifaciui Hwbem, der Sehneider, Es bleiben freilicli auch hier
noch eine grosse Zahl von Deutunj^en ung-ewiss. SiempfhekBat
allerdings die Mörserkeule des Apothekers, Spörlin ein kleiner
Sporn ; man könnte daraus also auf eiuen Apotheker und auf
einen Sporenmacher schliessen; aber kann jenes nicht eben-
sogut die Bezeichnung^ für einen kurzen dicken Menschen^
dieses der Name eine«? mit seinen Sporen prunkenden Junkers
sein? Es Jlnden sich nämlich eine grosse Zahl ahnlicher Ge-
schlechtsnamen, die nicht gut anders zu deuten sind, und da-
mit kommen wir zu der
vierten und letzten g^rossen Gruppe von Familiennamen,
zu derjenigen, die eine äussere oder innere Eigenschaft oder
eine Gewohnheit andeuten. Zunächst finden sich die auch beute
häuOgen Adjektiva ziemlich oft: Wis$, Schwarz, Hell, Blanko
Braun^ Boih, Vehe (hunifarbio:), Klein,, Gross, Stark, Stumpfe
Doub (taub), Snell^ Rieh^ Selienrichy (d.h. an saelden, Glflck,
rieh), Zart, Krumbs Schieck (schieO- Hatbgewaeh$m, Ball-
iMchsen, Wunderlieh, Gut^ Wite, Kuen, Keck, Wild^ IVMsu-
iieh (jagdmässig, tQcblig), schliesslich Seelhse (d. . h. nicht auf
das Heil seiner Seele bedacht), ein Name, der henie noch in
der Seelosgasse forttobl. Dann findet sieh schon 1264 BekiricuM
IhUeU et aridue, deutsch triedergegeben Beinrieh der Dürre
und der Guie^ ein merkwürdiger Name, der seine Analogie in
dem in Strassburg heule noch vorkommenden IMundgut hat.
Sehr fr&h treten auch schon Verkleinerungsformen von diesen
Acyektiven auf, ein Zeichen, dass sie nicht mehr als solche
empfunden wurden'; so giebtes Familien BUnkeHn, Slmsp/e/m,
Stohelim^ Bouehelin (sjAler Bmtehlin) von rauh, auch Sehöiier'
Im vermutlich zu einem nur im Komparativ schoUer vorkom»
menden Stamm, der cnnordentiieh gekleidet» bedeutet. Ferner
Zusammensetzungen mit -mann, Schönemannf Snelw^ann, Gut'
mann, Wisemann, dann solche mit Vornamen : Kleinkans^
Fulhans, Langhans, Harbarth = Schmutzbarlhel, Slohenboh^
Trunkenbolz. Hierher gehören die in Strassburg heute vorkom-
menden Namen Böswillwald (böser Willibald) und ßöshens
(böser Hans). Sehr früh kommen schon P'igenschaften bezeich-
nende Nomina a^entis als G^schlechtsuanien vor, so Tiuschere,
später £>d«jc/<er, Wünsrher, Sp/^er Speiser, Süser ^ii^Vi^c,
Züser Zauser, Rorer — Rrüüer, Reizer, in einer lateinischen
Urkunde mit Provocalor wiedeii^ej^clM^n, Knurzer, vermutlich ein
langsamer Arbeiter, heute diaiekii>cii dKnorzerny ferner /Ve-
uc/er, Tre/er >= Tänzer, J^ürner, HiYer, vielleicht gleich Heuler,
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— 199
Uozzeier ^Schnukcler, dann die Namen zweier altberührater
Sirassburger Familien, iiTroper = Prahler und ßegw =- Zänkei-,
schliesalieh Taweler, Taaler, To/er von lawalon, hinwelken, hin-
slerhen. Auch Scculeriiii wird in der Bedeutung cSchmäher»
durch die Familiennamen Scanlmann und Scanivogel bestätigt.
Aehnlich sin<( Held, Grosgherre, Lappe^ was einen unordentlichen
Men^rhen bezeichnet und auch in der Verhiiidim^' f^fafcnlapp
als Familiennamen vorknmmL bidenbrctcr, der Name einer im
14. Jahrhundert Mijhenden Familie, ma^ wohl einon Antisemi-
ten jener Zeit bedeuten. Auf innere oder äussere Ki^. n<( h ifieii
wird auch durch mehr oder minder schmeichelhafte \ ergici( l e
hingewiesen. So finden wir Engvi und Hetir/eyel^ das ist nam-
Itch derjenicre, der den Rückwey; aus der Hölle versperrt, der
Teufel, Künig und Suldan — Sultan, Uabst^ Cardinal^ Priol
— Prior, Pfaff und Münch, B<ji dem Namen JndCy der sich
öfter und nicht nur in Strasshurt,'- als Familiennamen von
Christen rindely kann man finlwudcr an tiuvn gelauUeii Juden
oder an einen irgendwie einem Juden ähnlichen Menschen
denken.
Von gant besonderem Interesse scheinen mir einige wenige
Ntmett Ulterariaehen Ursprungs, die man Leuten gab, die
iri^endwie an Personen der Dichtung erinnerlen. So nannte man
TVialmi vermutlich einea Menschen, den man heute als Don
/im» beseichnen würde. Z. B. heisst ei» Strassburgnr Bürger
im 14. Jahrhundert Johaime$ Ttufamt und schon früher gieht
es dne Familie Par9\vül und ein sehr sahlrsiehes Gesehlechl
Bogitr^ Bofftr nach der Persünlichkeit aus dem Sagenkreise
Karls des Grossen benannt« die wir als Herrn Holger aus
ÜSmemark kennen. Auch Familiennamen wie VivianU und
Duramd, die an die Helden mehrerer altfranzüsischer Epen»
übrigens auch an den Namen der Zauberin Vfvicfiie und an den
von Rolands Schwei! Durandarle anklingen, möchte ich hier
anführen. Wie beliebt diese Epik franzosischen Ursprungft im
Elsass war, beweist der Uipstand, dass in dem Geschlechte der
Uappoltsteiner Grafen sich mehrfach der durch Wolframs Parsi-
fal bekannte Vorname Berzeloyde findet. An die Bekanntschaft
mit dnm deutschen Sagenkreise erinnert der Nime Nibeluntj,
Sebelung und ein Diclerich, dem jedenfjlls m I ;rinnfTiin{j: an
den grossen Ostpotenkönig der I^ame Amtiung als Familienname
beigeffi^'t worden ist.
Wenn wir nach dieser kurzen Abschweifung jvvieder 2u
den Kijjeuschaftsnamen xurück kehren, so sind ferner eine Menge
Tipriiamen zu erwähnen. So linden wir als tatnilintinamcn
Ijcl, Wölßin, Snecke. Floh, lat. PuUx schon in einer Okunde
von 1233 r Wernherus PukXj ferner Dunghate^ wa:> vermut-
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lieh ein Kaninchen bedeutet, Kuse = Kuose^ Schaf, Swarber,
Wühl gleich Sperber, Kage — chaha^ Krähe. — Einfache und
zusammenfjfesetzte Abstrakte sind als Familiennamen schon sehr
alt z. ß. Kumber, Senflei t'ben. Schade, ^hch(schaue, wobei ich
an die Familie iMTfäschaden von Neckar slüinach erinnere. Ein
Fridericus Kleinegedanc kommt schon 1211 vor ; der Name
will kein Tadel sem^ soodem beieicfatiet lobend demjenigen, der
feine Gedanken hat. Dazu Zw», Slurm, Streit, Krieg und das
gleichbedeatende Vrliuge, Ängesit ßramä und ßtmätUn^
flchliesalich Dwmtrmui und Jrregang, vielleicht ein Satzname
srz chemme den Gang». Aul körperliche Bemderheitea denlen
Kr^h, Nato^ Schenkel^ KSpfol^ Judenkepf^ Pfohlkouh^t^ Ka^
bmhoubei ^ Kohlkopf -* 1315 verbfiift sich für Johanmes^
Sohn des Joliannts Kabushaubei^JohamMif Sohndetverstorbmeti
Heringhoubei -^ferner y Katzenor^Krumbefim^ FthlpacktzsTAvkr
back> vielleicht auch Blotbaig und Pfiler, von welcher Familie
ein Angehöriger 1332 sogar Pfoste PßUr genannt wird. Auf
Eigenheiten der Kleidung beziehen sich Familiennamen .wie
Gimpelf der Name eines Fraaenkopfputses^ Schou6inhul:=iSir€hr
hat, Spitzhui und ähnliche.
Viele Namen schliesslich deuten auf gute oder schlechte
Gewohnheiten. Z. B. Bald:sse, was mit Manesse, dem Namen
des Zürcher Geschlechts, der Menschenfresser bedeutet, in
Vergleich zu stellen ist, und manche andere. Vor rdlem kom-
meji hier die Imperativ- oder Satznamen in Betracht, die ich
hier im Zusammenhang^ aufzählen will, soweit sie mir vorg'ekom-
men sind. Sie sind meisl humoristischer Natur und gewaiiren
einen Emhlick in die fröhliche Lebenslust, die in den Städten
des Ii. und 15. Jahrhunderls herrsch le. Da finden wir in der
Kalbsgasse einen Schuhmacher, Hans Kumme noch hie nacht
=: komme noch heut nacht^ eine Redensart, mit der er wohl
seine Kunden hinfig vertröstet haben mag ; auf dem Bossmarkf,
heute Broglieplata Nr. wohnte 15S6 der HufiKhmied Diebotd
Spring in dit Sßhmid^ mu Namoi der nicht nur in Stnssbuiy
vorkommt, 1587 am Schiffleutsladen Nr. 4 der Wsrth Siiat
Spanehuh, der wahrscheinlich viel harlüss herumlief^ 1406 in
der Langen Strasse der Schmied Sektnk umd drink, ein paar
Häuser davon 1587 ebenfalls ein Schmied, Namens Heinrich
Mornhimtscg = Morgen hinweg, ein Name, der im Badisdwn
und Würltembergischen heute noch vorkommt, 1427 in der
Weissturmstrasse 24 der Flacker Schür- die- Geits (= Schieir,
Schere die Geisa). Der Name Schenkbecher, jedenfalls ursprüng-
lich der eines Wirts, jetzt durch eine ffrosse Stillung hier wohl-
bekannt, )«t ein Satzname, ebenso Zuckeswert, Zuckschu tri
und ZuckcMantelf Zuckmantely von denen jener iZikke das
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_ .201 -
Sek»9tl3 bedeutet, dieser erklärt wird: •Baul)e den Mantel*^
«odann Geraihewohl, Gradwoid^Hikktlutztlytk. b. «Habe wenig»,
wozu BabenichU zu vergleichen, sowie Schüllenüt, «Mwa t Ver-
sah "itte nichts», vermutlich auch ein Wirtsname. Aussser Morn-
hhiwcjj sind nwh eini^^^e Narncn oime Verbaiformcn zu nen-
hen, die /u den Salziijniieii zählen ; 1466 finden \vir einen
Schuster Hans J Jurchuenicivd in dfi Langen Stras'^e und einen
Weber liavs ümbundumb um ailea W'einmarkl. Diese Namen
sind nicht .so seilen wie man glauben Ixöniuo : in Strasäburg
haben wir gej^enwäi lig beispielsweise Sen'jenualü =r Senge den
Wald, Ilaunschild — H^u den Schild, ßedslob Rede das
Lob, Slreisyulh Streu das Gut, ein Nitme tür eiueu allzu
Freigebigen, KüMswieikr, dessen heutige liubsche Form aller-
dings aus der älteren : Kiu^mtUr^ d. b. cSlehe nach dem
Weiler» umgestallel ist«
WeDn wir nun nach dieser Gruppierung, bei der ja noch
sehr vielet in der Etymolofie imd in der Deutung sweifelhaft
und ttnaofgeUärt bleibt, die Familiennamen im ganten Qber-
blicken, so lAsst sich fQr Straaaburg chronologisch etwa folgen-
des feststellen« Im 12. Jahrhundert beginnt die Bildung der
Familiennamen bei dem sfAdtischen Patrixiat, um 1500 ist diese
Entwicklung abgeschlossen, sie hat somit fast 4(K> Jnhre ge-
dauert. Den Anstoss g»h die wirtschaftliche Umwälzung, die
das Entstehen und Aufblühen der Städte zur Folge hat. Die
ältesten Fann'Üennamen sinr! nrich Ausweis der Stras.sl)nrger
Urkunden dit^jenigen, die die Herkunft oder die Wohnung, und
diejenigen, welch" Ki^^enschanen bezeiehnen Tm 13. Jalir-
hiinderl worden dann die pati otiymischen fiildun^eti lest, d, h.
die aus allen Porsonennainen *rel»ildelen Geschlechts?! uiu u.
Im i4. Jahrhundert wcMden die J^ezeichnungen von Aemlern
und Würden, im 15. endlich die Handwerksnamen zu Fa-
miliennamen. Im Jahre 1427 heisst es meist noch Günther
der Brotbeck, Simond der Wirt, Drünle der Wagner, 1466
dagegen giebt es schon Handwerker« die ein anderes Handwerk
traben, als ihr Name besagt, t. B. Brkart Olanr^ Hntmadier»
ffanu Deeker^ Schmied n. s. w«, der beste Beweis, dass der
Name nicht mehr als Appellativnm empfunden wurde. Die
Entstellung der humoristischen Flamiliennaoien ftllt ebeofaUs
in des 14. und i5. Jahrhundert; sie gewähren uns einen Ein-
blick in die Gedankenwelt der 1892 tur Teilname am Stadt*
regiment gelangten unteren Schiebten der BerAlkening« Aber
deren Innenleben wir sonst nicht allsttviel wiseeo.
Doch auch andere Schlösse können wir aus unserem Na-
menmaterial ziehen. Die massenhaHen Herkunflsnaroen ^eben
einen Begriff von der Stammesangebftrigkeit des Zusage» der
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— 202 —
für die mitlelalterlichen Städle unentbehrlich -wär^ weil ihre
Sterblichkeit der Regel nach giösser war als die Vermehrung
durch Geburten. Strassburg halte sogar big 17Ö0 keinen Ueber-
schu's der Geburten über die Sterbet^llei und ersl seit 1860
ist die Vermehrung durch Geburten ständig geworden. -~ Nach
der Stanrnnesangeböriglteit macht nun die Bevölkerung des
mittelalterlichen Strassburg einen sehr geschlossenen Kindruck;
die meisten Zuwanderer stellt nach Auf^weis der FamilienDamen
das Els^^ss, «ovveil es irn Strassburger Bigtum lag, d. h. al?o
das heutige l'nlei elsass, dann folgen die rechlsrheinisrhen Ge-
biete de« Bistums^ auK denen beispielsweise Lahr^ Gtngtnbach^
Offenburg, Zuzu^j iieleirj, dann das alte Herzogtum Schwaben
oder Aliemannien in seinr^rn ^ranzen Umfange, und zwar so, dass
das heutige Würtfembeig und das bayrische Schwaben, die
Schweiz und dua üijerelsass etwa gleichmässig beteili>?t umä.
Wenig zahlreich sind die von weiterher stammenden I3y r<,er;
aus Lothringen stammen dem Namen /i^ch, die von ^aarbur<j^
die von ßilsch, die Marsilius ; 1265 wird sogar ein Welscher
aus Metz, Colin dictus Blanzart de Meli^ als Strassburger Börger
erwähnt ; aus dem übiigen Rheinland abwärts vom Eisaas wer^
den Weissenburg, Sfteyer, einmal auch R&ln schon in frfiber
Zeit in FamiliennantieD tla Geburtsorle von Sirasshurger BOr*
gern genannt. Aber atles in altem zeigt Strassburg auch hier,
dass es da» Haupt des Hemgtums AUemannien, wie es einmal
im Ii, Jahriiundert genannt wird, war. Die lautlichen Formen
der fibrigen Eigennamen bestStigen dieses Resultat vollkeminen;
es findet sich bis zum Jahre iSOO kaum ein Name, (s. o. BewucAefi),
der UutUeb als nicbtallemaoniscb ausgebrochen werden ktante.
So ist es in der späteren Zeit im ganten aueh geblieben.
Die Unruhe der Reformationsieit hat hei der grossen Weit-
herzigkeit des den Strassbttifer Rat damals beherrschenden
Jakob Sturm allerlei Leute, darunter auch viele welsche Kat-
vinisten nach Strassburg getrieben; aber die Unduldsamkeit
der späteren Leiter des hiesigen Kirchenwesens hat diese und
viele andere Elemente wieder ausgestossen. Strassburg, das in
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Auffing zu einer
wirklichen Grossstadt, die nicht bloss Deutsche aller Stämme,
sondern auch Ausländer aller Art zu ihren Bürgern zählte, ge-
nommen hatte, sank wieder zu einer südwestdeutschen Provipzial-
stadt herab. Die politischen VerliäUnispe des 17. Jahrhunderls
waren nichf dazu angethan, die« zu bessern . Selbst durch die fran-
zösische Eroberung wurde cHe Zusammensetmnpr der Strass-
burger Bevölkerung wenig geändert ; die Stadtregierung blieb
in den alten Formen bestehen. 1687 führte Ludwig XIV., um
den EiuUuss der durchweg protestantischen Familien^ in deren
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I
— 203 —
Hiaden 4w. itidtiselm Atmter Ins idBi gelegen hküm^ m
bneben^ die AHenittive dn, d. Ii. er bestimmte, dass kUnft^
faiB alle Aemter abweehstlttd lon Frotettitoten imd KathoHkan
]»ekleidet nerdea aollleii. Aber telbet diese einaehncideBde
Uaaaregel fAliHe fraaifer franiSaiicbe Elemente ala fSnwtnderer
aus den katlioliaelien links- und rechtsrheinischen Gebieten
deutscher Zunge m die Stadt NatAriidi atellten sich allmäh-
lich auch Fran^oaen ein, Beamte, Offiziere und katholiache Geist-
Heblimty namentfidi aeit dem Jahre 1703» wo ein Rökan Bischof
fOtt Strassbnrg wuitle. Aber im ganzen blieb das alte Strasa-
hnfg bia zur Revolution seinem Charakter nach eine vollkommen
deutsche Stadt. Erst durch die^ wird die Selbstverwaltung
Strassbtti^gs beseitigt und Ale Stadt, die wie das JT'nzo Elsass
bis dabin »um thi^^Schüchen Ausland, hUranger effeclif, ge-
hört hatte, dem französischeti Staate rinverleihl und eine Ge-
meinde Frankreichs wie Bordeaux und 0 renoble. Aber selbst
in der Zeit von 1789 bis 1870 war die Eiii\\.uid< rung von jen-
seits des Rheines stiirker .?!^- die von jenseits iKt Vogosen.
Aus der Volkszahlung lon lHü6 erjjab sich, dass iO o/^ der Be-
völkerung StrasBhurg:«^ Angehui ijje deutscher Bundesstaaten wa-
ren; eiri weilerer nicht unbedeülender Teil der eingewanderten
Deutschen hatte die französischo Staatsangehörigkeit erworben.
Darin findet die vielen Leuten überraschende Thalsiu he, dass
die Eltern oder die Gro.ssellern vieler sogenannter AlLslrass-
burger rechts des Rheins geboren sind, ihre Bestfitigung.
Immerhin hatte es der nach Ausweis der Namen französische
Bevölkerungsteii gegen Ende der franiösischen Herrschaft xn
etwa Va der GeaamfbevOlkerung Straaaburgs gebracht. Denn
1854 iftfalte man 19,2 o/o fransBaiaehe und 79,1 o/^ deutache,
1860 ^fi^U franafiaieehe neben 76,5 o/^ dentacben Namen. Doch
waren lUer natflrlich Beamte nwt Ofßsiere mitgeslhlt, die nicht
ala bodenatändig anzuBehen sind, Dnrch die Vereinigung Strass-
boiga mit dem dentacben Reich ial hier mit einem Schlag eine
groeae Verftnderung eingetreten. ' Eine Zuaammenstellung vom
Jahre 1884 weiat nur noch 7,3 «l« französiacbe gegm ä,9
deutsche Namen auf» nnd bei der sehr alarken Vermehrung
der hiesigen Bevölkerung, au der Personen mit frauzöaiacben
Namen als Einwanderer wohl nur sehr wenig beitragen werden,
sind diese in der Prozentzahl jeden&lls noch bedeutend nach
einer oberflächlicfaen Berechnung auf etwa 5 o/o — zurückge-
^ngen. Anders auagedräckt heiaat daa: in der Zeit von 1681 bis
1898 hat die Bevölkerung Strassburgs mit deutschen Namen eine
Schwankung durchgemacht, die von, sagen wir, 100 of© im erst-
genannten Jahre auf etwa 75ö|o im J,ihre 1870 ht&ab- und
seitdem auf 920jo wieder hinaufgeführt hat«
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Fragen wir nun — uQd damit kehren wir zu unserem
GflgeiM(aod zarück — ob sich aus den Namen der Bevölkerung
von heute, verglichen mit denen der Bewohner des mittelalter^
liehen Strassbcrgs etwas für die Bevölkerungsbewegung' im
Laufe (ier letzten sechs oder sieben Jahrhunderte schiieasen läset,
so ist festzustellen, dass trotz allei Umwälzungen ein verhältnis-
mässifr grosser Teil alter Namen sich erhalten iiat, und nicht
bloss 'lie allfM'i^e wohnlichsten, souTlern Nanieu wie Zuckschweri,
Armbruster, Malern, Pfülzer^ Kreösei^ Süser, Strinz, Wtnling
u. s. w. Abel' Wi'ni! iiese Beispiele auch nicht viel beweisen
sollten, so wird jtUt r. der sich in die Lektüre des Strassburger
Adressbuches vertieft und rnit der uiilteialteriichen Namenwelt
Strassburgs vertraut i»t, doch den bestimmten Eindruck haben,
dasä wir zwar ein gutes Teil Namen nicht bloss nord- und ost-
deutschen, sondern auch romanischen, sla dachen und hebräischen
Ursprungs babeo, daneben aber — und zwar gerade in den
unteren Schiebten — eine grosse Mehnatd von Namen« die
gana denselben Gedankenkreisen entstammen, wie jene des
Mittelalters.
