Neue Gedichte
Rainer Maria Rilke
Harvard College
Library
noM HB FOMD or
HARRIET J. G. DENNY
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NEUE GEDICHTE
VON RAINER
MARIARILKE
LEIPZIG
Im INSEL-VERLAG
MCMVU
So ST x-(i.;«i.5-
4 b
DEC o i911
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KARL dND* ELISABETH VON DER HEYDT
IN FREUNDSCHAFT
C •
" tu
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HlÜHER.' APOLLO
Wie manches Mal durch das noch unbelaubte
Gezw^eig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
mchts was verhindern könnte, daß der Glanz
aller Gedichte uns fast tödlich träfe;
denn noch kein Schatten ist in seinem Schaiui,
zu kühl fllr Lorbeer sind noch seine Schläfe
und später erst wird aus den Augenbraun
hochstämmig sich der Rosengarten heben,
aus velchetii Blätter, einzeln, ausgelöst .
hintreiben werden auf des Mundes Beben,
der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend
und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend
als würde ihiu sein Singen eingeÜößt.
MÄDCHEN-KLAGE ' ' ' '
Diese Neigung, in den Jahren
da vir alle Kinder varen
viel allein zu sein, var mild;
andern ging die Zeit im Streite,
und man hatte seine Seite,
seine Nähe, seine Weite,
einen Weg, ein Tier, ein Bild.
Und ich dachte noch, das Leben
hörte niemals auf zu geben,
daß man sich in sich besinnt.
Bin ich in mir nicht im Größten?
Will mich Meines nicht mehr trösten
und verstehen wie als Kind;
Plötzlich bin ich wie vcrstoiien
und zu einem Übergroßen
wird mir diese Einsamkeit
Venn, auf meiner BrOste Hfigeln
stehend, mein Gefühl nach Flügehi
oder einem Ende schreit.
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UEBES-LIED
Wie soll ich meine Seele halten, daß
ae nicht an deine rührt? Wie soU ich sie
iunheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen >
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht veiterschvingt venn deine Tiefen
schwingen
Doch alles vas uns anrührt» dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
ERANNA AN SAPPHO
O du vilde w&tt Werfeiin:
ein Speer bei andern Dingen
lag ich bei den Meinen. Dein Erklingen
warf mich weit. Ich weiß nicht wo ich bin.
Mich kann keiner wiederbringen.
Meine vSchwestern denken mich und weben,
und das Haus ist voll vertrauter Schritte.
Ich allein bin fem und fortgegeben
und ich zittere wie eine Bitte;
denn die schüne Güttin in der Mitte
ihrer Mythen glüht und lebt mein Leben«
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SAPPHO AN ERANNA
Unruh vill ich Ober dich bringen,
Sfhwingen will ich dich, uinrankter Stab.
\C^e das Sterben will ich dich durchdringen
und dich veitergeben wie das Grab
an das Alles: allen diesen Dingen.
SAPPHO AN ALKAIOS
FRAGMENT
Und was iiättest du mir denn zu sagen
und was gehst du meine Seele an
wenn sich deine Augen niederschlagen
vor dem xiahen Nichtgesagten^ Mann,
sieh, uns hat das Sagen dieser Dinge
hingerissen und bis in den Ruhni.
^nn ich denke: unter euch verginge
dürftig unser süßes Mädclientum,
welches wir, ich Wissende und jene
mit mir \^enden, vom Gott bewacht,
trugen tmberfihrt, daß Mydlene
■ wie ein Apfelgarten in der Nacht
duftete vom Wachsen unsrer Brüste — .
Ja, auch dieser Brüste» die du nicht
wähltest wie zu Fruchtgewinden, Freier
mit dem weggesenkten Angesicht.
Geh und laß mich, daß zu meiner Leier
komme was du abhältst: alles steht
Dieser Gott ist nicht der Beistand zweier,
aber wenn er durch den einen geht
GRABMAL EINES JUNGEN MÄDCHENS
Wir gedenken*s noch. Das ist als mOfite
alles dieses einmal wieder sein.
Wie ein Baum an der Limonenküste
trugst du ddne kldmen leichten Brüste
in das Rauschen sdnes Bluts hinein:
— jenes Gottes.
Und es wu der schlanke
Flüchtling, der Verw&hnende der Frattn.
Süß und glühend, warm wie dein Gedanke,
überschattend deine frühe Flanke
und geneigt wie deine Augenbraun.
OPFER
O vie blQht mein Leib aus jeder Ader
duftender seitdem ich dich erkenn;
sich, ich gehe s chlan ker und gerader,
und du wütest nur — : wer bist du denn}
Sieh: ich ftlhle wie ich mich entferne,
wie ich Altes, Blatt um Blatt, verlier.
Nur dein Lächeln steht wie lauter Sterne
aber dir und bald auch über mir.
Alles was durch meine Kinderjahre
namenlos noch und wie Wasser glänzt
will ich nach dir nennen am Altare,
der entzündet ist von deinem Haare
und mit deinen Brüsten leicht bekränzt.
ÖSTLICHES TAGLIED
Ist dieses Bette nicht wie eine Küste,
ein Küstenstreifen nur darauf wir liegend
Nichts ist gewiß ak deine hohen Brdste,
die mein GeAlhl in Sdiwindehi fiberstiegen.
Denn diese Nacht, in der so vieles schrie,
in der sich Tiere mfen und zerreißen»
ist ne uns nicht entsetzlich fremd? Und wie:
was draußen langsam anhcbt,Tag geheißen, '
ist das uns denn verständlicher als sie?
Man mfißte so sich ineinander legen
wie Blütenblätter um die Staubgefäße;
so sehr ist überall das Ungemäße
und häuft sich an und stürzt sich uns entgegen.
Doch während wir uns aneinander drücken,
um nicht zu sehen wie es ringsum naht,
kann es aus dir, kann es aus mir ach zücken:
denn unsre Seelen leben von Verrat
ABISAG
■
I
Sie lag. Und ihre Kinderarme varen
von Dienern um den Ulkenden gebunden,
auf dem sie lag die süßen langen Stunden,
ein wenig bang vor seinen vielen Jahren.
Und manchmal wandte sie in seinem Barte
ihr Angesicht, wenn eine Eule schrie;
und alles was die Nacht war kam imd scharte
mit Bangen und Verlangen sich um sie.
Die Sterne zitterten wie ihresgleichen,
der Duft ging suchend durch das Schlafgemach,
der Vorhang rührte sich und gab ein Zeichen
und leise ging ihr Blick dem Zeichen nach.
Aber sie hielt sich an dem dunkeln Alten
und, von der Nacht der Nächte nicht erreicht,
lag sie auf seinem flQrstlichen Erkalten
jungfräulich und wie eine Seele leicht,
«
Der König saß und sann den leeren Tag
getaner Taten, ungefühlter Lüste
und seiner Lieblingshündin, der er pdag — .
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Aber am Abend wglbte Abisag
sich über ihm. Sein virres Leben lag ^ '
verlassen wie verrufne Meeresküste
unter dem Sternbild ihrer sdllen Brüste.
Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen,
erkannte er durch seine Augenbrauen
den unbewegten, küsselosen Mund;
und sah: ihres Gefühles grüne Ru^ ' ^
neigte sich nicht herab zu seinem Grund.
Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund
und suchte sich in seinem letzten Blute.
!
DAVID SINGT VOR SAÜL
König, hörst du wie mein Saitenspiel
Fernen wirft, durch die wir uns bewegen:
Sterne treiben uns verwirrt entgegen,
und wir fallen endlich wie ein Regen,
und es blüht, wo dieser Regen fiel.
Mädchen blühen, die du noch erkannt,
die jetzt Frauen sind und mich verftihren;
den Geruch der Jungfraun kannst du spüren
imd die Knaben stehen, angespannt
schlank und atmend, an verschwiegnen Türen.
Daß mein Klang dir alles wiederbrächte.
Aber trunken taumelt mein Getön: . " '
Deine Nächte, König, deine Nächte — ,
und wie waren, die dein SchaflFen schwächte,
o wie waren alle Leiber schön«
Dein Erinnern glaub ich zu begleiten,
weil ich ahne. Doch auf welchen Saiten
greif ich dir ihr dunkies Lustgestöhn? —
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n
König, der du alles dieses hattest
und der du mit lauter Leben mich
überwältigest und überschattest:
komm aus deinem Throne und zerbrich
meine Harfe, die du so ermat test.
Sie ist wie ein abgenommner Baum: ' •
durch die Zweige, die dir Frucht getragen,
schaut jetzt eine Tiefe wie von Tagen
welche konunen — , und ich kenn sie kaum.
Laß mich nicht mehr bei der Harfe schlafen;
^eh dir diese Knabenhand da an:
glaubst du, König, daß sie die Oktaven
eines Leibes noch nicht greifen kann?
m
König, birgst du dich in Finsternissen,
und ich hab dich doch in der Gewalt.
Sieh, mein festes Lied ist nicht gerissen,
und der Raum wird um uns bäde kalt.
Mein verwaistes Herz und dein verworrnes
hängen in den \^olken deines Zornes,
▼Btend ineinander eingebissen
und zu einem einzigen verkrallt
FOlilst du jetzt vie vir uns umgestalten?
K6nig, K(5nig, das Gevicht wird Geist
Wenn wir uns nur aneinander halten,
du am Jungen, König, ich am Alten,
sind vir fast vie dn Gesdm das kreist
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JOSUAS LANDTAG
So vie der Strom am Ausgang seine Dämme
durchbricht mit seiner Mündung Übermaß, .
so brach nun durch die Ältesten der Stämme
zum letztenmal die Stimme Josua.
Wie waren die geschlagen welche lachten,
wie hielten alle Herz und Hände an,
als hübe sich der L'ärm von dreißig Schlachten
in einem Mund; und dieser Mund begann.
Und wieder waren Tausende voll Staunen
wie an dem großen Tag vor Jericho,
nun aber waren in ihm die Posaunen,
und ihres Lebens Mauern schwankten so,
daß sie sich wälzten von Entsetzen Rachtig - '
und wehrlos schon und überwältigt, eh
sie's noch gedachten, wie er eigenmächtig
zu Gibeon die Sonne anschrie: steh:
Und Gott ging hin, erschrocken wie ein Knecht,
und hielt die Sonne, bis üim seine Hände
wehtaten, ob dem schlachtenden Geschlecht,
nur weil da einer wollte, daß nc stände*
*5
Und das war dieser; dieser Alte war s
von dem sie meinten, daß er nicht mehr gelte
inmitten seines hundertzehnten Jahrs.
Da stand er auf und brach in ihre Zelte.
Er ging wie Hagel nieder über Halmen. ' '
Wzs vollt ihr Gott versprechen? Ungezählt
stehn um euch Gotter, wartend daß ihr wählt.
Doch wenn ihr wählt, wird euch der Herr zer-
- ^. ( . ' malme n«
Und dann, mit einem lipchmut ohnegleichen:
Ich und mein Haus, wir bleiben ihm vermählt.
Da schrien sie alle: hilf uns, gib ein Zeichen
und stärke uns zu imserer schweren Wahl.
Aber sie sahn ihn, wie seit Jahren schweigend,
zu seiner festen Stadt am Berge steigend;
und dann nicht mehr. Es war das letzte Mal.
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DER AUSZUG DES VERLORENEN SOHNES
Nun fortzugehn von alledem Verworrnen ^
das unser ist und uns doch nicht gehört,
das, wie das Wasser in den alten Bornen
uns ntternd spiegelt und das Bild zerstört; , ^
von allem diesen, das sich wie mit Dornen
noch einmal an uns anhängt — fortzugehn
und Das und Den
die man schon nicht mehr sah
(so täglich waren sie und so gewöhnlich)
auf einmal anzuschauen: sanft, versöhnlich
und wie an einem Anfang und von nah
und ahnend einzusehn, ^e unpersönlich,
wie über alle hin das Leid geschah
von dem die Kindheit voll war bis zum
Rand — :
Und dann doch fortzugehen, Hand aus Hand
als ob man ein Geheiltes neu zerrisse,
tmd fortzugehn: wohin? Ins Ungewisse
wdt in ein unverwandtes warmes Land,
das hinter allem Handeln wie Kulisse
gleichgültig sein wird: Garten oder Wand;
und fortzugehn: warum 2 Aus Drang, aus Artung,
aus Ungeduld, aus dunkler Erwartung,
aus Unvcrstiindlichkeit und Unverstand:
Dies alles auf sich nehmen und vergebeas
vidieidit Gehaltnes fallen lassen, um
allein zu sterben, wissend nicht vanun —
Ist das der £ingang eines neuen Lebens;
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DER ÖLBAUM- GARTEN
Er ging liinauf unter dem grauen Laub
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände
vind legte seine Stirne voller Staub
tief in das Staubigsein der beißen Hände.
Nach allem dies. Und dieses var der Schluß.
Jetzt soll ich gehen wahrend ich erblinde, . .
und warum willst Du, daß ich sagen muß
Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde.
Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein.
Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein.
Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein.
Ich bin allein mit aller Menschen Gram^ *
den ich durch Dich zu lindern unternahm,
der Du nicht bist. O namenlose Scha m ... / "
Später erzählte man: ein Engel kam — .
Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht
und blätterte gleichgültig in den Bäumen.
Die Jünger rührten sich in ihren Träumen.
\&^m ein £ ngel? Ach es kam die Nacht.
Die Nacht, die kam, ^o^/ar keine ungemeine;
so gehen hunderte vorbd«
Da schlafen Hunde und da liegen Steine.
Ach eine traunge, ach irgendeine,
die vartet bis es wieder Morgen sei.
Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern,
und Nächte werden nicht um solche groß.
Die Sich-VerHerenden läßt alles los,
und sie sind preisgegebe n von den Vätern
und ausgeschlossen aus der Mütter Schoß.
20
PI£TA
So seh ich, Jesus, deine Füße wieder,
die damals eines Jünglings Füße waren,
da ich sie bang entkleidete und wusch;
wie standen sie wtrsrmt in meinen Haaren
und wie tm weißes WM im DomenbuscL
So seh ich deine niegelicbten Glieder
zum erstenmal in dieser Liebesnacht.
Wir leg ton uns noch nie zusammen nieder,
und nun wird nur bewundert und gewacht.
Doch, siehe, deine Hände sind zerrissen — :
Geliebter, nicht von mir, von meinen Bissen.
Dein Herz steht offen und man kann hinein;
das hätte dürfen nur mein Eingang sein.
Nun bist du müde, und dein müder Mund
hat keine Lust zu meinem wehen Munde — .
O Jesus, Jesus, wann war unsre Stunde i;
Wie gehn wir beide wunderlich zugrund.
GESANG DER FRAUEN AN DEN DICHTER
Sieb, wie sich alles auftut: so sind vir;
denn wir nnd nichts als solche Seligkeit.
"Was Blut und Dunkel war in einem Tier
das wuchs in uns zur Seele an und schreit
als Seele veiter. Und es schreit nach dir.
Du freilich nimmst es nur in dein Gesicht
als sei es Landschaft: sanft und ohne Gier.
Und darum meinen vir, du bist es nicht
nach dem es schreit. Und doch, bist du nicht der
an den wir uns ganz ohne Rest verlören?
Und Verden vir in irgend einem mehr?
Mit uns geht das Unendliche vorbei.
Du aber sei, du Mund, daß wir es hören,
du aber, du Uns-sagender: du seL
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DER TOD DES DICHTERS
Er lag. Sein aufgest elltes Antlitz war
bleich und vervdgetnd in den steilen Kissen,
seitdem die "^It und dieses von ihr ^Clssen,
von seinen Sinnen abgerissen,
zurückfiel an das teilnahmslose Jahr.
Die, so ihn leben sahen, wußten nicht,
wie sehr er eines war mit allem diesen,
denn dieses: diese Tiefen, diese Wiesen
und diese Wasser waren sein Gesicht.
O sein Gesicht war diese ganze Weite,
die jetzt noch zu ihm will und um ihn wirbt;
und seine Maske die nun bang ven^bt
ist zart und offen wie die Innenseite
von einer Frucht, die an der Luft verdirbt.
BUDDHA
Als ob er horchte. Stille: eine Ferne . . .
Wir halten ein und hören sie nicht mehr.
Und er ist Stern. Und andre große Sterne
die wir nicht sehen, stehen um ihn her.
O er ist alles. Wirklich, varten vir,
daß er uns sähe? Sollte er bedflrfen?
Und wttm hier uns vor ihm niedenrflrfen,
er bliebe tief und trage wie ein Tier.
Denn das vas uns zu seinen Füßen reißt,
das kreist in ihm seit Millionen Jahren.
Er, der vergißt was wir erfahren
und der erfährt was uns verw eist.
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L'ANGE DU MERIDIEN
CHARIKES
Im Sturm, der um die starke Kathedrale
^e ein Verneiner stürzt der denkt und denkt,
fühJt man sich zärtlicher mit einem Male
von deinem Lächehi zu dir hingelenkt:
lächelnder Engel, Aihlende Figur,
mit einem Mmid, gemacht aus hundert Munden
gewahrst du gar nicht, wie dir unsre Stunden
abgleiten von der vollen Sonnenuhr,
aut^ der des Tages ganze Zahl zugleich,
gleich wirklich, steht in tiefem Gleichgewichte
als vären alle Stunden reif und reich.
"Was weißt du. Steinerner, von unserm Seinr
und haltst du mit noch seligerm Gesichte
vielleicht die Tafel in die Nacht hinein?
DIE KATHEDRALE
In jenen kleinen Städten wo herum
die alten Häuser vie ein Jahrmarkt hocken,
der sie bemerkt hat plötzlich und erschrocken
die Buden ziunadit und ganz zu und stumm,
die Schreier still, die Trommeln angehalten,
zu ihr hinan fhorcht aufgeregten Ohrs — :
dieweii sie ruhig immer in dem alten
Faltenmantel ihrer Contrefbrts
dasteht und von den Häusern gar nicht vdß:
in jenen kleinen Städten kannst du sehn
wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis
die Kathedralen waren. Ihr Erstehn
ging über alles fort, so wie tleji Blick
des eignen Lebens viel zu große Nähe
fortwährend übersteigt und als gesduihe
nichts anderes; als wäre das Geschick
was sich in ihnen aufhäuft ohne Mafien
versteinert und zum Dauernden bestimmt,
nicht das, was unten in den dunkeln Straßen
vom Zufidl irgendwelche Namen nimmt
und darin geht, wie Kinder Grön und Rot
und was der Krämer hat als Schürze tragen.
Da var Geburt in diesen Unterlagen
und Kraft und Andf ang war in diesem ?-?tg^
und Liebe überall wie ''^in und Brot,
und die I'grtale voller Licbesklagen.
Das Leben zögerte im Stundenschiagen, —
lud in den Ttirmen, welche voll Entsagen
auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod.
DAS PORTAL
I
Da blieben sie, als wäre jene Flut
zurückgetreten, deren großes Branden
an diesen Steinen wusch bis sie entstanden ;
sie nahm im Fallen manches Attribut
aus ihren HMnden, welche viel zu gut
und gebend sind um etwas festzuhalten.
Sie blieben, von den Formen in Basalten
durch einen Nimbus, einen Bischofshut,
bisweilen durch ein Lächeln unterschieden,
für das ein Antlitz seiner Stunden Frieden
bewahrt hat als ein stilles Zifferblatt;
jetzt tortgerückt ins Leere ihres Tores,
waren sie einst die Muschel eines Ohres
und hngen jedes Stöhnen dieser Stadt.
U
Sehr viele Weite ist gemeint damit:
so wie mit den Kulissen einer Szene
die "Welt gemeint ist; und so wie durch jene
der Held im Mantel seiner Handlung tritt; -
...ijiu^cd by Google
so tritt das Dunkel dieses Tores handelnd
auf seiner Tiefe tragisches Theater,
so grenzenlos und valiend wie Gott-Vater
und so vie Er sich wunderlich verwandelnd
in einen Sohn, der aufgeteilt ist hier
auf viele kleine beinah stunune Rollen
genommen aus des Elends ZubehGr.
Denn nur noch so entsteht (das wissen wir)
aus Blinden, Fortgeworfenen und Tollen
der Heiland wie eiii einziger Akteur.
in
So ragen sie, die Herzen angehalten,
(sie stehn auf Ewigkeit und gingen nie) ;
nur selten tritt aus dem Gefall der Falten
eine Gebärde, aufrecht, steil wie sie
und bleibt nach einem halben Schritte stehn
WO die Jahrhunderte sie überholen.
Sie sind im Gldchgewicht auf den Konsolen
in denen eine Welt, die sie nicht sehn,
die Welt der Wirrnis, die sie nicht zertraten,
rigor und Tier, irie um «c zu gefährden
sich krümmt und schGttelt und sie dennoch hält:
weil die Gestalten dort wie Akrobaten
sich nur so zuckend und so vild gebärden,
damit der Stab auf ihrer Stirn nicht föllt.
