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Full text of "Neue Gedichte"

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Neue Gedichte 




Rainer Maria Rilke 



Harvard College 
Library 




noM HB FOMD or 

HARRIET J. G. DENNY 
or BonoK 



4 



4 . 



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NEUE GEDICHTE 

VON RAINER 
MARIARILKE 



LEIPZIG 
Im INSEL-VERLAG 
MCMVU 



So ST x-(i.;«i.5- 

4 b 



DEC o i911 




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KARL dND* ELISABETH VON DER HEYDT 
IN FREUNDSCHAFT 



C • 

" tu 



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HlÜHER.' APOLLO 



Wie manches Mal durch das noch unbelaubte 
Gezw^eig ein Morgen durchsieht, der schon ganz 
im Frühling ist: so ist in seinem Haupte 
mchts was verhindern könnte, daß der Glanz 

aller Gedichte uns fast tödlich träfe; 

denn noch kein Schatten ist in seinem Schaiui, 

zu kühl fllr Lorbeer sind noch seine Schläfe 

und später erst wird aus den Augenbraun 

hochstämmig sich der Rosengarten heben, 
aus velchetii Blätter, einzeln, ausgelöst . 

hintreiben werden auf des Mundes Beben, 

der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend 
und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend 

als würde ihiu sein Singen eingeÜößt. 



MÄDCHEN-KLAGE ' ' ' ' 

Diese Neigung, in den Jahren 
da vir alle Kinder varen 
viel allein zu sein, var mild; 
andern ging die Zeit im Streite, 
und man hatte seine Seite, 
seine Nähe, seine Weite, 
einen Weg, ein Tier, ein Bild. 

Und ich dachte noch, das Leben 
hörte niemals auf zu geben, 
daß man sich in sich besinnt. 

Bin ich in mir nicht im Größten? 
Will mich Meines nicht mehr trösten 
und verstehen wie als Kind; 

Plötzlich bin ich wie vcrstoiien 
und zu einem Übergroßen 
wird mir diese Einsamkeit 
Venn, auf meiner BrOste Hfigeln 

stehend, mein Gefühl nach Flügehi 
oder einem Ende schreit. 



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UEBES-LIED 



Wie soll ich meine Seele halten, daß 
ae nicht an deine rührt? Wie soU ich sie 
iunheben über dich zu andern Dingen? 
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas 
Verlorenem im Dunkel unterbringen > 
an einer fremden stillen Stelle, die 
nicht veiterschvingt venn deine Tiefen 

schwingen 

Doch alles vas uns anrührt» dich und mich, 
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, 
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. 
Auf welches Instrument sind wir gespannt? 
Und welcher Spieler hat uns in der Hand? 
O süßes Lied. 



ERANNA AN SAPPHO 



O du vilde w&tt Werfeiin: 

ein Speer bei andern Dingen 

lag ich bei den Meinen. Dein Erklingen 
warf mich weit. Ich weiß nicht wo ich bin. 
Mich kann keiner wiederbringen. 

Meine vSchwestern denken mich und weben, 
und das Haus ist voll vertrauter Schritte. 
Ich allein bin fem und fortgegeben 
und ich zittere wie eine Bitte; 

denn die schüne Güttin in der Mitte 
ihrer Mythen glüht und lebt mein Leben« 



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• 



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SAPPHO AN ERANNA 



Unruh vill ich Ober dich bringen, 
Sfhwingen will ich dich, uinrankter Stab. 
\C^e das Sterben will ich dich durchdringen 
und dich veitergeben wie das Grab 
an das Alles: allen diesen Dingen. 



SAPPHO AN ALKAIOS 
FRAGMENT 

Und was iiättest du mir denn zu sagen 
und was gehst du meine Seele an 

wenn sich deine Augen niederschlagen 
vor dem xiahen Nichtgesagten^ Mann, 

sieh, uns hat das Sagen dieser Dinge 
hingerissen und bis in den Ruhni. 
^nn ich denke: unter euch verginge 
dürftig unser süßes Mädclientum, 

welches wir, ich Wissende und jene 
mit mir \^enden, vom Gott bewacht, 
trugen tmberfihrt, daß Mydlene 

■ wie ein Apfelgarten in der Nacht 
duftete vom Wachsen unsrer Brüste — . 

Ja, auch dieser Brüste» die du nicht 
wähltest wie zu Fruchtgewinden, Freier 

mit dem weggesenkten Angesicht. 
Geh und laß mich, daß zu meiner Leier 
komme was du abhältst: alles steht 

Dieser Gott ist nicht der Beistand zweier, 
aber wenn er durch den einen geht 



GRABMAL EINES JUNGEN MÄDCHENS 



Wir gedenken*s noch. Das ist als mOfite 

alles dieses einmal wieder sein. 
Wie ein Baum an der Limonenküste 
trugst du ddne kldmen leichten Brüste 
in das Rauschen sdnes Bluts hinein: 

— jenes Gottes. 

Und es wu der schlanke 
Flüchtling, der Verw&hnende der Frattn. 

Süß und glühend, warm wie dein Gedanke, 
überschattend deine frühe Flanke 
und geneigt wie deine Augenbraun. 



OPFER 



O vie blQht mein Leib aus jeder Ader 

duftender seitdem ich dich erkenn; 
sich, ich gehe s chlan ker und gerader, 
und du wütest nur — : wer bist du denn} 

Sieh: ich ftlhle wie ich mich entferne, 

wie ich Altes, Blatt um Blatt, verlier. 
Nur dein Lächeln steht wie lauter Sterne 
aber dir und bald auch über mir. 

Alles was durch meine Kinderjahre 
namenlos noch und wie Wasser glänzt 
will ich nach dir nennen am Altare, 
der entzündet ist von deinem Haare 

und mit deinen Brüsten leicht bekränzt. 



ÖSTLICHES TAGLIED 



Ist dieses Bette nicht wie eine Küste, 
ein Küstenstreifen nur darauf wir liegend 
Nichts ist gewiß ak deine hohen Brdste, 
die mein GeAlhl in Sdiwindehi fiberstiegen. 

Denn diese Nacht, in der so vieles schrie, 

in der sich Tiere mfen und zerreißen» 

ist ne uns nicht entsetzlich fremd? Und wie: 

was draußen langsam anhcbt,Tag geheißen, ' 
ist das uns denn verständlicher als sie? 

Man mfißte so sich ineinander legen 

wie Blütenblätter um die Staubgefäße; 

so sehr ist überall das Ungemäße 

und häuft sich an und stürzt sich uns entgegen. 

Doch während wir uns aneinander drücken, 
um nicht zu sehen wie es ringsum naht, 
kann es aus dir, kann es aus mir ach zücken: 
denn unsre Seelen leben von Verrat 



ABISAG 

■ 

I 

Sie lag. Und ihre Kinderarme varen 
von Dienern um den Ulkenden gebunden, 

auf dem sie lag die süßen langen Stunden, 
ein wenig bang vor seinen vielen Jahren. 

Und manchmal wandte sie in seinem Barte 

ihr Angesicht, wenn eine Eule schrie; 

und alles was die Nacht war kam imd scharte 

mit Bangen und Verlangen sich um sie. 

Die Sterne zitterten wie ihresgleichen, 
der Duft ging suchend durch das Schlafgemach, 
der Vorhang rührte sich und gab ein Zeichen 
und leise ging ihr Blick dem Zeichen nach. 

Aber sie hielt sich an dem dunkeln Alten 
und, von der Nacht der Nächte nicht erreicht, 
lag sie auf seinem flQrstlichen Erkalten 

jungfräulich und wie eine Seele leicht, 

« 

Der König saß und sann den leeren Tag 

getaner Taten, ungefühlter Lüste 

und seiner Lieblingshündin, der er pdag — . 

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Aber am Abend wglbte Abisag 

sich über ihm. Sein virres Leben lag ^ ' 

verlassen wie verrufne Meeresküste 
unter dem Sternbild ihrer sdllen Brüste. 

Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen, 

erkannte er durch seine Augenbrauen 
den unbewegten, küsselosen Mund; 
und sah: ihres Gefühles grüne Ru^ ' ^ 
neigte sich nicht herab zu seinem Grund. 

Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund 
und suchte sich in seinem letzten Blute. 



! 



DAVID SINGT VOR SAÜL 



König, hörst du wie mein Saitenspiel 
Fernen wirft, durch die wir uns bewegen: 
Sterne treiben uns verwirrt entgegen, 
und wir fallen endlich wie ein Regen, 
und es blüht, wo dieser Regen fiel. 

Mädchen blühen, die du noch erkannt, 
die jetzt Frauen sind und mich verftihren; 
den Geruch der Jungfraun kannst du spüren 

imd die Knaben stehen, angespannt 

schlank und atmend, an verschwiegnen Türen. 

Daß mein Klang dir alles wiederbrächte. 
Aber trunken taumelt mein Getön: . " ' 

Deine Nächte, König, deine Nächte — , 
und wie waren, die dein SchaflFen schwächte, 
o wie waren alle Leiber schön« 

Dein Erinnern glaub ich zu begleiten, 
weil ich ahne. Doch auf welchen Saiten 
greif ich dir ihr dunkies Lustgestöhn? — 

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n 

König, der du alles dieses hattest 

und der du mit lauter Leben mich 
überwältigest und überschattest: 
komm aus deinem Throne und zerbrich 
meine Harfe, die du so ermat test. 

Sie ist wie ein abgenommner Baum: ' • 
durch die Zweige, die dir Frucht getragen, 
schaut jetzt eine Tiefe wie von Tagen 

welche konunen — , und ich kenn sie kaum. 

Laß mich nicht mehr bei der Harfe schlafen; 
^eh dir diese Knabenhand da an: 

glaubst du, König, daß sie die Oktaven 
eines Leibes noch nicht greifen kann? 

m 

König, birgst du dich in Finsternissen, 
und ich hab dich doch in der Gewalt. 
Sieh, mein festes Lied ist nicht gerissen, 
und der Raum wird um uns bäde kalt. 
Mein verwaistes Herz und dein verworrnes 
hängen in den \^olken deines Zornes, 
▼Btend ineinander eingebissen 
und zu einem einzigen verkrallt 



FOlilst du jetzt vie vir uns umgestalten? 

K6nig, K(5nig, das Gevicht wird Geist 
Wenn wir uns nur aneinander halten, 
du am Jungen, König, ich am Alten, 
sind vir fast vie dn Gesdm das kreist 



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JOSUAS LANDTAG 



So vie der Strom am Ausgang seine Dämme 
durchbricht mit seiner Mündung Übermaß, . 
so brach nun durch die Ältesten der Stämme 
zum letztenmal die Stimme Josua. 

Wie waren die geschlagen welche lachten, 
wie hielten alle Herz und Hände an, 
als hübe sich der L'ärm von dreißig Schlachten 
in einem Mund; und dieser Mund begann. 

Und wieder waren Tausende voll Staunen 
wie an dem großen Tag vor Jericho, 
nun aber waren in ihm die Posaunen, 
und ihres Lebens Mauern schwankten so, 

daß sie sich wälzten von Entsetzen Rachtig - ' 
und wehrlos schon und überwältigt, eh 
sie's noch gedachten, wie er eigenmächtig 
zu Gibeon die Sonne anschrie: steh: 

Und Gott ging hin, erschrocken wie ein Knecht, 
und hielt die Sonne, bis üim seine Hände 
wehtaten, ob dem schlachtenden Geschlecht, 
nur weil da einer wollte, daß nc stände* 

*5 



Und das war dieser; dieser Alte war s 

von dem sie meinten, daß er nicht mehr gelte 

inmitten seines hundertzehnten Jahrs. 

Da stand er auf und brach in ihre Zelte. 

Er ging wie Hagel nieder über Halmen. ' ' 
Wzs vollt ihr Gott versprechen? Ungezählt 
stehn um euch Gotter, wartend daß ihr wählt. 
Doch wenn ihr wählt, wird euch der Herr zer- 
- ^. ( . ' malme n« 

Und dann, mit einem lipchmut ohnegleichen: 
Ich und mein Haus, wir bleiben ihm vermählt. 

Da schrien sie alle: hilf uns, gib ein Zeichen 
und stärke uns zu imserer schweren Wahl. 

Aber sie sahn ihn, wie seit Jahren schweigend, 

zu seiner festen Stadt am Berge steigend; 
und dann nicht mehr. Es war das letzte Mal. 



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DER AUSZUG DES VERLORENEN SOHNES 



Nun fortzugehn von alledem Verworrnen ^ 

das unser ist und uns doch nicht gehört, 

das, wie das Wasser in den alten Bornen 

uns ntternd spiegelt und das Bild zerstört; , ^ 

von allem diesen, das sich wie mit Dornen 

noch einmal an uns anhängt — fortzugehn 

und Das und Den 

die man schon nicht mehr sah 

(so täglich waren sie und so gewöhnlich) 

auf einmal anzuschauen: sanft, versöhnlich 

und wie an einem Anfang und von nah 

und ahnend einzusehn, ^e unpersönlich, 

wie über alle hin das Leid geschah 

von dem die Kindheit voll war bis zum 

Rand — : 

Und dann doch fortzugehen, Hand aus Hand 

als ob man ein Geheiltes neu zerrisse, 

tmd fortzugehn: wohin? Ins Ungewisse 

wdt in ein unverwandtes warmes Land, 

das hinter allem Handeln wie Kulisse 

gleichgültig sein wird: Garten oder Wand; 

und fortzugehn: warum 2 Aus Drang, aus Artung, 

aus Ungeduld, aus dunkler Erwartung, 

aus Unvcrstiindlichkeit und Unverstand: 



Dies alles auf sich nehmen und vergebeas 
vidieidit Gehaltnes fallen lassen, um 
allein zu sterben, wissend nicht vanun — 

Ist das der £ingang eines neuen Lebens; 



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DER ÖLBAUM- GARTEN 



Er ging liinauf unter dem grauen Laub 
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände 

vind legte seine Stirne voller Staub 

tief in das Staubigsein der beißen Hände. 

Nach allem dies. Und dieses var der Schluß. 

Jetzt soll ich gehen wahrend ich erblinde, . . 

und warum willst Du, daß ich sagen muß 

Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde. 

Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein. 
Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein. 
Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein. 

Ich bin allein mit aller Menschen Gram^ * 

den ich durch Dich zu lindern unternahm, 

der Du nicht bist. O namenlose Scha m ... / " 

Später erzählte man: ein Engel kam — . 

Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht 
und blätterte gleichgültig in den Bäumen. 

Die Jünger rührten sich in ihren Träumen. 
\&^m ein £ ngel? Ach es kam die Nacht. 



Die Nacht, die kam, ^o^/ar keine ungemeine; 

so gehen hunderte vorbd« 

Da schlafen Hunde und da liegen Steine. 

Ach eine traunge, ach irgendeine, 
die vartet bis es wieder Morgen sei. 

Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern, 

und Nächte werden nicht um solche groß. 
Die Sich-VerHerenden läßt alles los, 
und sie sind preisgegebe n von den Vätern 
und ausgeschlossen aus der Mütter Schoß. 



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PI£TA 



So seh ich, Jesus, deine Füße wieder, 

die damals eines Jünglings Füße waren, 
da ich sie bang entkleidete und wusch; 
wie standen sie wtrsrmt in meinen Haaren 
und wie tm weißes WM im DomenbuscL 

So seh ich deine niegelicbten Glieder 
zum erstenmal in dieser Liebesnacht. 
Wir leg ton uns noch nie zusammen nieder, 

und nun wird nur bewundert und gewacht. 

Doch, siehe, deine Hände sind zerrissen — : 
Geliebter, nicht von mir, von meinen Bissen. 

Dein Herz steht offen und man kann hinein; 
das hätte dürfen nur mein Eingang sein. 

Nun bist du müde, und dein müder Mund 

hat keine Lust zu meinem wehen Munde — . 
O Jesus, Jesus, wann war unsre Stunde i; 
Wie gehn wir beide wunderlich zugrund. 



GESANG DER FRAUEN AN DEN DICHTER 



Sieb, wie sich alles auftut: so sind vir; 
denn wir nnd nichts als solche Seligkeit. 

"Was Blut und Dunkel war in einem Tier 
das wuchs in uns zur Seele an und schreit 

als Seele veiter. Und es schreit nach dir. 

Du freilich nimmst es nur in dein Gesicht 
als sei es Landschaft: sanft und ohne Gier. 
Und darum meinen vir, du bist es nicht 

nach dem es schreit. Und doch, bist du nicht der 

an den wir uns ganz ohne Rest verlören? 
Und Verden vir in irgend einem mehr? 

Mit uns geht das Unendliche vorbei. 

Du aber sei, du Mund, daß wir es hören, 
du aber, du Uns-sagender: du seL 



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DER TOD DES DICHTERS 



Er lag. Sein aufgest elltes Antlitz war 
bleich und vervdgetnd in den steilen Kissen, 
seitdem die "^It und dieses von ihr ^Clssen, 

von seinen Sinnen abgerissen, 
zurückfiel an das teilnahmslose Jahr. 

Die, so ihn leben sahen, wußten nicht, 

wie sehr er eines war mit allem diesen, 
denn dieses: diese Tiefen, diese Wiesen 
und diese Wasser waren sein Gesicht. 

O sein Gesicht war diese ganze Weite, 
die jetzt noch zu ihm will und um ihn wirbt; 
und seine Maske die nun bang ven^bt 
ist zart und offen wie die Innenseite 

von einer Frucht, die an der Luft verdirbt. 



BUDDHA 



Als ob er horchte. Stille: eine Ferne . . . 
Wir halten ein und hören sie nicht mehr. 
Und er ist Stern. Und andre große Sterne 
die wir nicht sehen, stehen um ihn her. 

O er ist alles. Wirklich, varten vir, 
daß er uns sähe? Sollte er bedflrfen? 
Und wttm hier uns vor ihm niedenrflrfen, 

er bliebe tief und trage wie ein Tier. 

Denn das vas uns zu seinen Füßen reißt, 
das kreist in ihm seit Millionen Jahren. 

Er, der vergißt was wir erfahren 
und der erfährt was uns verw eist. 



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L'ANGE DU MERIDIEN 

CHARIKES 

Im Sturm, der um die starke Kathedrale 

^e ein Verneiner stürzt der denkt und denkt, 

fühJt man sich zärtlicher mit einem Male 
von deinem Lächehi zu dir hingelenkt: 

lächelnder Engel, Aihlende Figur, 

mit einem Mmid, gemacht aus hundert Munden 
gewahrst du gar nicht, wie dir unsre Stunden 
abgleiten von der vollen Sonnenuhr, 

aut^ der des Tages ganze Zahl zugleich, 

gleich wirklich, steht in tiefem Gleichgewichte 

als vären alle Stunden reif und reich. 

"Was weißt du. Steinerner, von unserm Seinr 
und haltst du mit noch seligerm Gesichte 
vielleicht die Tafel in die Nacht hinein? 



DIE KATHEDRALE 

In jenen kleinen Städten wo herum 

die alten Häuser vie ein Jahrmarkt hocken, 

der sie bemerkt hat plötzlich und erschrocken 
die Buden ziunadit und ganz zu und stumm, 

die Schreier still, die Trommeln angehalten, 
zu ihr hinan fhorcht aufgeregten Ohrs — : 
dieweii sie ruhig immer in dem alten 
Faltenmantel ihrer Contrefbrts 
dasteht und von den Häusern gar nicht vdß: 

in jenen kleinen Städten kannst du sehn 
wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis 
die Kathedralen waren. Ihr Erstehn 
ging über alles fort, so wie tleji Blick 
des eignen Lebens viel zu große Nähe 
fortwährend übersteigt und als gesduihe 
nichts anderes; als wäre das Geschick 
was sich in ihnen aufhäuft ohne Mafien 
versteinert und zum Dauernden bestimmt, 
nicht das, was unten in den dunkeln Straßen 
vom Zufidl irgendwelche Namen nimmt 
und darin geht, wie Kinder Grön und Rot 
und was der Krämer hat als Schürze tragen. 



Da var Geburt in diesen Unterlagen 

und Kraft und Andf ang war in diesem ?-?tg^ 

und Liebe überall wie ''^in und Brot, 

und die I'grtale voller Licbesklagen. 

Das Leben zögerte im Stundenschiagen, — 

lud in den Ttirmen, welche voll Entsagen 

auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod. 



DAS PORTAL 



I 

Da blieben sie, als wäre jene Flut 
zurückgetreten, deren großes Branden 
an diesen Steinen wusch bis sie entstanden ; 
sie nahm im Fallen manches Attribut 

aus ihren HMnden, welche viel zu gut 

und gebend sind um etwas festzuhalten. 
Sie blieben, von den Formen in Basalten 
durch einen Nimbus, einen Bischofshut, 

bisweilen durch ein Lächeln unterschieden, 
für das ein Antlitz seiner Stunden Frieden 
bewahrt hat als ein stilles Zifferblatt; 

jetzt tortgerückt ins Leere ihres Tores, 
waren sie einst die Muschel eines Ohres 
und hngen jedes Stöhnen dieser Stadt. 

U 

Sehr viele Weite ist gemeint damit: 
so wie mit den Kulissen einer Szene 

die "Welt gemeint ist; und so wie durch jene 
der Held im Mantel seiner Handlung tritt; - 



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so tritt das Dunkel dieses Tores handelnd 
auf seiner Tiefe tragisches Theater, 
so grenzenlos und valiend wie Gott-Vater 
und so vie Er sich wunderlich verwandelnd 

in einen Sohn, der aufgeteilt ist hier 
auf viele kleine beinah stunune Rollen 
genommen aus des Elends ZubehGr. 

Denn nur noch so entsteht (das wissen wir) 
aus Blinden, Fortgeworfenen und Tollen 
der Heiland wie eiii einziger Akteur. 

in 

So ragen sie, die Herzen angehalten, 
(sie stehn auf Ewigkeit und gingen nie) ; 
nur selten tritt aus dem Gefall der Falten 

eine Gebärde, aufrecht, steil wie sie 

und bleibt nach einem halben Schritte stehn 

WO die Jahrhunderte sie überholen. 

Sie sind im Gldchgewicht auf den Konsolen 

in denen eine Welt, die sie nicht sehn, 

die Welt der Wirrnis, die sie nicht zertraten, 

rigor und Tier, irie um «c zu gefährden 

sich krümmt und schGttelt und sie dennoch hält: 



weil die Gestalten dort wie Akrobaten 
sich nur so zuckend und so vild gebärden, 
damit der Stab auf ihrer Stirn nicht föllt. 