Biese Erscheinung ist ein neuer Beweis für den Satz, dass
durch politische Umwftlsungen die grosse Masse der Bevolker*
ung fast nicht berOhrt, sondern in erster Linie die leitenden
Klassen betroffen worden, einen Satz, der sich für Strassburg
auch historisch belegen lässt. Na Ii der Besiegung des Bischofs
durch die Strassburger Bürger im Jahre 1262 scheiden die bi-
schöflichen Ministeriaieii fast sämtlich aus der Verwaltung der
Stadt aus und ziehen zum grossen Teile aufis Land ; es bildet
sich ein städtisches Patriziat vermutlich altfreien Ursprungs,
das, durch Handel reich geworden, «ich ^rnnz ahnlir-h f^ehärdet,
wie die freie Ritterschaft auf dem Lande. Die Umwalzunj^en
des 14. Jahrhunderts drängen auch dieses zurück und der
Dachsteiner Krieg 1419 — 1422, dessen Ergebnis diese Patrizier
vor die Frage stellt, entweder ihre ritterliche und reichsrecht-
liche Stellun^^ oder ihr Börgerrecht aufzugeben, treibt viele
BUS di'v Stadt. Das liunmehrige Patriziat ist ein rein bürger-
liches Amts- und Bildungspatriziat. Das Jahr 1681 veran-
lasst etwa 300 der besten Familien der Stadt ausiuwandem,
und im vongen Jdrhundert finden wir viele Stmssbiurger als
Beamte im Diensie deatacher Fürsten. So kommt es, dass im
den Familien« die in unserem Jahrhundert in Strasshuif im
Vordeigrunde stehen oder standen^ soweit Aiierhaupt len
solehen die Rede aein kann, vor 200 Jahren kaum ein« ge-
nannt wird«
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IX.
Die Deminution
in der hanauischen Mundart.
Von
Dr. med. Kas&el
in Hoclifelden.
In dem Umfange, der im vorliegeDden Aufsalae dargestellt
Tverden soll, kommt die Verkleinerungsform in dem grössttti
Teile des Unter-El^ass vor, nämlich in der Gegend, welche un-
gefähr begrenzt ist durch die Nordgrenzen der Kantone Suis
Q. W, Und Wörth nach Norden, den Rhein nach Osteo,
die Vogesen nach Westen, die Gejfend von Barr und Erstein
nach Süden. Dieses Gebiet entspricht im Grossen und Ganzen
der ehemaligen Grafächalt Hanau-Liclifenherg. Nach dei- Pfalz
zu ist die Verkleinerungsform viel seltener. Ueber Lolbrin|,^en
und die südlichen Striche des Els-ass besitze ich keine genaue
Kenntnis, jedoch ist es wohl sicher, dass auch in diesüö Teilen
unsereö Lanileft das Deminutivum ebenso verbreitet ist.
Da es hier weniger auf die genaue Aussprache als auf die
spracbgesetzliche Seite anki rumt, sind die Beispiele nach dem
Sinn und dem Sprachgebrauche der hanauischen Mundart ge-
wählt, die Schreibweise ist jed(»ch mögliciisl an das Hochdeut-
sche angelehnt, so dass die Beispiele auch für die verwandten
Mundarten der Stadt Strassburg^ des Kochersberges und des
Ackerlands zulrefien*
Die hanauisehe Mundart hat dieselbe Neigung zu deminu-
ieren, wie eine Reihe anderer dentscber Mundarten, und dieses
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200 —
Bestreben kann man mit Recht als ein charakferistiaches Merk-
mal der deutschen Gesamtspracbe gegenüber allen anderen
Sprachen bezeichnen, so verschieden auch die Sprachmiftel zum
Deminuieren »nd. Auch das Hochdeutsche besitzt die Fähigkeit
zu demiimieren. Jedoch dürfte die hanauische und im weiteroi
Sinne die clsüssische Mumlart diejenige sein, welche vor allen
anderen Mundarten dem Deminutivum den weitesten Eingang
gewährt hat. Der Hanauer deminutert noch häufiger als der
Schwahe, der Oberbayer, der Oesterreicher, der Schweizer, die
doch wahrlich mit der Verkleinerungsform nicht kargen, häuüger
auch als der Holländer und der Westfrde, welche ^reradezu im
Demiiuiliviini s(hw*^!|^^eii. Denn die hanuuischo Mundart ist im
blande, iiichl nur üauptwörter, sondern auch Eigensch iftswörter,
ZeitwnrtrM, Furwftrler, Umstandswörter, kurz sozusagen alle
Worlt^eiiilde zu deminuiercD
Wahrend nun das HochiJeulscbe zwei Verk!cinernnf,--ssilhen,
-chen Mi)i\ -lein besitzt, haben wir im Hanauischeii nur ein ein-
ziges Gehlide, welches der Deminulion dient. Es ist die Silbe
-le mit ihren Varianten -(e)l und -c^e, die dem mittelhochdeut-
schen und den» Luther'schen -(e)lln entspricht und jedentuils
dem lateinischen -ul(us) verwandt ist.
Aber nicht jedes l in der Mundart ist als Verkleinerungs-
form ansusehen, obwohl es manchmal den Anschein hat. Viele
l erweisen sich bei näherer Betrachtung als Konsonantenwechsel
= n. Soldie Wdrler sind %, D. WaioeZ- in Waiselkindy -btie,
-hüSy -^wide; Mittle = Milt(en)e ; laigle leugnen ; rängliere
(frz. r^gner),
Was zunächst diegrammaiikalischeSeitedee Stoffes
betriifl, so ist vor allem festzostellen, dass das Deminutiv el,
Lienhart in seiner Dissertalion^ treffend sagt, anf den wan«
delbaren Yokal der vorhergehenden Silbe umlautend xurflekwirkt.
So wird JffiM — Hitel, Wduje ^ Wäjel, Pistol ^ PistoMe,
krtiehe krächle, siaiwe (stäuben) — stMe, Anf die Abstamm-
ung des Wortes kommt es hierbei nicht an. So heisst es F<m-
th§l (Vorteil) — Vörthele, HampfeJ (Hand voll) — HämpfeU,
nicht Händel voll. Mump fei (Mund voll) Mümpfele^ nicht
Mündel voll.
Im Ucbrigen erfolgt die Deminulion bei Substantiven so,
dass Substantive, die auf einen Konsonanten endigen, -el an*
hängen: Schöf — Schefel. Zur Bezeichnung des Niedlichen, be-
sonders in der Kindersprache (worüber weiter unten speziell),
dient ausserdem als Koseform die Endung -ele : Schöf — Schefek.
1 Lienhart, Laat- und Flexionslehre diS mittlem ZointiiAls;
atrasshorg, Träbner 1891» p. 63.
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207
Substantive, die auf -er endigen, demiAuieren durch Anhangen
m -le; MmuT — MeneHe* Eine besondere Koseform besteht
hier nicht.
Substantiva, die auf ein unbetonte» anslauten, deminu-
ierra durch Anhängen eines einfachr^n -e, so dass die Gesamt-
endung -ele entsteht : Säyoei S&wele^ Michel — Michüe»
Alle anderen auf -/ auslautenden Substantiva deminuieren
durch Anhängen von ele : Mül — Milele, Kamisöl — Knmhälele,
Misch&i (französisrhe Aup^'jirnche) — Mischelele. Ks sind dies
entweder einsiibi^r W l U i oder solche, die die letzte Silbe
* betonen, letztere sämtlidi Fremdwörter.
Substantiva, die auf ein unlMitonlcs -e endijjen, hängen ein-
fach -/ an : Gärte — Gurlel. Sübstaniive auf -i verwandeln
dieses ~i ohne Rücksicht auf seine Herkunft m -jele : Rätti —
RattjeUi^ Teppi — Teppjele, Bari (Berg) — BarjeU, Sari
(eine Art Reisedecke) — - SärjeU^ K.agi — Kaffjele (feLinder-
sprache), Mari — Marjelc.
SubsUntive, die auf einen Diphthong (ci, ai, äi, au) aus-
lauten, hängen -el an ; Gehei (Gebäude) — Gebeiel^ Pape^jai •—
Papeguiel, Stäi (Stiege) ^ Sldiel, Hau (Haue = Hacke) —
Haiel. Nebenbei ist die Koseform auf -ele im Gebrauch.
Von Substantiven, die auf einea andsreo Vokal endigen,
kommeii bloss Eigennameit in Betiacht und iwar dordigeheiids
franidsieebey welche auch von Leuten, die des Franxöstschen
unkundig sind, firaniösisch ausgesprochen werden. Sie deminu*
ieren durch Einscfaiehen von -Jfe- zwischen den Stamm und die
Endong -ele, also durcE Anhftngen von -Me mit scharfer Be*
lemmg des Endvokals: MarieMe, Octaviefteley Euginiefteie,
VaUrieftele, AmtiieMe, VIrginielkele, IfariaJMe, Annagele,
AonMe, Bm^Me, lAumkeU, kraamAhtHe, Vereinselt steht
Anm^ele neben Annaftele.
Um nunauf die Verbreitung und die Bedeutung
dee Beminutivum öberzugehen, so zeigt es sich, dass hier eine
grosse Mannigfaltigkeit herrscht. Besonders ist die Yerkleincr*
ungsform im Sprachschats wie im Sprachgebrauch am häufigsten
beim Substantiv um. Da bezeichnet sie sunftehst das
Kleine, das räumlich oder zeitlich Begrenzte.
Namentlich huldigt ein grosses G^iet mit Vorliebe dem
Deminutivum, nämlich das poesieumwobene Blumenreich, wel-
ches im Volksleben eine so wichtige Rolle spielt. Es gieht nicht
viele Blumen, die nicht vorwiegend oder ausschliesslich im De-
nninutivum genannt würden: Balsaminle, Gänshliemfi^ Kä-
tiirinerösle, Jiljele {LiVie), Pfingstenajele, Ritterspör)ile, Schnee-
glöckle, Vergtssm€in7iic}itle. Manche erlialten eben durch die
Verkieinerungstorm ihre Bezeichnung als Blumen : Bluetströpfle,
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208 -
DrtifätHgkmOß, BähnekHdte, HäsemHeley mmmdtehHtuO^,
HoluchiejUf KapextnuU* F^^mdeii Ursprungs sind AriluU
und Arunkele^ ersieres vom lateiniscben Prirouls auricula, leti*
teres vom lateinischen Ranimcalus. Beide haben also die la-
teinische Deminutiyendung direkt in die eisissiBche umge-
wandelt.
Auch Obstarten und andere Erseugnisse des Gartens wer-
den häufig im Deminutiv gebraucht, so Heubier le, Dapiäpfele
(frz. pommes d'Api), Kwätschle, d^LVcm Kwälschelbrändewiny —
AeryiepfHmle^ ferner grie7n Erhsle, Bätfjele (Radiesdtien), letz-
teres zum ünlfirschied V(«n Rätti, j^ro^se Rettige.
Sodanij .siehen die Bezeichrmiigeii für das im Elsass so be-
liebte kleine Gebäck meistens in der Verkleiueruagsform : Aene&-
brödlßy BiskewitlBy Jiirzhönile^ PfiUele^ Hiple (R.lupchen),
Schwowehrödle u. a. m. Auch Krachle, in BuUer j^eröstete
kleine Rrodäiucke, weiche beim Zerbeiss^ ckrachen», gehört
hierher.
Aber die hanauische Mundart geht weiter als das
Hochdeutsche. Sie bildet xur Bezeichnung des Kleinen,
Geringen, K urxdauerndeni Wörter, die im Hecfadeut-
seb»! nur schwermfiglieh oder .undenkbar wftien, denen aber
die spraebliehe ZweckmAssigkeit niebt abgesprocben mrdeD
kann. Audi im fioebdeutacfaea sagt man beispiekwetse ein
Spielcben, ScfalAfchen, GescfaAltcben» ferner ein Bankerdttcben,
DemoastratiönebeD u. Ahnt. Viel bAu%er sind derartige Demi-
nutienen im Elsftssiscbefi. Man sagt z. B, e Pßndü Fleuehj e
Spatiergängel, Hüestel, Pöstel und Z)spescshel, (Fnstkamn) Jäg-
del, Tribel (Trieb = Treibjagd), Räjele (Regen), FäUele (FaDe),
e Nixele, eine nichts vorstellende« unscheinbare Person, e Dre*
ekele, eine Kleinigkeit (in wegwerfendem Sinn), e Höftel (tiot,
Gehöft), e Gebeiel (Gebäude), e Märikel (eine Mark Creld).
Der Ausdiuck der Zuneig^ing und des Vertrauens
liegt in HerrgöUeL, kleiner Herrgott, sehr beliebter Mann,
s Dökterle, der liebe kleine Doktor und besonders in Männel
als Anrede unter intimen Freunden, z. B. horieh, Männel^ ich
will der ehs sdvje. Die also bezeichneten Personen brauchen
durchaus nicht klein /.u sein, es können Riesen von Gestalt
vorstellen. Aehnlich sagt man im Niederdeutschen «lüttje Mann»
und im Französi.schen cma petite femme», wo von kleinen
Leuten keine Rede ist. .
Ferner drückt das Deimnuliv die Geringschätzung-,
das Verächtliche aus in Wörtern wie e Merel (franz.
maire, Bürgermeister), e Schüelmeisterle, e Schüehynächerle,
Schniderle u. s. w. In diesem Sinne ist folgendes Sprichwort
geläufig: mer gMnitzüem Schmittel, mer geht güem Schmitt,
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— 909 -
d. h. man jj^ht nicht zum mimlerwertii^en Arljeiter (Kur-
pfuscher etc.), sondern gleich zu einem rechfrn Mann, Auch
Fri'cJili l (hocliiieulsch : ein schönes Früchtclan ), Lasterle und
MusterUy lelzteies ironisch, gehören hierher. Andererseits
dient das I »• .ninutiv wieder zur Milderuo^ in Lümpel (kleiner
Luii»|>, Ttinlü r; uiid VVackeale.
Audi »i>>liakte BegrilFe werden ohne 8« h« u der Ver-
kleinerungsform tinterworfen. Man sagt i, B. Augeablickel,
Anschlägely Gelüstel, Künstel u. a. m.
Mit dem Begriff des Kleinen ist eng verwandt das Nied-
liche', das Liebliche, Hübsche, Angenehme und
daher den Sinnen WohigefälUge. So kommt eä, dass viele
KleiduDgs* und TrachtstOcke in der Verkleinerungsform stehen^
ebne dass sie gerade klein zu sein brauchen, z. B. HaUeh*
tiechel, NaekmänteUy WamHeU Wandfürtiechel, ferner von
französischer Herkunft KrawäUel, G&mpel (guimpe). Weitet u. a.
Von kleineren Giegenstinden, s. 6* FiscJigränUy Fischgrtten
(Aermelscbmuck), PläUelbörUe, mit PlftUchen versehene Borten
(Schmuck des Vorsteckers), Flnnderle, Spitzen aus Flandern,
ist das wohl selbstverstfindlich.
Ferner werden die Namen von Speisen häufig als Aus-
druck des Angenehmen, Wohlschmeckenden in die Verkleinerun>;s-
foim gesefzl, so e güets Süppel, Gemüsel, Salätel^ Sei'wila*
salätel, Grie9päppelt EiermieseL Aehnlich hochdeutsch; ein
Weinchen !
Sodann gehören hierher die Namen einiger Kin(iers|»iele,
z. B Nihsles (oder Nüsslit^), lU)ikc=^chläpplis, nö^sNs, litifii»^
SaldäLliSf ISüchlauferles, siutzcbockele und viele Miulere.
Wie weil die VerkN'iiiei ungstorm vcrltr^ilet ist unv wie
sehr sie im lagliciieu Gehr.iin he verarbeitet wurd", orhelil am
Besten aus der grossen Zaiil der Wörter, welche in der Ver-
kleinerungsform eiiie ne SU ädere, von dem ui ünglichen
Worte mehr oder vvenijg«r abweiciiende Bedeutung er-
halten haben.
Es seien zunächst mehrere genannt, welche Haus u n d
Hof betrefTen : GarUf nur in den Zusammensetzungen Ob$t-
garie^ Chrasgarte u. ähnl. gebraucht ; Gärtel ist dagegen der
wöhnlicbe Ausdruck für Blumen- und Gemüsegarten. Glück,
Henne« welche Junge hat; Gliekel, Küchlein. Hau, Feld-
hacke; Haiel, Gartenhacke. Hurdf Horde, grosses hölzernes
Geflecht zum Trocknen des Hopfens oder zum Aufbewahren
der Aepfel im Keller; Hüf^el, kidnes Geflecht znm Aufbe-
wahren der Nüsse oder zum Dörren des Obstes auf dem Speicher.
Kapetiner^ Kapuziner; Kapezinerle^ Kapuzinerkresse (tropae-
olum migus L.). Katz, Katze ; Ratzel, neben Kätzchen im
U
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— 210 —
eigentlichen Sinne: BlQtenstond der Weide, WaUnius, Üucbe,
Pappel, Eiche. Korb, grosser Bauerakorb mit 2 Griffen ; Kär-
wdy Arm* oder Handkorb. Kfütj^ Krug im Allgemeinen und
Krück, Wasaerkrug; Kriejet^ WeinkrQgel. KütBch, Kutsche;
JEttsehel, EmderwSgelcben ; d KUßcMe^ .das Carusse). Xote,
Lati, Schlits, fibertragen : dummer Mensch ; LäUehd^ Lätzcben
der Kinder zum Vorbinden beim Essen. J/b, Leib, Bauch;
lAw^lt Gorseit. !nior, das grosse HoAhor; l^ätel. Seilen*
oder HittterlhQr, Wduje^ Bauemifageii mit Deichsel; Wa/el»
desgl. mit S^äieere. Wann, Fruchtwanne; Wannü, Küchen-
wanne.
Die Küche gehen u. A. die lölgenden Wörter an : Büsche,
die Stelle am Kopf, wo die Z&pfe beginnen ; BtscM« gepolsteiies
Stück Zeug zum Anfassen beisser Gegenstände. Briej^ Brühe;
Brejely Schlachtsuppe. G^os, Glas; Gläsely auch ein Gläschen
Branntwein (frz. un petit verre). Kachel, Kachel, Schussel ;
d KacheUj auch die Isolatoren der Telegraphenstangen. Knopf,
Knopf, Knolen ; Kvnpfel, die bekannte Mehlspeise, Knödel,
KIdsse. Küecke, Kuchen im Aligemeinen ; Kiecheiy Fastnachts*
küchel. Ndujel, Nagel ; Näjele, Gewfirrüelke, Niere, Menscben-
oder Kalbsniere ; Nierel^ Schwei qs-, auch wohl Hasenniere als
Speise. Profit, Gewinn; Pro/i(fei, Lichtstückauf8a{z mit einem
Stachel zur Befestigung kleiner Kerzenstummel. Ripp, Men-
schen- oder andere Rippe, auch böse Frau ; Rippel, bcbweine-
rippchen als Rpe'i^.
Ins Feld führen uns nachstehende Wörter: Burnc,
Born, Brunnen ; Burnele^ Quelle. F»V, Feuer , Firel, Irrlicht.
Grawe, Graben ; Gräwel, Strassenrinne. Krül^ Kraut ; Krittel,
Heilpflanze. Pupp^ Puppe; Pti|p;jeZ, auch KolbenscLeide des
Welschkorns, ferner die zur Ablieferung in ein Bundelchen
vereinigten Tabaksblätter. Sfrtd^ Strick, ungezogener Mensch ;
SirieM, Hasenschlinge.
Der Heilkunde gehören an: Bßin, Bein; Betfiely
Knochensplitter. Brief, Brief; Brief el, abgetbeittes Annei-
pulver. Gawelf Gabel; GäweU, Weinranke; üwer s Gäweie
l&eje, schielen. Puher, Pulver; PüUaeHe, abgethelltes Arznei-
pniver. Xranz^ Kranz; Kränzet^ Pessar.
Ausdröcke a II g emei n e r Art stud dieee 2 Daeh^ Dach ;
Däehel, auch Schirm der MQtze. €keU, Gesetz und Gsatz, re*
ligiöse Vorschrift; Gsetzelf Absatz, Strophe. Kamerad, Käme»
rad ; Kameradel, Gespielin. Kapp, Kappe ; Kappel, auch
Zünflhntchen. Kopf, Kopf; Kopfde, eigen sin ni^^er Mensch;
Köpfel und Briefköpfel, Briefmarke. Kraeher, Kuss, altmodisch
gekleideter Mann, Wagen, Nus<>k nacker, eine Art Kinderspiel-
zeug ; Kräekerle^ in Butter hart geröstete Brodstückchen. Bing,
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Minke^ Ring ; Ringel, Kreis. Endlich gehört auch hierher
Finger f Finger; Fingerle fjüfi ), Fingerring,
Eine "weitere, nicht miiuier grosse Zahl von Haui'i \\ ortern
ist blos in der V e r k !e i n e r u n gs f o r m gel)itiuciilich.
Die Empfindung des Volkes^ dass es sich hier um deminuierte
Wörter handelt, ist durchweg verloren gegangen. Es geht die^
daraus hervor, dass sie noch weiter nach den Lautgesetzen
verkleinerungsfähig sind, besonders al>er daraus, da^^ etwa
ein Dulzend derselben das männliche oder weibliche Geschlecht
angenommen hat.
Ea feigen zunichat die sachlichen Wörter und swar
sueret die, weldw In nraprOnglicher Form auch dem Hoch-
deotachen angehören. BattA (Batten), GeMit&ck (scherihal>
und Kdspr.); {7^clwl0 (Geck), dnllltigea MSdcben; £Hacft-
hingelt Chriatkind; jE^/itsel Kiebili; Jhmel (Reim), gerdmler
Spruch ; BM (Reoae), Hahnerreuae; SehviUmel, Schwalbe ;
Zie»el, Zeisig, kleines terdrieaaKcbes Mädchen; Zickü (Zicke),
junge Ziege*
Von hochdeutschen * Wuneln frei gebildet sind fol*
geade Wörter: Eintijpännü und F<erapdnne{, lieweglichea
Querholz hinten an) Bauemwagen, zum Einspnnnen des oder der
Pferde ; Gäffele, einfältiges Mftdchen ; Schmüerely Schmierfink ;
Schnellrädel und Schnellfiessel^ Fahrrad und Radfahrer;
SchnäpperUf Schnabel eines Gefässes ; Ußangkerley Aufbängael
eines Kleides ; ken Vnihätele^ nicht das Geringste ; Vorhaixuel
(vor^Haupt); unbebauter Kopf eines Ackers, im ßannbuch des
Dorfes Mnhlhausen 1650 : vorhäubtelen ; Wäml fGew^ch«;),
Hautfl«ikeii, Sommersprosse; Zwickerlp^ Schlüssel am FaSß-
hahn zum Abzwicken = Wegnehmen des Weines (?).