50
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DIE FENSTERROSE
Da drin: das träge Treten ihrer Tatzen
macht eine Stille, die dich fast verwirrt;
und wie dann plötzlich eine von den Katzen
den Blick an ihr, der hin und wieder irrt,
gewaltsam in ihr großes Auge nimmt, —
den Bück, der wie von eines Wirbels Kreis
ergri£Fen, eine kleine \(^ile schvinunt
und dann versinkt und nichts mehr von sich weiß,
wenn dieses Auge, welches scheinbar ruht,
sich auftut und zusammenschlägt mit Tosen
und ihn hineinreißt bis ins rote Blut — :
So grÜFen einstmals aus dem Dunkelsein
der Kathedralen große Fensterrosen
ein Herz und rissen es in Gott hinein.
31
DAS KAPrrÄL
Wie sich aus eines Traignes Ausgeburten
aufsteigend aus verwirrendein Gequal
der nächste Tag erhebt, — so gehn die Gurten
der Wölbung aus dem wirren Kapital
und lassen drin« gedrängt und rätselhaft
vierschlungen, üflgelschlagende Geschöpfe:
ihr Zögern und das Plötzliche der Köpfe
und jene starken Blätter, deren Saft
vie Jähzorn steigt, sich Khließlich Qberschlagend
in einer schnellen Geste die sich ballt
und sich heraushält: alles nuRvlirtsjagend
was immer wieder mit dem Dunkel kalt
herunterfallt, wie Regen Sorge tragend
für dieses alten Wachstums Unterhalt.
3»
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GOTT IM MITTELALTER
Und sie hatten Ihn in »ch erspart
und sie wollten, daß er sei und richte
und sie hängten schließlich wie Gewichte
(zu verhindern seine Himmelfahrt)
an ihn ihrer großen Kathedralen
Last und Masse. Und er sollte nur
Aber seine grenzenlosen Zahlen
zeigend kreisen und vie dne Uhr
Zeichen geben ihrem Tun und Tagwerk.
Aber plötzlich kam er ganz in Gang»
und die Leute der entsetzten Stadt
ließen ihn, vor seiner Stinune bang,
Weitergehn mit ausgehängtem Schlagwerk
und entHohn vor seinem Zifferblatt.
MORGUE
Da liegen sie bereit als ob es gälte
nachträglich eine Handlung zu erfinden,
die miteinander und mit dieser Kälte
sie zu versöhnen veifi und zu verbinden;
denn das ist alles noch wie ohne Schluß.
yffis flQr ein Name hätte in den Taschen
sich finden sollen? An dem Überdruß
um ihren Mund hat man herumgewaschen ;
er ging nicht ab; er wurde nur ganz rein.
Die Bärte stehen, noch ein venig härter
doch ordentlicher im Geschmack der Warter
nur um die GaiFenden nicht anzuwidern.
Die Augen haben hinter ihren Lidern
sich umgewandt und schauen jetzt hinein.
34
DER GEFANGENE
I
Meine Hand hat nur noch eine
Gebärde, mit der sie verscheucht;
auf die alten Steine
fällt es aus Felsen feucht.
Ich hüre nur dieses Klopfen
und mein Herz hält Schritt
mit dem Gehen der Tropfen
und vergeht damit.
Tropften sie doch schneller,
käme doch vieder ein Tier.
Irgendwo war es heller — .
Aber was wissen wir.
n
Denk dir, das was jetzt Himmel ist und Wind,
Luft deinem Mund und deinem Auge Helle,
das würde Stein bis um die kleine Stelle
an der dein Herz und deine Hände sind.
Und was jetzt in dir morgen heifit und: dann
und: späterhin und nächstes Jahr, und weiter —
das vQnie wand in dir und voller Eiter
und schwäre nur und bräche nicht mehr an.
Und das vas var, das wäre irre und
raste in dir hemm, den lieben Mund
der niemals lachte, schäumend von Gelächter.
Und das was Gott war, wäre nur dein \^ächter
und stopfte boshaft in das letzte Loch
ein schmutziges Auge. Und du lebtest doch.
«
DER PANTHER
IM JARDIN DES VlAtTTESt PARIS
Sein Blick ist vom Vorttbeigehn der Stäbe' »^^^^^^
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt«
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist vie ein Tanz von Kraft um dne Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf Pann geht ein Bild hinein,
geht durch der uEeder angespannte Stille — '
und hört im Herzen auf zu sein.
37
DIE GAZELLE
GAZELLA DORCAS
Verzauberte: wie kann der Einklang zweier
erwählter Worte je den Reim cücichen,
der in dir kommt und geht, wie auf ein Zeichen.
Aus deiner Stime steigen Laub und Leier,
und alles Deine geht schon im Vergleich
durch Liebeslieder, deren Worte, weich
wie Rosenblätter, dem der nicht mehr liest
sich auf die Augen legen, die er schließt,
um dich zu sehen: hingetragen, als
^K^e mit Sprüngen jeder Lauf geladen
und schösse nur nicht ab, solang der Hals
das Haupt ins Horchen hält: wie wenn beim Baden
im "Wald die Badende sich imterbricht,
den ^Idsee im gewendeten Gesicht
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DAS EINHORN
Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
fiel vie ein Helm zurück von sdnem Haupte:
denn lautlos nahte sich das niegeglaiibtc,
das weiße Tier, das wie eine geraubte
hilflose Hindin mit den Augen fleht.
Der Beine elFenbcincincs Gestell
bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
ein veißer Glanz glitt selig durch das Fell,
und auf der Tierstim, auf der stillen, lichten,
stand, wie ein Turm im Mond, das Horn so hell,
und jeder Schritt geschah, es aui^urichten.
Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
war leicht gerafft, so daß ein wenig Weiß
(weißer als alles) von den Zähnen glänzte;
die Nüstern nahmen auf und lechzten las.
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
warfen sich Bilder in den Raum
und schlössen einen blauen Sagenkreis.
39
SANKT SEBASTIAN
Wie ein Liegender so steht er; ganz
hingehalten von dem großen Willen.
Wdtentrfickt wie Mütter wenn nt stillen
und in sich gebunden wie ein Kranz.
Und die Pfeile kommen: jetzt und jetzt
und als sprängen sie aus seinen Lenden,
eisern bebend mit den freien Enden.
Doch er lächelt dunkel, unverletzt.
Einmal nur wird eine Trauer groß,
und die Augen liegen schmerzlich bloß
bis sie etwas leugnen, wie Geringes,
und als ließen sie verächtlich los
die Vernichter eines schönen Dinges.
40
DER STIFTER
Das war der Auftrag an die Malergildc.
Vielleidit ihm der Heiland nie erschien;
vielleicht trat auch kein heiliger Bischof milde
an seine Seite wie in diesem Bilde
und legte leise seine Hand auf ihn.
Vielldicht var dieses alles: So zu knien,
(so wie es alles ist, was wir erfuhren):
zu knien: daß man die eigenen Konturen,
die ausvärtsvoUenden, ganz angespannt
im Herzen hUlt, wie Pferde in der Hand.
Daß wenn ein Ungeheueres geschähe,
das nicht versprochen ist und nieverbrieft,
vir hoffen könnten, daß es ims nicht ^e
und näher käme, ganz in unsre Nähe,
mit sich beschäftigt und in sich vertieft.
DER ENGEL
Mit einem Neigen seiner Stime weist
er weit von sich was einschränkt und verpflichtet;
denn durch sein Herz geht riesig aufgerichtet
das ewig Kommende, das kreist.
Die tiefen Himmel stehn ihm voll Gestalten,
imd jede kann ihni rufen: komm, erkenn —
Gib seinen leichten Händen nichts zu halten
aus deinem Lastenden. Sie kämen denn
bei Nacht zu dir, dich ringender zu prüfen
und gingen wie Erzürnte durch das Haus
und griffen dich als ob sie dich erschüfen
und brächen dich aus deiner Form heraus.
4»
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RÖMISCHE SARKOPHAGE
aber hindert uns zu glauben, daß
(so wie wir hingestellt sind und verteilt)
nicht eine kleine Zeit nur Drang und Haß
und dies Venrirrende in uns verreilt, '
wie einst in dem verzierten Sarkophag
bei Ringen, Götterbildern, Gläsern, Bändern,
in langsam dch verzehrenden Gev^dern
ein langsam Aufgelöstes lag —
bis es die unbekannten Munde schluckten,
die niemals reden. (Wo besteht und denkt
ein Hirn, um ihrer einst sich zu bedienen?)
Da wurde von den alten Aquädukten
ewiges Wasser in sie eingelenkt — :
das spiegelt jetzt und geht und glänzt in ihnen.
DER SCHWAN
Diese M^sal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden liinzugchn,
gleidit dem ungeschafFnen Gang des Schw^anes.
Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen — :
in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehn, Flut um Flut;
während er unendlich still tmd dcher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.
44
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KINDHEIT
£5 väce gat viel nachzudenkea» um
von so Verlornem eMras auszusagen,
von jenen langen Kindheit-Nachmittagen,
die so nie wiederkamen — und warum ^
Noch mahnt es uns — : vielleicht in einem Regnen,
aber wir wissen nicht mehr was das soll;
nie wieder war das Leben von Begegnen
von Wiederseim und Weitergehn so voll .
wie damals, da uns nichts geschah als nur
was einem Ding geschieht und einem Tiere;
da lebten wir, wie Menschliches, das Ihre
und wurden bis zum Rande voll Figur.
Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt
imd so mit großen Fernen Oberladen
und wie von weit berufen und berührt
tmd langsam wie ein langer neuer Fäden
in jene Bilder-Folgen eingeführt,
in weichen nun zu dauern uns verwirrt.
45
DER DICHTER
Du entfernst dich von mir, du Stunde.
*^96lindeii schlägt mir dein Flügelschlag«
Allein: vas soll ich mit meinem Munde;
mit meiner Nacht? mit meinem Tag?
Ich habe keine Geliebte, kein Haus,
keine Stelle auf der ich lebe.
Alle Dinge, an die ich mich gebe,
werden reich und geben mich aus.
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OI£ SPITZE
/ ^ r ,
MenschlichkeU: Namen schwankender ^eatze,
noch unl^estätii^er ^stanä^on Gtöck:
ist das unmenschlich, daß zu dieser Spitze,
zu diesem kleinen dichten Spitzenstück
zv^ei Augen wurden? — Willst du sie zurück?
Du Langvcigangene und schlie^Hch Blinde,
ist deine Seligkeit in diesem Ding, / /
zu sicher hin, wie zwischen Stamm und Rinde,
dein großes Fühlen, klönverwandelt, ging?
Durch einen Riß im Schicksal, eine Lücke
ouEOgstdu deine Seele deiner Zeit;
und sie ist so in diesem lichten Stücke
dafi es mich lächeln macht vor Nützlichkeit.
n
Und wenn uns eines Tages dieses Tun
und was an uns gisischiehl gering erschiene
und uns so fremd, als ob nicht verdiene,
daß wir so mühsam aus den Kinderschuh^
um^cjngtwillen wachsen — : Ob die iSahn
rgilhter Spitze, diese dichtgefügte
47
blumige Spitzenbahn, dann nicht genügte,
uns hier zu halten? Sieh: sie ward getan.
Ein Leben ward vielleicht terschmähti wer weiß?
Ein Glück war da und wurde hingegeben,
und endlich wurde doch, um jeden Preis,
dies Ding daraus, nicht leichter als das Leben
und doch vollendet und so schön als sei's
nicht mehr zu früh zu lächeln und zu schweben.
1«
EIN FRAUEN- SCHICKSAL
So vie der König auf der Jagd ein Glas
ergreift, daraus zu trinken, irgendeines, —
und wie hernach der welcher es besaß
es fbrtstellt und verwahrt als war es keines:
so hob vielleicht das Schicksal, durstig auch,
bisweilen Eine an den Mund und trank,
die dann ein kleines Leben, viel zu bang
ae zu zerbrechen, abseits vom Gebrauch
hinstellte in die angstliche Vitrine,
in welcher seine Kostbarkeiten sind .
(oder die Dinge, die flEIr kostbar gelten).
Da stand sie fremd, wie eine Fortgeliehne
und wurde einfach alt und wurde blind
und war nicht kostbar und war niemals selten.
49
DIE GENESENDE
Wie ein Singen kommt und geht in Gassen
und sich nähert und sich wieder scheut,
ilügclschiagend, manchmal fast zu fassen
und dann wieder weit hinausgestreut:
spielt mit der Genesenden das Leben;
während sie, geschwächt und ausgeruht^
unbeholfen, um sich hinzugeben
eine ungewohnte Geste tut.
Und sie Kihlt es beinah wie Verführung
w cnn die hartgewordne Hand, darin
Fieber waren voller Widersinn,
fernher, ^e mit blühender Berührung
zu hebkosen kommt ihr hartes Kinn.
50
DIb ERWACHSENE
Das alles stand auf ihr und var die ^It
und stand auf ihr mit allem, Angst und Gnade,
wie Bäume stehen, wachsend und gerade,
ganz Bild und bÜdlos wie die Bundeslade
und feierlich, wie auf ein Volk gestellt.
Und sie ertrug es; trug bis obenhin
das Fliegende, Entfliehende, Entfernte,
das Ungeheuere, noch Unerlemte
gelassen wie die Wasserträgerin
den vollen Krug. Bis mitten unterm Spiel,
verwandelnd und auf andres vorbereitend,
der erste weiße Schlder, leise gleitend,
über das aufgetane Antlitz fiel
fast undurchsichtig und sich nie mehr hebend
und irgcnd^c auf alle Fragen ihr
nur eine Antwort vage wiedergebend;
In dir, du Kindgewesene, in dir.
TANAGRA
Ein wenig gebrannter Erde,
wie von großer Sonne gebrannt.
Als wäre die Gebärde
einer Mädchenhand
auf einmal nidit meiir veigangen;
ohne nach etwas zu langen
zu keinem Dinge hin
aus ihrem Gefühle Pührcnd,
nur an sich selber rührend
wie eine Hand ans Kinn.
Wir heben und wir drehen
eine und eine Figur;
wir können fast verstehen
weshalb sie nicht veigehen, —
aber wir sollen nur
tieter und wunderbarer
hängen an dem was war
und lächeln: ein wenig klarer
vielleicht als vor einem Jahr.
DIE ERBLINDENDE
Sie safi so vie die anderen beim Tee.
Mir wzr zuerst, als ob sie ihre Tasse
ein wenig anders als die andern fasse.
Sie lächelte einmaL Es tat iast vt^eh.
Und als man schließlich sich erhob und sprach
und langsam und wie es der Zufall brachte
durch viele Zimmer ging, (man sprach und lachte),
da sah ich sie. Sie ging den andern nach,
verhalten, so wie eine, welche gleich
wird singen müssen und vor vielen Leuten^
auf ihren hellen Augen die sich freuten
war Licht von außen wie auf einem Teich.
Sie folgte langsam und sie brauchte lang
als wäre etwas noch nicht überstiegen;
und doch: als ob, nach einem Übergang,
sie nicht mehr gehen würde, sondern fliegen.
53
IN EINEM FREMDEN PARK
BCyRGEBY-GÄRD
Zwei 'Wege sind's. Sie flüuren keinen hin.
Doch manchmal, in Gedanken, läßt der eine
dich wcitergehn. Es ist, als gingst du fehl;
aber auf einmal bist du im Rondel
alleingehusen vieder mit dem Steine
und vieder auf ihm lesend: Freiherrin
Brite Sophie — und ^cder mit dem Finger
abfiihlend die zcrfallne Jahreszahl — -.
Warum wird dieses Finden nicht geringer^
^s zögerst du ganz wie zum erstenmal
erwartungsvoll auf diesem Ulmenplatz,
der feucht und dunkel ist und niebetreten if
•
Und was verlockt dich fllr ein Gegensatz
et>j/as zu suchen in den sonnigen Beeten
als war s der Name eines Rosenstocks?
Was stehst du oft? Was hören deine Ohren?
Und warum siehst du schließlich, wie verloren,
die Falter flimmern um den hohen Phlox.
54
ABSCHIED
"Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ich's noch; ein dunkles iinverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
Wie war ich ohne Wehr dem zuzuschauen
das, da es mich, mich rufend, gehen iieß,
zurückblieb, so als vären's alle Frauen
imd dennoch klein und veiß und nichts als dies:
Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weitervinkendes — , schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeilogen.
55
TODES-ERFAHRUNG
"Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt- Wir haben keinen Grund
Befninderting und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund
tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob vir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefallt.
Doch als du fingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.
Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber deni von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann
uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.
BLAUE HORTENSIE
... »
So vie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.
Sie spiegeln es verveint und ungenau
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist gelb in ihnen violett und grau;
Verwaschnes wie an einer KinderschUrze,
Nichtmehrgetragnes dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.
Doch plötzlich scheint das Blau sich zu vemeuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.
57
VOR DEM SOMMERREGEN
Auf einmal ist aus aliem Grfin im Park
man veiß nicht was, ein Etvas, fortgenommen;
man filhlt ihn näher an die Fenster kommen
und schv/eigsam sein. Inständig nur und stark
ertönt aus dem GehOiz der Regenpieüer,
man denkt an dnen Hieronymus:
so sehr steigt irgend Einsamkeit imd Eifer
aus dieser einen Stimme, die der Guß
erhören wird. Des Saales Wände sind
mit ihren Bildern von uns fortgetreten,
als dürften sie nicht hören was wir sagen.
Es spiegeln die verblichenen Tapeten
das ungewisse Licht von Nachmittagen,
in denen man sich fürchtete als Kind.
IM SAAL
sind sie alle um uns dies« Herrn
in Kammerherrentrachten und Jabots,
wie eine Nacht um ihren Ordensstern
sich immer mehr verdunkelnd, rücksichtslos,
und diese Damen, zart, fragile doch groß
von ihren Kleidern, eine Hand im Schoß
klein wie ein Halsband fllr den Bologneser;
wie sind sie da um jeden: um den Leser,
um den Betrachter dieser Bibelots,
darunter manches ihnen noch gehört
Sie lassen, voller Takt, uns ungestört
das Leben leben wie wir es begreifen
und vie sie s nicht yerstehn. Sie wollten blUhn,
rmd blQhn ist schön sein; doch wir wollen reifen
und das heißt dunkel sein und sich bemühn.
59
LETZTER ABEND
(AUS DEM BESITZE FRAU NONNAS)
Und Nacht und fernes Fahren; denn der Train
des ganzen Heeres zog am Park vorQber.
Er aber hob den Blick vom Clavccln
und spielte noch und sah zu ihr iiinüber
beinah wie man in einen Spiegel schaut:
so sehr erflillt von seinen jungen Zügen
und wissend wie sie seine Trauer trügen
schön und veri^ihrender bei jedem Laut.
Doch plötzlich war's, als ob sich das verwische:
sie stand wie mühsam in der Fensternische
und hielt des Herzens drängendes Geklopil
Sein Spiel gab nach. Von draußen wehte Frische.
Und seltsam fremd stand auf dem Spiegeltische
der schwarze Tschako mit dem Totenkopf^
60
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JUGEND-BILDNIS MEINES VATERS
Im Äuge Traum. Die Stirn wit in Berührung
mit etvas Fernem. Um den Mund enorm
viel Jugend, ungelächeltc Verführung,
und vor der vollen schmückenden Verschnürung
der schlanken adeligen Uniform
der Säbelkorb und bdde Hände — , die
abwarten, ruhig, zu nichts hingedrängt.
Und nun fast nicht mehr sichtbar: als ob sie
zuerst, die Fernes greifenden, verschwänden.
Und alles andre mit sich selbst verhängt
imd ausgelöscht als ob wk*s nicht verständen
und ticl: aus seiner eignen Tiefe trüb — .
Du schnell vergehendes Daguerreotyp
in meinen langsamer vergehenden Händen.
SELBSTBILDNIS AUS DEM JAHRE 1906
Des alten lange adligen Geschlechtes
Feststehendes im Augenbogenbau.
Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau
und Demut da und dort, nicht eines Knedites
doch eines Dienenden und einer Frau.
Der Mund als Mund gemacht, groß und genau,
nicht überredend, aber ein Gerechtes
Aussagendes. Die Stirnc ohne Schlechtes
und gern im Schatten stiller Niederschau.
Das, als Zusammenhang, erst nur geahnt;
noch nie im Leiden oder im GcHngen
zusammgefaßt zu dauerndem Durchdringen,
doch so, als väre mit zerstreuten Dingen
von fern ein Ernstes, "Wirkliches geplant.
6z
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DEK KÖNIG
Der König ist sechzehn Jahre alt.
Sechzehn Jahre und schon der Staat.
Er schaut, wie aus einem Hinterhalt,
vorbei an den Greisen vom Rat
in den Saal hinein und irgendwohin
und fbhlt vielleicht nur dies:
an dem schmalen langen harten Kinn
die kalte Kette vom Vlies.
Das Todesurteil vor ihm bleibt
lang ohne Namenszug.
Und sie denken: wie er sich quält.
Sie wOfiten, kennten sie ihn genug,
dal5 ci nur langsam bis siebzig zUlik
eh er es unterschreibL
AUFERSTEHUNG
Der Graf ▼emimmt die Töne,
er neht eineti tichten Riß;
er weckt seine dreizehn Sühne
im Erb-Begräbnis.
