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Full text of "Sammelbände"

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Sa 


elbände 


International 


Musical  Society, 
Oskar  Fleischer, 


DATE  DUE 

STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARIES 
STANFORD,  CALIFORNIA 
94^05 


iL 


Horausgcgcbcn  von 

Oäkar  Fleigeher  und  Johauues  W  olf 


Li:ii7j(f 

imrrK  und  mim  m  uueitkoit  &  iiAiim 


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4 


INHALT. 


Oswalil  Koller  Wien. 

Die  beste  Methode,  Volks   und  volksmußigc  Lieder  nach  ihrer  melodischen 


Hcsrliaifcnheit  lexikalisch  zu  ordnen  .   .      .  .      .  .   1 

Friedrich  Ludvrit;  (Potsdam). 

Die  mehrstlmmitrc  Musik  des  14.  Jahrhunderts   K; 

J  nlicii  Tic  1  si)t   Paris  . 

Ronsard  et  la  muslquc  de  soh  tem])s  .    70 

Edward  J.  Dcnt  Cambridge;. 

The  Operas  of  Alcssandro  Scnrlatti  

Rosa  Newmarch  (Londrcs). 

Mily  li.Uakireff  157 

Otto  Wagner  (Galatt). 

Da«  nimänigche  Volkglicd   1G4 

Alfrril  Einstpin  fMOnchpn  . 

Zill»  48.  l?aride  der  Händel- Ausgabe  170 

S.  de  Laii^^o  Stuttgart;. 

Sat7.rclilcr   "   hei  Bach    17:t 

Rcrichtigutii^^    17i 

Alfred  JIciil>  Leipzig;. 

Die  Iiij>tnniiciit;ilstücke  des  >Orfco«  17.'> 

W.  Barclay  Stjuire  Lmidon). 

PurccU's  Musii-  ot'  thc  Fuiicral  of  .Mary  II  22."> 

Arnold  Schering;  I.eiji/i'^' 

Zur  Bach-Forschung    .  .  . 

Wilhelm  Altmann  [Friedenau-Berlin  . 

Spontini  an  der  Berliner  Oper  244 

Otto  Heilig  (Kttlingcn;. 

Slowakische,  griechische,  wahuhischc  und  türkische  Tänze,  Lieder  u.  g.  w.  .  29'? 
().  .\hrrilKim  und  F.  M.  v    Ho  r iib  o  s  t  c  1    lU  rliii  . 

Studien  über  das  Tonsystem  und  die  Musik  der  Ja})ancr  B()2 

Hermann  Müller  Paderborn. 

/um  Text  der  Musiklrlin-  des  Joannes  de  Orochro   3(»1 

Horace  Wadham  Nicholl  London. 

Entgegnung  3()t) 

A-  J.  Hipkins  (I/Ondon^ 

Dorian  and  PhrvL^nan   ...  IHl 

Oscar  Chilcsotli  ;i{a86ano-Viccti7.a  . 

Francesco  da  Milano   IW-J 


^        d  by  Google 


•V  Inliall. 


A 1  f  r  0  (1  H  c  u  l)  1 1  .cipzi^).  ^ 

Die  \  ( lu  ti.tülsclu  ii  Opcrti-Sinfoiiicn   .  404 

Albert  Mayer-KciuHch  Berlin;. 

Pari  Heinrich  Graun.    La  battaglia  dcl  llc  Ji  Prussin   .   .   .   .  47S 

J.-G.  Prodhommc  Pari»'. 

Marie  Fei  :1713-1794   m 

Villlelm  Altmann  [Fricdcimu-lkiliii 

Mc\  orhcer-Forschungen  .  .  ,   ,    öU> 

Uobert  Lach  -liussingrande,. 

Alte  "NVcilinachts-  und  ()stcr^csüii)^c  :n>t'  Lussi»  -Wj 

IL  Uicmann  (Leipzig. 

IJic  dorische  Tonait  als  Gniiulskala  der  t^riccliisclicii  NotensciiTlt   ■"j">S 

IL  K.  Wooldrid^c  London'. 

The  T^atesst  Collection  of  Karly  ]"*nglisl»  Mukic.  TwO 
Frederick  Nicrks  Kdinbur<ili  . 

The  foundntions  ol'  Harmcny    .  .      .     .077 

Uobert  ]«ach  {Lussingrandc:. 

Über  einen  interessanten  Spczittlfall  von  >Audition  colorec*  tVSH 

Volkslieder  in  Lussint^randc  fit>H 

Umari  Krohn  [Hclsin^fors'. 


"Welche  ist  die  beste  Methode,  um  Vidks-  und  volksmül3i^];c  Lieder  nach 
ihrer  melodischen  'uiciit  tcxtliclicn  Bcscluilfeuhcit  lexikalisch  zu  ordnend  .  ('>4lt 


F.  W.  G  alpin  (Hatfield,  ncar  Harlow . 

Aztec  Influcncc  on  American  Tiidian  Tiistruments   GÜl 

Hugo  (toI  ds  fluni  dt   Tlrrlln  . 

MuutcvcrJi  .s  Uitdruu  J  ülissc   <»71 

J.  W.  Knschcde  (Overveen!. 

Zur  Dattaglia  del  Rc  di  Prussia    (»77 

Amalie  Arnheim  Drrliii'. 

Lc  devin  du  villa^e  von  Jean  Jacques  Roussoati  und  die  Parodie  Lcs  amours 

de  Basücn  et  BnBtiennc  <'»St> 

J.-G.  Prod'hommc  (Paris). 

Les  Musicieng  Francais  h  Korne  (1803—1903    72H 

Hiigo  Botatibcr  M'icn;. 

Mu.sicalia  in  der  New  York  Public  Librarv  7^W 


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Die  beste  Methode,  Yolks-  und  volksmäTsige  Lieder  nach 
ihrer  melodischen  Beschaffenheit  lexikalisch  zu  ordnen 

Ton 

Oswald  Koller. 

(Wieu.) 


Melodien  nach  ihrer  musikalischen  Beschaffenheit  lexikalisch  zu  ordnen 
ist  meines  Wissens  noch  nicht  Tersucht  worden.  Mittelalterliche  Hand- 
schriften ordnen,  wenn  sie  einen  Index  der  in  ihnen  enthaltenen  Kompo- 
sitionen anlegen,  dieselben  nach  den  Textanfängen,  und  auch  bei  neueren 
Volkslied-Sammlungen  hat  noch  immer  der  Text  so  sehr  im  Vordergrunde 
gestanden,  daß  man  die  Melodien  oft  gar  nicht  aufnahm  (Uhland)  oder 
sie  doch  nur  als  Beigabe  ni  rlon  anderweitig  —  alphahetasch  oder  sach- 
lich (Böhme,  Erk)  geordneten  Texten  ansah. 

Sollen  Melodien  lexikalisch  geordnet  werden,  so  können  je  nacli  Be- 
schaffenheit ni;i!  KiL'pnsrh.'iften  der  zu  vt>r2eichnenden  Musikstiieke  ver- 
.schiedene  Anordnungen  getroffen  werden.  Dieselben  können  entweder 
von  harmonischeui  oder  von  rhythmischeui  oder  von  melodischeu  Prin- 
zipien aus;;c'hen. 

Eine  Anordnung  nach  harmuniseheu  Prinzipien  stützt  sich  auf  die 
Tonart  (Ml.  Selbstverständlich  ist  durch  eine  solche  Einteilung  allein  eine 
ins  Detail  gehende  Registi'ierung  nicht  möglich ,  sondern  die  Einteilung 
nach  Tonarten  ergi^ht  nur  llaupte?nip(>en,  die  selbst  wieder  einer  Glie- 
deiung  im  Einzelnen  Ix  dürfen.  Ks  werdin  auch  nicht  alle  Gattunifen 
von  Musik  eine  Einteiluni:  naeli  Tonarten  gleich  gut  vertragen.  So  alle 
moderne  Musik,  weil  wir  darin  nui"  mehr  zwei  Tonarten,  Dui  und  Moll, 
hesitzen.  Wohl  aber  ist  es  ganz  gut  durchführbar,  giegorianische 
Melodien,  Messen-  und  Motetten-Motive  mittelalterlicher  Meister  und 
dergleichen  nach  diesem  Prinzip  einzureihen.  Auch  beim  Volksliede, 
namentlich  wenn  es  in  ältere  Zeit  hinaufreicht,  sind  die  Tonarten  so 
Terschieden,  daB  es,  wenn  die  Absichten  des  Sammlers  dahin  gehen, 
sich  inunerhin  lohntj  eine  derartige  Einteilung  anzuwenden.  Zwei  Dinge 
wären  jedoch  hierbei  zu  bemerken.    Erstens,  daß  mitunter  verschie- 

a.  4.  L  M.  IT.  1 


2    0.  Koller,  Die  beste  Methode,  Volks-  und  volksmäßige  Lieder  lexikalisch  zu  ordnen- 


dene  Helodien  zu  demselben  Text  in  Terscbiedenen  Tonarten  stehen  i,. 
So  sind  bei  Böhme  Nr.  20  die  zwei  ersten  Melodien  äolisch,  die  beiden 
folgmden  joniscb;  ebendaselbst  ist  Kr.  204a  dorisch,  Nr.  204b  jonisch; 
Nr.  279  mizolydisch,  Nr.  280  dorisch.  In  diesem  Falle  hilft  nidits  an- 
deres als  ein  Index  der  Texte,  der  überhaupt  bei  gar  keiner  Art  der 
Anordnung  entbehrt  werden  kann,  weil  sich  verschiedene  Melodien  zu 
gleichen  Texten  auf  keine  andere  Weise  als  durch  einen  textlichen  Index 
nadiweisen  lassen.  Der  zweite  b(>merkenswerte  Umstand  ist,  dafi  (beson- 
ders beim  Volkslied)  eine  Melodie  mitunter  iu  einer  anderen  Tonart 
anfängt,  in  einer  anderen  schließt.  So  ist  bei  Böhme,  a.  a.  O-,  Nr.  23 
mixolydisch  mit  dorischem  Schluß,  Nr.  36  joniseh  mit  äolischem  Schluß, 
Nr.  106  mixolydisch  mit  phrygischem  Schluß  u.  s.  \v.  In  diesem  Falle 
müßte  sich  der  Saiiunkr  entscheiden,  ob  er  den  Anfang  oder  das  Ende 
der  Melodie  für  maßgebend  erachten  will.  Theoretische  Gründe  sprechen 
für  das  letztere,  praktische  für  das  erstere.  Denn  nicht  nur,  daß  in 
allen  diesen  Fällen  die  Tonalität  gleich  zu  Anfang  ganz  klar  hervortritt 
und  daß,  wenn  man  sich  nach  dem  Ende  richten  wollte,  nach  der  zum 
Schlüsse  empfohlenen  Methode  allerlei  kuriose  .Mi^t^idit-Hikliingen  sich 
ergeben  würden;  —  auch  Avenn  nur  ein  Bruchstück  einer  unbekannten 
Melodie  zur  Konstatieruug  vurlu  gl,  ist  es  viel  öfter  der  Anfang  als  das 
Ende  einer  Melodie.  Es  wäre  also  die  Klassitizierung  nach  dini  Anfang 
vorzuziehen.  In  zweifelhaften  Fällen  konnte  zu  dem  Au&kuiiftbmittel 
gegriffen  werden,  daß  die  Melodie  unter  beiden  Kategorien  registriert 
wird,  allenfalls  mit  einer  Anmerkung,  worin  die  Unregelmäßigkeit  kon- 
statiert wird.  Hierbei  möge  auch  bemerkt  werden,  daß  die  lydische 
Tonart  sich  beim  V^olkslied  niclit  vorfindet  und  eben  so  wenig  —  was 
liier  nachzuweisen  nicht  der  Ort  ist,  sich  aber  aus  der  Anweudung  meiner 
Methode  der  Melodie- Verzeichnung  ergiebt  —  die  phrygische.  Alle  schein- 
bar phrj'giscben  Volkslied-Melodien  sind  entweder  jonisch  mit  Terzschluß, 
oder  äolisch  mit  Quintachlufi.  Somit  blieben  für  das  Volkslied  nur  vier 
Tonarten  in  Betracht  zu  ziehen:  Jonisch,  Mixolydisch,  Aolisch,  Dorisch. 
Jedenfalls  ist  die  Einteilung  nach  Tonarten  nur  als  Haupteinteilung  ver^ 
woidbar  und  bedarf  weiterer  Unterteilungen. 

Eine  Einteilung  nach  rhythmüehm  Prinsipien  ist  von  Zahn  in  seinen 
»Melodien  des  evangelischen  Kirchenliedes«  durchgeführt  worden.  Er 
ordnet  die  Melodien  zuerst  nach  der  Zahl  der  Verszeilen  in  2-zeiIige, 
3-zei]^,  4-z6ilige  u.  s.  w.  Innerhalb  dieser  Gruppen  finden  wieder  Unter- 
abteilungen statt  nach  dem  Metrum;  zuerst  die  jambischen,  dann  die 
trochSisehen,  amphibrachyschen  dactylischen  Metra,  dann  die  gemischten 


1)  Da  die  geforderten  Beispiele  der  Methode  Böhme'«  Altdeutschem  Liederbuch 
entnommen  sind,  so  sind  auch  alle  andemi  Belege  soviel  als  möglich  daher. 


O.  Koller,  IHe  bette  Methode,  Volks«  und  volksmäßige  Lieder  lexikalücli  zu  ordnen.  3 


Metra:  jambiftcli-trochiiiscli,  jamlnsch-aniphibracbysch,  juiiibisdi-dact} lisch 
u.  s.  w.  in  allen  Kouibinationen.  «ladurch  entstandenen  Grujipen  wcr- 
dt  ii  ^^'Gordnet  nach  der  Zahl  der  in  ciin  r  Zeile  enthaltenen  Sillx  ii  und 
/.war  von  der  geringsten  Silbeuzabl  zur  büchhieu  aufsteigend.  Finden 
sich  endlich  unter  dem  gleichen  Versmaß  mehrere  Melotlien,  so  sind  sie 
nach  der  Zeit  ihres  Erscheinens  in  chronologischer  Folge  aufgeführt. 

Das  ist  ein  sehr  praktuehes  System;  aber  eben  für  nichts  anderes 
zn  gebnuichen  als  fttr  das  protestantische  Kirchenlied.  Denn  abgesehen 
davon,  daß  diese  Methode  nur  für  Yokafannsik  und  da  nur  dann  zu  ge- 
brauchen ist,  wenn  die  Melodie  vollstfindig  gegeben  ist,  so  ist  die  Methode 
nur  dann  anwendbar,  wenn»  wie  eben  beim  protestantischen  Eürchenlied, 
auf  jede  Silbe  eine  Note  Wlt  Die  ausgedehnten  melismatischen  Yer- 
ziemngen  der  Yolk8lied->Melodie,  die  Refrains,  die  durch  Binnenreime 
unterteiiten  Zeilen  in  diesem  System  so  unterzubringen,  daß  eine  gegebene 
Melodie  zweifellos  an  den  richtigen  Platz  eingestellt,  respektiTe  eine  un- 
bekannte gefunden  werden  kann,  dürfte  auf  unüberwindliche  Schwierig- 
keiten stoßen. 

Es  bleibt  also  noch  das  dritte  Prinzip  übrig,  die  Melodien  nach  ihrer 
tudodisdu'u  Beschaffenheit  zu  ordnen,  das  licifit  nach  der  Höhe  und  Tiefe 
der  die  Melodie  bildenden  Töne.  Zu  diesem  Zwecke  ist  es  praktischf 
die  Melodien  erst  in  Buchstaben  umzuschreiben  und  nach  dies^  zu  ord- 
nen. Statt  mich  in  theoretische  Erörterungen  einzulassen,  möge  es  mir 
gestattet  sein,  auseinander  zu  setzen,  welche  Erfahrungen  ich  bei  meinen 
eigenen,  nach  diesem  Prinzip  geordneten  Sammlungen  über  weltliche  Musik 
des  Mittelalters  gemacht  habe  und  welche  Umstellungen  meines  Zettel- 
Materiales  ich  vornehmen  mußte,  um  endlich  zu  einer  Anordnung  zu  ge- 
langen, welche  meinen  Wünschen  und  Bedürfnissen  entspricht. 

Eine  Scheidung  nach  Sprachen  nahm  ich  nicht  vor;  denn  es  lagen 
nicht  nur  textlose  Kompositionen  vor,  bei  welrheTi  einen  Text  beizusetzen 
viui  dfiii  Schreiber  vergessen  worden  war;  es  linden  sich  auch  dieselben 
Kunipositionen  mit  verschiedenspracliigen  Texten  [Fortuna  tU^jmaffij 
Rom,  Casanat.,  O  V  208,  fol.  102;  Paris,  nouv.  acq.  fr.  4379,  fol.  40; 
C'ortona,  95,  fol.  17  —  aber  Fortune  despercc,  Brit.  mus. ,  addit.  31922, 
fol.  4.  U  öerviteur,  Dijon,  295,  fol.  88;  Trid.  90,  358;  Perugia,  Eibl. 
Comm.,  G.  20,  fol.  77;  Florenz,  Riccai-d..  2794,  tut.  22:  Florenz,  Bibl.  Naz., 
Cod.  Magliabecb.  59,  fol.!  278;  Paris,  nouv.  acq.  fr.  4379,  ful.  25;  Pavia, 
302,  fol.  40;  Udbecaton,  37  —  aber  Jo  son  tuo  serritor,  Paris,  Mb.  fran^- 
15123,  ful.  92].  Für  Volkslied -Sannnluu^  n  ist  diese  sprachliche  Ver- 
schiedenheit von  keiner  Bedeutung,  da  derartige  Samuilungen  voraus- 
sichtlich imruer  nur  einsprachig  sein  werden. 

Ich  schrieb  also  die  Melodie-Anfänge  in  Buchstaben  um  (statt  k  und 
b  gebrauchte  ich  ausschließlich     Alterationen  des  Tones  dnrdi  !^  oder  $ 

1* 


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4    O.  Koller,  Die  beste  Metbode,  Volk»-  und  ToUcBuulßige  Lieder  lexikalisch  zu  ordnen. 


wurden  nicht  bczeiclmet)  und  ordnete  diese  Buchstaben  nach  dem  sprach- 
lichen xVlphabet  ohne  Rücksicht  auf  die  diidurch  bezeichiuHe  Tonhöhe; 
ali>ü  zuerst  alle  Melodien  die  mit  -1  anfingen,  daini  die  mit  />,  r  u.  s.  v. 
bis  G.  Innerlialb  jeder  Gruppe  wieder  nach  dem  zweiten  Buchstaben, 
diese  Untergruppen  nach  dem  dritten  u.  s,  w.,  so  lange,  bis  eine  genügende 
Differenzierung  erzielt  war,  ganz  wie  in  einem  Wörter-Lexikon.  Diese 
Ordnung  hatte  den  Nachteil,  daß  hier  unzusammengehörige  und  un- 
verwandte Melodien  zusammen  kamen,  Terwandte  getrennt  waren,  daß 
Melodien  in  verMliiedeiieii  TonhShen,  a  und  a',  b  und  durcheinjuider 
kamen; .  daß  überhaupt  nur  eine  scheinbare  Ordnung  fürs  Auge,  aber 
keine  wirkliche  mnsikaliBche  Ordnung  ▼orhanden  war;  denn  auf  eine  zum 
Beispiel  mit  a  d'  beginnende  Melodie  konnte  eine  mit  a'  e\  auf  eine  mit 
a  d  bannende  eine  mit  a  e'  folgen. 

Es  wurde  daher  das  ganze  Zettel-Material  umgeordnet  und  zwar  nach 
der  Tonhöhe.  Die  erste  Gruppe  bildeten  die  Melodien  mit  dem  tiefsten 
Anfangston  [d)^  die  zweite  die  mit  die  dritte  die  mit  f  u.  s.  w.  auf- 
steigend bis  f*.  Innerhalb  jeder  Gruppe  wurde  nun  die  Ordnung  nach 
dem  zweiten  Ton  in  aufsteigender  Folge  hergestellt:  also  zuerst  die  mit 
d  Ä  beginnenden  Melodien,  dann  die  mit  d  dOy  dd^  <f «  u.  s.  w.  bis 
d  a.  Ebenso  wurde  mit  der  Ordnung  nach  dem  dritten  Tone  verfahren 
und  so  fort,  bis  eine  vollständige  Eingliederung  der  Melodien  erzielt  war. 
Meist  genügten  zur  lexikalischen  Einordnung  5 — 6  Töne.  Nur  bei  be- 
sonders häufig  vorkommenden  Anfangsgruppen  [defed^  defefy  defgfy 
defgttf  fgaba,  fgahe^  gfgba^  gabag^  gabab  und  verschiedene 
andere)  mußte  sich  <lie  Ordnung  über  8 — 9  Tone  respektive  Buchstaben 
erstrecken. 

Aber  auch  diese  Anordnung  genügte  noch  nicht;  denn  es  zeigte  sich, 
daß  in  verschiedenen  Handschriften  derselben  Komposition  eine  größere 
Note  in  mehrere  kleinere  zerteilt  war.  Infolgedessen  war  in  den  ver- 
schiedenen Vorlagen  die  Ordnung  der  Töne  eine  andere  und  die  zwei 
Varianten  kamen  nicht  in  dieselbe  Gruppe.  Besonders  störend  war  dies, 
wenn  die  Differenz  beim  ersten  oder  zweiten  Ton  vorkam. 


So  lautet  zum  Beispiel  Se?d  a  per  nioy  von  Busnois  in  Trid.  89, 
420  und  Paris,  Ms.  fr.  15123,  fol.  156: 


das  ist  g  g'  d"  c  b' 


in  Florenz,  Bibl.  Naz.,  Cod.  Magl.  59,  fol.  61  aber: 


p— ^—  das  ist  g'  d"  e"  h'  u 


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0.  Koller,  Die  beste  Methode,  Volks»  und  voUcnnäßige  Lieder  lexikalisoli  jsu  ordnen.  5 


oder  EnM je  suv^  von  Josnuin  in  Florenz,  Kiccard.  2794,  fol.  69;  Augs- 
burg, ful.  42;  Brüssel,  Cod.  22b,  iol.  28';  Cortona,  fol.  19: 


0ß 


gI[7J  J  ^-^^  *  r  j>  " ' '  das  ist  d'd'd'a'b' 


in  Wien,  Hofbibh,  Cod.  18746,  fol.  24  aber: 


das  ist  d'    a'  V  c' 


non  fttfj(/ir  von  Francesco  Landino  ist  notiert  in  Florenz,  Bil>l.  Xaz., 
Cod.  PaiK  iatichi  26,  foL  56;  Florenz,  Laurenz.,  Cod.  Squarcialupi  fol.  144 
und  Paris,  Ms.  noiiv.  acq.  fr.  6771,  fol.  öl: 

in  Padua,  Cod.  1475,  foL  1: 


III  J  J  das  ist  d'  d'  e'  f  g' 


Dieser  Mangel  wunle  dadurch  behoben,  daH  ülx  iall  dort,  wo  eine 
Xote  sich  wif'dcrholte,  dip  zweite  eventuHl  dritte  ;,d<-i(  li<'  Xdic  nicht  mit- 
jj'eri'clmct  wurde.  Es  ist  also  das  frst«'  i>fi>j)i(4  unter  (j'  </"  c"  b'  a\  das 
zweite  unter  d' n' !>' r"  d" ,  das  dritte  unter  'I'  '  '  f  <}'  <i'  •'in'.'e reiht.  In 
dieser  .Anordnung  emilieli  entspricht  nieiiu'  Anordnung  allen  ineinen  Wün- 
.'ichen  und  Bedürfnissen  und  hat  niicli  nocli  nie  im  Stiebe  gelassen.  Nur 
bezüglich  eines  Falles  wußte  ich  mir  noch  nicht  Rat  zu  .schaffen.  Das 
ist  dann  der  Fall,  wenn  eine  KomjKisition  sich  in  einer  Tran^pusition 
vorfindet.  So  lautet  l  im  /N'jsijur  J,  lusraiiu  von  Josquin  in  Born, 
(  asanat,  0  V  208,  fol.  07  und  Cortona  f  <i' a  h' a  .  In  FloreUA 
Cod.  Magliab.  59,  fol.  149  ist  dies  Stück  jedoch  in  die  Unter<juarte  trans- 
poniert: c'  d'  e'  f  e'. 

Vostre  hauU  bniit  von  Agrieola  lautet  in  Florenz,  ^lagliab.  o9,  68 
y'    f  d'  c\  in  Rom,  Cnsiinat.,  O  V  208,  iui.  40  dagefren  d'  h'    a  (j. 

Ja  sogar  Transpnsitionen  in  die  Terz  (wenn  die  iiaudseln  iften  nicht 
etwa  falsche  Schlüssel  haben;  konnnen  vor.  So  lautet  zum  Beispiel: 
Oiä  jter  cJi'  io  von  Francesco  liandino  in  Florenz,  C<»d.  Panciatichi  26. 
fol.  2  und  Laurenz.  108  e  f  e'  d'  c\  in  Paris,  Ms.  ital.  568,  fol.  68  und 
Paris,  Nouv.  acq.  fran^.  6771,  48  jedoch  y'  n'  g'  f  f'. 

Für  solche  FäUe  habe  ich,  wie  oben  gesagt,  noch  keine  Remedur 
gefunden,  sondern  bin  anf  den  glücklichen  Zufall  angewiesen. 


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6    0.  Koiler,  Die  beste  Methode,  Volks-  und  volksmäßige  Lieder  lexikalisch  ta.  ordnen. 


So  sehr  mich  die  eben  erläuterte  Methode  bef^ed^^?t,  und  so  zweck- 
mäßig ich  sie  für  die  Katalogisierung  aller  Art  von  Kunst-Musik  halte, 
st)  wenig  möchte  ich  sie  für  die  lexikalische  Verzeichnung  des  Volksliedes 
eiapfelilen.  Denn  daß  das  Volkshed  aus  der  mündlichen  Tradition  auf- 
gezeichnet wird,  bewirkt,  daß  die  absolute  Tonlxihe  eine  schwankende  und 
die  Fixierung  derselben  mehr  oder  wenigor  \on  der  subjektiven  Empfin- 
dung des  Aufzeichnenden  abhängig  ist.  Es  müßten  daher  entweder  alle 
Volkslieder  auf  einen  und  denselben  Grundton  transponiert  werden,  o<ler  — 
was  mir  zweckmäßiger  erscheint  -  man  notiert  überhaupt  nur  das  Inter- 
vall-Verhältnis der  einzelnen  Töne,  so  daß  der  Grundton  durch  1,  die 
Sekunde  durch  2,  die  Terz  durch  3  u.  s.  w.  bezeichnet  werden.  Inter- 
valle, welche  unter  den  Grundton  herabsteigen,  habe  ich  mit  römischen 
Ziffern  notiert.  Es  bedeutet  also  II  die  Unter-Sekunde,  III  die  Unter- 
Terz  u.  8.  w.  Ob  die  Terzen,  Sexten  imd  Septimen  groß  oder  klein  zu 
▼erstehen  sind,  kann  durch  Beifügung  der  Tonart  ersiehflii^  gemadit 
Verden.  (Im  Mixol^-dischen  ist  nur  die  Septime  klein,  im  Dorischen  Terz 
und  Septime,  im  Aolischen  (Moll)  Terz,  Sext  und  Septime).  Alteri«:te 
Töne  kann  man,  wenn  es  notwendig  oder  wQnschenswert  scheinen  soUte, 
immerhin  noch  durch  Beifügung  eines  i  oder  ^  kennzeichnen.  Doch  dürfte 
dies,  abgesehen  von  Ausweichungen  in  andere  Tonarten,  was  aber  mei- 
stens auf  Entlehnung  oder  doch  zumindest  Bednflussung  durch  moderne 
Kunstmusik  hinweist,  kaum  anderswo,  als  bei  der  Erhöhung  des  Sub- 
semitoniums  in  Moll  Torkommen. 

Das  Volkslied  besitzt  aber  gegenüber  der  Kunstmusik  noch  eine  andere 
Eigentümlichkeit  Das  ist  die  Tariabilität  der  dturchgehenden  Noten. 
Aus  diesem  Ghrunde  scheint  es,  um  nicht  in  eme  verwirrende  Mannigfaltig- 
tigkeit  zu  geraten,  gut,  nicht  alle  Noten  des  musikalischen  Textes,  son- 
dem  nur  die  Hebungen  zu  fixieren.   Es  wird  also: 


 — L 


251 


ist  ein  feinsln'auns  Mui-de -lein  ge  -  fal*lcn  in  mein  sin 


zu  notieren  sein:  124  2,  321; 


5 


Ich    var  du  -  hin,  wann  < muli  sem  ich  schaid  mich  von  der   lieb-steu  meiu 

ist  zu  bezeichnen:  IIY  8  1,  II  2  U  IV. 

Dabei  bind  jedoch  nocli  fol^rriidc  Pimkte  zu  berücksichtigen: 
Ij  Die  dreifach  goh<d)en('  V'erszeile  mit  weiblichem  Ausgang  ist,  wie 
die  altdeutsche  Metrik  lehrt,  eigentlich  nur  eine  Abschwächung  einer 
irierfach  gehobenen  mit  männlichem  Ausgang.  Die  Nibelungen-  und  alle 


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0.  Koller,  Die  beste  Methode,  Volks-  und  volksmäL^i^  Lieder  lexikalisch  zu  ordnen.  7 


damit  verwandten  Strophen  geben  genügenden  Beleg.  So  muß  auch  hier 
beim  Volkslied  die  letzte  Silbe  in  ihre  alte  Würde  als  Tierte  Hebung  resti- 
tuiert werden.  Es  ist  also  zu  lesen  und  zu  notieren: 

3         4        5  5 
Ich  will  zu  land  ausreiteu 

3       4         5  5 
AS  wonet  lieb  bei  liebe 

1         3       5  5 
Ich  spring  an  disem  ringe 

1     1      u  i\; 

Entlaubet  ist  der  walde     u.  s.  w 

Meist  stinimt  der  mu'^ikalischc  Rhythmus  zu  dein  textliclieu. 

2)  Nicht  bei  inodcrDoii.  jetzt  im  Volksmunde  noch  lebenden  Liedern, 
"Wohl  aber  bei  den  aus  fiiihercr  Zeit  stammenden,  wie  sie  uns  in  den 
Tenoren  der  Forster'sclien ,  Schöff er  sehen,  Oeglin'schen  u.  s.  w. 
Siiimiilimtjen  vorliepren ,  sind  die  Tiieder-Melodien  aus  ihrem  natürlichen 
liliytliiiMi^  jrobraelit .  zerdi'hnt,  verzen't.  In  diesem  Falle  ist  nicht  der 
umge^>lait«  te  musikahäche  Kbythmus,  sondern  der  natürliche  Khythmus 
des  Textes  maßgebend. 

Oft  ist,  um  ein  Tempus  auszufülleuj  die  Anfangsuote  verlängert: 


— ^ — — — «sd 

 <s^  

An«  her  •  tem     we        klagt    tioh  ein  held 

Das  ist  zu  lesen: 

in      1  2  1 

Au.^  hertem  we  klagt  sich  ein  held 

Von   od  -  1er     art,    auch  rein  und  zart 

7     5        3  m 

*  *  f  t 

Von  edler  art  auch  rein  und  zart 
Aber  auch  im  Innern  der  Verszeiieu  kommen  solche  Verrückungen  vor; 


^ — 

Inns- 
1 

— äf  ^  -.|  

bruek  ich  maß  dich    la»  -  aen 

3             4  .3 

«  I  II 

Lmsbruck  ich  muß  dich  lassen 


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8    O.  Koller,  Die  beete  Methode,  Volk«-  und  voüumiißige  Lieder  lexilaüiwli  m  ordnen. 


WH    nie-mtnd  tin  -  gen,  lo  sing  »  -  ber  idi 

3  5        4        2  1 

f  I         t  f  • 

Wil  niemaud  singen,  so  sing  aber  icli. 
(IHese  Zeile  könnte  aber  auch  scandiert  werden: 

11  3  2  3    2  1 

Wü  niem^d  singen,  so  sing  aber  ich.) 


Nu    grüß  dich  gott 

du     ed  -  1er  lafft 

-a — 

1  1. 

Vnd   bM  -  tu    gtt  -  gel     tm  -  den. 

5  6        7  7 

t  »II 

Nu  grüU  dich  gott  du  edler  safft 
4      5       7  5 
Ynd  hastu  gngel  fanden. 

3:  Selbstverständlicli  nind  die  Melismen  nicht  zu  berücksichtigen. 
Es  ist  also 


tj>  ZI 


m 


lob    ar  -  mes  meyii-U  iu  klag  mich  9gt 

ZU  lesen: 

III  1 

'  '  '       .  ' 

Ich  armes  meydlein  klag  inii  h  ser. 

Wie  sehr  Meliamen  in  verschiedenen  Ml lodie- Fassungen  abweichen, 
kann  zum  Beispiel  aus  >Die  Sonn  die  ist  verblichen«  (Böhme,  a.  a.  O., 
Nr.  116}  ersehen  werden. 

Nach  vorstehenden  Prinzipien  sind  als  Spezimcn  die  3(30  ersten  Nuin- 
mem  aus  Böhnie's  Altdeutschem  Liederbuch  bearbeitet.  Für  die  prak- 
tische Brauchbai-keit  der  Methode  scheinen  drei  Beobachtungen  zu  spre- 
chen: 

1)  Es  ergiebt  sich  fttr  die  verschiedenen  Melodien  eine  ausreichende 
Differenzierong,  die  durch  yerhSltmsmillüg  wenig  Zeichen  ersichtlich  ge- 
macht werden  kann. 

2)  Verwandte  Melodien  kommen  auch  lexikalisch  nahe  zu  einander. 
So  stehen  die  Varianten  des  Herzog-Emst-Tones  unter  1131,  2321^ 


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O.  Koller,  Die  bette  Methode,  Volks-  nd  vollum&fiige  Lieder  lezilnüiecli  zu  ordnen.  9 

1  1  31,  3221  —  1  1  31,  H  34  2,  die  drei  Molodien  zum  Liede  vom 
Buchsbaura  und  F(  l})in-('r  unter  1  2  4  2,  4322  —  1  lM  4,  4322  — 
1  2  4  4,  4  3  3  2,  die  bei(ien  Melodien  zu  «La  rauschen«  unter  12  5  5,  532 
und  12  5  5,  542  u.  s.  w. 

3j  Gleiche  Anfänge  bedingen  nicht  inmier  gleichen  Verlauf  der  Me- 
lodie. So  weulu-n  bei  1  24  2,  124  2  'Böhme  Nr.  13b  und  93)  oder 
155  2,  4  531  (JJöhme  Nr.  59  uiul  löla  die  Melodien  in  der  weiteren 
Folge  von  einander  ab.  In  manchen  Fällen  aber  kaiiii  der  Gleichlaut 
der  Anfänge  zu  überraschenden  Entdeckungen  tuliren. 

So  zeigt  eine  Vergleichung  der  beiden  mit  l  1  IV  2,  2  II  TV  beginnen- 
den Melodien,  daß  >Mein  hertz  hat  sich  gesellet«  (Böhme  Nr.  144]  eine 
Erweiterung  von  »Mir  gliebt  im  grünen  meien«  (Bdhme  Nr.  143)  ist. 
Die  l»6id€fi  mit  1355,  763  beginnenden  Melodien  »Hei  viel  ein  himels 
touwe«  (Böhme  Nr.  113}  und  »Herzlich  tut  mich  erfreuen«  (Böhme 
Nr.  142  zeigen  sogar  so  wenig  Yenchiedenheiten,  daß  sie  nur  als  Va- 
rianten ein  und  derselben  Melodie  aufgefaßt  werden  liönnen. 

Auf  diese  Weisen  glaube  ich,  ist  den  Anforderungen,  welche  an  eine 
brauchbare  Methode  zur  lexikalischen  Ordnung  von  Melodien  gestellt 
werden^  Genüge  geleistet  Wer  mit  der  englischen  Tomb-jSSt»^  jVMethode 
vertraut  ist,  mag  seine  Melodien  darin  notieren.  Das  Endergebnis  wird 
mit  dem  der  oben  erläuterten  Vorschlüge  im  Wesentlichen  fiberein- 
stinunen. 

Thematisches  Verzeichnis 
der  ersten  dreihundert  Nummern  aus  Böhmens  Altdeutschem  Liederbuch. 

4 

Die  arabitdieii  Ziffern  be/ei<-hnen  die  Intn-valle  aafwarts  vom  Grundton,  die  römischen 

Ziffoni  die  IntTvallc  alnvürt«  \otii  Grufulton.    Auf  th  n  Tt  xt;iiifang  folgt  die  Angalw 
tltT  Tonart,  des  Gniudtones  und  der  ^r.  in  Böhme  n  Sammlung. 

IV IV  III  Iii,  1  II  V  VI  Doen  Hamchin  or^r  dn-  imde  reit.  Jonisch  mit 

Terzschluß  (nicht  Phrygisch),  C,  82. 
IV  IUI  IV,  HIV  Tch  frag,         sich  imll  gfnUen.   Jonisch,  (\  300. 
IV  III  11,  2  1  TV  Ar/f  Oo'ff^  nie  weh  Ihut  sdteiäm.   Jonisch  mit  Terz- 

schluü  (nicht  Pliry^n"srlr,  (\  262. 
IV  III  13,  1  III  1  Ich  .stund  auf  hohem  ßerye.    Juniscb  mit  äolificLem 

Schluß,  C,  :}f). 

IVII32,  412  Het  ilaijhut  tut  den  oosfen.  Doi-iscii  tran^i><'ni"  it,  G,  IB. 
IV 113,  1  II  1  TV  Ks  rill  rill  ritler  wol  durch  ein  ried.   ^Volisch  mit 

Quintschluß,  A,  IHa. 
im  1  III.  II  IV  II  2  TJfr  llahinin.   Mixolvdisch  transponiert,  C,  15, 
im,  2  1,  3r);M    Wnch  nnff  iiuuu  hrr\.    ,I(-nis(  h,  0,  105. 
III  1  2  1,  3  53  1  Aus  herieut  ucJi  klatjl  .sich  eiu  Jtdd.   Jouihcli,  C,  III. 


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10  O.  KoUer,  Die  beste  Methode,  Volks-  und  rolksmäßige  Lieder  iexikaliaoh  eu  ordnen. 


1 IV  V  n,  VII  TT  III  Do  inittenfasten  es  geschach.  Aolisch,  A,  33»). 
1 IV  ni  1,  112  III  TV  hin  in>  idlein  sagt  mir  freundlich  '.u.   Jouiscb  mit 

Terzschluß  ^uicht  Plirygisch),  C,  199, 
1 IV 3  1,  II  2  III\'  Ich  rar  dohin  trau  es  muß  sein,  Jünisch  transponiert. 

G,  252. 

im V  V,  1 1  V  Der  mei  tritt  rhein  mit  frettden.  Mixolyd.,  G,  146. 
1  III  V IV,  3  21  Mein  gmütütfmrvertnrret,  Äolisch  transponiert  Quint- 

schluß,  220  (Kann  auch  F-dor  mit  Terzscbluß  sein,  Tide  6423;. 
imilV,  niiyiniV  Wor  igjuive  vaäer  HomUtei,  Joniscli,  C,  233. 
Iini2j  5liniV  Ben  diu^  en  teil  niet  verborgen  sijn.  Jonisch,  C,  103. 
in  y  IV,  n  IIV  Ach  got^  wem  sdlich  Wagen,  Dorisch  transponiert,  G,  242. 
inni,  331  EiSnmt  (eh  von  herben  singen.  Aolisch,  A,  20. 
im IV)  1  rV  Ewiger  Oot,  aeh  vater  mein.  Jonisch  transponiert,  F,  286. 
11121,  l3nrV  Ich  weiß  ein  stoUxe  graeerin.  Jonisch  mit  Terzschlufi 

C,  88, 

1112in,  ininiV  IHefdedeMndi8ehmägddein.Jori.tn^^ 
1II2II,  nimi  Es  ist  auf  erden  kein  ediifnerkben.  Äol.  transp.,  G,  266. 
inSII,  211  Vor  Zeiten  tear  ich  lieb  und  wert  Äol.,  A,  210. 
1 IIWI,  V VIVTIII  Eeut  ist  ein  freudernne/ter  tag.  Jon.,  0,  272. 
IIIVIV,  2niy  Mein  mütierlein,  mein  mittterkin.  Dorisch,  D,  224. 
1HV2,  2IirV  Mir  ^iebt  im  grünen  meien,  Jon.  tiansp.,  B,  143. 
11 IV  2,  211 IV  Mein  herx  hat  sush  geseUet  Jon.  transp.,  A,  144. 
Iliy2,  321  Es  ist  der  morgensteme,  Jon.  transp.,  F,  109. 

I  iniV,  nmiy  Es,  stet  ein  Und  in  jenem  tat,  Jon.,  C,  177. 
liniV,  31IV  Entiaubet  ist  der  watde.  Jon.,  0,  257.  258. 

I I  niV,  3  421  Es  naht  sidt  gegen  meien.  Dor.  transp.,  G,  214. 
11  HIV,  4423  WeOe  gtoß  wunder  sdutuen  wiU,  Jon.,  G,  22. 
1111,  2532  JeA  armes  megdlein  Idag  mich  ser.  Dor.  transp.,  G,  212. 
1122,  3112  Der  meie,  der  meie.  Dor.  transp.,  G,  280. 

1122,  542  Unlust  tet  didi  griißen.  Äol.,  A,  221. 

1  12  2,  552  Mit  tust  tet  idi  ausreiten.  Dor.  transp.,  G,  184. 

1  12  2,  552  Nach  osüand  will  icft  faren.  Dor.  transp.,  G,  185h. 

1  12  2,  7545  Es  iraä  eins  pa'unn  döc/tterlein.   Mixolyd.,  G,  192. 

1  1  2  3.  2  4  3  1  Ach  got,  u  ejn  sol  ielt  klagen  mein  leid.  Jon.  transp.,  F,  216. 

1  1  3  I\',  1  1  1  Der  tri/t fcr  ist  vergangen.  A(»l.,  A,  114. 

I  1  3  IT,  3  11  Eilend  hat  mich  umfangen.  Äol.,  A,  211. 

I I  3 1,  2  3  2  1  Es  für  ein  hcrr  tms  erentreidt.   Äol.  mit  Qaintschluß 

nicht  Phrvg.),  4  h. 

1131,  32  21  Es  für  ein  herr  tras  erentreie/t.    Äol.  mit  Quintschluß 
(nicht  Phryg.),  4  a. 


1)  Die  von  Böhme  ergänste  letzte  Note  dUi^  nicht  f  sondern  Ä  sein. 


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O.  Koikr,  Die  bwte  Methode,  Volk»-  and  ToUumäßige  Lieder  lexikalisch  za  ordnen.  H 

1131,  3  3  4  2  Es  war  eimnaL  cm  reicher  mann.    Äoi.  mit  Quintschluü 

(nicht  Pliryg.l,  4c. 
1131,  3353  JCs  hat  fin  Imner  cht  föchfer/tiit.   Jon.  transp.,  F,  90. 
113  2,  1  1  III  Orh  mumlpn,  lere  nwder.    Dor.,  D,  292. 
1133,  1  3  1  n  Es  ging  ein  uolgewgner  hi^cfiL   Aol.,  A,  57. 
1133,  3533  Guckguck  hat  sicli  xu  tod  ^fallen.  Dor.  tranp.,  G,  168. 

113  5,  1  IUI  lY  Drei  lai4b  auf  einer  Undm,  Jon.  transp.,  F,  174. 

114  2,  1355  JA  hev  se mdi  np  de  at^iolen  gebracht  Aol  transp.,  D,  95. 

1153,  IbS&tagtin  Osterridie,  Dor.,  I),  18. 

1154,  3121  Jeb  armer  man  was  hob  ith  Ihan.  Dor.  transp.,  G,  260. 
1211111,  imi  Jcft  weyß  ein  käbsdte  müUerin,  Jon.,  C,  44. 

1  2 nin,  131  Mein  frewd  miSeki  9kh  wol  kenn,  Jon.  transp.,  F,  128. 
1 2nin,  4 1 IV  J&       ein  Und  in  jeiiem  iaL  Jon.  transp.,  F,  176. 
1 2  n  1,  341  Ich  hört  ein  frewHn  klagen.  Jon.  transp.,  F,  117. 
121  n,  3552/7»  ftttls  drindm  gave,  D<v.  transp.,  6,  35. 
1  2  2I£[,  1  n  VI  icft  tmß  mir  ein  eehSm  MüUenn*  Jon.  mit  Terrachluß 

(nicht  Phiyg.},  C,  43. 
1  2  2  4,  431  Es  warp  ein  schöner  ßmgdingk.  Dor.  transp.,  G,  25. 
12  25,  43  n  Arh  Elslem,  Dor.  transp.,  G,  24a— c. 
1  2  3  II,  VI  II  2  Ein  alter  man  irolt  sich  freu  en.   Dor.,  D.  2;i7. 
1  2  8  TT,  3  5  2  Was  woln  wir  nf}er  singen  Dor.  transp.,  G,  34. 
1231,  13  24  Kindf  wo  bist  du  hin  gewesen.  Jon.  transp.,  F,  96. 
1  2  3  1 
1231 
1  -1  3  3 
1233 
12  42 
1242 
1242 
1242 
12  4  2 
12  42 
12  42 
12  44 
12  44 
1244 
1244 
1244 
1244 
1244 
1246 
1255 


2  4  3  2  Hein\,  wiletu  Christa  han  Jon.  mit  Quintschluli,  F,  235. 

4  312  Es  wolt  ein  meidlein  wasser  holn.   Jon.  transp.,  F,  60. 
24  3  2  Icli  wavi  mir  einen  anger  breit.  Jon.  transp.,  F,  71. 

5  3  II  IrJi  mir  Jtechfen  rinen  '.nun.    Jon.  tmnsp.  F,  141. 
124  2  Ks  ritt  gut  rciitfr  durch  das  ricd.    Aol.  tr^Tisp.,  G,  13b. 
124  2  Ks  ging  ein  niiillrr  woi  über  feld.    Aol.  trans|)..  G,  93. 
21  Plt  wolt  (in  fraw  \mn  wehte  gan.   Jon.  transp.,  F,  244. 
H  1  Ich  nrif}  mir  ein  mrid/rin.    Jon.  transp.,  F,  200. 

3  2  1  Jlir  i^t  ein  scfuins  brauns  mcidelein.  Mixolyil.  transp.,  F,  196. 

4  3  2  2  Und  wolt  ir  hören  newe  mär.   Mixol.,  G,  273c. 
54  24  Xu  iveü  wir  (ihcr  tief  im  aii.   Jon.  transp.,  F,  21. 
4  2  ö  1  Ich  weiß  ein  ftina  braune  niridekin.   Jon.  transp.,  G,  197. 
43  2  2  Und  wolt  ir  hören  newe  niuer.   Mixol.,  G,  273a,  b. 
4  3  2  5  Es  het  ein  bawr  ein  töchterhin.   Mixol.,  G,  52. 
4  33  2  Und  wolt  ir  hi}ren  newe  maer.  Mixol.,  G,  273a. 
4351  Idi  weiß  mir  ein  fein  Jun fraulein.  Jon.  transp.,  G,  197b. 
4  353  Out  Heniüke  über  die  heffden  reit  Jan.  transp.,  F,  66a. 

6  55  Ich  bin  durdi  frewHns  willen.  Mixol.,  G,  121. 
4  2  4       stund  auf  einem  berge.  Jon.  transp.,  G,  36. 
343  Ach  got  wem  sol  iehs  Idagen.  Dor.  transp.,  G,  208. 


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12  O.  Kolbr,  l)ie  beste  Methode,  Volk»«  tmd  volkamäßige  Lieder  lexikaUscb  zu  ordnen. 

1255,  53  2  ha  rauschen  mhdein  rauacJa/i.   Jon.  transji..  (j,  180a. 

12  5  5.  542  Tch  hört  ein  siehelin  rnnsehen.    Aol.  tniiisp..  (t,  180b, 
1  H  II  1,  32  1  J}fr  briiiihlii  die  du  jJicßtn.    Dur.,  JJ,  lo.'i 

18112,  III  1  1  Es  jloy  ein  kleins  noldrögeUin.   Jon.  traiisp.,  F,  184b. 
1311,  2  IT  1  2  Ach  aorgc  du  inust  xuruchc  stau.   Dor.  transp,,  G,  152. 
1313,  531  Idi  armes  keuxkin  Ideine.  Jon.  transp.,  F,  172,  173. 
131)  4&3  Et  frat  e  Kmenk  §enxt  dem  Rdnj,^  Äol.  transp.,  E,  14 
131 5f  1215  Der  saure  wixUer  ist  ao  kcdt  Aol.,  A,  154. 
1321,  1  Uiy  Jehhet  mir  ßrgenomen.  Äol.  mit  Qnintschlufi  A,  215a,  b. 
1321,  4222  Der  winter  ist  ein  omvert  gast  Äol.  A,  151b. 
1321,  5655  Es  wurb  einmal  eins  känigs  son,  Jon.  transp.,  F,  49. 
1321,  5785  Ach  mutier  gib  mir  keinen  man,  Jon.  transp.,  F.  89, 
1323,  531  Wach  auf  meins  herxens  sehäne.  Jon.  transp.,  F,  118. 

1323,  641  Wohuf  geedl  von  hinnen.  Jon.  transp.,  F,  260a. 

1324,  3  n  2  JeA  weiß  ein  häpsche  fraw  fhdurin.  Dor.,  B,  45. 
132  4,  3121  Die  höchste  fremd  die  id^  gewan.  Jon.  transp.,  F,  209. 
13311,  132  Warumb  wüt  du  weg  xidien.  Äol.  transp.,  D,  267. 
1331,  5  5  5  Ein  ntegdlm  an  dem  laden  lag.  Mixol.,  58a. 

1  *5  31,  6543  Es  stet  ein  lind  in  Jenem  teU.  Jon,  transp.,  F.  H(» 
1  8  3  0.  3581  0  WC  der  xcit  die  ich  rerxert.   .Ion.  transp.,  F,  213, 

13  4  2,  532  Es  tfiijct  iiiinnccli/^he.   Mixol.,  G,  17. 

1343,  5  2  1  TT  Innsl/ruck  ich  muß  dich  lassen.  Jon.  transp.,  F,  254. 

134  5,  5866  Een  ridikr  ende  een  metfsken  ionr,  Aol.  transp,,  D,  70, 
1351,  8511V  Es  ligt  eirt  schloß  in  Oesterreich.  Jon.  transp.,  F,  27. 

135  1,  3  5  UV  Es  ligt  ein  hnuß  in  Oberin ndt.   Jon.  transp.,  F,  28. 

1  351,554  1  Wie  kwnbts  daß  ich  so  traurig  bin.   Jon.  transp.,  F,  248. 

18  51,  5785  />pr  f rechter  der  bl/r<i  an  den  tag.    Dor.  transp.,  G  102. 

1351,  8765  Ach  Jungfrau  u-  wolt  ir  mit  mir  gan.   .Ton.  transp.,  F,  liX). 

1  3  5  2,  441  Ein  armer  man  uolt  wcibrn.   Mixol.,  (t,  236. 

18  5,  3  3  1  Ein  leerer  ruft  riJ  Int.   Mix<»l\  d.  mit  phrv^r.  Anhanfj,  G,  106. 

1  3  5  8,  541   Vo/t  (Irlnetu-rgrti  bin  tili  h/>.    .Ion.  transp.,  F,  185a,  b. 

13  5  3,  5421  Juiiclfntrleiii  sül  teil  mit  euch  gan.   Jon.  transp.,  F,  186. 

1  3  5  3,  {}ä53  l)«r  nirg  ud  sich  mit  gnnsfen.   Jon.  transp.,  F,  157. 

13  54,  64  5  Irh  .sffJt  auf  einem  hohen  Ixrg.    Aol.  transp.  I),  87. 

1  3  5  5,  1  355  Wolt  ir  hocren  ein  nrins  g( dicht.   Jon.  transp.,  F,  285. 

1  8  5  5,  24  1  Es  ist  ein  schnee  gi  f(ill>  n.   Jon.  tiaiis|)..  F,  164. 

13  5  5,  4  8  n  Ich  stund  an  einem  morgen.   Aol.  mit  (^uintschluß  [riiclil 

Pliryg.,!,  A,  26Ua. 
1355,  5  63  Idf  spring  an  diesem  ringe.  Jon.  transp.,  F,  291. 
1355,  655  Es  flog  ein  kleins  icaldvögelein.  Jon-  transp.,  F,  115. 
1355,  6  75  Ich  verkünd  eudi  newe  nuere.  Mixolyd.,  G,  7. 
1355,  7  63  Het  vid  ein  himels  touwe.  Jon.  transp.,  F,  113. 


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O.  KoUer,  Die  bette  Methode,  Volk»-  und  Tolknnäßige  JUieder  leodkalisch  zu  ordnen.  13 

13  50,  7  63  Her'Jich  tui  )nir]i  erfreuen.    .lun.,  C,  142. 

13G531  All  mein  gedanliu    Jon.  traiisp.,  F,  127. 

1412,  1412  Het  voer  cen  sctepUn  orer  ryn.   Jon.  transp.,  F,  80. 

1421,  641  Snn  laubc  luidlein  laube.   IMixolyd..  ( r,  175. 

1424,  4654  Ilct  mir  ein  e^pesMVciglcin.   ^Slixülyd.,  G,  178. 

1531,  1531  Gut  reiter  bei  dem  weine  saß.   Jon.  transp.,  G,  75. 

1531,  2  52  Xaer  oostland  willen  wfj  rideu.   Aol.  transp.,  G,  186, 

153  5,  5733  Em  boernian  ftad  een  domnten  sin.  Dor.,  D,  822. 

1543,  1543      sing  ein  U$d  und  weiß  nidä  icie.  Jon.  transp.,  F,  201. 

154 5,  1322  Mn  meidlein xu  dem  brtmnen peng.  Dor.  transp.,  G,  63. 

1551,  6753  Wenn kh  des  morgens  früh  aufsteh,  Jon.  transp.,  F,  204b. 

1552,  4531  Der  fastdabend  tritt  hierein,  Dor.  transp.,  G,  151a. 
1552,  4531  Es  weit  ein  meidlein  waaeheu  gan.  Dor.  transp.,  G,  59. 
1552,  5312  kh  toeiß  mir  ein  wundersdnäne  meid.  Dor.  transp.,  G,  55. 
1555,  3321  Ein  kukuk  tcdt  ausfUegen.  Jon.  transp.,  F,  170a. 
1555,  4653  Ich  ipeiß  ein  fettts  braune  meiddein.  Jon.,  C,  293. 
1555,  4653  Ich  iveet  mtr  eene  schone  mögt.  Jon.,  C,  294. 

1565,  5765  Der  scheffer  von  der  nuiven  etat.  Jon.  transp.,  F,  298. 
1565,  6875  Es  het  ein  meidlein  dn  reiter  hold  Dor.,  D,  118. 
1  5  6  8,  431  Xnch  grüner  färb  mein  herx,  verlangt.  .Jon.  transp.,  F,  206. 
1  5  7  3,  5555  Dar  licfit  ein  etat  in  osferrick.   Aol.  transp.,  D,  158a. 
1  ")  7 '',     I)  4  3       giengcn  xtro  gespi(k>n  <jnt.    Aol.  transp.,  I),  41. 
15  7  3,  5765  Dar  licht  ein  sfnt  in  osterrick.    Aol.  transp.,  D,  158b. 
1  5  7  4,  7685  Zwifu-hen  borg  und  tiefem  toi.   Dor.  transp.,  G,  163. 
1  5  7  5,  5533  TUe  wdt  hat  einen  thunimen  mut.   Dor.  transp.,  G,  82a. 
1  5  7  5,  6753  Der  reich  man  war  geriten  aufi.   Jon.  transp.,  F,  46. 
1  5  7  5.  8877  Ks  für  ein  meidlcin  übern  see.   Dor.,  D,  öö. 
1  5,  8  5  5  Vntarn  slaf.  Jon.  transp.,  F,  297. 

1  5  8  7,  4255       n-olt  ein  niagd  \n  kin\e  gan.   Jon.  transp.,  G,  152. 
17  2,  1  II  IV  Ach  got  was  mieden  tut.   Äol.  A,  253. 

1  7  5  2,  152  Die  sonn  die  i.tf  rerhliehcn.    Dor.  tnmsp.,  G,  116. 
175  2,  445  Tm  rauschen  Urb  la  rauschen.   Mi.\ol.,  G,  179. 

2  in  n IV,  1132  Ich  armer  hnhik.   Jon.  transp.,  F,  170c. 
211111.34  1  lltlf  got  daß  mir  (jdinge.   Dor.  transp.  G,  20U. 

2  II  21,  34  5  5  Der  gnt'.gamli  iiitf  di')n  \nnu(  aap.    .Inn.  transp.,  F,  167. 

2  1  2  4,  2431  Ich  kai^  genagt  du  si  lnmr  magd.  Mlxolyd.  tnuisp.,  (',  203. 

2  2  2  5,  312  Det  rora  twa  adle  komnn/dhftrn.    Aul.  transp.,  (i.  2(i. 

2  3  55,  4  3  II  CWahnscheinlkli  ein  FcliK  r  statt  1  35  5.)  Ich  stund  an  einem 
morgen.  Aol.  mit  Quintscliluü  A,  269b  (bei  Böhme,  a.  a.  0., 
soll  zu  Anfang  TeuorschUis.sel,  nicht  Altschlüssel  stehen). 

3113,  3113  Sie  legten  üm  auf  einen  tisch.  Äol.  transp.,  G,  23b. 

3113,  3521  Walauff  wclauff  mit  lauter  stimm,  Jon.  transp.,  F,  101. 


14  O.  Koller,  Die  beaie  Methode,  YolkB>  und  vuUumäßige  Lieder  lezikAliach  zu  ordfien 

3  1,  31,  211,  2  IV  Vrinuien  l.o„un(  alle  gare.   Äul.,  A,  8. 

3  2  1  2,  3  5  5  Frisch  auf  mriii  liebes  töchterkin.   Jon.,  C,  227. 

3  3  4  2,  3  3  41  Es  sott  ein  meijdlm  fni  aufstan.   .Juu.  traiibp.,  42. 

3  3  5,  3  3  5  Du  Simdrin  unltu  mit   Dur.  transp.,  G,  290. 

3  3  5  3,  5  31  Es  /lug  e  kli  uailt  fjekin.   Jod.  transp.,  G,  223. 

3  36,  531  Wie  stet  ir  alle  hie.  Jon.  transp.,  G,  283a. 

3 35 &,  531  LwtiUek  hat  mk  geaeUet  Jon.  transp.,  F,  131. 

335,  541  Kukuk  du  bist  sdiabab,  Jon.  transp.,  F.  170b. 

385d,  4  3n  Die  tnutter  sprach  zum  W^äerUin,  Äol.  transp.,  G,  228. 

3442,  7755  Kompi  her  ir  singer  u,  ireU  herfür.  Dor.  transp.,  G.  239. 

3  4  5  1|  552  Nun  feäl  du  reif  du  kalter  seknee.  Jon.  transp.,  F,  155. 

3451,  4  7  2  Idi  ritt  einmal  spazieren.  ,,Dor.  transp.,  G,  189. 

345,  4  5  3  lek  gieng  bei  eiäer  nadtt  Aol.  transp.,  74. 

3455,  3342  Es  woU  ein  meydlein  ein  btden  han,  Aol.  transp.,  6,  232b. 

3455,  4441  Trawt  henslein  über  die  Heide  reit.  Jon.,  F,  66b. 

34  55,  541  Hilf  got  dag  mir  geUnge,  Jim*  transp.,  F,  20c  und  20d. 

345,  543  Es  sasa  ein  eul  und  span,  Aol.  transp.,  D,  73. 

34  5  5,  575  Idi  unll  xu  land  ausreiten.  Dor.  transp.,  G,  1. 
3  4  5  5,  7  6  4  jE!s  u  onet  lieb  bei  Hebe,  Äol.,  A,  19. 

3  4  55,  87  3  Wolauff  mr  vollem  wecken.  Aol,  transp.,  G,  112. 
3  4,  6  3  4  h  VU  laut  so  ruft  der  lerer  auß  mit  Kytinen.  Aol.  transp.,  D,  107. 
3  5  31,  3  5  31  Wie  steht  ir  hie  und  seht  mich  an.  Jon.  transp.,  F,  283  b. 
3  5  31,  3  5  3  1  Will  niemand  singen  so  sing  aber  ich    Jon.,  C,  282a. 

35  31,  4  35  Die  bauren  von  8t.  FiiUen,  Äol.,  A,  296. 

3533,  31X12  3  Wiä  niemand  singen  so  sing  aber  icft,  Jon.  transp., 
F,  282  b. 

3551,  2455  Es  ritt  ein  fürst  in,  frenuks  latul.  Mixolyd.  mit  donscbem 

Schluß,  G,  123. 
3  5  5  3,  2  2  2  Joseph  lieber  Joseph.   Äol.  traus»p.,  F,  94. 
3  5  5  4,  64  Sieh  baurenknccht  hf^s  mir  die  roseti  stau.   Mixol.,  G,  222. 
3  5  5,  5  3  2  Venus,  du  und  dein  kimi    Aol.  transp.,  D,  219. 
3  5  .5  5.  8  6  8  5  Mir  ist  ein  rot  (juUi fingerlein.   Jon.  transp.,  F,  195. 
35  6  4,  53411  Wmn  ieh  dis  iinrrijem  fm  auf  steh.  Dor.  transp.,  G,  204  a. 
5124  3,  5  2453  Der  Morgens  im/  ist  (nifjcij'nujeii.   Jon.  transp,  F,  108. 
5151,  64  2  1  Ir  sdinesterlein.   Jun.  traiusp.,  F,  2b7. 
5  2  5  2,  3  1  II  1  Ich  südi  niinen  herrn  van  Valkensteen.  Aol.  truns>p.,  G,  29. 
541  1,  543  Nun  schür i  dich  Oredlein.   Jon.  transp.,  F,  53. 
5  4  3  2,  5432  Es  geht  ein  dunckie  wölken  rein,  Dor.  transp.,  G,  207. 
5433,  5451  Oar  hoch  auf  jenem  berge.  Jon.  transp.,  F,  245. 
5464,  531  Mein  femMb  ist  van  ftandem.  Jon.  transp.,  G,  217. 

5543,  363  Ich  will  und  muß  ein  bulen  kan.  Jon.  transp.,  F,  232. 

5544,  5644  Wie  tvil  hooren  en  goet  nieu  liei,  Aol.,  A,  84. 


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O.  Koller,  Die  beste  Bietliode,  VoDu-  und  volkim&Gigtt  Liedcnr  lexikalieeh  m  ordnen.  15 

55  5  4,  7  555  Ich  sncli  ndr  fiuen  hlouirfti  storchen.    Aol.,  A,  87. 
5  5  5  5t  2  411       tvolU  gut  reiger  ßsdten.  Jon.  trausp.  mit  Quiütschluß, 
G,  251. 

555  5,  4653  Der  triud  der  weht.   Jon.  transp.,  F, 

55  5  5|  645  T)n-  vicir.  der  ntekf  der  bringt  der  bUiniea  viel.  Mb^oL 

trans)).,  F.  279. 

5  5  6  3,  465  h'ou/jif  htr  ir  Ucbste  scJiwesterkin.   Jon.  transp.,  288. 
5  5  6  6,  753  Wer  ich  ein  wdder  ralkc.   Jon.  trans;).,  F,  54. 

556  6,  8563  Icft  kam  cor  tithrfi  femterlein.   Jon.  transj).,  F,  299. 
5  5  7  3,  555  Wie  schön  blüht  ints  (hr  lueien.   Aol.,  A,  264. 

5  5  7  3,  555  T)rr  maml  der  i^ttl  (im  hixJisten.   Aol.,  A,  263. 

5  5  7  3,  575  iJtr  naM  hat  sieh  (iitUuil»f.   Aol.  transp.,  ü,  259. 

h  .")  7  5.  64  4  5  Es  sjnelt  ein  ijraf  mit  rimr  )/ifiyä.   Aol.  transp.,  Gr,  69a. 

557  5,  8445  Ks  liegt  ein  mliloß  in  (kstrrnich.   Aol.  transp.,  G,  69b. 
5  .5  8  6,  .51  Baske  iVi  llf  innu  r  ilu  lotse  nmii.    .Jon.  transp.,  G,  295. 

5    .3  3.  ö    5  1   VniH  hiimi  lioi  h  da  lom  ich  her.   Jon.  transp..  F,  271  d. 
5  04  1,  0  6  4  1  Iii  int  hrbt  sich  an  ein  al>endtan\.   Mixul.,  G,  284. 
.5  6  5  3.  353  1   Voiti  hi/nd  Iwch  du  kom  ich  her.    Jon.  transp.,  F",  271b. 
5  6  5  3,  3  j  4  1  Ks  harn  ein  enget  hell  und  klar.   Jon.  transp.,  F,  271c. 
5  65  3,  5  53  1  Mit  tust  tret  ich  an  dunLn  kran\.   Jon.  u.iusp,,  F.  281. 
563  3,  5551  Ich  hu  nun  aiis  fremden  landen  her.  Jon.  transp.,  F,  271a. 

5  7.  3  7  5,  51  Ach  herxigs  her..   Jon.  transp.,  F,  132. 

6  4  2  3,  876  Mein  gmiit  ist  mir  rerwirret.    Jon.  transp.  mit  Terzschluß, 

F,  220.  (Kann  auch  D-moU  mit  Quintschluß  sein  HU  VIV, 
siehe  oben.} 

667  5,  8767  Christ  ist  erstanäm  von  dem  Tod.^  Aol.  transp.,      56 1. 
667  5,  8767  Berr  Jesu  Ckrist^  siarekka^  $ot.  Äol. transp.,  D,  56 IL 
6785,  8887  Et  het  ein  schwab  ein  Wctiteridn.  Äol.  transp.,  D,  51a. 
75  3  rn,  5  7,  8  5  Vm  edler  ort  attch  rein  und  xart.  Jon.  transp.,  F,  130. 


J.6         Friedrich  Ludwig,  Die  mebistimmige  Musik  des  IL  Jahrbimdeirts. 


Die  mehrstimmige  Musik  des  14.  JahrhuBderts^) 

von 

Friedrich  Ludwig. 

[Fotsdam.] 


Der  gröBte  und  folgenscbwerste  Moment  der  gesamten  Mitsikgescbichte 
ist  die  Entdeckung  der  mehrstimmigen  Musik,  der  Fähigkeit  der  mud- 
kaÜBch^  Kunst,  den  Ausdruck  der  EmpfindungeUi  die  die  natürliche 
imisikri1is(  Ii)'  Veranlagung  des  Meiiscliengeschlechts  in  der  Kunst  der 
Töne  Gestaltung  gewinnen  läßt,  intensirer  werden  zu  las<. n  «Iuk  h  das 
gleichzeitige  Erklingen  zweier  oder  mehret  rr  Tonreihen.  Ein  fester  Boden 
Avurde  dadurch  gewonnen,  musikalische  Werke  von  immer  reicherem  In- 
halt, größerem  Umfang,  organischerem  IiC>h(ni,  tieferer  und  mehr  Dauer 
versprechender  Wirkung  zu  schaffen.  Die  Greiwen  des  Gehietes  unserer 
Kunst  weiteten  sich  in  außerordentlicher  Weise  aus  und  die  Entwicklung 
der  iSIusik  wurde  von  einer  rastlosvcn  Tjchendigkeit,  die  mit  solcher  Schnel- 
lipfkeit  den  von  der  vorangeir.uicroiifMi  Generation  erreicht«  n  Standj)unkt 
des  WollfMi'^  und  Köniions  zu  iilit  ilioh^n  f^laubte  und  ihn  mit  solcher 
Grau^.unkeit  al>  augelilieh  überwunden  miÜaclitete,  daß  bis  bt  inahe  in  die 
neueste  Zfit  liinrin  mit  wenijren  Au^nnhmen  dr-n  nmsikalisrlu  ii  NNCrken 
,  dieser  gau/j  ii  Kntwickhing  der  Melirsiiiruiugkeit  kein  längeres  Leben  als 
höchstens  drei  (ienerati(»nen  beschieden  war. 

Alle  musikalischen  \\  >  rkr  l>ediirfen  ja  zur  Wirkun?  auf  größere 
Kreise,  zur  ästhetischen  auf  dii'  Kunstgeni< ii.  ndi'u  und  hcfruclitrndt  n  auf 
die  Kunstschatieudeu.  tief  Krw.  (  kuni;  zum  Lt  bt-u  durch  Auff  iilirunL'en. 
Ist  der  k'beiidige  Zusamnimhaiig  Uiit  den  Werken  der  Vorzeit  einmal 
verloren  gegangen.  od*.r  hat  er,  so  können  wir  ruhig  sagen,  bisher  so 
schwach  nur  existiert,  wie  es  in  der  Musik  der  Fall  war,  so  läßt  er  sich 
nicht  plötzlich  gewinnen,  und  es  bedarf  einer  sehr  langsamen  und  all- 

1)  Die  folgende  Stiulie  war  l»estiiiiint ,  auf  «lern  für  das  Frülyalir  1902  in  Rom 
freplaiiten  InttTimtioiialen  HistorikLT-KonjfreL^  als  Vitrtrag  j;ehalteii  zu  werden.  lsa»'h 
dem  Scheitern  desselben  ül>erpoV.f«  ich  sie  dem  Druck  nh  <  in  tarnte«  ]{esulU»t  meiner 
Studieu  über  die  Geschichte  der  mehrstiiumigcu  Musik  im  Mittelalter,  bei  deueu  es 
mir  zttnlcbst  auf  eine,  ioweit  ich  sie  erreichen  konnte,  volbtindige  Sammlung  der 
erhaltenen  mehrstimmigen  'Werke  dei  14.  Jahrhunderte  ankam.  Die  AusfÖhrung  und 
n'äherc  Befrründung  der  hier  aufgestt  lltr  n  Ansichten  bleibt  einen»  größeren  Werke 
Vorbehalten,  dessen  Prog^ramni  dief^e  Stmliv  inl wickelt;  ebenso  wurde  an  dieser  Stelle 
vou  der  VerülVeiitlu-huag  vuu  Kunstwerken  jener  Zeil  abgesehen,  die  ebeiifuihi  eiuem 
anderen  Orte  vorbehalten  bleiben  muß. 


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Friedridi  Lndwig,  Bie  mehntimmige  Münk  dei  14.  Jahrbuoderts. 


17 


mählichen,  aber  zielbewußun  AilM  it,  mii  ilm  auch  in  der  MuHik  herzu- 
stellen, wif  er,  wenn  wir  uns  in  den  umleiea  Künston  nmschsmen,  dort 
überall  die  .segensreichsten  Wirkungen  gehabt  hat.  Freilich  ;>t  ein  zw(  ites 
dabei  zu  beachten:  wn  müs'jen  gestehen,  daÜ  diese  indnh  n/  den  älteren 
Werken  gegenüber  nicht  nur  bei  den  musikhebenden  und  -treibenden 
Kreisen  vorhanden  war,  sondern  sich  auch  sehr  lange  auf  die  nui.sik forschen- 
den Kreise  erstreckte,  und  daB  die  Musikgeschichte  als  Wissenscli.ift  eine 
noch  recht  junge  Schwester  im  ltei;;en  der  die  uiiircrsiUis  IHte-rm  nin  bil- 
denden Wissenschaften  ist,  die  sich  auf  fast  allen  Gebieten  noch  in  den 
ersten  Stadien  ihres  Weges  befindet,  dem  Publizieren  der  so  lange  ver- 
borgenen Schätze,  wob^  jede  neue  Veröffentlichung  auch  etwas  Neues 
bringt,  und  das  bis  in  die  allemeueste  Zeit:  erinnern  wir  uns,  wie  kurze 
Zeit  erat  vergangen  ist,  daB  bochbedeutsame  Werke  von  Bach  Uberhaupt 
zum  ersten  Male  bekannt  geworden  sind,  oder  wie  minimale  Fröbchen 
von  so  eigenartigen  Dokumenten  musikalischen  Schaffens  eines  der  Gröfiten, 
wie  es  Beethoven's  Skizzen  sind,  bisher  publiziert  sind.  Es  ist  nattirlich, 
dafi,  je  weiter  wir  zurttcksteigen  im  Laufe  der  Jahrhunderte,  desto  schwan» 
kender  der  Grund  wird,  auf  dem  die  musikhistorische  Forschung  sich 
bisher  bewegte,  und  dafi  wir  dabei  recht  häufig  auf  Gebiete  geraten, 
die  für  den  ernsten  Forscher  ein  so  unbeschriebenes  Blatt  sind,  wie  in 
den  Atlanten  vor  siebzig  Jahren  das  Innere  von  Afrika.  Und  wir  wissen, 
daß  die  Wissenschaft  ihre  Frttchte  nidit  Uber  Nacht  zeitigt,  sondern 
daß  sie  nur  allmählich  reifen  können,  bei  verständnisvollem  Hand-in- 
Hand-Arbeiten aller  derer,  die  zu  ihrer  PBege  berufen  sind. 

Zu  diesen  fast  ganz  leeren  Blättern,  von  denen  ich  eben  sprach,  ge- 
hört das  Jahrhundert,  dessen  inusikalische  Bewegungen  ich  im  Folgenden 
darstellen  will,  nämlich  das  vierzehnte.  Frankreich  stand  damals  immer 
noch  an  der  Spitze  der  zivilisierten  Welt;  politiKch  t^ewann  es  durch 
Phih'pp  IV.  und  die  von  ihm  erzwungene  Residenz  der  Päpste  in  Avignon 
gewaltig  an  Machtfülle,  und  die  altberührate  Universität  Paris  übte  nach 
wie  vor  ihre  alte  Anziehungskraft  und  Wirksamkeit  aus;  zu  ihren  Be- 
suchern gehörte  ein  Karl  IV.,  dem  wii-  nachlier  auch  als  Förderer  der 
Tonkunst  wieder  begegnen  werden,  uml  der  in  der  Tniversität  in  seiner 
Residenz  Prag  das  erste  deraiüge  geistige  Ceiitrum  in  Deutschland  schuf, 
das  vorläutig  aber  ebensoweni.ir  wif  die  alten  Hcjcb^rlmlen  Italiens  mit 
dem  L'eistigen  Mittelj)unkt  der  Welt  in  der  Surbunue  in  ^\'ett1»e\verb 
treten  konnte.  Italien  nahm  überall  den  kräftisrsten  nationalen  An'  chwnng 
m  seinen  zahlreichen  grofien  und  kleinen  Gemeinwesen  und  (iurchiebte 
die  erste  so  überaus  herrliche  Epoche  seiner  nationalen  Litteratur,  die 
gleich  alö  Murgengabe  ihm  und  der  Welt  Dante's  ewiges  Gedicht  be- 
scherte: der  frische  Schwung,  der  diese  Dichter  des  Trecento  beseelte, 
tand  auch  in  der  Musik  ein  Ausdrucksfeld,  das,  solange  er  anhielt,  leb- 

S.  d.  I.  M-   IV.  g 


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18        Friedfich  Ludwig,  Die  melintiminige  Hvnk  des  14.  Jahrkunderti. 


haft  bebaut  wurde  und  in  seiner  sdirirf  umrisscnon  Eigenart  emtii  Iinchst 
reizvollen  Abschnitt  der  Kiitwicklun^  unserer  Kunst  bildet.  Deutsclilaiul 
leidet  in  diesem  Jahrhundert  unter  der  Unsicherheit  und  dem  Sich-Um- 
bilden  alier  Verhältnisse,  das  der  f;l;in/enden  Staufonzeit  folgte  und  schon 
im  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  im  Konstanzer  Konzil  und  den  Hussiten- 
kriegen zu  emem  gewaltsamen  Aubbruch  führte.  Und  England  tritt  wäh- 
rend dieser  Zeit  noch  nicht  wieder  aus  seiner  kulturell(  !i  l>o)iertheit 
heraus,  in  die  es  nach  Beendigung  der  Ej)Oche  der  gememsamen  l'nter- 
nehmungen  der  christlichen  Nationen  des  Abendlandes  zuriickgek«'hrt  war. 
Im  Gegensatz  dazu  zeigt  dann  das  15.  Jahrliundert  mit  der  auÜerordent- 
liehen  Teihiahme,  die  alle  N.-itionen  den  sie  alle  gleichmäßig  bewegenden 
Fragen  wieder  widmen,  bthi  iKlrrs  dem  In-den-Vordergrund-Treten  der 
rehgiüsen  Str^  iiiMiii^en  im  Norden  und  der  mächtigen  Entfaltung  kultu- 
rellen und  künstlerischen  Lebens  im  Siideri.  eine  völlig  veränderte  Physio- 
gnomie, deren  Eintiuß  auch  auf  die  mus:k;ilist  lie  Entwicklung  deutlich 
sichtbar  ist.  Es  war  nötig,  diese  Verhältnisse  kurz  zu  streifen,  um  den 
engen  Zusammenhang  der  musikalisrlien  Erzeugnisse  mit  den  allgemeinen 
geistigen  Strömungen  im  Auge  zu  I  m  halten,  war  doch  noch  in  der  vor- 
hergeiieudon  Epoche  ein  großer  Ted  auch  der  mehrstimmigen  Komjjo- 
sitionen  sogar  von  politischen  und  kirchenpolitischen  Tendenzen  inspiriert. 

Werfen  wir,  wenn  wir  jetzt  nun  zur  ^Entwicklung  der  mehrstimmigen 
Musik  im  14.  Jahrhunderts  in  ihren  einzelnen  Gattungen,  zuerst  den 
kirchlich-liturgischen  Kompositionen  übergehen,  einen  kurzen  Blick  auf 
ihre  Geschichte  bis  zum  Anfang  des  14.  Jahrhunderts.  Die  Mehrstimmig- 
keit hatte  111  üirer  ersten  Zeit,  von  der  wir  aus  der  Hucbald  zugeschrie- 
benen Musica  Eni  hinadis,  ihren  Scholien  und  mehreren  an  sie  sich  an- 
schheüenden  kleinen  Traktaten,  die  z.  T.  in  dvn  höchst  zahlreich  erhalte- 
nen Manuskripten  dieser  berühmt  gebliebenen  Schrift  mit  dem  alten  Text 
selbst  verbunden  sind,  —  sie  hatte  in  dieser  ältesten  Zeit,  in  der  man  die 
mehrstimmige  Komposition  Organum  nannte,  kirchlich-liturgischen  Zwecken 
gedient,  war  dadurch  zwar  in  steter  Übung  geblieben,  aber  auch  erstarrt 
und  ei-st  weiterer  lebensvollerer  Entwicklung  föhig,  als  durch  die  in  so 
Tider  Hinsicht  bedeutsame  Thätigkeit  Guidos  tob  Arezzo  ist  der  ersten 
Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  auch  der  mehrstimmigen  Musik  neue  Bahnen 
erölbet  wurden.  Finden  wir  nun  bei  diesen  SehriftstaUeni  und  in  den 
sp&rlichen  auf  uns  gekommenen  Kompositionen  dieser  Art  in  Musikhaad- 
•Schriften  im  wesentlichen  musikalisch  einfache,  vielfach  syllabiBche  Melo- 
dien aus  der  Liturgie,  bisweilen  daneben  auch  andere  ein&che  Melodien, 
,  durch  eine  Organalstimiüe  verziert  und  gehoben,  die  erst  parallel,  später 
immer  selbständiger  bis  zur  obligatorischen  G^genbewegung  ihren  Weg 
unter  der  Originalmelodie  ging,  so  zeigt  uns  ein  um  etwa  1100  ge- 
r  schriebener  Anbang  einer  G-uido-Handschrift  (Mafland,  Ambr»  17)  bereits 


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Friedrich  Ludwig,  Die  melnftiiiuiuge  Miuik  des  14.  Jahrinmderts. 


19 


die   reichen  Teile   der  Jjiturpie,    deren   weiterentwickelte  Kümpositiun 
dann  den  Höhepunkt  der  ireistlichen  Musik  Ins  in  d;is  14.  Jahrlnmdfrt 
hinein  bildet,  TnehrstimmiL:  bfarheitet,  nämlich  die  Anfänge   iV-.  Aile- 
liiia  und  des  Versus  aus  eintm   \Ileluia-Ge6;in<^  und  ein  meiismenreiches 
Benedicamns  Domino,  allerdings  noch  in  ganz  primitiver  Weise,  Note 
ppfjen  Note,  aber  jetzt  in  der  Stimmen -Disposition,  die  für  die  fol- 
genden Jahrhunderte  die  maßgebende  geblieben  ist,  die  originale  Me- 
lodie als  die  das  musikalische  Ganze  stützende  Stimme,  als  Tenor,  als 
tiefste  Stinune.  und  darüber  das  neue  musikalische  Gebilde  sich  auf- 
bauend, yiuiuu'hst  eine  neue  8tinune,  der  sich  aber  bei  dieser  Anoidiuuig 
des  Ganzen  leicht  eine  zweite  und  eine  dritte  Oberstimrae  zugesellen  konnte.  [ 
üie  junge  mehrstimmige  Kunst  fühlte  sich  stark  genug,  gerade  die  schon 
in  ihrer  einstimmigen  Komposition  so  komplizierten  Formen,  wie  neben 
dem  kttizeren  Benedicamiis  Domino  ftos  dem  Ordmarium  miatae  die  Qnr- 
duaHen  md  AlMina^GeBänge  der  Mene  wiid  die  Matutin-BesponBonen 
des  OMdtuns  ans  dem  JFVopmfm  de  Umpore  und  de  Saneti»,  fOr  die 
Festtage  der  Kirche  noch  glänaender  und  eindrucksroUer  zu  gestalten.  Wie 
die  Eirehenprazis  das  Organum  Uber  ein  Jalirbimdert  lang  treu  gehütet 
hat,  so  zeigte  sie  sich  auch  für  diese  neue  reichere  BlUte  der  Mehr- 
stimmigkdt  ab  Bewahrerin  und  Beschützerin  bei  allem  Wechsel  der  Form 
der  Niedeisduift  dieser  Kompositionen  und  bei  aUer  Lebhaftigkeit  der . 
Entwiddung  der  sidii-litQigi8che&  kirchlichen  und  der  ganaen  weltiiohen 
mehrstinmiigen  Musik  um  sie  herum  von  solcher  Zfibigkest,  daß  noch  im 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts  beim  Hochamt  mehrstimmige  Kompositioneik 
ertihüten,  die  der  Zeit  auch  an  der  heiligen  Stelle  iScherlich  anmuteten 
und  ihren  Zweck,  die  Feierlichkeit  zu  erhöhen,  schon  lange  nicfat  mehr 
erfüllten,  da  man  diese  Tonsprache  einer  nun  schon  lange  vergangenen 
Zeit  nicht  mehr  verstand  und  nicht  mehr  emp&nd,  so  daß  es  dem  Papst 
Johann  XXU.  in  seiner  bekannten  Bulle  aus  Avignon  von  1322  nicht  schwer    .  i  •  i : 
fiel,  neben  anderen  mdustimmigen  Gesängen  auch  diese  überlebten  mehr- 
stimmigen Gradualien  u.  s.  w.  ein  für  alle  Mal  aus  dem  Gottesdienst  ab- 
zuschaffen.   Wie  sie  bis  dahin  in  der  Praxis  in  Übung  waren,  zeigt  das 
häufige  Vorkommen  dieser  Kompositionen  in  verschiedenen  Handschriften 
noch  aus  dem  14.  Jahrhundert,  im  wesentlichen  in  gleicher  musikaliseher 
Gestalt,  wie  sie  schon  aus  dem  12.  Jahrhundert  nachweisbar  ist,  in  dem, 
wie  übereinstimmend  mit  rlen  Indizien  des  Ursprungs  der  Handschriften 
ein  englischer  Schriltsi(!lier  des  13.  Jahrhundeii«  uns  überliefert,  Notre 
Dame  in  Paris  als  die  Hauptptlegestätte  dft^ser  Kunst  galt  und  neben 
anderen  besonders  Perotinus  es  war.  dessen  nuisikalisclie  Fassung  dieser 
Gesänge  die  definitive  blieb.    Es  miuI  dabei  nicht  die  ganzen  Melodien 
der  Gradualien,  AUeluias  und  ßesponsorien  mehrstimmig  komponiert,  son- 
dern nui-  mimer  die  ersten  Abschnitte  der  einzelnen  Teile,  die  dann  von 

2* 


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20         Friedrich  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Muaik  de»  14.  Jahrhunderts. 


dem  einstinimiq:en  Chor  mit  dem  unverän<lt'rt( n  Scliluß  in  der  so^je- 
nannten  grcgcrianischen  Melodie  fortgesetzt  und  ubiresclilossen  wurden. 
Bekanntlicli  habcu  die  beiden  Meßgesiinge  cyklisdu*  Fonii,  indem  sich 
nach  dem  Versus  das  btigiimende  Graduale  oder  Aileluia  wiedciholt. 
wobei  dann  ilie  Wiederholung  vielfach  neu  komponiert  ist,  so  daß  sich 
aus  diesem  Weclisel  Ton  mehistimmigen  Partien,  zwei-  bis  Tierstimmig,  je 
^  nach  der  Fähigkeit  der  Solisten  im  Sängerchor  oder  der  Höhe  des  Grades 
des  Festes,  mit  der  anTeriüiderten  AbsdhlnBmelodie  des  einstimmigen 
Chores  ein  eigenartiges  musikalisches  Gebilde  ergab,  fest  im  kirchlichen 
Bitus  wurzelnd  und  dabei  der  KttnsÜer-Individnalität  doch  den  freiesten 
>  Spielraum  lassend,  wechselreich  mit  immer  neuen  Kompositionen  die 
Jahrzeit-  und  Heiligenleste  des  gansen  Eirchenjahrs  begleitend,  mit  der 
ursprunglichen  Fdsche,  die  ganz  in  dem  heiligen  Werk  aufging  ohne 
Bficksicfat  auf  die  Ermüdung  von  Sänger  und  Hörer,  wie  es  einst  die 
Entstehung  des  so  aufierordentlich  umfangreichen  corpus  des  gregonani- 
scfaen  Gesanges  auch  gethan  hatte.  Und  in  den  Sammlungen  dieser  Ge- 
sänge finden  wir  nicht  nur  je  eine  Komposition  des  Graduales  u.  s.  w.  djes 
betreffenden  Festes,  sondern  wieder  für  die  melismenreichsten  Worte 
oder  kleineren  Abschnitte  der  einzelnen  mehrere  Kompositionen,  oft  eine 
sehr  stattliche  Anzahl  zur  Auswahl. 

Der  Bückschlag  kam  im  Verlauf  des  14.  Jahrhunderts.  zwar 
bisher  aus  dem  Ordinarinm  missae  auch  schon  manches  mehrstimmig 
komponiert  worden,  namentlich  die  höchst  interessanten  Tropen  über 
Kyrie,  Sanctus  und  Agnus,  die  umgekehrt  zu  dem  oben  geschilderten 
Wechsel  von  mehrstimmiger  Einleitung  und  einstimmigem  Schluß  durch 
die  einstimmige  liturgische  Intonation  eingeleitet  wurden  und  sich  dann 
in  mehrstirnmiirfr  Komposition  der  neuen  tropischen  Dichtung  fort- 
si'tztcn,  —  trat  dies  alles  aber  an  Fmfancr  nnd  iM'ilcutung  hinter  den 
ivoHi})Ositionen  aus  dem  proprium  de  tempore  und  de  sauctis  zurück,  so 
tieten  uns  von  nun  an  gerade  die  Teile  des  Ordinarium  missae  ah 
Hauptgianzstücke  der  kirchlich-hturgischen  Thätigkeit  der  Tonsetzer  ent- 
gegen, besonders  das  Gloria  und  das  an  sich  der  Iv()mi)osition  doch  so 
viele  Sclnv  i(>ri;^'keiten  bereiteTide  Credo  der  Messe,  beide  stets  nach  der 
einstimmigen  Intonation  eist  mit  Et  in  terra  und  Patrem  mehrstimmig 
beginnend,  beide  vielfach  isoliert  kumponiert,  vielfach  auch  mit  den  an- 
deren Teilen  des  Ordinarium ,  Kyrie,  Sanctus  und  Agnus,  zu  einem 
Ganzen  verbunden,  zu  dem  andere  typische  Bestandteile  der  Messe  wie 
Benedicamus  Domino,  Ite  missa  esl  u.  u.  treten  können. 

Den  Reigen  dieser  Kompositionen  eröffnet  eine  dreistimmige  Messe, 
jedenfalls  aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts,  von  der  aus  einer  jetzt 
verschollenen  Handschrift,  früher  in  Privatbesitz  ip  Tournai,  Oonssemaker 
den  Versuch  einer  Überti*agung  gab,  fünfteilig  mit  einer  Motette  zum 


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Fjiedrioh  Ludwig,  Die  meliTstimmige  Muaik  de«  14.  Jahrhundert«. 


21 


Schluß  über  den  Tenor  Ite  missa  est  (Messe  du  XTIl*  siecle,  Toumai 
18H1).  Aus  der  Mitto  d es  Jahrh ändert s  folgt  die  vierstimmige  Glesse 
Mricbmilt'«;.  von  dessen  Kompositionen  unten  aiist'iilirlicli  die  Kede  sein 
wird,  ebenfalls  fünfteiiii;  mit  einem  im  ^jleichen  8til  wie  die  ganxe  Messe 
komponierten  Ite  missa,  im  iii)i  ii:('n  von  ähnliehem  Znscbnitt  wie  die  erste, 
aueh  mit  längeren  melismiertcn  Amen  um  Hude  der  wortreichen,  mehr 
syllabischen  Gloria-  und  Credo-Sätze  (Paris,  iiibl.  nat.,  fonds  franr.  2254ß. 
f.  12ö'i,  und  aus  der  zwt  itrn  Hälfte  eine  zweistimmige  vierteilige  Messe 
[ohne  Kyrie)  verschiedener  italienischer  K<»niponisten  italienischen  Stils 
mit  einem  dreistimmigen,  anscheinend  älteren  Benedicamus  zum  Schluß. 
Paris,  Bibl.  Nat.,  fonds  ital.  568,  f.  131 '),  Während  wii-  von  den  dem 
niittelitalienisch-florentinischen  Komponistenkreis  angehörigen  Tonkiiu.stlcni 
weiter  keine  sicheren  Spuren  kirchlichen  Schaffens  kennen,  als  die  Be- 
teiligung au  dieser  Messe,  an  der  aber  auch  Bartolino  von  Padua 
mitgearbeitet  hai,  Bind  aus  Oberitalien  desto  mebr  erhalten.  Eine  grofie 
oberitalienische  Handschrift,  von  der  leider  nnr  wenige  Fragmente,  unter 
ihnen  besonders  liturgische,  die  völlig  Unica  sind,  gerettet  sind,  enthielt 
viel  religiöse  Werke,  darunter  auch  vid  Meßtefle  und  wohl  auch  ganze 
Messen  (Padua,  Univenitats-Bibliothek  1475  und  684).  Es  ist,  als  hatte 
der  fronune  Sinn  Paduas,  das  den  heiligen  Antonius  beherbergt  und  seit 
dem  Anfang  des  Jahrhunderts  den  kostbaren  Schatz  der  Giotto-Fresken 
in  der  kleinen  Marienkapelle  an  der  alten  Arena  besaß,  besonders  inten- 
siv hier  auch  auf  die  Musik  gewirkt  Auch  die  Fortsetzung  dieser  litur- 
gischen Kompositionen  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  finden  wir  wieder 
in  zwei  oberitalienisdien  Handschriften;  zunächst  in  einer  in  Modena 
(Bibt  Est,  lat  568j,  die  z.  T.  schon  in  das  15.  Jahrhundert  hinein  ragt 
und  zum  erstra  Mal  dne  ganz  erhaltene  Sammlung  derartiger  Meßteüe 
bietet.  So  enthält  der  eine  Bestandteil  dieser  Handschrift,  der  jetzt 
leider  durch  Einfügen  zweier  Lagen  eines  anderen  Manuscripts  ausein- 
andergerissen ist  (fol.  1  bis  10',  IM  Ui'<  30'  und  41  bis  50'i  in  einer  Lage 
(fol.  1  ff.)  vier  Gloria  und  zwei  Credo,  von  denen  zwei  Gloria  von  Matteo 
von  Pcrnpria.  einem  der  llauptkomponisten  dieses  Teils  der  Handschrift, 
der  seit  1402  als  Domkantor  in  IMailand  nachweisbai*  ist,  stammen,  in 
einer  anderen  (fol.  21  ff.,,  ein  Gloria  desselben,  eins  eines  Eggardus 
und  ein  Credo  des  auch  dem  15.  Jahrhundert  angehörenden  Za  ehrt rias. 
und  in  der  dritten  ^fol.  41  ff.l,  die  ausschließlich  ^Matten  von  Perugia 
widmet  ist,  noch  zwei  Gloria  de<iselben,  zum  grulien  Teil  Kompositi- 
onen französischen  Stüs.  auf  dessen  Charakteristika  nacldi«  r  einzuu't'lu  ii 
ist.  Auch  das  dreistimmiLie  Crrdo  Zacharias",  das  in  der  >j>;iter(n 
großen  Handschrift  des  Liceu  in  Bologna  (Liceo  37,  fol.  wiederkehrt, 
trägt  fran2ösisches  Gej^rage,  während  in  einer  venetiaiüschen  Handschrift 
der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  ^Venedig,  Bibl.  JMai'c.  ital.  cl.  IX, 


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22 


Friedrieb  Ludwig,  Die  intthrstimmige  Musik  des  14.  Jahrhunderte 


145)  eine  umfangreichere  Sammlung  von  Messen  und  MeBteSen  italieni- 
Bcher  Art  voriiegti  die  ich  hier  als  acUäufer  der  ao  späilicli  erhaltenen 
italienisdien  liturgiedien  Kompoaiticnien  des  Trec^to  besonden  erwähnen 
möchte.  Yiele  dieser  Messen,  besonders  Glorias,  sind  tropisch,  die  ein- 
zelnen Abschnitte  des  litorgischen  Textes  durch  anderweitige  Texte  streng 
metrischen  Baues,  vielfach  gereimt,  unterbrochen;  gerade  beim  Gloria  ent- 
steht dadurch  eine  wohlthuende  Abwechselung  zwischen  der  freien  Prosa 
des  einen  mit  ihrer  rhythmisch  sich  ganz  dem  Text  anpassenden  Kompo- 
sition und  der  auch  musikalisch  regelmäßig  sich  gliedemden  Vertonung 
der  Strophen  des  Tropus,  wdch  letzterer  entweder  Jesus  Terheirlicht  oder, 
was  sehr  häufig  ist,  Maria  preist  und  die  schwungvollen  Aussagen  dea 
Gloria  auch  auf  Maria  überträgt,  oder  schließlich  auch  bei  besonderen 
Anlässen  zur  Komposition  solcher  Glessen  diese  schildert,  wie  das  eine 
wohl  auf  1417  sich  begehende  dreistimmige  Gloria  des  Codi  x  yenedit?, 
dessen  zweistimmiger  Tropus  die  unio  eeclesiae  und  den  umis  Christi  ri- 
carins  feiert.  Derartige  Tropen  finden  sich  dann  auch  losgelöst  und  be- 
liebig verwendbar  in  Handschriften  dieser  Zeit,  eins  in  den  Paduaner 

^  Fragmenten^  ein  anderes  von  Consscmaker  als  Probe  ans  pinem 
Trecentohandschrift-Fragment  seines  Besitzes  vei  öfTenÜicht  (bist.  pl.  33,, 

^  dessen  jetziger  Verbleib  mir  unbekannt  ist.  Zn  lien  interessantesten 
italienischen  Kompositionen  dieser  Art  gehört  ein  zweistimmijjps  Gloria 
des  Codex  Venedig  mit  dem  Tropus:  Jesu  andi  nos  (irmrutis,  in  dem 
die  sechs  Strophen  des  Tropus  dadurch,  daß  die  drei  letzten  die  Musik 
der  drei  ersten,  nur  mit  Veränderung  der  Kadenz,  wiederholen,  ein  in 
sich  gl  blossenes  musikalisches  Gan^je  bilden,  jede  Strophe  in  ganz 
regelmiUSiL'm  Wechsel  von  drei  bezw.  zwei  semibrervs  mit  je  einer  nfi- 
niiiKi,  liroi  seji/ihreres  luinores  und  einer  maior  mit  Pause,  also  "  4-  be/.w. 
*^  4-Tukt,  und  in  dem  dieser  Tropus  mit  seinem  wiegenden  iihythmus  die 
beste  Fohc  ])ildet  zu  der  gleichartigeren  profatio  minor  der  liturgischen 
Teile,  das  persönliche  individuelle  Gebet  iin  innigen  Bund  mit  dem  ewi- 
gen Wort  des  kirchlichen  Textes,  beide  durch  musikalische  Mittel  ein- 
fachster Art  geschieden  und  doch  wieder  zu  einem  Ganzen  vereint,  am 
Schluß  sogar  der  liturgische  Text  in  den  Tropus  übergehend,  ein  fein- 
sinniges Denkmal  musikalischer  Erbauung  eines  anbekannten  Italieners 
der  Zeit  kun  nadi  1400. 

Haben  wir  die  kircfalich-lituiipsGhen  Kompositionen  so  durch  das 
14.  Jahrhundert  verfolgt,  wenden  wir  uns  zu  dem  Ausgang  dieser  Künste 
gattung,  den  Gradualien  ü.  s.  w.  zurttck,  aus  deren  ScfaoB  die  eine  Haupt- 
gattung der  kirchlichen  nichtliturgischen  und  weltlichen  Musik  der  älteren 

,  Zeit  entstanden  ist,  nämlich  die  lateimschen  und  franzowschen  Motetten. 
Kurz  erwähne  ich  eme  neuerdings  auf g^teUte  Erklärung  des  Ursprunges 


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Fnediich  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Musik  des  14.  Jahrhonderts.      .  23 


der  lateinibchen  Motetten*),  nämlich,  daß  man  bei  dem  Gebrauche,  die  | 
melismenreichsten  Stellen  dieser  Gradualit-n  u.  s.  w.   besonders  oft  und  | 
besonders  reich  zu  komponieren,  eine  weitere  iStiMgcnuii,'  d(  r  l^iaiht  des  . 
Ganzen  darin  fand,  den  überaus  melismenreichen  Überstimmen  dieser  an 
sich  schon  sehr  meHsmi»»rten  Abschnitte  der  liturgischen  ^Melodie  bc- 
süudere  Texte  aii/upassou,  dif  in  tnjjiischer  Weise  die  Gedankenreihen 
des  betreffenden  Festes  weiterführen,  gleichsam  als  Erläuterung  des  durch  , 
die  Ritus- Vorschriften  gegebenen  Prosa-Textes  des  AUeluia,  Graduals  oder  ^ 
Besponsoriums.   Die  MehrBtimmigkeit  hat  so  schon  sehr  früh  eine  ihrer 
wkiungsroUsten  und  eigentflinliclisteii  Gattungen  ausgebildet,  mehrere  in  i 
ihrer  Eigenart  scharf  nmrissene  Einzelstimmen,  jede  ihren  eigenen  Weg' 
gehend,  hier  nicht  nur  melodisch  und  rhythmiecfay  sondern  auch  niit< 
eigenem  Text,  und  doch  stets  auf  einander  Kttckaicht  nehmend  und  erst 
in  ihrem  gleichzeitigen  Erklingen  das  wohlgeordnete  Ganze  bildend.  Wir 
fmden  hier  Motetten  —  so  nannte  man  die  neue  Kunstform,  und  moMus 
spedell  die  Stimme  mit  eigenem  Text  Uber  dem  Tenor  —  bald  in  man^ 
nicfa&usher  Art»  solche,  die  sich  unmittelbar  dem  Gottesdienst  einordnen 
lassen,  solche,  die  auf  religiösem  Empfindungsboden  bleibend  nur  noch 
in  loserer  Bezidhung  zu  dem  im  Tenorwort  odw  -text  angedeuteten  Qe- 
danken  stehen,  schließlich  solche,  deren  Oberstimmen-Texte  sich  inhaltlich 
v5Uig  frei  bewegen  und  den  Tenor,  der  nach  wie  Yor  mit  dem  ihm  in 
der  gregorianischen  Melodie  zugehörigen  Text  bezeichnet  wird,  nur  noch 
als  lein  musikalisches  Fundament  des  Ganzen  betrachten.    So  werden 
die  Motetten  bald  eine  jeder  liturgisdien  Beziehung  TÖllig  freie  Gat- 
tung der  Kunst,  die  als  wesentlichstes  Cliarakteristikum  aus  ihrer  Ent- 
stehung ihren  eigentümlichen  Bau,        komponierte  Oberstimme  über 
einem  gegebenen  Tenor,  und  schon  aus  ihrer  ersten  Entwicklung  die 
Mehrtextigkeit  der  Oberstimmen  behalten  hat.    Der  Tenor  als  Basis  des 
Ganzen  leistete  den  Komponisten  die  größten  Dienste  für  desto  größere 
Freiheit  bezüglich  der  Oberstimmen,  ohne  daß  die  ganze  Komiiosition 
dadurch  in  die  Cicfahr  des  Auseinandcrfnllfns  geriet;  die  Motetten-Dichtung 
bildete  sieh  in  Frankreich  in  laleinisclier  und  französischer  Sprache  außer- 
ordentlich aus;  die  musikalisch rn  Motetten-Handschriften  der  verschieden- 
>ten  Art  sind  sehr  zahlreich,  iu  der  Hegel  nach  den  einzelnen  G  ittnngen 
der  Motetten  geor(hiet,  Hefte,  die  nur  zwei-,  drei-  oder  vierslimmige 
oder  Motetten  mit  nur  lateinischem,  nur  franzo^x  iiem  oder  mit  je  einem 
lateinischen  und  je  einem  französiscbcn  'IVvt  enthalten,  innerhalb  der 
einzelnen  Hefte  namentlicli  in  der  ersten  Zeit  oft  die  liturgische  Folge 
der  Tenores  beibehaltend;  an  den  Motetten  bildete  sich  die  Theorie  und 


1)  W.  Mf'ycr,  Der  Uisprunjf  <les  Motetta;  Nachrichten  von  der  KüuigL  öeaell- 
schai^  der  Wissenst-haluu      Güttingen,  Phil.-hist.  Klasse,  1898. 


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24  .      Friedrich  Ludwig,  Die  pidiritiiiiiiuga  Mniik  des  14.  Jabriittndeits. 


die  Entwicklung'  dor  Notpnsclirift,  zwei  r4ebiet<».  (h'nM\  DurrlilorschunL: 
im  Anschluß  an  die  unifan^^^reiehen  Puijlikationcn  der  H:iu])ttlie<)rrtikLr 
durcii  Couftscmuker  bisher  im  \  onler^'i'und  de>  wissenschaftlichen  In- 
teresses stand,  ebenso  wie  auch  bis  zimi  Jalir  1901,  in  dein  der  erste 
Band  von  Wooldridge's  Darstellung  der  mehrstimmigen  Musik  des 
Mittelalters  erschien'^,  die  Yeriiffentlichung  von  über 40 Motett^^n  aus  einer 
der  grüßten,  wenn  auch  späteren,  Motetten-Handschriften,  der  vun  Mont- 
pellier (Fac.  de  med.  H.  190i,  durch  Cousseiuaker^)  die  einzige  gi-ößere, 
leider  nicht  genügend  zuverlässige  Publikation  aus  der  Zeit  der  älteren 
Mehrstimmigkeit  geblieben  ist 

Ging  im  Yeriauf  dieser  Entwicklung,  wie  bemnkt,  der  uzsprüngliche 
Zosammeiiliang  zwischen  den  Motetten-Texten  und  dem  liturgischen  Tenor- 
Gedanken  vielfach  verlören,  so  bildeten  sich  dafür  schon  frtth  neue  engere 
Beziehungen  zwischen  den  Motetten-^Texten  selbst  heraus,  und  in  etwas 
veränderter  Gkstalt  blieb  die  Motetten-Komposition  noch  während  des 
ganzen  14.  Jahrhunderts  in  hohem  Ansehen,  wenn  die  Motetten  an  Zahl 
jetzt  auch  hinter  den  vom  14.  Jahrhundert  selbst  ausgebildeten  mehr- 
,  stimmigen  Formen  sehr  zurücktreten.  Die  Text-Beziehungen  der  Ober- 
stimmen bewegten  sich  dabei  meist  in  zwei  Arten;  entweder  klangen  die 
Texte  als  ganz  gleichberechtigte,  so  daß  man  die  Motetten  als  Duett 
oder  Terzett  mit  einem  begleitenden  Tenor  bezeichnen  könnte,  und  ich 
möchte  als  ein  besonders  prägnantes  Beispiel  das  Lied  von  den  drei 
Schwestern  aus  Montpellier  anfiihren. 

Trois  serors  sor  ni  e  wer 
Chan  tcnt  der 

ist  der  gemeinsame  Anfang  über  einem  unbezeiclmeten  Tenor;  daain  teilen 
sich  die  drei  Oberstimmen  der  Motette,  Vai»me^  die  ältere  Schwester, 
wird  der  tiefsten,  la  inoi'me  der  mittleren  und  la  ionete  der  höchsten 
Stimme  zuerteilt.  Oder  der  Text  der  eigentlichen  Motetus-Stimme  ist  der 
gewichtigere,  an  "Worten  kürzere  der  beiden,  zu  dem  ein  lebhafterer, 
schneller  vor£^etragener  Text  in  der  Oberstimme  die  Folie  bildet.  Als 
Beispiel  diene  eine  Motette  auf  den  beilirren  Georg  aus  Codex  Padua 
und  Müdena,  dessen  IMutetus  Matjudin m us  oprrr  fünf  Strophen  zu  je 
(drei  trochäisclien  Di^jodien  hat,  währeml  die  Oberstimme  in  lebendierster 
Weise  in  vier  Stroidien  zu  je  vier  trochäischen  Tetrapodien  das  Lob  de» 
GratioüNS  fvmdm  Jidu  -.tbitur  sinirt.  So  ist  da. •>  liest i eben,  jeder  Stimme 
des  Ganzen  einen  ihr  eigentinnlielit  n  Charakter  zu  ijeben  und  aus  meh- 
reren sülclien  dies  reizvolle  Ganze  des  Kunstwerks  der  M<.»tette  zu  ge- 


1,  The  Uxibrd  History  of  Music,  I,  1. 

2)  L'art  harmonique  aux  ZII.  et  XIIL  si^les,  1864. 


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Friedrich  Ludwig,  Die  mebntiinittige  Münk  de»  14.  Jehrhundert«.  25 


stalten,  während  des  ganzen  14.  Jahrliuaderts  in  veri>tändnisvoller  Übung 

geblieben. 

Gleich  aus  dem  AiifaiiKf*  des  Jahrhniidt  rts  staiinnt  die  Bearbeitung 
vi<  1er  alter  und  ilif  Kompusition  einer  Kciln'  iK  ucr  Motetten,  die  als 
muüikali.scLu  Eiidai^en  zum  Rofnnn  de  Vnnnl  in  cim-r  wuniltM-vollcii  Pa- 
riser Handschritt  i  i^ibl.  2\ut.  funds  frr.  .  i  haltun  .sind.  Dem  muialisch- 
satirischen  Charakter  der  Dichtung  entsprechend,  finden  wir  namentlich 
moralische  ältere  mit  Zusätzen  auf  Fauvel,  die  in  einem  Maultier  ver- 
körperte Geldgier,  versehen,  lateinische  und  französische,  unter  ihnen  die 
berühmte  zweiBtimniige  Motette  des  Pariaer  Kanzlers  Philipp  de  Gr^ve 
(t  1^7)  Mundua  a  mundicitL  Unter  den  neuen  em^hne  ich  besonders 
eine  den  Templerorden  anklagende  dreistimmige  Motette  mit  der  Kiage 
der  Kirche  im  Tenor:  FUioB  enutrivi  ei  exaäavi,  ipsi  aukm  sprevenmt 
9ne,  femer  die  auch  in  einer  anderen  Pariser  Handschrift  (fonds  frQ.  571) 
wiederkehrende  dreistammige  Motette  Qtd  aequuniur  auf  Ludwigs  X. 
Thronbesteigung  1314,  weiter  die  in  regelmafiigen  fttnftaktigen  Perioden 
sich  bewegende  dreistimmige  Motette  mit  den  Texten  In  mva  fert  und 
Garrit  Oqüus  aUegorisch-moralisierenden  Charakters,  die  in  einer  leider 
nur  in  dürftigsten  Fragmenten  erhaltenen  anderen  Handschrift  ebenfslls 
in  Paris  (C!oll.  de  Pic.  67}  in  spätere  Notensdirift  umgeschrieben  wieder- 
kehrt, schUeßlich  die  ebenfalls  dreistimmige  Motette,  ein  Musikergebet  an 
die  heilige  Dreifaltigkeit:  Firmissmte  fidem  teneomms  und  Adcsfo  saucIa 
trimtas  mtmce  modiäantibus ,  mit  dem  tt-ansponierten  sich  zweimal  in 
rerschiedenem  modus  wiederholenden  AlleluiarT^  des  gregorianischen 
Trinitäts-Alleluias  Bruidlctus  es  Domine  als  Tenor,  die  mit  einer  Uldem 
Fauvel-Motette  für  die  Orgel  bearbeitet  in  dem  Fragment  einer  eng- 
lischen Handschrift  des  14.  Jahrhunderts  (London,  Br.  Mus.  add.  28ÖÖ0J 
zusammen  mit  einifien  rein  instrumentalen  Sätzen  wiederkehrt'  . 