Im Hochdeutschen unbekannt, jedoch in anderen
Mundarten lebendig sind folgende Wörter : Bippely Hühn-
chen, Schweiz. uBippi»« bayr. «Pip-Han, Pip-Henn, Pip-.Gockel» ;
Gackel (Kdspr.), schwell. cGaggeli», Ei hd. gack-erri ; Hottet
einjähi i^^es Pferd, bayr. cHotteleini) ; Hützel (Kdspr.) und
Haitzely Schwein, Rheinland und Spessart «Wulz» = Schwein ;
Knürtzelf Auswuchs von einem Laib Brod, Nürnberg «Knörzlein»,
Darmstadt «Knörzche»; Moppel, ünnd, bayr. cMoppel»;
Wat$ehele (Kdspr.), Hlndchen, Schweix. cWatach», bayr.
cWalsehen»» und cWätachen» = (»irfeige ; Wölfele (Kdspr.),
Zfthndien« Oherpfalx cWofely, hayr. cWdlfel».
Aus dem Fra nsösischen stammen a MM^ t6te),
der Kopf, und $ OrkjtH (oreille), das Ohr, beide nur schershafl.
Auf einen Naturlaut ist zurflckzuffthreD WWU^ Ginschen,
auch in fibertragenem Sinn : einftlttges junges Iffldcben {wüle-
«mte, Lockruf «n Ginae und Ehnten).
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212
Was min <lie m ä n n l i c h e n u n d vv e i h 1 i c Ii e n Wö i- 1 e r
in dar Verkleinerungsform betrifft, so könntL» man
aut den ersten Blick vielleicht einij^e Zweite! echeben, ob «las
'l ttiatsacblich als Denrünuüv uitzutasseii ist. Eine wichtijje
Thalsache muss jedoch alle Bedenken wegräumen. Sämmiliche
Ei^^ennamen männlicher Per^sonen sind AftflnKeh Irolf der Denü-
nutivendung stets mlnnlichen Geschlechts. Diese Erscheinung
ist also durchaus nichts Ungewöhnliches. Man sagt demnach
der Hännely der Sehakobelf der Mtehde^ der Jeckde, Hdehsten-
falls sagt man zu ganz kleinen Kindern in der Kosesprache s
Bämele u., s. w. im sächlichen Geschlecht. Kt>enso ist die
Verkleinerungsform von Mann Mdnne^ und Männele (von Kin*
dem und Jünglingen, auch Hunden und Pferden in zutraulichem
Sinn) immer minnlich. Männlich sind ferner Bändel, Bängel,
Band ; lÄppAf Lip|>e ; M^jeA (von Mocke)> unförmlicher Bissen ;
THwel^ Traube.
Weiblich sind : Bichel (Deiche), hölzernes Rohr einer
Wasserleitung; Franset^ Franse; Schindel, Schingely Schiene;
Warzel, Warze ; Wäspel, Wespe.
Nun wäre noch das Veriialten der französischen
Hauptwörter zu betrachten. Sie gehorchen ebenso der
Deminution und dem Umhnt wie die deutschen Wörter. Es
seien genannt : Butätl (boiiteille) — Butällele ; Balungster
(ft'lustre) — Balüng&Urde \ fiawcsd? (camisole) — Kamesdl^;
Ka-fsroU (rasserole) — KassröUele ; Kakumer (concombre) —
Kaküwrde; Ordsch (oran!?e) — Oräschel : Saladjer (saladier)
— S(dädjerle ;SÖ!i T-auce) — fsöftfl : Bius (blouse) — Bitsei
Tru.f'Ch (tranche) — Träschel Einfachen oder auch doppeltei) Um-
laut hal)en Scharehatig (char ä-bjncs) und SchüpuiKj (jupon),
also ScharebängeL und Schärebängelf Schüpingel und Schi-
pitigel.
Eine grosse Verbreilunjj findet en«ilich dab Deminulivum
in Familien- und Hofnamen. In der Deminutivform
werden die Namen der Kinder und der erwachsenen Jugend
beiderlei* Geschlechts bis etwa zum 20. Lebensjahre angewandt,
and zwar haben die Namen minnlioher Personen das männ-
liche Geschlecht trotz der Deminutivendung, diejenigen der
weiblichen Personen das sächliche Geschlecht. Also : der FUd^
bäehel, der WöcJkele, der kleine Fischbach, der junge Wäckel;
s Geyelj s Striwely die kleine Gey, die junge Strub. Femer
einige Beispiele von Hofnamen: der StautaUerltf der Rähmely
der Kipperle, der Sohn des Gehöfts «ins Stabhalters», eins
Rehms», «ins Kippers» ; s MeUjerhaneel, ^ Erlehirel, s Kie*
ferUf 9 MtechHeUy die Tochter aus dem Gehöa «ins Metz^*
hansent, eins Erienbauern», eins Kiefers», «ins Mischdlsi.
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— 213
Den Hauptwörtern steheo an Häufigkeit des Vorkommens
im Bemmutivum die Zeitwörter am nftchsten«
Es sind zun&cbst solehe zu nennen, welche von deminu-
ierlen Hanplwörtern abgeleilet sind und natariich die Thfttigkeit
beieichneD, welche durch diese Hauptwörter gegeben ist:
kiUcMe^ ein Kind im KiUeM (Kinderwftgelchen) hin und her
fiibren, damit es sich beruhigt ; gäiile leichte Arbelt im Gärtol
(Gemtkse* und Blumengarten) verrichten; dimUf Daumen-
schrauben (Dimle) anlegen^ übertragen: sur Eile anspornen;
diehUy mit einem hölzernen Rohr zur Ableitung des Wassers
(Dichel) versehen ; pupple, die Tabaksblätter zu Bündeln {Püpple)
vereinigen, mpuppUf das Welsch korn aus dor Kolbenscheide
(Püppel) entfernen; möiUe, vie) Brod {Möüel, Bissen Brod) kauen;
t^trickle, eine Hasen schlinge (Striekel) lehren oder in einer
solclten fangen ; ufkifle, zu einem Häufchen {Hifel) zusammen-
legen ; ketUCy Handsehellen (Kettle) anlegen ; plältle^ mit Plätl-
clien belegen ; hürdle^ Obst zum Dörren auf eine Horde (Hürdel)
legen ; zammespältle, mit kleinen Flicklappen (Spällle) zu-
sammenflicken ; sich ringle, sich im Kreise {Hingel) drehen,
winden. Duh Wort aijie (= oculieren) ist zwar von Aijel (Aeu^'
lein) i/.vh]U]&l, aber auch- die Murularl gebraucht, gleich dem
Hochdeutschen, 4m im Sinne von Oculieiau^^e.
Nur im Particip sind die nachslebenden Wörler gebräuch-
lich : getüpfelt^ mit kleinen Tupfen verseilen ; gepläckelt, mit
kleinen Flecken (Pläckle) ; gstriffeltj mit kiemen Strichen
(Stnfße); gstrisaelt^ mit Sträusschen versehen (Kleider.stolT) ;
yeränkelt, mit kleinen Ranken versehen (Kleiderstoff oder
Blumen) ; üsgebeineltj abgemagert (von Bein = Knochen), — die
'letzten drei nur in der Verkleinerungsform.
Eine weitere Anzahl von Zeitwörtern in der Verkleinerungs-
form bezeichnet eine Th&t ig keit an oder mit kleinen
Gegenständen: krü^, kriuseln ; dnelte, br&ten ; kiidUf
mit Kreide beschreiben ; UueMey laichen ; broekle und ver-
hroekh, in kleine Brocken zerfallen und zerreiben. Die fol-
genden beiden sind je nach der Grösse des in Betracht kom-
menden Gegenstandes im Deminutivum und in der uraprfing-
lichen Form gebräuchlich : tpiue^ spitzen z. B. einen Rebpfahl^
dagegen splto^, z. B. einen Bleistift ; litire, niederkavem, vom
Menschen^ aber Mtle von der Henne^ welche ihre Jungen mit
den Flögeln beschützt.
0er Begriff deicht, ein wenig, leise» ist in. den
nachfolgenden Zeitwörtern enthalten, welche sämmtlich auch
in der ursprüngl leben Form vorkommen. Diese Art dei' De-
minution kennt das Hochdeutsche ebenfalls, z. B. hustein»
tröpfeln^ streicheln, tänzeln, fröeteln» kritzeln, säuseln, .brvm-
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— 214 —
mein, näseln, Iftcheln, drängeln. In der Mundart seien ausser-
dem genannt : Miale, klauben ; schwHssle^ schweisseni
schwitzen; pöple von pople, klopfen; kÖltU von kotze, husten;
tröekU; klöpfle; iSUdUe von tatBehe, beklopfen; kalöpple,
galoppiereo ; gickle, gucken ; krätUp braten ; iäple von tSpe,
mit der Tatse berAhreo ; rkot» serreiben, daher auch Riwel'
8upp u. BUv^päpp, Suppe und Brei mit Einlage von ge-
riebenem Eigelb mit Mehl; $piUh von apHse, späuzen, speien;
— ferner die unpersönlichen Zeitwörter rajU, regnen ; schn^k.
schneien; 8t4wle (stäuben), fein regnen; krächle, krachen;
fünkle, gebr. vom Funkensehen oder Ameisenlaufen, Kinge-
schlafensein der Haut bei krankhaften Zuständen; kUngUf
klingen, besonders gebr. vom Ohrensausen (im Sinne von
schellen ungebr.). Ob endlich gigle^ pfeifen, giemen (nur
von Athmangsgerftuschen) als Vei-kleinerungsform des ober-
ländischen gige ^ geigen anzusehen ist, wie das elsässische
Wörterbuch annimmt, bleibt dahingestellt.
Sprachlich am interessantesten sind mehrere Zeitwörter,
welche den später bei der Kinder- und Kosesprache ?u ent-
wickelnden Begriff des Niedlichen enthalten. Wenn man
von einer Köchin sagt ; sie kann güet köchle, so denkt man
dabei an eine kleine, niedliche Köchin oder an eine herzijje
junge Frau, die etwas Gutes und Feines kocht. Unter schrnutzle
versteht man recht zart, innig und jieblich küssen. Ein
Bduernmädchen, welches gemrUzelt un gepülzelt ist, erweckt
in uns die Vorstellimg' eines hübscheu, jungen Mädchens,
welches schön und zierlich gekleidet und recht lieblich par-
fämiert ist.
Ganz eigenartig ist förscMey forschen in üsfänehle und
noehförschUy vorsichtig und behutsam ausforschen. Aehnlicb
ver9teckle, verstecken.
Eine hftufig wiederholte Handlung von kurimr Dauer wird
wiedei^egeben in iifle and jägdle, ichiippte und $ehnäp9le,
und dadurch entsteht der Begriff des gewobnheitsmfissigen
Saufena und Jagvnia, des Trinkens vieler Schoppen und Schnäpse.
Ohne Grund 'werden endlich im Deminutiv gebraucht
paekle (packen), veriiaflen« wtssfo, weissen, tfinchen, ersleres
nur in dieser Form, letsteres auch in der uraprftngUchen Form
wtiise*
Das einsige Eigenschaftswort, welches in der Ver-
kleinerungsform gebraucht wird, ist uiurinylit (schründelig),
mit kleinen Schrunden versehen, neben schrungit, schrundig«
Stets als Hauptwörter werden gebraucht : Wiestel, wüster, un-
verständiger Mensch, Stummele, junge stumme Person, ferner
AUerle und Liewerie in xutraulicher Ansprache.
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215 ^
Als einziges Umstandtwort sei genannt € uMtilel und «
•owitefo, Debm e wenl, ein weBig. Ww UmataadawOrter mmden
anaacpdem noch gebraucht : e BHMe und e At^meie, beide im
Sinne von cein wenigi, km BrMe und ktn Kribn^
(auch ken Berrgotttlarümeh) im Sinne von cgar kein» oder
cgar niehta. BHM€ iat auaammenzubringeii mit IMcM,
I^eeame, j&ömaia nit KHhnU (plur. tantum), Brodkrume,
Die VeriLleinervngaforin findet eine sehr auagedehnte Ver»
bieitunnr in der Kinder* und Kosesprache.
Wohl alle Menschen liaben daa SedQrfniss, zu einem ge*
liebten Kinde in anderer Weise su sprechen als im ematen
Tone des Alitagslebens. Die süsse achmeichelode Stimme, die
Auawahi zärtlicher Worte« die Anpassung ganzer SaligeCuge an
das einfache Auffassungsvermögen des Kindes genügen jedoch
in der Regel nicht, um diesen Zweck zu erreichen. Es ist viel-
mehr das Bestreben aller Menschen, in die Kindersprache den
Begriff des Kleinen, Niedlichen zu le^en, und jede Spmchc
tbut dies in der ihr eigenen Weise. Der Franzose z. Ii be-
dient sich entsprechender Ei^^ensohaflswörter, er ?n_t «mon pelit
coeur, ma cherie nugoonnei), oder wendet \ ei (lMijj)e!ungen an,
z. B. h4be, püupüu, fifi, dodo, lolo, bobo, nonon, ix>nri>n, toutou,
pipi. Der Deut£>che hängt die Verkleinerungsform an bekaanle
und geläufige Wörter, und diese Anwendung ist ein Gremeingut
aller deutschen Mundarien, ein Vortheü, wodurch sich die
deuiöciie vor anderen Sprachen auszeich aci.
Die Kosesprache wird gebraucht von Erwachsenen im
lirtUchen Verkehr mit Kindern und im Gespräch über Kinder,
ferner im Vericehr von Braut- und Eheleuten und in der Sprache
dea Kindea überhaupt. Sie iai d«r Auadruck der Zutrau-
üchkeif, dar SchmMchelna, der atrtlichen Liel>e in Freud
and Leid.
Unaere Mundart iat in der Anwendung der Koseform ge-
radem, unejraehöpfiich. Sprachlich iat dieadie lehrreicbate Seite
der Oeminnlien.
Die eigentliche Koseform iat» wie bmila erw&bnt» -et«,
ueht Bei Subatantivun wird die Endung -ele einfach
anguhftngt. Kindern gegenüber, um ihnen das Wort in aeiner
ursprun^^üchen Form möglichst unvor^iidert darzubieten, werden
die Kegeln des Umlauts oft nicht befolgt: HandeUf Waa^-
Serie, Mannele, Sehattde, Bammele ^ iSinimp/ale, Sehun-
Jtele. Auch Diphthonge werden meislena vernniedcn : gütele
anstatt guetele^ litvele anslatt liewele, midele (müde) statt
miedele, M&terle, Mäterle, und MoeterU statt Mietmie und
Müeterle (Mutter).
Die Verkteinerungsform in kc^adem Sinne lunn an alie
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- 216 ~
Wort;{ebilde angebänift werden, so weit sie den kmdlicbea
Anschauungskreis beherrschen.
Von Uauptwdrterny welche im Uoehdeiitseben nicht ver-
kleinert werden können, seien genannt: MÜkiheU^ WoMerle,
Mämmd» (Trinken) in UiUehtmmmmtlUi 1Vtfiemdmme2e, Kaf^
mmnmeht ferner HungerU^ Dutgtdef SehUfele, 6oU«%'e£e,
Getleesegen (l^ttf heim Nieeaen der Kinder), Weioele, WtwHe,
und WhoiiMU (Weh), e W4wa^ die schioenfaefte Stelle, d W4wh
s« B, die ImpfpuslelQ, Rückele in e Rischele mache, nnmitlelhftr
Yom Zeitwort crauschen» abgeleitet. Derbe Hauptwörter werden
mit Vorliebe gebraucht und durch die Deminution in das «ge-
rade Gegentheil verkehrt : Schnawehf Fratzele, Britsciiele,
(Brilschy hässliches Gesiebt), Göschele {Gosdty Scliinipfwort
= Mund), Schnüffele (Sefmuffelj Schnauze), Gickele {Gückelf
derb = Auge) und Meüegicktie = Licht, Schaf ele^ Mammehy
Aeffele, Stinkerle.
Verdoppelfe Hauptwörter endlich mit Deminutivendung
sind : Mineminel (Katze oder Kaninchen), Wüleivüle (Gänse
oder Enten), Wiwiwel (Weh), JjMikdankele mache, mit der
Hand danken.
Auch an Familiennamen wird in der Kindersprache mit
Vorliebe die Deniinutneri hini? gehänirt. wenn sie -it h vei-mög-e
der l-eichtiji^keit der Ausspiache daiu eignen. Besontlt i > ;;iit dies
von f'insilbigen Wöj tern und solclien die auf -el < i iiigen. So
antwortet z. ß, der kleine Michel Kuhm auf 1;* Kra^e nacli
seinem Namen : Michele Kiiimele. die kle>ine M;ii ia Katharina
Dub : Mekäthele DtLvele, die kleine Mai j^at ctlia Wackel: Gretele
Wackele. Und so pasaiert es rair sehr ült, dass ein Kiti.l
auf die Frage, wer ich bin, ohne weiteres antwortet : der
Herr JTasseie. Das fliesst eben ao leicht aus dem Münde
und kommt dem Kinde ^^anz natfirlieh und selbetversländ-
Hdh vor.
Ferner wird dicr Deminutivendung in der Kittdoraprache
an Eigenschaftswörter gehängt, so s. B. MLveU, Uwde^ wchönde,
midele, ^stinde^, kränkele, kdUde, gütde, «»ämete. SMneHie
wird auch als Hauptwort = schöne Sache, Spielieug gebraucht,
nur als Hauptwort s: gute Sache, SCIssigkeit.
Verkleinerte Fürwörter sind mtnele, dtnele, stnele. Adverbia:
towsde 9 niiele (nicht), z. B. s uriUele t itele ;meTpthn hrnmeU ;
Vfiü s nochelef wä» denndet §ällele (nicht wahr)? sfttt di
nummele (nur) / kehr dich ynimmele (herum) ! Ein Fragewort:
uwrumeteflnterjectiooen : ülele ! udwele ! (« und ud Sehmeiteo»*
iusserungen). achele ! ach e (und) leiderle !
Was nuu die Zeitwörter betrifft, so ist auch hiei* die Ver-
kleinerungsform von grosser Bedeutung. Wenn sie schon im
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- 217 —
al%enidnen Spracbgebnuch weitesten Einging fand, so sind ihr
in der Kinder« und Kosesprache übei*baupt keine Grenien ge-
sogen. Hier eine Anzahl der gebrduGhlichsten Zeitwörter:
irinlUe und esste roil dem derb-gemilderten sifle und fresshf
femer aehUfle, tpietete, lächle^ wäettle, giinUt küdet $ehnipe,
kärieheie (ftoricMe, röcbehi), sidedkl^t sv^dle, hringU,
hip$U {hüp§e = hopsen), hädh, lupft^f fahrte und die
weniger äslhetischen $linkle, ichmle, bfinWe, wovon das
lelstere in den aUgemeinen Sprachgebmuch flbergeganjEen ist
und durchaus als anslindig gilt.
Das Deminutiv-I verbleibt beim Stamio des Verbums^
wird mit diesem als eins betrachtet und darnach konjugiert,
also im Iiidiciitiv Präsens : ich habele, ich will^; dü ftom-
tmelschf du hüelesch ; es fährelty es schle feiet ; mer («j>, se)
spielelCj büiUe. Imperativ Singular : lächel und lächele^ Plural ;
läMe und lächele. Partizip : ghebelt und ghebeletf gemachelt
und gemachelet» Dabei ist zu bemerken, dass die erweiterte
Deminutivform -ele (-etesch, -elet) als gesteigerte Koseform
gilt und noch grössere Zärtlichkeit ausdrückt als -el {-eUch^
-euy
Die Zeitwöiier han und .sin hängen im Indicaliv Präsens
die Rindung -ele an die bereits konjugierten Formen : ich ho-
bele^ du heschele, er hetele, mir hanele ; ich bi7iele, dü hi-
schele, er ischele^ mer sinele. In der 2. Sing, sind danetjeu
und als noch zärtlichere Formen im Gehrauch heachehch und
bischeisch und als Uebenuaas der iiebkosung heschelesch und
biaehelesch. Von han und sin ist weder der Imperativ noch
. das Partizip in der Deniiautivform gebrüu( lili<^h.
Sprachlich sehr interessant ist die Deminuierung solcher
Formen, welche die Mundart in der Konjugation durch den
Umlaut oder sonst mehr oder weniger verändert. Auch hier
seigt sich das Bestrebe»« den Umlaut möglichst zu vermeiden
und dm Stamm unverändert beizubehalten. Offenbar wird un*
bewusster Weise bezweckt, dass das kindliche Gedächtnis
nicht SU frfih gewissermassen mit den Ausnahmen von der
Regel hebstel wird. Es heisst flso z. B. : Infinitiv eas^ (essen)»
Ind. Prfts, ich esset (nicht ich isseQ, dü esidtch, er eaeeU ;
Infinitiv nehnde, Ind. Präs. ich nehmet (nicht ich nimmet)j,
d% nehmdsch^ er nehmett ; ich wütete, dü wilietesdi^ er ml'
tele. Anstatt des zum Deminuieren ungeeigneten, aber in der
Rindersprache dem Begriff nach unentbehrlichen gan (geben)
wird die hochdeutsche Form cgeben» zum Deminuieren benüizt,
also Infinitiv gäbley Ind. Präs. ich gäbel, dü gäbelsch, er gabelt,
Imperativ gäbely Partizip gegabelt. Besonders klar tritt die inter-
essante Erscheinung der Criiaitung des Stammvokals in der Demi-
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— 218 —
OMithing beim Partizip zn Tage. Man sagt z. B. gebritigelt, ge^
trinkelt, geMndeU, gichnidelt, gttMdt, gmihmtU^ gifrieluUf^
gälfeisseUy g*gäbeU»
Durcii die Deminiiierung aller WortipeliUde im weitgttlwDd-
sten Uittfong «itsteht eine eigenthfimlich weiche, eisaehmei-
chelnde Sprache, wovon hier eine Probe im Zusammenhange
mitgeteilt sei» Eine Matter sagt f. B. m ihrem weinenden
Kinde: WAtele denn^ min HämmUef Heteh Hungerlef
Hmek JhtntOef Hueh Wiwiwdef MeMsch mideUf HH
dkh e iviatea FISchde geheineUf Komm^le, min Schefelet
Müeachelsch nU gHnlel a mäc/ielt niselet $ MHeHe gabelt
im Uwe Kindelen e Schmützele^ n6 derfH 8 au zuem Meterle
kischlef nö schlefelet s $chönl Wie süss und einachmei-
ciielnd das klingt, und vor «Item wie lieblich das von den
Lippen fliesst I
Auch iß vielen Schlaf-, Wiegen-, Schaukel- und anderen
fTinderUedern kommt die Verkleinerungsform reichlich zum
Ausdntrk Hier ein Lied, welches die Mutter dem Kinde vor-
sinfrf, wen!) sie sein Gesichlchen wäscht: Gickele^ Gickele;
iiackpid, ßäckele ; Bärteley Müde, Näsele; un dis iseh «
klein Bläsele (Biess ■= Stirn). Beim Nennon het reffenden
Gesichtateiis berührt sie ihn jedt^smal mit ricni Schwamm.