Er grOßt seine beiden Frauen
ehrerbietig von weit — ;
und alle voll Vertrauen
stehn auf zur Evigkdt
und warten nur noch auf Erich
und Uhiken Dorotheen,
die sieben- und dreizehnjährig
(sechzehnhundertzehn)
verstorben sind in Flandern,
um heute vor den andern
unbeirrt herzugehn.
<54
DER FAHNENTRÄGER
Die andern ftlhlen alles an sich rauh
und ohne Anteil: Eisen, Zeug und Lcder.
Zwzr manchmal schmeichelt eine reiche Feder,
doch sehr allein lieblos ist ein jeder;
er aber trägt — als trüg er eine Frau —
die Fahne in dem feierlichen Kleide.
Dicht hinter ihm geht ihre schwere Seide,
die manchmal über seine Hände fließt.
Er kann allein, wenn er die Augen schließt,
ein Lächeln sehn: er darf sie nicht verlassen.
Und wenn es kommt in blitzenden KÜrassen
und nachilir greift und ringt und will sie fassen — :
dann darf er sie abreißen von dem Stocke
als riß er sie aus ihrem Mädchentum
um sie zu halten unterm ^^alFenrocke.
Und für die andern ist das Mut und Ruhm.
6s
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DER LETZTE GRAF VON BREDERODE
ENTZIEHT SICH TÜRKISCHER GEFANGEN-
SCHAFT
Sie folgten furchtbar; ihren bunten Tod
von ferne nach ihm werfend, während er
verloren floh, nichts weiter als: bedroht.
Die Ferne seiner Väter schien nicht mehr
für ihn zu gelten; denn um so zu thchn
genügt ein Tier vor Jägern. Bis der Fkiß
aufrauschte nah und blitzend. Ein Entschluß
hob ihn samt seiner Not und machte ihn
wieder zum Knaben fürstUchen Geblütes.
Ein Liicheln adehger Frauen goß
noch einmal Süßigkeit in sbin verfrühtes
vollendetes Gesicht. Er zwang sein Roß
groß wie sein Herz zu gelin> sein bhitdurchglülites:
es trug ihn in den Strom wie in sein Schloß.
66
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DIE COURUSANE
Venedigs Sonne wird in meinem Haar
dn Gold bereiten: alier Alchemie
erlauchten Ausgang. Meine Brauen, die
den Brücken gleichen, sielist du sie
hinfliliren ob der lautlosen Gefahr
der Augen, die ein heimlicher Verkehr
an die Kanäle schließt, so daß das Meer
in ihnen steigt und fäUt und wechselt. Wer
mich einmal sah, beneidet meinen Hund,
weil sich auf ihm oft in zerstreuter Pause
die Hand, die nie an keiner Glut verkohlt,
die unverwundbare, geschmückt, erholt — .
Und Knaben, Hoffnungen aus altem Hause,
gehn wie an Gift an meinem Mimd zugrund.
DIE TREPPE DEK ORANGERIE
VERSAILLES
Wie Könige die schließlich nur noch schreiten
fast ohne Ziel, nur um von Zeit zu Zeit
sich den Verneigenden auf beiden Seiten
zu zeigen in des Mantels Einsamkeit — :
so steigt, allein zwischen den Balustraden,
die sich verneigen schon seit Anbeginn,
die Treppe: langsam und von Gottes Gnaden
und auf den Himmel zu und nirgends hin;
als ob sie allen folgenden befahl
zurückzubleiben, — so daß sie nicht vagen
von ferne nachzugehen; nicht einmal
die schwere Schleppe durfte einer tragen.
6%
DER MARMOR-KARREN
PARIS
Auf Pferde, sieben ziehende, verteilt
ver^randelt Niebewegtes sich in Schritte;
denn wzs hochmQtig in des Mannors Mitte
an Alter, Widerstand und All verweilt
das zeigt mk unter Menschen. Siehe, nicht
unkenntlich, unter irgend einem Namen,
nein: wie der Held das Drängen in den Dramen
erst sichtbar macht und plötzlich unterbricht:
so kommt es durch den stauenden Verlauf
des Tages, kommt in seinem ganzen Staate,
als ob ein großer Xriumphator nahte
langsam zuletzt; und langsam vor ihm her
Gefangene, von seiner Schwere schwer.
Und naht noch inmier und hält alles auf.
69
BUDDHA
Schon von ferne fülilt der fremde scheue
Pilger wit es golden von ihm ti^uft;
so als hätten Reiche voller Reue
ihre Heimlichkeiten aufgehäuft.
Aber näher kommend wird er irre
vor der Hoheit dieser Aiigenbraiin:
denn das sind nicht ihre Trinkgeschirre
und die Ohrgehänge ihrer Fraun.
Wößte einer denn zu sagen, welche
Dinge eingeschmolzen wurden, um
dieses Bild auf diesem Blumenkelche
aufzurichten: stummer, ruhiggclber
als ein goldenes und rundherum
auch den Raum berührend ^e sich selber.
70
RÖMISCHE FONTÄNE
BORGHjESE
Zwei Becken, eins das andre übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen ^QCteer leis sich nagend
zum Wasser, welches unten wartend stand,
dem leise redenden ^ntgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;
sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und trupfenweis
sich niederlassend an den Moosbehangen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.
71
DAS.KARUSSELL
JARDIN DU LUX£MBOURG
Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
skh eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land
das lange zögert eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser roter Löve geht mit ihnen
imd dann und wann ein wdßer Elefant.
•
Sogar ein Hirsch ist da ganz vie im Waiiy
nur daß er einen Sattel tragt und drüber
ein kleines «blaues Mädchen angeschnallt.
Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.
Und dann und wann ein weißer Elefant.
Und auf den Pferden kommen sie vorüber
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwünge
schauen sie auf, irgendwohin, herüber —
Und dann und wann ein weißer Elefant.
7»
y u,^cd by Google
Und das geht hin und eilt sich, daß es endet
und kreist und dreht sich nur und hält kein Ziel.
Ein Rot, ein Grflh, ein Grau vorbeigesendet»
ein kleines kaum begonnenes Profil.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges» das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel. *
71
SPANISCHE TANZEBJN
in der Hand ein Schvefelzfindholz, weiß»
eh es zur Flamme kommt, nach allen Seiten
zuckende Zungen streckt — : beginnt im Kreis
naher Beschauer hastig, heil und heiß
ihr runder Tanz sich zuckend auszabreiten.
Und plötzlich ist er Flamme ganz und gar.
Mit ihrem Blick entzündet sie ihr Haar
imd dreht auf einmal mit gesagter Kunst
ihr ganzes KleiJ in diese Feuersbriinst,
aus welcher sich, wie Schlangen die erschrecken,
die nackten Arme wach und klappernd strecken.
Und dann: als würde ihr das Feuer knapp
nimmt sie es ganz zusanim und wirft es ab
sehr herrisch, mit hochmütiger Gebärde
und schaut: da liegt es rasend auf der Erde
und flammt noch immer und ergibt sich nicht — .
Doch sieghaft, sicher und mit einem süßen
grüßenden Lächeln hebt sie ihr Gesicht
und stampft es aus mit kleinen festen Füßen.
74
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DER TÜRM
TÖVR ST.-NIGOLAS1 FUHNES
Erdinneres. Als väre dort, vohin
du blindlings steigst, erst Erdenoberfläche,
zu der du steigst im schrägen Bett der Bäche,
die langsam aus dem suchenden Gerinn
der Dunkelheit entsprungen sind, durch die
sich dein Gesicht, wie auferstehend, drängt
und die du plötzlich siehst, als fiele sie
aus diesem Abgrund, der dich überhängt
und den du, wie er riesig über dir
sich umstürzt in dem dämmernden Gestühle,
erkennst, erschreckt und fürchtend, im Gefühle:
o wenn er steigt, behangen wie ein Stier — :
Da aber nimmt dich aus der engen Endung
windiges Licht Fast fliegend siehst du hier
die Himmel wieder, Blendung über Blendung
und dort die Tiefen, wach und voll Verwendung
und kleine Tage wie bei Patenier,
gleichzeitige, mit Stunde neben Stunde,
durch die die Drücken springen wie die Hunde,
dem hellen \!^ege immer auf der Spur,
75
den unbeholfne Häuser manchmal nur
verbergen, bis er ganz im Uintergninde
beruhige geht durch Buschwerk und Natur.
7<5
DER PLATZ
FURNES
Willkürlich von Gewesnem ausgeweitet:
von und Aufruhr, von dem Kunterbunt
das die Verurtdlten zu Tod begleitet,
von Buden, von der Jahrmarktsrufer Mund,
und von dem Herzog der vorüberreitet
und von dem Hochmut von Burgund,
(auf allen Seiten I&tergrund):
ladet der Platz ziun Einzug seiner Weite
die fernen Fenster unaufhörlich ein,
während sich das Gefolge und Geleite
der Leere langsam an den Handclsreihn
verteilt und ordnet. In die Giebel steigend
wollen die kleinen Häuser alles sehn,
die Türme vor einander scheu verschweigend
die immer maßlos hinter ihnen stehn.
77
QUAI DU ROSAIRE
BRÜGGE
Die Gassen haben einen saciiten Gang
(^e manchmal Menschen gehen im Genesen
nachdenkend: was ist früher hier ge\x^esen?^
und die an Plätze kommen warten lang
auf eine andre, die mit einem Schritt
über das abendklare "^sser tritt,
darin, je mehr sich rings die Dinge mildern,
die eingehängte Welt von Spiegelbildern
so wirklich wird wie diese Dinge nie.
Verging nicht diese Stadt? Nun siehst du, wie
(nach einem unbegreiHichen Gesetz)
sie wach und deutlich wird im Umgestellten,
als wäre dort das Leben mcht so selten;
dort hangen jetzt die Garton groß und gelten,
dort dreJit sich plützlich hinter schnell erhellten
Fenstern der Tanz in den Estaminets.
Und oben blieb? — Die Stille nur, ich glaube,
imd kostet langsam und von nichts gedrängt
Beere um Beere aus der süßen Traube
des Glocken^ids das in den Himmeln hängt.
7«
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BEGUINAGE
BEGUINAGE SAINTE-ELISABETH, BRÜGGE
I
Das hohe Tor scheint keine dnzuhalten,
die Brficke geht gleich gerne hin und her,
und doch sind »eher alle in dem alten
offenen Ulmenhof und gehn nicht mehr
aus ihren Häusern, als auf jenem Streifen
zur Kirche hiii, um besser zu begreifen
warum in ihnen so viel Liebe mr.
Dort kniecn sie, verdeckt mit reinem Leinen
so gleich, als wäre nur das Bild der einen
tausendmal im Choral, der tief und klar
zu Spiegeln wird an den verteilten Pfeilern;
und ihre Stimmen gehn den immer steilern
Gesang hinan und werfen sich von dort,
wo es nicht weitergeht, vom letzten "^rt,
den Engeln zu, die sie nicht wiedergeben.
Drum sind die unten, wenn sie sich erheben
und wenden,still. Drum reichen sie sich schweigend
mit einem N^en, Zeigende zu zeigend
Empfangenden, geweihtes "^^asser, das
die Stirnen kühl macht und die Munde blaß«
79
Und gehen dann, verhangen und verhalten,
auf jenem Streifen wieder überquer —
die Jungen ruhig, ungewiß die Alten
und. eine Greisin» veilend, hinterher —
zu ihren Häusern, die sie schnell verschweigen,
und die sich durch die Uhiien hin von Zeit
zu Zeit ein wenig reine Einsamkeit,
in einer kleinen Scheibe schinunemd, zeigen.
n
aber spiegelt mit den tausend Scheiben
das Rirchenfenster in den Hof hinein,
darin sich Schweigen, Schein und Widerschein
vcrmisciicn, trinken, trüben, übertreiben
phantastisch alternd wie ein alter Wein,
Dort legt sich, keiner weiß von welcher Seite,
Außen auf Inneres und Ewigkeit
auf Immer-Hingchn, Weite über Weite
erblindend, finster, unbenutzt, verbleit.
Dort bleibt, unter dem schwankenden I^ckor
des Sommertags, das Graue alter Winter:
als stünde regungslos ein sanitgesinnter
langmütig lange "^QCtoender dahinter
und eine weinend Wartende davor.
80
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DIE MARIEN-PROZESSION
GENT
Aus allen Türmen stürzt sich, Fluß um Fluß,
hinfallendes Metall in solchen Massen
als sollte drunten in der Form der Gassen
ein blanker Tag erstehn aus Bronzeguß,
an dessen Rand, gehämmert und erhaben,
zu sehen ist der buntgebundne Zug
der leichten Mädchen und der neuen Knaben,
und wie er \(^ellen schlug und trieb und trug,
hinabgehalten yon dem Ungewissen
Gewicht der Fahnen und von Hindernissen
gehemmt, unsichtbar wie die Hand des Herrn;
und drüben plötzlich beinah mitgerissen
vom Aufstieg aufgescheuchter Räucherbecken,
die fliegend, alle sieben, wie im Schrecken
an ihren Silberketten zerrn.
Die Böschung Schauender umschließt die Schiene,
in der das alles stockt und rauscht und rollt:
das Konmiende, das Chryselephantine,
aus dem sich zu Baikonen Baldachine
aufbäumen, schwankend im Behang von Gold.
8i
Und sie erkennen über all dem Weißen,
getragen und im spamschen Gewand,
das alte Standbild mit dem kleinen heifien
Gesichte und dem Kinde auf der Hand
und knien hin, je mehr es naht und naht,
in seiner Krone ahnungslos veraltend
und immer noch das Segnen hölzern haltend
aus dem sich groß gebärdenden Brokat.
Da aber wie es an den Hingeknieten
vorüberkommt, die scheu von unten schaun,
da scheint es seinen Trägem zu gebieten
mit einem Hochziehn seiner Augenbraun,
hochmütig ungehalten und bestimmt :
so daß sie staunen, stehn und fiberlegen
und schließlich zögernd gehn. Sie aber nimmt
in sich die Schritte dieses ganzen Stromes
tmd geht, allein, vie auf erkannten Wegen
dem Glockendonnern des großoffhen Domes
auf hundert Schultern frauenhaft entgegen.
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DIE INSEL
NORDSEE
Die nächste Flut verwischt den im WattJ^
und alles wird auf allen Seiten gleich;
die kleine Insel draußen aber hat
die Augen zu; verwirrend kreist der Deich
tun ihre "^hner, die in einen Schlaf
geboren werden, drin sie viele Welten
verwechseln schweigend; denn sie reden selten
und jeder Satz ist ^e ein Epitaph
&ir etwas Angeschwemmtes, Unbekanntes,
das unerklärt zu ihnen kommt und bleibt.
Und so ist alles was ihr Bück beschreibt
von Kindheit an: nicht auf sie Angewandtes,
zu Großes, Rücksichtsloses, Hergesandtes,
das ihre Einsamkeit noch übertreibt.
n
Als läge er in einem Krater-Kreise
auf einem Mond: ist jeder Hof umdämmt,
und drin die Gärten sind auf gleiche Weise
gekleidet und wie Waisen gleich gekämmt
von jenem Sturm, der sie so rauh erzieht
und tagelang sie bange macht mit Toden.
Dann sitzt man in den Häusern drin und sieht
in schiefen Spiegeln was auf den Kommoden
Seltsames steht. Und einer von den Söhnen
tritt abends vor die Tür und zieht ein Tönen
aus der Harmonika wie Weinen weich;
so hörte er's in einem fremden Hafen — .
Und draußen formt sich eines von den Schafen
ganz grofi, fast drohend, auf dem Außendeich.
m
Nah ist nur Innres; alles andre fern.
Und dieses Innere gedrängt und täglich
mit allem überf^t und ganz unsäglich.
Die Insel ist vie ein zu kleiner Stern,
welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstört
in seinem unbewußten Furchtbarsein,
so daß er, unerhellt und überhört,
allein
damit dies alles doch ein Ende nehme
dunkel auf einer seibsterfundnen Bahn
versucht zu gehen, blindlings, nicht im Plan
der \^ndelsterne, Sonnen und Systeme.
84
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HETAREN-GRABER
In ihren langen Haaren liegen sie
mit braunen, tief in sich gegangenen Gesichtern.
Die Augen zu vie vor zu vieler Feme.
Skelette, Munde, Blumen. In den Munden
die glatten Zähne wie ein Rciseschachspiel
aus Elfenbein in Reihen aü^estellt.
Und Blumen, gelbe Perlen, schlanke Knochen,
Hände und Hemden, welkende Gewebe
über dem eingestürzten Herzen. Aber
dort unter jenen Ringen, Taüsmanen
und augenblauen Steinen (Lieblings-Angedenken)
steht noch die stille Krypta des Geschlechtes,
bis an die Wölbung voll mit Bliimenbrättern.
Und wieder gelbe Perlen, weitverrollte, —
Schalen gebrannten Tones, deren Bug
ihr eignes Bild geäert hat, grOne Scherben
von Salben-Vasen, die wie Blumen duften,
und Formen kleiner Götter: liausaltare,
Hetärenhimmel mit entzückten Göttern.
Gesprengte Gürtel, flache Skarabäen,
kleine Figuren rieagen Geschlechtes,
ein Mund der lacht und Tanzende und Läufer,
goldene Fibeln, kleinen Bogen lihnlich
zur Jagd auf Tier- und Vogelamuiette,
»
8j
und lange Nadeln, zieres Hausgeräte
und eine runde Scherbe roten Grundes
darauf, wie eines Eingangs schwarze Anschrift,
die straffen Beine eines Viergespannes.
Und wieder Blumen, Perlen, die verrollt sind,
die hellen Lenden einer kleinen Leier,
und zwischen Schldem, die gleich Nebeln fällen,
wie ausgekrochen aus des Schuhes Puppe:
des Fußgelenkes leichter Schmetterling.
So liegen ae mit Dingen angefüllt,
kostbaren Dingen, Steinen, Spielzeug, Hausrat,
zerschlagnem Tand (was alles in sie abfiel)
und dunkeln wie der Grund von einem Fluß.
Flußbetten waren sie,
darüber hin in kurzen schnellen Wellen
(die weiter wollten zu dem nächsten Leben)
die Leiber vieler Jünglinge sich stürzten
und in denen der Männer Ströme rauschten.
Und manchmal brachen Knaben aus den Bergen
der Kindheit kamen zagen Falles nieder
und spielten mit den Dingen auf dem Grunde,
bis das Gefalle ihr Gefühl ergriflp;
Dann füllten sie mit flachem klaren \(^asser
die ganze Breite dieses breiten Weges
%6
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und trieben Wirbel an den tiefen Stellen;
und spiegelten zum erstenmal die Ufer
und ferne Vogelrufe» während hoch
die Stcmennächte eines sOßen Landes
in Himmel wuchsen, die &ich nirgends schlössen.
«7
ORPHEUS. EURYDIKE. HERMES
Das war der Seelen wunderliches Bergwerk.
Wie stille Silbererze gingen sie
als Adern durch sein Dunkel. Zwischen "Wurzeln
entsprang das Blut, das fortgeht zu den Menschen,
und schwer wie Porphyr sah es aus im Dunkel.
Sonst war nichts Rotes.
Felsen war da
und wesenlose Wälder. Brücken über Leeres
und jener große graue, blinde Teich,
der über seinem fernen Grunde hing
wie Regenhimmcl über einer Landschaft.
Und zwischen Wiesen, sanft und voller Langmut
erschien des einen Weges blasser Streifen
wie eine lange Bleiche hingelegt.
Und dieses einen Weges kamen sie.
Voran der schlanke Mann im blauen Mantel,
der stumm und ungeduldig vor sich aussah.
Ohne zu kauen fraß sein Schritt den Weg
in großen Bissen; seine Hände hingen
schwer und verschlossen aus dem Fall der Falten
und wußten nicht mehr von der leichten Leier,
88
Dic)
die in die Linke eingewachsen war
wie Rosenranken in den Ast des Ölbaums.
Und seine Sinne waren wie entzweit:
indes der Blick ihm wie ein Hund voranslief,
umkehrte, kam und immer wieder weit
und wartend an der nächsten Wendung stand, —
blieb sein Gehör wie ein Gerudi zurück.
Manchmal erschien es ihm, als reichte es
bis an das Gehen jener beiden andern,
die folgen sollten diesen ganzen Aufstieg.
Dann wieder war's nur seines Steigens Nachklang
tmd seines Mantels yiTmd was hinter ihm war.
Er aber sagte sich, sie kämen doch;
sagte CS laut und hörte sich verhallen.
Sie kämen doch, nur wären's zwei
die furchtbar leise gingen. Dürfte er
sich einmal wenden (wäre das Zurückschaun
nicht die Zersetzung dieses ganzen Werkes,
das erst vollbracht wird), müßte er sie sehen,
die beiden Leisen, die ihm schweigend nachgehn:
Den Gott des Ganges und der weiten Botschaft,
die Reisehaube über hellen Augen,
den schlanken Stab hertragend vor dem Leibe
und flügelschlagend an den Fußgelenken;
und seiner linken Hand gegeben: sie.