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DIE FENSTERROSE 



Da drin: das träge Treten ihrer Tatzen 

macht eine Stille, die dich fast verwirrt; 
und wie dann plötzlich eine von den Katzen 
den Blick an ihr, der hin und wieder irrt, 

gewaltsam in ihr großes Auge nimmt, — 
den Bück, der wie von eines Wirbels Kreis 
ergri£Fen, eine kleine \(^ile schvinunt 
und dann versinkt und nichts mehr von sich weiß, 

wenn dieses Auge, welches scheinbar ruht, 
sich auftut und zusammenschlägt mit Tosen 
und ihn hineinreißt bis ins rote Blut — : 

So grÜFen einstmals aus dem Dunkelsein 
der Kathedralen große Fensterrosen 
ein Herz und rissen es in Gott hinein. 



31 



DAS KAPrrÄL 



Wie sich aus eines Traignes Ausgeburten 

aufsteigend aus verwirrendein Gequal 

der nächste Tag erhebt, — so gehn die Gurten 

der Wölbung aus dem wirren Kapital 

und lassen drin« gedrängt und rätselhaft 
vierschlungen, üflgelschlagende Geschöpfe: 

ihr Zögern und das Plötzliche der Köpfe 
und jene starken Blätter, deren Saft 

vie Jähzorn steigt, sich Khließlich Qberschlagend 

in einer schnellen Geste die sich ballt 
und sich heraushält: alles nuRvlirtsjagend 
was immer wieder mit dem Dunkel kalt 
herunterfallt, wie Regen Sorge tragend 
für dieses alten Wachstums Unterhalt. 



3» 



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GOTT IM MITTELALTER 



Und sie hatten Ihn in »ch erspart 

und sie wollten, daß er sei und richte 
und sie hängten schließlich wie Gewichte 
(zu verhindern seine Himmelfahrt) 

an ihn ihrer großen Kathedralen 
Last und Masse. Und er sollte nur 
Aber seine grenzenlosen Zahlen 
zeigend kreisen und vie dne Uhr 

Zeichen geben ihrem Tun und Tagwerk. 
Aber plötzlich kam er ganz in Gang» 
und die Leute der entsetzten Stadt 

ließen ihn, vor seiner Stinune bang, 
Weitergehn mit ausgehängtem Schlagwerk 

und entHohn vor seinem Zifferblatt. 



MORGUE 



Da liegen sie bereit als ob es gälte 
nachträglich eine Handlung zu erfinden, 
die miteinander und mit dieser Kälte 
sie zu versöhnen veifi und zu verbinden; 

denn das ist alles noch wie ohne Schluß. 
yffis flQr ein Name hätte in den Taschen 
sich finden sollen? An dem Überdruß 

um ihren Mund hat man herumgewaschen ; 

er ging nicht ab; er wurde nur ganz rein. 
Die Bärte stehen, noch ein venig härter 
doch ordentlicher im Geschmack der Warter 

nur um die GaiFenden nicht anzuwidern. 
Die Augen haben hinter ihren Lidern 

sich umgewandt und schauen jetzt hinein. 



34 



DER GEFANGENE 



I 

Meine Hand hat nur noch eine 
Gebärde, mit der sie verscheucht; 
auf die alten Steine 
fällt es aus Felsen feucht. 

Ich hüre nur dieses Klopfen 
und mein Herz hält Schritt 
mit dem Gehen der Tropfen 

und vergeht damit. 

Tropften sie doch schneller, 
käme doch vieder ein Tier. 

Irgendwo war es heller — . 
Aber was wissen wir. 

n 

Denk dir, das was jetzt Himmel ist und Wind, 
Luft deinem Mund und deinem Auge Helle, 

das würde Stein bis um die kleine Stelle 
an der dein Herz und deine Hände sind. 

Und was jetzt in dir morgen heifit und: dann 
und: späterhin und nächstes Jahr, und weiter — 



das vQnie wand in dir und voller Eiter 

und schwäre nur und bräche nicht mehr an. 

Und das vas var, das wäre irre und 
raste in dir hemm, den lieben Mund 

der niemals lachte, schäumend von Gelächter. 

Und das was Gott war, wäre nur dein \^ächter 
und stopfte boshaft in das letzte Loch 

ein schmutziges Auge. Und du lebtest doch. 



« 



DER PANTHER 

IM JARDIN DES VlAtTTESt PARIS 

Sein Blick ist vom Vorttbeigehn der Stäbe' »^^^^^^ 
so müd geworden, daß er nichts mehr hält. 
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt« 

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, 
der sich im allerkleinsten Kreise dreht, 
ist vie ein Tanz von Kraft um dne Mitte, 
in der betäubt ein großer Wille steht 

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille 
sich lautlos auf Pann geht ein Bild hinein, 
geht durch der uEeder angespannte Stille — ' 

und hört im Herzen auf zu sein. 



37 



DIE GAZELLE 
GAZELLA DORCAS 

Verzauberte: wie kann der Einklang zweier 

erwählter Worte je den Reim cücichen, 

der in dir kommt und geht, wie auf ein Zeichen. 

Aus deiner Stime steigen Laub und Leier, 

und alles Deine geht schon im Vergleich 
durch Liebeslieder, deren Worte, weich 
wie Rosenblätter, dem der nicht mehr liest 
sich auf die Augen legen, die er schließt, 

um dich zu sehen: hingetragen, als 
^K^e mit Sprüngen jeder Lauf geladen 
und schösse nur nicht ab, solang der Hals 

das Haupt ins Horchen hält: wie wenn beim Baden 
im "Wald die Badende sich imterbricht, 
den ^Idsee im gewendeten Gesicht 



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DAS EINHORN 



Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet 
fiel vie ein Helm zurück von sdnem Haupte: 

denn lautlos nahte sich das niegeglaiibtc, 
das weiße Tier, das wie eine geraubte 
hilflose Hindin mit den Augen fleht. 

Der Beine elFenbcincincs Gestell 
bewegte sich in leichten Gleichgewichten, 
ein veißer Glanz glitt selig durch das Fell, 
und auf der Tierstim, auf der stillen, lichten, 

stand, wie ein Turm im Mond, das Horn so hell, 
und jeder Schritt geschah, es aui^urichten. 

Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum 

war leicht gerafft, so daß ein wenig Weiß 
(weißer als alles) von den Zähnen glänzte; 
die Nüstern nahmen auf und lechzten las. 
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte, 
warfen sich Bilder in den Raum 
und schlössen einen blauen Sagenkreis. 



39 



SANKT SEBASTIAN 



Wie ein Liegender so steht er; ganz 
hingehalten von dem großen Willen. 
Wdtentrfickt wie Mütter wenn nt stillen 
und in sich gebunden wie ein Kranz. 

Und die Pfeile kommen: jetzt und jetzt 
und als sprängen sie aus seinen Lenden, 
eisern bebend mit den freien Enden. 

Doch er lächelt dunkel, unverletzt. 

Einmal nur wird eine Trauer groß, 
und die Augen liegen schmerzlich bloß 

bis sie etwas leugnen, wie Geringes, 
und als ließen sie verächtlich los 
die Vernichter eines schönen Dinges. 



40 



DER STIFTER 



Das war der Auftrag an die Malergildc. 
Vielleidit ihm der Heiland nie erschien; 
vielleicht trat auch kein heiliger Bischof milde 

an seine Seite wie in diesem Bilde 
und legte leise seine Hand auf ihn. 

Vielldicht var dieses alles: So zu knien, 

(so wie es alles ist, was wir erfuhren): 
zu knien: daß man die eigenen Konturen, 
die ausvärtsvoUenden, ganz angespannt 
im Herzen hUlt, wie Pferde in der Hand. 

Daß wenn ein Ungeheueres geschähe, 
das nicht versprochen ist und nieverbrieft, 
vir hoffen könnten, daß es ims nicht ^e 
und näher käme, ganz in unsre Nähe, 
mit sich beschäftigt und in sich vertieft. 



DER ENGEL 



Mit einem Neigen seiner Stime weist 

er weit von sich was einschränkt und verpflichtet; 

denn durch sein Herz geht riesig aufgerichtet 
das ewig Kommende, das kreist. 

Die tiefen Himmel stehn ihm voll Gestalten, 
imd jede kann ihni rufen: komm, erkenn — 
Gib seinen leichten Händen nichts zu halten 
aus deinem Lastenden. Sie kämen denn 

bei Nacht zu dir, dich ringender zu prüfen 
und gingen wie Erzürnte durch das Haus 
und griffen dich als ob sie dich erschüfen 
und brächen dich aus deiner Form heraus. 



4» 



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RÖMISCHE SARKOPHAGE 



aber hindert uns zu glauben, daß 
(so wie wir hingestellt sind und verteilt) 
nicht eine kleine Zeit nur Drang und Haß 
und dies Venrirrende in uns verreilt, ' 

wie einst in dem verzierten Sarkophag 
bei Ringen, Götterbildern, Gläsern, Bändern, 
in langsam dch verzehrenden Gev^dern 
ein langsam Aufgelöstes lag — 

bis es die unbekannten Munde schluckten, 
die niemals reden. (Wo besteht und denkt 

ein Hirn, um ihrer einst sich zu bedienen?) 

Da wurde von den alten Aquädukten 
ewiges Wasser in sie eingelenkt — : 

das spiegelt jetzt und geht und glänzt in ihnen. 



DER SCHWAN 

Diese M^sal, durch noch Ungetanes 

schwer und wie gebunden liinzugchn, 

gleidit dem ungeschafFnen Gang des Schw^anes. 

Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen 
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn, 
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen — : 

in die Wasser, die ihn sanft empfangen 
und die sich, wie glücklich und vergangen, 
unter ihm zurückziehn, Flut um Flut; 
während er unendlich still tmd dcher 
immer mündiger und königlicher 
und gelassener zu ziehn geruht. 



44 



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KINDHEIT 



£5 väce gat viel nachzudenkea» um 
von so Verlornem eMras auszusagen, 

von jenen langen Kindheit-Nachmittagen, 
die so nie wiederkamen — und warum ^ 

Noch mahnt es uns — : vielleicht in einem Regnen, 
aber wir wissen nicht mehr was das soll; 

nie wieder war das Leben von Begegnen 
von Wiederseim und Weitergehn so voll . 

wie damals, da uns nichts geschah als nur 

was einem Ding geschieht und einem Tiere; 
da lebten wir, wie Menschliches, das Ihre 
und wurden bis zum Rande voll Figur. 

Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt 
imd so mit großen Fernen Oberladen 
und wie von weit berufen und berührt 
tmd langsam wie ein langer neuer Fäden 

in jene Bilder-Folgen eingeführt, 

in weichen nun zu dauern uns verwirrt. 



45 



DER DICHTER 



Du entfernst dich von mir, du Stunde. 
*^96lindeii schlägt mir dein Flügelschlag« 
Allein: vas soll ich mit meinem Munde; 

mit meiner Nacht? mit meinem Tag? 

Ich habe keine Geliebte, kein Haus, 
keine Stelle auf der ich lebe. 

Alle Dinge, an die ich mich gebe, 
werden reich und geben mich aus. 




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OI£ SPITZE 

/ ^ r , 

MenschlichkeU: Namen schwankender ^eatze, 
noch unl^estätii^er ^stanä^on Gtöck: 

ist das unmenschlich, daß zu dieser Spitze, 

zu diesem kleinen dichten Spitzenstück 

zv^ei Augen wurden? — Willst du sie zurück? 

Du Langvcigangene und schlie^Hch Blinde, 
ist deine Seligkeit in diesem Ding, / / 

zu sicher hin, wie zwischen Stamm und Rinde, 
dein großes Fühlen, klönverwandelt, ging? 

Durch einen Riß im Schicksal, eine Lücke 
ouEOgstdu deine Seele deiner Zeit; 
und sie ist so in diesem lichten Stücke 
dafi es mich lächeln macht vor Nützlichkeit. 



n 

Und wenn uns eines Tages dieses Tun 
und was an uns gisischiehl gering erschiene 
und uns so fremd, als ob nicht verdiene, 

daß wir so mühsam aus den Kinderschuh^ 
um^cjngtwillen wachsen — : Ob die iSahn 
rgilhter Spitze, diese dichtgefügte 




47 



blumige Spitzenbahn, dann nicht genügte, 
uns hier zu halten? Sieh: sie ward getan. 

Ein Leben ward vielleicht terschmähti wer weiß? 
Ein Glück war da und wurde hingegeben, 
und endlich wurde doch, um jeden Preis, 
dies Ding daraus, nicht leichter als das Leben 
und doch vollendet und so schön als sei's 
nicht mehr zu früh zu lächeln und zu schweben. 



1« 



EIN FRAUEN- SCHICKSAL 



So vie der König auf der Jagd ein Glas 

ergreift, daraus zu trinken, irgendeines, — 

und wie hernach der welcher es besaß 

es fbrtstellt und verwahrt als war es keines: 

so hob vielleicht das Schicksal, durstig auch, 
bisweilen Eine an den Mund und trank, 
die dann ein kleines Leben, viel zu bang 
ae zu zerbrechen, abseits vom Gebrauch 

hinstellte in die angstliche Vitrine, 
in welcher seine Kostbarkeiten sind . 
(oder die Dinge, die flEIr kostbar gelten). 

Da stand sie fremd, wie eine Fortgeliehne 

und wurde einfach alt und wurde blind 

und war nicht kostbar und war niemals selten. 



49 



DIE GENESENDE 



Wie ein Singen kommt und geht in Gassen 

und sich nähert und sich wieder scheut, 
ilügclschiagend, manchmal fast zu fassen 
und dann wieder weit hinausgestreut: 

spielt mit der Genesenden das Leben; 
während sie, geschwächt und ausgeruht^ 
unbeholfen, um sich hinzugeben 
eine ungewohnte Geste tut. 

Und sie Kihlt es beinah wie Verführung 
w cnn die hartgewordne Hand, darin 
Fieber waren voller Widersinn, 
fernher, ^e mit blühender Berührung 

zu hebkosen kommt ihr hartes Kinn. 



50 



DIb ERWACHSENE 



Das alles stand auf ihr und var die ^It 

und stand auf ihr mit allem, Angst und Gnade, 
wie Bäume stehen, wachsend und gerade, 
ganz Bild und bÜdlos wie die Bundeslade 
und feierlich, wie auf ein Volk gestellt. 

Und sie ertrug es; trug bis obenhin 
das Fliegende, Entfliehende, Entfernte, 
das Ungeheuere, noch Unerlemte 
gelassen wie die Wasserträgerin 
den vollen Krug. Bis mitten unterm Spiel, 
verwandelnd und auf andres vorbereitend, 
der erste weiße Schlder, leise gleitend, 
über das aufgetane Antlitz fiel 

fast undurchsichtig und sich nie mehr hebend 
und irgcnd^c auf alle Fragen ihr 

nur eine Antwort vage wiedergebend; 
In dir, du Kindgewesene, in dir. 



TANAGRA 



Ein wenig gebrannter Erde, 
wie von großer Sonne gebrannt. 

Als wäre die Gebärde 

einer Mädchenhand 

auf einmal nidit meiir veigangen; 

ohne nach etwas zu langen 

zu keinem Dinge hin 

aus ihrem Gefühle Pührcnd, 

nur an sich selber rührend 

wie eine Hand ans Kinn. 

Wir heben und wir drehen 
eine und eine Figur; 
wir können fast verstehen 
weshalb sie nicht veigehen, — 
aber wir sollen nur 
tieter und wunderbarer 
hängen an dem was war 
und lächeln: ein wenig klarer 
vielleicht als vor einem Jahr. 



DIE ERBLINDENDE 



Sie safi so vie die anderen beim Tee. 
Mir wzr zuerst, als ob sie ihre Tasse 

ein wenig anders als die andern fasse. 
Sie lächelte einmaL Es tat iast vt^eh. 

Und als man schließlich sich erhob und sprach 

und langsam und wie es der Zufall brachte 
durch viele Zimmer ging, (man sprach und lachte), 
da sah ich sie. Sie ging den andern nach, 

verhalten, so wie eine, welche gleich 
wird singen müssen und vor vielen Leuten^ 
auf ihren hellen Augen die sich freuten 
war Licht von außen wie auf einem Teich. 

Sie folgte langsam und sie brauchte lang 
als wäre etwas noch nicht überstiegen; 
und doch: als ob, nach einem Übergang, 
sie nicht mehr gehen würde, sondern fliegen. 



53 



IN EINEM FREMDEN PARK 

BCyRGEBY-GÄRD 

Zwei 'Wege sind's. Sie flüuren keinen hin. 
Doch manchmal, in Gedanken, läßt der eine 

dich wcitergehn. Es ist, als gingst du fehl; 
aber auf einmal bist du im Rondel 
alleingehusen vieder mit dem Steine 
und vieder auf ihm lesend: Freiherrin 
Brite Sophie — und ^cder mit dem Finger 
abfiihlend die zcrfallne Jahreszahl — -. 
Warum wird dieses Finden nicht geringer^ 

^s zögerst du ganz wie zum erstenmal 

erwartungsvoll auf diesem Ulmenplatz, 
der feucht und dunkel ist und niebetreten if 

• 

Und was verlockt dich fllr ein Gegensatz 

et>j/as zu suchen in den sonnigen Beeten 
als war s der Name eines Rosenstocks? 

Was stehst du oft? Was hören deine Ohren? 

Und warum siehst du schließlich, wie verloren, 
die Falter flimmern um den hohen Phlox. 



54 



ABSCHIED 



"Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt. 
Wie weiß ich's noch; ein dunkles iinverwundnes 
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes 
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt. 

Wie war ich ohne Wehr dem zuzuschauen 
das, da es mich, mich rufend, gehen iieß, 
zurückblieb, so als vären's alle Frauen 
imd dennoch klein und veiß und nichts als dies: 

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen, 
ein leise Weitervinkendes — , schon kaum 
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum, 

von dem ein Kuckuck hastig abgeilogen. 



55 



TODES-ERFAHRUNG 



"Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das 
nicht mit uns teilt- Wir haben keinen Grund 
Befninderting und Liebe oder Haß 
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund 

tragischer Klage wunderlich entstellt. 
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen. 
Solang wir sorgen, ob vir auch gefielen, 
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefallt. 

Doch als du fingst, da brach in diese Bühne 
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt 
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne, 

wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald. 

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes 
hersagend und Gebärden dann und wann 

aufhebend; aber deni von uns entferntes, 
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann 

uns manchmal überkommen, wie ein Wissen 

von jener Wirklichkeit sich niedersenkend, 

so daß wir eine Weile hingerissen 

das Leben spielen, nicht an Beifall denkend. 



BLAUE HORTENSIE 

... » 

So vie das letzte Grün in Farbentiegeln 
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh, 

hinter den Blütendolden, die ein Blau 

nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln. 

Sie spiegeln es verveint und ungenau 
als wollten sie es wiederum verlieren, 

und wie in alten blauen Briefpapieren 
ist gelb in ihnen violett und grau; 

Verwaschnes wie an einer KinderschUrze, 

Nichtmehrgetragnes dem nichts mehr geschieht: 
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze. 

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu vemeuen 

in einer von den Dolden, und man sieht 
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen. 



57 



VOR DEM SOMMERREGEN 

Auf einmal ist aus aliem Grfin im Park 

man veiß nicht was, ein Etvas, fortgenommen; 

man filhlt ihn näher an die Fenster kommen 
und schv/eigsam sein. Inständig nur und stark 

ertönt aus dem GehOiz der Regenpieüer, 
man denkt an dnen Hieronymus: 

so sehr steigt irgend Einsamkeit imd Eifer 
aus dieser einen Stimme, die der Guß 

erhören wird. Des Saales Wände sind 

mit ihren Bildern von uns fortgetreten, 
als dürften sie nicht hören was wir sagen. 

Es spiegeln die verblichenen Tapeten 

das ungewisse Licht von Nachmittagen, 
in denen man sich fürchtete als Kind. 




IM SAAL 



sind sie alle um uns dies« Herrn 
in Kammerherrentrachten und Jabots, 

wie eine Nacht um ihren Ordensstern 
sich immer mehr verdunkelnd, rücksichtslos, 
und diese Damen, zart, fragile doch groß 
von ihren Kleidern, eine Hand im Schoß 
klein wie ein Halsband fllr den Bologneser; 
wie sind sie da um jeden: um den Leser, 
um den Betrachter dieser Bibelots, 
darunter manches ihnen noch gehört 

Sie lassen, voller Takt, uns ungestört 

das Leben leben wie wir es begreifen 

und vie sie s nicht yerstehn. Sie wollten blUhn, 

rmd blQhn ist schön sein; doch wir wollen reifen 

und das heißt dunkel sein und sich bemühn. 



59 



LETZTER ABEND 

(AUS DEM BESITZE FRAU NONNAS) 

Und Nacht und fernes Fahren; denn der Train 
des ganzen Heeres zog am Park vorQber. 
Er aber hob den Blick vom Clavccln 
und spielte noch und sah zu ihr iiinüber 

beinah wie man in einen Spiegel schaut: 
so sehr erflillt von seinen jungen Zügen 
und wissend wie sie seine Trauer trügen 
schön und veri^ihrender bei jedem Laut. 

Doch plötzlich war's, als ob sich das verwische: 

sie stand wie mühsam in der Fensternische 
und hielt des Herzens drängendes Geklopil 

Sein Spiel gab nach. Von draußen wehte Frische. 
Und seltsam fremd stand auf dem Spiegeltische 
der schwarze Tschako mit dem Totenkopf^ 



60 



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JUGEND-BILDNIS MEINES VATERS 



Im Äuge Traum. Die Stirn wit in Berührung 
mit etvas Fernem. Um den Mund enorm 

viel Jugend, ungelächeltc Verführung, 

und vor der vollen schmückenden Verschnürung 

der schlanken adeligen Uniform 

der Säbelkorb und bdde Hände — , die 

abwarten, ruhig, zu nichts hingedrängt. 

Und nun fast nicht mehr sichtbar: als ob sie 

zuerst, die Fernes greifenden, verschwänden. 

Und alles andre mit sich selbst verhängt 

imd ausgelöscht als ob wk*s nicht verständen 

und ticl: aus seiner eignen Tiefe trüb — . 

Du schnell vergehendes Daguerreotyp 

in meinen langsamer vergehenden Händen. 



SELBSTBILDNIS AUS DEM JAHRE 1906 



Des alten lange adligen Geschlechtes 
Feststehendes im Augenbogenbau. 

Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau 
und Demut da und dort, nicht eines Knedites 
doch eines Dienenden und einer Frau. 
Der Mund als Mund gemacht, groß und genau, 
nicht überredend, aber ein Gerechtes 
Aussagendes. Die Stirnc ohne Schlechtes 
und gern im Schatten stiller Niederschau. 