Unj<-emein lehrreich iirvl t;ni jBewei> d tfur, wie zweck-
mSssi;^' (iem Elsässer die beiniiiutivform er>( l!eint, ist, das« sie
auch beim Französischspreche ii an tranzosiüche Wörter gehängt
wird, ganz genau so, wie es in der deutschen Mundart ge-
schieht. Manche Personen, namentlich junj^e Mütter brinjren es
hierin zu einer gewissen VirtuositÄt. So enfsleheii sonderbare
Gel>ilde wie z. B. soeurele, frere«ie, p^reeie, mhvtele, ülsele,
fiUtele, lä\eele, langueeie, boucheei«, ventretfi«, (gespr. venter^),
une Jolie robec^e, de bonnes chosese^ (NB. Oes GeecUedit
bleibt dasselbe wie im Fraotösischen I) ; ferner sagee/e, propre-
efe (gespr. proper/e)« salee^e , pauvree^e (feapr, pauverle)«
grandeel^ (im Feminum); quoi doncJrelef (Qbersetzt von «4s
dennelef) ; chauffle, vom Verbum ccbauflfer», nur im Imperatif
cbauffel-toi uod cfaauffel dich I Da» Verbum kitehU von ccoucher»
ist in den allgemeinen Gebrauch iSbergegangen und wird, seiner
Ableitung unbewusst, auch von Landleuten angewandt, die
kein Wort franiösisch verstehn. Der Grund l&r die Entlehnung
dieses in der Kinderspraehe unenlhehrtichen W^ofibegriffis aus
dem Französischen ist der« daas sieh das Deminutiv von Uif^
mit dem kurzen Diphthong unschön ausnehmen wörde, wie s.
B. auch von lüeje das Deminutiv nicht gebräuchlich ist»
Matt Cossen gickle.
Jedoch wird der Hiatus stets vermieden. Von Wörtern wie
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cyeux, nez, cou, rnaiü, bas, grand (Maaculinuin)» ist em De-
miiiatimm umndirUch. Interessant ist in dieser Beziehang cchau^-
Ut&B Ton cehatid» im Anklang an das Verbum cdumÜtoiy s.
B« eil fiilt boii dumMfv. Kidil ni mwfleMii nU ^Smm Ds-
miwiieniQg fraoiteitcher Warur iit der Qebniiich denlttoiirtor
deutaciier Wörter in der fremtiieehen Bede, z. B. «fiene meo
SimmuUp doniiMid Um Ban4d», Beluumtlich wefdtn die
IMMer wegen dieeee epreehlklmi IfiielinMeeb, den eich viele
BKbt aiigewOhnen kOmieii, oll wepettet» ^ und nicht mit
Unrecht.
In eigenertiger Weiee Imnmt dae Decntnntivum in der
HetllLunde nun AiisdrafJc. Ee iii angemein ihlieh, nicht
nur in der Spreche der Kinder, eondern auch in der gewöhn-
hchen emeten Sjpredie» die Körpertheile des Kindes in der Yer-
klcinerunprsform zu nennen. Hierbei kUngt die liehende Sorg-
falt zum Kinde in Freuden und Leiden durch. Man sag^t also
8 KöpfeUy d Oekrele^ s Röchele, d Aermeley d Schunkele,
d SehenkelSy d Füesüe, s HUel (Haut), s Brüstele, s Hertel,
s Gerichele (Gurgel), s MäjeU (Ma^^^eu), s Oemächel, a Aerschel^
s Bücket, d Luftröhrle, d GedärmJe, d Nervle. der Zu-
satz von Eigenschaffs Wörtern, die eine Verijjrösserunir bedeuten,
vermag die Verkleinerunt.'sform nicht zti \ordrängen. Man k;ma
täglich Ausdrucke hören wie e hoch» Henei, t dick$ Büchely
e gross NäweLe.
Wie sehr sich der Volksmund ari ctie-^e Verhältnisse ge-
wöhnt hat, erhellt auä einem kleinen Voi kommnis, welches
sich unlängst in meiner Heimat zutrug. Ein biederer Bürgers-
mann zu H. hatte Vatei freuden erlebt. Plötzlich verbreitete sidi
zum Entsetzen der Einwohnerschati das Gerücht, dass der Neu-
geborene keine Nase habe. Natürlich strömte am Tage der
Kindtanfe alles in die Kirche, um dieses Naturspiel mit eigenen
Angen lu schauen. 0ie Neugierde wurde auf ihren Hfthepnnkt
gelrieben» ale et nicht gelang, dae Kind bei der Tanthandlung
eelhet xu eehen« Eret anl dem Heimweg von der Kirche ftnd dae
Geheimnie eeine Lfienng. Der Veter des Kindes, ein bekannter
Spassvogel, gab aie eelher : der junge Erdenbürger hatte nftm-
lieh keine Haee^ eendem e Ha$elt
Ebenee wie die Körperteile dee Kindee werden aooh
allerlei Irttliche Venichtnngen, welche an ihm yorgenommen
werden, in die VerUeiaenuigsform gehraeht. Dae Kind liekommt
e Bädel oder e KrkHer^l (Kl|atier}, der Ant verschreibt
ihm e Sälioel zum Einreiben, en Amneijel, e «SirSpel
eder e iMoier$l anm Einnehmen, e llieetee^j^
Hmten.
Wae eher am Eigenttmliehaten encheiBl, ist daaa eogar •
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220 —
die Namen einiger Krankheiten in der Verkleinerungsform ge*
bniuclil werden, sobald sie Kinder betreffen. Dass ein Kind
Käpfelew4h und Bitcheleweh hat, ist nach dem oben (besagten
selbstverständlich. Interessanter ist schon die Benennung für Er-
kältung beim Kinde : e Roih9chinel. 'Wenn ein Kind an Longen-
Schwindsucht leidet, so hal es e Sieeherle. Ein Leibschaden -
ist e Schädels oder e BrücheL Ein nässender Ausscbbg ist
en üesschlägel, selbst wenn er den ganzen Körper bedeckt.
Und sogar ein SchlagAus«: heisst e Schldflüssel oder e Stick'^
fi&ssel, trotzdem es gewiss keine Kleinigkeit kt.
Ich bin in der angenehmen Lage, die beiden letzeren Aus-
drücke urkundlich belegen zu können. In den Slerberegislern
der Pfarrei Mittelhausen ist in einem Akt vom ;21. Januar 1688
die Rede von einem 9 Monate alten Kinde, welches «plötzlich
an einem Schlagllüsslein» slarl). Ferner starben am 2G. März
ilVJ ein einjähriges Kind <ran einem schlagflüssiein ohnver-
sehcns», ;un i'8 Au^'usl "17^2 ein '2 Monate altes Kind «Lohne
Zweifel an einen: Schlagnussl* in > , am 5. November 1729 ein
y jiihuges Kind an einem «stickflusslein», am 6. und 15. Fe-
bruai- 17:33 ein ßjähnyes und ein 5 wöchijies Kind «am
«stickllüssel». Am ^2A. November 1736, kurz nachdem durch
die neue hessische Regieiunir eine straffere Kiicbenzucht ein-
geführt wurde, klagt der Pf'aner von Miftelhausen, dass ein
einjiiliriges kind viau einem uhniänj^bl berühmten schlagtlüss-
leinjt> starb. Und endlich starben am 2. Oktober 1761, 4. De-
zember 1762, 8. Dezember 1766 und 24. Ai>ril 1768 vier Kinder
im Alter von 1 Tag, 12 Tagen^ 3 Jahren und 10 Tagen an
einem «Schlagflüssiein». Diese 11 Fälle werden von 5 Pfarrern
berichtet. Leider ist von keinem dieser Herren die Heimat
heluinnt. Ich glaube aber wohl annehmen au müssen, dass es
alle elsSsser Landeskinder waren. Sicher isl jedoch, dass sie
die im Volksmund gebräuchliche Bezeichnung fßr die Todes-
ursache in ihre ßücher eintrugen, wie das ja erfreulicher
Weise in jener Zeit meistens geschah. Wir können also mit
Bestimmtheit annehmen, dass der Ausdruck 8dtldpü$$el und
jeden&lls auch SlickflüM^ schon über swei Jahrhunderte lang
im Elsass gebräuchlich ist.
Endlich Wäre noch eine meines Wissens einzig dastehende
Erscheinung zu erwähnen, welche man füglich nach dem Vor-
bild der Verkleinerungsform die V e r grÜs serungs'fo r m
nennen könnte. Sie besteht darin, dass von einem aut -el
endigenden Wort nach den Regeln des Umlauts ein neues
Wort so gebildet wird, als ob jenes in der Verkleinerungsform
stände. Diese sprachlich lehrreiche Erscheinunir zeigt sich in
4 Wörtern, und zwar in Muche von Michel, Uve von Juvel^
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seltener in Zupfe von Zipfel (ungeschickter Mensch) unti Smnpe
von Simpel (cinlaltiger, duuinier Menf^rh, tri. simple). I)ie vier
Wörter hahen einen derb-scherzhaflen B<?ip^e^t'hniack.
Hier möge auch ein kleiner Vorfall Erwaliiiurnj finden, .ier
mich seinerzeit ausserordentlich angesprochen hat. Vor einiifen
Jahren war meine kleine, damals vierjährige Nichte i)ei uns
SU BesQcb. Bei ihren früheren |Besuchen bediente sie sich eines
kldnen KaffeelMfelchens cum Essen der Suppe. Unterdessen
war sie aber ein cgrosses Mftdchen» geworden, und der kleine
littffel war ihr nicht mehr gut genug. In dieser Not wandle
sie sich an den Onkel und sagte ihm : s wiU km kleine Löffel,
9 toill jetzt e grosse loff. Das Kind bat in Loffei die ihm
geläufige Erscheinung der Deminution geahnt und demnach
für einen grossen Löflei sprachlich richtig Loff gebildet.
Dass übrigens die erwähnte Erscheinung nicht etwa eine
blosse Spielerei ist, sondern auch praktische Folgen haben
kann, beweist ein nicht minder lehrreicher Vorgang, dem ich
vor ungefähr 7 Jahren beiwohnte. Ich war am 19 November
1891 als Sachverständiger vor Gericht geladen und hörte einen
Prozess mit an, der unmittelbar vor meiner Sache verhandeil
wurde. Im Laufe der Verhandhin^ sagte ein Zeuge aus, der
Kläger S. hahe sich üi)er den Angeklagten ü. wie folgt ge-
äussert : «Der wüste Much*', sehla^'1 d^u Hund todllj) Der
Vertheidiger des Angeklagten, ein Badenei-, verstand anstatt
Muche ffMuckei)! und erhob sofort Riegen den Klägvi Wider-
klage wegen Beleidigung, Un i dor Amtsrichter, ein Pfiilzer,
machte dem Kläger Vorwürfe wegen des Wortes «Muck^T^),.
das eine starke Beleidigung sei. Ebenso wie der eben erwaimte
Zeuge sagten noch 4 andere Zeugen aus, und ihre Aussagen
wurden alle mit dem Worte «Mucker» anstatt Muche in da?»
Prutokoll aufgenommen. Allerdings kam es wegen der Be-
leidigung zur Freisprechung, nichtsdestoweniger bleibt aber die
Thatsache bestehen^ dass aus einer einfachen, aber derben
Schelte eine schwere Beleidigung gemacht wurde. Es ist also-
kein Schaden, wenn auch richterliche Personen Yon altdeataehei*
Abstammung Kenntnisse in den elsSssischen Mundarten be-
sitzen, und bei diesei* Gelegenheit sei der nicht unberechtigte
Wunsch ausgesprochen, dass die sämtlichen Gerichte des El-
sasses das Wörterbuch der elsässischen Mundarten anschaifen
mOgen. Einem elsässischen Richter wäre jenes Missverstind-
niss wahrsch^nlich nicht voigekommen, er hätte schon gewusst»
das das Wort f Mucken im Elsässischen überhaupt unge-
bräuchlich ist. Selbstverständlich Hegt es mir vollständig fern,
einem der beiden mir persönlich bekannten Herren in irgend-
welcher Weise nahelrelen zu wollen.
Wir seiien also, dass die hanauische Mundart es verstehU
durch die Verkleinerungsform mit geringen Mitteln sehr
treffende, mannigfaltige und vielseitige Begriffe zu bilden.
Wir erblicken darin eine nicht unwesentliche ßereicberung
des hanaidBcben Sprachscfaaties und daher einen entschie*
denen Tortug vor anderen Mundarten und vor dem Hoch*
deutMiben.
Und dafiuf kennen unaere Hanauer Bauern stolz sein.
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Aus dem Stammbuch einer jungen
Strassburgerin vor hundert Jahren.
Rudolf Raiit«.
Durch Vermächtnis ist ein Slammburh in meine Hatide
gelang:!, das zu Be^Mnn dieses Jahrhunderts wohlgehuiet iu dein
Schranke des Töchterleins eines ehrsamen Börgers und Lichter-
liebers zu Strassbui^ verborgen lag, und von ilir wohl öf(ei*s
mit lebbafleni Interesse durchblättert wurde, wahrend die Welt
von Kanonendonner und Kj leji^a^elLimiiiel, von Krönungsgeläute
und Friedensfesten wiederhat He.
Von ihr selbst weiss ich nur wenig zu sagen. Dorothea
Schott, deren Vater einst aus den russischen Ostseeprovinzeu
in Strassburg eingewandert, kam daselbst ums Jahr 1786 zur
W«U und Wunde im fOnbehntMi oder seebiehnten Leben^ahr
k» Steinibal gesdüekl, (vieUetcbi in dl« BoeckeViche Schule «i
Rothau), um sich dort im Prantönichen zu vervollkommnen.
Sie vermfthlle sich 1806 mit einem jungen Landsmann, dem
Seifensieder Goniti, aus Reval, der ebenMs ins Eisass gekom-
men war^ dort eine neäe -Heimat zu suchen, und ist« nachdem
ne swfllf Jahre in glücklicher Ehe gelebt und dem Gatten iwei
Sohne geboren, in noch jngendlicbem Alter ins Grab gesunken,
wo sie nun schon seit achtzig Jahren ruht. Sicher hat sie sich nie
Irftumen lassen, dass die Aufzeichnungen ihrer Jugendgenossen
und Genossinnen einst unter den Papieren des nun auch dahin-
gegMigenen Sohnes, Prof. Or, Iheol. Ed^fi Gunits (f 1886)
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— 224 ^
wif'der auftauchen würden. Nicht pietätlos aber glauben wir
zu handehi, wenn wir von diesen vergilbten Blättern einige
hier ans Licht ziehen, die teils wegen der Hand die >iie be-
sehrieben von Interesse «ind, teils in Form und Inhalt Zeognis
ablegen vom Creiste jener längst entschwundenen Zeiten.
Das Album selbst ist hddist einfach in braunes Leder ge-
bunden und trägt die Aufschrift: D^di^ k rAmiliä. Es
zählte ursprünglich 902 numerierte Seiten^ von denen aber eine
bedeutende Anzahl, teils durch Herausreissen, teils durch
Herausschneiden heute verschwunden sind, i offenbar weil der
frühere Besitzer (ob bereits der verwitwete Gatte, oder erst
der Sohn?) nicht gewünscht hat» dass die betreffenden Auf-
zeichnungen dereinst unberufenen Persönlichkeiten vor Augen
kämen. So besteht denn augenblicklich das Stammbuch zu-
meist aus weissen Blättern, und enthalt nur noch zweiund-
drei<;sig, mit Zeichnungen, in Tusch oder Aquarellfarben aus-
geführt, mit Stickereien, gedruckten und geschriebenen Sinn^
Sprüche, eingeklebten farbigen Bildern u. s. w. Von Belang
ist keine der künstlerischen Leistungen, sei's dass Blumen-
gruppen, Landschalteo, schnäbelnde Tauben oder lvr;inze dar-
stellen, und auch der poetische Werl <ler littorarischen Er-
zeugnisse dfirfte nicht hoch anzusfhlagen sein, ob nun die
Unt4,'rzei<:hneten eig-enes Produkt ^eiiet'ert oder aber, wie so
Manche heutigen Tages in .ibubehen Fallen, irgend eine ge-
reimte Spruchsammlung zu Hülfe gerufen haben.
Doch darum ist es ja dem. der heute solche Reliquien der
Vorzeit durchstöbert, in der Hegel auch niclU /.u thun ; er tasst
sie als Dokumente zur Sittengeschichte seiner Zeit auf und von
diesem Gesichtspunkte aus, ist ihm auch das Unbedeutende,
ja gerade das Unbedeutende, weil Allgemeinere, zur Charak-
teristik der Gdster von Interesse.
Auf das erste noch vorhandene Blatt hat die jugendliche
Besitierih des Albums folgende Worte gesetzt, und um ihren
Namenszug (den sie echt straasburgerisch Dorothö, statt Do-
rothea schrieb) mit den eigenen, braunen Haaren eine ver-
zierende Umfassung gestickt :
«Dieses Buch soll dem Andenken meiner liebsten Freunde
gewidmet seyn. Oft will ich es in den Stunden der Einsam-
keit, wenn mir das Schicksal fern von meinen Freuden (sie)
zu leben geheut, durchblättern. Dann wird sich allemal mit
Vergnilgen ihrer Freunde erinnern
Dorothö Schott.i
I Es fehlen nicht weniger als 68 Seiten ; weisse Blätter wird maa
wohl kaum beseitigt haben.
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— 225 —
Di« neisten der heul« noch Yorbandeiieii Einwiehiiunftn
heiieh^D sich eben auf den Aufenthalt im Steintha1> wo dai
junge Mädchen viele und warme Freunde gefündeti lu haben
scheint. Chronologisch an erster Stelle finden mt einen sonst
unbekannten Biedermann eingetragen, der in wunderlicher
Stimmung der sechzehnjährigen Freundin hereita vom Sterilen
und den Freuden im Jenaeils spricht :
. cEmjk&ngen Sie, meine Liebe» ffir die lahlreichen un-
schuldigen Vergnügen die ich in ihrem schfttdiaren Umgang
genoeis meinen heniiehsten Dank« nebst dem heisaen Womh
dass sie, nach den Verdiensten ihrer Tugenden, ihre Irdiacfae
Laufbahn vergnügt vollenden und am Ü^e derselben froh in
jenes Leben hinfiberschlummem m(Sgen, wo ich ihnen wfinache
eben so ungeheuohelte Freunde lu finden wie ihren
J, J. Brennemann.»
cRothau, den 21^ Hessidor
10^* Jahr der Repubtique.» i
Wenige Tage darauf haben sich die beiden Töchter des
hochverehrten Wohlthäters das Steinthals, Pfarrer Johann
Friedrich Oberlin, in das Album Dorothea's eingetragen:
cEin stilles, unbekanntes aber wohlthätiges Leben ist oft
weit fruchtbarer und nützlich (sie) als ein groses (sie) plan-
volles Geschaftsieben. (Slilling). Diese grose und so wohl-
thätige Wahrheit jaaöge Ihnen so wie bei mir in £rfiUlung
gehen.
Ihre Freundin H. Gh, Oberlin.«
Waldbach, 1^2 juiJlet 1802.»
cQue la Religion guide vos pas, que Talmable Vertu et la
douce Amitiö vous accompagnent sans cesse et vous ftssent jouir
d'un bonheor paisible nuds constant I,
Ges vöeux sincers (sie) de votre amie
Lottise-Caurit« Oherlm.*
VaMbach, 12 juület 1802
ou ^« messidor X.>
Noch ira Spätherbst hat die junge Slrassburgerin im stiHen
Vogesenthal verweilt, denn vom 20. Oktober ist die merkwürdige
Einzeicbnung von Friedrich Gerst datiert, vielleicht dem ehr-
1 10.JttU1802.
* Henriette-Cliaritö» geboren am 97. Oktober 177d.
s Lonise-Charitö, g^orea am ö. April 17Ö1.
16
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samen Schulmeister von Rolhau, der mit imsajrlirhcr Geduld,
in fast mikroskopischen Schriflzügen, folgenden langen Erguss
in Gestalt seines Narneosuiges mit elegant verwickelter Schleife,
niedergeschrieben hat :
«Freundin, Ihr ganzer Lebenslauf Bei immer mit Zufrieden-
heit und inniger Seelenruh gewöntl, nie sollen widrige Ge-
schicke und lobende Sturme denselben trüben, und sollten je
sich Zeiten einfinden, wo sie glauben unter den Rosen auch
Dornen zu linden, so harren sie nur fest und schreiten sie nie
aus den Grenzen ihrer angeborenen Gela^fsenheit. Bei jedem
Anblick dessicn erinnern sie sich immer des um "^ie trauernden
Steinthai$, der trockenen und nassen Spaziergänge, der manch-
faltigen berge, thäler und seen und besonders der angenehmen
ergötzlichkeiten, denen oft das vergnügen hatte beizuwohnen
ihr ergebenster
Friedrich Gerst.