Aus  dem  Ubri^'cn  Inhalt  des  erwähnten  Pariser  Motetten-Fra^anonts 
(Coli,  de  Pic.  67j  interessiert  besonders  eine  andiTc  drpistininiii,'e  Motette, 
deren  Oberstimme  eine  lobpreisend»'  Anf/iiiduni:  dt  r  berühmtesten  Mu- 
siker der  Zeit  zum  'i'ext  hat,  während  di»-  Mittdstimme  eine  KlajE^c  der 
iUietorik  }>ei  der  Musik  über  die  l'nthaten  stümperhafter  Sänger  ist,  wie 
sio  uns  wiilirend  dos  14.  Jahrhunderts  ganz  ühnUeh  auch  in  den  italieni- 
sciieii  Kumpu>iU()nrn  be^e^en.  Auch  die  KompositiüU  t  ini  s  derartigen 
Komponisten-  und  Säuger- Verzeiclinisses,  wie  sie  die  Oberstimme  ilor  er- 
wähnten Motette  bietet,  steht  in  dieser  Zeit  nicht  vereinzelt  du.  Von 
dt  n  Namensnennungen  der  Truuvi  reü  in  den  irunzüsischen  Motetten  bis 
/Ulli  Sängergebet  des  Loj-set  Cumpere  des  15.  Jahrhunderts  begegnen 

1;  VVuuldridge.  Early  English  Harmony,  I,  pl.  42 — 4ö;  vergleiche  J.  WoU  ün 
Kirchenmusüialisclien  Jahrbuch         S.  14  ff. 


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26 


Friedrich  Ludwig,  Die  mehrstinumge  Mnsik  dea  14.  Jahrbunderts. 


uns  solche  koiupoiiierteu  Selbstverherrlichungen  der  Musiker  mehrfach. 
Die  Komposition  einer  zweiten  in  ]^r<>t<'ttenfurm  aus  dem  14.  Jahrljuiidert 
in  einer  Stralihurger  Handschrift  (Stadt-Bibl.  222,  C.  22)  ist  erst  in 
neuester  Zeit  1K70]  unterge^^angen,  zwei  andere  finden  sich  in  der  Hand- 
schrifl  von  Cliantilly  (cod.  1047],  eine  vierstimmige  mit  den  Texten  Ahta 
polis  religio  und  Axv  poli,  und  eine  andere  dreistimmige  englischen  Ur- 
sprungs, die  ihren  Ruhm  bis  in  die  Zeit  des  Manuskripts  des  Liceo  in 
Bologna  (cod.  37)  behielt,  in  dem  sie  mitten  unter  späteren  Werken  mit 
Angabe  des  Engländers  Johannes  Alanus  als  Komponisten  wieder« 
kehrt;  der  in  Cbautilly  unbezeichnete,  in  Bologna  mit  Text  wsehene 
Tenor  dieser  Motette  heiSt  beziebangsreich:  in  omnem  ierram  eadrit 
sottus  eorum  et  in  fines  orins^. 

So  galt  die  Motette  unter  den  Werken  der  msten  Kunst  nach  wie 
vor  als  die  vornehmste  Gattung,  und  wahrscheinlich  an  sie  wird  sich  auch 
der  Fortschritt  der  musikalischen  Kompositions-Technik  geknüpft  haben, 
der  mit  der  stolzen  Beseichnung  Ars  Nova  in  den  Schriften  des  als  Theo- 
retiker und  Komponist  gleich  gepriesenen  Philipp  von  Vitry  und  einer 
Beihe  irrig  Johannes  de  Muris  zugeschriebener  Traktate  zuerst  gelehrt 
wird.  Fhihpp  von  Yitrj,  den  ein  wechselieiches  Leben  und  eine  hohe 
universale  Begabung  zu  dem  bedeutendsten  Vertreter  der  französischeii 
Ku2>8t  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  14.  Jahrhunderts  gemacht  haben, 
ist  leider  fOr  uns  nur  aus  seinen  Schriften  kennen  zu  lernen;  ist  die  An- 
gabe richtig,  daß  die  bereits  erwähnte,  1870  verbrannte  Strafiburger 
Handschrift  Kompositionen  Yitry's  enthalten  hat,  so  ist  ihr  Verlust  ge* 
rade  wegen  des  Untergangs  dieser  Werke,  von  denen  in  anderen  Hand- 
schriften bishw  noch  nichts  hat  nachgewiesen  werden  können,  doppelt 
zu  beklagen.   Wir  lernen  aus  den  Oitaten  der  Schriften  Vitry*s  und 
[seiner  Anhänger  die  Anfänge  einer  Anzahl  Motetten  kennen,  die  als 
^Musterbeispiele  für  den  neuen  Stil  zitiert  werden  und  bisher  leider  eben 
ISO  wenig,  wie  die  Werke  Vitiy^s  selbst,  die  sich  wohl  darunter  befinden, 
{nachweisbar  sind. 

Der  altfranzösische  Gebrauch,  den  Kompositionen  den  Automamen 
nicht  beizufügen,  erhält  sich  merkwttrdigerweiBe  gerade  fttr  die  Motetten 
auch  bei  den  andern  Völkern  am  längsten;  eine  der  wenigen  Ausnahmen 
bilden  die  Motetten  von  Titrjr^s  Zeitgenossen  Guillaume  de  Machaul t, 
dessen  musikahsche  Werke  zusammen  mit  seinen  Dichtungen  uns  in 
.  einer  schönen  Pariser  Hamlsi  In  ift  (Bibl.  Nat.  f.  fr^.  22545  und  22546)  in 
einer  gewissen  Vollständigkeit  halten  sind;  hier  hat  die  Einfügung  auch 
der  Motetten  in  das  truvre  Machault^s  sie  vor  dem  Schicksal,  anonym 


1]  Yergleicli«  über  die  Texte  Cottssemaker,  Les  Harnwni^«»  du  XlV.tüele, 
im,  S.12ff. 


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FHedricli  Ludwig,  Die  mehrttiiumiga  Mtuik  des  14.  Jahrhiuid«fi>-  27 


Uberliefert  zu  werden,  um  rettet.  Auf  die  übrigen  Kompositions-Forinen, 
tlie  alle  in  dor  intcTessantesten  Weise  von  Machnult  geptiegt  sind,  wird 
später  i'inzuL'<  Im  II  .sein,  d«»ch  sei  hier  schon  Maehault  als  Künstler-Per- 
sönlichkeit Uli  allgemeinen  dem  oft  mit  ihm  zusammen,  z.  B.  von  Kustache 
Deschampt»  gepriesenen  Vitry  gcfienüber^jestellt.  Zeigte  sieli  der  aristo- 
kratische, in  vielen  Hofämtern.  l)es()nfler.s  als  Diplomat  bewährte,  zuletzt 
1361  in  hohem  Alter  alb  Bischof  von  Meaux  bei  i'aris  gestorbcni'  Pliilip)) 
von  Vitry  auf  den  verschiedensten  Gebieten,  sowohl  dem  litterarisehen 
und  mnsikali.schen,  wie  dem  wissenschaftliehen  bewandert,  zun)  Teil  als 
Meister,  so  verkörpert  Cäuillaume  de  ^Luduiuit  den  Üoiitu,  musikalisdicii 
ExaktiküT,  der  als  Virtuos  weit  in  der  Welt  herumgekommen  (er  war 
außer  zu  Terschiedenen  Zeiten  am  französischen  Königshof  lange  in  Prag 
beim  KOmg  Johann  von  Böhmen  gewesen)  für  die  feste  AusUldung  der 
nenen  musikalischen  Formen  das  meiste  gethan  hat,  so  für  Generationen 
▼orhüdlich  wurde  und  in  vielen  seiner  Kompositionen  Hb  weit  in  das 
15.  Jahrhundert  hinein  weiterlebte ,  wie  es  weder  den  Kompositionen 
Vitry's  noch  denen  anderer  Zeitgenossen  in  dieser  Weise  beschieden  war^ 
sondern  allein  Machault,  dessen  Werke  ich  in  bisher  sieben  groBeren 
Handschriften  nachweisen  kann,  w&hrend  Philipp  von  Yitiy  zwar  immer 
als  Bahnbrecher  und  fioa  et  gemma  caahrum  von  der  ihn  bewundernden 
Mit-  und  Nachwelt  gepriesen,  T<m  M&nnem  wie  dem  ihm  freundsohaftHeh 
verbundenen  Petrarca  lebhaft  betrauert  ohne  derartigen  Einfluß  wie 
Machault  geblieben  ist 

Machault's  23  Motetten  der  Pariser  Handschrift  seiner  Werke  sind 
znm  größten  Teil  dreistimmige  Kompositionen  mit  zwei  französiBchen 
Texten  über  einem  meist  lateinisch  bezeichneten  Tenor,  dessen  "Worte  in 
der  Begel  auf  den  Sinn  des  Ganzen  anspielen,  gewöhnlich  contemplativer, 
sdtenw  erotischer  Natur;  unter  den  lateinischen  hebe  ich  drei  größere 
vierstimmige  Stücke,  Gebete  und  Klagen  über  die  Schlechtigkeit  der 
Menschen,  eins  speziell  über  cüe  der  Bischöfe,  eine  dreistimmige  Motette 
auf  den  heiligen  Quintin tis,  und  eine  dreistimmige  zur  Feier  der  In- 
tiirouisation  des  Wilhelm  de  Trie  als  Erzbischof  von  Reims  1324,  der 
Motetus 

Bone  pasfi,)  nui  pdstons 
Ccteros  vincis  per  tnores 

beginnend,  hervor.  8o  viel  Balladen  Machaull's  wir  in  der  zeitlich  nun 
folgenden  großen  Handselu  itt  von  Ohantilly  (Cod.  1047,  wieder  begegnen, 
so  wenig  iindeu  wir  in  den  13  lateinischen  und  französischen  anonymen 
Motetten,  deren  Sammlung  den  Schluß  dieser  Kandschrift  bildet,  Machault 
vertreten.  Außer  den  beiden  oben  erwähnten  Motetten  aus  Chantilly 
hebe  ich  besonders  die  hervor,  welche  sieh  auf  Ereignisse  der  kirchlichen 
und  politischen  Irunzösiischen  Geschichte  beziehen,  die  tsich  in  dieser  und 


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28 


Frudtich  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Musik  des  14.  Jahrhunderts. 


der  fiLiiiereii  Zeit  so  oft  auch  in  den  musikalischen  Werken  vvietlerge- 
.spiej?elt  hat*).  Von  den  Chaiitill\ -Motetten  preist  die  vierstimmige  Yda 
Oipllhrum  die  Grälin  Ida  von  Jiuulugne  und  die  vierstiiamige  Rex  Ka^ 
ro/e  Köniir  Ivarl  den  Weisen  l.-i64— 80.  denselben  Küuig,  dessen  reiche 
Bibliüthek  auch  sehr  viel  musikalische  A\'erke  enthielt,  wie  der  noch  er- 
haltene interessante  Katalog  beweist;  gerade  diese  beiden  31otetten  bil- 
den die  Motetten-Musterbeispiele  des  wichtigen  Traktats  des  Anonymus  5 
in  Coassemakdr^B  drittem  Scriptores^Bande,  der  einzigeii  bisher  bekannten 
Schrift>  die  zabbeioKere  wörtliche  Citate  aus  fraozösischeii  und  italkmseheii 
Werken  des  14.  Jahrhunderts  enthält.  Eine  andore  vierstimmige  Mo- 
tette mit  dem  Tenor  Boso  vemans  earitatis  will  die  Christenheit  unter 
Gregor  XL  1370 — 78  zum  Ereuzzug  entflammen;  in  der  Tiersttmmigen 
Komposition  Aipha  vibrans  und  Cetus  venii  heruycm  beten  die  Franzis- 
kaner zu  Maria  mit  dem  Anfang  eines  Franciscus^Besponsoriums  Amkim 
quaerU  im  Tenor;  die  technisch  höchst  merkwürdige  vierstimmige  Motette 
InUr  äenaas  und  Imbränta  irriguia  bildet  mit  mehreren  Balladen  der- 
selben Handschrift  einen  reichen  Kranz  von  Lobliedern  auf  den  Grafen 
Gaston  PhAus  von  Foix;  die  erste  Motette  der  Sammlung,  Äpla  coro 
und  Fto^  virginiim  dcciis  et  speckji  mit  dem  Tttior  Ähna  redempb)riaj 
erinnert  uns  an  das  Lolt,  das  Philipp  von  Caserta  ihr  spendet,  und 
führt  uns  weiter  zur  Handschrift  Modena,  in  der  sie  in  der  Umgebung 
zahlreicher  anderer  Kompositionen  aus  Codex  Chantilly,  besonders  einer 
Ballade  von  May  hu  et  de  Joan,  hicUte  flos  orti  gebenuoisis  auf  den 
schismatiiscben  Papst  Clemens  VII.  1378—94,  wiederkelul.  Von  den 
wenigen  anderen  Motetten  dieser  Handschrift  Modena  ist  die  Georg- 
Motette  Gratioims  fcrvidus  schon  erwähnt,  die  zuerst  in  den  Paduaner 
Fra^^inenten  erhalten  ist,  der  eiiizifren  rein  italienischen  Handschrift,  die 
uns  Proheil  italionisrher  Motetten  überliefert  hat,  da  sie  außer  der  eben 
genannten  noch  die  dreistimmige  Motette  des  Oheritalieners  Jacopo  da 
Bologna  enthält,  dit-  ein  herrliches  Zeugnis  von  Jaeojio's  Meisterschaft 
i  auch  auf  diesem  (  J  einet  ist,  das  er  selbst  in  dem  \  <  in  ihm  zwei  Mal  ver- 
;  schieden  komponierten  Madrigal  ( Kselletto  sdi  mjio  neben  Madrigal  und 
Ballade  als  Thätigkeitsfeld  musikalischer  Mfipsfn'a  besingt,  während  die 
Personitikation  dvv  Mu.-^/ca  in  dem  vom  Florentiner  Francesco  Landini 
komponierten  üedicht  die  Motette  unter  den  Gattungen  der  Florentiner 
j  Kunst  nicht  erwähnt. 

Wir  sahen,  welche  Kolle  der  Tenor  ursprünglich  Ix  i  der  Motette 
spielte,  und  wie  allmülilich  seine  Eigenbedeulung  vüUig  kiurlicklrat,  bis 
er  vielfach  nur  zur  rein  musikalischen  Stütze  von  jetzt  mindestens  zwei 

1)  Vorglciciie  die  ausführliche  Beschreibung  dieser  HandBchrift  in  dem  liKX) 
«vchienenen  2.  Baude  des  Katalogs  vou  Chautilly.  S.  277—303. 


Fnednoh  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Masik  des  14.  Jahrhunderts. 


29 


<  )lM  istiiiiiiitMi  mit  verschiedenen  Texten  wurde.  Er  blii  b  aber  ein  cantns 
Ijrius  fiutu^y  wie  der  technische  Ausdruck  lautete,  nur  daß  er  niclit 
mehr  dem  gregorianischen  Choral  zu  entstammen  brauchte,  sondern  be- 
liebig hergenommen  sein  kuuntc,  auch,  was  aliiii;iiilich  anscheinend  die 
Regel  wurde,  vom  Komponisten  der  Motette  selbst  komponiert,  sofern 
er  ihn  nur  als  Fundament  des  Ganzen  zuerst  schuf.  So  finden  wir  denn 
auch  z.  B.  französische  Bondeaux  als  Tenore^  wofür  die  letzten  mir  be-  | 
kannten  Beispiele  zwei  französiBche  Motetten  ÜtiachaulVs  sind^  die  eine  | 
Lasse  eammmt  oubUand  nnd  iS^  »'a»m  mcn  loyal  ami  mit  dem  drastischen 
Tenor  Bourquoij  me  hat  me»  maris^  die  andere  entgegengesetzten  Inhalts 
Trop  pbu  est  bde  und  BiattU  paree  mit  dem  Rondel  Je  ne  std  mU  als 
Tenor.  Hier  brachte  der  eigentümliche  Bau  des  Bondeaus  die  Wieder-  j 
holnng  der  einzelnen  Abschnitte  des  Tenors  im  Verlauf  des  Stückes  mit, 
aof  der  seit  altersher  sein  Bau  hauptsächlich  beruhte,  da  seit  jeher  die  \ 
gewöhnlich  nicht  sdir  zahlreichen  I^oten,  die  die  ursprüngliche  Fassung  ^ 
des  Tenors  bildeten,  mehrfach  wiederholt  werden  mußten,  um  flir  die  i 
ganze  Komposition  als  Unteistimme  auszureichen.  ' 

Schon  in  den  mehrstimmigen  Gradualien  u.  s.  w.  war  nun  im  Tenor 
der  onginale  Bhjthmus  der  liturgischen  Melodie  völlig*  zerstört,  um  die 
in  den  Oberstimmen  musikalisch  so  reiche  mehi^timmige  Komposition  zu 
ermöglichen.  Die  syllabischen  oder  weniger  melismierten  Partien  dieser 
Gradualien  u.  s.  w.  wurden  dabei  im  Tenor  in  lang  gehaltene  Noten 
aoseinander  gezogen,  ttber  denen  sich  die  h  bliaften  Melismen  der  Ober- 
stimmen abspielten,  um  sich  erst  bei  den  Schlüssen  wieder  mit  der  Note 
der  gregorianischen  Melodie  zu  vereinigen.  £b«l80  wenig  wurde  anrli  den 
melismierten  Partien  der  alten  Melodie  ihr  ursprünglicher  oratorischer 
Rhythmus  gelassen;  entweder  wurden  diese  Abschnitte  auch  in  lauter 

lotKjdi  <Tft  sichrirbene  einzelne  kürzere  Töne  aufgelöst,  oder  sio  wurden 
im  Ge-Troiisatz  zu  den  andern  stron??  mensiinVrt  und  ohne  Riirksirlit 
auf  die  ursprüngliche  Gliederung  dt-r  Melodie  dieser  "\fe]i«!iueii  iinc  Töne 
in  in.funi'jfat'hen  fest  au8gep?;lL'f(n  rhythmischen  i'ürmen  geordnet,  bei 
denen  (irr  einmal  crewiililte  MoiIn.^,  wie  man  dies  terhnisrh  nnnnt(\  min- 
destens für  einmaligen  Verlauf  des  Tenor- Abschnitte^,  bindend  war. 
\'i«^lfa('h  genügte  dieser  aber  als  Grundstimme  für  die  Entfaltung  «1er 
Komposition  der  Uberstimme  nicht,  und  dann  wiederholte  man  skinipellos 
die  ganzen  Tenortiine.  oft  in  srleichem  Mofhis^  oft  in  einem  contrastit  reii- 
'len,  vielfach  in  schnellereui,  bisweilen  auch  in  langsamerem  llhytlnuub, , 
und  schuf  so  im  Tenor  ein  Gebilde,  das  der  willkürlichsten  rhythmischen 
Behandlunir  dieser  ursprünglich  eine  vernünfti^'e  Melodie  bildenden  Töne 
durch  den  ^lotetten-Kouiponisten  preisgegeben  war  und  auch  in  der  Art 
der  Ausführung  den  anderen  Stimmen  gegenüber  sehr  kontrastiert  haben] 
muß;  wir  wissen  leider  heute  mangels  genügender  Anhaltspunkte  noch 


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30         Friedrich  Ludwig,  Die  melintiiumige  Musik  des  14.  Jabrbonderta. 


nicht,  wie  dies  bei  dem  Vortrage  der  ganzen  Komposition  geschah,  ob 
rein  instrumental  oder  in  anderer  Weise. 

Gehört  zum  Wesen  der  alten  Motette  also  der  Aufbau  der  Eon^o- 
dtion  über  einem  derartig  behandelten  Tenor,  so  zeigt  sich  die  Weiter- 
entwicklang  in  zwei  Bichtangen:  einmal  verstürkt  man  das  Begleitonga- 
Fondament  der  ganzen  Motette  nm  eine  sweite  Contratenor  genannte 
Stimme,  die  vielfach  in  genauem  rhythmischen  Anschluß  an  den  Tenor 
gebaut  wird|  —  andererseits  geht  die  Freiheit  und  KompUaertlieit  der 
mmikalischen  Behandlung  in  ihythmischer  Besiehung  weit  Über  die  bis- 
her inne  gehaltenen  Grenzen  hinaus  und  greift  aueh  auf  das  melodisdie 
Gebiet  über,  indem  auch  die  Tonfolge  des  Tenor  ähnlich  einschneidenden 
Verilndenmgen  unterworfen  wird  wie  bisher  nur  der  Bhythmus.  Zeigen 
in  diesen  beiden  Hinsichten  die  Motetten  im  Bomaa  de  Vauvel,  Paiis 
571  und  dem  Fragment  in  der  CoUection  de  Picardie  sich  noch  gans  auf 
dem  alten  Boden  stehend,  so  tauchen  bei  Machault  schon  die  ersten 
vierstiTninif,'eii  mit  zwei  b^leitenden  Unterstimmen  au^  was  dann  bei  den 
Chantilly-Motetten  schon  die  Kegel  geworden  ist,  und  in  Chantilly  die 
(n-steu  Tenores,  die  aus  dem  Wechsel  der  gewöhnlichen  und  umgekehrten 
Tonfolge  der  Tenoi^Melodie  bestehon,  so  der  erwähnte  Fraiu  iscus-Tenor 
Ändeum  qttaerit,  und  solche,  die  bis  zu  achtmal  die  rhythmische  Behand- 
lungsweise  der  als  Tenor  benutzten  Tonfolge  variieren  (achtmal  iliut  es 
der  Tenor  Admirahile  est  nomen  tnuni  der  erwähnten  Motette  auf  den 
Grafen  von  FoixV    Für  eine  mehrstimmige  Bearbeitung  eines  rückwärts 
gesungenen  splir  }>pliebten  Tenors  wüßte  ich  freilich  schon  aus  der  älte- 
sten Zeit  ein  Beispiel  anzufüliren  [Nusmido  in  Florenz,  Laur.,  plut.  29,  1. 
f.  150').  doch  ist  das  dauK^ls,  wie  es  scheint,  eine  q-anz  vereinzelte 
Kui-iosität;  von  nun  an  beginnt  aber  solche  künstliche  äußerliche  Be- 
handlung des  Tenors  gerade  für  die  größten  und  feierUchsten  Kom- 
positionen, die  noch  für  Jahrhunderte  des  Tenors  als  Stütze  am  we- 
nigsten entraten  wollten,  immer  mehr  um  sich  zu  greifen;  sie  führt 
uns  direct  zu  den  sogenannten  Künsteleien  der  Niederländer,  und  wir 
wollen  auch  bei  der  Betrachtung  der  aufgezeigten  zunächst  ganz,  iuilier- 
lichen  Anfange  dieser  Bewegung  uns  (liuau  li  innern,  welche  großartigen 
Wirkungen  in  der  Musik  dadurch  erschlossen  werden  sollten. 

Schon  in  Chantilly  finden  wir  die  Ajiweisung,  wie  die  nur  einmal 
niedergeschriebene  Melodie  des  Tenor  bei  den  Wiederholungen  weiter  zu 
bilden  ist,  als  Canon  bezeichnet,  als  Richtschnur  für  die  Sänger,  ebenso 
wie  der  Codex  Chantilly  auch  die  Tielf  ach  sehr  nötigen  Anweisungen  zur 
Lesung  der  höchst  komplizierten  Notenschrift  Canon  nennt  Nicht  lange, 
und  eine  spezielle  Art  solcher  Anweisungen,  die  Bildung  einer  nicht  be- 
sonders niedefgeschriebenen  Stimme  durch  Nachahmung  aus  emer  andern, 
deren  Pflege  uns  nachher  besonders  bei  den  Italienern  beschäftigen  wird, 


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Friedrich  Ludwig,  Di«  nuUcanAimnige  Bfnmk  de»  14.  Jehriranderto. 


31 


behält  diesen  Ausdruck  Canon  als  Terminus  tf^rhniciis  bei.  was  er  bis 
beute  zur  Bezeit  Imiini;  dieses  hüchbedeutsamen  Mittels  der  Tedmik  der 
^Mehrstimmigkeii  geblieben  ist. 

So  bildet  zwischen  der  alten  Kunst  und  der  hohen  Weiterentwickluntr 
der  mehrstimmigen  Musik  im  15.  und  16,  Jahrlnmdert  j,'erade  die  fran- 
zösische Motette  des  14.  Jahrhunderts  ein  besonders  wichtiges  Bindeglied, 
wenn  auch  ihre  äußere  Form  und  ihre  seltsame  klangliche  Erseluinung 
namentlicli  durch  das  schnelle  Deklamieren  der  unendHch  langen  Texte, 
das  keine  rechten  Melodic-Biidun^en  a,uikommen  läßt,  und  das  gänzliche 
Vernachlässigen  sowohl  der  prosodischen  als  der  prosa-sprachlichen  Acccute 
der  Texte  in  der  Musik  uns  die  Gewinnung  eines  ästhetischen  Stand- 
punktes gegenOber  dimer  Knnstgattong^  deren  künstlerische  Intentionen 
uns  80  klar  wa  Tage  liegen,  ganz  anBcofordentlicb  efsehwown. 

Der  reidien  E&Ue  der  franzönBchen  Motetten  kSnnen  -wir  vorlftiifig  als 
rein  italienisch  nnr  die  eine  Motette  des  Jacopo  ron  Bologna  aus  den 
Padvaner  £*ragnienten  entgegenstellen,  da  die  andere  hier  nnd  in  Modena 
erhaltene  mehrfach  erwläinte  Ckorgsmotette  in  ihrem  Tenor,  der  prmo 
eundOf  uemudo  redeundOf  krtio  a  primo  prmeipo  rmmmdo  zu  erkUngea 
hat»  und  sonst^  wenn  auch  nicht  fransösbche  Entsfehnng,  so  doch  starke 
dirdste  fransosiBChe ,  Beeinflnssong  anfweiBt  Welch  anderen  Eindrock 
Jaoo|io*8  Luz  purpurata  und  Däigito  mit  ihren  sinnToUen  Beziehungen 
des  an  den  idealen  Fürsten  -gerichteten  Text^,  Ermahnungen  und  For- 
derungen in  der  Mittelstimme  und  Preis  der  ErfOllungen  in  der  Ober- 
stimme, mit  der  den  Italienern  dieses  Zeitraumes  eigenen  Klarheit  der 
Melodie  und  des  Rhythmus  in  den  Oberstimmen,  mit  dem  schwungvollen 
Aufbau  des  Ganzen  in  dem  von  den  Italienern  sehr  bevorzugten  breiten 
zwölf-minimae-Takt  des  modus  minor  p&rfechts  et  tempua  minoris  imper- 
fectum,  dessen  Wahl  zu  den  acbtsiUugen  jambischen  Versen  der  Texte 
äußerst  glücklich  paBt  und  für  das  gemeinsame  Schluß-MeUsma  der  drei 
Stimmen  einen  vortrefflich  angelegten  Hoquetus  gestattet,  und  schließlich 
mit  der  feinsinnigen  Behandlung  des  Tenor,  der  an  keinen  Modus  ge- 
bunden, gerade  immer  da  das  Ganze  stützt,  wo  der  A)).schluß  einer  Vers- 
zeile in  einer  Oberstimme  die  vollere  Dreistiipmigkeit  verlangt,  oder  wo 
bei  Pausieren  emcr  der  beiden  Oberstimmen  die  Zweistimmigkeit  durch 
die  andere  und  den  begleitenden  Tenor  fortgesetzt  wird,  oder  wo  er  im 
ScWulimeiisma  als  gleich  berechtigte  ötimme  seinen  Anteil  an  dem  das 
Ganze  krünenden  dreistimmigen  Hoquetns-Schluß  hat,  —  welch  antiern  i 
Eindruck  also  diese  italienische  Motette  macht,  das  im  einzelnen  au82ni-| 
führen,  muß  besonderer  Darstellung  überlassen  bleiben.  ' 

Bevor  wir  von  den  Motetten  Abschied  nehmen,  muB  ich  noch  der 
merkwürdigen  Motetten-Abschnitte  in  zweiFlorentinerLaudi -Handschriften 
des  14.  Jahrhunderts  gedenken.    Es»  ist  bekannt,  wie  die  religiöse  Be- 


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32 


Jb'hedrick  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Mugik  des  14.  Jalirbimdurts. 


wt'gujig  in  Italien,  besonders  durch  Persönlichkeiten,  wie  Franz  von 
Assisi,  den  musikbegeisterten  Schöpfer  des  Sonnenhymnus,  und  die 
BrUder  des  von  ihm  gestifteten  Ordens  entfacht,  zur  AnslHldnng  einer 
eigentOmliclien  viel  gepflegten  Dichtungsfunn  italienischer  Erhanungs- 
Lyrik,  der  Laudif  geführt  hat,  die  mit  der  zugehörigen  einstimmigen  Musik 
zaUrdch  auf  uns  gdbommen  sind.  Und  zwar  waren  es  gwade  die  mitt- 
leren Stände  der  Bevölkerung,  die  sich  die  Pflege  dieser  Dichtung  und 
Musik  hauptsächlich  angelegen  sein  ließen,  hesonders  bekannt,  auch  aus 
der  novelüstifichen  Litteratur,  die  Zusammenkilnfte  der  Sjrchsiuel-Bnider- 
Schäften  in  Slorenz,  i.  B.  in  8.  Maria  Novella,  in  Or  S.  Michele  oder 
draußen  auf  den  Mamorbänken  um  S.  Maria  de!  JPiore,  den  prachtigen, 
in  unserer  Epoche  sidi  der  YoUendong  nähernden  Neuban  des  Doms. 
Wir  kennen  das  musikalische  Bepertoiie  dieser  Bürger^Gesang-Vereine, 
wie  man  sie  nennen  kann,  wenigstens  für  den,  wenn  ich  so  sagen  darf, 
offiziellen  Teil  ihrer  Vereinsabende,  und  sehen  daraus,  wie  iu'Iumi  den 
einstimmigen  Laudi  und  dem  reichen  Sc^hat/.  lateinischer  einstimmiger 
frommer  Lieder,  Hymnen  und  Sequenzen,  ihr  Bedarf  an  mehrstiiniiiig<T 
Musik  durch  jahrhuiulert-alte  französisclie  Motetten  gedeckt  wurde.  Wir 
treffen  in  den  erwülmten  beiden  Florentiner  1  rMulschriften  (Bibl.  Naz. 
n,  1,  122  und  212)  alte  Bekannte  aus  Montpellier  und  dem  musika- 
lischen Anhang  des  Pseudo- Aristoteles-Traktats  [Paris,  Bibl.  nat.,  fonds 
lat.  T12R6!,  freilich  in  einer  Foi*m  der  Niederschrift,  die  den  Mangel  an 
wirklicher  innerer  Vertrautheit  mit  diesen  Werken  verrät,  ffanz  abge- 
sehen von  den  erlieblielien  Varianten  der  Noten.  Keine  der  beiden 
Handschriften  sclireibt  die  Motetten  in  der  frankonischen  Notation,  wie 
man  es  in  den  sv^teniatisclien  ^Motetten-Sammlungen  findet;  die  eine  notiert 
sie  in  der  illteiilen.  für  die  Meljrstimmigkeit  längst  aus  der  Übung  ge- 
i<oiin]ienen  Mensurals(;iinft,  die  noch  keinen  Unterschied  zwischen  Longa 
und  Brevis  in  der  Schrift  zu  bezeichnen  für  notwendig  fand,  die  andere 
schreibt  gerade  umgekehrt  die  überstimmen  in  die  modernste  liier  aber 
nicht  passende  Noten.schrift  um,  noch  dazu,  ohne  wenigstens  auch  den 
Tenor  dann  mit  umzuschreiben.  Auch  in  der  Nichtbezeichnung  des  Tenor 
mit  dem  ihm  zuk(>mmeud(;n  Wort  zeigt  .sich  ein  Einfluß  der  damaligen 
weltlichen  i'lurentiner  Kunst,  die  im  übrigen  an  dem  Bedürfnis  der  er- 
wähnten Klassen  nach  solcher  mehrstimmiger  Erbauungsmusik  anscheinend 
ganz  achtlos  vorüberging.  Um  so  interessanter  sind  diese  bdd^  Doku- 
mente, große  abgenutzte  Singfolianten  mit  Ffandnoten,  wie  die  geist^ 
lidken  Ohorbttdier,  mit  zum  Teil  herrlichen  Mtniaturen  an  den  Anfängen 
der  Laudi,  die  diese  Kompositionen  lateinischer  Texte  aus  verschiedenen 
französischen  Quellen  sich  zusammenholen.  Betreffs  der  Laudi  möchte 
ich  hier  noch  anhangsweise  hinzufügen,  dafi  uns  dann  schon  aus  dem 
Anfang  des  15.  Jahrhunderts  in  der  oben  besprochenen  Yenetianer  Hand- 


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Friedrioh  Ludwig,  D»  meliniuDniigtt  Musik  de»  14.  Jalabiuiderts.  33 


Schrift  auch  mehrstimmige  Kompositionen  laudi-aiüger  Texte  verschie* 

denstor  Art  vorliegen. 

Damit  wenden  wir  inis  von  der  Motette  mit  ihrer  Woiterführung  ait- 
erworbener  technischer  Kunst  der  Melirstinnnigkeit  \md  ihren  Ausblirkon 
in  die  musikalisrhe  Zukunft,  von  einer  üatt  iti?  fli*»  mit  dem  Wesen  ricr 
nu'lirstimmigen  Musik  aufs  innerste  verwandt  nur  als  mehrstimmiges 
Kunstwerk  Lehen  hat,  zunächst  zu  einer  Anzahl  franzftsischer  di<  btcrisch- 
musikalischer  Formen,  die  zu  Zeiten  zum  Teil  zwar  auch  lediglich  in 
mehrstimmiger  Gestalt  auf  uns  gekommen  sind,  bei  denen  diese  Mehr- 
stimmigkeit aber  nicht  als  etwas  Notwendiges,  sondern  nur  als  prächti- 
gerer Schmuck  des  Ganzen  erscheint. 

Eine  gute  tJbersicht  über  die  iuusikali;~>cli  haa|)t:>uchhch  angebauten 
(Tuttungen  der  französischen  Kunst  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jalir- 
hunderts  bietet  uns  die  schon  erwähnte  Samndung  der  "Werke  Machault's, 
worin  anf  die  litteraxischen  Werke,  von  denen  eines  in  seinem  Verlauf 
auch  euM  BeUie  komponierter  Dichtungen  enthält,  die  musikalischen  in 
der  Beihenfolge  Lais,  Motetten,  Messe,  Balladen,  Bondeaux  und  Chan- 
sons halladees  folgen;  die  Lais  nur  einstimmig,  die  Balladen  fast  alle 
mehrstimmig,  die^Ri^odeaux.  nnr  mehrstimmig  und  unter  den  Chansons 
balladees  überwiegend  einstimmige^  22  nehen  acht  mehrstimmigen  und 
einer  Anzahl  nicht  komponierter;  dem  Gtanzen  folgt  dann  eine  vom 
Sammler  offenhar  anderweitig  nicht  untergebradite  dreistimmige  teztkwe 
Komposition  mit  dem  Anfangswort  Damd^  die  zwei  Oberstimmen  als 
Triplum  und  Hoquetus  bezeichnet  Dazu  treten  in  die  größere  Dichtung 
Bemede  de  forhtne^  wie  erw&hnt,  eingefügt  auBer  den  Yertretem  der  ge- 
nannten Gkittungen,  ehkem  einstimmigen  Lai,  zwei  vierstimmigen  Balladen 
verschiedener  Art,  einor  einstimmigen  Chanson  balladee  und  einem  drei- 
stimmigen  Bondeau  noch  zwei  einstimmige  Specimina  anderer  Dichtungs- 
gattungen, von  denen  sonstige  musikalische  Bearbeitungen  fehlen,  eine 
comflamie  und  ein  chamon  royal. 

Können  wir  hier  diese  beiden  letzteren  und  die  ebenfalls  nur  einstim- 
mig vorkommenden  musikalisch  höchst  interessanten  Utia  als  für  die 
Mehrstimmigkeit  von  geringerem  Behang  bei  Seite  lassen,  so  fesseln  uns 
zunächst  die  Balladen,  die  die  in  Frankreich  in  dieser  ganzen  Epoche 
überhaupt  beliebteste  lyrische  Form  sind.  Thn>  poetische  Form  ist  gnn/ 
regelmäßig:  sie  bestehen  aus  drei  Strophen,  von  denen  jede  mit  zwei 
metrisch  gleiehen  nach  derselben  Melodie  gesungenen  Zeilenpar^ren  be- 
ginnt, auf  welehe  eine  in  neuer  AYeise  komponierte  zweite  Stropl  fulililfte 
folgt,  die  Anfangszeile  liiiutig  kürzer  als  die  andern,  gewnhnlieh  drei  oder 
vier  Zeilen,  deren  letzte  der  in  allen  Strophen  gleiche  liefrain  ist,  sodali 
die  Ausdehnung  der  Strophe  meist  sieben  oder  adit  Verse  beträgt;  doili 
k Ol  11  inen  auch  sein'  viel  ausgedehntere  vor,  aber  immer  unter  Wahrung 

s.  <1.  I.  H.  IV.  3 


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34 


Friedrich  Ludwig,  Die  mebntimmige  Münk  de*  14.  Jahrhonderta. 


der  G ruiidverhältnisse  der  sich  wiederhulenden  prima  pars  und  der  iuuai- 
kalisch  breiter  behandelten  secunda  pars  mit  der  Zu8pit;:ung  des  Ganzen 
im  Befrain,  der,  wenn  er  auch  musikalisch  besonders  bedeutsam  kompo- 
niert ist,  auch  als  krtia  pars  besetcbnet  wird;  und  das  Ganze  wiederholt 
sich  dann  dreimal,  immer  in  denselben  B/dhiin  auslaufend.  Wir  finden 
alle  Stdie  lyrischer  Poesie  in  dieser  lebhaften  und  anddiienden  Form, 
die,  was  die  Dichtung  angeht,  ja  keine  Neusdiöpfung  dieser  Epoche  ist, 
behandelt,  vor  allem  natürlich  chevalereske  und  erotische,  auch  unter  den 
komponierten  Balladen  dieses  Jahrhunderts  noch  viele  Ferien,  weit  ent- 
fernt noch  Ton  den  schematischen  und  flachen  Beimereien,  su  denen  leider 
die  Komponisten  des  15.  Jahrhunderts  so  oft  greifen  mußten. 

Kennen  wir  von  Machaolt  fa&i  nur  mehrstimmige  Kompositionen  von 
Balladen,  so  sind  uns  andere  Dichter  oder  Kompomsten  auch  mit  ein- 
stimmigen BaUaden-Kompositionen  erhalten,  so  Jehannot  de  TEscnrel 
aus  dem  ATifimg  des  Jahrhunderts  (Paiis,  Bibl.  nat,  fonds  fran^.  146} ; 
ebenso  ist  in  einer  Handschrift  der  Prise  amourmse  von  Jean  Acart 
von  1332  für  die  dann  enthaltenen  Balladen  und  R4jndeaux  nur  für  ein- 
stimmige Kompositionen  Platz  gelassen,    aber  leider  nicht  ausgefüllt 
(ib.  24391).    Wir  sehen  hierin  also  die  Fortsetzung  der  reichen  Fülle  ein- 
stimmiger Kompositionen,  die  uns  von  der  französischen  für  Musik  be- 
stimmten Lyrik,  sowdt  nicht  Motetten  in  Betracht  kommen,  besonders 
des  13.  Jahrhunderts,  erhalten  sind,  sowohl  in  den  speziellen  Lieder- 
Sammlungen,  als  auch  vielfach  in  größeren  Dichtungen,  in  denen  p:prade 
in  französischen  Handschriften  die  gesungen  werden  sollenden  Einlagen 
(i(h'r  Kt'standteih'  häutig  mit  Musik  versehen  sind,  von  Attraftmi  t  f  yieo- 
/«/Ic  und  A d a m  de  la  Haie  s  Röhn  ff  Mririoti  an  bis  zu  denj.icdem  in 
den  Romanen,  ^\  ic  in  ausgedehntestem  Maßstab  im  Renart  nouid  ^Mn?ik 
in  Paris,  Bibl.  nat.,  fonds  frang.  25560  und  15PH)  und  <lem  Iionnm  de 
Fauvel,  ferner  iu  den  nach  1325  entstandenen  Mirack^  dt  A'o//t  Ifame 
anscheinend  nomiannisclien  Ursprungs  (ih.  12483!  und  dem  erwiUinten 
liemede  de   fortimi  Machault  s,   verh)ren  in  eiiier  zur  Aufnahme  der 
Musik  schon  eingerichteten  Pariser  Handsclirift  des  Roman  de  la  Poire 
(ib.  12768)  und  Acart's  erwäliuter  PrinL  ainoareuse.    Vi  rhiii(h  t  sich  mit 
dieser  Wiedergabe  der  Dichtung  und  der  Musik  dann,  wie  es  eben- 
falls in  den  französischen  Handschriften  häufig  der  Fall  ist,  ein  reicher 
Miniaturen-Schmuck,  so  möchte  ich  sie  kleine  Gesamtkunstwerke  nennen, 
die  uns  ein  höchst  lebendiges  Bild  ihrer  einstigen  Existenz  auf  dem  Fer> 
güment  bintaiassen  haben,  denen  seitens  der  anderen  Nationen  aus  dieser 
Zeit  wenig  an  die  Seite  zu  stellen  ist,  besonders  sdimerzlich  für  uns 
z.  B.,  daß  bisher  in  keiner  italienischen  Handschrift  des  Decamerone,  in 
dem  Tom  Musizieren  so  oft  die  Bede  ist  und  in  dem  jeder  Tag  mit  dem 
musikalisdien  Vortrag  mindestens  einer  Dichtung  beschlossen  vnrd,  die 


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SViedrich  Ludwig,  Die  mehntimmig»  Musik  dei  14.  Jahrhundert«. 


35 


(l;izii  freluirigti  Musik  aufgefunden  ist,  so  daß  man  den  Eindruck  f^i-- 
winnt,  als  seien  diese  Dichtungen  l>occac<;io's  und  dann  die  iilmlichen 
seiner  Nachfolger  ganz  im  Gegensatz  zu  den  oben  besprochenen  franzö- 
sischen Balladen  u.  s.  w.  nur  Euchdichtungcn,  die  zur  Komposition  eigent- 
hch  gar  nielit  bestimmt  waren. 

Als  iilteres  Vorbild  für  die  mehrstiiuuii^e  Komposition  der  franzö- 
sischen Balladen  nun  kann  ich  wenigstens  eine  zweistimmig  komponierte 
Chanson  aus  dem  Chansonnier  Baudelot  nachweisen  (Paris,  Bibl.  Xat., 
f.  frang.  840,  fol  21),  die  inmitteii  von  Iftuter  einstämmigen  Liedeni  mit 
einer  emfach  als  Tenor  bezeichneten  TJnterstimme  verBehen  ist.  Und  zwar  i 
gUed«rt  sich  dieser  Tenor  im  Gegensatz  zu  den  Motetten-Tenores  genau  | 
wie  die  Oberatimme,  die  allein  den  Text  hat,  in  ein  StoUenpaar  and  Ab- 
gesang;  freilich  zeigt  er  in  seiner  modalen  Ansprügung,  die  dem  Modus  | 
der  Oberstimme  ein&ch  folgte  noch  einen  innigeren  Zusammenhang  mit 
dem  Motetten-Tenort  der  der  Ballade  des  14.  Jahrhunderts  durchaus  fehlt, 
aber  -wir  finden  hier  som  ersten  Mal  da$  Prinzip  duichgefUhrty  umge- 
kehrt zu  dem  Aufbau  einer  Komposition  Uber  einem  gegebenen  eaniug 
prius  faekis  die  mehrstimmige  Komposition  aus  einer  frei  erfundenen 
Oberstimme  und  einer  einfach  begleitenden  Untentimme,  die  fUr  Teodr  i 
aufnähme  ttberhaupt  nicht  eingerichtet  ist  und  auch  an  keinerlei  anderen  ■ 
Text  denken  läßt,  zu  bilden.    Es  frappiert,  daß  dies  bei  der  Fülle  der  | 
erhaltenen  Chanson-Kompositionen  der  älteren  Zeit  nur  eimnal  begegnet, 
und  man  fühlt  sich  angeregt,  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  eine  tech^ 
nisch  betrachtet  auch  der  damaligen  Zeit  so  leidite  Zufügung  einer 
solchen  Unterstimme  beim  Vortrag  öft^r  vorgenommen  und  nur  nicht 
aufgezeichnet  ist;  zu  ihrer  Lösung  fehlen  uns  aber  positive  Anhaltspunkte. 
Jedenfalls  tritt  uns  bei  Machault  diese  Art,  den  Tenor  als  eine  der 
Oberstimme  sich  anpassende  Begleitung  ohne  jede  textliche  Beziehung 
zu  gestalten,  als  allgemeine  Regel  nicht  nur  für  die  Balladen,  sondern  ^  • 
auch  für  die  Rondeaux  und  Chansons  Imlladees  entüjf  c^en.    Zunäehst  ge-  / 
wann  dio  iranze  Konii)Osition   d;idnreh  eine  iibersichtiiche  Gliederung,': 
alle  Stimmen  schließen  die  Haui>teins(  linitte  der  Strophe  ;j:l(_-ichmiißi;;  ah, 
und  bei  den  jjewöluiliehcn  Zeilcnschlüsson  leitet  eventuell  ein  SdIü  im 
Tenor  auf  die  iulgende  über-  der  t^leieln-n  Melodie  entspricht  ein  gleicher 
Tenor,  und  die  gleiche  .Musik  im  (ianzeu  wiederholt  sich  hei  allen  drei 
Strophen,  die  alle  auf  diesellje  Pointe  in  dem  einen  Refrain  liiuuuslaufen. 
Erst  eine  sehr  viel  spätere  Zeit,  mimlich  erst  das  17.  Jahrhundert,  hat 
die  Keime,   die  in  dieser  Kompositionsweise  liegen,  in  der  der  Tenor 
eine  Rolle  ähnlich  dem  J^asso  continuo  spielt,  zu  entwickeln  gewußt: 
vorläuti^  fuhrt  sie  nur  ein  bescheidenes   Dasein   und  geht  im  Laufe  ' 
der  Kntwicklung  noch  einmal  in  deui  rein  vokalen  Ideal  der  gleichmiiliigen 
Durchdringung  aller  Stimmen  mit  melodischen  Gedanken  und  Text  auf.  J 

3*  \ 


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36 


Friedrieh  hadmg^  Di»  mtthniuninige  Mnaik  de«  14.  Jafarbanderta. 


Hier  auf  franzosischem  Boden  un«!  seiner  EinHnR-iSpliäre  doniiniert  sie 
nun  noch  weit  über  das  14.  Jahrhundert  hinaus  bei  den  verschiedensteu 
Gattungen,  besonders  aber  bei  der  Ballade. 

Ich  hatte  oben  bereits  en^ähnt,  daß  die  Ballade  an  sich  nicht  das 
Bedürfnis  nach  inehrstiramiger  Komposition  in  sich  trägt;  es  kann  daher 
nicht  verwundern,  wenn  die  mchrstimniig  kompouierteu  Balladen  in  den 
verschiedensten  8timm-Zusunimenstellungen  auftreten.  In  der  Balladen- 
samnilung  ^lucbault's  in  der  Handschrift  seiner  Werke  bilden  die  ein- 
fachen zweistimmigen  Balladen  noch  die  große  Majorität,  der  Rest  ver- 
teilt sich  auf  vier  andere  Formen,  zwei  dreistimmige  und  zwei  vierstimmige, 
die  alle  von  großer  Bedeatimg  fttr  diese  Kumt,  ihre  Weiterentwioklui^ 
und  ihrai  Einflafi  auf  die  itaUemsche  Kunst  geworden  sind.  Zu  dem 
Oantas,  der  Oberstimme,  und  dem  Tenor  konnte  zunächst  eine,  wie  der 
Tenor  im  wesentlichen  unter  dem  Gantus  liegende  b^ldtende  Stimme 
hinzukommen,  der  Contratenor,  so  daß  für  die  Melodie  der  Oberstimme 
mit  dem  Text  das  wuchtige  Fundament  von  zwei  begleitenden  Unter- 
>'k,  I  stimmen  geschaffen  war,  und  das  ist  für  die  französische  Ballade  und 
.IV  A  .,  I  die  gleich  näher  zu  besprechende  Chanson  baladee  in  der  Folge  typisch 
geworden.  Die  von  den  Franzosen  bei  den  MotettMi  so  bdiebte  Drei- 
stimmigkeit ist  somit  durch  Hinzutreten  des  Contratenor  zu  Tenor  und 
Cantus  auch  fttr  diese  Dichtungsformen  gewonnen  und  dann  die  Regel 
geblieben. 

Schon  in  Chantilly  unterbricht  nui*  selten  eine  zweistimmige  Kompo- 
sition die  lange  Keihe  der  dreistimmi.iren  Balladen  und  Chansons  baladees, 
und  ebenso  ist  es  in  Modena;  gegenüber  den  in  «lieser  Hinsicht  ganz  anders 
empfindenden  Italienern  ist  diese  Art  der  Dreistimmigkeit  mit  dem  nicht 
zu  leugnenden  Mißverhältnis  der  relativen  Einfachheit  der  Melodie  und 
der  Schwere  der  zweistimmigen  Begleitung  ein  Hauptkennzeichen  fran- 
zösischer Entstehung  oder  maßgeblicher  Beeinflussung  durch  diese  Kunst. 

Schon  Machault  hat  daneben  eine  andere  Art  der  Dreistimmigkeit 
gepflegt,  die  für  die  Franzosen  niclit  minder  charakteristisch  ist,  nämlich 
I  die  Hinzufiigunj^  einer  dritten  textlosen  Stimnie  über  dem  von  einfachem 
.  Tenor  beirleiteten  Cantus.  eines  Triphim^:.  v/ic  man  es  mit  der  alten  Be- 
•  Zeichnung  der  Oberstimme  einer  dreistimmigen  Motette  weiter  n  iimtr 
1  Und  nicht  bloß  der  Name,  sondern  auch  der  Charakter  dieser  Stimme 
^veist  stark  auf  das  alte  Motelten-Triplum  bin,  wenn  diesem  Baliaden- 
Triplum  auch  der  für  jenes  charakteristische  Text  fehlt;  in  lebhafterer 
Bewegung  umspielt  diese  Stimme  die  jetzt  in  der  Mitte  Hegende  Haupt- 
melodie, wie  es  bei  der  höchsten  Stimme  der  Motette  meist  schon  durch 
ihren  ausgedehnteren  Text  bedingt  war.    Wie  sie  vorgetragen  wurde.  — 
sie  hat  nie  bei  französischen  Kompositionen  in  den  Handschriften  Text 
—  wissen  wir,  wie  füi*  den  Tenor  und  (  ontratenor,  ebenfalls  nicht. 


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Friedrich  Ludwig,  Die  mehntiinmige  Muaik  de«  14.  Jahrhunderts. 


37 


Voll  viersüumiigpn  Formen  bei  Machault  koraint  zunächst  die  Kom- 
biuation  dieser  beiden  Erweiterungen  des  ursprünglichen  Gerippes  von 
Cantus  und  Tenor  mehrfach  vor,  gleichzeitig  ein  Triplum  über  und  ein 
Ckmtiatanor  unter  dem  Cantns,  eine  Vollstimmigkeit,  von  der  inap,  wohl 
Mgen  muBi  daB  sie_  die.  Hauptmelodie  leicht  ^^adrücken  konntje,  iind^.die 
die  Italiener,  so  viel  bis  jetzt  bekannt,  niemals  _nachgeahnit  haben.  Zu- 
fetst  encheint  nnB,  bei  Machault  nur  einmal  vertreteni  eine  vierstimmige 
Ballade  mit  zwei  verschiedenen  Texten  in  den  Oberstimmen,  die  den 
gleichen  Refrain  haben  und  inhaltlich  in  interessanter  Beziehung  zu  ein- 
ander stehen.  Thomas,  ein  Bruder  von  Machanlt's  Dame  Agnes,  hatte 
Machault  eine  Ballade  Quant  Thds^f  Hemdes  et  Jason  mit  dem  Befrain 
Je  voi  ossftt,  pidsque  ie  voi  ma  dame  gesandt,  die  Machault  in  der  glei- 
chen Eorm,  mit  gleichen  Beimen  und  dem  gleichen  Refrain  Je  voi  aasex^ 
fnäsqtte  ie  m  ma  dame  beantwortete  (Ne  quier  veoir  la  ÖiatUe  d^Abaokm). 
Beide  komponierte  er  dann  als  zwei  Oberstimmen  eines  vierstimmigen 
Satzes,  die  sich  zunächst  an  jodoni  Zeilen-Ende  im  gleichen  Reim  und 
am  Schluß  des  Ganzen  im  gleichen  Refrain  zusammenfinden,  eine  eigen- 
artig reizfolle  Kuinpositi«n,  die  mit  dieser  Wirkung  nur  bei  der  fran- 
zösischen Refrain-Ballade  möglich  ist. 

Werfen  wir  nun  zunächst  einen  Blick  auf  das  Schicksal  von  Machault's 
Balladen,  denen,  wie  schon  früher  bemerkt,  eine  sehr  lange  Lebensdauer 
beschieden  war.  In  größeren  Ealladen-Sammlungen  kommen  viele  im 
Codex  Chantilly,  der  einzigen  Handschrift,  die  sie  sonst  noch  mit  Ma- 
chault's Namen  versieht,  im  Codex  Reina  (Paris  Bibl.  Nat.  nouv.  acq.  frq. 
677r  und  Codex  Modena  vor;  eine  Ballade  und  tin  Roiideiui  enthält 
der  Codex  Prag  (Un.-Bibl.  XI.  E  9);  vereinzelt  als  Zusätze  fiiideii  sicli 
manche  aurli  auf  fnn  gebliebenem  Raum  in  den  italienischen  Hand- 
schriften, dem  Cudt  x  Panciaticliianus  in  Florenz  (Bibl.  Naz.  Panc.  26) 
und  der  Handsclirift  Taris  fonds  italien  (568)  wieder.  Mau  kuuii  aus 
dem  allen  auf  eine  mehr  als  hundertjährige  Beliebtheit  dieser  Werke 
schließen,  und  besonders  cliarakteristisch  ist  es,  daß  die  späteste  er- 
wähnte Handschrift,  die  in  Modena,  die  sonst  bei  fast  allen  Kompositionen 
auch  die  Autoren-Namen  nennt,  den  Namen  iles  Komponisten  von  Balla- 
den Avie  Dt  toi/fc^  /loiuSy  De  pi  fit  pni  und  GnLs  et  folis  nielit  mehr 
kennt.  An  den  Werken  erfreute  mau  sich  auch  damals  noch,  der  Name 
des  Meisters  war  schon  vergessen. 

Es  kann  nun  nicht  Wunder  nehmen,  daß  bei  dieser  Weite  des  Weges 
die  muakaliBclie  Gtestalt  von  3£achault*s  Balladen  gelegentlich  Ter&nde- 
rungen  erfahren  hat  Der  musikalische  Kern  freilich,  Cantus  und  Tenor, 
blieb  fiberall  unangetastet,  die  ttbrigen  Stimmen  aber  fehlen  bisweilen 
oder  Tariieren  auch  gelegentlich.  Bei  einer  Ballade  Grenon's  erfahren 
m  einmal  speziell,  daß  der  Oontratenor  im  Codex  Modena  dazu  von 


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38 


Friedrich  Ludwig,  Die  mefantunmige  Musik  de»  14.  Jahrfatmderts. 


Matteo  Ton  Pcru^j^ia  stammt;  so  wird  man  aiuli  bei  Machault's  Bal- 
laden annehmen  k<inneu,  daß  abweichende  StimiiH'n  späterer  Hand- 
schriften fregebciu  nfalls  von  anderen  Komponisten  vt  iuiin'  ii  k  innen,  sei 
es,  daß  diese  nur  eine  auf  Tenor  und  Cantus  reciu/u  i  ie  Funu  der  Bal- 
laden vorfanden,  wie  sie  z.  B.  seiner  Anlage  gemäß  Codex  Frag  nnr 
bietet,  nocli  dazu  ohne  Text,  wie  dieser  auch  beim  Eintragen  solcher 
Baliaden  in  italienische  Sammlungen  zu  fehlen  ptlegt,  sei  es,  daß  sie  aus 
anderem  Grunde  die  Zufügung  einer  neuen  Stimme  für  angemessen 
hielten.  Das  wechselreichste  Geschick  in  dieser  Beziehung  hat  die  Bal- 
lade De  jißtit  peu  geliabt,  die  im  Codex  Machault  dreistinunii,^  mit  Caiitiis, 
Tenor  und  Triplum,  im  Codex  Chantilh'  dreistimu!:;^  mit  (  aiilus,  Tenor 
und  Contratenor,  im  Codex  Prag  zweistimmig,  im  Codex  Pauciatichianus 
und  Paris  fonds  italien  dreistimmig  ^vie  Chantilly  und  im  Codex  Modena 
mit  allen  vier  Stimmen  in  einer  Handschrift  vereinigt  erscheint, 
f  So  bieten  uns  Machault's  Balladen  ein  in  jeder  Beziehung  reiches 
'  und  interessantes  Material  zum  Studium  dieses  Kunstzweiges,  das  bei 
'  einer  eingehenden  Darstellung  desselben  in  den  Ifittelpnnkt  gerttekt  su 
werden  verdient.  Direkte  Vorgänger  in  mehrstimmiger  Komposition 
kennen  wir  vorläufig  uodi  nicht;  auch  unter  Fhihpp  von  Vitry's  Ver- 
diensten nm  den  Fortschritt  der  mehrstimmigen  Mofdk  findet  sich  mehr* 
fach  gerade  auch  die  Balladen-Komposition  genannt,  ohne  daß  sich  aber 
bisher  auch  nur  eine  Probe  davon  gefunden  hätte.  Desto  reicher  ist 
aber  die  Fülle  der  Balladen,  die  sich  an  Machault*B  Kunst  anscUieBen 
l  und  sie  fortfuhren. 

Bevor  wir  zu  diesen  Ubergehen,  seien  Machault's  mehrstimmige  Kom- 
podtionen  von  Chansons  baladees  einer  kurzen  Betrachtung  unterzogen, 
an  die  sich  dann  leicht  eine  Gegenttberstelltmg  dieser  beiden  Kunst- 
gattungen und  ihrer  BHgenheiten  anschließt,  bei  der  manches  auch  den 
Balladenbau  betreffende  erst  in  das  richtige  Licht  gerückt  werden  kann. 

Die  dichteiische  Form  des  Virday  oder  Chanaon  baladees  gelegentlich 
auch  in  Frankreich  mit  dem  Namen  Ballade  bezeichnet,  der  für  diese 
Form  in  Italien  der  allein  gebräuchliche  ist,  da  die  eben  besprochene 
dreistrophige  Befrain-Ballade  in  Italien  nicht  existiert,  —  die  dichte- 
rische Form  der  Chanson  baladee  ist  folgende:  ein  mehrzeiliger  Anfang 
spricht  einen  Gedanken  aus,  der  die  refrainartige. Wiederholung  nach 
jeder  Strophe  gestattet;  darauf  folgt  eine  aus  zwei  gleichen  Hälften  be- 
stehende Strophe  und  ihr  Abgesang,  letzterer  metrisch  und  musikalisch 
genau  gleich  dem  Anfang,  der  jetzt  refrainartig  wiederholt  wird;  die 
Fortsetzung  besteht  dann  immer  wieder  aus  Stollenpaar,  Abgesang  und 
Anfangswiederholung  mit  der  gleichen  Beziehung  zwischen  den  beiden 
letzteren  Gliedern  wie  bisher.  AVar  die  oben  besprochene  Balladen- 
Strophe  vierteilig  mit  in  der  Begel  drei  verschiedenen  musikalischen  Ab- 


üiyiiizcL'  ' 


Fnodrich  Ludwig,  Di«  mabntimmige  Musik  de«  14.  JahrluiiiderU. 


39 


schnitten,  deren  erster  sich  am  Anfang  wiederholte,  so  ist  die  erste 
<  'hansun-baladec-Stropiio  fünfteilig  mit  nur  zwei  verschiedenen  musika- 
li-ichen  Abschuitteii,  deren  einer  das  Ganze  einleitet  und  am  Scliluü  jeder 
Strophe  immer  zweimal  hintereinander,  zuerst  zum  Abgesang,  dann  zum 
Anfangstext  wiederholt  wiederkehrt,  während  der  andere  zweimal  in  der 
Mitte  zum  Stollenpaar  erklingt.  Der  Unterschied  der  Wirkung  des 
Ganzen  ist  also  Itedentend,  in  der  Ballade  auch  miulkaUsch  stets  eine 
Zuspitzung  auf  die  Befrainzeile  hin,  auf  den  l^reiteren  Unterban  des 
mnsikaliscli  sich  wiederholenden  Stollenpaares  eine  nnaufgehaltene  Weiter- 
entwicklung der  Komposition  bis  läm  Refrain  folgend,  —  die  seltenen 
Ausnahmen  von  diesem  Bau  kann  ich  hier  auBer  Acht  lassen,  — *  in  der 
Chanson  baladee  umgekehrt  eine  cyklische  Form,  die  Vorwegnähme  der 
Pointe  des  Ganzen  am  Anfang,  und  nun  eine  regelmäfiige  Folge  von  je 
zwei  sich  wiederholenden  musikalischen  Abschnittai,  deren  Ti^ter  immer 
auch  den  Anfangstext  wiederbringt  So  wirkt  das  Ganse .  dadurch  im 
OegiBusats  zu  der  mehr  leidenschaftlichen  Befrain-Ballade  ruhig,  und  wir 
begegnen  unt^  den  italienischen  Kompositionen  dieser  Form  auch  man- 
chen direkt  moralischen  Gedichten,  in  denen  der  Anfang  gleichsam  eine 
Sentenz  ist,  die  nicht  als  Ausdruck  einer  dichterischen  Empfindung, 
sondern  als  ein  ethisches  Axiom  nach  jeder  Strophe  wiederkehrt  Diesen 
Totaleindruck  muß  man  sich  gegenwärtig  halten,  um  die  musikalische 
form  gerade  der  Chanson  baladee  zu  verstehen. 

Die  Mehrstimmigkeit  hatte  für  ihre  Melodiebildung  bei  Wiederholung 
derselben  Melodie  auf  zwei  metrisch  gleichen  Textabschnitten  das  liöchst 
wirksame  Mittel  der  Diffcrcnzioning  des  Schlusses,  wie  es  in  einstimmi- 
gen Kompositionen  gan^?  und  gäbe  war,  beibehalten  und  weiter  aus- 
gebildet. Dir  Komponist  liiBt  d;is  erste  Mal  die  Melodie  ein  wenig 
anders  ausklingen  und  erreicht  (iadurcli  die  Wirkung  eiTier  Spannung, 
die  sich  dann  bei  dem  naturgemäßen  Auskliugen  der  Melutlie  l)ei  ilirer 
Wiederholung  löst;  die  Franzosen  nannten  die  beiden  Schlüsse  sehr 
treffend  vert  und  c/oä,  in  der  l^hat  bleibt  beim  ersten  Mal  die  Kompo- 
sition so  zu  sagen  »offen«,  einer  Fortsetzung  bedürftig,  und  kommt  erst 
beim  zweiten  Mal  zum  »Sclduli^.  Die  einfache  Art,  in  der  die  ein- 
st ininiigen  Melodien  diese  Wirkung  hervorbrachten,  nämlich  den  vei-t  in 
eine  Ivadenz,  meist  eine  oder  zwei  Stufen  über  dem  Schlußton  <ler  Haupt- 
tonart, seltener  in  einem  tiefereu  Ton,  zu  fiilii'en,  übernahm  die  Mehr- 
stimmigkeit durchaus,  da  auch  in  der  mehrstimmigen  Komposition  durch 
solchen  vert  z.  B.  auf  der  Stufe  über  der  Finalis  die  Tonalität  des 
Ganzen  nicht  tangiert  wurde.  Und  zu  voller  Entfaltung  ist  diese  so  ein- 
lache und  doch  so  zweckmäßige  und  wirkungsvolle  Art  der  verschiedenen 
Eadenzhildung  hei  .musikalisch  sonst  gleichen  Abschnitten  gerade  bei  der 
französischen  Ballade  und  Chanson  baladee  gekommen.   Wir  finden  sie 


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40 


Friedrich  Ludwig,  Die  meJintimmige  Musik  des  Ii.  Jahrbunderta. 


bei  dem  StoUenpaar  der  Ballade,  ebenso  in  deren  zweiter  Hälfte,  wenn 
diese,  was  vereinzelt  Torkommt,  ebenso  angelegt  ist;  wir  finden  sie  bei 
den  Stollen  der  Chanson  baladee  wieder,  wo  sie  durch  ihr  Auftreten  bei 
den  Wiederholungen  des  einen  der  beiden  musikalischen  Abschnitte»  die, 
wie  wir  sahen,  für  die  Chanson  baladee  genügen,  eine  reizrolle  Abwechs- 
lung in  die  sonst  in  ihrer  musikalischen  Gleichförmigkeit  etwas  ermüdende 
Komposition  bringt 

Mit  der  zweckdienlichen  Ausgestaltung  der  Kadenzen  für  vert  und 
dos  Terbindet  sich  für  den  festen  Zusammenhalt  des  tonalen  Aufbaues 
der  ganzen  Strophe  nun  noch  ein  anderes  Moment^  das  von  dem  sicheren 
Gefühl  der  Franzosen  für  diese  mit  dem  Tonalit&ts-BewuBtsein  zusammen- 
hängenden Wirkungen  und  von  dem  starken  Empfinden  Machault*s  und 
dieser  ibanzösischen  Komponisten  Überhaupt  ffir  die  Tonalität  auch  in 
mehrstimmiger  Musik  Zeugnis  ablegt  Es  besteht  nämlich  Uberall  zwi- 
schen den  Kadenzen  der  verschiedenen  musikalischen  Teile  der  Strophe, 
der  drei  der  Ballade  und  der  zwei  der  Chanson  baladee,  eine  innige 
tonale  Beziehung:  Stollen  und  Kefrain  schließen  in  dar  Ballade  wie  in 
der  Chanson  baladee  in  der  Begel  in  gleichem  Ton  (in  den  46  erhaltenen 
hierher  gehörigen  Werken  Madianlt's  40mal],  oder  im  Quinten-  oder 
QuartenTerhfUtniB  der  beiden  Finales,  ganz  vereinzelt  in  einem  andern. 

/  Das  kann  kein  Zufall  sein,  sondern  beweist  uns,  wie  hier  das  Streben 
nach  Befriedigung  des  TonalitätsgefUhls,  das  in  der  einstimmigen  Musik 
voll  zu  seinem  Rechte  kommen  konnte,  auch  in  die  mehrstimmige  Musik 

i  siegreich  Einzug  hält.    Freilich  war  seine  Herrschaft  nur  von  kurzer 

^ Dauer,  denn  mit  der  kunstvolleren  Ausbildung  aller,  auch  der  wie  hier 
nur  begleitenden  Stimmen,  mußte  es  wieder  zurücktreten  hinter  anderen 
ästhetischen  Anforderungen,  deren  Maßstab  man  wiederum  an  unsere 
Balladen  und  Chansons  baladees  nicht  anlegen  darf.   Wir  werden  nach- 

'  her  sehen,  wie  viele  von  diesen  Eigenheiten  französischer  Komposition 
in  den  italienischen  Balladen,  auf  die  ihr  älteres  französisches  Vorbild 
einen  sehr  starken  Einfluß  ausgeübt  hat,  wiederkehrt.  In  diesem  Zu- 
sammenhange muß  ich  noch  eine  weitere  tonale  Eigentümlichkeit  der 
französischen  Ballade  erwähnen,  nämlich  UaU  das  Kadenz- Verhältnis  auch 
zwischen  dem  S(;hlußton  der  Zeile  vor  dem  üefrain  und  dem  der  Re- 
ftuinzeile,  also  dem  letzten  Schluß,  sich  in  ähnlicher  Spannung  befindet, 
wie  das  des  rert  und  dos  der  Stollen,  ja  daß  zvrischen  den  beiden  vor- 
bereitenden Schlüssen,  dem  vert  im  Anfang  und  dem  Schluß  vor  dem 
Kefrain  im  zweiten  Teil  der  Strophe,  wieder  eine  innere  tonale  Wechsel- 
beziehung besteht  analog  der  der  beiden  VoUkadenzen,  welche  die  beiden 
Sti'ophenhälften  dann  ab'^chlielicn. 

In  nahem  Zusanimcnliang  mit  dieser  engen  tonalen  Beziihuiii;  der 
Schlüsse  steht  nun  auch  eine  solche  in  melodischer  Hinsicht,  zu  der  die 


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Friedrich  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Minik  des  14.  Jahrhunderts. 


41 


Vorbilder  ebenfalls  in  der  einstimmigen  Musik  aufgewiesen  werden  können. 
Häutig  lenkt  die  Melodie  bei  beiden  Schlüssen  schon  vor  dem  Scbluß- 
takt  in  die  gleiche  Weise  ein  und  umrahmt  so  die  ganze  Komposition 
mit  demselben  an  allen  Hauptabschnitten  wiederkehronden  Tonfall,  sehr 
wirksam,  wenn  dann  bei  der  Chanson  baladee  der  vert  und  das  des  einen 
Gliedes  mit  dem  bei  der  Wiederholung  gleichbleibenden  und  wie  der  e&Mr 
schließenden  anderen  Gliede  abwechselt  Dabei  sind  dann  sowohl  diese 
mdodisdien  wie  auch  die  oben  besprochenen  tonalen  Bezidiungen  zwischen 
den  Strophenhälften  bei  Macbault's  Nachfolgern  mannigfach  wechselnder 
Behandlung  fiüiig;  man  läBt  die  tonalen  z.  B.  außer  Acht,  wenn  dafUr 
die  beiden  Strophenhälften  in  einem  dem  Motetten-^tü  entlehnten  rhyth- 
misch minutiös  durdigefuhrten  Parallelismus  gebaut  sind,  wie  das  in 
GhimiiUy  mehr^M^  Torkommt;  doch  muB  dies  aUes  einer  Detail-Darstelr 
long  vorbehalten  bleiben,  die  aufier  Machault*B  Werken  auch  in  den  nun 
zu  besprechenden  Nachfolgern  Machault's  ein  reiches  Material  vorfindet. 

Vorher  ein  hier  nur  kurzes  Wort  ubei*  die  Hondeaux,  die  eine  un- 
mittelbare Fortsetzung  einer  schon  im  13.  Jahrhundert  auch  mehrstimmig 
komponierten  Dichtungsform  bilden.  Wie  in  der  gewöhnlich  uchtzeiligen 
Strophe  der  erste  Vera  als  vierter  und  die  beiden  ersten  als  siebenter 
und  achter  refrainartig  wiederkehren,  so  besteht  auch  die  Musik  aus 
Wiederholungen  der  Komposition  des  ersten  Zeilenpaars,  die  also  nicht 
nui^  dem  Refrain,  sondern  auch  dem  übrigen  Text  dient,  wöbei^ der  erste 
Teil  des  Refrains  5-  und  der  zweite  3ni;t]  erklingt.  Ist  diese  Dispositioii 
des  Ganzen  übereinstinnnend  nnt  der  alten  Art  der  Rundenu-Komposition, 
so  ist  da^^egen  die  zwei-  bis  viei'stinmuge  Einkleidung  in  eine  Textstiinnie 
und  einen  textlosen.  Teuor^  eventuell  mit  Contratenor  oder  Tripluni  oder 
beiden,  genau  der  oben  besprocheneji  und  dem  14.  Jalirhundert  eigen- 
tümlielien  liailaden-Kompositionsweise  entsprechend.  Eh  ibt  selicm  o))eu 
erwülint,  wie  die  kuaj  pf  und  aus  vielen  Wiederholungen  bestehende 
musikah'sche  Form  des  iiondeaus  dessen  Verwendung  als  Tenor  für  Mo- 
tetten begünstigte;  ja  wir  finden  die  bei  den  Tenores  uns  entgegentretende 
künstliche  Ableitung  neuer  musikalischer  Gebilde  aus  andern  ursprüng- 
lichen auch  gerade  in  den  niclirstinniiigen  Hondeaux  vielfach,  am  reieli- 
sten  in  dem  aus  dem  Straßburger  Codex  durch  Lippmann')  geretteten 
Tres  donls  amis,  das  bis  sechsstimmig  zu  singen  ist,  aber  auch  schon 
bei  Machault,  der  gerade  in  seinen  Bondeauz- Texten  Terschleiemde 
Bätsel-Anspielungen  liebte  und  z.  B.  das  Eondeau  ifa  fiu  est  mm  eoni' 
mencement  so  komponierte,  daß  die  zweite  Hauptstimme  durch  ümkeh- 
rung  der  ersten  entsteht   Wir  finden  eine  stattliche  Zahl  der  verschieb 


1}  Bulletins  de  la  SociC'te  pour  ia  conservation  des  münuments  historiqucs  d'Al- 
wce  1869. 


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42  Friedrich  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Musik  des  14.  JahrbundcrU. 

denartigsten  Bondeanz  in  allen  Handsdiriften,  die  uns  die  Balladen 
anfbewahien,  yentrent;  daa  interessanteste  Material  bietet  uns  aber  anch 
für  sie  die -Sammlung  von  Macbaalt*s  Bondeaux»  die  bahnbrechend  waren, 
Ton  denen  eines  Se  vom  fCettea  auch  den  Weg  in  die  Codices  Prag, 
Panciatiduanus  und  Modena  gefunden  hat  und  so  auch  zu  den  Werken 
gehört,  die  Ton  Machault  sich  noch  bis  tief  in  das  15.  Jahrhundert  hinein 
lebensfilbig  erwiesen. 

Yen  ihm  nehmen  wir  jetzt  Abschied  mit  einem  seinem  Heimgange 
gewidmeten  Werke,  der  Doppelballade  ron  Beschamps: 

Armes  amours  dames  ehevalerie  und 
0  fhur  des  flours  de  touU  mdadie 

mit  dem  gemeinsamen  Refrain 

la  niort  Machant  le  noble  r/u^torique 

vierstimmig  wie  die  erwähnte  Doppelballade  von  Machault  selbst,  ron 
F.  Andrieu  komponiert,  einem  Klage-  und  Preisgesang  zu  Ehren  des 
bewunderton  Meisters,  der  die  Reihe  der  Deplorations  eröffnet,  mit  denen 
von  nun  an  häufig  die  musikalischea  äcbulhäupter  betrauert  und  geehrt 
zu  werdeji  pflegen. 

Die  Kumposition  findet  sich  in  der  kostbaren  Hand^^cluift  von  Chan- 
tilly  (1047),  deren  bei  weitem  umfanj^reichster  Teil  der  französischen 
Balladenkunst  jijewidmet  ist.  ^V'iI■  lerntuu  ihre  Motetten-Sammlunp  am 
Scliluß  fol.  i'iX  bis  72'  schon  kennen,  die  ganzen  vorbergelienden  folia, 
von  denen  die  ersten  12  verloren  sind,  enthalten  wesentlich  frauzusi^  in 
erst  mei.st  dreistimmige,  dann  von  fol.  49  an  mehrfach  vierstimmige  iiai- 
laden  und  Chansons  Ijailadees.  Bei  Drei<;timmigkeit  besteht  die  Kompo- 
sition ausschlie Blich  aus  Cantus,  Tenor  \uu\  Contratenor,  zu  denen  dann 
bei  der  vierstimmigen  Erweiterung'  das  Triplum  tritt.  Die  Handschrift, 
wie  sie  uns  vorliegt,  ist  in  Itahen  von  einem  des  Französischen  gar  nicht 
mächtigen  und  anch  nicht  sonderlich  musikalischen  Schreiber,  wohl  am 
Anfang -des  15.  Jahrhunderts,  geschrieben  und  bemerkt  bei  der  Uber- 
wiegenden Mehriidt  der  Balladen-KtHupodtionen  die  Namen  d^  Autoren, 
Namen,  die  man  Teil  hier  allein  vorkommen,  zum  Teil  dann  in  der 
Handschrift  Modena  wiederkehren  und  nur  zum  geringsten  Teile  sonst 
bekannt  sind.  Ich  will  mit  ihrer  Auf^lung  hier  nicht  ermüden  und 
nur  Männer  erwähnen  wie  Johannes  Yaillant,  der  1369  in  Paris  das 
eigenartige  Duett  Dame  doueement  und  DouU  amis  de  euer  Uber  einem 
einfachen  Tenor  schrieb,  Jacob  de  Senleches  oder  Selesses,  der  mehr- 
fach auch  sonst  in  den  Handschriften  wiederitehrt,  namentlich  mit  seinem 
Trauergesang  auf  die  Rönigin  Eleonora  von  Castilien,  die  1382  starb, 
und  der  Idylle  En  ce  gracteux  iampSy  Johannes  Cesaris,  dessen  Ruhm 
aus  Martin  le  Franc  bekannt  ist,  So  läge,  der  mit  zehn  Kompositionen 


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Friedridi  Ladwig,  Die  mabntiininige  Musik  des  14.  Jahrhuiiderts. 


43 


am  reichsten  in  dieser  Händschrift  vertreten  ist,  unter  ihnen  eine  auf 
den  Herzog  Jean  von  Kerry,  (jrrimaee,  den  Kompunisten  der  interessan- 
ten dreistimmigen  Doppelhallade  Se  xephirm  und  -SV  /uppiter,  deren  ge- 
ms  insanier  Refrain  -SV  (kmnt  moi  madarne  ne  reoije  sehr  kunstvoll  in 
tleii  beiden  Stimmen  nachahmend  behandelt  ist,  P.  de  Molins,  den  ivom- 
ponisten  einer  so  viel  gesungenen  Ballade  wie  De  cc  quc  fol  /i/vwr, 
Trebor,  der  unter  anderem  in  drei  Balladen  den  Grafen  von  Foix  ver- 
herrlicht, eine  davon  mit  dem  markigen  Refrain  »Felms  avant!*  m  sa 
enteigne  jwrte,  der  an  den  einer  Bidlade  von  Jdiannes  CuTdlier  auf 
denselben  Grafen  erinnert,  in  der  der  Befrain  ebenfalls  »Febus  avantU 
beginnt,  bi^  in  allen  drei  Stimmen  in  langen  Kotoi  mit  Fermaten  ge- 
setzt; schlieBUcb  Ton  den  Kicbt-Franxosen,  die  aach  in  diese  Sammlong 
Aufoabme  gefanden  baben,  den  Magister  Egidins  Anglicns,  wenn  in 
dieser  letzten  Bezeichnung  keiner  der  vielen  Fehler  des  SchreiberB  dieser 
Handschrift  steckt,  Philippus  de  Caserta,  von  dem  ancfa  seine  interes- 
sante theoretische  Schiift  in  mehreren  Handschriften  anf  uns  gekommen 
ist,  und  zwei  nur  mit  dem  Yoniamen  beidclmeto  Me»ter,  in  denen  wir 
vielleicht  Italiener  sehen  dürfen,  Gnido  und  den  Magister  Franciscus, 
von  dem  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  daß  er  identisch  ist  mit  dem  Mes- 
ser Franc e«;co  der  italienischen  Handschriften,  Italiens  gr(")ßten  Kom- 
ponisten in  dieser  Zeit,  Francesco  Landini.  Jedenfalls  nehmen  auch 
die  beiden  französischen  Kompositionen  des  Ma;,'ister  Franciscus  im  Codex 
C*hantilly,  De  Narcisus  und  Phiton,  Phiton^  beste  frcs  reneneuae^  einen 
hohen  Rang  in  der  Schätzung  der  Zeit  ein;  die  erste  kehrt,  wenn  auch 
anonym,  als  eins  der  wenigen  in  das  ursprüngliche  Corpus  der  italieni- 
schen Handschrift  Paris  fonds  italicn  aufgenommenen  französischen  Werke 
wieder,  die  zweite  findet  sich  ein  zweites  Mal  im  Codex  Reina  unter  den 
ersten  Kumpositionen  der  französischen  Ahteihmg  dieser  Handsclirift. 

Mit  fitesem  Ausblick  auf  die  Beteilifj:uug  auch  italienischer  Meister  an 
der  Komposition  bedeutenderer  französisc-her  Werke  verlassen  wir  dieses 
aus  Italien  erl>;ilt*>ne  Dt^nknial  französisclirr,  oft  so  national  pronnnderter 
Kunst  und  können  uns  über  die  übrip[en  franztlsischen  Balladen-Hand- 
ijcliriften  kürzer  fassen.  Es  sind  im  wesentlirlien  die  schon  oben  bei  der 
Überlieferung  der  Werke  Machault's  zitierten,  zu  denen  nur  noeh  klei- 
nere Fragmente  treten,  wie  die  in  Camiirai  und  Padua  l'Un.-Bibl.  1115). 

Codex  Reina  (Paris,  B.  N.  nouv.  ac<i.  fre.  HTTT  i«5t  in  meinem  zwei- 
ten Abschnitt  eine  reichhaltige  anonyme  8.aniiu]uiiir  französischer  und 
anderer  Balladen,  in  der  die  oben  erwähnten  Glunzstücke  zahlreich 
wiederkehren,  mehi'fach  mit  Tripla,  die  sonst  nicht  vorkommen,  versehen. 
Außerdem  finden  wir  hier  neben  den  gewöhnlichen  dreistimmigen  Balla- 
den anch  wieder  eine  größere  Anzahl  zweistimmiger,  nnd  mehrere,  deren 
Contratenor  kanomsoh  aus  dem  Tenor  zu  entwickeln  ist,  in  denen  also 


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44         Friedricli  Ludvi^,  Die  mehntimmige  Musik  de»  14.  Jafarlranderts. 


die  beiden  Begldtstimmeii  in  diesem  interesfianten  mosikalischen  Ver- 
hältnis stdien»  das  bei  ihn^  zwar  eigentlicli  gar  nicht  zur  rechten  Wirkung 
kommen  Icann,  aber  im  Bereich  der  französisclicn  Kunst  oft  nachgeahmt 
ist,  im  Gegensatz  zu  der  ganz  andersartigen  Verwendung  des  Kanons 

bei  den  Itahenem. 

Coelex  Prag  (Un.-Bibi.  XI.  £.  9)  ist  eine  kleine  Sammlung  von  ano- 
nymen Kompositionen  aus  allen  möglichen  Ländern,  meist  in  reduzierter 
Form  und  stets  nur  mit  dem  Textanfang  versehen,  unter  ilmen  auch  ein 
paar  französische  Balladen,  die  Sammlung  besonders  als  Ganzes  für  das 
musikalische  Repertoire  der  damaligen  Zeit  in  Deutschland  sehr  wichtig. 

Schließlich  der  (  'oih.r  Mofh  aa  (Bibl.  Est.  lat  568)  ist  eine,  wie  schon 
oben  erwähnt,  jetzt  durclieiu ander  geschobene,  Yon  zwei  Händen  ge- 
schriebene umfassendere  Sammlung  geistlicher  und  weltlicher  Kompo- 
sitionen meist  mit  Autorenbezeichnung,  die  aber  zum  Teil  schon  weiter 
in  das  15.  Jahrhundert  hineinragen.  Ursprünglich  gehörte  die  jetzige 
Lage  1,  3  und  5  zusammen,  die  die  oben  erwähnten  liturgischen  Kom- 
positionen, besonders  des  Matteo  von  Perugia,  zwei  lateinische  Mo- 
tetten, einige  italienische  Kompositionen  von  Matteo,  von  Zacharias, 
dov  uns  später  beschäftigen  wird,  u.  a.  und  eine  große  Anzahl  französi- 
scher Balladen  enthalten,  La^rc  1  und  5  ausschließlich  von  Matteo  von 
Perugia,  Lage  8  von  den  uns  schon  bekannten  Kleistern  die,  wie  oben 
besprochen,  hier  anonym  eise  lu  inenden  Balladen  Macliault's,  eine  von 
Selesse.s.  »ine  von  Pliili[)p  von  (/aserta,  daneben  aber  auch  solche 
späterer  KomiKnu'sten,  wie  Cironia.  Joliannes  von  Genua  und  Ar- 
noldus  Frutti^.  dn-  nicht  melir  in  unsere  Zfit  Lndiören.  Die  ursprünglich 
zusammengehünge  2.  und  4.  Lage  entleih  neben  eiingeu  lateinischen  und 
itahenischen  Kompositionen  ganz  übei  wir^n  nd  fran/ösisrhe  Balladen  ans 
dem  Bfipertoii-e  des  Codex  Chantilly  und  J^eiua  mit  vereinzelten  s])äteren. 

Das  Paduaner  Fragment  im  Codex  Padua  1115  dürfte  zeitlich  dem 
Codex  Müdena  nahe  stehen,  da  auch  in  ihm  Werke  von  Selesses  und 
Ciconia  in  einer  Handschrift  vereinigt  sind.  Aus  den  Fragmenten  in 
Cambrai  hat  schon  CDusseniaker  in  seiner  ILsfonc  de  Vhanmma  <m 
inoyert  opc  1852  einige  Stücke  veröffenthcht,  von  denen  Quit  on-ques  rmt 
d'umours  loir  auch  in  den  Zusätzen  französischer  Werke  in  zwei  italie- 
nischen Handschriften  wiederkehrt. 

In  diesen,  Codex  Florenz  Panciatichianus  f26i  und  Paris  fonds  itahen 
;568j,  finden  sich  außerdem  die  verschiedenaitigisten  der  besprochenen 
Kompositionen  wieder,  z.  T.  auf  freie  Zeilen  einer  von  den  italienischen 
Kunipüsitiüuen  nicht  ausgefüllten  Seite  nachgetragen,  z.  T.  den  italieni- 
schen AVerken  auf  freien  Blättern  einer  Lage  folgend,  seltener,  wie  z.  B. 


1]  Vergleiche  J.  Wolf  im  KircheDirmsikaliscben  Jahrbuch  1899,  S.  1  IT. 


biymzüü  by  <^uo<^it; 


< 

Friedrich  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Mmik  de«  14.  Jehrhnnderts.  45 


im  Codex  Paris  das  erwähnte,  hier  anonyme  De  Narcmts  des  Magister 
Franciscus  zum  ursprünglichen  Corpus  gehörig.  Fast  immer  fehlen 
dabei  die  Autoren-Namen,  und  in  den  meisten  Fällen  auch  ebenso  wie  im 
Codex  Pra^:  der  vollständige  Text,  von  dein  dann  nur  die  Aufangsworte 
in  der  Haiidsclirift  stehen,  bisweilen  fehlen  aiuli  diese. 

Hliekeii  wir  auf  den  Umfan.i,'  des  Erhalteneu  zurück,   so  tritt  uns  j 
eine  aulJerst  lebhafte  Ausübung  dieser  Kunstgattun-^  der  nielirstinnnigen 
franzosischen  Ballade  vor  Augen,  und  zwar  weit  über  die  Gren/wi  des 
politischen  Frankreiclis  liinaus,  wie  es  einst  auch  hei  der  französischen 
Motette  der  Fall  gewesen  war.    Freilich  wurde  doveu  internationaler  Ver-  j 
breitung  durch  die  Reibelialtung  der  lateinischen  Texte  neben  den  fran- 
ziisischen  ein  großer  Dienst  geleistet,  der  jetzt  bei  der  französischen 
Bullade  fortfällt;  aber  zahlreiche  Beispiele  beweisen  uns,  wie  leicht  die 
italienischen  Komponisten  sich  die  französische  iSjiraclie  aneigneten,  um 
in  ihr  auch  die  Gattungen  der  Iran/ösischen  Musik  zu  pÜegeu,  ju,  wie 
sie  Texte  komponierten,    in  denen  die  italienische  Sprache  mit  dem! 
Französischen  oder  sogar  beide  mit  dem  Lateinischen  abwechselten.  Der! 
Einflufi,  den  die  damalige  französische  Kultur  und  Kunst  besondeirs  auf 
Italien  auf  so  vielen  GfeMeten  von  Kunst^  Wissenschaft  und  Leben  ge- 
habt hat,  ist  auch  für  die  Musik,  wie  wir  sehen,  ein  sehr  großer  gewesen. 
Das  zusiehst  gebende  Volk,  die  Franzosen,  behielt  auch  in  Italien  seine 
nationalen  Eigentttmlichkeiten,  besond«»  seine  Spradie,  bei.   Xur  selten  ( 
begegnen  wir  in  dieser  24eit  einem  italienische  Texte  komponierenden' 
Franzosen,  wie  den  zwei  Augustinerbrttdem  aus  Paris,  Guiglielmus 
und  Egidius,  von  denen  der  erstere  nur  in  florentinischer  Umgebung . 
erscheint,  der  Midere  vielleicht  mit  dem  auch  sonst  und  zwar  mit  fran«  t 
zösischen  Kompositionen  vorkommenden  Magister  Egidius  identisch  ist. 
Und  einer  so  umfangreichen,  ganz  im  Ausland  geschriebenen,  ihrem  In- 
halt nach  aber  völlig  national  französischen  Musikhandschrift,  wie  es  der 
Codex  ChantUly  ist,  liaben  die  anderen  Nationen  kein  Gegenstück  an 
die  Seite  zu  stellen.    Die  Welt  der  Töne  hatte  bei  diesen  Meisterwerken, 
als  welche  sie  die  Zeit  emiifand,  die  ganze  abendländische  Kulturwelt 
in  gleichem  Bewundem  und  Grenießen  vereinigt,  wie  das  gerade  im  Be- 
reich der  Musilcgeschichte  ja  nichts  Neues  war  und  in  den  folgenden 
Jahrhunderten  zu  einer  Internationalität  des  Kunstschaffens  und  Kunst- 
genieBens  führen  sollte,  von  der  auf  der  andern  Seite  gerade  das  14.  Jahr- 
hundert mit  seiner  scharfen  Ausprägung  nationaler  Formen  wiederum 
Aveit  entfernt  war.    Der  italienischen  Musik,  die  in  gleicher  Fülle,  wie  1 
die  eben  dargestellte  französische,  wiMiigsten'-  aus  den  zwei  letzten  Dritteln 
des  Jahrhunderts  uns  erhalten  ist,  hat  dieser  Kesonanzboden,  den  die' 
französische  Kunst  im  .:,'anzen  Abendlande  besaR,  gefehlt.    Wir  finden 
em  paar  Spuren  von  ihr  wohl  in  Prag  m  der  Kunstsphäi-e  des  universal 


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46 


Friedridb  Ludwig,  Die  mthrftumnige  Münk  des  14.  Jalurkimdflrta. 


iuigeregten  Karls  IV.,  wir  sahen  aber  andererseits  schon,  wie  die  mittle- 
ren Stände  in  Florenz  selbst  zu  der  einhemuscheni  mehrstimmigen  Kunst 
noch  kein  Verhältnis  gewonnen  haben  und  es  zu  diesen  Werken,  beson- 
ders denen,  die  Florenz  in  dieser  Zeit  hervorgebracht  hat,  auch  nie 
finden  sollten.  Und  doch  gehört  die  größte  Teilnahme  des  heutigen 
Forschers,  wenn  wir  die  musikalische  Gesammtproduktion  des  14.  Jaluv 
hunderts  überblicken,  gerade  dieser  florentinischen  Kunst  und  dem,  was 
sie  in  ihren  Bannkreis  zog.  Mögen  die  künstlerischen  Intentionen  in 
den  französischen  Motetten  und  Balladen  auch  vielfach  die  großartigeren 
und  originelleren  sein,  der  firfttUung  sind  in  den  selbstgesteckten  Grenzen 
die  Italiener  ganz  anders  nalie  gekommen  als  auch  die  künstlerisch  klarsten 
Köpfe  der  Franzosen.  Ks  ist  eine  äußerst  schwere  Aufgabe,  einer,  der 
komplizierteren  Balladen,  etwa  aus  Codex  Ohantilly,  in  Bezug  auf  ihre 
Melodik  und  Rhytlunik  ästhetisch  sich  zu  nähern  zu  versuchen;  wie  ent- 
tauscht auch  der  Kern,  der  hinter  einer  Scliale  steckt,  die  mit  ihrem 
Aufgebot  von  weit  über  einem  Dutzend  einfacher  Notenzeichen  —  abge- 
sehen von  den  verschiedenen  Ligaturformen  und  der  zum  Ausdruck  aller 
rhythmischen  Finessen  außerdem  noch  notwendigen  Verwendung  von  bis 
zu  vier  verschiedenen  Farben  dieser  Notenzeichen,  oft  zwei  dieser  Farben 
neben  eiimiider  in  einer  Note  —  glückliclierweise  ein  Unikum  in  der  ge- 
samten Musikgeschichte  ])ilfli  t.  Gegen  den  Aufwand  von  Scharfsinn  und 
Aiifnierksamkeit,  der  zum  i-hytlnnisch  exakten  Absingen  einer  solchen 
HiiUadenmelodie  aus  der  ja  nieht  partiturmäßig  ^i;eschriel)enen  ITandschrift 
notwendig  war,  hält  sieh  die  viel  bewunderte  Fiihigkeit  der  Sänger,  im 
folgenden  Jahrhundert  sicli  in  den  sogenannten  Künsten  der  Niederländer 
zurecht  zu  linden,  thatsächlich  in  bescheidenen  Grenzen. 

Wie  anders  wirkt  dagegen  das  italienisilic  Trecento  auf  uns  ein! 
Mag  die  oft  wirklich  nbermiiüige  Ausdehnung  der  einzelnen  Zeilun  durch 
SU  tonfreudige  Melism(;u,  wie  sie  bei  den  Franzosen  in  der  weltlichen 
Kunst  allerdings  nie  vorkommen,  tms.  besonders  bei  den  Madrigalen, 
abscln'ccken,  -  auch  die  eigenen  Zeitgenossen  spotteten  schon  darüber, 
cokinto  cht  dici  rd,  lo  dicea  cor/  iitolffi  noky  comt  >y  divtsst  uno  nuuindlf 
.sagt  Saeclietti  von  der  üiigUukstigur  des  8er  Hartolomeo  (iiraldi  aut 
dem  böswilligen  Gaul  des  Messer  Bernabö  — so  wollen  wii-  dabei  an 
die  Freude  der  Italiener  überhaupt  an  den  Koloraturen  in  der  Vokal- 
musik (lenken,  die  zu  den  verschiedensten  Zeiten  die  Musikgeschichte 
mit  kostbaren  Perlen  der  Musiklitteratur  beschenkt  hat,  Zeiten,  denen 
freilich  mehrfach  über  kurz  oder  lang  eine  Periode  der  Reaktion  mit 
ütärkercm  Dominit  reu  syllabischer  Komposition  der  Texte  gefolgt  ist. 
Aber  auch  im  längsten  M«  lisma  dieser  Zeit  herrscht  eine  Klarheit  und 
Schärfe  besonders  der  rhythmischen  Anordnung,  die  einen  hohen  Grad 
feiner  Ausbildung  des  rhythiuischen  Gefülds  bei  den  Italienern  bezeugt, 


Friedridi  Lndwig^  Die  mdintimmige  Mmik  des  14.  Jabrhmid^tt. 


47 


<1hs  in  dieser  Weise  wieder  bei  den  Franzosen  iiiclit  7.u  Th'^v  tritt.  Von 
derartig  intrikaten  Vfrliakungen  der  verschiedenen  Rhythmen  unter  ein- 
an«Ier,  schwierigen  Synkopationen  der  ^felodie  u.  8.  w.,  die  so  oft  in  den 
fra]i/n>i^chen  Balladen  es  zu  kcint  la  ruhigen  Fhiß  der  Melodie  kommen 
hissi  ii,  ist  tlie  italienische  Musik  im  allgeuieiueu  frei,  und  auch  das,  was 
davon  in  den  direkt  dem  lian/o»isrhen  Vorbild  nachgeahmten  italienischen 
Jial laden  vorkommt,  ist  nur  ein  ganz  abgeschwächteu  Spiegelbild  von  dem, 
was  die  Franzosen  auf  diesem  Gebiet  leisteten. 

Und  dasselbe  Streben  mich  rhythnnscher  Klarheit  bei  den  Italienern 
zeigt  sich  wie  hier  bei  der  Behandlung  der  kleinsten  rhythmischen  Teile 
der  Melodie,  so  auch  im  Großen.  Grehen  die  Franzosen  in  den  Balladen 
selten  Uber  dfis  iempus  pa  fectunt  oder  imperfectum,  also  3  oder  2  sejni' 
breveSj  am  besten  ^4  und  2  4  zu  fibertingen,  als  Takteinheit  hinaus,  so 
ist  die  bevorzugte  Takteinheit  der  Italiener  der  modus  minor  perfeeius 
oder  wijjrrfectm,  3  oder  2  breves^  der  und  CTakt;  in  Terbindung 
mit^er  starken  Ausprägung  des  guten  ersten  TaktteOs,  die  den  ItaUenfim 
ganz  geläufig  ist,  giebt  dann  dieser  breitere  Takt  der  ganzen  Komposition 
emen  höheren  Scfavung,  der  ivieder  zu  der  so  reichen  Ausstattong  der 
Melodie  in  Wechselbeziehiing  steht  Auch  in  der  eigentitmlichen  geistn 
vollen  Ausbildung  der  italienischen  Notenschrift  >),  die  ich  hier  nur  mit 
wenigen  Worten  berühren  kann,  spricht  si<^  diese  Sorg&lt,  die  man  dem 
so  vielseitig  behandelten  Rhythmus  angedeihen  liefi,  deutlich  aus.  Die 
verschiedenen  Teilungen  der  brems  in  4,  6,  8,  9  oder  12  minimae 
werden  unter  gewissen  Verhältnissen  durch  die  Anfan^buchstaben  der 
Zahladjektave  klar  bezeichnet  7,  5  p  oder  »,  0,  n  und  d  für  quatemanuSt 
senarms  p&rfeetus  oder  impcrfcctuSj  octottarimj  norenarius  und  duodenarius^ 
die  ungeraden  Taktatten,  nämlich  der  perfecta  Senar«,  der  Novenar-, 
der  Dttodenar-Takt  und  die  bei  der  Vorzeichnung  von  q  beliebte  Zu- 
sammenfassung von  drei  Quatemar-Takten  zum  modus  nmm'  perfectuSf 
namentlich  den  Schlußteilen  gewisser  Kompositions-Gattungen  dienend,  in 
denen  vielfacli  die  T*hytbniische  8teigerung  vom  geraden  zum  ungeraden 
Takt  angewandt  wurde,  die,  wenn  auch  in  anderer  Art,  siiäter  ein  wich- 
tige?; technischem  Mittel  vokaler  Melirstininiigkeit  blieb.  Auch  die  Tiiga- 
turen-8chreibung  der  älteren  italienischen  Handschriften  durchhrach,  um 
den  Rhytlnuus  der  Komposition  besondei*s  klarzulegen,  die  altr  fran- 
konische  Ke,i,'el.  daß  jede  fifj/na  litjabtlis  non  liiinin  niiosd  rsf^^  indem 
in  ihnen  beim  inodns  utiitor  perfcctiis  die  brprrs  nur  taktweise  ligiert 
werden.  Immer  melir  geht  jedorl»  auch  die  Sumlerart  der  italienischen 
Schieibweise  in  der  allgemein  verweudeteii  französischen  auf;  wir  müssen 

I  i  VcfKleiche  J.  Wolf,  Florenz  in  der  Musikir»  lii.  lito  (Its  14.  Jahrhundrrt^.  im 
letzten  Heft  dieser  Zeitschrift  {Sammelbände  III,  4,  S.  599  ff,}  und  die  Litteratur- 
Augaben  dort. 


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48 


Kriedrioh  liodwig^  Die  mehntiinmige  Musik  de«  14.  J«hrhandert«. 


von  einem  so  gtilehrten  Munii,  wie  dem  Paduaiier  rrosdociiiius  de  Ii elde - 
mandis,  der  als  Professor  des  Quadriviums  alle  vier  Wissenschaften 
desselben,  unter  ihnen  auch  die  Musikwissenschaft,  eifrig  anbaute,  1412 
die  Klage  hören,  dafi  bei  seinen  damaligen  Landsleuten  die  Bekanntschaft 
mit  dies^  Eigoutttmlicbkeiten  italienischer  Kotenschrift,  die  ihn  bei  näherem 
Studiimi  sehr  fesselten,  im  Schwinden  begriffen  war. 

Der  Hauptmittelpunkt  für  die  national  reinste  und  eigentfimlicbste 
Ausbildung  der  italienischen  Musik  im  14.  Jahrhundert  ist  Biorenz  ge- 
weseut  wo  sich  alles  immer  mehr  um  die  Uberragende  Klinstlerpersonlich- 
kdt  des  schon  in  jungen  Jahren  erblindeten  Fmncesco  Landini  gmpinert. 
Er  nimmt  für  die  Italiener  eine  ähnlich  centrale  Stellung  ein,  wie 
Machaul t  für  die  Franzosen,  freilich  mit  dem  Untersdued,  daß  Ton 
ihm,  dem  audh  in  kirchlichem  Amt  stehenden  Organisten,  nur  wdtlidie 
Musik  bisher  bekannt  geworden  ist,  keine  so  in  allen  Gattungen  gleich- 
mäßige  Bethätigung  wie  bei  dem  Weltkind  Alachault  Dafür  fehlen  aber 
bei  Francesco  auch  alle  Gel^enheit^-Kompositioneii,  die  für  Machault 
mehrfach  zur  Veranlassung  des  Hervortretens  auf  sonst  weniger  bebauten 
Gebieten  wurden;  was  in  den  über  löO  Werken  Landini's  auf  uns  ge- 
kommen ist,  ist  lediglich  Anf^ mng  von  Francescos  Künstlertrieb.  Es 
hat  ihm  in  seinem  langen  Iiebuu  —  er  starb  am  4.  September  1397  in 
Florenz,  wo  er  als  Sohn  eines  Malers  Jacopo  in  den  20er  Jahren  des 
Jahrhunderts  geboren  war  —  an  äußeren  Eliren  nicht  gefehlt.  Yillani 
und  sein  (iroßneffe,  der  bekannte  Danteforschcr  Christophoro  Landini, 
ereühlen  uns  z.  B..  wie  er  in  Venedi«^  vom  Kiinig  von  fVpern  öffentlich 
/um  ( )i7^anistenkönig  gekrönt  ist;  uml  doch  lindet  sich  in  seinen  Werken 
keine  einzige  Anspielung  auf  die  GroIWn  der  Zeit,  nur  der  K^lIl^t 
dient  er,  der  Musica,  die  er  in  einem  seiner  Hauptwerke,  einem  tli  i- 
stimmigen  und  dreitextigen  ^Madrigal,. selbst  die  Klage  darüber  aussprechen 
läßt,  wie  selten  die  hüben  Aufurderungeu,  die  sie  an  ihre  Jünger  zu 
stellen  hat,  erfüllt  wurden.  Ihm  allein  von  allen  Florentinern  ist  dann 
auch  über  seine  Vaterstadt  und  über  sein  Gral)  liinaus  die  Verehrung 
der  musikalischen  Kreise  treu  geblieben,  er  allein  kommt  in  allen  acht 
oder  vielleicht  mit  Zurechnung  von  Chantilly  neun  Handschriften  vor, 
die  uns  die  italienische  Kunst  aufbewahrt  haben.  Freilich  kaum  zwei 
Menschenalter  nach  seinem  Tode  verbleicht  auch  sein  Stern  völlig,  bald 
wird  auch  sein  einfach  schdner  Grabstein  nach  Prato  verschleppt,  um 
dort  das  Grab  eines  Professors  zu  schlieBen,  von  wo  ihn  erst  pietätrolle 
Erinnerung  unserer  Tage  an  die  Buhestatte  von  Fnmcesco's  Gebeinen 
in  S.  Lorenzo  in  Florenz  zurückgeführt  hat 

Francesco  war,  wie  Machault,  auch  ein  Dichterkomponist,  ebenso  wie 
sein  Freund  Franco  Saccbetti,  der  uns  auch  als  Komponist  seiner  eigenen 
Dichtungen  genannt  wird,  ohne  daß  leider  solche  Kompositionen  bisher 


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Friadneh  Xindwig,  Di«  mdintiimiiige  Musik  de«  14^  Jalirhtmdart«.  49 


-wieder  aufgefuiuien  üind ;  aber  Francpsco  nimmt  seine  Texte  auch  aus 
dem  reichen  Sehatz  der  italienisehen  Littcmtur,  behonders  (1<  r  seiner 
Vaterstadt,  die  in  dieser  Zeit  m  unvergängliche  Werke  wir  Dante's 
Ewiges  Gedicht  und  Petrareu's  Canzoniere  hervoif^ebiacht  hatte.  Es 
ist  hier  eine  Weeliselbe/iehung  zwischen  hoher  Hliite  der  Litteralur, 
speziell  auch  <ler  liVrik,  und  der  Tunkunst,  die  in  den  Perioden  naiver 
Kunstübung  zwai*  natürlich  und  selbstverstündlich  erscheint,  bei  der  Ver- 
feinerung aber,  die  hier  sowohl  die  Litteratur  als  die  Musik  erreicht 
hatte,  etwas  ungemein  Seltenes  ist.  Wir  finden  unter  den  Dichtem  der 
Texte,  die  hier  in  mnsikaUsdi  kmiflt'vollitein  Grewande  erschemen,  alle 
die  Größen,  speaell  der  floranfuusdieii  Lttterotar  wieder,  die  als  Zdt- 
genosseD  dieses  Komponisten-Kreises  auch  an  der  Vertonung  ihrer  Gedichte 
lebhaiten  Antefl  nahmen,  ich  nenne  Petrarca,  Boccaccio,  Sacchetti, 
Soldanieri,  Binnccini,  Malatesta,  Bindo  Donati,  und  besonders 
interessant  ist  es,  wie  sorgfältig  in  einer  Handschrift  der  Werke  Sacchetti^s 
(Flor.  Laur.  Ashb.  574)  bei  33  seiner  Gedichte  auch  die  Namen  der 
Meister  genannt  sind,  in  deren  1?onen  sie  weiterleben  sollten  und  mit 
deren  Tonen  aach  ein  grofier  Teil  nns  erhalten  ist. 

Ebenbürtig,  als  ein  vollwertiges  Glied  in  dem  wundervollen  Ganzen 
des  sich  immer  reicher  entfaltenden  Morentiner  Kunstlebens  steht  die 
Tonlninst  da.  In  Villani*s  stolzer  Beihe  groBer  Florentiner  grQBen  uns 
4  Musiker,  unter  ihnen  besonders  ausführlich  bedacht  Francesco,  und  in 
der  Novellen-Litteratur  hat  Oiovanni  da  Prato^s  Paradiso  de^i  AlberÜ 
Francesco  das  schönste  Denkmal  gesetzt.  Und  wir  können  uns  kdne 
herrlichere  Einleitung'  zur  Betrachtung  der  italienischen  Musik  unseres 
Zeitabschnittes  denken,  als  daB  wir  uns  an  die  Rolle  erinnern,  die  die 
Musik  in  Dante *s  Commedia  spielt.  In  den  Schrecken  des  Titferm 
schweigen  alle  Töne;  aber  kaum  hat  Dante  den  Läuteningsberg  betreten, 
da  naht  das  Schiff  mit  dem  Psalmengesang  der  Geister  In  exüu  Israel 
de  Egt/ptOi  da  bezaubert  Casella  mit  seinem 

Amor  die  neSit»  mmte  mi  ragüma 

alle  llürcr  so,  daß  sie  sogar  die  Läuterungsfi^edanken  darüber  vergessen, 
<la  tönt  Dante  das  Miserere  aus  dem  Vorfegefeuer,  das  Salve  Rtgina  aus 
der  Fürstenwiese ,  die  Abendhymne  7V  htns  beim  Hereinhreclien  der 
ZSacht,  Büß-  und  Daukh^-mnen,  '«■ie  sie  den  fin/.*dnen  Kreisen  entspreclien, 
beinall  aus  jedem  der  tt;t///  des  Berges  entgegen,  da  ertijnt  das  Gloria 
hl  ej:e€lins  Deo  bei  der  Erlösung  des  Statins;  und  fast  immer  besclireibt 
der  Dichter  mit  großer  psychologischer  i  einlieit  auch  den  Eindruck,  den 
in  den  so  verschiedeneu  Situationen  die  Gesänj,'e  ihm  machen,  und  er- 
müdet nicht,  immer  mehr  sich  steigernde  Wirkungen  der  Musik  im 
irdischen  und  himmlischen  Paradies  sich  auszumalen,  die  in  der  Schärfe 

S.d.I.M.  IV.  4 


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50 


f  riedhch  Ladwig,  Die  mehntimmige  Musik  de«  14.  Jahrhunderts.* 


dur  Bcobuclitun^'  und  der  außerordentlichen  Konsequenz  des  Aufbaues 
nirgends  ihres  Gleichen  in  der  Litteratur  haben,  bis  immer  näher  dem 
Centram  des  Weltalls  Dante  in  Reinem  Innern  Klänge  hört,  gegen  die 

qualumfue  mdmlui  piü  dolce  suona 
qnnggiü  c  pin  n  sf  Vanima  tim 

ihm  nur  eine  ni(})c  ehr  sfptnrr  fnfn  fnonn  srhoint.  Thhc  s^ionarc  und  a  sr 
Vanima  firare,  dn-«  '«iiid  in  der  That  flic  beiden  Llt-alc.  rloren  Voroinicrnng^ 
auch  uns  als  Erreichung  des  höchsten  Zieles  in  unserer  Kunst  gilt, 
Scliüulieit  der  Form  und  Innerlichkeit  des  Ausdrucks,  —  es  war  Dante, 
der  dies  als  künstlerisches  Prni^rHuna  klar  aussprach. 

Versetzt  uns  dies  alles  in  die  Flnr«'ntiiier  Atmosphäre  des  ersten 
Drittels  des  Jahrhunderts,  aus  der  es  uns  an  musikalischen  Denkmälern 
in  Italien,  wenigstens  mehrstimmigen,  noch  völlig  fehlt,  so  enifinet  uns 
eine  nur  wenige  Jahre  nach  Dante's  Tod  entstandene  Schrift  des  alten 
Pailuauer  Richters  Antonio  da  Tempo,  die  dieser  in  lateinischer 
.Spiache  und  bis  in  die  letzten  Konsequenzen  eines  öden  Foriualisniiis 
durchgeführt,  [m  dem  ihm  aus  der  uiittelalterlichen  Musiklitteratur  liöcli- 
stens  die  ebenso  in  alle  Uberflüssigkeiten  eines  unfruchtbaren  Schema- 
tismus verlaufende  Moduslehre  des  englischen  Anonymus  des  13.  Jahr- 
hunderts an  die  Seite  zu  stellen  ist)  über  die  ars  rWdnüoa  (!)  der  italienischen 
Dichtung,  d.  L  Uber  ihren  metrischen  und  musikalischen  Bau,  zu  schreiben 
die  Geschmacklosigkeit  hatte,  einen  Einblick  in  das  Kunstschaffen  der 
Stadt,  die,  wie  Florenz  für  Toskana  und  auch  ümbrien,  so  für  Ober^ 
Italien  das  Centrum  musikalischer  Bildung  war  und  noch  bis  Über  das 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  hinaus  blieb,  nämlich  Padua. 