Das, als Zusammenhang, erst nur geahnt; 
noch nie im Leiden oder im GcHngen 
zusammgefaßt zu dauerndem Durchdringen, 
doch so, als väre mit zerstreuten Dingen 
von fern ein Ernstes, "Wirkliches geplant. 



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DEK KÖNIG 



Der König ist sechzehn Jahre alt. 
Sechzehn Jahre und schon der Staat. 

Er schaut, wie aus einem Hinterhalt, 
vorbei an den Greisen vom Rat 

in den Saal hinein und irgendwohin 
und fbhlt vielleicht nur dies: 

an dem schmalen langen harten Kinn 
die kalte Kette vom Vlies. 

Das Todesurteil vor ihm bleibt 

lang ohne Namenszug. 

Und sie denken: wie er sich quält. 

Sie wOfiten, kennten sie ihn genug, 
dal5 ci nur langsam bis siebzig zUlik 
eh er es unterschreibL 



AUFERSTEHUNG 



Der Graf ▼emimmt die Töne, 
er neht eineti tichten Riß; 

er weckt seine dreizehn Sühne 
im Erb-Begräbnis. 

Er grOßt seine beiden Frauen 

ehrerbietig von weit — ; 
und alle voll Vertrauen 
stehn auf zur Evigkdt 

und warten nur noch auf Erich 

und Uhiken Dorotheen, 

die sieben- und dreizehnjährig 

(sechzehnhundertzehn) 
verstorben sind in Flandern, 
um heute vor den andern 
unbeirrt herzugehn. 



<54 



DER FAHNENTRÄGER 

Die andern ftlhlen alles an sich rauh 

und ohne Anteil: Eisen, Zeug und Lcder. 
Zwzr manchmal schmeichelt eine reiche Feder, 
doch sehr allein lieblos ist ein jeder; 
er aber trägt — als trüg er eine Frau — 

die Fahne in dem feierlichen Kleide. 
Dicht hinter ihm geht ihre schwere Seide, 
die manchmal über seine Hände fließt. 

Er kann allein, wenn er die Augen schließt, 
ein Lächeln sehn: er darf sie nicht verlassen. 

Und wenn es kommt in blitzenden KÜrassen 

und nachilir greift und ringt und will sie fassen — : 

dann darf er sie abreißen von dem Stocke 
als riß er sie aus ihrem Mädchentum 
um sie zu halten unterm ^^alFenrocke. 

Und für die andern ist das Mut und Ruhm. 



6s 



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DER LETZTE GRAF VON BREDERODE 
ENTZIEHT SICH TÜRKISCHER GEFANGEN- 
SCHAFT 

Sie folgten furchtbar; ihren bunten Tod 

von ferne nach ihm werfend, während er 
verloren floh, nichts weiter als: bedroht. 
Die Ferne seiner Väter schien nicht mehr 

für ihn zu gelten; denn um so zu thchn 
genügt ein Tier vor Jägern. Bis der Fkiß 
aufrauschte nah und blitzend. Ein Entschluß 
hob ihn samt seiner Not und machte ihn 

wieder zum Knaben fürstUchen Geblütes. 

Ein Liicheln adehger Frauen goß 

noch einmal Süßigkeit in sbin verfrühtes 

vollendetes Gesicht. Er zwang sein Roß 

groß wie sein Herz zu gelin> sein bhitdurchglülites: 

es trug ihn in den Strom wie in sein Schloß. 



66 



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DIE COURUSANE 



Venedigs Sonne wird in meinem Haar 
dn Gold bereiten: alier Alchemie 
erlauchten Ausgang. Meine Brauen, die 

den Brücken gleichen, sielist du sie 

hinfliliren ob der lautlosen Gefahr 
der Augen, die ein heimlicher Verkehr 

an die Kanäle schließt, so daß das Meer 
in ihnen steigt und fäUt und wechselt. Wer 

mich einmal sah, beneidet meinen Hund, 
weil sich auf ihm oft in zerstreuter Pause 
die Hand, die nie an keiner Glut verkohlt, 

die unverwundbare, geschmückt, erholt — . 
Und Knaben, Hoffnungen aus altem Hause, 

gehn wie an Gift an meinem Mimd zugrund. 



DIE TREPPE DEK ORANGERIE 

VERSAILLES 

Wie Könige die schließlich nur noch schreiten 
fast ohne Ziel, nur um von Zeit zu Zeit 
sich den Verneigenden auf beiden Seiten 
zu zeigen in des Mantels Einsamkeit — : 

so steigt, allein zwischen den Balustraden, 
die sich verneigen schon seit Anbeginn, 
die Treppe: langsam und von Gottes Gnaden 
und auf den Himmel zu und nirgends hin; 

als ob sie allen folgenden befahl 
zurückzubleiben, — so daß sie nicht vagen 
von ferne nachzugehen; nicht einmal 

die schwere Schleppe durfte einer tragen. 



6% 



DER MARMOR-KARREN 

PARIS 

Auf Pferde, sieben ziehende, verteilt 
ver^randelt Niebewegtes sich in Schritte; 
denn wzs hochmQtig in des Mannors Mitte 
an Alter, Widerstand und All verweilt 

das zeigt mk unter Menschen. Siehe, nicht 
unkenntlich, unter irgend einem Namen, 

nein: wie der Held das Drängen in den Dramen 
erst sichtbar macht und plötzlich unterbricht: 

so kommt es durch den stauenden Verlauf 

des Tages, kommt in seinem ganzen Staate, 
als ob ein großer Xriumphator nahte 

langsam zuletzt; und langsam vor ihm her 

Gefangene, von seiner Schwere schwer. 
Und naht noch inmier und hält alles auf. 



69 



BUDDHA 



Schon von ferne fülilt der fremde scheue 
Pilger wit es golden von ihm ti^uft; 

so als hätten Reiche voller Reue 
ihre Heimlichkeiten aufgehäuft. 

Aber näher kommend wird er irre 

vor der Hoheit dieser Aiigenbraiin: 
denn das sind nicht ihre Trinkgeschirre 
und die Ohrgehänge ihrer Fraun. 

Wößte einer denn zu sagen, welche 
Dinge eingeschmolzen wurden, um 
dieses Bild auf diesem Blumenkelche 

aufzurichten: stummer, ruhiggclber 

als ein goldenes und rundherum 

auch den Raum berührend ^e sich selber. 



70 



RÖMISCHE FONTÄNE 

BORGHjESE 

Zwei Becken, eins das andre übersteigend 

aus einem alten runden Marmorrand, 

und aus dem oberen ^QCteer leis sich nagend 

zum Wasser, welches unten wartend stand, 

dem leise redenden ^ntgegenschweigend 
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand 

ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend 
wie einen unbekannten Gegenstand; 

sich selber ruhig in der schönen Schale 
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis, 
nur manchmal träumerisch und trupfenweis 

sich niederlassend an den Moosbehangen 
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis 

von unten lächeln macht mit Übergängen. 



71 



DAS.KARUSSELL 



JARDIN DU LUX£MBOURG 

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht 
skh eine kleine Weile der Bestand 
von bunten Pferden, alle aus dem Land 
das lange zögert eh es untergeht. 
Zwar manche sind an Wagen angespannt, 
doch alle haben Mut in ihren Mienen; 
ein böser roter Löve geht mit ihnen 
imd dann und wann ein wdßer Elefant. 

• 

Sogar ein Hirsch ist da ganz vie im Waiiy 

nur daß er einen Sattel tragt und drüber 
ein kleines «blaues Mädchen angeschnallt. 

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge 
und hält sich mit der kleinen heißen Hand 

dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. 

Und dann und wann ein weißer Elefant. 

Und auf den Pferden kommen sie vorüber 
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge 
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwünge 
schauen sie auf, irgendwohin, herüber — 

Und dann und wann ein weißer Elefant. 

7» 



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Und das geht hin und eilt sich, daß es endet 

und kreist und dreht sich nur und hält kein Ziel. 

Ein Rot, ein Grflh, ein Grau vorbeigesendet» 

ein kleines kaum begonnenes Profil. 

Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet, 

ein seliges» das blendet und verschwendet 

an dieses atemlose blinde Spiel. * 



71 



SPANISCHE TANZEBJN 



in der Hand ein Schvefelzfindholz, weiß» 
eh es zur Flamme kommt, nach allen Seiten 

zuckende Zungen streckt — : beginnt im Kreis 

naher Beschauer hastig, heil und heiß 

ihr runder Tanz sich zuckend auszabreiten. 

Und plötzlich ist er Flamme ganz und gar. 

Mit ihrem Blick entzündet sie ihr Haar 
imd dreht auf einmal mit gesagter Kunst 

ihr ganzes KleiJ in diese Feuersbriinst, 

aus welcher sich, wie Schlangen die erschrecken, 

die nackten Arme wach und klappernd strecken. 

Und dann: als würde ihr das Feuer knapp 
nimmt sie es ganz zusanim und wirft es ab 
sehr herrisch, mit hochmütiger Gebärde 
und schaut: da liegt es rasend auf der Erde 
und flammt noch immer und ergibt sich nicht — . 
Doch sieghaft, sicher und mit einem süßen 
grüßenden Lächeln hebt sie ihr Gesicht 
und stampft es aus mit kleinen festen Füßen. 



74 



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DER TÜRM 

TÖVR ST.-NIGOLAS1 FUHNES 



Erdinneres. Als väre dort, vohin 

du blindlings steigst, erst Erdenoberfläche, 
zu der du steigst im schrägen Bett der Bäche, 
die langsam aus dem suchenden Gerinn 

der Dunkelheit entsprungen sind, durch die 
sich dein Gesicht, wie auferstehend, drängt 

und die du plötzlich siehst, als fiele sie 
aus diesem Abgrund, der dich überhängt 

und den du, wie er riesig über dir 

sich umstürzt in dem dämmernden Gestühle, 

erkennst, erschreckt und fürchtend, im Gefühle: 
o wenn er steigt, behangen wie ein Stier — : 

Da aber nimmt dich aus der engen Endung 
windiges Licht Fast fliegend siehst du hier 

die Himmel wieder, Blendung über Blendung 
und dort die Tiefen, wach und voll Verwendung 

und kleine Tage wie bei Patenier, 
gleichzeitige, mit Stunde neben Stunde, 

durch die die Drücken springen wie die Hunde, 
dem hellen \!^ege immer auf der Spur, 



75 



den unbeholfne Häuser manchmal nur 
verbergen, bis er ganz im Uintergninde 
beruhige geht durch Buschwerk und Natur. 



7<5 



DER PLATZ 

FURNES 

Willkürlich von Gewesnem ausgeweitet: 
von und Aufruhr, von dem Kunterbunt 
das die Verurtdlten zu Tod begleitet, 
von Buden, von der Jahrmarktsrufer Mund, 
und von dem Herzog der vorüberreitet 
und von dem Hochmut von Burgund, 

(auf allen Seiten I&tergrund): 

ladet der Platz ziun Einzug seiner Weite 
die fernen Fenster unaufhörlich ein, 
während sich das Gefolge und Geleite 

der Leere langsam an den Handclsreihn 

verteilt und ordnet. In die Giebel steigend 

wollen die kleinen Häuser alles sehn, 

die Türme vor einander scheu verschweigend 

die immer maßlos hinter ihnen stehn. 



77 



QUAI DU ROSAIRE 
BRÜGGE 



Die Gassen haben einen saciiten Gang 

(^e manchmal Menschen gehen im Genesen 

nachdenkend: was ist früher hier ge\x^esen?^ 
und die an Plätze kommen warten lang 

auf eine andre, die mit einem Schritt 
über das abendklare "^sser tritt, 
darin, je mehr sich rings die Dinge mildern, 
die eingehängte Welt von Spiegelbildern 
so wirklich wird wie diese Dinge nie. 

Verging nicht diese Stadt? Nun siehst du, wie 
(nach einem unbegreiHichen Gesetz) 
sie wach und deutlich wird im Umgestellten, 
als wäre dort das Leben mcht so selten; 
dort hangen jetzt die Garton groß und gelten, 
dort dreJit sich plützlich hinter schnell erhellten 
Fenstern der Tanz in den Estaminets. 

Und oben blieb? — Die Stille nur, ich glaube, 
imd kostet langsam und von nichts gedrängt 
Beere um Beere aus der süßen Traube 
des Glocken^ids das in den Himmeln hängt. 

7« 




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BEGUINAGE 

BEGUINAGE SAINTE-ELISABETH, BRÜGGE 

I 

Das hohe Tor scheint keine dnzuhalten, 
die Brficke geht gleich gerne hin und her, 
und doch sind »eher alle in dem alten 

offenen Ulmenhof und gehn nicht mehr 
aus ihren Häusern, als auf jenem Streifen 
zur Kirche hiii, um besser zu begreifen 
warum in ihnen so viel Liebe mr. 

Dort kniecn sie, verdeckt mit reinem Leinen 
so gleich, als wäre nur das Bild der einen 
tausendmal im Choral, der tief und klar 
zu Spiegeln wird an den verteilten Pfeilern; 
und ihre Stimmen gehn den immer steilern 
Gesang hinan und werfen sich von dort, 
wo es nicht weitergeht, vom letzten "^rt, 
den Engeln zu, die sie nicht wiedergeben. 

Drum sind die unten, wenn sie sich erheben 
und wenden,still. Drum reichen sie sich schweigend 
mit einem N^en, Zeigende zu zeigend 

Empfangenden, geweihtes "^^asser, das 

die Stirnen kühl macht und die Munde blaß« 



79 



Und gehen dann, verhangen und verhalten, 

auf jenem Streifen wieder überquer — 

die Jungen ruhig, ungewiß die Alten 

und. eine Greisin» veilend, hinterher — 

zu ihren Häusern, die sie schnell verschweigen, 

und die sich durch die Uhiien hin von Zeit 

zu Zeit ein wenig reine Einsamkeit, 

in einer kleinen Scheibe schinunemd, zeigen. 

n 

aber spiegelt mit den tausend Scheiben 
das Rirchenfenster in den Hof hinein, 

darin sich Schweigen, Schein und Widerschein 
vcrmisciicn, trinken, trüben, übertreiben 
phantastisch alternd wie ein alter Wein, 

Dort legt sich, keiner weiß von welcher Seite, 

Außen auf Inneres und Ewigkeit 

auf Immer-Hingchn, Weite über Weite 

erblindend, finster, unbenutzt, verbleit. 

Dort bleibt, unter dem schwankenden I^ckor 
des Sommertags, das Graue alter Winter: 
als stünde regungslos ein sanitgesinnter 
langmütig lange "^QCtoender dahinter 

und eine weinend Wartende davor. 

80 




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DIE MARIEN-PROZESSION 

GENT 

Aus allen Türmen stürzt sich, Fluß um Fluß, 
hinfallendes Metall in solchen Massen 
als sollte drunten in der Form der Gassen 
ein blanker Tag erstehn aus Bronzeguß, 

an dessen Rand, gehämmert und erhaben, 
zu sehen ist der buntgebundne Zug 

der leichten Mädchen und der neuen Knaben, 
und wie er \(^ellen schlug und trieb und trug, 
hinabgehalten yon dem Ungewissen 
Gewicht der Fahnen und von Hindernissen 

gehemmt, unsichtbar wie die Hand des Herrn; 

und drüben plötzlich beinah mitgerissen 
vom Aufstieg aufgescheuchter Räucherbecken, 

die fliegend, alle sieben, wie im Schrecken 
an ihren Silberketten zerrn. 

Die Böschung Schauender umschließt die Schiene, 
in der das alles stockt und rauscht und rollt: 
das Konmiende, das Chryselephantine, 
aus dem sich zu Baikonen Baldachine 
aufbäumen, schwankend im Behang von Gold. 

8i 



Und sie erkennen über all dem Weißen, 
getragen und im spamschen Gewand, 
das alte Standbild mit dem kleinen heifien 

Gesichte und dem Kinde auf der Hand 
und knien hin, je mehr es naht und naht, 
in seiner Krone ahnungslos veraltend 
und immer noch das Segnen hölzern haltend 
aus dem sich groß gebärdenden Brokat. 

Da aber wie es an den Hingeknieten 
vorüberkommt, die scheu von unten schaun, 
da scheint es seinen Trägem zu gebieten 

mit einem Hochziehn seiner Augenbraun, 
hochmütig ungehalten und bestimmt : 
so daß sie staunen, stehn und fiberlegen 
und schließlich zögernd gehn. Sie aber nimmt 

in sich die Schritte dieses ganzen Stromes 
tmd geht, allein, vie auf erkannten Wegen 
dem Glockendonnern des großoffhen Domes 

auf hundert Schultern frauenhaft entgegen. 




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DIE INSEL 

NORDSEE 

Die nächste Flut verwischt den im WattJ^ 
und alles wird auf allen Seiten gleich; 

die kleine Insel draußen aber hat 

die Augen zu; verwirrend kreist der Deich 

tun ihre "^hner, die in einen Schlaf 

geboren werden, drin sie viele Welten 
verwechseln schweigend; denn sie reden selten 
und jeder Satz ist ^e ein Epitaph 

&ir etwas Angeschwemmtes, Unbekanntes, 

das unerklärt zu ihnen kommt und bleibt. 
Und so ist alles was ihr Bück beschreibt 

von Kindheit an: nicht auf sie Angewandtes, 

zu Großes, Rücksichtsloses, Hergesandtes, 
das ihre Einsamkeit noch übertreibt. 

n 

Als läge er in einem Krater-Kreise 

auf einem Mond: ist jeder Hof umdämmt, 
und drin die Gärten sind auf gleiche Weise 
gekleidet und wie Waisen gleich gekämmt 



von jenem Sturm, der sie so rauh erzieht 
und tagelang sie bange macht mit Toden. 
Dann sitzt man in den Häusern drin und sieht 
in schiefen Spiegeln was auf den Kommoden 

Seltsames steht. Und einer von den Söhnen 

tritt abends vor die Tür und zieht ein Tönen 
aus der Harmonika wie Weinen weich; 

so hörte er's in einem fremden Hafen — . 
Und draußen formt sich eines von den Schafen 
ganz grofi, fast drohend, auf dem Außendeich. 

m 

Nah ist nur Innres; alles andre fern. 
Und dieses Innere gedrängt und täglich 
mit allem überf^t und ganz unsäglich. 
Die Insel ist vie ein zu kleiner Stern, 

welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstört 
in seinem unbewußten Furchtbarsein, 
so daß er, unerhellt und überhört, 
allein 

damit dies alles doch ein Ende nehme 
dunkel auf einer seibsterfundnen Bahn 
versucht zu gehen, blindlings, nicht im Plan 
der \^ndelsterne, Sonnen und Systeme. 

84 



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HETAREN-GRABER 



In ihren langen Haaren liegen sie 

mit braunen, tief in sich gegangenen Gesichtern. 

Die Augen zu vie vor zu vieler Feme. 

Skelette, Munde, Blumen. In den Munden 

die glatten Zähne wie ein Rciseschachspiel 

aus Elfenbein in Reihen aü^estellt. 

Und Blumen, gelbe Perlen, schlanke Knochen, 

Hände und Hemden, welkende Gewebe 

über dem eingestürzten Herzen. Aber 

dort unter jenen Ringen, Taüsmanen 

und augenblauen Steinen (Lieblings-Angedenken) 

steht noch die stille Krypta des Geschlechtes, 

bis an die Wölbung voll mit Bliimenbrättern. 

Und wieder gelbe Perlen, weitverrollte, — 

Schalen gebrannten Tones, deren Bug 

ihr eignes Bild geäert hat, grOne Scherben 

von Salben-Vasen, die wie Blumen duften, 

und Formen kleiner Götter: liausaltare, 

Hetärenhimmel mit entzückten Göttern. 

Gesprengte Gürtel, flache Skarabäen, 

kleine Figuren rieagen Geschlechtes, 

ein Mund der lacht und Tanzende und Läufer, 

goldene Fibeln, kleinen Bogen lihnlich 

zur Jagd auf Tier- und Vogelamuiette, 

» 

8j 



und lange Nadeln, zieres Hausgeräte 

und eine runde Scherbe roten Grundes 

darauf, wie eines Eingangs schwarze Anschrift, 

die straffen Beine eines Viergespannes. 

Und wieder Blumen, Perlen, die verrollt sind, 

die hellen Lenden einer kleinen Leier, 

und zwischen Schldem, die gleich Nebeln fällen, 

wie ausgekrochen aus des Schuhes Puppe: 

des Fußgelenkes leichter Schmetterling. 

So liegen ae mit Dingen angefüllt, 
kostbaren Dingen, Steinen, Spielzeug, Hausrat, 

zerschlagnem Tand (was alles in sie abfiel) 
und dunkeln wie der Grund von einem Fluß. 

Flußbetten waren sie, 

darüber hin in kurzen schnellen Wellen 

(die weiter wollten zu dem nächsten Leben) 

die Leiber vieler Jünglinge sich stürzten 

und in denen der Männer Ströme rauschten. 

Und manchmal brachen Knaben aus den Bergen 

der Kindheit kamen zagen Falles nieder 

und spielten mit den Dingen auf dem Grunde, 

bis das Gefalle ihr Gefühl ergriflp; 

Dann füllten sie mit flachem klaren \(^asser 
die ganze Breite dieses breiten Weges 

%6 



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und trieben Wirbel an den tiefen Stellen; 
und spiegelten zum erstenmal die Ufer 
und ferne Vogelrufe» während hoch 

die Stcmennächte eines sOßen Landes 

in Himmel wuchsen, die &ich nirgends schlössen. 



«7 



ORPHEUS. EURYDIKE. HERMES 



Das war der Seelen wunderliches Bergwerk. 
Wie stille Silbererze gingen sie 
als Adern durch sein Dunkel. Zwischen "Wurzeln 
entsprang das Blut, das fortgeht zu den Menschen, 
und schwer wie Porphyr sah es aus im Dunkel. 
Sonst war nichts Rotes. 

Felsen war da 

und wesenlose Wälder. Brücken über Leeres 

und jener große graue, blinde Teich, 

der über seinem fernen Grunde hing 

wie Regenhimmcl über einer Landschaft. 

Und zwischen Wiesen, sanft und voller Langmut 

erschien des einen Weges blasser Streifen 

wie eine lange Bleiche hingelegt. 

Und dieses einen Weges kamen sie. 

Voran der schlanke Mann im blauen Mantel, 
der stumm und ungeduldig vor sich aussah. 
Ohne zu kauen fraß sein Schritt den Weg 
in großen Bissen; seine Hände hingen 
schwer und verschlossen aus dem Fall der Falten 
und wußten nicht mehr von der leichten Leier, 

88 



Dic) 



die in die Linke eingewachsen war 

wie Rosenranken in den Ast des Ölbaums. 