Rothau, den 20 Vendömiair^ eilftto Jftlires.'i i
Zu Anfang des Jahres 1803 aber ist Dorothea Schott in
Strassburg zurück, und im Laufe der nächsten Monate trägt
eine ganze Reihe älterer oder jüngerer Freunde und Verehrer
sich in ihr Stammbuch ein. Ein Herr Bau mann zeichnet
am 24 Ventöse XI* mit Tusch einen hübschen Altar der die
Inschrift trägt : ä rarniüe ; ein Herr D. Lobstqin schreibt mit
sehr unbii lieier Hand auf ein Rosa -Seidenband einige fast un-
leserliche Zeilen ; während ein Herr D. M. Trübn^r, «impriroeur
de Jöna», seine edle Kunst benfitxt um auf weiäien SafS^n,
mit grünem , Gewinde veniert, folgende Verse hOchst aauher
attftmsetien :
«Bdle Frenndieliäft: n.«r rtn^Ümii^'
Seelen sn der sehSnsten Ftteln
Und die Kränze die sie windet . ,
Welken selbst im Grabe nicht
Wenn auf himmlischem Gefieder
Unser Geist der Welt entschleicht,
• • ■ Und sein ewig's Ziel erreicht :
Danen i!e uai alle vieder
In der Tagend Yaterland I»
Strasburg, den Ventose XL»
Auch ein Herr G. L. Heinemann^ hat einige Monate später/
ihretwegen den Pegasus bestiegen:
1 20. Oktober 1809.
« Den 16. Hin 1806v
• Den 27. Febraat 1803.
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— 227 —
«Lieblich wi& die Horgenrothe
Wenn der jnno-e Lenz erwacht,
fc>aiift %vie eine Soinmernacht
Die der volle Mond erhöhte
FUms Ihr Bchönes Leben hin!
Keine bMicr« LeidenttUure
Miseh in äre Freuden sieh
Und die g:snze Welt verelire
Thenerate Frevndin, Sie — wie ich.
Bey Durchlesung dieser Worte eriuDem Sie Ihres
Sie allezeit hocbschitzenden Freundes
G. L. Heinemann, H. d, L.*
Strassbur^^, den 10. Brumsixe XII (1803).
G4^chfiills auf weisses SeidenbatKl au^edruckt, ausserdem
eher mit Beigabe eines Aquarells» auf dem ein girrendes
Taubenpaar am Ifeeressirand und ein grosser Matrose in einem
kleinen Boote zu sehen sind, während auf der einen Seite des
Bildes der Mond auf-, auf der andern aber die Sonne unter-
geht, ist das schon etwas derbere Freundschaftsbekenntais von
M. M. Holl :
«So laug^ein Scliiüraana kauu
Aal wilden Wellen ftbren,
So lang ein TUer sieh kann
Mit seines gleichen iMkaren»
So lange Sonn und Mond
Bebalten ihren T^jiiif
So soll Tnciri F i eandsciiafl auch
Gewiss üicliL hören auf!>
Strasburg den 26, Germioal Xll. s
Wohl schon aus der Zeit der Brautscbaft stammt das eben«
Ihlls auf Seide gedruckte kurse Gedicht, Sophie St. unter*
aeiehnet, das ich der gleichnamigen Frau von Ehrenfried Stoeber
nisnschreihen geneigt bin, weil mir vor Jahren gerade ebenso
Uberschwanglicbe Briefe dieser Sophie Sfneber durch Zufall in
die Hände gekommen sind, die Ich dann meinem hochverehrte^
Freunde August Stoeber als intime Famillenpapiere nataj>tich
sofort surflckgegeben :
' Als besagter Heinemann viel später eine Frau gefunden, hat
auch diose im Jahre 1811, mit folgenden Worten sich eingetragen :
«Ihre Gesandheit blühe wie der Frühling und Ihre Freundschaft
gegen mich sei nnsterblich wie Thr>?. Seele!» — Wa*; die Boolistaben
H. d. L. bedeuten sollen, yermag ich nicht zu enträtseln.
• Den 16. April 1804.
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— 228
«Freundin, im Gefühl der Wonne -
Schling ich meinen Am um dich
Seguo, küsse dich and weine . . •
Bleibe gut und liebe michl
Simbolum :
Liebe bringt Freude, Freund-cliaft bringt Rnh
Drum liebe sie beide 1 Wie giückliobi bist du!
Sophie St.»
Strasburg, den 14. Januar 1805.
Der Zeit nach gescblossenem Ehebund, vielleicht schon an
die junge Mutter gerichtet) gehören die folgenden Verse an,
die auf die Abbildung einer Fmu mit zwei Kindern au^gdtlebt
sind, ohne Datum und NameDszug, welche wohl auf dem ^-or-
hesgebenden ausgerissenen Blatte gestanden haben:
«Dem Werthesten Herren and der Frau
Ward Segen wie Regen and Than;
GeBUndheit, Glück, Wolfahri und Heil..
Vom gütigen Himmel zu Theii ;
£s bleibe der Stamm mit den Zweigen
Vom Segen stets grünende Zeugen !»
Diese Eintragungen alle hätten mich aber wohl nicht be-
wogen das Stimmbuch der Dorothea Schott unter alten Pa-
pierep hervorzuholen, wenn nicht zwei Namen daselbst noch
verzeichnet stünden, die wohl ein allgemdnerea Interesse be-
anspruchen dOrfen, und die nnaerm Album in den Augen von
eifrigen Literaturfreunden und Sammlern einen höheren Wert
verleihen. Es sind dies die Autographen des Schwesterpaares
F r i d e r i k e und S o p h i e B r i o n , die damals noch Rothau
bewohnten, ids unsere Dorothea daselbst verweilte, und mit
-welchen das junge Mädchen, den folgenden Zeilen nach zu ur-
teilen, näher bekannt geworden sein muss. Man weiJ^s wie
äusserst selten die unbedeutencfsten Schriflröge von Friderikens
Hand beute geworden sind und nuch abgesehen davon, wird
man nicht ohne Gemütsbeweuuug die Worte lesen, welche
die Fünfzigjährige an die juL^eiidfrische Strassburgerin richtete,
die ihr den fernen Lebensmai iu's Gedächtnis zurückrufen
mochte :
•Du Bist, Edles Mädchen I
ein Beyspiel für "Viele.
Möchte doch jedes in deinem
Alter Wahrheit reden und
empünUeu, tugent so hoch schatseu,
Lieben and aussahen wie Du.
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m —
BelolwTuig für alle dass gute
•0 beiftsttt, -wisMlrt^ dir Mboa
Ml diiMT Wdlt eine dil&ar
«iitikfetti«, •«fiiflhtifikni Frtmdina (ite)
Frid. Brion.
Röthaii,. den II enid. im lOi** Jahr. >
AtDA «rib6ii Tilg« aebrieb «ch Mch di« etw» vmt Jtlirtt
jünger» -Siyfale Bdoii ia das Stattmbticli dn mit felgeiidaii
«Freandsohafi ist die £dl« I>iuiu.e
So di» GotUiait Siek nn Babma
Ia dar BiMiaahaa Labaa fliaebl,
Diaaa Blma -valkal aiihi!
Sa anah mitar wm^ thaura Frauadin» iaf a dar Wonach ibrat
Sapbia BrioB.i
Ratbau« daa &^
UaaBiOior inn lOt^ iahr.i
Biese Blaüer stellen einmal die chroiiulo^'^lsclie Th;il.sache
fesl , dass die Töchter des Sessenheitrun- Pfarn h.njses npch irn
Sommer 1802 das Breusclithal }»e\vohiUen, während man ge-
wöhnlich aogiebi, dass Fiidenke liereils im Jahre 18(>] ins
Badisclie veraogen war.* Dan» aber hietel mir ihr sclilichter
Inhalt auch einen neuen, wenij^stens moralischen Beweis des
Ungrundes aller verläuraderischen Gerüchte mit denen eine so-
genannte cwissenschaftlichev Kritik, nach drei Menschenaitern
noch, die Iftngst verweata Hülle der Dulderin aus Goethe's
StudanUiniait lu verfemen nicht m&de ifird. Einem unschnl-
digen Ittdeban wQrde man dann doch wohl den Umgang mit
der, angeblich doppelter SOada in niadrigater Gaatalt Ver-
Iblienen« nicht gealattet bahao. Beaoodera aber-fcönnte sie aelbat
aicbt in ao anfRlllig mr Wrklichkalt in Kctntrasl alahandari
ich mfMa wohl aagan^ in ao frachar Weite, den Wart dar
weiblicban Tagend gep rie aa n haben » wenn damab» in den Augen
dar Zaitganaaaan« ingand ein aittlicher Makel an ihr gehaftet
bitte. Vor hingen Jahren aehon, habe ich wohl aelbat einmal
geschrieben, man möge doch andtteh, endlich der armen Fri-
darika in ihrem Grabe Ruhe Uiaaen, die das fragwürdige Glflek
▼on einem apftteren groaaen Diditar gdiebt tu wradeui ao
1 Den 14 JaU 180».
« Wabe JMBtm, Friderft» Brian, d. 14t.
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schwer und hart mit unerschöpflicher Neugierde der Epigonen
ttod noch schimpflicherer Nachrede hat bfissea mönen. Wenn
ich jetzt doch darauf zurCkcickomme, so ist es einzig und allein
in der Hoffnung, dass dieses bisher unbekannte Blatt, welches
die oÜBnbar wenig gefihte und schon zitterige Hand der fünf-
zigjährigen calten Jungfer» im Steinthal niederschrieb, mit
seinen einfachen Worten, mit seinem Lobe kindlicher Unschuld
und Tilgend, ein Zeugnis abgeben könnte för das arme, dnst
auch so (MÜilich der Zukunft entgegenlachende blondhaarige
Kind von Sesssnheimi dem die grossen und kleinen Poeten
sein Leben so vergflllt und dessen Andenken von gewisser Seite
noch im Grabe, in so unverantwortlicher Weise besudelt wird.
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■
XI,
Ueber Goethe
insbesondere als
Von
Eliiit Martin/
Kunst hasst nur, wer sie nicht kennt» so lautet,
aatOrlicb lateinisch gefasst, die Inschrift auf einem Berliner
lIusMun« Gewiss, die Kusui will gefallen und freuen. Selbst
«btnii, wenn sie durch gewaltige Vorstellungen uns bedrückt
und demütigt, \vill sie uns zugleich erheben ; wenn aie durch
traurifc Bilder uns rührt, will sie uns frosten.
Wer wird nicht Mozart oder Kafael Jieb^^n ? Ihnen ^\*'h[
als Dichter Goethe besonders nahe; auch hei ihm finden wir
die Richtung auf das LiebHchc, das Einfarhschone. Freilich
kommt dem Andenken jener beiden zugute Jass sie jung star-
ben und mit dem Alter ihiw Blüte im Gedächtnis der Nach-
welt fortleben : Goethes langes und glückliches Lehen erw» ( kt
nicht ebenso das Mitgefühl. Und während Musik und bildende
Kunst durch die äusseren Sinne zu uns sprechen, wendet sich
die Dichtung an den inneren Sinn, der mit deni allgemeinen
Menschenverstand näher verbunden ist und daher auch ein
kälteres, schärferes Urteil fällt. Goethe bat sich liberdies nicht
auf das Gebiet der Dichtung beacbrinkt ; er hat die Kunst und
Wissenschaft seiner Zeit in so gut wie allen. Zweigen sich aD<«
♦ Dieser Vortrag, auf dem von Direktor Eräkl vorbereiteten
DicTilerabend rn Ptras^bnrs: am 18. Jan. 1899 gehalten, möpe r.ngleicll
. aa den ausgezeicimeien ivünstler und Bühnenleiter erinnern 1
Lyriker.
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33S —
zueignen gesucht, und selbst im praktischen Lehen nach den ver-
schiedensten Seilen hin sich versucht. Seinesg-Ieichen kennt die
Weltp'eschirhte nur in jenen wunderliaren Menschen der italie-
nischen Renr>issance, die nicht nur Künstler, und dann wohl
zugleich Maler, Bildhauer, Artl/itekten, sondern aucli noch
Dichter, Philosoplien, Politiker und Hofleute waren. So weit
von Universalität dei- Bildung bei einem Menschen die Rede sein
kann, hat Goethe sie besessen.
Auch auf seinem eigentlichen Gebiete, auch als Dichter,
»eigt Groeihe diese unendliche Vielseitigkeit. Man kann sagen :
alle Galtungen der Dichtung hat er versucht, in allen 1 ormen
gedichtet. Sein langes Leben führte ihn durch zahlreiclie Em-
iwirkungen hindurch, und mit ebensoviel Eifer als Leichtigkeit
eignete er tiflli an, was ihn als Dichter förderte, ihm neuen
Stol^ mam Anvdrnelt g^wfthrte. Iiidem er das, wat er lu
den venehiedeneQ Zeiten iftlilte und . daehte, tnch «uaspimcb,
hat er aieh fiviHeh- andi WidersprQGhe nacliaagen laaaen mQs*
sen, ja dieae aellMt angestanden. Man hat Goelbe mit dem Flnh
teus der altgriechiechen Sage verglichen. Und wie dieaer vraiae
lleergreia In seinen manig&Uigen Wandlungen sdiwer ni er-
greifen und SU halten war, so steht deijenige, der Ober Goethe
auaammenfosaend und das Wesentliche erfassend berichten soll|
zun&chst ratlos da.
Goethe sagt, er habe sich in Italien wieder gefunden
als Künstler. Die Kunst ist ihm doch immer der eigentlicfae
Zweck seines Daseins, der Inhalt seines Lebens. Seine wissen«
schaftlicbe Beschäftigung vor allem mit der Natur dient diesem
Zweck und wird von diesem aus bestimmt. Sein Leben gibt
ihm die Gegenstände seiner Dichtung : diese ist ihm das Spie-
gelbild seiner Erfahrungen, seiner Empfindungen. AI? Künst-
ler, als Dichter müssen wir ihn also betrachten, wenn wir ihn
würdigen wollen. Und so hängt unser Urteil über Goelhe ab
von der Ansicht, die wir über Wesen und Wert der Kunst,
zunächst der Dichtkunst nns pfebildet hatten.
Um die Zeit, in welcher Goethe geboren ward, schrieb
Geliert seine Fabeln. Hier heisst es einmal :
«Da fragst, was mitst die Poesie ?
Sie lehrt and aateirrioblet nie.
Allein, wie kannst da nwe- so fragen?
Du siehst an dir, woi>:a sie nützt:
Dem der nicht viel Vergtand besitzt.
Die WahrikeiW durch ein Bild za sagen.»
Das war gewiss ein bescheidner Anspruch an die Leistiings-
iuhigkdt 4et Dichtkunst. Aber Geliert war der Lieblings*
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233
dichter seiner Zeit; Fiiedrieh der Grosse nannte ihn le phis
raieonnable de tous les savants AHemaiids. Und dass aeiM
Alitichten über den Zweck der Dichtung auch sonst geteilt wur-
den, idgt' die Lehre der Züricher Kunstrichter ' Bodmer und
Breilinger, wonach die FalieL allerdibga unter den GtUungen
der Diehtkanat oben an stand.
Es ist hier nicht nötig, auch nicht fhunlidi darauf ein7u-
gehen, wie ra^'rh sich die deutsche Dichtung zu höheren An-
forderungen erhob. Schon Klopstock bewies um dieselbe Zeil,
dass auch der deutsche Dichter mit dem Könige zu gehen ver-
wiöj^e, dass die damals unbeschränkte Furslengewalt nur recfit
thue, wenn sie den Sauger seine tieirschaft über die Geister
frei üben lasse.
Was die Dichtung, die Kunst für den Einzelnen, wie für
das Volk zu bedeuten habe, das hal seitdem Schüler in eW^
gütiger Weise auseinander ^^esetzl in seinen ästhetischen Ab-
handlungen, bei denen Schiller immer das Bild Goeilies als
des naiven, des durch die Natur selbst gebildeten Dichters
vor Augen hatte.
Sehlller hestimiat den BegnS des Schönen dabin r Schön-
iieit tei FneiheH iif Eracheliiiing. Auf dem Gebiete des
meniehlichMi Handelns lendilet es sofort ein, diiss nur die
Thait sch^ ist^ ^Iche aus tmem Willen hervorgeht ; ntir
diese findet unsem herzUehen Bailiin, indem sie in uns selbst
da« Gefühl hervomiftt dass wir freie Wasen sind. Auch in der
Matur finden wir nur das schön, was für isich sdbst da xu
aeitty nur seinen eigenen Zwecken tu dienen scheint.
Und so wirict nun auch das Schftne r es befreit uns. Zwi-
schen dem Zustand der Sinnlichkeit, In welchem wir den
'Katurtrieben folgen, und dem der ernsten DenkthSligkeit, ' der
strengen Sittlichkeit, wobei uns liöhere Gesetze bestimmen»
liegt der Zustand mitten inne, den die Beschäftigung mit dem
Schönen voraussetzt oder mit sieh bringt. Wir empfinden
Wohlgefallen, aber ohne das Verlangen des Besitzes oder sinn-
lichen Genusses. Indem das Gefühl für das Schöne, für die
Kunst uns über die Sinnlichkeit erhebt, aber doch auch die
Sinne beschäftigt, macht es uns erst im vollen Masse zu Men-
schen. Der Dichter i?t, wie Schiller sagt, der wahre Mensch.
Diese befreiende Wirkung der Kunst hat Goethe «ein gan-
zes I^ben hindurrb an sich seihst erfahren. Von Natur war
er den iebhafteslen Einpfindungen offen ; es ist durchaus wahr,
wenn er von sich sagte : ((Alles g-ehen die Götter, die un-
endlichen, Ihren Lieblingen p-nn?, Ule Freuden die unendlichen,
Alle Schmerzen die unendhchen ganz.» Wir wissen von seinen
Zeitgenossen» wie tief ihn hier die Freude, dort der Schmers
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aufre^^e, wie er in der heftigsten Weise seine Zuaeigung und
Lust wie seinen Verdruss und Hass äusseiie.
Aus diesen übermächt ij^en Stimmungen befreite ihn die
Poesie. Indem er die Gedanken, die ihn quälleni m Verse
kieidete, bracht^ das Mass der Verse, die Fassung der dichteri-
schen Gedanken ihm selbst Mässigunir und Fassung. Die Ver-
zweifeiung, in die der Widerstreit soirics ju^jeudlichen ir^t hwuii-
ges mit den Beschränkungen des Vattiluiuses, der Vaterstadt
ihn versetzte, verliess ihn, als er den Werlher dichtete. Und
90 sind viele der Goetheseben Dichtungen Beichten, die ihn zu-
glMch TOD dem druckenden BewuseU^ te kmerai Zwiespal-
fttft eriOeeo. • *
In einem etwas anderen Sinne nennt aicli Goethe eelb«t
den jungen TMAem gegenüber ihren Befreier:. cdenn aie alnd
sagt er — > an mir gewahr geworden, wie der Mensch von
innen henna leben, der Kflnatler von innen henna wirken
• mdsae, iiidem' er, gelArde er aich wie er wül, immer nur
aein Individattm zu 1^ I5rdem wird. « Poelieehw Gehalt ist
Gehalt des eigenen Lebens.»
Von dienar Forderung aus deutet nun Goethe auch den Namen
einer Dichtungsgattung um, die bis auf ihn ebenao massenhaft
^tifSUsglp als gleiobzeitig allgemein für wertlos erklart worden
war : den Namen der Gelegenheitsdichtung. Die Renaissance
hatte es mit sich gebracht, da«8 jeder freudige oder traurige
Anlass tu Gedichten, tunäcbst in latMniacher Sprache, dann
auch in der deutseben benutzt worden war, dass ein Glück-
wunsch oder eine Beileidsbezeugung fi^ewöhnlich in Verse ge-
kleidet wurde, oft in solche, die Andere, Begabtere verfasst
hatten. Gelej^enheitsgedichte dieser Art konnten irnmerhiii
durch Sorgfalt der Form, durch Gedankensch wun^r oder feinen
Witz oinen gewissen Wert, erhallen. Und so ft lilt es auch bei
Goeltie nicht an Gelei^enheitsgedichten in diesem gewöhnlichen
Sinne, die er aus Gefälligkeit verfaset bat, etwa um den Wunsch
einer vornehmen Dame zu ertüüen.
Aber er meinte, in höherem Sinne solle jedes Gedicht ein
Gelegenheitsgedicht sein; es solle aus dem Leben selbst hei'^or-
geiiu; es solle das aussprechen, was der Dichter wirklich bei
einem bestimmten Vorlali oder in einer besonderen Lage ge-
fühlt habe. Allerdings nur das solle der Dichter so behandein,
was fortlebe und fortwirke.
' Und hier kommen wir doch wieder auf das Allgemeine
zurück. Fortwirken kann nur das, was einen WideiliaU in
der fremden Brust erweckt. Der Dichter ^ateJIt dar, was ihn
als Menschen ergriffen hat und rechiiet darauf, dasa aiich sein
ZuhArer oägt Luer das glttche menachliche Gefühl in tkh
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— 23$ -
frage, in sirh anregen lasse. Das GemeinpefOhl ist es, <las
der Dichter ausspricht und an das er sich wendet : dies ist ge-
Wissermassen die Resonanz, weiche seinen Ton verstärkt und
ßlrhf. Die Kunst i%>t gesellig, im GegeusaU sowohl zum Sin-
neugenuss wie zur Wissenschaft.
Das (/emeingefühl kann natürlich auf bestimmte Kneise
sich beschränken. Vor allem ist es da lebendig, wo es das
stärkste Band gilt, welches die Mensehen verbindet, wo die
Verpflichtung so^/av Gut und lilut zu op feni aa den Einzelneu
heran tritt: in Staat und Nation. Und hier ist allerdings zu-
nächst unumwunden zuzugestehen» dass Goethe nach dieser
Seile hin unseren Anforderungen nicht entspricht, dass in dem
to raehen Kranw seiner Diehlaiiir das Blatt der politi^en^
der patriotischen Dichtung fehlt. Vor Allein ist der Vorwurf
nicht abinweisen, dass er Ar die Begeisterung der Freiheits-
kriege keine dichterieche Aeusserang, ja kaum ein Verständnis
gehabt hat«
Blicken wir nflher xu, sieben wir seine Zeit in fietraclit^
ao Hast sich daa wohl verstehen und damit auch, wenn nicht,
rechtfertigen, doch verzeihen. Goethes Kindheit M in die Zeit
des siebenjährigen Krieges, iu die Glanzzeit Friedrichs des
Grossen. Für diesen Helden empfand er steta hohe Verehrung«
auch als Friedrich nach dem Siege sich hart gegen seine treuen
Unterthanen gezeigt und über die deutschen Dichter durchaus
abgesprochen hatte. Wie bitter haben sich Klopstock und Les-
sing über den König geäussert! Goetlie entschuldigte es sogar,
dass seine Jugenddichtung, vor allem sein Götz von Friedrich
ungerecht beurteilt und geschmäht worden war.