Der  musikalische  Ruhm  Ton  Padua  war  alt  Sein  Name  war  durch 
die  sonderbaren,  zuirächst  viel  bewunderten  Musiktraktate  mit  den  eigen- 
artigen Titeln  Lticidarium  in  arte  nmsiee  fkme  von  1274  und  Pomerwm 
in  arte  musiee  mensurate  des  March ettus  von  Padua  in  aller  Mtisiker 
Mund,  und  Marehettus  galt  so  als  typischer  Vertreter  italienischen 
Wesens  in  der  Musik,  daß  es  z.  B.  in  einem  schon  oben  zitierten  Madrigal, 
das  Jacopo  von  Bologna  zvv(  inial  komponierte,  von  Stfimpem,  die  sich 
als  inaesiri  aufspielen  wollen,  heißt: 

fan  madritM  haUate  e  moietti^ 
tuUi  mfioran  fiUppofi  e  marekeüii 

»sie  spielen  gleich  den  Phihpp  von  Vitry  und  den  March^tus  Ton 
Padua.« 

Auf  uns  ist  leider  auch  aus  Oberitalien  von  den  Kunstwerken  selbst 
nichts,  was  etwa  über  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  zurückgeht,  erhalten; 
und  doch  müssen  wir  aus  der  Übereinstimmung  von  Antonio^s  Beschiei- 
bung  des  musikalischen  Baus,  besonders  der  Madrigale  und  Balladen, 


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Fri«dneh  Ludwig,  Die  mehnttmmige  Musik  d«t  14.  JabrhinidertB. 


51 


mit  den  Werken  der  zw»  itcii  Hälfte  des  Jahrhunderts  darauf  schließen, 
dali  sich  schon  in  d*»n  'JOer  Jahren  die  Pflepff  der  inehrstimmisfen  Musik 
z.  B.  in  Padua  in  iilinlK  iioii  iialnicn  bewegt  hat,  wie  wir  sie  für  die 
spätere  Zeit  ans  den  Werken  selbst  ersehen.  Suchen  wir  dann  noch 
weiter  zurück  die  italienischrn  Ahn^n  die.sor  Kunst  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert kennen  zu  lernen,  so  stoBon  wir  überall  auf  Lücken  in  unserer 
Kenntnis.  Ein  paar  Kompomisten-XanK^n,  hei  denen  wir  dann  aber  viel- 
fach wieder  nicht  wissen,  wie  weit  sie  auch  mehrsthnmige  Musik  pflegten, 
einige  hübsche  Schilderungen,  z.  B.  die  bei  Salimbene  über  eigene 
italienische  Ktmipositioiien  von  Liedern  des  Kanzlers  Philipp  de  Gre  v 
dnrcb  den  Minoritenbruder  Heinrich  von  Pisa,  daruuter  auch  niehi*- 
stimmige,  Schlüsse,  die  wir  aus  dem  Auftreten  eines  Mannes  von  der 
Bedeutung  des  Mardtettus  dehen  können,  vereinzelte  Schriftsteller-Be- 
merkungen, vielleicht  in  den  franxödsohen  Sammlungen  älterer  lateinischer 
Kondnktiw  auch  onige  italienische  Enteugnisse  dieser  Art,  gelegentliche 
sonstige  Notizen,  z.  B.  in  den  Beisereclmiingen  Wolfgcr*s  Ton  Passau 
die  Gratifikation,  die  der  freigebige  Bischof  bei  seinem  Aufenthalt  in 
Born  am  23.  Mai  1204  den  päpstlichen  Sängern  für  den  Vortrag  von 
mehrstimmigen  Kompositionen  (discantus)  zn  teil  werden  ließ,  —  das 
etwa  ist  alles,  was  wir  Ton  italienischer  mehrstimmiger  Musik  und  ihrer 
Ausübung  seit  Guido  von  Arezzo  und  seinen  Kommentatoren  bis  an 
die  Sdiwelle  des  14.  Jahrhunderts  wissen,  ans  einer  Zeit,  in  der  die 
Pflege  der  einstimmigen  Musik  gerade  auch  in  Italien  in  hoher  Blüte 
stand,  in  der  allein  die  neuen  Orden  der  Franziskaner  und  Dominikaner 
ein  stattliches  Kontingent  auch  als  Komponisten  gerühmter  künstlerisch 
hochbefiUiigter  Männer  stellen,  wie  es  z.  B.  Jacopone  von  Todi  oder 
der  erwähnte  Heinrich  von  Pisa  sind. 

Im  Gegensatz  dazu^ägt  die  hohe  Kunst  in  der  italienischen  Musik 
des  14.  Jahrhunderts  dann  ein  ülierwiegend  weltliches  Gejgräge,  besonders 
in  Toskana.  Da  wir  wissen,  dali  Francesco  sclion  in  seiner  Jugend 
als  Musiker  henorgetreten  ist,  so  dürfen  wir  die  ältesten  der  uns  von 
ihm  erhaltenen  Werke,  die  wir  freilich  bis  jetzt  als  sulche  noch  nicht 
herauszuerkennen  vermögen,  wohl  in  die  40er  und  50 er  Jahre  des  Jahr- 
hunderts setzen.  Bei  andern  Komjionisten  leisten  uns  außer  den  wenigen 
Nachricliten,  die  wir  von  ihren  Ijebensuniständen  haben,  dann  auch  einige 
bestimmte  Gelei^enheiten  verherrlicliende  Kompositionen  von  ihnen  gute 
riironologische  Dienste.  So  wissen  wir  von  (Jiuvanni  da  Cascia,  dessen 
Werke  uns  auch  aus  inneren  Gründen  zu  den  ;illerältesten  uns  erhaltenen 
zu  gehören  schenien,  daß  er  unter  ^fjirtino  della  8cala,  der  13*29—51 
herrschte,  in  Verona  war,  vun  Jae<)j)o  da  Bologna.  daR  er  zur  gleichen 
Zeit  dort  mit  Giovanni  einen  künstlerischen  Wettkanipf  austucht,  und 
gleichzeitig  sehen  wii*  diesen  1340  die  Geburt  zweier  Visconti-Prinzen 

4* 


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^         IVi«drich  liudwigt  Die  melinUmmige  Muiik  dm  14.  Jtbrinmdertt. 


l)e.sin^'en.  W»^itrr  li:it  sich  Carducci  bemüht,  aus  den  Anspieluiiffiii 
der  vielfach  politisch-allegorischen  MadrijEfHle  die  Beziehungen  auf  be- 
stimmte Zeitereignisse  festzustellen,  die  als  zu  unsicher  ich  hier  nicht 
verfolgen  will;  eine  sicher  d.iticrbare  KomjjDsitiou  ist  dann  erst  wieder 
des  Florentiners  Don  Paolo  stolzes  dnistinimiges  Siegesmadrigal  auf 
die  Unterwerfung  von  Pisa  durch  Florenz  1406: 

Oodi  ffodi,  Firenxef  po'  che  se*  d  grande, 
die  batti  fak  per  tmu  e  per  tnare; 

und  den  in  den  beiden  spätesten  Handschriften  den  italienischen  Tre- 
centisten  zugefügten  Magister  Zadteriaa^  ehantor  dominl  nastri  pape, 
können  wir  Tielleicbt  mit  dem  am  1.  Jjmi  1420  während  des  Auf^tludto 
Martms  V.  in  Florenz  in  die  ]>äpstliche  Kapelle  aufgenommenen  NikoUos 
Zacarie,  Presbyter  der  Diözese  Brindtn,  identifizieren. 

Es  sind  im  Ganzen  etwa  zwei  Dutzend  Komponisten,  von  denen  ons 
circa  500  Werke,  fasl  ein  Drittel  davon  allein  dem  Francesco  angehörig, 
bisher  bekannt  sind.  Und  im  Gegensatz  zu  den  Franzosen  gelingt  es 
hier  leichter,  auch  ein  Bild  von  der  Sonderart  der  einzelnen  Kfinstler- 
Persönlichkeiten  zn  gewinnen,  besonders  von  denen  .des  toskanischen 
Mnsikerkreises,  als  dessen  Erzeugnisse  wir  etwa  vier  Fünftel  des  gesamten 
Erhaltenen  in  Anspruch  nehmen  müssen.  Daß  diese  an  Verbreitung  und 
Lebensfähigkeit  auch  damals  die  oberitalienischen  Kompositionen  über- 
ragt haben  müssen,  können  wir  sowohl  aus  der  zentraleren  Stellung,  die 
damals  Florenz  im  italienischen  Geistesleben  überhaupt  einnahm,  als  aus 
dem  Umstand  schließen,  daß  auch  die  Handschriften  mit  italienischen 
Kompositionen,  die  nicht  in  engerem  Sinne  Florentiner  Herkunft  sind, 
stets  wenigstens  einige  Florentinische  Kompositionen  fiitlialten,  was  um-  , 
trokdhprt  nicht  so  der  Fall  ist.  Um  so  mehr  ist  der  schon  einmal  ange- 
deutete Verlust  einer  {rrnßon  obeiitalienischen  Pergament-Handschrift  mit 
geistlichen  und  weltliclien  ICompositionen  7m  beklagen,  aus  der  uns  nur 
in  Padua  einige  Fragmente  erhalten  sind  (Un.-Bibl.  1475  und  684i,  fast 
lautrr  T^nica,  die  ^foistlichrn  Worko  auch  nhno  Seiten  stücke  in  antleni 
Handschriften,  die  weltlichen  dafzetren  sicli  am  nächsten  mit  dem  über- 
wiegend oberitalieni^:chen  C«k1(\k  Heina  berührend. 

Von  den  ganz  erlialtein^n  (\>«li«'('s  ist  der  inhaltlich  iiiteste  eine  Paiiici-- 
handschrift,  die  jetzt  zu  den  Lo(ii(»'s  i'anciatiehiani  der  Florentiner 
Nationalbibliothek  (Nr.  26)  gehört,  in  <ii<'  sie  aus  dem  Besitz  dieser  alten 
Florentiner  Familie  kam,  Ihre  elf  t^nintcrninn.'n  hrini'^en  die  Kompo- 
sitionen gattungsweise  geordnet,  kleinere  \\ « rk» .  wi«  kleine  italienische 
Balladen  oder  französische  Kompositionen,  auf  die  in  der  HauJ>t>^ammlung 
freigebliebeneu  Zeilen  und  hielten  zueesetzt.  Diese  besteht  nun  für  die 
zwei  ersten  Lagen  aus  zweistimmigen  Balladen  Francesco  s.,  für  tlie  beiden 


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IViadrieh  Ladwig,  Die  mefantiamug«  Ifoiik  des  14.  Jabrluindert«. 


53 


folgenden  aus  dreistimmigen  Balladen  desselben;  die  dann  folgenden  fünf 
Lafren  enthalten  zweistinmii;?c  Miidrigale,  ferner  die  Cacce  und  die  drei- 
stimmigen niclitkanonisclien  Madrii^ale  mit  drei  kanonisclien  dreistimmigen, 
allf  von  verschiedenen  Koniponi.sten,  die  anscheinend  clironohjgisch  folgen. 
Francesco  vviedt-r  an  der  Spitze,  dann  Giovanni,  Picro.  der  nur  in 
dii^ser  Handschrift  vorkommt,  Jacupo.  liOrenzo,  Donato,  Gherar- 
d''llo  und  Nif'colo.  Die  folgende  zehnt<'  I^^igf*  i'^t  eine  »Samndung  von 
drei-  und  zwei^inninigen  kanonischen  Madrigalen  Piero's.  Jacopo's  und 
Giovanni's,  die  samüich  Unica  sind,  und  einigen  andern  l)esonderen  Ma- 
drigalen Jacopo's,  die  auch  sonst,  zum  Teil  in  anderer  Gestalt  wieder- 
kehren. Die  letzte  Jjage  schließlich  enthält  nur  Nacht  läge,  fast  alle  in 
Codex  Ohantilly  enthalten,  unter  ihnen  einige  Werke  von  Machaul t; 
der  für  Italien  interessanteste  ist  der  letzte,  das  ti-auzöi>i.sche  Madrigal 
Im  doHce  xere  von  Bartolino  von  Padua,  hier  irrig  als  von  Perugia 
bezeichnet.  Dieser  letzte  Nachtrag  und  eine  in  die  Madrigale  eingeschobene 
liier  nur  swdstiiniiuge  Ballade  Baxtoüno's  sind  die  einzige  Berührung  der 
Handschrift  mit  dem  Gimtnim  der  oberitaHeniseheD  Schnle;  sonst  entldUt 
sie  von  den  Italienern  nur  die  mittelitaüenisohen  Komponisten  und  den 
viel  gewanderten  Jacopo.  Besonders  wertToll  an  dieser  Handschrift  ist, 
daB  sie  uns  gerade  für  die  ältesten  Komponisten  Giovanni  und  Jacopo 
eine  Gestalt  der  Werke  überliefert»  die  später  vielfach  abgeliodert  er- 
scbeinty  und  daß  nur  sie  allein  eine  Ansahl  von  WerkeUi  auch  gerade 
aus  der  älteren  .Zeit,  aufbewahrt  hat,  so  die  kanonischen  Madrigale  in 
der  sehnten  Lage  und  die  ganzen  erhaltenen  Kompositionen  Fiero's. 

Die  inhaltlich  an  Alter  folgende  Handschrift,  deren  Lesarten  uns 
aber  schon  von  teilweis  veränderten  Anschauungen  einer  etwas  jüngeren 
Zeit  Kunde  geben,  ist  der  Ck>dex  Beina,  nach  einem  früheren  Besitser 
so  genannt,  den  vor  nicht  allzu  langer  Zeit  die  Pariser  Nationalbibhothek 
aas  Eott<^c  (!•  Toolmon's  Besitz  erwarb,  ebenfalls  eine  Fapierhandschrift, 
(Paris  Bibl.  Nat.  nouv.  acq.  fr^.  6771  ,  deren  siebw  erste  Lagen  Werke 
des  X4.  Jahrhunderts  enthalten,  bis  in  die  fünfte  wesentlich  italiooischef 
dann  meist  französische,  die  ob^  an  ihrer  Stelle  besprochen  sind,  mitten 
unter  diesen  französischen  aber  auch  eine  italienische  Ballade  von  Fran- , 
cesco  und  am  Schluß  zwei  Seiten  mit  zwei  partiturmäßig  geschriebenen  i 
zweistimmigen  Sätzen,  wie  sie  sich  sonst  nirgends  finden.    Der  erste  mit  , 
der  Bezeichnung  >  Qt/fifn  fanxolla*  ist  eine  zweistimmige  Bearbeitung  des 
namentlich  rhythmiscii    umgestalteten  Tenors  aus  Prancesco's  so  be- 
ginnender Ballade,  schwerlich  von  Francesco  selbst,  ebenso  wie  auch  der 
z\v«-ite  der  erwiilmten  Sätze  kein  .M<'isterstück  ist.     Wir  müssen  zwar  y 
annehmen,  daß  die  Komponisten  auch  dieser  Zeit  ihre  Werke  im  All-  • 
gemeinen  in  Partitur  entworfen  haben,  aus  dei'  sie  dann  /.um  praktischen 
(gebrauch  in  Stimmen  umgesclu'ieben  sind,  aus  welchen  wii-  sie,  um  sie 


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54         IViedridi  Ludwig,  Die  mehntinniuge  Motik  de«  Ii.  JaHurlrandert*. 


stiulieren  zu  künneii,  flann  wieder  in  I^artitur  zusaimnt  nziclieii  müssen: 
ich  kann  niicli  ahor  nicht  zu  tltr  Ann  fli'ne  entselilit  l{rii,  daü  in  diesen 
b<M<len  Partituren  ein  derartiircr  Entwurt  uns  gerettet  ist.  Außer«]« m 
wird  man  auch  damals  l)«  im  l'uterricht  ))artitunnäÜig  gesehnt  beue  SaiiK 
oft  nicht  haben  «'ntbt  hren  können,  und  derartisre  Stiidien-Bfispielo  scheinen 
mir  liier  vorzuliegen,  bei  der  auUerordentlichen  ISeiw  niieit  ilej>  Vürk(>nini«  ns 
derartiger  »Schreibung  in  den  uns  erhaltenen  Handschriften  in  diesem 
imd  den  folgenden  Jahrhunderten  auch  als  solche  von  großem  Interesse. 

Gegenüber  den  anderen  italienischen  Handscln  iften  bat  nun  leider 
der  Codex  Keind  die  Eigentiinüiciikeit,  nur  am  Anfang  der  dritten  Lage 
viennal  die  Komponisten-Namen  zuzufügen,  sonst  aber,  wie  alle  nicht- 
italienischen,  80  auch  die  übrigen  98  italienischen  Kompositionen  ano- 
nym zu  ttbocliefeni,  zu  dwsa  Autoren-Bestjmmong  uns  die  andern  Hand- 
Bchrifton  in  fast  einem  Drittel  der  Fälle  im  Stich  lassen.  Ich  glaube 
nun,  dafi  dn  groBer  Teil  dieser  Unica  oheritaliemschen  Komponisten 
angehört.  Der  erste  Sextemio  der  Handschrift  ist  .fast  ausschlieSlich 
Jaoopo  Ton  Bologna  gewidmet  und  durch  ein  Madrigal  Giovanni's  be- 
schlossen; der  zweite  Sextemio  enthält  22  Kompositionen,  Balladen  und 
Madrigale,  von  denen  21  bestimmt  Bartolino  von  Padua  ang^Sron.  Der 
dritte  Quintemio  beginnt  mit  einer  Balladen-Sammlung,  von  denen  die 
Handschrift  znnächst  selbst  vier  als  Werke  dompni  FauU^  Henrid  und 
JacobeUi  Biandd  bezeichnet,  dann  folgen  auch  einige  von  Francesco,  am 
Schluß  die  Balladen  wieder  mit  Madrigalen  GioTanni's  und  Jacopo's 
untermischt,  als  letzte  Ballade  Se  quesia  dea,  von  der  ein  glücklicher  Zu- 
fall in  Padua  uns  das  Triplum  mit  dem  sonst  unbekannten  Autornamen 
Johannes  Bazus  Corczarins  von  Bologna  erhalten  hat  und  deren  Text 
ebenfalls  von  einem  Bolognesen,  Matteo  de'  Griffuni,  stammt,  einem 
Dichter,  dessen  Texte  florenünische  MusiktT  nicht  komponierten.  In  den 
folgenden  beiden  Septernionen,  meist  Balladen,  seltener  Madrigale,  ge> 
hören  die  auch  sonst  bekannten  ausschließlich  J?'i*ancesco  und  Bartolino 
an,  die  Unica,  unter  ihnen  ein  die  Scaliger  verherrlichendes  Madrigal, 
jedenfalls  wieder  meist  oberitalienischcn  Ursprungs. 

In  Verbindung  mit  diesem  Code.K  Reina  folge  nun  noch  ein  Wort 
über  die  Paduaner  Fragmente,  die  die  Trümmer  aus  dem  5.  und  fi. 
walirscheinlirh  Qninternin  der  verlorenen  grolien  Pi  rtzamentiiandsehritt 
sind.  A'on  bisher  i,'enannten  Autoren  begegnen  uns  Iner  Johannes  iiazus 
mit  der  einen  Hallade,  i'rancesco  mit  drei  auch  sonst  bekannt43n  Bal- 
liuleu  und  .Jaco|)0  mit  einer  Motette,  alles  im  i>untesten  Wichsel  auf 
einander  folijend,  von  den  neuen  iSameu  will  ich  be-ondt  rs  den  als 
Paduaner  be/eiclmeten  Graliosus  erwähnen.  Neben  der  großen  Fülle 
der  Unica  \  erdienen  auch  die  Lesarten  der  Francesco-Balladen  in  dieser 
Handsclinft  besondere  Beachtung. 


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Friedrich  Ludwig,  Die  melirstiminige  Mavik  de«  14.  JahrirandertB.  55 


Die  folrrniflp  Handschrift,  jetzt  in  London,  (Brit.  Mus.  add.  2?<987\ 
fühlt  una  wieder  nach  Toskana  zurück.  An  Umfang  nur  rtwa  df m  ita- 
lienischen Bestand  dos  Codex  Krina  f,deirh  voreinifjt  sie  in  sicli  die  Werke 
von  nicht  weniger  als  fünfzehn  Kumijunisten.  ahm  seiicn  von  einer  Anzahl 
anonymer  Stücke,  die  meist  Unica  sind.  Xcbcn  .lacupo,  Vincenzo 
und  Bartolino  sind  hier  alle  auch  sonst  mit  zahlreicheren  Werken  auf- 
tretenden Florentiner  Meister  von  Giovanni  his  Paolo  vertreten,  zu 
denen  noch  mehrere  nur  hier  erhaltene  Autoreu,  wie  Bonavitus  Corsini 
und  an<lere,  kommen. 

Die  nächst«  große  erhaltene  Handschrift  ist  ein  jetzt  in  der  Pariser 
Xational-Bibliothek  (fonds  it.  568]  befindlicher Perganientcodex,  anscheinend 
elienfalls  toskanischer  Provenienz,  der  ursprünglich  aus  zwölf  Quinternionen 
bestand,  von  mehreren  Münden  gesclirieben,  in  die  schon  bald  nach  dem 
AbBcliluB  dieser  ersten  Sammlung  von  einem  schon  an  dieso*  heteiligten- 
Schmber  zwei  andere  als  sedister  und  achter  Quintemio  eingefügt  wurden. 
In  der  dadurch  gewonnenen  Gestalt  enthält  die  Handschrift  abgesehen 
von  den,  wie  im  Panciatidiianus,  auf  frei  gebliebenen  Zeilen  und  Seiten 
zugesetzten  kleinen  italienischen  Balladen  und  französischen  Kompositioneni 
in  den  Lagen  eins  bis  f  ttnf  Madrigale  und  Oacoe  der  verschiedenen  Kom- 
ponisten, hier  in  der  Beihenfolge  Jacopo  in  der  für  sieh  abgeschlossen 
nen  ersten  Lage,  dann  Francesco»  Donato,  Giovanni,  Lorenzo, 
Gherardello,  Kiccolo,  Yincenzo,  Paolo  und  Bartolino,  am 
Schlnfi  der  fttnften  Lage  eine  Sammlung  verschiedenartiger  Kompositionen, 
unter  ihnen  wieder  solche  von  einigen  der  eben  genannten,  an  letzter 
Stelle  eine  Beilade  von  Andrea,  das  einzige  Stück  dieses  späten  Floren- 
tiners in  dieser  Handschrift  Die  folgende  eingeschobene  Tiiiire  6  durch- 
bncht  das  im  alten  Corpus  der  Handsdirift  durchgeführte  Prin/.i]>  der 
Gruppierung  nach  Kompositionsarten ,  indem  sie  verschiedene  Werke, 
Madrigale  und  Balladen  eines  Komponisten,  Paolo,  vereinigt,  darunter 
das  erwähnte  Godi  Firenxe  von  1406;  ihren  Schluß  bildet  eine  Ballade 
des  sonst  nirgends  vorkommenden  G  ian  Toscano,  der  mit  dem  älteren 
Giovanni  da  Cascia  nicht  identisch  sein  kann.  Auch  Paolo  kennen 
wir  außer  der  einen  bezeichneten  Ballade  in  Codex  Reina,  die  dort 
wieder  Unikum  ist,  und  einem  auch  hier  wiederkehrenden  Madrigal  im 
Codex  Tiondon  nur  aus  die^^em  Codex  Paris,  da  der  iliin  reservierte 
Kaum  iin  Codex  8i|uarcialu|)i  nieht  aus^^efüllt  ist  und  ( 'odex  Paiu  iatic  hia- 
uus  diesen  jüngeren  Meistei-  nocli  nicht  kannte,  ebenso  weniü:  wie  Andreas. 
Desto  reicher  ist  er  in  Paris  mit  2U  Knn)po>itionen  in  ih  n  )ieiden  ein- 
geschobenen Lagen  und  mindestens  noch  zwölf  im  iilt»  rt  ii  Corpus  vertreten. 

Mit  Lage  7  beginnt  dann  die  ausschließliche  Halladen-Sanuidun.£r  der 
Handsclirift,  eröffnet  durdi  eine  Lage  bezeichneter  zwei-  und  drei- 
stiuimiger  Bailaden  von  Francesco;  die  eingeschobene  Loge  8  bringt  elf 


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56 


Fnedrich  Ludwig,  IHe  jaehrsUmmige  Maük  d«8  14.  Jahriranderto. 


dreistimmige  Balladen  Paolo's:  die  foljjpnde  Lage  9  ]K'f,nnnt  mit  zwei- 
und  dreistimmigf  ii  Balladen  tbtiifMils  wn  Paolo  und  geht  dann  zu 
Balladen  Fnuui sco's  über,  die  sich  Ijis  zur  zwölften  Lage  ausdelmen 
und  sehr  liLUiiig  \  uu  anomTnen  Balladen  unterbrochen  sind,  oft  mit  Äus- 
radierung  des  Autornamens,  obwolil  dies  in  allen  Fällen,  wo  wir  den 
betreffenden  Balladen  auch  sonst  begegnen,  Francesco  ist.  Sonst  treffen 
wir  hier  nur  eine  Ballade  des  Ser  Feo,  der  mit  einer  anderen  im  Codex 
Pandaiichianiis  vertreten  ist,  und  die  auch  in  Codex  Beina  bezeidmet 
Torkommende  Ballade  des  Arrigo.  Betreffs  der  zugesetzten  kleinen 
Balladen  muB  ich  noch  ans  der  ersten  Lage  Gug Heimo  «nrahneni  der 
an  gleicher  Stelle  auch  im  FandatichianuB  und  mit  zwei  Kompositioneil  in 
London  schon  vorkam;  es  ist  der  einzige  von  diesen  geringeren  Balladen- 
Komponisten,  der  in  dem  Codex  Squamalupi  Aufnahme  gefunden  hat. 
Die  13.  Lage  giebt  dann  eine  kleine  Sanmilung  französischer  Kom- 
positaonen,  der  wieder  ein  paar  italienische  folgen»  die  letzte  die  schon 
früher  erwähnte  italienische  Messe,  Oloria  und  Jgnu9  von  Gherardello, 
Fairem  von  Bartolino,  Sanciua  von  Lorenzo  und  das  Bmedieamus 
anonym,  im  alten  Index  Paolo  zugeschrieben,  auBMem  ein  paar  zuge- 
setzte weltliche  Kompositionen* 

Der  Reichtum  dieser  Handschrift  ist  also  bedeutend;  füi*  die  letzte 
Phase  der  Entwicklung  des  toslvain'sehen  Madrigals  bei  Paolo  sind  wir 
&st  allein  auf  sie  angewiesen;  die  Modernisierung  der  älteren  des  Gliovanni 
und  Jacopo  ist  hier  wieder  einen  Schritt  weiter  vor  sich  gegangen;  dw 
Ausbeute  an  nur  hier  vorkommenden  Balladen  von  Paolo  und  anonymen 
ist  sehr  erheblich.  Die  Folge  der  Madrigal- Komponisten  weicht  vom 
Codex  Panciatichianus  nur  bezüglich  Jacopo's,  den  Codex  Paris  isoliert 
an  die  Spitze  stellt,  und  Donato's,  der  hier  noch  vor  Giovanni  steht,  ab ; 
das  Schwero^ewicht  der  f?anzen  Handschrift  bombt  wie  das  des  Codex 
l'anriatichianus  in  der  toskajüschen  Kunst,  neben  der  die  oberitalienische 
durchaus  zuriicMritt. 

Die  fünfte  und  lotztc  intakt  erhaltene  Handschrift  ist  die  grolite  und 
prächtigste  von  allen,  ein  Pergamentcodex,  der  im  15.  Jahrliundert  Fran- 
cesco's  Nachfolger  im  Ürj^anistenanit  Antonia  S*i uarcial upi  geliuite,  von 
seinem  Enkel  an  Loreiizu  Mediciö  Sülm  (iiuliano  geschenkt  wurde  und 
seitdem  eine  der  Zierden  der  Laurenziana  in  Florenz  bildet  (pal.  87j. 
Ihr  Inhalt  bind  aus.schhelilich  weltlielie  Kompositionen,  nach  Komponisten 
geordnet,  das  Anfangsblatt  jedes  Meisters  mit  beinern  Portrait  und  Hand- 
malureicn  über  Älotive  aus  dem  Text  der  ersten  Komposition  geziert. 
So  ist  die  Handschrift  eine  der  wenigen  italienischen  Musikhandschriften 
dieser  Zeit  mit  Miniaturen,  die  bei  den  französischen  so  häufig  sind; 
mit  Francesco's  Porträt  auf  seiner  Grabplatte  Tennitteln  diese  Ideinen 
trefflich  ausgeführten  Komponistenbilder  uns  auch  eine  Erinnerung  an 


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Pkiedridi  Ludwig,  Die  mebntiainige  Musik  dM  14.  Jahzbundtrti. 


67 


die  körperliche  Persönlichkeit  der  Mtistor.  Ambros  br  wund  orte  nament- 
lich den  rjf'siclitsausdruck  des  blinden  Francesco.  Die  iSammlung  ist 
nun  von  auüerordenilicher  Reichhaltiirktit.  V<»ii  dem  sonst  Erlialtenen 
vermissen  wir  in  ihr  nur  die  alten  kanonisclien  >r;uln>;il(',  einen  Teil 
der  Madrigali'  Giovanni's,  für  die  hinten  ein  Platz  nodi  eintreräiimt, 
aber  nicht  mehr  ausgefüllt  ist,  Piero  ganz,  Paolo  ganz,  dessen  Platz 
reserviert  ist,  aber  ebenfalls  leer  blieb,  doch  finden  wir  sein  Portrait 
hier  und  können  aus  der  Initiale  und  den  Randminiaturen  der  ersten 
Seite  sehen,  daü  sein  giußtes  Werk  Godi  Firenxe  an  der  Spitze  stehen 
sollte:  wir  vermissen  femer  eine  Reihe  kleiner  Balladen,  die  namentlich 
Codex  London  und  Codex  Paris  enthielt,  und  finden  von  den  Ober- 
itHlienem  der  mittleren  Zeit  nur  Bartolino  von  Padua,  diesen  dann  aber 
noeh  reichhaltiger  ab  im  Oodex  Beina  yertreten.  IKe  Anordnung  ist, 
wie  auch  aonat  bisher,  chroDologiBch,  und  auch  Francesco,  der  sonst 
Toraii9genommen  zu  werden  pflegte,  ist  hier  der  Reihe  der  Meister  ein- 
geordnet ^  Abschluß  der  eigentlichen  Trecento- Komponisten,  deren 
Entviddung  er  ja  in  der  lÄat  miterlebt,  mitgemacht  nnd  vollendet  hat 
So  stehen  in  dieser  Handschrift  an  der  Spitze  die  beiden  nachweislich 
Slteeten  Giovanni  und  Jaeopo;  die  dann  folgenden  sechs  Mittelitaliener, 
bauptsäcMch  mit  Madrigalen,  weichen  in  ihrsr  Ordnung  unter  sich  etwas 
▼on  der  sonstigen  ab^  unmittelbar  vor  Francesco  ist  der  Faduaner 
Bartolino  gestellt;  auf  Francesco  folgt  als  einziger  Tertreter  der  kleinen 
Balladen  Guglielmo,  mit  dem  hier  der  Frater  Egidius,  wie  er  Augu* 
stiner  aus  Paris,  zusammengenannt,  und  der  auch  durch  seine  im  Codex 
London  erhaltene  Komposition  eines  Madrigals  von  Sacchetti  seine  engere 
f  iililung  mit  dem  Florentiner  Künstlerkreis  verrät.  Den  Beschluß  bilden 
zwei  nachweislich  ^i&te  Meister,  der  päpstliche  Hänger  Zacharias  und 
der  Florentiner  Organist  Andreas,  beide  schon  dem  15.  Jahriiundert 
angehdng.  Kommt  der  \iel  gewanderte  Zacharias,  vAe  schon  erwähnt, 
zunächst  auch  im  Codex  Modena  wieder  vor,  und  begegnen  uns  nä- 
mentlich  seine  liturgischen  Kompositionen  dann  in  reirherer  Fülle  im 
noch  späteren  Codex  des  Liceo  in  Bologna  37  ,  amlere  z.  J^.  inich  in 
Oxford  (  Bodl.  Libr.  Canon,  misc.  21.'5J,  so  bietet,  da  der  Xonipuinst  An- 
drea de  Servi  des  Codex  London  anscheinend  nicht  luit  diesem  späteren 
Andreas  identisch  ist,  aulUr  einer  einzigen  in  Codex  Paris  zugesetzten 
Ballade  für  den  Florentiner  Andreas  Codex  Squareialni)i  die  einzige 
(Quelle  bisher.  Eben  dasselbe  ist  für  eine  sehr  stattliche  Anzahl  von 
Kompositionen  aucli  dei- Trecentisten  der  Fall;  außer  C  iuvanni,  dessen 
Kompositionen  allmiihli(  h  zu  erblassen  scheinen,  finden  wir  von  jedem 
hier  vorkommenden  Komponisten  die  reichhaltigste  Saniiulmii^  hier.  Um 
nur  einiges  zu  erwidmen,  so  lenien  wii  hier  von  .lacopo  sieben  Madrigale 
neu  kennen;  von  den  Balladen  Lorenzo's,  Donatu's  und  Gherar- 


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58 


Friedrich  Ludwig,  Die  mcbrsiiiuinige  Musik  des  14.  JulirhunderU. 


tlello'B  haben  wir  nur  hier  Proben,  die  Zabl  von  Niccolo^s  Werken 
erhdht  sieb  von  15  auf  40,  nnd  die  mebr  als  öO  nur  hier  Torkonunenden 
Werke  Francesco's  erweitem  unsere  Kenntnis  dieses  GhröBten  von  allen 
in  der  großartigsten  Weise.  Dem  allen  gegenüber  mufi  dann  die  vielfach 
festzustellende  Mangelhaftigkeit  der  Lesarten  im  Einzelnen  und  die  oft 
vorgenommene  Umgestaltung  der  älteren  Kompositionen,  wie  ich  meine, 
zu  ihrem  Schaden»  in  den  Hinteignmd  treten,  da  glttcklicherweise  uns 
ja  so  oft  die  Ui-gestalt  erhalten  ist  Ja,  die  Beobachtung  der  fortge- 
schrittenen musikalischen  Entwicklung,  die  sich  an  vielen  dieser  Yer- 
ändeningen  des  Originals  ausprägt,  gestattet  oft  einen  interessanten  Ein- 
blick in  die  verschiedene  Auffassung  der  verschiedeneu  Gentrationen  von 
manchen  auf  den  ersten  Blick  geringfügig  erscheinenden  Dingen,  die 
aber  dann  doch  das  große  Bild,  das  wir  von  dieser  Zeit  gewinnen,  mit 
vielen  des  Reizes  nicht  entbehrenden  Einzelzügen  ausstattet.  Wir  sehen, 
wie  lebendig  gerade  diese  italienischen  Kompositionen  sich  fortpflanzten, 
und  wie  man  überall  hier  und  da  zu  feilen,  Fehler  zu  emendieren,  diese 
oder  jene  Wirkung  zu  steigern  suchte,  wozu  freilich  auch  die  sehr  stjirke 
Ausbildung  des  virtuosen  Elements  in  dieser  italienischen  Kunst  viel 
häufiger  Anlaß  bot,  nh  etwa  die  gleichzeitige  französische  Mehrstinimic^kpit. 

Was  nun  noeli  die  Anordnungen  der  Komposition»  n  innerhalb  der 
einzelnen  je  einen  Meister  zusamntonf  issenden  ^mndungen  im  Codex 
Squarcialapi  angeht,  so  bilden  das  iiau}>t(  or|ms  von  Giovanni  bi«;  Niccolo 
immer  die  Madrigale  und  Caece:  giebt  der  Codex  überhaupt  bei  ihnen 
Balladen,  so  stehen  sie  auf  den  frei  gebliebenen  Zeilen  oder  unterbrechen 
nur  vereinzelt  einmal,  wie  bei  Niccolo,  die  Hauptfol;^e  der  Madrigale: 
bei  Bartolino  foljL,'en  sich  die  Balladen  und  Madrigale  untermischt,  bei 
Francesco  stehen  wieder  die  Madrigale  an  der  Spitze,  bei  den  fol- 
genden fehlen  sie  dann  gänzlich,  das  Madrigal  hatte  sich  in  dieser  musi- 
kalischen Form  überlebt,  Jede.sni.iI  ziert  den  Anfang  daa  bedeutendste 
Werk  des  betreffenden  Meisters,  das  sich  vielfach  auch  in  der  technischen 
Behandlung  besonders  auszeichnet,  so  bei  Giovanni  das  einzige  Sac- 
dietti-Madrigal,  das  er  komponierte,  Aynd  son  bianeo;  bei  Jacopo  eine 
große  dreistimmige  Komposition  des  allegorischen  Madrigals  Satio  Vim^ 
periOf  die  auch  den  Codex  Paris  eröffnet;  bei  Loren zo  und  Yincenzo 
je  eine,  bei  Lorenzo  außerordentlich  weit  ausgesponnene,  Komposition 
von  Ita  se  »'«ra;  bei  Donato  und  Niccolo  Madrigale  ihrer  Lieblings- 
dichter Soldanieri  und  Sacchetti,  bei  Gherardello  eine  Caeeia  des  auch 
als  Diditer  hervorgetretenen  Niccolo;  bei  Paolo  sollte  es  das  Florentiner 
Siegeslied  von  1406  sein;  bei  Bartolino  ist  es  das  merkwürdige,  in  allen 
fünf  großen  Handschriften  wiederkehrende  franzosische  Madrigal  La  douce 
xere;  schließlich,  da  wir  hier  von  den  letzten  Komponisten  absehen 
können,  bei  Prancesco  sein  großes  ernstes  dreitextiges  Madrigal 


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Friedridi  Ludwig,  Die  mdiFStiinmig«  Masik  de«  14.  JahrhnndertR. 


59 


Mumca  son  e  ml  dolgo  piavffcndo^ 
unter  dem  in  unserer  Handschrift  eine  hoheitsvollc  Prauengestalt,  die 
auf  einem  Portativ  spielende  Musik,  sitzt,  umgeben  voE  allerlei  musika- 
lischen Instrumriitt  ii  in  den  Rjindnialereirn. 

Es  ist  so  ein  hL-rrlichps,  Icbensvollos  <Janze,  das  uns  in  clem  ISiiiiarcia- 
iupi-Codex  entgegentritt  und  dtss» n  ausfülirlichere  lies(  hroibung  ich  auch 
an  (licst  r  Stelle  trotz  der  Besdiriinkung,  die  ich  mir  hier  für  die  Schii- 
dorung  der  it:dieiii<ehcii  ^lusik  aufi'rlerren  muß,  nicht  versiiuiiien  wollte. 

Desto  kürzer  können  wir  uns  bei  den  zwei  letzten  liieriier  i,'eliörigt'n 
Hantischnften  fassen.  Die  zwar  an  AnsiK-hnunj;  sehr  f^erini,'e,  aber  der 
national  so  vielgestaltigen  Keichhaltiirkeit  ihrer  Znsaiumensetznni:  weiren 
besonders  interessante  schon  erwähnte  Prager  Handschrift  iiat  auch  eine 
Ballade  von  Francesco  aufgenommen,  anonym  und  oliue  Text,  wie  ihre 
sonstigen  Werke,  aber  ohne,  wie  so  oft  bei  den  französischen,  den  Cüutra- 
tenor  zu  unterdrücken.  Schließlich  finden  wir  Francesco  und  Zaccaria, 
Bartolino  und  andere  spätere  Oberitaliener  mit  rerschiedenartigeQ 
Werken  an  mehreren  Stellen  des  Codex  Modena  wieder,  der  nns  für 
nnsem  vorliegenden  Zweck  besonders  dadurch  wertvoll  ist,  daß  er  uns 
zeigt,  wie  weit  sich  auch  inmitten  von  Werken  des  neue  Bahnen  ein- 
schlagenden 15.  Jahrhunderts  solche  des  14.  lebensühig  erhalten  haben, 
unter  ihnen  außer  denen  Bartolino 's,  dem  der  Sammler  des  Codex 
Modena  als  engerer  Landsmann  nahe  gestanden  zu  haben  scheint,  gerade 
solche  von  Guillaume  Machault,  dessen  Namen  man  schon  nicht  mehr 
kannte,  und  Francesco  Landini. 

Damit  haben  wir  den  Kr^  der  Quellen,  die  uns  f&r  die  mehr- 
stimmige Musik  des  italienischen  Trecento  bis  jetzt  fließen,  beschlossen 
und  könnten  nun  nicht  bloß,  wie  bei  der  französischen  Musik,  zu  einer 
Darstellung  der  Komposition  des  italienischen  Madrigals,  Caccia  und 
Ballade  übergehen,  sondern  auch  die  einzelnen  Meister  in  ihrer  Eigenart 
vor  uns  wieder  ersteben  lassen,  die  Oberitaliener  auf  der  einen  Seite,  auf 
der  andern  die  Toskaner  und  die,  die  diesen  so  nahe  stellen,  wie  in 
älterer  Zeit  Jacopo  von  Bologna  und  später  Yincenzo,  im  Codex 
Pfti  is  von  Imola,  im  Codex  Squarcialupi  von  Rimini  genannt,  und  der 
Sacchetti- Verehrer  Niccolo  von  Perugia.  Und  für  mich  persönlich  ist 
dies  dasjenige  Gebiet  ira  Umkreis  unseres  Themas,  in  das  ich  mich  zu- 
erst und  zuletzt  vertieft  habe,  dessen  großes  Quellen-Material  ich  in  einer 
im  wesentlichen  schon  jetzt  drnrkfertigen  kritischen  Ubertrairung  der 
Otientlichkeit  vorlef^en  ki'mnte.  wenn  die  Golfireniieit  sieh  fände.  Ich 
muß  mich  hier  aber  auf  eine  Andeutung  der  (irundiinien  dieser  Darstellung 
beschränken. 

Wir  würden,  weini  wir  an  die  Schilderung  dit-^er  Kunst  gehen,  den 
Bau  des  Madrigals  und  der  Ballade  zuei-st  ins  Auge  fassen,  das  !Madi'i- 


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60        Friedrich  Lndwig,  Die  melintiinmig«  Mmik  dw  14  J«]ir]iiiiid«rto. 


gfil  aus  ineiireren  mnsikalisch  sich  einfach  wioflorholenden  Strophen  meist 
zu  je  drei  musikalisch  sehr  l»n'it  und  untei-  einantlcr  liochst  abwechslungs- 
reich anp^ele^rb'!!  Zeilen  und  einem  auf  die  letzte  Strophe  folgenden  ganz 
knappen  Kitornell  bestehend,  die  Ballade  dagegen,  wie  die  franzüsisrhr 
Chanson  baladee  aus  zwei  etwa  gleich  laueren  musikalischen  Abschnitteu 
sich  zusammensetzend,  die  sich  immer  zweimal  wiederliolt  im  Ldeicheii 
Wechsel  wie  beim  französischen  Vorbild  folgen,  ein  Anfaugsteil  iiijoem. 
dann  die  ätrophe  aus  zwei  Stollen  und  Abgesang,  wobei  der  Abgesang 
metrisch  der  Ripresa  entspricht,  auch  im  Reim  in  sie  überleitet  und  musi- 
kalisch nur  die  Komposition  der  Ripresa  wiederholt,  und  am  Ende  jeder 
Strophe  die  ^Iu>>ik  <ler  Rii)resa  auch  mit  dem  Anfangstext.  Wir  würden 
dann  weiter  sehen,  wie  die  Italiener  die  musikalische  Wiedergabe  dra- 
matisch bewegter  dichterischer  Scliilderungen  erst,  durch  die  paradisische 
Natur  ihres  Vaterlandes  angeregt,  aus  dem  geseUigeu  Leben  in  der 
Natur»  dann  aiidi  ans  dem  Sftrafidnlebeik  der  Stadt  entdeckan,  wie  sie  als 
musikaltsdie  Ausdrucksfonu  dieser  nach  den  zuerst  beliebtesten  Jagd<- 
szenen  CSa^oia  genannten  Dichtungsgattung  den  Canon  zwischen  swei 
Stimmen  verwenden,  mit  Ausnutznng  vieler  der  musikalischen  Effekte, 
die  diese  regelmäßige  Wiederkehr  der  oft  sehr  belebten  Sitnatioaen  in  der 
einem  Stimme  bald  darauf  in  der  andern  und  das  glmchzeitige  musikap 
lische  Zusammentreffen  zweier  solcher  Momente  in  beiden  Stammen  mit 
sich  bringt,  das  Ghmze  über  emem  ein&chen  Tenor  sich  erhebend  und 
in  ein  ganz  madrigakrtiges  Bitomell  am  SchluB  auslaufend.  Und  diese 
kanonische  Form  würden  wir  dann  schon  in  ältester  Zeit  auch  auf 
manche  dichterisch  streng  gebaute  Madrigale  angewandt  finden,  dann  aber 
mit  der  Zunahme  französischen  Einflusses  Tersohwinden  sehen.  Bei  allen 
( Kompositionen  wttrde  uns  die  überaus  klare  musikahsche  Disposition  der 
'  einzelnen  Zeilen  entgegentönen,  die  uns  in  mancher  Beziehung  auf  die 
mehrstimmigen  alten  lateinischen  Konduktus  zurückblicken  läßt,  melis- 
matische  Ausgestaltung  der  ersten  und  der  vorletzten  Silbe  und  kürzere 
melodische  Deklamation  der  mittleren  Silben  des  Verses,  meist  acht  an 
der  Zahl,  sei  es  nun,  daB  der  Text  gleichzeitig  in  den  verschiedenen 
Stimmen  erklingt,  sei  es,  da(t  er,  namentlich  im  Madrigal-Ritomell,  in 
f  der  einen  beginnt  und  in  der  andern,  oft  rhythmisch  oder  melodisch 
j  nachahmend,  folgt.  Betreffs  der  Stimnienzahl  würden  wir  die  Vorliebe 
der  Italienei'  für  die  Zweistimmi-jkeit  feststellen  müssen,  besonders  bei 

i 

I  den  Moreutineni.  die  hei  den  MadriL'alen  nur  in  besonderen  Ausnahme- 
fiillen.  abgesehen  natiirheh  von  (h'u  kanonisclieii  l\ouip(>>iti(ineii,  zur 
I  )reistimniigkeit.  im  h(M  hbleu  l*athos  dann  aiich  einmal  verhundeii  mit 

.  1  )reite.\tii:krit,  sclni  iien,  und  auch  bei  den  Balladen  die  Dreislimmigkeit 
nur  \ erhältuismüliig  seltener  verwenden  u?id  meist  nur  da,  wo  uns  auch 

,  sonst  ein  weittragender  Eintiuli  der  französischen  Korapositionsweise,  für 


IMedridi  Lndwig,  Di«  melnntiiiuiuige  Musik  dei  14.  Jahrhondflita. 


61 


die  ja  die  Dreistimmifrkoit  mit  nur  «  iiifr  Tt  xtstimme  be';onder8  charaktc- 
ristisrli  prsrhien,  crsiclitlich  ist ;  dafür  liaben  aber  dif-  italienischen  Kom- 
positionen Text  in  beiden  Stimlnen,  bei  den  Madrigalen  ausnahmslos,  Q 
auch  bei  den  dem  französischen  EiuHuß  viel  mehr  zugänglichen  Balladen 
bei  den  meist-en  Komponisten  ebenso  regelmäßig,  bei  andern  diesem  Ein- 
fluß auch  in  bezu^  auf  die  Textbehandlung  stärker  unterliegenden  Meistern 
wenigstens  überwiegend,  übrigens  in  den  verschiedenen  llunilschriften 
dann  (»ft  wechselnd  uns  entgegentretend;  und  gerade  dieses  Maßhalten 
bezüglich  der  Ausdehnung  der  Zalil  der  Stiininen  kumint  der  lebens- 
volleren melodischen  Ausgestaltung  der  cinzclnuu  Stimmen  auf  der  andern 
Seite  anBeror^entlich  zu  j^ute.  bei  den  Älteren  noch  mehr  wie  bei  den  in 
dieser  Beziehung  immer  laxer  -werdenden  Jüngeren;  ist  die  Komposition 
dxeistmunig  mit  nur  zwei  Textstimmen,  so  bilden  entweder  die  beiden 
kanonischen  Oberstimmen  dies  fttr  die  Italiener  so  charakteristische 
Ganze,  von  einem  einfachen  Tenor  gestützt,  oder  es  entsteht,  wie  bei 
einer  größeren  Anzahl  von  Balladen,  eine  neue  interessante  Foirn,  in 
der  Oantns  nnd  Tenor  den  Text  singen  und  eine  Mittelstimme  ohne  Text 
hinzutritt,  unter  denen  sich  Perlen,  wie  Firancesco's  Öram  pümto  agU 
oeesftt  finden.  H&tten  wir  die  fein  empfundene  Eigenart  der  Italiener 
auf  diesem  Gebiet  kennen  gelernt,  sähen  wir  dasselbe  auch  bezOghch  der 
Auffassung  vom  Rhythmus,  nicht  blofi  in  der  Vorliebe  für  die  Anlage 
des  Ganzen  in  einem  breiteren  Bhjthmns  überhaupt,  sondern  auch  in 
der  Abgewogenheit  in  rhythmischer  Beziehung  zwischen  den  einzelnen , 
großen  Teilen,  wie,  seinem  Wesen  entsprechend,  das  Bitoraell  des  Map  i^^-  • 
drigals,  das  mir  einmal  am  iSchluB  des  Ganzen  ertönt,  eine  andere  rhyth- 
nusche  Behandlung,  wie  die  vorausgehende  mehrfach  wiederholte  Musik  ' 
zur  Strophe,  verlangt  und  erhält,  und  wie  im  Gegensatz  zum  Madrigal  i 
die  beiden  Teile  der  Ballade  in  das  ihrer  mehrfachen  abwechselnden  | 
Aufeinanderfolge  bei  dem  Vortrage  des  Ganzen  angemessene  rh^-thmische 
Verliältnis  gesetzt  sind;  und  wir  würden  dieses  Streben  nach  rhythnuscher 
Viellieit  in  der  Einheit  bei  den  einzelnen  Zeilen  der  Madrigalstrophe 
z.  B.  wieder  in  der  mannigfachsten  Art  im  einzelnen  zu  Tage  treten 
sehen,  ohnv  daß  der  Fluß  de«?  (ian/en  darunter  litt«'  oder  daß  das  Re- 
sultat zu  rh}'thmiseh  so  verzwickten  Bildungen  führte,  wie  wir  sie  bei 
den  Franzosen  antreffen 

Wir  würden  dann  weiter  bei  den  Zusaimncnkliingen  ja  noch  genug  i 
Härten  und  aller  Art  Fortschreitungen  finden,  deren  Unmöglichkeit  und  ! 
Fehlerhaftigkeit  später  zu  den  elementaren  Sätzen  der  Kouipo»iti(»ns- 
Technik  gehört  und  die  uns  von  der  Mitte  des  If).  Jahrhunderts  an  auch 
nielit  mehr  so  begegnen,  daneben  aber  auch  «  ine  Fülle  von  Stellen,  die 
beweisen,  wie  oft  die  Itj^liener  dem  (.)hr  gegenüber  den  Vorbebriftcn  der  ■ 
Schule  zu  folgen  wagten  und  dal»ei  zu  Wirkungen  kommen,  die  wir  bei  i 


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62 


FriedhoL  Ludwig,  Die  mehrstimmige  Musik  des  14.  JahrhimderU. 


den  Franzosen  vergeblich  suchen.  Wir  würden  freilich  in  der  drei- 
stimmigen Komposition  noch  die  völlig  erst  im  15.  Jahrhundert  über-^ 
wundene  Behandlungsart  der  dritten  Stimme  in  Geltung  beolmchten,  die 

I  es  dem  Komponisten  nicht  Terttbelt,  die  dritte  Stimme  zu  dem  sonsttgen 

I  zweistimmigen  Satz  gelegentlich  dissonieren  zu  lassen,  wenn  sie  nur  zu 
einer  der  beiden  andern  konsoniert,  obwohl  auch  hier  in  der  Praxis  der 
einzelnen  Fälle  ein  tiefgehender  Ünterschied  zwischen  Franzosen  und 
Italienern  sich  zeigt 

Wir  würden  in  tonaler  Beziehung  im  Gegensatz  zu  den  Franzosen 
zuerst  ein  Streben  nach  Beichtum  der  TonartenTcrwendnng  beobachten, 
eine  lebhafte  Ausnutzung  der  modulatorisch^  Abwechslung,  die  das 
Sechs-Tonarten-System  der  einstimmigen  Musik  in  erhöhtem  MaBe  bei 
der  Mehrstimmigkeit  gestattet,  und  würden  aber  bald  in  der  BaUade  den 
französischen  Einflufi  der  strengeren  Ausprägung  der  Tonalltät  wachsen 
sehen,  bis  uns  in  gröfierem  Umfango  bei  Francesco  eine  stattlidio  An- 

/zahl  von  Balladen  entgegentritt,  (Vw  in  vielen  teclinischen  Bezielmngen 
ein  getreues  italienisches  Spiegelbild  der  französischen  Chanson-baladee- 
Form  sind;  und  im  Gegensatz  zu  der  Mannigfaltigkeit  der  Zttge  in  dem 
universaleren  Bild  Frfincrsco's  würde  uns  das  unbefangene  volle  Sich- 

\  Ausleben  italienischer  Musikempfindung  in  dem  älteren  Madrigal  in  neuem 
Lichte  erscheinen. 

Nach  Gewinnung  dieser  Gesamtumrisse  von  der  Entwickelung  der 
italienischen  ^fphrstimmiijkcM't  im  Trecento  und  ihrem  Zustand  in  den 
einzelnen  Phasen  in  größeren  Zügen  wür«l<'!i  wir  walirnelimen,  dali,  in- 
dem, wie  überall^  daneben  noch  ein  weiter  Sj)ielraum  für  ixTSönliche 
Eigenart  der  Komponisten  bleibt,  diese  Italiener  die  ersten  Komponisten 
derMusikgpschichte  siiul.  deren  Künstler-Individiinlitiiten  so  markante  Merk- 
male haben,  (laß  sie  auch  uns  iioch  erkennbar  binil.  liei  (liovanju  und 
Piero  träfen  wir  da<<  Madrigal  mit  seiner  ganzen  T<mfreu(ii<,'keit  in  bezug 
auf  lieithtuui  der  Melodie  und  Mannigfaltigkeit  des  lihythmus  in  seiner 
reinsten  und  bei  den  kanonisrlien  Madrigalen  und  Cacce  strengsten  Form; 
in  ihrer  ganzen  l'nbefangenheit  strömt  die  musikaH5?ehe  Empfindung  hier 
in  Kompositionen  heiterer  und  traui'iger  äußerer  und  innerer  Erlebnisse 
in  Natur  und  Menschenleben  aus.  Bei  Jacupo  fänden  wir  den  Ki'eis 
der  musikalischen  Ausdrucksmittel  außerordentlich  erweitert,  das  Ver- 
hältnis der  zwei  Stimmen,  zu  denen  bei  ihm  zuerst  gelegentlich  auch  eine 
dritte  Textstimme  tritt,  in  vielen  kleinen  Zfigen '  interessanter^  die  musi- 
kalische Terbindung  der  einzelnen  Zeilen  lebhafter,  die  Stimmführung 
flüssiger,  die  Zusammenklänge  mit  der  neuen  häufigen  Verwendung  Ton 
Terzen,  Sexten  und  Dezimen,  viel  mannigfaltiger  sich  folgend,  femer  das 
Stoffgebiet  der  Kompositionen  auf  Dichtungen,  wie  das  pathetische  Aquäa 
altem^  das  klagende  0  cieco  mondo  di  Utsinghe  pienOf  das  ernste,  gegen 


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Friedlich  Ladwig,  Die  mebntiimnige  Mniik  des  14.  Jalirhimdeite. 


63 


miHikalisrhcs  Pfusclicituui  grnVlitpt«»  OsrUrtto  srlrngifi^  auf  (1ms  politische* 
^ ielc^'enhrits^t'diclit  und  so  fort  ausgcdelint.  Mit  d*'ni  Florentiner  T^o- 
renzo  würden  wir  dann  bereits  aucli  l)ezüglicli  teclnusc  iier  Meisterst  liiift 
den  erstell  Gipfel  dieser  Kunst  erreichen,  die  Leicht i?,'keit  und  Eleganz 
T)t?wundem.  mit  »ler  dieser  von  allen  luclismenreichste  Meister  die  oft  sehr 
lang  anfirelegten  Sequenzen  in  der  Melodie  anwendet,  mit  der  er  die  ein- 
zelnen Stimmen  in  der  N'üchahmnnp  sich  mit  einander  verbinden  läüt. 
mit  Bevorzugung  tUir  Antwort  in  der  Quint,  mit  der  er  weiter  drei-  und 
fünfgliedrige  rhythmische  Bildungen  im  Wechsel  zu  den  der  Zwei- 
stimmigkeit der  Kompositionsanlage  natürlich  entsprechenden  zwei-  und 
TiergUedrigen  bevorzugt,  mit  der  er  acbliefilicli  die  Synkope  in  seinen 
Im  Ganssen  meist  rhythmisch  sehr  groBzttgig  angelegten  IdAdrigalen  zu 
behandeln  weiB,  und  -wir  würden  besonders  bei  Lorenzo  nnter  den  älteren 
tms  an  der  goldenen  Klarheit  seines  ganzen  mehrstimmigen  Satzes  nnd 
der  Treffncheiheit  erfreuen,  mit  der  er  seine  EinfiUle  und  seine  Büttel 
der  musikalischen  und  poetischen  Litention  seiner  oft  dichterisch  auch 
bedentenderen  Texte  unterthan  zu  machen  weiß,  ja  im  Vollbesitz  seiner 
technischen  Meisterschaft  eine  Tenor-Behandlung  wie  die  in  seinem  Pavero 
xappaior  wi^^en  darf.  Donato  da  Oascia,  einen  besonders  vielseitigen 
Madrigalisten,  Gherardello,  den  letzten  Komponisten  von  ausgesprochen 
allr-florentiner  Eigenart,  und  Niccolo  von  Perugia,  den  ersten  und  ein- 
zigen, in  dessen  künstlerischem  Schaffen  Äfadrigal  imd  Ballade  sich  das 
Gleichgewicht  halten,  wollen  wir  hier  schneller  Ubergehen,  um  zum  Mittel- 
punkt in  Francesco  Landini  zu  gelangen,  des^^en  Madrigale  eine  neue 
Plia.se  in  der  Entwickelung  dieser  nach  seinem  Tode  bald  absterbenden 
einst  so  ausschließlich  und  so  originell  gepflegten  Gattung  aufweisen,  Si 
dolce  non  tmd  mit  dem  modalen  Tentnr,  De  dimmi  mit  zwei  in  der  Quint 
kanonisch  sich  folgenden  Unterstimmen^  Per  la  'nfluenxa^  das  sogar  den 
Gegensatz  der  Strophen-  und  Ritomell-Behandlung  fallen  und  beide  wie 
bei  einer  Ballade  in  den  «irlpichen  Schluß  auslaufen  läßt,  auf  ganz  ande- 
rem Boden  als  ein  (Tiovnniii  oder  Lorenzo  stehend,  —  Francesco,  dessen 
Baliaden  andererseits  ih  n  fxanzen  Reichtum  ausbreiten  und  ersch(»pfen, 
der  in  dieser  immer  ausschließlicher  beliebt  werdenden  Form  ruhte,  die 
in  ihrer  cvklischen  Gestaltunj?  zurück  z.  B.  auf  die  Allehiia-  und  Gra- 
dual-Form  des  jedenfalls  aucii  in  Italien  eiitstandeuen  jjregorianisehen 
Gesanges  und  nach  vorwärts  auf  zwei  auch  in  Italien  ausgebildete  Formen 
von  so  universaler  Bedeutung  für  die  Musikgeschichte,  wie  die  italienische 
Arien-  und  die  SonatcTiforni,  weist.  Von  der  dreistimmigen  Ballade  mit 
drei  Texten  und  so  kunst\  (illen  R«imbeziehungen  untereinander  wie  Perche 
(Ii  twro  sdtgno  bis  hinab  /.um  einfachsten  Gebilde  von  zwei  Stimmen  mit 
Text  nur  im  Cantus  hat  Francesco  alle  Gattungen  iler  Ballade  gepflegt. 
Er  erscheint  uns  in  den  zweistimmigen  imd  den  von  den  dreistimmigen, 


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.  64         Friedricli  Lndwig,  Die  mdmfeimmige  Musik  des  Ii.  Jahrhimderte. 


die  wenigstens  zwei  Textstinunen  haben,  als  Vollender  der  Florentiner 
BaUade  in  der  ausdrucksvollen  Melodik,  in  der  fließenden  Stimmffihniiig, 
in  der  Beinheit  der  Zusammenklänge^  in  der  Breite  des  Rhythmus,  die 
nur  selten  zu  gunsten  der  kürzeren  französischen  Rhythmen  Terlassen 
wird|  z.  B.  in  dem  gerade  in  seiner  ihythmischen  Prägnanz  so  ansdracks- 
vollen  Sie  maktdetta  Fora  eH  wnA  in  der  tonal  so  helriedigenden  Aus- 
gestaltung der  Schlttsse,  wie  wir  sie  in  dem  von  ihm  bevorzugten  Quint- 
oder QoartveihSItDis  zwischen  beiden  erblicken.  Und  er  erscheint  uns 
in  den  dreistimmigen  Balladen  mit  nur  einer  Teztstimme  mit  kurzen 
Rhythmen  und  Bevorzugung  der  Tonart-Gleichheit  zwischen  Kipresa  und 
Strophe,  oft  auch  mit  Übereinstimmung  der  fjanzen  Schlufitakte,  in  glück- 
lichem Ausgleich  des  italienischen  Naturells  mit  dem  französischen  Vor- 
bild, das  er  so  in  sich  aufnahm,  daß  er  auch  französische  Teste  in  dieser 
Form  komponierte.  Und  verglichen  wir  dann  die  höchst  subjektive 
Durchdringung  von  Musik  und  Dichtung  in  Francesco's  Lebenswerk  mit 
den  i-uhig^  ich  möchte  sagen  leidenschaftslosen  Anföngen  bei  Giovanni 
und  Piero,  SO  würden  wir  staunen  Uber  die  Schnelligkeit,  mit  der  dieser 
Entwicklungsweg  in  der  einen  Stadt  Florenz  in  wenig  mehr  als  zwei 
Generationen  durchmessen  ist. 

Als  letzter  Florentiner  Tieceiitist  von  Bedeutung  würde  sich  Paolo 
anscidieüen,  eine  musikuliscli  reiche  Persönlichkeit,  in  der  zum  letzten 
Mal  das  Madrigal  auflebt,  dichterisdi  verändert,  musikalisch  aber  kon- 
servativor  behandelt  als  bei  Francesco,  und  deren  zweistimmige  Balladen 
jetzt  vollkommen  hinter  den  den  französischen  Einfluß  von  allen  am  un- 
versöhntesten dokumentierenden  dreistimmigen  zurückti*eten,  welch  letztere 
namentlich  in  den  in  Codex  Paris  eingeschobenen  Lagen  erhalten  sind, 
während  das  alte  Corpus  dieses  Codex  mehr  die  Werke  mehr  itahenischen 
Stils  enthielt.  Andreas,  der  Florentiner  Organist,  würde  uns  unter 
den  Ausläufern  am  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  noch  eine  Nachblüte 
der  Ballade  vor  Augen  führen,  und  Zacharias,  der  oben  hesprochene 
Sänger  des  Paji^tes,  besoiidors  mit  seiner  jetzt  ganz  verwilderten  und  in 
das  denkhar  niedrigste  Niveau  hinahgezogenen  Caccia  einen  unrühmhchen 
öchluü  dieser  Ijei  den  Alteren  so  anmutenden  Form  bilden  i). 

Von  den  Oberitalienem  würden  wir  außer  Vincenzo,  def^sen  Oacce 
schon  den  Anfang  des  Verfalls  bilden,  bisher  nur  Bartolino  als  be- 
deutendere Persönlichkeit  umreißen  können,  der  vorläufi?  die  oberitahe- 
nische  Art  des  Madrigals,  die  dem  Florentiner  enger  verwandt  ist,  und 
die  viel  eigenartigere  der  obentaiienischen  Ballade  uns  verkörpern  muß. 


1]  Eine  größere  Anzahl  v><ii  i  ken  der  genannten  Koniponistcn  in  moderner 
t'lieHrarnin'r  veröffentlichte  J.  Wolf  in  der  i^MOM  Mustca,  Anno  XV  N.  46  und  VI 
N.  64  und  Sapimelbäade  m,  4,  ä.  618  ff. 


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1*  nedhcU  Ludwig,  Die  melirstimmige  Musik  des  14  Jalirhunderts. 


Auch  in  der  Ballade  überwiegt  bei  ihm  der  zweistimimge  Bau  aus  Tenor 
und  Cantus  iftit  Text  in  beiden  Stimmen,  und  charaldieristisch  für  ihn 
und  andere  Oberitaliener  ist  dann»  daß»  erweitert  sich  die  Stimmenzahl, 
dies  durch  ein  Triplum  mit  Text  vor  sich  geht,  was  bei  den  Florentinern 
nie  Tozkommt,  und  daß  auch  die  lebhaften,  ursprünglich  madrigalesken 
rhythmischen  Bildungen,  wie  z.  B.  der  Duodenar-Bhytbmus,  hier  auch 
den  Melodieflufi  der  Ballade  beleben,  deren  Teile  Überwiegend  im  Quint- 
oder Quartrerhaltnis  su  einander  kadenzieren,  kaum  ein  einziges  Mal  im 
gleichen  Ton  schließen  und  nie  die  Strophenzeilen  in  differenzierten  F«r A» 
und  Ckiuao  auslaufen  lassen. 

,  Mit  einem  Blick  auf  den  Umfang  des  Verlorenen,  den  wir  nicht  nur 
für  Ob^talien  allein  aus  den  £!ragmenten  der  einen  Handschrift  schließen 
müssen,  die  uns  von  so  mancher  von  den  Italienern  g^flegten  Gattung 
und  so  manchem  Namen  allein  Kunde  geben,  sondern  auch  für  Florenz 
aus  den  Tiden  anderweitig  überlieferten  Namen  von  ]&mponi8ten  er^ 
sdien,  dc»ien  wir  bisher  noch  keine  Kompositionen  zuweisen  können, 
müssen  wir  unsere  Übersicht  über  Italien  jetzt  beenden  und  stehen  da- 
mit am  Schluß  unserer  Aufgabe,  in  deren  Rahmen  die  Hineinziehung 
der  musikalischen  Thätigkeit  der  anderen  Völker  auf  dem  Gebiete  der 
Mehrstimmigkeit  zunächst  nicht  lag.  Es  wären  nur  Tereinzelte  Bausteine, 
die  ich  außer  den  Notizen  aus  Schriftsteller-Berichten  oder  Rückschlüssen 
aus  späterer  Zeit  zusainiueiitni'j;c'ii  k<iiintc:  für  andere  rüiuauische  Völker 
aus  einzelnen  Kuiii{)ositioiicn  des  Cudcx  Hfiüa,  für  England  aus  Codex 
Chantilly  und  kleinen  englischen  Publikationen,  und  für  die  geraianisclieii 
Stämme  des  Festlandes  aus  Codex  Prag,  der  in  seiner  bunten,  wenn 
auch  musikalisch  und  t»'\'tlicli  leider  so  dürlUgun  Zusannuensetzuntr  aus 
niederdeutschen,  fnmzu.si.si  hen  und  der  einen  italienischen  Kuuiposiiiuu 
einen  so  interessanten  Einblick  in  das  musikalische  Leben  von  Karls  fV. 
Kaiserresidenz  bietet,  weiter  aus  Codex  Reina,  der  italienischen  liondouer 
Handsclu*ift,  aus  den  spärlichen  erhaltenen  Nachrichten  der  veibrannten 
Straßburffer  Handschrift,  aus  einigen  Mitteilungen  (Jcrbert's  in  seinem 
De  fd/itu  i't  maaica  sacra^  aus  einer  Motette  jetzt  in  JSt  Paul  und  einer 
zweitextigen  lateinischen  und  deutschen  Komposition  einer  Präger  Hand- 
•  Schrift,  schließlich  aus  dem  seit  Ambros  mehrfach  besprochenen  und 
gedruckten  Tag-  und  Nachthom  des  Mönches  von  Salzburg  in  der  Col- 
marer und  der  Mondseer  Liederhandschrift,  dem  Liebesduett  mit  dem 
Wächter  im  Tenor  aus  der  letzteren  und  zwei  Martinsliedem  aus  einer 
Lambacher  und  Tegemseer  Handschrift*).   Das  können  wir  aber  auch 


1   über  Cod.  Prag  vergleiche  Wolf.  a.  a.  0.;  tierbert,  Dr  f  niitu  I,  S.  136  fl". 
II.  S.  121  ff.;  über  die  Motette  ia  St.  Paul  Koller  iu  den  MouatshelUjn  XXU,  S.  43  f. ; 
über  die  folgende  Kompoution  Ambro»,  Geschichte  der  Musik,  8.  Aufl.,     S.  683 1\ 
s.  d.  I.  M.  IT.  5 


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66 


Friedrich  Ludwig,  Die  mehntiiniiiige  Musik  des  14.  Jahrhunderts. 


aus  diesen  EinjEel-Notiaea  wohl  feststellen,  dafi  es  keins  dieser  Lander 
bereits  in  diesem  Jahrhundert  zu  einer  so  ausgebildeten  und  so  reichen 
Ausgestaltung  von  Formen  ffir  die  mehrstimmige  Musik  gebracht  hat» 
wie  Frankreidi  und  Italien. 

Auch  eine  andere  Gattung  mehrstimmiger  Musik  unserer  Zeit,  die 
abcrMlI  gepflegt  wurde,  kann  ich  hier  kurz  übergehen:  es  sind  einfache 
lateinische  Gesänge,  vielfach  schon  aus  älterer  Zeit,  zum  Teil  ursprüng- 
lich sich  an  eine  Stelle  der  Litur<^e  anlehnend,  zum  Teil  in  freier  Weise 
religiöse  Empfindungen  ^vicd ergebend,  seltener  der  Unterhaltung  dienend, 
textlich  in  der  mannigfachsten  Form,  musikalisdi  meist  einfach  Note 
gegen  Note,  syllabisch  oder  rnit  kleineren  Melismen,  oft  auch  mit  Stimm- 
tausch  in  den  einzelnen  Gliedern  der  Strophe  gesetzt,  die  wir  in  Hand- 
schriften  aller  Herren  T/ändcr  immer  wieder  finden,  nicht  bloß  bei  den 
HauptiiatioTiPn,  sondern  auch  an  der  Peripherie  der  damaligen  abend- 
lündisclien  Kultiii-.  Sie  lassen  sich  mehrstimmig  in  czcchischcn  Hand- 
schriften, wie  der  Hühi'iifurther  aus  dem  Anfang  iU^s  lo.  .Jahrhunderts 
und  dem  Imssitischen  Cantional  von  Jistebniz,  die  Dreyes  beschrieb, 
nachweisen,  später  auch  mit  den  nielir^timmieen  czechiscbcn  T\'/ralf-Ue- 
sängen  zusammen;  wir  tinden  sie  ebenso  in  den  schwedischen  Schulliedern 
des  16.  Jahrhunderts  vor,  die  wir  durch  Norlind  kennen.  Um  nur  zwei 
von  ihnen  /,u  verfolgen,  haben  wir  das  2 stimmige  Jrf  i  fuitmu  kikn  i\nch 
Dreves  und  Wooldridge  außerdem  handschrütlich  in  Berlin,  Sttitt^'art, 
Engelbert'  und  Cambridge,  und  das  ebenfalls  :2  stimmige  Zacheus  arb<ms 
usccndil  fand  ich  eine  Quart  höher  in  A'enrdig  wieder 'i. 

Gehört,  wie  bemerkt,  ein  großer  Teil  dieser  Werke,  auch  ihrer  Musik, 
einer  älteren  Zeit  an,  in  der  die  National-Sprachen  noch  nicht  ausgebildet 
waren  und  Latein  noch  die  Textsprache  der  Komponisten  aller  Nationen, 
so  gehört  dodi  ein  Hinweis  auf  ihre  Eriialtung  im  14  Jahzhundort  zu 
einem  Yollstandigen  Bilde  der-  mehrstimmigen  Musik  dieser  Zeit;  ihre 
Verbreitung  können  wir  uns  nach  den  Broben  ihrer  Lebensfähigkeit,  die 
wir  noch  aus  dem  16.  Jahrhundert  haben,  nicht  groß  genug  vorstellen. 
Ein  Weiterleben  dagegen  der^  kunstvolleren  lateinischen  mehrstimmigen 
KondiüctuSj  die  einst  die  Blute  der  weltlichen  mehrstimmigen  Musik  im 


die  letzterwähnten  Werke  wurden  zuletzt  herausgegeben  von  Biet  sc  b  in  den  Acta 
Qermamca  IV,  8  64  ff.  nach  den  flsadsefarüten  Wien  2866  und  4096  und  MOnohea 
Ggm.  4997  und  716.  ünbekaimt  iit  mv^  ob  die  TOn  Vogel,  Jahrbaoh  der  Mmik* 
Bibtiothck  Peters  I,  S.  61  crvi'Uhnte  Innsbnteker  Handachrift  des  14.  Jahrhiuiderto  in 
diesen  oder  den  folgendon  AVisat/  frphi'irt. 

1)  Dreve»,  Amlccta  hymnka  1;  Norlinii,  in  Sammelbändo  11,  4,  S.  602  ff. 
Ad  eanlium  letide  siehe  Horlind,  a.  a.  0.,  S.  594,  Dreves,  Änaieeta  XX,  S.  80  nnd 
Wooldridge,  a.  a.  0.,  I,  pt.  28;  Zackens  siehe  Norlind,  a.  a.  0.,  S.  603  und  Vene- 
dig, Marc.  ital.  cl.  IX,  146,  f.  90. 


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Friedrich  Ludwig,  Die  mehntuninige  Muiik  des  14.  Jabriranderti. 


67 


12.  und  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  ^'cwoseu  waren,  können  wir 
für  das  14.  Jahrhundort  nicht  mehr  feststellen.  ' •     i-.  J  "'^^7 

Die  eigenen  Werke  d»;s  14.  Jahrliunderts  nun,  deren  Gestalt  und 
Gehalt  ich  jetzt  in  flüchtigen  Umrissen  vorzuführen  versucht  hahe,  geben 
der  Forschung  ein  so  reiches  unil  so  zuverlässiges  Material,  das  seine 
Früchte  zu  spenden  jetzt  erst  beginnt,  daß  wir  erst  die  vollen  Residtate 
seiner  Durcharbeitung  und  seiner  Darstellung  abwarten  wollen,  ehe  wir 
uns  weiter  auf  schwankenden  Boden  begeben,  indem  wir  nach  dem  Ein- 
fluB  der  sogenannten  Volksmusik  und  der  Infitramentalmunk  spüren, 
Fragen,  die  schon  h&nfiger  auf  dem  Gebiet  der  mittelalterlichen  Musik- 
geschichte überhaupt  Forscher  in  die  Irre  geführt  haben.  Die  selhstän-l 
dige  Instrumentalmusik  hat  zweifelloe  als  Kunst  auch  im  14.  Jahrhundert' 
existiert  und  geblüht^  freilich  sind  ihre  Werke  selten  auf  gezeichnet  wer-' 
den,  und  aus  französischer  Ftovenienz  ist  mir  nur  die  kleine  Anzahl' 
l^nze  in  einer  Paiiser  Handschzift  (f.  ir^.  844),  wohl  aus  dem  14.  Jahr- 
hundert, sonst  aus  dem  13.  stammend,  bekannt^  ans  italienischer  nichts; 
die  englnche  Orgeltabulatur  habe  ich  schon  früher  erwähnt  Daß  weiter  < 
anch  in  der  knnstgerechten  Ausführung  der  franzosisdien  und  italienischen 
Yokahrarke  unserer  Epoche  die  Instramentalbegleitung  eine  große  Kolle 
spielte,  ist  cfbenlaUs  zweifellos.   Wir  sehen  die  Kom])onisten  z.  B.  öfter 
ein  Portativ  spielend  abgebildet;  ich  kann  mir  wohl  denken,  daß  der 
Tenor  auf  diesem  Instrument  gespielt  wurde,  das  auch  die  längsten  Töne 
des  Tenor  auszulialten  imstande  ist  und  ein  Sich-Selbst-Begleiten,  wie  die 
Streich-  und  Zupfinstrumente,  gestattet.   Es  soll  aber  liier  nicht  meine 
Aufgabe  sein,  zu  den  nekn  Hypothesen  über  die  Instrumental-Fraxis 
des  Mittelalters  eine  neue,  in  der  Hauptsache  ebenfalls  nur  auf  Ver- 
mutungen sich  stützende  hinzuzufügen;  an  Schriftsteller- Angaben  darüber 
<leren  Sammlung  verdienstlich  wäre,  fehlt  es  bekanntlich  zwar  nicht,  alx  r 
wie  oft  sind  sie  poetisch  frei,  wie  oft  nnirenan.  und  wie  oft  hf-klRgen  wir 
nicht  gerade  ancli  hier  unsern  Mangel  an  anschaulicher  Kenntnis  auf 
dem  Gebiete  der  musikalischen  ]{ej)rodnktion. 

Desto  größer  soll  dann  aber  unsere  Krtnule  darüber  sein,  daR  wenig- 
sti  ns  von  der  musikalischen  Produktion  liu  scr  Zeit  so  viel  erhalten 
ist,  wenn  wir  uns  noch  einmal  kurz  vergegenwärtigen,  wie  wir  zu- 
erst die  liturgischen  Kompositionen  bis  in  den  AnfaiijL!;  des  15.  Jalir- 
hunderts  hinein  verfolgten,  in  desaen  Verlauf  sie  sich  zur  ^oßartigsten 
Pracht  entfalten  sollten,  wie  wir  dann  die  Motette  sich  während  des 
ganzen  Jahrhunderts  in  Wechsel  voller  Gestalt  erhalten  sahen,  in  ihrer 
Tenor-Behandlung  den  Boden  bereitend  für  den  Weg  auf  die  schwindeln- 
den Höhen  der  Tccliiiik,  die  die  mehrstimmige  Musik  nun  bald  erklomm, 
wie  wir  weiter  im  An-^-chluB  die  einstimmige  Musik  die  knappereu  | 
Formen  der  französischen  Mehrstimmigkeit  in  Ballade,  Chanson  balladee  = 

6* 


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68 


Friedrich  Ludwig,  Die  meiirstimmige  Musik  des  14.  Jabrhuuderts. 


and  Bondeau  fdch  entwickeln  sahen,  und  wie  wir  scbliefilich  die  herrliche 
Entfaltung  der  italienischen  Musik  in  den  formen  des  Madrigals,  der 
Caccia  und  der  Ballade  erlebten,  für  jene  Paris,  für  diese  neben  dem 
Hof  der  Skaliger  in  Verona  und  dem  ihnen  unterworfenen  Padua  nament- 
lich Florenz  das  Centrum. 

Das  heraufziehende  15.  Jahrhundert  bringt  eine  veränderte  Situation. 
Seit  1405  herrscht  in  Verona  Venedig,  das  gerade  jetzt  seiner  glanzroU- 
aten  Zeit  entgegengeht;  es  ist  bekannt,  welche  Pflege  die  mehrstimmige 
Musik  im  15.  Jahrhundert  in  Venedig  fand,  ich  erinnere  nur  an  die  an- 
ziehende Schilderung  bei  Ambros  von  der  Kultur  und  der  Musik  in 
dieser  Zeit  in  Venedig.  Florenz  hatte  sich  im  14.  Jahrhundert  musikalisch 
erschöpft.  Wie  es  in  der  nächsten  Folgezeit  keinen  Dichter  henorbrachte, 
würdig  seiner  großen  Dichter-Söhne  des  Treconto  und  ebenbürtig  seinen 
bildenden  Kiinstlern  und  seinem  Lorenzo  de'Medici,  so  tritt  es  auch  in 
der  Produktion  der  hohen  Musik  zurlick.  bis  am  £nde  des  16,  Jabi^ 
hunderts  seine  flauem  wieder  Zeugen  der  Morgenröte  eines  neuen  Tages 
in  der  Musikgeschichte  werden,  der  den  musikalischen  Ruhm  von  Florenz 
nachdrücklicher  verbreitet  hat.  als  es  sein  so  vielseitiger  Komponistenkreis 
des  Trecento  gethan  hatto.  Wir  haben  <|Ufnititativ  betrachtet  sehr  viel 
mehrstiminifje  ^Nlu-^ik  aus  Florenz  auch  im  (Quattrocento:  wn"«^  davon  aber 
über  die  Ta.i,'esunt«rhaltung  hinaus  auch  der  Kiitwicklunij  (h  r  Musik  im 
Ganzen  zu  Gute  gekommen  ist,  liegt  auf  ganz  anderem  Gebiet  als  seine 
Treceiito-i\unst. 

In  lioiu  Wild  der  päpstliciie  Huf  ein  (VMilruni.  das-  nicht  nur  den 
Gottesdienst  in  der  musikalisch  feierlic  hstt-u  niui  kun>lv(»llsteii  Art  aus- 
gestidtet,  sondern  dus  auch  für  musikalische  Krzielmng  in  weittragendster 
Weise  sorgt,  und  damit  ein<  u  ;s.nu  uubefechränkten  EinHuÜ  auch  auf  das 
Musikschaffen  in  aller  Herren  Länder  gewinnt,  deren  bedeutendste  T(m- 
setzer  zahlreich  in  llum  das  Handwerk  ihrer  Kunst  leinten  oder  wenij»- 
stens  von  solchen,  die  es  aus  erster  Hand  hatten,  von  JJufay  bis  auf 
Falestrina,  den  auch  aus  dem  päpstlichen  Sängerchor  hervorgegangenen 
größten  Meister  der  vocalen  Mehrstimmigkeit  Uberhaupt. 

Auch  in  Neapel  bildet  sich  zur  Zeit,  als  der  Tielschreibende  Nieder- 
länder Tinctoris  als  Musikprofessor  dorthin  berufen  wurde,  unter  den 
Auspizien  musikbegeisterter  Mitglieder  der  Königsfamilie  ein  reicheres 
musikalisches  Leben,  ebenso  wie  an  manchem  kleineren  Hof  Italiens,  der 
die  großen  Meister  häufig  wenigstens  als  Gäste  bei  sich  sah.  Und  so 
finden  wir  in  dem  für  die  Musik  auch  des  Auslands  so  dankbaren  Italien 
eine  große  Inrasion  von  auslandischen  Künstlern,  Deutschen,  Nieder^ 
ländem,  Belgiern,  Franzosen,  Engländern,  Spaniern,  die  dann  oft  fem 
von  ihrer  Heimat  ihre  Lebensstellung  und  ikaen  Wirkungskreis  fanden, 
wenn  ihr  unruhiges  KUustlerblut  sie  nicht  auch  im  Alter  noch  von  Ort 


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Friedridi  Ludwig,  Die  mehntiittiiuge  Musik  des  14.  Jahrhunderts.  69' 

zu  Ort  trieb.  Und  wie  in  Italien,  ^(>  wird  es  ähnlicb  in  Fraiikrcicli,  wo 
auch  die  l)ur;,'uiidische  Nebenlinie  des  Königshauses  sicli  als  ;?roße  För- 
derin der  Tonkunst  zeigt,  und  nicht  anders  in  den  anderen  Tiändem. 

Die  nationalen  Formen,  die  das  14.  Jabrhundei  t  <5f>  fruchtbar  gepflegt 
hatte,  verschwinden  bei  diesem  lebhaften  Austausch  der  Künstler  zwischen 
den  Nationen.  Die  Weltsprache,  das  Lateinisdie,  nimmt  als  Sprache  der 
Texte  wieder  stark  zu,  regt  aber  den  Komponisten  in  viel  objektiverer 
Weise  an,  als  z.  B.  die  italienischen  Texte  des  Trecento,  die  auch  als 
Diclitungcn  oft  schon  so  vollendet  waren  und  in  ihrer  Komposition  zu 
Werken  wurden,  bei  denen  Dichter,  Komponist,  Sänger  und  rul)likura 
alle  das  eine  Florenz  am  Arno  in  den  toskanisehen  Beiern  zur  Heimat 
hatten.  Jetzt  war  es  nichts  8eltpne<<,  wenn  ein  Deutseher  mit  eim  ra 
Engländer  vor  einem  italienischen  Publikum  <l:e  Komposition  eines  Nie- 
derländers über  den  Text  eines  Franzosen  sani;,  und  wie  im  Chor  in 
Rom,  SU  erseheuien  einträchtig  alle  Nationen  nelicneinander  in  den  Hand- 
schriften, schon  von  dem  oft  erwähnten  Codex  Mudenu  un,  der  liturgische, 
lateinische,  italienische  und  französische  Texte  ganz  bunt  durcheinander 
bringt,  was  für  viele  Handschriften  jetzt  die  Regel  wird. 

l'nterschciden  sich  die  künstlerischen  Ziele  des  15.  Jahrhunderts  so 
auch  sehr  wesentlich  von  denen  des  14.,  und  hat  das  15.  auch  mit  der 
der  Musikgeschichte  eigentümlichen  Rücksichtslosigkeit  in  dem  Hochgc- 
fiiU,  ^  in  der  Musik  nun  so  herrlich  weit  gebracht  zu  habeoi  viel  weiter 
als  die  Torfabren,  die,  wie  «ch  Tinctoris  etwas  klobig  anndr&dct,'  adeo 
hiepk^  adeo  »itM^se  komponierten,  ut  rmdto  poUu»  awres  offenäebant  quam 
dekatabcmtf  tkatsächlidi  die  Werke  des  14.  Jahrliunderts  so  vollkommen 
der  Yergessenheit  anheim  lallen  lassen,  daß  sie,  man  kann  sagen,  bis  zu 
nnsera  Zeiten  dann  ruhten,  so  wollen  wir  als  Historiker  doch  wiedef 
das  Band  betonen,  das  beiden  Zeitaltem  gemeinsam  ist,  nnd  den  kttnst- 
leri8<^en  Emst  und  die  kfinstleriscbe  Inspiration  zu  erkennen  und  zu 
wttrdigen  Suchen,  die  ebenso  wie  'Dufay  und  Okenheim  und  Josquin 
des  Präs,  so  auch  einen  Francesco  Landini,  war  er  an  technischer 
Meisterschalt  auch  noch  so  sehr  viel  Smer,  in  Tdnen  das  zu  sagen  trieb, 
was  ihm  sein  Bmeres  bewegte.  Erst  dadurch  bekam  auch  nach  Dante*8 
Auffassung  die  Dichtung  ihre  ganze  künstlerische  Vollendung,  si  poesim 
rede  eonsideremus,  quac  nihil  aliud  est  quam  ficta  rhetorica  in  musicaqw 
posHUf  wie  es  in  der  Schrift  <h'  rulgari  doquentia  heißt,  inmttsica,  der  Dante 
auch  im  Cmvito  dieselbe  Macht  über  seine  Seele  zuschreibt,  die  aus 
beinahe  jedem  (jcisang  des  Purgalorio  und  Paradiso  hervorleuchtet,  im 
Com^  mit  den  Worten:  La  musica  ime  a  se  gli  spiriH  tatinnl,  che 
aono  quasi  pHndpcdmmte  rapori  del  cuore,  sicchv  quasi  cessam  da  ogm 
cperaxvme]  si  h  Tanima  intera  qvando  Pode  e  la  virtu  di  tutÜ  ^tasi  corre 
aBo  spirito  sensünle  ehe  riceve  ü  auono. 


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70 


Julien  Tienot,  Eonsard  «t  la  mtuique  de  so&  tempe. 


Bonsard  et  la  musi^ue  de  soü  temps 

Julien  Tiersoi 

(Paris.) 

L 

«If  mtine  and  aweet  poetry  agree, 

As  thvj  nittst  needs,  thc  sister  And  ihe  broder .  .  .  > 

Ainsi  commence  im  sonnet  de  Shakespeare.  Mais  <1('ja.  a  IMpoque  oü 
fuient  Berits  ces  vera,  cette  belle  frstemitd,  cet  accord  intime  de  «musiqiie 
et  douce  poe»ie>  subissait  les  premieres  attcintes  d'un  Telachemeat  que 
le  grand  siede  commen^ant  aUait  definitivement  accomplir.  Le  sonnet 
m@me,  malgre  lo  coTnninn  sentiment  d'estime  i[u'il  proclame  pour  Tun 
oomme  pour  Tautrc  des  deux  ai*ts,  manifeste  que  que  leur  union  n'ctait  deji\ 
plus  absolue:  «Thou  lov'st  tlio  onc  and  I  the  other>,  continuc-t-il :  « Tu  ainios 
Vune  et  j'aime  lautre;  ton  goüt  est  ])Our  Dowland,  le  inien  pour 
Spenser')  .  .  .>.  Mais,  avant  Shakespeare,  cela  iTi«*ino  n'cftt  puint  viv  assez. 
II  n'^tait  pat»  sufÜsaut  qu'il  n'y  efit  pas  antagonibme  declare  eutre  les 
poHes  et  les  musiciens :  il  fallait  runioii  c  ()n)])](  le,  intime,  entre  la  musique 
et  la  pocsie:  ces  deux  iormes  <lo  l  ii  t  lyrique,  dn  plus  primitif  coinme  du 
plus  savaut,  semblaient  ne  poinoir  exister  qu'associees  entre  elles,  et 
souvent  le  poöte  et  le  musicieu  ne  faisaieut  qu  un. 

N'en  etait-il  ainsi  aux  origines  de  Part?  Qui  peut  dire  si  les 
auteurs  anonymes  de  nos  antiques  chansons  populaires  ^taient  plutot  des 
ciseleurs  dr  vers  que  des  compositeurs  de  mclodies?  Avec  le  progr^s 
de  la  cultun  liitt  iaire,  les  geures,  il  est  vrai,  tendirent  ä  .se  separer; 
mais  jusqu'ii  la  ün  du  XVI'  siecle  les  mcilieurs  poet^^s  etaieut  restejj  lei» 
amis  sinceres  de  la  musique  et  des  musiciens.  Bien  des  vers  de  Clement 
Mar  et  s^etaieut  repandus  parmi  le  peuple  sous  forme  de  chansons ,  et 
868  psaiunes,  compos^  pour  les  airs  qa^amonisa  Gondimsl,  toent 
longtemps  les  principaux  cbants  de  ralliement  des  r^form^  de  France. 
Melin  de  Saint  Gelais  semble  avoir  «^tc-,  professionnellement,  pres(|U6 

r  Sponser  <'t;iit  uii  poete  du  temps  de  Shakespeare.  Quaut  ä  Dowland  , 
c'etait  un  luthiste  cvlebre,  qui  fut  tour  k  tctur  litiacbi*  a  la  oour  de  Danemark  et  ä 
celle  d'Angleterrc,  et  a  laisse  plusieurs  cabiers  do  musique  de  lutb  de  sa  conipositiou. 
Ob  tronve  dans  rinUresaaate  eoUeotion  des  Lmttempider  de»  XVL  Jahrhuttderltt  de 
3f.  Oscar  Chilchotti.  une  C/torcn  Anglicana  DoirUtmii,  tirie  d'ua  recaeil  du  frauc- 
comtuis  Be-'.'iril.  ir»0.3  .  duquel  il  est  aussi  (jiiestion  dans  un  autre  travail  flu  inritu" 
auteur,  itnjuini''  (hiiis  le  nvui'il  du  Cofujirs  internal ioual  iThiiiiotrr  dr  la  tnu,siqut  t'  ^n 
ä  Paria  en  lyoO  [pp.  179  et  suiv.,.  he  uom  de  Jüannm  Dooland  Anglus  y  est  conipn^ 
parmi  ceux  des  autenrs  «tout    fait  ignordst. 


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Jniien  lienot»  Bonaard  ^  la  mntiqiae  de  aon  tempc 


.71 


autant  musicien  que  pofete  de  cour.  II  ttait  habilc  joueur  de  lutli.  Une 
de  ses  pifeces  de  vers  «Sui-  ime  guiterre  espaignole  rompue  et  puis  faicte 
rabiller  par  Mouseigneur  d'Orleans  etant  malade»  se  rapporte  ^  un  in- 
cident  d'une  le^on  de  musique  donnee  par  lui  h  co  jetme  prince  •  l  Enfin 
Ronsar«!  lui  a  fait  honneMr  d'une  initiative  que  iui-memc  auiait  bien 
volontiers  revendiquee  : 

Salut  (:>elais,  qui  etait  rorueineut  de  notre  uge, 
Qui  le  premier  en  France  a  ramenä  rosage 
De  saToir  chatouiller  lea  oreUles  das  roia 
Par  un  luth  mari^  aux  douceurs  de  la  Toix, 
Qni  au  ciel  ögalait  aa  divine  Harmonie  •  • 

Mais  c'est  ä  Bonsard  en  personne  que  revint  le  premier  röle  dans 
cette  action  en  faveur  de  l'tmion  de  mudque  et  poesie. 

D  s'y  trouvait  incit^  |»ar  plusicurs  motifs.  D'abord,  par  un  respect 
instinciif  de  la  tradition  nationale.  Car,  ai  grand  revolutionnaire  qu'il  ait 
paru  en  son  temps,  Ronsard  n'en  est  pas  moins,  incontestablement,  le 
poetc  francais  par  excellence.  Toute  sa  revolution  litteraire  a  consiste 
ü,  enrichir  la  langtie  et  trouvor  des  fonnes  nonvelles,  mcrveilleusement 
ada|>t('«^s  h  la  tournure  de  son  m'^nio;  mais  il  n'a  rien  detruit:  il  n'a  fait 
qu'ajouter  a  Tapport  d^  sfs  pr«'decesseurs;  i't,  en  somnie.  la  partie  de  son 
ceuvre  qui  a  ganl»'  1»  ])ius  hdriement  la  niarciue  de  Tesprit  de  la  race  est 
Celle  qui  a  le  niieux  survecu.  ür,  nous  l'avons  d('ja  vn.  la  tradition  essentielle 
de  Tart  lyrique  fran*;ais.  c'est-ä-dire  l'uniun  de  st  s  deux  elements  essen- 
tiels,  n'etait  pas  enc«»!«'  tomhi'ü  en  dt-sut'tude  en  son  temps. 

Le  plus  grave  reproche  que  ses  adversaires  lui  aient  adress^  est  qu'il 
ait  «en  francais  parl«^  grec  et  latin».  Co  qui  veut  dire  qu'il  avait  subi 
riiiiluence  des  lettres  antiques,  et  s'en  inspirait  volontiers,  Or,  la  po^sie 
lyrique  de  raiititiuitt',  au  moins  Celle  des  Grecs,  n'avait  jamais  dissocie  la 
po^sie  de  la  musique. 

Enfin  un  goüt  personnel  tres  prononce,  et  dont  il  a  donne  de  nombreux 
ttooignages,  Tattira  constamment  Ters  Tart  des  combinaisons  musicales,  — 
"bien  qu'il  flit  sourd,  —  comme  Beefhoven*)! 

1)  (l-Airrrs  romplites  tir  Mcllin  de  Saint-Geluis,  Mitinn  RlriMf  heniain,  1,236, 
2;  (Kunrp.s  coDipIt'tPS  f/c  Ronsard:  Lc  Boenf/r  ro'i'ii  Edition  Blaiirheinain,  lll, 
3Ö5.  Un  coinmeutateur  du  meine  po^te  dit  «{u  il  navait  «composer  en  tuus  geures 
de  Vera,  «t  mirtont  ü  eatoit  excetlent  ponr  laa  lyrique«,  lesqueb  il  metioit  «n  nmiiqne, 
lea  ebanteit»  lea  jouoit  et  sonnoit  sur  des  insiruments,  ätant  poHe  et  musicien  voeal 
ai  instrumental*.  CßluTres  de  Mellin  de  Saint -GidaiH,  «  dttion  de  1719,  avis  au  lecteur 
(extrait  de  la  Biblioth^ue  fran^-aise  de  la  Cr  oix  du  Maine). 

3]   la  maladie, 

Far  M  B^y  quel  deatin,  me  vint  boneiier  ToaTei 
Et  dura  m*aooabla  d*aMoiBmeinent  si  Imird 
Qn'encorefl  atijoin  trhuy  j'en  teste  demy-sourd. 
(Emn$  de  Boniard,  Elegie  XX.  Edition  Blanchemain,  IV,  2%. 


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12 


Julien  Tienot,  RooMrd  et  1«  mosiqae  de  lon  tempe. 


11  y  avait  donc  toutes  les  raisons  du  mondo  pour  que  Ronsard,  le 
piince  des  poMes  de  son  temps,  favorisut  le  mouvement  parallele  de  l  art 
musical,  et  qu'il  tentüt  ile  Tassocier  ä  sa  i^oesie. 

H  n'avait  pas  de  voix;  il  en  a  fait  l'aveu  lui-meme: 

Je  chaute  quel^üefois, 
Mais  c*e8t  bien  rarement,  car  .j'ai  mauyaise  voix. 

Cependant  il  ne  pouvait  hVn  ]invur.  «La  musicpie  lui  *'tait  a 
singulier  plaisir,  ^crit  uu  de  ses  premiers  biographes;  et  pnncijjalemeüt 
aimait  k  chanter  et  ouir  chanter  ses  vers,  appelant  la  Musique  soeur 
pumde  de  la  Poesie,  et  les  Fontes  et  Musiciens  enfants  sacres  des  Muses, 
que  Bans  ht  Mumque  Ift  PoSme  tftait  presque  sans  gräce,  comme  la  Musique 
Bans  la  m^lodie  des  Ten  inanim^  et  saus  vie*).»  XJn  autre  grand  poete, 
arec  plus  de  richesse  d^expression,  a  pr^sent^  U  m^e  oppoeition  entre 
les  fioritures  instramentales  qni  s*eparpillent  saus  le  aoatien  de  la  parole^ 
et  le  chant  qui  s'^lance  snr  Faile  de  la  po^ie: 

»Denn  Helodieni  Gänge  und  Läufe  ohne  Worte  uud  Binn,  sclieiiien  mir 
Sdunetterlingen  oder  ediSnen  basten  VQgd»  Umlleli  zu  aeyn,  die  in  der 
Luft  vor  unseren  Augen  hemm  schweben,  die  wir  allenfallB  haschen  und  uns 

zueignen  mögten;  da  sich  der  Oesang  dagegen  wie  ein  Genius  gen  Himmel 
hebt,  und  das  bessere  Ich  in  uns  ihn  zu  begleiten  anreizt.«') 

Nous  aurons  par  la  suite  &  rcproduire  plusieurs  docomeiits  importants, 
^manant  de  Ronsard  meme,  qui  attesteront  son  grand  amour  delamnsiqne: 
pour  riostant,  tenons-nous  en  &  quelques  tdmdgnages  que  nous  apporteut 
ses  Ters. 

Voici  d'abord  des  fragments  dun  sonnet  qu'il  a  publik  deux  fois,  eu 
le  dediant  successivement    deux  joueurs  de  luth^): 

Oyant  ton  cliant  anr  tons  m^lodicux, 
Jn  oy,  je  meurs,  je  suis  plein  de  manie, 
Kt  ttllement  ton  accord  me  manie 
t^ue  je  deviens  et  sage  et  furieux  .  .  . 

Las !  pour  t'ouir  que  n'ai-je  cent  aureüles, 
Ou  sans  t*oulhr  que  ne  suis-Je  un  roeher? 

II  t'cnt  l'epitapiie  tl  Albert  de  Kipe,  le  plus  celfebre  lutbiste  de 
son  temps: 

Qu'  oy-je  en  rc  tonihean  resonner?  —  Une  lyre  .  .  . 
C'est  Celle  d  uu  Albert,  que  Phebus  au  poil  bloud 


1)  Vie  de  Bomard,  par  Claude  Binet,  ie09.  (Euvm  de  Bonmrd,  Edition  Blanche- 
main,  'Vü,  fil. 

2)  Goethe.  Wilhelm  Meister,  H,  11. 

3)  Cea  deux  joueurs  de  luth  furent,  le  premier  [edition  dp  1567)  Guillaume  de 
Yaumesail,  le  second  1578)  Jacques  Edintbon.  Voy.  Michel  Brenet,  iVo/e« 
«ur  PkiMre  du  bOk  m  F^mie§t  1889,  p.  BL 


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Julien  Tienot,  Bonsard  et  1»  matique  de  son  tempi. 


73 


Apprit  dös  le  bercenu  et  hiy  doiina  la  harpe 
Kt  le  luth  le  meillfiir  (|u'il  mit  onc  en  escharpe*, 
Si  bieu  qu  apres  sa  niort  8on  lutii  meames  euclos 
Dedans  sa  tombe  encor  sonne  oontre  ses  os^). 

Et  combien  d'odes  et  de  chuusüns  A  sa  Li/rr,  A  sa  Guiferre,  A  soji 
LnÜ/f  M^r.  Charles  Comte  et  Paul  Laumouier,  dans  uu  opuscule 
dont  il  sera  i)liisieuiN  fois  question  au  cours  de  ce  tiavail,  iiOiit  pus 
releve  moiiis  de  viugt-ciiK]  citations  de  ce  genre  dans  uii  st  ul  des  huit 
volumes  de  son  ceuvre^i.    Tantot  le  poete  interpelle  rinstiumeiit: 

Vieu  ü  moy,  inon  luth,  (\ue  j  uccorde 
Uue  üde,  pour  la  fredonuer 
DesauB  la  mieux  parlante  corde 
Que  Phoebus  t'ait  Toulu  donner  ... 

Tantdt  fl  en  fait  usage  ponr  quelque  s^r^nade  amoureuse,  ou  poiir 
accompagner  le  chant  et  Ui  danse  en  joyeuse  coinpagnie: 

Ke  sonner  ä  aon  hui« 

De  ma  guitterrei 
Ny  |>our  eile  lea  nuis 

Dormir  ä  terre  >  .  « 

Fay  venir  Jeanne,  qa*elle  apporte 
Soll  Inth  pour  dire  niio  chanson : 
\ous  balleioiiH  tous  troin  au  huii.  •*) 

L'on  auiait  tort  de  ni'  voir,  dans  les  expressions  mnsicalcs  employees 
en  ces  vers,  que  des  firtiuns  analognes  ?i  rellcs  des  jiot'tcs  latins  disant: 
'Je  chantc»,  et  parlant  de  ieur  lyn-,  alors  (juils  no  so  servirent  jamais 
d'ancim  instnunent  et  que  leurs  vers  ('taient  siinpleinent  recites  ou  lus. 
Ciiez  l{on8ard,  riiitention  est  totit  autre:  les  luths  ou  les  guitares  dont  il 
parle,  instruments  (|ui  etaient  dans  toutes  les  raains  a,  von  epoque,  soiit  des 
rt-alites  parfaitement  roncn'tes.  Quant  i\  ce  qu'il  appelle  ^la  fiyre»,  c'est 
parfois  la  poesie  seule;  mais  dans  boaucou])  de  eas,  ce  iiiot  veut  designer  la 
musique  en  general,  et  de  preference  la  jiiusi(iue  chautee:  d'autres  fois 
fnfin  c'est  purement  et  siniplement  nn  insttument  ä.  cordos  quelcunque, 
qu'il  veut  dire  Si  ron  dtuitait  dr  rexactitiide  de  cette  interprc-fation,  les 
citations  d'un  aulre  urdru  qui  vont  suivre  preciscraient  sans  doutc  ce 
iiui  pourrait  paraitre  encore  incertain. 

n. 

Ronsard  voolat,  airons-nous  dit,  mettre  en  honneur  en  France  Tanlique 
po^e  l)Tique.    Sa  pretention,  avou(*e  des  son  premier  d^nt,  fat  d*^re 

1)  Ronsard,  Ed.  Blanchcmain,  VII,  247.    Cf.  M.  Brenet,  loe.eit.  13. 
2  Ch.  Comte  et  F.  Laumonier,  Bomard  et  les  mtuidem  du  XVI*  sifcie, 
1900,  p.  11. 

3)  Bonsard,  (Eiwres,  ed.  Blanchemain,  U,  137,  149,  220. 


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74 


Julien  Tiersot,  Hoasard  et  la  musique  de  son  temj». 


le  Pindare  fran^ais.  Nous  la  T070D8  affirm^e  avec  autant  de  nettet^ 
qiie  dUnsistance  dans  le  «Prdfaoe  mv»  an  derant  de  la  premiere  impresdon 
des  Ödes»,  ^crit  qui  remonte  k  1550,  cWt-ä-diie  k  la  niigt-siziäme 
aim^  de  son  &ge. 

«Mais,  t'crit-il  eu  8'adressaut  au  lecteur,  quaud  tu  m'appeUeras  le  pre- 
mier  auteur  l3rrique  fnm^ais  et  cehiy  qui  a  guid4  Im  autres  an  dienun  de 
91  honneste  labeoTf  Ion  tn  me  rendras  ce  qae  tu  me  dois  ...» 

<  J'osay,  le  premier  des  noetret|  ditrü  an  peu  plna  loin,  enridiir  ma  langne 
de  ce  mot:  Ode.» 

n  aTOue  ponrtant  que  son  premier  eeaai  fut  imparfoit,  «pour  n^estre 
me8ur6  ne  prope  ä  la  Ujre  (c'est-2i-dirc  la  musique},  ainsi  que  Tode 
le  reqniert,»   U  se  loue,  ndanmoins,  de  Toir  «par  son  moyen  les  vieuz 

lyriques  si  heurcusement  ressiisritez». 

£nfin,  apres  avoir  rappele  au  lecteui-  le  souvenir  des  antiques  für- 
mes,  d^Hni  bri^Tement  la  Strophe,  Tantistrophe,  T^pode,  ^voque  Pindaie 
faisant  chanter  ses  vers  «esoris  h  la  louange  des  vainciueurs  Olympiens, 
Pythiens,  Numeans,  Isthmiens»,  et  donne  en  passant  un  coup  de  patte 
aux  coiirtisans  (lui  n'admireut  qu'un  petit  sonnet  pc^trarquise ,  ou  quel- 
quc  niifjnnrdisf'  d'amour»,  momies  productions  auxquelles  il  oppose  encore 
uue  fois  Pmdiue.  il  ajout«^  la  declaration  siüvantc,  dont  la  demiere  parüe 
a  une  impqrtance  musicale  qui  n'ecbappera  ^  persouue: 

«Teiles  iuventions  encores  te  feray-je  voir  dans  mes  auti-es  livres,  oü 
tu  pourras  (ßi  lea  muses  me  favorisent  commc  jo  iVsp^rr'  cniitein})lf'r  de  plus 
preä  le»  suinct'es  conceptions  de  Pindare  vi  se»  uiiuiiiablei»  iucuui^tauces  que 
le  temps  uous  avoit  si  longuemeut  celees;  et  feray  eucorc  revenir  (si  je  pui«) 
Tuaage  de  la  lyre,  aujourdliui  reisascit^  en  Italie,  laqueUe  l>Te  seole  doit 
et  peut  animor  les  Ters  et  leur  donner  1»  juate  poids  de  lenr  gravit^.» 

Ainsi,  de  mime  que  rhistoiie  de  Tart  nous  a  montre  des  musiciens 
d'un  genie  sup^rieur,  —  tel  Gluck,  —  soudeux  avant  tout  de  la  juste 
expression,  proclamer  la  Subordination  de  1&  musique  k  la  pocsie,  de  meme 
▼oyons-nous  le  plus  grand  po^  du  seiziöme  si^cle  affirmer  la  n^cessit^ 
d'ajouter  le  chant  aus  rers  afin  de  faire  oeuvre  lyrique  compl^te. 

Et  il  ne  faut  pas  croire  qu*il  s^en  soit  tenu  k  de  Tains  projets,  car 
nous  allons  voir  son  seoond  livre  parattre  avec  Tappendice  d'une  partie 
musicale  dans  laqnelle  une  ode  pindarique,  qui  est  une  de  ses  productiona 
les  plus  consid^rables,  se  trouvera  mise  en  musique  par  un  des  plus 
graads  maStres  du  temps,  Goudimel. 

H  precha  donc  d^ezemple;  et  en  mime  temps  il  sut  pr^ciser  cet 
exemple  par  le  pr^cepte.  Yoici  deux  extraits  de  son  <Abn?g^  de  Tart 
po^quc  fran^ais>  qui  ach^veront  de  nous  faire  connaftre  ses  id^  avec 
une  nettet^  qui  ne  laissera  plus  rien  k  dösirer: 

»Tout  ainsi  que  les  vers  Latins  ont  leurs  pieds,  nous  arons  en  notre 


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Julien  Tienot,  Bonnrd  ei  1»  nmsique  de  ton  tempi. 


75 


Poesie  FraiK.'oise  une  certaine  nicsure  de  8yllal«cs,  selon  le  dessein  des  caruie^ 
que  nuu»  üittrepreaons  compos»er,  qui  iie  be  peut  outrepasser  äuuä  offeuser 
la  loy  de  noetre  Ten  ...  Ta  feraa  donc  tee  yere  maaenlinB  et  fenniiiine 
tniit  qa*il  te  serft  pomblCf  pour  estre  plus  propres  k  la  Musique  et  accord 
des  instrtimeus,  en  faveur  dosquels  U  «einblc  que  la  Poesie  solt  Mi'e;  car  la 
Poesie  Sans  les  instrumens,  ou  sans  la  «^ratc  d'une  seule  ou  de  plnsieur« 
voix,  n'est  nullement  s^greable,  non  plus  que  les  instnunens  sans  estre 
auimes  de  U  melodie  d'une  plaieante  Toix.» 