8s,
Die So-geliebte, daß aus einer Leier
mehr Klage kam als je aus Klagefrauen;
dafi eine yXklt aus Klage wanl, in der
alles noch einmal da war: Wald und Tal
und '^'eg und (Ortschaft, Feld und Fluß und Tierj
und daß um diese Klage-Welt ganz so
wie um die andre Erde eine Sonne
und ein gestirnter stiller Himmel ging,
ein Klagehimmel mit entstellten Sternen — :
Diese So-geliebte.
Sie aber ging an jenes Gottes Hand,
den Schritt beschränkt von langen Leichenbändem,
unsicher, sanft und ohne Ungeduld.
Sie war in sich wie Eine hoher Hoffnung
und dachte nicht des Mannes der voranging
und nicht des Weges, der ins Leben aufstieg.
Sie war in ^cL Und ihr Gestorbensein
erfüllte sie wie FfiUe.
Wie eine Frucht von Süßigkeit und Dunkel,
so war sie voll von ihrem großen Tode,
der also neu war, daß sie nichts begrüF.
Sie war in einem neuen Mädchentum
imd unberdhrbar; ihr Geschlecht war zu
wie eine junge Blume gegen Abend,
und ihre Hände waren der Vermählung
90
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so sehr entwöhnt, daß selbst des leichten Gottes
unendlich Idse leitende Bertthning
sie kr*ankte wie zu sehr Vertraulichkeit.
Sie war schon nicht mehr diese blonde Frau,
die in des Dichters Liedern manchmal anklang,
nicht mehr des breiten Bettes Duft und Eiland .
und jenes Mannes £igentum nicht mehr.
Sie w2Lr schon aufgelöst wie langes Haar
und hingegeben wie gefallner Regen
und ausgeteilt wie hundertfacher Vorrat
Sie war schon '^QPbrzeL
Und als plötzlich jäh
der Gott sie anhielt und mit Schmerz im Ausruf
die "^orte sprach: £r hat sich umgewendet — ,
begri£Fsie nichts und sagte leise: Wer}
Fem aber, dunkel vor dem klaren Ausgang,
stand irgend jemand, dessen Angesicht
nicht zu erkennen war. Hr stand und sah,
wie auf dem Streifen eines Wiesenpfades
mit trauervollem Blick der Gott der Botschaft
sich schweigend wandte, der Gestalt zu folgen,
die schon zurückging dieses selben Weges,
den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern,
unsicher, sanft und ohne Ungeduld.
ALKESTIS
Da plötziidi war der Bote unter ihnen,
liineiiigevorfen in das Überkochen
des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz. .
Sic ffihlten nicht, die Trinkenden, des Gottes
heimlichen Eintritt, welcher seine Gottheit
so an sich hielt wie einen nassen Mantel
und ihrer einer schien^ der oder jener,
wie er so durchging. Aber plötzlich sah
mitten im Sprechen einer von den Gästen
den jungen Hausherrn oben an dem Tische,
wie in die Höh gerissen, nicht mehr liegend
und überall und mit dem ganzen \6^en
ein Fremdes spiegelnd., das ihn furchtbar ansprach.
Und gleich darauf, als klärte sich die Ivlischung,
war Sdlie; nur mit einem Satz am Boden
von trObem Lärm imd einem Niederschlag
fällenden Lallens, schon verdorben riechend
nach dumpfem umgestandenen Gelächter.
Und da erkannten sie den schlanken Gott,
und wie er dastand, innerlich voll Sendung
und unerbittlich, — wußten sie es beinah.
Und doch, als es gesagt war, w ar es melir
als alles Wissen, gar nicht zu begreifen.
Admet mufi sterben. W^nn? In dieser Stunde.
9»
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Der aber brach die Schale seines Schreckens
in Stücken ab und streckte seine Hände
heraus aus ihr, um mit dem Gott zu handein.
Um Jahre, um ein einzig Jahr noch Jugend,
um Monate, um "^QCbchen, um paar Tage,
ach. Tage nicht, um Naclitc, nur um eine,
um eine Nacht, um diese nur: um die.
Der Gott verneinte und da schrie er auf
imd schrie*s hinaus und hielt es nicht und schrie
wie seine Mutter aufschrie beim Gebären.
Und die trat zu ihm, eine alte Frau
imd auch der Vater kam, der alte Vater,
und beide standen, alt, veraltet, ratlos,
beim Schreienden, der plötzlich, wie noch nie
so nah, ae ansah, abbrach, schluckte, sagte:
Vater,
liegt dir denn viel daran an diesem Rest,
an diesem Satz, der dich beim Schlingen hindert?
Geh, gieß ihn weg. Und du, du alte Frau,
Matrone,
\ras tust du denn noch hier: du hast geboren.
Und beide hielt er sie wie Opfertiere
in einem Griff. Auf einmal ließ er los
und stieß die Alten fort^ voll Einfiill, strahlend
und atemholend, rufend: Kreon, Kreon!
91
Und nichts als das; und nichts als diesen Namen.
Aber in seinem Antlitz stand das Andere,
das er nicht sagte, namenlos erwartend,
wie er s dem jungen Freunde, dem Geliebten,
erglQhend hinhielt Obern virren Tisch.
Die Alten, (stand da) siehst du, sind kein Loskauf,
sie sind verbraucht und schlecht und beinah wertlos,
du aber, du, in deiner ganzen Schönheit —
Da aber sah er seinen Freund nicht mehr.
£r blieb zurück und das was kam war &ie,
ein wenig kleiner fast als er sie kannte
und leicht und traurig in dem bleichen Brauddeid.
Die andern alle sind nur ihre Gasse,
durch die sie kommt und kommt — ; (gleich wird
sie da sein
in seinen Armen, die sich schmerzhaft auftun).
Doch wie er wartet, spricht sie; nicht zu ihm.
Sic spricht zum Gotte und der Gott vernimmt sie
und alle hören s gleichsam erst im Gotte:
Ersatz kann keiner Für ihn sein. Ich bin's.
Ich bin Ersatz. Denn keiner ist zu Ende
wie ich es bin. Was bleibt mir denn von dem
was ich hier war? Das ist*s ja, daß ich sterbe.
Hat sie dir's nicht gesagt, da sie dir s auftrug,
9i
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daß jenes Lager, das da drinnen vartet, . .
zur Unterveit gehört? Ich nahm ja Abschied.
Abschied über Abschied.
Kein vSterbender nimmt melir davon. Ich ging ja,
damit das Alles, unter dem begraben
der jetzt mein Gatte is^ zergeht, sich auflöst — •
So f^Bhr mich hin: ich sterbe ja ftr ihn.
Und vie der "Wind auf hoher See, der umspringt,
so trat der Gott fast wie zu einer Toten
und war auf einmal weit von ihrem Gatten
dem er, versteckt in einem kleinen Zeichen,
die hundert Leben dieser Erde zuwarf.
Der stürzte taumelnd zu den beiden hin
imd griff nach ihnen wie im Traum* Sie gingen
schon auf den Eingang zu, in dem die Frauen
verweint sich drängten. Aber einmal sah
er noch des Mädchens Antlitz, das sich wandte
mit einem Lächeln, hell wie eine Hofihung,
die beinah ein Versprechen war: erwachsen
zurückzukommen aus dem tiefen Tode
zu ihm, dem Lebenden —
Da schlug er jäh
die Hände vors Gesicht, wie er so kniete,
um nichts zu sehen mehr nach diesem Lächek.
95
GEBURT DER VENUS
An diesem Morgen nach der Nacht, die bang
vergangen var mit Rufen, Unruh, Aufruhr, —
brach alles Meer noch einmal auf und schrie.
Und als der Schrei sich langsam wieder schloß
und von der Himmel blassem Tag und Anfang
herabfiel in der stummen Fische Abgrund — :
gebar das Meer.
Von erster Sonne schimmerte der Haarschaum
der weiten ^ogenscham, an deren Rand
das Madchen aufstand, weiß, verwirrt und feucht.
So wie ein junges grünes Blatt sich' röhrt,
sich reckt und Eingerolltes langsam aufschlägt,
entfaltete ihr Leib sich in die Kühle
hinein und in den unberührten Frühwind.
'Wie Monde stiegen klar die Knie auf
und tauchten in der Schenkel "Wblkcnränder;
der Waden schmaler Schatten wich zurück,
die Füße spannten sich und wurden licht,
und die Gelenke lebten wie die Kehlen
von Trinkenden.
Und in dem Kelch des Beckens lag der Leib
wie eine junge Frucht in eines Kindes Hand.
^6
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In seines Nabels engem Becher var
das ganze Dunkel dieses hellen Lebens.
Darunter hob sich Jicht die kleine Welle
und floß beständig über nach den Lenden,
wo dann und wann ein stilles Rieseln war.
Durchschienen aber und noch ohne Schatten,
wie ein Bestand von Birken im April,
warm, leer und unverborgen lag die Scham.
Jetzt stand der Schultern rege Wage schon
im Gleichgewichte auf dem graden Körper,
der aus dem Becken wie ein Springbrunn aufstieg
und zögernd in den langen Armen abfiel
und rascher in dem vollen Fall des Haars.
Dann ging sehr langsam das Gesicht vorbei:
aus dem verkürzten Dunkel seiner Neigung
in klares, wagrechtes Erhobensein.
Und hinter ihm verschloß sich steil das Kinn.
Jetzt, da der Hals gestreckt war wie ein Strahl
und wie ein Blumenstiel, darin der Saft steigt,
streckten sich auch die Arme aus wie Hälse
von Schwänen, wenn sie nach dem Ufer suchen.
Dann kam in dieses Leibes dunkle FrGhe
wie Morgenwind der erste Atem^nig.
97
Im zartesten Geäst der Adcrbäumc
entstand ein Flüstern, und das Blut begann
zu rauschen fiber seinen tiefen Stellen.
Und dieser Wind ^«nichs an: nun varf er sich
mit allem Atem in die neuen Brüste
und füllte sie und drückte sich in sie, —
daß sie ^e Segel, von der Feme voll,
das leichte Mädchen nach dem Strande drängten.
So landete die Göttin.
Hinter ihr,
die rasch dahinschritt durch die jungen Ufer,
erhoben sich den gan/cn Vormittag
die Blumen und die Halme, warm, verwirrt
wie aus Umarmung. Und sie ging und lief.
Am Mittag aber, in der schwersten Stunde,
hob sich das Meer noch einmal auf und warf
einen Delphin an jene selbe Stelle.
Tot, rot und offen.
,8
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DIE &OSENSCHALE
Zornige sahst du flackern, sahst zvei Knaben
zu einem Etwas sich zusammenballen,
das Hali war und sich auf der Erde wälzte
vie ein von Bienen überfallnes Tier;
Schauspieler, au^etürmte Übertreiber,
rasende Pferde, die zusammenbrachen,
den BUck wegwerfend, blakend das Gebiß
als schälte sich der Schädel aus dem Maule.
Nun aber ^eiiSt du, wie sich das vergißt:
denn vor dir steht die volle Rosenschaie,
die unvergeßlich ist und angefüllt
mit jenem Äußersten von Sein und Neigen,
Hinhalten, Niemals-Gebenkönnen, Dastehn,
das unser sein mag: Äußerstes auch uns.
Lautloses Leben, Aufgehn ohne Ende,
Raum-brauchen ohne Ranni von jenem Raum .
zu nehmen, den die Dinge rings verringern,
fast nicht Umrissen-sein wie Ausgespartes
utid lauter Inneres, viel seltsam Zartes
und Sich-bcscheinendes bis an den Rand;
ist irgend etwas uns bekannt wie dies?
Und dann wie dies: daß ein Gefiihl entsteht,
weil Blütenblätter Blütenblätter rühren?
99
D
Und dies: daß eins sich aufschlägt wie ein Lid,
und drunter liegen lauter Augenlider,
geschlossene, als ob sie zehn^ch schlafend
zu dampfen hätten eines Innern Sehkraft.
Und dies vor allem: daß durch diese Blatter
das Licht hindurch muß. Aus den tausend Himmeln
filtern sie langsam jenen Tropfen Dunkel,
in dessen feuerscheiii das wirre Bündel
der Staubgefäße sich erregt imd aufbäumt.
Und die Bewegung in den Rosen, sieh:
Gebärden von so kleinem Ausschlagswinkel,
daß sie unsichtbar blieben, liefen ihre
Strahlen nidit auseinander in das Weltall.
Sich jene weiße, die sich selig aufschlug
und dasteht in den großen olfnen Blättern
wie eine Venus aufirecht in der Muschel;
und die errötende, die wie verwirrt
nach einer kfihlen sich hinfiberwendet,
und wie die kühle fühllos sich zurückzieht,
und wie die kalte steht, in sich gehüllt,
unter den offenen, die alles abtun.
Und was sie abtun, ^e das leicht und schwer,
wie es ein Mantel, eine Last, ein Flügel
und eine Maske sein kann, je nach dem,
und wie sie s abtun: wie vor dem GeÜebten.
IOC
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\ff3is können sie nicht sein: war jene gelbe,
die hohl und offen daliegt, nicht die Schale
von einer Frucht, darin dasselbe Gelb,
gesammelter, orangcröter, Saft war?
Und war*s Air diese schon zu viel, das Aufgehn,
veil an der Luft ihr namenloses Rosa
den bittern Nachgeschmack des Lila annahm?
Und die batistene ist sie kein Kleid,
in dem noch zart und atemvarm das Hemd steckt,
mit dem zugleich es abgeworfen wurde
im Morgenschatten an dem alten Waldbad?
Und diese hier, opalnes Porzellan,
zerbrechlich, eine flache Chinatasse
und angeftillt mit kleinen hellen Faltern, —
und jene da, die nichts enthält als sich.
Und sind nicht alle so, nur sich enthaltend,
wenn Sich-enthalten heüSt: die Welt da draußen
imd Wind und R^en und Geduld des Frühlings
und Schuld und Unruh und vermununtes Schicksal
und Dunkelheit der abendlichen Erde
bis auf der Wolken Wandel, flucht und Anflug,
bis auf den vagen Einfluß femer Sterne
in eine Hand voll Innres zu verwandeln.
Nun liegt es sorglos in den offnen Rosen.
lOI
INHALT
^Früher Apollo i
Mädchen-Klage 2
^ Liebes-Lied 3
Eranna an Sappho 4
Sappho all Kran na 5
Sappho an Alkaios (Fragment) .... 6
c Grabmal eines jungen Mädchens .... 7
Opfer 8
Östliches Taglied p
Abisag 10
David singt vor Saul . . . . b . • 1 2
Josuas Landtag 15
Der Auszug des verlorenen Sohnes ... 17
: Der Ölbaum-Garten . . . . . .. . ip
Pieta 21
Gesang der Frauen an den Dichter ... 2 z
Der Tod des Dichters 23
Buddha .24
V L'Ange du Meridien (Chartres) .... 2 5
Die Kathedrale i6
Das Portal 28
Die Fensterrose 31
DasKapitäl 32
Gott im Mittelalter 33
102
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Morgue 34
Der Geiängene 35
t^cr Panther (im Jardin des Plantes, Paris) . 3 7
'^Dic Gazelle (Gazella dorcas) 38
Das Einhorn 3p
^Sankt Sebastian . . • . . . . . . 40
Der Stifter 41
Der Engel 42
Römische Sarkophage 43
(^Der Schwan 44
Kindheit 45
^Der Dichter 4<$
Die Spitze 47
c£in Frauen-Schicksal 49
Die Genesende 50
Die Erg^achsene 51
Tanagra J2
-Die ErbÜLndende 53
In einem fremden Park (Borgeby-Gard) . 54
Abschied 55
Todcs-Erfahrung . , 5<5
i Blaue Hortensie 57
Vor dem Sommerregen 58
Imi Saal 59
^ Letzter Abend (aus dem Besitze Frau Nonnas) 60
, Jugend-Bildnis meines Vaters 6\
103
i Selbstbildnis aus dem Jahre 1^06 . . . 6i
Der König 63
Auferstehung 64
Der Fahnenträger 65
Der letzte Graf von ßrederodc entzieht sich
türkischer Gefangenschaft 66
v^Die Courtisane 6y
L Die Treppe der Orangerie (Versailles) . . 68
Der Marmor-Karren (Paris) 6^
Buddha 70
Römische Fontäne (Borghese) ....71
Das Karossell (Jardin du Luxemhourg) . • 72
L Spanische Tänzerin 74
Der Turm (Tour St.-Nicolas, Furnes) . . 75
Der Platz (Furnes) 77
Quai du Rosaire (Brügge) 78
Bcguinagc (Bcguinagc Saintc-Hisabeth,
Brügge) 79
Die Marien-Prozession (Gent) ... 81
y^^e Insel (Nordsee) 83
He^en-Gräber 85
Orpheus, Eurydike, Hermes 88
Alkestis pi
Geburt der Venus p6
Die Rosenschale
104
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DIESES BUCH WURDE GEDRUCKTIN
DER OFHZIN W. DRUGULIN, LEIPZIG
I
t
»
i
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RAINER MARIA RILKE
DER NEUEN GEDICHTE
ANDERER TEIL
UIPZK,
Im INSEL-VERLAG
MCMVIU
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6^0 5 %Q,/^.S
DEC 2^
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A MON GBiAHD AMI
AUGUST£ RODIN
ARCHAISCHER TORSO APOLLOS
kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augen'äpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Sdiauen, nur zurückgesciiraubt»
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so vie Raubtierfelle;
und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein vStern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.
KRETISCHE ARTEMIS
Wind der Vorgebirge : war nicht ihre
Stirne wie ein Jichter Gegenstand?
Glatter Gegenwind der leichten Tiere
formtest du sie: ihr Gevand
bildend an die unbewußten Brüste
wie ein vechselvolles Vorgeflihl;
\(^end sie, als ob sie alles vttfite»
auf das Fernste su, geschUrzt und k0hl,
störmtc mit den Nymphen und den iiunden,
ihren Bogen probend, eingebunden
in den harten hohen Gurt;
manchmal nur aus fremden Siedelungen
angerufen und erzUmt bezwungen
von dem Schreien um Geburt.
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LEDA
Als ihn der Gott in seiner Not betrat^
erschrak er &st, den Sch^p^ so sch5n zu ^den;
er ließ sich ganz verwirrt in ihm verschwinden.
Schon aber trug ihn sein Be^ug zur Tat»
bevor er noch des unerprobten Seins
Gefühle prüfte. Und die Aufgetane
erkannte schon den Kommenden im Schwane
und wußte schon: er bat um eins^
das sie, verwirrt in ihrem Widerstand,
nicht mehr verbergen konnte. Er kam nieder
und halsend durch die inuner schwächre Hand
ließ sich der Gott in die Geliebte los. ^ •
Dann erst empfand er glücklich sein Gefieder
und wurde wirklich Schwan in ihrem Schoß.
DELPHINE
Jene ^rklichen, die ihrem Gleichen
überall zu wachsen und zu wohnen
gaben, fühlten an verwandten Zeichen
Gleiche in den aufgelüsten Reichen,
die der Gott, mit triefenden Tritonen,
Oberstrümt bisweilen Qberstcigt ;
denn da hatte sich das Tier gezeigt:
anders als die stumme, stumpfgemutc
Zucht der Fische, Blut von ihrem Blute
und von fern dem Menschlichen geneigt.
Eine Schar kam, die sich überschlug,
froh, als fühlte sie die Fluten glänzend:
\^me. Zugetane, deren Zug
wit mit Zuversicht die Fahrt bekränzend,
leichtgebunden um den runden Bug
wie um einer Vase Rumpf und Rundung,
selig, sorglos, sicher vor Verwundung,
aufgerichtet, hingerissen, rauschend
und im Tauchen mit den Wellen tauschend
die Trircmc heiter weitertrug.
Und der Schiffer nahm den neugevährten
Freund in seine einsame Geühr
4
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und ersann für ihn, für den GcPahrtcn,
dankbar eine Welt und hielt für wahr,
daß er Töne liebte, Götter, Gärten
und das tiefe, stille Stemenjahr.
DI£ INSEL DER SIRENEN
Wenn er denen, die ihm gastlich waren,
spät, nach ihrem Tage noch, da sie
fragten nach den Fahrten und Gefahren,
still berichtete: er wußte nie,
wie sie schrecken und mit welchem jähen
^ort sie wenden, daß sie so wie er
in dem blau gestillten Insclmecr
die Vergoldung jener Inseln sähen,
deren Anblick macht, daß die Gefahr
umschlägt; denn nun ist sie nicht im Tosen
und im Wüten, wo sie immer war.
Lautlos kommt sie über die Matrosen,
welche wissen, daß es dort auf jenen
goldnen Inseln manchmal singt — ,
und sich blindlings in die Ruder lehnen,
wie umringt
von der Stille, die die ganze Weite
in sich hat und an die Ohren weht,
so als wäre ihre andre Seite
der Gesang, dem keiner widersteht.
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KLAGE UM ANTINOÜS
Keiner begriff mir von euch den bithynbchen
Knaben,
(daß ihr den Strom anfaßtet und von ihm höbt...)
Ich verwöhnte ihn zwar. Und dennoch: wirhaben
ihn nur mit Schwere erfüllt und Hir immer getrübt.