Und seine Sinne waren wie entzweit: 

indes der Blick ihm wie ein Hund voranslief, 

umkehrte, kam und immer wieder weit 

und wartend an der nächsten Wendung stand, — 

blieb sein Gehör wie ein Gerudi zurück. 

Manchmal erschien es ihm, als reichte es 

bis an das Gehen jener beiden andern, 

die folgen sollten diesen ganzen Aufstieg. 

Dann wieder war's nur seines Steigens Nachklang 

tmd seines Mantels yiTmd was hinter ihm war. 

Er aber sagte sich, sie kämen doch; 

sagte CS laut und hörte sich verhallen. 

Sie kämen doch, nur wären's zwei 

die furchtbar leise gingen. Dürfte er 

sich einmal wenden (wäre das Zurückschaun 

nicht die Zersetzung dieses ganzen Werkes, 

das erst vollbracht wird), müßte er sie sehen, 

die beiden Leisen, die ihm schweigend nachgehn: 

Den Gott des Ganges und der weiten Botschaft, 

die Reisehaube über hellen Augen, 

den schlanken Stab hertragend vor dem Leibe 

und flügelschlagend an den Fußgelenken; 
und seiner linken Hand gegeben: sie. 

8s, 



Die So-geliebte, daß aus einer Leier 
mehr Klage kam als je aus Klagefrauen; 
dafi eine yXklt aus Klage wanl, in der 

alles noch einmal da war: Wald und Tal 

und '^'eg und (Ortschaft, Feld und Fluß und Tierj 

und daß um diese Klage-Welt ganz so 

wie um die andre Erde eine Sonne 

und ein gestirnter stiller Himmel ging, 

ein Klagehimmel mit entstellten Sternen — : 

Diese So-geliebte. 

Sie aber ging an jenes Gottes Hand, 

den Schritt beschränkt von langen Leichenbändem, 

unsicher, sanft und ohne Ungeduld. 

Sie war in sich wie Eine hoher Hoffnung 

und dachte nicht des Mannes der voranging 

und nicht des Weges, der ins Leben aufstieg. 

Sie war in ^cL Und ihr Gestorbensein 

erfüllte sie wie FfiUe. 

Wie eine Frucht von Süßigkeit und Dunkel, 
so war sie voll von ihrem großen Tode, 
der also neu war, daß sie nichts begrüF. 

Sie war in einem neuen Mädchentum 
imd unberdhrbar; ihr Geschlecht war zu 

wie eine junge Blume gegen Abend, 
und ihre Hände waren der Vermählung 

90 



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so sehr entwöhnt, daß selbst des leichten Gottes 

unendlich Idse leitende Bertthning 

sie kr*ankte wie zu sehr Vertraulichkeit. 

Sie war schon nicht mehr diese blonde Frau, 
die in des Dichters Liedern manchmal anklang, 

nicht mehr des breiten Bettes Duft und Eiland . 
und jenes Mannes £igentum nicht mehr. 

Sie w2Lr schon aufgelöst wie langes Haar 
und hingegeben wie gefallner Regen 
und ausgeteilt wie hundertfacher Vorrat 

Sie war schon '^QPbrzeL 

Und als plötzlich jäh 

der Gott sie anhielt und mit Schmerz im Ausruf 
die "^orte sprach: £r hat sich umgewendet — , 
begri£Fsie nichts und sagte leise: Wer} 

Fem aber, dunkel vor dem klaren Ausgang, 
stand irgend jemand, dessen Angesicht 

nicht zu erkennen war. Hr stand und sah, 
wie auf dem Streifen eines Wiesenpfades 
mit trauervollem Blick der Gott der Botschaft 
sich schweigend wandte, der Gestalt zu folgen, 
die schon zurückging dieses selben Weges, 
den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern, 
unsicher, sanft und ohne Ungeduld. 



ALKESTIS 



Da plötziidi war der Bote unter ihnen, 
liineiiigevorfen in das Überkochen 
des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz. . 
Sic ffihlten nicht, die Trinkenden, des Gottes 
heimlichen Eintritt, welcher seine Gottheit 
so an sich hielt wie einen nassen Mantel 
und ihrer einer schien^ der oder jener, 
wie er so durchging. Aber plötzlich sah 
mitten im Sprechen einer von den Gästen 
den jungen Hausherrn oben an dem Tische, 
wie in die Höh gerissen, nicht mehr liegend 
und überall und mit dem ganzen \6^en 
ein Fremdes spiegelnd., das ihn furchtbar ansprach. 
Und gleich darauf, als klärte sich die Ivlischung, 
war Sdlie; nur mit einem Satz am Boden 
von trObem Lärm imd einem Niederschlag 
fällenden Lallens, schon verdorben riechend 
nach dumpfem umgestandenen Gelächter. 
Und da erkannten sie den schlanken Gott, 
und wie er dastand, innerlich voll Sendung 
und unerbittlich, — wußten sie es beinah. 
Und doch, als es gesagt war, w ar es melir 
als alles Wissen, gar nicht zu begreifen. 
Admet mufi sterben. W^nn? In dieser Stunde. 



9» 



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Der aber brach die Schale seines Schreckens 

in Stücken ab und streckte seine Hände 
heraus aus ihr, um mit dem Gott zu handein. 
Um Jahre, um ein einzig Jahr noch Jugend, 
um Monate, um "^QCbchen, um paar Tage, 
ach. Tage nicht, um Naclitc, nur um eine, 
um eine Nacht, um diese nur: um die. 
Der Gott verneinte und da schrie er auf 
imd schrie*s hinaus und hielt es nicht und schrie 
wie seine Mutter aufschrie beim Gebären. 

Und die trat zu ihm, eine alte Frau 
imd auch der Vater kam, der alte Vater, 

und beide standen, alt, veraltet, ratlos, 
beim Schreienden, der plötzlich, wie noch nie 
so nah, ae ansah, abbrach, schluckte, sagte: 
Vater, 

liegt dir denn viel daran an diesem Rest, 

an diesem Satz, der dich beim Schlingen hindert? 

Geh, gieß ihn weg. Und du, du alte Frau, 

Matrone, 

\ras tust du denn noch hier: du hast geboren. 

Und beide hielt er sie wie Opfertiere 
in einem Griff. Auf einmal ließ er los 
und stieß die Alten fort^ voll Einfiill, strahlend 
und atemholend, rufend: Kreon, Kreon! 



91 



Und nichts als das; und nichts als diesen Namen. 

Aber in seinem Antlitz stand das Andere, 
das er nicht sagte, namenlos erwartend, 
wie er s dem jungen Freunde, dem Geliebten, 
erglQhend hinhielt Obern virren Tisch. 

Die Alten, (stand da) siehst du, sind kein Loskauf, 
sie sind verbraucht und schlecht und beinah wertlos, 
du aber, du, in deiner ganzen Schönheit — 

Da aber sah er seinen Freund nicht mehr. 

£r blieb zurück und das was kam war &ie, 

ein wenig kleiner fast als er sie kannte 

und leicht und traurig in dem bleichen Brauddeid. 

Die andern alle sind nur ihre Gasse, 
durch die sie kommt und kommt — ; (gleich wird 

sie da sein 

in seinen Armen, die sich schmerzhaft auftun). 
Doch wie er wartet, spricht sie; nicht zu ihm. 
Sic spricht zum Gotte und der Gott vernimmt sie 
und alle hören s gleichsam erst im Gotte: 

Ersatz kann keiner Für ihn sein. Ich bin's. 
Ich bin Ersatz. Denn keiner ist zu Ende 
wie ich es bin. Was bleibt mir denn von dem 
was ich hier war? Das ist*s ja, daß ich sterbe. 
Hat sie dir's nicht gesagt, da sie dir s auftrug, 

9i 



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daß jenes Lager, das da drinnen vartet, . . 
zur Unterveit gehört? Ich nahm ja Abschied. 
Abschied über Abschied. 

Kein vSterbender nimmt melir davon. Ich ging ja, 
damit das Alles, unter dem begraben 
der jetzt mein Gatte is^ zergeht, sich auflöst — • 
So f^Bhr mich hin: ich sterbe ja ftr ihn. 

Und vie der "Wind auf hoher See, der umspringt, 
so trat der Gott fast wie zu einer Toten 
und war auf einmal weit von ihrem Gatten 

dem er, versteckt in einem kleinen Zeichen, 

die hundert Leben dieser Erde zuwarf. 

Der stürzte taumelnd zu den beiden hin 

imd griff nach ihnen wie im Traum* Sie gingen 

schon auf den Eingang zu, in dem die Frauen 

verweint sich drängten. Aber einmal sah 

er noch des Mädchens Antlitz, das sich wandte 

mit einem Lächeln, hell wie eine Hofihung, 

die beinah ein Versprechen war: erwachsen 

zurückzukommen aus dem tiefen Tode 

zu ihm, dem Lebenden — 

Da schlug er jäh 

die Hände vors Gesicht, wie er so kniete, 
um nichts zu sehen mehr nach diesem Lächek. 



95 



GEBURT DER VENUS 



An diesem Morgen nach der Nacht, die bang 
vergangen var mit Rufen, Unruh, Aufruhr, — 
brach alles Meer noch einmal auf und schrie. 
Und als der Schrei sich langsam wieder schloß 
und von der Himmel blassem Tag und Anfang 
herabfiel in der stummen Fische Abgrund — : 
gebar das Meer. 

Von erster Sonne schimmerte der Haarschaum 

der weiten ^ogenscham, an deren Rand 

das Madchen aufstand, weiß, verwirrt und feucht. 

So wie ein junges grünes Blatt sich' röhrt, 
sich reckt und Eingerolltes langsam aufschlägt, 
entfaltete ihr Leib sich in die Kühle 
hinein und in den unberührten Frühwind. 

'Wie Monde stiegen klar die Knie auf 

und tauchten in der Schenkel "Wblkcnränder; 
der Waden schmaler Schatten wich zurück, 
die Füße spannten sich und wurden licht, 
und die Gelenke lebten wie die Kehlen 
von Trinkenden. 

Und in dem Kelch des Beckens lag der Leib 
wie eine junge Frucht in eines Kindes Hand. 

^6 




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In seines Nabels engem Becher var 
das ganze Dunkel dieses hellen Lebens. 
Darunter hob sich Jicht die kleine Welle 
und floß beständig über nach den Lenden, 
wo dann und wann ein stilles Rieseln war. 
Durchschienen aber und noch ohne Schatten, 
wie ein Bestand von Birken im April, 
warm, leer und unverborgen lag die Scham. 

Jetzt stand der Schultern rege Wage schon 
im Gleichgewichte auf dem graden Körper, 
der aus dem Becken wie ein Springbrunn aufstieg 
und zögernd in den langen Armen abfiel 
und rascher in dem vollen Fall des Haars. 

Dann ging sehr langsam das Gesicht vorbei: 
aus dem verkürzten Dunkel seiner Neigung 
in klares, wagrechtes Erhobensein. 
Und hinter ihm verschloß sich steil das Kinn. 

Jetzt, da der Hals gestreckt war wie ein Strahl 

und wie ein Blumenstiel, darin der Saft steigt, 
streckten sich auch die Arme aus wie Hälse 
von Schwänen, wenn sie nach dem Ufer suchen. 

Dann kam in dieses Leibes dunkle FrGhe 
wie Morgenwind der erste Atem^nig. 



97 



Im zartesten Geäst der Adcrbäumc 

entstand ein Flüstern, und das Blut begann 

zu rauschen fiber seinen tiefen Stellen. 

Und dieser Wind ^«nichs an: nun varf er sich 

mit allem Atem in die neuen Brüste 

und füllte sie und drückte sich in sie, — 

daß sie ^e Segel, von der Feme voll, 

das leichte Mädchen nach dem Strande drängten. 

So landete die Göttin. 

Hinter ihr, 

die rasch dahinschritt durch die jungen Ufer, 

erhoben sich den gan/cn Vormittag 

die Blumen und die Halme, warm, verwirrt 

wie aus Umarmung. Und sie ging und lief. 

Am Mittag aber, in der schwersten Stunde, 
hob sich das Meer noch einmal auf und warf 
einen Delphin an jene selbe Stelle. 
Tot, rot und offen. 



,8 




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DIE &OSENSCHALE 



Zornige sahst du flackern, sahst zvei Knaben 

zu einem Etwas sich zusammenballen, 
das Hali war und sich auf der Erde wälzte 
vie ein von Bienen überfallnes Tier; 
Schauspieler, au^etürmte Übertreiber, 
rasende Pferde, die zusammenbrachen, 
den BUck wegwerfend, blakend das Gebiß 
als schälte sich der Schädel aus dem Maule. 

Nun aber ^eiiSt du, wie sich das vergißt: 
denn vor dir steht die volle Rosenschaie, 

die unvergeßlich ist und angefüllt 
mit jenem Äußersten von Sein und Neigen, 
Hinhalten, Niemals-Gebenkönnen, Dastehn, 
das unser sein mag: Äußerstes auch uns. 

Lautloses Leben, Aufgehn ohne Ende, 

Raum-brauchen ohne Ranni von jenem Raum . 
zu nehmen, den die Dinge rings verringern, 
fast nicht Umrissen-sein wie Ausgespartes 
utid lauter Inneres, viel seltsam Zartes 
und Sich-bcscheinendes bis an den Rand; 
ist irgend etwas uns bekannt wie dies? 
Und dann wie dies: daß ein Gefiihl entsteht, 
weil Blütenblätter Blütenblätter rühren? 

99 



D 



Und dies: daß eins sich aufschlägt wie ein Lid, 
und drunter liegen lauter Augenlider, 
geschlossene, als ob sie zehn^ch schlafend 

zu dampfen hätten eines Innern Sehkraft. 
Und dies vor allem: daß durch diese Blatter 
das Licht hindurch muß. Aus den tausend Himmeln 
filtern sie langsam jenen Tropfen Dunkel, 

in dessen feuerscheiii das wirre Bündel 
der Staubgefäße sich erregt imd aufbäumt. 

Und die Bewegung in den Rosen, sieh: 
Gebärden von so kleinem Ausschlagswinkel, 
daß sie unsichtbar blieben, liefen ihre 

Strahlen nidit auseinander in das Weltall. 

Sich jene weiße, die sich selig aufschlug 
und dasteht in den großen olfnen Blättern 
wie eine Venus aufirecht in der Muschel; 
und die errötende, die wie verwirrt 
nach einer kfihlen sich hinfiberwendet, 
und wie die kühle fühllos sich zurückzieht, 
und wie die kalte steht, in sich gehüllt, 
unter den offenen, die alles abtun. 
Und was sie abtun, ^e das leicht und schwer, 
wie es ein Mantel, eine Last, ein Flügel 
und eine Maske sein kann, je nach dem, 
und wie sie s abtun: wie vor dem GeÜebten. 

IOC 



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\ff3is können sie nicht sein: war jene gelbe, 

die hohl und offen daliegt, nicht die Schale 

von einer Frucht, darin dasselbe Gelb, 

gesammelter, orangcröter, Saft war? 

Und war*s Air diese schon zu viel, das Aufgehn, 

veil an der Luft ihr namenloses Rosa 

den bittern Nachgeschmack des Lila annahm? 

Und die batistene ist sie kein Kleid, 

in dem noch zart und atemvarm das Hemd steckt, 

mit dem zugleich es abgeworfen wurde 

im Morgenschatten an dem alten Waldbad? 
Und diese hier, opalnes Porzellan, 
zerbrechlich, eine flache Chinatasse 
und angeftillt mit kleinen hellen Faltern, — 
und jene da, die nichts enthält als sich. 

Und sind nicht alle so, nur sich enthaltend, 
wenn Sich-enthalten heüSt: die Welt da draußen 
imd Wind und R^en und Geduld des Frühlings 
und Schuld und Unruh und vermununtes Schicksal 
und Dunkelheit der abendlichen Erde 
bis auf der Wolken Wandel, flucht und Anflug, 
bis auf den vagen Einfluß femer Sterne 
in eine Hand voll Innres zu verwandeln. 

Nun liegt es sorglos in den offnen Rosen. 



lOI 



INHALT 



^Früher Apollo i 

Mädchen-Klage 2 

^ Liebes-Lied 3 

Eranna an Sappho 4 

Sappho all Kran na 5 

Sappho an Alkaios (Fragment) .... 6 

c Grabmal eines jungen Mädchens .... 7 

Opfer 8 

Östliches Taglied p 

Abisag 10 

David singt vor Saul . . . . b . • 1 2 

Josuas Landtag 15 

Der Auszug des verlorenen Sohnes ... 17 

: Der Ölbaum-Garten . . . . . .. . ip 

Pieta 21 

Gesang der Frauen an den Dichter ... 2 z 

Der Tod des Dichters 23 

Buddha .24 

V L'Ange du Meridien (Chartres) .... 2 5 

Die Kathedrale i6 

Das Portal 28 

Die Fensterrose 31 

DasKapitäl 32 

Gott im Mittelalter 33 



102 



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Morgue 34 

Der Geiängene 35 

t^cr Panther (im Jardin des Plantes, Paris) . 3 7 

'^Dic Gazelle (Gazella dorcas) 38 

Das Einhorn 3p 

^Sankt Sebastian . . • . . . . . . 40 

Der Stifter 41 

Der Engel 42 

Römische Sarkophage 43 

(^Der Schwan 44 

Kindheit 45 

^Der Dichter 4<$ 

Die Spitze 47 

c£in Frauen-Schicksal 49 

Die Genesende 50 

Die Erg^achsene 51 

Tanagra J2 

-Die ErbÜLndende 53 

In einem fremden Park (Borgeby-Gard) . 54 

Abschied 55 

Todcs-Erfahrung . , 5<5 

i Blaue Hortensie 57 

Vor dem Sommerregen 58 

Imi Saal 59 

^ Letzter Abend (aus dem Besitze Frau Nonnas) 60 

, Jugend-Bildnis meines Vaters 6\ 



103 



i Selbstbildnis aus dem Jahre 1^06 . . . 6i 

Der König 63 

Auferstehung 64 

Der Fahnenträger 65 

Der letzte Graf von ßrederodc entzieht sich 

türkischer Gefangenschaft 66 

v^Die Courtisane 6y 

L Die Treppe der Orangerie (Versailles) . . 68 

Der Marmor-Karren (Paris) 6^ 

Buddha 70 



Römische Fontäne (Borghese) ....71 
Das Karossell (Jardin du Luxemhourg) . • 72 

L Spanische Tänzerin 74 

Der Turm (Tour St.-Nicolas, Furnes) . . 75 



Der Platz (Furnes) 77 

Quai du Rosaire (Brügge) 78 

Bcguinagc (Bcguinagc Saintc-Hisabeth, 

Brügge) 79 

Die Marien-Prozession (Gent) ... 81 

y^^e Insel (Nordsee) 83 

He^en-Gräber 85 

Orpheus, Eurydike, Hermes 88 

Alkestis pi 

Geburt der Venus p6 

Die Rosenschale 



104 



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DIESES BUCH WURDE GEDRUCKTIN 
DER OFHZIN W. DRUGULIN, LEIPZIG 



I 



t 



» 



i 



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RAINER MARIA RILKE 

DER NEUEN GEDICHTE 
ANDERER TEIL 



UIPZK, 
Im INSEL-VERLAG 
MCMVIU 



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6^0 5 %Q,/^.S 
DEC 2^ 



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A MON GBiAHD AMI 
AUGUST£ RODIN 



ARCHAISCHER TORSO APOLLOS 



kannten nicht sein unerhörtes Haupt, 
darin die Augen'äpfel reiften. Aber 

sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, 
in dem sein Sdiauen, nur zurückgesciiraubt» 

sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug 

der Brust dich blenden, und im leisen Drehen 
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen 
zu jener Mitte, die die Zeugung trug. 

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz 
unter der Schultern durchsichtigem Sturz 
und flimmerte nicht so vie Raubtierfelle; 

und bräche nicht aus allen seinen Rändern 

aus wie ein vStern: denn da ist keine Stelle, 

die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern. 



KRETISCHE ARTEMIS 

Wind der Vorgebirge : war nicht ihre 
Stirne wie ein Jichter Gegenstand? 
Glatter Gegenwind der leichten Tiere 
formtest du sie: ihr Gevand 

bildend an die unbewußten Brüste 
wie ein vechselvolles Vorgeflihl; 
\(^end sie, als ob sie alles vttfite» 
auf das Fernste su, geschUrzt und k0hl, 

störmtc mit den Nymphen und den iiunden, 
ihren Bogen probend, eingebunden 
in den harten hohen Gurt; 

manchmal nur aus fremden Siedelungen 
angerufen und erzUmt bezwungen 
von dem Schreien um Geburt. 




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LEDA 



Als ihn der Gott in seiner Not betrat^ 

erschrak er &st, den Sch^p^ so sch5n zu ^den; 

er ließ sich ganz verwirrt in ihm verschwinden. 
Schon aber trug ihn sein Be^ug zur Tat» 

bevor er noch des unerprobten Seins 

Gefühle prüfte. Und die Aufgetane 
erkannte schon den Kommenden im Schwane 
und wußte schon: er bat um eins^ 

das sie, verwirrt in ihrem Widerstand, 
nicht mehr verbergen konnte. Er kam nieder 
und halsend durch die inuner schwächre Hand 

ließ sich der Gott in die Geliebte los. ^ • 

Dann erst empfand er glücklich sein Gefieder 
und wurde wirklich Schwan in ihrem Schoß. 



DELPHINE 



Jene ^rklichen, die ihrem Gleichen 

überall zu wachsen und zu wohnen 
gaben, fühlten an verwandten Zeichen 
Gleiche in den aufgelüsten Reichen, 
die der Gott, mit triefenden Tritonen, 
Oberstrümt bisweilen Qberstcigt ; 
denn da hatte sich das Tier gezeigt: 
anders als die stumme, stumpfgemutc 
Zucht der Fische, Blut von ihrem Blute 
und von fern dem Menschlichen geneigt. 

Eine Schar kam, die sich überschlug, 
froh, als fühlte sie die Fluten glänzend: 
\^me. Zugetane, deren Zug 
wit mit Zuversicht die Fahrt bekränzend, 

leichtgebunden um den runden Bug 

wie um einer Vase Rumpf und Rundung, 

selig, sorglos, sicher vor Verwundung, 

aufgerichtet, hingerissen, rauschend 

und im Tauchen mit den Wellen tauschend 

die Trircmc heiter weitertrug. 

Und der Schiffer nahm den neugevährten 
Freund in seine einsame Geühr 

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und ersann für ihn, für den GcPahrtcn, 
dankbar eine Welt und hielt für wahr, 
daß er Töne liebte, Götter, Gärten 
und das tiefe, stille Stemenjahr. 