«Tek  Ten  (let  petlte  ven,  en  oppaeition  avec  le  solennel  alexandrin) 
8ont  merveilleusement  propres  pour  la  musique,  la  lyre  et  autres  inslrumens; 
et  pource  qunnd  tu  les  appelleras  Lyriques,  tu  ue  ieur  ieras  point  de  tort, 
tantost  les  ailougeant,  tautost  les  accourcissant,  et  apr^s  an  grand  vers  un 
petit,  oa  denz  petita,  an  cliois  de  ton  anreille,  gardant  ton^oun  le  plus  que 
tu  ponrraa  une  bonne  cadence  de  ven  (eomme  je  t*ay  dit  auparaTant)  pour 
la  musiqae  et  autres  instrumens.  Tu  en  poorras  tirer  lea  exemples  en  mille 
lieuz  de  nos  poete^  franrois.  Je  te  veux  aussi  bien  advertir  de  hautement 
prononcer  tes  vers  quaud  tu  les  fera«,  ou  plustost  les  chiuiter  quelque  voix 
qae  tu  poisses  avoir,  car  ceU  est  bien  une  des  priucipales  partieSf  que  tu 
äoii  le  plna  eurieuiement  obserrer.» 

D'aOleiirB  Ronsard  n^eüt  paa  admls  que  cette  musiqtte  füt  de  quaHt^ 
infärieure: 

Ores  il  ne  fant  paa  dtre  ^ 
Un  bas  chant  dessna  ma  lyre, 
Ny  im  chnnt  rjui  ne  pcut  plaire 
Qu  aux  aureilles  du  vulgaire. 

D  rerendiqne  haatement  le  m^rite  de  son  initiative  musicale: 

Premi«  r  j'ay  dit  la  fa^OD 
D'accorder  le  Infb  anx  ödes. 

Et  encore,  dans  une  ode  Ä  m  Lyn: 

Je  te  sonnay  devant  totis  en  la  France 
I)e  peu  a  peu:  ear  qnand  premierement 

.Te  te  trouvay,  tu  «onnais  durement, 

Tu  n'avais  point  de  cordes  qui  valussent 

Ne  qui  respondre  aux  lois  de  mou  doigt  pusseut. 

Enfin  il  vante  le  rncrito  ([u  il  eut 

De  mai  it  I  les  odes  &  la  lyre, 
Et  de  B^itvoLr  bus  ses  cordes  eslire 
Quelle  dianaon  y  pent  bien  aooorder 
£t  qnel  fredon  ne  a*y  peut  en-corder.^J 

II  ne  vent  pas  que  ses  chansons  soient  connues  seulement  de  la  cour 
et  de  la  viUei  mats  il  aoubaite  que  le  peuple  des  campa^es  les  chante 
ausaL  Dans  une  pitee  de  yeis,  il  recommande,  lorsqu*il  nunirra^  qu^on 
lui  faase  des  fnn^raillee  champ^tres»  et  que  lea  pasteursi  ^Toquant  aa 
memoire  derant  son  ruatique  tombeau,  disent  de  lui: 

1)  Pour  ces  demi^res  citations,  voy.  Comte  et  Laumonier,  Uk.  cii.  pp.  10—12. 


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76        '         Julien  Tienot,  Ronsard  et  la  masique  de  son  tempe. 

uoB  Ciimpngne!« 
Fit  Toir  les  sceurt  eoiupagnes 
Foulantes  Therbe  aus  aons* 
De  aes  cbanaona. 

Car  il  fit  Ik  sa  lyre 

Si  bous  nocorH'»  p«liro 
C^u'il  onie  de  ses  cLaiiiH 
Nous  et  nos  chnmps. ') 

La  pretentiou  iravuit  rieu  UVxecssif,  car  nous  vcrroiis  Lientot  que 
Hoiisard,  priuee  des  pot'tes  et  poete  des  rois,  fut  aussi  chante  par  le 
gens  du  peuple. 

m. 

Rappeions  il  grands  trait«?  I  histoire  de  sa  jcun»'>-sf  ot  de  sa  vocatiun 
poeti(iue.  Encoro  cnfaiit.  ajin-s  de;,  ('tudcs  t'rouitees,  il  fut  jet«'  daiis  la 
ru('l«'e  et  raena  plusieuis  aniu  t  s  d'uue  existente  errante  comme  page  ä  la 
suit»'  de  (juelques  seipiit  iu  >  qu  il  acconipagna  ä  travers  TEurope,  en  Angle- 
terre,  en  Ecosse,  en  Alleina^'iie,  en  Italie,  tantot  chevauchant  au  milieu  des 
armees,  tantot  svir  mer  aftrontant  la  tempt  tt«,  tantot  figurant  dans  les 
c«*r('iu()nies  de  la  Diete  gennanique,  et  njenant  une  vie  dissipee  qui  etait 
])lntr)t  eelle  »i  im  ajiprenti  soldat  »lue  du  futnr  prinre  des  jioMcs  fran^'ais. 
11  ii  avait  guöre  plus  de  seize  ans  quaud,  apres  taut  d  avcutui'cs,  la 
maladie  (jui  fut  cause  de  sa  surdite,  et  aussi  Tamour,  lui  firent  prendre 
la  rdsolution  de  se  retirer  de  cc  moude  trop  agitd  pour  se  livrer  exclu- 
siTement  k  T^de.  II  n'h^nto  donc  pas  k  rentrer  au  ooll^ge,  ot  ü  eui 
la  hatme  fortime  de  trouver  nn  mattre  et  des  compagncmB  cafiables  de  le 
comprendre:  le  premier,  Daurat,  les  seconds,  BaYf,  Remi  Belleau,  et 
fiuelques  autres  qui,  ii  döfaut  de  g^nie  cr^ateur,  surent  ^tre  au  moins  des 
conseiUers  et  des  commentateurs  uttles,  notamment  le  savant  Maro- 
Antoine  Mar  et;  enfin  il  rencontra  Joachim  du  Beilay.  Par  un  commun 
effort,  aprte  plusieors  aim^s  d^essais,  de  t&toimeineiitSf  de  lutte  contre 
rinooDBu,  la  pbalange  compacte  des  po^tes  de  la  Pl^ade  se  trouva  anu^ 
ponr  le  combat,  et  la  bataille  commen^a  &  coups  de  vers  et  de  prose. 

Nons  avons  tu  ce  que  fujt  le  premier  livre  de  Bonsard,  les  Odes:  an 
manifeste  presque  autant  qu'une  (euvre.  Nous  savons  donc  quelle  place 
importante  la  musique  tenait  d'ores  et  deja  dans  ses  pr^ccupations. 

Deux  ans  apr^s,  ä  vingt  huit  ans,  il  donna  un  nouveau  volmne  de 
vers,  les  Amours  de  F.  de  Monaardf  soimets  suivis  d'une  nouToUe  s^rie 
d'odes. 

Cette  fois  le  po^te  ne  s'en  tint  pas  aux  simples  projets  et  aux  phrasea 
plus  Ott  moins  vagues:  il  voulut  donner  ä  ses  declarations  niusicales 
anterieures  la  sanction  du  lait  acoompli,  et  ü  fit  imprimer  k  la  snite 

1)  RoBiard,  (Eurresj  4A.  Blanchemain,  II,  249. 


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JuU«n  Tienot,  BooMrd  et  Ja  miiuqae  de  sob  tempe. 


77 


Dime  de  ce  second  livre  une  pnrtic  iiiiisicale  importnnte  formt'e  de  coui- 
positions  sjx'tialeiupnt  »'crites  poiir  ses  \ei*s,  et  qui  avaient  rt»'  demandees 
üux  trois  plus  c»'lt''])n'S  maitri-s  fniiirais  de  IN'poque,  Clement  Janequ in, 
Pierre  Certon  et  Claude  Goudiiuel.  Un  quatiieme,  moins  connu  corame 
musicien,  et  dont  nous  essaierons  tout  ä  l'heure  de  degager  la  person- 
n?ilite,  M.  A.  Murot,  s'etait  Joint  &  ces  trois  gloires  de  l'art  du 
XVI*  siecle  pour  coiiipU-tcr  rufuvre. 

Une  teile  publiration.  bien  que  restee  seule  et  unique  de  sou  espöce, 
n'en  est  pas  moius  d  une  iinjxtrtance  capitale  i>our  riiistoire  des  rapporti> 
de  la  musique  et  de  la  pot'ssie.  Luiu  dt«  iei)rest'iitei-  uni  laiitaisie  isol^e, 
eile  temoi^riie  tk  la  volonte  bien  definie  qu'eut  le  poite  de  vuir  ses  vers 
unis  aux  accords  de  I  harmünie.  L'avis  de  l'editeur  qui  precfede  cet 
appendice  musical  est,  a  cet  egard,  tres  cxplicitc,  H  y  est  dit  que  Tauteur 
ayant  «daigne  prendre  la  peine  de  mesurer' ses  vers  sur  la  lyre  (ce  que 
110U8  n'avions  encorc  aper^u  avoir  ätd  fait  de  tous  ceux  qui  se  sont 
exercit^s  en  tel  genre  d'ecrire;>  Tt^diteur,  «suivant  son  entreprise  et  avec 
le  vouloir  de  lui  satisfaire»  a  fait  imprimer  &  la  fin  du  livre  la  musique 
nir  laquelle  on  pourra  chanter  ime  boime  partie  de  son  contenu.  II 
ajoute  qu*il  eontinuera  cette  mani^re  de  faire  «en  ce  qui  s'imprimera  de 
la  composition  dudit  Bonsard»  8*ü  connait  qu'elle  est  agr^able  an  pu- 
blic ^J.  n  est  croire  que  oette  esp^rance  de  suoc^  ne  se  n^alisa  pa»», 
mlgre  la  collaboration  de  tant  de  noms  illustres,  car  aueun  des  ouvrages 
post^rieurs  de  Ronsard  ne  oomporte  plus  un  pareil  buppMment 

Mais  9*il  ne  fut  pas  donn^  au  po{>te  de  voir  la  musique  tellement  in- 
corpor^  &  ses  vers  ciue  les  deux  formes  de  Tceuvre  commune  fussent 
vsod^s  ddfinitivement  dans  le  livre  meme,  du  moins  eut-il  la  satisfac- 
ttoa  que  les  musiciens  de  son  siecle  t^moign^rent  ü  son  oeuvre  une  pre- 
f^renoe  dont  n*avaient  encore  joui  les  productions  d'aucun  autre. 
BSn  v€rit^,  Bonsard  est  le  po^te  de  France  qui  ait  le  plus  ^t^  chant^ — 
STant  Victor  Hugo.  D^jk  d'anciens  biographes  s^en  ^taient  ^merveiUds. 
«Comme  il  avait,  dit  CoUetet,  ajusti^  ses  vers  de  teile  sorte  quMls 
pouvaient  «tre  chant^s,  les  plus  excellents  musiciens  tels  qu*Orlande, 
Certon,  Goudimel,  Janequin  et  plusieurs  autres  prirent  k  tache  de 
composer  sur  la  plupart  de  ses  sonnets  et  de  ses  odes  une  musique  har- 
momeuse;  ce  qui  plfit  de  teile  sorte  k  toute  la  cour  qu'elle  ne  r^sonnait 
plus  rien  autre  chose,  et  ce  qui  ravit  tellement  Bonsard  qu^il  ne  feignit 
point  d'insdrer  ä  la  iin  de  ses  premi^res  poesies  cette  excellente  musique').» 
^ous  Gonnaissons  le  livre  que  designcnt  ces  demi^res  lignes;  quant  aux 

1,  On  pourra  lire  plus  loin  le  texte  compiet  tie  cet  Avcrtisscment,  publiu  pour  la 
l>rfmicrc  foia  intt'^alcment  d'aprt-s  l't'ditiuu  originale. 

2)  r*M  ilr«  pottt»  frmfaiiy  de  Colletet,  dem  les  (Etnre$  wmpiktet  dir  Ron - 
»ard,  Ed.  Bb&chemain,  YIII,  51. 


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78 


JoUea  Tienot,  Eooaard  et  la  manqoe  de  eon  tempi. 


corapositions  d'Orlaude,  et  de  bien  d'autres  musicicns  contcniporains.  in- 
spireos  par  les  vers  de  Ronsard,  elles  sont  r>n  nombrc  considt'rable, 
remplissent  les  reciu'ils  de  chansons  en  parti» puhlir^  eu  France  :i  la  tin 
du  XVP  siöcle.    Nüuh  allons  essayer  d'en  etablir  une  bibbographie  aussi 
exacte  que  possible'). 

Le  Supplement  musical  des  Awaitrs  de  P.  de  Pomard^  de  1552,  etant 
Ic  premier  eu  date  de  ces  documents  (uous  y  reWendrons  plus  longuement 
tont  ä  llieaTe),  noiiB  trouYons  ensvito: 

Prnnirr  Iure  (fOdca  de  T?on,tnrff,  mit  m  mitsiqur  d  tmis  ptiriies^  par  Pierre» 
Cl6roau,  maitre  des  eulauts  de  choeur  de  la  catli^drale  de  Toul,  Paris,  lötiO. 

Soiietx,  de  Piorc  de  Ronsard,  mis  en  mttjdque  a  vinq,  six  d  scpt  partieny 
par  Philippe  de  Honte,  Maistre  de  chapelle  de  l^mperenr.  Louvain, 
Pierre  Phaldse,  et  Anvurs.  .Tran  Bi-llcre,  1575. 

Cfuinsons-  ih  T'.  dr  Hoiisard,  I'h.  Iksjx/rtes  et  nufns.  »n'si.f  rn  vtusiqur 
par  Niculas  d*-  la  (initte,  vttUet  de  chambre  et  orgauiste  du  Koy,  Paria, 
Lü  Roy  et  Ballard,  1575. 

Somtx  de  P.  de  Ronsard  mis  m  mtistque  f)  4  parties  par  Quillaame 
Boni,  d<;.  Saint  Flour  en  Auvoi^e.  Paris,  Lerov  et  Ballaid,  liyre, 
167(::  2""^  livi.-.  1579.    R^editions  connues  do  1503  et  1624  2). 

Atrs  Ulis  rn  musique  d  quatre  parties,  pnr  Fabrice  Marin  Caietain,  tnir 
Us  Poesks  de  F.  de  Ponsard  et  autrcs  cxrelkm  Pottes,  l'aris,  Le  Roy  et 
Ballard,  1578. 

Premier  Uvre  den  Ämours  äs  P.  de  Ponsard,  mis  en  musique  d  IIJI  parties 

par  Anthoine  de  Bertrand,  natif  de  Fontanges  en  Auvergne,"  Paris,  Le 
Boy  et  Ballard,  1578  {h  la  suite:  Second  liirr^  Trtnsmnc  Uvre,  etc.) 
Poesie^}  de  liomard  mises  sn  mu»iquc  par  Frau^-uis  Reguard,  1579. 

A  dire  Trai,  ces  reuvros  ne  sont  pas  les  plus  interessantes  qu'ait 
inspirdes  notre  poeto.  Sauf  Philippe  de  Monte,  aucun  vc'ritable  mattre  ne 
les  a  signdes,  et  les  titres  que  la  plupart  se  donnent  —  Tun  maitre  des 


1)  J'ai  d^ji  dODod  en  partie  cette  bibliognphie  dam  nn  chapitre  de  mon  Hiataire 
de  la  ehansen  poptdain  eu  Frame ,  pp.  438  et  siiiv.,  mais  il  ne  sera  sans  doute  pas 

inopportun  de  la  röpeter  ici,  h-  suj»  (  ayant  des  rapp'.rts  si  indirects  avec  la  cbanson 
populaire  que  les  lecteurs  non  pievenus  ne  songerairnt  ^nbrc  a  le  chercher  dana 
ce  livre.  D'autre  part,  MM.  Ch.  Comte  et  Laumonier,  dans  Topuacule  dejä.  cite, 
out  &it  le  d^pouillement  des  pi^oos  de  Ronssrd  qu'fls  ont  tranv^es  dans  les  üttss  de 
chsasons  musicalea  de  la  fin  du  XVI*  litele^  travul  ssses  däicat,  car  on  seit  que  ja- 
mais  les  noms  des  poitos  ne  sont  inscrits  sur  ces  chansons;  il  faut  dono  etre  tres 
familier  avec  leurs  o'uvrcs  pour  savoir  les  idint jtier.  Nous  profiterons  «Vantnnt  plus 
volontier«  des  lumiores  apportees  par  MM.  Conttc  et  liaumooier  que  loui'  travail,  tirago 
k  part  de  la  Bmie  ^huffoirt  lHUrairs  de  la  Fraace  (15  Jnfllet  1900]  a  «1^  ftit  en  vue 
d'un  public  antr»  qoe  oelm  de«  nmieieni,  desqaels  Q  est  rettä  fort  ignor^ 

2)  Je  transcris  oe  titre  et  lea  prcmi^rcs  dates  (1576  et  1579  d'apr^s  un  catalogne 
de  librairic  Tiiepmannssohn?  .  La  llil  rK.fhf?que  nationale  dp  Paris  po'ff-'de  «ionlcment 
lies  parties  de  1  ödition  postt-rieure,  cell«  de  1593,  et  la  reimpression  de  1624.  L»'es<> 
pacement  de  cea  dates  indique  le  long  succes  obtenu  par  rumvrc. 


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Julien  Tieraoi,  Roniard  et  la  muBique  de  lon  tempt. 


79 


enfant«!  de  clKrur  fi  Toni,  im  autre  musicien  Saint  Flour  en  Auvergne^ 
un  troi>iömc  d  une  loialite  ignoree  du  meme  pays,  un  autre  onfin  tont 
fniis  «lebarque  de  (larte  —  ont  im  ceilaiii  tour  provmeial  qui  ne  peut 
yuere  nous  in^pin  r  <Vautro  uh'v  favoralile  que  de  nous  faire  constater, 
par  la  meme,  quelle  etait  l  i'tendue  de  la  popularite  de  Ronsard.  Cliez 
plii«:ieur<s.  meine,  le  noiu  uQ'^t  \h  que  pour  l'apparence:  le  renieil  ne 
contient  qii  uii  petit  nonibie  de  picces  de  lui,  le  reste  des  poesies  n'etant 
que  platitudes  et  gruvelures. 

PVst  dnns  les  recueils  collertifs  <le  chauxuis  en  paiiies  qiie  nou^  ti  (  u- 

■ 

verous  le  plus  de  morceaux  intcre^saiits  t'erits  sur  se^  uts.  Des  i.).>(), 
c*est-;Vdire  l'annee  menie  ofi  parut  la  premiere  editioii  de  ses  Üdes,  Tedi- 
teiir  Nicolas  du  Cheniin,  a  Paris.  i)ul)li  lit  dans  son  (  inqiäef^'juc  livre 
'vntetiant  XXV  rhrmsons  noui  flUs  n  <{iin(re  jHirtka  co/fipose'es  de  plu- 
sieurs  authoirs  une  clianson  de  Goiidiiael  sur  les  vei-s:  «Qui  veut 
s^avoir  Aiuour  et  sa  nature').»  Deux  ans  plus  tard  ir)o2),  le  dixieme 
IhTP  de  la  ineme  eoUectioii  donnait,  sous  le  noni  de  M.  A.  Muret,  la 
diinnante  petite  ode;  «Ma  petite  colombelle  .  Puis  cotuiuencerent  les 
•NÜtiuu.s  d'Adrian  Le  Roy  et  Robert  Bulla rd,  la  :^rande  maison  qui  mono- 
polisii  Timpression  musicale  peiulaut  pres  de  deux  si^;eles.  Kt  la.  Ronsard 
lit  plus  qu'autoriser  la  reprodnetion  de  ses  vers  sous  la  muüique  des 
maitres  qui  s'en  inspiraient:  il  alla  jusqn'a  jiublier,  sous  forme  de  de'dicace 
au  Roi,  une  lettre  sur  la  musique,  qui  a  ügure  en  tete  de  deux  editions 
d'une  coUectiuii  de  cbansons  en  parties  1500  et  1072),  document  consi- 
d^rable,  ([ue  nous  reproduirons  plus  loin  dans  8on  integralite,  ne  Toolant 
I>a.s,  pour  l'instant,  interrompre  notre  examen  des  (euvres  musicales. 

Janequin  —  dont  la  «poure  vieillessc»  qu'il  deplorait  dans  le  meme 
temps  semble  avoir  ete  rechauffde  au  contact  de  la  jeune  inspiration  de 
Ronsard,  —  Goudimel,  Gerten,  ses  trois  premiers  collaborateurs,  avec 
Moiet,  dans  roeuTre  commune  de  miisique  et  de  poesie,  —  puis  le  «plus 
que  divin  Orlande>,  pour  employer  les  termes  meues  du  po^te,  et 
Clandin,  et  Gosteley ,  eufin  de  plus  ob&curs,  comme  Millot,  Gardane, 
Castro,  d^Entraigues,  Briault,  Tliessier,  furent,  avec  les  auteurs 
des  recuefls  d'enseptble  d^jk  cit^s,  les  musiciens  de  Bonsard  au  seizt^e  • 
nicle.  Yoici  les  morceaux  qu^ils  lui  emprunt^rent: 

Janequin:  Qui  vouldm  roir  commc  aniour  nie  surmonic^  —  Noiun 
onmf  la  dame  qui  devait  (Hoimets),  —  Petite  Nymphe  folwfre,  < —  Pourquoif 
kmnex  ww  «km  yeux  (chanBOBs),  et  Jkl  aube^pin  ^terdisaant  (ode). 

1  Je  Uissc  la  respun^ubilae  de  «  t-itf  itiiiicatioii,  quo  je  iic  puis  contröler,  a  MM. 
Comte  et  Laumünier,  constatant  d'autre  part  que  la  liihlioyraphie  der  Munk'Sammd^ 
de»  XVL  und  XVU.  Jahrktmderf8,  von  Robert  Eitner,  menttonne,  dans  la 
sixi^me  ;et  non  le  cinqaitoe^  livre  de  la  coUection  Du  Chemin,  Is  chanson  de  Goo- 
(limel:  «Qtti  Tcolt  s^voir  qa*ello  est  m*Binie>,  et  non  «Qui  vent  tgavoir  Amour  et  sa 
o«tare>.  i 


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90 


Julien  Tiersot,  üonsard  et  1»  masiqae  de  ton  temp«. 


Güudimel:  L  üde  ä  Michel  de  l'HuHpital:  Errant  par  hs  cJiamps  de 
la  yrdce^  et  son  ^pode:  En  qm  respandü  U  etel;  le»  ode«:  Qm»  nnfonxm  ma 
voix  et  Tu-  me  fms  mourir  de  me  dire;  le»  soimeta:  Quand  f£gpperQt»f  Um  beau 

dief  jaunissant ,  —  Qui  renforcera  via  voix,  —  Certe^  mon  o?i7,  —  Amour 
tnr  h(y  \  It  s  chan«on?:  Du  Jour'  que  je  fus  npintircux,  — -  Bonjour  mon 
Cd  ui ,  honjour  ma  domt  rie^  —  PIm  tu  cogiuju<  ifuc  jr  Orustc  puur  toy  \ 
enfin  la  gaiet^ :  Vn»  Jeum  pueetdie ;  au  total  donse  moreeaux,  le  plus  grand 
nombre  qu^ait  laiss^  aucun  de  nos  muaieieiiB,  en  dehora  de  cenx  qui  ont 
oonsacr^  k  Bonaard  tin  recueil  eomplet. 

Crrton:  le»  aoiwete:  J'ei<pere  et  trainSy  —  Bien  (fu'  d  grand  fort  i!  tr 
plnit  d'allumrr^  —  Lcr/f!  pnur  von»  trop  aim^;  la  cbauaon:  Je  suis  im 
dcmy-dUu  quaiid^  asais  vis  ä  riit. 

Muret:  le  sotmet:  Leu  je  me  plama  de  mtlfe  et  tnüle  et  miUe,  et  Tode: 
Ma  petiie  colombeUe. 

Bioland  de  Lussus:  lea  sonnete:  Amour,  aniour\  —  J^espere  et  cram\ 
O  doux.  parier \  —  Rm  moif  mon  imn-:  —  Quc  di'^-fu,  que  fais  tu?  La  chanson: 
Bonjour  mon  ca  ur,  bonjour  ma  dauce  t  ie.  Les  odes.:  Comme  un  qui  prend 
une  cmipe^  —  Ton  nom  que  mon  vers  dira  (stropbe  de  Tode:  Je  suis  trouble 
de  fureur]y  ^  Ores  quc  je  suis  di^)os  (de  Tode:  JcNf  Veaprii  kmt  enmye),  — 
La  terr»  lee  eaux  ro  hoivant,  —  Verse  moy  donrq'  du  ?*m  nomeau  (de  Tode 
retrancht-e :  Lorsque  Baahus  mtre  clieji  moy).    Au  total,  onze  inorceiiux. 

CliiufUn:  k'.s  sonnets:  Las\  je  me  phin  et  I?o<isiijnol  mon  mignon. 

Custeley:  les  odes:  Mignonne^  cdlons  roir  si  ia  rose^  —  Yetms  f.y/  par 
eent  müle  noim\  ttne  odelette:  Je  veux  cufmer  tmUmiement;  lea  chanaona: 
Lael  je  neusae  jamais  pensö,  —  Dun  gwier  nuutche  huriert  —  La  ierre  les 
eav.i  ra  hoivant, 

JNiiliot:  le  Bonuet:  IHctes^  JUaiatresse,  et  la  cbanaon:  Douce  MaistresgCf 

tourhe. 

üardane:  le  sonnet:  Qu€  dis-tu,  quc  fais-tu. 

Gastro!  lea  chanaona:  Bot^our  mon  conur,  ~  P/iw  iu  et^fnoiSf  —  Ver^ 

aona  rr.v  runes  en  ce  vm,  —  L'on  dit  la  prise  des  muraiUes, 
D'Entraigut'H:  le  «onnct:  Quc  dis-tu,  quc  fais-tu9 
Brinult:  rod«»lette:  Tay  foif  hnhiUnrdc  arondelle. 
Theas i er:  Tode:  le  pctit  cnfant  Amour. 

Le  livre  des  Soneix  dt  Pierre  de  Ronsard  mis  en  musique  par  Philippe 
de  Monte  comprend  lea  moreeanz  auivants:  Quand  ma  mtMrea»e\  —  Le 
Premier  jow\  —  Taut  me  dejdai$t\  —  Le  doux  sommeili  —  Que  ditten 

rous:  —  Quc  me  .^crvent  iuc.*i  rcrs',  —  Voutt  ne  le  roulez  pas\  -  Dict^s, 
M(iUifrexse\  —  lh  \  Dieu  du  r/c/!  —  La.s]  .san.^t  cspoir;  —  Si  hop  srntrcnf, 
Eu  öutre,  les  chausons:  Quand  de  ta  Icvre  ä  drwy  cloHe\  —  Bonjour  man 
eceur\  —  ZUema/Mfes-A«,  there  Marie;  —  Veu  que  tu  es;  —  Phte  tu  cognois', 
enfin  deuz  odes  anacr^ontiques:  Pow  boire  desaue  Vherhe  tendre  et  Oorydon 
vcrae  sans  fin.    Au  total,  dix-huit  moreeaux. 

II  ne  nous  paralt  pas  indispensable  d*^num^rer  les  po^es  contenues 
dans  les  recueils  de  OUreaii,  Nicolas  de  la  Grotte ,  Boni^  Fabrice 
Marin,  Bertrand  et  Begnard,  sp^cialement  consacr^s  ä  Bonsard: 
qtril  nous  suffise  de  dire  quMl  en  est,  comme  ceux  des  deux  auvergnats 
Gr.  Boni  et  Antoine  de  Bertrand,  qui  ne  contiennent  pas  moins  de  55 
et  56  moreeaux  cmprunti's  au  po&te,  et  de  renvoyer  les  personnes  curi- 


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JidieD  Tieraot,  Ronmrd  et  la  musique  de  Bon  tempt. 


81 


euaes  d'en  connaitrc  le  detail  h  la  brochiire  de  MM.  Comte  et  Lamnonier, 
qui  ont  pne  Ut  peine  de  Tetablir.   En  ce  qui  concerne  les  lecneils  mdmeB 

auxijuels  sont  enipruntes  les  morccaux  enum(?rt's,  Ton  trouvera  rindicatioii 
da  plus  grand  nombre  dans  les  bibliographies  de  M.  Eitner;  C(  ii\  que 
cet  auteur  a  ignort-s  nv  sf»nt  guere  autrcs  que  les  rccueila  franv^^is  de  Lc 
Boy  et* Ballard,  —  la  Mmiqm  de  Costeley  (r^dit^  par  M.  Henry 
Export),  —  enfin  le  Supplement  muucal  des  Atnoura  de  Ronsard^  que 
nous  allons  reproduire. 

TV. 

Teile  fut  la  contribution  des  musicieus  h  ToBUTre  lyrique  dont  Bonsard 
fut  rinitiateur.    A  son  tour  il  les  semt  activement^  par  la  plume  comme 

par  l'action.  Et  voka  un  ecrit  qui  nous  d^voilera  tout  ce  qu^T  y  avait 
en  lui  d^enthouaiasme  pour  l'art  de  rharmonie:  c'est  cette  lettre  dt^dicace, 
d^ja  mentionn^e,  qu'il  adressa  successivenient  aux  rois  Frau^ois  U  et 
Charles  TX,  et  qtie  les  editeurs  Le  Iloy  et  Ballard  imprimärent,  par  deux 
fois,  en  tete  de  deux  de  leurs  plus  predeux  livres  de  musique').  II  y  fait 
Tapologie  de  son  art  favori,  donnc  un  coup  d'ftil  rapide  sor  la  th^orie 
qu^on  enseignait  en  son  temps,  ou  du  moins  en  rappelle  les  principaux 
termes,  evoque  le  souvenir  des  legendes  (^ui,  d6s  la  plus  haute  antiquite, 
ont  consacre  le  prcstigp  de  la  musique,  pn'ronise  son  cmploi  dans  l'udu- 
cation  des  jeunos  .i,'eiis,  i  ntin.  api<  s  IVloge  oblige  des  rois.  dans  une  i)age 
vrairaent  inqiortaiite  pour  riiistnire,  il  recommande  ;\  son  auj[?uste  corres- 
pondant  d'honort  r  et  de  proteger  les  niaitres  «quajid  il  se  inaiiiftstt' 
qiielque  excelleiit  ouvrier  en  cet  art,  chose  d'antant  excellentf^  qiu'  rare- 
meut  eile  apparait. ♦  Et  lä,-dessus  il  enuiiit  rt-  les  plus  Celebrex  musiciens 
qii'ait  eus  la  France  depuis  le  temps  oü,  avi'C  Jusquin  des  Pr<^s,  ]'••(( )lo 
du  lonlrepoiüt  vocal  parvint  ä  son  complet  epanouisseniciit ;  et  son  di'sir 
dVtre  complet  est  si  grand  qu'un  nouveau  maitre,  Kolund  de  Lassus, 
s'etant  revele  en  Frnnrp  entre  les  deux  i'ditions  de  son  ecrit,  Ronsjird 
ajouta  dans  la  seconde  une  plirase  d'elo£?e  i|ui  constituc  assun'iuent  pour 
lc  musicien  de  Möns  la  plus  Ixdle  lettre  de  udhlesse  ai'ti8ti<iue. 

Nous  reproduisons  integnilemeut  cc  texte,  d'apr^s  Tedition  de  15722] 

1  T.irrr  ifr  nirülangcs  contfrifiiif  .^tx-ringh  rhamottK.  plus  rares  et  des  jih/ti  in- 
disstriemes  qui  se  trourent,  mit  di  .i  mdeurs  atdiqnes,  soit  des  plus  memorables  de  mslre, 
temps  . . .  A  Paris.  De  rimpriinene  d'Adrien  le  Roy  et  Hobcrt  Ballard,  Xroprimeurs 
da  Boy,  ra§  Saint  Jean  de  BeaovMs,  &  Tenieigne  sainte  Oeneviftve,  1(!60. 

Mellaiirje  de  citansoiis  fnni  ihs  lieux  outheuTB  que  /«•  moderne*»,  .A  Fkrie,  par 
Adrian  le  Roy  et  Rr.li.  rt  Ballard,  1572. 

Ces  deux  livres  sont  des  plus  rares.  On  a  signalo  seulement  une  pai  tii^  Snperius  du 
premier,  appai  U  uuuL  ä  la  Kgl.  BibL  de  Berlin,  et,  du  second,  lc  Superius  ä  la  Bibl. 
NaL  de  Paris  («uperbe  exemplaire),  et  le«  autrea  partiea  k  la  Bibl.  de  rUniverait^  d^üpaal. 

3)  Nona  aorions  foeHM  le  doimer  d*ftpr^  T^tion  de  15G0;  malheoreuaement, 
malgre  des  recherches  fait  es  par  deux  fois  k  la  Kgl.  BibL  de  Berlin,  il  ne  noua  a  paa 
eie  po^sible  d'cn  ol>tenir  commamcation. 

s.  d.  I.  M.  IV.  G 


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82 


Julien  Tieraot,  fionMvd  «t  U  mi»li|iie  de  «m  tempt. 


Pr^face  de  P.  de  Bonsard 

au  Roy  Charles  IX. 

Sire,  tont  ainei  que  par  ia  pieire  de  touclie,  ou  esprouve  Tor  s'U  est 
boa  01t  manvaisi  Ainn  lea  anciena  esprouTaient  par  la  Mnticpie  lee  esprita 
da  oeux  qui  sont  genereux,  magnanimee^  et  non  forvoyans  de  lenr  |>remiere 

essencp:  et  rle  rcxix  qui  sont  engourdiz  ptr^'^^ienx,  et  nl>nstartlis  pn  ce  corp? 
mortcl,  ne  se  souveiuint  de  la  Celeste  unutjuie  du  ciel,  noii  plus  qu  aux  com- 
pagnons  1)  ulisse  d  uvoir  eate  liomme»,  apres  que  Oirc^  les  eut  transformes 
en  porceanx.  Car  eeluj}  Bire,  lequd  oyant  uq  doux  aecord  d*matramena 
oa  la  douceur  de  la  Toys  naturelle,  ne  s\>ti  reajonit  pomt,  ne  a*en  eement 
point  et  de  tcatc  rn  pieds  n't'n  trcspuult  point,  comme  doucement  ravy,  et 
si  ne  B^ay  comiui  iit  d«'rob('»  liors  de  soy:  c'est  Bigne  qu  il  a  Tarne  tortue, 
viciouse,  et  ddpravee,  et  duqnel  i)  se  taut  donner  garde,  comme  de  celay 
qni  n'est  point  hearenaement  nö.  Commant  potmolt  oa  aceotder  aveo  an 
homnio  qui  de  son  naiurel  liuyt  les  accorda?  CtAvj  n'eat  digne  de  Tojnr  la 
douce  lumiere  du  soleil,  qui  ne  fait  lionneor  a  la  Musique,  comme  petita 
pnrtie  de  Celle,  qui  si  armonieusPTnent  (comme  dit  Pliifon)  niritte  totit  re 
grand  univers.  Au  contraire  celuy  qui  luy  porte  honueur  et  reveience  est 
ordinairement  bomme  de  bien,  il  a  Tarne  saine  et  gaiUarde,  et  de  son  natiuxl 
ayme  loa  choaea  hanliea,  la  philosophie,  le  maniement  des  affairea  poUticques, 
le  travail  des  guerres,  et  bref  en  tous  oiBces  honorables  il  fait  tottejoara 
nppjiroistre  les  «'tincelles  df  sa  vertu.')  Or'de  dfilaifr  Icy  que  c'est  que 
Musiquc,  si  eile  est  ])lus  fjoiivcrn^'p  de  fureur  que  d'art,  de  ses  roncens,  de  ses 
tous,  modulatiouB,  voyx,  iutcrvulles,  »uus,  systemates  et  commutations:  de  sa 
diviaion  en  Bnharmonique,  laquelle  poar  aa  dilficalW  ne  fat  jamais  perfettament 
an  usagc:  en  chromatiqnei  laquelle  pour  sa  laacivite  fut  par  lea  anciena 
banye  des  republiques,  en  diatoni(iue  laciuelle  comme  la  plus  aprochante  de 
la  melodie  de  re  g^rand  iiiiivi  r'^  iut  de  tous  approuvf^e.  De  parier  de  la 
Fbrigienne,  dorienne,  lidienue :  &  comme  quelques  peuples  de  Grece  an  im  es 


1)  Comparer  i  cet  ^loge  de  la  mnaiqne  par  le  poftte  fran^aii  les  van  bian  oonnaa 
de  Bhakeapeare: 

Tbc  man  that  hath  no  mm'w  iu  himself. 

Nor  is  iu)t  movM  with  coiicord  of  sweet  souads, 

Is  fit  for  trousuus,  strutagemes,  aiid  spoils; 

Tbe  motioni  of  bis  spirit  are  doli  aa  night, 

▲ad  Ua  affwtiona  däxk  aa  Erebna: 

Let  no  sucb  man  be  trusted. 
On  II  ])u  faire  encore  tinc  aiitre  confrontaüon,  d'eiprit  moins  lyxiquet  avec  la 
scöne  du  Bourgeois  gentilhomme  de  Moliöre: 

«Le  Mattre  de  mueiqne.  —  Sana  la  niiiaiqne,  un  dtat  ne  peak  aobdatm».  — 
Teaa  le«  d^aordraa,  jtonteB  les  gnerrea  qv*on  Teit  dana  le  moade,  n^arrivent  que  pour 
n'Hpprendrc  la  nmsiqne  —  La  goerre  ne  vient-elle  pas  d*an  manqne  d*unio&  mtre 
les  hoTmiues?  ...  "Et  fi  tüu"=  ]■  ■  homTnes  apprenaient  la  mu?ique,  ne  serait-ec  pas  le 
moyen  de  B'accorder  eusemble,  et  de  voir  daus  le  moudo  Iu  paix  universelle  ?> 

Boneard  se  rcvMe  donc  id  ä  la  foia  comme  precurseur  du  grand  po^te  auglais  et 
de  l*tnunor(eI  comique  fran^ ais.  H  est  fficheux  seulement  que  ca  bei  4log8  de  la 
nmsique.  connid^rie  conme  art  esaentiellament  bnmain  et  pacificateur,  ait  ^ti  adreas< 
i  Charles  IX. 


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Julien  Tierüot,  Konsard  et  la  mufaique  de  sou  temps. 


83 


d^annonie,  alloyeBt  «XNiMgeoMment  a  1*  gueire,  comme  nos  Boldatss  aigonrdhuy 
aa  son  des  trompcties  et  tabourine:  oomme  le  lUiy  Alexandre  oyant  las 
chams  dp  Timoth^e,  devonoit  turienx.  et  comme  A<?amem!Jon  nllaut  ii  Trove, 
laii^Bü  eu  SB  maison  tout  tixpieä  je  iio  scwy  quel  Musicieu  lequel 
par  la  vertu  du  pied  Anapäste,  moderoit  les  efronees  pas»ious  amoureuses 
de  sa  femme  Glytemiiastre,  de  l'amoar  de  laquelle  Jßginte  enflamti  ne  pent 
jamaiH  avoir  joyssancc,  ([ue  premiercment  U  ii*eilt  fait  mi-c  bammeiit  mourir 
le  Musicieii.  T)f  vouloir  encores  deduire  oomme  tout«"s  choses  «ont  rom- 
posees  d"ucc(jrdü,  Ue  iiiesure««,  et  de  pru|jortions.  tatit  lui  eiel,  en  la  iiier, 
qu'en  la  teire,  de  vouloir  discom'ir  davautage  comme  les  plus  bonoriiblefl 
penonnaget  des  Bi^clee  paaaes  se  soni  curieatement  mntiz  espris  des  ardeojs 
de  la  Masique,  tant  monarqnei,  Ptinoes,  Philosoplies,  gouvernenrt  de  pro- 
Tinces,  et  cappitaines  de  renom :  je  u'auroys  jamai»  fait:  d'autant  que  la 
Musique  a  tonsjnurs  este  le  signe  et  la  merqne  de  ceux  qui  se  sont  monstrez 
vertueux,  magnanimeH  et  veritablemeut  nez  pour  ne  seuiir  rien  de  vulgaire. 
Je  prendray  seQUement  poar  ezeiaide  le  fea  Roy  votre  Pero,  quu  Dieu  ab- 
solve,  leqiiel  oe  pendant  qu'il  a  regnö  a  fait  apparaistre  combien  le  ciel 
l*avait  liberallemeiit  enrioby  de  toutea  gnces,  et  de  preaeiis  rares  entre  les 
Hoya  lequel  a  surpass^  soH  en  grandenr  d'empire.  foif  en  clemence,  ca 
liberalite,  bont^,  j)i6te  et  religiou,  non  BeuUemeut  tous  Itjs  Princes  «rs  pn  de- 
cesseurs,  Mais  tous  ceux  qui  out  jamsas  vescu  portaut  cet'honoraljle  tiltre  de 
Boy:  lequel  ponr  dteouvrir  les  etincelles  de  sa  bien  naisBance,  et  pour  montrer 
qu'il  estoit  acomply  de  tonte»  vertu»,  a  tant  bonore,  ayine  et  pris^  la 
MuBiquo,  qtie  touB  cenx  qui  restent  au  jourd'liui  en  France  ]nvu  affectionnez 
a  cet  art,  ae  le  font  tant  tous  »Miscinbio,  que  tout  seui  particulierement 
I  estoit.  Voua  aussi  Sire,  comme  heritier  et  de  son  Boyaume  et  de  hos 
yertas,  monslreiE  combien  tous  estes  son  fibs  favoris^  du  ciel,  d'aymer  ni  pei^ 
faittement  teile  science  et  ses  accorda  sans  lesqnels  cbose  de  ce  uionde  ne 
ponrrait  domourer  en  son  entier.  Or  de  von?»  conter  ici  d'Orphee,  de  Ter- 
pandre.  d'Enmolpe,  d'Arion,  ce  snnf  hi-toires,  il«'f^<iiielles  je  ne  vcux  empescher 
le  papier.  comme  choses  a  vous  congneues.  »Seullement  je  vous  reciteray  quo 
les  plus  magaanimes  Boys  faisoyent  aitdeiuieineDt  noiurrir  leurs  enfans  en  la 
nuuson  des  Musiciens,  comme  Polens  qui  eaToya  son  filz  Aehille,  et  ^son 
son  fils  lason,  dedau  l*Antre  vonerable  da  (^entaure  Chiron,  pour  ei^tre 
instruitz  tant  aux  armes,  qu'en  la  iiiederine,  &  en  l';nt  de  Musique:  d'autant 
qne  cer*  trois  mestiers  meöles  eusenible  ne  sont  mal  seans  a  la  grandeur 
d'uü  Priuce,  et  advint  d'Achillo  &  de  Jason,  qui  estoyent  princcs  de  uotro 
age,  nn  si  recommandable  ezemple  de  yertu,  que  Vun  fnt  bonor^  par  le 
divin  poSte  Homere,  comme  le  senl  authenr  delaprin^i-  de  Troye:  et  l'antre 
celebre  par  Ap'>ll<Mno  Tfliodien,  comme  le  preniicr  uudirnr  d";iv<.ir  apris  a  la  mer, 
de  aoufrir  le  fardeau  iucongnu  des  navire-:  lequel  ayanl  outrepassf'*  le«  roches 
Symplegades,  &  dornte  la  furie  de  la  Iroide  mer  de  Öcytie,  Finablement 
a'en  retonma  en  son  pays,  enridiy  de  la  noble  toyson  dor.  Donques,  Sire, 
cea  deuz  PriocM  yous  seront  comme  patrons  de  la  Terta,  et  qnand  qiielqne 
foyu  Tons  serez  lasse  de  voz  plus  urgentes  affaires,  a  leur  Imitation,  vous 
adoucirez  voz  souciz  par  les  accordz  de  la  Musique,  ponr  retourner  plus  fraiz 
et  plus  dispos  a  la  charge  Royalle  que  si  dextreraent  vous  suportez.  II  ne 
faut  aussi  que  votre  Magestä  s'esmerveille  si  ce  livre  de  mcllanges  lequel 
▼OOS  est  trediomblement  dediö  par  voa  tresbumbtea  &  treiobeissans  servitebrs 
Xmprimenrs  Adrian  le  Boy,  &  Bobert  Baliard,  est  compoo6  des  plus 


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84 


Julien  Tienot^  Bomwrd  et  la  muuqne  de  son  temp«. 


vieillos  cbaiis.sons  qui  so  puisBent  trouver  aujourdhuy.  pource  qu^on  a  tous- 
jours  estinu«  Iii  Musiqiio  dc^  Hnrifiis  tMw  la  plus  divine,  d'autaut  quelle 
a  estc  cuiitpoäee  on  un  hiecle  pluB  heuieux,  et  luoins  entache  des  vices  qui 
re«^ueüi  t'u  ce  dernier  age  de  fer.  Ausüi  les  divines  fiireurs  de  Musique, 
de  PoeBie,  &  de  paincture,  ne  viennent  pas  par  degrto  en  perfection  comme 
lea  autres  a^ences,  mau  par  bovines,  &  comme  esclain  de  feu^  qui  de^a  qui 
dela  apparoiHKeut  en  divers  pays ,  puis  tout  en  un  coup  sof^vanouisseut.  Kl 
poiirce,  Sire,  (piand  il  «f  nninifeßte  quelque  excellent  ouvrier  en  cet  art, 
vous  le  devez  ßongneus^enient  garder,  couuue  chose  d'autaut  excelleute,  que 
rarement  eile  apparoist  Entre  lesquels  Be  sont  depuis  bix  on  sept  vingfa 
ans  ealeTes,  loequin  des  prez,  Hennuyer  de  nation,  et  seB  dieeipleB 
Moaton,  Yaillard,  Ricbaffort,  Janequin,  Blaillard,  Glaudin, 
Monln.  Ia(|uet,  (^erton,  Arcadet.  Et  dr  pro^ent  lo  pln«  qwC'  divin 
Orlniidt  .  fjni  comme  une  niouche  a  miel  a  cueilly  tuut^^  liv^  plus  belles  üeurs 
d«'S  antic'u»,  uutre  semble  avüir  seul  desrobc  1  barniouie  des  cieux  pour 
nouB  en  rcbjouir  en  la  teire,  BUipassant  les  antienS|  et  ee  faieant  la  aenle 
merveille  de  notre  tempB.  FluBiears  autrea  choseg  se  pourroyent  dire  de  la 
Musiquo,  dont  Plutarqne  et  Boece  ont  amplemcnt  fait  mention.  Mais  n'y 
n  1.1  brevete  de  ce  prwface,  m  !.•<  oommodit<*  än  femps.  ny  la  matiere  ne 
nu?  ]icmiet  de  voue  en  faire  plus  b>ug  di.scoun*,  Supliaut  le  Creiiteur,  Sire, 
d'augnieuter  de  plus  cn  plua  les  vertus  le  vutre  majeste,  &  vous  continuer 
en  la  bonne  affection  qn*il  toub  plaist  porter  ä  la  Mnsique,  &  h  touB  cenz 
qui  s'estudieut  de  faire  reHorir  soubz  votre  regne,  les  B^iences  &  les  arts 
(pii  florissoyent  soubz  l'empire  de  Cesar  Auguste:  dnquel  Auguste  Dteu 
tüut  pulasaut  toub  vueilie  donner  les  ans,  les  victoyres,  &  la  prosperite. 

V 

n'est  jainais  saus  qut'bjuo  ni('laTirfdi<^  quo  ron  songe  que  voix 
(jui  cliariiu"  leiit  nos  nicnx  '^ont  aujouid  hui  mui  ltcs  et  sans  echo  pour 
nouH,  et  (|ue  les  livrcs  <|ui  lutiis  en  u])portent  le  souvcnir  apparaisseiit  comme 
de  siiiij)li*s  i^riraoires  i\  la  plupart  de  ceux  <|ui  sont  adiuis  k  en  contem- 
plcr  les  fcuillrts  jauni'^.  Aussi  dut-ce  «'tn-  uii  n't^al  asscz  rare  quo  cehii 
«pii,  il  y  a  (|u<'l(jues  amu'es,  fut  pour  la  preiuitrc  iois  ottert  ii  un  groupe 
choisi  d'audilrurs  rnrioiix  df*^  rhoses  (raiitrofois.  pour  lesqucls  on  fit 
revivrc  (|U('l(im':i-uns  des  clinnts  c()iiip<»s(''8  par  les  maitrcs  nmsiciens  du 
XVP  siecle  sur  los  vers  du  leur  poi  tc  (rt'lection').  M("'Uie  lo  savaiit  »•cri- 
vain  ([ui  so  chargea  de  leur  presentt  r  coHv  nouveauto,  vicillo  de  trois 
sit^cles  et  demi,  expriTna  le  regret  que  ectte  lestitution  artistique  ne 
fiit  pas  plus  complete:  «Elle  le  sernit  saus  doulo  davantagc,  dit-il, 
si  nous  pouvions  faire  somier  les  beaux  vers  des  Üdes  et  des  Amourf^ 
par   la   voix   de  chautcurs  en  costume  Charles  IX,   dans  c^uelque 

1}  L^autenr  de  cette  ände,  qui,  plusieiirB  ann^es  aDpHraTant«  et  saoB  deute  le  premier 
en  France  comme  aOIenrs»  en  avait  eignal^  Fintdret  (Toir  le  paasage  d^ä  citA  de  s<m 
Hüioirc  de  la  chonson  popuiuire,  pp.  431  et  suiv.)  n'a  pa«     ätranger  ä  la  pi^peration 

milBica1<>       cos  Hiidition!«,  qni,  jiisqn'ifi,  ont  ete  doniicof  f»n  nombro  de  trr>i8. 

La  prcmiere  a  eu  licu  ä  Versailles,  le  b  novembre  18U7,  au  cours  de  la  seanoe 


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Juli«!  Tknoi,  RonMid  «t  U  mmiqoe  de  son  temps.  f)5 


grande  sulle  aux  boiseries  sciilpti*es,  aux  lambris  fleurdelist-s  d'or,  de 
Chambord  ou  de  Fontainebleaii^  Pourtant  c't'tait  beaiicoiip  d^j;\  qu'un 
auditoire  des  dernieres  annees  du  dix-ncuvieiiu?  siecle  piit  Otre  admis  fi 
entendre  chanter  les  verB  de  Bonsard  comme  Ronsard  les  avait  entendus 
et  fait  chanter  lui-meme. 

Bien  que  le  public  moderne,  accoutnmp  au  luxe  des  sonorit<^s  de  untre 
iwlyphonie  orchestrale,  trouvc  forccment  «luelque  monotonie  dans  une 
audition  un  peu  longue  de  la  musique  vocale  du  XYl**  si^le,  Ton  sut 

publique  ainin^e  de  1»  Society  des  Scieooe»  monles,  des  Lettres  et  des  Arte  des 
Sdne^Oiw.  Le  progimmme  de  1»  deon^me  pertie  de  cetie  sdance  donnait  les  detail« 

nivanU: 

M.  Cb  arl  0 ('omte,  Mcinlsre  titulairc:  Hoiisard  ri  Irs  muaieinis  du  XV f'  strrlr, 
Premit-re  iiudition  moilorno  (TceuvreH  muBieales  compoBros,  au  XVI«  ai^cle,  pour 

kä  pocsies  de  liuii!«ai*d,  et  iranscrites,  en  vue  d«-  cettc  »«jance.  par: 
MM.  Paul  Deschamps,  Membre  de  la  Society,  et 

Julien  Tiersot,  Sous-Bibliothäeiure  an  Conserratoire  de  Masique  et  de 

l>-ciamation. 

Cea  ojuvrea  seront  iutcrpretees  par  le»  Chanlmrs  de  Saint- GcrmU. 

Programme. 

t  «Tespere  et  erain,  je  me  tais  et  Mipplie  Gerton. 

2.  Las!  je  me  piain  de  mille  et  mille  et  mille  M.  A.  Muret. 

3.  Le  prcmier  jour  du  mois  de  may,  Madamo  Philippe  de  Monte» 

4.  Petite  Nyuiphe  fulautre  Jancquiu. 

h.  Errant  par  let  ehampe  de  la  gräc«  Goudtmel. 

Hi^onne,  allnns  vi  ir  si  la  rose  *}  ('..st*  1.  y. 

7.  La  terre  les  eaux  va  hoivarjt  Orlaude  de  Laasus. 

Ä.  Corydon,  verse  saus  fin  Philippe  de  Monte.  \ 

^  Comme  la  tourterelle  l'liilippe  de  Monte.  ■ 

l").  PhöbttS,  oyant  un  jour  mr  lespinoi te  Philippe  de  Monte.  | 

•  '^'c  morceau  a  di'ja  i  f«-  tnui^crif  ' 
A  ia  verite,  ce  programrae  pn-sentaii  un  g»ave  dt'faut;  les  murceaux  de  Philippe 
de  Monte,  qni  y  üiaient  iuseriti;  en  si  grand  uombre,  et  qu'avait  transcrita 
M.  FmI  Deeehamps,  dtaient,  sauf  un  scnl  (Oorydon  reriK  soiw  fin),  (Strangers  au  siget 
de  la  B«'>aQce,  les  vers  n*^nt  pas  de  Ronsard:  ils  ^'taient  saus  uoiite  emprunt*'»  au 
livre  intitule  Sonrfx  de  Pirrrc  dr  Uon.'<(ird  t/iüt  en  mjij/V/M^' par  P h i  1  i ppe  d<>  ilontc; 
tiiais  nous  avons  tu  que  ces  sortes  de  titres  sunt  le  plus  aouvent  i'allacieux,  et  co  fut 
k  cas  ici. 

La  detixi?ime  andition  eut  lieu  k  Paris,  le  18  Janvior  1900,  ä  la  eeance  g<  m  rale 
de  la  Soei^  des  Hnmaaiites  ftangais,  ä  la  Sorbonne.  Elle  comprit  une  nouvelle  con> 
fi'rence  de  M.  Charles  Comte,  et  M.  Julien  Tinrsot  dirigea  auxChanteurs  de  &int- 

Gmais  rexi'cution  de  huit  morcciiux,  doiit  nix  rtaieiit  <  iiipnint«'S  au  {»rograranic  pnVt'- 
<l«nt,  les  deiix  autres  ('tant  ;  liimjniir  inun  v<n(i\  d»,-  Roland  de  Lassu».  et  Miynnmie. 
lüom  ntir  si  la  rose,  pour  voix  scuk?,  tirö  den  dr  liW'  de  .lean  Chardavaim*, 

ncufeU  dont  il  sera  qaestiou  pUin  loin. 

Enfin,  le  12  Mars  suivant,  le  meme  oonfi'rencier  ot  les  memes  interprütee  r^p«^ 
t^rcnt  une  audition  pri'sque  identique  dens  une  matim-e  donnöe  dans  un  salon  parisicii. 
Af  t  tt''  Ol  rasioM  fn't  imprime  un  profrranimf>.  d'uspoct  tn's  urti^-tiqu''.  (■> mi ctiiiiit  »'H  piit  tif 
iallocTition  de  M.  Comte,  et  n-produisant  eii  fac-simile  plusieur»  page;*  musicalt;s  ou 
vi^rnettea  empruntees  k  des  li\reH  de  muHique  du  XN'l*'  sit'>cle  ayant  rapporl  au  siyct. 


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86 


JulittD  Tienot,  Eonaiod  «t  la  mnnqiie  de  aon  tempa. 


appn'cier  la  reelle  variete  de  ces  diverses  coiiipositioiis.  Avec  Ccrtou, 
Jaiieiiuiii,  Goudiinel,  c'etait  le  style  du  fontrepoinl  vucal  dam  toute 
soll  aust»»rit^  elasj.i(|ue,  (jue  teinp<^rait  parfois  uue  vivacit<i  de  rythnies 
prise  au  contact  de  la  puesie.  Les  accords  consonnants  de  la  chaiison 
amoureuse:  «Bonjour  mon  caur^,  du  Roland  de  Lassus,  donnaient 
rimpression  d  une  recherche  pluü  moderne  et  d'un  art  phi5ii  precieux, 
tandis»  que  le  niürae  maitre  avait  enveluppe  les  vers  de-  la  chanson  a 
Itoire:  <La  terre  les  eaux  va  boivant»  de  contrepoints  (runc  lourdeur  ar- 
chaiqLic  a^ssez  bien  appropritJe  au  sujet.  La  lat'lodieuse  *Mignonne,  allons 
voir  81  la  rose»,  du  norniand  Coateley,  dont  les  harmonies  s'adajjtent 
cdinini'  uu  vetemuut  bieu  taüle  ä  la  mesure  des  vers  les  plus  exqui^  que 
liincieniie  po«^sie  fran«;aise  ait  laisses,  evoquait  les  fetes,  non  les 
bals  soinptueux,  inais  les  reuuiun^  galantes  et  plus  intimes  de  la  coui*  des 
deriiiers  Valois;  entin  la  joyeuse  clianson  ä  sept  parties  du  beige  Philippe 
de  Monte: 

Corydüu,  verse  saus  ün 
Dedans  mon  verre  du  viiiy 

en  son  rythme  plein  de  rondeur,  apparaiasait  par  avance  comme  une  sorte 
de  Tdniera  musioal. 

•  n  serait,  certes,  d'un  haut  int^ret  de  r^unir  ces  pages  musienles  si 
diverses  et  que  pourtant  relie  un  sentiment  commun,  puisqu^elles  ont  leur 
source  dans  la  nieme  poi^sie.  A  defaut  de  ce  recueil  d'ensemble,  qui  sera 
peut*etre  ex^cute  quelque  jour  et  k  la  Constitution  duquel  les  indicatiuns 
pr«5cedente8  pourront  aider,  nous  reproduirona  aujourd'hui  l'a^uvre  qui  en 
restera  toujours  la  piu'tie  la  plus  interessante,  ^tant  la  plus  ancienne,  le 
po^te  ayant  siirement  cooper^  en  personne  j\  son  etablissement,  enfin  les 
plus  grands  maftres  dont  Thistoire  muaicale  de  ce  temps  die  les  noms 
s'dtiint  unis  pour  Texecuter. 

Nous  donnerons  donc  ci-apres  la  transcription  en  notation  moderne 
de  la  partie  muaicale  impiimee  ä  la  suite  de  la  premi^e  ädition  du  livre 
intitulä : 

Les  Amoun  de  P.  de  Ronsard  Vandomoys^  eftsemide  k  cinquieme 
(livre)  de  ses  Odes.  —  A  Paris,  chez  la  veufve  Maurice  de  la  Porte,  1552. 

Cette  i'dition,  avec  son  Supplement  musical,  est  de  la  i>lus  grande 
rarete.  Lors(iue,  vers  1886,  je  travaillais  ji  la  deruiere  partie  de  mon 
Ilistoin  de  la  chanson  populaire,  il  n'en  existait  (|u'un  seul  exeniplaire 
dans  une  biblioth^que  publique  fran^aise,  celle  de  la  ville  d'Orldans; 
depuis,  il  m'en  fut  communique  (])ar  un  particulier]  un  second  exemplaire, 
en  assez  mauvais  etat,  dont  j'ai  perdu  la  trace,  et  un  troisi^me  est  actu- 
ellement  en  vente  dans  une  libraii'ie  de  Paris.  Enfin,  depuis  l'epoque 
dont  j'ai  parl^,  la  BibUoth^que  du  Conservatoire  a  tait  Tacquisitioii  d*uD. 


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Julien  Tiersot,  Kontard  et  la  muüque  de  sou  temps. 


87 


magnitique  «'xcniplaire  du  m(ni\v  ouvrage;  mais  si  la  partie  musicale  est 
la  meme  et,  coumie  dans  les  livres  precedents,  porte  la  date  de  1552, 
ia  partie  litt^raire  est  diffe'rente:  c'est  la  seconde  edition  du  memo  livre, 
parue  Taimtie  suivante,  avec  des  additions  considerables,  et  sous  cet 
autre  titre: 

hs  Af/toiirs  de  P.  de  Ronsard  Varidomois^  n/yitreUcrtic/tt  rrugmenMes 
par  hii,  et  cnmnieHtrrs  ptir  Marc  Antmm  de  Muret.  Plus  (pieUines 
0<Ls  dr  hnt  triff,  non  encore  imprim^f  —  A  Paris,  Chez  la  veuve  Maurice 
de  la  Porte,  1Ö53. 

Mais  cette  diff^rence  d'ddition  n'importe  en  rien  &  notre  traTail,  la 
ptttie  musicale,  qui  conserve  sa  date  de         ^tant,  je  le  r^p^te,  identiriue. 

Elle  oommence  par  une  page  d'ATttrtissement  sign^  des  initiales  de 
Teditear;  puis  dto  le  verso  du  meme  feuillet  est  imprimee  la  muaiqae^ 
dont  les  quatre  parties,  jusqa'ä  ]a  fin  (e*e8t-&-dire  sur  32  feuillets,  non 
pagin^}  sont  uniformement  dispos^es  de  la  maniäre  suivante: 

Yenra:  Supentu^  «t  an  dewoiiff,  Tinor» 

B«cto  en  regard:  Coniratenor^  et  au-deBsous,  Baaaua* 

Les  nums  des  compositeurs  sont  imprime«  cn  caracteres  classiques  en 
tete  de  chacun  des  morccaux,  qui  se  succedent  dans  Tordre  suivant,  au 
noiubrt'  de  dix: 

P.  C ertön.  .Tespere  crniun. 

id.  Bleu  i^u  u  griiud  tort. 

C.  Goodimel.  Eirant  par  les  ehamps  de  la  grace. 

id.  En  qui  respandit  le  ciel. 

id.  Quand  i~  H]>per(uy  ton  bean  cbef  iaanisBant. 

id.  i}m  ronforct-ra  mn  voix. 

M.  A.  Muret.  hius,  ie  me  plnin  de  niille  et  mille  et  nulle. 

Janequin.  Qui  vouldra  voir  comme  uu  dieu  me  surmonte. 

id.  Katore  omant  la  dame  qui  devait. 

id.  Petite  Nymphe  folaetre. 

Quelques  indications  particulidres,  que  nous  reprodoirons  en  leur  lieu, 
smt  imprim^s  &  la  sm'te  de  certains  moroeaux.  Enfin  la  demi^re  page 
porte  ces  mots: 

Aukens  d*  imprinur  h  irmH6m$  iour  de  ae^endure^  Mü  einq  eena  om* 
fmk  dem, 

Oes  dIx  morceaux  (dont  deux:  Errant  par  les  champs  de  la  gräce  et 
En  ^  roipandit  le  eki^  atrophe  et  ^pode  de  Tode  &  Michel  de  l^Hospital, 
M  sont  en  räalit^  qne  deux  parties  du  m£me  tout)  appartiemient  k  plusieurs 
geares  de  po^es.  Oe  sont  d*abord  des  sonnets,  au  nombre  de  six; 
pois  nne  chanson;  une  ode  en  strophes  ^ales,  rentrant  par  consäquent 
dans  la  forme  de  la  chanson;  enfin  une  ode  pindarique,  arec  sa  triple 
nbdtnrien  miuncik.  Tout  les  sonnets  f ont  partie  du  reeneil  des  Ammrs 


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88 


JoUen  Tieraot,  Rousard  et  la  miuique  de  sou  tcmps. 


iiuquol  est  joint  le  suiJpU'iiuuit,  et  les  vei*s  de  la  clianson  Pciite  Nt/mphc 
folmtrc  sollt  imprimos  dans  la  reedition  augiuentee  de  1553.  Quant  aux 
deux  odes,  ellcs  sont  etrangercs  i\  ce  livre:  d'oii  il  rusulte  que  ce  n'est 
pas  seulciiieiit  hi  iimsique  des  Ammtrs  que  Ronsard  a  voulu  donner,  mais 
en  quelque  sorte  le  type  de  musiquc  qu'il  estimait  devoir  etre  appliqu^ 
ü.  toutes  les  diverses  parties  de  son  oeuvre. 

Le  gr()U])e  des  sonnets  n'en  est  pas  moins  le  principal.  Non  seule- 
ment  ces  deriiiers  sont  eii  majorite  dans  le  Supplement,  mais  encore  des 
indications  particulieres  eUiblissent  que  leur  musique  dtait  destin^  ä  etre 
adaptee  k  plusieurs  pi^ces  de  meme  nature  et  de  meme  forme.  Ainsi, 
presque  tout  le  livre  des  Amours  pourrait  etre  chant^:  de  par  la  Tolont4 
nieme  du  potte ,  il  forme  comme  une  Sorte  de  poeme  lyrique,  iruvre  qui 
resta  isolee  au  XVI"  siecle  et  fut  sans  analogue  au  XVJI*  et  au 
XVlil*  si^^ele,  et  dont  nous  trouvons  Tidee  seulement  r^alis^e  au  XIX* 
siede  en  des  compositions  dont  Ic  DiditerU/Ae  de  Henri  Heine  et 
Robert  Schumann  est  \o  t^-pe. 

n  est  bien  Trai  iiu'ä  consid^rer  seulement  ToeuTre  de  Bonsaxd,  il  est 
impossible  de  rdver  un  plus  ezquis  groupement  que  celui  des  deux 
Cents  vingt  moreeaux,  presque  tous  des  sonnets,  —  cinq  ou  wx  seulement 
sont  des  chansons,  —  disant  les  phases  de  cet  amour  de  poMe  poor  la 
belle  fille  de  Blois  dont  il  a  rendu  la  memoire  immortelle  soas  le  nom 
de  Cassandre. 

Soit  le  uum  faux  ou  vruy,  jauaiü  le  Temps  vuiu<|uenr 
N*effacera  ce  nom  du  marbre  de  mon  coeur. 

Affirmation  un  pe\i  prematuree,  car,  aj)res  les  «Aniours  de  Cassaudre», 
Konsard  nous  a  donnd  encore  les  cAmoius  du  Marie»,  les  «Amours 
d'Astree>,  ei  nitiuc  des  «Amoiir&  diverses*.  Mais  ceci  n'est  point  notre 
aiLiire:  passons.  Tout  en  conservant  chacun  leur  sigiiiricatiou  particuli^?re, 
ces  sonnets  s'en<li.nnent  logiqutment  entre  eux,  disant  d'a)»<»rd  les 
Premiers  troubles  du  l'umour,  Tt-motion  causee  i)ar  la  prviiuiii'  reiuontre, 
puis  les  progrts  d'une  passion  ilecrite  avec  les  luulcurs  les  plus  vives  et 
l'expression  la  plus  aidente,  avec  parlois  des  episodes  qui  tonjours  se 
rattachent  ä  l  idce  principale,  mais  ou  Taniant  s'efface  devant  l  artiste, 
et  dans  lesquels  le  goüt  de  l'antiquite  a  une  influence  preponderante. 

Les  Premiers  sonnets  sont  ceux  qui  ont  ete  choisis  de  preference  par 
les  musieiens.  Janetiuiu  a  mis  en  musique  le  premier:  Qui  voudra 
voii'j  et  le  second:  Nature  ornmit.  Nous  trouvons  encore  le  septi^me: 
Bien  qua  grand  tort^  et  le  douzieme:  J'c^jiere  et  eraim  (par  Certon); 
eniin  Muret  et  Goudimol  ont  pris  le  trente-deuxieme:  Las,  je  me  ptaiUy 
et  le  soixante-troisienie:  Quand  faperroi.  Et  sans  doute  au  point  de 
Tue  de  l'expression  musicale  ce  cliuix  iie  fut  pas  arbitraire:  c'est  au 
Gommenccment  du  cyclc  que  Ic  sentiment  avait  dü  necessairenient  s  epancher 


i 


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JiiH«!!  Tienot,  Bonsard  ei  la  morique  de  ton  temp«. 


89 


avcc  le  plus  de  fraicheur  ;  Ics  rausi(  iciis  Hreiit  dorn-  h'wn  de  chercher  1;\ 
ieurs  motifs  <riiisj>ii'atioii.  Malgrc  tuut  ce  fju'ont  \>\i  dirp  du  prt'tciulu 
airact«rt'  iiu-xinessif  du  coiitrt'point  vocal  «ertniub  observakurx  super- 
ticieli»,  aliant  jus(pra  prof«*s.ser  i[u'ü  n  y  a  pas  de  difference  entre  la  luubique 
relijjieuse  et  Li  imisi<|ue  profaue  de  cette  t'cole,  il  est  aisoment  saisissable 
(jue  ccs  hariiKHiu  >  imt  t'tv  com]iosrt;s  hüüa  TinHuence  iuimeiliate  des  vers 
de  Rimsard  <  t  l*  ur  ditivint  tout  de  Ieurs  fornies.  Dans  leur  teuue 
sjeiKialr,  ulles  ont  toujüurs  un  caraili  re  parfaitement  confoime  il  celui 
de  la  pi)«'>ie.  et  il  n'est  pas  rare  de  itjcounaiti*e  a  certains  detaiis  une 
reclierclie  d  exprussion  particuliere,  presque  i\e  declaiuation. 

La  forme  musicale  de  ces  sonnets  est  uiiifunuemeiit  la  suivante: 
litb  deux  quatrains  se  cluuitt  nt  sur  la  ni«*me  inusique.    11  en  residte 
que  celle-ci  conserve  generalenient  le  caractt  ii'  purement  plasticjue  pro|>ic 
il  l'art  du  temps  plutot  qu'ellc  ne  recherclic  Texpressiüii  pn*cise  de 
la  jarole. 

Quant  aux  terceis,  la  nuisiquc  Ics  .,ii;t  lihrrincnt  jus«jirau  (Icrnier  vers, 
Sans  etre  genee  par  la  pn'occupation  d  aucuiie  ri'pvtitiou  convcntionnelle. 
Daus  deux  sonnets,  il  est  vrai,  [Quand  fa/rptrcoif  et  Qk/  nvth/nt  ioi)\ 
le  second  tercet  reprodnit  le  premier  plus  ou  muiiih  txac  tciiu  ut  ^ies  diffe- 
rences  sont  notables  daiis  (,hmnd  fapin^rraif]-,  mais  c'est  uiiiqu^ment  })arce 
que  le  compohiteur  u  ju^i-  buii  qu'il  en  fiit  ainsi,  et  quc  Ics  vers  jiistifiaient 
cette  Interpretation.  Dans  Ics  autres  cas,  on  voit  la  deniiere  paitio  du 
sonnet  s'achever  de  fa^on  toute  diilurente,  parfois  en  un  tuur  tn-s 
melodique  qui  fnurnit  uuc  conclusion  aussi  agreable  qu'expressive.  \'uyez 
par  exeniple  le:»  deux  demiers  vers  du  premier  sonnet  de  Certon:  «Et 
pour  aimer  perdant  toutc  puissance»,  et  aussi  l'hannonieuse  periodc 
finale  du  sonnet  Xaiwe  ornant^  de  Jannequin,  entieienient  digue  d'etre 
issociee  Ii  ces  vers  clianiiaiits: 

Du  ci^il  Ii  peiiie  olle  etnit  desceiuluo 
Quand  je  la  via,  quaud  mon  uiue  eperduc 
En  devint  folle,  etc. 

Ailleurs,  c'est  le  sentiment  general  qui  so  trouve  interprete  par  des 
infle.xions  ou  des  fonnes  eoncordantes,  ])ar  exeniple  dans  le  sonnet  de 
Janequin:  Qui  roiddra  voir,  (premier  sonnet  des  Amours]  oü  sont  ex- 
inimds  les  toumicnts  du  cceur  qu'ont  perc<'  les  fl^che8  de  TAmour: 

Et  »i  voirra  que  Je  suis  trop  heurt'ux 
D'avoir  au  cwor  Tuiguillon  amoureux 
Plein  du  venin  dont  il  fant  que  je  meure. 

Ces  idees  sont  representees  a  Tinia^i^ination  de  l'auditeur  par  des 
vocalises  pressees,  s^^lan^ant  hardiment,  dans  le  genre  (le  style  mis  ä 
P^)  de  certains  passages  d'oi>^ra8-baUets  de  Banieau  dont  le  sens  est 
^ogue. 


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90 


Jalien  Tiersot,  KoD»rd  et  1a  nraiiqoe  de  «on  tempe. 


Le  mot  lui-meme  trouve  son  acoent  joste.  Dans  le  aomiei:  «Tesper« 
et  crotw,  od  la  pönale  montre  rind^dflion  de  Tesprit  inqniet  qui  paaae 
aux  id^es  les  plus  oontraires,  la  mudque  de  Gerton,  par  des  noanoes 
bien  compmes,  peat,  dans  son  etksemble,  &eflement  se  prSter  k  oetta 
Opposition;  mais  ü  y  a  mioax.  Au  ven: 

Oeni  foiB  je  menn,  cent  fois  je  prendi  naiMaacei 

dte  qua  conuaeoce  le  premier  h^misticlie,  le  mouvement  86  ralentit,  et 
les  Toiz,  note  contra  note,  font  par  deux  fo»  entendie,  bot  un  ton 
fon^bre,  les  mots:  «Cent  fois  je  meurs»  . . .  Piub  se  leleYant  et  reprenant 
randenne  allure,  elles  onient  d'wie  brillante  Tocalise  les  syllabes  finales: 
«Cent  fois  je  prends  naiasance». 

Nous  trouTons  Ii  faire  d'analogues  obsenrations  dans  le  sonnet  de 
Mnret: 

Las!  je  me  pUina  de  mille  et  miUe  et  mille 
Soupin  «  .  . 

La  premi^re  syllabe:  «Las»!  est  chant^  sur  une  longue  tenue  par- 
faitement  appropriee  k  cette  interjection,  et,  le  reste  da  vers  s*^taat 
d^roiil^  dans  im  mouTement  naturel,  le  rejet  est  xnoorpor^  de  teile  fa^on 
dans  la  formale  musicale  qa*il  semble  qae  le  mot  «Soapirs»  appaitienne 
au  vers  pr^c^dent  De  m§me  i  la  fin: 

Que  je  n'ai  plus  en  mes  veiues  de  sang, 
Anx  nerfs  de  force,  en  mes  os  de  moSUe. 

Ici,  Uli  long  silence  (choso  rare  dans  la  niusi(|ui!  du  seizieme  sicclc; 
separe  les  deux  vurs,  puis,  lus;  voL\  uiiies  ayant  cnün  attuiiue  lu  dernier, 
le  cbant  s'achöve  en  des  accords  graves,  —  et  cela  exprime  avec  une 
remarqoable  fidelit^  Tdtat  psychologique  dont  les  paroles  veulent  donner 

nd^ 

L'on  yoit  qne  les  mnsidens  de  Bonsard  ne  Pont  pas  trabi,  et  qu^ils 
ont  inteipr^t^  ses  Ters  avec  toute  la  fid^t^  Tintelligenoe  et  la  justesse 
de  sentunent  que  le  po&te  pouvait  soubaiter. 

Mais  oela  m^e  ne  suffisait  pas.  En  faisant  mettre  en  musique  six 
sonnets  des  AnuntrSy  rintention  de  Ronsaid  4tait  d^illustrer  musicalement 
Fcsuvre  enti^re.  Cela  r^snlte  dairemeut  des  indications  snivantes  que 
nous  trouTons  imprim^  au  eours  du  suppl&nent  musicaL 

Aprte  le  Premier  sonnet  de  Certon  (J'espire  et  erat»»): 

Lea  Sonnetz  dont  lea  oommenoementa  ensnivent  cy  apr^s,  avec  Tadresse 
du  fueiUet  oü  ili  ee  trouvent  dans  le  lirre,  ee  diantent  eur  la  Moeique 
du  Sonet  pröcödent. 

Suivent  les  titres  de  quatorse  morceaoz. 

A  la  fin  du  cabier  de  musique  sont  r^unies  les  indications  suivantea: 
Sonets  qni  ee  (duintent  sur  la  Musique  de  Qui  wt^dra  veoit.  " 


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Julian  Tienoi,  BonMrd  «t  1*  mmiqu«  d«  son  iempi. 


91 


Siii?eDt  k%  Utres  de  quatre-vingt-douxe  morceaux. 
SonetB  qni  se  chantent  rar  Ift  Mnriqae  de  Nature  omant. 

Ciüquaüte-neiif  titres. 

Les  trok  Sonets  enBayraiit  ae  chantont  sur  la  mtiaiqae  de  Qmnd 

/(ifjpcrjsojf. 

Snif ent  les  trotB  titres. 

Ainsi  donc^  daas  rinexp^rience  de  son  enthottsiasme  musical,  Ronsard 
jinoait  les  savantes  polypfaonies  des  Jaoequin  et  des  Goudimel  pour 
des  äirs  «passe -partout»,  snr  lesquels  on  deTait  pouvoir  chanter  toute 
esp^  de  choses,  —  oomme  on  faiseur  de  TaudeviUes  ^rit  ses  oouplets 

m  des  «airs  connus». 

II  etait  dit  pourtant  que  cette  idäe  de  po6te  ne  devait  pas  etre 
enti^rement  infeconde :  eile  eut,  au  point  de  vue  litt<Taire,  des  cons^uences 
notables,  car  eile  aboutit  h.  la  Constitution  definitive  de  certaines  rfegles 
de  versification  qui  furcnt  par  la  suitc  universelleraent  pratiqudes  dans 
h  poesie  firan^^e.  Cette  Observation  a  ^te  le  point  de  depart  et  la 
pnncipale  raison  d'etre  du  travail  de  MM.  Comte  et  Lau  monier;  ils 
ont  montre  qu'avant  Ronsaid  les  formes  du  sonnet  otaient  oncore  assez 
arbitraires,  au  moins  h.  Tegard  de  la  disposition  et  de  Taiternance  des 
rimes,  et  que  cc  fut  par  preoccupation  musicale,  afin  que  la  longueur 
des  vers  fut  exactement  mesuree  sur  le  chant,  que  le  po^ste  etablit  ses 
principes.  Bien  mieux:  cette  influence  s'etendit  juscju'ä  entrainer  d'une 
fa^on  generale  l'obligation  de  l'altemance  des  rimes  masfulines  rt  fenii- 
nines  dans  tfuitc  notre  pof-sie,  et  cette  regle,  sauf  de  rares  exceptious 
BMitive'es,  est  demeuree  tl  uiie  Observation  absolue. 

Cela  certcs  c^t  fort  iutiTossaiit,  et  l'histoirp  de  la  musiquo  floit 
enregistrer  lui  tel  resultat,  Inen  ({uil  lui  seit  extiTieur.  Mais  uu  point 
Je  Tito  plus  particulier  ([ui  nous  occupe,  Tinitiative  de  Konsard  devait 
ivoir  moins  d'efticacite.  Son  projet  de  faire  chanter  soixante  sonnrts,  — 
'lue  dis-je?  quatre-vingt-treizel  —  sitr  la  nmuv  niusique  savante  rentrait 
•^fl  effet  dans  le  (lomaiiie  des  eiunieres.  NVst-il  pas  bien  evident  <iue,  si 
la  mnsique  d'un  sonnet  b'aceortle  i)arfaitenient  avcr  Tesprit,  Texpression, 
l&s  details  nieiin'  de  sens  et  de  prosodie  de  bun  prototype.  eile  ne  ))eut 

superposer  iL  aucun  autre  ?  Le*«  (|iiati)rze  sonnets  que  I^onsard  voulait 
chanter  snr  le  «J'espere  et  crains.  de  ('ertön  avaient-ils  donc, 
au  önzieme  vers,  Topposition  dn  sentinient  triste  au  sentiment  joyeux  que 
nous  avons  signalee?  Les  quatre-vinut-douze  sonnets  correspondant  :\ 
*Q«u  vouldra  voir»  s'ach^vent-ils  t(Mis  par  le  tablenii  de  l'agitation  d  un 
tU'ur  perce  par  les  rivches  de  1  Auiour,  et  les  cinrnuinte-nenf  qui  düivent 
aller  svir  «Nature  omant»  *ieront-ils  dans  l  obligation  d'nvuir  li  la  fin 
lezprefision  melodieune  du  meme  sentiment  tendre?    S*ü  i  en  füt  trouve 


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92 


Jatiw»  Tiersot,  Eomanl  et  1«  imuiqiie  de  lon  temp«. 


qui  düssent  so  chanter  siir  la  musiqne  de  Muret:  «Las!  je  nie  plains  de 
mille  et  mille  et  mille  —  desirs» ,  il  est  probable  qu'ils  n'eiissent  pas 
commenc('  par  la  mome  interjection,  ni  eu  le  meme  rejet,  et  la  musi(iue 
86  füt  ainsi  trouvee,  m&me  au  point  de  vue  rjrtimiiquey  en  d^saccord 
avec  les  vers. 

La  Tente  est  qu'une  uMi  i  inc  bien  faite  et  vraiment  artistique  fait 
Corps  avec  les  paioles,  dont  eile  est,  en  quelque  sorte,  Temanation:  eile 
ne  peilt  «*trr>  applique^e  h  auoones  antres.  Elle  ne  saurait  itre  assimilt^e 
avec  les  <tiinbre8»  de  chansons,  mati^  indifferente  et  inezpressiye.  En- 
core  qii'ii  y  ait  lieu  de  tenir  compte,  poiir  Temploi  de  ces  derniers,  de 
certaines  considi^rations  de  moavement  et  de  sentiment  gen^ral,  la  Corres- 
pondance  de  la  longueur  des  vers  avec  les  formes  melodiques  restant 
la  pr^occupation  principaloj  si  Ronsard  s'en  füt  tenu  \k,  ü  aurait  peut* 
etre  realise  son  reve.  Doit-on  liii  faire  un  grief  s'il  n'y  est  pas  parvenu? 
Non  oortos,  car  son  senl  tort  fnt  d'avoir  regard(^  trop  haut.  II  ignorait 
ce  que  trois  siöcles  et  plus  de  pratique  nous  ont  appris.  L'art  en  son 
temps  n'etait  pas  arrivö  k  un  süffisant  etat  d'avancement  pour  que  les 
principes  concemant  l'expression  et  les  rapports  de  la  musiqne  avec  la 
po^ie  pussent  etre  olairement  degages.  L'instinct,  ou,  pour  mieux  dire, 
une  Intuition  geniale,  avait  parfois  fait  trouver  a  ses  collaborateurs  et  si 
lui-nieme  la  forinule  niomentanee  de  l'accord  necessaire;  mais  la  genera- 
lisation  n'avait  pas  pu  sc  faire  encore;  Theure  ('tait  prematiiree  pour 
d^gager  la  th(^orie.  Le  but  ne  fut  donc  atteint  quen  partie.  Mais  il 
n'importe:  ce  fut  dejii  un  tres  grand  inerite  <le  l'avoir  entrevu,  et,  meme 
sans  la  resoudre,  d'avoir  pour  la  prenü^re  ioi^  pose  la  question. 

Les  autros  morceaux  de  musiqne  dont  nous  nvom  n  nous  occuper  sont 
une  chanson,  une  ode  j\  strophes  pareilles,  et  une  ode  pindarique, 

T^a  cliansnn :  Pdite  Nymphe  folastrCj  mise  en  musique  par  .lanequin, 
est  un  bijou,  La  melodie,  tres  nettenient  do<;sinr'o,  a  tonte  la  grace  et 
la  vivacite  de  la  mu^iquo  franraise,  nvör  mio  fraithenr  ijui  a  dt?fie  les 
anuees:  son  inveiition  »-ut  fait  hoiiiiour  au  inoillt-ur  de  nos  maitres  dt! 
XrX*  siecle.  Fai  meine  temps.  cotte  comixisition,  j)ourtant  si  menue, 
permct  d  adrnirer  I  miI  du  einitrej)(>iiitist(%  cur  l:i  iiK'lodie  s^agcnce  en  caTion, 
sans  rien  perdre  de  s(»ji  iiatiin*!,  entre  les  <leux  ])arties  du  superius  et  dn 
t«'nor.  C'cst  en  somnie,  ]>ai()les  et  musique  ensenil>le,  un  des  plus  exquis 
exeinples  que  Ton  pin'ssc  iloimer  de  la  chnnson  fiaiiraisc  an  XVT*'  sit'^cle. 

Ce  juorceau  souleve  une  (piestion.  Bien  souvent,  ecoutaut  ou  lisant 
quelciuune  de  res  chansons  comme  Kolaiid  de  Tiassus,  par  exemple,  eit 
a  «'ci  it  de  ntvissantos,  mais  frappe  de  leur  brit'-vete  (il  on  est  ([iii  diirent 
a  peine  viiigt  a  trente  stcondes  a  rexeciition),  je  nie  deuiandais  si 
vraiment.  dans  Fintention  de  l  aiiteiir,  cela  eonstituait  un  tont  complet, 
ou  si,  comme  daiis  les  chansons  populaires,  la  musique  ne  devait  piis 


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Jnlimi  Twnot,  Boniard  et  la  monqine  d«  son  tomps.  98 

etre  räp^tte  sur  de  nouveaux  ooupleis.  Lea  Uvrets  du  temps,  k  la  T^rit^, 
ne  doimeDt  jamais  d'autres  paroles  aprte  la  notation;  nuiis  nous  savons 
de  teste  qae  rien  n^est  plus  fiommaire  et  incomplet  que  les  publications 
de  oette  sorte.  L'oeuvre  litt^raire  de  Bonsard  nous  ^tant  connue,  n'y 
trouverons-nous  pas  une  i^ponse? 

A  l'egard  de  la  chanson:  «Petite  Nymphe»,  cctte  r^ponsc  serait 
negative.  Bien  qu'intitule  <  Chanson » ,  oe  morceau  n'est  pas  divis^  en 
Couplets )  et  ne  pent  T^tre.  Janequin  en  a  pris  les  huit  pieiniers  vers 
pour  les  mettre  en  rausique;  ü  eüt  pu,  s'il  Vedi  jug4  h  pxopos,  faire 
chanter  nn  second  couplet  snr  les  huit  vers  stÜTants: 

Avance  mon  oaitier  belle, 

Ma  tourtre,  mn  rolnTn>>elle, 
Avance  moi  le  curtier 

mou  paimaut  tout  euticr. 
Demenre,  oö  faie^ta,  Maitreaae? 
Le  d^ir  qui  trop  me  presse 
Ne  Bauroit  airester  tant 
SUl  n'a  Hon  paiinent  contnnt. 

Mais  le  reste  de  la  pi^  se  d^veloppe  en  p^riodes  toujonn  plus  longues 
que  le  couplet  de  huit  Ten:  on  en  pourra  juger  par  la  suite,  que  voici: 

I?tvi('ii.  revien,  mignonnettr, 
Moll  (If)iix  mifl,  mii  violette, 
Mon  ii'il,  mon  '-'»nr,  me»  amours, 
Ma  cruelle  qui  touiours 
TrouTea  qoelque  inignardiäe, 
Qni  d*une  donce  fiamtise 
Peu  Hl  peu  mes  forces  fond, 
Comme  on  voit  dessus  un  mont 
S'öcouler  la  nege  blanche: 
Qu  comme  la  rose  francbe 
Pert  le  pourpre  de  aon  teint 
Du  Tent  de  la  Bise  atteint. 

II  en  est  ainsi  ittsqa*&  la  fin:  meme  le  morceau  se  termine  par  des  limes 
f  emimnesj^alors  que  le  huitain  mis  en  mnsiqae  s'arrdte  sur  les  mascuHnes. 

L'ode:  Qui  rmforeera  ma  voix^  de  Groudimel,  va-t-elle  nousamener  ä 
d^autres  oondosions?  La  podsie  ^tant  compos^  de  strophes  ^[ales,  Ton 
pourrait  croire  que  toutes  peuvent  etre  chant^  sur  la  m^me  musique, 
et  ce  fut  1&  certainement  Tintention  de  Bonsard.  Mais  soumettons 
FoDUTie  de  Goudimel  &  la  mdme  exp^ence  d^j&  faite  sur  les  sonnets: 
nulle  part  le  rdsultat  ne  sera  plus  significatif . 

La  Strophe  niise  en  musique  se  termine  par  ces  quatre  rers: 

Orea  il  faut  que  le  firein 

Qui  ja  par  le  ciel  me  guide 

Peu  scrviteur  dr  In  bride 

Fende  Tair  d'uu  plus  graud  traiu. 


biymzeo  by  V^oo^^ic 


94 


Säi  le  lecteur  Teilt  bien  se  reporter  la  nraaque,  ü  y  Terra  ce  demier 
Ten  accentue  avec  une  Energie  peu  commune.  Fear  que  les  autres  Bfcropbes 
fassent  chantäes  de  mdme,  ii  faudraü  qa'elles  euasent  le  meme  cnmctfTe. 
que  leur  dermer  Ten  commen^ät  par  un  mot  semblable  h  ce  cFendent 
rair>  que  le  musiden  i^p&te  et  nccentue  sur  nn  ton  cinglaiit,  aTec  deft 
rythmes  contrarias  qui  e'acoordent  menreilleusement  avec  la  parole.  En 
sera-t-il  ainsi?  Non,  cela  est  <?vident:  aussi  ne  l'est-il  pas  moins  que 
Goudimel,  en  composant  sa  musique,  n'a  eu  en  vue  que  Tunique  pre- 
mi^re  strophe,  et  son  Interpretation,  par  sa  üd^lit^  meme,  exchit  Tid^ 
de  Tappliquer  aux  autres. 

L'iiiti'iition  de  Ronsard  est  plus  certaine  encore  en  ce  qui  concerne 
Tode  pindarique:  Errant  par  les  fhampfi  de  la  prücr,  et  son  »'pode:  En 
qui  respanrlit  le  cid.  Eile  est  manifestee  expressi'ment  ä  la  tin  du 
Supplement  niusical,  oü,  apr^s  les  indications  concemant  les  sonnets,  on 
lit  cette  demiöre  phrase  : 

Au  restü,  pndios,  Lecteur,  qno  tous  les  Strophes  et  Antlstrophes  de 
rode  fi  Moiifittir  di-  l'Hospital  se  chantciit  sus  la  Mnsique  du  premier  strophe 
Errant  par  les  chainps.  £t  lea  Epodes  de  TOde  mesues,  suälamufiique 
du  premier  Epode  En  qui  respandit  le  Oiel. 

Ici,  la  inusiqiie  de  Goudimel  t'tant,  par  une  :ijq)roj)nation  des  plus 
heureuses,  de  caractöre  plus  lyrique  qu  expressif,  il  n'y  aurait  j)as  impobsi- 
bilit<i  que  ces  prescriptions  fussent  observees  d'un  bout  a  Tautre  do  l'Ode. 
Cependaut  il  faut  convenir  que  bien  des  strophes  ou  antistrophcs  sont 
de  caract^re  tr6s  peu  musical,  et  que  ])arfois  leur  prosodie  meme  s'accorde 
difficilement  avec  les  forme»  de  In  polyphonie.  Kn  untre,  je  sais  par 
experience  qu  ü  Texecutiun  la  soule  premiere  strophe,  suivie  de  son  anti- 
strophe  et  de  Tepode.  dure  environ  six  minutes;  or,  l'Ode  ä  Michel  de 
l'Hospital  etant  compos^e  de  vingt-quatre  fois  la  meme  combinaison,  il 
en  r^ulterait  que  l'execution  totale  durerait  euviron  deux  heures  et  demie, 
pendant  lesquelles  on  entendrait  quarante-lroit  fois  la  musique  d^une 
partie,  Tingt-qnatre  fois  cette  de  Tautre  partte  de  FoenTre.  Dans  ces  con- 
ditions,  il  est  doutenx  que  cette  ex^ution  ait  jamais  eu  lieu,  et  que  la 
tentatiTe  de  restitution  de  l'ode  pindarique  en  son  douBle  ^^ment  po^tique 
et  musical,  objet  des  pr^occupations  de  Bonsard,  ait  ^t^  int^gralement 
rtolis^e  dans  la  pratique. 

II  n*en  faut  pas  moins  consid^rer  arec  grande  attention  cette  cbutfo, 
qui  est  du  plus  haut  int^ret.  Si  TOde  Ik  Michel  de  THospit^d  n*a  plus 
ponr  les  lecteun  modernes  les  mömes  attraits  qu  y  trour^nt  les  con* 
temporains  de  Bonsard^  du  moins  rbistoire  littäraire  n*a  pas  m^connu  les 
m^rites  de  ce  morceau  considärable}  T^table  chant  de  gloire  en  Thon- 
neur  de  la  Poesie,  non  plus  que  le  progr&s  qu*il  marque  dans  la  langue. 
Quant  ä  la  musique  de  Gh>udimel,  oubli^  depuis  plus  de  trois  si^es,  si 


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Jiiliw  Ti«not,  Roimrd  «t  la  muaiqae     lon  tempt. 


95 


eOe  n*ft  pas  an  ae  dägager  entidrement  de  la  froideur  natufelle  au  genre, 
die  est  pourtant  d'nne  beaut^  hannonieose,  d*ane  arniklenr  de  ligneB  dont 
OD  ne  trouTe  pas  beauconp  d'antres  exempleB  dans  la  masique  profane 
du  Xyi*  dtele.  L^enseiiible  constitue  im  numument  d*art  unique  en  son 
ferne,  et  qui  lut  trts  digne  d*£tre  couBerr^  pour  la  post^rit^. 

Point  ii*e8t  besoin  de  präsenter  aux  lecteun  de  oe  trayaü  les  trois 
prinoipaax  muauneiM  dont  les  noms  fignrent  dans  ce  enppl^ent  musical, 
cir  Janeqnin,  Certon  et  Goudimel  sont  les  plas  c^dbres  repr^en- 
tttts  de  r^le  franf aise  au  müieu  du  seiEitaie  dfecle.  Ii  en  est  diff^ 
nmment  d^un  quatiiteie,  le  eompositeur  du  sonnet:  cLas!  je  me  plains», 
Mnret  Nous  avions  pourtant  renoontr^  ce  nom  dans  un  r^pertoire 
OMuiea],  oü  il  tenait  peu  de  place:  la  BibUograpkie  der  Muaik-Sammd' 
verfcs  des  XVL  und  XVII.  JakrkunderteSf  de  M.  B.  Eitner,  fait  mea- 
tkm  de  Muret  (M.  A.)  dont  eile  Signale  deux  cbansons  fran^aises:  Ma 
fäik  eolonMle  et  Venet  «tis  dane  vetiex  embrasseX'.  Avec  le  sonnet  des 
imottrs,  cela  porte  k  trois  loorceaux  le  bagage  actuellement  connu  de 
ce  eompositeur.  Notons  que  «Ha  petite  colombeUe»  est  le  premier  vers 
d'oDe  des  ödes  les  plus  comiues  de  Bonsard.  A  cette  pr^f&rence  signi- 
ficative,  ajoutons  cette  autre  Observation,  que  le  po^te  eut  pour  ami  d'^cole 
Marc-Antoine  de  Muret,  leqnel  derait  deTenir  un  des  principnux  ^nidits 
da  si^ei  et  qui,  dans  sa  jeunesse,  fut  un  ferme  soutien  de  la  Pleiade; 
dejä,  quand  pamt  la  deuzieme  edition  des  Ämours  de  Ronsard^  Muret 
raooompagna  de  oommentaires  qui  indiquent  qu'ü  avait  une  grande  part 
dsns  les  confidences  du  po^te.  Böpondant  ii  (  )mi\  qui  lui  faisuient  re- 
pRMshe  d'avoir  commentä  une  ccuvro  qui  n'etait  ni  grecque  ni  latine  et 
dont  Fauteur  dtait  encore  Tivant^  il  s'^criait: 

>Kt  plus  ä  Dien  que  du  tsns  d*Hoinere,  de  Yergile,  et  antres  anciens, 
qaelqu'na  de  leors  plus  famiUer*  «ut  enploi^  quelques  benres  h  nous  ^«irctr 

leurs  concep^i«^'!»»*.  Nous  ne  eerions  pas  aux  trouliles  auxqucis  nou«  somme» 
pour  lea  euteudre  .  .  .  Comme'  je  puis  bien  dire,  qu'il  y  avait  qiiel(jues 
SoQeiB  daus  ce  ürre  qui  d*home  n'eusseut  juiuais  cät^  bien  enieuduH,  ui 
l'ttttenr  ne  les  eut^  ou  fc  moi,  ou  ä  quelque  autre  famili^rement  deelairvSs.« 

Quand  nous  voyons  dans  le  luimu  livie  le  nuiii  de  Marc-Antoine  de 
Muret  signer  de  ttls  cüiiiiiu'iitaires  et  celui  de  M.  A.  Muret  sMnscrire 
su^dessus  de  la  composition  musicale  d'un  sonnet,  ne  sommes-nous  pas 
tttoris^s  ä  croire  que  musicien  ut  cumim  atateur  ne  sont  qu'une  scule  et 
Blme  personnalite  ?  Sans  doute  de  plus  savants  travaux  ont  absorbe  la 
principale  part  de  son  activit^;  mais  devaient-ils  empecher  que,  dans 
Vefflorescence  de  la  jeunesse,  Tautcur,  partageant  les  goüts  de  ses  amis, 
pentpetre  plus  faTorisd  qu'eux  sous  le  rapport  des  aptitudes  et  de  l'in- 
stnction  musicale,  ait  fait  dans  ce  domaine  une  petite  incursion? 
Oommentatear  drudlt  de  Ronsard,  il  voulut  aussi  le  commenter  artis- 
^isment;  peut-dtre  pretenditrü  donner  un  modele,  et,  travaillant  sous 


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96 


JuUen  H^raot,  Ronnrd  et  la  miuiqne  d«  «m  tempt. 


Ics  yeux  de  Tautefir,  fixer  la  forme  du  sonnet  musical:  rexactitade  de 
rinterpr^tation  du  texte  dans  le  chant  «Las!  je  me  plains»,  jointc  h 
une  certoine  s^heresse  d^inspiration,  n^est  nullcment  en  oontradiction 
avec  l'id^  que  cette  nmsique  peut  etre  INi  uvi-e  d'un  littäratemr.  Yoilä 
doDc  un  nom  nouveau  h  inscnre  dans  les  biugrapliies  des  musadens:  Marc- 
Antoine  Muret,  auqucl  il  sera  d'autant  plus  facüe  de  oonsacrer  un  artide 
que,  si  son  role  musical  ätait  restö  ignor^  jusqu'id»  sa  vie  et  son  (butto 
essentielle,  infiniment  ^tendue  et  vari^  sont  parfaitement  connues. 

Yoid  donC)  dans  son  eii^«  mble,  cette  musique  que  nous  avons  par 
avance  decrite  et  commentee.  Nous  l'aTOns  fidMement  transcritc,  appro» 
priant  sa  notation  aux  usages  de  la  lecture  moderne.  Les  parties  s^par^s 
ont  dte  reunies  ot  superpos^s  comme  de  raison,  et  les  mesures  divisees 
par  des  baires.  Seit  dit  en  passant,  cet  usage,  ünpose  aujourd'hui,  de 
la  baue  de  mesure  li  tout  propos  et  hors  de  propos,  n'est  peut-etre  pas 
CO  qne  la  notation  moderne  presente  de  plus  heureux.  Les  musidens 
du  Xy*  et  du  XYI^  siöde  chantaient  fort  bien  saus  barres  de  mesure 
et  leur  execution  nVn  avait  sans  doute  ])as  moins  d'ensemble,  de  meme 
que  leur  notation  n^avait  pas  moins  de  clart^;  car,  si  dans  1:t  musique 
rythm^e,  les  danses,  les  marches,  les  barres  peuvciit  etre  utües  k  l'excS- 
cution  en  montrant  aux  yeux  la  place  des  temps  forts,  par  contre  elles 
ne  peuvent  qu'Stre  nuisibles  dans  la  musiqup  plane  des  andem  maitres, 
dont  elles  d^oomposent  parfois  fucbeusement  les  pi^riodes,  donnant  Tidde 
de  syncopes  en  des  endroits  oix  le  chant  devrait  se  d^rouler  natureUement 
et  en  toute  libert^.  Nous  les  maintenons  pourtant  afin  de  ne  pas  trop 
heurter  de  front  les  iddos  cn  cours  et  de  ne  pas  etre  accusö  d'introduire 
dans  la  lectuie  d'inutiles  difiicult^s. 

Les  valeurs  ont  ^te  uniformement  diminuees  de  moitie;  la  notation 
du  XVI*  sitele,  issue  de  la  notation  blanche,  ayant  g(^neralement  la 
blanche  pour  unite  de  temps  et  cette  unite  ^tant  aujourd'hui  la  noire» 
c^est  cette  demiöre  que  nous  aTons  adoptee. 

Pour  les  defs,  il  nous  a  pani  avantageux  de  substituer  aux  clefs 
d'ut  Tunique  clef  de  sol,  meme  k  la  partie  de  tenor.  Le  lecteur  devra  donc 
considdrer  que,  comme  dans  les  partitions  d'a  uvres  modemeS|  cette  partie 
doit  etre  lue  une  octavc  au-dessous  de  la  not«  ecrite. 

Nous  n'avons  pas  touche  aux  tonalites,  bien  qu'elles  soient  genc^ralement 
trös  gravcs  et  qu'i  Texecution  elles  nc'cessiteraient  une  transposition  ä  Taigu 

Enfin  nous  avons  ajoute  oix  il  oouvenait  los  accidents  sous-entendus 
dans  la  notation  originale,  aocidents  dont  l'usage  est  parfaitement  connu, 
et  qoi  ne  devraient  jamais  dtre  omis  des  transcriptions  de  ce  genre,  car 

1)  Quand  nous  avons  fait  dbanto'  J^eapbre  et  erahu,  Feük  Nytnpiie  «t  TOde  ErratU 

par  U»  champs,  avcc  son  i'pode,  tous  mnn  oaiix  ecritsen  fa,  nous  avona  du  mettre  les 
deux  premien  en  «o<,  et  le  dernier  en  «t  betnolt  une  quarte  plus  baut 


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Julien  Tiemt,  Ronatxd  «t  la  mniiqiia  de  ioa  temj^. 


97 


«ette  Di^Iigeiice  ne  peut  avoir  d'autre  effet  quo  de  donner  an  lecteur 
des  itUes  Busses  aur  la  tonalit^.  J*ai  dü  malheureusemeiit  relever  oe 
däaot,  qui  me  pan^t  grave,  dans  vne  ünportante  et  d'aiUeun  fort  belle 
pnUicatioii  d'aadenne  mnmque  frani^se  <iui  se  poursuit  de  nos  jonrsi  et  d<nit 
rnteiir  penae  etre  mienx  dana  Tesprit  des  Oeuvres  (ju'il  ^te  en  les 
tnascrivant  telles  qu^fl  les  trouve  dai»  les  vieax  livres.  Je  crois  cepen-' 
hiA  qa*il  est  essentiel  de  Ra?oir  ce  qae  parier  veut  dire,  et  qae  si  les 
aniidais  du  XVI*  siecle  avaient  d'autres  habitudes  d'^crituie  et  de 
lectme  qae  ceux  du  XX* ,  il  est  n^essaare  d'en  informer  ces  demiers: 

rerte,  la  publicatiou  en  «juestion  leur  Uii  bien  d^autres  concessions 
Wims  utiles.  tra^ant  les  barres  de  mesure  sans  comptor,  donnant 
des  tranncriptioiis  poiir  piano,  etc.  D  est  d'ailleurs  irba  facile,  si  Fon 
veot  indiquer  qu'un  accident  est  sous-entendu  dans  roriginal,  de  rinscrire 
''ntre  parenthöses,  ce  qui  est  de  piati<iiir  ctmstante  dans  toutes  les  bonnes 
«(ütioits,  et  que  nons  n^häsiterons  pas  k  faire  id. 

(juant  aus  paroles,  nous  leur  c-onserverons  leur  orthograpbe  andeime. 
l»on  pourra,  en  comparant  certains  vers  sous  la  musif^ue  aux  parties 
cocrMpondantes  imprimces  dans  les  editions  de  Ronsard,  eonstater  que  les 
musiciens  ont  cm  parfois  devoir  modifier  des  mots.  C'wt  ainsi  que  le 
^(^Mi  du  Premier  sonnet :  <Qui  voudra  voir  comine  Amour  me  sumonte» 

devenu,  du  fait  de  Jauequin:  «Comme  un  dieu  me  Rurmonte» ;  que, 
ians  Tode  de  Goudim«l,  le  vers:  «De  rHospital,  nn'inmn  des  dieux»,  est 
ievenu:  <Du  pluä  heureux  mignon  des  dieux*,  etc.  L'on  peut  legretter 

alti'rations,  au  nioins  inutiles;  cependaut,  comme  la  mudque  est 
'^bjet  principal  de  cette  publication,  nous  ne  croyons  pas  devoir  faire 
utrt'üient  que  d'adopter  le  tijxte  «-tabli  pour  eile.  Nous  ajouteruns  seule- 
aient  entre  la  Strophe  et  Ti-pode  de  Tode  pindarique  les  jiaroles  de  lanti- 
troplie  qui  doit  Atre  chanti-e  sur  la  im-ma  musicjut!  quo  la  stroplie,  afin 
\f-  lecteur  ])uisse  se  rendre  plus  fucilement  compte  des  proportions 
t  de  k  disiiosition  reelle  de  i  iruvre. 

Adrrrtissv mm t  an 
Lecteur  par  A.  1).  L.  P.  •) 

A;f'iHi  rtromirr  Ir  Line  ih^  Aniotns  fht  Sciyttfiir  P.  r/r  lloirfard^  tf-  fn 
'^uksm  de  se.s  Ocfe^,  aiev  uidtieis  8Usis  Oinmulrs:  FA  jjuui  apirs  rnfettdu 
1*  pour  Um  plaißr  tf'  eniier  e*mietitemmt  if  a  daigni  prmdre  h  pcinc  de,  les 
^furtr  für  la  lyre  (ee  que  now  n'auioM  enrarM  apperrtu  auoir  ^ßf  fai^  de 
'  'ettt  qui  f»  /ont  exrrrit.'s  rn  t'  f  gnire  ^e/erwt)  Sugnant  fon  eutrcpri/e 
'Ufr  Ir  rntihfr  <fm  f'fnf  dr  luij  Jatisfmrc,  «<•  pour  Vaniour  de  toff  l^ctrur:  i'aif 
i'^t  mprimer^  et  mettn  n  la  fin  d/  "  pnjfnt  lirrf,  la  Mnsiipo ,  ßis  laipidle  tu 
i*^**«  ihanter  unc  bonm  partie  du  contcnu  cn  icrluij:  tc  promectant  a  raduenir 

"fntimier  mfU  wankre  df  faire  (m  ce  qui  s'impriuiera  de  la  compo/ition 
d^idief  Ron/ardj  ß  te  wngnwy  qiC^U  te  foit  aggreahle, 

1  Cf«  initiale«  8ont  Celles  de  l  eUiteur,  la  veuve  De  La  l'orte. 

IV.  7 


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98 


Julien  Titrsot,  Romaid  ei  la  nueique  de  een  tempe. 


Sonnet:  «I'espere  ^  crains». 


P.  OertOB. 

äuperius 


Contra. 
Tenor 
Bassos. 


in  i~n 

Tee .  pere  * 

online,  ie     me  «nie     *    enp  .  pU  . 

 d  —  — «  ^  1  1    I  ^. 

i  d    \  Ii     J  ^ 

-j-yt^  ■''ff' 

r 


e, 


Or     ie  Buie  glaoe      A     o  .  reo      un  feu  dutult» 


VtA. 


P 


rad.mi.re     tout,  a 


de    riea    no  me  cfaauU,       Ie  me  de . 


^^^^ 

de    rten    ne  me  chault, — 


Ie 


tf^  *  r  r  r  I  m 


re  tont, 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps. 


99 


1^^ M  fi  ;  f  ~fr  ^  >M 

lace,      A       puis  ie    me   ro  .  Ii 


TTIil  '  t  n 


.  e.. 


Rico 


ä  B4 


roe  de. lace,     A  puls          io  mo    rc  .  Ii 


0. 


r  r  f  I  r 


IJ  J  j  J  u 


J  I J  I J 


ne  mo 


plaiet 


81     .     non      cc        qui      men   .  nuy 


m 


3Z 


m 


IS 


i 


0, 


Ie      suis  vail.lant         A     le     cccur     mo   de.  fault, 


,J   J  I  J  i 


I  J  f 


J  I  f  r  r  r  m 

I'ai 


I 


j  I  *  r  r  r 


ins: 


Tai  Tespoir     bas,      i'ai      le      cou  .  rai.ge  hault,  ledoubtea. 


1  ai 


tr  f  r  w  i  ^  \  r  r  ir 


le      cou  .  rat.ge   hault,   Ie 


i 


res 


poir  bas, 


r  I  r  r  I  «i  r I  '1  *  r 


7» 


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\QQ  Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps. 


j^  .1     J   I  ^ 


mour, 


si    ie  le. 


def.  fi 


e. 


doubte  a.  mour, 


61. 


ie     lo      def  .  fi 


J  ^  r  I     j  ü 


Plus  ie    me     picque,  A     plus —    io   suis  re 


'  i  J  J  I  J  ^ 


tif,  l'ayme 


J  I  J  J  ^  i 


<  j  r  r  I  g 


j  .1  j  I  j 


H  -  - 


es.tro  libre,     A  veulx  es  .  tro  cap.tif. 


Cent    foia  ie 


J  J 


g  ,  ■ 


2: 


g  ■    ,  (g 


i 


J  IJ  J  J  J 


-qrr 


raeurs,         Cent  fois 


10 


i 


mours,   Cent  fois  iepronsnais. 


i 


Cent  fois  ie  prens  nais. 


I  ...  I 


iHri  I  j  ir  r  g 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  mueique  de  son  temps 


101 


r   r  I 


san  . 


-  ce. 


Un   Pro.  nie  .    thoe  en 


*  j  j  j  I  j. 


san 


ce. 


P  I    I'  1- 


m 


<  j  j  j  I  j.  ^ 


m 


j  j  j  I  ,j  i 


pas  .  81  .  ons  le  suis. 


f  J  i  J  J  Ii 


Et          pour  ay 


mer 


per . 


1 


-1  J  J  J  1 1 


j  j  J  j 


3 


per.dant  tou. 


per. 


i 


dant  tou-  to     puis  .  san  .  co, 


Ne 


pou  .  vant 


te  puis 


san 


ce,  Ne" 


A  dant 


ton.  te     puis  .  san  .  ce, 


pou  -       .  vant  rien, 

J     I"  ^ 


Ne 


pou  .  vant 


 r— ==^=4^   1   1    ^  n 

tt^  J    J  ■- 

1         rien.       io  fay. 

ce  quo 

in  piii«. 

rien,  ie  fav, 

ie  fa 
II          1        -  Fi 

is     ce  que  

Ii  '  ^  ' 

_  ie  puis. 