Von Napoleon hatte Goclhe Anerkennung^ und Auszeichnung
erfahren. Er hat dann der jungen Kaiserin Marie Louise im
Namen der Karlsbader Bftrperschaft gehuldigt und in diesem
Gedichte, ohne e^- zu wollen, «j'enau den Punkt getrolTen, der
Napoleons Grösse zu mciite machte; er sagt von ihm: <TDer
aiies wollen kann, will auch den Frieden. > Den Frieden woliea
— - das konnte Na|)oieon nicht.
Als nun der E[itöcheidungskampf begann, als für Preusseiis
Ehre, für Deutschlands Freiheit Alles ^ewaj^t wurde, da halle
der greise Dichter keine Hoffnung. Dem Vater des Dichters
Körner sagte er: cSchüttelt nur an euren Ketten, der Mann
ist euch zu gross, ihr werdet sie nicht zerbrechen.» Und als
81 jähriger rechtfertigte er sieh mit folgenden Worten; «Kriegs-
lieder schreiben und im Zimmer zu sitzf*n, — das wtb« meine
Art gewesen! Aus dem Bivouac heraus, wo man nachts die
Pferde der feindlichen Vorposten wiehern hOrt, da hMte ich
es mir gefallen lassen. Aber das war nicht mein Leben und
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~ 236 —
Dichf . metn« Srndiex aanderii die von Thifodor KSrner. Ihn klet-
ileii Mine Krieiplieder audi gani vollkomnieB. Bei mir aber,
dar ich keine Itrtegeniche Nattir'bin nnd keinen kmigeriselieii
9»na hthe, würden Kriegalieder nur eine Maake gewesen sein«
die mir sehr achlecht tu Geaieht lestanden bitte. «^Ich habe
in meiner Poesie nie affeetitort« Wtfs ich- nieht lebte und waa
mir nicht auf die Nägel brannte und itt abhaffen machte, habe
ich auch niefai gedichtet und ausgetpfochen. Liebesgedicfate
habe ich nur gemacht, wenn ich liebte. Wie bUte ich iran
iii^er des Hasses schreiben kdonen ohne Hass.»
Es war daher eine wenig glückliche Idee, dass man von
Berlin aus nach dem Siege Goeihe aufforderte ein Festspiel zur
Verherrlichung der Freiheitskriege su dichten. Groethe dichtete
fdes Epimenides Erwachen», an sich eine geisU*eiche Verweöd-
uno; der griechischen Sage von dern Schläfer, der nnch 300
Jahren erwacht und alles verwandeil findet. Bei Goethe ist es
die deutsche Nation, die sich nach langem Schlafe zu neuer
Kraft und Thatipkeit erh*»bt. Aber bedenklich ist doch schon,
dass et>en die.se Aliegone m i^rankreich ru Anfang" der llevo-
lution zu deren Verherrlichung: in einem Drama ■.'^edient hatte.
Was Goethe als politischer Dichter zu wünschen übrig
liess, das hat sein ebenbürtiger Freund Schiller geleistet: ihm
verdanken wir als Nation wesentlich unsere politische Bildung.
Hat Schiller auch weder den tiefsten Sturz noch die herrliche
Erhebung unseres Volkes eilebt, wie prophetisch hat er im
'Wallenstein Napoleons dämonische Grösse vorgebildet, in der
JungAnau von Orleans die heldenmütige Selbstaefopferung des
Volkea, im Teil den ai^reicben Kampf gegen die Uaterdtftckung !
Scbiiler kA lüberhanpt der eigentKcbe Vertreter uattrea
deutaeben Emptfndena. Er ist ea nicht nur duvch aeinen aiU-
liehen Emst, der ihn tum Schttlacbrttitalener macht, wie einet
Virgil ea bei den Römern war. Schiller stellt die llmohen dar
wie sie sein sollen, Goethe wie sie sind, und erateres iai daa^
was die Jngend, was das Volk, was die Frauen anmeTsi vom
iKcfater verlangen. Auch hat Goethe aelhat ohne eine Spur den
Neides diese grtoere Verwandtaebait Schillers mit dem Wesen
des deutadien Volkes anerkannt.
In Schiller lebt der Geist des germanischen Altertums fort,
und aabireiche Uebereinstimmungen lassen sich «wischen seinen
und den altgermanischen DichlungeA auffinden. Schiller»
jugendliehe Helden haben alle etwas von der Siegfriedsnatar ;
ihr ranes Hett ist nur au vertrauensselig. Im Wallenstein er-
Innert BiiUer mit seinem unversöhnlichen Hasse, mit seiner Tücke
an den grimmen Hagen von Trönje. Die Jungfrau von Orleans,
die «nhesiegUch ist, so lange sie nicht Liebe flUiH, gleicht
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— 987
ditithan» einer WalkOre. Wntk e» im fli^ieiW ytm Schiller
hd^: «Von desLebei» Gttttrn tSkn 4erRiibm du böehtl«
dodi ; wenn der Leib in Slaub zerMlen, lebt der greeie Marne
noch», so kMngi das gans wie im B«owulf : €ee nirke, dem ee
vargtant iat» Rflbroliches vor dem Todel das wird demGefolgs-
beiden^ wenn er nicbt mebr lebt, das gUlcklichste sein 1> Und
ebenso wärden Beowulf und die Germania des Tacitus als Pflicbt
1
des Gefolges in der altgermaniscben Zeit die Forderung beweis
sen, welchp Schilfer in den Mund seines Dunois gelegt bat:
eFür seinen KOriig muss das Volk sich opfern!»
Bei Goeüie wurde man nach solchen Grundsätzen, nacb
BoicUen Gesl alten sich verg-ehens cmselien. Goethes Leh^'osprin-
cip lind Kunstcharakler weisen auf eine andeje Heimat, auf
andere Zeiten hin. Bas hat Schiller ausgesprochen und seine
AcTisserung ist von Goeihe ilurchaus beifällig aufgenommen
worden. Schiller schrieb la einem seiner ersten Briefe, die sein
Bündnis mit Goeihe einleiteten, an diesen; «cWüieii Sie alsein
\ Grieche, ja nur als ein Italiener gehören worden, und hätte
schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealt»
sierende Kunst Sie umgeben, so wäre Ibr Weg unendlicb
küfit« irielMelil gans fibarOissig geworden ... . Sia anehaii daa
Notwendige der Kitiir . • « Sie nahmea die ganze Natur niaani»
man am fibar daa EinahM liebt tu bekommen.»
bt SeUHer nnaer Nationaldiehler» ao iat Goelbe der deut-
iahe Diditer dar WelimierBtttr. Daa rein Manafthiiehe erscheint
bei känem Neneran ea vellimmnMB wied e ne g eben. die bo-
menaGben Gadicfate daa wie Shabaapeare daa Ibramt anf
aeiner böcbalen Stufe fertntt, ao gibt ea nnter den LyrUtam
keinen grBaaeren ala Goethe.
0ie allgemein menschlichen (selUde, wie sie unbeinflusst
durch Stand, Confeeaion, Nationalität, nur durch die natürlichen
Verbältnisse des Alters und des Geeohlechtes bestimmt werden, ,
bat Goethe auf das tiefte empfunden und mit unvergleichlicher
Kraft und Zartheit ausgedrückt. Vor allem ist das weibliche
Wesen in seinem (ganzen Sein und Empfinden von Goethe zu-
I gleich wahr und gewinnend dargestellt worden. Ich habe in
diesen Tagen Einsicht in die noch unveröfientlichten Briefe
einer geistreichen Dame nehmen itöunen, die 1808 im Goethe-
seben Hause zu Besuch war und Anfangrf^ widerstrebend, luletzt
doch den ganzen Zauber seiner nlterlichen Liebenswürdigkeit
empfand. Ihre Erzählung von ihm beächliesst sie mit den Wor-
ten: €wie es denn wohl noch nie einen Dichter gegeben hat, der
in das weibliche Gemüt öo tiefe Blicke yelhan : es ist, als habe
das ganze Geschlecht von der Edelsten bis zur Niedrij^'sten ihm
Beichte geäeäseu.j In der Thal, wer einmal im Fauat das
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— «38 —
Grelchen von einer gruten Schauspielerin dargestellt hat sehen
können, dem wird es 2U Jilole gewesen sein .wie vor einer
Oltenbarung.
Die Liebe iel. wie in der Lyrik fihti ha ii t, so auch bei
Goethe das Grundthema. Wer ihn deshalb scheiten wollte, wem
er weich und unmännlich ejschiene, der mösste auch den
Gärtner tadeln, dass er sich bemüht, duftige Rosen heranzu-
ziehen und nicht lieber nährende Früchte pflanzt. Wie inn
Leben des Menschen die Hochzeit die hohe Zeit, das Fest aller
Feste ist, so feiert der JÜichter niilReclil das Getülil der Liebe:
cKrone des Lebens, Glück ohne Kuh, Liebe, bist du.»
Alle Töne in dem reichen Melodienschatie der Liebes-
empflndungen weise Goethe aiuuschlagen t von '^er 1lbermu%-
staa Leichtfertigkeit bis sur seligeten Hingabe, von der stiHen
Miftsucbt hie lor bittersten Reue, bis «ir tiefen Schwemmt
der Vtikssenen, leh habe ^ nicht nittig, hier eiasebie .'dieser
iieder vonulGihmii die von unseren gHMen.Mi»stern der Tcn^
honst in Mnsik gesetit. worden sind, die aber schon in den
Worten dee Dichters erkUofen wie Gesang. Nur an einem dieser
Lieder sei es noch gestattet su seigen, wie sie in ihrer Ziait
gewirkt haben. Die Königin I^Mse hatte 2u dem EntschlasB
ihres Gemahls Napoleon entgegensutreten, wesentlich beigetrsgen.
Als sie nun, ni^ der Zertnlmmerung des preussischen Heeres,,
nach dem Zusammenbrnch der ruhmvollen Schdpfung Friedrichs
des Grossen» his zu den äussersten Grensen ihres Landes flüch-
ten musste, war es für sie ein schmerzlicher Trost sich da«
Lied zu wiederholen^ das Goethe in Wilhelm Meister den Harfner
flifligiftn lässt'«
cWer nie seim Brod mit Thr&nen aas.
Wer nie die knmmervoUen Nichte
Auf seinem Bette weinend ?a?!?,
Der kennt euch nicht, ihx himmlisckea JUL&ohtel
Ihr führt in's Leben uns hinein,
Ihr lasst den Armen sehuldig werden,
Daim fiiberlassi ihr ihn der Pehi:
Dana' alle Sohsld rieht sieh aaf Srdöi».
Mit diesem J^ied über^schreiten wir nun schon den kreia
der Liei)eslie<.ier.
Wie hier die Klage des Uuglücltlichen ergreifenden Aus-
druclt gefunden hat, so traf Goethe auch meisterhaft den Ton
des Zornigen, des über die Ungerechtigkeit der Welt, über die
Blindheit des Schicksals Empörten. Nie sind die Mllngel aller
Wissenschaft und Kunst, die dunkeln KehrseitoA der reinsten
Empfindungen woii mehr Hohn und Bttterksit an^a lieht gezogen
wollten als durch Goethes Mephisto. Aach in den Kimpfen, dardL
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— S30 —
die Goethe die deutsche Litteratur von Grund aus erschütterte
«nd iimgesUiIlete, bat es ihm an dem schärfsten .\Vit«e - nicht
gefehlt.
Im Gegensatz dazu steht die Fülle der Sprüche gereifter
Lebensweisheit, in denen der Greis seine Gedanken über die
tiefsten Frap^^n des Daseins ruipspiach. Schon früh aber erklingt
der erhabene Krnst df^ Jnii-lings, der sich mit strenger Selbst*
erzißhiinp zum Man DO bildet.
Krafi!<; beiiuiidet er den i:.utschlu3> sich durch nichts in
dor ciniiial gewonnenen Ueberzeugung beirren zu lassen, und
imerniüdlich seine Ziele zu verfolgen, seine Selbsti\adigkeit zu
fahren. . . -
«Feisfer Gedankcu . ,
BäDglicbes Schwanken, . .
, WelbisejiSB Zaigen,
AengstUches Ktagea
Wendet kein Eleiul, ' ' '
Hacht dich nicht freL
Allen Gewalten
Znm Trutz sich erhalten
Nimmer sich beugten,
Kräftig sich zeigeu, .
Bnfet die Arme
Der Gotter hsrbei».
Und wenn er sich am Ende seiner Laufbahn vor der
Parädiesespfoiie dos Koran stehend denkt, die nur den ruhm-
vollen Streitern geölfnet wird, da ruft er der zögernden Pfört-
nerin su;
«Nicht 80 viek? Federlesen !
Lass mich immer nur herein !
Denn ich bin ein Mensch gewesen
Und dH heisfit ein Kämpfer iein>.
Aber freilich, in der Erinnerung an die Seelenleiden, die
er hatte überstehen müssen und durch die Kraft seines Willens
flberstanden hatte, Vamt er seine Leser vor dem Wege, auf
welchem er nur mit gewalüger Anstrengung sich hindurch ge-
rungen hatte. Er läset Werthers Schatten auftreten und
sprechen : «Sei ein Mann und folge mir nicht nach I» Und dem
jungen Dichter, der sich auf seinen Spuren rficlLhäUles dem
Gefühle auch im Leben hingeben wdlte, ruft er zu:
cjüngling, merke dir in Zeiten,
< . Wo sich Geist and Sinn erhöht,
Dass die IKiue zu biegleiten,
Doeh sn leiten nieht Tersteht»,.
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Ja s^erade darum isl Goethe für ein tieferes Ergilkiiden
sitüiehen Fragen so lehrreich, weil er zeigt, wie unmerklich,
wie verlockend der Abweg vom Rechten ist. Ergreifend sagt
Gretchen, als sie ihr tiefes und ?on ihr selbst mit verschuldetes
Elend vor Augen sieht : «Doch — allea, was mich dazu trieb,
Gott! war so gut, ach war so lieb!» Wie ist in den Wahlver-
wandtschaften der kleine Kreis der edlen Menschen scheinbar
so glücklich, bis sio von der Leidenschaft fortgerissen, zuletzt
nur im Tode Ruhe linden, oder einem traurigen Fortleben ent-
gegen gehn I Oder im Tasso : welchen Umschwung erfahrt hier
der Dichter, der eben seine Aufgabe herrlich vollendet hat,
der den Kranz des Kuhmes aus der Hand der Liebe empfangt
und alsbald wesentlich durch eigne Irrungen sich auf immer
von der Geliebten geschieden sieht !
Hier im Tasso nun legt Goethe diesem Dichter einen Hin-
weis in den Mund, der für ihn selbst im höchsten Masse gilt
und der es erklärt, warum seine Gefuhlsdarslellung so unver-
gleichlich zutreffend erscheint und so unwiderstehlich binreisst.
Tasso sagt von den Gestalten seines cJeru8ftleni9 :
«Es sind aieht Schatten, ilie der Wahn ersaiigta.
Ich weiss ei, sie sind ewl|r; denn sie sind».
So hat Goethe selbst nicht etwa ausgesonnene Charaktere
und Vorgänge mit WirkMehkeii att bekleiden gesttclit ; er hat
m seiner Umgebung sich umgesehn und nun freilich von dem
Wirklichen das Zufällige abgestreift ; er bat im Leben die Poesie
erkannt, nicht die .Poesie in das Leben hineingetragen.
Daher dmin auch daa ailgemeina Verlangen, mehr von
seinem eigenen Leben zu erfahren, ein Verlangen, dem er
selbst bis zu einer gewissen Linie durch seine Lebensbeschreibung-,
teilweise auch durch Erläuterung zu emzelnen Gedichten ent-
gegen gekommen ist. Manche Krage hat er allerdings nicht
beantwortet. Die Litteratiirforsi hung Leson lcrs der neueren
Zeil hat sjch dubei nicht beruhigt und mit Recht, wenn auch
die Pietät, die man dem grossen Dichter schuldet, zuweilen
verletzt, ja hier und da von BöswiUigen ihm ganz ungerecht-
fertigte Nachreden angeheftet worden sin l. St iiie Schwächen
halte auch Goethe, aber Unedles, vor aHein das Lügenhafte^
stand ihm so fern wie selten einem Menschen. Er durfte von
sich sagen lassen, dass noch schöner^ als was er gedichtet, das
sei, was er gelebt habe.
Ueberblicken wir in der Käne diese EntwickeluDg seine«
Lebens wie seines IMchtena^ wobei auf den Hatiptteil der lyri-
schen Dichtung, auf die Mebealieder, besonders hingmeaen
und diese in Verbindung mit Goethes Liebesverhftltnisaen ga*
bracht werden sollen«
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— 241 —
Die erste Regung der Liebe erfuhr der 13 jährige Knabe
in seiner Vaterstadt, als er bei der Krönung Josephs IL zum
römischen Könige d764 einem BQrgermftdchen seine Ritter-
dienste weihte. C^ichte, die er an sie gelichtet hätte, kennen
wir nicht; wohl aber lebt ihr Name Grstohen in Goethes Le*
benswerli, dem FauSt, ansterblich fort.
Als Ldpnger Student dagegen stellte Goethe ein Lieder*
buch zusammen, worin er etwas altklug und tändelnd erscheint
ttftd in aiiakreontisehem Stil den Franzosen nachstrebt. Aber
doch zeigt sich bereits jene wunderbare Beseelung der NatttTi
die Goethe auszeichnet. Noch wird der Mond mit seinem my-
tholo^schen Namen genannt ; aber es beisst doch in tdeir schö-
nen Nacht» ganz eigen:
«Luna biiciit Uuick üuäcli uud Eiclicii,
Zephyr meldst ihren Lauf
Und die Birken ttrena mit Neigen
Ihren sfisitea Weihrauch auf».
Seine Liebe halte er Kälhchen Schönkopf, der — wie sich
das in Leipzig; von selbst verstand — (gebildeten Tochter seines
Wirtes zuge\\ endet. Wie er dur ti seine Eifersüchtelei die
schon Gewonnene wieder verlor, liat er in dem Scbäferspiei
cdie I^une des Verliebten» dargestellt.
Seine eigentliche Dichternalur entfaltete er in Strassburg,
wo er seine Studien abschloss. Herders Lehre führte ihu zur
Volkspoesie und zu Shakespeare. Dass er damals schon Götz
und Faust neben anderen Planen ins Auge gefasst habe, sagt
er selbst in cDicfatung und Wahrheit». Sicher entstammen
dieser Zeit Lieder, in denen sich die Anmut der Anakreontik
mit dem raschen Gang und der kraftvollen Eintkchheit des
Volksliedes verband. Elsissiscbe Volkslieder sammelte er seQwt,
vermutlich in Sesenheim, und viellmcht war das der Vorwand,
unter welchem er sich dort im Plhrrhause so viel und so lange
aufhielt. Dass er dort bei der lieblichen Friderike Erwartungen
erregte, die er nicht erfüllte, ist sicher ; nicht aber, dass er
ein gegeben^ Wort brach, in jedem Falle war seine Schuld
nicht unverzeihlich. Sie ist ihm verziehen worden. Als er
acht Jahre später nach Sesenheim zurückkam, ward er wieder
freundlich aufgenommen. Er schied mit der Ueberzeugung,
dass er «nun auch wieder mit Zufriedenheit an das Eckchen
der Welt hindenken und in Frieden mit den Geistern dieser
Ausgesöhnten in sich leben könne». Seine Busse war die
Schilderung gewesen, die er im Götz von Weislingens Untreue
gegen ^f<1^ia gegeben tiatte und wohl auch die ähnliche Dar-
stellung im Glavigo.
16
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— S43 —
Nach seiner Rückkehr von Strassburg nach Frankfurt war
•r durch Götz und Werther rasch als Dichter berühmt gewor-
den. Nebenher gingen damals besonders Oden in der freien
Form, die Klopstock schon vorgebildet halte. Einzelne dieser
Oden beziehen sich auf das Verhältnis, das dem Werther zu
Grunde liegt, auf die Liebe Goethes zu Ciiarlotte Butf. Es war
ein wimderliclies Verhältni«, in welchem der geistig überragende
Dichter neben dem trefflichen BrSutjcram Lottes stand. Aber
Goethe bemerkte selbst, dass der erste Augenblick, in welchem
Lotte ihrem Kestner untreu g^eworden wäre, auch ihn selbst
von ihr geschieden haben würde.
Wirklich verlüiiL iiat sich Goethe inil Lili schönem au a und
er selbst hat gewiss mit Recht gegen das Ende seines Lebens
gesagt^ daae er mit ihr allein ein wirkliches Eheglüek hitte
inde» k<kinefi. Kiiftdi«, sangbei« lieder voll innigalen Ge-
fOhls bezeugen, cwia VeiigebeDS Liebe y/or liebe flieht». Denn
auch diese Verbindung hielt , nicht stand vor dem Verlangen
des Dichters sich imner weiter, sich gans frei ausiabilden.
Das konnte er allerdings nirgends besser als in seinem
Freondesverbfiltnis siun Henog Karl /kngost. iron Weimar.