DI£ INSEL DER SIRENEN 



Wenn er denen, die ihm gastlich waren, 
spät, nach ihrem Tage noch, da sie 
fragten nach den Fahrten und Gefahren, 
still berichtete: er wußte nie, 

wie sie schrecken und mit welchem jähen 
^ort sie wenden, daß sie so wie er 

in dem blau gestillten Insclmecr 
die Vergoldung jener Inseln sähen, 

deren Anblick macht, daß die Gefahr 
umschlägt; denn nun ist sie nicht im Tosen 

und im Wüten, wo sie immer war. 
Lautlos kommt sie über die Matrosen, 

welche wissen, daß es dort auf jenen 

goldnen Inseln manchmal singt — , 
und sich blindlings in die Ruder lehnen, 
wie umringt 

von der Stille, die die ganze Weite 

in sich hat und an die Ohren weht, 

so als wäre ihre andre Seite 

der Gesang, dem keiner widersteht. 

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KLAGE UM ANTINOÜS 



Keiner begriff mir von euch den bithynbchen 

Knaben, 

(daß ihr den Strom anfaßtet und von ihm höbt...) 
Ich verwöhnte ihn zwar. Und dennoch: wirhaben 
ihn nur mit Schwere erfüllt und Hir immer getrübt. 

Wer vermag denn zu lieben? 'Wtt kann es) — 

Noch keiner. 
Und so hab ich unendliches \Ceh getan — . 
Nun ist er am Nil der stillenden Götter einer, 
und ich weifi kaum welcher und kann ihm nicht 

nahn. 

Und ihr warfet ihn noch, Wahnsinnige, bis in 

die Sterne^ 

damit ich euch rufe und dränge: meint ihr den? 

Was ist er nicht einfach ein Toter. Er wiirc es gerne. 
Und vielleicht wäre ihm nichts geschehn. 



DER TOD DER GELIEBTEN 



Er vufite nur vom Tod was alle wissen: 
daß er uns nimmt und in das Stumme stößt. 
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen, 
nein, leis aus seinen Augen ausgelöst 

hinüberglitt zu unbekannten Schatten, 
und als er flihlte, daß sie drQben nun 

wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten 
und ihre Weise wohlzutun : 

da wurden ihm die Toten so bekannt, 
als wMre er durch sie mit einem jeden 

ganz nah verwandt i er ließ die andern reden 

und glaubte nicht und nannte jenes Land 
das gutgelegene, das' immersüße — . 
Und tastete es ab Rir ihre Füße. 



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KLAGE UM JONATHAN 



Ach sind auch Könige nicht von Bestand 
und dürfen hingehn wie gemeine Dinge, 
obwohl ihr Druck wie der der Siegelringe 
sich widerbildet in das weiche Land. 

Wie aber konntest du, so angefangen 

mit deines Herzens Initial, 

aufhören plötzlich: Warme meiner Wangen. 

O daß dich einer noch einmal 

erzeugte, wenn sein Samen in ihm glänzt. 

Irgend ein Fremder sollte dich zerstören, 
und der dir innig war, ist nichts dabei 
und muß sich halten und die Botschaft hören 
wie wunde Tiere auf den Lagern röhren, 
möcht ich mich legen mit Geschrei: 

denn da und da, an meinen scheusten Orten, 
bist du mir ausgerissen wie das Haar, 
das in den Achselhöhlen wächst und dorten, 
wo ich ein Spiel fiir Frauen war, 

bevor du meine dort verfitzten Sinne 
aufsträhntest wie man einen Knaul entflicht; 
da sah ich auf und wurde deiner inne: — 
Jetzt aber gehst du mir aus dem Gesicht. 



TRÖSTUNG DES ELIA 

Er lutte das getan und dies, den Bund 
\ne jenen Altar wieder aufzubauen, 

zu dem sein weitgcschleudertes Vertrauen 
zurück als Feuer fiel von ferne, und 
hatte er dann nicht Hunderte zerhauen, . 
veil sie ihm stanken mit dem Baal im Mund, 

am Bache schlachtend bis ans Abendgrauen, 

das mit dem Regengrau sich grofS verband. 
Doch als ihn von der Königin der Bote 
nach solchem Werktag antrat und bedrohte, 

da lief er wie ein Irrer in das Land, 

solange bis er unterm Ginsterstrauche 
vie weggeworfen aufbrach in Geschrei, 

das in der WÖste brüllte: Gott, gebrauche 
mich länger nicht. Ich bin entzwei. 

Doch grade da kam ihn der Engel ätzen 
mit einer Speise, die er tief empfing, 
so daß er lange dann an "Weideplätzen 
imd Wassern immer zum Gebirge ging, 

zu dem der Herr um seinetwillen kam: 



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Im Sturme nicht und nicht im Sich-ZcrspaJt 
der ßrde, der entlang in schireren Falten 
ein leeres Feuer ging, fast wie aus Scham 
über des Ungeheuren ausgeruhtes 
Hinstürzen zu dem angekommncn Alten, 
der ihn im sanften Sausen seines Blutes 
erschreckt und zugedeckt vernahm. 



SAUL UNTER DEN PROPHETEN 



Meinst du denn» daß man sich sinken sieht ^ 
Nein, der König schien sich noch erhaben, 

da er seinen starken Harfenknaben 
töten wollte bis ins zehnte Glied. 

Erst da ihn der Geist auf solchen Wegen 
überfiel und auseinanderriß, 
sah er sich im Innern ohne Segen, 
und sein Bkit ging in der Finsternis 

abergläubig dem Gericht entgegen. 

^enn sein Mund jetzt troff und prophezeite 

war CS nur, damit der Flüchtling weit 
flüchten könne. So war dieses zweite 
Mai. Doch einst: er hatte prophezeit 

fast als Kind, als ob ihm jede Ader 
mündete in einen Mund aus Erz ; 
Alle schritten, doch er schritt gerader. 
Alle schrieen, doch ihm schrie das Herz. 

Und nun wv er nichts als dieser Haufen 
umgestfirzter '^Q^rden, Last auf Last ; 

und sein Mund war wie der Mund der Traufen, 
der die Güsse, die zusammenlaufen, 
fallen läßt, eh er sie £ißt. 



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SAMUELS ERSCHEINUNG VOR SAUL 



Da schrie die Frau zu £ndor auf : Ich sehe — 
Der König packte sie am Arme: Wen? 
Und da die Starrende beschrieb, noch ehe, 
da var ihm schon, er hätte selbst gesehn : 

Den, dessen Stimme ihn noch einmal traf: 
Was störst du mich? Ich habe Schlaf. 

Willst du, weil du- die Himmel Huchen 

und weil der Herr sich vor dir schloß und schwieg, 

in meinem Mund nach einem Siege suchen? 

Soll ich dir meine Zähne einzeln sagen? 

Ich habe nichts als sie . . . Es schwand. Da schrie 

das Weib, die Hände vors Gesicht geschlagen, 

als ob sie s sehen müßte: Unterlieg — 

Und er, der in der Zeit, die ihm gelang, 
das Volk wie ein Feldzeichen überragte, 
fiel hin, bevor er noch zu klagen wagte : 
so sicher war sein Untergang. 
Die aber, die ihn wider Willen schlug, 
hoffte, daß er sich faßte und vergäße; 
und als sie hörte, daß er nie mehr äße, 
ging sie hinaus und schlachtete und buk 



und brachte ihn dazu, dafi er nch setzte; 

er saß wie einer, der zu viel vergißt: 
alles was war, bis auf das Eine, Letzte. 
Dann aß er, vie ein Knecht zu Abend ißt. 



£IN PROPHET 



Ausgedehnt von riesigen Gesichten, 
hell vom Feuerschein aus dem Verlauf 
der Gerichte, die ihn nie vernichten, — 

sind die Augen, schauend unter dichten 
Brauen. Und in seinem Innern richten 
sich schon vieder Worte auf, 

nicht die seinen (denn vas wären seine 

und wie schonend waren sie vertan) 

andre, harte: Eisenstücke, Steine, 

die er schmelzen muß vio ein Vulkan, 

um sie in dem Ausbruch seines Mundes 

auszuwerfen, welcher flucht und flucht; 
während seine Stirne, vic des Hundes - 
Stime, das zu tragen sucht, 

was der Herr von seiner Stirne nimmt: 
Dieser, Dieser, den sie alle fänden, 
folgten sie den großen Zeigehänden, 
die Ihn weisen, wie Er ist: ergrimmt. 



JEREMIA 



Einmal war ich weich wie früher Weizen, 
doch, du Rasender, du hast vermocht, 
mir das hingehaltne Herz zu reizen, 
daß es jetzt wie eines Löven kocht. 

Welchen Mund hast du mir zugemutet, 
damals, da ich fast ein Knabe war: 
eine \^unde wurde er: nun blutet 

aus ihm Unglücksjahr um Unglücksjahr. 

Täglich tönte ich von neuen Nöten, 

die du. Unersättlicher, ersannst, 

und sie konnten mir den Mund nicht töten; 

sieh du zu, wie du ihn stillen kannst, 

wenn, die ^r zerstoßen und zerstören 

erst verloren sind und fcrnverlaufen 
und vergangen sind in der Gefahr: 
denn dann will ich in den Trümmerhaufen 
endlich meine Stimme Wiederhören, 
die von Anfang an ein Heulen war. 



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EINE SIBYLLE 



Einst, vor Zeiten, nannte man sie alt. 
Doch sie blieb und kam dieselbe Strafte 

tiiglich. Und man änderte die Maße, 
und man zählte sie vie einen Wald 

nach Jahrhunderten* Sie aber stand 
jeden Abend auf derselben Stelle, 

schwarz wie eine alte Zitadelle 
hoch und hohl und ausgebrannt^ 

von den Korten, die sich unbedacht 
wider ihren Willen in ihr mehrten, 
immerfort imischrieen und umflogen, 
während die schon wieder heimgekehrteii 
dunkel unter ihren Augenbogen 
safien, fertig fllr die Nacht. 



ABSALOMS ABFALL 



Sie hoben sie mit Geblitz: 

der Sturm aus den Humern schvelk« 

seideae, breitg«wellte 

Fahnen. Der herrlich ErheUt« 

nahm im hochofFenen Zelte, 
das jauchzendes Volk vimsteiite, 
zehn Frauen in Besitz» 

die (gewohnt an des alternden Ffirsten 
sparsame Nacht und Tat) 
unter seinem DQrsten 
wogten wie Sommersaat. 

Dann trat er heraus zum Rate, 
wie vermindert imi nichts, 
und jeder, der ihm nahte» 
erblindete seines Lichts. 

So zog er auch den Heeren 
voran wie ein Stern dem Jahr; 
Ober allen Speeren 
wehte sein warmes Haar, 

das der Helm nicht faßte 
und das er manchmal haßte. 



weil es schwerer war 

als seine reichsten Kleider. 

Der König hatte geboten, 
dafi man den Schönen schone. 

Doch man sah ihn ohne 

Helm an den bedrohten 

Orten die ärgsten Knoten 

zu roten StQcken von Toten 

auseinanderhaun. 

Dann wußte lange keiner 

von ihm, bis plötzlich einer 

schrie: £r hängt dort hinten 

an den Terebinthen 

mit hochgezogenen Braun. 

Das wzr genug des ^Q^ks. 

Joab, wie ein Jäger, 

erspähte das Htai — ; dn schräger 

gedrehter Ast: da hings. 
Er durchrannte den schlanken K^er, 
und seine ^^yPenträger 
durchbohrten ihn rtchts und links. 



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£STU£K 



Die Dienerinnen kämmten sieben Tage 
die Asche ihres Grams und ihrer Plage 
Neige und Niederschlag aus ihrem Haar, 
und trugen es und sonnten es im Freien 
und speisten es mit reinen Spezereien 
noch diesen Tag und den: dann aber var 

die Zeit gekommen, da sie ungeboten, 

zu keiner Frist, wie eine von den Toten 
den drohend offenen Palast betrat, 
um gleich, gelegt auf ihre Kammerfrauen, 
am Ende ihres \(%ges den zu schauen, 
an dem man stirbt, venn man ihm naht. 

Er glänzte so, daß sie die Kronrubine 
aufilammen fehlte, die sie an sich trug; 

sie füllte sich ganz rasch mit seiner Miene 
wie ein Gefäß und war schon voll genug 

und floß schon über von des Königs Macht, 
bevor sie noch den dritten Saal durchschritt, 
der sie mit seiner Wände Malachit 
grQn überlief. Sie hatte nicht gedacht, 

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so langen Gang zu tun mit allen Steinen» 

die schwerer wurden von des KOnigs Scheinen 

und kalt von ihrer Angst. Sie ging und ging. 

Und ak sie endlich fast von nahe ihn, 
auf ruhend auf dem Thron von Tuimalin, 

sich türmen sah, so wirklich wie ein Ding: 

en^ifing die rechte von den Dienerinnen 
die Schwindende und hielt sie m dem Sitze. 
Er rOhrte sie mit seines Zepters Spitze ; 
und sie begrilF es ohne Sinne, innen. 



DER AUSSÄTZIGE KÖNIG 



Da trat auf seiner Stirn der Aussatz aus 
und stand auf einmal unter seiner Krone, 
als wSt er König Uber allen Graus, 

der in die andern fulir, die fassungsuhne 

hinstarrten nach dem fiiiditbaren Vollziig 

an jenem» wdkber, schmal wie ein VerschnQrttr, 

erwartete, daß einer nach ihm schlug; 
doch noch war keiner Manns genug: 
als machte ihn nur immer unberührter 
die neue "WQrde, die sich übertrug. 



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LEGENDE VON DEN DREI LEBENDIGEN 
UND DEN DREI TOTEN 



Drei Herren hatten mit Falken gebeizt 
und freuten sich auf das Gelag. 
Da nahm sie der Greis in Beschlag 
und führte. Die Reiter hielten gespreizt 
vor dem dreifachen Sarkophag, 

der ihnen dreimal entgegenstank, 
in den Mund, in die Nase, ins Sehn; 
und sie wußten es gleich: da lagen lang 
drei Tote mitten im Untergang 
und ließen sich gräßlich gehn. 

Und sie hatten nur noch ihr Jagergehör 
reinlich hinter dem Sturmbandlör; 
doch da zischte der Alte sein: 
— Sie gingen nicht durch das Nadelöhr 
und gehen niemals — hinein. 

Nun blieb ihnen noch ihr klares Getast, 
das stark war vom Jagen und heiß; 
doch das hatte ein Frost von hinten gefaßt 
und trieb ihm Eis in den Schweiß. 



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DEH KÖNIG VON MÜNSTER 



Der König war geschoren; 
nun ging ihm die Krone zu weit 
und bog ein wenig die Ohren» 

in die von Zeit zu Zeit 

gehässiges Gelärme 

aus Hungermäulern fand. 

Er saß, von wegen der Wärme, 

auf seiner rechten Hand, 

mürrisch und schweigesäßig. 
Er fehlte sich nicht mehr echt: 

der Herr in ihm war mäßig, 
und der Beischlaf war schlecht* 



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TOTENTANZ 



Sie brauchen kein Tant-Orchester; 
sie h6ren in sich ein Geheule 

als waren sie Eulennestcr. 
Ihr Ängsten näßt wie eine Beule, 
und der Vorgeruch ihrer Fäule 
ist noch ihr bester Geruch. 

Sie fassen den Tänzer fester» 
den rippenbetreßten Tänzer, 
den Galan, den echten Ergänzer 

zu einem ganzen Paar. 

Und er lockert der Ordensschwester 

Aber dem Haar das Tuch ; 

sie tanzen ja unter Gleichen. 

Und er zieht der wachbiichtblcichcn 

leise die Lesezeichen 

aus ihrem Stunden-Buch. 

Bald wird ihnen allen zu heiß, 

sie sind zu reich gekleidet; 

beißender Schweiß verleidet 

ihnen Stime und Steiß 

imd Schauben und Hauben und Steine; 

sie wünschen, sie wären nackt 

wie ein Kind» ein Verrückter und Eine : 

die tanzen noch immer im Takt. 



DAS JÜNGST£ GERICHT 



So erschrocken, vie ac nie efsckraken 
oline Ordnung, oft durchiochc und locker, 

hocken sie in dem geborstnen Ocker 
ihres Ackers, nicht von ihren Laken 

abzubringen, die sie Uebgeirannen. 
Aber Engel kommto an, um Öle 

einzuträufeln in die trocknen Pfannen 
und um jedem in die Achselhöhle 

das zu l^en, vas er in dem LSrme 
damals seines Lebens nicht entweihte; 

denn dort hat es noch ein wenig Wärme, 

daß es nicht des Herren Hand erkälte 
oben, trenn er es aus jeder Seite 
leise greift, zu Rihlen, ob es gälte» 



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DIE VERSUCHUNG 



Nein, es half nicht, daß er sich die scharfen 
Stacheln cinhieb in das geile Fleisch; 
alle seine trächtigen Sinne warfen 
unter kreißendem Gekreisch 

Frühgeburten: schiefe, hingeschielte 
kriechende und fliegende Gesichte, 
Nichte, deren nur auf ihn erpichte 
Bosheit sich verband und mit ihm spielte. 

Und schon hatten seine Sinne Enkel; 

denn das Pack war fruchtbar in der Nacht 

und in immer bunterem Gesprcnkel 

hingehudelt und verhundertfacht. 

Aus dem Ganzen ward ein Trank gemacht: 

seine Hände griffen lauter Henkel, 

und der Schatten schob sich auf wie Schenkel 

warm und zu Umarmungen ervvracht — . 

Und da schrie er nach dem Engel, schrie: 
Und der Engel kam in seinem Schein 
und war da: und jagte sie 
wieder in den Heiligen hinein, 



J 



dafi er mit Geteiifel und Getier 

in sich weiterringe wie seit Jahren 

und sich Gott; den lang^ noch nicht kkren, 

innen aus dem Jäsen destillier. 



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DER ALCHIMIST 



Seltsam verlächelnd schob der Laborant 
den Kolben fort, der lialbbemhigt rauchte. 
Er wufite jetzt, vas er noch brauchte, 

damit der sehr erlauchte Gegenstand 

da drin entstände. Zeiten brauchte er. . 
Jahrtausende ftlr sich und diese Birne, 

in der es brodelte; im Hirn Gestirne 
und im Bevnißtsein mindestens das Meer. 

Das Ungeheuere» das er gesollt, 

er ließ es los in dieser Nacht. Es kehrte 

zurück zu Gott und in sein altes Maß^ 

er aber, lallend wie ein Trunkenbold, 
lag Uber dem Geheimfach und begehrte 

den Brocken Gold, den er besaß. 



DER RELIQUIENSCHREIN 



Draußen wartete auf alle Ringe 

und auf jedes Kettenglied 

Schicksal, das nicht ohne sie gesch]«hit« 

Drinnen varen sie nur Dinge, Dinge 

die er schmiedete; denn vor dem Schmied 

war sogar die Krone, die er bog^ 

nur ein Ding, ein zitterndes und eines, 

das er finster wie im Zorn enog 

zu dem Tragen eines r^nen Steines. 

Seine Augen wurden immer kälter 
von dem kalten tiiglichen Getränk; 

aber als der herrliche Behälter 
(goldgetrieben, küstlich, vielkarUtig) 
fertig vor ihm stand, das Weihgeschenk, 
daß darin ein kleines Handgelenk 
fiirder wohne, weiß und wundertätig: 

blieb er ohne Ende auf den Knien, 

hingeworfen, weinend, nicht mehr wagend, 
seine Seele niederschlagend 
vor dem ruhigen Rubin, 
der ihn zu gewahren schien 

und ihn, plötzlich um sein Dasein fi'agend, 
ansah wie aus Dynastien. 

SO 



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DAS GOLD 



Denk es wMt mcht: es liStte müssen 
endlich in den Beigen atdi gebSfren 
und sich niederschlagen in den Flüssen 
aus dem Wollen, aus dem Gären 

ihres aus der Zwan^dee, 

dafi ein Erz ist über allen Erzen. 

Weithin warfen sie aus ihren Herzen 
immer wieder Meroe 

an den Rand der Lande, in den Äther, 

über das Erfahrene hinaus; 

lind die Sühne brachten manchmal später 

das Verheißene der Väler, 

abgehärtet und verhehrt, nach Haus; 

wo es anwuchs eine Zeit, um dann 
fortzugehn von den an ihm Geschwächten, 
die es niemals liebgevann. 
Nur (so sagt man) in den letzten Nächten 
steht es auf und sieht sie an. 



DER STYLIT 



Völker schlugen fiber ihm zusammen, 
die er küren durfte und verdammen ; 
und erratend, da6 er sich verlor, 

klomm er aus dem Volksgeruch mit klammen 
Händen einen Säulenschaft empor, 

der noch immer stieg und nichts mehr hob, 
und begann, allein auf seiner Fläche, 
ganz von vorne seine eigne Schi^äche 
zu vergleichen mit des Herren Lob; 

und da war kein Ende: er verglich; 

und der andre wurde immer grüßer. 
Und die Hirten, Ackerbauer, FiüJier 
sahn ihn klein und außer sich 

immer mit dem ganzen Himmel reden, 
eingeregnet manchmal, manchmal licht; 
und sein Heulen sttirzte sich auf jeden, 

so als heulte er ihm ins Gesicht. 
Doch er sah seit Jahren nicht, 

wie der Menge Drängen und Verlauf 
unten unaufhörlich sich ergänzte, 
und das Blanke an den Fürsten glänzte 
lange nicht so hoch hinauf. 

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Aber wenn er oben, fast verdammt 
und von ihrem Widerstand zerschunden, 
einsam mit Yerrreifeltem Geschreie 
schflttelte die täglichen Dämonen: 
fielen langsam auf die erste Reihe 
schvc^er und ungeschickt aus seinen Wunden 
große Würmer in die oiFhen Kronen 
und vermdirten sich im Samt. 



DI£ ÄGYPTISCHE MARIA 



Seit sie damals, bettheiß, als die Hure 
flbern Jordan floh und, wit ein Grab 

gebend, stark und unvermischt das pure 
Herz der Ewigkeit zu trinken gab^ 

wuchs ihr frOhes Hingegebensein 
unaufhaltsam an zu solcher Gröfie, 

daß sie endlich, wie die ewige Blüße 
Alier, aus vergilbtem Elfenbein 

dalag in der dürren Haare Schelfe. 

Und ein Löwe kreiste; und ein Alter 
rief ihn winkend an, daß er ihm helfe : 

(und so gruben sie zu zvein.) 

Und der Alte neigte sie hinein. 

Und der Lüwe, wie ein Wappenhalter, 

saß dabei und hielt den Stein. 