^  1 

  ie  fay 

1  f             ^L4^  1     p  1  ■  d 

ce        que.                    le  ' 
1   1        sr"               1    1  1.^  

puis. 
 1 

k-*-  ^ 

rien, 

1 "    1     II*"    1  r    "  1  „  » 

fay                         rp            qn«          le  puis. 

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102 


Jnlien  Tieriot,  Ronsard  «t  Im  mniique  d«  Mm  tampt. 


Sonn  et:  «Bien  qu'»  fprand  tort». 


P.  CertOB. 


Superius. 


Bifn  qu'k  grand  tort 
Las  .  pre     tour    .  mcut 


Contra. 


Tenor. 


Bass 


U8. 


il  to  pUist  d  al.  lu  - 
ne     mest  poini  si    a  . 


qu*&  grand 
pro  tour 


tort 
ment 


3^ 


9a*a  gramd  tort  il  te  plaitt  d'al  .  In  . 
pro    tour   .    moni  no  m'est  point    .si  a  . 


qu  a  grand 
pre  tour 


tort 
ment 


il  te  plaist  d'al.iu. 
HO    iE.*flst  point  ai  «. 


?'T  M  j  I  I  1 1  I  I  rrmim 

mer   D*'  .  dans    raon    ca-ur  siego     ä     ta   sei.gneu.  ri    -  - 
mor,  Qu  il     no      me    plaise  A        si  a'ay  pas    e   .    nui  ... 


m 


j  J  r  I  r  r  r  ri 


mer  De  .  dans  mon 
mcr,  QuMl     ne  me 


7  j  I    j  j  N  ^  r  r  I  um 


mer 
mer. 


^"TiTTX?  rrr  'Ml  ii^^ 


e.  Non  d'une  a.  mour  ain  .  cois  d'u.ne  fu  .  ri  .  e  Le— 
e  Do      ma    dou.loir,  car      io    n'ay-mc  ma      vi  .  o  Si  


 'II 


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i 


Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps.  |03 

I  V?  foiH.  I 


J    J   J  I 


9 


—  feu    cru    .     el  pour 

—  non  d'au    .     tant,  qu'il 


mos  08  con  .  su 
t(i   piaist    do  Tay 


mer. 


32 


r  j  j  j 


ZZ3I 


I 


I  foi» 


J  If   ^  I 


mor.  Mais 


-0- 

si 


Ics  cieulx m'ont  faict  nais  .  tro,  Ma.  da 


Mais     si   lea 


cieulx 


m'ont    faict  naia.tre,  Ma. 


m 


m 


Mais      s'i  les 


cioulx 


m'ont  faict  nais. 


i  J  IJ  j  J  J 


Mais     si  Ics  cieulx  m'ont  faict  nais .  tre,  Ma  .  da 


rae,  m'ont 


3 


ron,  m'ont  faict  nais.  tre,  Ma.da   .    me,  Pour  es 


tro  tien 


da 


i 


me, 


Ma.da    .    me,  Pour  es 


tro  tien 


m 


tre,    Ma  .  da 


me,  Pour  es 


tre  tion  ne 


t  t  l'    \?  J 


faict  nais. tro,. 


Ma.da    .    mo,     Pour  es 


tre  tion 


no  gen.no    plus  mon  & 


me,  Mais  prens  on     gre  ma   fcr  _ 


ma 


i 


j  r  r  r  I  f  i 


gen 


ne    plus  mon  & 


me,  Mais  prens  en  grö 

J  J  J  I  f 


ma 


no  gen.uo     plus  mon   ä    .    me,  Mais  prens  en     grö  ma 


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Jiüimi  Tianot,  RMMMd  «t  ia  Bniiiqa«  d»  «m  t«mpt. 


i 


jcx: 


BML 


loy   .   aal  .  tö. 


V&uU  il  pas 


ii.t^    lov  ai.l     .     t<'.         VauU       II    pas  rai^ulx 


ai.  l 


1^ 


me  loy 


aul 


i6.  Vault 


il  pas  mieolz 


.    me    I07    .  aal 


Tsr 
te. 


!n:ritlx           en       ti  -  ror 

_4_  ^  

—  

du  S'T 

vi 

CO                  Qvi''  par  l'hor. 

en   ti .  ror       du  ser 

.vi'/ 

oe  QuH    par  rhorrear 

i    J     ■ — ■      _^ — 1 

h    -1  = 

 5)  

-    Ti  - 

ee  Qa«    par  Vhonmx 

1     "  1 

ß^^r  r  if  r 

ri'-nr             A 'III     rru  ol         .  rri  f\ 

•  p — 

1» 

L'oc  -  cire  aux 

>  1  j  i  1 .1  Vr.T^i  j  - 

d*im  onuA     sa.ciri.fi  . 

Um  j  J  i-^  J  ^  — ^ 

.  ee. 

L'oc.oIm  MX  ^ 

1              d'un  cru.el       sa  .       .  cri    .  fi 

ce. 

-J-^= — — r. — 

L  oc  -  cire  aux 

L'oc  .  oire  aux 


Digiti/Oü  by  CtJO^lc 


Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps. 


105 


C.  Goadimel. 


Ode  a  Michel  de  T  Hospital 
Chancelier  de  France. 

I 

Strophe. 


Supcrius. 


Contra. 


Tenor. 


BassuB. 


Er   .        .    rant  par  los   champs   de  la 

Er  .  rant. 


par     les    diampsde  la 


min: 


Li,  . 


Er  -  rant. 


par. 


Ics  champs  de  la 


e;^       p  — r 

Er    .        .      rant       par     les    champs  de  la 


gr4.ce,  Qui  pointmes  vers. 


f  >1  J    I  *  J 


de  ses. 


cou.leurs, 


J  J  IJ    i   Ii  ^ 


grra-ce, 


Qui  peint         mes      vers  do    ses      cou  .  leurs,  Sus 


^>  r  r  i<  r  r  r  ir^^^  P 


de  ses  cou  .  leurs, Sus  les 


grä-ce,  Qui  peintmes  vers 


gra-ce,Qui  peintmes  vers. 


do     «es —  cou  .  leurs, 


zrr 


Sua     les         bords  Dir.co  .  ans      i'a  .    mas  .        .  so  Le 


lea    bords, sus    les  bords  Dir.  ce  .  ans       i'a   -  ma« 


les    bords, sus    les  bords  Dir.  ce  .  ans       la   -    ma«  .        .  se 

f  j^^jjjjjijjjj  jj^j^^-^^^  r  irr 

bords   Dir  .        .    ce  .  ans   i'a  .  mas.se 


Sur         los         bords   Dirce   .    ans   i'a  .  mas.se  Lo 


Julien  Tiersot»  HooBard  «t  In  mutiq^e  do  mm  tomp«. 


r "  ~'  1 


plus  ri  -        .        -  (hos  flcurs,  Af- fm  qii'en 

Emm: 


i<'s  plus     ri     .    chfM  tif>irs, 


plus   ri.ches       fleunt  Af.fin  qn'oii 


plus    ri  .   die«  fleure, 


Af. 


ie  fa 

9on  - 

no  D^.ne 

La  . 

bo  .  ri. 

au  . 

Af-  taiqut  n  pil.lant  ic    fa  .  gon  .    ne    D'u  .    ne    la  .  bo  .  ri 


pil.lant  i'>    fa  .  gon  .       .        .    no   D  u.n«'   la  .  bo  .  ri 


An qu'ea piLlänt   ie  fk.9011 


D'u  .  ne  la  .  bo  .  li« 


i 


•o  rnain 


La  rondeur    de  oeiLte  00a   .    roa         oe  '  Trois 


eu.flemaiaLa  rondeur  de  ces  .  to  cuu  .  mn 

  I ..   .1  „     


Trete  ftoia 


t'u.^-'  i;ia i n 


La    r<ui.<lt'ur    de  ces.tp  cou 


ron  _  nc 


ea^aemain      La      rondeur   de  oes-te 


oooron  .  ne  Troii^ 


1 


j  J  Ti  f  r 

i„  Ti.->  k...  „1..  Tu^  V-:-         po^,  orner 


fois  tor  .   CO  d'un  ply  The.bainid'an     plv  The  .  bain. 

1 


Trois  fois  tor  -       l  unplv    Tho  .  bain,d'un_  ply_  Thebaiu.Pourorner 


fois  tor  .  ce  d'tm  ply  The.  bain,        d^un  ply  The  .  bain. 


d  by  Google 


Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  tompe. 


107 


lehaultde  la  gloi 


r  m. 


r©  Du  plus  heureux  mi .  gnon  dos 


orner  le  hault  de  la  gloi 


^       w.  ..^Mt.  ;^nfi  .       .  re  Du  plus  heu_reux   mugm 

lehaultde  la     gloi    .       .     ro  Du  plus—       heu.  rcux  raiirnondc 


mi-gnon 


lehaultde  la    gloi  . 


f^Tiondcs 


Du  plus  heureujc  mLgnon. 


DieuxQui9a     bas  ra  . 


mc.na  des. 


ciculx 


 desDieux      Qui  ya  bas      ra-nio.na  des  cieulx        Los    filles  quenfan. 


Dieux     Qui   ca  bas  pa  . 


mo.na 


csquenfanta  Me. 


Dieux   Qui      ca      bas  ra 


nie. na  des  cieulx    Los  fillesqu'enfan. 


Les      f il .  les  qu'enfan  .  ta  Me .  moi  . 


re. . 


moi  . 


PO,  Les    fil .  lesqiienfan  .  ta  M«.moi 


re. 


ta  Memoi 


ro, 


Les       fil. los  qu'enfanta  Mc.moi 


n 

Antistrophe 

(fur  1»  muaique  de  1»  Strophe) 

Memoire,  royne  d'Eleuthero, 
Par  nouf  baisers  quelle  receut 
De  Jupiter  qui  la  fit  mere 
D'un  scul  coup  neuf  filles  conceut. 
Mais  quand  la  luno  vagabonde 
Eut  coupbö  douzo  fois  on  rond 
(Poup  p'enf laraer  l'obscur  du  monde) 
La  double  voute  de  son  front, 
Memoire,  de  douleur  outreo 
Dessous  Olympo  so  coucha, 
Et  criant  Lu'mho,  accoucha 
De  neuf  filles  d'une  vectpee. 


"xr 

PO. 


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108 


Jttli«tt  TiwMt,  Ronaard  «t  la  uos^a*  da  ton  «empa. 

m 


Epode. 


En   qui  rea  .  pan.dit  le        ciel  U  .  ne   voix       aaino .  te  .  mial^ 


f  r  r  I  ^  J  f-JLir  u  r  r.^ 


En    qui  res  -  pan.dit    1-»        ciel    U .  no  voix 


6uinc. 


A         En    Qui  res  _  Dan.dii 


En    qui  res  .  pan.dit  le  ciel 


ü 


ne  VOIX  saine. 


z 


m 


teanent  bei  .    le,  .    Com  .    blaal  leur  bou .  che 


4¥  ft)  J  '  J 

_  bei  .  le, 


nott  .  vel. 

m 


 bei  -  ^     .    le,  Cor 

te.ment  bei    .  Us 


Com .  blant  leur   bou  . 


die  noa.vel  .  , 


Com  -  blant    leur  bou  .  che 


nou-vel 


f.  r  f  Ti  in 


ta.ment  bei  .    le,Coniblantieur  bou 


UjJ  t     J  J  ^ 

che   noa.Tal  . 


Du    iust  d'ua  at  .  ti 


quo  miel, 


Et 


m 


iu-t  d'un   


le  Du  iuat  d'un  '  at 


SS 


ti 


qua       mial  Et  »  qol 


miel 


m 


le 


Du  iuat —  d'un   at   .  ti 


quo 


a  qui  vrayment    au»  .        .        .    si  Los   vors  ru.rent  en 


Et     a    (jui      V  r;iyii:ciit  aus 


si  L^'s  VLTn  fu  .  rent  en  


f 


vrayment  aus 


81 


Les   vcrs  fu.rent  en      sou    .    cv,  fu 


.  I  ,  ^     by  Googl 


Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musiquo  de  6on  temps. 


109 


80U  - 


J  J   J  IJ-JIJJ 


cy,  Lea  vcrs  doat 


f lat  .  tes  nous  som  . 


T 

flat-tes  nous 


i 


•Ott  - 


cy, 


Les   vors   dont . 


rent   en    sou    .     cy,  Los      vcrs  dont  flat.tes    nous  som 


rri^TTUifr  J  I J  J  j  I 


Les  vers  dont 


flat  -   tes  nous  som 


I 


mes,  Af.  fin  que      leurdoulxchan  .  ter         Peust       doul.ce.ment  en 


1 


som  .   mes,  Af  .    fin  que  leur     douix  chan  .   ter    Peust  doul.ce.ment 


mes, 


Af  .   fin  que  leur 


m 


doulx  chan  .     ter  Peust  doul.ce. 


mes,  Af .  fin. 


que  lour      doulx        chan  .     tor  Peust  doul.co. 

J  J 


^  r  r  r 


i 


chan  . 


ter 


Le  soing'des 


m 


im. 


I 


en  - 


-chan  .   ter    Le  8oing"desDieux  A- 


dos  hom 


*  4 


ment   en 


chiintor    Le  soing'des  Dieux  St. 


dos  hoin  - 


3 


1^ 

ment  en  .  chan  .  ter  Lesoingdcs  Dieux. 


A      des    hom  . 


i 


i 


Dieux,         le  Boing  des  Dieux  A     des  hom 


mes. 


i 


mes,  Le  scing  dos  Dieux. 


'  rir  r 


dos   hom  .  mes,  des  hom  .  mes. 


j  r  r>  I  II 


mes,  Le  soing  des  Dieux  A     des  hom.  mes,  des  hom  .  mes 

J  J  JJIJ  r    U;IJ  J       Ij  J  JJ^ 


mes,  Lesoingdes  Dieux  A. 


des    hom  .  mes,  dos  hom  .  mes. 


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110 


Julien  Tiersot,  Ronsard  et  ia  musique  de  son  tomp«. 


Sonnet:  cQuand  i'apper^oy». 


C.  Ooo41ai«l 

Saperitis. 


Oontn. 


Tenor. 


Baaens. 


Quand  i'ap .  per  .  ^oy,  quand  i'ap  .  per  .  qoy    ton  beaa  Äef 
A      front  bais  .   se,     a    frunt  bais  .    sü     ie    pleu  .  ro 


Quand   i'ap .  per  .  goy 
A     front  baia  .  «4 


Quand        Taji .per  .  qoy  ton  beau  cfaef 
A         front  bais  .  sö    ie  pleu.  re 


Quand        i'ap  .pur  .  qoy 
A  front  bais  -  sö 


^-i--F  r~  Jn 


f  r  r  f  Tr-7TT7  rr'Tr^^ 


iatuBis.sant 

go .  mts.sant 


Qui 
Do 


l'or  fi  .  16  des  Cha  .  ri  .  tes  ef .  fa 
<juoy  hiiis  (par.doa     di  .  gne    do  grä 


1^ 


lau.  niB.  sant 

go  _  rnis  _  8a nt 


r  i"T  r  ^rr  r  f  nr^^ 

iant  Qui  l'or   fi    .  le 

De  quoy  ie  suis 


SUIS 


ll^cinr  j-        r  I  r  r  r  r 

I      CO,    Kt    ton  bei     ri^'^  i{ai       los  as.tres  8ur 

I       CO )  Souh«  I  hiunblo     voix   do        um   rv- nie  si 


pas  -  se,  El 
baa  .  se  De 


im 


;r-rrT-rTT7^^ 


St 


r"  f  r  r  [TrTi^r  T  r  ^  c  ir  ^ 


(sil 

voix  de  ma. 


as.tres  aar  .  p 's  Et 
ry.me    si      bas  .  so  De 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps.  III 


I 


31= 


ton 
tes 


beau 
be&ul 


sein, 
tee. 


chas  .  to.ment  rou.gis  .  sant, 
les         hon.Deurs  tra.his  . 


.|  J  J  j  j  I jjjjf  rr  I "^JJ 

*^    ton  beau  sein  chas  .  te    .        .     ment   rou.gis 


tes  beaul.tes   les      hon  . 


neurs. 


.  gis  .  sant, 
tra.  his  _ 


i 


3DC 


ton  beau  sein  chas  .  te .  mont  rou 
tes  beaul.tes   les     hon.neurs  tra 


.  gis    .  sant, 

-  his  . 


's 


loa. 
tes- 


beau  sein 
beaul .  tes 


chas  .  te.mont  rou.gis  .  sant, 
les        honneurs    tra.his  . 


I 


lÄ«»  fois. 


f    i  JjJ  J  J 


i 


sant. 


le         co.gnoy  bion 


quo  ie   de .  bvray  me  tai  . 


lo  co.gnoy  bien  quo  io  de  _  bvray 


sant. 


me     tai . 


*^  sant.  Ie     co  .  gnoy_  bien 


bvrav  


que    io   de .  bvray 


me  tai 


V 


sant.         Ie        co.gnoy  bien 


Ou 


aou 


re,  Oumieulxpar  .  1er,  mats  Ta.  mou.reux  ul.  ce  . 

m 


ro,  Ou  mieulx. 


i 


par.ler,  muis    ra.mourcux  ul  .  cö 


a= 


re,  Ou        mieulx   par   .  lor, 


mais  l'a.  mou  .  reux 


ul  - 


r  p  I  r  r 


>  mieulx  par 


1er, mais  l'a.  mou. reux  ul.  ce 


re,  mais  IIa. mou. 


IjodJ  ^  I*  J'    r  I'^    j  ^  ir  r  "^i 

.  re  Qui      m*ard    le         coeur,  me      for .  ce    de  chan. 


I 


Ii  J  J  J  IJ 


me    for .       .  . 


re  Qui  mard  le     coeur,       me    lor.       .       .  .et»  

f  \f  ^  ^  r  \  r  r  tt.tJA^  r  r  H 

cö  _       -       -  re  Qui  m'ard  lo    coeur.me    for.       .       .  co    de  chan. 


reux  ul .  c6 


re  Qui  m'ard  le  ccpur,. 


me 


ce 


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\\2  Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps 


j  n  J  I  j  oji 


ter.       Donc .  ques  (mon  tout), 


si  di-gno. 


0 — # 


—    de  chan  _  ter.       Donc .  ques  (mon   tout),  si  di.gne  .  mcnt 


ter.       Donc.  ques  (mon  tout),  si  di.gne.ment 


I  j  u  r  r 


32 


A      de        chan  .  ter.       Donc .  ques  (mon  tout) 


r  r  [r  r  r  p 


ment  ie  n'u  .    «eUencroet  la  voix  ä    tes  L  gT& 


ces 


i  r  \'  rir  i         j  j  ijj j  j  iJJ^ 


—   io      n'u.  sc  L'encroet. 


j  rrr  .r 


lavoix  ä^: — "    tcs  gräces  van 


13 


— ( — 
voix 


—   iü  n'u  -    80  L*encro     et  la 


ä  tos        grä    -  ces 


L'encro  et  la        voix  a  te^    gra.ces  vanter,         ä  tcs  gra 


jj(ii)J  ^  IM'   ,r  1'^      ^.ir  r  f  rTr  r  i 


vanter,         Non       Tou.vrier      non,mais  son  des.tin  ac    .  cu 


-9- 


ter,  Non  l'ouvrier  non,     mais  son 


des.tin  ac.cu  . 


4  r  MF  r  rnr  r  i^'^  r  t  rirrr 

van  -      .  ter,  Non  l'ouvrier  non,  mais  son   des.tin  ac.cu  . 


's 


ces     van  .  ter, 


,  Non  l'ouvrier  non,   mais    Bon — —  des.tin  ac. 


cu  . 


^  r  r    r  i'i    ^HKr-r-ri^r  M  "  " 

se.  Non      l'ou.vrier       non, mais  son  des.tin  ac     .     cu  .       .  se. 


i 


J  J  ^  KU 


se.  Non  l'ouvrier  non,      mais  son 


des  .  tin  ac  .  cu   .  se. 


j  r  r  r  rir  r  rrrnr  r  r  r  ir^ 

D»  M««!^  :„  „ —  des.tin  ac  .  cu  . 


se.  Non  l'ouvrier  non, mais  son 


>  8e.NonloL 


.  se. 


rrrrr  j 


I 


se.  Non  l'ouvrier  non, 


mais  son. 


dus  .  tin  ac  .  cu   .  se. 


Digitized  bv 


Juliea  Tiersot,  Ronsard  ei  la  muBique  de  son  temps. 


113 


^0  de :  «Qui  renforcera  ma  voix». 


BassuB 


Qui. 


r  ^  r  f 


ren.for.  ee  .    nt    ma  woix, 


<i  J  I  J  J  JiJ  J] 


Qui. 


ren.for.  ee  .    ra    ma  Toixt- 


reu.  for.ee  .    ra   ma  vo'ix.  Et 


Qui. 


ren.  for .  oe   .   ra    ma  voix, 


Bt  qui  fe  .  ra. 


que          ie  vo  •  le       Jus  _  qn*au 


m 


  Et  qai   fe  .  ra  que       ie     vo  .    le  Jus .  qu^au  oiel 


qui  fe  .  ra. 


que       ie     to  .  le  Jus . 


quau 


Et  qui  fe  .  ra        que  ie     vo  .    le    Jus  - 


.qaaa 


ciel  a  ces.te    fois  Sur  IVds 


le    de    ma  pa  .  rol 


J  J  t  j   I J 


T7777J 


a  oes .  te    fois  Sur  rms  -    le    de    ma  pa  .  rol  . 


liJL^^  r  f  KT  r  \ULsit  r  ir-^ 


ciel   a  oes.  te    fois  Sur  IVüs  _  le. 


de     ma   pa  .  rol 


ciel   &  ces.te    fois  Sur  Ites  .  Ie 


de 


pa.  rol 


Digitized  by  Google 


114 
J 


Julien  Tiereoti  Ronsard  et  la  musique  de  ton  temps. 


lo?        Ör  mieulxque  df  .  vant    il  fault 


A     .     voir  l'es . 


^  '  H  I    I    I  pri   I   I    I  ||n       I  I 


^      le?        Or  mieolz  que  de  .  vaat  il  fault  A  .  voir  Tee 


I 


In? 


Or       mieulx  que   du.vaut    ii     f'uult   A.voir  i'es- 


to;  mao   pluedumltDe  


pluedumltDe  IVirdeor  qui     !a  iriVm. flam.me 


tounaoplus   ohanltDe  fi^ 


dour  qui      ia  nAUk.  flanx-ino 


Qui  ia. 


m'en.  fiauume 


Le     eoBurdite  .  ne 


ne  plue    frandflun .      .  me,  0 


Lo       ca'ur  du  -  no 


■plue    grand  nun 


plus          grand  flam  .  mo, 


A      Le      ocBur  d\i 


ne    plus  grand  flam  .  me,  0  .  m. 


res  il   fault  que 


le  frein  Qui     in      par  le    ciel  mc  gpii  . 


res   il   fault  que 


res  


le  frt'in   Qui  .    ia  par  !•>     ciei  mo   pui  . 


4 — ^-L  ^  * 


U     fault  que         le    fVein        Qni     ia  par  lo  cicl. 


fault  quo   le  frein         Qui       ia  par     le  ciol  mo  gtu. 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  do  son  temps. 


Peu        80 r  . 


.vi.teur 


i  rTr  f  J  rTr  ^  J  r""! 


Itt    bri    .  do 


Fen   .     de  lair,  fen    .     de  l'air    d'un — 


j     J  ;  I  ,) 


do 


df3    la  b 


n 


r  f  ir  r 


Fen   .     de  l'air,    fen    .    de  l'air 


de  Fen  -  de    l'air,  fen    .    do    l'air  d'un  

J  r  I  r  r  r  I  r  r  r-  p 


de    la  bri    .     do       Fen    .    de  l'air,  fen    .     do  l'air  d'un. 


j  J  j  /j  j     i"3    r  r  T f-f-^ 


piuH. 


grand —  train, 


Fen   -    de  l'air,  fen. 


d'un   pluä  grand  tram,  


1 


  plus  grand  train,Fon  .    do    l'air,  fon  .  do 


Fen  .    do  l'air, 


plus  grand    train,      Fon    .     do  l'air,  fen  . 


I 


j  j  r-Tr]j,,,jj  j jjjj 

de  l'air    d'un   plus   gi 


1 


1 


grand- —  train 


d'un 


i 


fen    -     de  l'nir 


plus  grand  train. 


#  


l'air  d'un. 


plus  grand 


train. 
/TN 


1 


de  l'air  d'un. 


plus  grand 
8* 


train. 


116 


Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps. 


Sonnet:  «Las,  ie  nie  plain». 


H.  A.  Mnret. 


Superiu».  iflilr  ti  f  j'  J  -j 


Contra. 


LtMf  io  m«  plain  do  mille«  jniUe  A     mil  .  le  Sou. 

Püki  ie  niepl«ind*im  portraiet  in .  u  .  ti  .  le,  Om. 

Las,  io  mepluin  de  mille  A  milleA     mil.  lo  Sou. 

Puis  ie  CIO  plain  d'un  portraiet  in  .  u  .   ti  .  le,  Om. 


Tenor. 


Basstts. 


r  f<  J  r  I  r 


I 


Las,        ie  nui piain  de     milk*  A   niillo  A      mil  .  le  Sou. 

Puis        ie    nioplaiuduu   portraiet   in.  u  .    ti  .    Ic,  Om. 


7  i  r^7  f  lT  f  171^  r  11 

Las,  ie  mo piain  de  milleA  miUo A  mil.  lo  Sou. 
Puis      ie  me piain d'un  portraiet  in.n  .  ti  .  le,  Om- 


pire  qtfen 

bre  du 


r-rl 


pirs  qu'eu  vain  daa    fi&ncs_  ie  Tois  ti .  raut, 

bre  du  vrav.   4ue    ie  suis  a.do.rant, 


vaindos  üum^  ia  tois 
vraj.que  suia  a 


ti    .   rant«  Heti. 

do   -   rant,  Et 


Heu.reu 
Et  de. 


Et 


du 


väin  das  flaues, 
vrayt  que  le. 


.suis  a  . 


ti  .  raui, 
do  .  rant, 


1-^ 


auuu 
du 


vaiu  dos  fittücs. 
▼ray,  que  ie. 


iu  vui6  ti.  riiut,  Heu 
.suis  a  .  dcrant,  Et 


de  ses 


reu.  ge-raent 

do    ses  v<'ülx 


mnn  plai 

4ui  IUP 


air 
vont 


mar 


ty  .  rant 
vü  -  rant 


An 


m 


se.mont 
—    ses  yeulx 


mon  plai.sir  mar 

qui    mc  vont  dö 


ty  -  rant. 

vo  .  rant. 


rra  .  .  so  .  rin'r.i  niüii  plai 
iji'  SLS    yeulx  cjii< 


üir  mar.  ty  -  rant  Aufondd'uHO 
vriüt    dij  .  '■<.      i'aut  Locoüurbru. 


rr  iton  plai 
youlxqui  me. 


■  "  mar  .  ty  .  rant 
vont  de  .  vo  .  rant 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps. 


117 


J  J  j  j  I,.- 


m 


I 


fondd\ine  eau  qui  de  mcspleuredibtil 
ca.'ur  bru.  le    au  .  ne    flamine  gentil 


lo. 
1«. 


i 


i 


Au  fondd'une  &au  qui  de  mes  pleurs  dis 
Lo  coeur  bru  .  16       *^V-r   ^®  flam  .  mo  gen 

j  J73|r 


til  .  lo. 
til  .  le. 


i 


J    ■)    f  "Tl 

tau  qui    ao  mos  pl 


eau  qui  do  mos  pleura  dis  .  ttl  . 
16    d'u.  no  flam.mo  gen  .  til  . 


le. 
le. 


1 


Au  fondd'uno  euu  qui  de  mes  pleurs  dis  .  til  . 
Lo  coour  bru  .  le    d'u  .  ne     flam  .  me  gen  .  til  . 


le. 
le. 


* 


I J  J  J  r  if  f 


Mais        par  aus  tout  ie 


me  plaina, 


10 


me 


I 


Mais 


par  sus  tout  ic. 

J  J  J  J 


me  plains,. 


*  ^  ■ 


■  ^  ■ 


Mais       par  sus  tout  ie. 


mo  plains,. 


LT  ir  Ej-riXJg 


Ifais       par  aus  tout  ie~: 


# — # 


me  plains 


f.    '  r  I  r  r  i 


<"t  r  ij'.  r  g 


I 


plains, 


le. 


mu  plains  d'un. 


pen.stT       Qui    trop  sou. 


^  Jh  J  I  J  J 


1 


P 


Mais  par  sus 


tout     io  me  plains  d'un  pcn.scr 


Qui    trop  sou 


ie      me  plains  d'un  pen.ser 

m 


Qui    trop  sou 

r  r  r 


ie. 


me 


plains    d'un  pon  .  ser 


Qui    trop  sou. 


3^ 


»  w  ■ 


vent  dans    mon  coeur  faict  pas  .  ser 


Lfl    sou.vo.nir  d'u. 


m  m 


vent  dans    mon  —  coeur  faict  pas  .  sor 


Lo    sou.ve.  nir  d'u  . 


i  J  I J  J 


vent  dans    mon_      coeur  faict  pas  .  ser 


Le    sou-ve.nir  d'u. 


r  r  r  I  r  r  r  -^^^^4^^.^^ 

A       vent  dans    mon  coaur  faict  pas.  ser     Le  sou.ve  .  nir  du. 


118 


Juliea  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  aon  temps. 


110  beauLte  cru.el 


le 


Tt-1  f 


Et  d\m. 


j  j  J    -^-^f  1      J    I  J  J  J.  ji  I 


ne  beaul.ti 


cru.  el 

m 


no  bt'aul-tü  cru.el 


f 


dhin  re  .  gret. 


.   lo    Et  d'un 


ro  -  gret. 


n  r  r  j  i  '1 


no  beaid.t6     oru  .  el  .      .  le 


J  j  J  I 


lutc! 


\  re.gret  qui     me  pal.list   al  bl 


«Uli       tlM'     li.ll     .  Ü 


-t    si  blanc. 


Quo  ■  -       ie  nav 


  qui   uio  pal  .  list    si  blanc,  Quo          io  n'ay  plus 


Que 


m 


Que         io  n'ay  plus 


Qu» 


riay 


plus     011        rae»  vei 


do  sang, 


|i  '    I  J"TTT  I  j    I  I  I 

Que    ie    n*ay      plus    en    mee     vei  .   aet    de  nagt 


i 


r  r.  I  I  f 

nee     vei  .    nee  di 


—     le  if^r 


ploa    en    mee     vei  .    nee     de  eangi 


ie 


nay 


plus     en    mos      vei   .    nee     do  saug, 


rnr  j'TrTTTi~r~j 


i 


Attzaerfide     foreat  en 


oa  de  mea.el 


M  j  I  jTTj  I  j  1 1 


le. 

i5L 


i 


Auxaerfide     foree»  en      mea    oa—     de  mou.el 


m  ß 


Auxnerfsdo      force,  on       mes     es   do  mou-el  . 


izt: 


le. 


le. 


Auximflide     foroet  «a  maa 


do  meiuel  . 


Digitizca  by  CtJO^lc 


Julien  Tieraot,  Ronsard  et  la  muelque  de  eon  temps. 


119 


Janeqain 

Superiua 


Contra. 


Tenor. 


Bassus. 


Sonnet:  «Qui  vouldra  Yoir». 

g    <  J 


Qui  vouldra  voir 
Qui  vouldra  voir 


commounDieume  sur. 
u  .  ne  ieu.nos.sü 


5 


J   J  i 


Qui  vouldra  vuircommeunDicu  me         sur.mon  . 

Qui  vouldra  voir    u  .  ne  ieu.  ncs   .    so   prom  . 


|nhj  jrrr^-*  i  r  r  r    ^  i^- 


Qui  vouldra  voir  commo  un  Dieu  me 
Qui  vouldra  voir        u  .  no  ieu.  nes 


sur -  mon 

80  prom 


Qui  vouldra  voirconuneun  Dieu  me  sur.mon  . 
Qui  vouldra  voir    u  .  ne       ieu.  ncs. so  prom. 


I 


I 


j  I'  j  j  j 


m 


mon 
prom 


te, 
pte 


Comme  il    m'as  .  sault, 
A   fiuivre  en  vain 


comme  ii  so 
lob. ject  de 


i 


te,  Comme  il  m'as 
.pte     A    8uivre  on 

f  J  u 


sault,  coinmc  il  so 
vain  lob. ject  de 


-  te, 
pte 


Comme  il  m'assault, 
A    suivre  en  vain 


comme  il  se 
lob -ject  do 


te, 
pte 


Comme   il    m'as  .  sault,  

A    suivre  en  vain  


commo 
l'ob. 


I 


I 


faict  vaitt-queur, 
son  mal.  heur, 


Comme  il  r'en.  flamme    A  r'en.gla 
Mo    vienno  voir: —   il  voirra 


CO  mon  cttur, 
ma  douleur, 


J  IJ  J  J 


il  if  i^  u 


faict  vain.queur,. 
son  mal.  hour, 


Coiiune  il  r'en. 
Mo  vionne 


flamme 
voir: — 


A  r'en.gla 
il  voirra 


.  ce  mon  cccur, 
ma  douleur, 


^^^^ 
son  


m 


5Ö 


f\ttrr  1^ 


vain  .  queur,  Commo  il  r'en.  flamme  A  r'en.gla 
mal  .  heur,    Mo    vienno  voir: —   il  voirra 


CO  mon  coeur, 
ma  douleur. 


m 


il  se  faict  vain 
ject  de  son  mal . 


queur,  Commo  il  r'en.  flamme  A  r'en.gla 
heur,     Me    vienne  voir:         il  voirra 


CO  mon  coDur, 
ma  douleur, 


Julien  Tietmrti  Ronsaid  «t  la  imwiqiM  de  son  t«mp«. 


Gonmell  t»  .  coH-f 


^ — ^ 


i 


1 


h^meur  de  ma  Eon  T     I    ' .  ta 


Et  la  ri .  gueur        de  TArcherquime   dorn  . 


if  nia    hon   .  -        -  to. 


Commeii  re.<;oit  un  huunear 

Xt  la  ri. gueur        de  l'Ardier  qui  me   dorn  .    _  . 


GinuiH  il  re.coit  un  hoimeur  d«-  rua   hon  . 
Et    la  rig'ueurdo  rArcher  qui  jiio   dorn  . 


.  te. 


~T — ' — I — ~ r 


Gommeil  re.coit  un  honnour  de  ma   hi  n'  . 

Ei  la  rLgueur        de  l'Archerqtdme  dorn 


te. 


\\       cD-trnois-tra  com  .  bifii   la       rai.sonpoult  Cun. 


I 


¥   ¥   ^      ^    ^  w 

pte.  II   cegnnoiB .  tra  oombien    la     rai.eon  peult,  eombien 


A  I 


r  I   r  T  T 

com .  bien  la  rai .  eon 


co.grnoi8 .  tra, 


pte.  Ii    cognpis  .  tra. 


~  com.  bien  la    rai.soa   peult,  la  rai.soa 


^     tre  3on  aro, 


i 


i 


qviand    u  -  ne  fois  il  v»'uh 

;3  j  j  ij"n~rrjTpl^ 


rai  - 


sonpeoltCoii .  Ire  eon aieiquand  u.ne  feie  Ü    -yaoltOtte noeire 


Que      nos .  tre  coBur. 


Digitized  by  Google 


Julien  Tieraot,  Ronsard  et  la  musique  de  son  temps. 


121 


-#  4- 


re: 


Et      si    yoir.  ra  quo 


—   de  .  meu  . 

^  Iii 

es.cla.TO    de   .    meu  .      .       .  ro:  Et   bi  voir .  ra   que    fe  suis 

j  nr     I..  Ii 


  son  es.cla  .    ve       de. meu  .  ro: 


1 


es.cia.ve    de  .  meu 


■4 — # — ^ — * — 

.  ro:  Et   61  voir  .  ra. 


Et     si  voir. 

J 


que 


jjtJ  J  r  I  r  r  j  r  I  r  r  ^ 


le. 


suis  trop  heureux  D'a .  voir  au  flanc. 


l'a. 


trop  heu.reux,       guIh  trop       heu  .  reux 


D'a  .  voir  au  flanc  l'a. 


Tf^r  I  ^  r  r  M w  I  r  r  r  r 


ra. 


que     io  suis  trop  heu  .  reux 


D'a  .  voir  au  flanc  l'a. 


<  r  ir  r  J^l 


f  r  J  J  I  Je 


ie  suis  trop  heu.  reux  D'avoir  au  flanc, 


D'a  -  voir  au  flunc  l'a. 


guillon  a  .  mou .  reux 


Plein  du   vo   .  nin. 


dont 


ffuillon  a.  mou.  reux  Plein  du  ve  .  nin, 


Plein 


guillon  a.  mou.  reux 


Plein  du    ve  .  nin,. 


Plein 


i  r  ir  r  c^cp 


guillon    a.mou.  reux 


Plein     du    vo  .  nin 


J.]    j  I 


il     faut     quo . 


10     meu  - 


I 


ro. 


1 


J  J   I  J  4  j  i  N 


du     ve  .  nin  dont 


il  faut  que  io 

m 


meu 


re. 


1 


du    ve  .  nin. 


dont  il  faut       que       ie  meu 


illJ^  r  I  r  I 


re. 


dont        il  faut  que  ie 


meu 


ro. 


Google 


122 


Juliim  Tiersott  RonMurd  «t  1*  miuiqae  de  Ma  i«mpi. 

Sonnet:  «Natnre  ornant». 


Superins 


Coatra. 


Tenor. 


BaMue. 


tu 
ce. 


reor.nant  la 
qua.mour  a 


da  .  iiH'  qui  de  - 
va  .  ro  .ment  con. 


i 


Na 

Tout 


TJ  J  J  J  1  I 

tu.reor.iiaBt  la      da  .  me  qui   de  • 


ce  qua.mour  a 


qui 

va  .  ro .  ment  con  . 


Na 

Totit 


-    tu.reor.nant  la 
ce  qua.mour  a 

-i-:t-  j 


da  _  me  qui 
va  .  re.ment  con 


Na  -    tu-  r- or  .    nant  la 
Tout      CO   qu*a   .  mour        a  . 


TT  r  M 


da  .  me  qui  de  . 
.   va  .  re.ment  con. 


3 


r  flj 

bei  .lw.foi 


voit  De  8«  dioul  _  cenr  tot  _  «er  les  plus  ro  .  bel.lw,  lor. 
ndit    Do   boau,  de     diaste  A    d!hon.jiettr    aeabe  tee     «s  _  les,  * 


I 


voit  Do  ga  doul  .  ccur  for  .  cer  les  pluß  ro  .  bei .  los, 
noit    De   betm,  du      chuhto  a     d'hon.neur    eoiib.s  ses  ne.lee, 


voit 
noit 


Do  sa  doid 
De  beau,  do 


(•rar  _ 
chuf5t<> 


for  .  cer  loa 
A  dhonneur 


voit 
noit 


f  r  r 


l)  8u  dou! 
Do    beau,  do 


ccur 

chaato. 


for 


._4 


d'honneur  Mubs  ses 


.  bei . 

es  . 


mm 


Iva   Luj  fit  pre  .  ecnt 

Les  Bm-mi.el  .  la 


ded 
les 


for.  cer  Ks  plus  ro  .  bei 
A  d'honnfur  soiibs  SOS 


los 

\09 


Luv 
Em 


fit  pr6. 
mi  -  el  . 


piud  re  .  bei 
■eubs 


les 
loa 


c«r  pIuM  ro  .  bei  . 
d'henneursoubt  sde      a»a  - 


les 
les 


Luy   fit 

Em   .  mi 


pre. 
el. 


l  des 


Luy  fit  pnu&eut  des 
Km  .  mi .  el .  la  loa 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musiquo  do  son  temps. 


123 


I 


boauLtes  les. 
gra  .  ces  im 


plus, 
mor 


0'  0 

_  bei 
tel 


plus      Dol  . 


i 


sont  des  beaul.tös 
la     les    grä  .  ces 


les 

im  -  mor  .  tcl 


j— fL-  I  r  r        1  r 


sent 
la 


dos 
les 


beaul.t^s  les. 
grü  .  CCS  im 


plus  bei 
mor .  tri 


bcauLtes  les. 
grä  .  ces  im 


plus  bei 
nior  .  tel 


M  J  J  J  N  J 


i 


les 
les 


Quo  des  millu  ans  en  us^pargne  eile  a  . 
De  son    bei    cell  qui  les  Dieux    es     .  mou 


I'  J  j  J  j  I  J  J  J  J  Ii  jrt-^J  J  J  J 


les  Que  des  mille  ans  en  es . pargne  eile  a.vnit,  Que  de  milleans  en 
los  De  son  bei    aül  qui  lus  Dioux   es.mouvoit,    Do    son  bei  oiil  qui 

1 


les  Que  des  millo  ans 
les  De  son  bei  ccil, 


Que  des  milleans  en 
De  son    bei   ail  qui 


es.pargnoelloa  . 
loa  Dieux  es. mou. 


bi  f    <  j  I j  J  f  I  I  <  j  j    I J  J  j 

\       los  Quo     des  milleans  en  es    .     pargne  eile  a 


los 
los 


Quo     des  milleans 

Do     son  bei  ooil 


en  es    .     pargne  eile  a  . 
qui  los         Dieux  es  .  mou  . 

I  II«  f ois.  I 


3X1 


voit,  Que   de   mille    aas  en       es. pargne  eile  a     .  voit. 

voit,  De    son  bei      ocil  qui       los  Dieux  es .  mou  . 


i  i  J  i  ^ 

es.pargne  eile  a  .  voit, 
les  Dieux  es. mou  voit, 


en  es.pargne  eile  a  voit. 
qui       los  Dieux  es  .  mou  - 


I  J  I  J  f      J  I  J   J   J  J 


voit,  Quo  do  milleans  en  es.pargne  eile  a  .  voit. 
voit,  De   son      bei   mil        qui      les  Dioux  es.  mou  . 


j  f  f  i  Vf  i  'T     I  F 

>        vnit     Oha     An    mil1r>      nn-i    on      AR  narimn  ollß  & 


— o — 
voit. 


voit,  Que  de  millo  ans  en  es 
voit,  Do    son  bei      ooil  qui  los 


pargno 
Dioux 


ello  a 
es .  mou  . 


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124  Julien  Tiersot,  Ronsard  et  U  mnsiqvA  da  mh  ttnps. 


I 


i 


VOlt. 


Du    cid  ä 


peine  ullo        .  toit 


^1 


r  r  if  I  f  ^— \  i  J  *'  r 

Du   ciol     ä        yoiae  eUe    es.toit  i'.'  -.c  u  .  du  .  o.  Du 


Du       cicl     k    pt'iue  eile 


es  .  toit     des  _  cm  . 


Du  oiel  & 


0, 


Du      ciol     k        pcino  eile 


e,    Du  ciel 


ei« 

1  nei 


eiel    &   peiHe  eile     es  .  ioit   des .  cen  .  du  . 


peine  eile  es  .  toit      des  .   cen  .  du  .  e,        A  peine  eile  es  . 


es  .   toit    des  .  een 


du 


f 


Quand 


j  ^     \i  n 


e  Quand 


.  toit   dM  .  oen 


du  . 


Quand 


j  <  j  I 


ie      la      vi,    quiiud      mon     ämo   es  .  per   .    du  . 


^'  J    J    J  J 


En 


i 


i 


1 


r     I  r 


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Julien  Tiersot,  Konsard  et  la  musique  de  son  temps. 


125 


i 


do.vint  foLle,  A       d'un  si  poignant  traict,  Le  fier  des  .  tin  rcn.gra.va 


J  J  J  if  m 


des  .  tin 


j  I   I  j  j  ;  j  I  ^  f  f  I J  - 


I 


dan8  mon  ä     .     me,  Que  vif  ne      mort,   ja  .  mais  d'une  aultro 


i  J  J 


J  J.  ji 


mon  a  .  me, 


Que  vif  ne    mort,       ja     .  mais 


mon  tt      -  me. 


<  J  J  J  If 


Que    vif   ne  mort,  ja.  mais 


Que  vif  ne   mort,        ja     .  raai^ 


I 


-#  # 


da.  mo        Em.prainct  au  ca>ur       ie   n*au  .  ray      lo  por.traict,  Em. 


J  J  M  I  J 


I J  r  "f  Nr    I  j  r 


1©  por.traict. 


I 


I 


prainct  au  coour.  Emprainct  au  coour      io     n*au.ray     lo  per  .  traict. 


ie      n'au.ray  lo. 


por  .  traict. 


r  r  f  I J  r  ^ 


i 


Emprainct  au  cceur  ie        n'au.ray     lo  por 


— o — 
traict. 


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126 


Julien  Tiertott  Romafd  «t  la  nmtiqae  d«  mü  laiap«. 


Chanson:  «Petite  Nyuiphe  folastre»w 


Snperius.  1      ^  ~Z£ 


Po 


ti  .  tu      Nymphe  fo.  las 


Contra. 


Tenor. 


BaaauB. 


Po  -  ti  .  te      Nymphe  fo.laa 

i— i)  ii  I  Ji^ 


trOf 


Nym. 


Po  .   ti  .  to       Nymphe  fo.las 


tre. 


^        Fe  -  ti  -  te     Nymphe  fo.laa.      .  tre» 


m 


net.te  qae  f i  .  do  .  U 


Nym    .     pnet.te  qae 

Ii  Ii  I  I 


Ua    .  tre. 


^ot.te  quo  i'i  .  do  .  las  .      .  tre, 


Ji  Ji  Ji  Ji 


t  -L    f.:  L 


et .  te  que  i'i  .  do  .  laa  . 


tre, 


Ma  mi.gnoB.no 


u.  ffnon.ne 


M«   mi .  g^non 


P     ^'  I  J 


r  p.  I 


phet .  to  quo   i'i  .  do    .   las  .     .  .  tre, 


Ma    mi  -  ^non.ne 


Ha  mi  .gnonjie 


dont  lea  yeulx        Lo  .  gent       mon  ,  pia. 


r — 
dont  lc8  yeiüx. 


0 — 

pis, 


Lo    .    gent  mon 


I     f  I J  j  I  irJ 


\oxsX  les  yeulx  Lo    .     gout         mon  pis 


dont  laa  yeulz         Lo         gent        mon  pia. 


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Julien  Tiersot,  Ronsard  et  la  musique  de  sun  tomps. 


127 


i 


mon. 


mieulx, 


in — r 

Ma  mi  .  k^^i^Q^  ^^^^ 


i 


mon. 


inii'ulx,. 


_   mon  mieulx,  Ma  mi.g^on.ne 


1 


:z2 


mon. 


miouLx,  Mu  rai  .  gnonno  dont  Ich 


^  ^  r 


hon. he 


Ma  mi.ghon.he 


dont   les  yculx        Lo    .  gont 


mon  piH, 


1 


jreulx  Lo 


r    I  r 

dont  les  yeulx  Lo 


gent         mon        pin.   A   mon      mieulx,  lo 


gent  mon 

r    J  I 


pi8. 


yeuljc  Lo 


gent         mon  pis, 


1^  H        p  I 

c.  Ma  doul. 


g  m. 


i 


mon. 


mieulxi 


doul.cet 


i 


gent    mon  pis, 


mon  mieulx,  Ma  


_    mon  mieulx, 


Ma 


doul. 


mon. 


mieulx, 


i 


r     p  if>'r.  r 


cet   .    to,  ma 


8UC  .  cre  .  e. 


Ma       gra  .  ce,  ma 


i 


.  to,  ma 


suc  .  cre  .  e,  Ma      grä   .    ce,  ma 


m   JM  J  Ji  1. 1  r  IJ  i 


cet    -    te,  ma. 


suc  .  cre .  e,  Ma      grft.  -  ce. 


Ma  doul  -  cet-to,    ma  suc  .   cr6  .  e, 


Ma  gra 


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128 


Julian  Tienott  Ronaard  et  1&  mufiqua  da  aon  tampa. 


tni  .  rA  .  «t       Ta    me      doilw    penr    m'ap .  pftt  - 


Jll    J  j 


thö   .    rtj  -   e.         Tu     me       doibs      pour     m'ap .  pai  _ 


'  i'  I  r  7  I  f  M  r  "t" 

!i  -  thö   .    re  .   e,         Tu     mo      doib«     pour     rrfap .  pai  . 


ii  [I  i'  '  I  .1  '  T7~rTi — r 

oa,  out  Ci.tfaÄ  .       .  a,       Tu    me     doiba    pour  m^p.pai. 


I. 


-f  Y-- 


ser     Mil .  l"  fois 


lour,   Tu  me  doibs 


r 


CT 


aar    Mil.lo      fois  le  iour  bai  .  aar,    MU.la     foia  le  ioor  bai. 


»er     Mil.le      fois  le  iour  bai  .  ser, 


sor    Mil .  le      fois  le  iour 


bai  -  serT^ 


Tu  me  doiba  pour  m*ap.pat  .  ser»       Tu  me     doiba  pOur 

mm 


map  .  paj  .  ser 


Mil  .  lo     fois    lo        iour  bai 


ser. 


bai  .  Bo>   MU  .  le  fois 


le      iour    biü .      _  aar. 


Mü  .  le  foia 


bai 


8or. 


a^p  .  pai  .  aar 


Mil  -  le    foia  le       iour    bai  - 


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Julien  Tienot,  fionsard  et  la  musique  de  son  temps. 


129 


VL 

Aprte  avoir  lu  ou  entondu  ces  pages  inu^icales  et  apprc^ci«'  a  leur 
joste  valeur  leurs  qualites  (Vt'criture,  d'harmonie ,  (Vexpression ,  il  est 
permis  de  demander  i)ourtant  si  elles  realisent  exactement  Tideal  musical 
con^u  par  Ronsard.  Etait-ce  bien  avec  ces  accords  pleins  et  ces  coiitre- 
points  tout  herissrs  de  notes  (jue  le  poMe  avait  pense  ressusciter  Tode 
pindariqae,  dont  la  simple  et  f rüste  mi'lopee  grec(|ue  avait  dt«  Tanique 
soutien  musiciU  ?  Ne  fut-il  jamais  ehoqu«  d'enteiidre  ses  sonnets,  emana- 
tion  d'an  sentiment  si  individuel,  chantes  par  toai  iin  chn?ur,  füt-ce 
senlement  par  quatre  Toiz,  ndcessairement  de  sexes  differents?  Fallait- 
ü  donc  etre  quatre,  dont  deux  femmes,  pour  dire: 

Mais  81  los  cieux  m'r  '  i  lit  naitre,  Madame, 
Ponr  £tre  tien,  ne  geue  plus  roon  6me  .  .  . 

et  les  heiles  inteipr^tes  de  Petite  Nymphe  fddtre  ne  se  devaient-elles 
paa  k  ellee-memes  de  rougir  un  pea,  quand,  de?ant  la  cour  assembl^e,  on 
las  obh'geait  ä  cfaanter: 

Ma  doucette,  ma  Bucr^e, 
Ma  graco,  ma  Citb^r^, 
Tu  mc  ihm  pour  iri'Mpni'är'r 
Millo  fois  Ic  juiir  buiüei  ? 

n  est  bien  vrai  que  tous  les  arts,  daus  leur  nouveaut«',  sont  enfermes 
de  force  dans  les  fonnes  existantos  au  temps  de  leur  nianifostation  iirc- 
mi^re.  Mais  cet  art  de  la  polyphonie  qui,  malgr^  les  ( hcfs-dVeuvre  qu'il 
a  laiss^,  n'en  ^tait  pas  moins  encore  dans  la  Periode  des  tatonnementSt 
pr^ntait  vraiment  trop  de  contradictions  aveo  les  principes  immuables 
de  la  raison.  11  fallait  bien  sV  n'signer,  pnisquo  cVtait  adrais,  et  que 
les  piroducteui*s,  en  plein  cours  d'une  (''volution  dont  il  n«'  pouvai^nt 
pr^Toir  raboutissement,  affirmaient  (pril  cn  devait  rtre  ainsi.  Mais  le 
bon  sens  düt  souvent  raurnuirer  de  cctte  contrainto.  Kons.ird  (|ui  voulait 
que  le  poete  chantat  ses  vers,  *<iuelque  voix  quo  tu  puisses  nvoir»  lui 
disait-il,  ne  songeait  pas  que  ce  dut  otre  en  morceaux  a  «{uatre  partics. 
S'il  parle  a  tout  moraent  du  luth,  c'est  que  cet  instrument  etait,  de  son 
temps  meme,  raccompagnement  par  excellenee  de  la  voix  isol«'«'. 

On  na  pas  encore  accorde  k  cette  musique  du  luth  toute  Tiuqiortance 
qu'elle  meritc  dans  l'lüstoire  de  la  nuisicpu*.  IjCs  dorninrnts,  il  est  vrai, 
sont  assez  rares,  et  d\me  lecture  qui  offre  <les  (liftieuitt's,  sinon  trös 
grandes,  du  moins  speciales.  Nous  en  connaissons  pourtant  assez  pour 
savoir  que  la  musiciue  de  luth  du  XVI-  sitnle  so  conq»oso  o^  rnitiellemnit 
(1p>  dansps  mises  j>  part^  de  transcriptions  d'o'uvres  polyplKniir^ues;  s'il  sagit 
de  cbausons,  le  fn/po  ifffi  est  detachf'  de  rensonible  haiiii«»iii(|ue  H  deviont 
le  canffffi.  (lu'iiu«'  \oix  seule  peut  cxecuter,  taiidis  que  riubtrumciit  ia 
soutient  en  executant  les  parties  ioferieures. 

8.  d.  L  U.  IV.  9 


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130 


Julien  Tienot^  Boniwd  et  k  mnriqae  de  loii  tompi. 


Rieu  mieiix  qiie  les  morceaux  ([xum  viont  de  liro  iio  \)Q\it  se  preter 
ä  une  teile  interpn^tation:  il  semLlo  qu'ils  aient  etv  fait*^  pour  eile.  Nou«? 
f  omiaissüiis  peu  d  tjeuvres  du  seiziemo  si>€le  qni  aient  un  caractere  mölodi- 
que  aussi  marque.  Voyez  Tode  de  Goudimcl:  Erra?it  par  champs 
de  h  (frace:  e  rst  un  chant,  des  mieux  dessin^s,  et  dont  les  parües 
inferieures  no  sont,  d*un  hont  l'antro.  (\\w  le  sontien  harmonique.  Nous 
avons  fait  dj'jsY  ime  ohservatioii  aiialoguc  au  sujet  de  la  Petite  Nymplie 
de  Jaiiequin,  v»';ritable  aiieitj  «l'ojn'ra-comique.  D'autres  morceaux,  par 
exemplo  ]<■  sonnet  de  Certon:  J'csprrr  et  craim,  sont  dans  co  style  notet 
contre  note  que  des  theoriciens  ont  denomrae  ^^tvlc  tVair» ,  parce  que, 
du  fait  de  la  coml)in:iison  mcme,  la  partie  supeneuie  prend  un  caractere 
m('lo(li(|ue.  Pour  chercher  un  exumple  en  dehors  du  rocueil  de  1552, 
inius  citerons  encorr  la  Mi^jPOfnte,  aUons  roir  si  la  ros€,  de  Costeley, 
(luiil  la  nielndie  tn's  bieii  (le>siiit'e  est  si  caracteristique  du  aentiment  et 
du  htyle  de  rt-p()(]ue.  et  dont  les  partiui»  inferieures  ne  sont  qu'un  accom- 
pagnement.  II  fut  done  tres  facile  aux  araateurs  contemporains  de 
Ronsard  d\!mpiunter  i\  ses  ehansons  en  parties  runiijue  sitperim  et  de 
remplacer  la  rest^  par  des  accords  de  lutli  ou  de  guiterre,  et  il  nous 
semble  hors  de  doute  qu'il  en  ait  ('tf^  fait  ainsi. 

Püui-taiit,  auGun  livre  de  Ititli,  a  iiia  connaissanco,  ne  donne  expresse- 
ment  de  transcriptions  des  cliansons  de  Konsard.  Je  u'eu  ai  trouve  ni 
dans  les  coUections  de  M.  Chilesotti,  ni  daus  les  Notes  sur  llmtoirc 
du  lutfi  de  Michel  Brenet,  ni  dans  un  scul  des  livres  orij^inaux  qui  ont 
passe  par  mes  mains.  Mais  cela  ne  prouve  en  rien  que  ces  transcriptions 
n'aient  pas  existe.  Et  voyez  couibien  fut  etendu  le  succ^s  des  chansons 
de  Ronsard,  merae  sous  la  forme  instrumentale:  h  la  table  du  cel^bre 
Virginal  Bouk  de  la  Keine  ElijsabeÜi,  c'est-Ji-dire  daus  uu  livre  publik 
en  Angleterre  un  demi-si^cle  ap^^s  la  venue  de  Ronsard,  je  rel^ve  la 
chauisuu  de  Uoland  dr  Ijassus:  Honjour  mun  cu  ur».  ('erecueil,  fait 
en  vue  d'uu  iiibtiuuient  nouveau,  donne  aussi  des  arrangements  d  ojuvrcs 
de  lutliistes,  par  exemple  de  ce  Dowland  dont  il  fut  question  ä  la 
prenii('i  e  page  de  cet  6cnt.  N  est-il  donc  pas  certain  qu  uuc  mu.sique  qui 
jouit  d  une  favcur  si  caracti'ristique  avait  commence  par  etrc  cbantee  et 
joutie,  dans  son  pays  d'origine,  sous  la  forme  la  mieux  appropriee  aux 
usages  du  tempb? 

Au  reste,  ce  n'etait  pas  seulement  ;i  la  cour  et  ai  la  ville,  ni  dans  le 
monde  des  düfttonti  sachant  jouer  du  luth,  que  Tun  cliantait  Konsard. 
Faut-il  rappolcr  cncorc  une  fois  cettc  phrase  de  Tecrivaiu  bretou  I^oel 
du  i^'aii: 

»Quand  notrc  ^labile  ile  "Rennes  chruit.ut  mi  lai  df  Trif^tan  de  T^f-onnois 
iur  viole  ou  mit-  'ul<-  de  re  crand  poötts  iloiisu.rtl,  n  t-ushiez  vouh  juge  que 
ceituy-ci,  sous  ic  deöcspuia-  d«       Casstiudre,  se  voulust  coutiuer  et  reudre 


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Julien  Tienot,  Ronsard  ei  1»  aranqne  de  mm  iempa.  131 

en  la  plus  6troite  obBeimaee  et  heimitage  qui  eoit  Bur  le  Mont-Femt,  et 
r»ntre.  kissant  <;on  Yaeulti  «e  fouirer  et  jeter  anx  döpitensee  ponnniies  de 

la  bete  Glatissaut?«  ^) 

Ainsi,  les  menetriers  bretons  du  XVI*  si^cle  chantaient  parrai  le 
peuple  les  vers  de  Ronsard,  au  meme  titre  que  les  complaintes  de 
IHstan  et  Ymiltf  Et  cette  populaiit^  generale  s'etendit  jusqu'au  siecle 
smvant.  Plusieurs  livrets  de  chansons,  le  Somnmire  de  tous  kn  recueäs 
des  plus  exceUeiites  chansons  taut  amoureuses,  rustiques  que  miisienles 
(1582),  La  Fleur  des  chansons  amourenses  (1600),  etc.  renferment,  j\  cot«' 
de  vaudevilles  et  de  chansons  diverses,  des  poesies  de  Ronsard  en  grand 
nombre.  Certaines  servaieijt  h  dosigner  des  airs  connus:  c'est  ainsi  tjue, 
dans  un  de  res  livres,  coti«  des  timbres  universellement  repandus  de 
la  Volte  de  J'rovntr'p,  du  iirnnle  de  Poiton,  du  cliant:  Traisfrrs  dr  Ui 
RochpUfi,  on  peut  lire  une  «Complainte  d  un  amant  ä  sa  darne»  sur  l'air: 
Quand  rr  Itmu  prinfpmps  jp  rotj.  Et  cctto  mome  strophe  des  Amours 
de  Marii  ligure  dans  uik-  frinossee  de  cluinsons  popiilaires,  j\  coto  de  la 
P6romidlßy  de  Sw  Ic  pont  d  ÄvignoHy  et  de  Quand  la  b&rgere  va^t-aujc 
c/mmps. 

II  advint  mvmc  (\no  le  type  de  ferame,  sinon  m'e,  du  moins  idralise 
et  ct-lebr«'  par  Ronsard,  devint  mis'ii  populitiro  (juc  sps  vers.  Le  {x'iiple 
!t  son  tour  tit  des  cliansons  sur  Cassandie.  Bizarre  destint'e  des  choses! 
Alnrs  (pio  noiis  aNons  irrandr  pcMTic  ;i  rctrouver  dans  les  Uvrcs  la 

iinisiquc  sur  la<pi('lkr  se  chantaient  ies  vers  antbontiqnos  du  pot'tts  il  est 
une  d«  ces  rhansons  dont  Tnir.  njin^s  avoir  joui  «1  l'origine  d'une  extreme 
popuLirite,  finit.  ayant  travcrsi'  pres  de  trois  sit'clos,  par  devenir  pour 
un  temps  le  cliant  national  de  la  Franro!  Je  ne  redirai  plns  en  detail, 
je  me  born^rai  ä  rappolcr  :\  grands  trails  Tliistdin'  d<'  ce  ehant.  qni  nous 
est  connu  d"al)ord  par  un  traite  dr  tlanse,  l  (Jrchesoijrnjjhie,  snns  le  nom 
de  «Hranle  eoupe  nomnie  T^issanilre»,  qui  plus  tfird  reparait  avec  des 
j)aroles  iui!sc\s  dnn«  la  liouche  de  CasHjindre  cllc-niiüie  ■ —  nr\o  r':i«!sandre 
d'ahord  assoz  pc.'rtincniment  iiiytholojirique,  et  cjui  se  di'clan'  MlcM  cndne, 
des  cicux*,  mais  (iiii  par  la  suito  fonibe  au  ruissfau  ei  ne  (  liante  jiiiis  .jue 
de  j^rossi^res  ehan^oub  bachiquis,  toujdurs  sur  le  meiue  air!  Puis,  h  la 
tili  iiu  XVIir  sii'cle,  l'air  est  ramasse  par  un  chansonnier  qui  lui  adapte 
les  paroles:  *Vive  Henri  (piatr«'»,  et  le  voila  devenu  le  chaut  de  ralliemeut 
des  royalistes,  Ihymne  de«  liourb(»ns  rcstauresl^j 

1}  Nor!  da  Fail,  Omtes  rt  ih'seonrs  (VF.uirnpel. 

2)  J'ai  raeontö  Thistoire  de  cette  chanson,  cn  plus  graiuln  dijiailw  et  uvrc  dn- 
cuments  4  l'appui ,  dans  mon  Hisloire  de  la  cltattson  populairc  en  Frame,  pp.  276 
et  mar,  Un  mo)  nooTeaa  docuniMit  evr  le  mfime  tnjet  a  &£  pnoduit  depnia  Ion: 
e*««t  «ne  trauoription  pour  latlt  de  «la  Oasseiidre»,  quo  neos  lisone  den»  lee 
Ao/ea  sur  Phistoire  du  bith,  de  Michel  Brenet.  A  ce  si^et^  ikOtre  «avant  confW>re 
croit  devoir  zeotifier  la  notaiion  que  j^eTaie  donn^e  de  la  premiire  mesnre,  et  conteater 

9* 


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132 


Julien  Ti«not,  Bonsard  et  la  mmique  de  «on  tempa. 


Mais  ne  connaiü'ons-nous  donc  aucune  de  r  es  m^lodiea  sur  leäquelles 
les  vers  «l«-  Konsard  se  chantaient  a  Tobc  seule  et  sans  auciin  aceom- 
pagnement?  Cela  est  fort  si  craiiulre.  car  au  XVP  si^cle  on  n'impriinait 
gahre  quo  la  miisique  savant««.  les  melodies  de  touinui'e  populaire  «Hant 
confiees  :\  la  soule  memoire  et  transmises  par  tradition.  Pourtant  il  n'est 
pas  de  r^gle  qui  ne  souffre  d'exception;  et  voici  un  petit  livre,  de  la  plus 
grande  rarete,  tant  par  son  caractere  exceptionnel  que  par  le  petit  nombre 
dVxoniplaires  qui  en  sont  venus  jusqu'ji  notre  (-poque,  oü  nous  trouverons 
entiii  satisfaction.  C'est  le  limnil  flps  pff/s'  Mies  et  rrreUmfps  chnrisom 
en  fanae  Yoir-dt-rUli-^  fi/y'rs  ih  <ltnrs  af/fhru/s  hmt  (incietm  que 
moff/Tfff's,  (ui.Kjudle^  a  (He  noin  tUrineiit  adapUe  la  uiusUfuc  de  leitrs  ehnnh 
coinmuHs^  (ijin  tfne  chncuu  lea  pttissc  chanter  rn  qnehjue  lieu  qtf''>I  sf  troti- 
rrrn  tant  dr  loi'r  que  sur  les  histntments,  Par  Jehan  Cli a rd avoi ne, 
de  Braufort  eii  Anjou,  A  Paris,  Claude  Micart,  au  elos  Üriineau,  :\ 
Tenseigue  de  la  (yhaise  1570).  On  trouve  de  tout  dans  ce  recueil,  — 
jusqu'a  de^  cliansons  dauphiüoisos.  —  jusqu'il  des  vers  de  Ponsanl 
L'aubaiuc  est  trup  rare  pour  quo  ii<>us  n  eu  profitions  pas  jiisqu'au  Ixiut. 
Voici  donc  <  iriq  chansons  de  Ronsard,  avec  leurs  chunts  coininint.^^  liien 
arc1iai(|ues  aNSurcment,  pourtaut  non  cncore  sans  chaime,  nun  saus  caractön? 
surtüut,  et  qui  ont  le  precieux  a\  autage  de  nous  donner  le  renseignemeut 
positif  que  nous  avions  vaincnieut  cherche  partout  ailleurs. 

Ode:  «Mignonne,  aUons  Toir  si  la  rose>(i). 
^    # — i~i  _ 

9= 


M ignonne,  al  -  Ions  voir  si 


cio-se  Sa  ro>be  depoorpreau  so«  leil  A  point  per-du  oes^te  ves» 


pre-e    Iie  lys  de  la   ro-be  poar>prä-e    Et  sonteint  an  vot-tre  pa-  reil. 
Pour  montrer  de  quelle  fa^on  l'on  peut  d^tacher  nn  St^perius  d*un 


les  Observation»  «jue  j'avais  pft-sentccB  a  ce  sujet;  mais  j'ai  !e  regret  de  ne  pns  admettre, 
ü  inon  tour,  sa  rectiücatiou.  J'ai  tout  lieu  de  croire,  eu  efiet,  que  si  le  luthiste  a  adop- 
te  la  Variante  dont  j^avais  contestö  Tauthenticit^,  c'eat  toai  siiaplMneiit  que,  copiant 
Vthehitoffnpkiej  il  en  a  reproduit  la  faate:  rien  de  plus  plausible  qua  eette  «cplioation, 
taudis  que  les  raisons  critiques  qui  m'avaient  conduit  ä  dütenniner  le  texte  musical 
itin^i  i\[\e  je  Tai  fait  ne  mv  ■^rinblent  avoir  rien  penlu  de  leur  furce.  11  sc  trompe 
d  aiUüurs  lorsjqu  ü  dit  que  «l'air  de  la  Cossamire  est  conipose  sur  des  vers  de  Ronsard» 
(p.  41  de  la  brocburej:  les  simples  indicatious  ci-dcssus  out  pu  iui  rappeler  qu^en  ecri- 
vaat  oette  pharase  U  avait  commis  ime  erreur  de  memoire. 

1}  Notä  dans  roriginal  en  clef  d'ut  8"*        par  consäquent  ime  octave  ni^dessons. 


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Julien  Tienot,  Ronmrd  et  la  masique  de  son  temps. 


133 


eosemble  poljphonique,  quel  effet  produit  un  tel  chant  pris  isolement  et 
quelle  diff^rence  sft  m^odie  savante  offre  avec  le  «timbre»  popnlaire,  noiis 
allons  reprodoire  le  chant  de  la  mSine  ode  mis  en  musique  par  Costeley, 
retranchant  seulement  les  i^pdtitioiifl  et  les  silences  (en  trte  petit  nomlHre] 
motiv^  par  le  d^Teloppement  hanDonique.  L*on  obserrera  dH  Tabord 
qne  la  difidrence  la  plus  notable  r<5side  en  ce  que  le  chant  populaire  ee 
T^p^te  k  cbaque  couplet,  tandis  que  dans  la  composition  saTante  il  se 
d^veloppe  d'iin  bout  k  Tautre  de  la  pönale, 


^  mm  m  -m  mm  ^4 


Mignonne,  »1  -  Ions  voir  si    la  Bo  -ze,  Mignoiine,ftl>k>ns  voir  n  1» 
^ni  oet  •  te  nnit  


Ro-ze 


A  '  voit  des-olo  -  le       Sa  ro  •  be 


deponrpre  «t  «o  -  leil,  Ha  point  per  •  du,  oes  <  te  Tot-pri  «  e,  A  point  per^ 


dn   res  -  tc  ves-prd-f»  j>lis  de    sii   ro  -  be  pour-pr^- 


Et  son  teiiit  au   \us  -  trc  pa  -  reil.    lias!    Las!  voy-o?  ronime  en 


peu  d'espa-co,    Mig-nonne,  eUe    a  des-su«  la  pla-co,  Las!    las!  laa!  «es 


M  ■ 


beautiz  lait»«^  eboir.  0! 


O!  vrai-ment  n»  •  ra-tre    na  •  tu  -  re, 

Puisqiru-ne  U'l  •  te  fleur  ne     du-re(|iio  du   nia-tin    jasques  au 
&     \    ~—ß'- — 0-\ — —0 — ^-  - — p-j— -r?— :?L— >^^r^]:-— M--^ 


aoir.  Doncques,   si    mt:   croy  -  e/,     Mignon  -  ne,   «liiin -qucs.   si  nie 


m 


es,  Bfif-noii'ne,      Tan  •  dis  que  to 


I 


3^ 


tre  a  •  ge    fleu  •  ron  •  ne 

— K- 


i 


En  «a  pluiverte  noo-veau-te,      CSueiUea,  codi -lex  vo-tre  jeu- 


1)  Mwtique  de  Guillaumc  Costeley,  1570,  3""«  livraison  des  Maitres  musicims  de 
la  RmaUww»  /raufaüe,  par  Henty  Expert,  p.  76. 


134 


Julian  Tieraot»  Ronsard  et  la  musique  d«  son  temps. 


lUM  •  86:Comme4 


ces  -  te    Hear,  la  vieU 


Im  '  99    Fe  -  x»  ter- 


m 


TT 


Ii 


nir  vo-tre  buau-tc.   CueiUes,  cueü*lez  vo-trc  jcu  •  nes-ae:Commea  ces- 


X. 


^^^^^ 

te     flcur,  la   vicil  -  Ics  -  sc      Fe  -  ra 


4: 


ter  -  nir    vo  -  tre  beau  -  te. 


Oette  Mignorme^  aUom  voir  si  la  rose  est  restt'e,  pendant  trois  ai^des 
et  demi,  la  plus  renomiuec  des  po^sies  de  Ronsard.  On  la  trouve  enoore, 
niisc  esL  musique,  dans  deux  ouvrages  du  XVIII*  siecle  ä  pr(?tention8 
historiques  (g^neralement  peu  justifieesj:  VAnthohr>gü  fran^mse^aiV Essai 
»ur  la  mutiqite  de  La  bor  de.  Un  simple  coup  d'ceil  suftit  k  demontier  que 
ni  l'une  ni  Tautre  des  iiu'lodies  iie  remonte  au  temps  de  Ronsard,  et 
qu'elles  furent  compos^s  tout  expr^  pour  les  livres  dans  lesquelles  elles 
figurent. 

Poursuivons  uoa  dtations  des  VoU  de  viüc: 


Ode:  «Ma  peüte  colouibelle». 


Ma  pe  •  Ü  -  te  co  -  lom-bcl-lc,   Ma  pe  -  ti-te  tou  -  tu  bei  -  le,  Mon  pe> 


X 


tit    (vil,   biii -»c  iiioi.  D'u-TU'    Ison-clio  tou  -  te    plei-ne  De  bai-sers,  chas- 


.  4^ 


•e  la    pei>ne  De  mon    B>moa*reiix    es-moy.  Qaaad  je  voub  di< 


X 


tay,  Mi-gnon-ne,  Ap>pro«ch6zvous,  qu^onme  don-ne  Neuf  bai^ser»  tout 


leb: 


k     la      foia,  Lon  ne    m'en  don  -  uez    que  trois. 

Chanson:  «Quand  festois  Iibre». 


4- 


Qaand  j*es  -  tois    libre    et  que  ra^mour  cru  -  el 


le  Ne    fast  et- 


m 


pouse  en-core  en  ma  mou-el  «le,  Je  vi  •  Tai«  bien  hea-ieox;  De  tou-fe$ 


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JaUen  Tienoi,  Ronnrd  et  la  motique  de  son  temp«. 


135 


-* — p- 


pari  oeat  mil-la  jeu-nes    fil>lei  Se  tra^ndl-loient  ptr  lettn  flam* 


mes    gen  -  tU   -  les     A    me  reudre  a  •  muu  -  ruux. 


Chanson:  «Quaad  ce  beau  piintemps  je  Toy.»  ^) 


I 


Qoaad  ce    beaa  printempi  je     voy,    J*a-per-$oy  Ba-jea-nir 


la  terre  et    Ton  -  de,      Bt  me       aem  -  ble  qne  le       jour  et  Fa- 


rnonr  Comme  en   -   cens  naia  •  teut  an    mon    -  de. 


Chaubüu:  «Douce  maitresse  touche». 


Don-ee  mai-tree-M»  toa^che  Pour  sou-la  -  ger  mos  mal  Mea  l^v-res 


de    ta    bon-cdie  "Blxm  ron-ge    que  co  •  raü.    D^im  donx  K  •  en  pna- 


^(1)^1 


Tiens  mon  ccenr  ^  em  -  bnw  -  w6. 


m 

Ronsard  mounit,  le  27  d<'cenibre  1585,  en  son  prieur^  de  Saint  Cosme 
f-n  Touraine.  Deux  mois  apres,  il  eut,  en  la  chapelle  du  coU^gc  do 
BoQcour,  des  fon^railles  comme  on  n'en  fit  jamais  h  un  souveram*  äi 


1)  Le  mSme  cliant  «e  trouve  dan»  le«  Ckm$om  de  P.  de  Bomaird . . « miiee  en 

iiiusique  par  N.  de  la  Grot  t  o.  Hvn  date  de  1576,  o*eat-&-dire  d'une  amife  anterieur 

au  Vrtix  de  VUlr  de  rhanliivriim-.  r'c«t  Ih  tine  prenvo  pf'rcm ptoire  que  ce  deraier 
ou>Tage  Pflt  bien  un  recueil  dü  melodies  n  ]>aiiducM  daiis  Ic  jiubiic  Ä  cett<»  •'■poijin-.  et 
»Ott  une  composilion  originale,  comme  certains  1  ont  cru  d  aprea  le  libcUe,  fort  vague, 


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136 


Jolien  Tiersoi,  Boiuard  et  la  miuiqtte  de  son  tempi. 


les  poinpusi  (ifticiclles  sont  d'ordiuaire  aussi  tot  oubliees  qu'accomplies, 
an  coTitraiTc  lu  soiennito  du  service  fim^^raiic  Tlonsnrd  fut  teile,  le 
conconis  de  (  pux  qui  tinrent  a  honnr  ur  de  s  y  reiidre  fut  si  considerablc, 
et  c'cla  par  la  (|iuilit('  dos  assistaiits  |>his  enrore  que  par  leur  noiuLre,  que 
eette  cereuuinie  causa  une  profonde  iiupression  sur  IVsprit  des  contem- 
porains.  Le  poete  tut  crh'hvf'  par  la  parole:  roraibuii  fuiiebrc  })ionoiic('e 
par  lt>  futur  cardinal  Du  IN  rnni  arraclia  des  larmes  h  tous  les  auditeurs. 
II  le  fut  aussi  par  la  niusique:  un  Requiem  fut  couipose  tout  speciale- 
ijieiit  pour  la  circonstanco.  Cette  nnivie  eut  i)our  auteur  un  jeunc  coni- 
positt'ur  qui,  pour  suis  dehuts,  avait  ('ti'  r.iiiic  uiusicale  de  cette  Aeadeiiue 
de  Baif  dout  la  foudation  etait  eiuure  due  h  Tintluence  des  idees  de 
Konsard  et  de  la  Pb'iade  sur  l'uniun  de  la  musique  et  de  la  poesie. 
«Or,  taut  de  po»'tes  (jui  lluris?*aieiit  alors  ne  semblaient  produire  ieurs 
gentillesses  que  pour  les  faire  vivre  sous  les  airs  de  Mauduit.»  Ainsi 
H'expriiue  le  P.  Mersenne,  daus  V l\/o;/r  <](  J>ini?<rs  Mauduit,  crctUrvt 
iittislftini.  qu'ii  imprima.  h  la  fiu  du  premier  volunie  de  son  Harmonie 
unitcraelk. 

«La  premifere  pi^cc  qui  fit  paroiBtre  lu  profonde  scicnce  de  Bet  aecordi, 

ujoute  uotre  auteur,  fut  la  3Icsse  de  lle.qmem  qu'il  mit  en  musique  et  qu'il 
fit  chanter  au  service  de  «on  amy  Konsard,  en  lu  ceU'^bre  ussemMt'e  de  la 
cha2>elle  du  ColU'ge  de  Boncouri,  uu  le  grand  du  Perron  ee  fit  admirer  par 
rOi'aison  funebre  de  ce  j)rodigicux  geuie  de  la  poesio.» 

Le  livre  de  Mersenne  est  de  1636:  dejji  Malherbe  etait  venu,  et  c*est 
dans  rannte  meme  que  Corneille  donna  k  Oid.  £t  pourtant  on  vient 
de  voii-  oouiment  un  homme  d^esprit  supdrieor  savait  encore  parier  de 
Honsard.  Ainsi,  par  la  musique,  le  poÖte  touche  i\  dcux  siecles.  A  Thenre 
de  ses  d^buts,  ü  avait  ou  pour  premier  collaborateur  le  vieux  Jane- 
quin,  le  musicien  de  Eran^ois  1*"',  le  chantre  de  Marignan;  puis  tous 
lc8  maitres  de  son  temps  avaient  tenu  h,  honneur  de  lui  apporter  Thum- 
mage  de  leurs  harraonies  et  d'en  orner  ses  vers.  I^n  plus  jeune  ecrivifc 
U's  ucords  funebres  qui  retentii'ent  autour  de  sadepouüle;  et  voilä  que^ 
plus  de  cinquante  ans  iq)res  sa  mort,  nous  trouvons  encore  un  ^loge 
cater'orique  80U8  la  plume  du  plus  savant  musicien  qu*ait  connu  le  nouveau 
siiicle,  Mersenne,  Vami  de  Descartes. 

La  suite  du  chapitre  de  V Harmonie  tmiversf^e  reproduit  le  röpons  de 
Mauduit  Pi<  n  qne  d'un  autre  style  que  les  chants  dont  rexamen  a 
fait  le  ])nncipal  objet  de  ce  travail,  il  ne  saurait  etre  regard^  comme  lui 
dtant  (Stranger.  Nous  rendrons  done  h  notre  tour  un  demier  hommage 
en  reproduisant,  pour  terniineri  cet  bymne  funebre  compos^,  par  un  de 
ses  demiers  fid^les,  en  l'iionneur  de  Honsard,  po^te  flouverain. 


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JaKen  Tieivot^  Bonawd  et  U  murique  de  son  tempe. 


137 


Requiem  (B^pons  de  PAbsoute). 

Qhant^  aux  funäraüles  de  HonBaxd. 
Jaeqnee  Meodnit. 


äUptTlUä. 


Quinta 


Contn. 


Tenor. 


Ke-qai-eiu  «e  -  ter  -  uam  do  -  im  e 


is    Do  -  mi  -  uü, 


4: 


fie  •  qiii-em  le  -  ter  -  nam  do  -  na  e 


is    Do  •  mi  -  ne, 


üe.qui-eui       -  ter  -  imm  do  •  mt  e 


— # — ^- 


4: 


^  ^— 


IC 


'0  »- 


I 


Be  -  qui-em  w  -  ier  -  nam  do  -  na  e 


is    Do  -  mi  -  ne, 


 ^ 

:^2;-ZE 


Be- qui-em  te  -  tor  -  uam  do  -  na  c 


is    Do  -  mi  -  ne, 


Im 


£t    lux  per  •  pe  -  tu  •  a 
-9- 


lu  •  cc  •  at  e 


Ei   las  per  -  pe  -  ta  -  a 
— #- 


— « — 


In  •  ce  •  ai  e 


i 


i 


£t   lux  per  <■  pe  •  tu 


lu  .  oe  -  ai  e 


Itt  -  oe  -  at  e 


IS. 


Et    lux  per  •  pe  •  tu 


a 


 f. 


-#  #-3- 


Et    lux  per  -  pe  -  tu  -  a 


lu 


ce  •  at  e 


11. 


1 


IS. 


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Julien  Tienot,  Buiuard  et  la  monqae  de  son  teup«. 


1-Uj  -  4111  'CS  -  caut  üi 


-    ce.  A 


7- 


Rc  -  qui  -  ea  -  tiuil 


ui 


pa    -    et;.  A 


meu.   Do  -  mi  •  oe  ex- 


♦  <>—   , 


iic  -  HUI  -  m  •  mnt  iu         pa    •    ce.  A 


men.   JLK>  -  mi  -  ue  «Jt- 


lie  -  qui  -  es  -  ctuit  in        pa   -  ce.  A 


iiitiD.  i>o  •  mi  -  ne  ex- 


:i"  1 


Stg: 


Be  •  qui  -  ee  •  cant  in       pa  -  ce.  A     -     men.  Do  -  mi  -  n«  ex- 


RQ  «di  o-ra«ta-o  -  nem  me  •  un.  £^  dariaor  me-iii  ad 


1^ 


au  -di  o-ra-ti-o  -  nem  me  -  am.  Et  olarMor  mt-ni  ad 


ni-r-r  T  ^  ^  ^  r  r  r~F 


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i    I  I 


an-di  o-ra-ti-o  -  nem  me  •  am.  Et  cla>mor  ma-na  ad 


# — # 


T— r-g: 


au-di  o-ra-ti-o  -  nem  me  •  am.  Ei  cla-mor  me  •  11t  ad 


-# — « 


au-di  o  •  la  •  ti  -  o  -  nem  me  -  am.  £t  darmor  me  •  us  ad 


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Julien  Tiersot,  Konaard  et  la  mnnqtte  de  aon  temps. 


13lj 


te  T6  •  ni  -  ftt  Domicilii«  vo  •  bia  •  cum.  Et  enm  api  -  ri    -  tu  tu  •  o. 


te  ve  -  ni  •  ttt.  Domi-nua  vo  -  bis  •  onm.  £i  cum  spi  -  ri    >  tu  tu  •>  o. 


^ — — ^ 


te  ve  •  ni  -  ai  Domi^nna  to  -  bia  •  enm.  Bt  eom  api  -  ri    -  tu  tu  •  o. 


te  ve  -  ni  -  at.  I>oim«nn8  to  -  bia  -  cmn.  Et  cum  spi  -  ri    •  tu  tu  •  ö. 


te  Te  •  ni  •  at.  Domi-nua  to  -  bia  •  cum.  Et  com  ipi  -  ri   -  tu  tu  -  o. 


— 

• — P— — 1 

 ^  ^  *  ß  <5  

K    M  1 

-  i..  U- 

1.  J-zt— 

b— ^-  .1         1  1 — * — 1 

O-re-mui.  jEi'de«lioum,  Be-os,  om-ni'Um  con-di  -  tor  et  re^emp-tor, 


0  •  re^mnt.  Fi-de  -  li^um,  De-ua^  om  •  ni  -  um  con-di  -  tor  et  re«demp>tor, 


0-  'S?— «©- 


 • — 0  ■'5'      0  0  •  •  0  ■'. 


i 


0  -  rc-mu8.  Fi-de  -  li-uiu,  De-us,  om  •  ni  -  um  con-di  -  tor  et  ro-demp-tor, 


t—»~0—0' — 0 — 0 — — # 


-I  T— 


0  -  re-mus.  Fi-de  -  li-um,  Dc-us,  om  -  ni  -  um  cuu-iii  -  tor  ut  re-demp-tor, 


^  


:ijjz43n--4  1  [- 


-m — ^ — r^—m- 


0  -  re-mus.  Fi-de  -  li-um,  De-ua,  om  -  ni  -  um  con-di  -  tor  et  re-demp-tor, 


140 


Jidton  Titinot,  fionnrd  et  la  muiiqiw  de  aon  tempt. 


e  .  ni  •  me  -  bua  fe  -  mu  -  lo  -  ntm  fm  -  mu-le  >  mm  -  que  ta  -  a  -  mm 


m 


ni  •  tna  >  bu  fii  -  mu  -  lo  -  mm  &  -  mn-Ia  •  mm  •  qae  to  -  a  -  ram 


r_r_r  | 


4: 


-r:: 


Hz-ZT— 


a-ni-ma-biM  fa-ma-lo-ram    fa-ma-la  •  ram-qoe  ta- a 


nun 


-4  1—4: 


-t- 


a  •  oi  -  ma  •  bua  £» -  mu  •  lo  -  rum   £a  -  mu-la  -  rum  -  que  tu  -  a  -  rum 


prj    A-^a^  1—1  1 


^^^^^ 


a-m>ma«biu   £&  •  mu  -  lo  -  rum   fa  -  mu-la  -  rum -que  tu  -  a  -  rum 


I 


re  •  mis-n.  •  o •  nem  oonc -to  -  rum    tri- bu -  e    peo  •   ca ->  to  • 


— 


re  •  mit-n  •  0  •  nem  ounc  -  to  -  mm    tri-bu-e    pec  -  ca-to-ram: 


 M. 


^-^:pr:p--|_g-^_g. 


re  •  mis*si  •  o  -  nem  oanc  •  to  -  mm    tri  •  bu  -  e    pec  -  ca  -  to  •  ram: 


■0 — * 


1= 


Hr— -  r 


r=z.-i — ^ — ^- 


re  -  mi»>8i  •  o  •  nem  cunc  •  to    mm    tri  -  bu  >  e    pee  -  ca  -  to  •  ram : 


1^ 


re-mu-si  -  0-nem  cenc'to  -  mm    tri-bu-e    pee  -  ea-to*ram: 


Digitized  by  Cuv^^i 


i 


Julien  Tienot,  BoBurd  ei  !■  manque  de  son  temp«?.  X41 


ut  in-dnl  •  gen>ti  -  am  quam  sem  •  per  op-ta  •  ve  -  ruut  pi^is  suppU^ca  •  ii> 


11^ 


nt  in-dal->  georti  >  am  quem  sem-per  op-to-ve-nmt  pi-ii  enppU-ca  •  ti- 


IS 


-9 — • — #- 


I    I  I 


--«> —  # — «  #  «*  # — « —  •  — «g»  I  » 


ut  in-dul  -  gen-ti  -  arn  quam  sem  -  per  op-ta  -  ve  -  runt  pi  -  is   suppli-ca  -  ti- 


3: 


1=1 


at  in^dol  -  geii>ti  -  am  quam  scm  -  por  op-ta  -  ve  -  mnt  pi  -ia  anppli^oa  •  ti- 


1^  ^  I 


3e 


nt  in-dnl - ge&'ti  -  am  qnem  «anioper  op-ta*Te-rnnt  pi-it  su2pli-ea>ti- 


1 


•I — r- 


o  -  ni  •  bu8  uoD  •  8«  •  quaa-tur.  (^ai  vi  -  vU  et  r^-naa,  Be-oi« 


f  ,  -  •  ,     ,  Tr-— H'^l  — ■)  i  '■  


0  -  ui  -  btu  con  -  se  -  quau-tur.  Qui  vi  •  vis  et  n^-naa>        De  -  us, 


0  •  ni  -  bu8  con  -  se  -  qQan-tur.  (^ui   vi  -  vis  et  rcg-uas.        De  -  us, 


o-ni«bna  oon  -  se  -  quan-tnr.  Qni  vi  -  vii  et  reg-nas.  De-os, 


o  -  ni  -  bns  eon  "  se*  qnan-tar.  (^ui  vi  ■>  vis  et  reg-nae. 


De  -  US, 


kjui^cd  by  Google 


142 


Julien  Tiertol,  BonMurd  ei  1»  nnutque  de  eon  tempa. 


— w. 


per  om-ni-a     ste-cu-la     seD<oa>lo-  rum.  A      •  men. 


i 


per  om  •  ni  «  a     ub  •  cq  ■  la    w  •  cu  •  lo  •  nun«  A 


per  om  -  ni  -  a 


•  oa  -  la     8»  -  cu  -  lo  -  mm.  A 


tizf  r  r  r-^ 


I  I  Iii 


it: 


per   om-ni-a      ssc-cu-Ia     ttce-cu-lo-  rum.  A 


meu. 


— h — — '  ^  


ES 


per  om  iiB-ca-le    ste-cn-lo-  rom.  A 


3c: 


1: 


-::  r-^if=r- 

1^  gz^zi^iibrz-r: 


He  •  qui  •  e«  •  cant  in 


pa 


ce. 


meu. 


■iSh- 


Se  -  qni  •  ee  -  eant  in      p»  •  «e. 




r — 

Be  -  qui  -  es  -  uaat   in       pa  -  cc. 


men. 


Be  •  qui  •  ee  -  cant  in      pa  •  ee. 


Be  -  qm  <■  es  •  cani  in       pa  -  ce.  A 


men. 


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Edward  J.  Dent,  The  Opem  of  AlesMndro  Scftrlatti. 


143 


The  Operas  of  Alessandro  Scarlatti 

by 

Edward  J.  Dent. 

(Oambridge.) 

I 

* 

OoiiBidering  tlie  celebrity  which  Alessandro  Scarlatti  eujuvi  d  during 
bis  Ufetime,  he  has  met  with  scant  justice  at  the  bands  of  musical  his- 
torians.  The  earliest  biography  of  anj  importance^)  is  that  by  G^nnaro 
Grossi  in  tfae  Bio^mfia  de^  Üinrnni  ükairi  dd  Begno  di  KapoU  (Naples 
1819),  8ome  details  of  wbich  were  taken  from  the  meagre  renunisoences 
of  Quants  in  Marpurg's  Hütori&^4erüi»(h$  Beiträge  zur  Aufnahme 
4er  iftcMfc  (Berlin,  1744—62).  Grossi's  notice  was  oopied  by  Yillarosa 
ia  bis  Memorie  dei  Compoeitori  di  Musiea  dd  Regno  di  Nn^poU  (Naples, 
1840),  who  knowing  veiy  little  abont  Scarlatti  and  apparently  caring 
stOl  leaSy  contribnted  notiiing  new.  F^tis  foUowed  Gros»  and  Villarosa, 
sdding  the  anecdote  about  Gorelli;  JPlorimo  (Cenno  Storieo  mUa  acuola 
fiittsteofe  di  Nt^ßoU,  Naples  1869—71)  foUowed  Fätio,  adding  a  few  tra- 
ditiona  of  the  Neapolitan  School,  and  shovisg  more  interest  though  not 
a  yery  intimate  faioivledge  of  the  oomposer*a  works;  F.  Gehring  in 
Grore's  Dictionaiy  and  H.  Riemann  in  bis  ovn  did  little  more  than 
condenae  the  biographies  of  their  predecessors.  All  catalognes  of  Scar* 
latti's  compositiona  that  bave  hitherto  appeared  are  Tery  inadeqnate,  and 
the  ditidlama  of  historiana  of  music  bare  suffered  from  being  founded 
QU  a  more  or  less  incomplete  acquaintance  with  the  music  critidaed.  I 
hope  that  the  following  list  of  those  Operas  of  Alessandro  Scarlatti  about 
wlueb  definite  informataon  is  to  he  bad  may  help  to  a  wider  appreciation 
of  the  work  of  one  of  the  most  important  pmtnalities  in  the  histoiy  of 
Diodem  muflic  It  does  not  claim  to  be  cbmplete,  and  is  especially  defi- 
dent  with  regard  to  libretti  and  detached  airs;  these  bare  presented 
considerable  difficulties,  sinoe  the  former  often  bear  no  composer's  name, 
ud  the  latter  bardly  ewet  bave  any  indication  of  the  Operas  from  which 
tihey  are  taken.  The  list  ii  based  entirely  on  personal  investigationsi 
and  I  bare  not  aa  yet  been  able  to  go  orer  the  ground  a  aecond  time; 
Üiis  wonld  be  the  only  way  to  clear  up  many  points  still  obscure,  expez^ 
ienoe  having  frequenüy  demonstrated  to  me  the  tmth  of  the  proTorb 
Cid  vud  vada^  ehi  tun  tmol  mandL 

1)  Ha  w kl  Ii a  and  Burney  say  little  about  him. 


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144  Bdwanl  J.  Oent»  The  Opem  of  Aleaatadiü  Scarktti. 

Aldimiro  orvero  Favore  per  Favore. 

Libretto:     Bolocrnn,  Licco  Musicale.    (Gubbio  1687.) 

Brüssels,  Consen'atoire.   (Borne,  1688.  No  coinposer  s  name.) 
Fragments:  British  Museum. 

The  Gubbio  libretto  informs  us  that  tlie  ojieia  liud  jin  vioiisly  been 
perfonned  in  Naplcs.  For  the  Roman  ixa-foimance  it  was  somewhat 
altered  by  the  Papal  censure.  It  was  also  given  at  Bologna  in  the  same 
year. 

It'Amaxonc  G uerricra.  ' 

Score:  Monte  Cassino. 

Munich,  Hof-  und  Staatsbibliothek  (copy  from  preceding  MS.j. 
Korne,  BiM.  S.  Oeeüia. 

Produced  at  Naples  ^Royal  Palace)  in  1689. 

JjAmor  Qeneroüo. 

Score:       British  Museum. 

Libretto:  Naples,  Regio  Collcg^io  di  Muj«ica. 

Produced  at  Naples  (S.  Bartolomeo)  in  1714. 
Jj^Amor  Volubile  e  Tiranno. 

Score:      Brüssels,  Conservntnire. 

Dresädeu,  Kimigliche  Bn>liothek. 
Libretto:  Bologna,  Liceo  Musicale. 

Naples,  Begio  CoUegio  di  Mnaica. 

Produced  at  Naples  (S.  Bartolomeo)  in  May  1709. 

Auacreonte. 

Score:      Miluster  i.  W.^  Bibl.  Santini. 

Libretto:  Bruneis,  Conservatoire.    (No  oomposer*«  name). 

Produced  at  Pratolino  in  1698. 

Arminio. 

Libretto:  Bolugmi,  Liceo  Musicale  (Naples  l*d  November  1714,  wautiiig 
part  of  Act.  lU;  Borne  1722). 
BniBBels,  Conservatoire  (Borne  1722). 
Naples,  Begio  CoUegio  di  Musioa. 

Fuliti  mentioDS  a  Performance  at  Pratolino  in  1708.  The  prefoce 
to  the  Naples  (S.  Bartolomeo)  libretto  statee  that  the  comic  scenes  were 
taken  from  other  operas  already  represented  elsewhere,  bat  I  have  not 
been  able  to  trace  them.  The  opera  was  revived  with  conaiderable  alter» 
ations  at  the  Sala  Oapranica  in  Bome  in  1722. 
La  Caäuta  de*  Deeemviri. 

SeoTo:        British  Museum. 

Braasels,  Bibliothöque  Boyale. 
Naples,  Begio  Collegio  di  ISIusica. 

Libretto:      Brüssels,  Con«5crvntr)ire.    fNo  composer's  namej. 
Fragmentö:  Dresden,  Küuigliche  Bibliothek. 


j  .    by  Google 


üdward  J.  Üent,  The  Upem  of  Alessandro  Scarlatti. 


146  • 


Producud  at  JSaplcs  S.  Bartolonieo)  in  1697.  It  appears  to  liave  been 
revived  in  1706,  as  the  Brüssels  score  Lears  that  dato,  and  the  Naples 
score  bears  a  partially  effaced  datc  of  whicli  the  figures  17.  6  are 
decipherable. 

Camhi.se. 

Score:  Xaj)le8,  Regio  CoUegio  tli  Musica. 
Libretto:  Xaples,  Kegin  ('Dllrrrjo  di  Mii-irn. 

Produced  at  J^aples  (S.  Bartolomeo)  4  Febrnary  1719.  The  score 
bears  the  macription  *^Opera  III." 

Carlo  Ee  d^Allemagna. 

Libretto;     Bologna,  Liceo  Miuleftle. 

Naples,  Reifio  CoUegio  di  Miisiea. 
FragmentB:  Bmssels,  Bibl.  Wagener.  \  ^.^ 

Dresden,  Königliche  Bibliothek  ) 

Produced  at  Xaples  (S.  Bartolomeo]  at  the  Camival  in  1718.  The 
libretto  contains  a  quite  separate  sei  of  tliree  comic  intermezzi  in  addi- 
tion  to  the  usual  scenes  incorporated  in  the  drama. 

II  Ciro, 

* 

Score:        Brnstda,  Consenratotre  (autograph). 
Libretto:     Bologna,  Lioeo  Mnaicale. 
Fragments:  Manster  i.  W.,  Bibl.  Santini. 

Xaples,  Real  CoHogio  di  Musica. 

Produced  at  Home  in  1712.  The  libretto  has  designs  for  th*-  scenery 
by  JuTarä.  The  score  is  dated  October  1711,  no  doubt  Üie  date  of 
composition* 

Cleareo  in  Negroponfe. 

Seore:      Modena,  Biblioteca  EstenBe. 
liibretto:  Brassels,  Conserratoire. 

Modenai  Bibl.  Estenae. 

Frodnced  at  Naples  (Royal  Falace)  21  December  1686  for  the  birth^ 
day  of  the  Qaeen  Dowager  Marianna  of  Austria. 

Ihijui  f  Galatea. 

Frugmeuts:  l^resden,  Köiu..'lt(  li>  lUbliotbek. 
Paris,  Conservatoiie. 

Produced  at  Xa})lrs  in  17(K),  according  to  tlif  Paris  M.S.  which  di  >- 
criix's  the  work  a->  "( )[)era  bo>carcccia"\  Tlu'  Divsden  MS.  has  no  air 
in  common  witli  the  Pari.s  MS.  consistinir  of  romic  vcencs  only,  nnd  is 
calb'd  '^La  Dafni",  but  it  can  b;>r(llv  bc  ilnuht« d  lliat  botii  .st  lcctiun.-?  aic 
takon  froni  the  same  opera,  ot  wliich  the  Paris  MS.  probably  gives  the 
more  correct  title. 

s.  d.  I.  ii.  IV.  10 


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146 


Kdwaril  J.  Daul,  TUe  Operas  of  Alessandro  8cariatti. 


Dal  Male  il  Bene. 

Score:         Moute  Cossino  (partly  autograph). 

Libretto:     BnuBels,  Co&a«rvatoire  (Naples,  Koyal  Falace  1687]. 

IVagmenta :  British  Museum. 

The  Monte  Gassino  MS.  bears  the  title  *'Tutto  ü  Male  che  metif  mn 
vtm  per  wuwsert^  but  corresponds  exactly  to  the  libretto  ^Dal  M^e  il 
Bene,"  with  the  addition  of  a  comic  prologue^autogiaph,  as  also  a  Sin- 
fonia,  and  new  music  to  three  airs)  wbidi  waa  added  for  a  Performance 
in  hononr  of  the  Spanish  Yiceroyi  Don  Gk»paro  d*Haro  y  Gnzman.  The 
prologue  calls  upon  the  singers,  as  well  as  Scarlatti,  by  name  as  folloirs: 
PaxvinSy  SearlaiÜt  VAquüam^  Paoluecio,  Margherita^  ü  ragaxxo,  who  is 
also  abbreviated  as  Ateo^*,  and  Maiteuecio,  Of  these  I  can  identify  three 
only,  Bomenico  L*Aquilano,  Nicolo  Grimaldi,  and  Matteo  Sas- 
saniy  who  were  all  singing  at  Naples  in  1697  and  1698.  Florimo 
from  whom  I  take  this  Information,  gives  no  singers*  names  before  1696, 
but  this  revival  of  ^Dal  Male  il  Bene*  could  hardly  have  taken  place 
earlier,  since  Nicolo  Grimaldi  is  heard  of  for  the  first  time  in  1694  when 
he  was  at  Borne.  It  seems  donbtful  whether  the  1687  Performance  was 
the  first,  the  style  of  the  music  pointing  to  a  rather  earlier  date. 

La  Didone  Delirante, 

Frajs^ments :  Naples,  Ri'pio  Coll«gio  di  Musica. 
An  Opera  Didom:  hdininfe  wns  crivfn  at  Ycnico  in  1686  with  music 
by  Carlo  Pallavicino,  tlic  liluctto  of  wiiich  (in  the  Brüssels  ConseiTatoii*e) 
contains  tw«»  airs  in  conimon  vvitli  the  selection  of  twenty  by  Scarlatti 
at  Naples.  Tlic  librctto  of  Scarlatti's  Kmireuo  alludus  to  the  previou.s 
production  at  S.  Bartolonieo  of  Didone  Delimnie  and  Contodo  Antujfino. 
I  bave  found  no  tracts  whatever  of  Comodo  Aiitoitino  bv  wluch  its  com- 
poser  iinV'lit  1)0  idontiticd.  bnt  Klorimo  attributcd  it  to  A.  Scaidatti,  on 
the  gr«»und  that  \m  was  \viitin;i^  uitt  ras  for  S.  Bartolomeo  at  that  time 
(i.  e.  about  16^)7).  It  tlu  rcforc  set  ius  more  probable  that  tliis  Didone 
Ikiirfinte  i^SLple^  Ki'.T)  (»r  Hi^O?  was  Scarlatti's  setting,  than  that  it  was 
a  rovival  of  Pallavirind's  aientiuncd  abovc.  It  was  no  doubt  the  same 
drania,  with  most  of  iho  nirs  altered,  as  was  comniuu  in  such  a  casc. 
Fetis  nppears  to  huvc  ctmluscd  this  opera  with  Didone  Ahlxnidonntu, 
!Mi'tusta.su»s  first  drania.  set  to  music  f(»r  tlic  first  timo  bv  »Sarri  iu 
17i^4.    A.  Scarlatti  never  set  any  libretto  ul  Metastusio. 

La  Donna  an  com  e  fedcle. 

JA\\Yviio:     Brüssels,  Conservatoire  (no  coniposer^B  name). 

Frajinu  nt« :  l>i  (  den,  Königliche  Bibliotliek, 

Prodm  •  rl  at  Naplos  in  1098;  at  S.  Bartolomeo^  since  the  dedication 
is  signed  by  the  imprcsario  Serino. 


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Edward  J.  Dentj  Tbe  üpenui  of  Alesmuidro  ScarUtttL  147 

L'Eniircno  orrero  II  Consüjliu  delV  Owhra. 

Liliretto:      Bruf«>rl^,  r'nnservatuire    iio  eompoaer's  Ufkme). 
TraL'ments:  DitMlcii.  Kimitrliche  Bibliothek. 

Producad  at  Naplus  (S.  Bartolom»  0  in  1G97. 

Gli  £quivoei  in  Amore  ovvero  La  Rosaura. 

Score:        Britidi  Mnsenm  (two  copies,  rqvreaenting  two  different 

performimro«^. 
T>ilireito:      Rrussuln,  ( 'uu^ervatoire. 
Frtiguieut«;  Floreuce,  Kegio  Istituto  Musiculu. 

Naplefl)  Regio  GoUegio  di  Muslco. 

Paria,  Consorvntoiro  (Acts  1  &  II  oomplete). 

Borne,  Biblioteca  Barberini. 

Perfomed  at  tbe  French  Embassy  in  Borne  on  the  occasion  of  a 
double  maniage  in  the  Ottoboni  family  in  1690.  It  was  also  peifonned 
at  tbe  Boyal  Palace  in  Xaples  the  same  year*]:  it  is  not  'known  wbicb 
was  tbe  earlier  production. 

OH  Equivoei  nel  Sembtante  ovvero  L*Errore  Innoeetite, 

Soore:      BolugnH,  Liceo  Muaicale  (waota  overtore). 
Brüssels,  ConaerTatoire. 
Modenu,  Bililioteca  Eateuae. 

Yeaice,  Biblioteca  Mnrcianu  (contuining  an  air  in  Act  11^ 
HC.  T,  **Ko  pt^r  giuco  11  pescütur«**  wUich  is  not  in  uny 

other  score). 

Libretto:  Bologna,  Liceo  Musieale  (Bologna  1679,  Rome  1679,  Bn- 

Teuna  1<'»H5). 
Bnissrls,  ( '(»iistTvatoiie  (Monte  Filottramo,  1680). 
Modcna,  Biblioteca  K8t«nae.     (No  oomposer^a  name  in  auy 

librettol. 

This,  the  tirjst  kuown  op«Ta  nf  A.  Scurlaf ti,  was  pniducofl  8  Februarv 
1670  nt  tlip  Oollegio  r!<'montino  in  Hoinc,  Ix'fore  Queen  Christina  of 
tSw<'<leri  und  was  tranNferred  latrr  to  tlir  Tratro  ("apmnira It  cnjoycil 
:i  ^rcat  populanty:  witncss  the  liii*  -  from  J/H.on(^8ta,  negli  Amori  (pioted 
a])Ov<*,  and  the  perfonnances  at  Jji»l<»i,'na  (Teatro  Formighari),  Xaples, 
^Monte  Filottramo,  and  Kavenna:  it  was  nlso  prohably  givcn  about  the 
same  time  at  the  Uoutarini  theutre  at  l'iuzzola  near  Venice^J. 
I^raelea, 

Libretto:      Bolo  -      Tjiceo  Musieale  (Parma  1700). 

Brus:,el.-,,  Cr.M.rrvatnir,'  'r..rma  1700V 
Fragments:  Brnspols,  FiiltliotlitM^uc  KoyiUo  (ovcrtui'e  and  all  the  airs. 
No  recitativcs). 

1)  B.  fr r  (rntri  lii  Xai><,li  ur!  -r^.  XV—XVfrf,  Naplos  1H1U. 

2)  A.  Ademollo,  /  tfoln'  di  limna  nd  scrolo  XV'Il,  ilome  1888,  and  articles  in 
U  Opmione,  Bome,  January,  18H2. 

8}  T.  Wiel,  Catahgo  dei  Codki  Coufttriniani  neUa  BibtMeea  Mareiana, 

10* 


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148  Edward  J.  Deut,  The  Operaa  of  Alcssandro  Scarlfttti. 

Fragmenta:  Dresden,  KSniglidie  BibUotbek. 

Naple»,  Begio  Collegio  di  Musica. 
Paria,  Oonservatoire. 

Froduced  at  Naples  (S.  Baiiolomeo)  in  1700.  It  was  given  the  same 
year  at  Parma  witih  additions  hj  Bemardo  Sabadini. 

II  FiijJlo  delle  Srlvt.'. 

Score:       Pari-^,  Coiiscrvatnlre. 

Lil>retto:  Brüssels,  Conseivutoire  (iio  coniposers  nnme]. 
Produced  at  Komo  in  1H87.  Tho  representation  assigned  by  AdemoUo 
to  l'lorence  in  KWS  uiay  possibly  have  taken  place  at  Pratolino,  where 
an  opera  by  Scarlutti  (title  unknown)  was  given  tbat  year^j. 

Flavia, 

Libretto:     Bologna,  Liceo  MiiBicale. 
Fragments:  Hodens,  Biblioteca  Estense. 

Produced  at  ^aples  (K^gio  Teatro,  i.  e.  8.  Bartolomeo)  6  November 
1688  for  the  birtbday  of  Charles  II. 

II  Flavia  Cunibcrto. 

Score:  Oxford,  Cliristchurcli, 

Tiibrt'tto:      Brüssels,  ( 'oiiservatoin»  (tio  compr)ser'8  uame). 
KrajrnifiitH:  Münster  i.  AV'.,  BiMintlxk  KMutini. 

Flach  and  FUivio  Cunihcrto  arr-  two  entirely  diitercnt  operas.  The 
Brüssels  libretto  (Rome,  Teatro  < 'ajtiMnica  1696^  probably  docs  not  re- 
pn'sent  the  first  production.  as  ilic  (lfdieatioii  alludcs  tu  tlie  prrvious 
sucrcss  of  th«^  piorc  H^jowhei'c.  and  tlie  text  dit'tVrs  sli^'htly  froiii  tliat  of 
tlir  score.  'V\w  t Vai^incnts  at  MiinstiT  conhist  nf  1<)  airs  with  tlic  title 
"Seeita  d  arl'  >//  //'  Opt^u  iuiitointa  if  Flario  Cuailnft'lo  iiitoranu  nir  coni^ 
jM)sta  in  ntusirn  ilul  Siqffnr  Akssmiiho  Scarlatti  p  rnjijtns/  nfnla  in  Pra- 
folino  prr  ordiur  ihlf  AUewa  iSifiettissif/ia  di  Vrrdtiitntdo  di  Medici  frrä 
Prinn'])c  di  Toxmiia  iu  tpifsT  nnim  1702^.  AdemoUü  meutiouB  a  Per- 
formance at  Korne  (Teatro  Tordiuona}  in  1695. 

Gerane  Tiranno  di  Siraeusa, 

Score:         Oxford,  Oiristchurcb. 

Fragment«:  Naples,  Kegio  Collegio  di  Musica. 