WaMiaft brftderlich umfossten sich der 26ifthrige Dichter und
der kaum acht Jahre jftngere Fürst. Der Kreis edler, bedeu-
tender Menschen an dem kleinen Hofe, den Goethe durch die
Berufung Herdei^ noch um ein ausgezeichnetes Glied zu er*
weitern half, und der Landesdienst, in den er eintrat, machten
allerdings Ansprüche an ihn, vor denen die Ausführung grösserer
dichterischer Pläne zurücktreten musste. Von seinen Neigungen,
von seinen Bestrebungen iimgetrieben, kam er sich vor wie
Orest, den die Furien verfolgen. Sein Rubebedürtnis sprach er
in kurzen, wie ein Hauch verschwebenden Liedern aus. Ruhe,
M&8sigung gewährte ihm die Liebe einer an Jahren ihm voran-
gehenden Frau, die aber sein Wesen und Thun ebenso fein-
sinnig als mild zu beurteilen uiid zu leiten wusste. Goethes
Verbindung mit Frau von Stein werden wir am richtigsten
erfassen, wenn wir es mii der hohen Minne unsrei altdeutschen
Ritlerdichter vergleichen. Die Hans bachsische Derbheit die er
zu Anfang seinefc AutenthaUes in Weimar in seinen Dichtungen
vorwalten liess, wandelte sich mehr und mehr in die südlidie
Anrntit nnd Glitte um, wie sie seine Gedichte in den Oltave
lUme auBseichnet« Gans erflIlH Ton den minniglichen An-
schauungen, freilieh m diese in der italienischen Renaissance
sich gestaltet hatten^ ist auch das Schauspiel, in welchem Goethe
die UnmOf Itchkeil Frau von Stein ganz die Seine sn nennen,
dnrstellti seinXftsso.
Die Trennung brachte die Reise Goethes nach Italien 1786
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243 —
bis 88 mit mch. Hier legte Goethe die Jugendideale groesenteile
ab: in der Kunst ward ihm die Antike Allee. Die mitteUilter-
liehe Baukunetf die er doch selbst als Strassbuiger Student
suerst wieder in ihrem Werte erkannt hatte, wurde ihm zu-
wider. Der antike Vers drängte bei ihm den deutschen Reim
lurAcky gewiss zum Schaden seiner Volkstümlichkeit. Ent-
schlossen auch im Leben südliche, antike Freiheit sich zu ge-
währen, knüpfte er nach der Rückkehr Verbindung" mit
einem Mfidchen an. das an Stau»! und iiildung allerdings unter
seiner sonstigen Umgebung stand, abtr dun h hin-^'-ol^ende Treue,
bald auch durch verständige Pflege ihm nnenthohi In h und zu-
letzt auch von ihm als Fran aner katml wurde. Herder verg'hch
sie mit deni Clärchen in GütiLiies Egmont. Seine erste
Liebeszeit tidl Christiane Vulpiu«? feierte Goethe in den Rümi~
sehen Eiegien ; aber auch zarte Lieder bezeugen die Innigkeit
seiner Gefühle.
Und düch sollte er, als er eben seine Ehe iieschloisen hatte,
noch einmal mit einer heftigen Leidenschaft lur eine Andere
lu kämpfen haben. Es war die Pflegetochter eines Buchhänd*
lers in Jens, Minna Heralieb, deren sugleieh bescheidenes und
enteehiedenes Wesen er in seinen Sonetten verherrlicht» In der
Ottilie der Wahlverwandtschaften eingehend ^ beschrieben hat.
Er hatte sie von einem lieblichen Kinde zur herrlichen Jung*
trau heranwachsen sehen : jetit mussle er auch ihr entsagen.
Ihievaeits scheint Minna Herzlieb iOr ihn nie etwas anderes
empfunden in haben als die Verehrung, die der Dichter in ihrer
ganien Umgebung genoss.
Entsagung, schmerzUehe Entsagung, das ist ja die For*
derang die Goethe an sich wie an Andere stellte. Aber er
rühmte mit herdiehem Ausdruck in cHennann und Dorothea» :
«Glackiic]i iat der, dem sogieicli die er^ie Geheilte die Band rerckt,
Dem der liebllekste Wvnsoh siebt hehnUek im Herseii versehmaehtet.»
Rein poetisch ist auch das letste Liebesverhältnis Goethes^
das in seiner Dichtung eine Verwendung in grösserem Um-
fange gefunden hat: das dem Wcstöstlicben DIvan zu Grunde
liegende. Auch hier, wie in den Römischen Elegien, schwebt
dem Dichter ein fremdes Vorbild vor Aug^en, diesmal aber ein
Dichter des fernen Ostens, der Perser Haßs. Mit ihm beschf5f-
tigt, kam er 1814 nach den Rheinhnden. In Frankfurt sah
er die reizende und hochbegabte Marianne Willerm^T. die Gattin
eines in glückUchen Verbältnissen lebenden, geistreichen, al-
leren Mannes. Marianne nahm die Rolle auf, die Goethe im
Divan Suleika, der Geliebten des Dichters zugewiesen hatte.
Sie dichtete selbst Lieder mit orientahscher Einkleidung, i.w
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- 244 -
Goethe In aeiBe Sammlung eingereiiit faat. Diese ist erfttUi
von der Naturanschauung des Ostens und auf das sierlichste
in die araheskenartigen Wendungen der persiscb-arabisGlien
Diebter g^efasst.
Aebnliche Beziehungen zu den tiefsten Fragen des geistigen
Lebens, ähnlich abgestimmte Töue enthält auch der zweite Teil
des Faust, mit dem Goethe seine Dichtung und sein Leben
abschloss. Seine Dichtergabe, wie sein hoher Blick über das
ganze Gebiet der Wissenschaft und Kunst war ihm bis zuletzt
geblieben. Als er starb, da wandte man auf ihn das Wort
an, welches er kurz zuvor beim Anblick der untergehenden
Sonne gesprochen:
«Aaeli im Sehelden noeh gfOssU
In diesem Sinne, als den Herrscher im Reiche des Geistes
hat die bildende Kunst Goethes Andenken bis jetzt überall fest-
gehalten* Aber mag der alte Croethe audi hfther stehen : un-
serem Henen näher steht der junge, der deutsche, der volks-
t&mliehe Geethe, und so mAge ihn das StriMl>urger Denkmal
dauernd vor unsere Augen steUenl
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XII
Ein Strassburger Standbild
des jungen Goethe.
L Bericht
TOB
E MartliL
Unsere vorjährige Aufföhrun^ der «Fischerin» hat eine
grosse Nachwirkung gehabt. Seine:" Excellenz der Herr TJnter-
staatssecretär v, Schraut regte damals den Gedanken an, die
Errichtung eines würdigen Denkmals für den jungen Goethe
in Slrassburg bei Gelegenheit seines in das Jahr 1899 fallenden
Geburtstages in Angriff zu nehmen. So bedenklich es machen
inusste dass ein ähnlicher Gedanke schon Ende der siebziger
Jahre und "wieder anlässlich des 25 jährigen Julnlaums der
Kaiser-Wühelms-Universität geplant, aber nicht über die erslen
Vorbereitungen hiiiaus gelangt war, so leuchteten doch diesmal
günstigere Vorzeichen. In Gemeinschaft mit meinem CoIIegen
Henning erlangte ich zunächst die Zustimmung der hiesigen *
Unif ersUätslebrer ; die Herren Bürgmiebler Back und Staats-
rath Dr. V. Schlumberger erkUHrten sich' bereit beiüAiieten ;
ausgefeiehnete Goetheforscher und andere Ittteftriach und poU«
tisch hochstehende Persönlichkeiten aus Deutschland, Oester-
reich, der Schiveis^ den Niederlaiiden, England, 7<(ordanieri]ca
und .Russland schlössen sieh an« Seine Königliche Hoheit der
^rosshersog Carl AJezander von Sachsen-Weiinar übernahm
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— 24a —
das Protoctorat der den UeberKeferungeä seines Hauses so tvohl
entsprechenden Unfernehmung.
So erschien im Oktober folgender
Aufruf
für ein QoeÜie»tABdbild in StrMtborg.
«Das kommende Jahr 1809 bringt den 150. Geburtstag
Cioetbes. Unvermindert und unvergänglich gtänst der Ruhm
unseres gr&^ten Dichters, den xugleich die Weltlitterafur su
ihren besten Namen zählt.
Goethe zu feiern hat Strassburg ein besonderes Anrecht.
Die Universität nennt ihn ihren berühmtesten Studenten. Das
iffinsler ist von ihm siierst wieder als ein Denkmal wahrer und
grosser Kunst gepriesen worden. Sirassburg und das Elsass
hat er als Greis noch in einer Schilderung voll Liebe und
Schönheit verherrlicht.
Hier hat Goethe die Voll kraft seiner Jugend erlangt. Hier
ist er als Dichter von zierlicher Tändelei xu stürmischer Km-
fifindung forfgesch ritten. Hier hat er Götz und Faust geplant.
Diese herrliche Jünglingsfrestalt würdig und dauernd vor
die Augen der Nachkommen zu stellen wird eine reizvolle Auf-
galje für den bildenden Künstler sein. Längst und von ver-
schiedenen Seiten erwogen, ist der Gedanke dem jungen
Goethe in Strassburgein Standbild zu errichten
im vergangenen Juni neu angelegt und jetit mit veremteu
Kräften in Angriff genommen worden.
Mit der Bitte um Beiträge dazu wenden wir uns an die
Bewohiier des Elsass: mögen sie Goethe das begeisterte Lob
ihrer Heimat vergelten I
Wir wenden uns an die deutschen Studenten ; sie dürfen
mit Stolz auf Goethe als das Vorbiid edlen Wissensdranges und
frischer Jugendlust hinweisen.
Wir wenden uns an jeden Deutschen, der deutsche Art
und Kunst liebt, — an die Gebildeteil der ganzen Welt, denen
Goethe frohe Stunden geistiger Erhebung bereitet hat.
Proteotoi*
fletae KUnlgl. Hobelt der Grmiehersog Carl Aleua^er
' TOB SMknmi^Welaiar-EiMiiaeli«
Adiekei^ Oberhfirgstmeistar, ftankftnt a/M. » Albreeht, Qdt
Bsg.* und Obsnehubrat. Sttaisbuig. <- Beek, Bfirgermeistsr der
Stadt Straisbarg. — Barack, Geh. Bsg.>Baty Direktor ler üniver-
sitftts- und Landesbibliothok, Stnisburg; Beha^el, Geh. Hofrat,
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247 —
Oietten« — Dr. Beikavd, Kotar, Vorsitzender des YerwaUnnu^saiiB«
BchQsses des Freien DentMheik HoohstUles, FrankAut a(M. ^ Frhr.
V. Bernas, Stift Neubnrg. — Frhr v. Biedermann, Geheimer Rat,
Dresden. — Dr. Bielachowsky, Berlin. — Bloch, stad. theoL, Vor-
sitzender des Stodentoiiausschusses, Strassburg. — v. BInme, General
der Infanterie z, Schioss Sory bei Vendenheim. — Boja-
aowsky. Geheimer Hofiratli, OberUbUothekar, Weimar. — Dr.
Bmm» IQiiieter der geiafUdhen, ünterriehts- vnd Medieinal-Aiige-
legenheiten, Beriin. — Dr. Brabm, Direktor des Deutschen Tbeatera,
Berlin. — v. Brauer, Minister des Grossherzoglichen Hauses nnd
der Ruswärtigen Angelegenheiten, Karlsruhe. — Dr Karl Brenl,
Cambridge. — v. Buhl, Reichsrat, I'eidesheira. — v. Bttlow, Staats-
minister, Staatätiekretär des auswärügeo Amts, Berlin. — Dr. O.
Bolle, Heraasgeber der wiaieneehaftliehen Beilage d. Alig. Zeitung»
HSiieheik. Bnllbanpt, Prof, Bremen. — Bfioger, Prot, Straei*
barg. ^ Bafibi^, Prot, Halle. — Btrkliii, General-Intendant des
Gr. Iloftheaters, Karlsrnhe. — Crvtsraacb, Prof., Krakau. — P.
David, Chefredakteur, Stra.ssbiir<r. — Dedt^^lley, Chefredakteur,
Strassburg. — Dehio, Prot,, Strassburg, — Dietz, Pfarrer, Mundois-
heira. — E. Dowden, Professor, Dublin. — DUntzer, Prof., Köln, —
Sbrard, Prot., .b'rankiurt a/M. — Eggeliog, Geh. Staatsrat, Curator
d. TJniT«n. Jena. » Dr. Uilen, Confistorialrat» Frankfürt a/M. —
Dr. Bbrlnuun. Oberlehrer, StraBsbnrg; — Dr. Xlbea, Obefredaktenr,
Stuttgart f. — Graf Enlenbnrg, Exc. Kais. Botschafter, Wien. —
Snting, Prot, Oberbibliothekar, Strassbnrg. — H, Fischer, Prof ,
Tlibinsren. — Knno Fi9eh<»v, Wirkl. Geheimerat, Heidelberg. —
Art Im r Pitger, Bremen. — Fraucke, Direktor des Lycenms, Strass-
burg. — Kuno Francke, Prof., Harvard Univ. Cambridge, Mass.
— Dr. y. Frege-Weltzien, Kittergatsbesitzer auf AUnaundorf bei
Leipzig. — Dr. Karl Frmuel, SehiiftsteUer, Berlin. — A. Frey,
Professor, Zürich. M. Frey, O^mmenienrat, Mülhausen i. & —
Froben, General der Artillerie, Gonvemenr der Feston g Mets. —
Geiger, Prof., Berlin. — Frhr. v. Gleichen-Rnsswnrm, kgl bayer.
KänimcrRr, Weimar. — Goette, Prof., Rektor der Kaiser Wilhclms-
üniv. Strassburg. — v. Gossler, Staatsminister, Oberpräsideiit, Danzig.
<■ Hernmu Grimm, Geh. Regierungs-Kat, Berlin. — Gröber, Prof ,
Strassbarg. ~ Clirtoliatt Hackouietaidt, StraHbnig. — Cbarlea
Ii. Hallgarten, Frankfurt a/H. Frhr. Hammemtoln, Besirks-
pr&sident, Hetz. — Harnack. Prof an der teehn. Hoehsehide, Dann-
Sladt — J. P. Uatfield, Prof., Northwestern Univ. Evanston. lUio
noi". — R Uaym, Professor, Halle. — W. Heinzelmaun, Professor,
Sekretär der Königlichen Akademie, Erfnrt. — Henning. Professor,
Strabafaurg. — W. Herta, Bessersche Bnchhaudlung, Berlin. — Wr
Hertz, Professor, München. — Frhr. August Ton der Heydt,
Eommeizienrat, BlbeiliAld. « Frhr. Beyl s« Beniabeim, Hit^ed
des Beiehstags.— 0«arg Hlrth, Heransgeber der «Jngend», tfiinehen.
— Graf V. Hochberg, Gen.-Intendant der kgl. Schauspiele, Berlin.
— Dr. Hans Hoffmann, Wernigerode, — - Erbprinz zu Hohenlolie-
Langenbarg, Durchlancht. — Alexander Prinz zu Hobenlohe-
Schillingsfttrst, Dnrchlauoht, Bezirkspräsident, Colmar. — U. Httffer,
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- 248 —
Geh. Justiz.rat, Bonn. ~ Uun»er, Justizrat, \''or8teh§r der Stadt-
verordneten, Frankfart afM. — Hugo Jacobi. Chefredakteur, Berlin.
— Dr. Max Jähns, Oberstleatnant a. D., Vorsitzender des Allgem.
Dentsck. SpraeliTereiiit, Berlin. — Joaehim, Direktor der kgL akad.
HoohsolivlA flr Vssik, BmUi» — Dr. Josepb, Privatdoeettt, Strais-
bvg. — Dr. Joaelaa» Segtenuicfrat, Köln. — C. Kaiftmum,
Bankier, Strassburg. — F. Kanffmaiiii, Prof.. Kiel — Dr. Kestner,
Sanitätsrat, Müniausen i. E. — M. Koch, Prof.. Breslau. — Roegel»
Prof. Rektor der l'niv. Basel, f -— Dr. Kossinann, Haag. — Köster,
Prof., Marburg — v Krämer, Bürgermeister, Metz — F X. Kraus,
Ooh. Hofrat, Freiburg i. Br, — Dr. v. Kropatscbek, Prof., Mitgl.
Beioliifeags, Berlin. — Dr. KriiUe Dii«klor des Städttheatef«.
Sfenutbnrg.t ^ P. Kttgelgen, Chefredakteur» St Petenbarg. —
LalNwd, Brot, IGtgliad des Staaterati, Stmeburg. t. Landmaaii.
kgL bayer. Staatsminiiter des Innern f&r Kirchen- und dehulaage-
legcnbeiten, München — Lichtwark, Prof.. Direktor des McspTims,
Hamburg. — Fritz Lieuhard, Schriftatelier, Berlin. — Dr. Lienhart.
Direktor der Eealsehule, MarkircK. — Frhr. t. Liliencron. Dr,
theol. et phil , Wirkl (jreh.-ßat, ii;.lo6tefprob8t, Schleswig. — Frhr.
T. Liadenfels, Generalkonsnl, London. — I4lma»n. Prof, Bonn.
— Uf, J, Loteeyer. Cbarlottenbnig. — Kartte, Prof., Straaaborg.
— MoBdelssobn-Bartboldy, Ooh. Kommerziearat^ Berlin. ^. t.
MeviaMB, Oab. Kommerzienrat, Köln. — Dr. Ricbard M. Meyer,
Berlin. — Alexander Meyer-Cohn, Bankier, Berlin — Michaelis,
Prof., Strassburg. — V. Michels, Prof . Jena. — Minor, Prof , Wien.
— V. Miquel, Vicepräsident des Staarsministeriums, Staats- und
Finanxminister, Berlin. — Frhr. v. Molike, Regiemugsprasident,
Oppeln. — Mönekeberg, Bürgermeister, Hamborg. — Dr. Moriis,
Xonmorsienratk Weimar. — Max MOllar. Prot, Oxford. — Kan-
mann. Geh. Gber-Reg.-Rat, Berlin. — NaTon-Dimanl, Chef der
Köln. Zeitung, Köln. — Oecbelhäoaer, Geh. Commersienrat, Dessen.
— Graf Alexander Okolicsänyi v Okolicana, k k. öst-ung. Gesandter,
Haag. — Dr. FiU^en Oswald, Schriftführer der engl. Goethegesell-
Bchaft, London. — v. Oettingen, Prof., Sekr. der Akad. der Künste.
Berlin. Felldram, Kais. Generalkonsul, Antwerpen. — Dr. Petri,
üntantaatsBekretftr, Strassburg. — r. PblüppoTleli, Prot, Landtags*
abgeordneter, Wien. — Graf Poaadowaky, Dr., Staateminister, Staats-
sekretär des Innern, Berlin. — v. Possart, Intendant der königlichen
Hoftheater, München. — W. Raabe, Schriftsteller, Brannsrhweig. —
Dr. Rehorn, Direktor, Frankfurt a/M. — Heifferscheid. *; h. Res:.-
Ral, Greifswald — Ritt", .lustizrat, Mitgflif^d dos Reichstags, ^>cra6S-
burg. — Dr. J. Rodenberg, Herausgeber der Deutschen Rundschau,
< Berlin. — Frhr. v. Boggenbaeb, Dr., Nenvied. Boetke, Prof..
Güttingen* — Dr. Eaettaken, PriTatdoeent, Würzbarg. — Blibel,
PIhrrar, Sesenbeim. ~ Balaad, Geh. Hofrat» Direktor dee Grossh.
Museams, Weimar. — Saaar, Prof., Prag. — Schlapp, Docent,
Edinbnrg. — Dr Schienther PiT-pktv>r des k k. Hofburj^hpaters,
Wien — Graf \ Sdilitz, genannt v. Gürz. Erlaucht. Schlitz. —
Dr. T. Sehhimbergdr, MiCi,'l. des Staatsrats, 'iebweiler. — - Erich
Schmidt, Prof. Berlin. — Schneegan:», Jusi^urat. 3tra*bbuiiL;. —
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8«. lünU. Gnaden, PrinK Heinrieh r. SdMieiiAich-CaroUtliy Freier
Standes- und Majoratoherr auf Amtits. — Schönbach, Begr. -Bat,
Prof. Gmz. — A. Schöne, Prof., Kiel. — Schöning, Oberst a D. ,
Vorsitzender des AUgem. Deutsch. Sprachvereins von 1899 ab. Dresden.
— V. Schraat, ünterstaatssekretär, Wirkl. Geheira-Rat. Strassburg.
— Schroeder, Professor, Marburg. — Dr. P. SchwabacM, General-
koaiBl, BeiÜn. Mwilbe, Frof., StnMbvYff. — F. Seipio, Uann«
heim. — Qraf SmInmIi, Genenü-IntendMit des Theaten, Bresden.
Beaffart, Prof., Gras. — iBd. SieTera» Prot, Leipzig. — V. SinsoM,
Präsident des Belchsgerichts a. D., Wirkl.Qek-Rat, Bcvlin. f — Sohm,
Geh. Hofrat, T.cip/'.ig:. — Leopold Sonnemann, Heransgeber der
Frankforter Zeitnni; - Friedrich Spielhagen, Charlotten bnrg". —
Spitt a, Prof., Strassburg. — Dr. K. T. Steiner, Geh. Kommerzien-
rat, Stuttgart. ~ Steijuneyer, Prol^ Erlangen. >- Straub, PruL,
Stattfuri — Straaeh, Prot, Halle. — Suphan, Geh. Hofrat, Direktor
des Ooeae-Sehlller^ArehiTS, Weimar. — Dr. K. J. Trttbaar, Ver-
lagsbnehbaadlaag, Strasibarg. — Veit Valantla, Prol, YonitEender
dea Akademischen Ges&mtaassohasses des Freien Deataehen Hoch-
itiftes, Frankfart a/^f. — Veil, Direktor des Protestant. Gymnasiums,
Strassbnrg. — Leo Vetter, Kommersienrat. ^^rntto^a^t. — Theod.
Vetter, Prof, Zürich. — Virchow, Geh. Med-Kat, Beriin. — Vogt,
Prof., Breslau. — Dr. med. W. Valpioa, Weimar. — Wae^en,
Eeg.-Bat a. D., Dfiraeldofl. — Walaat, Prof; Baia. — Graf Wadal,
WlrkL Oak-Bat, Oberhefraanehall, Weimar. ^ JaLWagaler, (Steh.
Commerzienrat, Coblena. — WaialMld, Geh. Beg.-Bat, Berlin. —
WaiaMiifSel% Prot, Freibarg i. B. — Wendt, Geh. Beg.-Bat, Karls-
rtihe. — Werner, Prof., Lemberg — Horatio S. White, Prof.,
Cornell Univ. Ithaca, N.-Y. — l>r. Adolf Wilhrandt, Rostock. —
▼. Wildenbnich, Geh. Legationsrat, Berlin. — W. Wilmann««. (ieh.