Wer vermag denn zu lieben? 'Wtt kann es) —
Noch keiner.
Und so hab ich unendliches \Ceh getan — .
Nun ist er am Nil der stillenden Götter einer,
und ich weifi kaum welcher und kann ihm nicht
nahn.
Und ihr warfet ihn noch, Wahnsinnige, bis in
die Sterne^
damit ich euch rufe und dränge: meint ihr den?
Was ist er nicht einfach ein Toter. Er wiirc es gerne.
Und vielleicht wäre ihm nichts geschehn.
DER TOD DER GELIEBTEN
Er vufite nur vom Tod was alle wissen:
daß er uns nimmt und in das Stumme stößt.
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,
nein, leis aus seinen Augen ausgelöst
hinüberglitt zu unbekannten Schatten,
und als er flihlte, daß sie drQben nun
wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten
und ihre Weise wohlzutun :
da wurden ihm die Toten so bekannt,
als wMre er durch sie mit einem jeden
ganz nah verwandt i er ließ die andern reden
und glaubte nicht und nannte jenes Land
das gutgelegene, das' immersüße — .
Und tastete es ab Rir ihre Füße.
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KLAGE UM JONATHAN
Ach sind auch Könige nicht von Bestand
und dürfen hingehn wie gemeine Dinge,
obwohl ihr Druck wie der der Siegelringe
sich widerbildet in das weiche Land.
Wie aber konntest du, so angefangen
mit deines Herzens Initial,
aufhören plötzlich: Warme meiner Wangen.
O daß dich einer noch einmal
erzeugte, wenn sein Samen in ihm glänzt.
Irgend ein Fremder sollte dich zerstören,
und der dir innig war, ist nichts dabei
und muß sich halten und die Botschaft hören
wie wunde Tiere auf den Lagern röhren,
möcht ich mich legen mit Geschrei:
denn da und da, an meinen scheusten Orten,
bist du mir ausgerissen wie das Haar,
das in den Achselhöhlen wächst und dorten,
wo ich ein Spiel fiir Frauen war,
bevor du meine dort verfitzten Sinne
aufsträhntest wie man einen Knaul entflicht;
da sah ich auf und wurde deiner inne: —
Jetzt aber gehst du mir aus dem Gesicht.
TRÖSTUNG DES ELIA
Er lutte das getan und dies, den Bund
\ne jenen Altar wieder aufzubauen,
zu dem sein weitgcschleudertes Vertrauen
zurück als Feuer fiel von ferne, und
hatte er dann nicht Hunderte zerhauen, .
veil sie ihm stanken mit dem Baal im Mund,
am Bache schlachtend bis ans Abendgrauen,
das mit dem Regengrau sich grofS verband.
Doch als ihn von der Königin der Bote
nach solchem Werktag antrat und bedrohte,
da lief er wie ein Irrer in das Land,
solange bis er unterm Ginsterstrauche
vie weggeworfen aufbrach in Geschrei,
das in der WÖste brüllte: Gott, gebrauche
mich länger nicht. Ich bin entzwei.
Doch grade da kam ihn der Engel ätzen
mit einer Speise, die er tief empfing,
so daß er lange dann an "Weideplätzen
imd Wassern immer zum Gebirge ging,
zu dem der Herr um seinetwillen kam:
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Im Sturme nicht und nicht im Sich-ZcrspaJt
der ßrde, der entlang in schireren Falten
ein leeres Feuer ging, fast wie aus Scham
über des Ungeheuren ausgeruhtes
Hinstürzen zu dem angekommncn Alten,
der ihn im sanften Sausen seines Blutes
erschreckt und zugedeckt vernahm.
SAUL UNTER DEN PROPHETEN
Meinst du denn» daß man sich sinken sieht ^
Nein, der König schien sich noch erhaben,
da er seinen starken Harfenknaben
töten wollte bis ins zehnte Glied.
Erst da ihn der Geist auf solchen Wegen
überfiel und auseinanderriß,
sah er sich im Innern ohne Segen,
und sein Bkit ging in der Finsternis
abergläubig dem Gericht entgegen.
^enn sein Mund jetzt troff und prophezeite
war CS nur, damit der Flüchtling weit
flüchten könne. So war dieses zweite
Mai. Doch einst: er hatte prophezeit
fast als Kind, als ob ihm jede Ader
mündete in einen Mund aus Erz ;
Alle schritten, doch er schritt gerader.
Alle schrieen, doch ihm schrie das Herz.
Und nun wv er nichts als dieser Haufen
umgestfirzter '^Q^rden, Last auf Last ;
und sein Mund war wie der Mund der Traufen,
der die Güsse, die zusammenlaufen,
fallen läßt, eh er sie £ißt.
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SAMUELS ERSCHEINUNG VOR SAUL
Da schrie die Frau zu £ndor auf : Ich sehe —
Der König packte sie am Arme: Wen?
Und da die Starrende beschrieb, noch ehe,
da var ihm schon, er hätte selbst gesehn :
Den, dessen Stimme ihn noch einmal traf:
Was störst du mich? Ich habe Schlaf.
Willst du, weil du- die Himmel Huchen
und weil der Herr sich vor dir schloß und schwieg,
in meinem Mund nach einem Siege suchen?
Soll ich dir meine Zähne einzeln sagen?
Ich habe nichts als sie . . . Es schwand. Da schrie
das Weib, die Hände vors Gesicht geschlagen,
als ob sie s sehen müßte: Unterlieg —
Und er, der in der Zeit, die ihm gelang,
das Volk wie ein Feldzeichen überragte,
fiel hin, bevor er noch zu klagen wagte :
so sicher war sein Untergang.
Die aber, die ihn wider Willen schlug,
hoffte, daß er sich faßte und vergäße;
und als sie hörte, daß er nie mehr äße,
ging sie hinaus und schlachtete und buk
und brachte ihn dazu, dafi er nch setzte;
er saß wie einer, der zu viel vergißt:
alles was war, bis auf das Eine, Letzte.
Dann aß er, vie ein Knecht zu Abend ißt.
£IN PROPHET
Ausgedehnt von riesigen Gesichten,
hell vom Feuerschein aus dem Verlauf
der Gerichte, die ihn nie vernichten, —
sind die Augen, schauend unter dichten
Brauen. Und in seinem Innern richten
sich schon vieder Worte auf,
nicht die seinen (denn vas wären seine
und wie schonend waren sie vertan)
andre, harte: Eisenstücke, Steine,
die er schmelzen muß vio ein Vulkan,
um sie in dem Ausbruch seines Mundes
auszuwerfen, welcher flucht und flucht;
während seine Stirne, vic des Hundes -
Stime, das zu tragen sucht,
was der Herr von seiner Stirne nimmt:
Dieser, Dieser, den sie alle fänden,
folgten sie den großen Zeigehänden,
die Ihn weisen, wie Er ist: ergrimmt.
JEREMIA
Einmal war ich weich wie früher Weizen,
doch, du Rasender, du hast vermocht,
mir das hingehaltne Herz zu reizen,
daß es jetzt wie eines Löven kocht.
Welchen Mund hast du mir zugemutet,
damals, da ich fast ein Knabe war:
eine \^unde wurde er: nun blutet
aus ihm Unglücksjahr um Unglücksjahr.
Täglich tönte ich von neuen Nöten,
die du. Unersättlicher, ersannst,
und sie konnten mir den Mund nicht töten;
sieh du zu, wie du ihn stillen kannst,
wenn, die ^r zerstoßen und zerstören
erst verloren sind und fcrnverlaufen
und vergangen sind in der Gefahr:
denn dann will ich in den Trümmerhaufen
endlich meine Stimme Wiederhören,
die von Anfang an ein Heulen war.
i6
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EINE SIBYLLE
Einst, vor Zeiten, nannte man sie alt.
Doch sie blieb und kam dieselbe Strafte
tiiglich. Und man änderte die Maße,
und man zählte sie vie einen Wald
nach Jahrhunderten* Sie aber stand
jeden Abend auf derselben Stelle,
schwarz wie eine alte Zitadelle
hoch und hohl und ausgebrannt^
von den Korten, die sich unbedacht
wider ihren Willen in ihr mehrten,
immerfort imischrieen und umflogen,
während die schon wieder heimgekehrteii
dunkel unter ihren Augenbogen
safien, fertig fllr die Nacht.
ABSALOMS ABFALL
Sie hoben sie mit Geblitz:
der Sturm aus den Humern schvelk«
seideae, breitg«wellte
Fahnen. Der herrlich ErheUt«
nahm im hochofFenen Zelte,
das jauchzendes Volk vimsteiite,
zehn Frauen in Besitz»
die (gewohnt an des alternden Ffirsten
sparsame Nacht und Tat)
unter seinem DQrsten
wogten wie Sommersaat.
Dann trat er heraus zum Rate,
wie vermindert imi nichts,
und jeder, der ihm nahte»
erblindete seines Lichts.
So zog er auch den Heeren
voran wie ein Stern dem Jahr;
Ober allen Speeren
wehte sein warmes Haar,
das der Helm nicht faßte
und das er manchmal haßte.
weil es schwerer war
als seine reichsten Kleider.
Der König hatte geboten,
dafi man den Schönen schone.
Doch man sah ihn ohne
Helm an den bedrohten
Orten die ärgsten Knoten
zu roten StQcken von Toten
auseinanderhaun.
Dann wußte lange keiner
von ihm, bis plötzlich einer
schrie: £r hängt dort hinten
an den Terebinthen
mit hochgezogenen Braun.
Das wzr genug des ^Q^ks.
Joab, wie ein Jäger,
erspähte das Htai — ; dn schräger
gedrehter Ast: da hings.
Er durchrannte den schlanken K^er,
und seine ^^yPenträger
durchbohrten ihn rtchts und links.
^9
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£STU£K
Die Dienerinnen kämmten sieben Tage
die Asche ihres Grams und ihrer Plage
Neige und Niederschlag aus ihrem Haar,
und trugen es und sonnten es im Freien
und speisten es mit reinen Spezereien
noch diesen Tag und den: dann aber var
die Zeit gekommen, da sie ungeboten,
zu keiner Frist, wie eine von den Toten
den drohend offenen Palast betrat,
um gleich, gelegt auf ihre Kammerfrauen,
am Ende ihres \(%ges den zu schauen,
an dem man stirbt, venn man ihm naht.
Er glänzte so, daß sie die Kronrubine
aufilammen fehlte, die sie an sich trug;
sie füllte sich ganz rasch mit seiner Miene
wie ein Gefäß und war schon voll genug
und floß schon über von des Königs Macht,
bevor sie noch den dritten Saal durchschritt,
der sie mit seiner Wände Malachit
grQn überlief. Sie hatte nicht gedacht,
lO
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so langen Gang zu tun mit allen Steinen»
die schwerer wurden von des KOnigs Scheinen
und kalt von ihrer Angst. Sie ging und ging.
Und ak sie endlich fast von nahe ihn,
auf ruhend auf dem Thron von Tuimalin,
sich türmen sah, so wirklich wie ein Ding:
en^ifing die rechte von den Dienerinnen
die Schwindende und hielt sie m dem Sitze.
Er rOhrte sie mit seines Zepters Spitze ;
und sie begrilF es ohne Sinne, innen.
DER AUSSÄTZIGE KÖNIG
Da trat auf seiner Stirn der Aussatz aus
und stand auf einmal unter seiner Krone,
als wSt er König Uber allen Graus,
der in die andern fulir, die fassungsuhne
hinstarrten nach dem fiiiditbaren Vollziig
an jenem» wdkber, schmal wie ein VerschnQrttr,
erwartete, daß einer nach ihm schlug;
doch noch war keiner Manns genug:
als machte ihn nur immer unberührter
die neue "WQrde, die sich übertrug.
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LEGENDE VON DEN DREI LEBENDIGEN
UND DEN DREI TOTEN
Drei Herren hatten mit Falken gebeizt
und freuten sich auf das Gelag.
Da nahm sie der Greis in Beschlag
und führte. Die Reiter hielten gespreizt
vor dem dreifachen Sarkophag,
der ihnen dreimal entgegenstank,
in den Mund, in die Nase, ins Sehn;
und sie wußten es gleich: da lagen lang
drei Tote mitten im Untergang
und ließen sich gräßlich gehn.
Und sie hatten nur noch ihr Jagergehör
reinlich hinter dem Sturmbandlör;
doch da zischte der Alte sein:
— Sie gingen nicht durch das Nadelöhr
und gehen niemals — hinein.
Nun blieb ihnen noch ihr klares Getast,
das stark war vom Jagen und heiß;
doch das hatte ein Frost von hinten gefaßt
und trieb ihm Eis in den Schweiß.
15
DEH KÖNIG VON MÜNSTER
Der König war geschoren;
nun ging ihm die Krone zu weit
und bog ein wenig die Ohren»
in die von Zeit zu Zeit
gehässiges Gelärme
aus Hungermäulern fand.
Er saß, von wegen der Wärme,
auf seiner rechten Hand,
mürrisch und schweigesäßig.
Er fehlte sich nicht mehr echt:
der Herr in ihm war mäßig,
und der Beischlaf war schlecht*
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TOTENTANZ
Sie brauchen kein Tant-Orchester;
sie h6ren in sich ein Geheule
als waren sie Eulennestcr.
Ihr Ängsten näßt wie eine Beule,
und der Vorgeruch ihrer Fäule
ist noch ihr bester Geruch.
Sie fassen den Tänzer fester»
den rippenbetreßten Tänzer,
den Galan, den echten Ergänzer
zu einem ganzen Paar.
Und er lockert der Ordensschwester
Aber dem Haar das Tuch ;
sie tanzen ja unter Gleichen.
Und er zieht der wachbiichtblcichcn
leise die Lesezeichen
aus ihrem Stunden-Buch.
Bald wird ihnen allen zu heiß,
sie sind zu reich gekleidet;
beißender Schweiß verleidet
ihnen Stime und Steiß
imd Schauben und Hauben und Steine;
sie wünschen, sie wären nackt
wie ein Kind» ein Verrückter und Eine :
die tanzen noch immer im Takt.
DAS JÜNGST£ GERICHT
So erschrocken, vie ac nie efsckraken
oline Ordnung, oft durchiochc und locker,
hocken sie in dem geborstnen Ocker
ihres Ackers, nicht von ihren Laken
abzubringen, die sie Uebgeirannen.
Aber Engel kommto an, um Öle
einzuträufeln in die trocknen Pfannen
und um jedem in die Achselhöhle
das zu l^en, vas er in dem LSrme
damals seines Lebens nicht entweihte;
denn dort hat es noch ein wenig Wärme,
daß es nicht des Herren Hand erkälte
oben, trenn er es aus jeder Seite
leise greift, zu Rihlen, ob es gälte»
26
DIE VERSUCHUNG
Nein, es half nicht, daß er sich die scharfen
Stacheln cinhieb in das geile Fleisch;
alle seine trächtigen Sinne warfen
unter kreißendem Gekreisch
Frühgeburten: schiefe, hingeschielte
kriechende und fliegende Gesichte,
Nichte, deren nur auf ihn erpichte
Bosheit sich verband und mit ihm spielte.
Und schon hatten seine Sinne Enkel;
denn das Pack war fruchtbar in der Nacht
und in immer bunterem Gesprcnkel
hingehudelt und verhundertfacht.
Aus dem Ganzen ward ein Trank gemacht:
seine Hände griffen lauter Henkel,
und der Schatten schob sich auf wie Schenkel
warm und zu Umarmungen ervvracht — .
Und da schrie er nach dem Engel, schrie:
Und der Engel kam in seinem Schein
und war da: und jagte sie
wieder in den Heiligen hinein,
J
dafi er mit Geteiifel und Getier
in sich weiterringe wie seit Jahren
und sich Gott; den lang^ noch nicht kkren,
innen aus dem Jäsen destillier.
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DER ALCHIMIST
Seltsam verlächelnd schob der Laborant
den Kolben fort, der lialbbemhigt rauchte.
Er wufite jetzt, vas er noch brauchte,
damit der sehr erlauchte Gegenstand
da drin entstände. Zeiten brauchte er. .
Jahrtausende ftlr sich und diese Birne,
in der es brodelte; im Hirn Gestirne
und im Bevnißtsein mindestens das Meer.
Das Ungeheuere» das er gesollt,
er ließ es los in dieser Nacht. Es kehrte
zurück zu Gott und in sein altes Maß^
er aber, lallend wie ein Trunkenbold,
lag Uber dem Geheimfach und begehrte
den Brocken Gold, den er besaß.
DER RELIQUIENSCHREIN
Draußen wartete auf alle Ringe
und auf jedes Kettenglied
Schicksal, das nicht ohne sie gesch]«hit«
Drinnen varen sie nur Dinge, Dinge
die er schmiedete; denn vor dem Schmied
war sogar die Krone, die er bog^
nur ein Ding, ein zitterndes und eines,
das er finster wie im Zorn enog
zu dem Tragen eines r^nen Steines.
Seine Augen wurden immer kälter
von dem kalten tiiglichen Getränk;
aber als der herrliche Behälter
(goldgetrieben, küstlich, vielkarUtig)
fertig vor ihm stand, das Weihgeschenk,
daß darin ein kleines Handgelenk
fiirder wohne, weiß und wundertätig:
blieb er ohne Ende auf den Knien,
hingeworfen, weinend, nicht mehr wagend,
seine Seele niederschlagend
vor dem ruhigen Rubin,
der ihn zu gewahren schien
und ihn, plötzlich um sein Dasein fi'agend,
ansah wie aus Dynastien.
SO
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DAS GOLD
Denk es wMt mcht: es liStte müssen
endlich in den Beigen atdi gebSfren
und sich niederschlagen in den Flüssen
aus dem Wollen, aus dem Gären
ihres aus der Zwan^dee,
dafi ein Erz ist über allen Erzen.
Weithin warfen sie aus ihren Herzen
immer wieder Meroe
an den Rand der Lande, in den Äther,
über das Erfahrene hinaus;
lind die Sühne brachten manchmal später
das Verheißene der Väler,
abgehärtet und verhehrt, nach Haus;
wo es anwuchs eine Zeit, um dann
fortzugehn von den an ihm Geschwächten,
die es niemals liebgevann.
Nur (so sagt man) in den letzten Nächten
steht es auf und sieht sie an.
DER STYLIT
Völker schlugen fiber ihm zusammen,
die er küren durfte und verdammen ;
und erratend, da6 er sich verlor,
klomm er aus dem Volksgeruch mit klammen
Händen einen Säulenschaft empor,
der noch immer stieg und nichts mehr hob,
und begann, allein auf seiner Fläche,
ganz von vorne seine eigne Schi^äche
zu vergleichen mit des Herren Lob;
und da war kein Ende: er verglich;
und der andre wurde immer grüßer.
Und die Hirten, Ackerbauer, FiüJier
sahn ihn klein und außer sich
immer mit dem ganzen Himmel reden,
eingeregnet manchmal, manchmal licht;
und sein Heulen sttirzte sich auf jeden,
so als heulte er ihm ins Gesicht.
Doch er sah seit Jahren nicht,
wie der Menge Drängen und Verlauf
unten unaufhörlich sich ergänzte,
und das Blanke an den Fürsten glänzte
lange nicht so hoch hinauf.
5^
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Aber wenn er oben, fast verdammt
und von ihrem Widerstand zerschunden,
einsam mit Yerrreifeltem Geschreie
schflttelte die täglichen Dämonen:
fielen langsam auf die erste Reihe
schvc^er und ungeschickt aus seinen Wunden
große Würmer in die oiFhen Kronen
und vermdirten sich im Samt.
DI£ ÄGYPTISCHE MARIA
Seit sie damals, bettheiß, als die Hure
flbern Jordan floh und, wit ein Grab
gebend, stark und unvermischt das pure
Herz der Ewigkeit zu trinken gab^
wuchs ihr frOhes Hingegebensein
unaufhaltsam an zu solcher Gröfie,
daß sie endlich, wie die ewige Blüße
Alier, aus vergilbtem Elfenbein
dalag in der dürren Haare Schelfe.
Und ein Löwe kreiste; und ein Alter
rief ihn winkend an, daß er ihm helfe :
(und so gruben sie zu zvein.)
Und der Alte neigte sie hinein.
Und der Lüwe, wie ein Wappenhalter,
saß dabei und hielt den Stein.
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KREUZIGUNG
Längst geübt, zum kahlen Galgenplatzc
irgend ein Gesindel hinzudrängen,
ließen sich die schweren Knechte hängen,
dann und wann nur eine große Fratze
kehrend nach den abgetanen Drein.
Aber oben war das schlechte Henkern
rasch getan; und nach dem Fertigsein
ließen sich die freien Männer schlenkern.
Bis der eine (fleckig wie ein Selchcr)
sagte: Hauptmann, dieser hat geschrien.
Und der Hauptmann sah vom Pferde: Welcher?
und es war ihm selbst, er hätte ihn
den Elia rufen hören. Alle
waren zuzuschauen voller Lust
und sie hielten, daß er nicht verfalle,
gierig ihm die ganze Essiggalle
an sein schwindendes Gehust.
Denn sie hofften noch ein ganzes Spiel
und vielleicht den kommenden Elia.