The  score  bears  tlie  words,  "Posta  in  masica  dal  Sig.  Alessandro  Scar- 
latti 1692  e  sciitta  1693";  AdemoUo^)  says  that  it  was  performed  at 
Rome  in  1694.  Probably  it  was  produced  in  Naples  first 

1)  L.  Puliti,  Cmni  storifi  iMla  rita  ^rl  wrenmimo  Frrdinando  de'  MeiUei  Oratt' 

printipp  di  Tonffnia,  Flnrcnci'  1H74. 

2,  L'Opiuione,  Boine.  20  January  1882. 


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Edward  J.  Deat,  The  Open»  of  Alessandn»  Scarlatti  149 

La  Gri$Ma. 

Scoroi  l"5i  rliii.  K'in iLiIIrlif  Bililiot liek. 

Britisli  Museum  i autogniph;. 

Brüssels,  Couservatoire  (copy  from  Berlin). 

Ifanicb,  Hof-  und  Staatsbibliothek  (copy  from  Berlin). 

Münster  i.  W.,  Bibliothek  Santini. 
Librotto:      fiolot^nn,  Liceo  Musicale. 
Fragments:  Paris,  Couservatoire. 

Produced  at  Bome  (Gapranica)  at  the  Carnival  in  1721. 

L'Honestä  negli  ÄmorL 

Score:        Modena,  Biblioteca  Esteuse. 
Libretto:     Bologna,  Liceo  Maaicale. 

Brüssels,  fouservatoire. 
Fragments:  British  Museum. 

Paris,  Conservatdire. 

Produced  at  Eume,  Ö  February  lüöü,  probably  at  the  Teatro  Gapra- 
nica. 

L' Hiininnitä  ?iellc  Ferc  orvcro  II  LucuUo. 

Libretto:  Bologna»  Liceo  Mutiicale. 

Performed  at  Kaples  (S.  Bartolomeo)  in  1708  with  additions  by  Tig- 
nola,  so  that  its  first  production  was  probably  earlier  and  possibly  under 
a  different  title  <). 

OH  Jnganni  Feiice* 

Libretto:     Brümsel«,  Conflervatoire  (no  coniposer^ft  name). 
Fragments:  Dresden,  Königliche  Bibliothek. 

Produced  at  Na])]cs  f Royal  Palacc  and  S.  Bartolomeo)  in  1699. 

Laodicea  c  JJcrc/t icc 

8cure:  Paris,  BibliothtHiuo  Nntidiialu. 

Libretto:      Modcua,  Biblioteca  K?ten>o. 
Fragments:  Britinh  Museum. 

Brüssels,  Bil)li<ithe(jue  Uoyale. 

Xaples,  Kej^io  Colli  L'io  di  Mnsica. 

Paris,  C%)nservat()ire. 

Prodaced  at  Najjles  (S.  Bartolomeo)  in  1701 .  The  music  appears  to  havo 
undcrgone  some  moditications  in  the  course  of  tbis  one  season :  the  Naple.H 

1)  Yignola  added  cutoIu  sccues«  io  Lotti'a  "'L'in^amuo  viuto  dalla  regiooe''  for  a 
Performance  at  Naples  in  the  satne  year,  and  apologi^es  in  the  prefooe  for  doing  so, 

m-ing  that  it  wus  n>  -cssury  owing  i<>  the  taste  of  Ihc  timc  and  place,  of  tbe  actors 
and  andienet'.  Tt  Iiis  iiiklitions  to  Searlulti's  ojiera  were  in  tlie  na^nro  of  comif  scenes, 
may  be  sun*  that  tlie  opera  \v;e»  n<»t  written  orij^inally  for  Jsa)>li's ,  eomie  scenes 
▼ere  a  neccssity  at  Naples,  anü  f^carlatti  wrotc  tliom  sa  well  as  aiiybody.  It  was 
prabtbly  «ritten  for  Pratolino,  considering  Scarlattt's  relations  with  Borne  and  Pra- 
^0  at  thifl  tune  (see  bis  letters  to  Ferdinand  III  quoted  by  Paltti\ 


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löO  Edward  J.  Dent,  The  Operaa  of  AleBsandro  Soariatti. 

frii^ients  include  some  airs  added  in  June  1701  which  ai*e  not  in  the 
libretto  or  in  tbe  Paris  score. 

Lucio  Manlio  V Imperioso. 

Produced  at  Flratolino  in  1705.   It  was  Scarlatti's  88^*'  opera. 

Mareo  Attilio  Reffolo. 

Score:         liiitish  Museum  (autographj. 
Libretto:     Bologna,  Liceo  Moaieale. 

Brüssels^  Con8er\-atoire. 

Nai)le9,  Begio  CoUegio  dt  Masica. 
Fragments:  British  Museum. 

Brüssels,  Couservatoire. 

Paris,  Couservatoire. 

Produced  at  Rome  (Capranica)  at  tbe  Camival  in  1719.  Tbe  revival 
at  Bologna  in  1724  was  a  pasticcio. 

Massimo  Puppieno, 

Score:  Monte  CaBsino. 
Fiodttced  at  Naples  (S.  Bsu  tolomeo)  26  December  1695  <). 

.V  Score:         Jieiliu,  ivuiiigliclie  Bibliotliek. 
^  Paris,  Cousenatoiie  (copy  of  precediug). 

Libretto:     Bologna,  Liceo  Musicale. 

Venicef  Biblioteca  Mnrcinna. 
Fragmente:  BruBsele,  Bibliotböque  üoyale. 

Produced  at  Yenice  (S.  GioTanni  Crisostomo)  in  1707. 

Le  yoxxe  eon  l'tnimico  ovvero  L* Analinda. 

Score:         Paris,  Bibliotb^t^uo  !Natiouale. 

Libretto:     Bmasels,  Coneervatoire  (no  composers  name). 

Fragmente:  Britisb  Musenm. 

DresdeDi  Königliche  Bibliotliek. 

Produced  at  Naples  (S.  Bartolomeo)  in  1695. 

üdoardo. 

Libretto:      Brüssels,  Couservfifoire  (no  coniposer's  uame). 
Fragments:  Dresden,  KiuiigJichu  Bibliothek. 

Naplcs,  Bfgio  Collegio  dl  Musica. 

Paris,  Conservatoire. 

Produced  at  Naples  (S.  Bartolomeo)  in  1700. 

II  Pastor  di  Corinto. 

Score:  Brüssels,  iüMinthrfiue  B(»ya!c. 

Libretto:     Brüssels,  Conservutoire  (no  compos^ers  namej. 

1;  Florimo. 


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Edwird  J.  Deni,  The  Opens  of  Alemundro  Scarlatti.  151 

Fragments:  Dresden,  Königliche  Bibliothek. 
Paris,  Conservatoire. 

Produccd  at  Naples  (S.  Bartolomeo)  iu  1701. 

//  Pirro  e  Demetrio. 

Score:         BraBselsy  Biblioth^que  Eoyulr. 

Xaples,  Regio  Collegio  (Ii  ^lusica, 
Libretto  :     HruHsel».  rnnservatoire  (Korne  1(>U6:  no  composer's  name). 
Fragments:  British  Musi-iini. 

Produc«  f1  :it  Naples  (S.  Bartolüun'o)  iu  JFubruary  1694.  It  was  givcn 
at  Rome  (  apranif  a  i  in  1696.  and  in  London  14  December  170b  in  an 
Euglish  adaptation  by  Swinj  and  Haym. 

n  Fompeo. 

Score C  Bru8Kels,  Biblioth^que  Koyale. 

Ltibretto:      Bologna,  I^iceo  Musicale  (Li  Lilioni  1G88J. 

Brn«s('!-.  f 'oTisei-vatoire  (Ronic  and  Naples  1684). 

Naples,  Regio  Ccdlegio  di  Musica. 
Fragmente:  Münster  i.  "W.,  Bibliothek  Sautiui. 

Oxford,  Christcburoh. 

Paris,  Conservatoii  r. 

Venice,  Biblioteca  Marciana. 

Produced  at  Rome  (Teatro  Colonna)  in  1688*);  at  Naples  (Boyal 
Pfllace  and  S.  Bartolomeo)  in  1684. 

II  Prigionero  Fortunata. 

Score:         British  Museum. 

KapleH,  Rt>gio  Collegio  di  Mnsica. 

Libretto:     BoWiki.  I.iceo  Musieide.  \  , 

Krüssels,  ( onstTvatoir«'.    j  ^  * 
Fragments:  Dresden.  Kruntrürh»-  Hibliotliok. 

l'aris,  liiUlioi lu  i Nationide. 

Produced  at  Naples  ,S.  Burtüluiauo;  14  Lcccmber  1698. 
Principessa  Fedele, 

Score:       Brn.ssels,  liildiothtfpie  Royato. 
Libretto:  Bologna,  Liceo  ^lusicale. 

Naples,  Regio  Collegio  di  Musien. 

Produced  at  Naples  (8.  Bartolomeo)  at  tlie  Camival  in  1710. 

II  Bodrigo. 

Score:  Paris,  Conservatoire. 

I^om  the  style  of  the  music  it  wiis  composcd  probably  about  1680 
-  1686. 

^«  Mosaura.    See  OU  Kquiiuoi  in  Aume, 
1}  Ademollo. 


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152  ükiward  J.  Deut,  Tbe  Operas  ol'  Alessaudro  äcarlatti. 

L<i  Jiosinc  tif  orcro  1/  Jiifcdeltii  Fedrle. 

Score:       Münster  i.  W.,  liihlintliek  Santini. 

Libretto:  Bru»j>tla,  Couservutoire  ^Naples  1()88,  Florenco   1689;  no 
composer's  name). 

The  score  differs  slightly  from  both  libretti  --^  it  is  possible  fhat  the 
Performance  in  the  Royal  Palace  at  Naples  in  1688  was  the  first  pro- 
duction,  the  libretto  agreeing  with  the  cuis  that  were  made  in  Performance. 

Seipione  nelle  Spfifjne. 

Score:  British  Muscnni. 

Bnisst'ls,  Bibliothi-que  Koyaie. 
Libretto:     Naples,  Kegio  Collegio  di  Masiea. 
Fragments:  Monte  Casaino. 

Prodaced  at  Naples  (S.  Bartolomeo]  21  January  1714.  The  comic 
scenes  were  revived  at  Bologna  in  1730  under  the  title  of  **La  Dama 
Spagnuola  ed  il  OaTalier  Bomano**. 

La  Statira. 

Score:  llritlsli  "Mnscmn. 

lirüs>tils,  Couservutoire  icopy  Irom  Munich  MS.;. 

Dresdeu,  Küuiglicbe  Bibliothek  (copy  from  Muuich  MS.j. 

Munich)  Hof-  und  Staatsbibliothek. 
Libretto:      Brüssels,  Conservatoirc  (iio  coiiipOser*B  name). 
Fragments:  Naples,  li^gio  (Jollegio  di  Mu^ica. 

Produced  at  Borne  (Teatro  Tordinona)  in  1690. 

//  Grnrt  Tnmcrlano. 

Produced  at  Pnitolino  in  17Ü6'). 

Telemßoo. 

Score:        Münster  i.  W.,  Bibliothek  Santiui. 

Pari«,  ronservatoii-e. 

^'!<'l^l:l,  Tlofliibliotlick  (autograph). 
Libretto:      Bologna,  i^iceo  Musicale. 

Brameb,  Conservatoire. 
Fragmente:  Florence^  Regio  Istituto  Musicale. 

Produced  at  Bome  (CapraDica)  in  1718.  The  libretto  states  that  it 
was  Scarlatti^s  109***  opera. 

La  Tcodorn  Ainjustn. 

Score:      Flmence,  Rrcrif^  Istituto  Musicale. 

Uxionl,  ( 'hristchurch. 
Libretto:  Brüssels,  (Jonservatoire  fno  composer*s  name}. 

Produced  ut  liome  (Cax)i  aiiicaj  iii  1093. 
1)  Puliti. 


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Edward  J.  Deni,  The  Operas  of  Aleasaitdro  Scarlatti. 


153 


//  Tigidnc  oviero  L' Kqiial  Jmpetjiio  d  Amot  e. 

Score;       Floiviici*,  Hi  ui*»  Istituto  Musicale  (copy  from  ^inpleä  MS.}. 

Xnpk's,  Kt'y;iu  (.'ollegio  di  Muiiica. 
Libretto;  Bologim,  Liceo  Mubicale. 

Kaplet«,  Regio  Cidl^gio  dt  Mnaica. 

Produced  at  Kaples  ^S.  Bartolomeo]  at  the  GarniTal  in  1715,  The 
libretto  states  tbat  it  was  Scarlatti's  106*^  opera. 

Tiüerio  Ii/t peratorc  d'  (h  ie /lic. 

Fragment«:  Naples,  Ii!t  .:i.)  (  nll.wrio  di  Muäica. 
Paris,  (.'oiiacrvitiuiic. 

Pioducetl  at  Naples  (Lioj'al  Palace)  8  May  17U2'j. 

Tito  Sempronio  Gracco. 

Libretto:     Bologua,  lAcco  Musicalo.  ]  \{„jf^^  1720 ) 

T^ni'^s»'!-.  J 'oiis«Tv;i("ir('.     j  ^  *' 
Fraguieuts*.  Dn-sden,  Kt»iiij,'liclie  iiililiotliek. 

MUuättT  i.  \V.,  Bibliothek  Santini. 

Naplt'8,  Regio  Collegto  di  Musica. 

Part«,  CouBetratoire. 

Prodaoed  at  Naples  (S.  Bartolomeo)  in  1702^).   Tbe  Dresden  and 

Xaples  MSS.  represent  tliis  Performance.  Tbe  Münster  and  Paris  MSS. 

represent  tbe  revival  at  Bome  (Capranica)  in  1720,  for  which  several  en- 

tiidy  new  airs  were  written. 

11  Trionfo  d^Onore. 

Score:       Briti>*h  Mu.m  uin. 

Libiretto:  Naplex,  Kr^lo  Colb  irio  di  Musica. 

Produced  ut  Naples  (Teatro  dui  Fiüreiitiui;  in  171B.  It  was  Scar- 
latti's  110""  opera. 

il  Trionfo  drUn  Lihertä. 

liibretto:      Bologna,  Tiir(.'o  Miisitalt'. 

A't'iiic»',  Btbliot<'ca  Marciaiia. 
Fragments;  Brüssels,  BiMiotliiMiut*  Huyale. 

Produced  at  V  onice  (S.  (iiovauüi  (.  i  uu^tüiijui  in  1707.  after  "Mitri- 
tlate",  since  the  selection  of  airs  in  thc  Fctis  collection  is  niscribed  '-upan 

Turuo  Artet  H  O. 

Libretto:       HoIoltiui,  I/icco  Musicalo.  I  ,,,  *^ofk> 

,  '    ,  ,  .  l{«»me  1720. 

Fragments:  Münster  i.  W.,  Bibliothek  Santini. 
Pari»,  ConBervatoire. 

Produced  at  Pratolino  in  1704';.  Thc  Münster  aud  l'aris  ^M^S.  re- 
1)  Crqce.        2,  Croce.        3;  Politi. 


154 


Edward  J.  Bent^  Xbe  Operas  of  Alessandro  Scarlatti. 


prespnt  thc  leWval  at  Rome  ;t])ianica)  in  1720,  and  the  style  of  tlie 
rnusic  |)uiiiis  to  as  complete  a  re-composition  as  took  place  for  tlic  revival 
of  ''Tito  Sempiuiiiu  Gracco''.  The  Royal  Library  at  Berlin  possosses  a 
Sitting  by  A.  Scarlatti  of  tliü  air  "Chi  jhI  äice^  which  differs  frum  tliat 
in  the  other  MSS. ,  but  which  from  its  style  could  hai'dly  have  been 
writteu  as  tarly  as  1704. 

La  Vir  t  u  nrg^i  Atnort. 

Xiibretto:  Bologna,  Liceo  Musicale. 
** Contponimeii to  uuisicalc  fulio  cantnre  datV  JS&:eUeii\a  del  Siguor 
D.  Aiiflrra  de  Melo  de  Castro^  Arnbdsviutore  OrdiiKirio  deUa  Maestä  dd 
TiC  di  Poriogallo  in  ocra.sione  di  pubUca  gioia  per  H  salenne  Possesso  pn^io 
deüa  SaNtitn  di  S.  S.  Papa  Innoeenxo  Dedtiio  Terxo  nd  giomo  16  di 
Xorembre  deW  anno  1721^ 

La  Virtü  Trionfante  de  VOdio  e  de  VAmore. 

Libretto:  Brüssels,  Conservaioire. 

Naples,  Kegio  Collegio  di  Musica. 

Produced  at  Xaples  (Royal  Palacc}  3  May  1716  to  <»lebrate  the 
birth  of  the  Archduke  Leopold.  It  was  afterwards  transfemd  to  S.  Bar- 
tolomeo^).  The  Prologae  is  expressly  stated  to  be  the  composition  of 
Scarlatti.  

The  following  operas  were  writteu  in  coUaboration:  — 
La  Santa  Uentiinda, 

Score:      Britisli  Museum. 

M  Uli  ich,  (lof-  und  Stiiatsbibliothek. 

l^iiris,  Citiist-rvatoire. 
Lihrettu;  Bruäsül»,  Conservatüiru. 

Municb,  Hof-  und  Stfuitsbibliothek. 

**Dramnia  sacnr  produced  ut  Korne  in  1694.  Act  1  by  Giovanni  del 
Violone,  Act  II  by  A.  Scarlatti,  Act  III  by  Cai'lo  Francesco  Pol- 
larolo. 

Giniiio  llnito  ovvcro  L(i  C/idiita  di  Tart^u i luj. 

Score:  VieiHKi,  Hon»ihliutiiek. 

Act  l  by  Carlo  Cesarini,  Act  II  by  Antonio  Caldara,  Act  IH 
by  A.  Scarlatti.   

Scarlatti  also  added  airs  to  the  following  operas  by  other  composers:  — 

Odoncre.  (lAgrenzi.l 

Libretto:  Naples,  I{c<fio  Collegio  di  Musica. 

jSaple»  S.  Bartolonieo}  101)4. 
1  Croce. 


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EdwArd  J.  Deaty  The  Opera«  of  Alesnndro  ScarUtti. 


155 


hn  Pn sforella,  (Act  I  bv  (Jesariui,  Act  11  by  Giaunino, 
Act  III  by  "Signor  Boiioncini".) 

Pragments:  British  Huseuin. 

Repreaented  by  marionettes  in  the  palace  of  tbe  Venetian  Ambassador 
at  Borne  in  1705. 

Pors enna.  (Lotti.) 

Score:  British  Museum. 

"An  Opera  in  3  acta  ascrilx  d  dotibtfully  in  the  flv-leaf  to  Scarlatti 
or  Lotti.  ("It'MK-nt  and  Laroussc  Dict.  Lvn«|ue  j».  attributp  the 
opera  to  tlie  latter;  adding  tlial  wlien  was  produced  again  at  Naplts, 
Scarlatti  appended  certain  pieces  to  the  work.  Wbich  of  tlie  recensions 
is  rc'preseutud  h\  tho  present  copy  dous  not  appear.''  (Extract  from 
British  Museuni  Laiaiugue.J 


Tbe  following  operas  bave  been  ascribed  to  A.  Scarlatti:  — 

Aiacc. 
Etio. 

Pcnclope  In  Cnsta. 

The  libretti  of  these  three  operas  an*  in  tbe  BruBsels  Conservatoire. 

Xo  composer's  name  is  mentioncd:  but  A.  AVotinirnne  :ittril)uted  tbem 
to  A.  Scarlatti,  following  Florimo  who  professed  to  have  found  fragments 
of  tbeni  in  tbe  Collegio  di  Musica  at  Naples.  I  have  not  been  able  to 
identify  them  tliere,  or  to  find  any  air  by  A.  Scarlatti  which  beloogs  to 
tbem  in  any  library. 

C'omndo  Antoni no  and  Mncio  Sccvola  were  attributed  by  Flo- 
rimo to  A.  iSrarljitti,  on  tbe  ratber  inadequate  t^mund  tbat  be  was  writ- 
ing  operas  for  Bniinlomro  (where  tliese  two  wvvr  ]irn(bired)  at  tlic  timc^ 
}frffo  i'scnrt'  in  th<'  Pnris  Conservatuirci  was  attrihutt'd  to  A.  Scar- 
latti by  F'*is.  The  iiiusir  ])()iiits  undoubtedly  to  a  later  composer;  the 
name  of  Scarlatti  lias  Ix-t  ii  wiitten  in  by  a  Liter  band. 

Meropc  (Fetis  and  Flnriiud   was  l)y  Giuseppe  Scarlatti. 

Tnfnntro  fParis,  ( 'oiüsfrvatoiii'  was  by  Doinenico  Scarlatti. 

Olitorio  and  T'  i  site  are  obviously  mistakes  for  Üdoardu  and  Te/t- 
imco  in  wliicb  Tersite  is  a  cbaracter. 

Teodofiio  is  nientinned  by  Croce  and  Fl  lu  i  in  o  as  hi  ing  performed 
at  Naples  (S.  Bartoloiueo)  in  January  1709.  T  have  loiind  no  otber  trace 
of  it,  and  am  inclined  to  tbink  it  a  mistake  for  tbe  oratorio  //  MarUrio 
di  San  ta  Teodosia. 


156 


Edward  J.  jDent,  Tbc  Opera«  of  Alessandro  ScarlattL 


Ännibulf  (so  described  in  the  British  Museum  CatalogueJ  ib  a  selec- 
tion  of  aiis  from  Marco  AUilio  licgolo. 


^fy  thaiiks  nre  (Inf  tn  tlir  libiaiiaiis  of  tlie  various  libraries  mentioned 
for  luiifli  kind  and  courtcous  a^sistancc  also  to  Comm.  Alessandro  Kraus 
and  Prof.  A.  Scontriiio  l^lorencc  .  and  cspecially  to  ^T.  Alfn  d  Wot- 
qucmi»'  '"Brusselsl  who  geiicrously  jdacrd  at  mv  disposal  much  valuablc 
inl'uruiutiun .  and  wbose  Vnlahyiir  ilrs  lirret-!^  italieus  du  XVII^  siede 
(Brüssels,  1901j  onabled  me  to  identify  many  anonymous  libretti. 


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Bosa  Newmarohf  Mily  BalakireÜ*. 


157 


Mily  «Balakiref 

pur 

Rosa  Newmarch. 

(Loiulres.j 


On  ▼oit  apjMuraitre  parfois  dans  Tart,  comme  dons  la  litt«rature,  des 
hommes  exceptionnels,  mltiatetirs,  dont  rinfluence  semble  hors  de  toute 
Proportion  avec  Tetendue  et  le  succ^s  de  leurs  cpu?res.  Tel  fut  Keata, 
qoi  fit  soucfae  de  toute  une  ^ole  de  romanticisme  anglais.  Tel  fut 
liiszt,  dont  les  compositions,  longtemps  enterr^  dans  un  froid  oubli, 
foient  Inentot  reconnues  comme  germes  d*une  forme  de  Symphonie  non- 
Teile  et  albranchie.  Tel  aussi  est  Balaldreff,  k  qui  la  musique  nationale 
des  Russes  doit  sa  seconde  renaiisance.  BalakirefE  n*avait  qne  dix-hnit 
ans  loraqn'il  vint,  en  de  Nijny-Novgorod  &  P^terabourg,  muni 

d^mie  recommandatton  pour  Glinka.  Quoiqu^^levd  dans  la  maison  dVn 
amateur  de  mnaiqoe  nltra-conserrateur,  BalaloTeff  avait  su  garder  un 
esprit  libre.  Grftce  aussi  k  la  vie  de  province,  si  i%ign^e  des  goüts  fades 
et  cosmopolites  qui  r^gnaient  alors  k  F^tersbourg,  le  jeune  honime  ^tait 
päi^tr^  d*un  sentiment  de  nationaliti^  robuste  et  in^ranlable. 

Oulibicbeff,  auquel  Balakireff  devait  son  ^ducation  musicale,  ^tait  un 
erodit  qui  connaissait  k  fond  les  maftres  du  dix-huiti^me  siMe,  et  qui 
tenait  ferme  k  la  croyance  que  le  d^?eloppement  legitime  de  la  musique 
8*arretait  aux  symphonies  de  Mozart.  ]Ü[ais  le  flair  critique  de  V^lhve 
avait  ä.6}k  depasse  de  beaucoup  celui  du  maitre.  Dans  cette  ville  de 
proTince  k  Textreme  Est  de  TEurope,  Balakireff  n*a  pu  suiyre  de  pr^s 
ragitation  Wagn^riennc.  Cependant  son  intelligence,  sensitive  comme 
un  s^ismographe,  avait  d4jk  enregintrd  les  vibrations  de  ce  mouvement 
iointain  qui  annon^ait  une  ri'volution  musicale.  TrH  jeune,  il  s'occupait 
de  la  «[uestion  de  la  trnnsfusion  d*un  sang  notiveau  daiis  les  formes  us^ 
et  decadentes.  Mais  l'id^o  de  chercher  la  Solution  du  probl^me  dans 
les  th(^ories  Wagnt^rienncs  ne  lui  vint  gnl're.  Et  pour  bonne  raison. 
Dans  les  ann^s  — 1870  on  ne  savait  en  Russie  encore  rien  de 
Wagner.  On  c<mnaissait  k  peine  «Tannhäuscr^  et  T.MluTijrrin».  Aussi 
il  existait  püiir  les  Busses  une  source  intarissable  de  Tinspiration,  celle 
de  la  nationalite. 

P^n^tr^  d'iin  z6le  ardent  pour  c<>tt(>  nouvelle  cause,  Balakireff  apparut 
dann  la  capitale  commc  un  8.  Jean  du  d('sert  pour  annonrer  Ti-vangilc 
de  la  nationaUt<S  aux  adorateurs  do  Bellini  et  de  Meyerbeer.  Son  enthou- 


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158 


Hosa  ^iewniarch,  Mily  BalakireC 


nasme  et  son  intelligence  impressiomi^rent  mement  le  premier  proph^te 
du  culte  national  —  Glinka.  Le  mattre,  d^urag«-  par  un  temp^rament 
(iuelque  peu  hjpochondriaque,  et  blesg^  de  la  froideur  publique  envers 
son  chef-d*oeuTre  «Kousslane  et  Lioudmilla»,  accudllit  volontien  dans  ce 
jeune  homme,  plein  de  foi  et  d*^nergie,  un  suocesseur  digne  de  continuer 
son  ceuvre.  Le  milieu  m^tropolitain  est-il  peut-^tre  indispensable  an 
d^veloppement  complet  du  g^nie.  Balakireff  profita  de  son  entourage 
nouveau,  mais  toujours  sans  renoncer  k  ses  convietions  les  plus  di^res. 
Bäs  rannte  1861  il  dtait  devenu  le  point  central  d'un  noÜTeau  monve- 
ment  musical.  H  ^tait  n^  pour  fonder  une  ^cole,  car  il  poss^dait  non 
seulement  des  connaissances  speciales,  mais  une  rare  force  germinale  et 
initiative. 

Le  premier  disciple  attir^  par  les  prindpes  de  Balakireff  fnt  G^sar 
Oui,  alors  sous-lieutenaut  du  g^nie.  Plus  tard  ce  fut  Moussoigsky,  ce 
temp^rament  d*une  nationalit^  intransigeante,  qui  snbit  son  inflnence 
disciplinaire.  Enfin  Borodine  et  Eimsky-Korsakoffse  joignirent  &  cette 
coterie,  solidaris^e  par  l'id^  nationale.' 

La  m^thode  de  Balakireff  n'^tait  point  celle  des  Gonserratoiies.  Sa 
personnalitd  dominait  partout  dans  oette  petite  ^cole  mutuelle.  II  cr^a 
une  atmosph^re  musicale  dans  laquelle  vivaient  ses  disciples.  H  se 
faisait  en  mdme  temps  leur  mattre  et  leur  camarade.  Iis  conunen^aient 
par  studier  ensemble  les  maitres  classiques,  surtout  Bacb  et  Händel; 
puis,  ils  prenaient  connaissance  de  tout  ce  qu^il  y  avait  dv  nouveau  et 
de  marquant  dans  la  musique  contemporaine.  Cliaque  d^veloppement 
duns  la  forme,  chaque  sp^alit^*  dans  rharmonie,  ciia<iue  nomolle  com- 
binaison  dans  rinsirumentation  < —  Tintelligence  aigüe  de  Balakireff  notait 
tout  pour  le  profit  de  ses  oonfr^res. 

XI  dt^sirait  une  (  r)ini  n  ni  t^  profonde  de  Testh^tique  musicale,  mais 
\mv  connaissance  affranchie  de  tmite  trndition  aveuglo,  car  son  but  ^tait 
de  d^velo])per,  autant  que  possible,  Tindividualiti'  de  ses  ^l^ves.  Quelques 
ann^  plus  tard,  ayant  atteint  ce  but  de  Tindividualisme  complet,  Bala* 
kireff  ressentit  un  moment  d'«'tonnement,  menie  de  regret,  en  TOyant 
coukbien  ses  disciples  s't'taient  ecartes  du  point  de  ddpart  commun. 
C'etait  comme  un  autocrate  bienveillant  (pii  n*a  pas  su  prevoir  tous  les 
resultats  de  son  premier  pas  vers  la  libert«-.  Cette  dislocation,  ou  pour 
mieux  dire,  cette  diff^rentiation,  n'^tait  que  la  consc'quence  inevitable  de 
la  maturiti'  artistir|ue.  Bitrodino  a  parfaitement  expliqud  la  Situation 
dans  une  lettre  a  M"'*'  Karmalina  dans  laquelle  il  dit:  • —  «Nous  avons 
rogu  du  cerde  oü  nous  avons  v^u,  les  caract^re8  du  genre  et  de  re^p^ce; 
mais  chacun  de  nous,  comme  il  arnvc  d'un  coq  ou  d'une  poule  adulte, 
porte  son  caractere  propre  et  son  idualit«'.  Si  Ton  nous  croit  pour 
cela  separes  de  Balakireff,  il  n'en  est  heureusement  rien;  nous  Paimons 


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lio»a  Newuarch,  Mily  Balakiretl. 


159 


touB  comme  aupaniTaiit,  et  nVpargnons  neu  pour  entretenir  avec  lui  les 
m^mes  relations  qu'autreiois». 

Comme  compodteur  Balakireff  se  rapproche  de  Glinka,  quoiqu'ü  ne 
s^est  jamais  essay^  en  op^ra.  II  a  le  meme  sentiment  lyrique,  le  m$me 
godt  fin,  ime  origiiialitö  tout  k  fait  radicale.  Allez  au  fond  de  son  OBuvre 
et  Tous  trottverez  quelque  choee  de  special;  im  ouwier  musical,  ä  la  main 
flcmpaleuse  et  d^licate,  qui  d^ire  que  tout  soit  dsele  et  poli  jusqu^ä  la 
perfection  .m^e.  Toute  ime  serie  de  romances  publice  entre  1858 — 1860 
Atteste  de  ces  qualit^  du  maitre^rf^vte*  Ce  sont  parfois  de  toua  petits 
Joyaiix,  maia  taüles  k  nombreuaes  facettes  dont  chaoime  refl^te  une  Emotion 
exqnise  et  rare.  Et  les  accompagnements  de  ces  phrases  mdodiques 
ressemblent  aox  enchaasures  de  bijouz;  ils  out  quelque  chose  d*md^ 
pendant,  mais  qui  rehausse,  qui  oompl^te  la  pens^e  muncale  qui  brOle 
au  ceutre.  Tels  par  ezemple  sont:  Qiuind  ft»  votr  bien^mie  («'Wlien  tby 
lored  Toice  I  bear»),  Vims  ä  moi  («Corne  unto  me»),  Jfen^nto»,  o  nuU 
oäscure  («Lead  me,  0  nigbt»],  L'extase  («Ectasy»),  et  La  (Aamon  du 
Poi$aon  Rouge  (<Tbe  song  of  tbe  Golden  Fish»}.  II  y  a  d^autres  romances 
qui  aont  toutes  embaum^es  d'un  souffle  d'Orient:  La  chaniton  de  8eUm 
et  La  ckanson  OSorgientte.  Presque  tous  les  exemples  dt^s  sont  des 
romances  erotiques,  d'un  sentiment  ardent  et  pleines  du  triomphe  de 
l'amour.  La  MModie  hSrat'que  reiiferme  une  oiiiotion  plus  triste.  C'est 
le  cxi  d'im  cceur  sou&ant  mais  fier;  le  roi  Saul  dans  sos  beures  momes 
et  tragiques.  II  y  a  peu  de  temps  que  Balakireff  a  publie  une  seconde 
B^rie  de  romanees  (I)ix  Komani^es;  Jiirgenson,  Moscou),  qui  n'ont  pas 
toute  la  passion  et  Toriginalite  profonde  de  la  premi^re.  Cependant 
dans  ce  cabier  se  trouvent  des  choses  tr^s  gracieuses  et  tr*  s  distingu^. 
Au8si  on  nc  peut  (luitter  se.s  romances  sans  se  Souvenir  de  la  Berceuse^ 
mdlodie  simple  et  pt^ndtrante  coinnio  une  cbanson  populaire,  avec  un 
accompagnement  cxquis  comrae  Balakireff  poss^de  le  secret  d'en  inventer. 

Balakiii  ff  est  grand  connaisseur  de  la  mu8i(|U0  nationale,  et  ses  deux 
recueils  de  Chansons  Populaires  renferment  des  exemples  bien  choisis, 
(iont  riiarnionisation  est  savantc,  mais  toujours  en  rapport  avec  le  c;arac- 
tere  des  melodies.  Bahikireff  a  forme  eette  coUection  en  voyageant  en 
Bussie,  particuli^rement  sur  la  Yolga  et  dans  les  provinces  voiaines  de  ce 
Üeuvo. 

Balakireff  est  un  des  premiers  discii»les  des  nouvelles  theories  musi- 
cales  de  Liszt,  et  quoi(|ne  ses  preniieres  compositions  pour  orchestre 
n'aient  pas  de  proj^nramme  affiche,  Äf.  Vladimir  Stassoff  m'assurc  qu^eiles 
en  ont  tout  de  raeme,  et  qu'on  peut  raconter  facilement  ces  pnigranimes. 
Dans  V Ouvertüre  sur  des  t/u  me^  Nu.sscs  1H58  ,  (jui  est  d'une  inspiration 
trt^s  fraiche,  on  sent  combien  il  sV'tait  pent'tr«'  de  la  musique  populaire, 
et  comme  il  en  a  bien  saisi  le  sentiment  intime.    II  a  dioisi  comme 


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löO 


Rosa  Xewmarcii,  Alüy  iialakireff. 


rnotifs  trois  Chansons  iarfes  r^pandues  en  Russie,  dontPune:  Dansleapr^ 
se  trottvttit  un  bauleau  («In  the  fields  there  stood  a  Birch-Tree»]  fut 
emplo}  ee  aussi  par  Tschatkowsky,  ime  vingtaine  d'ann^es  plus  tard,  dang 
le  finale  de  sa  quatri&me  s}iiiphoDie.  En  1867  Balakireff  a  fait  un 
pendant  &  oetto  CBuvre:  F  Ouvertüre  sttr  des  ifihnes  Tch^tes,  V  Ouvertüre 
snr  des  Firnes  Exjmgnoh^  retonchee  et  r^axrang^e  en  1869,  date  en  v4nt6 
de  1857.  Le  premier  thtme  de  cette  ouverture  Tient  de  Glinka,  qui 
avait  donne  &  Balakireff  —  personnellement,  et  en  le  consid^rant  comme 
son  confirmateur  futur  —  une  m^lodie  espagnole,  not^  pendant  son 
sejour  en  Andalousie.  Quant  au  deuxi&me  thdme,  qui  a  plut6t  le  carac- 
t^^re  mauresque  qu*espa^ol,  il  est  de  sa  propre  inventiön.  Dans  tonte 
la  musique  russe  —  od  brille  toujours  une  Instrumentation  originale  et 
splaidide  —  ü  n*j  a  rien  de  plus  ^tincelant,  de  plus  oolori^,  que  la 
fin  de  cette  Ouvertüre,  oü  les  deux  th^mes  —  qui  repr^entent  les  41^ 
inenis  principaux  de  la  civilisation  espagnole  —  se  r^unissent  dans  une 
marcbe  somptueuse  et  chevaleresque. 

Oes  trois  compositions  servent  a  demontrer  combien  Balakireff,  d^s 
le  commenoement  de  sa  carri&re,  s*occupait  des  questions  dthnograpbiques. 
Xon  seulement  en  Kussie,  mais  dans  les  pays  ^trangers,  c^^tait  la  voix 
de  la  race,  la  mdlodie  intime  —  et  pour  ainsi  dire  psycbologique  —  qu*il 
ecoutait  et  oü  il  puisait  son  inspiration  musicale. 

Mais  les  compositions  les  plus  remarquables  de  Balakireff  sont  indu- 
bitablement  Celles  pour  lesquelles  il  a  choisi  un  programme  arret^.  En 
1861  il  a  composd  une  Ouvertüre  et  des  Entr'actes  pour  la  trog^die  de 
Shakespeare:  Le  roi  Uar.  Dans  Touverture  8*enten(l  le  motif  carac- 
t^ristique  du  nii  egare;  thfeme  «lui  ne  manqiie  ni  de  gramlcur,  ni  de 
patliotiiiue.  Puis  la  musique  suit  d'assez  pivs  les  seines  principales  de 
hl  'l'rng.'(]i(\  Balakireff  nous  dopeint  la  m^tamorphose  du  grand  roi  en 
vieillard  abandonne,  fuyant  devant  Forage,  dc'pourvii  d'autoriU',  le  cceur 
saignant,  Tesprit  t^n^breux,  mais  toujours  plein  d'une  dignite  inn^e.  II 
nous  fait  entendre  aussi,  comme  un  rayon  de  lumiri-e  qui  traverse  ce 
tableau  sombre,  le  th^me  gracieux  et  serein  (jui  appartient  ji  Cordelia. 
Los  entr'actes  nous  donnent  des  tableaux  de  quebjues  incidents  &  part: 
la  hrouille  entre  les  sreurs,  les  badinages  du  bouffon,  un  cort&ge,  le 
combat,  et  Tapotbeose  du  Roi  Ijoar. 

Quel  homme  de  tatent,  en  effet,  aurait  pu  transcrire  en  musique  la  Psycho- 
logie de  ce  cbef-dVeuvre  sans  pair?  Qui  aurait  pu  s'emparer  des  hauteurs 
et  des  profondeurs  de  sa  '-ic-nification  tragique?  ("ertes,  le  g^ie  de 
Balakireff  n'atteint  pas  celui  de  äbakespearf'.  II  n'est  pas  rpiestion  d'une 
i<lentit«'  de  vision,  d'une  ressiiscitation  musicale  de  Fimaginatiou  du  ]>oete. 
Balakireff  nous  otfre  plutot  quelque  cliose  comme  un  supph-ment  illustrt^, 
des  commentaireB  intt'ressants  et  pittoresques  sur  la  tragedie  Shakus]K?rienne. 


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Rom  Newmarch,  Müy  BaUddreff. 


161 


Le  poeme  syiuphoiiique  R(j/fss  f<La  llussie»)  fiit  comjxjst  j)i)ur  la  fete 
müienaire  de  la  nation  russe.  Le  nmt«'riel  fondamental  de  cette  ceuvre 
<e  compose  de  trois  chansons  nationales,  dont  chacune  caractiTise  nne 
epoijiK'  '-ppciale  dans  Thistoire  nisse:  le  pajoi^anisrae ;  Telement  moscovite, 
qni  fut  comme  le  protoplitsiiie  dunt  IVvuhüion  d.ite  de  l'Empire  Russe: 
tt  r.'lt'Micnt  des  ducht'S  iudrpendants,  avec  leiirs  assemlih'es  populaires, 
qui  ro^iiscita  dans  la  periode  cosacpie.  C'est  cnfin  une  epopt'e  nationale 
([Ui'  Balakiieli  voulait  creer  dan*i  Hn/fsSy  et  le  ßnale  de  ce  poeme  sym- 
p!n»ni«[ue  renferme,  i\  ce  iju  on  en  ilit,  un  espoir  pour  le  salut  futur  de 
son  pays. 

Dans  sa  jeunesse  Balakireff  a  voyage  en  Caucai>ie,  oü  la  sublime  et 
apre  magnificencc  des  montag^nc^.  la  vie  romantique  et  sauva^T^e  des  races 
caucasiennes,  ont  st'duit  soii  iiuuuiuatiun.  Cet  enthousiasme  puur  rOrient 
se  retlHe  nun  seulement  dan^  la  fantaisie  pour  piano  Idcunei/,  mais  avec 
bc'uucoup  plus  de  force  et  d'exaltation  dans  le  poeme  symphonique  Tamara. 
On  retnjuve  le  pittoresque  du  Caucase  tout  entier  au  commencement*  de 
cette  cumposition.  C'est  un  panorama  musical  [qui  se  di-roidc  devant 
nous.  On  se  represente  la  gorge  du  Darial  creusee  p«ir  l  impetueux 
Terek.  On  entend  les  nmgissements  du  fleuve,  }\  demi-cache  dans  des 
niiees  d'eeurae,  Au-dessus  du  Terek,  se  cramponnant  au  rocher  noir,  se 
trouve  la  tour  mystdrieuse  de  la  Princesse  Georgienne,  rh<^ro'me  du  pof^nie 
de  Lermontoff:  «Belle  comme  un  ange  de  ciel,  Eus^e  et  m^chante  comme 
nn  d^mon».  caract^re  de  Tamara  est  cxprimd  par  un  th^me  extjuis, 
tont  plein  dWe  langueur  Orientale  et  d'une  passion  fougueuse.  Un 
festtn  Orientale  somptueux  et  savage,  remplit  le  chäteau  de  la  princesse. 
La  mnsique  prend  de  plus  en  plus  un  caract^rre  bizarre  et  meme  sinistre. 
Un  des  jeunes  hötes  reste  cliez  la  pnncesse  jusqu^au  matin.  Quand  enfin 
les  orgies  se  calment,  et  Taube  päle  apparatt  sur  les  montanes,  le 
cadavre  du  malheureux  amant«  tu^  par  les  ordres  de  Tamara,  passe  par 
la  gorge  de  Darial  ballott^  par  les  ondes  troubldes  dn  Terek.  De  la  tour 
une  Toix  de  femme  semble  soupirer  un  adieu:  c*est  une  phrase  d*une 
beaute  Strange.  TaTrutra  est  un  tableau  Tiyement  colorie,  spectacle 
süperbe  et  triompbe  d*mstrumentation  qui  trouve  ses  semblables  dans  la 
«Symphonie  Fantastique»  de  Berlioz  et  les  symphonies  orientales  de 
Bimsky-Korsakoff  —  «Antar»  et  «Scb<^h^rezade>. 

En  1861  Balakireff»  avec  la  coUaboration  du  c^l^bre  mattre  de  chceur 
Liomakine,  a  fond^  L*Ecole  Gratnite  de  la  Musique.  0*^tait  alors  en 
Bussie  un  beau  moment  d'enthousiasme  altniiste.  LMndividu,  si  longtemps 
comprim^  par  un  despotisme  officiel,  commengait  k  sMpanouir  dans  toutes 
les  directions.  De  1800  ä  1870  surgirent  en  Eussie  un  grand  nombre 
d*^les  pbilanthropiques  qui  furent  toutes  le  r^sultat  de  l'initiatiTe  in- 
dividuelle.  L*Ecole  Gratuite  avait  pour  but  la  defense  des  gofits  in- 

e.  d.i.  K.  IV,  11 


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162 


Boaa  Newmarch,  Miiy  BaiakirelT. 


ilividucls  et  de  la  nationiilite  contre  la  routine  ueadrmiiiue  et  le  cosino- 
politisme  fade.  En  1869,  Balakireff,  dirccteur  dv  la  chapolle  des  cliantres 
de  la  Cour  Imperiale,  fut  nomiiu-  clief  d'orchestre  des  ooncerts  de  la  Societe 
Imprriale  de  Musujue.  II  en  prolita  pour  faire  entendre  assez  souvent  — 
luais  Sans  parti  pris  —  les  compositions  de  la  nouvelle  ecolc  nationale  russe. 
II  ne  faudrait  pas  oublier  parmi  les  m«'rites  de  Balakireff  «jue  dans  toutes 
les  hautes  positions  ([u'il  a  occupees  dans  le  monde  musical,  il  avait 
tcujoui-s  au  cocur  la  propagande  de  la  bonne  et  vdiitable  musiquc  sans 
distiuction  de  pays. 

Depuis  pludeuis  annees  Balakireff  «'est  presijue  retir^  da  monde. 
Peut-^tre  sa  saiit^  —  car  il  B*est  pea  (-pargnd  dans  le  commencement 
fougueux  de  aa  carri^  muncale  —  y  est-elle  pour  «[uelque  chofle.  Mais 
lui,  aussi)  est  atteint  de  cette  tendance  niysticjue  <|ui  8*empare  si  souvent 
des  talents  russes  nd  mexxo  del  cammin,  et  dont  nous  n'avons  (|u'^  dter 
comme  esemples  la  yie  de  Gogol,  de  Dostoievsky  et  de  Tolstoi.  A  de 
rares  intenralles  il  quitte  la  retraite  de  sa  maison  de  campagne  pour 
jouer  dans  un  concert  de  cbaritd,  ou  pour  faire  une  ^isite  intime. 

n  y  a  un  an,  j'ai  vu  Balakireff  h  P^tersbourg.  G'etait  un  jour  de 
fete  cbez  un  de  ses  plus  anciens  amis,  M.  Vladimir  Stassoff,  une  r^ion 
de  famille  la<|uelle  j*avais  ete  invit^  avec  le  bon  «sans-odr^onie» 
russe.  Au  temps  dejä  lointain  oü  je  conmiengais  ä  m*interesser  &  la  musique 
slave,  la  personnalitä  et  le  talent  de  Balakireff  m*avaient  attir^  par  dessus 
tottt.  n  ^tait  r^tincelle  oü  avait  pris  leu,  non  seulement  toute  une  con- 
Hagration  musicale,  mais  aussi  mon  pauvre  enthousiasme  individuel.  Natu- 
rellement  je  me  rejouis  fort  k  Tidee  de  voir  ce  personnage  k  la  fois  attirant 
et  isole.  On  Tattendait  vers  les  neuf  heutes,  et  on  avait  d^Jä  laiss^  le 
piano  grand  ouvert,  comme  un  pi^  tendu  pour  un  oiseau  timide.  Le  piano, 
k  ce  qa*il  semblait,  devait  agir  sur  Balakireff  comme  la  glu  sur  le  bouvreuil. 
Oda  a  bien  reussi.  Apr^  avoir  salue  ses  bdtes,  il  alla  droit  k  Finstru- 
ment  en  nous  annongant  son  Programme:  «j'ai  envie  de  vous  jouer  trois 
Nonates:  TAppassionatia  de  Beethoven,  la  sonate  de  Chopin  en  si  mineur, 
et  celle  de  Sdiumann  en  sol  mineur  —  num^ro  trois» .  Et  fl  se  mit  k  Pceavre. 

Balakireff  n*est  pas  de  haute  stature.  J'ignore  son  origine,  mais  il 
n'appartient  pas  au  type  grand  et  blond  de  la  Russie  septentrionale.  Je 
trouve  en  lui  plutöt  quelque  chose  d'oriental.  II  a  la  tele  maigre,  le  teint 
bnin,  Fair  un  peu  las  et  nerveuz;  mais  lea  yeux  pleins  de  feu  et  de 
Sympathie  —  de  vrais  yeux  de  voyant  et  de  barde.  En  se  mettant  au 
piano  il  m*a  rappele  pour  Finstant  ma  demi^re  impression  de  Hans  von 
Bttlow.  Et  (pielque  chose  au».si  dans  son  jeu  confirma  enoore  cette  rcssem- 
blance.  Balakireff  n'est  pas  un  artificier  surprenant  comme  par  exemplePade- 
rvwski.  8on  mecaninme  ne  laisse  rien  k  reprocher,  mais  ce  n'est  gu^re  h  sa 
virtuosit^  qu'on  pense  en  Fentendant  pour  la  premi^re  fois.   Aussi  il  ne 


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Rosa  Newmarch,  ^Mily  Balakirefif. 


163 


vous  empörte  pas  par  son  entrain  fougueux.  Un  temp^rament  si  enthou- 
siaste  ne  saiirait  etre  froid,  mais  fl  n'a  pas  cette  puissance  cFeniotioii  ni 
cette  profonde  poesie  qui  fnrent  les  quaÜt^  maitresses  de  Eubinstcin. 
Ce  qui  Qons  frappe  le  plna  dans  Tart  de  Balakireff  c^est  son  caract&re 
mtellectuel  et  sympathique.  H  observe,  il  aoalyse,  il  enseigne,  en  mettant 
tout  dans  nne  atmosph^  ludde.  II  aundt  pa  adopter  la  formule  de 
Stendal:  «TCär  clair  dans  ce  qui  est».  Et  cependant  on  ne  doit  pas  se 
tigurer  Balakireff  oomme  nn  pedagogue  aec.  S'il  est  professeur,  c*est  un 
professeur  illumin^,  Tinterpr^te  sympathiqae  et  inspir^  qui  sait  nous  re- 
constrnire  la  pinoäe  et  la  personnalit^  d'un  compositeur  au  Heu  de  lui 
substitaer  les  siennes. 

Apr^  qn^il  eut  acher^  h  progranune  assez  ardu  qu'il  s^^tait  impose 
Ini-meme,  je  craignais  de  le  voir  disparaftre  aussi  tranquillement  qu'il 
Htait  venu.  Mais  mon  inspiration  de  lui  dire  quelques  mots  en  trts 
mauTais  russe  au  sujet  de  ses  romaaces,  et  surtout  des  accompagnements, 
le  retint  au  piano.  II  continuait  de  parier  en  me  montrant  quelques 
rhythmes  inaocoutum^s  dans  ses  chansons,  et  puis  il  se  laissa  aller  in- 
sensiblement  k  quelques-unes  de  ses  compositions  pour  piano.  H  n*a  pas 
ronlu  aborder  Idameyt  ce  morceau  favori  de  Liszti  mais  je  me  rappelle 
bien  nne  Valse  gracieuse  et  seduisante. 

Mais  le  samovar  fumait  sur  la  table,  et  Todeur  du  th^  et  du  citron  -~ 
(Itti  a  aussi  sa  s^duction  —  se  n^pandait  dans  la  cbambre.  Heureusement 
Balakireff  ne  montnüt  aucune  dispoidtion  de  se  sauver.  II  prit  place  ä 
table  avec  tous  les  autres,  et  il  causa  longtemps  de  musique,  et  princi- 
palement  du  Mattre  qui  a  domin^  cette  renaissance  nationale  —  de  Glinka. 
Les  Russes  aiment  k  prolonger  lenr  bospitaüt^  jnsqu*aux  beures  aTanc^s 
de  la  nuit  M.  Balakireff  fut  le  premier  faire  ses  adieux.  Le  matin 
de  bonne  beure  il  devait  retourner  k  sa  naison  de  campagne. 

An  mm  de  mai  les  nuits  k  P^tersbourg  sont  blanches  et  troublantes 
comme  des  ballucinations.  A  minuit  pass^  le  ciel  a  une  lueur  Strange, 
ni  car^iiscule  ni  aurore.  On  dirait  le  revenant  pftle  du  jour  qui  bantait 
Ift  nuit  qui  Pavait  fait  expirer.  Cela  donne  des  id^s  fantastiques  qui 
i'^inplacent  des  reres.  En  trayersant  les  rues  cUdres,  il  me  semblait  que 
Balakiicff  ^tait  un  sorcier  (lui  m'avait  emportde  vers  le  passd  —  cette 
tiecade  de  1860  —  si  plrine  de  foi  et  d'esiK'ianrcs  gt'ndreuses  —  tollement 
j  avais  la  conscience  (Viivoir  pris  part  dans  les  luttes  et  les  triompbes 
sctuek  de  la  nouvelle  ecole  russe. 


11* 


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Otto  Wagner,  Das  rumäuiscUe  VolksU^ 


Das  rumämsclie  Volkslied^) 

von 

Otto  Wagner. 


Bis  vor  ungefähr  40— 60 Jahren  hat  sidiauBer  Alexandri  (1821—1890., 
Asaki  (1788—1871),  Heliade  und  in  letzterer  Zeit  Kogalniceanu» 
memand  um  die  rumänische  Volkslitteratur  gekümmert. 

Gr.  G.  Burghel^  sagt  schon  in  seinem  Werke  »Einige  Worte  über 
die  rumänisdie  litteratur«,  daß  diese  vor  25—30  Jahren  beinahe  ganz 
unbekannt  war.  Bis  dahin  nährte  sich  das  rumänische  Volk  Ton  der 
ausländischen  Litteratur,  die  diesem  jedoch  absolut  nicht  anzupassen  war. 
Übersetzungen  fremder  Autoren  waren,  wenn  nicht  ganz  falsch,  so  doch 
mindestens  unvollständig.  Von  dem  damaligen  Unterricht  in  den  Schulen 
war  überhaupt  nicht  yiel  zu  erwarten.  Bumänische  Sprache  wurde  nur 
in  den  Yolksschulen  gelehrt;  in  den  lifittelschulen  wurden  die  lateinischen 
Klassiker  wie  Virgil,  Horatius,  Ovidius,  Tacitus  und  andeane  in  einer 
Übersetzung  geboten,  die  absolut  unzulänglich  war,  von  Stylistik  und 
Orthographie  ganz  abgesehen,  welch  letztere  heute  noch  einen  Streitpunkt 
der  rumänischen  Sprachlehrer  bildet. 

Gegenwärtig  ist  der  Fortschritt  im  Unterrichtswesen  hier  zu  Lande 
ein  sehr  bedeutender,  haben  wir  doch  im  Lande  bereits  zwei  Universitäten 
(Bucarest  und  Jassy),  an  welchen  Gelehrte  ersten  Rjinges.  wie  zum  Bei- 
spiel <li  r  auch  im  Auslnnde  rühmlichst  bekannte  Gr.  C«.  Tocilescu  wir- 
ken. Im  Jahre  1852  gaii  Alexandri  eine  Sammlung  »Volksdichtungen« 
heraus,  von  welcher  1866  bereits  eine  zweite  Auflage  erschienen  war. 

1,  Al8  nur  seitens  der  k.  k.  Musik-rrüXungskoniniisaum  in  Wien  die  Aufgabe  zu 
teil  wurde,  das  ramlnuche  VoUnlied  in  einem  fOr  eine  PHUnngsaufgabe  ndässigen  Um- 
fange historisch  und  kritisch  su  behandefai,  wurde  mir,  aufriehtag  gess^  die  Arbeit 

Dicht  leicht  gemacht.  <hi  ein  dassclbt»  llicma  wenigstens  vom  mosikaliachen  Stand« 
punkte  uns  Itelian'li'lnili-'s  Werk  bis  jct/t  n'u'ht  rxistiert. 

L  I)  Mirlitf  ui  der  von  dem  grulieii  Patrioten  V.  A.  Lrei'liia  dem  Alfxandpr  Gyn»- 
nasiuui  in  Cialutz  geschenkten  Bibliothek  vergeblich  ein  einschlägiges  Werk,  laud  je- 
doch folgende  drei  littorariscbe  Werke  vor,  deren  Inhalt  die  mir  gevcndene  An^be 
wesentlich  erleichtem  half:  1.  Gh.  Adaroescu,  Nctiuni  de  Istoria  limhü  91  Uten* 
turii  roniinest)  Bucarest  1894  /  2.  G.  G.  Biirghele,  Ciite-va  cuvinte  dcspre  Lite- 
ratiira  poporal.»  mit  t>inpm  Vorwort  von  ürigorie  G.  Tociloscu  liotn^ani  1901  . 
H.  Vortrag  des  rrolessors  (jLeorghc  Adamescu  über  Volkspocsic  der  Kumänon. 
gehalten  gelegentlich  des  25jährigeD  Bestehens  des  Alexander-Gymnasiums  in  Qalatz 
am  26.  November  1892.  (In  Druck  erschienen  Galatz  1883.)  IMe  musikalische  Kritik 
blieb  dagegen  mir  allein  überlassen.  Diene  kleine  Erklanuig  diene  dazu,  bei  Beurtei- 
lung meines  schüchternen  Erstiingsyersuches  nicht  gar  zu  strenge  Kritik  daran  zu  üben. 


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Otto  Wtigner,  Das  nunäniache  Volkslied. 


165 


Um  dieselbe  Zeit  erschien  im  Handel  ein  etwa  700  Seiten  starkes  Werk 
von  G.  1).  Theodorescu  »Rumänische  Volksdichtungen'. 

Das  charakteristische  l'rbild  des  rumänischen  Volksliedes  ist  die 
»Doina«.  Der  Name  Doinä  ist  nach  D.  Häsdcu  (geb.  1836)  dacischen 
Ursprungs  und  findet  sich  auch  im  SanMjrit  als  »dliainac.  In  der  Doina 
drttckt  der  Btunäne  Preud  und  Leid  aus,  ja  selbst  seine  Schulden  glaubt 
er  damit  zahlen  zu  können,  wie  aus  folgendem  Beispiel  hervorgeht  : 

Doina  stiu  si  doina  die,  Dorna  kenn'  ich  und  Doina  sag'  ich, 

De  cnnd  am  ajun.^  vomic,  Seit  ich  kräfti,£r  worden, 

Piu  cu  doina  nie  platesc,  Mit  der  Doina  zulil"  ich 

De  bir  si  de  bocresc,  Steuer  und  Lehn, 

Tot  cu  doina«ioara  mea,  Alles  mit  meiner  Doina, 

De  podoada,  de  bclea.  Auch  Sorgen  wie  Ungemach. 

In  dem  Volksiiede  besingt  der  Kumäne  vorzugsweise  Liebe,  Kraft 
und  Patriotismus. 

Ein  Beispiel,  wie  er  die  Liebe  besingt-^): 

Foie  verde  de  pospai  Giüne  Blätter  von  Pospai,  ') 

^faritico,  barbat  nai,  Mariechen,  Mann  hast  du  keinen 

Dar  gurita  qm  o  dai?  Aber  Küsse  wem  gibst  du? 

O  dau  la  ein'  me  iubeste  Ich  geh'  sie  dem,  der  mich  liebt 

Si  nu  me  mai  paraseste.  Und  mich  nienielir  vrrläMt, 

Da  mi-o,  dnlgiita  si'  mie  Gieb'  mir  ihn  Lielx  hcn,  mir! 

Pänä  la  Silnta-Marie  Bis  zur  lieiliffon  Marie 

Si  d'aci  pan'  la  Tspas  Und  von  dann  bis  Tspas, 

C:i  nie  jur,  nu  te  niai  las.  Schwör' ich  dir.  dali  ich  dich  nicht  laü. 

Das  Volkslied  besingt  nicht  nur  die  Tiebe  der  Jungfrauen  und  Jung- 
gesellen sondern  auch  der  P^heleute  und  Wittwen.  Hier  nur  ein  Beispiel 
^e  eine  Wittwe  in  sarkastischer  Weise  besungen  wird^): 

»Vaduvifa  grasa,  Fettes  Wittwechen, 

TSnSra  remasa,  Junge,  Zurückgebliebene, 

Bumena  frumoasa,  Rotwangige  Schöne, 

La  och!  m&ngaiosä.  Mit  tröstenden  Augen, 

YSduvi^a  draga,  Teures  Wittwechen, 

Ij  Nr.  1  aus  Alexaadri's  YoUudicbtungeu  der  Kumänen,  frei  übersetzt  vom 
Verfasser. 

2)  Ana  G.  D.  Theodorescu*»  Bun^  Volksdiiditungeii ,  frei  ttbersetst  vom 

V«rf;isser. 

■i  Der  Name  Pospai  iit  in  keinem  Wörterbach  za  finden,  er  ist  der  Xam«  einer 

i'Hanze. 

4}  Aus  (i.  Dem.  Theodorescu 's  Kumän.  Volksdichtungen,  frei  übersetzt  vum 
Verfeaier. 


16Ö 


Uttt»  Waguer,  Das  rumänische  Voikslied. 


Dragä  copili^u 
Ca  o  garofita 
Nu  umbla  ceniita 
ifi  neprimenitä 
Jalnica  *ntristata 
Si  ncpeptönata 
Scoai*  de  dimineata 
Spala4e  pe  fatji 
$i  mi^te  gätes^ 
Faru*ti  netezeste  . . . 
Oh,  si  vino,  zinä, 
Da  cu  mine  miina, 
Sa  traim  via^t 
Plinä  de  dulceatä  . .  , 
Nu  fi-i  amärita 
Ca  nu  esti  urita, 
Ci  esti  fncu  fragä 
wie  *mi'«stt  draga. 


Teures  Eindchen, 

Wie  eine  Kelke, 

OeV  nicht  schmierig, 

Und  Ternachlässigt, 

Klagend  und  trauerod, 

Und  ungekämmt; 

Steh*  auf  des  Morgens, 

Wasch*  dich  im  Gesichte, 

Und  adeh*  dich  an, 

Glätte  dein  Haar, 

Oh,  und  komm  o  Gi>ttin, 

Beich*  mir  die  Hand, 

Auf  daß  wir  leben  ein  Leben 

YoU  von  Süßigkeit; 

Sei  nicht  Terbittert, 

Denn  du  bist  nicht  häßlich, 

Du  bist  noch  sact 

Und  bist  mir  lieb. 


Der  Patriotismus  gic'})t  sehr  oft  dmi  Stoff  zu  Volksliodorn.  wie  ich 
K('is|ii»'l«'  in  der  Dichtung  Ak'xaudn's:  nStejarul  si  Coniul*  fand:  cben- 
M)  in  dir  Li'gi.'ude  des  Priesters  ^larianu:  ^Cucului  si-a  Cnrluilui«. 

in  der  »Legen«hi  Vultiinilui«,  gesaninielt  von  ehcMidrm.^t'lben  Autor, 
finde  ich  sogar  Jiieder.  in  di'iK  u  die  Lugorcchtigkeit,  liolie  Amter  zu  })e- 
kleiden  ohne;  etwas  lu  k'i.>.tcii,  besungen  wird:  ebenso  1)1<  ibcn  Säufer  uud 
Faulenzer  von  der  Vidksdichtung  nicht  verschont,  von  den  vielen  die 
Schwiegermütter  hehandehideu  Liedern  gar  nicht  /.u  reden. 

Der  Charakteristik  halber  bringe  ich  hier  eines,  welches  den  letzerwähn- 
ten Stoff  behandelt 'j: 

Schwiegermutter,  Schwi^ermutter, 

Saure  Traube, 
Mögst  reifer  du  worden, 
Immer  reifer  noch  werden. 
HüB  kannst  doHi  ninnncr  du  werden, 
Mögst  reifen  du  lun-h  ein  Jahr  und 

einen  Sonmu  r. 
Immer  bist  doch  sauer  und  bitter. 


Soacni.  sonera, 

Poama  acra, 

De  te-ai  cfince, 

Cät  te-ai  II. ;((•(' 

Duice  nu  tc  niai  poti  face 

De  te-ai  coace-uu  au  ^-o  vara, 

Tot  esti  acrii  omura. 


In  hundertfachen  Variationen  werden  Gkburt,  Taufe,  Verlobung,  Hoch- 
zeity  Tod  und  Begräbnis  besungen. 

Die  poetischen  Foimen  der  rumänischen  Volksdichtungen  sind  äußerst 


1}  AuB  Elena  SevAstos'  Hochzeit  bei  den  KumiLnen;  frei  übersetzt  vom  Vir&ner 


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Otto  Wagner,  Dm  ruminuiclie  Yolkalied. 


167 


anfache.  Gekünstelte  Gesetze  des  YersmaBes  sind  m  den  wenigsten 
Fällen  zu  finden,  doch  findet  die  Regel,  Beim  und  Verse  zur  Erböhimg 
der  Harmonie  in  Einklang  zu  bringen,  Beachtung  seitens  der  Yolksdichter. 

Die  Verse  sind  meistenteils  aehtsilbige  mit  siebensilbigen  abwechselnd; 
jedoch  kommen  auch  5-  und  O-silbige  vor,  und  auch  solche  mit  weniger 
Silben.  Uberhaupt  binden  sich  die  Verse  selten  an  bestimmte  Silbenma^!  . 
Di«'  Yersc  sind  meist  gereimt,  und  zwar  durch  stum})fe  und  klingende 
Emireime:  jedocli  f'ndi  n  sicli  auch  zuweilen  nur  Stimmreime  anstatt  der 
Vollreime.  Ktflirreime  linden  sich  nicht  selten,  und  zwar  niclit  allein  am 
Ende  der  Strophen,  sondern  inmitten  derselben  vor,  gewöhnlich  als  Wie- 
derholung ganzer  Verse. 

Das  Hauptverdienst,  die  Volksdichtungen  dem  Volke  zugänghch  ge- 
macht zu  haben,  gebührt  imstreitig  dem  Diditer  Vasile  Alex  and  ri.  Als 
dip^*  !-  im  Jahre  1852  seine  gesammelte'  Volksballaden  erscheinen  heü, 
wurde  dieses  Ereignis  freudigst  be^rülit,  nicht  nur  vom  rumänischen  Volke 
allein,  da  diese  für  die  breiten  Scliichten  des  Volkes  besonfh  rs  passend 
behandelt  waren,  sondern  auch  im  Auslände,  wie  ein  Artikel  in  der 
>Reviie  des  deux  moudes^  vom  17,  März  1859  beweist. 

Was  die  musikalische  Behandlung  meines  Stoffes  anlangt,  so  kann  sich 
diese  nur  darauf  beschränken,  einesteils  einige  wenige  Lieder,  (dif  rh<m 
nur  vom  Volke  auf  dem  Hachen  liande  gesimgen  werden,  daher  niclit  im 
Drucke  erschienen  sind)  und  die  ich  bei  Gelegenheit  kürzerer  Aufenthalte 
in  der  Provinz  erlauschen  und  ihrer  mitunter  ganz  reizenileu  Mclu- 
flie  nach  nur  im  Godächtnisse  fe.sthalten  konnte,  andererseits  Volkslieder, 
«lie  aus  dem  Munde  von  Lautars  (wandernden  Musikern)  durch  andere 
aufgegriffen  worden  und  in  einer  größeren  Sammlung  »Volkslieder  und 
Volkstänze«  im  Verlage  von  ('onst.  Gebauer  und  M.  l?eder  in  Bucarest 
erschienen  sind,  in  Hetracht  zu  ziehen. 

Man  kann  das  rumänische  Volkslied,  vom  musikalischem  Standpunkte 
atis  botrachtet,  in  zwei  Arten  teilen  und  zwar:  1)  in  das  wirkliche  Lied 
l  i^'dform-  2\  in  das  Tanzlied  (Tanzform i.  Letztere  (rattung  zerfällt 
wieder  in  veiscliiedene  Nebenarten  als:  Doiuas,  Horas  und  Siirhus. 
^Vas  nun  die  eigentliche  Liedform  anbelangt,  so  ist  die  Komposition  ge- 
^v<ilinli(  h  sentimentaler  Art,  schon  dem  Texte  nach,  da  derselbe  mcisten- 
t'ils  inelanchob'schen  Charakters  ist,  weist  jedoch  sebr  schöne,  tiefem- 
fuiideue  Melodien  auf,  die  in  homophoner  Art  konipojuejt  sind  und  in 
nicht  zu  leugnender  Weise  die  Abstammung  vom  alten  deutschten  Volks- 
liede  vernitcn. 

l!  1]  i  1       Stii  tii?c   und  »Lunä  dorme^.    Ebenso  das  von  Fritz 
Spindier  iür  Ülavier  übertragene  Moldauische  Lied:  »Stelu^« 

Ii  Bei  0.  F.  W.  Siegel  iu  Leipzig  emcUenen. 


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168 


Otto  Wagner,  Dm  rumlniaebe  Volkslied. 


Dagegen  weist  die  zweite  Form  des  rumänischen  Volksliedes,  das 
Tanzlied,  ganz  originelle  Fonnen  auf  und  lielie  höchstens  auf  Anlehnung 
un  das  russische  Tanzlied  schlieUen.  Ganz  kurz  will  ich  Tersuchen,  die 
drei  fiauptformen  des  Tanzliedes  zu  charakterisieren. 

Die  Doina^)f  unmer  in  einer  Molltonart  komponiert,  ist  ein  aus  unzäh* 
ligen  Kadenzen,  Läufern  und  Trillern  bestehendes  Musikst&ck,  das  eine 
für  Koloraturen  und  Halston  gettbte  Gesangsmanier  erfordert.  Sie  hat 
eigentlich,  meiner  Meinung  nach,  wenig  musikalischen  Wert,  muß  aber 
der  Orgmalität  und  der  starken  Verbreitung  im  Volke  wegen  unbedingt 
an  erster  Stelle  genannt  werden.  Gewöhnlich  werden  die  Kadenzen  und 
Triller  von  einem  Holzpfeif en-Xnstnunent  Namens  Naiu^)  geblasen,  wäh- 
rend der  Sänger  den  Text  der  Doina  diesen  ewigen  Koloraturen,  die 
gewöhnlich  die  harmonische  Mollskala  enthalten,  anpaßt 

Die  Begleitung,  dio  etwas  Harmonie  in  das  Ganze  hringtii  >o\\,  wird 
iiuf  einem  Saiton-lnstrunient,  genannt  Cohsa,  ausgeführt.  Die  C'obsa  hat 
himenfönnigun  »ScbaUkörper  nach  Art  unserer  heutiueii  ^fandoline.  ist 
jedoch  bedeutend  größer,  wird  mit  vier  oder  auch  hk  hr  Saiten,  eventuell 
auch  Bindfaden  bespannt  und  ist  sehr  primitiv  gt  urheitet,  da  sie  meist  von 
dem  betreffenden  Cobsa-Spieler  selbst  hergestellt  wird.  Die  Saiten  werden 
mit  den  Fingern,  hauptsäclüich  dem  Daumen  gerissen.  Das  Instrument 
hat  einen  leeren,  wenig  sonoren  Klang.  Im  Übrigen  besteht  die  Beglei- 
tung einer  Doina  aus  Akkorden,  die  sich  als  Tremolo  den  Kadenzen 
anpassen.  Die  Doina  hat  gewöhnlich  3  Sätze,  wovon  der  Anfang  und 
Schluß  den  Hauptsatz  bilden,  der  Mittelsatz  aber  immer  in  einem  Tempo 
wie  bei  der  Hora  im  %-Takt  gesetzt  ist. 

Die  Hora  wird  mIs  Bei^leitung  zum  gleichnanuL't  n  Nationaltanze  ge- 
spielt, indem  die  ^I»  ludic  uM  istf  us  von  den  im  Kieit»e  hin  un<l  lier  tän- 
zelnden, eine  feste  Kett«-  liiliienitcn  Tänzern  mitpo^unixen  wird.  Wu  ein 
Geiger  aufzutreilicn  ist.  wird  die  Mcludif  von  iliin  gespielt,  während  die 
l^t'.uleitung,  wenn  eine  solche  zu  liaben  ist,  von  einer  Guitarre  od*'r  Cobsa 
besorgt  wird.  D'ut  Hura  ist  in  Rondoform,  ohne  Ende,  im  akt  und 
immer  in  einer  Molitonart  geschrieben.  Zu  bemerken  ist  hierbei,  daß 
der  Hauptaccent  immer  auf  das  1.  und  4.  Achtel,  der  Nebenacceut  aber 
auf  das  3.  und  6,  Achtel  fällt,  wie  folgendes  Beispiel  zeigt 


1)  Beispiel:  »Doina  Oltului«  von  Qheorghe  S.  Yaasiliu  (Dichtimg  toq  V.  Ale- 
xandri). 

2)  Ifaiu  ist  ein  an«  mehreren  Hol/pfeifen  verschiedener  Gi"iBo  zusammcngfcsetztes 
Tnstrument,  das,  da  die  einzelnen  Pfeifen  cbromatiBcbe  Stinunung  babcn,  nach  Art  un- 
serer Mundharmonika  gespielt  wird. 

8)  Anfeng  der  Hora  hsi        von  Leop.  Stern  {Bacarest}. 


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Otto  Wagner,  Daa  iuhuiuislIiö  Volkslied. 


169 


#      #            •  •  

Die  6S9rtö,  ein  ebenfalls  in  Bondofom,  jedoch  in  einer  Dur-Tonart 
geschriebenes  Tanzlied,  das  immer  den  y4-Ta!kt  aufweist,  ist  in  seiner 
Form  sehr  ein&ch.  Zu  bemerken  ist,  daß  die  Melodie  meistens  in 
Triolen  geführt  -wird,  während  die  Begleitung  in  geradem  Rhythmus  ge- 
halten ist.   Hier  ein  Beispiel): 


'  L___    —   H  «  f««  1  ^ 

C  =  =  lIj*— •  ^ 

-T — rn-    ^  j-..  ' • 

— #  1 — #  r— *  — \  a 

 j              „  ^   (■ 

•  \            IB  " 

•-^  1 

Diese  besteht  ebenfalls  aus  3  Sätzen,  Haupt*,  Mittel-  und  Schlußsatz. 

Von  den  in  letzterer  Zeit  erschienenen  rumänischen  Liedern  sind  nur 
wenige,  die  Anspruch  auf  Originalität  machen  können,  so  zum  Beispiel: 
>Ge  te  legeni  codrule?«  von  Qh.  Scheletti  (Dichtung  von  M.  £mi- 
nesGu)  und  »Mandrulifa  de  la  muntc«  von  G.  Stefan  escu  (Dichtung 
von  B.  Alexandri)*). 


1]  An&ag  der  Olteucä  SftrbÜ  (Verlag  M.  Feder,  Bncueii). 
2)  Beide  im  Verlage  von  C.  Gebauer  in  Bucarest  erschienen. 


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170 


Alfred  Eiustein,  Zum  48.  Baude  der  Häudcl- Ausgabe. 


Zum  48«  Bande  der  Kandel-Ausgabe 


von 


Alfred  Einstein. 

(München.) 


Im  Begriffe,  eine  Arbeit  fiber  die  Komposition  für  Viola  da  Gamba  an 
edireiben)  ließ  icb  mir  aus  der  GroßherEOglich-Hcssischen  Hon)il)lii)thdc  2a 
Darnistadt  eine  Sonnte  für  ('emVinlo  obligato  und  Viola  da  (iambH  kommen, 
dieEitner  im  Quellen-Lexikon  (VI,  Seite  111}  unter  Johann  Matthias  Let  t  ioth 
verzeichnet  hatte.  Auf  der  ersten  Seite  der  Uambenätimme  dieses  Mf.  ') 
steht  goscbriebeu:  »SOXATA  a  Cembalo  obligato  Viola  di  Gamba  del  Signcre 
Handele ;  eine  andre  Hand  hat  den  Namen  »Hendel«  dnrcbatncben  und  »Leff- 
loth«  darnnterge^etzt.  Der  Nürnberi^'ci-  Oi  L'  inist  I.  M.  Leftloth  hat  nun  wirk- 
lich Kamnierniusik  für  ein  Streich-  oder  Blas-Instrument  mit  obligatem  Cem- 
balo komponiert  2) :  dieser  in  der  (icneralbaß-Epnelic  nnffiiürjjo  ITmstnnrl  sowie 
die  etwas  steile  und  nüchterue  Art  der  Themeubiiduug  des  ersten,  zweiten 
nnd  vierten  Sataee  unserer  Sonate  mag  die  Veranlassung  gewesen  sein,  sie 
Leffloth  zuauacbreiben.  In  Wirklichkeit  aber  ist  das  Hs.  eine  von  Christoph 
Q-raupner,  dem  Darmstiidter  Kapellmeister,  gefertigte  und  1739  datierte  Ab- 
Hchrift  (h>r  Tl äiuli^l'sclii'ii  ( Jaiiilicuxiiiate  —  citu«  (^nplle,  il'u-  (^'hrysftnd»T  bei 
der  Hcrausgat)e  die-»er  Sonate  im  48.  Uauil  <lt  r  <  i('s;mit;iu.^L,'al)t'  l■Ilt^'augen  ist, 

Graupucr  s  Kopie  ist  nicht  frei  von  Flüihtigkeit-^tehlern ;  du  .-«ie  aber  eine 
Reihe  besserer  Lesarten  bietet  als  die  beiden  Absehriften,  die  Chrysaoder 
vorlagen,  so  lasse  icb  die  Varianten  hier  folgen.  Offenbare  Scbreibverseben 
(iraupner's  sowie  die  Bindebögen  Sind  Übergangen  (Chrysander's  Au8|gabe»AB, 
<  i  raupuer's  Kopie  s  C.j 

G^aniben  sti  mmr. 


Adatfio.    Takt  4,  desgleichen  Takt  U  fehlt  in  C  der  TiiUer. 


Takt  8,  drittes  Viertel: 


Takt  12,  drittes 


Takt  Idf  erstes  Viertel: 


Älkgi'ü.    Takt  15  fehlt  in  0  der  Haltebogen  ttber  d«n  TaktstricL 


gebenden  Baß. 


1)  Ifns.  4188. 


2j  Moncfaener  Staatsbibl  Mus.  pr.  3078,  9079. 


.  kj  .i^od  by  GüOgl 


Alfred  Einstein,  Zum  4ü,  £ande  der  Händel- Ausgabe. 


171 


Der  dritte  Satz  ibt  in  C  mit  »Audantt*  lAJi  'Adagio«)  überschrieben; 
die  Hemiolen,  die  in  A  zum  ^  2  Takt  erweitert  sind,  hat  0;  in  Takt  18 
auf  dem  sweiten  e  ein  Triller. 

Der  letste  Sat>  ist  »Vivace c  (AB  9A]legro«J  Ubeiaohrieben. 


Takt  45,  erste  Takthülfte : 


Cembalo. 

Adagio.    Takt  2,  linke  Hand,  drittes  Viertel: 


Takt  3,  rechte  Hand,  drittes  Viertel 


Takt  4,  Unke  Hand,  drittes  Viertel:  ^ 


Takt  ö,  rechte  Hand  ist,  wie  in  A,  7  vorgezeichnet. 


Takt  8,  rechto  Knud,  drittes  Viertel:  ^ 


Takt  26,  rechte  Hand,  drittes  Viertel: 

Takt  31,  rechte  Hand  fehlt  in  C  der  Triller  auf  d. 


AUigro.    Takt  23,  Unke  Hand: 


Takt  2»,  Unke  Hand:  ^ 


Takt  31,  rechte  Haud,  zw  eites  Viertel :  -  »-zt-^^ 


Tukt  42,  Unke  Hand: 


Ajidank,    Takt  18 : 


Takt  24: 


5= 


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172  AJfreü  Eiustcin,  Zum  48.  Bande  der  Händel- Ausgabe. 

Vivate,    Takt  8,  rechte  Hand,  Trilier  auf  dem  df  der  «weiten  TakthÜfle. 

?  i  i  >  J  i 

Takt  24,  rechte  Hand:  rrj^  r=f'   

Takt  29,  rechte  Hand : 


Takt  40,  linke  Hand:  :=^t^— |*'~jr~f~T"1^ 


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S.  de  Lange,  Satzfehler  (?)  bei  Bach.  173 

Satzfehler  (?)  bei  Bach. 

Ton 

8.  de  Lange. 

(Stuttgart) 


Im  letzten  Heft  (.luhrju'aiii:  III.  Heft  4i  der  Sainnielhände  hiit  ein  Aufsatz, 
voa  N.  W.  N  ich  oll  Aulualimu  gefuudeu,  über  .  welchen  ich  einige  Bemer- 
kungen  machen  möchte.  Xicht  als  ob  ich  meiaci  daß  Bach  eine  Yer« 
teidigimg  brandie,  aondem  weil  ein  allgemeines  Schweigen  leicht  die  ICeinung 
kSnntc  aufkommen  lassen,  daß  wir  Musiker  mit  den  Ausführungen  des  Herrn 
Ificholl  einverstanden  seien,  was  durchaus  niclit  der  Fall  ist. 

Von  allen  ;in<_'efiilirten  Feldern  liabe  ich  zwei  gelunden,  die  nicht  zu  ver- 
teidigen bind:  die  letzien  iieispicle  auf  Seite  673  und  682.  Alle  anderen 
fehlerhaften  Beispiele  sind  darauf  zorftck  xa  flihreni  daß  der  Schreiber  des 
Aafsatzes  den  Gang  der  Stimmen  nicht  yerstanden,  eine  Verzierung  und 
Akkord-Brechung  für  wirkliclic  Noten  genommen,  oder  die  Taktwerte  unter- 
schätzt hat,  Manche  Fülle  sind  bei  Tale^trina  und  Lassus  genau  so  zu 
finden,  die  übrigen  erklären  tiicli  nun  Buch'ä  harmonischer  Auffassung  des 
Kontrapunkts. 

Über  einzelne  Anftthrungen  des  Herrn  Nicholl  mögen  noch  ein  paar 

Bemerkungen  Platz  finden: 
b,  672.   Erstes  Beispiel : 

Die  Pause  ist  vollkonnnen  geniigeml.     Anfierdeni  verniclifet  der  Akkord 

des  zweiten  (Jhorea  den  Eindi-uck  von  Oktaven  vollstiuuüg. 
8.  672.  Beispiel  2.  Hier  iat  der  Tenor  lediglich  Akkord -Fignration  ohne 

Irontrapunktische  Bedentung,  daher  der  Baß  fehlerlos. 
»     Beispiel  3  ist  der  naive  Verbesserungs-Voi-schlag  beseichnend  für  den 

musikalischen  Standpunkt  des  Hach-Kritikors. 
S.  673.   Beispiel  2  sind  die  durch  eine  Pause  getrennten  Quinten  durch  die 

Altstimme  vollständig  verdeckt  und  wirken  sehr  schön. 
»     Beispiel  8  ist  eis  tlt  einsig  mögliche  V erziemng  von  dia  verstind- 

lieh  und  berechtigt. 

^•^^^     .  =^-^~ 

»      Beispiel  4  - — H~rn — ^  _  höre  ich  so:   

i    ^iff  I  ff 

Mit  Verbeaserungs-Voi-schlägen  hat  Herr  K.  wenig  Glück,  mau  sehe 
8.  674,  675  und  staune  Ober  den  Znckerwasser-Gescfamack. 
8.  676.  Beispiel  1  ist  der  wirkliche  Baß  übersehen  worden  und  die  Yer^ 

dopjtelung  angeführt. 
»       Beispiel  2.    S.  CiHT,  2:   Solche  Auflösungen   linden  sieh  bei  Pales- 
trina    uml    all.  n    anderen   und   wirken   namentlich  bei  Bach,  hei 
dem  die  harmonische  Aullassung  maßgebend  ist,  selu*  gut. 
Bie  vielen  FäUe,  wo  ein  Akkord  als  nicht  vorhanden  betrachtet 
wird  [S.  677  B.  1  und  3^  und  viele  andere),  können  unbesprochen 


» 

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174 


a.  de  Lange,  Satzleiüer  'y)  bei  Bach. 


bleiben.  Nur  noch  drei  mir  guuz  nnbegreifliehe  FiUe  will  ich  an- 
fOhren: 

8.  678.  Beispiel  2,  wo  der  ZwiRclu  nton  '  ('s-  im  Basse,  welcher  nur  das  anf- 

lösend«'  1'-'  illii-(rlprcTt  snil.  ri]<  wirklirhc  X«tt<*  !L'*'nf>mnH*n  wird*. 
>      Beispiel  Ii,  \vu  die  Verzierung  lier  Baßiiute  iiiiJiversUinden  wird; 
S.  67'J.  Beispiel  1,  wo  das  ti«?uriei-te  fi.s  des  Alt  verkannt  ist  und  ebenda 

Beispiel  3,  wo  die  Gegenbewei^ung    .  ^ .  einen  Ucdunken  au  OktaT- 

Parallelen  freradezu  ausscldießt. 
Wenn  ich  hier  abbreche,  so  geschieht  das  nur,  w«il  idi  türchte,  lang- 
weilig zu  werden.  Die  übrigen  augeführteu  Fehler  sind  ebenso  beschaffen, 
wie  die  von  mir  angefahrten,  d.  h.  absolut  fehlerfrei.  Wenn  Herr  N.  nidbt 
weiß)  daß  in  demBclben  Akkord  die  Intervalle  wechseln  könnet i,  <>)in«-  Fdder 
'/AI  geben ,  daß  gebrochene  Akkorde  nicht  als  kontrnpunktische  AVerte  zu 
betrachten  sind,  und  so  wenig  Einsicht  in  das  Wesen  der  Verzierungen  hat, 
daß  er  Siltze  wie  S.  Ö83,  11,  1—  2,  III,  1 — 5  als  Fehler  hört,  so  soll  er 
nicht  in  Bach  bineinseheOi  verstehen  kann  er  ihn  dann  doch  nidit. 


Berichtigung. 

In  raeintT  in  Samnu-lhaad  III,  4  verölYt  ntlichten  Arbeit  »Luth*^r  und  die 
musikalische  Jäturgie  den  evangelischen  Jiauptgotteadieuätes«  bitto  ich  fol- 
gende Bmckfebler  an  Terbesaern: 

Anf  Seite  664  leiste  ZeUe  10.  viid  11.  Note  f  statt  o. 

Auf  Seite  669  Zeile  17  Ki  h>  frrra  statt  Patrem, 

Auf  Seite  669  Zeile  18  Fairem  statt  Credo.  Johanne«  Wolf. 


Uiyiiizeü  by  Googl 


Die  VierteJjahrsliefte  der  Sammelbände 

erscheinoii  am  1.  Novombcr,  1.  Ft  bruar,  1.  Mai  \uu]  1.  August.  Schluß 
der  Redaktion  jedes  Heften:  <'iii  ^fonat  vor  seinem  Eiscluinen.  Manu- 
skripte und  andere  Sendurigeü  liolifbc  man  zu  richten  an  einen  der 
Hrraiisgeber:  Prof.  Dr.  Oskar  i-'h'i^*  licr,  Berlin  W.  MotiSi>traüe  17  und 
Dr.  Joliannes  WoU,  Berlin  W.  Augaburgei-ätraße  80. 


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Die  Instnunental-Stttcke  des  „Orfeo" 


von 

Alfred  Heufs. 

(Leipag.) 


Einleitung. 

Von  Hawkins,  dem  Verfasser  der  >Generi\l  history  of  thi"  science 
and  practice  of  music*  bis  auf  die  jüngste  Gegenwart  hat  Claudio  Monte- 
verdi^  »Orfco«  l)t  >(»n(1«'rs  aucli  in  iiistruinontalor  Hinsicht,  von  Seiten 
der  Forscher  sich  ^riol^-i-  Bch'ehthoit  zu  t^rfri'Ufii  j^clKibt;  t^rrado  hierin 
sind  immer  wicikT  nt  iic  hotraclitiiiiizen  an  ihn  j^'cknüpft  wurden,  und  es 
gibt  wohl  auch  keine  kleinen'  Musikgeschichte,  die  für  ilm  nicht  \ve- 
iiig>t"'ns  einige  Zeilen  aufgewendet  bättp.  ^\'as  heim  Orfeot  immer  wieth  r 
ange/ogeu  hat,  war  etwas  Äußerliches,  und  ntun  küuule  ehie  längere, 
aber  nicht  uninteressante  (T<»scbirbte  gerade  dieses  > Äußerlichen*  er- 
zählen; was  {ingeziigen  liat.  war  in  all'  ri  ivttr  Linie  die  Instrumentation, 
unliei  ^ront*'\erdi  mit  Hecht  aN  (h'r  erste  und  tds  geniahr  Instrumen- 
tator gepriesen  ^vir(l.  Mit  liein.ihe  geheiTnem  Grauen  sieht  mau  immer 
wieder  das  Orche?>ter  des  1<).  .laiirhunderts,  von  dem  wir  uns  trotz  allem 
keine  ganz  klare  Vorstellung  nuicben  können,  ausgejjackt  werden,  von 
'len  Instrumental-Stücken  hört  man  aber  so  g '.t  wie  nichts,  so  dalJ  ein 
Cnbeteiligter  beinahe  auf  den  Gedanken  kommen  könnte,  ob  eigentlich 
Monteverdi  zu  seiner  Instrumentation  auch  Stücke  geschrieben  habe! 
Wenn  die  vorliegende  Abhandlung  also  ebenfalls  im  Sinu  hat,  die  In- 
strumental-Stücke des  »Orfeo«  einer  BesprecKiing  zu  untergehen,  so  wird 
sie  gut  tun,  dieselben  von  einer  anderen  Seite  anzufassen.  Dies  wäre 
«inmal  dne  Flrüfung  auf  den  allgemeinen  musikalischen  Wert,  verbunden 
mit  der  Untersudiung,  wie  die  StUcke  in  den  Zusammenhang  des  Musik- 
dramas passen,  ein  vielleicht  nicht  unverdienstliches  Verfahren,  indem 
selbst  allemeueste  Werke  Uber  Geschichte  der  Musik,  wie  das  Kom])en- 
dium  der  Musikgeschichte  von  Prosnitz  über  die  Instrumental-Stttcke 
^  Urteil  fällen,  daß  »ein  reichliches  Aufgebot  von  Instrumenten  auf 

1  Band  n,  S.  20. 
S.  <L  L  Jf  IV.  12 


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176 


Alfred  fieaß,  Die  Instnunentai'Stucke  des  »Orfeo«. 


"uiHriliche  "VVnkuni;  abziele,  und  tlaC  auch  die  Ritonit.lU-  nicht  >übel' 
.s'  it  ii.  es  dieser  Arbeit  geliiifrt,  eine  höhere  Auffassung  über  diese 

Stiicke  zu  erzielen,  so  glaubt  sie  schon  hi»  idmc  h  eine  Berechtigung  für 
eine  ausführlichere  Besprechung  derselben  erlangt  zu  haben. 

Docli  (lies  wäre  uiclit  alles:  die  Instrumentulniusik-Geschichte  hat  bis 
dahin  von  den  Instrunieutal-Stücken  des  »Orfeo«   nicht  die  geringste 
Notiz  genounnen,  obgleich  die  geschlossenen  Formen  derselben  zu  tiner 
Besprechung  fiirmlich  einladen  iTiufUen.    Der  Urund  mag  wohl  der  ge- 
vrc^on  sein,   daR  man  mit  (h  n  kU  inen  Formen  nicht  viel  anzufangen 
iltir,  und  dali,  weil  die  Stücke  von  der  übrigen  Instiuniental-Musik  in 
1  orm  und  Ciiaraktcr  ai »wichen,  man  sie  überhaupt  nicht  zu  derselben 
rechnete.  Sonderbar  ist  allerdings  hierbei,  daß  aus  einer  Zeit,  die  sich  in 
vollständigem  Umschwung  befand,  so  ausgeprägte  Literatur-Denkmäler  wie 
diese  Stücke  nicht  gerade  zur  ( 'harakterisierung  der  neuen  Epoche  be- 
nutzt wurden.  Hier  ist  aber  überhaupt  wohl  etwas  von  den  Historikern, 
welche  die  Instrumental-Musik  behandelten,  außer  Acht  gelassen  worden, 
nämlich  eine  Wirkung  der  großen  xnasikalischeii  Rerolation,  die  wir  kurz 
mit  der  Entstehung  der  Monodie  bezeichnen,  auch  auf  dem  Gebiete  der 
Instnunental'Musik  zu  suchen;  wer  eine  Geschichte  der  itaUemschen  In- 
strumental* Musik  zur  Hand  nimmt,  der  muß  unbedingt  auf  den  Ge- 
danken kommen,  daß  die  musikalische  Umwälzung  an  der  Instrumental- 
Musik  spurlos  vorbeigegangen  sei,  denn  die  gesamte  Literatur  von 
Wasielewski's  grundlegendem  "Werke  'die  Violine  im  17.  Jahrhundert« 
bis  auf  Torchi*s  eingehende  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  in  der  »Rivista 
musicalc«  1897  geht  ruhig  an  dem  gewaltigen  Ereignis  vorbei.   Da  vor- 
liegende Arbeit  diese  Frage  wenigstens  berühren  zu  müssen  glaubte,  und 
andererseits  die  Bedeutung  dieser  Instrumental-Stücke  nur  im  geschicht- 
lichen Zusammenhange  erkannt  werden  kann,  so  ergibt  sich  eine,  wenn 
auch  kurze  Darstellung  der  Instrumental-Musik  vor  Entstehung  der  Mo- 
nodie von  selbst 

1.  Die  InstramentaMfnsik  vor  Entstehung  der  Monodie. 

Die  Knst*-hung^/*  it  l  inrr  sclliNtiiniliu't'n  In^trinin  ntal-Musik'  in  Italien, 
von  weldiem  T-nmi»-  in  »lirscr  Arbeit  nur  die  Kede  ist,  liegt  niclit  weit 
von  der  Zeit  des  neuen  Stils,  aber  noch  ganz  in  der  Periode  der  abso- 

1)  Unter  iDHrumentol^Musik  ist,  wo  Dicht  ausdrücklich  bemerkt,  unr  die  Orcheater- 

mul  Kammer-Musik  "mit  Ausschluß  der  Orp;«'!-  und  Klavier- Mttsik,  zu  vi  r^trlicn.  — 
Die  Darstellung  ditsi-r  Z'  it  fit  r  Iti-trumontul-Musik  peht  niclit  auf  die  ein/elno  Lite- 
ratur ein,  sondern  sucht  nur  die  cliarakteristischen  Merkmale  derselben  vor  Aup^en  zu 
tuhreu;  sie  stützt  ^ich  ucbeu  der  einschlügigeu  Literatur  bcsouders  auf  die  ^toten* 
beilagvn  in  Waiiele  wski*s  »Geschichte  der  Instromental-Muiik  im  XVI.  Jahrhun- 
dert«, in  desselben  Verfassert  Schrift  »Die  Violine  im  XVII.  Jahrhundert«,  in  Bit'- 

f 


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Alfred  Heaß,  Die  Instrumental-ätücke  des  »Orfeo«. 


177 


liiten  Herriichaft  der  iin'hrstiiiuuiiri  ii  Musik,  \v;is  natiirlicli  von  Wichtig- 
keit für  sie  werden  uiuBte.  Als  der  neue  Stil  aiitKaiii  imd  den  Kampf 
g^egen  den  Kontrapunkt<  befrann,  war  sie  bereits  eine  ge.sehlossciic  flacht 
jreworden,  tiir  sicii  t  ltensoweiiiy  wie  die  mehrstirami^je  Vokal-Mu>ik  mehr 
beseitigen  ließ,  und  zudem  war  sie  auch  bereits  auf  ilircia  kurzen 
(^ange  zu  so  viel  innerer  Selbständigkeit  gelangt,  daß  sie  für  das  Musik- 
ilraiua  verwendet  werden  konnte,  wenn  auch  mit  Veränderung  ihres  Aus- 
•^ehens.  Denn  in's  Leben  gerufen  von  Komponisten,  die  in  erster  Linie 
für  Gesang,  in  zweiter  dann  auch  für  Tasten- Instrumente  tätig  waren, 
hatte  die  Instrumental-Musik  —  was  nahe  liegt  —  die  polyphone  Schreib- 
weise angenommen.  Dieses  Hemuswachsen  avs  dem  Boden  der  Vokal- 
Musik  war  für  sie  von  ungemeinem  Vorteil;  denn  ganz  im  Anschluß  an 
den  vollendeten  Stil  derselben  konnte  sie  ▼erhältnismäßig  schneU  auf  eine 
künstlerische  Stufe  gelangen,  die  sie  niemak  so  schnell  erreicht  haben 
würde,  wenn  sie  ganz  auf  sich  selbst  angewiesen  gewesen  wäre.  Da  es  in 
erster  Linie  renetianische  Tonmeister  waren »  welche  eine  künstlerische 
Behandlung  der  Instrumental-Musik  vornahmen,  und  bei  diesen  der  viel« 
stinmiige  Tonsatz  als  Normalsatz  galt,  so  war  es  natürlich,  daB  der  ron 
ihnen  geschaffene  Instrumental-StU  auch  in  dieser  Beziehung  mit  dem 
vokalen  übereinstimmte,  so  daß  Stücke  bis  zu  22  Stimmen  vorkommen. 

Lange  vor  Entstehung  dieser  Orchester-Musik  hatte  es  schon  eine 
Instrumental-Musik  außer  für  Laute  besonders  für  Tasten-Listrumente  ge- 
geben; diese  Orgel-  und  Klavier-Iiiteratur  gibt  einen  Schlüssel  für  das 
Verständnis  derEntwickelimg  der  ganzen  Instrumental-Musik  vor  1600.  Das 
Streben  dieses  ganzen  Zeitraumes  geht  dahin,  eine  Konzentration  des 
ganzen  Tonmaterials  zu  stände  zu  bringen^  und,  was  mit  diesem  Streben 
nach  äußerer  Einheitlichkeit  Hand  in  Hand  geht,  einen  bestimmten,  aus- 
gesprochenen Gefühlsinhalt  wiederzugeben.  Die  vorgabrielische  Instru- 
mental-Musik läßt  dieses  Streben  ebenso  genau  erkennen,  als  einem  am 
Anfange  der  Entwickclung  der  Mangel  eines  auch  nur  einigermaßen 
piazisierten  Ausdruckes  auf  Mit;  wenn  irgendwo,  dann  zeigt  sich  hier, 
wie  das  Mißverhältnis  von  Form  und  Gebalt  zu  einem  unbefriedigenden 
Resultat  führt.  Den  Instrumental-Stücken  von  Buus,  Willaert  fehlt 
es  nicht  sowohl  an  innerem  Gehalt,  als  vielmehr  an  der  Form;  es  ist  der 
Mangel  an  der  Einsicht,  wie  ein  Instrumental-Stück  anzulegen  sei,  der 
uns  einen  Teil  dieser  vorbereitenden  l^Iusik  ungenießbar  macht.  Wenn 
Buus<),  der  auf  der  untersten  Sprosse  des  Instrumental-Stiles  steht, 
Ricercars  von  220  Takten  schreibt,  Claudio  Mcrulo  und  Andrea  Ga- 

ter's  >Uc9chiclite  des  Urguläpieiät ,  sowie  auf  iiiemauu'ü  »Aitc  Kammer- Alusik«. 
Augcner.) 

Ij  Beilagen  zur  >(ie3cliichte  der  Listrain^tal  •Musik  im  16.  JahrhvndNrt«  von 
Waiielewtki. 

12* 


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178 


Alfred  Heuß,  Die  Instramental-Stücke  des  »Orfeoc. 


brieli  suklie  von  etwas  über  100  Takten,  Giovanni  (la brieli's  In- 
striiinental-Stücke  bereits  den  besclieideneren  Umfang  von  70— Takten 
aufweisen,  so  ist  darin  scbon  äußerlicb  das  klare  Rostrelien  der  Zeit  zu 
erkenntn  auszusrlitidtMi.  zu  vereinfacben.  der  lnstniin»ntal-Musik  eine 
knappere  Form  zu  ;,'obt'u,  ein  Beweis,  daß  sir  bc^Muut.  ^elhstiindiger  zu 
werden  und  ilireii  eigenen  "Weg  zu  irelien,  indem  diu  beinabe  endlosen 
lijingen  der  vorbergehenden Periode  zu  (lii  Lkter Formlosigkeit  gefübrt  liatten. 
Insbesondere  dem  bellsebenden  Giov.  Gabriel i  entging  der  Mangel 
an  übersicbtlichkeit,  die  dieser  früheren  Instrumental-Musik  beinabe  ganz 
und  gar  feblt,  nicbt;  sein  Streben  gebt  denn  aucb  entsebieden  dabin, 
eine  solcbe  in  seinen  Stücken  zu  gewinnen,  was  ibm  aueb  in  gewisser 
Beziehung  gelingt;  er  erreicht  Übersichtlichkeit  einmal  durch  einen  Kunst- 
griff, nändich  durch  die  Mehrchörigkeit  ferner  durch  Insti-umentation 
und  dann  aber  auch  durch  ein  inneres  Mittel ,  durch  Aufstellung  eines 
scharfen  Gegensatzes,  irie  beispielsweim  in  einer  von  Wasielewski 
neugedruckten  Kanzone^). 

Mit  der  Insintmentation  war  der  InstruineDtal-Musik  du  Prinzip  ge> 
vonnen  worden,  das  der  Vokalmusik  abgeht').  Diese  Keuerung  in  der 
Instnunental'-Musik  hätte  von  Wichtigkeit  werden  können,  wenn  der 
Gang  der  musikalischen  Entwicklung  seinen  Weg  dahin  genommen  hatte ; 
aber  sie  wird  von  derselben  so  ziemlich  ignoriert;  das  17.  Jahrhundert 
ist,  was  Instrumentation  anbelangt,  in  Italien  außer  vereinzelten  Fällen 
beinahe  unfruchtbar  geblieben.  Die  Entwickelung  geht  nach  einer  voll- 
standig  anderen  Seite;  die  Instrumental-Musik  sollte  ihr  Wesen  viel  tiefer 
als  in  der  Instrumentation  suchen,  die  immer  etwas  Sekundäres,  Unter- 
geordnetes bleiben  wird.  Die  Anregungen,  welche  gerade  in  dieser 
Beziehung  Gabrieli  und  in  weit  höherem  Maße  Monteverdi  durch  ihr 
Beispiel  geben  sollten,  sie  fanden  keine  Nachfolge.  Das  historisch 
Wichtige  davon  ist,  daß  eine  Ausbildung  nach  dieser  Seite  hin  weiter 
nicht  zu  bedauern  ist  und  für  die  ganze  Zeit  ein  gutes  Zeugnis  ablegt; 
für  die  Instrumental-Musik  war  es  auch  von  äußerster  Wichtigkeit,  daß 
sie  ihren  eigenen  Stil  zur  Ausbildung  brachte,  was  vielleicht  nicht  in 
diesem  Maße  der  Fall  gewesen  wäre,  wenn  sie  sich  auch  anderen,  mehr 
äußeren  Interessen  gewidmet  hätte.   Und  im  17.  Jahrhundert  hat  dann 

1;  Dieser  Zug  geht  durcii  das  guiuc  Schallen  «lahneli's;  selbst  iu  seineu  MaUri- 
galen  wendet  er  Mehrchorigkeit  an.   (Ambro 8,  Husikgeschidite  III,  S.  5440 

2)  Nr.  Vm  der  Sammlang  »InstrumentaKSatze  vom  Ende  des  IG.  bis  Ende  des 

17.  Jahrhunderts*.    Bonn  1874. 

.3  Die  üiters  guTnif^'  ti'-  Ansifht,  daß  (üaluit'H  ^  Tnstrmiiriil  il-Stücke  ii'u  li  gunt 
vokalen  Charakter  hätten.  nmlS  deshall»,  weil  Gabneii  die  Instrumente  in  iliri  r  l  .i!?en- 
urt  anwcudet,  ztirückgewieseu  werdeu;  dio  vom  Komponisten  beabsichtigte  Wirkung 
würde  man  niemals  mit  einem  Chore  erreichen  kvnnen;  audi  wSren  mandie  Ton- 
lagen fiir  menschliche  Stimmen  bedenklieh. 


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Alfred  Heaß,  Bie  Initramental-Stucke  des  >Orfeo<. 


179 


auch  Italien,  viel  woniger  Deutschland,  das  Veniienst,  Hand  in  Hand 
mit  der  Ausbildung  der  Violin-Technik  zugleich  den  instrumentalen  Stil ' 
von  innen  heraus  geschaffen  zu  haben.   Denn  diesen,  um  wieder  auf  Ga- 
brieli  zurückzukommen,  auf  neue  Bahnen  zu  bringen,  war  genanntem  Kleister 
nicht  vorbehalten.  Eine  Reformation  an  Hatipt  und  Gliedern  hat  Gabrieli 
nicht  herbeigeführt.    Sein  Fortschritt  gegen  irülier  besteht  außer  den 
bereits  angegebenen  Xeiifningen  in  der  freieren  Anwendung  des  fn*rierten 
Stiles,  einer  ]( iicr  dem  Komponisten  vielleicht  unbewuIHen  Züu'<',  die  dem 
KiTifitts<<e  dtT  neuen  Zeit  zuzusdn  f  ilicu  sind,    im  wesentlidu  ii  iinter- 
seheid'  t   >ii  Ii   abfT  G-ihrioli  im  Satzbau  von  seinen  Vorgängern  nicht. 
Betrachtet  man  den  Aufbau  eim  ^  Tnstnimental-Stückes  innerhalb  eines 
geschlossenen  Triles,       wird  man  von  einem  wirklich  instmmentalen  Auf- 
bau, der  PerioiLisierung  verlangt,  ni<  lit  ndm  kiWinen;  es  strömt  durch 
diV  meisten  difs^M"  Stücke,   wie  überaus  treltend  bemerkt  worden  ist'l, 
eine     uncmlliclir  Mt  lodir  ;  wie  ein  Naturwald,  den  keine  berechnende 
Men^f  liouhaud  angele^M,   nehmen  sich  diese  vielstimmigen  Stücke  aus; 
ein  Takt  reicht  dem  anderen  innig  verscldun-jen  die  Hände,  ist  mit  dem 
andei-n  durch  Synkopen,  Jiindungen  auf's  eng^>tc  serlvuüpft.  wie  in  einem 
Wald  ein  Uaum  di»rch  seine  Zweige  und  Aste  in  den  anderen  greift. 
80   ist  ein  reiches  pulyphones  Gewebe  das  ]\Ierknial  der  Instrumental- 
Musik  xoT  Entstehung  der  ^fonndie.  und  sie  stimmt  darin  mit  den  an- 
aleren Mu.sik-(iattungen  ülteii  in;  im  (Jt'tülils-Inhalt  steht  sie  aber,  soweit 
e--  wenijfstens  die  vorgabrii  lischu  betrifft,  weit  hinler  ihiicn  zurück.  Hält 
luau  ?>ic  mit  dkir  gleichzeitigen  Vokalmusik  zusammen,  si»  wird  ihr  eine 
gewisse  Ausdruckslosigkeit  und   Monotonie  niciit  abgesprochen  werden 
können.     Zwar   veraachen  die   Ivrimponislen  schon  um  diese  Zeit  zu 
charakterisieren;  ihren  weltlichen  Kumpu.sitiuncii  geben  sie  iSamen,  teils 
Personen-,  teils  Ortsnamen,  aber  das  künstlerische  Resultat  fallt  tlcnnoch 
mager  aus  und  tiefere  Unterschiede  weisen  die  Stücke  nicht  auf.  Auch 
in  dieser  Beziehung,   was  musikalischen  Ausdruck  anbelangt,  sind  es 
G.  Gabrieli,  und  vor  ihm  auch  sein  üheim,  welche  der  Instrumental- 
Musik  wirkliches  Leben  einhauchen;  sie  sind  es,  welche  den  Charakter 
ihrer  Zeit  auch  in  der  Instrumental -Musik  wiederzugeben   im  stände 
wai'en,  aber,  muB  man  hinzufügen,  nur  insoweit  sich  dieser  auf  das 
öffentliche  Leben  bezieht.   Diese  Sonaten  und  Kanzonen  eines  G.  Ga^- 
brieli  siiid  so  recht  der  Ausdruck  des  venetianischen  Volkes  dieser  Zeit; 
einerseits  eine  oft  beinahe  das  Elegische  streifende  Eaerlichkeit,  wie 
sie  der  Haltung  bei  hohen  Kirchen-Festen  entsprechen  mochte,  und  an- 
dererseits eine  fröhliche,  aber  in  ihrer  Fröhlichkeit  wohldisziplinierte 
Festlichkeit^  wie  sie  ein  Ycnetianer  dieser  Zeit  bei  Festen  zu  Ehren  des 


1)  Kretf Bohmar,  fuhrer  dnrdi  den  Koiuserteasl,  S.  6k 


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180 


Allrcd  Heuß,  Die  Instrumental-Stücke  des  »Orfeo** 


Dogen  oder  anderer  großen  Würdenträger  wohl  beobachtete,  sind  die  am 
stärksten  hervortretenden  Charakterzüge  der  Gabrieli'schen  TonstUcke^). 
Subjektive  Begimgen,  intime  Züge  sind  ihnen  aber  noch  fremd;  es  ist  der 
künstlerische  Ausdruck  mehr  einer  ganzen  Nation  als  eines  einzelnen 
Menschen.  Das  ganze  weite  Grebiet  individuellen  Seelenlebens,  der  eigent- 
lichen Domäne  der  späteren  Instrumental-Musik,  wiederzuspiegehi,  war 
dieser  Musik  noch  yerschlossen,  wie,  wenn  auch  in  beschränkterem  Maße, 
der  übrigen  damaligen  Musik. 

Sehen  wir  nach  dieser  kurzen  Betrachtung  der  Instnimental-Musik 
vor  1600  zu,  wie  sie  sich  zu  der  neuen  Zeit  verhält;  es  ist  dies  auch 
deshalb  notwendig,  weil,  wie  in  der  Einleitung  bereits  bemerkt,  in  der 
gesamten  dieses  Kapitel  der  Instrumental-Musik  behandelnden  Literatur 
eigentümlicherweise  die  Instrumental-Musik  dieser  Zeit  noch  nie  in  Zu- 
sammenhang mit  dem  Geist  der  neuen  Periode  gebracht  worden  ist,  es 
sei  denn  in  dem  Sinne,  daß  die  Instrumental* Musik  die  Formen  des 
Dramas  bednflußt  hätte^). 