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KREUZIGUNG 



Längst geübt, zum kahlen Galgenplatzc 
irgend ein Gesindel hinzudrängen, 
ließen sich die schweren Knechte hängen, 
dann und wann nur eine große Fratze 

kehrend nach den abgetanen Drein. 
Aber oben war das schlechte Henkern 
rasch getan; und nach dem Fertigsein 
ließen sich die freien Männer schlenkern. 

Bis der eine (fleckig wie ein Selchcr) 

sagte: Hauptmann, dieser hat geschrien. 

Und der Hauptmann sah vom Pferde: Welcher? 

und es war ihm selbst, er hätte ihn 

den Elia rufen hören. Alle 
waren zuzuschauen voller Lust 
und sie hielten, daß er nicht verfalle, 
gierig ihm die ganze Essiggalle 
an sein schwindendes Gehust. 

Denn sie hofften noch ein ganzes Spiel 
und vielleicht den kommenden Elia. 
Aber hinten ferne schrie Maria, 
und er selber brüllte und verfiel. 



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DER AUF£RSTANO£N£ 



£r vermochte niemals bis zuletzt 
ihr zu veigern oder abzuncinen, 
daß sie ihrer Liebe sich berühme; 
und sie sank ans Kreuz in dem Kostüme 

eines Schmerzes, welches ganz besetzt 
war mit ihrer Liebe größten Steinen« 

Aber da sie dann, um ihn zu salben, 

an das Grab kam, Tränen im Gesicht, 
war er auferstanden ihrethalben, 
daß er seliger ihr sage: Nicht — 

Sie begriff es erst in ihrer Höhle, 

wie er ihr, gestärkt durch seinen Tod, 
endlich das Erleichternde der Öle 
und des Rüiurens Vorgefüiii verbot, 

um aus ihr die Liebende zu formen, 
die sich nicht mehr zum Geliebten neigt, 
weil de, hingerissen von enormen 
Stürmen, seine Stinune übersteigt. 



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KCAGNmCAT 



Sie kam den Hang herauf, schon schwer, fast ohne 
an Trost zu glauben, Hotfnung oder Rat; 
doch da die hohe tragende Matrone 
ihr ernst und stolz entgegentrat 

und alles wußte ohne ihr Vertrauen, 
da war sie plötzlich an ihr ausgeruht; 

vorsichtig hielten sich die vollen Frauen, 
bis daß die junge sprach: Mir ist zumut, 

als wär ich, Liebe, von nun an für immer. 
Gott schüttet in der Reichen Eitelkeit 

fast ohne hinzusehen ihren Schimmer; 

doch sorgsam sucht er sich ein Frauenzimmer 

und füllt sie an mit seiner fernsten Zeit 

Daß er mich fand. Bedenk nur; und Befehle 
um meinetwillen gab von Stern zu Stern — . 
Verherrliche und hebe, meine Seele, 
so hoch du kannst: den Herrn. 



ADAM 

Staunend steht er an der Kathedrale 
steilem Aufstieg, nah der Fensterrose, 
wie erschreckt von der Apotheose, 

welche wuchs und ihn mit einem Male 

niedersteJlte über die und die. 

Und er ragt und freut ^ch seiner Dauer 

schlicht entschlossen; als der Ackerbauer, 
der begann und der nicht wußte, wie 

aus dem fertig-vollen Garten Eden 
einen Ausweg in die neue Erde 
finden. Gute war schwer zu überreden; 

und er drohte ihm, statt zu gewähren, 

immer wieder, daß er sterben werde. 

Doch der Mensch bestand: sie wird gebären. 



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EVA 



Einfach steht sie an der Kathedrale 
großem Aufstieg, nah der Fensterrose, 
mit dem Apfel in der Apfelpose, 
schuldlos-schuldig ein für alle Male 

an dem Wachsenden, das sie gebar, 
seit sie aus dem Kreis der Ewigkeiten 
liebend fortging, um sich durchzustreiten 
durch die Erde, wie ein junges Jahr. 

Ach, sie hätte gern in jenem Land 
noch ein wenig weilen mögen, achtend 
auf der Tiere Eintracht und Verstand. 

Doch da sie den Mann entschlossen fand, 
ging sie mit ihm, nach dem Tode trachtend, 
und sie hatte Gott noch kaum gekannt. 



^9 



IRRE IM GARTEN 



DIJON 

Noch schließt die auigegebcne Karthaase 
ach um den Ho^ als vfiide etwas hciL 

Auch die sie jetzt bewohnen, haben Pause 
und nehmen nicht am Leben draußen teil. 

"^as irgend koaunen konnte, das verlief. 
Nun gehn sie gerne mit bekannten Wegen 
und trennen sich und kommen sich entgegen, 
als ob de kreisten, willig, primitiv. 

Zwar manche pflegen dort die Frühlingsbeete, 

demütig, dürftig, hingekniet; 

aber sie liaben, wenn es keiner neht, 

dne verheimlichte, verdrehte 

Gebärde ßir das zarte frühe Gras, 
ein prüfendes, verschüchtertes Liebkosen: 
denn das ist freundlich, und das Rot der Rosen 
wird vielleicht drohend sein und Übermaß 

und wird vielleicht schon wieder übersteigen, 

was ihre Seele vc iederkennt und w eilS. 
Dies aber läßt sich noch verschweigen : 
wie gut das Gras ist und wie ieis. 

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DI£ IRREN 



Und sie schweigen» weil die Scheidewände 
weggenommen sind aus ihrem Sinn, 
und die Stunden, da man sie verstände, 
heben an und gehen hin. 

Nächtens oft, wenn ne ans Fenster treten : 
plötzlich ist es alles gut. 

Ihre Hände liegen im Konkreten, 

und das Herz ist hoch und ii^ünnte beten, 

und die Augen schauen ausgeruht 

auf den unverhofften, oftentstellten 

Garten im beruhigten Geviert, 

der im Widerschein der fremden Weiten 

weiterwächst und niemals sich verliert. 



AUS DEM L£B£N £1N£S HEILIGEN 



Er kannte Ängste, deren Eingang schon 
vie Sterben war und nicht zu überstehen. 
Sein Herz erlernte, kngsam durchzugehen; 
er zog es grofi wit einen Sohn« 

Und namenlose Nütc kannte er, 

finster und ohne Motten wit Verschläge; 

und seine Seele gab er folgsam her, 

da sie erwachsen war, auf daß sie läge 

bei ihrem Bräutigam und Herrn; und blieb 
allein zurück an einem solchen Orte, 
wo das Alleinsein alles übertrieb, 

und wohnte weit und wollte niemals Worte. 

Aber dafllr, nach Zeit und Zeit, erfuhr 

er auch das Glück, sich in die eignen Hände, 

damit er eine Zärtlichkeit empfände, 
zu legen wie die ganze Kreatur. 



4* 



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DIE BETTLER 



Du mußtest nicht, was den Haufen 
ausmadiL Ein Fremder fand 
Bettler darin. Sie verkaufen 

das Hohle aus ihrer Hand. 

Sie zeigen dem Heimreisten 
ihren Mund voll Mis^ 
und er darf (er kann es sich leisten) 
sehn, wie ihr Aussatz frißt. 

Es zergeht in ihren zerrfihrten 
Augen sein fremdes Gesicht; 

und sie freuen sich des Verführten 
und speien, wenn er spricht. 



FREMDE FAMILIE 



So wie der Staub, der irgendwie beginnt . 
und nirgends ist, zu unerklärtem Zwecke 
an einem leeren Morgen in der Ecke, 
in die man sielit, ganz rasch zu Grau gerinnt, 

50 bildeten sie sich, wer weiß aus was, 
im letzten Augenblick vor deinen Schritten 
und varen etwas Ungewisses mitten 
im nassen Niederschlag der Gasse, das 

nach dir verlangte. Oder nichr nach dir. 
Denn eine Stimme, wie yom vorigen Jahr, 
sang dich zwar an und blieb doch ein Geweine; 

und eine Hand, die wie geliehen war, 

kam zwar hervor und nahm doch nicht die deine. 

Wer kommt denn noch^ Wen meinen diese vier? 



44 



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L£ICH£NWASCH£ 



Sie hatten sich an ihn gewöhnt. Doch als 
die Küchenlampe kam xuid unruhig brannte 
im dunkein Luftzug, war der Unbekannte 
ganz unbekannt. Sie wuschen seinen Hals, 

und da sie nichts von seihem Schicksal wußten, 
so logen sie ein anderes zusamm, 

fortwährend waschend. Eine mußte husten 
und ließ solang den schweren Essigschwamm 

auf dem Gesicht. Da gab es eine Pause 
auch für die zweite. Aus der harten Bürste 
klopften die Tropfen; während seine grause 
gekrampfte Hand dem ganzen Hause 

beweisen wollte, daß ihn nicht mehr dürste. 

« 

Und er bewies. Sie nahmen wie betreten 

eiliger jetzt mit einem kurzen Huster 

die Arbeit auf, so daß an den Tapeten 

ihr krummer Schatten in dem stummen Muster 

sich wand und wälzte wie m einem Netze, 
bis daß die haschenden zu Ende kamen. 
Die Nacht im vorhanglosen Fensterrahmen 

war rücksichtslos. Und einer ohne Namen 
lag bar und reinlich da und gab Gesetze. 



EINE VON DEN ALTEN 

PARIS 



Abends manchmal (weißt dit^ wie das tut?) 
wenn sie plötzlich stehn und rückwärts nicken 

und ein Lächeln, wie aus lauter Flicken, 
zeigen unter ihrem halben Hut, 

Neben ihnen ist dann ein Gebäude, 
endlos, und sie locken dich entlang 

mit dem Rätsel ihrer Räude, 

mit dem Hut, dem Umhang und dem Gang. 

Mit der Hand, die hinten unterm Kragen 

heimlich wartet und verlangt nach dir: 
wie um deine Hände einzuschlagen 
in ein aufgehobenes Papier* 



4< 




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DER BLINDE 



PARIS 

Sieh, er geht und unterbricht die Stadt, 

die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle, 
wie ein dunkler Sprung durch eine helle 
Tasse geht. Und wie auf einem Blatt 

ist auf ihm der "Widerschein der Dinge 

aufgemalt; er nimmt ihn nicht hinein. 
Nur sein Fühlen rührt sich, so als hnge 
es die Weit in kleinen Wellen ein: 

eine Stille, einen Widerstand — , 

und dann scheint er wartend wen zu wählen: 
hingegeben hebt er seine Hand, 
festlich £ut, wie um sich zu vermählen. 



Leicht, wie nach ihrem Tode 
trägt ne die Handschuh, das Tuch* 
Ein Duft aus ihrer Konunode 

verdrängte den lieben Geruch, 

an dem sie sich irOher erkannte. 
Jetzt firagte sie lange nicht, wer 

sie sei (: eine ferne Verwandte) 
und geht in Gedanken umher 

und sorgt fllr ein ängstliches Zimmer, 
das sie ordnet und schont, 
weil CS vielleicht noch immer 
dasselbe Mädchen bewohnt. 



ABENDMAHL 



Ewiges will zu uns. '^er hat die WM 

und trennt die großen und geringen Kräfte? 
Erkennst du durch das Dämmern der Geschäfte 
im klaren Hinterraum das Abendmahl: 

wie sie sich's halten und wie sie sich's reichen 

und in der Handlung schlicht und schwer beruhn. 
Aus ihren Händen heben sich die Zeichen; 
sie wissen nicht, daß sie sie tun 

und immer neu mit irgendwelchen Worten 
einsetzen, was man trinkt und was man teilt. 
Denn da ist keiner, der nicht allerorten 
heimlich von hinnen geht, indem er weilt 

Und sitzt nicht immer einer unter ihnen, 
der seine Eltern, die ihm ängstlich dienen, 
wegschenkt an ihre abgetane Zeit; 
(Sie zu verkaufen, ist ihm schon zu weit.) 



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DIE BRANDSTÄTTE 



Gemieden von dem Frükherbstmorgen, der 
nußtrauisch v^ar, lag hinter den versengten 
Hauslinden, die das Heidehaus beengten, 
dn Neues, Leeres. Eine Stelle mehr, 

auf veldier Kinder, von Gott weiß woher, 
einander zuschrien und nach Fetzen haschten. 
Doch alle wurden sdlle, so oft er, 

der Sohn von hier, aus heißen, halbveraschten 

Gebälken Kessel und verbogne Trüge 
mit dbem langen Gabelaste zog, — 
um dann nut einem Bück ab ob er löge 
die andern anzusehn, die er bewog 

zu glauben, was an dieser Stelle stand. 

Denn seit es nicht omIu* war, schien es ihm so 

seltsam: phantastischer als Pharao. 

Und er war anders, wie aus fernem Land. 



5« 



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DIE GRUPPE 
PARIS 

Als pflückte einer rasch zn einem Straufi: 
ordnet der Zufall hastig die Gesichter, 

lockert sie auf und drückt sie wieder dichter, 
ergreift zwei ferne, läßt ein nahes aus, 

tauscht das mit dem, bläst irgendeines frisch, 

wirft einen Hund, wie Kraut, aus dem Gemisch 
und zieht, was niedrig schaut, wie durch verworrne 
Stiele und Blätter, an dem Kopf nach vorne 

und bindet es ganz klein am Rande ein; 

und streckt sich wieder, ändert und verstellt 
und iiat nur eben Zeit, zum Augenschein 

zurOckzuspringen mitten auf die Matte, 

auf der im nächsten Augenblick der glatte 
Gevrichteschwinger seine Schwere sciiwcüt. 



5» 



SCHLANGENBESOrX^RUNG 



Wenn auf dem Markt, sich wiegend, der Beschwürer 
die Kürbisflüte pfeife, die rdzt und lullt, 
so kann es sdn, daft er sich einen Hörer 
herüberlockt, der ganz aus dem Tumult 

der Buden eintritt in den Kreis der Pfeife, 
die will und will und will und die erreicht» 
daß das Reptil in seinem Korb sich steife 
und die das steife schmeichlerisch erwckht^ 

abwechselnd immer schwindelnder und blinder 
mit dem, was schreckt und streckt, und dem, was 

löst — ; 

und dann genügt ein Blick: so hat der Inder 
dir eine Fremde eingeflößt, 

in der du stirbst. Es ist als überstürze 
glühender Himmel dich. Es geht ein Sprung 
durch dein Gesicht. Es legen sich Gewürze 
auf deine nordische Erinnerung, 

die dir nichts hilft. Dich feien keine Kräfte, 

die Soiuic gart, das Fieber fallt und trifft; 
von böser Freude steilen sich die Schafte, 
und in den Schlangen glänzt das Gift. 

5» 



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SCHmRZE KATZE 



Ein Gespenst bt noch wie eine Stelle, 

dran dein Blick mit einem Klange sCüßt; 
aber da an diesem schwarzen Felle 
wird dein stärkstes Schauen aufgelöst: 

wie ein Tobender, wenn er in vollster 

Raserei ins Schwarze stampft, 
jählings am benehmenden Gepolster 
einer Zelle aufhört und verdampft' 

Alle Blicke, die sie jemals trafen, 
scheint sie also an sich 7,11 verhehlen, 
um darüber drohend und verdrossen 
zuzuschauem und damit zu schlafen. 
Doch auf einmal kehrt ne, nie geweckt, 
ihr Gesicht und mitten in das deine: 
und da triffst du deinen Blick im geelen 
Amber ihrer runden Augensteine 
imerwartet wieder: eingeschlossen 
wie dn ausgestorbenes Insekt. 



VOR-OSTERN 
NEAPEL 

Morgen wird in diesen tiefgekerbten 
Gassen, die nch durch getQrmtes "^hnen 

unten dunkel nach dem Hafen drängen, 
hell das Gold der Prozessionen rollen; 
statt der Fetzen werden die ererbten 
BettbezOge, welche wehen wollen, 
▼on den immer höheren Baikonen 
(wie in Fließendem gespiegelt) hängen. 

Aber heute hämmert an den Klopfern 
jeden Augenblick ein voll Bepackter, 

und sie schleppen immer neue Käufe; 
dennoch stehen strotzend noch die Stände. 
An der Ecke leigt ein aufgehackter 
Ochse sdne frischen Innenwände, 

und in Fähnchen enden alle Laufe. 
Und ein Vorrat wie von tausend Opfern 

drängt auf Bänken, hängt ach rings um Pflöcke, 
zwängt sich, wölbt »ch, wälzt sich ausdemIMfanmer 
aller Türen, und vor dem Geg'ahne 
der Melonen strecken sich die Brote. 
Voller Gier und Handlung ist das Tote; 



54 



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I 



doch viel stiller sind die jungen Hähne 
und die abgehängten Ziegenbocke 
und am allerleisesten die Lämmer, 



die die Knaben um die Schultern nehmen 
und die willig von den Schritten nicken; 
während in der Mauer der veiglasten 
spanischen Madonna die Agraffe 
und das Silber in den Diademen 
von dem Lichter-Vorgefühl beglänzter 
schimmert« Aber drüber in dem Fenster 
zeigt sich blickverschwenderisch dn Afic, 
und fuhrt rasch in einer angemaßten 
Haltung Gesten aus, die sich nicht schicken. 




f 



DER BALKON 

NEAPüL 



Von der Hnge, oben, des Balkoncs 
angeordnet wie von einem Maler 
und gebunden wie zu einem Strauß . 
alternder Geächter und ovaler, 

klar im Abend, sehn sie idealer, 
rührender und wie für immer aus. 

Diese aneinander angelehnten 
Schwestern, <Üe, als ob sie sich von weit 
ohne Aussicht nacheinander sehnten, 

lehnen, Einsamkcic an iiinsamkeit; 

und der Bruder mit dem feierlichen 
Schweigen, zugeschlossen, voll Geschick, 
doch von einem sanften Augenblick 
mit der Mutter unbemerkt verglichen; 

und darg^ischen, abgelebt und länglich, 
längst mit keinem mehr verwandt, 

einer Greisin Maske, unzugänglich, 
wie im l<allen von der einen Hand 

aufgehalten, während eine zweite 
welkere, als ob sie weitergleite, 
unten vor den Kindern hängt zur Seite 

56 



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von dem Kindcr-Angcsicht, 
das das Letzte ist, versucht, verblichen, 
von den Stäben wieder durchgestrichen 
wie noch unbestimmbar, wie noch nicht. 



A US WAN DhR£R-SCHlFF 

NEAPEL 

Denk> daß einer heifi und glühend flOchte, 

und die Sieger w'iren hinterher, 
und auf einmal machte der 
Flüchtende kurz, unerwartet. Kehr 
gegen Hunderte — : so sehr 
^rf sich das Erglühende der Früchte 
immer wieder an das blaue Meer, 

als das langsame Orangenboot 
sie vorübertrug bis an das große 

graue Schiff, zu dem, von Stoß zu Stoße, 
andre Boote Fische hoben, Brot, — 
während es voll Hohn in seinem Schöße 
Kohlen aufnahm, offen wie der Tod. 



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LANDSCHAFT 



Wie zuletzt, in einem Augenblick 
aufgehäuft aus Hängen, Häusern, Stücken 
alter Himmel und zerbrochnen Brücken, 
und von drüben her, wie vom Geschick, 
von dem Sonnenuntergang getroffen, 
angeschuldigt, aufgerissen, offen — 
ginge dort die Ortschaft tragisch aus; 

fiele nicht auf einmal in das Wunde, 
drin zerfließend, aus der nächsten Stunde 
jener Tropfen kühlen Blaus, 
der die Nacht schon in den Abend mischt, 
so daß das von ferne Angefachte 
sachte, wie erlöst, erlischt. 

Ruhig sind die Tore und die Bogen, 

durchsichtige Wolken wogen 

über blassen Häuserreihn 

die schon Dunkel in sich eingesogen; 

aber plötzlich ist vom Mond ein Schein 

durchgeglitten, licht, als hätte ein 

Erzengel irgendwo sein Schwert gezogen. 



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RÖMISCHE CAMPAGNA 



Aus der vollgestellteti Stadt, die Jieber 
schliefe, träumend von den hohen Thermen, 

geht der grade Grabervc eg ins Fieber; 
und die Fenster in den letzten Fermen 

sehn ihm nach mit einem bösen Blick. 

Und er hat sie immer im Genick, 

wenn er hingeht, rechts und links zerstörend, 

bis er drauften atemlos beschwörend 

seine Leere zu den Himmeln hebt, 
hastig um sich schauend, ob ihn keine 
Fenster treffen. Wahrend er den weiten 

Aquädukten zuwinkt herzuschreiten, 

geben ihm die Hinuuel fiir die seine 

* 

ihre Leere, die ihn überlebt. 




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LIED VOM MEER 

CAFRI. nOOOLA MARINA 

Uraltes ^ehn vom Meer, 

Meerwind bei Nacht: 

du kommst zu keinem her 

wenn einer wacht» 

so muß er sehn, wie er 

dich tibersteht: 

uraltes Wehn vom Meer, 

welches weht 

nur wie ftlr Urgestein, 

lauter Raum 

reißend von weit herein. 

O wie flihlt dich ein 
treibender Feigenbaum 

oben im Mondschein. 



NÄCHTLICHE FAHRT 

SANKT PETüRSBURG 

Damals als wir mit den glatten Trabern 
(schwarzen, aus dem OrlofF'schen Gestüt) 
während hinter hohen Kandelabern 
Stadtnachtfi^nten lagen, angefrOht 
stumm und keiner Stunde mehr gemäß — 
fuhren, nein: vergingen oder Hogen 
und um lastende Pa^te bogen 
in das Wehn der Newa-Quais, 

hingerissen durch das wache Nachten, 

das nicht: liimmel und nicht liidc hat, — 
als das Drängende von unbewachten 
Gärten gärend aus dem Ljetnij-Ssad 
außtieg, während seine Steinfigaren 
schwindend mit ohnmächtigen Konturen 
hinter uns vergingen, wie wir fuhren — : 

damals horte diese Stadt 
auf zu sein. Auf einmal gab sie zu, 
daß sie niemals war, um nichts ak Ruh 
flehend; wie ein Irrer, dem das Wirm 
plötzlich sich entwirrt, das ihn verriet, 

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und der einen jahrelangen kranken 
gar nicht za Terrandeinden Gedanken, 
den er nie mehr denken ma&: Granit — 
ans dem leeren schwankenden Gehtm 

fallen fühlt, bis man ihn nicht mehr sieht. 



PAPAGEIENPARK 

PARIS 



Unter tfirkischen Linden, die blOhen, an Rasen- 

rändern, 

in leise von ihrem Heimweh geschaukelten Ständern 
atmen die Ära und wissen von ihren Ländern, 
die sidi, auch venn sie nicht hinsehn, nicht ver- 
ändern. 