Aber hinten ferne schrie Maria,
und er selber brüllte und verfiel.
35
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DER AUF£RSTANO£N£
£r vermochte niemals bis zuletzt
ihr zu veigern oder abzuncinen,
daß sie ihrer Liebe sich berühme;
und sie sank ans Kreuz in dem Kostüme
eines Schmerzes, welches ganz besetzt
war mit ihrer Liebe größten Steinen«
Aber da sie dann, um ihn zu salben,
an das Grab kam, Tränen im Gesicht,
war er auferstanden ihrethalben,
daß er seliger ihr sage: Nicht —
Sie begriff es erst in ihrer Höhle,
wie er ihr, gestärkt durch seinen Tod,
endlich das Erleichternde der Öle
und des Rüiurens Vorgefüiii verbot,
um aus ihr die Liebende zu formen,
die sich nicht mehr zum Geliebten neigt,
weil de, hingerissen von enormen
Stürmen, seine Stinune übersteigt.
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KCAGNmCAT
Sie kam den Hang herauf, schon schwer, fast ohne
an Trost zu glauben, Hotfnung oder Rat;
doch da die hohe tragende Matrone
ihr ernst und stolz entgegentrat
und alles wußte ohne ihr Vertrauen,
da war sie plötzlich an ihr ausgeruht;
vorsichtig hielten sich die vollen Frauen,
bis daß die junge sprach: Mir ist zumut,
als wär ich, Liebe, von nun an für immer.
Gott schüttet in der Reichen Eitelkeit
fast ohne hinzusehen ihren Schimmer;
doch sorgsam sucht er sich ein Frauenzimmer
und füllt sie an mit seiner fernsten Zeit
Daß er mich fand. Bedenk nur; und Befehle
um meinetwillen gab von Stern zu Stern — .
Verherrliche und hebe, meine Seele,
so hoch du kannst: den Herrn.
ADAM
Staunend steht er an der Kathedrale
steilem Aufstieg, nah der Fensterrose,
wie erschreckt von der Apotheose,
welche wuchs und ihn mit einem Male
niedersteJlte über die und die.
Und er ragt und freut ^ch seiner Dauer
schlicht entschlossen; als der Ackerbauer,
der begann und der nicht wußte, wie
aus dem fertig-vollen Garten Eden
einen Ausweg in die neue Erde
finden. Gute war schwer zu überreden;
und er drohte ihm, statt zu gewähren,
immer wieder, daß er sterben werde.
Doch der Mensch bestand: sie wird gebären.
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EVA
Einfach steht sie an der Kathedrale
großem Aufstieg, nah der Fensterrose,
mit dem Apfel in der Apfelpose,
schuldlos-schuldig ein für alle Male
an dem Wachsenden, das sie gebar,
seit sie aus dem Kreis der Ewigkeiten
liebend fortging, um sich durchzustreiten
durch die Erde, wie ein junges Jahr.
Ach, sie hätte gern in jenem Land
noch ein wenig weilen mögen, achtend
auf der Tiere Eintracht und Verstand.
Doch da sie den Mann entschlossen fand,
ging sie mit ihm, nach dem Tode trachtend,
und sie hatte Gott noch kaum gekannt.
^9
IRRE IM GARTEN
DIJON
Noch schließt die auigegebcne Karthaase
ach um den Ho^ als vfiide etwas hciL
Auch die sie jetzt bewohnen, haben Pause
und nehmen nicht am Leben draußen teil.
"^as irgend koaunen konnte, das verlief.
Nun gehn sie gerne mit bekannten Wegen
und trennen sich und kommen sich entgegen,
als ob de kreisten, willig, primitiv.
Zwar manche pflegen dort die Frühlingsbeete,
demütig, dürftig, hingekniet;
aber sie liaben, wenn es keiner neht,
dne verheimlichte, verdrehte
Gebärde ßir das zarte frühe Gras,
ein prüfendes, verschüchtertes Liebkosen:
denn das ist freundlich, und das Rot der Rosen
wird vielleicht drohend sein und Übermaß
und wird vielleicht schon wieder übersteigen,
was ihre Seele vc iederkennt und w eilS.
Dies aber läßt sich noch verschweigen :
wie gut das Gras ist und wie ieis.
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DI£ IRREN
Und sie schweigen» weil die Scheidewände
weggenommen sind aus ihrem Sinn,
und die Stunden, da man sie verstände,
heben an und gehen hin.
Nächtens oft, wenn ne ans Fenster treten :
plötzlich ist es alles gut.
Ihre Hände liegen im Konkreten,
und das Herz ist hoch und ii^ünnte beten,
und die Augen schauen ausgeruht
auf den unverhofften, oftentstellten
Garten im beruhigten Geviert,
der im Widerschein der fremden Weiten
weiterwächst und niemals sich verliert.
AUS DEM L£B£N £1N£S HEILIGEN
Er kannte Ängste, deren Eingang schon
vie Sterben war und nicht zu überstehen.
Sein Herz erlernte, kngsam durchzugehen;
er zog es grofi wit einen Sohn«
Und namenlose Nütc kannte er,
finster und ohne Motten wit Verschläge;
und seine Seele gab er folgsam her,
da sie erwachsen war, auf daß sie läge
bei ihrem Bräutigam und Herrn; und blieb
allein zurück an einem solchen Orte,
wo das Alleinsein alles übertrieb,
und wohnte weit und wollte niemals Worte.
Aber dafllr, nach Zeit und Zeit, erfuhr
er auch das Glück, sich in die eignen Hände,
damit er eine Zärtlichkeit empfände,
zu legen wie die ganze Kreatur.
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DIE BETTLER
Du mußtest nicht, was den Haufen
ausmadiL Ein Fremder fand
Bettler darin. Sie verkaufen
das Hohle aus ihrer Hand.
Sie zeigen dem Heimreisten
ihren Mund voll Mis^
und er darf (er kann es sich leisten)
sehn, wie ihr Aussatz frißt.
Es zergeht in ihren zerrfihrten
Augen sein fremdes Gesicht;
und sie freuen sich des Verführten
und speien, wenn er spricht.
FREMDE FAMILIE
So wie der Staub, der irgendwie beginnt .
und nirgends ist, zu unerklärtem Zwecke
an einem leeren Morgen in der Ecke,
in die man sielit, ganz rasch zu Grau gerinnt,
50 bildeten sie sich, wer weiß aus was,
im letzten Augenblick vor deinen Schritten
und varen etwas Ungewisses mitten
im nassen Niederschlag der Gasse, das
nach dir verlangte. Oder nichr nach dir.
Denn eine Stimme, wie yom vorigen Jahr,
sang dich zwar an und blieb doch ein Geweine;
und eine Hand, die wie geliehen war,
kam zwar hervor und nahm doch nicht die deine.
Wer kommt denn noch^ Wen meinen diese vier?
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L£ICH£NWASCH£
Sie hatten sich an ihn gewöhnt. Doch als
die Küchenlampe kam xuid unruhig brannte
im dunkein Luftzug, war der Unbekannte
ganz unbekannt. Sie wuschen seinen Hals,
und da sie nichts von seihem Schicksal wußten,
so logen sie ein anderes zusamm,
fortwährend waschend. Eine mußte husten
und ließ solang den schweren Essigschwamm
auf dem Gesicht. Da gab es eine Pause
auch für die zweite. Aus der harten Bürste
klopften die Tropfen; während seine grause
gekrampfte Hand dem ganzen Hause
beweisen wollte, daß ihn nicht mehr dürste.
«
Und er bewies. Sie nahmen wie betreten
eiliger jetzt mit einem kurzen Huster
die Arbeit auf, so daß an den Tapeten
ihr krummer Schatten in dem stummen Muster
sich wand und wälzte wie m einem Netze,
bis daß die haschenden zu Ende kamen.
Die Nacht im vorhanglosen Fensterrahmen
war rücksichtslos. Und einer ohne Namen
lag bar und reinlich da und gab Gesetze.
EINE VON DEN ALTEN
PARIS
Abends manchmal (weißt dit^ wie das tut?)
wenn sie plötzlich stehn und rückwärts nicken
und ein Lächeln, wie aus lauter Flicken,
zeigen unter ihrem halben Hut,
Neben ihnen ist dann ein Gebäude,
endlos, und sie locken dich entlang
mit dem Rätsel ihrer Räude,
mit dem Hut, dem Umhang und dem Gang.
Mit der Hand, die hinten unterm Kragen
heimlich wartet und verlangt nach dir:
wie um deine Hände einzuschlagen
in ein aufgehobenes Papier*
4<
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DER BLINDE
PARIS
Sieh, er geht und unterbricht die Stadt,
die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle,
wie ein dunkler Sprung durch eine helle
Tasse geht. Und wie auf einem Blatt
ist auf ihm der "Widerschein der Dinge
aufgemalt; er nimmt ihn nicht hinein.
Nur sein Fühlen rührt sich, so als hnge
es die Weit in kleinen Wellen ein:
eine Stille, einen Widerstand — ,
und dann scheint er wartend wen zu wählen:
hingegeben hebt er seine Hand,
festlich £ut, wie um sich zu vermählen.
Leicht, wie nach ihrem Tode
trägt ne die Handschuh, das Tuch*
Ein Duft aus ihrer Konunode
verdrängte den lieben Geruch,
an dem sie sich irOher erkannte.
Jetzt firagte sie lange nicht, wer
sie sei (: eine ferne Verwandte)
und geht in Gedanken umher
und sorgt fllr ein ängstliches Zimmer,
das sie ordnet und schont,
weil CS vielleicht noch immer
dasselbe Mädchen bewohnt.
ABENDMAHL
Ewiges will zu uns. '^er hat die WM
und trennt die großen und geringen Kräfte?
Erkennst du durch das Dämmern der Geschäfte
im klaren Hinterraum das Abendmahl:
wie sie sich's halten und wie sie sich's reichen
und in der Handlung schlicht und schwer beruhn.
Aus ihren Händen heben sich die Zeichen;
sie wissen nicht, daß sie sie tun
und immer neu mit irgendwelchen Worten
einsetzen, was man trinkt und was man teilt.
Denn da ist keiner, der nicht allerorten
heimlich von hinnen geht, indem er weilt
Und sitzt nicht immer einer unter ihnen,
der seine Eltern, die ihm ängstlich dienen,
wegschenkt an ihre abgetane Zeit;
(Sie zu verkaufen, ist ihm schon zu weit.)
49
DIE BRANDSTÄTTE
Gemieden von dem Frükherbstmorgen, der
nußtrauisch v^ar, lag hinter den versengten
Hauslinden, die das Heidehaus beengten,
dn Neues, Leeres. Eine Stelle mehr,
auf veldier Kinder, von Gott weiß woher,
einander zuschrien und nach Fetzen haschten.
Doch alle wurden sdlle, so oft er,
der Sohn von hier, aus heißen, halbveraschten
Gebälken Kessel und verbogne Trüge
mit dbem langen Gabelaste zog, —
um dann nut einem Bück ab ob er löge
die andern anzusehn, die er bewog
zu glauben, was an dieser Stelle stand.
Denn seit es nicht omIu* war, schien es ihm so
seltsam: phantastischer als Pharao.
Und er war anders, wie aus fernem Land.
5«
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DIE GRUPPE
PARIS
Als pflückte einer rasch zn einem Straufi:
ordnet der Zufall hastig die Gesichter,
lockert sie auf und drückt sie wieder dichter,
ergreift zwei ferne, läßt ein nahes aus,
tauscht das mit dem, bläst irgendeines frisch,
wirft einen Hund, wie Kraut, aus dem Gemisch
und zieht, was niedrig schaut, wie durch verworrne
Stiele und Blätter, an dem Kopf nach vorne
und bindet es ganz klein am Rande ein;
und streckt sich wieder, ändert und verstellt
und iiat nur eben Zeit, zum Augenschein
zurOckzuspringen mitten auf die Matte,
auf der im nächsten Augenblick der glatte
Gevrichteschwinger seine Schwere sciiwcüt.
5»
SCHLANGENBESOrX^RUNG
Wenn auf dem Markt, sich wiegend, der Beschwürer
die Kürbisflüte pfeife, die rdzt und lullt,
so kann es sdn, daft er sich einen Hörer
herüberlockt, der ganz aus dem Tumult
der Buden eintritt in den Kreis der Pfeife,
die will und will und will und die erreicht»
daß das Reptil in seinem Korb sich steife
und die das steife schmeichlerisch erwckht^
abwechselnd immer schwindelnder und blinder
mit dem, was schreckt und streckt, und dem, was
löst — ;
und dann genügt ein Blick: so hat der Inder
dir eine Fremde eingeflößt,
in der du stirbst. Es ist als überstürze
glühender Himmel dich. Es geht ein Sprung
durch dein Gesicht. Es legen sich Gewürze
auf deine nordische Erinnerung,
die dir nichts hilft. Dich feien keine Kräfte,
die Soiuic gart, das Fieber fallt und trifft;
von böser Freude steilen sich die Schafte,
und in den Schlangen glänzt das Gift.
5»
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SCHmRZE KATZE
Ein Gespenst bt noch wie eine Stelle,
dran dein Blick mit einem Klange sCüßt;
aber da an diesem schwarzen Felle
wird dein stärkstes Schauen aufgelöst:
wie ein Tobender, wenn er in vollster
Raserei ins Schwarze stampft,
jählings am benehmenden Gepolster
einer Zelle aufhört und verdampft'
Alle Blicke, die sie jemals trafen,
scheint sie also an sich 7,11 verhehlen,
um darüber drohend und verdrossen
zuzuschauem und damit zu schlafen.
Doch auf einmal kehrt ne, nie geweckt,
ihr Gesicht und mitten in das deine:
und da triffst du deinen Blick im geelen
Amber ihrer runden Augensteine
imerwartet wieder: eingeschlossen
wie dn ausgestorbenes Insekt.
VOR-OSTERN
NEAPEL
Morgen wird in diesen tiefgekerbten
Gassen, die nch durch getQrmtes "^hnen
unten dunkel nach dem Hafen drängen,
hell das Gold der Prozessionen rollen;
statt der Fetzen werden die ererbten
BettbezOge, welche wehen wollen,
▼on den immer höheren Baikonen
(wie in Fließendem gespiegelt) hängen.
Aber heute hämmert an den Klopfern
jeden Augenblick ein voll Bepackter,
und sie schleppen immer neue Käufe;
dennoch stehen strotzend noch die Stände.
An der Ecke leigt ein aufgehackter
Ochse sdne frischen Innenwände,
und in Fähnchen enden alle Laufe.
Und ein Vorrat wie von tausend Opfern
drängt auf Bänken, hängt ach rings um Pflöcke,
zwängt sich, wölbt »ch, wälzt sich ausdemIMfanmer
aller Türen, und vor dem Geg'ahne
der Melonen strecken sich die Brote.
Voller Gier und Handlung ist das Tote;
54
Digitizedb^jjoogle
I
doch viel stiller sind die jungen Hähne
und die abgehängten Ziegenbocke
und am allerleisesten die Lämmer,
die die Knaben um die Schultern nehmen
und die willig von den Schritten nicken;
während in der Mauer der veiglasten
spanischen Madonna die Agraffe
und das Silber in den Diademen
von dem Lichter-Vorgefühl beglänzter
schimmert« Aber drüber in dem Fenster
zeigt sich blickverschwenderisch dn Afic,
und fuhrt rasch in einer angemaßten
Haltung Gesten aus, die sich nicht schicken.
f
DER BALKON
NEAPüL
Von der Hnge, oben, des Balkoncs
angeordnet wie von einem Maler
und gebunden wie zu einem Strauß .
alternder Geächter und ovaler,
klar im Abend, sehn sie idealer,
rührender und wie für immer aus.
Diese aneinander angelehnten
Schwestern, <Üe, als ob sie sich von weit
ohne Aussicht nacheinander sehnten,
lehnen, Einsamkcic an iiinsamkeit;
und der Bruder mit dem feierlichen
Schweigen, zugeschlossen, voll Geschick,
doch von einem sanften Augenblick
mit der Mutter unbemerkt verglichen;
und darg^ischen, abgelebt und länglich,
längst mit keinem mehr verwandt,
einer Greisin Maske, unzugänglich,
wie im l<allen von der einen Hand
aufgehalten, während eine zweite
welkere, als ob sie weitergleite,
unten vor den Kindern hängt zur Seite
56
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von dem Kindcr-Angcsicht,
das das Letzte ist, versucht, verblichen,
von den Stäben wieder durchgestrichen
wie noch unbestimmbar, wie noch nicht.
A US WAN DhR£R-SCHlFF
NEAPEL
Denk> daß einer heifi und glühend flOchte,
und die Sieger w'iren hinterher,
und auf einmal machte der
Flüchtende kurz, unerwartet. Kehr
gegen Hunderte — : so sehr
^rf sich das Erglühende der Früchte
immer wieder an das blaue Meer,
als das langsame Orangenboot
sie vorübertrug bis an das große
graue Schiff, zu dem, von Stoß zu Stoße,
andre Boote Fische hoben, Brot, —
während es voll Hohn in seinem Schöße
Kohlen aufnahm, offen wie der Tod.
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LANDSCHAFT
Wie zuletzt, in einem Augenblick
aufgehäuft aus Hängen, Häusern, Stücken
alter Himmel und zerbrochnen Brücken,
und von drüben her, wie vom Geschick,
von dem Sonnenuntergang getroffen,
angeschuldigt, aufgerissen, offen —
ginge dort die Ortschaft tragisch aus;
fiele nicht auf einmal in das Wunde,
drin zerfließend, aus der nächsten Stunde
jener Tropfen kühlen Blaus,
der die Nacht schon in den Abend mischt,
so daß das von ferne Angefachte
sachte, wie erlöst, erlischt.
Ruhig sind die Tore und die Bogen,
durchsichtige Wolken wogen
über blassen Häuserreihn
die schon Dunkel in sich eingesogen;
aber plötzlich ist vom Mond ein Schein
durchgeglitten, licht, als hätte ein
Erzengel irgendwo sein Schwert gezogen.
59
RÖMISCHE CAMPAGNA
Aus der vollgestellteti Stadt, die Jieber
schliefe, träumend von den hohen Thermen,
geht der grade Grabervc eg ins Fieber;
und die Fenster in den letzten Fermen
sehn ihm nach mit einem bösen Blick.
Und er hat sie immer im Genick,
wenn er hingeht, rechts und links zerstörend,
bis er drauften atemlos beschwörend
seine Leere zu den Himmeln hebt,
hastig um sich schauend, ob ihn keine
Fenster treffen. Wahrend er den weiten
Aquädukten zuwinkt herzuschreiten,
geben ihm die Hinuuel fiir die seine
*
ihre Leere, die ihn überlebt.
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LIED VOM MEER
CAFRI. nOOOLA MARINA
Uraltes ^ehn vom Meer,
Meerwind bei Nacht:
du kommst zu keinem her
wenn einer wacht»
so muß er sehn, wie er
dich tibersteht:
uraltes Wehn vom Meer,
welches weht
nur wie ftlr Urgestein,
lauter Raum
reißend von weit herein.
O wie flihlt dich ein
treibender Feigenbaum
oben im Mondschein.
NÄCHTLICHE FAHRT
SANKT PETüRSBURG
Damals als wir mit den glatten Trabern
(schwarzen, aus dem OrlofF'schen Gestüt)
während hinter hohen Kandelabern
Stadtnachtfi^nten lagen, angefrOht
stumm und keiner Stunde mehr gemäß —
fuhren, nein: vergingen oder Hogen
und um lastende Pa^te bogen
in das Wehn der Newa-Quais,
hingerissen durch das wache Nachten,
das nicht: liimmel und nicht liidc hat, —
als das Drängende von unbewachten
Gärten gärend aus dem Ljetnij-Ssad
außtieg, während seine Steinfigaren
schwindend mit ohnmächtigen Konturen
hinter uns vergingen, wie wir fuhren — :
damals horte diese Stadt
auf zu sein. Auf einmal gab sie zu,
daß sie niemals war, um nichts ak Ruh
flehend; wie ein Irrer, dem das Wirm
plötzlich sich entwirrt, das ihn verriet,
6i
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und der einen jahrelangen kranken
gar nicht za Terrandeinden Gedanken,
den er nie mehr denken ma&: Granit —
ans dem leeren schwankenden Gehtm
fallen fühlt, bis man ihn nicht mehr sieht.
PAPAGEIENPARK
PARIS
Unter tfirkischen Linden, die blOhen, an Rasen-
rändern,
in leise von ihrem Heimweh geschaukelten Ständern
atmen die Ära und wissen von ihren Ländern,
die sidi, auch venn sie nicht hinsehn, nicht ver-
ändern.
Fremd im beschäftigten Grünen wie eine Parade,
neren sie sich und flihlen sich selber zu schade •
und mit den kostbaren Schnäbehi aus Jaspb und
Jade
kauen sie Graues, verschleudern es, finden es faderi^'^j^
Unten klauben die duffen Tauben, vas sie nicht
mögen,
während sich oben die hühnischen Vögel verbeugen
zwischen den beiden ßist leeren vergeudeten Trögcn,'^'^^*^ ^
Aber dann wiegen sie wieder und schläfern und
augcn,
spielen mit dunkelen Zungen, die gerne lögen
zerstreut an den Fußfesselringen« ^rten auf
Zeugen.