Die  Gabrieli'sche  Orchester-Musik  ist,  wie  sie  in  formeller  und  geistiger 
Beziehung  auseinandergesetzt  worden  ist,  das  strikte  Gegenteil  dessen, 
was  die  Nuove  miisichc  wollen  und  bringen.  Man  sieht  dies  am  klarsten  aus 
dem  Resultat  des  Arbeitens  auf  ileni  iii^truniontalon  Felde  während  des 

17.  Jahrhunderts;  dieses  ist  eine  Solo-Musik  Solo-  und  Trio-Sonatf),  den  n 
Ausbildung  ganz  analog  den  Formen  in  der  dramatischen  Musik,  der 
Arie,  in  diesem  Jalirhuudert  vor  sich  geht,  während  die  Gabrieli'sche 
Sonate  durchaus  Orchestei-]\rusik,  und  zwar  eine  solche  im  Sinne  der 
Yokalinusik  des  K».  Jahrhiiiidf  ifs  ^jfwescn  war.  H.  Riemann  vertrat 
schon  früher  die  Ansicht,  daB  die  Trio-Sonaten  auch  in  ort  Im  st  raier  Be- 
setzung i^espirlt  worden  seien,  wofür  er  h'tzthin  den  Beweis  in  Trio-Sonaten 
des  Mannheimer  Komponisten  Staraitz  ')  fand,  bei  welchen  ausdrücklich 
bemerkt  ist,  daß  sie  auch  in  Orchestcr-Brsetzuntr  gespielt  werden  könnten. 
Dieser  absolut  unzweideutige  Beweis  hat  seine  IJeglaubiguiiir  nur  für  das 

18.  Jahrhundert,  das  sozusagen  als  Normal-Zeitalter  der  Orchester-^Fusik 
eine  derartige  Besetzung  ohne  weiteres  verständlich  maclit;  für  das  17.  Jahr- 
hundert, in  dem  in  Italien  vor  allem  die  ^lonodie  inter(\ssierte  und  einzig 
modern  war,  werden  zwar  Trio-Sonaten  gelegentlich,  d.  k  wenn  Spieler 


1)  Näher  über  dies^ou  Funkt  liabe  ick  mich  im  Anhang  dieser  Arbeit:  »Ein  Bei- 
trag zur  Klilrung  tk-r  Sonnten-  und  Kanzonen-Form «  ausgesprochon. 

'2'  Tj.  Torclii,  La  nm>ii  >  Fnsfntnfm'ftlr  in  Italin  nel  .Sro/o  Xl'I.  AT'//.  XVffl 
{Ii'ithsta  mnaimlr  Is'jT,:  La  mmira  [iii>truinenfnli:  pura  t-  inäipenäenle  dorem  riscuttrc 
un  tn/tuenxa  da  quegta  forum  instrumaUale  applica/a  ath  Iwiea  t  al  «fmmmo,  forma 
emMtmah  di  tuUe  le  earatterisfiehe  imtrumetUali  sueeoiin^  e  la  rüenfi  infaifi  eon^ 
ief}il>"r'n!ienfr  c  ]>'ir"ff<lemeHte  nUa  liriea  in  pröi'  t)"'"  del  teieetUo, 

a,  Blätter  für  Häub-  und  Kirchenmusik  I, 


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Alfred  Heoß,  Die  Lwtnimental-StBeke  des  »Orfeo«.  181 


vorhanden  waren,  auch  in  mehrfacher  Besetzung  gesjjielt  worden  sein; 
die  eigentliche  Besetzunf?  war  aber,  und  zwar  aus  dem  angegebenen  Grunile, 
sichfT  die  solistisrhe.  Die  weitere  Entwickeliiiii^  mid  das»  Ergebnis  der 
(Trtl»ri(  li'>,chen  Urcheöt»  r-Mu'^ik  liiitte  ohne  Entstehen  und  Dazwisrhen- 
küinmen  des  monodischen  Stils  ehenfalls  eine,  wenn  ancli  in  ihren  ISIitteln 
ppsteigcrte  und  in  ihrem  Aiisdi  uek  mannigfaltiL,'eri'  ( )r(  liest(  r-Musik  sein 
iiiii-scn.  »Statt  dessen  ist  dns  iu  sult;it  der  Mii-.iktü)ung  die  fcjolo-  und  Trio- 
Snn:iti\  subjektiv  sicli  äuliemde  Mu.sikgebilde.  Erst  das  Ende  des  .Tahr- 
Lundtrts  bringt  auf  einem  Umwege  eine  Art  Orchester-Musik  zu  stände, 
aber  nicht  sofort  eine  eigenthche,  sondern  eine  sulchc,  die  das  subjektiv 
sdhstische  Moment  noch  niclit  entbehren  kann  —  die  Geschichte  uuiiht 
keine  Sprünge  —  das  Concerto  grosso.  Und  erst  als  auch  dieses,  das  lange 
Zeit  das  Hai^pÜntereese  der  Muaik-Treibenden  bildeti^  im  liaule  des 
18.  Jahrhimderts  überwunden  war,  konnte  wieder  me  eigentUdie  Ordiester- 
Mnsik  beginnen,  nachdem  sie  auf  diesem  grandiosen  Umwege  der  In- 
6tnimental>Ma8ik  von  mehr  als  einem  Jalurhundert,  dem  wir  aber  die 
herrlichsten  Blttten  in  derselben  yerdanken,  alle  Momente  aufgenommen 
hatte,  die  sie  befähigten,  als  eine  ganz  neue  Kunst  zu  erscheinen.  —  Man 
entschuldige  diese  Abacbweifung;  aber  Überblicke  sind  nicht  ohne  Nutzen. 

Das  historisch  Bedeutsame  an  der  Entstehung  der  instrumentalen 
Solo-Musik,  das  nicht  genug  betont  werden  kann,  ist  die  Tatsache,  daß 
sich  diese  nicht  aus  der  Gabrieli'schen  Sonate  ausgeschieden,  sich  von 
dieser  abgezweigt  hat,  sondern  djiü  sie  von  derselben  vollständig  unab- 
hängig entstanden  ist;  wie  könnte  auch  sie,  Solo-  und  Kammer-Musik, 
BO  direkt  aus  der  öffentlichen  Musik  der  Gabrieli'schen  Schule  entstehen')! 
Diese  Solomusik  ist  eine  direkte  Jjegleiterscheinung  der  Entstehung  der 
Monodie  auf  instrumentalem  Gebiete,  sie  entsteht  auch  in  der  schönsten 
Blütezeit  der  (Jabrieli'schen  Sonate,  ganz  am  Anfang  des  17.  Jahrhun- 
derts, und  mit  ganz  kleinen,  unscheinbaren  Versuchen,  die  sirl?  wie  Bn- 
gatellen  gegen  die  G:d)rie'li"s(  lie  Riesen-Sonate  ausnalinien.  I  nil  zwar  ]»e- 
ginnen  die  "N'ersuche  in  dieser  neuen  Musik,  so  weit  es  sich  iiberblieken 
liiRt,  vielleicht  nicht  ganz  zufällig,  iu  derselben  Stadt,  in  welclter  der 
größte  Förderer  des  neuen  Stile>,  Cl.  Monteverdi,  lebte  und  wirkte,  in 
Mantua,  und  dieselben  stehen  allem  Anscheine  nach  in  Zusamnienhani^  mit 
demselben 2j.    Es  beginnt  eine  neue  Zeit  füi*  die  Instrumental-Musik:  es 

1;  Die  bekannte  Sonate  G.  Gabrieli's  für  3  Violinen  gehört  ebenfalls  in  die 
Kategorie  diewr  »öffentlidiai«  Musik;  sie  war  ohne  Zweifel  för  den  Gebnucfa  sn  Ssa 
Blaroo  bestimmt;  für  Gkbrieli  war  sie  sicher  mit  ihrer  kleiaeo  Stiiumenznhl  das  lußerste 

Zu^'eständnis  an  den  modcnien  Geist.   Wie  wenifr  er  aber  mit  der  Zur-mnrm'TT'trlliinix 
vnn  flrci  gleichen  Instrumonten  den  Zujj  der  Zeit  getroffen  hat,  eiliollt  ilaraus,  daß 
»ein  Beispiel,  das  fruchtbringend  hätte  sein  k  nnen,  keine  weitere  >iachlulge  findet. 
2i  MSher  habe  idi  mich  im  Anhang:  •    e  Sc^eni  mosicali  des  daodio  Monte^ 


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182 


Alfred  iieuli,  Die  IiiBtnimeiit«l>StUoke  des  »Orfeo«. 


inüsson  eine  alte  und  einf^  neue  .Schule  au.seinander(?elialten  Avcrden, 
die  in  den  äußersten  Enden  lange  Zeit  sich  auch  scharf  unterscheiden, 
weiin  aucli  innerhalb  derselben  bald  Vermischungen  eintreten.  So  hat 
die  alte  Schule,  und  dem  glaube  ich  die  bisherige  ungetrennte  Behandlung 
des  Stoffes  zuschreiben  zu  müssen,  sehr  bald  auch  das  solistische  Moment 
neben  dem  polyphonen  aufgenommen  und  unterscheidet  sich  darin  von  der 
neuen  Schnle  niclit  so  sonderlich,  die  alwr  doch  etwas  ganz  anderes  irill 
nnd  bringt.  Ohne  eine  Scheidung  vird  sich  eine  klar^  Übersichtliche  Dar^ 
Stellung  der  Entwickelung  der  italienischen  Instrumental-Musik  dieser  Epoche 
kaum  ergeben  können.  —  Das  Emporkonunen  des  neuen  Stils  in  der  Instru- 
mental-Musik zeigt  sich  auch  in  dem  Henrorwachsen  eines  ganz  anderen 
Komponisten-Standes;  Instrumental-Komponisten  tauchen  bald  in  Menge 
auf,  aber  «e  kommen  von  einer  ganz  anderen  Seite  als  von  der  der  Yokal- 
Musik:  sozusagen  der  dritte  Stand  der  Musiker,  der  der  Ihstrumentalisten, 
tritt  mit  einem  Male  aus  dem  bisherigen  Dunkel  heraus  und  stellt  sich 
bald  neben  den  bis  dahin  allein  herrschenden  der  Vokal-Komponisten. 
Wenn  Maugarsi),  der  bekannte  französische  Violinist»  in  seinem  Briefe 
an  ( inr-Ti  friiizösischen  Freund  schreitet  1639),  daB  die  Instnunentalisten 
in  Kom  viel  höher  geschätzt  seien  als  die  »Sänger,  so  wird  dies  zwar  wahr- 
scheinlich eine  kleine  Übertreibung  sein,  die  darin  ihren  Grund  haben 
wird,  daU  Maugars  seinen  Landsleuten  recht  zeigen  wollte,  wie  hoch  seine 
Fachgenossen  Uhc  Ueiger)  in  Italien  geachtet  würden.  So  viel  läßt  sich 
aber  mit  Bestimmtheit  sagen,  daß,  wie  man  früher  die  Komponisten  unter 
den  Sängern  zu  suchen  hatte,  jetzt  die  lnstrumentaHst(  n,  vor  allem  die 
A'iolinspieler,  mit  Erfolg  als  Komponisten  ihres  Instrumentes  hervorzutreten 
beginnen  2). 

Ks  erhobt  sirb  jetzt  ilie  Frnjre.  in  welcher  Weise  djis  Musik-Drama 
tlie  Instrumental-Musik  /.n  iliri  r  Mitwirkuni;  lieranz<»ir;  es  könnt«-  iii  zweier- 
lei Arten  i^eselielien,  einmal  als  >elb<;tän(lii,'»'  rx-i^lritung  zu  den  \\'''>rten 
des  Gesan,i:e>,  wie  es  das  nuMlei-ne  Orchester  tut,  (u\vr  aber  als  sell)st;in- 
dige  Instrumental-Stücke,  <lie  /wisclion  di  ii  ein/einen  t^es;in^'en  un<l  Hezi- 
tativen  eingereiht  wurden,  .sei  e>  zu  dii  hdu  »jili  i-  zu  jenem  Zwe(  kr.  Di.-  erste 
Art  ist  etwas  ganz  Neues,  und  lindet  bekanntlich  im  Mu.>5ikdraiiia  nur 
gelegenthche  Verwendung,  indem  dort  die  vielen  Akkord-Tnstrumente  den 
Hintergrund  bilden.    AViuterf cid 'j  muli  die  Krtindung  einer  sclbstän- 


verdi«  ausgedrückt;  eine  eingehen(iere  Behundiung  der  ganzen  Sonaten-iVage  behalte 
ioh  mir  vor. 

1)  Fr.  Thoinau,  }faugar»  eiVhre  Jotteiir  de  Ftolf,  Mimcim  du  Cardinal  de  J2tf- 

eheiie"  S.  Bl.    Siehe  auch  Monatshefte  für  Musikgeschichte  1895. 

2  Linigo  irnn  :.  Bomcrkimjxfn  ülnr  ilrn  Stil  dieser  Iiistnimental-Muaik  findffn 
»ich  ebenfalls  iiu  Anuangc:  »Die  Scherzi  musicali  von  Claudio  Monteverdi«. 

3^,  QabrieU  und  sein  Zeitalter,  S.  118. 


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Alfred  Henß,  Dia  IiMtnimentaI'8tfieke  des  »Orfeo«.  183 

(ligen  Instnimeiitai-Musik  zu  Vokalwerken  Claudio  Montevcrdi  zusclireiben, 
indem  er  eine  solch«^  zuerst  in  einer  Messe  vom  Jahre  1010  »in  ülo 
temjtfji'C'^.  bei  Gabrieli  erst  in  dem  zweiten  Teile  der  >Sinfüniae  Sacrae« 
▼on  1615  findet  (nach  dem  Tode  Ga])rieli's  lieraiM^ei;'  1»'  nj;  auf  den  über- 
aus interessanten  Vergleicli  Winterfehrs')  zwischen  der  Behundlunj's- 
weise  dieser  obligaten  Instmmental-Begleitung  bei  den  beiden  Meistern 
kann  nur  liinirfwiVsPTi  worrlpn,  obgleich  er  sehr  wertvolle  Aufschlüsse  über 
den  gruiKlvcrschiedenen  Charaklrr  flieser  bei<lf*n  Männer  inhf/uu:  ihrer 
Auffassun;,'^  des  Kirchenstils  frild,  indem  sicli  lierausstellt,  daü  Monteverdi 
freradezu  unerhört  revolutionär  in  dens('ll)en  eiu^eLriitten  hat.  Was  eine 
obHgate,  (ausgesch rieben ei  Tnstrumental-JJeirleitiinL'"  sonst  hetriltt,  so  hat 
dieselbe  bekanntlirli  MontoveicH  schon  in  einigen  kStückeu  aeiiie>  -Orfeo« 
ungtvvendet,  und  von  hier  au.s  wiril  er  sie  wohl  auf  das  Kircheufach 
übertragen  haben,  ein  (.iruntl,  der  Winterfeld  entgangen  zu  sein  scheint. 

Die  Verbindung  von  Gesang  mit  selbständigen  Instrunicntal-Stiicken 
reicht  dagegen  jedenfalls  sehr  weit  zurück,  und  zwar  sowohl  als  Ab- 
wechslung zwischen  den  einzelnen  Stiophen  von  Gesangs-8tiicken,  als  Ri- 
tomdl  oder  Intermedio,  wie  auch  in  der  Form  von  eingelegten  Tänzen 
in  Festspielen  (Intermezzi],  die  bekanntlich  besonders  in  Firankreich  unter 
dem  Kamen  »Ballett«  schon  lange  vor  Entstehung  der  Oper  existierten. 
Anch  in  Italien  gab  es  in  den  Intermezzis  selbständige  Instrumental-Stücke; 
Ambro 8'}  bringt  die  interessante  ItCtteilung  eines  mit  *Syniphoma*  be- 
titelten Instrumental-Stückes  (also  jedenfalls  kein  Tanz)  in  dem  dritten 
Intermezzo  vonMalvezzi,  das  bei  der  Hochzeit  Ferdinands  von  Medici 
mid  Christiana's  Ton  Lothringen  im  Jahre  1&89  aufgeführt  wnrde.  Bei- 
nahe merkwürdiger  AYeise  haben  die  ersten  Musik-Dramen  auffallend 
wenig  Gebrauch  von  der  Instrumental -Musik  gemacht;  das  fast  voll- 
ständige Fehlen  erklärt  sich  zwar  teilweix  daraus,  daß  die  Hellenisten 
bei  den  für  sie  maßgebenden  Gri(urhen  keine  weitere  Erwähnung  von  In- 
striimental-Musik  vorfanden,  und  daß  ihr  Interesse  von  ganz  anderen  Dingen 
in  Anspnich  genommen  war.  Aber  dennoch  sind  dies  bloß  äußerliclie 
Gründe.  ^Ct  der  Herübernahme  der  Instrumental-Musik  in  das  Musik- 
Braraa  traten  an  dieselbe  Forderungen  heran,  die  bis  dahin  noch  nie  an 
sie  irestcllt  worden  wann:  sie,  die  bis  dabin  ganz  im  Schlepptau  der 
Vokal-Musik  geführt  uoiden  wnr.  nndUe  mit  einem  Male  in  Gebiete 
(Iringen,  die  nueli  jener  bis  daliin  i^an/.  IVenid  Lr-nvcsen  waren:  t^ie  mnfUe, 
um  in  das  Drama  zu  j)a^s(Ml,  einen  uni^h-ich  mannigtaltigeren  Gelühls- 
und  Ötimmuügs-Gehait  als  bisiier  wiedergeben  können.   Das  waren  For- 

1)  Siebe  <las  alphabetische  Verzeichnis  der  gedruckten  Kompositionen  GL  Monte- 
TOrdi's  von  E.  Vogel  in  der  Vierteljahrs-schrill  für  MuaikwiaaenBchaft^  lfi87,  S.  423. 

2i  Winter fpld.  Oabri--li  und  sein  Zeitalter,  S.  119. 
3;  Ambro»,  Musikgeschichte  IV,  S.  208. 


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184 


Alfred  Heuß,  Die  Inftnimeiital-Stüeke  de«  »Orfeo«. 


derunucn.  die  prewns'^f^rmnRon  eine  ^ii  uscliattuni;  «Icr  Instrumental-Musik 
bfdiniztcii.  b'orderungen,  von  deren  Schwierigkeiten  man  sich  hei  der  Tn- 
struracntal-Miisik  dieser  Zeit  kaum  eine  Vorstellung  machen  kann.  Diese 
Sch^vie^l^'keltl•n  sind  es  denn  auch  teilweise  gewesen,  welrhe  das  beinahe 
vollständige  Fehlen  von  st  Ib ständigen  Instrumental-Stücken  sowohl  in  der 
ersten  Zeit  des  Musik-Dranias,  als  auch  das  mehr  vereinzelte  Auftreten 
von  soldien  in  der  späteren  Zeit  verursacht  haben:  das  dreistiunnige 
Stiintlchen  in  Peri's  Ettridicc,  welches  bei  dm  (irieehen  vurkummende 
Instrumente.  Flöten  verwendete,  ist  mit  eini-.'en  Stückun  in  der  > liapprcstn- 
ta;.ione  di  oiiima  c  di  corj)o<  von  Cavulieri*)  so  ziemlich  das  einzige,  was 
sich  an  Instrumental-Sätzen  in  den  ersten  Musik-Dramen  findet.  Um  so 
mehr  muß  man  überrascht  sein,  plötzlich  auf  ein  Werk  zu  stoßen,  das 
▼on  Instmmeiital^StüGkeii  einen  Gebrauch  macht,  wie  es  nicht  nur  in  der 
Oper  des  17.  Jahrhunderts,  sondern  Überhaupt  in  der  ganzen  Geschichte 
der  Oper  einzig  dasteht   Es  sind  dies 

die  Instrumental-Stücke  des  »Orfco«, 

zu  denen  wir  nunmehr  übergehen.  Der  Historiker  steht  hier  vor  einem 
Kätsel,  das  ganz  zu  lösen  Tielleicht  nie  gelingen  wird.  Wie  kommt 
Montcverdi  dazu,  in  dieser  seiner  ersten  Oper  der  Instrumental-Musik 
einen  so  breiten  Raum  zu  gewähren  und  noch  mehr,  wie  erklärt  sich  die 
Art  und  AVeise,  nnt  der  er  sie  verwendet? 

Solir  wolil  ist  es  m<iglich,  daii  Monteverdi,  den  seine  Reise  mit  seinem 
Fürsten,  dem  Herzog  Vincenz  von  Maiitiia '- .  nac  h  l-'landi'rn  walirschein- 
lieli  aueli  nach  Frankreich  führte,  dort  die  reiclie  Verwemhiiiir  von  In- 
strumental-Musik  bei  den  Ballcts  kennen  lernte,  LäHt  sich  so  viel- 
leicht für  die  große  >b>nge  von  histruinental-Stücken  im  »Orfcu-  »  in  (irund 
anführen,  die  RescluLlknheit,  das  A\'es(  ii  der^elltcn  erklärt  die  Ver\vri.sung 
auf  die  französischen  Festspiele  nieht.  ila  diese  nur  Tänze  bracliten.  Licht 
verbreiten  könnte  hierüber  nur  die  Hypothese,  daß  Monteverdi  mit  den 
selbständigen  Instrumental-Stücken  nichts  Geringeres  als  <len  griechischen 
Chor  auf  irgend  eine  Weise  ersetzen  wollte.  Indes  auch  in  diesem  Falle 
würde  man  sich,  da  dies  nur  die  künstlerische  Absicht,  noch  nicht  das 
Vollbringen  erklären  würde,  wie  bei  so  irielen  Dingen  Monteverdi^s  an 
sein  Genie  halten  müssen;  doch  zur  Sache! 

Wenn  Yon  den  Instrumental-Stücken  TonMonteverdi^s  >  Orfeo«  die  Hede 
war,  so  geschah  dies,  wie  bereits  bemerkt,  in  erster  und  beinahe  einziger 
Hinsicht  mit  Bezug  auf  die  Instrumentation,  die  Orchester-Behandlung. 
Fragen  wir  aber  nach  dem  kunstgeschichtlichen  Besultat  des  »Orfeo«  ge> 

1}  Davon  c'iui'„'e  im  Neudruck  in  den  Boilanren  zu  den  »Stadien  zur  G^scbichto 
der  it.ilioniiclien  Oper  im  17.  Jahrhundert«  von  H.  Goldschiuidt. 
2,  K.  \  ügel,  Cl.  Müuttiverdi,  a,  a.  0.,  S.  323. 


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Allred  Ueul3,  Die  Instrumental-Stücke  des  >Orfeo«. 


185 


»de  in  dieser  Beziehung,  so  ist  es  eine  bekannte  Tatsache,  daß  der- 
selbe von  keiner,  auch  nur  halbwegs  weittragenden  Bedeutung  geworden 
ist  Der  »Orfeo«  ist  hierin  eine  Tat,  eine  einzige  große  Tat,  die  aber 
keine  Nachfolge  hatte.  Selbst  Montererdi  verlaßt  die  Bahn,  die  er  in 
diesem  Werke  gewandelt;  bei  seinen  späteren  Werken  verfäbrt  er  ganz 
anders. 

Diese  Darstellung  wendet  deshalb  ihr  Augenmerk  aucli  ganz  anderen 
Gesichtspunkten  zu.  da  überdies  über  das  Kapitel  der  Orehester-Behand- 
lung  im  17.  Jahrhundert  Spezial-Arbeiten  vorliegen.*)  Ks  sind  sowohl  die 
geistige  wie  die  formelle  Seite,  die  an  diesen  Instrumental-Stücken  mächtig 
anzi-  lien  und  sie  zu  einem  Unikum  in  der  ganzen  Geschichte  der  Oper 
und  Instrumental-Musik  machen.  Form  und  Fnhalt  lassen  sich  bei  diesen 
Stücken,  wie  din  nähere  Darli  ^'nuL'  zeigen  wird,  unin"ii;lich  von  einander 
tr^-nneii:  Moiituverdi  liat  in  den  meisten  diosor  Tn^t^uIll('lltal-Stüeke  das 
Grund-Froblem  der  Tn->trumental-Mnsik,  die  f^'c^'i  nseitige  oiffanische  Durch- 
ilrinLnm«»'  von  Form  und  r4ehalt,  in  einer  Weise  gelöst,  die  in  ilncr  Art 
^'an/  einzig'  tlastdit,  uiui  der  n>an  niemals  seine  Bewunderung  wird  ver- 
sagen können,  liesonders  dann  nicht,  wenn  man  die  damaligen  Verhält- 
nisse kennt;  und  in  diesem  Falle  wird  einem,  ölten  sei  es  gesa^,  der 
> Orfeo  <  geradezu  zu  einem  Rätsel. 

EHn  Blick  in  die  Orfeo-Pai*titur  zeigt,  daß  man  es  mit  Instrumental- 
Stücken  verschiedenen  Kamens  zu  tun  hat*);  außer  den  Einleitungs- und 
Schluß-Stficken,  einer  Tokkata  und  ein^  Tanz  Iforesca,  sind  es  mit  »Sin^ 
fonia«  und  »Bitomell«  bezeichnete  Stöcke,  die  immer  wiederkehren.  Diese 
Bind  es,  die  unser  Haupt-Interesse  in  Anspruch  nehmen  werden. 

2.  Die  Ritonielle. 

Schon  eine  oi^erllächliclie  lietraelitung  der  Rllörnelle  ieiirt,  daß  man 
es  hier  mit  vulUtändiir  selbständiLren  Stücken  zu  tun  hat,  die  keines- 
wegs (einige  kleine  Ausnahmen  alii^i  ieehnetj  etwa  aus  Motiven  des  Ge- 
sangstücke^  aufgebaut  oder  gar  instrumentale  ÜhertraguuLM  n  \()n  solchen 
sind,  also  in  dieser  Beziehung,  was  Selbständigkeit  unbetritii,  mit  den 
Sinfonien  übereinstimmen.  Schwerer  dürfte  es  sein,  einen  prinzipiellen 
üuterschied  zwischen  diesen  beiden  Instrumental-Formen  herauszufinden. 

1  Lavoix  tils,  Vllisfoirr.  ilc  V hK-^triimentafitni.  —  H.  Gold scli iji  idt,  Studien  zur 
üwliiditc  <li:'i'  it:ilifni-('lien  Ojier. —  Vergk'i'"li<'  aurli  IT.  K r !■  t  /  s cli m n r .  Kin^i^  Be- 
merkungen über  den  Vortrag  alter  ^fti^ik  .Iuhrl  uch  der  Musikbibl.  Peters  1'.XJ(J,  S.  »2. 

2j  Dieselbe,  neu  herausgegeben  im  lü.  Üande  der  »Publikatioueu  für  Musikfor- 
selnuig«  Ton  R.  Ettner;  die  Auigalw  enth&lt  samtliche  Instrumentalgtficke,  die  hier 
atipefiihrten  Seiten-Angaben  beziehen  sich  immer  auf  diese  Ausgabe.  Zum  Vergleich 
V'en  die  Origmal-Partituren  von  1609  {Berlin,  Königliche  Bibliothek)  und  1615  (Stadt- 
Bibliotliek  Bre»lÄ«j  vor. 


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186 


Alfred  Henß,  Dio  Initniineiital-Stücke  d«s  »Orfeo«. 


Ich  habe  ulich  hicrülMT.  um  mit  Spp/i;i1-Vnt<isiu  lniii'ren  <Umi  Hfuiptteil  der 
Arbeit  nicht  zu  ^«■la•^t(•n.  iui  AiiiuuiL'  Sinfonie  und  Jütorneli*  näher 
ausgcsprocliou  und  teile  liier  nur  das  I\t'>ultat  mit: 

Unter  Jiitornellen  dieser  Zeit  sind  selbständige  Jnstrumental-S'Uu  ke  zu 
verstehen,  die  aber  zwischen  die  einzelnen  Abschnitte  str(ij)liiN(  lu  r  Ge- 
saugs-Stücke  gestellt  werden  und  deshall»  liiiuti^,'  wiedtt  kilii  fu.  \\;ilu«'nd 
die  Sinfonien  aich  ganz  selbständig:  iu  das  (laii/c  fügen  und  deshalb  uuth 
nicht  wiederkehren,  wenigstens  nicht  ini  Miuif  dts  Ritornells.  Fenier  weisen 
die  Ritornelle  im  Verhältnis  zu  den  Sinfonien  im  ullgemeinen  einen  leich- 
teren, sehr  oft  tanzartigen  Charakter  auf,  und  stehen  im  gleichen  Takt- 
maß mit  den  Yokalatücken,  zu  welche  sie  gehören.  Öfter  gehen  indes 
die  beiden  Begriffe  durcheinander,  vie  es  in  dieser  Zeit  auch  bei  andei'en 
Bezeichnungen  von  Musik-Formen  sehr  oft  vorkommt. 

Auch  Monteverdi  weicht  in  mancher  Beziehung  im  »Orfeo«  Ton  der 
gegebenen  Erklärung  ab,  im  großen  Ganzen  stimmen  aber  ^eine  Stücke 
mit  derselben  überein.  Beinah  ein  durchgängiger  Unterschied,  der  in- 
des nur  für  den  »Orfeo«  maßgebend  ist,  &idet  sich  im  Aufbau  der 
beiden  Tnstrumentalformen:  die  Bitomelle  sind  anders  aufgebaut  als  die 
Sinfonien,  nur  in  wenigen  Fällen  spielen  die  verschiedenen  Arten  des 
Aufbaus  ineinander. 

Montererdi  faßt  in  seinen  Ritomellen  etwas  ihm  Eigentümliches 
gleichsam  in  einem  Hrenni)unkt  zusammen,  nämlich  den  Gk;brauch  der 
Sequenz.  Die  Anwendung  derselben  war  in  der  damaligen  wie  in  der 
früheren  Musik  bekanntlich  .etwas  ganz  GewÖbnliclie'«;  große  wir  kli  ino 
Meister  benutzten  sie,  aber  in  durchwegs  gleicher  Weise,  als  Melo- 
die treibendes  Element.  80  zieht  sie  sich  durch  die  ganz^  t.it  ratiirj 
schon  die  Frottolisten  kannten  etwas  Ahnliches  »in  der  AViederliolung 
einer  Tonreihe  auf  einer  höheren  oder  tieferen  Tonstufe« und  aucli  die 
>f;ulrignlisten  lirH. n  sich  dieses  Ausdrucksniittel  nicht  entgehen.  Den 
Instruuicntali^ti  n  war  die  Sequrnz  ein  ebenso  willkommenes  als  oft  auch 
billigt'S  Mittel.  l;uii/c  T*(>rio(l*'n  zu  erziclon  und  zwar  immer  in  melodischer 
r>r/,i('bung;  srlir  oft  tnttt  Miau  bei  ihnen  StHjneii'/~St»^lb'ii,  die  iiinn  kruini 
anders  als  mit  Si  bustt  riiecken  wird  bezeichnen  können.  Wenn  j>elbi>t 
Männer  wie  G.  Gabrieli^]  «ich  zu  Sequenzen  wie 


 1  — 

-\  

1)  R.  Schwärt/,  Hans  Leu  Haßler  uiitor  dem  Eintiul^  der  italienischen  Madri« 
galiston.    Vierteljalirsschrift  für  >fii  •ikwiss.Mix.-hai't  TX.  S.  ."J . 

2;  Kanzon  Nr.  10  der  Sammlung  Sinfauiav  iiacrac  vou  X61Ö  (KüuigUche  Biblio- 
thek 2U  Berlin  lUnvollstäniligcs  Exemplar,. 


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Alfred  fieuß,  Die  Instramental^Stficke  des  »Orfeo«. 


187 


oder: 


Tcrleiten  lassen,  so  wird  man  hegreifen,  wenn  geringere  Meister  oft  noch 
veiter  gehen.  Montevenli  sieht  die  Sequenz  in  seinen  Instrumental-Sätzen 
von  einer  ganz  anderen  Seite  an;  es  ist  nicht  das  Bestreben,  durch 
sie  ehie  Steigerung  oder  Senkung  herbeizuführen,  wie  er  sie  im  vokalen 
Satz  mit  so  iiborrasrhcndem  Erfol;re  und  dramatiscbpr  Wahrheit')  nn- 
wendet.  und  wie  wir  sie  bei  Montcverdi's  großpin  Srhiilrr,  Fr.  ('a\  alli, 
el)tufulls  wieder  finden'-';.  In  der  instrumentalen  Secjuenz  ^Miuitevridi's 
tiinlt  t  man  in  erster  T/inie  <-in  wirklich  instrumentales  Element  verliori^en, 
(l  h.  dif  Sequenz  i»L  für  Mouteverdi  ein  Mittel,  einen  insti  luncntuleu  Stil 
zu  schaffen.  Wir  müssen  uns  hier  näher  erklären,  da  der  EegriS  des 
»Instrumentalen <  sf'lir  häufig  milJvuratunilcn  wird. 

Was  lieiÜt  und  ist  instrumentaler  Charakter?  Das  instrmnentale  Ele- 
ment besteht  in  der  Festhaltung  eines  Motivs,  in  der  Ausnutzung,  Wen- 
dung nach  allen  Seiten,  kurz,  es  beruht  in  der  Durchfühiiing,  welche 
gerade  das  eben  Gesagte  bedeutet  In  seinen  Bitomellen  versacht  nun 
Monteverdi  durchaus  nichts  anderes  als  das,  was  man  mit  Durchführung 
bezeichnen  kann,  nur  greift  er  zu  denjenigen  Mitteln,  die  ihm  seine  Zeit 
bietet:  dies  ist  die  musikalische  Sequenz.  Was  er  aber  aus  ihr  macht, 
das  ist  nur  ihm  eigen  und  entspricht  seiner  inneren  Natur.  Man  könnte 
diese  Sequenz  zum  Unterschiede  ron  der  melodischen  eine  durchaus  the^ 
matische,  motivische  nennen,  eine  Sequenz  von  innen  und  unten  heraus; 
die  erste  Sequenz  ist  mehr  ein  leichtes  Kleid,  bei  Monteverdi's  Bitomellen 
ist  sie  der  Körper  selbst. 

Xelmien  wir  gleich  das  erste  Ritornell,  weiches  sicii  sofort  der  Tokkata 
anschließt  ]Man  muß  sich  bei  den  Instrumental-Stücken  Monteverdi's, 
wie  auch  bei  denen  der  venetiaiüschen  Oi)ern-Komi)i>nisten,  daran  ge- 
wöhnen, das  Bali-Thema  als  das  wesentlichste  aufzufassen,  wofür  wir 
später  noch  direkte  Giiiii<lt'  kennen  lei-nen  werden. 

Das  5  stimmige  Ritornell  zeigt  uns  die  Eigenart  des  Monteverdi'schen 
Set [uenz -Verfahrens  überaus  klar^}: 


.St  

1]  Zum  Beispiel  im  *Orfeo<  Orfeo^s  Buf:  Sendete  tm  il  mto  be»  »uf  Seite  192 
der  geDADDten  Auff^abe. 

2  H.  K  rt'tz!*«  h  ni  ar,  Die  Venotiniiischt'  Op^r  iinrl  die  Wt^rke  Cavalli's  und  Ges- 
ti's  Vicrteljahrsschrift  für  Muaikwisacuseliaft  Viil,  8. -lUi. 

3;  A-  a.  0.,  S.  123. 

4)  Da  der  Orfeo  durdi  die  NeuauRgabe  Jedermann  zaganglich  ist,  wird  an  Noten- 
iN^spiden  nur  das  cum  YerBÜndnis  Notwendigste  mitgeteilt. 


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166 


Alfi-ed  Heuß,  Die  Instrumental-Stücke  des  >Ürfeo«. 


Hier  ist  das  gleiche  Motiv  viennal  und  zwar  auf  den  Akkord-Tönen 
des  c^woli-Akkordes  wiederholt  Das  Ritomell  bekommt  durch  diesen 
planvollen  Aufbau,  den  man  mit  dem  Bau  einer  Mauer  aus  gleichen 
Quadersteinen  vergleichen  könnte,  etwas  ungemein  Straffes;  wie  gemeißelt 
steht  der  kleine  Bau  vor  uns;  wenn  irgendwo,  dann  kann  man  hier  den 
Vergleich  der  Musik  mit  der  Architektur  bringen.  Auf  diesem  marmor- 
harten Unterbau  erheben  sich  nun  die  anderen  Stimmen.  Es  würde  nidit 
wegzuleugnen  sein,  daß,  wilrde  Monteverdi  die  andern  Stimmen  analog 
(lein  zwcitaktigen  Baß-Thciii:i  anlegen,  das  Ganze  einen  schematisclien 
Eindruck  machen  würde.  Wer  aber  diese  Ritornelle  zum  ersten  Male 
hört,  der  kommt  gar  nicht  darauf.  daH  or  es  hier  mit  Sequenzen  ZU  tun 
hat,  während  doch  solche,  in  diesem  Malie  »nizewondet,  sii  Ii  dem  unmusika- 
lischsten Menschen  aufdrängen  würden.  Der  Grund  liegt  in  rinom  lic- 
souderen  Kun'stirriff  Monteverdi's,  den  er  in  dor  geistreichsten  Art  und 
Weise  anwendet,  nämlich  in  d*  r  Stimmen-A'ertaux  hung.  Dieses  Mittel  ist 
nicht  original;  Monteverdi  faiul  es  in  der  Vokal-Musik,  insbesondere  in 
den  Madrigaion  vorgebildet,  (iewöhnlich,  wie  auch  in  unserem  Falle, 
sind  OS  zwei  Stiiniiion,  die  mitoinnndor  rivalisioron.  indem  br»ld  dio  orste, 
bald  die  /.wrltc  durch  die  Tonhöh»-  dniiiiiuCrt ;  jcdr  Stiuniie  hat  ilir  eigenes 
Tliema  und  so  entstehen  durch  ditM  riutausc  huni,'»  n  immer  ganz  neue 
Effokto.  Hier  in  nns«'rm  VnWr  ist  r^  l  ino  simut-iclui  Abweclishmtr  dor 
Ki'idcn  (M*sten  Stimmen;  /.ut  i>t  lir^M  ( 'antus  I  mit  seinem  Thema  oben, 
ilann  (  'autu.>ll  mit  dem  ht  iniL'i  ii  »'iin' (Juinte  höher,  dann  Cautus  II  mit 
dem  Tin  iiia  dos  ersten,  während  di»  si  i  das  zweite  hat;  der  Schluß  ist 
frei.  Für  das  Munteverdi'sche  Secju»  n/.-A'(  rfahren  ist  dieser  Stimmen- 
Austausch  überaus  wichtig,  da  hierdurch  die  ;iufdringlicho  Art  der  S(  i|Ut  uz 
ungomciu  veredelt  und  das  fatale  »Man  merkt  die  Alj>ichL  und  wird 
verstimmt«  glänzend  umgangen  wiid ;  es  bleibt  einzig  das  Positive,  durch 
dieses  Verfahren  dne  ungemeine  Konzentration,  ein  Zusammenpressen  er- 
reicht zu  haben,  die  durch  gar  nichts  anderes  in  diesem  kleinen  Rahmen 
erreicht  werden  kann.  Denn  daß  sich  diese  Verwendung  der  Sequenz 
nur  fUr  Tonstucke  kleineren  Umfangs  eignet,  bedarf  keiner  näheren  Dar- 
legung. 

Der  Grund  fttr  Monteverdrs  Verfahren  ist  aber  ein  tief  innerlicher 
und  schreibt  sich  von  dem  ganz  bewußten  Streben  her,  ein  scharfes,  ein- 
heitliches Bild  zu  erhalten,  das  absolut  durch  kein  Beiwerk  an  Deutlich- 
keit verliere.  Die  Sequenz  ist  Monteverdi  der  schärfste  Regulator,  sozu- 
sagen nicht  den  kleinsten  Strich  über  die  Zdchnung  hinauszumachen. 
Was  ^fontevordi  dadurch  erreicht,  ist  denn  auch  etwas,  was  in  dem  winzigen 
Raum  beinah**  unmöglich  erscheint:  die  prägnante  Darstellung  einer  Idee. 
Monteverdi  will  uns  mit  diesem  Kitornell  offenbar  nichts  anderes  als  eine 
Idee  seines  Dramas  geben;  der  herbe  Charakter,  der  in  den  starren  Baß- 


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Alfired  Heuß,  Die  Instnunentai-ätüicke  des  »Orfeo«. 


189 


Schritten  zum  Ausdruck  küiumt,  versclirailzt  durcli  die  ^lelodie-Stimmen 
zu  einer  ganz  eigenartig  elegisch  verschleierten  Stimmung,  dem  Grund- 
wesen des  »Orfeo.  >  Monteverdi  gibt  selbst  den  Gedanken  in  die  Hand, 
dieses  Anfangs-BitomeU  sozusa^n  als  leitende  Idee  aufzufassen:  zweimal 
(naclidem  es  während  des  Prologs  sich  dem  Hörer  durch  öfteres  Erklingen 
eingeprägt  hat)  erscheint  es  im  Verlauf  des  Musik^Dramas,  und  zwar  an 
den  wichtigsten  Stellen ;  zum  ersten  Mal  nach  dem  zweiten  Akt:  das  Unglück 
ist  eben  geschehen,  der  Chor  hat  zum  wiederholten  Male  seinen  Klage- 
Gesang  »ahi  easo  acerbo*  erklingen  lassen,  da  tönen  plötzlich  auch  wieder 
die  bekannten  Klänge  des  Schicksals-Stückes  zu  uns:  Orfeo  rüstet  sich  zu 
dem  grausigen  Gang  in  die  Unterwelt.  Und  wieder  erscheint  es  nach 
dem  4.  Akt,  als  Orfeo  ohne  Euridice  auf  die  Erde  zurückkehrt  (also 
wieder  bei  einer  Wendung  im  Schicksal  Orfeo^s).  Aber  jetzt  tönt  es 
uam  dumjJ:  <lio  hellklingenden  Blas-Instrumente,  Cornette  und  Kc'iale, 
auch  die  Trombonen  schweiiren.  nur  dunkle  Violen  und  fast  durchwegs 
Akkord-Instrumente,  niimlirli  nach  Monteverdi's  eigener  Angabe  O/v/a;//, 
(irnvicemUili,  Arpi,  Chflaroni,  Avagcn  es  zu  bringen,  wodurch  jedenfalls 
otwas  Dumpfes.  Zuckendes  (durch  di<  vi»  1»  ii  Akkord-Tnstrnmentci  sich  in 
dem  Sjn^'l  ausdrückte:  es  ist,  als  ob  das  Schicksal  selbst  mittrauerte. 

Es  gibt  wohl  kaum  ein  zweites  Beispiel  in  der  Opern-Geschichte  des 
17.  .rahrliiniderts,  in  welchem  ein  Instrumental-Stück  so  zum  geistigen 
Tr-iL'f'r  für  dif  L'nnze  Oper  geworden  wäre.  Denn  wiewohl  das  Stück  mit 
lulorneUo  be/.»  1(  Imet  ist,  also  das  Wiederkehren  [Rifomdh  von  riioniarc] 
im  Xamen  lie<it,  so  bezieht  sich  die>cs  in  anderen  Fällen  doch  immer 
nur  auf  das  Wiederkehren  zwischen  den  einzelnen  Stropiiin  eines  ije- 
schl(»ssenen  (Jessinijes.  DiVs.  s  ixitornell  geht  aber  iiiimiirlweit  Uber  die 
ui^prüngiieiie  Heti^iitim^  und  An\ven((ung  des  Uitormllft  liinan^:  es  ist 
«'in  Ritornell  im  weit-  ten.  sozusajL'en  iilealen  Sinne.  Hier  kann  man 
2;)0  .bibre  vor  Wagner  au  Li  itiii<>ti\i  »Irnk.  n.  da  es  sich  au-  d.m  irleieiien 
Prinzip,  aus  der  Idee  des  mu>ikali^t  lien  Ihania.^  iRrschreibt.  Xat  hlülger 
hat  gerade  hierin  ^Fonteverdi  nicht  gehabt.  Dies  ist  beinahe  natürlich;  die 
Idee  konnte  auch  nur  dem  0 eiste  einer  wirklichen  Tragödie  entspringen. 

Schon  dieses  Ritornell  zeigt  klar,  daß  Moateverdi  die  Ritomelle,  wie 
leicht  der  Name  in  seiner  späteren  praktisclien  Bedeutung  uns  andeuten 
könnte,  nicht  hintangesetzt  haben  wollte.  Natürlich  sind  nicht  alle 
von  der  gleichen  Wichtigkeit  für  das  Drama  selbst,  noch  ist  auch  ihr 
absolut  musikalischer  Wert  ein  gleich  bedeutender.  Mehrere  spielen  keine 
gidfiere  Bolle;  doch  haben  alle  ihre  ganz  besondere  Physiognomie,  welche 
zu  einer  niUieren  Besprechung  verlocken  könnte.  Doch  begnügen  wir  uns 
mit  dem  wichtigsten,  zumal  einige  noch  aus  ▼erschiedenen  Gründen  be- 
sprochen werden  müssen. 

Im  wresentlichen  weisen  die  anderen  Ritomelle,  wie  bereits  anfangs 


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19Ü 


Alfred  Heul3,  JJie  lustrumeatal-Stücke  des  *Orfeo<. 


bemerkt,  den  gleichen  Bau  auf:  das  ganze  Stück  ist  ans  Sequenzen 
gearbeitet  Nicbt  immer  sind  aber  die  einzelnen  Stimmen,  wie  in  dem 
ersten  Beispiel,  streng  sequenzmäBig  gebildet,  und  nicht  immer  wird  der 
Eiindruck  der  Sequenz  durch  Stimmen-Umtausch  rerwischt.  In  verHchiedenen 
Fällen  machen  die  Oberstimmen,  während  der  Baß,  der  eigentliche  Haupt- 
träger des  Ganzen,  sequenzm&Big  fortschreitet,  neue  Melodie-Bildungen, 
wodurch  der  Gredanke  an  die  Passacaglio-Methode  nahe  gelegt  wird.  Ein 
Beispiel  hierfür  bietet  das  Bitomell  im  1.  Akt'),  welches  nach  dem 
Ballett-Chor  "Lasciali  i  monii*  erklliiL't.  Der  Aufhau  ist  hier  bedeutend 
weitzügiger;  der  BaB  hildet  sich  sein  Thema  aus  einer  Secjueuz  und  ist 
in  seinem  zweiten  Teil  (I.  Takt)  eine  genaue  Reprise  in  der  Dominante, 
ein  sehr  frühes  Beispiel  dieser  Satz- Auf  Stellung.  (Der  zweite  TeÜ  ist  eine 
ausgeschriebene  Kepetition  des  ersten,  also  AB.  AB.) 

^    NB. 

3    i  es« 

Dir  Au^Jtrabo  von  R.  Eitnor  enthält  liior  hei  N  H.  einen  kleinen 
Irrtum:  this  OriiriiKil  Meist,  w'w  der  Herausi^eber  seihst  angieltt,  hfi  NB. 
den  Durdit.'ikl;aii;  auf  ilcr  IJaliimto  l\.  also  qis  auf,  und  die  Terz  uiuli  auch 
analog  der  kurieaj)i>ii(lit'r(  H<k*u  Stelle  im  ersten  Teil  sd  licilien,  wu  elion- 
falls,  trotz  des  stärkten  t^uerataudes,  das  analopr  ris  der  Fehler 

liegt  nicht  au  dem  (jh  der  zweiten  Stiuiiue,  soiuleiu  au  dem  g  dfs  Alts, 
der  uaeh  t  gehen  muß.  Das  Charakteristische  der  Stelle  hegt  gerade 
im  Wechsel  des  C-ilur  und  A-iiur^  beziehungsweise  G-üur  und  E-dur 
Akkords'). 

Was  die  Melodie-Stimmen  anbetrilft  so  bmerke  man,  wie  die  Melodie 
im  zweiten  Teile  anders  gebildet  ist  als  im  ersten  und  wie  frei  und 
unbekümmert  sie  ganz  andere,  gesteigei*te  Wendungen  vornimmt. 

Aus  einem  ähnlichen  Grunde,  nämlich  dem  einer  Korrektur,  muß  das 
Bitomell  auf  Seite  158  der  Neuausgabe  besprochen  werden.  Auch  hier 
haben  wir  die  Sequenz-Schritte,  .aber  wieder  in  etwas  anderer  Gestalt. 
Man  muß  wirklich  erstaunt  sein,  wie  Monteverdi  aus  dem  gleichen  Prinzip 
immer  wieder  neue  Kombinationen  herausfindet;  denn  dieser  große  Meister 
ist  meilenweit  von  jeglicher  Schablone  entfernt  Das  Ritomell  bringt  die 

■ 

1]  s. 

2)  Beido  Drucke,  der  von  1609  and  16lö  ^Berlin  und  Breslau^  bringeu  diesen 
Fehler  (3.  Stimme),  beide  auch  das  gU  in  der  2.  Stimme.  Die  Stelle  ist  aber  zweifel- 
los SU  ^'Pintint.  wii-  sie  vei liossort  worden,  und  eigibt  aich  gerade  aus  der  Erkennt« 
nis  der  äequeuz-Üilüuug  Monteverdi^s. 


üiyiiizeü  by  GoOgle 


AUred  HeaOi  Die  InstmmQiital-StQcke  d»  »Orfeo«. 


191 


Se«nionz  im  BaR  viermal,  aber  die  beiden  letzten  in  der  Umkehrung,  ein 
Verfahren,  diis  wir  später  auch  bei  den  mit  Sinfonien  Uberschriebenen 
Ton«5tü(  ken  angewendet  tin«h  n  w(Tden. 

]i'  k:iimt  ist  diese'?  Ritoni«  !!  jedem,  der  «^ich  einmal  mit  dem  >Orfeo* 
beschäftigt  hat,  durch  seine  luerkwUi'dige  iihytlimik.  Wie  das  Stück  im 
Neudruck  vorliegt,  ist  man  gezwungen,  dasselbe  mi  '^/i-Takt  uufzu  fassen, 
da  sich  anders  die  Sechzehntel-Noten  in  den  zwei  Oberstimmen  nicht 
uülerbringeu  lassen.  Monteverdi,  der  in  rhythmischer  Beziehung  einer 
der  reichsten  Meister  ist,  wäre  zwar  ilit  se  zu  allen  Zeiten  ungewöhnliche 
Taktart  allenfalls  zuzutrauen,  wenn  nicht  tlas  darauffolgende  Lied^)  des 
Orfeo,  das  Ähnlichkeiten  mit  dem  Ritomell  aufweist,  den  "/4-Takt  kate- 
gorisch verlangen  würde;  ein  Wechsel  im  Rhythmus  zwischen  einem  Lied 
und  dem  dazu  gehörenden  RitoraeU  spricht  aber  ganz  gegen  das  Wesen 
desselben').  —  Die  in  beiden  Drucken  (1609  und  1615)  und  in  der  Neu- 
ausgabe zwischen  den  Noten  stehenden  Dreien  gehdren  nicht  hindn.  Wie 
ne  hineittgekommen  sind,  ist  rätselhaft;  bei  den  Wiederholungen  des 
Bitomells  fehlen  sie  auch  gänzlich.  Der  Neudruck  bringt  aber  eine  Ab- 
veicfaung  vom  Originaldruck,  indem  in  jenem  statt  eines  Achtels  ein 
Sechzehntel  (es  ist  die  achte  Note  im  Oantus  I,  die  sechste  im  Can- 
tos  n)  steht').  Der  vom*  Herausgeber  benutzte  Druck  von  1609  ist  an 
dieser  Stelle  undeutlich.  Statt  aller  weiteren  ErÖrtemngen  gebe  ich  das 
Ritomellf  das  im  V4~^^l(^  vollständigem  Wegfallen  der  Triolen- 

Bewegung  stehen  muß,  als  Beilage  I.  Der  im  zweiten  Teil  etwas 
befr^dende  Rhythmus  ist  bei  Monteverdi  absolut  nichts  Ungewöhnliches; 
er  findet  sich  genau  in  einigen  seiner  SrJfcr\i  mftsieali  vorgebildet,  was 
aii(]i  die  Gewißheit  für  die  oben  gegebene  Auslegung  des  Ritomelles 
gab.  Die  Scher\i  luusicali^]  sind  für  das  ^'n  st.lndnis  Monteverdi*8  und 
zwar  insbesondere  für  dessen  »Orfeo«  ununjgiinglich  notwendig;  das  leichte, 
fTii]ili(  he  Blut,  das  in  den  dreist imnii^'cn  Gesängen  der  Hirten  fließt,  rollt 
l)einahe  noch  übermütiger  und  kecker  schon  in  diesen  ganz  reizenden  drei- 
stimmigen Liedchen.  Um  von  ihnen  einen  Begriff  zu  geben  und  besonders 

1  Es  ist  fiiK'ntüinlieli.  tlal3  Imh  dahin  iioeli  vuii  Niomaiuiem  ltftn«^rkt  wuHf.  iliiP 
ieser  Oeaaug  Orlco'a  »Fi  ricorda*  cUeul'alla  ein  dix'itcÜigor  Satz  iLicdl'orm,  ist; 
H.  (}oldtchinidt  redet  wemgsteo»  noch  in  seiner  letzten  Publikation  (Studien  zur 

GtjschicUte  der  italicnis^elieii  Oper)  DUT  VOn  dem  dr«'i(eilitifu  Satzf  zu  Beginn  des  zweiten 
•Vktes.  S.  lö;  ebenso  ist  es  Ivti!"'-  entgangen.  Man  darf,  da  diese  Iteitlen  (ti  sUn^'e  der 
gl'iehen  elegischen  Stimmung  OrtVo's  Ausdruek  gelten,  dies»'  äciM  r»'  r'ternin^timmung 
dem  bewußten  künstlerischen  Scharten  Monteverdi's,  das  aut  Einliehliehkeit  zielte, 
QKhreiben. 

2}  Die  einzige  Aasnahmc  und  Erklärung  «ehe  S.  194  dieser  Arbeit. 

3  Ein  Vergleich  mit  dem  Druck  von  1615  (Brealaner  Stadt-Bibliothek}  eigab  das 

Sr'leiche  Restiltut. 

ii  3d.ir  von  Herrn  trol".  Kretzschmar  IVeuudUclist  zui'  Verfügung  gestellt. 
&d.i.]i.  IV.  13 


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192 


Ai&ed  Heußi  Die  Insirumental'SlUcke  de«  »Orfeo«. 


um  den  jranz  gleichen  Rh\-thmus  iiiul  die  beinahe  gleiche  Melodie  zwischen 
diesem  und  dem  besprucliencn  Kitüiiiell  uachzuweisen ,  folgt  als  Bei- 
lage II  eines  dieser  Scherxi  musicaU.  Das  Ritornell  mit  seinen  scharfen 
Melodie-Wendungen,  seinem  fröhlichen,  unbesorgten  Lihalt,  mdem  die 
Secluielmtel-FftaBagai  der  Welt  ihren  Lauf  zu  lassen  sdieinen,  bildet 
einen  kleinen,  Uberaus  wohltuenden  Kontrast  zu  dem  elegischen  Gesang 
des  Orfeo,  was  vielleicht  noch  mehr  zu  Tage  treten  wUrde,  wenn  das 
lütomell  nicht  so  stark  instrumentiert  wäre.  Gerade  die  häufige  An- 
wendung des  fUufetimmigen  Satzes  läßt  vielleicht  einige  Beziehungen  zu 
Frankreich  vermuten,  da  dort  der  fttnfstlmmige  Instrumentalsatz  oft  als 
Nonnalsatz  ersdieint*). 

G^öhnlicfa  sind  sonst  die  Bitomelle  leichten  Charakters  und  drei- 
stimmig, ganz  so  wie  die  der  ScJierju  musietdL  Ein  charakteristisdies 
Beispiel  ^  findet  sich  im  zweiten  Akt  nach  dem  Lied  Orfeo*s:  »Eoco  purch'  a 
voi*.  Kaum  hat  Orfeo  sein  wunderbares  (dreiteiliges)  Lied  gesungen,  so 
poltert  ein  überaus  bewegliches  Kitornell  hervor,  das  zu  dem  Gesang  des 
Hirten  gehört,  der  Orfeo  ein  Kompliment  für  seinen  (besang  macht  Der 
Hauptreiz  lio^rt  in  dem  polternden  Baß.  der  in  fortwährenden  Sequonzrn 
immer  höher  steigt  und  eine  sehr  >tidele«  Physiognomie  zeigt,  während 
die  zwei  anderen  Stinmien,  zwei  Ohitaronen  und  zwei  französische  Geigen, 
immer  hübsch  ausweichen. 

Nicht  ganz  uninteressant  dürfte  sein,  daß  man  mis  dom  Ritomoll 
sieht,  wie  genau  Monteverdi  für  die  vorj^ozeiclmoten  Instrumente  scliricl). 
Der  tiefste  Ton  für  die  französischen  Geigen  wnr  c  .  Den  Ton  unter 
di(sem,  //,  Ijütle  Montevordi  für  die  zweite  Stimme  brauchen  sollen,  um, 
wie  in  all  don  audrun  aualogen  Fällen,  diese  mit  der  ersten  Stimme 
in  Ttr/cn  weiter  plien  zu  lassen;  stiitt  dessen  ist  er  an  einer  Stelle 
jrezwungen,  einen  Ton  höher,  nach  d'  zu  gehen,  wodurch  Einklang  ent- 
steht.   Es  ist  der  neunte  Ton  der  zweiten  Stimme. 

Eines  der  eigenartigsten  Kitomelle,  das  uns  den  Meister  im  schärfsten 
Lichte  zeigt,  ist  in  dem  so  ühm  t  ichen  »Orfeo«  das  auf  Seite  141  der 
Neuausgabe,  welches  scLou  durch  seinen  ubcraui»  kuiibivuUcu  Bau  eine  ganz 
beson<lere  Stelle  unter  den  durchweg  mehr  harmonisch  angelegten  In- 
strumental-Stücken Monteverdi's  einnimmt  Das  Brautpaar,  Orfeo  und 
Euridice,  hat  sich  in  den  Tempel  (liinter  die  Bühne)  begeben;  man 
bringt  den  Göttern  ein  Opfer  dar.  Was  Monteverdi  mit  den  Listru- 
menten sagen  will,  ist  denn  auch  nichts  anderes,  als  die  Würkung  und 

1  Vw^leiche  die  bei  Ainbros  niitjroteilten  Ritnrnelle  (IV,  8.21  ff.  eine«  1881 
im  Schlos««-  7*\  M  iiititis  :i1i;rfh?i)tf'r!fn  Balletts,  die  alle  fütifstiinmicr  ^'\r\f\  Hingegen 
tritt  die  rdnlstiininige  Besetzung  in  den  t'onstückeu  der  Kollektion  Phüidor  (bespro- 
chen von  Wasieldwski,  Vierteljalirsächrifl  (Ur  Musikwimemchftft  I,  8.  533,  nicht 
als  voriiemchend  auf.        8]  S.  160. 


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Alfred  Heaß,  Die  Xnitnnne&ial-^tficke  d««  »Orfeo«. 


193 


tleii  Eindruck  von  aus  eiiu  r  Kirche  hertönendem  Orgt  lspiel  zu  ei*zielen; 
(las  Stück  weist  ganz  den  Orgelstil  dieser  Zeit  auf  und  i«;t  iiirlits  an- 
deres als  ein  Ricercar,  eine  der  gebrüucliliclisten  Formen  füi-  Orgel, 
für  welche  die  Komponisten  am  mei^^ten  Sorgfidt  und  Kunst  verwendeten. 
Aber  auch  hier  sieht  man  wieder,  wie  Monteverdi  eine  Form  niciit  i)hne 
weiteres  Iiiniibi  rnimmt,  sondern  sie  je  nach  seinem  Zweck  inodiliziert. 
Das  Ritnrncll  ist  ein  kanonartiges  Stück  aus  lauter  Scujutiizen;  wiihrend 
aber  die  liitercars  und  ähnlich  fugierte  Stücke  eine  Stimme  nach  der 
andern  einsetzen  lassun,  bringt  Monteverdi  beinalie  alle  fünf  Stimmen 
zugleich,  indem  er  sofort  mit  mehreren  Khgliihrungen  anfitniit:  er  operiert 
vorläufig  mit  zwei  Themen  (das  zweite  in  dw  zweiten  Stimme);  wie  ge- 
vöhnlicb  liegt  das  Haupt^Thema  im  Baß.  Die  erste  Stimme  setzt  mit 
dem  Hanpt-Tbema  ein  Uein  wenig  später  ein;  in  der  dritten  Stinune  er- 
gabt sich  aber  Monteverdi  die  Efihnbeit,  dasselbe  um  einen  Notenwert 
n  verkürzen,  wodurcb  bewirkt  wird,  daß  man  gleidi  mitten  in  der  Sache  ist 
Der  Grand  dieses  Verfahrens  ist  ein  tief  innerlicher  und  liegt  in  einer 
dramatischen  Anschaumig,  die  später  für  die  Komponisten  der  Tenetia- 
tuschen  Schule  maßgebend  ist:  nämlich  nicht  lang  und  umständlich  zu 
entwickeln,  wozu  die  fugierte  Schreibweise  TerfOhrt,  sondern  gleich  mit 
dem  Kern  der  Sache  da  zu  sein,  mit  ein^  Ruck  in  die  Situation  hinein« 
zuführen.  Monteverdi  wollte  kein  eigentliches  Orgelstttck  schreiben,  so 
wie  man  sie  in  der  Kirche  spielte;  er  wollte  mit  ihm  vielmehr  die  Wirkung 
kervorbiingen,  die  ein  solches  Orgelspicl  ausübt,  und,  hirr  li^  das  Ge- 
niale, zwar  eines  solchen,  das  von  der  Ferne  herüberklingt;  es  ist  auch 
nicht  unwahrscheinlich,  daß  dieses  Bitomell  von  einem  ziemlich  weit  hinter 
der  Bühne  aufgesti  llt«  n  On  hostcr  ausn;pführt  worden  ist.  Das  Stück  ist 
Ton  einer  überraschenden  Natunvahrheit;  was  Monteverdi  in  diesem  Stücke 
aasdrückt,  beruht  auf  pinf^r  Wahrnehmung,  die  jeder  machen  kann,  der 
an  einer  Kirche,  in  der  Orgel  gespielt  wird,  vorübergeht;  er  hört  nicht 
ein  •  inheitliches  Musikstück,  sonib  rn  m*A\v  «  in  Durcheinander  von  Tönen. 
Ganz  diesen  Eindnirk  macht  nun  auch  der  erste  Teil  dieses  Ritomells; 
f'S  ist  ein  Dun  ht  iiuindcrscbwirrrn  von  Tönon,  krino  Note  scboint  zur 
itnderen  zu  pausen,  daß  man  beinahe  an  seinen  ( »lin  u  zweifelt;  und  doch 
ist  das  Ganze  mit  der  alb>räußersten  Gesetzni;ißii,'keit  aufgebaut,  aller- 
dings mit  einer  Hück^iclitslosicrkcit,  einer  eisernen  Konseipienz,  wie  es  in 
tler  gesamten  musikulisciien  Literatur  außer  den  Messen  de»  gluicheu 
Meister**  kein  zweites  Beispiel  ereben  dürfte;  die  schärfsten  Dissonanzen 
werden  nicht  gescheut,  lieaiulie  eine  drängt  die  andere. 

J):is  Hiturnell  /ertiiUt  in  zwei  Teile,  deren  zweiter  die  ungemeine 
Herbheit  des  ei*sten,  eben  besprochenen  mildert,  dafür  ein  geradezu 
geniales  Kombinieren  und  gleichzeitig  ganz  selbständiges  Durchführen 
dreier  Motive  bringt;  zu  den  zwei  vorhergehenden  tritt  noch  ein  drittes 

13» 


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194  Alfred  Heuß,  Die  Instrumental-Stücke  des  »Orleo«. 

<las  in  erster  Linie  die  Aufuierksanikeit  auf  sich  zieht;  dieses  dritte  Thema 
sclieiut  mir  das  vorhergehende  Programmbild  noch  zu  erweitem,  indem 
Monteverdi  mit  dem  Motir 


—    ^  — 


OL 


1 


etc. 


DT' 

nichts  anderes  als  <  ihtckr-njreläute  amkuU-u  müI,  wülircud  die  anderen 
Stimmen  ilinni  Orgelpart  ruhig  weiterfüliren.  Wer  denkt  bei  dem  gleich- 
zeitigen Erklingen  dreier  Themen  nicht  an  das  Meistersinger- Vorspiel! 

Noch  aus  einem  weiteren  Grunde  ist  dieses  HitomeU  interessant;  es 
ist  das  einzige,  das  in  der  TaJttart  von  dem  des  Chores,  zu  dem  es  zu 
gehören  seheint,  abweicht  (V2  g^g^n  ^.4;.  Doch  hat  dieses  Abweichen 
von  der  Regel,  die  Monteverdi  selbst  sonst  überall  beobachtete,  seinen 
tiefen  Grund,  der  einen  Beweis  von  dem  überaus  scharfsinnigen  künst- 
lerischen Denken  des  Meisters  und  seinem  Ausarbeiten  einer  Idee  bis 
aufs  feinste  giebt.  Monteverdi  will  mit  dem  Taktwechsel  noch  schärfer 
andeuten,  dafi  das  Stück  vom  Tempel  herklinge  und  mit  dem  Gesänge 
der  Hirten  absolut  nichts  zu  tun  habe.  Bitomell  hat  er  es  deshalb 
genannt,  weil  er  es  dreimal  zwischen  den  einzelnen  Chören  verwendete. 

Monteverdi  ist  interessant  und  neu,  wo  man  ihn  auch  anfassen  mag; 
jedes  seiner  Stücke  hat  trotz  der  Über>  insthuinung  in  den  Grund- 
zügen der  Form  etwas  ganz  Eigenes  an  bich,  sei  es  in  Fem  oder  Ge- 
halt. So  eriJffiict  einen  sehr  lehrreichen,  für  die  Instrumental-Musik 
doppelt  wertvollen  AusbHck  das  Kitornell  1 ,  welches  erklingt,  als  Apollo 
und  Orfeo  zum  Himmel  gefahren  sind  und  das  Volk  seiner  Freude  üher 
dieses  Frcii^nis  und  die  glückliche  Lösung  des  Ganzen  Ausdruck  giebt. 
Dieses  Hiti»riu'll  wird  i^hneh  darauf  vom  Chore  in  seinen  allgemeinrn 
l'mrisspTi  Id  iuit/.t .  am  l)r>tt;n  erhalten  bleibt  dt  i"  IliH;  eine  Geir''n- 
überatellung  vnn  lust ruinr utal-  und  Vokal-iSatz  er.mclil  alx'r,  daB  der 
erstere  einen  künstlt  ri^i  lnuvn  Satzbau  aufweist  ala  dei-  Cliorsatz,  der 
schlicht  tanzartig,  ininit,r  vier  und  vier  Takte  zusannueiininunt  Der  In- 
strunifUtal-Satz  hat  aber  die  Form  A.TVA.,  also  droiteilij^e  iSatzfunu  und 
zwar  mit  der  VarianU-,  daU  der  dritte  Teil  in  eiiur  anderen  Tonart  .sieht, 
nach  unserer  Ansdrucksweise  in  der  Unterdominante;  di<'s  nmßte  deshalb 
der  Fall  sein,  weil  der  erste  Teil  in  die  Dominante  modulierte,  weshalb 
Monteverdi,  um  auf  seinen  Ausgangspunkt  zui  ückzukommen,  auf  diese 
Weise  verfahren  mußte.  Beinahe  das  ganze  Jahrhundert  sudit  nach 
dieser  ebenso  planvollen,  für  uns  so  selbstverständlichen  Anordnung;  aber 
noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  passiert  es  gelegentlich 
Meistern  allerersten  Banges,  daB  ihnen  bei  einem  solchen  Falle  ein 

1}  Siehe  S.  225  If. 


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Alfred  Heuß,  Die  Instnunental-Staclce  des  »Orfeo«. 


195 


Ft'lilcr  mit  iintcrliiuft,  wie  an  srincni  Üite  '^i'/.vhjt  wcrdni  wird.  Icli 
i:*  1)0  Melodie-  und  Baßstimme,  um  die  drei  Teile  besser  kemitiich  zu 
macheu: 


^0~m^       M.Aßt — _ 

- —  1 — _ — w_   — 1 

A  

I. 

±:jiäf^ —    '    u  r  i 

• 
• 
• 
• 
• 

-r 

-^^^ 

j-.u-f:  1 

-1 — i-»^ 

r  * 

n. 

• 
• 
• 
* 

-^^  » 'j^F^.-lt-f-ll 

m. 

NB. 


Das  ist  rill  L'an/  rc^M-lnHlitt  r  ili-citt-ili^rr  .Satz,  so  plaiivull  crriclittt, 
die  eiii/.elnen  Teile  so  zwanglos  miteinander  verbumlen,  da/.u  der  zweite 
Teil  in  benachbarte  Tonarten  modulierend  und  ^anz  aus  Motiven  des 
ersten  j^ebildet,  und  auf  di<'se  Art  im  kleinsten  MalJstal)  der  Tn->tiumental- 
Musik  die  Lehren  weisend,  die  sit;  zu  c''dien  hatte,  nändich  themalisclie 
Ausnutzung,  sodaI5  man  wirklich  kaujii  um  Auiaug  einer  neuen  Kunst 
sich  zu  betinden  glaubt. 

Die  TTmbildung  des  Baßthemas  bei  NB.  erklärt  sich  aus  technischen 
GrOndeo;  die  Baßstimme  hätte,  analug  der  Stelle  im  ersten  Teil,  bis  zum 
Contra  C  hinuntersteigen  müssen,  da  Monteverdi  bei  solchen  Analogie- 
Bildungen  fiberaas  konse(|uent  Ter&hrt  Dieses  Contra  C  kommt  aber 
im  Instrumental->Baß  des  »Orfeo«  nicht  ein  einziges  Mal  vor  (nur  die 
Harfen  steigen  so  tief);  ein  ähnliches  Umgehen  dieses  Tones  findet  sich 
auf  Seite  202,  drittes  System. 

Die  Seqnenz-Arbeit  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  f Or  die  Bitomelle  im 
»Orfeo«  ein  geradezu  typisches  Kennzeichen;  die  Untersuchung  wird  ge- 
zeigt haben,  dafi  Monteverdi  dieselbe  durch  sein  Verfohren  auf  eine  un- 
gemein hohe  Stufe  gehoben  hat,  einmal  durch  die  wirklich  mottrische 


196 


Alfred  Heuß,  Die  Instrumental-Stücke  des  >ürfeo«. 


Bildung,  dann  dnrcli  den  Stiiimienwedisel)  ferner  durdi  die  Umkehrung 
des  Themas  und  dann  noch  durch  die  Yerhindung  der  Sequenz  mit  der 
Ciaconnaf  der  verschiedenen  Auslegung  des  Baßthemas.  Alle  diese  Fak> 
toren,  irelche  der  Mohtererdi^schen  Sequenz  ein  so  eigenartiges  Gepräge , 
geben  und  weit  entfernt  von  allen  schablonenhaften  Arbeiten  sind»  sie 
haben  mehr  oder  weniger  Schule  gemacht;  bei  dem  Tenetianischen  Opera- 
Sinfonien  werden  wir  sie  wieder  finden,  und  sclioii  iius  diesem  Grunde 
erklärt  sich  die  ausführliche  Auseinandersetzung  derselben. 

3«  Die  Sinfoniei. 

Uber  die  allgemeinen  Ünterscliiede  zwischen  Ritornell  und  Sinfonie 
ist  bereits  gesprochen  worden*). 

Obwohl  auch  die  Sinfonien  im  »Orfeo«  keine  große  Ausdehnung  ha- 
ben (die  längste  ist  15  Doppeltakte),  so  sind  sie  doch  durcbschnittUdi 
länger  als  die  Bitomelle  und  wirken  durch  ihr  last  durchgehend  lang- 
sames, breites  Tempo  mindestens  doppelt  so  läng.  Abgesehen  Ton  ihrem 
rem  musikalisehen  Wert,  dann  aber  als  Stücke  im  Zusammenhang  mit 
der  Oper»  sind  sie  auch  in  formeller  Beziehung  derartig  angelegt,  daß 
sie  eine  nähere  Besprechung  notwendig  machen. 

Die  Sinfonien  bieten,  wie  bereits  bemerkt,  ein  wesentlich  anderes  Bild 
als  die  Bitornelle;  schon  unter  sich  weisen  sie  größere  Unterschiede  auf 
als  die  ganz  einheitlich  gebauten  Bitornelle.  Haben  wir  bei  diesen  mit 
ihrem  kiystallklaren  Aufbau  eine  Yon  der  übrigen  Instrumental -Musik 
ganz  verschiedene  Kctinpositionsweise  gefunden,  so  ergeben  sich  bei  der 
Betraclitung  der  Sinfonien  starke  Anknüpfungspunkte  mit  Gabrieli. 
überhaupt  mit  der  übrigen  Instrumental- Musik,  auf  die  wir  vorher  in 
Kürze  einen  Blick  warfen. 

Hahon  wir  die  Ritonielle  in  der  Mehrzahl  als  die  Träger  eines  mehr 
fröliliclioii,  leicht  l)PAVO^:t(^n,  oder  doch  wr-ni^rstens  beweglicheren  Elementes 
kennen  irelerut,  und  wci  dcTi  wir  ihren  Urspnini,'  in  der  Volks-  und  Tanz- 
IVfusik,  jedenfalls  weltlicluT Kunst-i\rusik  Huden-),  so  müssen  wir  die  Quellen 
(h-r  im  riiar.ikter  durchwegs  enister  ^'rhaltenen  >Sinfonii-n  wo  amlers  su- 
chen. Viel  nielir  uovh  als  die  Kitornelie  weisen  dif  Sinfonien  ein  akkui- 
dibches  Wesen  auf,  ju  mau  kann  sagen,  liegt  der  Wert  der  Ritomellc 
in  dem  durchaus  prägnanten  Baßthema,  der  Reiz  aber  iu  den  Melodie- 
stimmen, kurz  in  klar  erkennbaren  Einzelheiten,  so  wollen  die  Sinfonien 
mehr  durch  Harmoniefülle,  durch  ein  Ganzes,  wirken.  Dies  wäre  un- 
gefähr derjenige  Unterschied,  der  von  "Winterfeld  ^)  zwischen  der  Kanzone 

1  Das  \:<1i>  r<  findet  sich  im  AoJwng  I  Nr.  2:  Sinfonie  und  BitornelL 

2;  Siehe  Anhang  I  dieser  Arbeit. 

'dj  Winterfeld,  Crabrieli  und  sein  Zeitalter  II,  S.  106. 


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Alfred  Heaß,  Die  Instrumental-Stücke  des  »Orfeo«. 


197 


imd  Sonate  gemacht  worden  ist,  und  der  von  den  Teiscliiedenen  Ver- 
suchen, die  beiden  InBtrumental*Formen  nacH  iliier  fcwnlellen  Seite  hin 
zu  erklären,  das  m«Bte  fflr  sich  hat.  An  und  fttr  sich  haben  im  äufieren 
Aussehen  die  Bitomelle  mit  den  Kanzonen  nicht  das  Geringste  gemein^ 
sam,  wohl  aber  weisen  die  Sinfonien  MonteTerdi*s  mit  den  Sonaten  Ga< 
hrieli's  manche  Berflhrangspunkte  auf,  und  dies  sowohl  in  ihrem  Chanücter 
(feierlich,  ernst)  als  auch  in  ihrer  Form  (breitere  Anlage);  eine  weitere 
Übereinstimmung  ergibt  sich  daraus,  daß  Monteverdi  die  Sinfonien  viel 
Toller,  bis  zu  acht  Stimmen  anlegt,  während  die  Bitomelle  nie  über  fünf 
Stimmen  hinausgehen.  Veigleicht  man  hingegen,  was  nahe  liegt,  Monte- 
Terdi*s  Sinfonien  mit  denen  der  Smfamae  sacrae  von  G.  Ghibrieli,  so  er- 
geben sich  grundlegende  Unterschiede,  die  in  erster  Linie  darin  bestehen, 
daß  die  Gabrieh'schen  Stücke^]  neben  dem  akkordischen  auch  ein  reich 
fugiertcs  Spiel  aufweisen,  während  die  Sinfonien  im  »Orfeo«  ein  ein- 
heitlich akkordisches  Wesen  zeigen.  Daß  man  bei  Montcverdi  eine  starke 
Bevorzugung  des  harmonischen  Stiles  feststellen  kann,  ist  eine  T  itsache, 
die  schon  Winterfeld  betont  hat,  indem  er  bei  dem  Vergleich  der  Gabrieli- 
schen und  Monteverdi'schen  Instniniental-Einleitungen  sagt,  sie  stimmten 
im  wesentlichen  überein,  nur  wende  Gabrieli  den  fugierten  Stil  an,  wäh- 
rend >die  Einleitungen  Monteverdi's  in  einfach  mehrstimmigem  Satz  ein- 
lierq-ehn « 2) ;  <üo  Konseqnenzen  zieht  er  aber  nielit  daraus,  und  dns  Kri- 
terium, »einfach  melirstinnnicrer  Satz^  })alU  doeli  nicht  so  jranz  auf  die 
Monteverdi'schen  ätückc,  wenigstens  nicht  auf  die  meisten  seiner  Sinfonien 
im  > Orfeo«. 

Ks  ist  daher  die  Frage,  wie  sich  Monteverdi  mit  ilem  harmonischen 
Satze  abfand.  Monteverdi  ist  eine  jener  großen  Künstler- Naturen,  bei 
denen  durch  ihr  franzen  Sehaffen  ein  einheitlicher  Zug  geht;  ob  er  schon 
bititelieudu  Formen  liiniiln  rnimmt,  oder  o}>  er  sie  selbst  schafft,  er  drückt 
ihnen  seinen  Stempel  auf.  —  So  tritt  denn  auch  Monte\crdi  au  d'w  Kompo- 
sitionen solcher  harmonisch  angelegten  Sätze  mit  ganz  anderen  Voraus- 
setzungen als  die  übrigen  Komponisten  seiner  Zeit;  ea  ist  das  bewußte 
Streben,  in  das  verwirrende,  sozusagen  uferlose  Wesen  dieser  Setzweise 
Ordnung,  das  heißt  Periodisierung  zu  bringen.  Wer  die  Instrumental- 
Musik  im  17.  Jahrhundert  gerade  darauf  hin  betrachtet,  der  ist  über- 
rascht, daß  es  so  hinge  dauerte,  bis  in  akkordisch  angelegte  Sätze,  wie 
wir  sie  in  den  Kanzonen  und  Sonaten  oft  als  langsame  Sätze  finden, 
ein  klar  periodisierter  Aufbau  zu  Tage  tritt.  Monteverdi  ist  nun  der- 
jenige, bei  dem  dieses  Prinzip  von  Anfang  an  mit  Bewußtsein  Tertreten 
ist,  aber  nicht  überall  mit  der  gleichen  Schärfe.   Und  gerade  in  diesen 

1)  Ver?lf«irhe  zum  Bf*i«piel  die  von  Wiuterfdid  neugedruckta  Sinlonia  aaera. 
A.  a.  0.,  S.  120  der  lieilagf  u. 

8)  A.  ».  0.  II,  8.  IIB. 


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198 


Alfred  Heuß,  Die  lastrumcutAl'Stücke  des  >Orfeo<. 


Terschiedenen  Graden  sieht  man  eo  recht  dentlicb,  worin  die  positive 
Neaenmg  in  Monteverdi's  instrumentalem  Schaffen  besteht,  wie  weit  er 
Rieh  oft  von  seinen  Zeitgenossen  entfernt  oder  sich  ihnen  nähert. 

AVir  betrachten  zuerst  diejenige  Sinfonie,  die  am  allerwenigsten  Monte- 
verdi's Eigenart,  gerade  auch  inbetrefif  eines  klaren  Aufljaues,  zeigt.  Es 
ist  dies  die  Sinfonie  im  fünften  Akt,  welche  gespielt  wird,  als  Euridice 
für  Drfeo  verloren  ist  und  Orfeo  zum  »TerhaUten  Lacht«  zurückkehren 
muB.  Die  Sinfonie  weist  keinen  so  prägnanten  Stiiuraung.sgeLalt  wie  die 
anderen  [nstrumental-Stücke  auf,  aber  sie  wird  jedenfalls  durch  geeignete 
Instrumentation  [besonders  Posaunen  und  Regale)  gewirkt  haben.  —  Xit  ht 
ß:my,  zufällig  ist  sie  vielleicht  auch  die  längste  (15  Doppeltakte\  d-  im 
irjJTeiid  Avcklier  Aufbau,  irtrend  welche  Periodisioning,  die  sich  durcii  Ka- 
djeuz-Sriirittc  kennzeichnen  krmnti',  ist  hei  ihr  nicht  /u  limli'ii;  da'^  Ganze 
ist  eine  eiu/.ic;«',  ziemlich  verwickelte  Kette,  in  der  einzelne  Teile  nielit 
unterschieden  werden  können.  Und  so  bildet  sie  denn  den  allenuerkwlu- 
digsteii  (Jegensatz  zu  den  iormell  so  durchsichtigen  Ritornellen,  in  denen 
oft  jeder  Takt,  wie  Stockwerke  an  einem  Hause,  für  sicli  alleiu  luHraehtet 
werden  kann'  i,  indem  die  Baß-Sequenz  die  Teilung  vornimmt.  Mit  dieser 
Sinfonie  steht  Monteverdi  g;ui/>  in  der  Tradition  d<  r  trüberen  Perioik'. 

Von  einer  ganz  anderen  Seite  zeigt  sich  uns  Monteverdi  in  der  Sin- 
fonie, die  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Akt,  richtiger  direkt  vor  dem 
zweiten  Akt^  zudem  sie  ihrer  Stimmung  nach  gehört,  gespielt  wird;  denn 
dieses  ^anz  herrliche  Tonstück,  dem  im  ganzen  »Orfeo«*}  in  dieser  Art 
nichts  Ahnliches  an  die  Seite  gesetzt  werden  kann,  bereitet  Orfeo^s  wunder^ 
bares  »Eeoo  purch'  a  voi*  vor,  mit  dem  der  zweite  Akt  beginnt.  Man 
würde  den  unvermittelten  Übergang  von  dem  fröhlichen  Hirtenlied  zu  dem 
mit  s{lBer  Melancholie  gesättigte  G-esang  Orfeo*8  vielleicht  ziemlich  staik 
empfinden,  wenn  hier  die  Instrumental-Musik  nicht  die  Bolle  der  Vor- 
bereitung und  Überleitung  Übernähme.  Die  Sinfonie  drückt  instrumental 
dasselbe  aus,  was  der  ihr  folgende  Gesang  Orfeo's  ausdrückt  und  zwar  in  ganz 
ebenbürtiger  Weise.  Solche  Töne  wie  diese  hatte  die  Tnstrumental-Musik 
noch  nie  angesohlten,  und  sie  sollte  sie  auch  sobald  nicht  wieder  an- 
schlagen; denn  gerade  in  der  Auffassung  der  Instrumental-^rusik  jüs 
derjenigen  Kunst,  welche  die  tiefsten  und  geheimnisvollsten  Seelen-Re- 
gungen anzugeben  vermag,  hat  ISronteverdi  vorläufig  wenigstens  unter 
den  Instrumental-Musikern  auch  nicht  einen  Nachfolger  und  konnte  auch 
keinen  haben.  Einmal  konnte  nur  die  Situation  in  einem  Drama  zur 
musikaliselu  ii  DarstellunL'  eines  dcnirtigen  Stimmungs-Gehaltes  führen,  imd 
dann  waren  den  Xnätrumental- Komponisten  dieser  Zeit  so  innig  gemüt- 


1  S<>  in  (Im  ersten  Kitonicll ,  das  Honteverdi  einige  Male  mit  dem  dritten 

Takle  begimieu  läßt,  S.  124.         2)  S.  148. 


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Alfred  Hcuß,  Die  Imtnuneutal-Stücke  des  »Orfeo«. 


199 


volle  Töne  rerschlossen,  da  es  wohl  ausgezeichnete  Musiker  und  teilweise 
sehr  findige  Köpfe,  aber  keinen  grofien  Künstler  in  dem  Sinne  eines 
Montererdi  oder  Oaralli  waren;  diese  muß  man  um  jene  Zdt  ganz  wo 
anders  sncfaen,  in  der  Oper  und  im  Oratorium. 

Der  Aufbau,  denn  von  einem  solchen  kann  man  hier  reden ,  ist  eine 
ganz  eigenartige  Verschmelzung  von  scharfer  Periodisierung  und  einer  nach 
allen  Seiten  frei  hin  verlaufenden  Melodiebildung.  Der  BaB  (man  bemerke, 
daß  derselbe  und  ebenso  die  Melodiestimme  die  gleichen  Anf  ang&-Schritte 
wie  bei  dem  folgenden  Lied  des  Qrfeo  aufweisen)  zeigt  einen  übersicht- 
lichen Aufbau,  indem  gewöhnlich  je  drei  Takte  zusammengehören,  wäh- 
rend die  oberen  Stimmen  die  Kadenz-Schritte  in  freier  Weise  mitmachen: 


— ^-     ■  ■  1  ■ — t 

 !>•  — «  1 

1 

...1  ^^.^..-A  1— -1- 

-f—l — * — ö-- 

'y\  r  r  ■ 

Eine  besondere  Stellung  unter  den  Instrumental-Stücken  des  Orfeo 

nimmt  die  Sinfonie')  ein,  welche  gespielt  wird,  als  Orfeo  in  die  Unter- 
welt hinabsteigt;  sie  ist  eine  V»  rwandlungs-Miisik,  wälm  iid  welcher  uns 
der  Komponist  von  der  Erde  in  die  Tiefe  Innabfiihrt,  das  früheste  Seiten- 
stück zu  der  Wotansfahrt  im  Wa^nier'scheu  »Rheingold*,  aber  in  der 
Art,  dali  Monteverdi  mit  seinen  lustrumentul-MusikstUcken  nicht  an  den 
grausigen  Ort  erinnern  will,  sondern  mit  iliiu  die  wehmütige,  elegische 
Stimmung  des  unglücklichen,  aber  was  wichtig  ist,  hoffnungsvollen  Orfeo 
srln'ldprt,  welch  letzteres  aus  der  ersten  Scene  des  dritten  Aktes  (bei 
Kitner  iortgelassen]  hervorgeht  Die  Sinfmiie  Itat  in  gewisser  Bo/ielning 
f'twa'^  Pn.ssives  an  sich,  es  ist  tin  Ausruhen  nach  den  schweren  Kreig- 
iiisi^en  di  s  Tiweiten  Aktes,  w«  Iche  die  Hiuer  aiifs  äußerste  hatten  er^rreifen 
müssen;  und  in  dil-^<  r,  wenn  der  Ausdruck  erlaubt  ist,  meiir  einsehen 
als  dramatischen  Ausdrucksweise  kontrastiert  sie  aufs  allorschärfste  mit 
der  nächsten,  im  Verhuife  des  dritten  Akl»  s  erschciueudeu  Siniunie  in 
y-tmAl,  welche  ganz  aus  der  Situation  lierausgeboren  ist.  Zu  verweisen 
ist  auch  auf  die  Echos  am  Ende  des  Satzes  fzwischen  den  einzelnen 
Stimmen  verteiltj,  welche  im  Charakter  des  clegiischen  Stückes  begründet 
liegen. 

Über  die  Instrumentation  kann  man  verschiedener  Meinung  sein,  weil 
1)  8. 179  der  Nea-Ansgabe. 


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200 


Allred  Heuß,  Die  Iiutrumeatal-StUoke  de«  >Orfeo€. 


die  Bezeichnung  der  Instrümente  hinter  dem  Tonstttcke  steht^  was  sonst 
nirgends  der  Fall  ist  Soll  man  diese  (Trombonen»  Oometti  und  Begah'; 
die  Violinen,  Organi  di  legno,  ClaTicembali  schweigen)  auf  das  voran- 
gehende Stttck  (unsere  Sinfonie)  oder  auf  den  folgenden  dritten  Akt  be- 
zidien, dessen  erstes  Instrumental-Musikstttck  aber  erst  nach  dem  ziem- 
lich langen  Gesprach  zwischen  Orfeo,  Speranza  und  Garonte  folgt?  Un- 
zweifelhaft paßt  die  Torgezeichnete  Listrumentation  viel  besser  zu  der 
Sinfonie  im  dritten  Akte,  indem  man  leicht  versudit  ist,  unsere  Sinfonie 
auf  Grund  der  schweren  Instrumentation  ins  Feierliche  zu  übersetzen, 
welchen  Charakter  aber  die  Musik  nicht  aufweist  Dem  steht  wieder 
g^penüber,  daß  es  sehr  sonderbar  ist,  eine  Bezeichnung  über  die  Wahl 
der  Instrumente,  welche  direkt  hinter  einem  Stücke  steht,  auf  einen  spä- 
teren, erst  im  folgenden  Akte  stehenden  und  durch  längere  Gespräche 
getrennten  Satz  zu  beziehen.  Vielleicht  wird  man  nicht  fehlgehen,  diese 
InstniTHontation  iiboHiaiipt  als  das  Kolorit  für  dit-  Srcnen  in  der  Unter- 
welt an/usclieii,  indem  Monteverdi  die  Ausnahmen,  die  er  hiervon  macht, 
im  Verlaufs  selbst  angibt. 

Die  Siufonie  ersclieiiit  noch  zweimal  in  dtr  rntoi  welt,  und  zwar  ist  ibre 
Verwendung  immer  die  einer  Ubergangs-Musik,  ein  Zeugnis,  ^UL  konse- 
quent Monteverdi  auch  in  dieser  Beziehung  veifalirt.  Als  Ürfeo  mit  dem 
Kahn  über  den  Fluß  fährt,  nachdem  ihm  seine  schwierigste  Leistung, 
das  Einschläfern  des  Charon,  geglückt  ist,  und  eben  in  sein  er  kneifendes 
*Iiendilc  >//f  iL  niio  betf,  Tiirfarei  Xz/n/i-  ausgebrochen  ist,  da  wird  man 
wieder  duich  die  gleiche  Sinfuiiie  an  den  Seelenzustand  des  kühnen, 
trauernden,  doch  immer  hoffnungsvollen  Orfeo  erinnert  Und  kaum  ist  sie 
erklungen,  so  erschallt  (wahrscheinlich  hinter  der  Bfihne)  der  Chor  der  Gei- 
ster: *Ntäla  impresaa  per  tum  si  tmta  invaima*  und  ritomellartig  kehrt 
die  Sinfonie  nach  dem  Gkistergesang  wieder  und  führt  als  Übergang  in 
den  vierte  Akt  zum  Herrscher  der  Unterwelt,  bei  dem  sich  das  Schicksal 
von  Orfeo's  Gattin  entscheiden  sollte.  So  hat  Monteverdi  den  Gedanken, 
der  dieser  Sinfonie  vom  ersten  Male  ihres  Erklingens  zu  Grunde  liegt, 
einheitlich  durchgeführt;  die  Sinfonie  erschemt  immer  dann,  wenn  Ge- 
schehenes die  äußere  Handlung  zu  emem  notwendigen  SUUstdien  zwingt, 
worauf  die  Sinfonie  den  Übergang,  die  Vermitteliuig  zum  Folgenden  fiber- 
nimmt 

Die  Sinfonie  beginnt,  wie  alle  Tonstücke  im  *  Orfeo«  vollstimmig  und 
weist  den  für  die  Kanzone  beinahe  typisrlien,  bei  ihr  wenigstens  sehr  oft 
wiederkehrenden  fihythmus  J  j  J  auf.  Walirscheinhch  hat  aber  Monte- 
verdi  dieses  Jedermann  geläufige  rhythmische  Motiv,  das  man  gewiß  auf 
allen  Gassen  hören  konnte,  nicht  ohne  Absicht  gewählt;  gerade  das  Uber- 
tragen einer  leichten,  beweglichen  und  nur  in  der  weltlichen  Musik  an- 
gewendeten Formel  ins  Wehmütige,  Elegische  mußte  unzweifelhaft  auf 


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Alfred  Heu0,  Die  Instromental-Stiicke  des  »Orfeo«. 


201 


die  Hörer  einen  um  so  stärkeren  Kiniliuck  iiiachcn,  wozu  noch  kam,  daß 
alle  Stimmen  zugleich  bejrinnen,  während  für  die  Kanzone  das  allmähliche 
Einsetzen  der  Stimmen  üblicli  war.  Und  wollte  man  ^^erade  wegen  ünea 
Khythraus  an  diese  Sinfonie  mit  dem  (Jedankeu  herantreten,  daß  Monte- 
verdi  an  die  Instrumental-Kanzone  dachte,  so  sieht  man  wieder,  was  nicht 
genug  betont  werden  kann,  wie  der  Dramatiker  von  einem  vollständig  an- 
deren Gesacbtspunkte  ausgeben  und  deahalb  za  einer  ganz  abweichenden 
Methode  in  seiner  Komposition  gelangen  mußte,  als  der  gewöhnliche  In- 
stnimental-Komponist:  auf  der  einen  Seite  Entwickelung,  Werden,  auf 
der  anderen  gleich  ein  fertiges  Bild. 

Hier  die  Baßstimme,  um  den  Aufbau  klarzulegen: 


-r — 1  1     \   \  \  ^  ^  1-<P-* — \  1- 



■ 

■'   T-T    -h 1  " — LJ 

rn^— 1 

II      ^  11^" 

•^frf  i-  i  . 

1  t 

Man  sieht  aus  der  Analyse,  daß  ^lunteverdi  bei  einem  auf  den  ersten 
Blick  ganz  unübersichtlichen  Bau  seiner  Instrumental-Musik  sich  dennoch 
von  einem  ganz  festen,  wohlüberlegten  Plane  leiten  ließ,  der  auch  hier 
auf  die  Anwendung  der  Sequenz  hinaus^ft;  bei  dk^m,  dem  vollstim- 
migsten seiner  Instrumental-Stüdce  (acht  Stimmen)  die  Seijueuz  heiv 
ausxuhören,  ist  ganz  ausgeschlossen.  Aber  dennoch  ist  sie  es,  welche 
das  ganze  Stück  zusanmienbält,  nach  der  sich,  wie  der  Bau  einer  Mauer 
nach  der  BichtBchnur,  die  andern  Stimmen  richten,  und  welche  die  Knapp- 
heit und  Gedrungenheit  in  der  Darstellung  erzielt. 

Von  einer  ganz  anderen  Seite,  einer  weit  innerlicheren  als  in  dem  so- 
eben besprochenen  Stück,  zeigt  sich  Honteverdi  in  einer  anderen  Sinfonie*), 
die  ebenfalls  in  der  Unterwelt  und  zwar  zweimal,  dann  aber  auch  noch- 
mals im  fünften  Akt  auf  der  Erde  gespielt  wird.  Die  Neuausgabe  läßt 
uns  gerade  an  dieser  für  das  fernere  Verständnis  des  ganzen  Zusammen- 
hangs ungemein  wichtigen  Stelle  im  Stich,  indem  der  Anfang  des  dritten 
Aktes,  in  welchem  die  Sinfonie  zum  ersten  Male  erscheint,  fehlt  Der 
Sinfonie  geht  ein  f  li^präch  zwiscln  n  Orfeo,  Sjieranza  und  Charon  voraus, 
dessen  Inhalt  für  das  Verständnis  der  Sinfonie  unbedingt  notwendig  ist. 

Ürfeo  kommt  mit  Öperanza,  einer  allegorischen  Figur,  nach  Erklingen 
,  der  eben  besprochenen  Sinfonie  in  die  Unterwelt  und  spricht  die  Hoff- 
nung aus,  Erfolg  zu  haben  und  das  Tageslicht  wieder  zu  selien.  Doch 
Speranza  ist  nicht  besonders  hoff nuni,'s voll;  da  fällt  ihr  zudem  noeli  die 
Aufschrift,  ein  starker,  aber  vortreMich  angebrachter  Anachrouiämus  des 

1)  y«xKl«icli«  S.  180. 


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202 


Alfred  Heuß,  Die  Instminentai-Stücke  dea  »Orfeo«. 


Hellenisten  Striggio  aus  Dante's  Divina  ronmiMlia:  *L(miuk  uyiii  SjK- 
rarr.a  rof  rh'  rttfratct  in  die  Augen,  \vekli('  Worte  sie  zweimal,  mit 
ganz  furclitbuit'Ui  Ausdruck  singt.  Schon  wegen  dieser  einzigen  Stelle 
wäre  der  Druck  dieser  Scene  angebracht  gewesen,  da  sie  das  dramatisclie 
Genie  Monteverdi's  von  der  glüuzendston  Seite  zeigt,  und  die  Kompo- 
sition sich  den  berühmten  Worten  Dante's  vollkommen  ebenbürtig  anreiht. 
Die  Stelle  ist  von  der  allerhöchsten  psychologischen  Kchtigkeit  und  drar 
matischen  Wahrheit.  Speranza  singt  die  Worte  zweimal:  das  erste  Mal 
liest  sie  dieselben  von  der  Aufschrift  ab;  langsam,  mit  furchtbarer  Deut- 
lichkeit kommen  die  niederschmetternden  Worte  aus  ihrem  Munde,  dann 
aber,  mit  einer  plötzlichen  Versetzung  ron  g-mcü  nach  e-mo/{,  die  Melodie- 
stimme sequenzmäßig  um  einen  Ton  höher,  stürzen  die  Worte  zum  zweiten 
Male  hervor:  es  ist,  als  käme  ihr  der  Sinn  der  zermalmenden  Worte  erst 
jetzt  in  dos  klare  Bewußtsein.  —  Da  der  Originaldruck  nicht  Jedermann 
leicht  zur  Hand  sein  wird«  teile  ich  diesen  echten  Monteverdi  mit;  es  ist 
eine  Stelle,  die  durch  Mark  und  Bein  geht: 


La-8cia-te       o- epc-rau-za  Voi 


ch'eu-tra  -  te^ 


-0^ 


-0- 

-P 


f  ^ 


i 


La  -  Bcia  -  te  o^-gni  spe  -  ran  -  za 


Yen  ch*en  -  tr»  -  te 


I 


Jetzt  entfällt  Speranza  der  Mut  voUj  ikIs  und  sie  will  sich  von  der 
»ciffä  dolente<  wegwenden  und  Orfeo  verlassen;  Ürfeo  beschwört  sie,  ihn 
doch  ja  nicht  im  Stiche  zu  lassen,  da  sie  das  einzige  sei,  das  er  noch 
habe.  Glitten  in  ilirctn  autL't  r.  gten  Gespräch  kumnit  Clianui  hinzu  und 
herrsclit  den  Eindhii-imu^  in  furchtbarem  Zoni  an,  dessen  unvcrsiLliumtes 
Begehren  {iuipudiro  drsirtj  ihn  auf's  hiiehste  empört;  nie  soll,  so  lautet 
der  Inhalt  seiner  Rede,  ein  Sterblicher  wieder  seinen  Kahn  betreten. 
Jetzt,  in  diesem  Augenblicke  höchster  Gefahr,  wo  alles  für  den  armen 
Orfeo  verloren  scheint,  Speranza  ihn  auch  verlassen  hat,  erklingt  die 
Sinfonie,  der  nicht  so  leicht  etwas  an  die  Seite  gestellt  werden  kann. 
Ein  grausiger  Emst  steckt  in  ihr;  der  stark  verbreiterte  Kanzonen^Bbyth- 
muB  mag  seinen  Eindruck  noch  schauerlicher  gemacht  haben.  Auch  in 
der  zweiten  Strophe,  in  der  sonst  lauter  Dur-Akkorde,  und  zwar  nach  altem 


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AUred  fleuß,  Die  Instnmieiital-Stücke  des  »Orfeo«. 


203 


Kiirlientonarten-Systera  1),  G,  C\  F,  Ii  liiiaiider  folgen,  wird  derselbe 
nicht  ahf^escliwücht ;  es  ist  eine  <l('rj»'ni^"'n  Stellen')  in  der  Literatur,  in 
welchem  Uiir-Alvkdi-di!  tlurcli  den  inncrcu  Zu.siiuunt'iiliang  etwas  r'iilu  iui- 
lichu,>>  Iiaben.  Ührr  die  Instrumentation  ist  anläßlich  der  \  <iraii^,M'<ranj.'('iien 
Sinfonie  gesprocLfn  vvorden.  Die  i'u.sauiien-Üesetzung  niuü  die  \\'irkung 
dieses  außerordentlichen  Stückes  ganz  gewaltig  vertieft  haben;  sicher 
liegt  ab«r  die  Hauptwirkung  in  ihr  selbst. 

Man  könnte  die  Sinfonie  den  Leitgedanken  des  unglücklichen,  gefähr- 
deten Orfeo  nennen;  denn  zweimal  erscheint  sie  noch  in  fOr  Orfeo  kri- 
tischen Augenblicken,  zum  zweiten  Male,  als  Gharon,  von  den  Bitten  des 
^gers  gerührt,  in  Schlaf  verflült,  nämlich  gerade  nach  dem  ersten 
Rendete  ü  mio  bm.  Diese  Entscheidungsfrage  für  Orfeo,  das  allmähliche 
in  Schlaf  Sinken  des  HöUen-Fäbrmanns,  hat  Monteverdi  dieser  Sinfonie 
anvertraut  Sie  erscheint  auch,  entsprechend  der  Situation,  mit  ganz  an* 
derer  Instrumentation;  nur  Bratschen  spielen  und  diese  dazu  pianissimo 
{pian  piano)f  wodurch  ein  Instrumentations-Effekt  allerersten  Banges 
und  vor  allem  schärfste  dramatische  Beleuditung  erzielt  werden.  Hoher 
aber  steht  noch  die  Idee,  gerade  dasselbe  Instnimental-StUck  benutzt  zu 
haben,  das  vorher  schon,  im  Augenblick  der  höchsten  Not  Orfeo's,  er- 
kluniren  war. 

Und  nicht  minder  geistreich  erscheint  die  Sinfonie  im  fünften  Akt. 
Sie  ist  es,  welche  die  eigentliche  lj()sung  des  Kontiiktes  bringt:  Orfeo's 
Trauergesang  hat  die  Fluren  erfüllt;  er  will  Trtjst  in  seiner  Kunst  suchen, 
nie  soll  ein  anderes  Weib  Tf- r/  mit  dem  goldenen  Liebespfeil  durch- 
bohren«. Hier  bricht  er  ab  und  jet/.t  erklingt,  als  Zeichen  von  Orfeo's 
lin(  Ilster  Tniuer  und  Verlassenlu  it,  gcraih?  vor  Erscheinen  Ajjollo's,  der 
den  Siinger  von  nllor  Krdrnnot  bi  ficit,  wieder  diosc  Sinfonie,  gleichsam 
als  wollte  d'  r  K<)ni|)(ini-.t  in  siu  alles  zusammcnf aösen ,  was  der  arme 
Orfeo  erduldet  und  gelitten  liatte. 

Aber  nicht  nur  im  Zusamiiu  idiaiiL'c  Tiiit  dem  ganzen  Drama,  sondern 
auch  in  formell  musikalischer  iiiuMciil  ist  dies«'  Sinfonie  eine  der  aller- 
interessanteslt'ii  ^^Uöikstil(  kr»  im  ^^Drfeo*.  indnn  Mi»nteverdi  in  ihr  einige 
seiner  speziti-^elicii  Eicr''iitiiiiili(hk<'itcii  y.usauimcnfaUt.  —  Die  Sinlunie 
zerfällt  in  zwei  gauz  gleich  laii-i  Teile,  die  durch  eine  i'ause  j:,'etrennt 
sind.  Dieser  zweite  Teil  ist  nun  uichls  anderes  als  eine  genaue  Beant^ 
Wertung  des  ersten  Teiles,  indem  der  Baß  seine  Schritte  einfach  um- 
kelut  Doch  damit  nicht  genug,  hat  Monteverdi  auch  die  Melodie-Stimme 
der  zweiten  Strophe  aus  der  ersten  gebildet;  die  erste  Stimme  im  zweiten 
Teil  Übernimmt  ziemlich  getreu  die  Melodie  der  zweiten  Stimme  im  ersten 
Teil,  nur  in  anderer  Tonlage.  Der  scheinbar  so  einfache  harmonische  Satz, 


1}  Bei  Hozart  gibt  ea  solche  Stetlen. 


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204 


Alfred  Heuß,  Die  Lutmmental'Stiioke  det  »Orfeo«. 


von  dem  auch  Wiuterfeld  redet,  nimmt  sich  änm  also  doch  etuas  kmi^t- 
voller  aus  und  zeigt  Monteveidi  als  eiuea  öDlcheii  Meister,  der  bestrebt 
war,  den  harinonisch  angelernten  Satz  mit  einer  nicht  geringeren  Kunst, 
als  sie  beim  kontrapunktischen  notwendig  w;ir,  zu  behaiKleln. 

Xoeli  klarer  zeigt  sich  die  Korrespuiidenz  der  beiden  Teile,  wenn  man 
die  Tause  durch  die  ganze  Note  ausfüllt: 


3z: 


"  1.  ••  i  : 

Lt — t=J 

-s^ — #_ 

Man  iriid  zugeben,  dafi  dies  ebe  überaus  aiimige  Anwendung  der 
Sequenz  ist,  die  sich  auch  neben  den  Künsten  der  Vokal-Musik  zeigen 
lassen  darf.  Nie  darf  man  aber  vergessen,  aus  welch  innerem  Grund 
sie  entstanden  ist;  sie  war  das  beste  Mittel,  ein  streng  einheitliches  Seelen-* 
Gemälde  zu  erhalten,  wie  es  das  Drama  erforderte. 

Ganz  Shnlich  ist  der  Aufbau  der  Sinfonie  im  zweiten  Akt^),  die  iuidi 
dem  Chor  »oft»  caso  acerbo*  und  der  weiteren  Unglüeks-Erzalilung  der 
Botin  anhebt;  man  könnte  ihr  den  Kamen  Trauer-Sinfonie  geben.  Mit 
einem  langen,  hochliegenden  j^-^ntoK-Akkord,  einon  Sdirei  aus  tiefstem 
Herzen,  beginnt  das  in  seiner  Art  wieder  einzige  Stück;  dann  steigen 
langsam,  dann  wieder  schneller,  wie  stammelnde  Laute,  die  Töne  in  der 
Skala  hinunter,  während  der  Baß  sich  mühsam,  teilweise  eliromatisdx 
hinaufringt.  Auf  dem  eine  Oktave  tiefer  Hegenden  </  wird  kadenziert,  und 
so  entsteht  ebenfalls  die  Zweiteiligkeit  wie  in  der  soeben  besprochenen 
Sinfonie.  Die  Stimmen  wollen  kaum  mehr  fortrücken,  die  ganze  Be- 
we|?nnp:  scheint  zu  stocken ;  mit  Not  erhebt  sich  der  Cantus  in  die  Terz, 
und  endlich,  mit  äußerster  Anstrcnuiing,  in  die  Quinte,  doch  nur  um  desto 
gedrückter  in  den  Gi'undton  wieder  hinunterzusinken,  während  der  Baß 
mit  >r'nicifixiis-8chritten«  in  die  Tiefe  steigt.  Mit  weniger  Noten  ist  wohl 
kaum  jemals  ein  so  tiefes  See1f>n-(4emülde  dargestellt  worden  als  in  dieser 
im  Original  siebentaktiLren  Sinfonie  2  . 

Auch  in  dieser  Sinfonie  ist  die  zweite  Hälfte  die  ziemlich  getreue 
Umkebrung  der  ersten: 

1]  S.  172. 

2}  Auf  dem  KUrier.  leider  dem  beinabe  eiiudgen  FlY>bier*Luitnunent  fSr  ftlte 

Instnuneiital-Musik,  kommt  unter  allen  Instruniental-Stik-kcn  de»  *Orfio<  diese  Sin- 
fonie mit  ihren  luuggehaltenen  Tönen,  den  iiiLinandcrpehenden,  fortwährend  sich  nn- 
l)enden  Dissonanzen  u.  s,  w.  am  wenigsten  zur  Gfllung.  M-ui  liörp  kIp  ahor  nui' 
weuigsteus  von  einem  Streit  li-<^uiutett,  lUiU  —  denke  sich  in  die  Situation  hinein, 
lur  die  sie  geBcbriebeiL 


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Alfred  Meuß,  Die  ImtrumeQtal'Stücke  des  »Orteoc. 


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R-— i  \ 

\  1 

— 1^ 

Der  Überaus  regelmäßige  Aufbau  besonders  rlir^cr  beiden,  dann  auch 
einiger  anderer  Sinfonien  führt  zur  Frage,  ob  Monteverdi  hierfür  Vor- 
bilder hatte.  Die  Frage  ist  nicht  unbedingt  mit  »Nein«  zu  beantworten. 
Eine  Lösung  der  Frage  ergibt  sich ,  wf^nn  man  untersucht,  ob  Monte- 
verdi für  die  Ritornelle,  welclu'  chcnfalls  den  klarsten  Aufbau  zeigten, 
•  twas  Ähnliches  in  spinor  Zeit  vorfindet.  Daß  diesolhen  vielfnch  an<^  dem 
Boden  der  Volks-  und  Tanzmusik  herausgewachsen  sind,  geht  duraus 
hervor,  daß  manche  Ritornelle  des  »Orfeo«  entschiedene  Ähnlichkeit  mit 
den  Sckcrxi  tnusicaä  haben,  denen  man  die  Abstammunir  von  der  Volks- 
musik stark  anmerkt.  Dann  aber  sind  auch  «  inige  der  ilitoruelle  direkte 
Tänze,  von  denen  in  erster  Linie  das  Ritornell  auf  Seite  152  zu  nennen 
ist,  und  ein  ausdrücklich  als  Tanz  bezeichnetes  Instrumental-Stück,  die 
More,scu  um  Schlüsse  des  Werkes,  auf  welche  nucli  kurz  einzugehen  sein 
wird.  In  der  Volks-  und  Tanzmusik,  der  Monteverdi  bedeutenden  Raum 
im  »Orfeo«  einräumt,  fand  er  also  scharfe  Rhythmisierung  vor.  In  Stücken 
freier  Erfindung,  insbesondere  in  solchen  feierlichen,  ernsten  Charakters, 
kann  aber  von  einer  Periodisierung  weder  zu  dieser  noch  zu  bedeutend 
späterer  Zeit  die  Rede  sein. 

Hier  beginnt  die  schöpferische  Arbeit  Montererdi^s  im  Gebiete  der 
Listrumoital-Fonn:  er  hat  das  Prinzip  des  Tanzes,  d.  i.  schärfere  Olie- 
doung,  auch  hei  Stücke,  die  sonst  nicht  das  geringste  TanzmaBige  ent- 
halten, angewendet,  wodurch  er  den  geschlossoien  und  ttbersichUich«! 
Bau,  wie  er  sich  uns  in  den  meisten  Sinfonien  zeigt,  zu  stände  bringt.  » 
Was  dies  aber  in  jener  Zeit  bedeutet,  darOber  wird  noch  im  Zusammen- 
hange zu  reden  sein. 