Beg -Bat, Bonn. — Wiadelband, i'rof., Sirassbarg. — W'oblwill,
Prot, Hambaig. — Walfhua* ArehiYdirektor, Xeta. ~ Ziegler,
Prot, Strassbarg.
Beiträge werden bei der un (erreich neten Bankcommandito
in St rassLur^;, sowie bei it r Bank für Handel und Indu-
strie in Darmstadt und deren Filiale in Frankfurt a.M.,
femer bei Iferrn Bankier Alexander Meyer Cohn in Berlin,
Unter den Linden 11 und Herrn Commerzienrath Dr. Moritz
in Weimar, bei Herrn Buchhändler Konegen in Wien:
für England bei der Dresdener Bank in London EC 65 Old
Broad Slreel, für Nordamerika bei dem Hmkhause Ladenhurg ,
Thalmaim ^ Co. in New- York 46 Wall Street in Lmpianij
genommen.
lieber das Ergebnis der Sammlung wird rechlzeili^^ ofTent-
Hch Bericht erstattet werden. Das Weitere bleibt dem Ge-
sammtauaschuss vorbeballeu.
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— 250 -
Der gesohäftsführeDde Aussohass:
t*. Schrautj Unterstaatssekretär^ Wirklicher Geheimer Rat
— Vorsitzender ;
Dr. V. Schlumberger^ Mitglied des Stnatsrats;
Backf Bürgermeister der Stadt Strns.-iiurg ;
Dr. Goetle, Rektor der Kaiser- Wilhelnis-Universität ;
Dr. Martin und Dr. Henning^ Professoren der Univer-
sität — Schriftführer ;
Dr, Trühner, Verlagsbuchhä^dter ;
Pascal David, Chefredakteur ;
Bankcomrnandite Kauffmann^ Engelhom & Co, — Kassen-
verwaltuDg.
Strassburgf im Oktober I888.1
Unsere Bitte um Beiti ;Age, von der Strassbui^ftr Prpsse wirk-
sam verbr^»itet, fand freundliche Aufnahme. Eine Rcilie deutsciier
Fürsien gewahrte huldvoll ihre Unterstützung; der Hamburger
Senat gleichfalls; Industrie und Handel in Elsass-Lothringen und
ganz Deutschland» insbesondere in den Rheinlanden spendeten
erhebliche Beiträge. Auch aus der Ferne, aus Tientsin, aus Port-
Said u. s. w. beleiligteu sich die Landsleute. Die Goelhegesell*
Schäften in Deutschland, England und Amerika nahmen sieb unser
freundlichst an ; ebenso der Allgemeine deutsche Sprachverein.
BewMiders erfolgreich waren Vorträge und andere Veranstaltungen,
weld» zugleich das Veratindnis Ar cl«i Biebfer mbieiteleii
und Geld einbraditen. So ^aranataltelen die Strassburger Uni*
venitfttsprofeasoren sieben Goethevortriige, welche- seitd^ in
der THIbnerschen Buchhandlung eben&lls Eum Beetendes Denk-
mals im Druck erschienen sind« Diese Verträge wurden tdl-
weise in Ifets und Colmar wiederholt, auch in Freibuig, wo
sich Hmt Professor Weissenfels uns anschloss. Von den Strassbur-
ger Dichterabenden, welche Herr Theater-Direktor Krfikl noch
eingerichtet hatte, kam das halbe Grtrignis des einen unserem
Untanehmen zu Gute. Concerle der Ifihinergesangvereine in
Strassburg und in Colmar fanden zu unsern Gunsten statt. In
Pfalzburg war Herr Seminardirektor Dr. Kahl, in Baden-Baden
Herr Oberlehrer Dr. Jordan, hier in Strassburg Herr Streng
aus Lahr, in Stuttgart Herr Prof. Straub, in Rom Herr Prof.
Hülsen durch Vorträge für uns tbätig. In Berlin wurde
eine Vorlcsan;^ des «Urfaust» von Frau Hedwig Niemrinn«»
Baabe, l^rau Anna Schramm, den Herren Pohl und Sommers-
dorf für uns veranstaltet. Äehnlich regten Prof. Schlapp in
Edinburgh, Prof. Hatüeid in Evanston bei Chicago, Prof. Kuno
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Francke iü Boston musicalisch-declamatorische Abende mit Vor-
trägen an, welche zu wahren Festen der Deutschen in Nord-
amerika sich gestaltelen« In litehoe &nd ein Goethefest statt,
wofBr Prof. Ktoffinann aus Kiel den Vortrag flbemahm. Die
Theater zeigten sich s. T. der ihnen aunftcbat obliegenden
Pflicht an den groeeen Dichter lu erinnern wohl bewusat:
2a unseren Gtlnaten geschah dies in Mets, Oldenburg, Schwe-
rin, Mannheim. Andere wollen folgen. In Strasabarg wurde
am 6. Mai cTasao» au^eföhrt mit Prolog von Christian Schmitt.
Eine Goetheauastellung in der kaiserlichen Universitäts- und
Landesbibliothek war vom 11. bis 26. Mai ge6fihet. Am 8.
Juni ist die cFischenn» noch einmal aufgefGhrt worden, dies-
mal in der Orangerie. Am 12. Juli gab Herr Kapellmeister
Lobse ein Konzert zu unseren Gunsten. Professor Joachim
aus Berlin Oberwies einen namhaften Betrag aus dem Er-
gebnis des zu seinem Jubiläum veranstalteten Konzertes. Wir
holTen auch von den Goethefesten in Düsseldorf und Frankfurt
Beisteuern zu erbilten. Der deutsche Reichstag bat freilich den
beantragten Zuschuss noch nicht bewilligt. Doch glauben wir
sicher die Summe der Beitrage zu erreichen, welche eine liefrie-
digende Ausführung des Denkmais möglich machen wird. Jetzt
sind rund 910Ü0 Mark vorhanden.
Da die Bankcommandife Kauffmänn Engelhorn u. Co. in
Strassburg vom 1. Juli ab auf die Rheinische Credit-
bank, Filiale Strassburg fibei^gegangen ist, bittet man,
Werthsendungen an die letzlere Adresse zu richten.
15. Juli 1899.
t
XIU.
Zu G. D. Arnold.
Von
£. Martin.
t. Ein Gedicht Arnolds, olTenbar in Hebels Art verfasst, steht
auf einem alten Zeitung^sblatt, welches in ein Exemplar des
Püogstmontags eingeklebt ist und mit diesem der Sumuilung
Heitx auf der Universilils- und Landeabibliothek in Sfraaahurg
angehört. Es ist allerdings nur mit A. unterzeiehnet und be-
titelt sich selbst als «Gharade (in Sirassburger Mundart)».
Dännel ! steh uff, es dännert jo schan, mar welle vor's Thor
Du, der Babbe-n-nn d'Mammc-n-nn's Lenele; dummel di, Baeknr»
Zeih dini StifFelen an un setz dini lederre Kapp uff —
So! jetz kuinme nur g'schwind zum Thor aus, grad iwwor d'Matte,
Bi äauct Galle verbei; mer stellen aE uawen a Hisel,
Dis «ff der Anheh steht, Mm EapHnrhanuner, do siebt mer
Wit in dsr Ocjed onim, uiTs ditsch Oebini, de SoWanswald,
ÜB an imrer de Rhin, den Üediltibeni an d^oUesser.
Sah mar, Dännel ! De kaascVs ABC un lese und schrlwe,
ZVrfst wie heisst zelli P^au, vro zwischc de Baumen ervor kämmt?
Siehst de, sie lacht so frindli eriiff mit heiteren Ane,
Wunderscheen, im e g-lit7,rjp:e Kleid, mit goldene Borte,
Mit eme DemauLätiekl lu de bluiide genagelte Locke.
Nenn mir domo dis herzigi Kind, wo d'Fraa an der Hand fiahrt^
In sim rosige Flor, mit snfer gewäsohene Qiofcle;
Sieh f wie sie seham uf dlfatten eram, jetst wJktii so lasti,
Sieh! nn*8 glftnrt an Alles so hell wie Silwer nn Parle.
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.XinuiM, Ben«k j^tst in d^Stadl^ he( Mbon sagfiuige cn lyte.
lAterliMr gehn an in d'lCirdi; nit BhoMitrisgen an Gflangbnek
Dlinel, M Mdi mar im Oftute» ww byi tot • keUifer D» Isck.»
Das Rätsel ist gewiss nicht schwer zu erraten : es ist der
^onatag gemeint.
2. Aus dem Briefwechsel zwischen Goethe und Reinhard in
den Jahren 1807 bis 1832, Stuttg. u. Tübingen 1B50, S. 150.
Reinhard an Goethe, Bockenheim bei Frankfurt den t22. Mai 1820.
. . . Das fünfte Heft Ober Kunst und Altertum hat Ihre
Güte mir zweimal zugesandt, und da vielleicht dadurch eines
ihrer Exemplare defekt wird, so hitt' ich Sie luir zu sn^^cn, ob
ich eines davon Ihuen zurücksenden soll. Tch habe im vorigen
Munat meinen Selm nach Strassburf^ g'eführt, weil mir dies für
seine ganze deutsch-französische, jeddch stark auf die deulsi he
Seite sich neigende Bildung am angemessenr^len schien, und
wie billig nicht veisäumt, mich sogleich nach dem Verfasser
des PfiopTStmontags zu erkundigten. Dieser, wie Sie wissen,
ist Arnold, Professor der Rechte an der Akademie, ein geist-
reicher, unterrichteter, nur wie ich höre, seine Thätigkeit nach
zu vielen Richtungen ausbreitender junger Mann. Ihren Auf-
satz fiher sein Gedieht haben seine Freunde besonders abdrucken
lassen. Bn Exemplar eiribidt ich vom Verlksser, es hat mich
auf der RAckreiae begleitet, und tia gdiorMier Sehwiho komif
ieh^ mich leieht anraeht finden. Nicht nur bedm'ft' ich kaum
Mtäk oder lehn Idiotismen im Regialar nadiiüsehhigen, sondern
durch Sitten und Gdbriocho, Geistearichtung und Godimuiigiart
fimd ich mich so ginslich in meine Jugend veraeti!, daso mir
auch nidit der geringate Zweifel Ueibeii konnte, EMaaer und
Schwaben s«en vom nämlichen Volkasbunm« Ihr« Yerrntttiing
das Werk erhalte blos das Andenkon ttnes Zusfandos, dar apfttery
wo nicht zurücktrat, doch gewaltsam durchdnandor gerüttelt
worden, wird schon durch das Alter des Verfassers widerlegt^
der nur Zustände« wie sie seit der Revolution noch bestehen^
beobachten konnte. Auch ist mir nicht nur versichert worden»
sondern ich hab' es selbst in einigen Familien anschaulich er-
probt, dass jene Sitten noch grossenleils jetzt besteben. Auch
hat, wiewohl nach zerstörter Munici pal Verfassung, das alte
Bürgerwesen wenigstens in der Administration des alten Stadt-
eigentums sich noch erhalten können, das grossenteils der Zer-
splitterung entgangen ist. Ueberhaupt bewahrt sich in Strass-
burg und im ganzen Elsass ein eigentumlicher Geist Die
Vorteile der Einheit in der Nation der man angehört, \s erden
anerkannt und niemand gelüstet nach der germanischen Zer-
stückelung j aber wenn man im politischen Sinn sich gern aU
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S54 —
Franzose betrachtet, so sind doch in jeder anderen Richtung^
deutsche Kultur und deutsche Sitte Oberwiegend, und keine der
französisciien Superstitionen wird jemals dort tiefe Wurzeln
schlagen. Dazu kommt ein gewisser militärischer Geist, der
besonders in Strassburg sich leicht mit den Truppen und mit
dem sich die Truppen leicht befreunden, und eine gewisse Be-
sonnenheit, die öchnell d«n Standpunkt erkennt und festhält,
der gegen List oder Gewalt sich am besten verteidigfea iässt.
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XIV.
Chronik för 1898.
30. März. Enthüllung des Denkmals fflr Prinz Friedrich
Ktri in Mets.
13. April. Der Strassburger Gemeinderat betschliesst die
Anlage des Rheinhafens auf der Sporeninsel.
14. April sUrbt Mathias Fuss (geb. 21. April 1840 zu B ir
venich Kr« Dfiren), Direktor des bischdfl. Gymnasiums, Verf.
von ScbriAen <iber deutsche Grammatik und Mundarten.
29. April, stirbt Pfarrer Karl Klein, Dekan zu Nördün^en
(geb. 31. Mai 1838 zu Hirschland hei Saamnion), Verf. der
BMSichweiler Krie^^schronik.
7. — 17. Mai. Die Kaiserliche Familie in Kurael; 15—17.
Mai Kaiser und Kaiserin in Strassburg.
22. Mai. Uebergabe des Stoberdenkmals an die Stadt
Strassburg.
31. Mai — 1. Juni. Dermatolo^renkongress in Strassburg.
26. Juni. Aufführung der »Fischerin» von Goethe auf dem
. Naturtheater bei Sesenheirn,
10. August, stirbt Eugen Gluck, Maler in Paris (geb. in
. Altkirch 1830).
8. Sept. Einweihung der Neuen Synagoge in Strassburg.
19. Sept. Einweihung des Justizpalastes in Strassburg.
2. Okt. Eröffnung des Elsässischen Theaters in Stras-buj^.
10. Okt. «Odilia» dramatisierte Legende von F. Lienhard
wird in Strassljiiig aufgeführt.
14. Okt. stirbt in Paris Gamitie Alfred Pabst, Maler (geb.
Heiteren 1828).
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XV.
Sitzungsberichte.
1. Vorstandssitsung
am 27. November 1808, vormittags 10 Uhr, im germanistischen
Seminar der UoiversitAt.
Anwesend die Herren Barack, Erichson, Euting, Faber,
Francke^ Harbordt, Kassel, Lienhart, Luthmer, Martin, Mflndel,
V. Schlttmberger, SteAUe^ Wiegand.
Der Vorsitsende« Prof. Dr.. Martin, teilt zun&chst mit, dass
ihm v<m Sr. Excellenz dem Herrn Staatssekretär v. Pnitkamer
eine Beihfilfe von üOO M. fOr das Jahrbach des verflossenen
imd des gegenwärtigen Jahres zugegangen ist. Unter Hinwtts
auf das in Strassburg in erriehtende Goethedenkmal erinnert
er sodann an Goethe's Schilderung des Hochgebirges^ an die
davon ausgegangenen Anregungen, welche vielfach erst sur Er-
schliessung desselben beitrugen^ an den cWanderer», der aneh
ein Vorbild für unsre Vogesenwanderer geworden sei, .und
schlägt vor, den Gentralausscfauss des V.-C. zu bitten, dass
derselbe die einzelnen Sektionen ersuche, sich an den Samm-
lungen für das Denkmal zu beteiligen* Der Vorstand ist damit
einverstanden.
Geheimrat Barack berichtet über die mit dem Zweigverein
im Schriflenaustausch stehenden Gesellschaften und Vereine.
Laut Mitteilung vom 20. November 1897 betrug die Zahl der-
selben 125 ; neu hiozugeisommen sind 1. das Pfalzische Museum,
2. die Verein i<nmg für Gothaische Geschichte und Altertums-
forschung in Gotha, 3. der Verein für die Geschichte der Neu-
mark zu Landsberg a. W., 4 die üniversitätsbLbliothek m St.
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Peterslmrg, so daas die Anzahl der Tauschexeinplare jelzt auf
129 gestiegen ist. Davon entfallen auf Deutschland 76, die
Schweis 19, Oesterrach 13, Belgien 11, Frankreich 5, Luxem-
burg,' 2, Rtisdand % Schweden 1.
Die für das nfichste Jahrfauch bereiU eingelaufenen Arbeiten
werden besprochen und sur Beurteilung unter die einzelnen
Vorstandsmilgtieder verleilt. Prof. Faber wAnscht, dass in Zu-
kunft den Mitarbeitern, welche Beiträge über fremde Spradien
liefern, zwei Korrekturbogen sugestellt weitlen.
Es iblgt darauf die
Allgemeine Sitzung.
Der Vorsitzende erölTnet dieselbe mit dem Rechenschafts-
bericht über das abgelaufene Vereinsjahr, aus dem hervorxu-
heben ist, dass der Zweigverein z. Z. 1959 Mitglieder siblt.
Die Versammlung erklart sich mit dem oben erwähnten an den
Centrakusschuss zu richtenden Ersuchen in Betreif des Goeihe-
denkmals einverstanden.
Die Prüfung der Reclinungen ergab die Richti^^keit der-
selben, so dass dem Schatsmeister Entlastung erleilt werden
konnte.
Auf Vorschlag des Herrn Dr. Horst wird der bisherige
Vorstand durch Zuiul wieder^yL' wählt.
Zum Schlusb liielt Herr Dr. v. Boiries einen Vortrag über
«die Strassburger Farnilionnanieo, besonder-s die alterer Zeit»,
welcher im nächsten Jahrbuch abgedruckt werden soll.
2. Vorstandssitsung
am 1. März 181)9, nachmittags 3 Uhr, im germanistischen
Seminar der Universität.
Anwesend die Herren liaiK k, Eutin;;, Francke, Harhordt,
Kassel, Lienliar i, I.uthmer, Mai tili, Wiegand. — Entschuldigt
die Herren i-aber, lieaaud, v. Schlumberger.
Es erfolgte die nachträgliche Genehmiguiig einer Ausgabe
von 25 M. für einen Goetbevckrtrag als Zuwendung zu dem
Denkmalgrundstock. Prof. Martin veist auf die vom 26.-28.
September de. la. in Strasaburg tagende Generalfersammiung
der deutschen Geschichte- und Altertumsvereine hin und hält
die Beteiligung des Zweigvereins für erwünscht. Prof. Wiegand
stellt deshalb die folgenden twei Anträge : 1. die auswärtigen
llitgliedef des Zweigvereins werden auf der diesjährigen Haupt-
versammlung des V.*G. durch den Vorsilsenden» Herrn Prof.
Martin, xu der Geaeralversammlung der deutschen Geschichts-
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und Allertunisvereine ' niLreladen ; 2. von dem Jahrbuch werden
in diesem Jahie elwa .^00 Siück mehr ^'edruckt, welche mit
einer entsprechenden Widmung den Mil<(lu?dern der helr. Vereine
als Fest;^abe überreiciil werdcü. Beide Aiitirige werden ange-
nommen. Zu Vertretern des Zweigvereins und Abgeordneten
fGr den Ortsausschuas werden ernannt der Vorsitzende Prof.
Martin und die Vorstandsmitglieder Erichson, Euting, Francke,
Kassel, Lienhart» Luthmer, Stehle.
Nach einer eiogeheoden Besprechnng und Beurteilunfif der
fQr das Jahrbuch eingelaufenen Arbeiten wjid die Reihenfolge
derselben för den Druck festgesetst.
Schluss der Sitzung 4Vs Uhr.
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XVI.
Zur Begriissung der Generalversammlung
des Gesamtvereins der deutsclien
GescMchts- und Altertumsvereine
in Strasafburg.
1899.
Grass Euch und Dank! Entführt dem Kreis der Pflicht,
Zum schönen Fest der Eintracht seid willkommeii !
Erquicken soll Euch seiner Freude Licht,
Und alle Sorge sei hinwesrgenonimcn ! —
Was wir in briiderlicheui Uuitd erstreben,
Es wirkf. wenn wir getrennt, lebendig fori;
Der tenern Werkgenossen Wunsch und Wort
Wird uns zu frischem Mut den Geist erheben. —
Erwählt seid Ihr, ans der Geschichte Buch
Des Menschendaseins Wechsel zu ergründen
Und aus der Völker Segen oder Fluch
Des WelLgangs ernste Weisheit zu verkünden. —
Jatirhunderte, in tiefe Nacht gebettot,
Erstehn, aus Staub und Trümtnern aufgedeckt,
Und lassen uns erkennen, neu geweckt,
Wie- eng sich stets der Zeiten Los verkettet.
Aus Recht und Tugend sehn trotz Sturm und Not
Wir stets erwachsen Segen, Heil und Frieden,
Und lautes Zeugnis findet das Gebot,
Dasa alle Schuld sich rächen mass hienieden. —
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— 26ü —
So lehrt Ihr uns, das Dunkle deutend, ahaen
Der örj^edankon wunderbaren Lauf: —
Die Tut (Ml ruft Ihr aus der Gruft herauf,
Der Gegenwart zu weisen Ziel und Bahnen.
Ein herrlich Amt! — Die sichre Brücke haat
Ztt rfttselyollen Fernen Euer Schaffen.
Was längst entä^^hwand, wird wieder uns vertraut,
Entschleiert durch der Forschung Zauberwaffen. —
An jedem Ort fliesst klar der Vorzeit Quelle,
Wo auch im Wandern rastet unser Fuss:
Sein Sr-birksal zieht vorbpi mit stummem Gruss
An unterm Üiick in farbenreicher Helle. —
Auch hier tritt Euch Id buntbewegtem Bild
Bei jedem Schritt Gewaltiges entgegen ;
In Burg und Stadt, in Dorf und Thalgefild
H(>rl. Ihr- der alten Tntrc Kuhm bu h regen.
Und neue Thal vfrwob in diesem Lande
Mit der vereranjr'nrn sich: — In Kampf und Sieg
De/ii iitju 11 Eisa.sd biutgesühnt entstieg
Der deutschen Ehre Glanz nach Schmach und Schande.
0 laset auch uns durch. Rede, Schrift und Rat
Der jungerblühten Macht Bewosstsein mehren
Und, hütend unsrer Väter edle Saat,
Zum Heiligsten der Enkel Seele kehren. —
Wenn von den blauen Wasgaubergen drüben
Auf unsres Reiches Pracht wir niedersehn,
So Süll der Hoffnung Krafthauch uns umwehn,
Und Treue wollen wir uns neu geloben. —
Ja, jede dieser Stunden sei Gewinn
Nicht dem Beruf allein, auch unserm Leben!
Ihr still Gedenken soll Gemüt und Sinn
Uns oft als köstlicher l^esitz erheben. —
So werden wir, was lUiciUig auch entschwindet^
Mit Euch im Geiste wandeln Hand in Hand:
Bewährte Freundschaft bleibt hinfort das Band,
Das fest uns mit den Scheidenden verbindet.
Strassburg i. Eis. ' Christian Schmitt
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