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DIE PARKE
I
Unaufhaltsam heben sich die Parke
aus dem sanft zerfallenden Vergehn;
Uberhäuft mit Himmeln» übecstarke
UberUeferte, die Ubeistehn,
um sich auf den klaren Rasenplänen
auszubreiten und zurOckzuziehn»
immer mit demselben souveiSnen
AufVand, ^e beschützt durch ihn,
und den unerschöpflichen Erlüs
königlicher Größe noch vermehrend,
aus sich steigend, in sich viederkehrend :
huldvoll, prunkend, purpurn und pompös.
Ldse von den Alleen
ergriffen, rechts imd links,
folgend dem Weitergehen
irgend eines Winks,
trittst du mit einem Male
in das Beisammensein
einer schattigen Wassersdiale
mit vier Bänken ans Stein;
in eine abgetrennte
Zeit, die allein vergeht.
Auf feuchte Postamente,
auf denen nichts mehr steht,
hebst du einen tiefen
erwartenden Atemzug;
während das silberne Triefen
von dem dunkeln Bug
dich schon zu den Seinen
zählt und veiterspricht.
Und du fbhlst dich unter Steinen,
die hören, und rOhrst dich nicht.
66
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m
Den Teichen und den eingerahmten "Weihern
verheimlicht man noch immer das Verhör
der Könige. Sie warten unter Schleiern,
und jeden Augenblick kann Monseigneur
vorüberkonunen; und dann wollen sie
des Königs Laune oder Trauer mildern
imd von den Marmorrändern wieder die
Teppiche mit alten Spiegelbildern
hinunterhUngen, wie um einen Platz:
auf grünem Grund, mit Silber, Rosa, Grau,
gewährtem Weiß und leicht gerührtem Blau
und einem Könige und einer Frau
und Blumen in dem wellenden Besatz.
IV
Und Natur, erlaucht und als verletze
ne nur unentschlofines Ungeföhr,
nahm von diesen Königen Gesetze,
selber selig, um den Tapis-vert
ihrer Bäume Traum und Übertreibung
aiifzutOrmcn aus gebauschtem Grün
und die Abende nach der Beschreibung
von Verliebten in die Avenfln
elnzumalen mit dem weichen Pinsel,
der ein firnißklares aufgelöstes
Lächeln glänzend zu enthalten schien:
der Natur ein liebes, nicht ihr größtes,
aber eines, das sie selbst verliehn,
um auf rosenvoller Liebes-Insel
es zu einem größem aufzuziehn.
6%
Götter von Alken und Altanen,
niemals ganzgeglaubte Götter, die
altern in den gradbeschnittnen ßahnen,
höchstens angelächelte Dianen,
Venn die königliche Venerie
wie ein "Wind die hohen Morgen teilend
aufbrach, übereilt und übereilend — ;
höchstens angelächelte doch nie
angeflehte Götter. Elegante
Pseudonyme, unter denen man
sich verbarg und blühte oder brannte, —
leichtgeneigte, lächelnd angewandte
Götter, die noch manchmal dann und wann
das gewähren, was ae einst gewährten,
wenn das Blühen der entzückten Gärten
ihnen ihre kalte Haltung nimmt;
wenn sie ganz von ersten Schatten beben
und Versprechen um Versprechen geben,
alle unbegrenzt und unbestimmt.
VI
Fühlst du, wie keiner von allen
'^QPbgen steht und stockt;
von gelassenen Treppen fallen,
durch ein Nichts von Neigung
leise veitergelockt.
Aber alle Terrassen
die Wege, zwischen den Massen
verlangsamt und gelenkt,
bis zu den weiten Teichen,
wo sie (wie einem Gleichen)
der reiche Park verschenkt
an den reichen Raum: den Einen
der mit Scheinen und ^derscheinen
seinen Besitz durchdringt,
aus dem er von allen Seiten
Weiten mit sich bringt,
wenn er aus schUeßendeh Weihern
zu wolkigen Abendföem
sich in die Himmel schwingt.
VII
Aber Schalen sind, drin der Najaden
Spiegelbilder, die sie nicht mehr baden,
wie ertrunken liegen, sehr verzerrt;
die Alleen sind durch Balustraden
in der Feme wie versperrt
Immer geht ein feuchter Blätterfall
durch die Luft hinunter wie auf Stufen,
jeder Vogelruf ist vie verrufen,
wie vergiftet jede NachtigalL
Selbst der Frühling ist da nicht mehr gebend,
diese Büsche glauben nicht an ihn;
ungern duftet trübe, überlebend
abgestandener Jasmin
alt und mit Zerfallendem vermischt.
Mit dir weiter rückt ein Bündel Mücli^en,
so als würde hinter deinem Rücken
alles gleich vernichtet und verwischt.
BILDNIS
Daß von dem verzichtenden Gesichte
keiner ihrer großen Schmerzen fiele,
trägt sie langsam durch die Trauerspiele
ihrer Züge schönen welken Strauß,
vild gebunden und schon beinah lose;
manchmal fällt, wie eine Tuberose,
ein verlornes Lächeln müd heraus.
Und sie geht gelassen drüber liin,
müde, mit den schönen blinden Händen,
welche wissen, daß sie es nicht l^den,
und sie sagt Erdichtetes, darin
Schicksal schwankt, gewolltes, irgendeines,
und sie gibt ihm ihrer Seele Sinn,
daß es ausbricht wie ein Ungemeines:
wie das Schreien eines Steines —
und sie liißt mit hochgehobnem Kinn
alle diese '^brte wieder fallen,
ohne bleibend; denn nicht eins von allen
ist der wehen "^QClrklichkeit gemäß,
ihrem einzigen Eigentum,
das sie wie ein fußloses Gefliß
halten muß, hoch Über ihren Ruhm
lud den Gang der Abende hinaus.
7»
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VENEZIANISCHER MORGEN
RICHARD B££R-HOFMANN ZUG££IGN£T
Ffiisdich rervtthnte Fenster sehen immer,
was manchesmal uns zu bemühn geruht:
die Stadt, die immer wieder, wo ein Schimmer
von Himmel tiitft auf ein GefQhl von Flut»
foxh bildet ohne irgendwann zu sein.
Ein jeder Morgen muß ihr die Opale
erst zeigen, die sie gestern trug, und Reihn
von Spiegelbildern ziehn aus dem Kanäle
und sie erinnern an die andern Male:
dann gibt sie sich erst zu und fällt sich ein
wie eine Nymphe, die den Zeus empfing.
Das Ohigehang erklingt an ihrem Ohre;
sie aber hebt San Giorgio Maggiore
imd lächelt lässig in das schöne Ding.
SPÄTHERBST IN VENEDIG
Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein
Köder, l^c'.i
der alle aufgetauchten Tage Fängt.
Die gläsernen Paläste klingen spröder
an deinen Biiclc Und aus den Gärten hangt
der Sommer w ie ein Haufen Marionetten
kopfüber» müde, umgebracht. '
Aber vom Grand aus aken Waldskeletten
steigt Willen auf: ab sollte Aber Nacht
der General des Meeres die Galeeren
verdoppeln in dem wachen Arsenal,
um schon die nächste Morgenluft zu teeren
mit einer Flotte, welche ruderschlagend
sich drängt und jäh, mit allen Flaggen tagend,
den großen Wind hat, strahlend und iätaL
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SAN MARCO
VENEDIG
In diesem Innern, das ^e ausgehöhlt
sich wölbt und wendet in die goldnen Smalccn,
rundkantig, glatt, mit Küstlichkeit geült,
vard dieses Staates Dunkelheit gehalten
und heimlich aufgehäuft, als Gleichgewicht
des Lichtes, das in allen seinen Dingen
sich so vermehrte, daß sie fast veigingen.
Und plötzlich zweifelst du: vergehn sie nicht?
und drängst zurück die harte Galerie,
die vie ein Gang im Bergwerk nah am Glanz
der ^^Ibung hängt; und du erkennst die heile
Helle des Ausblicks: aber irgendwie
vehmütig messend ihre müde \(^eiie
am nahen Überstehn des Viergespanns*
EIN DOGE
Fremde Gesandte sahen, wit sie geizten
mit ihm, und allem, was er tat;
während sie ihn zu seiner Größe reizten,
umstellten sie das goldene Dogat
mit Spähern und Beschriinkcrn immer mehr,
bange, daß nicht die Macht sie überfallt,
die sie in ihm (so wie man Lüwcn hält)
vorsichtig lülhrten. Aber er,
im Schutze seiner halbverhängten Sinne,
vard dessen nicht gevrahr und hielt nicht inne,
größer zu verden. Was die Signorie
in seinem Innern zu bezwingen glaubte,
bezvang er selbst. In seinem greisen Haupte
var es besiegt. Sein Antlitz zeigte wie.
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DIE LAUTE
Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib
beschreiben, s^e schön gewölbten Streifen:
sprich so, als sprächest du von einer reifen
gewölbten Feige. Übertreib
das Dunkel, das du in mir siehst. Es var
Tullias Dunkelheit. In ihrer Scham
war nicht so vicL und ihr erhelltes Haar
var wie ein heller SaaL Zuweilen nahm
sie etwas Klang von meiner Oberfläche
in ihr Gesicht und sang zu mir.
Dann spannte ich mich gegen ihre Schwäche^
und endlich war mein Inneres in ihr.
DER ABENTEÜERER
I
Wenn er unter jene» veldie waren
trat: der Plötzliche, der schien,
war ein Glanz wie von Gefahren
• in dem ausgesparten Raum um ihn,
den er lächelnd überschritt, um einer
Herzogin den Fächer aufzuheben :
diesen warmen Fächer, den er eben
wollte fallen sehen. Und wenn keiner
mit ihm eintrat in die Fensternische
(wo die Parke gleich ins Träumerische
stiegen, wenn er nur nach ihnen wies},
ging er lässig an die Kartentische
und gewann. Und unterließ
nicht, die Blicke alle zu behalten,
die ihn zweifelnd oder zärtlich trafen,
und auch die in Spiegel Helen, galten.
Er beschloß, auch heute, niclit zu schlafen
wie die letzte lange Nacht, und ,bog
einen Blick mit seinem rücksichtslosen,
welcher war: als hätte er von Rosen
Kinder, die man irgendwo erzog.
7«
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ü
In den Tagen — (nein, es waren keine),
da die Flut sein unterstes Verlies
ihm bestritt, als war es nicht das seine,
und ihn, steigend, an die Steine
der daran gewöhnten \(^ölbung stiefi,
fiel ihm plötzlich einer von den Namen
wieder ein, die er vor Zeiten trug.
Und er wußte wieder: Leben kamen,
wenn er lockte; wie im Flug
kamen sie: noch warme Leben Toter,
die er, ungeduldiger, bedrohter,
weiterlebte mitten drin;
oder die nicht ausgelebten Leben,
und er wußte üc hinauizuheben,
und sie hatten wieder Sinn.
Oft war keine Stelle an ihm ächer,
und erzitterte: Ich bin
doch im nächsten Augenblicke glich er
dem Geliebten einer Königin.
Immer wieder war ein Sein %vl haben:
die Geschicke angefangner Knaben,
die, als hätte man sie nickt gev^agt,
abgebrochen waren, abgesagt^
nahm er auf und riß sie in rieh hin;
denn er mnfite rinmal nur die Graft
solcher Aufgegebener durchschreiten,
und die DüFce ihrer Möglichkeiten
lagen wieder in der Luft.
FALKEN-BEIZE
Kaiser sein heißt imvenrandelt vieles
überstehen bei geheimer Tat:
wenn der Kanzler nachts den Turm betrat,
fand er ihn, des hohen Federspieies
kühnen ftirstlichen Traktat
in den eingeneigten Schreiber sagen;
denn er hatte im entlegnen Saale
selber nächtelang und viele Male
das noch ungewohnte Tier getragen,
wenn es fremd war, neu und auFgebräut.
Und er hatte dann sich nie gescheut,
Pläne, welche in ihm aufgesprungen
oder zärtlicher Erinnerungen
tieftief inneres Geläut
zu verachten, um des bangen jungen
Falken willen, dessen Blut und Sorgen
zu begreifen er sich nicht erließ.
Dafür war er auch wie mitgehoben,
wenn der Vogel, den die Herren loben,
glänzend von der Hand geworfen, oben
in dem mitgef^ten Frühlingsmorgen
wie ein Engel auf den Reiher stieß.
' CORRIDA
IN MEMORIAM MONTEaS» t%p>
Seit er, klein beinah, aus dem Toril
ausbrach, aufgescheuchten Augs und Ohrs,
und den £igensinn des Picadors
und die Bänderhaken wie im Spiel
hinnahm, ist die stürmische Gestalt
angewachsen — aeh: zu welcher Masse,
aufhäuft aus altem schwarzen Hasse,
und das Haupt zu einer Faust geballt
nicht mehr spielend gegen irgendwen,
nein: die blutigen Nackenhaken hissend
hinter den gefeiten Hörnern, wissend
und von Ewigkeit her gegen den,
der in Gold und mauver Rosaseide
plötzlich umkehrt und, wie einen Schwann
Bienen und als ob er's eben leide,
den Bestürzten unter seinem Arm
durchläßt, — während seine Blicke hdß
sich noch einmal heben, Icichtgclenkt,
und als schlüge draußen jener Kreis
8z
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sich aus ihrem Glanz und Dunkel nieder
und aus jedem Schlagen seiner Lider,
ehe er gleichmütig, ungehiissig,
an sich selbst gelehnt, gelassen, lässig
in die wiederheigerollte große
Woge über dem verlornen Stoße
seinen Degen beinah sanft versenkt.
DON JUANS KINDHEIT
In seiner Schlankheit war, schon fast entscheidend,
der Bogen, der an Frauen nicht zerbricht;
und manchmal, seine Stirne nicht mehr meidend,
ging eine Neigmig durch sein Angesicht
zu einer, die vorüberkam, zu einer,
die ihm ein fremdes altes Bild verschloß:
er lächelte. £r war nicht mehr der Weiner,
der «ich ins Dunkel trug und ach vergoß.
Und während ein ganz neues Selbstvertrauen
ihn öfter tröstete imd fast verzog,
ertrug er ernst den ganzen Blick der Frauen,
der üm bewunderte und ihn bewog.
»4
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DON JUANS AUSWAHL
Und der Engel trat ihn an: Bereite
dich mir ganz. Und da ist meiii Gebot«
Denn daß einer jene fibenchreite,
die die Süßesten an ihrer Seite
bitter machen, tut mir not.
Zwar auch du kannst wenig besser lieben,
(unterbrich mich mcfat: du irrst),
doch du glühest, und es steht geschrieben,
daß du viele f ühren wirst
zu der Einsamkeit, die diesen
tiefen Eingang hat Laß ein .
die, die ich dir zugeviesien,
daß sie wachsend Hcloisen
Uberstehn und Überschrein.
SANKT GEORG
Und sie hatte ihn die ganze Nacht
angerufen, hingekniet, die schwache
vf'ache Jungfrau: Siehe, dieser Drache,
und ich weiß es nicht, warum er wacht.
Und da brach er aus dem Morgengraun
auf dem Falben, strahlend Helm und Haubert,
und er sah sie, traurig und verzaubert
aus dem Knieen aufwartsschaun
zu dem Glänze, der er war.
Und er sprengte glänzend längs der Länder
abwärts mit erhobnem Doppelhändcr
in die offene Gefahr,
viel zu furchtbar, aber doch erfleht.
Und sie kniete knieender, die Hände
fester faltend, daß er sie bestände;
denn sie wußte nicht, daß der besteht,
den ihr Herz, ihr reines und bereites
aus dem Licht des göttlichen Geleites
niederreißt. Zu Seiten seines Streites
stand, wie Türme stehen, ihr Gebet.
DAME AUF EINEM BALKON^ ' '
Plötzlich tritt sie, in dea Wmd gehüllt,
licht in Lichtes, vie herausgegriffen,
während jetzt die Stube wie geschii£Fen
hinter ihr die Türe füllt
dunkel wie der Grund einer Kamee,
die ein Schimmern durchläßt durch die Ränder;
und du meinst der Abend war nicht, ehe
sie heraustrat, tun auf das Geländer
noch ein wenig von ach fortzulegen,
noch die Hände, — um ganz leicht zu sein;
wie dem Himmel von den Häuserreihn
hingereicht, von allem zu bewegen.
87
I
BEGEGNUNG IN DER KASTANIEN-ALLEE
Ihm ward des Eingangs grfine Dunkelheit
kühl wie ein Sddenmantel vmgegeben,
den er noch nahm und ordnete : als eben
am andern transparenten Ende, weit,
aus grOner Sonne, wie aus grünen Schoben,
weiß eine einzelne Gestalt
aufleuchtete, um lange fern zu bleiben
imd schlieMch, von dem Lichtemiedertieiben
bä jedem Schritte überwallt,
ein helles Wechseln auf sich herzutragen,
das scheu im Blond nach hinten lief.
Aber auf einmal war der Schatten tief,
und nahe Augen lagen aufgeschlagen
in einem neuen deutlichen Gesicht,
das wie in einem Bildnis verwdke
in dem Moment, da man »ch wieder teilte:
erst war es immer, und dann war es nicht.
SS
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DIE SCHWESTERN
Sich, wie sie dieselben Möglichkeiten
anders an sich tragen und verstehn,
so als sähe man verschied ne Zeiten
durch zwei gleiche Zimmer gehn.
Jede meint die andere zu stützen,
während sie doch müde an ihr ruht;
und sie können nicht einander nützen,
denn sie legen Blut auf Blut,
wenn sie sich wie früher sanft berühren
und versuchen, die Allee entlang
sich geführt zu fühlen und zu führen:
Ach, sie haben nicht denselben Gang.
ÜBUNG AM KLAVIER
Der Sommer stmimt. Der Nachmittag macht müde ;
sie atmete verwirrt ihr frisches Rleid
und legte in die trihige Ütüde
die Ungeduld nach einer Wirklichkeit,
die kommen konnte morgen, heute abend,
die vielleicht da war, die man nur verbarg;
und vor den Fenstern, hoch und alles habend,
empfand sie plötzlich den verrühnten Park.
Da brach sie ab; schaute hinaus, verschränkte
die Hände, wünschte sich ein langes Buch
und schob auf einmal den Jasmingeruch
erzQrnt zurOck. Sie fand, daß er sie kränkte.
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DIE LIEBENDE
Das ist mein Fenster. Eben
bin ich so sanft erwacht.
Ich dachte, ich würde schweben.
Bis voiiin reicht mein Leben,
und beginnt die Nacht?
Ich könnte meinen, alles
wäre noch ich ringsum ;
durchsichtig wie eines Kristaiies
Tiefe, verdunkelt^ stunun.
Ich konnte auch noch die Sterne
fassen in mir; so groß
scheint mir mein Herz; so gerne
ließ es ihn vieder los,
den ich vielleicht zu lieben,
vielleicht zu halten b^ann.
Fremd wie niebeschrieben •
sieht mich mein Schicksal an.
Was bin ich unter diese
Unendlichkeit gelegt,
duftend vie eine Wiese,
hin und her bewegt.
rufend zugleich und bange,
daß einer den Ruf vernimmt
und zum Untergange
in einem andern bestinunt
DAS ROSENINNERE
\ff6 ist zu diesem Innen
ein Außen? AiiF welches Weh
legt man solches Linnen?
\^idie Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh :
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
dber von Innenraum
in die 1 agc, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zinuner
' wird, ein Zimmer in einem Traum.
DAMEN-BILDNIS AUS DEN ACHTZIGER
JAHREN
'^Q(^end stand sie an den seh veigera£Ften
dunklen Atlasdraperien,
die ein Aufwand falscher Leidenschaften
über ihr zu ballen schien ^
seit den noch so nahen Mädchenjahren
vie mit einer anderen vertauscht:
müde unter den getfirmten Haaren,
in den Rüschen-Roben unerfahren
und von allen Falten wie belauscht
bei dem Heimweh und dem schwachen Planen,
wie das Leben weiter werden soll;
anders, wirklicher, wie in Romanen,
hingerissen und verh'angnisvoU, —
daß man etvas erst in die Schatullen
legen dürfte, um sich im Geruch
von Erinnerungen einzulullen;
daß man endlich in dem Tagebuch
einen Anfang fände, der nicht schon
unterm Schreiben smnlos vird und Lüge,
und ein Blatt von einer Rose trüge
in dem schweren leeren Medaillon,
9i
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welches liegt auf jedem Atemzug.
Daß man einmal durch das Fenster winkte
diese schlanke Hand, die neuberingte,
hätte dran Hir Monate genug.
DAME VOR D£M SPIEGEL
Wie in einem Schlaitriink Spezerein
ISst sie leise in dem flilssigklaren •
Spiegel ihr ermOdetes Gebaren;
und sie tut ihr Läclieln ganz hinein.