Fremd im beschäftigten Grünen wie eine Parade, 
neren sie sich und flihlen sich selber zu schade • 
und mit den kostbaren Schnäbehi aus Jaspb und 

Jade 

kauen sie Graues, verschleudern es, finden es faderi^'^j^ 

Unten klauben die duffen Tauben, vas sie nicht 

mögen, 

während sich oben die hühnischen Vögel verbeugen 
zwischen den beiden ßist leeren vergeudeten Trögcn,'^'^^*^ ^ 

Aber dann wiegen sie wieder und schläfern und 

augcn, 

spielen mit dunkelen Zungen, die gerne lögen 
zerstreut an den Fußfesselringen« ^rten auf 

Zeugen. 



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DIE PARKE 

I 



Unaufhaltsam heben sich die Parke 
aus dem sanft zerfallenden Vergehn; 
Uberhäuft mit Himmeln» übecstarke 
UberUeferte, die Ubeistehn, 

um sich auf den klaren Rasenplänen 
auszubreiten und zurOckzuziehn» 
immer mit demselben souveiSnen 
AufVand, ^e beschützt durch ihn, 

und den unerschöpflichen Erlüs 
königlicher Größe noch vermehrend, 
aus sich steigend, in sich viederkehrend : 

huldvoll, prunkend, purpurn und pompös. 



Ldse von den Alleen 
ergriffen, rechts imd links, 
folgend dem Weitergehen 
irgend eines Winks, 

trittst du mit einem Male 

in das Beisammensein 

einer schattigen Wassersdiale 

mit vier Bänken ans Stein; 

in eine abgetrennte 
Zeit, die allein vergeht. 
Auf feuchte Postamente, 
auf denen nichts mehr steht, 

hebst du einen tiefen 
erwartenden Atemzug; 
während das silberne Triefen 
von dem dunkeln Bug 

dich schon zu den Seinen 
zählt und veiterspricht. 
Und du fbhlst dich unter Steinen, 
die hören, und rOhrst dich nicht. 

66 



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m 



Den Teichen und den eingerahmten "Weihern 
verheimlicht man noch immer das Verhör 
der Könige. Sie warten unter Schleiern, 
und jeden Augenblick kann Monseigneur 

vorüberkonunen; und dann wollen sie 
des Königs Laune oder Trauer mildern 
imd von den Marmorrändern wieder die 
Teppiche mit alten Spiegelbildern 

hinunterhUngen, wie um einen Platz: 
auf grünem Grund, mit Silber, Rosa, Grau, 
gewährtem Weiß und leicht gerührtem Blau 
und einem Könige und einer Frau 
und Blumen in dem wellenden Besatz. 



IV 



Und Natur, erlaucht und als verletze 
ne nur unentschlofines Ungeföhr, 

nahm von diesen Königen Gesetze, 
selber selig, um den Tapis-vert 

ihrer Bäume Traum und Übertreibung 

aiifzutOrmcn aus gebauschtem Grün 
und die Abende nach der Beschreibung 
von Verliebten in die Avenfln 

elnzumalen mit dem weichen Pinsel, 
der ein firnißklares aufgelöstes 
Lächeln glänzend zu enthalten schien: 

der Natur ein liebes, nicht ihr größtes, 
aber eines, das sie selbst verliehn, 
um auf rosenvoller Liebes-Insel 
es zu einem größem aufzuziehn. 



6% 



Götter von Alken und Altanen, 

niemals ganzgeglaubte Götter, die 
altern in den gradbeschnittnen ßahnen, 
höchstens angelächelte Dianen, 
Venn die königliche Venerie 

wie ein "Wind die hohen Morgen teilend 
aufbrach, übereilt und übereilend — ; 
höchstens angelächelte doch nie 

angeflehte Götter. Elegante 
Pseudonyme, unter denen man 
sich verbarg und blühte oder brannte, — 
leichtgeneigte, lächelnd angewandte 

Götter, die noch manchmal dann und wann 

das gewähren, was ae einst gewährten, 
wenn das Blühen der entzückten Gärten 

ihnen ihre kalte Haltung nimmt; 
wenn sie ganz von ersten Schatten beben 
und Versprechen um Versprechen geben, 
alle unbegrenzt und unbestimmt. 



VI 



Fühlst du, wie keiner von allen 
'^QPbgen steht und stockt; 

von gelassenen Treppen fallen, 
durch ein Nichts von Neigung 
leise veitergelockt. 
Aber alle Terrassen 
die Wege, zwischen den Massen 
verlangsamt und gelenkt, 
bis zu den weiten Teichen, 
wo sie (wie einem Gleichen) 
der reiche Park verschenkt 

an den reichen Raum: den Einen 
der mit Scheinen und ^derscheinen 
seinen Besitz durchdringt, 

aus dem er von allen Seiten 
Weiten mit sich bringt, 
wenn er aus schUeßendeh Weihern 
zu wolkigen Abendföem 

sich in die Himmel schwingt. 



VII 



Aber Schalen sind, drin der Najaden 
Spiegelbilder, die sie nicht mehr baden, 

wie ertrunken liegen, sehr verzerrt; 
die Alleen sind durch Balustraden 
in der Feme wie versperrt 

Immer geht ein feuchter Blätterfall 
durch die Luft hinunter wie auf Stufen, 
jeder Vogelruf ist vie verrufen, 
wie vergiftet jede NachtigalL 

Selbst der Frühling ist da nicht mehr gebend, 
diese Büsche glauben nicht an ihn; 
ungern duftet trübe, überlebend 
abgestandener Jasmin 

alt und mit Zerfallendem vermischt. 
Mit dir weiter rückt ein Bündel Mücli^en, 
so als würde hinter deinem Rücken 
alles gleich vernichtet und verwischt. 



BILDNIS 



Daß von dem verzichtenden Gesichte 

keiner ihrer großen Schmerzen fiele, 
trägt sie langsam durch die Trauerspiele 
ihrer Züge schönen welken Strauß, 
vild gebunden und schon beinah lose; 
manchmal fällt, wie eine Tuberose, 
ein verlornes Lächeln müd heraus. 

Und sie geht gelassen drüber liin, 
müde, mit den schönen blinden Händen, 
welche wissen, daß sie es nicht l^den, 

und sie sagt Erdichtetes, darin 

Schicksal schwankt, gewolltes, irgendeines, 

und sie gibt ihm ihrer Seele Sinn, 

daß es ausbricht wie ein Ungemeines: 
wie das Schreien eines Steines — 

und sie liißt mit hochgehobnem Kinn 
alle diese '^brte wieder fallen, 
ohne bleibend; denn nicht eins von allen 
ist der wehen "^QClrklichkeit gemäß, 
ihrem einzigen Eigentum, 
das sie wie ein fußloses Gefliß 
halten muß, hoch Über ihren Ruhm 
lud den Gang der Abende hinaus. 

7» 



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VENEZIANISCHER MORGEN 

RICHARD B££R-HOFMANN ZUG££IGN£T 

Ffiisdich rervtthnte Fenster sehen immer, 

was manchesmal uns zu bemühn geruht: 

die Stadt, die immer wieder, wo ein Schimmer 

von Himmel tiitft auf ein GefQhl von Flut» 

foxh bildet ohne irgendwann zu sein. 
Ein jeder Morgen muß ihr die Opale 
erst zeigen, die sie gestern trug, und Reihn 
von Spiegelbildern ziehn aus dem Kanäle 
und sie erinnern an die andern Male: 
dann gibt sie sich erst zu und fällt sich ein 

wie eine Nymphe, die den Zeus empfing. 
Das Ohigehang erklingt an ihrem Ohre; 

sie aber hebt San Giorgio Maggiore 
imd lächelt lässig in das schöne Ding. 



SPÄTHERBST IN VENEDIG 



Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein 

Köder, l^c'.i 

der alle aufgetauchten Tage Fängt. 

Die gläsernen Paläste klingen spröder 

an deinen Biiclc Und aus den Gärten hangt 

der Sommer w ie ein Haufen Marionetten 
kopfüber» müde, umgebracht. ' 
Aber vom Grand aus aken Waldskeletten 
steigt Willen auf: ab sollte Aber Nacht 

der General des Meeres die Galeeren 

verdoppeln in dem wachen Arsenal, 

um schon die nächste Morgenluft zu teeren 

mit einer Flotte, welche ruderschlagend 

sich drängt und jäh, mit allen Flaggen tagend, 

den großen Wind hat, strahlend und iätaL 



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SAN MARCO 
VENEDIG 

In diesem Innern, das ^e ausgehöhlt 

sich wölbt und wendet in die goldnen Smalccn, 
rundkantig, glatt, mit Küstlichkeit geült, 
vard dieses Staates Dunkelheit gehalten 

und heimlich aufgehäuft, als Gleichgewicht 
des Lichtes, das in allen seinen Dingen 
sich so vermehrte, daß sie fast veigingen. 
Und plötzlich zweifelst du: vergehn sie nicht? 

und drängst zurück die harte Galerie, 

die vie ein Gang im Bergwerk nah am Glanz 

der ^^Ibung hängt; und du erkennst die heile 

Helle des Ausblicks: aber irgendwie 
vehmütig messend ihre müde \(^eiie 
am nahen Überstehn des Viergespanns* 



EIN DOGE 



Fremde Gesandte sahen, wit sie geizten 

mit ihm, und allem, was er tat; 
während sie ihn zu seiner Größe reizten, 
umstellten sie das goldene Dogat 

mit Spähern und Beschriinkcrn immer mehr, 
bange, daß nicht die Macht sie überfallt, 
die sie in ihm (so wie man Lüwcn hält) 
vorsichtig lülhrten. Aber er, 

im Schutze seiner halbverhängten Sinne, 
vard dessen nicht gevrahr und hielt nicht inne, 
größer zu verden. Was die Signorie 

in seinem Innern zu bezwingen glaubte, 
bezvang er selbst. In seinem greisen Haupte 
var es besiegt. Sein Antlitz zeigte wie. 



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DIE LAUTE 



Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib 
beschreiben, s^e schön gewölbten Streifen: 

sprich so, als sprächest du von einer reifen 
gewölbten Feige. Übertreib 

das Dunkel, das du in mir siehst. Es var 
Tullias Dunkelheit. In ihrer Scham 
war nicht so vicL und ihr erhelltes Haar 
var wie ein heller SaaL Zuweilen nahm 

sie etwas Klang von meiner Oberfläche 

in ihr Gesicht und sang zu mir. 

Dann spannte ich mich gegen ihre Schwäche^ 

und endlich war mein Inneres in ihr. 



DER ABENTEÜERER 

I 

Wenn er unter jene» veldie waren 
trat: der Plötzliche, der schien, 
war ein Glanz wie von Gefahren 
• in dem ausgesparten Raum um ihn, 

den er lächelnd überschritt, um einer 
Herzogin den Fächer aufzuheben : 
diesen warmen Fächer, den er eben 
wollte fallen sehen. Und wenn keiner 

mit ihm eintrat in die Fensternische 

(wo die Parke gleich ins Träumerische 
stiegen, wenn er nur nach ihnen wies}, 
ging er lässig an die Kartentische 
und gewann. Und unterließ 

nicht, die Blicke alle zu behalten, 
die ihn zweifelnd oder zärtlich trafen, 

und auch die in Spiegel Helen, galten. 
Er beschloß, auch heute, niclit zu schlafen 

wie die letzte lange Nacht, und ,bog 
einen Blick mit seinem rücksichtslosen, 
welcher war: als hätte er von Rosen 
Kinder, die man irgendwo erzog. 

7« 



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ü 



In den Tagen — (nein, es waren keine), 
da die Flut sein unterstes Verlies 

ihm bestritt, als war es nicht das seine, 

und ihn, steigend, an die Steine 

der daran gewöhnten \(^ölbung stiefi, 

fiel ihm plötzlich einer von den Namen 

wieder ein, die er vor Zeiten trug. 
Und er wußte wieder: Leben kamen, 
wenn er lockte; wie im Flug 

kamen sie: noch warme Leben Toter, 
die er, ungeduldiger, bedrohter, 
weiterlebte mitten drin; 
oder die nicht ausgelebten Leben, 
und er wußte üc hinauizuheben, 
und sie hatten wieder Sinn. 

Oft war keine Stelle an ihm ächer, 

und erzitterte: Ich bin 

doch im nächsten Augenblicke glich er 
dem Geliebten einer Königin. 

Immer wieder war ein Sein %vl haben: 
die Geschicke angefangner Knaben, 



die, als hätte man sie nickt gev^agt, 
abgebrochen waren, abgesagt^ 
nahm er auf und riß sie in rieh hin; 
denn er mnfite rinmal nur die Graft 

solcher Aufgegebener durchschreiten, 
und die DüFce ihrer Möglichkeiten 
lagen wieder in der Luft. 



FALKEN-BEIZE 



Kaiser sein heißt imvenrandelt vieles 
überstehen bei geheimer Tat: 

wenn der Kanzler nachts den Turm betrat, 
fand er ihn, des hohen Federspieies 
kühnen ftirstlichen Traktat 

in den eingeneigten Schreiber sagen; 
denn er hatte im entlegnen Saale 

selber nächtelang und viele Male 
das noch ungewohnte Tier getragen, 

wenn es fremd war, neu und auFgebräut. 
Und er hatte dann sich nie gescheut, 
Pläne, welche in ihm aufgesprungen 

oder zärtlicher Erinnerungen 

tieftief inneres Geläut 

zu verachten, um des bangen jungen 

Falken willen, dessen Blut und Sorgen 
zu begreifen er sich nicht erließ. 

Dafür war er auch wie mitgehoben, 
wenn der Vogel, den die Herren loben, 
glänzend von der Hand geworfen, oben 
in dem mitgef^ten Frühlingsmorgen 

wie ein Engel auf den Reiher stieß. 



' CORRIDA 

IN MEMORIAM MONTEaS» t%p> 

Seit er, klein beinah, aus dem Toril 
ausbrach, aufgescheuchten Augs und Ohrs, 
und den £igensinn des Picadors 
und die Bänderhaken wie im Spiel 

hinnahm, ist die stürmische Gestalt 
angewachsen — aeh: zu welcher Masse, 
aufhäuft aus altem schwarzen Hasse, 
und das Haupt zu einer Faust geballt 

nicht mehr spielend gegen irgendwen, 
nein: die blutigen Nackenhaken hissend 
hinter den gefeiten Hörnern, wissend 

und von Ewigkeit her gegen den, 

der in Gold und mauver Rosaseide 
plötzlich umkehrt und, wie einen Schwann 

Bienen und als ob er's eben leide, 
den Bestürzten unter seinem Arm 

durchläßt, — während seine Blicke hdß 
sich noch einmal heben, Icichtgclenkt, 
und als schlüge draußen jener Kreis 

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sich aus ihrem Glanz und Dunkel nieder 
und aus jedem Schlagen seiner Lider, 

ehe er gleichmütig, ungehiissig, 
an sich selbst gelehnt, gelassen, lässig 
in die wiederheigerollte große 
Woge über dem verlornen Stoße 

seinen Degen beinah sanft versenkt. 



DON JUANS KINDHEIT 



In seiner Schlankheit war, schon fast entscheidend, 
der Bogen, der an Frauen nicht zerbricht; 
und manchmal, seine Stirne nicht mehr meidend, 
ging eine Neigmig durch sein Angesicht 

zu einer, die vorüberkam, zu einer, 
die ihm ein fremdes altes Bild verschloß: 
er lächelte. £r war nicht mehr der Weiner, 
der «ich ins Dunkel trug und ach vergoß. 

Und während ein ganz neues Selbstvertrauen 
ihn öfter tröstete imd fast verzog, 
ertrug er ernst den ganzen Blick der Frauen, 
der üm bewunderte und ihn bewog. 



»4 



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DON JUANS AUSWAHL 

Und der Engel trat ihn an: Bereite 
dich mir ganz. Und da ist meiii Gebot« 
Denn daß einer jene fibenchreite, 

die die Süßesten an ihrer Seite 

bitter machen, tut mir not. 

Zwar auch du kannst wenig besser lieben, 

(unterbrich mich mcfat: du irrst), 

doch du glühest, und es steht geschrieben, 

daß du viele f ühren wirst 

zu der Einsamkeit, die diesen 

tiefen Eingang hat Laß ein . 

die, die ich dir zugeviesien, 

daß sie wachsend Hcloisen 

Uberstehn und Überschrein. 



SANKT GEORG 

Und sie hatte ihn die ganze Nacht 
angerufen, hingekniet, die schwache 
vf'ache Jungfrau: Siehe, dieser Drache, 
und ich weiß es nicht, warum er wacht. 

Und da brach er aus dem Morgengraun 
auf dem Falben, strahlend Helm und Haubert, 
und er sah sie, traurig und verzaubert 
aus dem Knieen aufwartsschaun 

zu dem Glänze, der er war. 
Und er sprengte glänzend längs der Länder 
abwärts mit erhobnem Doppelhändcr 
in die offene Gefahr, 

viel zu furchtbar, aber doch erfleht. 
Und sie kniete knieender, die Hände 
fester faltend, daß er sie bestände; 
denn sie wußte nicht, daß der besteht, 

den ihr Herz, ihr reines und bereites 
aus dem Licht des göttlichen Geleites 
niederreißt. Zu Seiten seines Streites 
stand, wie Türme stehen, ihr Gebet. 



DAME AUF EINEM BALKON^ ' ' 

Plötzlich tritt sie, in dea Wmd gehüllt, 
licht in Lichtes, vie herausgegriffen, 

während jetzt die Stube wie geschii£Fen 
hinter ihr die Türe füllt 

dunkel wie der Grund einer Kamee, 

die ein Schimmern durchläßt durch die Ränder; 
und du meinst der Abend war nicht, ehe 
sie heraustrat, tun auf das Geländer 

noch ein wenig von ach fortzulegen, 
noch die Hände, — um ganz leicht zu sein; 
wie dem Himmel von den Häuserreihn 
hingereicht, von allem zu bewegen. 



87 



I 



BEGEGNUNG IN DER KASTANIEN-ALLEE 

Ihm ward des Eingangs grfine Dunkelheit 
kühl wie ein Sddenmantel vmgegeben, 
den er noch nahm und ordnete : als eben 
am andern transparenten Ende, weit, 

aus grOner Sonne, wie aus grünen Schoben, 

weiß eine einzelne Gestalt 
aufleuchtete, um lange fern zu bleiben 
imd schlieMch, von dem Lichtemiedertieiben 
bä jedem Schritte überwallt, 

ein helles Wechseln auf sich herzutragen, 
das scheu im Blond nach hinten lief. 
Aber auf einmal war der Schatten tief, 
und nahe Augen lagen aufgeschlagen 

in einem neuen deutlichen Gesicht, 

das wie in einem Bildnis verwdke 

in dem Moment, da man »ch wieder teilte: 

erst war es immer, und dann war es nicht. 



SS 



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DIE SCHWESTERN 



Sich, wie sie dieselben Möglichkeiten 
anders an sich tragen und verstehn, 
so als sähe man verschied ne Zeiten 
durch zwei gleiche Zimmer gehn. 

Jede meint die andere zu stützen, 
während sie doch müde an ihr ruht; 
und sie können nicht einander nützen, 
denn sie legen Blut auf Blut, 

wenn sie sich wie früher sanft berühren 
und versuchen, die Allee entlang 
sich geführt zu fühlen und zu führen: 
Ach, sie haben nicht denselben Gang. 



ÜBUNG AM KLAVIER 



Der Sommer stmimt. Der Nachmittag macht müde ; 

sie atmete verwirrt ihr frisches Rleid 

und legte in die trihige Ütüde 

die Ungeduld nach einer Wirklichkeit, 

die kommen konnte morgen, heute abend, 
die vielleicht da war, die man nur verbarg; 
und vor den Fenstern, hoch und alles habend, 
empfand sie plötzlich den verrühnten Park. 

Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte 
die Hände, wünschte sich ein langes Buch 
und schob auf einmal den Jasmingeruch 
erzQrnt zurOck. Sie fand, daß er sie kränkte. 



90 



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DIE LIEBENDE 



Das ist mein Fenster. Eben 

bin ich so sanft erwacht. 
Ich dachte, ich würde schweben. 
Bis voiiin reicht mein Leben, 
und beginnt die Nacht? 

Ich könnte meinen, alles 
wäre noch ich ringsum ; 
durchsichtig wie eines Kristaiies 
Tiefe, verdunkelt^ stunun. 

Ich konnte auch noch die Sterne 

fassen in mir; so groß 

scheint mir mein Herz; so gerne 

ließ es ihn vieder los, 

den ich vielleicht zu lieben, 
vielleicht zu halten b^ann. 

Fremd wie niebeschrieben • 
sieht mich mein Schicksal an. 

Was bin ich unter diese 
Unendlichkeit gelegt, 
duftend vie eine Wiese, 

hin und her bewegt. 



rufend zugleich und bange, 

daß einer den Ruf vernimmt 

und zum Untergange 

in einem andern bestinunt 



DAS ROSENINNERE 



\ff6 ist zu diesem Innen 

ein Außen? AiiF welches Weh 
legt man solches Linnen? 
\^idie Himmel spiegeln sich drinnen 
in dem Binnensee 
dieser offenen Rosen, 
dieser sorglosen, sieh : 
wie sie lose im Losen 
liegen, als könnte nie 
eine zitternde Hand sie verschütten. 
Sie können sich selber kaum 
halten; viele ließen 
sich überfüllen und fließen 
dber von Innenraum 
in die 1 agc, die immer 
voller und voller sich schließen, 
bis der ganze Sommer ein Zinuner 
' wird, ein Zimmer in einem Traum. 



DAMEN-BILDNIS AUS DEN ACHTZIGER 
JAHREN 



'^Q(^end stand sie an den seh veigera£Ften 
dunklen Atlasdraperien, 

die ein Aufwand falscher Leidenschaften 
über ihr zu ballen schien ^ 

seit den noch so nahen Mädchenjahren 
vie mit einer anderen vertauscht: 
müde unter den getfirmten Haaren, 
in den Rüschen-Roben unerfahren 

und von allen Falten wie belauscht 

bei dem Heimweh und dem schwachen Planen, 
wie das Leben weiter werden soll; 
anders, wirklicher, wie in Romanen, 
hingerissen und verh'angnisvoU, — 

daß man etvas erst in die Schatullen 

legen dürfte, um sich im Geruch 

von Erinnerungen einzulullen; 
daß man endlich in dem Tagebuch 

einen Anfang fände, der nicht schon 
unterm Schreiben smnlos vird und Lüge, 
und ein Blatt von einer Rose trüge 

in dem schweren leeren Medaillon, 

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welches liegt auf jedem Atemzug. 
Daß man einmal durch das Fenster winkte 
diese schlanke Hand, die neuberingte, 
hätte dran Hir Monate genug. 



DAME VOR D£M SPIEGEL 



Wie in einem Schlaitriink Spezerein 
ISst sie leise in dem flilssigklaren • 

Spiegel ihr ermOdetes Gebaren; 
und sie tut ihr Läclieln ganz hinein. 

« 

Und sie wartet, daß die Flüssigkeit 
davon steigt; dann giefit sie ihre Haare 

in den Spiegel und, die wunderbare 
Schulter hebend aus dem Abendkleid, 

trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt, 

was ein Liebender im Taumel tränke, 
prüfend, voller Mißtraun ; und sie winkt 

erst der Zofe, wenn sie auf dem Grande 

ihres Spiegels Lichter findet. Schränke 
und das Trübe einer späten Stunde. 



96 



Dm GREISIN 



Weiße Freundinnen mitten im Heute 
lachen und horchen und planen fllr morgen; 
abseits erlägen gelassene Leute 

langsam ihre besonderen Sorgen 

das ^rum und das Winxi und das Wie, 
und man hOrt sie sagen: Ich glaube — ; 

aber in ihrer Spitzenhaiibe 
ist sie sicher, als wüßte sie, 

daß sie sich irren, diese und alle. 

Und das Kinn, im Niederfalle, 
lehnt sich an die weiße Koralle, 
die den Schal zur Stime stinunt 

Einmai aber, bei -einem Gelache, 

holt sie aus springenden Lidern zwei wache 
Blicke luid zeigt diese harte Sache, 
vie man aus einem geheimen Fache 
schdne ereibte Steine nimmt. 



DAS BETT 



Laß sie meinen, daß sidi in privater 
^W^hmut lüst, wis einer dort bestritt. 
Nirgend sonst als da ist eih Theater; 
reiß den hohen Vorhang fort — : da tritt 

vor den Gior der Nachte, der b^ann 
ein unendlich breites Lied zu sagen, 

jene Stunde auf, bei der sie Jagen, 

und zerreißt ihr Kleid und klagt sich an, 

um der andern, um der Stunde willen, 

die sich wehrt und wälzt im Hintergründe; 
denn sie konnte sie mit sich nicht stillen. 
Aber da sie zu der fremden Stunde 

sich gebeugt : da war auf ihr, • 
was sie am Geliebten einst gefunden, 
nur so drohend und so groß verbunden 
und entzogen wie in einem Tier. 



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DEEL FREMDE 



Ohne Sorgfalt, was die Nächsten dächten, 
die er müde nicht mehr fragten hiefi, 
ging er ^eder fort; verlor, verließ — . 
Denn er hing an solchen Reisenächten 

anders als an jeder Liebesnacht. 
Wunderbare hatte er durchdacht, 
die mit starken Sternen aberzogen 

enge Fernen auseinanderbogen 

imd sich wandelten wie eine Schiacht; 

andre, die mit in den Mond gestreuten 
Dörfern, wie mit hingehaltnen Beuten, 
sich ergaben, oder durch geschonte 
Parke graue Edelsitze zeigten, 
die er gerne in dem hingeneigten 
Haupte einen Augenblick bewohnte, 
tiefer wissend, daß man nirgends bleibt; 
und schon sah er bei dem nächsten i^iegen 
wieder WegCy Brücken, Länder liegen 
bis an S^te, die man übertreibt. 

Und dies alles immer unbegehrcnd 
hinzulassen, schien ihm mehr als seines 



Lebens Lust, Besitz und Ruhm. 
Doch auf fremden Plätzen war ihm 
täglich ausgetretnen Brimneiistetiies 
Mulde manchmal wie ein Eigentum. 



100 



DIE ANFAHRT 



\{^r in des '^gens Endung dieser Schwung? 

"War er im Blick, mit dem man die barocken 
EngelHguren, die bei blauen Glocken 
im Felde standen voll Erinnerung, 

annahm und hielt und wieder ließ, bevor 
der Schloßpark schließend um die Fahrt sich 

drängte, 

an die er streifte, die er fiberhängte 

und plötzlich fi*eigab: denn da var das Tor, 

das nun, als hätte es sie angerufen, 

die lange Front zu einer Schwenkung zwang, 

nach der »e stand. Aufglänzend ging ein Gleiten 

die Glastür abwärts; und ein Windhund drang 
aus ihrem Aufgehn, seine nahen Seiten 
heruntertragend von den flachen Stufen. 



DIE SONNENUHR 



Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule 
aus dem Gartenschatten, wo einander 
Tropfen fallen hören und ein Wander- 
vogel lautet, zu der Säule, 
die in Majoran und Koriander 
steht und Sommerstunden zeigt; 

nur sobald die Dame (der ein Diener 
nachfolgt) in dem hellen Florentiner 
Uber ihren Rand sich neigt, 
wird sie schattig und verschweigt — , 

Oder wenn ein sommerlicher Regen 
aufkommt aus dem wogenden Bewegen 
hoher Kronen, hat sie eine Pause; 
denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken, 
die dann in den Frucht- und Blumenstücken 
plötzlich glüht im weißen Gartenhause. 



tOi 



SCHLAFMOHN 



Abseits im Garten blCiht der böse Schlaf, 
in welchem die, die heimlich eingedrungen, 

die Liebe fanden junger Spiegelungen, 
die willig waren, offen und konkav, 

und Träume, die mit aufgeregten Masken 

auftraten, riesiger durch die . Kothurne — : 
das alles stockt in diesen oben flaskcn 
weichlichen Stengeln, die die Samenume 

(nachdem sie lang, die Knospe abwärts tragend 
zu welken meinten) festvcrschlossen heben: 
gefranste Kelche auseinanderschlagend, 
die fieberhaft das Mohngeräfi umgeben. 



DIE FLAMINGOS 

PARIS, JARDIN DES PLANTES 

In Spiegelbildern wie von Fragonard 
ist doch von ihrem ^eifi und ihrer ROte 

nicht mehr gegeberij als dir einer böte, 
wenn er von seiner Freundin sagt: sie war 

noch sanft von Schlaf. Denn steigen sie ins GrQne 

und stchn, auf rosa Stielen leicht gedreht 
beisammen, blühend, wie in einem Beet, 
verführen sie verführender als Phryne 

sich selber; bis sie ihres Auges Bleiche 

hinhalsend bergen in der eignen Weiche, 

in welcher Schwarz und Fruchtrot sich versteckt. 

Auf einmal kreischt ein Neid durch die Voliere; 

sie aber haben sich erstaunt gestreckt 
und schreiten einzeln ins Imaginäre. 



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PERSISCHES HELIOTROP 



Es könnte sdn, daß dir der Rose Lob 
zu laut erscheint für deine Freundin: Nimm 
das schön gesdckte Kraut und flberstimm 
mit dringend Üüsterndem Heliotrop 

den BOibüi, der an ihren Lieblingsplätzen 
sie schreiend preist und sie nicht kennt. 

Denn sieh: wie süße "Worte nachts in Sätzen 
beisammenstehn ganz dicht, durch nichts getrennt, 
aus der Vokale vachem Violett 
hindOftend durch das stille Hinunelbett — : 

so schließen sich vor dem gesteppten Laube 

deutliche Sterne zu der seidnen Traube 

und mischen, daß sie fast davon verschwimmt« 

die Stille mit Vanille und mit Zimmt. 



105 



SCHLAFLIED 



Einmal wenn ich dich verlier, 
virst du schlafen können, ohne 
daß ich wie eine Lindenkrone 
mich verHOstre llher dir? 

Ohne daß ich hier wache und 
'^rte, beinah wie Augenlider, 
auf deine Brüste, auf deine Glieder 
niederlege, auf deinen Mund. 

Ohne daß ich dich verschließ 
und dich allein' mit deinem lasse, 

wie einen Garten mit einer Masse 
von Melissen und Sternanis. 



to6 



DER PAVILLON 



Aber selbst noch durch die Flügeltüren 
mit dem grOnen, regentrQben Glas 
ist ein Spiegeln lächelnder AllOren 

und ein Glanz \ on jenem Glück zu spüren, 
das sich dort, wohin sie nicht mehr führen, 
einst verbarg» verklärte und veigaß. 

Aber selbst noch in den Steingirlanden 

über der nicht mehr berOhrten Tflr 

ist ein Hang zur Heimlichkeit vorhanden 

und ein stilles Mitgefühl dafür, 

und sie schauern manchmal vc ie gespiegelt, 
wenn ein Wind sie schattig überlief; 
auch das "^ppen, vie auf einem Brief 
viel zu glücklich, fiberstfirzt gesiegelt, 

redet noch, ^e wenig man verscheuchte: 
alles veiß noch, weint noch, tut noch wclu 
Und im Fortgehn durch die tränenfeuchte, 
abgelegene Allee 

fiihlt man lang noch auf dem Rand des Dachs 
jene Urnen stehen, kalt, zerspalten, 
doch entschlossen, noch zusammzuhalten 

um die Asche alter Achs. 



DIE ENTFÜHRUNG 



Oft var sie als Kind ihren Dienerinnen 
entwichen, um die Nacht und den Wind 

(weil sie drinnen so anders sind) 
draußen zu sehn an ihrem Beginnen j 

doch keine Sturmnacht hatte gewifi 
den riesigen Park so in Stücke gerissen, 
wie ihn jetzt ihr Gewissen zerriß, 

da er sie nalun Yon der seidenen Leiter 
und sie vtttertrug, weiter, weiter: 

bis der Wagen alles war* 

Und sie roch ihn, den schwarzen Wagen, 
um den verhalten das Jagen stand 
und die Gefahr. 

Und sie fand ihn mit Kaltem ausgeschlagen; 
und das Schwarze und Kalte war auch in ihr. 
Sie kroch in ihren Mantelkragen 

und befühlte ihr Haar, als bliebe es hier, 
und hürte fremd einen Fremden sagen: 
Ichbinbeidir. 

• 



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ROSA HORTENSIE 



nahm das Rosa an? Wer vußte auch, 
daß es sich sammelte in diesen Dolden ? 

"Wie Dinge unter Gold, die sich entgoldcn, 
entrüten sie sich sanft, wie im Gebraudi« 

Daß sie fiir solches Rosa nichts verlangen. 

Bleibt CS ftir sie und lächelt aus der Luft? 
Sind Engel da, es zärtlich zu empfangen, 
Venn es vergeht, großmütig wie ein Duft? 

Oder vielleicht auch geben sie es preis, 

damit es nie erführe vom Verblühn. 
Doch unter diesem Rosa hat ein Grün 
gehorcht, das jetzt verwelkt und alles weiß. 



DAS WAPPEN 



"Wie ein Spiegel, der, von ferne tragend 
lautlos in sich aufnahm, ist der Schild; 
offen einstens, dann zusammenschlagend 
Uber einem Spiegelbild 

jener ^Cesen, die in des Geschlechts 
Weiten wohnen, nicht mehr zu bestreiten, 
seiner Dinge, seiner Wirklichkeiten 
(rechte links und linke rechts), 

die er eingesteht und sagt und zeigt. 

Drauf, mit Ruhm und Dunkel ausgeschlagen, 

ruht der Spangenhelm, verkürzt, 

den das Flügeikleinod übersteigt, 
während seine Decke vie mit Klagen 
reich und aufgeregt hemiederstürzt. 



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DER JUNGGESELLE 



Lampe auf den verlassenen Papieren, 
und ringsum Nacht bis veit hinein ins Holz 
der Schränke. Und er konnte sich verlieren 
an sein Geschlecht, das nun mit ihm zerschmolz j 

ihm schien, je mehr er las, er hätte ihren, 
sie aber hatten alle seinen Stolz. 

HochmQtig steiften sich die leeren Stühle 

die Wand entlang, und lauter SelbstgeRihlc 
machten sich schläfernd in den Möbeln breit ; 
von oben goß sich Nacht auf die PendUle, 
und zitternd rann aus ihrer goldnen Mühle 
ganz fein gemahlen, seine Zeit. 

Er nahm sie nicht. Um fiebernd unter jenen, 
als zöge er die Laken ihrer Leiber, 
andre Zeiten vegzuzerrn. 

Bis er ins Flüstern kam; (was war ihm fernr) 

Er lobte einen dieser Briefeschreiber, 

als sei der Brief an ihn: Wie du mich kennst ; 

und klopfte lustig auf die Seitenlehnen. 

Der Spiegel aber, innen unbegrenzter, 

ließ leise einen Vorhang aus, ein Fenster — : 

denn dorten stand, fast fertig, das Gespenst. 



III 



DER EINSAME 



Nein : ein Turm soll sein aus meinem Herzen 

und ich selbst an seinen Rand gestellt: 

wo sonst nichts mehr ist» noch einmal Schmerzen 

und Unsäglichkeic, noch einmal Welt. 

Noch ein Ding allein im Übergroßen, 
irelches dunkel wird und wieder licht, 
noch ein letztes, sehnendes Gesicht 

in das Nie-zu-Scillende verstoßen, 

noch ein äußerstes Gesicht aus Stein, 
willig seinen inneren Gewehten, 

das die Weiten, die es still vernichten, 
zwingen, immer seliger zu sein. 



I it 



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DER LESER 



Wer kennt ihn, diesen, welcher sein Geweht 
wegsenkte aus dem Sein m einem zweiten, 

das nur das schnelle Wenden voller Seiten 
manchmal gewaltsam imter bricht? 

Selbst seine Mutter wäre nicht gewifi, 

ob er es ist, der da mit seinem Schatten 
Getränktes liest. Und wir, die Stunden hatten, 
was wissen wir, wieviel ihm hinschwand, bis 

er mühsam aufsah; alles auf sich hebend, 
was unten in dem Buche sich verhielt, 
mit Augen, welche, statt zu nehmen, gebend 
anstießen an die fertig-volle Wdt: 
wie stille Kinder, die allein gespielt, 
auf einmal das Vorhandene erfahren; 
doch seine Züge, die geordnet waren, 
blieben för immer umgestellt* 



DER APFELGARTEK 



fiORGEBV-GARD 

Komm gleich nach dem Soifnenuntergange, 
sieh das Abendgrün des Rasengninds; 

ist CS nicht, als hätten wir es lange 
angesammelt imd erspart in uns, 

um es jetzt aus Fühlen und Erinnern, 

neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun, 
noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern, 
in Gedanken vor uns hinzustreun 

unter Bäume ^e von Dürer, die 

das Gewicht von hundert Arbeitstagen 
in den überfüllten Früchten tragen, 
dienend, voll Geduld, versuchend, vie 

das, was alle Mal^c übersteigt, 
noch zu heben ist und hinzugeben, 
wenn man villig, durch ein langes Leben 
nur das ^e viil und vächst und schweigt 



««4 



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DIE BERUFUNG 



Da aber als in sein Versteck der Hohe, 
sofort Erkennbare: der Engel, trat 
aufrecht, der lautere und lichterlohe, 
da tat er allen Anspruch ab und bat, 

bleiben zu dürfen, der von seinen Reisen 
innen verwirrte Kaufmann, der er war; 
er hatte nie gelesen und nun gar 
ein solches Wort, zu viel für einen Weisen. 

Der Engel aber, herrisch, wies und wies 
ihm, was geschrieben stand auf seinem Blatte, 
und gab nicht nach und wollte wieder: lies. 

Da las er: so, daß sich der Engel bog, 
und war schon einer, der gelesen hatte 
und konnte und gehorchte und vollzog. 



"5 



DERBERG 



Sechsunddreißigmal und iiimdertmal 
hat der Maler jenen Berg geschrieben, 
weggerissen, ^eder hingetrieben 

(sechsunddreißigmal und hundertmal^ 

zu dem unbegreiflichen Vulkane, 
selig, voll Versuchung, ohne Rat, — 

während der mit Umriß Angetane 
seiner Herrlichkeit nicht Einhalt tat: 

tausendmal aus allen Tagen tauchend, 
Nächte ohnegleichen von sich ab 

fallen lassend, alle wie zu knapp ; 
jedes Bild im Augenblick verbrauchend, 
von Gestalt gesteigert zu Gestalt, 
teilnahmslos und weit und ohne Meinung — , 

um auf einmal wissend, w ie Erscheinung, 
sich zu heben hinter jedem Spalt. 




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DER BALL 



Du Runder, der das '^rme aus zwei Händen 
im Fliegen oben fortgibt, sorglos wie 
sein Eigenes; ^as in den Gegenständen 
nicht bleiben kann, zu unbeschwert fOr sie, 

zu wenig Ding und doch noch Ding genug, 
um nicht aus allem draußen Aufgereihten - "tK) 
. unsichtbar plötzlich in uns einzugleiten: 
das glitt in dich, du zwischen Fall und Flug 

noch Unentschlossener, der, wenn er steigt, 
als hätte er ihn mit hinau%ehoben, 
den ^urf entfährt imd frdläftt — , und sich neigt 
vaid einhält und den Spielenden von oben 

auf einmal eine neue Stelle zeigt, 
sie ordnend wie zu einer Tanziigur, 

um dann, erwartet und erwünscht von allen, 

rasch, einfach, kunstlos, ganz Natur, 
dem Becher hoher Hände zuzufallen. 



DAS KIND 



UnwillkdrÜch sehn ae semcm Spiel 

lange zu; zuweilen tritt das runde 
seiende Gesicht aus dem Frohi, 
klar und ganz wie eine volle Stunde, 

welche anhebt und zu Ende schlagt. 
Doch die andern zählen nicht die Schläge, 
trüb von Mühsal und vom Leben träge; 
und sie merken gar nicht; wie es ttägt — , 

wie CS alles trägt, auch dann, noch immer, 
wenn es müde in dem kleinen Kleid 
neben ihnen wie im 'Wartezinuner 
sitzt und warten will auf seine Zeit. 



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DER HUND 



Da oben wird das Bild von einer yMt 

aus Blicken immerfort erneut und gilt. 
Nur manchmal, heimlich, kommt ein Ding mid 

stellt 

sich neben ihn, wenn er durch dieses Bild 

sich drängt, ganz unten, anders, wie er istj 
nicht ausgestoßen und nicht eingereiht 
und wie im Zweifei seine ^QSlrklichkeit 
weggebend an das Bild, das er vergißt, 

um dennoch immer wieder sein Gesicht 
hineinzuhaiten, fast mit einem Flehen, 
beinah begreifend, nah am Einverstehen 

und doch verzichtend: denn er wäre nicht. 



DER KÄFERS TEIN 



Sind nicht Sterne fast in ddner NIhe 

und was gibt es, das du nicht umspannst, 
da du dieser harten Skarabäe 
Kameolkem gar nicht fassen kannst 

ohne jenen Raum, der ihre Schilder 
niederhält, auf deinem ganzen Blut 
mitzutragen; niemals var er milder 
näher, hingegebener. Er ruht 

seit Jahrtausenden auf diesen Käfern, 
wo ihn keiner braucht und unterbricht; 
und die IQUer schließen sich und schläfern 
unter seinem vi^enden Gewicht 



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BUDDHA IN DER GLORIE 



Mitte aller Mitten, Kern der Kerne, 
Mandel, die sich einschließt und versüßt, — 
dieses alles bis an alle Sterne 
ist dein Fruchtfleisch; Sei gegrüßt. 

Sieh, du fühlst, wie nichts mehr an dir hängt; 
im Unendlichen ist deine Schale, 
und dort steht der starke Saft und drängt. 
Und von außen hilft ihm ein Gestrahlc, 

denn ganz oben werden deine Sonnen 
voll und glühend umgedreht. 
Doch in dir ist schon begonnen, 
was die Sonnen übersteht 



III 



INHALT 



t^^rchaYsclier Torso Apollos i 

Kredschc Artemis i 

^ Lcda ) 

Delphine ^ 

Die Insel der Sirenen 6 

Klage um Antinotis 7 

/ Der Tod der Geliebten S 

Klage um Jonathan ^ 

Tröstung des Elia ■ . 10 

Saul unter den Propheten « 12 

Samuels Erscheinung vor Saul .... i j 

hin Prophet 15 

Jeremia 16 

Eine Sibylle 17 

Absaloms Abfall i S 

Esther zo 

Der aussätzige König z z 

Legende von den drd Lebendigen und den 

drd Toten z 3 

Der Künig von Münster ...... Z4 

Totentanz Z5 

Das Jüngste Gericht z6 

Die Versuchung z 7 

Der Alchimist 2 p 



III 



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Der Reliquienschrein ^ o 

Das Gold «.31 

Der Stylit )2 

Die ägyptische Maria 34 

Kreuzigung 35 

Der Auferstandene 36 

%^flagnificat 37 

cAdam .••..38 

•^Eva 39 

Irre im Garten (Dijon) 40 

Die Irren 41 

Aus dem Leben eines .Heiligen . • . . 42 

Die Bettler 43 

Fremde Familie 44 

Leichenwäscke 45 

.Eine von den Alten (Paris) 46 

r6er Blinde (Pacb) 47 

Eine Welke 48 

Abendmahl 49 

Die Brandstätte 50 

Die Gruppe (Parb) 51 

Schlangenbeschvömng 52 

Schwarze Katze 53 

Vor-Ostern (Neapel) 54 

Der Balkon 5^ 

Aiisvanderer-SchiflF (Neapel) 5S 



»»3 



Landschaft • 59 

Römische Campagna .60 

/ Lied vom Meer (Capri, Piccola Marina) . 6 1 

Nächtliche Fahrt (Sankt Fetecsburg) • . 6i 

Papageienpark (Parb) ^4 

Die Parke I— VII. 65 

Bildnis 72 

Venczianisdier Morgen. 7} 

Spätherbst in Venedig 74 

San Marco (Venedig) 75 

Ein Doge 76 

Die Laute 77 

Der Abenteuerer I, II . . 78 

Falkenbeize 81 

Corrida (In memoriani Montez, 1830) . 82 

^ Don Juans Kindheit 8^ 

Don Juans Auswahl 85 

Sankt Georg 86 

\ Dame auf einem Balkon 87 

Begegnung in der Kastanien-Allee ... 88 

Die Schwestern 89 

Übung am Kiavier po 

1/ Die Liebende p i 

Das Roseninnere P3 

Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren • p4 

Dame vor dem Spiegel * « . p6 



i»4 



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Die Greisin 

Das Bett 

Der Fremde 

Die Anfahrt 

Die Sonnenuhr 

Schlafmohn 

Die Flamingos (Paris, Jardin des PJantcs) 

Persisches HeHotrop 

Schlafiied 

Der Pavillon 

Die Entführung 

Rosa Hortensie 

Das "Wappen 

Der Junggeselle 

""t)er Einsame 

Der Ivcscr 

Der Apfelgarten (Borgeby-Gard) 

Die Berufung 

Der Berg 

Der Bali 

Das Kind 

Der Flund 

Der Käferstein 

Buddha in der Glorie 



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