«
Und sie wartet, daß die Flüssigkeit
davon steigt; dann giefit sie ihre Haare
in den Spiegel und, die wunderbare
Schulter hebend aus dem Abendkleid,
trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt,
was ein Liebender im Taumel tränke,
prüfend, voller Mißtraun ; und sie winkt
erst der Zofe, wenn sie auf dem Grande
ihres Spiegels Lichter findet. Schränke
und das Trübe einer späten Stunde.
96
Dm GREISIN
Weiße Freundinnen mitten im Heute
lachen und horchen und planen fllr morgen;
abseits erlägen gelassene Leute
langsam ihre besonderen Sorgen
das ^rum und das Winxi und das Wie,
und man hOrt sie sagen: Ich glaube — ;
aber in ihrer Spitzenhaiibe
ist sie sicher, als wüßte sie,
daß sie sich irren, diese und alle.
Und das Kinn, im Niederfalle,
lehnt sich an die weiße Koralle,
die den Schal zur Stime stinunt
Einmai aber, bei -einem Gelache,
holt sie aus springenden Lidern zwei wache
Blicke luid zeigt diese harte Sache,
vie man aus einem geheimen Fache
schdne ereibte Steine nimmt.
DAS BETT
Laß sie meinen, daß sidi in privater
^W^hmut lüst, wis einer dort bestritt.
Nirgend sonst als da ist eih Theater;
reiß den hohen Vorhang fort — : da tritt
vor den Gior der Nachte, der b^ann
ein unendlich breites Lied zu sagen,
jene Stunde auf, bei der sie Jagen,
und zerreißt ihr Kleid und klagt sich an,
um der andern, um der Stunde willen,
die sich wehrt und wälzt im Hintergründe;
denn sie konnte sie mit sich nicht stillen.
Aber da sie zu der fremden Stunde
sich gebeugt : da war auf ihr, •
was sie am Geliebten einst gefunden,
nur so drohend und so groß verbunden
und entzogen wie in einem Tier.
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DEEL FREMDE
Ohne Sorgfalt, was die Nächsten dächten,
die er müde nicht mehr fragten hiefi,
ging er ^eder fort; verlor, verließ — .
Denn er hing an solchen Reisenächten
anders als an jeder Liebesnacht.
Wunderbare hatte er durchdacht,
die mit starken Sternen aberzogen
enge Fernen auseinanderbogen
imd sich wandelten wie eine Schiacht;
andre, die mit in den Mond gestreuten
Dörfern, wie mit hingehaltnen Beuten,
sich ergaben, oder durch geschonte
Parke graue Edelsitze zeigten,
die er gerne in dem hingeneigten
Haupte einen Augenblick bewohnte,
tiefer wissend, daß man nirgends bleibt;
und schon sah er bei dem nächsten i^iegen
wieder WegCy Brücken, Länder liegen
bis an S^te, die man übertreibt.
Und dies alles immer unbegehrcnd
hinzulassen, schien ihm mehr als seines
Lebens Lust, Besitz und Ruhm.
Doch auf fremden Plätzen war ihm
täglich ausgetretnen Brimneiistetiies
Mulde manchmal wie ein Eigentum.
100
DIE ANFAHRT
\{^r in des '^gens Endung dieser Schwung?
"War er im Blick, mit dem man die barocken
EngelHguren, die bei blauen Glocken
im Felde standen voll Erinnerung,
annahm und hielt und wieder ließ, bevor
der Schloßpark schließend um die Fahrt sich
drängte,
an die er streifte, die er fiberhängte
und plötzlich fi*eigab: denn da var das Tor,
das nun, als hätte es sie angerufen,
die lange Front zu einer Schwenkung zwang,
nach der »e stand. Aufglänzend ging ein Gleiten
die Glastür abwärts; und ein Windhund drang
aus ihrem Aufgehn, seine nahen Seiten
heruntertragend von den flachen Stufen.
DIE SONNENUHR
Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule
aus dem Gartenschatten, wo einander
Tropfen fallen hören und ein Wander-
vogel lautet, zu der Säule,
die in Majoran und Koriander
steht und Sommerstunden zeigt;
nur sobald die Dame (der ein Diener
nachfolgt) in dem hellen Florentiner
Uber ihren Rand sich neigt,
wird sie schattig und verschweigt — ,
Oder wenn ein sommerlicher Regen
aufkommt aus dem wogenden Bewegen
hoher Kronen, hat sie eine Pause;
denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken,
die dann in den Frucht- und Blumenstücken
plötzlich glüht im weißen Gartenhause.
tOi
SCHLAFMOHN
Abseits im Garten blCiht der böse Schlaf,
in welchem die, die heimlich eingedrungen,
die Liebe fanden junger Spiegelungen,
die willig waren, offen und konkav,
und Träume, die mit aufgeregten Masken
auftraten, riesiger durch die . Kothurne — :
das alles stockt in diesen oben flaskcn
weichlichen Stengeln, die die Samenume
(nachdem sie lang, die Knospe abwärts tragend
zu welken meinten) festvcrschlossen heben:
gefranste Kelche auseinanderschlagend,
die fieberhaft das Mohngeräfi umgeben.
DIE FLAMINGOS
PARIS, JARDIN DES PLANTES
In Spiegelbildern wie von Fragonard
ist doch von ihrem ^eifi und ihrer ROte
nicht mehr gegeberij als dir einer böte,
wenn er von seiner Freundin sagt: sie war
noch sanft von Schlaf. Denn steigen sie ins GrQne
und stchn, auf rosa Stielen leicht gedreht
beisammen, blühend, wie in einem Beet,
verführen sie verführender als Phryne
sich selber; bis sie ihres Auges Bleiche
hinhalsend bergen in der eignen Weiche,
in welcher Schwarz und Fruchtrot sich versteckt.
Auf einmal kreischt ein Neid durch die Voliere;
sie aber haben sich erstaunt gestreckt
und schreiten einzeln ins Imaginäre.
104
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PERSISCHES HELIOTROP
Es könnte sdn, daß dir der Rose Lob
zu laut erscheint für deine Freundin: Nimm
das schön gesdckte Kraut und flberstimm
mit dringend Üüsterndem Heliotrop
den BOibüi, der an ihren Lieblingsplätzen
sie schreiend preist und sie nicht kennt.
Denn sieh: wie süße "Worte nachts in Sätzen
beisammenstehn ganz dicht, durch nichts getrennt,
aus der Vokale vachem Violett
hindOftend durch das stille Hinunelbett — :
so schließen sich vor dem gesteppten Laube
deutliche Sterne zu der seidnen Traube
und mischen, daß sie fast davon verschwimmt«
die Stille mit Vanille und mit Zimmt.
105
SCHLAFLIED
Einmal wenn ich dich verlier,
virst du schlafen können, ohne
daß ich wie eine Lindenkrone
mich verHOstre llher dir?
Ohne daß ich hier wache und
'^rte, beinah wie Augenlider,
auf deine Brüste, auf deine Glieder
niederlege, auf deinen Mund.
Ohne daß ich dich verschließ
und dich allein' mit deinem lasse,
wie einen Garten mit einer Masse
von Melissen und Sternanis.
to6
DER PAVILLON
Aber selbst noch durch die Flügeltüren
mit dem grOnen, regentrQben Glas
ist ein Spiegeln lächelnder AllOren
und ein Glanz \ on jenem Glück zu spüren,
das sich dort, wohin sie nicht mehr führen,
einst verbarg» verklärte und veigaß.
Aber selbst noch in den Steingirlanden
über der nicht mehr berOhrten Tflr
ist ein Hang zur Heimlichkeit vorhanden
und ein stilles Mitgefühl dafür,
und sie schauern manchmal vc ie gespiegelt,
wenn ein Wind sie schattig überlief;
auch das "^ppen, vie auf einem Brief
viel zu glücklich, fiberstfirzt gesiegelt,
redet noch, ^e wenig man verscheuchte:
alles veiß noch, weint noch, tut noch wclu
Und im Fortgehn durch die tränenfeuchte,
abgelegene Allee
fiihlt man lang noch auf dem Rand des Dachs
jene Urnen stehen, kalt, zerspalten,
doch entschlossen, noch zusammzuhalten
um die Asche alter Achs.
DIE ENTFÜHRUNG
Oft var sie als Kind ihren Dienerinnen
entwichen, um die Nacht und den Wind
(weil sie drinnen so anders sind)
draußen zu sehn an ihrem Beginnen j
doch keine Sturmnacht hatte gewifi
den riesigen Park so in Stücke gerissen,
wie ihn jetzt ihr Gewissen zerriß,
da er sie nalun Yon der seidenen Leiter
und sie vtttertrug, weiter, weiter:
bis der Wagen alles war*
Und sie roch ihn, den schwarzen Wagen,
um den verhalten das Jagen stand
und die Gefahr.
Und sie fand ihn mit Kaltem ausgeschlagen;
und das Schwarze und Kalte war auch in ihr.
Sie kroch in ihren Mantelkragen
und befühlte ihr Haar, als bliebe es hier,
und hürte fremd einen Fremden sagen:
Ichbinbeidir.
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ROSA HORTENSIE
nahm das Rosa an? Wer vußte auch,
daß es sich sammelte in diesen Dolden ?
"Wie Dinge unter Gold, die sich entgoldcn,
entrüten sie sich sanft, wie im Gebraudi«
Daß sie fiir solches Rosa nichts verlangen.
Bleibt CS ftir sie und lächelt aus der Luft?
Sind Engel da, es zärtlich zu empfangen,
Venn es vergeht, großmütig wie ein Duft?
Oder vielleicht auch geben sie es preis,
damit es nie erführe vom Verblühn.
Doch unter diesem Rosa hat ein Grün
gehorcht, das jetzt verwelkt und alles weiß.
DAS WAPPEN
"Wie ein Spiegel, der, von ferne tragend
lautlos in sich aufnahm, ist der Schild;
offen einstens, dann zusammenschlagend
Uber einem Spiegelbild
jener ^Cesen, die in des Geschlechts
Weiten wohnen, nicht mehr zu bestreiten,
seiner Dinge, seiner Wirklichkeiten
(rechte links und linke rechts),
die er eingesteht und sagt und zeigt.
Drauf, mit Ruhm und Dunkel ausgeschlagen,
ruht der Spangenhelm, verkürzt,
den das Flügeikleinod übersteigt,
während seine Decke vie mit Klagen
reich und aufgeregt hemiederstürzt.
I 10
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DER JUNGGESELLE
Lampe auf den verlassenen Papieren,
und ringsum Nacht bis veit hinein ins Holz
der Schränke. Und er konnte sich verlieren
an sein Geschlecht, das nun mit ihm zerschmolz j
ihm schien, je mehr er las, er hätte ihren,
sie aber hatten alle seinen Stolz.
HochmQtig steiften sich die leeren Stühle
die Wand entlang, und lauter SelbstgeRihlc
machten sich schläfernd in den Möbeln breit ;
von oben goß sich Nacht auf die PendUle,
und zitternd rann aus ihrer goldnen Mühle
ganz fein gemahlen, seine Zeit.
Er nahm sie nicht. Um fiebernd unter jenen,
als zöge er die Laken ihrer Leiber,
andre Zeiten vegzuzerrn.
Bis er ins Flüstern kam; (was war ihm fernr)
Er lobte einen dieser Briefeschreiber,
als sei der Brief an ihn: Wie du mich kennst ;
und klopfte lustig auf die Seitenlehnen.
Der Spiegel aber, innen unbegrenzter,
ließ leise einen Vorhang aus, ein Fenster — :
denn dorten stand, fast fertig, das Gespenst.
III
DER EINSAME
Nein : ein Turm soll sein aus meinem Herzen
und ich selbst an seinen Rand gestellt:
wo sonst nichts mehr ist» noch einmal Schmerzen
und Unsäglichkeic, noch einmal Welt.
Noch ein Ding allein im Übergroßen,
irelches dunkel wird und wieder licht,
noch ein letztes, sehnendes Gesicht
in das Nie-zu-Scillende verstoßen,
noch ein äußerstes Gesicht aus Stein,
willig seinen inneren Gewehten,
das die Weiten, die es still vernichten,
zwingen, immer seliger zu sein.
I it
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DER LESER
Wer kennt ihn, diesen, welcher sein Geweht
wegsenkte aus dem Sein m einem zweiten,
das nur das schnelle Wenden voller Seiten
manchmal gewaltsam imter bricht?
Selbst seine Mutter wäre nicht gewifi,
ob er es ist, der da mit seinem Schatten
Getränktes liest. Und wir, die Stunden hatten,
was wissen wir, wieviel ihm hinschwand, bis
er mühsam aufsah; alles auf sich hebend,
was unten in dem Buche sich verhielt,
mit Augen, welche, statt zu nehmen, gebend
anstießen an die fertig-volle Wdt:
wie stille Kinder, die allein gespielt,
auf einmal das Vorhandene erfahren;
doch seine Züge, die geordnet waren,
blieben för immer umgestellt*
DER APFELGARTEK
fiORGEBV-GARD
Komm gleich nach dem Soifnenuntergange,
sieh das Abendgrün des Rasengninds;
ist CS nicht, als hätten wir es lange
angesammelt imd erspart in uns,
um es jetzt aus Fühlen und Erinnern,
neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun,
noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern,
in Gedanken vor uns hinzustreun
unter Bäume ^e von Dürer, die
das Gewicht von hundert Arbeitstagen
in den überfüllten Früchten tragen,
dienend, voll Geduld, versuchend, vie
das, was alle Mal^c übersteigt,
noch zu heben ist und hinzugeben,
wenn man villig, durch ein langes Leben
nur das ^e viil und vächst und schweigt
««4
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DIE BERUFUNG
Da aber als in sein Versteck der Hohe,
sofort Erkennbare: der Engel, trat
aufrecht, der lautere und lichterlohe,
da tat er allen Anspruch ab und bat,
bleiben zu dürfen, der von seinen Reisen
innen verwirrte Kaufmann, der er war;
er hatte nie gelesen und nun gar
ein solches Wort, zu viel für einen Weisen.
Der Engel aber, herrisch, wies und wies
ihm, was geschrieben stand auf seinem Blatte,
und gab nicht nach und wollte wieder: lies.
Da las er: so, daß sich der Engel bog,
und war schon einer, der gelesen hatte
und konnte und gehorchte und vollzog.
"5
DERBERG
Sechsunddreißigmal und iiimdertmal
hat der Maler jenen Berg geschrieben,
weggerissen, ^eder hingetrieben
(sechsunddreißigmal und hundertmal^
zu dem unbegreiflichen Vulkane,
selig, voll Versuchung, ohne Rat, —
während der mit Umriß Angetane
seiner Herrlichkeit nicht Einhalt tat:
tausendmal aus allen Tagen tauchend,
Nächte ohnegleichen von sich ab
fallen lassend, alle wie zu knapp ;
jedes Bild im Augenblick verbrauchend,
von Gestalt gesteigert zu Gestalt,
teilnahmslos und weit und ohne Meinung — ,
um auf einmal wissend, w ie Erscheinung,
sich zu heben hinter jedem Spalt.
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DER BALL
Du Runder, der das '^rme aus zwei Händen
im Fliegen oben fortgibt, sorglos wie
sein Eigenes; ^as in den Gegenständen
nicht bleiben kann, zu unbeschwert fOr sie,
zu wenig Ding und doch noch Ding genug,
um nicht aus allem draußen Aufgereihten - "tK)
. unsichtbar plötzlich in uns einzugleiten:
das glitt in dich, du zwischen Fall und Flug
noch Unentschlossener, der, wenn er steigt,
als hätte er ihn mit hinau%ehoben,
den ^urf entfährt imd frdläftt — , und sich neigt
vaid einhält und den Spielenden von oben
auf einmal eine neue Stelle zeigt,
sie ordnend wie zu einer Tanziigur,
um dann, erwartet und erwünscht von allen,
rasch, einfach, kunstlos, ganz Natur,
dem Becher hoher Hände zuzufallen.
DAS KIND
UnwillkdrÜch sehn ae semcm Spiel
lange zu; zuweilen tritt das runde
seiende Gesicht aus dem Frohi,
klar und ganz wie eine volle Stunde,
welche anhebt und zu Ende schlagt.
Doch die andern zählen nicht die Schläge,
trüb von Mühsal und vom Leben träge;
und sie merken gar nicht; wie es ttägt — ,
wie CS alles trägt, auch dann, noch immer,
wenn es müde in dem kleinen Kleid
neben ihnen wie im 'Wartezinuner
sitzt und warten will auf seine Zeit.
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DER HUND
Da oben wird das Bild von einer yMt
aus Blicken immerfort erneut und gilt.
Nur manchmal, heimlich, kommt ein Ding mid
stellt
sich neben ihn, wenn er durch dieses Bild
sich drängt, ganz unten, anders, wie er istj
nicht ausgestoßen und nicht eingereiht
und wie im Zweifei seine ^QSlrklichkeit
weggebend an das Bild, das er vergißt,
um dennoch immer wieder sein Gesicht
hineinzuhaiten, fast mit einem Flehen,
beinah begreifend, nah am Einverstehen
und doch verzichtend: denn er wäre nicht.
DER KÄFERS TEIN
Sind nicht Sterne fast in ddner NIhe
und was gibt es, das du nicht umspannst,
da du dieser harten Skarabäe
Kameolkem gar nicht fassen kannst
ohne jenen Raum, der ihre Schilder
niederhält, auf deinem ganzen Blut
mitzutragen; niemals var er milder
näher, hingegebener. Er ruht
seit Jahrtausenden auf diesen Käfern,
wo ihn keiner braucht und unterbricht;
und die IQUer schließen sich und schläfern
unter seinem vi^enden Gewicht
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BUDDHA IN DER GLORIE
Mitte aller Mitten, Kern der Kerne,
Mandel, die sich einschließt und versüßt, —
dieses alles bis an alle Sterne
ist dein Fruchtfleisch; Sei gegrüßt.
Sieh, du fühlst, wie nichts mehr an dir hängt;
im Unendlichen ist deine Schale,
und dort steht der starke Saft und drängt.
Und von außen hilft ihm ein Gestrahlc,
denn ganz oben werden deine Sonnen
voll und glühend umgedreht.
Doch in dir ist schon begonnen,
was die Sonnen übersteht
III
INHALT
t^^rchaYsclier Torso Apollos i
Kredschc Artemis i
^ Lcda )
Delphine ^
Die Insel der Sirenen 6
Klage um Antinotis 7
/ Der Tod der Geliebten S
Klage um Jonathan ^
Tröstung des Elia ■ . 10
Saul unter den Propheten « 12
Samuels Erscheinung vor Saul .... i j
hin Prophet 15
Jeremia 16
Eine Sibylle 17
Absaloms Abfall i S
Esther zo
Der aussätzige König z z
Legende von den drd Lebendigen und den
drd Toten z 3
Der Künig von Münster ...... Z4
Totentanz Z5
Das Jüngste Gericht z6
Die Versuchung z 7
Der Alchimist 2 p
III
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Der Reliquienschrein ^ o
Das Gold «.31
Der Stylit )2
Die ägyptische Maria 34
Kreuzigung 35
Der Auferstandene 36
%^flagnificat 37
cAdam .••..38
•^Eva 39
Irre im Garten (Dijon) 40
Die Irren 41
Aus dem Leben eines .Heiligen . • . . 42
Die Bettler 43
Fremde Familie 44
Leichenwäscke 45
.Eine von den Alten (Paris) 46
r6er Blinde (Pacb) 47
Eine Welke 48
Abendmahl 49
Die Brandstätte 50
Die Gruppe (Parb) 51
Schlangenbeschvömng 52
Schwarze Katze 53
Vor-Ostern (Neapel) 54
Der Balkon 5^
Aiisvanderer-SchiflF (Neapel) 5S
»»3
Landschaft • 59
Römische Campagna .60
/ Lied vom Meer (Capri, Piccola Marina) . 6 1
Nächtliche Fahrt (Sankt Fetecsburg) • . 6i
Papageienpark (Parb) ^4
Die Parke I— VII. 65
Bildnis 72
Venczianisdier Morgen. 7}
Spätherbst in Venedig 74
San Marco (Venedig) 75
Ein Doge 76
Die Laute 77
Der Abenteuerer I, II . . 78
Falkenbeize 81
Corrida (In memoriani Montez, 1830) . 82
^ Don Juans Kindheit 8^
Don Juans Auswahl 85
Sankt Georg 86
\ Dame auf einem Balkon 87
Begegnung in der Kastanien-Allee ... 88
Die Schwestern 89
Übung am Kiavier po
1/ Die Liebende p i
Das Roseninnere P3
Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren • p4
Dame vor dem Spiegel * « . p6
i»4
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Die Greisin
Das Bett
Der Fremde
Die Anfahrt
Die Sonnenuhr
Schlafmohn
Die Flamingos (Paris, Jardin des PJantcs)
Persisches HeHotrop
Schlafiied
Der Pavillon
Die Entführung
Rosa Hortensie
Das "Wappen
Der Junggeselle
""t)er Einsame
Der Ivcscr
Der Apfelgarten (Borgeby-Gard)
Die Berufung
Der Berg
Der Bali
Das Kind
Der Flund
Der Käferstein
Buddha in der Glorie
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