Noch  ein  Wort  über  die  Instnunental-Stücke,  die  einra  besonderen 
Namen  haben,  nämlich  die  Toccata  am  Anfang  und  die  Morcsca  am  Schluß 
des  Werkes.  Erstere  ist  nichts  anderes  als  eine  ausgeführte  und  reich 
ausgestattete  Trompeten-Fanfare,  die,  ohne  direkten  Bezug  auf  das  Drama, 
vielleicht  im  Freien,  vor  dem  Theater,  wie  heutzutage  wieder  in  Bayreuth, 
gespielt  wurde  uml  violleicht  f;crade  in  den»  Aufrenblicke,  als  die  hohen 
Herrschaften,  der  Hof  von  Mantua,  ins  Theater  eintraten.  DaR  >funte- 
verdi  das  Stih  k  Tocrfifii  nennt,  i^t  selir  einfach,  wenn  man  sich  die  De- 
huitiou  des  l'raetorius  in  Erinnerung  ruft,  der  von  derselben  sagt,  daß 


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206 


Alfred  Heuß,  Die  Iiutnimeiital'ätücke  des  »Orfeo«. 


sie  ckr  italienische  ^lauic  für  Praihidiutn  oder  Litenncdio  sei'),  also  den 
Zweck  hatte  vorzubereiten.  Es  scheint  übrigens  etwas  Gewöhnliches  ge- 
wesen zu  sein,  daß  man  das  mosilcalische  Drama  mit  einem  Instrumental- 
Stücke  eröffnete.    Gagliano  schreibt  in  der  Vorrede  zu  seiner  Oper 

»Vor  dem  Aufziehen  des  Vorhangs  sjjiele  uiuu,  um  die  Zuhdrer  auf- 
merksam zu  machen,  ein  Einleitungastfick  (sinfonia]  von  veraduedenen  In- 
strumenten, die  ZOT  Begleitang  der  Chöre  und  zum  Spielen  der  BitomeUe 

ge))r:iue1it  werden.« 

Gagliano  selbst  schreibt  zu  seiner  Oper  keine  solche  Sinfonia;  man 
notierte  sie,  wie  man  wohl  ohne  weiteres  behaupten  kann,  nicht  be- 
sonders, denn  auch  von  früheren  Werken  haben  wir  keine  solche  (no- 
tierten) Eingangs-Sinfonien.  Monteverdi  war  demnach  der  erste,  der 
zur  Notierung  schritt,  wodui'ch  er  zum  eigentlichen  Begründer  der  Ouver- 
türe wird.  Auch  iilier  das  Eigentümliche  dw  »Urfeo «-Toccata  lassen 
die  allgemein  gehaltenen  Worte  (Ja^liano's  nichts  ahnen.  Konsecjuent 
hält  ilas  Stärk  an  einem  Akkord»'  iv>\.  indem  das  Ganze  auf  dem  C-dta- 
Akkorde  aufgebaut  ist.  Man  l)et rächte  den  staircn.  wie  aus  Eisen  ge- 
schmiedeten Unterbau  der  tieferen  Stinnnen,  auf  welchem  die  oberste 
Melodie-8timnie.  von  Tromixten  gebracht,  sich  stolz  erhebt  und  in 
freiester  Weisu  beinahe  alle  Töne  der  CW///-8kala  beriilirt.  das  Ganze 
ein  Stück  von  einer  <.?cher  auch  damals  altertümeludeu  Monotonie. 
Wenn  luun  wollte,  man  könnte  wegen  dirs  konsequenten  Fcsthaltens  eines 
Akkordes  das  Rheingold- Vorspiel  zum  Vergleiche  herbeiziehen. 

Die  Toccata  machte  aber  auch  Schule,  indem  sie  das  ganze  Jahr- 
hundert hindnrdi  immer  wieder  bei  Instrumental -Stücken  anklingt, 
worauf  von  Kretsschmar  schon  verschiedentlich  auftnerksani  gemacht 
worden  ist. 

Bün  Fest  mit  einer  Moresca*)  (Mohrentanz)  zu  beschließen,  scheint  in 
Italien  Sitte  gewesen  zu  sein.  Ambros^)  sagt,  daß  in  Ferrara  jede 
Komödie  mit  einem  solchen  Tanz  {Ei  la  aua  moresea)  geschlossen  habe. 
Unsere  Moresea  ist  ein  vierteiliges  Tanzstück,  das  in  größerem  Maßstabe 
die  Sequenz  anwendet,  indem  die  drei  anderen  Teile  Wiederholungen  des 
ersten  auf  Terschiedenen  Tonstufen  sind. 

Das  Interessanteste  an  dieser  Moresea  aber  ist,  daß  sie  einen  SieiUano^ 
Tanz  repräsentiert.   Man  notiere  sie  in  modemer  Schreibweise^): 

1)  Syntagma  miuicum  (Tom  III  S.  86). 

2  E.  Vogel.  Marco  da  GajS'liano  (Vioi-teljahrtsobrift  für  MusikwiMenschaftV,  438.. 

:V  S.  2-2.S  4)  Musikgesohichtc  IV,  S.  210 

bj  Man  ist  sehr  leicht  versucht,  einen  "  f^-Klij  timius  jo  i-i  unti  '6  Takte  zxisai.unen; 
in  du  Stück  hinein  zu  interpretieren,  was  aber  eine  Vcracliicbung  des  Acceutes  durch 
den  ganzen  Tanz  zur  Folge  hat,  und  ein  »lenzen«  auf  denselben  unmöglich  macht. 
Vergleiche  Riemann,  Musik-Lexikon  ß,  Auflage;  S.  751,  Artikel:  Horesca. 


üiyiiizeü  by  GoOgle 


Alfred  HenO,  Die  IhitrameatBl-Stücke  des  »Orfeo«.  207 


und  man  glanbt  den  UigroSmter  der  späteren  Sicflianoe,  irie  de  durch 
die  neapolitanische  Oper»  namentlich  durch  L.  Vinci,  populär  wurden, 
und  me  sie  der  Welt  durch  Händel  wieder  bekannt  sind,  vor  sich  zu 
haben;  sogar  direkte  Ähnlichkeiten  glaubt  man  entdecken  zu  können. 
Eiine  Beschaulichkeit  von  eigentUniUchem  Beize  liegt  auch  in  diesem 
Hirten-Idyll,  und  wenn  die  gleiche  Melodie  auf  einer  anderen  Tonstufe 
anhebt,  so  ist  es,  als  ob  man  in  einer  s*  höm  n  Q^end  seine  Blicke  nach 
einer  andon  n  Seite  wendet,  wo  man  das  gleiche  entzückende  Bild  von 
sonniger  Landschaft  und  fröhlichen  l\rf'iis(  hen,  die  nach  (dien  Seiten  im 
Tanze  sich  drehen,  erblickt  Jedenfalls  hat  dieses  Anheben  des  gleichen 
Sataes  auf  einer  anderen  Tonstufe  hier  seine  künstlerische  Berechtigung, 
wie  es  als  besondere  Stil-Eigentümlichkeit  Monteverdi's  bezeichnet  werden 
muB,  da  es  sich  bei  anderen  Tänzen  dieses  Namens,  von  denen  Böhme 
in  s<  inrr  »Geschichte  des  Tanzes  in  Deutschland«^  Beispiele  gibt,  nicht 
vorfindet 

Unverkennbaren  Tnn'/-rh;ir;ikter  und  einen  i,MM/  ähnhcln  n  Aufl'.ni 
wir»  die  Moresca  zeigt  diis  Uitornell  im  ersten  Akt,  das  vor  und  zwischen 
dem  (resanff  der  hf>iden  Hirten  erklingt ^j. 

T)t  r  Bal'i  zeigt  die  einfachste  Struktur,  dio  Molodio-Stimnit  ii  sind 
hiiim'i'iif'ii  sehr  iiianni{?falti^r  veriindti l,  induiii  M())iti'\ cnli  von  der  Stiuimeii- 
VertauschuDi,'^  und  d«  r  ( "i;iriiini;i-;irtigen  Baß-AuNkguiig  weitesten  Gebrauch 
macht.  Die  Tt>ii;irtt  u  siiul  sdiarf  ausge.^^)rucllen:  <-ntoU,  (j-thoU,  B-dur, 
Ks-dur,  C-inoU  mit  Modulation  nach  <j-nif)U,  womit  alles  hei  einander  ist, 
was  die  nächste  Verwandtschaft  einer  Tonart,  nach  modeincn  Begriffen, 
aufzuweisen  hat. 

Sehen  wir  uns  jetzt,  bevor  wir  einen  Rückblick  auf  das  instrumentale 
Scbafien  Monteverdi's  im  »Qrfeo>  werfen,  noch  dahin  um,  oh  Monteverdi 
in  seinen  spliteren  Werken  Instrumcntal>Stttcke,  und  zwar  solche  in  der 
Art  derer  im  »Orfeo«  geschrieben  hat.  Leider  ist  allerdings  zu  bemerken, 
daB  das  uns  Überkommene  Material  große  Lücken  aufweist,  die  sich  ge- 
rade auch  inbetreff  der  Instrumental-Musik  bemerkbar  machen.  Zwar 
sind  wir  znimchst  Uber  das  instrumentale  Schaffen  Monteverdi's  trotz  des 
Verlustes  der  ilr/an^M^Partitur  vom  Jahre  1608  durch  ein  mit  dieser 


1,  Ob  die  Morr^ra  mit  dem  SirUi'ino  aiicli  soust  im  7ti' !iTnTr)C'nhan>r  steht,  ver- 
mag ich  nicht  anzu^'<-'l)en.  Eif^entüiulit  hor  Weise  behandelt  Bulime  im  geuannten 
Werke  dcu  Siciliauo  uicbt.         2;  S.  152. 

S.  d.  L  K.  IV.  14 


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206 


Alfred  Heuß,  Die  Iiutrameiital-Stilcke  dos  »Orfeo«. 


Oper  zeitlich  zusammengehörendes  Werk  genügend  unterrichtet,  dem  Ballo 
delU  ingrate.  Da  u  diesem  Werke  Insti-nmentAl-StUcke  die  Hauptrolle 
spielen,  so  kann  man  annebm^  daii  Mont«  veidi  das  Ei^ernnent  im 
»Ürfeo«,  Instrumental-Stöcke  zu  dramatisrlifii  Zwecken  zu  verwenden, 
als  gelungen  betrachtete.  Da  nun  die  Oper  Arinnna  und  der  Ballo 
für  denselben  Hof  komponiert  waren,  also  mit  den  r^leichen  Mitteln  auf- 
geführt wurden,  so  ist  es  nicht  gun/  unwahnschtMiilich .  dsiR  in  der 
Ari'iHua  cbenfalh  raanche  Tnstrumentiü-iStürkc  vorkuiuuien.  Ziemlich 
bicher  ließe  sieh  aber  das  »Wie-  befintwortcM ;  aus  den  Tänzen  den  BaHo 
ei-sieht  man,  daü  Monlovtrdi  bei  der  Kompositionsweise  des  »Orfeo*.  als 
deren  ;iulU  i  li(;h  charakteristisches  Merkmal  wir  die  eigenartii/e  Verwendung 
der  Sei|ii«  iiz  gefunden  haben,  geblieben  ist.  Man  verglc:i(  he  ilie  Tan/- 
btücke,  die  Wiuterfeld  in  den  Beilagen  seines  Werkes  -Gabricli  und 
sein  Zeitalter«  giebt,  woselbst  sich  auch  eine  ausgezeiclinete  Bes])rechung 
derselben  findet,  mit  den  Bitornellen  im  »Orfeo«  und  man  wird  ila>  ;:anz 
gleiche  Prinzip  des  Aufbaues  bei  ihnen  vorfinden.  Im  übrigen  bmd  sie 
aber  bedeutend  einfacher;  die  sinnreiche  StimnMn-Yertauschung  und  auch 
die  anderen  mauuigfachen  Feinheiten,  die  vir  im  »Orfeo«  finden,  weisen 
diese  Tänze  nicht  auf,  statt  dessen  aber  eine  interessante  Umbildung  des 
gleichen  Tanzes  Tom  y4rTaHf  ein  Terfahren,  das  auch  in 

der  Instrumental-Musik  schon  lange  Verwendung  gefunden  hatte  ij,  sich 
aber  hieraus  dramatischen  Gründen  herschreibt.  Hier  wird  deshalb  darauf 
aufmerksam  gemacht,  weil  dieses  Verfahren  der  Bhythmus-Umwechslung 
in  dem  letzten  Werke  Montererdi^Si  der  Incoranaxione  di  Poppen^  ganz 
gleich  wiederkehrt. 

Vom  Jahre  1608  ab  entzieht  sich  aber  Montererdi  als  Instnmiental- 
Komponist  TOrläufig  völlig  unseren  Augen.  Es  mag  dies  vielleicht  teil- 
weise mit  der  Berufung  ^lonteverdi's  nach  \'enedig  zusammenhängen, 
welche  seine  Tätigkeit  als  Opern-Komponist  beinahe  ganz  eingeschränkt 
zu  haben  seht  int 

Die  uns  erlialtenen  Werke  weisen  Instrumental-Musik  nur  in  zweiter 
Linie,  als  Begleittrnir  /u  Yokalwerken  auf,  wie  in  einer  Messe  von  IGIO^ . 
Hingegen  beweist  der  Coniljatfii/tf/tto  di  7\m/;/((li  r  Cloi  'unh  von  1024, 
der  niHsikiresrhichthche  Bodeutuiip  besonders  durch  den  i.stilo  coucitnfri^ 
bat,  aufs  glänzendste,  daU  Moutcvcrdi  noch  keinesw^  die  Benutzung 


1  Vci'^floiche  Hie  von  Eitner  in  den  Munutshctieu  tiir  Musikforsrhun^r  hernus- 
gegc'benen  Tiiuzc  Qiuilorxi'  Qaülards  u.  s.  \v«.  Pierrti  Attaiguaut,  1530.  >Jahrgiing 
1875.  S.  82.) 

2|  Siehe  Vogel,  Ver/i  i<  linis  iivx  im  Druck  ersflii(  ncii<;n  Werke  OL  Monte- 
verdi"^.    Viertclialirsscln ift  fiir  Mu:-ik\vi,^s>  nsr'li;\ft  1K87,  S.  407. 

Butrefis  (k-r  liistnuiioiit  >ti  !^  d<'s  Wrrkes  sielie  G  oKlschmidt,  Das  Orchester 
der  Uulicimcliüu  Oper  im  17.  .laliriiuudc-rt  ^Suiuuielbäudc  der  IMG.  11^  S.  IG  S,]. 


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AUred  Heuß,  Die  Iiutrom«iitel-8taokB  dei  »Oxfeoc 


209 


der  Instramental-Masik  als  lioclidrainatisches  Mittel  aii%<!gebeii  hatte. 
Foimell  selbständige  Stücke  weist  al»er  dieses  Werk  nicht  aal,  und  so  ist 

ein  nälieres  Eingehen  hier  moht  notwendig,  schon  aus  dem  Grande,  weil 
bo'eits  Winttirfeld  yroü  tler  musikalisch- dramatischen  und  allgemein- 
geschichtlichen  Bedeatong  der  Stücke  ausführlich  redet  Damit  scheint 
allerdings  die  Bedeutung  Monteverdi's  in  instrumentaler  Hinsicht  er- 
schöpft zu  sein,  obgleich  i  r  greise  Monteverdi  noch  in  seinen  letzten 
fttnf  Jahren  vier  Opern  schrieb,  von  denen  nns  ah^r  nur  die  »liicofO- 
nazione  di  Poppen«  erhalten  ist,  welche  uns  aber  Monteverdi  von  einer 
so  ganz  anderen  Seit»  inhetreff  der  Behandlung  der  Instnimental-Musik 
ipit^t,  daß  man  kaum  glaubt,  den  »Orfeo« -Komponisten  vor  sich  zu  haben  2). 
Kaum  ist  anzunehmen,  daß  die  anderen  Opern  dieser  Periode  ein  wesent- 
lich stHrlceres  Hervortreten  der  Tnstruiiient:il-Musik  iiufweisen,  und  so  i^t 
und  1  »leibt  der  *Orfeo*  ilie  große  kimstlerisclie  Tat  in  in«;trmiientaler 
Beziehung,  auf  den  wir  le^  rniit  noch  einmal  zurUckblickeni  um  das 
♦Schluß-Re<ultat  aus  ihui  zu  zit  hcn. 

Es  gieht  im  17,  Jahrhund (  rt  k(  ine  Oper  'aulier  in  der  franzö^i'^ehen 
Oper,  die  aber  in  erster  riiui«'  TauzstücKc  vi  i  w.  ndet^,  in  welclier  der 
Instruniontal-Musik  ein  so  breiter  iiaum  gew.iln  L  worden  wär»-.  noch  auch 
eine  solche,  welche  mit  der  Instrumental-Muhik  so  tiefe  Proiilmie  gelöst 
hätte,  wie  der  »Orfco*.  AI»  i  abgesehen  von  diesem  Punkt«,  aufweichen 
nicht  nochmals  hingewi<  seii  zu  werden  brauclit,  berg*  u  die  rnstrumeutal- 
Stücke  des  »Orfeo«  eine  ganze  Fülle  von  neuen  Ideen  auch  in  anderer 
Hinsicht,  die  für  die  Folgezeit  mehr  oder  weniger  fruclitbar  verdm  sollten. 
Die  Besfnrechung  wird  gezeigt  haben,  daß  sich  in  den  Stücken  Form  und 
Gehalt  auf  eine  Weise  durchdringen,  die  schlechthin  als  vollendet  zu 
gelten  hat  Für  die  Instromental^Musik  als  selbständige  Kunst  konnte», 
allerdings  die  Formen  dieser  lQ6trumentaI''Stücke  in  gröfierem  Maße 
nicht  vorbildlich  sein,  da  sie  zu  knapp  waren.  Die  Bedeutung  derselben 
liegt  denn  auch  zunächst  auf  einer  anderen  Seite:  der  »Orfeo«  hatte  der 
Instrumental-Musik  etwas  zugeführt  und  zwar  im  reidisten  Maße,  wovon 
sie  bis  dahin  keine  Ahnung  hatte  und  haben  konnte;  wie  mit  einem 
ZauberschUge  eröffneten  sich  ihr  ganz  neue  Gebiete,  denn  die  ganze 
SkaU  der  Empfindungen  hatten  die  Instrumental-Stttcke  des  »Orfeo« 
angeschlagen  und  dies  durch  ihren  Anst  lihiß  au  das  Drama.  Hiermit  war 

S'rböpfung  einer  echten  Programm-Musik  angeregt,  «ner  Programm- 
Musil  I  den  (lef^^nstand  ihn  r  Darstellung  mitten  aus  dem  Seeien- 
Zustande  herautslangte.   Man  wird  nicht  umhin  können,  in  Monteverdi, 

1)  Teilweise  mitgeteilt  von  Winierfeld  (Oabrieli  und  sein  Zeitalter;. 
2  Siehe  die      noLniiihio  H.  Kretzacbmar'«  in  der  Yierte1j«hm<dirift  für 
MunkwisicMcbaft  1894.  Heft  4. 

14* 


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210 


Alfred  HenO,  Die  In»tnim«ntsl-SUic1ra  des  »Oifeo«. 


dem  modernsten  aller  damaligen  Modernen,  auch  den  Ahnherr  einer  sol- 
chen Programm-Musik  zu  ItegrUBen. 

Daß  die  seihständige  Instrumental -Musik  in  die  eroberten  Gebiete 
eindringen  werde,  das  konnte  nur  eine  Fra^e  der  Zeit  sein.  Und  sicher, 
von  dem  »Orfeo«  an  kann  und  darf  die  Geschichte  der  Instrumental" 
Musik  nicht  mehr  von  der  der  Oper  getrennt  werden;  her-  und  hinüber 
gehen  die  Beziehungen,  und  ini  17.  Jahrhundert  ist  es  die  Instrumental- 
Musik,  welche  von  der  Oper  empfängt ,  worüber  noch  ausführlicher  zu 
reden  sein  wird. 

Mit  der  Srliöpfung  einer  Situations-Musik  hat  Montevenli  eine  Seite 
im  instriiniental«'n  Schaffen  berührt,  wHcho  eine  echte  Proi^ramm-Musik  7u 
Zeiten  inmier  wieder  ])etüut  und  nach  welcher  Rirhtuni:  sie  immer  ^'e- 
wirkt  hat.  Dem  rein  lurmellen  Musizieren,  (lern  so  lei(  lit  keine  Stilgattung 
in  der  Musik  verfällt,  als  gerade  die  Instnuuoital-Musik,  war  als  voll- 
wichtiges Gegenstück  eine  geistige,  oder  wenn  man  sich  so  ausdrücken 
darf,  eine  inhalthcho  entgegen  gestellt  worden.  Zwar  zeigt  gerade  in 
dieser  Hinsicht  die  In^trumental-Musik  vorläufig  noch  ganz  geringe  Ein- 
fiüsse  der  Oper;  das  instrumentale  Musizieren  ist  gerade  in  der  Zeit  nach 
Gabrieli  auf  Seiten  der  Kanzonen-Sonaten-Kompouisten  ein  sehr  starkes 
Bingen  mit  der  Iform,  sodafi  das  geistige,  inhaltliche  Element  im  großen 
Ganzen  entschieden  etwas  zu  kurz  kommt  Andererseits  werden  in  der 
Instrumental-Musik  neue  "Wege  auch  nach  anderer  Sichtung  hin  gelegent- 
lich gesucht,  indem  auch  die  Katur  den  Instrumental-Komponisten  eine 
ebenso  neue  Quelle  als  berechtigte  Ausbeute  musikaUscher  Ideen  bietet. 

Hieraus,  nämlich  dem  Bestreben,  der  Instrumental-Musik  neue  Aus- 
drucksmittel zuzuführen,  müssen  Musikstücke  wie  das  bekannte  Caprieeio 
stmvaganie  von  Fartna  erklärt  werden,  wenn  auch  die  möglichst  täu- 
schende Nachahmung  von  Naturlauten  wohl  niemals  zum  wahrhaft  Künst* 
lerischen  gerechnet  werden  wird.  Jedenfalls  wird  man  bei  dieser  Anscliau- 
ungsweise  des  Stückes  —  eine  ganz  üotte  Suiten-Komposition,  bei  der  die 
Nachahmung  von  Naturlauten  auf  ganz  geschickte  und  nicht  übertriebene 
Art  angebracht  ist  —  zu  einem  wesentlich  anderen  Urteil  wie  Wa sie- 
le wski^)  gelangen,  der  füi'  diese  Bestrebungen  des  Komponisten  nur  ein 
hochmütiges  Lächeln  übrig  hat.  Farina  ist  übrigens  nicht  der  einzis'f. 
der  sich  mit  der  Natur  in  dieser  Wf'isc  hofnßt;  nnch  l'ccellini  schreibt 
1(142  p'rn^  Sonüte^j,  in  welcher  HeuueQ-Gegucker  uu'l  Kuckucksruf  nach- 
geahmt werden. 

So  ist  allerdings  zu  sagen,  daii,  was  gerade  die  geistige  Seite  der 
Instrumental- Stucke   des   »ürfeo*    betrifft,  Monteverdi   vorläufig  nur 

r  Di<  Vif.litH  im  17.  Jahrhundert,  S  'X) 

2;  iiomtc,  Arie  e  Corrmti  a  2  3  vom  Jahre  1042  ,8tadi-üü>Uoihek  zu  Breslau). 


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AUred  HeaO,  Die  Instrumental-Stucke  des  »Orfeo«. 


211 


Nachfolger  in  flor  Oper  hat.  von  denen  di»"  Kerle  sein  wird.  Es 
erklärt  sich  dies  auch  leicht :  (\vr  iri->triiiiiental-Kümpt)^iti()n  widiuctini  sich 
in  der  ersten  Hälfte  des  dalirlmuderts  Männer,  die  mit  <ler  (Jper  nicht 
in  encrerer  Bernlinmi,'  wurcu ;  auch  waren  sie  keine  Meister  ersten  Rauges, 
indem  diese  auf  kirchliciicm  oder  auf  dem  neu  entdeckten  (.jebiete  der 
Oper  uml  <h'5  Oraturiuius  zu  suchen  sind.  Was  Montcverdi  in  dieser 
Beziehung  mit  dem  »Orfeo«  ge.schaffen  hatte,  das  war  vunichmlich  noch 
Erruiigenscluift   für   die  Oper  gewesen   und   trieh  dort  seine  Blüten. 

Hier  sind  zunächst  zwei  Personen  zu  nennen,  bei  denen  Monteverdi's 
ESnfluB  sich  ganz  imverkennbar  zeigt:  G-iulia  Caocini,  die  Tochter  des 
berühmten  Hellenisten  und  wohl  die  bedeutendste  weibliche  Ersdidnang 
auf  dem  Felde  kompositorischen  SchafEens,  und  Gr.  Carissimi,  der  große 
Meister  des  Oratoriums.  Da  von  beiden  in  einem  späteren  Artikel  über 
die  venetianische  Opern-Sinfonien  die  Bede  sein  wird,  insbesondere  von 
Carissimi,  der  durch  seinen  Schüler  Cesti  mit  den  Venetianem  in  Ver- 
bindung steht,  so  kann  der  Hinweis  hier  genügen.  Es  mag  nur  fest^ 
gestellt  werden,  daß  beide  in  instrumentaler  Hinsicht  keineswegs  über 
Montererdi,  wie  wir  ihn  im  »Orfeo«  kennen  gelernt  haben,  hinausgehen, 
sondern  daß  sie  lediglich  de^isen  gelehrige  Schüler  gewesen  sind,  ohne 
neue  Bahnen  einzuschlagen.  Die  wirklich  berufenen  Nachfolger  Monte> 
rerdi's  sind  die  veuetianischen  (!)pt'rn-Komponisten,  die  auf  Monteverdi's 
Spuren  bald  auch  neue  Ausl)li(;kf^  sich  zu  Terschaffon  wußten.  Diesen 
bat  Monte?erdi  mit  seinen  Stücken  ^o/A-hj^i,  wie  die  Instrumental-^Iusik 
zu  verwenden  sei.  und  dann  hat  er  ihnen  Formen  in  die  Hand  gegeben, 
die  für  Bildung  kleiner,  knapper  Stücke,  wie  sie  die  Oper  nur  brauchen 
konnte,  nicht  zu  üIh  rti'  ffen  waren. 

Daß  aher  auch  die  instrumental-Koniponisten  wohl  wußten,  was  sie 
an  Monteverdi  hcsaßen,  das  beweist  am  besten  der  häntlire  Gebrauch  seines 
Namens  in  Uberschriften  von  Instrunient  d-Stücken.  Diese  Komponisten 
miifsien  in  ISfonteverdi  t^fradozn  ifiren  {Schutzpatron  gesehen  Inihcn.  dmn 
OS  kommt  soL^ar  vor.  d  i'i  Lr^  rad«'  das  Anfangsstück  Monteverdi  gewidmet 
ist.  Das  (Jiiai  aktrri.*.ü:,che  ist  üIm  r.  dalJ  solche  Widmungen  an  Giov. 
Gabrieli,  d<  r  doch  für  die  Iiistruniental-IVrinik  direkt  tätig  war,  we- 
nigstens bis  jet/,t  nieht  bekannt  sind*'.  Vlh  idings  starb  Gabrieli  ganz 
am  Anfall?  des  Jahrhunderts,  aber  iiuch  nach  Monteverdi's  Tode  trüTt 
man  noeh  Instrumental-Stücke  mit  s(;inem  Namen,  so  bei  Turquinio 
Merula  im  dahre  Itijl^  ;  anffere  Koiupotiisteu,  Avelche  Monteverdi  auf 

I  M  l  ist  \veiii;xst<':!s  kein?  zu  (r  '-iclit  u"jk  Muriiiiii  und  aucli  Torclii  La  niiisiri 
Instrumentale  u.  s.  w.  in  «I  r  Kivista  miisicnle  18!)7j  spiicUt  vou  kciuer,  woUl  aber  voa 
<;iaer  »uk-Ueii  juit  dem  Numcii  3Iu  iit  e  y  e  i  dc. 

8j  Canxone  overo  Sonate  per  Chiesa  «  Qttwra^  op,  17,  1651.  Aach  in  dem  ersten  * 
Werk  Menlle'a,  //  }>riin  >  Hhn*  lilh'  C:i)i\'nii  a  J,  Venedijr  llilä.  iimh-X  sich  fär  die 
nennte  Etnzone  eine  derartige  Übersclirifl  (Köaigliche  Bibliothek  in  BerUu}. 


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212 


Alfred  fienO,  IH«  Instramantai-ätttcke  des  »Orfeo«. 


diese  Weise  anszoichnen,  mml  B.  ^raiini,  (1616)'),  dann  Buonaiiu'üte, 
der  in  zwei  Sauiiiiliin^en,  vuii  und  1637,  Instrumentiil-Stücken  diesen 
Titel  gibt'y.  Aber  auch  direkte  Einflüsse  Monteverdi'schen  Koiiii>o- 
sitions-Verfahrens  lassen  sich  nachweisen,  und  zwar  ganz  besonders  bei 
Marini,  der  seine  ersten  Werke  in  Venedig  drucken  ließ  und  vielleicht 
Monterflvdi  auch  p^sdnlicb  kannte.  In  manchen  Stücken  seines  op.  1 
iBd  op.  2^)  bontttsl  er  die  Sequeus  gaiu  im  MonteTerdfusben  j^nne, 
aSmUeJi  nicht  ab  melodietreibendes,  sondern  aJs  formenbildendes  Element. 
Die  SequeuB  ist  allerdings  nidit  in  der  ungemein  konsequenten,  hanahe 
starren  Art  und  Weise  Monteverdi's  benutzt,  sondern  in  etwas  freierer 
Gestaltung,  indem  beispiekweise  folgendes  BaBthema  ans  der  Sinfonia 
La  Oamba  h.  3  (für  awei  Violinen  oder  Cometti  und  Baß)  aus  op.  2: 


^^^^^^ 


benutzt  wird,  wodurch  ein  harmonisch  abc^esclilossener  Satz  von  16  Takten 
zur  Aufstellung  gelangt.  Dieses  Verfahren  hat  jMarini  sein  ganzes  Leben 
beibehalten,  noch  in  Op.  22,  wahrscheinlich  seinem  letzten  Werke,  tnfit 
man  ganz  ähnliche  Sätze. 

Des  Weiteren  ist  es  dann  vomehmlicli  chu-  Seite  in  dem  instrumen- 
talen Schaffen  Monteverdi's,  die  für  die  Instrumental-Musik  gnmdlegend 
geworden  T<^t.  die  starke  Betonung  dor  h;ir monisehen  Schreibweise  gegen- 
ühor  drr  tugierten.  Kein  Koinpoiiist  h.tt  vor  und  neben  Montrvcrdi 
(in  '1<  i-  Zeit  des  »Orfeo«)  diu  lianaonischen  Satz  mit  solchem  Nachdruck 
angewendet;  vor  Montrvfidi  irrtt.n  wir  ihn  bei  der  Tanzmusik,  deren 
Aufschwun«?  in  Italien,  uml  zwar  ni(  !it  nnwnhr-^chfinlicli  t«*ilweise  mit 
Hilfe  der  Oper,  erst  irf»»lg(  n  sollte,  und  Komponisten  neben  ihm,  wie 
Gabricli,  wenden  ihn  nur  gelegentlich,  beinahe  ziifiillig  an,  älmlitli  wie 
mau  bei  alten  Messen-Komponisten  bis  auf  .Tosquiu  >liannoniseh'  wirkt  ndc 
Stellen  trifft.  Monleverdi  ist  vielleicht  der  erste,  der  in  Instrumental- 
Stücken  von  ausgeprägt  getragenem  Oharakter  bewußt  harmuni.>t  h  >ciin.:ibt, 
indem  wir  diese  Schreibart  nur  bei  der  Toccata,  die  aber  spezifische 
Orgelform  ist,  antreffen.  Aber  hierbei  ist  Montcvcrdi  nicht  stehen  ge- 
blieben; sowohl  in  manchen  seiner  Bitornelie  als  auch  Sinfonien  löst  er  das- 
jenige Problem,  an  dem  mehr  als  die  ersle  Hälfte  des  Jahrhunderts  ar- 

1  Affrtd  7uif.siialt\  op.  1,  l(il7. 

2  Siiif"nii\  fi'";ri'fr(ic,  Cor?ruti  e  Dfoiidi  prr  sottar,  1026  und  Sonate  6  caM*ö»lt 
u.  8.  w.  Vl.Jihro  ikji'il  >Umtlifh  in  der  Stadt-UiMiiitliok  zn  Breslau  . 

3)  Küuigliche  Bibliothek  zu  Bcrliu;  duck  ist  nur  die  Baßijtimiae  erbalteu,  die 
ftber  gerade  Ober  diesen  Punkt  Auakunfl  gibt. 


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Al£red  üeuß,  Die  Insimmental-Stücke  de«  »Orüeo«. 


213 


bc'iten  sollte,  die  Verschnielzung  des  alten  und  neuen  Stils,  d(;r  Polypbo- 
nie  und  Monodie.  Gerade  die  Bitomelle  zeigten,  daß  sie  trotz  ihrer 
Bcbejpbar  ganz  harmonischeii  Anlage  eine  Fülle  kontrapunktischer  Kunst 
besitzen.  Dieses  hohe  21ie],  welches  auch  seine  nächsten  Nachfolger,  die 
TeneUamschen  Opem-Kompomsten,  im  Auge  behielten^},  in  der  Instru- 
mental-Musik nidit  nur  angestrebt,  sondern  auch  in  einem  hohen  Grade 
erreicht  zu  haben,  dies  ist  nicht  das  WenigsAe,  was  die  Instrumental- 
Stücke  des  »Or/eo«  auszeichnet  MonteTordi  hat  hier  weit  vorgegriffen; 
die  Ehitwickelung  der  Instmmental-Mnsik  zeigt  aber,  daß  dieselbe  gerade 
auf  dieses  Ziel,  die  Yerschmelzung  der  beiden  G^ensatze,  hinsteuerte« 

Und  weiter  berührt  Monteverdi,  in  erster  Linie  wieder  in  den  Bitor- 
iMllen,  einen  Punkt,  der  in  der  künftigen  Instrunicntal-Musik  die  Kern- 
frage bilden  sullte,  nämlich  das  Weeen  der  Durohfühnug.  Tn  der  Art 
der  Behandlung  derselben  zeigt  sich  Monteverdi  ganz  ah  Kind  seiner 
Zeit,  <aber  er  ist  der  einzige,  der  die  Mittel  zu  einem  solchen  Zwecke 
benutzte.  Und  dabei  kommt  er  ganz  von  selbst  auf  einen  instnimoutalen 
Stil;  die  Schreibweise  ist  in  den  prägnanten  Stücken  seiner  Schaffensweise 
von  der  der  Vokalmusik  ganz  vorschieden.  Man  versuche  beispielsweise 
dn«;  erste  Jlitnmell,  dns  an  sich  absolut  nichts  aufweist,  wn«;  Singstimmen 
nicht  gut  ausführen  kunuteii,  sieh  vun  sidehen  vortragen  ZU  lai$sen:  es 
würde  Ausdruek  und  ( 'harakter  vnlLstäudi^^  veriiuduni. 

Die  unverkeunl)aie  \'<trUebe  für  Volks-  und  '1  auz-Musik  hatte  Monte- 
verdi tn  starkem  Hervorkehren  des  rhythmisclien  Klementes,  des»jen  Re- 
sultat eine  klare  Pcriodisicrunji  war,  creführt.  Moiiti  verdi  imt  ■-  und  darin 
liegt  das  Neue  —  das  Priii/ip  dt  s  Tanzes,  der  scharfun  Gliederung  auch 
auf  Stücke  getragenen  Charuktera  aujigedehnt:  man  vergh'icho  beispiels- 
weise die  Orfeo-Sinfonie  {im  dritten  Akt)  etwa  mit  der  SonaUj  pian  e  forte 
von  Gabrieh,  und  man  wird  den  tiefgründigen  Unterschied  sofort  einsehen. 
Monteverdi  hatte  gerade  die,  wenigstens  im  Sinne  der  späteren  Entwicke- 
lung,  schwächste  Seite  der  damaligen  Instrumental-Musik  mit  ungemein 
scharlem  Instinkte  herausgefühlt  und  sie  auch  vermieden.  Die  Zukunft 
gab  seinem  Vorgehen  Recht;  das  Resultat  der  Bestrebungen  auf  instru- 
mentalem Gebiete  im  17.  Jahrhundert  war  eine  Verschmelzung  des  scharf 
rhythmischen  Tanzes  und  des  eine  schärfere  Gliederung  verwischenden 
polyphonen  Satzes,  wie  sie  sich  denn  auch  in  der  Vermengung  der  Elir- 
chen-  und  Kammer-Sonate  zeigt  Dazu  hatte  es  aber  noch  gute  "Weile. 
Wenn  Wasielewski  über  die* langsamen  Sätze,  die  fast  einzig  harmo- 
nische Schreibweise  aufweisen,  sogar  noch  in  dem  Zeiträume  von  1670 
das  Urteil  fällt,  daß  >den  langsamen,  meist  aus  einer  einfachen  Folge  von 


1}  Yeit^eiehe  das  Schlußwort  in  »Die  venetiauMchc  Op«r  und  die  Werke  Cavalli*» 
und  Gc8ti*8t  Von  fi.  E  reizte  hmar  (Yierteljahrmcbri£t  lur  Miniikwiweiudiaft  VIII,  76^ 


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214 


Alfred  Heuß,  Die  Instnimental^Stücke  de«  »Orfao«. 


Harmonien  l)estt'l)(>ii(len  Sät/iMi  die  I^friodisicrium  f;ist  i^änzlicli«  ffhlt'i, 
so  zeigt  dieser  dfii  Tatsailuii  im  ailgemeineu  entspruclK  iiflo  Ausspruch 
klar  genug,  wie  enurm  wt  it  Montcverdi  auch  in  dieser  Beziehung  über 
seine  Zeit  hinausgeht  und  wie  lange  diese  Instrumental-Stücke  noch 
vorhildlieh  sein  konnten.  Die  den  von  ^fonteverdi  gewiesenen  Weg  am 
nachhaltigsten  und  selbständigsten  gehen  sollten,  sind,  wie  bereits  gesagt, 
die  Tenetiaiiiacbeii  Opern-Komponisten. 


Anhan«^  I. 

1.  Eim  Beitrag  zar  Kl&ning  der  Kaiifloiteit-  und  Soiaten^Form. 

EigeutUch  seit  Pruetorius ^j,  danu  aber  seit  Winterl'eld**j  hat  mun  sich 
immer  wieder  mit  LSsnng  des  Fnterschiedee  zwiBchen  der  Kanzone  und  Sonate 

▼eraucbt,  ht  aber  zu  keinem  eiidieitlicht^n  Ilesultnt  gekommen.  Man  Tenrachte 

in  erster  Linie  eine  LSsung  auf  roniit  llnn  "Wc^ri'.  d.  Ii.  einen  trrTjndlcErendeu 
l'nterschiüd  in  der  Form  herauä/.uliudun.  Die  Kff<ultatu  dit*se>  \'erlaliiena 
sind  von  "\Va  siulewski  iu  seiner  Schi'ift  »Die  Violine  im  17.  Jahrhundert« 
einer  scharfen,  aber  nnfruchtbftren  Kritik  unterzogen  worden,  deraen  einzig 
poj<itiveH  Ergel)ni.s  dahin  verlautet,  dali  bei  den  Sonaten  kein  bestimmter  me» 
lodischiM  ( 1 1  uiidgedanke  vuili«  t  rscho  (S.  14),  während  in  der  K;nr/nne  d;»«  me- 
lodij-che  Kletnent  herrH<"ht  iul  hen'ortritt.  Erklärt  ist  damit  manclies,  aber  im 
(iruude  geuommeu  doeli  nichts  Befriedigendes.  Vielleicht  ist  deshalb  eine 
Lösung,  da  von  der  formellen  sich  typische  üntersdiiede  nicht  beranaatellen, 
yon  einer  anderen  Seite  möglich.  Diese  wOrde  die  Verwendung  der  beiden 
Formen  im  pi;iktiM  lim  fTchrnnrli  crcrel>en,  wofür  l'olfrende  Hypothese  auf'fje- 
8tellt  wird:  dali  die  K.iiiz'iin  tiir  \m  Itlielie,  die  Souiit»»  für  kirebliche  Zwecke 
ge^^chriebeu  und  gebrauelit  wurde,  l'ur  diese  Lösung  würde  Folgeudes  sprechen: 
Die  selbständige  Instrumental-Musik  ist  noch  zur  Zeit  der  absoluten  Herr* 
Bchaft  der  polyphonen  Vokal-Musik  entstanden,  bekanntlich  durch  Uber- 
tragungen  V(>n  \'(tkiil-Sätzen  Jiuf  1  nstrumente.  So  erhielt  deshalb  die.se  selbstän- 
dige Inst ni mriit  il-^Iusik  ganz  das  Aussehen  der  Vokal-^Iusik,  wh'«  in  sich 
schließt,  daß  auch  der  geistig«  luhalt  eiu  derselben  ähnlicher  sein  muÜto. 
Unter  diesem  Gesiehtepunkte  betrachtet,  muß  sich  ergeben,  daß,  da  es  einer^ 
seits  eine  geistliche  und  andererseits  eine  weltliche  Vokal-Musik  gab,  fucb 
diese  beiden  Arten  von  Instrumental-Musik  vorhanden  waren.  Der  ganz  gleiche 
Fall  existiert  l'ur  die  übrige  Tn^fninicntal-^VIusik,  iu  welcher  wir  einerseits 
eine  geistliciu-,  die  Orgel-Musikj  und  auderei^seitii  eine  weltliche  lustrumeutal- 
Musik,  diejenige  fiir  die  übrigen  Tasten-Instrumente,  unterscheiden.  Der  Name 

1  W  asif  1  e  w sk i .  Die  Vinlifit>  mi  17.  Jalinuuh  rt.  S.  (»(».  Bei  Bassuui,  l>ei 
welchcui  Waüiolcwski  dicseu  Tutiel  ausspricht,  will  er  zvvaj*  gerade  nicht  passen,  loh 
komme  auf  diese  Frage  in  eioer  demnächst  folgenden  Arbeit,  die  als  Fortsetzung  die- 
ser zu  ifeltcii  hat,  in  »Die  venetiaiiisrhcii  Opern-Sinfonieiit  zurück.  Niclils  destu- 
weniger  hat  Wasielcwski  damit  etwas  ausgesprochen,  was  im  aiigemeiuen  l'ur  die  lang- 
samen Sätxe  xutriffit. 

2t  Syntagata  mtuintm^  1614-80.        3;  (Jabrieli  und  sein  Zeitalter. 


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Alfred  Heaß,  Die  Initrumental-Stficke  des  »Orfeo«. 


215 


> Sonnte*  iwt  für  difse  luHtrnm^'ntal-Musik  nicht  nnchwcinbiir,  wohl  ;ilier  <l<'r 
der  »Kanzoue«.  M.  Seifl'rrt  iu  seiner  vortreti'lichfn  »Gefechichtr  tler  Klavier- 
mmik«  stellt  die  kOhne,  über  anbedingt  richtige  Fordenmg  mf,  die  Orgel 
TOD  allen  anderen  Formen  als  »Intonationen,  Toccaten,  HiccrtNiri  und  Fnn- 
tasieii».  «eil ist  wrnri  vornfeschrichen  steht  »per  ogni  sorU  eU  stromenU  da  tostitj 

prin/.ipifll  ausisupichlienen.     [S.  ;}7.) 

l  nt«  i-  diese  Kubrik  gthüreu  uuu  auch  die  Kuuzoih  u,  die  fast  inuwer  uuter 
dem  Vermerk  >pfr  »onar  sopra  isirom^nii  da  worunter  man  bis  dahin 

immer  auch  die  Or^^vl  bezog,  zirkulieren,  und  Seiffert  macht  geltend,  dali  die 
8piel-Kanzo:ii  n  ri)ertra£riiTi<_n«n  von  fweltlichcn  Vnk.il-Kniizoncn  seien,  leb  bin 
im  stände,  einen  handj^reit lit-in-n  lieweis  t"iir  dit'se  Abötimuiun;.'  tlir  Spitd- 
Kanzonen  zu  bringen:  die  Canion  ariosa  von  A.  Gabrieli'j  ist  »im-  Nach- 
bildang  einer  Kannen  von  Janeqnin,  mit  dem  Titel:  Le  ehant  de  CAhuette 
ä  4  <}f  •Ia)i"(ii>n,  siir  Infn^i  a  est/  adiomU'  unr  wiquihne  roix  par  Claudr  le 
Jeuuf^].  Di^r  Text  ist  -ehr  weltlicher  Natur;  es  ist  ein  Kecklied  auf  eine 
Dame,  die  gerne  lun<re  srhiäft. 

Orsus,  orsus.  vous  <b»ini<'Z  trop, 

ntadame,  muduiue  juliette. 

n  est  jour,  lev^s  sus, 

Econt^s  I*Alouette  etc. 

A.  Gubrieli  hat  nur  das  Thema  hinUbergenoinuien ;  im  fil>ri<^en  verfährt 
er  vollstäudijx  fr«'i,  und  gibt  seiner  Kiinzoin-  sotuH  instrnnientule  Wendungen, 
ein  Beweis  danir,  daß  uau  bei  der  lubtrumeiitul-Kumpuhitiuu  doch  bereit« 
seine  eigenen  Wege  zu  gehen  suchte. 

Es  ist  ein  sehr  naheliegender  Gedanke,  das,  was  für  die  Kompositionen 
fiir  Tasten-lnatrumeute  gilt,  auch  auf  diejenigen  fttr  Orchester  auszudehnen, 
wobei  noch  f»ir  -^icb  s|triilit,  daß  fiir  ausgesprochen  weltlieh«'  Knnij'o«itioii«>n 
keine  anderen  Manien  aulUr  uatüilich  von  Tüuzeii;  vorhuudeu  sind  ulä  ebeu 
die  der  Kanxone.  Die  Hicercam  waren  in  erster  Linie  Kompositionen  fiir 
Oi^eP),  und  so  werden  auch  die  Instrumental-Ricercars  fiir  den  Gebranoh  in 
der  Kirche  htstimmt  gewesen  sein,  wofür  ihr  Chuwktei.  ihre  ausgeführte, 
strengt'  Arl)eit,  stark  s^prechen  ';.  I)as  Kieercur  spielt  auch  in  der  Instruniental- 
Muüik  keine  tielere  Xlulle  und  zieht  »ich  wieder  ^uuz  uuf  die  Orgel  zurück, 
als  der  Nume  ^Somia*  allgemeiner  wurde.  —  Es  hat  sogar  einige  AVahr^ 
scheinlichkeit  (ur  sich,  daß  die  Sonaten  ihre  Abstammung  von  den  Bicercars 
herleiten:  wiufn  m;^  die  Sonnte  a  cimpie  istronienti,  löSO*'';  von  A.  Gabrieli 
erli:tlten.  wel«;lM-  rt  r,  ri   mit  SonattMi  1  ir/cicliiieten  8<ii'  !:f  t  iitbiUt,  so  wäre 

vielleicht  die  Abstammung  dersitlbeu  von  den  liicercars  eikeuubar,  watt  iür 
den  Gebrauch  der  Sonaten  fiir  kirchliche  Zwecke  sprechen  wflrde.  Dieser 
Identifikation  von  Instruraental-Bicercar  und  Sonate,  die  bereits  "Wasielews- 
ki*]  ausgesprochen  hat,  widerspricht  aber  die  Tatsache,  daß  das  Bieercar 

1  M  f  geteilt  in  d«n  Beila^pn  zur  «Optichichte  der  Instrumental-Musik  im  IG.  Jahr» 

hundert «  VOM  W  a  i  e  1  e  wsk  i .  Nr.  :?."{. 

2  Mitgeteilt  in  Mni/ns  Mnsirit^tu  de  ia  Henaisaane»  Fran^aüe.  Edition* 
pnhluü  par  11.  Experl,  llKXJ,  .S.  ÖU. 

3;  Seiffert,  Geschichte  der  Klaviermusik,  S>  31  und  37. 

4  V<>rglcicho  die  von  Riemann  herausgegebenen  Ricercars  in  »Alte  Kammer- 
muäik«  iAugcaei  . 

5;  Becker.  VerzeiehniB  der  Tonwerke  des  17.  und  18.  Jahrhunderts,  8.  287. 

6.  Wasielewski.  Gesrhichte  der  InstnunentabMusik  im  16.  Jahrhundert,  S.  161. 


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216 


AXSx^d  Meu0,  Die  Inttrunbeatal'ätudie  de«  »OrCao«. 


fu^üii-  oder  doch  kuiiuiiuitig  uugvlt^gt  ist,  während  die  Suual*  gleich  mit 
ToUen  Stimmen  b^^nl  Hier  li«gt  die  vielleiciht  nicht  su  erUfirMide  Sdtwierig- 
kait  d«r  vollen,  m  gewisser  Beziehung  akkordiflchen  Behaudlungaweis«  der 
Sonate.  Mau  könnte  deshalb  die  Hypothese  anssprorhen,  ob,  da  in  der  Übrigen 
künstlerischen  lustrumental-Musik  keine  dorurtiy  uuj/tlt"'tt  ii  Foruien  hestcbeu, 
nicht  die  Orgel-Toccata  (die  einzige,  allerdings  nur  in  ihrem  Auiaug  akkvrdi&ch 
augek-gte  InttnmMntal-Fom)  den  Anlaß  Cttr  du  von  der  Übrigen  Instni- 
mental-Musik  abweichende  AusBehen  der  Bouate  ^'egeben  hat.  Auch  diaaer 
Entflt»  !iui);4sgrund  würde  direkt  für  den  kirchlichen  (Gebrauch  der  Sonate 
»procheu,  da  die  Toccata  in  erster  Linie  Einl«*itiin»£s-Stück  für  drn  Gottes- 
dieu»t  WM*.  Aber  auch  hittr  werden  sich  starke  Bedenken  erheben,  und  man 
muJB  die  nähere  Erklärung  der  Sonate  doch  nodi  in  einem  weiteren  Faktor 
■oebm.  Dieser  wäre  die  Abatainmiuig  der  Sonate  von  der  geiatlii^n  Vokal- 
Mu.sik.  Beutet  zwar  der  Name  ^Sanata*  unzweideutig  darauf  hin,  daü  die 
mit  diesem  NaniPTi  belerrten  Kompositionen  für  Instrumente  l-c^timmt  «lind,  so 
sagt  er  aber  ab^tilut  nicht,  daß  die  Sonate  ein  Inötrumeutal-fc>tück  ganz  freier 
Erfindung  ist,  mag  diese  Ansicht  auch  noch  so  eingewurzelt  sein.  £a  maß 
andern  etwas  befineradlich  eischeinen,  dafi  die  Sonate,  aumal  eich  bei  ihr  gemein- 
tschaltliche  Züge  hnden,  die  bei  einer  fireien  Kompo^itionsweis^e  wohl  schwer*- 
liil)  zu  Tage  L'etifleii  wiiren,  noziisagen  aus  dem  Bnbiiteu  der  übrigen  Tu- 
btrumental-MuBik  herausbillen  w  iirde,  deren  sämtliche  Formen  sich  aut  solche 
der  Yokal-Musik  zurückführen  lassen selbst  die  von  Tänzen,  was  die  häufigen 
Texte  au  Instrumental-Tänzen  der  Hanemann^sdben  Epoche  beweisen.  An 
was  für  Yukal-StUdce  mim  zu.  denken  hat,  darüber  kann  BestimmttüH  nicht  ge- 
folgert werden:  vipüti  li^  ^^^tr('Il  er^  Motettrn,  die  im  17.  .falirlminlert  bereits 
ein  ziendich  vertichiedeius  Aut^stheu  hatten,  wofür  der  Siil  der  meisten  Or- 
chester-Sonaten G.  Gabrieli'a  spricht,  die  sich  großenteils  mit  aufgelegten 
Bibelworten  singen  lausen.  Daß  es  aber  jedenfaUs  Stficke  kirchlidien  Cha- 
rakters gewesen  sind,  dafür  würde  die  Parstellung  des  Sachverhalts  spredien, 
und,  wuH  jetzt  bctonf  w(  rden  kann,  die  Sonaftn  ~(  l1'>f.  ilonen  eine  ernsterr, 
würdevollere  Haltung  im  Vetbültni«  zu  leichter  bewegten  Knnzon.'n  niemand 
wird  ab.'ipiechen  können.  Man  kann  selbst  eine  aku^tii^che  A\  aihiuehuiung  hier 
gdtend  machen^  daß  das  breite  ^Wesen  der  Sonate  besonders  in  einem,  scharfe 
melodi.sche  Umrisse  verwischenden  Kaom  wie  die  groi  en  Kirchen  zur  vollen 
Wirkung  kommt,  ja  geradezu  aus  dem  dämmriinb  ii  Halbdunkel  solcher  ge- 
boren zu  sein  Frlu  int.  r)lin('  writere  Künstelei  wiii  'I''  j*  flenffdl^^  die  gegebene 
Erklärung  der  beiden  Funaeu  mit  der  au  allen  Ecken  und  Kuden  zitierten, 
auch  mit  Widerspruch  aufgenommenen  Definition  von  Praetorius  ausammen- 
tretl'en,  der  bekanntlich  von  den  Sonaten  sagt,  >daß  sie  »gar  gravitiltisch  and 
prächtig  uff  Motetten  Art  gesetzt*  seien,  wähieu/^l  die  Kanzoneu  aber  mit 
vielen  sehwarxen  Noten  frisch,  frnliHch  inul  'jr-rbwind  bind^^•cb]1a'^^•^t'ren, ' 
was  gerade  auf  den  Unterschied  zwischen  kircliiich  und  weltlich  hinaus  zu 
laufen  scheint. 

Wie  Sonate  und  Eanzone  sich  in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  durchdringen^ 
indem  insbesondere  die  Sonate  m anthe  Züge  der  Kanzone  in  sich  aufnimnit, 
wie  dies  die  Sammlung  Oal)rielt  s  von  K^ln  zeigt,  ist  ein  Pro/eß,  der  sich 
sehr  leicht  begreifen  läßt,  da  bei  der  Instrumentul-Musik^  sofern  sie  nicht 
ansge.?proc]ienen  Tanz>Charakter  besitzt,  die  TTnterschiede  zwisdien  kirdblicb 
und  weltlich  lange  keine  so  scharfen  sind  wie  bei  der  Vokal-Musik.  Unser 

l]  Vergleiche  Sei  ff  er  t,  a,  a.  0.,  S.  27  t. 


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Alfred  Heufi,  Die  Instrumental-Stüdie  d««  »Orfeoc. 


217 


Fall  hui  eiu  giiuz  iiiiülicbcä  Gegeutttück  iu  der  eiu  iiaibeä  Jahihuuilert  spä^ter 
iMuiiinendm  yermiachnng  der  Kirchen-  und  Kai]ime«^4EkNiatef  nur  d«fi  lu«r 
dieselbe  leichter  und  schneller  von  Btetteik  gebea  mufitef  veil  die  Gegensitee 
keine  lo  Btarken  aind  wie  dort. 

2.  Die  Scherzi  niDsicali  von  Cl.  Monteverdi. 

Die  8(har»i  mUBicali  sind  nach  einer  Reite  Montevf-rdi's  mit  dem  Herzog 
Vinzenz  von  Mautuft  nach  den  Bädern  von  Spna.  die  iii>  AAn-  1599  fallt, 
komponiert:  Muntoverdi  hatte  «it»  d^n  Italienern  gewisscrnuiLicn  als  Keise- 
gfscUenk  vuu  dort  ^litgehnicht.  Giuliu  Moutevcrdi,  der  Bruder  des  ilom- 
ponisten,  gab  dieseibeii  im  Jahre  1607  heraue,  doeh  waren  sie  aicher  schon 
vor  ihrer  Drucklegung  in  Freundeskreisen  bekannt.  —  In  der  »dichianaiiom 
della  IcUera  shimp'itn  rtff  (fuinto  Uhro  ,  die  eine  Vertcidii^'nng  Monteverdi's 
gegen  die  Angritie  Artus i'a  eiitliiilt,  hebt  (iiulio  die  ^Sdieru  als  bebon- 
deres  Verdieu&t')  Muutevei'di's  hervor,  induDi  er  tjugt,  Claudio  habe  mit 
ihnen  den  fnmsdtiaehen  Oesangsstil  in  moderner  Weise  {U  eani»  aUa  firanm$e 
in  f/ueslf)  moderuo  modo)  nach  Italien  gebracht,  i ) er  Nachdruck  seheintniehi 
tu  sehr  nut'  dem  xvinio  nlla  fraficf.fe*  als  vielmelu-  nuf  dem  qtffsifo  m<>~ 
dcrno  modo  zu  üffren.  h1«o,  daß  Claudio  Monteverdi  nicht  sowohl  den  tran- 
zöäi&cheu  »Stil,  als  denHelt>en  in  dieser  modernen  U  eiüe  als  eräter  nach  Xtuliea 
gebracht  habe.  Der  fransGsische  Stil  hatte  schon  langst  in  Italien  foaten  VnA 
ge&ßt:  Übertragungen  von  französiücheu  Kau/onen  waren  schon  lange  üblich. 

Die  vier  Auflagen  fl(W»7,  1609,  IGlTi,  UV2H\  sprechen  am  besten  fttr 'die 
uugemeine  Belie}>theit  und  Verbreitung  dieser  Stücke. 

Die  Sclurxi  sind  kleiue  dreiätimmige  Liedchen  (füi*  zwei  >ieludie-Stimuu!U 
nnd  BaB)  über  weltliche  Texte,  denen  immer  ein  Instrnmental-Ritomell  in 
ähnlicher  Beschaffenheit  wie  die  Getftnge  beige^rebeu  it^t,  nnd  die  zwischen 
den  einzelnen  8tro]>heTs  der  Gi  -iinL'e  gespielt  werden.  Ein  Beispiel  findet  sich 
iu  den  Beilagen  >\r.  II.     Wh>  wai  das  Neue  an  ihnen? 

Die  Dreistimmigkeit  war  es  nicht,  denn  diese  hatte  Monteverdi  bereit» 
als  Jüngling  in  «einen  *CmxoMtU  a  ire  voei*  im  Jahre  1584  angewandt^]. 
Auch  die  Beigabe  von  lUtornellen  war  es  nicht;  denn  dies  !<cheint  etwaa 
Althergebrachtes  gewesen  an  sein,  wie  ans  den  Worten  des  Praetorius'j  aur 
(ieaüge  hervorgeht. 

"Dan  Xeue  au  den  ücherzi  niiii>ic(üi  ini  das  Volkstümliche,  du»  ihnen  voll- 
ständig den  Stempel  aufdrückt,  nämlich  sowohl  im  Gbhatt  als  in  der  Form.  Man 
kann  !^agen,  statt  Kun^t  heirncht  bei  ihnen  Natur,  denn  sie  sind  mehr  als 
scldicht  gesetzt.  Auüer  der  Kürze  fidlt  vor  allem  die  Behandlunji  der  Stimmen 
an  f.  die  auch  nach  ganz  modernen  Begrifl'en  volk.-stümlich  ist.  Die  bpi<len 
oberen  Stimmen,  meiüteuä  Sopran  und  Ait  gehen  durchgängig  miteinander, 
immer  in  leichten,  klingenden  Intervallen,  Terxen  und  Sexten,  gana  wie  daa 
Volk  noch  heute  sinjft,  wenn  es  zur  Mehrstimmigkeit  greift.  Es  i.st  durch 
und  durch  eine  Musik,  wie  sie  das  Volk  liebt  und  auch  selbst  schatit.  Die 
drei.stimmige  Besetzung  ist  zudem  ebenfalls  weitaus  die  natürlichste,  viel  na- 

1  Die  betreffende  Stelle  ist  mitgeteilt  von  Ambro«  (Musikgeschichte  IV,  S.  368) 

und  V  i  CT'  5  A'ierteljahjssclirit't  für  I^lu><ik\vi»sensehaft.  S.  32H  . 

2,  Siehe  im  Verzeichnis  der  Werke  Monteverdi s  von  Vogel  ^ Vierteljahrsschrift 
für  Musikwissenschaft.  1887. 

3)  Mitgeteilt  im  Anbang  I  Xr.  3:  Sinfonie  und  iUtomell.  Vergleidhe  8.  82Ü  ff. 


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218 


Alfred  Ueuß,  Die  luatrumental-ätäcke  des  »Orfeo«. 


türlidior  ak  die  vierstimmige.  Wer  Gelegcalielt  gehabt  hat,  das  Vulk  zu 
beobachten,  der  wird  sehr  oft  anf  die  Beeetzung  von  swei  Franenstimmeii 
und  einer  Baßstimme  gestoßen  sein;  denn  einen  Baß  aus  dem  Stegreif  7M 
improvisieren,  das  vorstellt  ein  musikalischer  Bauernbursche  oft  besser  als  ein 
sogenannter  Musiker.  Der  Baß  ist  es  denn  üllfin.  der  >^fiuen  selbständigen 
Weg  geht,  meistens  mit  gewichtigeren  Scliritten,  kleinere  Koteuwerte  ver- 
meidend. Ganz  wie  die  Gesänge  sind  auch  die  Bitomelle,  Oberan«  friache, 
reizende  und  oft  direkt  an  Mozart  erinnernde  Instrumentjil-Stücke,  deren  ffir  die 
Geschichte  wichtigste  Eigenschaft  die  ist,  daß  sie,  gleich  den  Gesäugen  selbst, 
scharf  gegliederten  Bau,  meist  von  vier  zu  vier  Takten,  aufweisen,  also  direkt 
ua  den  Tunz  erinneru.  Dies  ist  nicht  das  Mindeste,  was  den  Svfier^i  dua 
für  dieee  Zeit  überaus  moderne  Aussehen  gibt,  denn  eine  solche  finden  wir 
in  dieser  Art  selbst  bei  Tänzen  nicht,  da  auch  diese  sich  keiner  so  kunst- 
losen, aber  jede  rhythmische  Wendung  so  klar  zeigenden  Satzweise  bedienen. 
Kbenfalls  neu  scheint  mir  die  Kotierung^art ',  wir  würden  die^c  Stücke  nicht 
anders  schreiben,  obgleich  sie  noch  aus  der  Zeit  stammen,  in  weicher  wir  ott 
die  Kotenwerte  von  Kompositionen  um  das  awei-  und  ▼ierfadlie  verkleinern 
mttssen,  um  das  richtige  Bild  zu  erhalten.  Man  vergleiche  beispielsweise  das 
Notenbeispiel  von  Tänzen  Gastoldi's,  liaüetti  a  .7  (1591—  1600)  in  Torchi'a 
Gc-jcliichtc  drr  1  iT^trumental-Musik auch  zu  dem  Zwpric.  die  Behandlung 
der  italienischen  Tänze  zu  sehen.  Gegen  die  Sdicrxi  nehmen  sie  sich  geradezu 
schwerfftllig  aus. 

In  allen  diesen  direkt  hervorstechenden  Zügen  liegt  nun  der  ungemeine 
Erfolg  der  Srhrrti  niuj^irali,  aber  dennoch  nur  teilweise.  Das  (Teheimnis  des- 
selben lif'trt  anderswo;  zwanzig  Jahn  früher  —  wenn  sie  überhaupt  da  hätten 
entstehen  können  —  und  sie  hätten  keine  tiefere  Wiikuug  gehabt!  Die  Sdier^i 
hatten  das  Glück,  in  eine  Zeit  sa  fallen,  welche  gerade  das  besweckte,  was 
die  Stücke  von  selbst  brachten,  eine  ganz  unzweideutige  »Verachtung  des 
Kontrapunktes,«  Leichtverständllchkeit  in  der  Text-Aus.spniche,  scharfe  Phra- 
sierun^r,  (\;\7.\i  dm  ungemein  frischen  Zug,  der  jjic  alle  durchweht.  Dies  macht 
die  wahre  (Bedeutung  dieser  Stücke  aus,  und  wii'  begreifen  jetzt  auch  ohne 
weiteres  die  starke  Betonung  des  »in  questo  moderne  modo«  von  Giulio 
Monteverdi.  Die  Stücke  waren  neu,  mochten  sie  in  »stilo  francese,«  oder 
in  einem  anderen  Länderstile  verfaßt  sein;  neu  waren  sie  durch  ihre  ganze 
Ausdrucksweise,  ihr  ungeniertes  Ignorieren  jeglicher  höheren  Satzkunst.  Mit 
diesen  Stücken  stellte  sich  Monteverdi  als  Madiigal-Komponist  auf  die  Seite 
des  neuen  Stiles,  legte  Beform-Madrigale  vor  und  bewies,  daß  sich  auch  die 
Chor-Musik  den  Forderungen  der  Hellenisten  anpassen  ließ:  dieselben  konnten 
auf  Monteverdi  rechnen. 

Daß  die  Sckfrxi  mii^Uali  fiir  dif  italienische  Musik  von  Kinfluß  wrircn. 
liegt  schon  in  den  Worten  Giulio  Monteverdi "s,  welche  sagen,  daß  Monteverdi 
damit  etwas  gebradit  habe,  was  Italien  bis  dahiu  fremd  gewesen  war.  Der 
Einfluß  läßt  denn  auch  nicht  lange  auf  sich  warten,  und  zwar  zeigt  er  sich, 
charakteristisch  genug,  bei  cii.i ni  Komponisten,  der  mit  Monteverdi  in  per- 
sönlicher Berührung,  wahrscheinlich  sogar  in  Freundschaft  gestanden  bat,  in- 
dem er  am  Hofe  zu  Mautua  mit  Monteverdi  wirkte  -^j.  Es  ist  dies  Saiumone 
Boss!  —  EbreOf  wie  er  bei  seinen  Kompositionen  selbst  bemerkte  — ,  der 
1607  sein  erstes  Buch  der  >  Sinfonie  e  Gagliardi  d      4  e  5  voci^  per  sonor 

1  liivista  musicale  184)7. 

2i  Veigleiehe  Vogel,  a.  a.O.,  S.  3;^. 


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Alfred  Henß,  Die  Instnimental'Stöcke  des  >Orfeo«. 


219 


a  duc  viole,  ovcro  doi  Corfwtti  e,  un  (  hiiaronc^  o  altro  ütronicnio  di  coiyo'- 
(ein  Buß-Iustruinent]  in  Venedig  herausgab  Torcbi  sind  die  Stücke  eben> 
falle  sehr  aufgefallen'),  da  sie  sn  sehr  mit  der  übrigMi  Inetrumental-MaBik 

in  "Wiflt  rsprnch  Hteben;  ihre  Fortii^i  [in  forma  triolto  incrrta  c  embrionale  — 
n.f^ohitamente  polifmri^n.  o  a^^huifata  a  forrnr  dt  danxn'^ ,  ihr  AVosen  (i  tnni 
sono  assai  graxiosi.  In  eftsi  t  ffj>irHo,  r/A/,  slancioj  e  tuUo  dcjmic  di  inia  rera 
sostanxa  musieaU  etc.)  stehen  denn  mit  den  Seherxi  muneaU  in  innigi>tem 
Zusammenbang  und  swar  in  erster  Linie  di«  TSnse,  die  eine  Shnllche  Be- 
handlangewei^e  wio  die  Seherxi  aufweiseu.  Tor  allem  sind  es  aber  die  kleinen 
Formen  und  der  überanf»  friscbo  unijf«iii  hto  Ton,  der  mit  den  Kanzonen  und 
Sonaten,  aber  auch  mit  den  Tänzen  der  Italiener  in  hellstem  Widerspruch 
steht.  Hier  merkt  man,  hier  konnte,  wenn  diese  Stücke  Erfolg  hatten,  die 
Instmraental-Mnsik  neue  Bahnen  einschlagen.  Und  sie  hatten  solchen,  denn 
sie  trafen  den  Zeitgeist.  Gleich  im  Jahre  1608  lied  (l»  nii  auch  Sulomone 
Bos-!  »  ii!  ^.weites  Bin  Ii  >(iMi«  r  Stücke  folgen,  niacliti-  alter  der  Zeit  ein 
kleines  Zugeständnis,  indem  er  ihnen  einige  Kanzonen  —  e  akum  Canxoni 
per  smar  a  4  ncl  fim  —  beigab*). 

Es  kann  hier  nicht  der  Ort  sein,  nSher  anf  die  Sammlungen  einangehen. 
Hervorheben  modite  ich  nur,  daß  die  Gagliarden  teilweise  immer  zu  einer 
Sinfonie  zu  geh<'VHn  «t"hpin<>n,  wodurch  dfr  GprlMuke  an  die  Suitenform  nahe- 
gerückt wird,  Frag«*n,  die  einer  näheren  Untersuciiung  noch  bedürfen.  Sonder- 
bar ist  in  der  zweiten  Sammlung,  daß  manche  Sinfonien  in  derselben  doppelt 
erscheinen;  so  ist  Kr.  26  gleich  Nr.  16,  Kr.  28  gleich  Kr.  9,  Nr.  29  gleich 
Nr.  18,  Nr.  30  gleich  Nr.  14,  Nr  :U  gleich  Nr.  2. 

Von  Kosf<i  an  erfreuen  ftrh  dir  Trinzr  tukI  ilie  kleinen  Formen  der  Sin- 
fonie einer  großen  Boliei)theif ;  sie  werden  sozusagen  Mode-Artikel.  .I>ie 
jüngeren  Komponisten  werfen  sich  mit  Macht  auf  dieses  ergiebige  Feld.  Hier 
ist  vor  allem  Biagio  Marini  au  nennen,  der  1617  sein  Op.  1  als  »Affeüi 
MUSicali*  veröffentlichte  Und  bis  zu  Heinem  Oj).  22  von  1655,  wahrscheinlich 
Beinern  le</fi  ii  AVerke,  iü  rrster  Linie  den  Tanz  kultivifiie.  Ancli  liit  t  i^^t 
es  der  frisciie  Zug,  der  »uffjillt.  der,  frei  von  der  Tradition,  jede  höhere 
Sutzkunst  zu  verwerfen  scheint,  nur  in  auffallend  starkem  Maße  die  Variation 
Yerwendet,  die  in  der  italienischen  Klaviermusik,  besondere  von  Freecobaldi 
kultiviert  \vurde-^'.  Man  wird  bei  diesen  Variationen  direkt  an  die  dcntsche 
V;ir::if itiiiPn-Snitc.  nv.A  bei  den  T;iit7-S:uiiin1ii!tL'f-T»  olnu-  A'iMinf inii»<ii  über- 
haupt an  eine  Art  Suite  erinnert,  woraul  lH"-ontler8  ein  Werk  von  Buona- 
mente  1637  hindeutet,  in  welchem  die  Bemerkung  steht  ^()gni  sinfonia  ha 
il  gfto  BrandOj  OagKarda,  e  Corrmte*;  und  «war  kommt  es  vor,  daß  die 
Qaiy'': '  eine  Variation  dos  Ihditdo  i  f.  ■,\\-o  die  ganz  gleiche  ]iildnng8wei8e 
vorliegt,  welche  Seiffert  bei  Fre-rol  uidi  als  obandd«  !  *  hes  Zeieben  peiner 
Variationen  hervorhebt**).  Uber  die  ganze  Tanz-Konipuj-ition  der  Italiener 
sind  wir  ungtnügend  unterrichtet',  eine  Klärung  der  ganzen  Frage  ist  nur 
möglieb,  wenn  sie  im  Zusammenhange  und  vornehmlich  als  gans  eigener  und 
besonderer  Zweig  der  Inatrumental-Praxis  in  der  eisten  Hälfte  des  17.  Jahr- 
hunderts iM'trnrbtot  l^iese  Koniponi^t'^n  wollfn  und  briri'en  ofwji«'  d«>r 
übrigen  luhtruinental-Musik  Fntgegenge^et/.te:> ;  yelbat  ihru  Btiiandlung  des 
Sonatenstils  ist  eine  andere,  sofern  das  "SVesen  des  Tanzes  bei  diesem  sich 

1)  Stadt-Bibliothek  su  Breslau.  2;  A.  a.  0.,  18ü7. 

3)  leh  eitiere  mit  Absicht  Torchi.       4}  Stadt-Bibliothek  zu  Breslau. 

5)  Siehe  Seiffert,  a.  a.  0.,  S.  196 ff.        6)  A.  a.  O.,  S.  142. 


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220  Aibert  Heafi,  0ie  IiMtramentat-Stacke  dm  •Otfeoc. 


iiial5i,'tbeii(l  macht,  nht-r  lan^e  nicht  genüg^end,  um  einen  voll?t;h)fli^en  L'ui- 
sciiwung  herbeüdüübreii.  Deuu  im  Grunde  genommen  stoben  »ich  die  beiden 
Sehnkn  ziemlkdi  tchroif  gegenüber;  erat  die  tireite  HBifle  des  Jehrlnmderts 
bringt  eine  Yeradfanmig  zu  stände,  und  von  dort  an  nimmt  die  Entwickolung 
der  Snnntf  pitirn  höheren  Aii^chwiniir.  So  viel  ist  »icbcr:  Die  Gesdiiclite 
der  italieuiächeu  Instrumental-Musik  muü  erst  geschrieben  werden. 

fi.  Sinfonie  und  nitornell. 

Schwankungen  in  den  Bezeichmincren  von  In«trnmentnl~Stück<"u  sind  um 
diü  "Wende  des  16.  Jahrhunderts  an  der  Tagesordnung,  dal»  man  gertideza 
oft  »agcn  kann,  jeder  ToBBetser  braucht  diesen  und  jenen  Ausdruck  in  seinem 
Sinn*-,  (rerade  mit  dem  selbständigen  Emporkommen  der  Instrunieutal-Musik, 
welcher  das  H»  rvortrr>ten  so  vieler  Namen,  die  vielleicht  schon  lange  in  (ie- 
braucb  waron,  zur  Folge  hatt«,  bec'iinit  ein  ziemlirh  wirres  Durcheinander, 
d&s  ganz  zu  löüeu  deshalb  vielleicht  unmöglich  sein  wird,  weil  sich  Tousetzer 
und  Theoretiker  selbst  uridersprechen.  So  verhält  es  sich  euch  in  unserm 
Fallt  mit  den  beiden  Namen  8infunie  und  liitomeU,  die  deahatb  lUr  uns  von 
Wichtigkeit  sind,  weil  sie  die  Haupt-Bezeichnungen  der  luHtrumeutal-Stüeke 
in  Opern  sind.  Beide  Ausdrücke  sind  schon  vor  der  Oper  in  Gebrauch  ge- 
weseu,  doch  verschiedenen  Ursprungs. 

Unter  St/mphoma  verstand  man  zweierlei:  Erstens  waren  es  Gesänge  mit 
Instrumental-Segleitung.  (Sinfouiae  $acrae  oantiones^  welche  mit  Kon- 
zertatstimmen, zugleich  auch  allerhand  Instrunu'iit«  anzuordnen  verhtanden 
werdf'ii.  Pra<'t()rius ,  Si/Htagma^  Tt'i!  ITT.  Alit.  l,  S.  25.)  Zweitens  warm 
es  selbständige  iustrumeniul-Sätze,  ausdrücklich  uhne  Vokaktimmeu  (allein  uff 
Instrumenten  ohn  einige  Vokalstimmen  zu  gebraudien,  ebenda)*). 

Ah  selbständiges  Instrumental-Stück  tritt  der  Name  dann  auch  bei  Salo* 
mone  Hoasi  aul'.  {Sinfottie  r  Gaifliaidi  KU)?.,  Doch  haben  diese  Sinfonien 
mit  denen  von  (Jaljrieli  nichts  gemein.  Kh  «irid  ganz  kleine  Formen  von 
geradezu  Tuuz-Charakter.  Biagiu  Muriui  identiliziurt  in  »einem  Up.  1  AljtlU 
musieali  1617  in  einigen  Stücken  den  Namen  »Sinfonie«  mit  BaUetto,  Näher 
auf  den  Namen  Sinfonie,  als  Bezeichnung  eines  Stückes  in  der  absoluten  In- 
Btrumcntal-Musik,  einzugeben,  gehört  in  die  Geschichte  der  Instrumental- 
Musik.  Hier  inten  s.-^iert  rb  r  Name  als  Oegensalz  zu  dem  des  Kitoiiiell-i.  bei 
dessen  Betrachtung  »ich  auch  die  nähereu  Unterschiede  heraui<(>tellen  werden. 

Der  Name  RitomeU  ist  jedenfalls  so  alt,  als  Instrumental-  und  Vokal-Musik 
mit  einander  verbunden  sind,  was  in  der  Volks-  und  Gesellschafts-Musik  schon 
lange  Sitte  war.  Praetorius  gibt  über  dasselbe  folgende  Erklärung,  die  im 
Auszüge  Wegen  ihres  allgemein  niusik-  und  kultur-liistorisohea  Werte«  hier 
riatz  tiudüu  möge.    [St^iätii/ma,  Teil  III,  Ö.  128tf.J 

RitortuU^Jktormedio:       Oamtna  alierm, 

>Ritomell  ist  so  viel  als  zurnckgchen  '  Vn  OaraOo  ritnmnrt  ein  PfeM,  so  man 

wipfler  zarück8(  hi(>k«  iimwsen  mit  <lein  Postpferde  also  gi^liaHen  wird.  AJlhieraber 
winl  (ins  Wort  Kitomell  von  den  Italienern  dahin  tfcdeutet  und  veniitHnd'*n;  wr-irTi  mim 
de»  Alicndü  uÜ'  der  tja!>!«eu  spauiereu  oder  wi«  es  aui  deu  UniversiieLteu  genannt  wird 
OasBaten  gebet:  da  «rstlieh  eine  Sercnada  oder  AbendG  Gesang  (davon  im  ersten  Teil 
Meldung  geschehen;  mit  zwo  drey  und  mehr  Stimmen  gesungen,  darauf  uff  emer 

1  Eine  fjolclic  Suifouic  weist  liiomuun  bereits  im  15.  Jahrhundert  nach  Kla- 
vierlehrer, 1898.  Nr.  IV. 


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Alfred  HenS.  Di»  Instramental-BillDke  de»  »Orfeoc.  221 


(^uintern.  Lauter»,  (  luttarone,  Theorb«  oder  anderen  Xnstnimentcn  etwas  damviscbcn 
mttsioiret  imd  gexpielett ;  «bdana  widnumb  ein  Oosetc  oder  Verßlein  von  der  Serenat» 
gwungcn,  dHranf  nbernmbl  mit  der  Quintern  oder  Theorba  respondiret)  und  dso  eiiMe 
oder  anders  »bpewe^'hfM^'lt  {rcsune'<»n  und  geklungen  wird.« 

Duß  €8  sicli  Iteim  Ritoriiell  um  etwas  Alth«  i  f^M  lu  achtes,  wio  auch  um 
etwa^  Volkstümliches  handelt,  geht  aus  diesen  Worten  uuzwridpiitig  hervor. 
An  dem  ilymuus  von  Mouteverdi,  -U-e  maris  Stella^  wird  uuu  das  Gesagte 
anaftthilBah  geseigt').  Hier  nur  daa  Besultat:  £e  sind  8  Vera«)  welche  wax 
dreierlei  Melodie  haben;  der  ertfke  und  der  leiste  Vem  find  einander  gleioh) 
der  zweite,  diütte,  vierte,  fünfte,  sechste  hal>en  ntir  einon  oinzii/cn  Baß.  Das 
Ritornello  hat  die  dritte  Melodie,  »ist  amh  nur  i-ineilei,  Nvi-k-be  allzeit 
wiederumb  repetieret  wird.*  Auf  eine  gunz  iihuliche  Ait  hätte  er  es  in 
drei"  und  fUnfsüminigen  Chören  von  Measen  gemacht: 

»do  ^oher  gestalt  die  Cfton'  wMlrwmMln/Aer  nicht  ailein  in  der  Mitto  efUohe  mahl 

einfallen,  Hondern  auch  anfun^jfen.  »nid  endlich  in  fi-nf  mit  allen  Choren  zugleich  be-' 
schließen:  Doch  das  viele  andere  «orMi/ÜMaeff  mit  den  Iiisirttmental- und  Vokal-^^ 

daselbst  mit  ein^jeniisoht  seyu.« 

Hieruut  sagt  er  uocbmali^  uuBdmckiich,  daß  das  Kitumell  allein  von  Instru- 
mentem  anagefthrt  verde  und  IlÜnrt  fort: 

•Und  ob  ich  gleich  bey  etlichen  Atäorihus  befinde,  daß  sie  die  W5rter  Symphonia 

und  liitomdU)  nicht  recht  untersicheiden :  So  kan  ieh  ilorli  endlich  SOTiel  CMllirrii-en, 
daL^  St/mphonm,  einem  liebliehrn  r,ii,ni  uml  t  m  avit"»tis<  In  u  S'ninN'n,  Hitoriirlln  aber 
einem  mit  3,  4  otler  ö  Stimmen  aui  «leigen,  Zinken,  Po.«(aunon,  Lauten  oder  andern 
IneCramcnteM.  gGMtete  Oalliard,  Saltarellae,  Conrranten,  Volten  oder  aueh 
nnt  seminiminiif  und  Fusen  gespickten  Csin/oni-j  nicht  uuehnlich.  jedoch  das  sie  bis 
auff  12,  Iii,  20  'Jakt  lang,  lenger  aber  «elten  gesetzt  werden.  Lud  gleich  wie  in 
Comoedien  zmschcn  jedem  Achi  eine  fein  liel.liehe  Mimm  imtrumeniaiis  mit  cor» 
netten.  Violou  oder  andern  dergleichen  Inälnniioiite  umbwechselnde  bißweilen  auch 
mit  Vocal-Stimnien  ang<*(irdnct  und  von  den  ItaliLiieni  fn'' r/H- 'h'o  genennet  wird; 
damit  unterdeösen  die  pfi^onnatae  permnae  eich  anders  verkleiden  und  zu  folgenden 
Akt  praeparieren,  auch  «twas  rcspierieren  and  «ich  erholen  können:  AIro  und  derge- 
stalt kann  man  es  mit  Anordnung  einer  guten  Musik  vor  grosser  Herren  Tafel  oder 
bey  anderen  fröhlichen  CoNvi)iii/iU.i  ^uch  lia!t(>n.  daß,  wenn  man  zwcen  oder  mehr 
Knaben  oder  aueh  andern  Alt:  Tenor:  und  i>.iÜ;  Vokal-Stimmen  [so  von  mir  Vocct 
Coneerlaia*'  genennet  werden)  m  einem  (Xavii.  ijmhH ,  l{eg(>l  oder  dergleichen  Funda» 
niental'Tn»trument  hat  singen  la«^»  r.  nl  ■  ?  iM  t:n*  T.;ii;ii  ii.  Zinken.  l*osaun<;n 

und  dergleichen  etwas  audeit»  ohne  N'okal-iStimmuu,  allein  mit  luätrumeuteu  zu  Musi- 
zieren anfange ;  darauf  dann  wiedemmb  mit  Vokal-Stimmen  und  al«o  eins  umbs  andere 
mit  Inslrumental-Stinimen  uu J  .  r'j -■  In  Ijbenennussen.  daß  man  nach  einem  (.'im- 
eert  oder  simsten  jirii(  hti<jrrn  Mud  f  bald  eiti  lu'-tig  Can/on ,  Ualliard.  fViiirrnnt  oder 
dergleichen  mit  eiti«!  Instrumenten  her vorbringor.  Welche?  dann  auch  ein 
Organint  oder  LButeni<<t  vor  sich  alleine  in  achi  nehmen  kann,  da6  wenn  er  4n  Om- 
rin'i.s  ein  flutet  oder  Madrigal  fein  laiigsuni  und  gravitätiseh  gespielt,  alsobald  darauf 
eine  fröhhche  Ailemande,  Intrada.  liranäle  oder  Galliard  anlange;  isunach  er  wiederumb 
etwa,  eine  andere  andern  Hntet,  Madrigal,  oder  kunstreiche  Fugam  vor  «ich  nehme. 
Und  diese  und  dergteiche  Umbwecbslung  kann  gar  tiiglidi  mit  dem 
Namen  ßitornell  und  Intermedio  genennet  werden.  Wie  dann  jetziger  Zeit 


1)  Siehe  im  aiphabet iscbcn  Verzeichnis  der  gedruckten  Kompositionen  Moute- 
verili's  von  Vogel:  Air,  morin  sltlla.  a  s  /oci  on  basso  cont.  1610;  es  ist  ein  Zeug* 
nis  dafür .  wie  schnell  'auch  die  geistlichen  Werke  Mottteverdi'«  jenseits  der  Alpen 
bekannt  wui-den. 

2j  Also  durchweg  Mnsikst&cke  schnellen,  fröhlichen  Charakters. 


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222 


Alfred  fieuß,  Die  Instrumental-ätücke  des  »Orfeo«. 


bei  denen  so  aus  Itali»  ankommen  «ehr  gebiiiuchliclt:  da6  sie  auff  der  Theorba  oder 

Chitarren  am  Anfang  ein  »olch  Ritiirnt  ll  oik-r  lit-bliclie  kurze  Melodf-y  alleine  schlaffen; 
darauf  das  erste  Cit'>.etz  oder  Verlilcin  fines  Italicnisclx'n  oder  deut-i(  In  ii  Wrlfliehen 
Liedleius  mit  ihrer  ölimmen  fein  anmutig  in  der  Theorba  singen  und  anHtiuunen : 
Alsdann  so  bald  viedemmb  das  erste  Ritoraell  reiteriren  und  wiederholen;  darauff  das 
ander  Gesetz  des  anffefanpenon  J.it  illcin'^  yur  Tlirorba  alleine  sehlagen  und  dergleichen 
dancwischen  Musiciren  lassen;  damit  sie  unter  des  mit  ihrer  Stimme  einhalten,  re- 
apiriren.  Athem  gewinnen  und  sich  also  wieder  mal  erholen  können.  Darnach  dann 
«olche  Umtmecbslung  nicht  allein  propfrr  rariffnUtn  iMeetamlem  sehr  anmutig,  son« 
dem  auch  propter  rMpirati<mem  sehr  nöt iLr  in  acht  zu  nehmen.« 

Aus  allen  Hies-pn  w  <  itsi  liweifipen  Krkliinmirrri  geht  als  üntersehied  zwischen 
Sinloiiie  iiiul  Kitontcll  um-  dies  hervor,  daß  das  Tiitoniell  fröhlirhrn.  die  Sin- 
fonie mehr  ernsteren  (.'liarakters  gewesen  sei,  was  Praetorium  ausdrücklieh  be- 
tont. AIb  Intennedien  sind  beide  aufzufassen,  wie  aus  einer  anderen  Stell« 
hervorgeht*),  wo  er  aber  selbst  wieder  den  von  ihm  aufj^estellten  Tnterschied 
im  Charakter  der  beiden  Formen  unsicher  macht,  indem  er  hier  dan  den 
Kitornell  beigeja;ebe?n*  ^^irjnnlenient  det«  FröMicbfn  nurh  den  Sinfonien  zuweint; 
man  könnte  bciualie  au  einen  Schreibfehler  des  Prnetorius  denken.  >lsiim- 
lich  Sinfoniae,  sind  gleich  den  Favanen  und  Galliardenf«  etc.  (8.  132.) 
Dennoch  i-t  d<>r  Uuterachied  im  Charakter  der  beiden  Instramentsl-Arten  aIb 
ein  tatsächlicher  anzusehen. 

So  Hehr  die  ilrklärunsjen  dnreheiimnder  iffbeTi,  f  iii'  S  <ji'hi  doch  aus  allem 
hervor,  daß,  wenn  luatrumenttil-Stück«  unter  diesem  uder  jenem  Namou  gespielt 
worden,  diese  vom  Gesaniir  TollBtändig  nnabhüngig  waren  und  niemalt  an 
eine  tibertragang  der  betreiTenden  GeBangspariie  auf  die  Instrumente  gedacht 
werden  darf,  auch  hei  den  Kitornellen  nicht.  Diese  selliständige  Stellung, 
die  «irh  in  der  vorhandenen  Litersitnr  di«--(  r  Zeit  auch  bewahrheitet,  hat 
dud  Kitornell  bekanntlich  im  Verlaute  des  Jahrbunderts  eingebüßt  und  «eit- 
her  nicht  mehr  erlangt.  Es  wurde  inunennebr  dazu  verurteilt,  daa  Gesangs- 
stück,  zu  dem  es  gehört,  vor  oder  nachzuspielen  und  damit  hört  das  Ritomell 
auf,  das  selbst iindigc  Musikstück  zu  stiin,  das  es  gewesen  ist. 

Von  den  T'^iitcrschieden,  die  Pirirtorius  angibt,  hat  er  einen  nicht  un- 
wesentlichen außer  acht  gelassen,  der  nicht  wenig  zur  Kliirung  der  Frage 
beitrügt  und  auf  aichereB  Land  fUhrt:  Die  Bitomelle  stimmen  immer  im  Takt- 
maH  mit  dem  Gesangsstllek  ttberein,  während  sich  die  Sinfonien  hieran  nidit 
binden. 

Der  andere  Pntersrhied,  der  im  TN'esen  des  Worti  =«elbst  lie?.'t.  und  tlen 
Praetorius  zwar  angibt,  aber  gerade  in  der  ontscheidenden  Unterschieds-Dar- 
legnng  auJSer  acht  läßt,  ist  der,  daß  die  Ritomelle  wiederkehren,  und  zwar 
in  der  Art,  daß  sie  zwischen  die  einzelnen  Strophen  gestreut  werden,  wiihrend 
die  Sinfonien  ntir  einmal  gesi)ielt  werden,  oder  bei  ihrer  AViederkehr  (wie 
im  >  Orfeo  <}  einen  besonderen  Zweck  damit  veriblgeu  wollen. 


1)  Artikel  Uipieno,  S.  131. 


« 


Alfrud  KeuQ,  Die  luälruiueutal-äiücke  des)  »ürleo«. 


223 


Anhang  II. 


1.   MoDteverdi:   Orfeo.   Bitomell.  IL- Akt   (Neuausgabe  Seite  158.) 


1^  CT!!(^):^ 

Inf  ^  


1 


i — r— tu- 


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2.   Montoverdi:  Scherzi  muncali  a  tre  voci.  1609. 


( 'aiito 

priiuo 


Canfo 
sec'undo 


Basso 


Da-mi-gel- la  Tut- ta   bel-la  Ver-sa  ver-sa  quel  bei 


y  *>iz::_  1 


— 


•  ^^-T  • 


a  a.  i.  u.  IV. 


Id 


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224 


Alfred  Hea0,  Die  Liatnimental-Stileke  dee  »Orfeo«. 


vi-no  Fache    ca  -  da    la   ru  -  gia-da  Di-htil-la  -  ta   di   ru  -  bi  -  no 


i  7  -;--nT  i^^^^^^^^^^^t 


r  cu  j 


Canto  primo 
Bitornello 


Ganto  secondo 
Bitornello  ) 


Ba»»u 
Bitonwllo 


la  ^-  vj  1  1 — 1 — 1 

0  0  

2.  Ho  nel  seno 
Rio  Toneno 

Che  ir  spurae  Amor  profondo, 
Ma  fdttarlo 
E  lasciarlo 

Vu  sommeno  in  questo  fondo. 

3.  Diiini^.lla 
Tuttu  lit'lla 
Di  quel  vin 
Ta  non  mi  sali 

Fa  che  cada  la  ru^iada 
DisUllata  da  Cupatij. 

4.  Ah  ehe  »penlo 
lo  non  sento 

D  fiiFor  de  grardor  mtei 


Men  coceuti 
Meno  ardenü 

Suno  a  me  gli  incendi  Etnei. 

5.  fiamma 
i'iii  iii'intiuinma 
Arde  il  Uno  novello 

Si>  ini;i  \itu 
Mul  .s  aitii 

Ah  ch'io  vengo  un  Maogibello. 

6.  Ma  pia  fresca 

OffTior  cresca 

Dt^ntro  nie  si  fatt'arsura 

Cotisunianui 

E  disi'ai'mi 

Per  tal  modo  ho  per  vertura. 


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W.  Barolay  Squre,  Pmoell'i  Mvncfor  the  Funeral  of  Muy  II. 


225 


Furcell's  Husic  for  the  Faneral  of  Mary  II 

by 

W.  Barclay  Squire. 

^jondon.) 


It  is  not  oftcn  that  a  singlc  collcctor  is  so  fortunate  as  to  find,  within 
a  comparatively  short  time,  two  unknown  works  by  a  great  master,  but 
this  rare  piece  of  laek  lias  just  happened  to  l£r.  Taphouse}  the  eor 
tbnsiastic  Oxford  musidan  whose  fine  private  collection  of  musical  works 
is  known  to  all  smateurs  of  the  art.  A  few  years  ago  tbere  was  vnearthed 
from  a  volnme  in  Mr.  Taphouse's  library  the  beaatifnl  Yiolin  So- 
nata by  Puroell,  —  apparently  the  only  one  of  its  kind  that  he  wrote» 
—  which  has  been  published  by  the  firm  of  Schott  and  Co. ;  and  within 
the  last  few  weeks  the  same  collector  has  be«i  so  fortunate  as  to  dis- 
corer  the  compositions  by  Henxy  Purcell  wbksk  are  now  here  printed  for 
the  first  thne.  The  Originals  were  fouud  by  lilr.  Taphouse  in  a  set  of  four 
manuscript  volumes  of  scores  by  PnrceU  preserved  in  tbe  library  of  Oriel 
College,  Oxford;  to  which  tliey  were  presented  about  tbe  end  of  the 
IH'**  Century  by  a  Lord  Lei^^h,  whose  book-plate  they  contain.  Besides 
the  B^eral  Music  bere  printed,  these  volumes  contain  scores  of  the 
music  in  '*Oedipus*',  "Timon  of  Athens*',  '^Bonduca",  '*Circe'',  and  '^King 
Arthur",  and  the  Ode  on  the  Duke  of  Oloucester's  Birthday.  All  the 
manuscripts  are  in  the  same  handwiitiiiif,  that  of  an  nnknowTi  ropyist 
who  worked  at  tlie  end  of  the  17"'  and  hcuimiiii^'  of  tln;  18"'  cciitury. 
Each  composition  has  an  omamental  heading  executed  m  Indian  ink. 
The  score  of  Daniel  Purcell's  -^Tbe  Grove,  or  Love's  Paradisc**,  Avlii(  h 
is»  preserved  in  the  library  of  the  Royal  ("olU  ire  of  Music  (Sacred  Hai  inonic 
Catalogue,  iio.  ISO")),  is  writtt  n  by  Ihe  saiuc  copyist;  as  is  also  the  ILrst 
]);u  t  of  a  voluinc  in  the  l^ibrary  of  St.  Micha^d's  College.  Tenbnry,  stated 
ou  th<'  cuvcr  to  huve  been  begun  in  1B9(),  and  containing  coinjMisitioiis 
by  botli  Henry  and  Daniel  Purcell.  'Hie  handwiiting  is  extreniely  neat, 
bat  not  free  from  mistakos,  some  of  which  have  been  corrected  in  another 
contemporary  band. 

The  two  pieces  now  presented  are  espedally  interesting,  hoth  histori- 
cally  and  musically. 

Queen  Mary  II  died  at  Kensington  of  small-pox  on  28  December  1694. 
On  tiie  following  day  her  body  was  embahned,  and  in  the  night  of  29 
December  was  removed  to  Whitehall,  where  it  remained  until  5  March, 
when  it  was  buried  with  great  pomp  in  Henry  the  SeventVs  Chapel  at 

lö* 

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226 


W.  Üarday  Squire,  Furcell'ti  Muaic  for  the  Fanenü  of  Mary  II, 


WeHtuiinster  Abbo}-.  The  funeral  was  onv  of  the  uiost  imposing  that  has 
ever  been  accordcd  tu  an  Euglish  muuarcL  An  eye-witness '}  says;  — 
"La  faule  4toit  ineonernihU.  Ausd  n'a-i'On  Jamais  rü  de  C^rfmome  phts 
(fron  j  tii  plus  potHpeuse,^  The  official  **Order  and  Form  of  the  Pro- 
oeeding  to  the  FuneraF  is  extant,  giying  the  order  of  the  procession, 
and  another  account  of  the  cercmony  is  to  be  foimd  in  the  anonjmous 
work  just  quoted.  According  to  the  former  there  were  at  intervals  in 
the  long  string  of  moumers  who  preceded  the  funeral  car  four  sets  of 
two  tnunpeters  and  one  of  three;  besides  the  ^'Gentlemen  of  the  Chapel 
.and  Yestry  in  Copes,  and  the  Ghildren  of  the  Chapel  singing  all  the 
way^.  The  French  account,  however,  saya  that  there  were  four  sets  of 
drummers,  two  in  each  set,  and  four  sots  of  three  trumpeters.  The  pio- 
torial  representations  of  the  Queen  s  funeral,  though  interesting,  are  pro- 
bably  not  of  much  value  as  evidenee  of  the  exact  arrangenients.  The 
Chief  of  theni  are  to  be  found  in  the  folio  ''Ltß-Refh  n  op  dr  . . .  Dood 
m  Tipgraaffrni-s  ran  .  .  .  Ma/  ta  de  IT  .  .  .  dtHtr  Sniniti  l  Gnitcnis  .  .  . 
Ofrkrd  inet  Platin  door  Mr.  Ronieyn  de  Hoojjlie,  ete."  (Amsterdam, 
1095  ,  whicli  contains  a  series  of  ehiborate  views.  ineluding  a  long  pano- 
rania  of  tiu?  procession,  a  i)liui  nf  the  elioir  and  transcpts  of  West- 
llliIl^ter  Al)bey,  and  a  large  doiililt -paii^c  plate  of  the  M:iM-^oleum  er«H>tt'd 
betöre  the  altar  to  rcceive  thu  l^ut  eu's  (•«iftin.  Tt  is  1:1  nrrnlly  Ix  licved 
that  the  designcr  of  thcse  engravings,  Komeyn  de  Huoghe,  got  hi>.  ma- 
terials  for  thcni  at  si  (  oiul-hand,  and  in  this  ease  he  sccin«  carefuUv  lo 
havL'  tnllownl  ihi'  nt'tici.-il  "Order  aud  Fonu".  His  trunipeli-rs  are  tliirtixn 
in  nuiulxr,  but  lie  rLjtrcsents  the  "Kddludon  van  de  Kapel  cn  Sdcrisftr  /u 
haar  Khtdinif  f  u^t  CItoor  sin<jrnde  längs  de  licclc  iny/r  as  only  ciuLt  in 
number,  whercas  we  know  fiom  Uhamberlayue's  "Anyliac  Xotifia"  IS** 
ed.  1604;  that  the  COiapel  Royal  at  that  time  consisted  of  three  organists 
(Child)  Blow,  and  Purcell),  tweuty  Gentlemen,  and  ten  children. 
Another  engraving  of  tlie  procession  also  gives  the  number  of  trum- 
peters as  thirteen,  but  in  it  the  **Eddlui/den  van  de  Cäpcl  en  Saeristie 
in  Casuiffels"  are  eight  in  number,  and  the  ^^Koorjongenit  Aingettde  längs 
dm  iveg^  are  twenty-one,  with  the  Master  of  the  Choristers  conducting 
bdiind  theml  In  the  face  of  this  confiicting  evidence  it  is  not  possible 
to  say  with  certainty  what  the  exact  airangements  were.  It  is  clear  that 
the  music  created  some  impression,  for  it  is  thus  alluded  to  in  one  of 
the  innumerable  Ödes  which  the  event  called  forth:  — 

1;  '^Iidfitinn  dl  In  Mnladi''  dr  In  Murt  <■!  des  FuinraiU» s  de  Marie  Stuart,  h'iine 
(T Anyldcrrc  ....  C'omjti  isf:  en  ikux  lAllrea  ieriies  de  Londres,  pur  Monnü  ur  M  • . . . . 
A  ÄnuterdatHt  ekex  Jean  Garret ....  1695^.  4  to. 

2J  **\Faarc  Aßecldüige  mn  de  Ijj^Staatsü,  ^ehmdm  orer  Haiv  Mojeateyl  Maria 
S^uart,  etc.^  by  L.  Schcrm. 


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W.  Barclay  Sqoire,  Purceil's  Marie  for  the  Fimeral  of  Mary  II.  221 


''Take  uext  the  liuiuble  OfF'rüiga  of  the  t^uire, 
VTho  tho*  their  Notes  are  low,  tfaeir  Key  no  Ügher, 
Yet  with  a  mourafiül  Symphony,  take  paina 
To  imitate  at  leaat  Seraphic  Straina*).'* 

I  have  not  been  able  to  discover  any  contemporary  account  of  the 
mosic  that  was  played  or  sung  during  the  procession  from  Whiteball  to 
the  Abbey.  The  offidal  **Order  and  Form  of  the  Proceeding  to  the 
Fiineral"f  De  Hooghe's  and  Schemas  engravings,  and  the  account  of 

Möns.  M  f  a]l  place  the  chdr  and  the  varioos  groni»  of  tmmpeters 

at  some  distance  from  the  foneral  car  itself,  bnt  as  **The  Queens  Funerall 
Blarch*'  now  printcd  mnst  haye  been  played  by  four  iiistruments^  whüe 
the  accounts  of  the  fiineral  varv  in  the  numbcrs  they  givc  oC  the  tnimp> 
eters,  and  the  phitcs  are  probably  dosi^ied  from  the  ofticial  account  and 
uro  not  the  work  of  eye-witnesses ,  it  is  quite  possible  that  the  heading 
of  tlie  Oriel  M8.  is  correct,  and  tliat  a  quartet  of  t)ra.ss  instruments 
pUiving  Purcell  s  clioralc-liko  niarch,  immediately  preceded  the  car. 

As  tü  the  music  in  tlic  Alihey  itsclf  we  have  the  evidencr-  ol  Dr. 
Tudway  d.  \7^)  .  that  ihe  unthom  snni^  \v;is  Pnrcell's  "Remembcr  not, 
Tiord,  oiir  olttiices".  In  bis  intmihu  tion  to  vol.  IV-'  of  tho  MS.  <  (.llcc- 
tiun  niadc  hy  bim  bctwi  t  ii  ITl.j  aiid  1720  for  the  Kai'l  üf  Oxford,  Tud- 
way,  wiitiiig  of  music  ^uitable  to  devotion,  says: 

"Au  iustancr'  .  .  .  .  T  sliall  give  .  .  .  iu  y*"  bist  Anthem  of  thin  volunie; 
compos'd  by  Mr.  ilciiry  Purt-ell,  after  y*  old  wny:  aiul  «initr  at  y*"  iiifi  ir- 
luciit  ot  4ueeu  Mary  iu  Westuiiuster  Abbey;  u  great  t^ucen,  and  extremely 
Lamented,  being  there  to  be  interrM,  ev'iy  body  present.  waa  dispoa^d, 
and  seri(>i)>,  :it  so  solemn  a  Service,  »6  indeed  tibtey  onght  to  bo  at  all  parte 
of  diviiii  AV'orship;  I  appeal  to  all  y*  wore  present,  as  well  such  as  under- 
stood  31usic,  as  tho?«»  y'  did  not,  whitlu  r.  they  ever  heard  aiiythinfr.  so  rap- 
turouäly  üne,  so  solemu,  und  so  Heavenly,  iu  y*  Operation,  weh  drew  tears 
from  aÜ;  and  yet  a  plain  Natiurall  Compoaition,  weh  ahewa  y""  powV  of  Mu- 
sie,  when  'tie  rightly  fitted  and  Adapted  to  devotional  pnrpoaes." 

The  anthem  is  beaded  by  Tudway: 

**Thou  knowest  Lord  y*  Secrets  of  our  Hearts.  A  Füll 
Anthem  sung  at  y*  funerall  Solemnity  of  Queen  Mary  169^5 
accompanied  flat  Mournfull  Trumpets.  ComposM  by  Mr. 
Henry  Purcell;  in  Hon'  to  whose  Memory  the  same  Compos- 
ition  was  perform'd  y"  year  following  at  bis  own  funerall,  in 
Westminster  Abbey.** 

In  ite  original  form,  as  given  by  Tudway,  the  anthem  is  unaccomp- 

1;  »^A  pocm,  oL'casioncd  by  the  Magnificent  l'rucectlia^'  lo  tli«'  Funeral  ol  Her 
laie  Majesty  Queen  Mary  II . . . .  By  P.  G. ,  Gent.  Laie  of  the  Lniversity  üf  Cam- 
bridge ....  London.  169i5".  fol. 

2)  Britiah  Muaetun,  Barl.  MS.  7310. 


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228 


\V.  Barclay  Squire,  Purcell's  Music  for  tbe  Fuucral  of  Mary  II. 


anied,  but  it  appeais  from  the  title  that  the  braas  quartet  doubled  the 
Toice-parts.  Vincent  NovellOf  vbo  did  such  noble  work  in  Publishing  bis 
great  collection  of  Purcell*8  Sacred  Music,  has  made  a  curious  mistake 
with  regard  to  the  composer's  other  funeral  anthem,  **Ble88ed  is  the  man" 
which  immediately  preoedes  **Bemember  not,  Lord"  in  Tudwa/s  col- 
lection. In  a  note  to  the  fomer  composition  Novello  quotes  pait  of  the 
above  eztract  from  Tudway^s  preface,  altering  the  beginning  tiius:  **Thi8 
Anthem  was  composed  by  Mr.  Henr}-  Purcell  after  the  old  way"  etc., 
and  making  tho  description  of  tlie  effect  "Remember  not,  O  Tiord"  prod- 
uced  at  Queen  Mary 's  funeral  refer  to  "Blesscd  is  the  man''.  How  the 
mistake  arose  it  is  impossible  to  say.  "Blessed  is  the  man"  is  headed 
**A  verse  Anthem  for  3  voices  for  a  funeral  solemnity";  but  the  words 
("bis  seed  shall  be  mighty  upon  earth,  the  gen« mtion  of  the  faithful  shaU 
be  blessed")  are  ohWously  inappropriate  to  tlic  funeral  of  the  childless 
Queen,  while  it  is  hy  no  means  written  ^after  the  old  way''  and  is  also 
not  the  last  anlljoni  in  the  volume. 

To  rcturn  from  this  di^ression  to  the  KmuTul  ^lusic  discovered  hy 
Mr.  Taphouse,  it  is  a  curious  fact  '  tliat  the  Funeral  March  is  an  adaj)- 
tion  of  a  passage  from  the  music  written  hy  Purctll  to  ShadwcH's  play 
of  "The  Libertine"",  a  Version  of  the  Don  Juan  legend  which  was  tirst 
produccd  in  107().  It  has  generally  hecn  assumcd  that  PurcelFs  music 
was  pcrformed  in  this  year.  hut  for  v.irious  reasons,  the  discussion  of 
which  would  take  me  too  far  from  the  ])rescnt  subject,  but  to  which  1 
hope  to  return  in  a  futurc  article,  there  is  ground  for  believing  that  it 
was  written  for  a  revival  of  the  j)lay  of  1092.  The  passage  used  for 
the  C^ueen's  Funoral  March  occurs  at  the  beginning  of  the  Fifth  Act. 
the  scene  of  which  is  laid  in  the  Infernal  Hcgions,  wh^  Don  Juan's 
adTent  is  heralded  by  a  dioms  of  Deyfls.  In  a  maauscript')  of  ^The 
Libertine"  written  by  Dr.  Groft  (1677—1727),  who  was  himself  a  con- 
temporary  of  Furcell*8,  the  passage  is  given  as  foUows:  — 


FUtt  Tmmpetts. 


-ö-rb  — i-  ■   ^ — 1  T  

JtTn  — iri>  ~^  r^~l  H — 

 -^^^-{^ 

— H< — ^   s — 

h-^H  1 

T  T  in 

=i=zJ  

— - 

-5-  

^^'^-tp_    r  r — 

1 

!           1  1  )  r 

1  I  am  itidebted  to  Dr.  Alan  Gray  for  poiuting  thii  OOt. 
2J  British  Museum,  Add.  MS.  5333. 


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W.  Barclay  Squire,  PurceU*8  Muüc  for  ihe  Funenl  of  Mar}-  IL  229 


fa^— — 

tny               Ei  «* 

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L^J  1 

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A  comparison  of  tliis 

Version 

witli 

th;it  (lisco 

Mr. 

Taphouse 

j^ivos  rise  to  tlio  (iue>tii»n,  wliat  tlu'  iiistruiiu'nts  for  whicli  the 

March  and  Canzona  ^ere  written?  Croft's  score  antl  Tudway  Ijotli  iise 
tlie  sinj^ular  cxpression  "Fiat  Trunipcts"  and  tlic  Oricl  MS.  sini])ly  jrives 
*'Tnmipets'',  yet  it  is  ccrtain  tliat  no  Trumpot  could  liavc  playcd  this 
rnnsic  without  a  slide,  the  usc  of  which  onlv  becanie  common  at  a  nmch 
later  date.  Both  De  Hooghe's  and  Scherm's  plates  show  trumpcts,  but 
it  has  been  shown  thal  as  evidence  they  iure  unTeliable,  and  the  officiai 
**Fonn  and  Qrder^  gives  no  place  in  the  procession  where  four  tnun- 
peters  could  have  played  together.  On  Consulting  the  well-knon^'n  trum- 
pet-player  Mr.  Morrotr  as  to  this  point,  he  giTes  it  as  his  opinion  that 
the  music  was  played  by  Trombones  and  not  by  Tnunpets,  and  that  the 
latter  tenn  was  only  used  '*in  the  general  or  coUectiTe  vay  in  which 
many  people  speak  of  brass  instraments  as  Tnunpets^)".  The  usual 
English  term  for  trombones  at  that  date  was  Sackbat  In  H.  Eich- 
born*8  '*Die  Trompete  in  alter  und  neuer  Zeit"  (Letpdg^  1881)  a  good 
deal  of  evidence  will  be  found  that  at  the  period  when  Purcell  wrote 
some  sort  of  slide-trumpot  was  occasionally  used,  though,  so  far  as  I 
know,  no  passage  has  lütlierto  been  found  showin/?  —  as  this  music  of 
Purcell's  does  —  that  these  instrinnents  possessed  slides  capablc  of  lower- 
ing  the  notos  of  tlif  liarmonic  scale  five  semitones.  On  the  whole  it  seems 
most  probable,  tliat  the  instruments  used  in  "The  Libertine"  and  at 
Queen  Mary's  funeral  were  four  Trombones,  the  two  upper  parts  being 
played  by  sinall  Discant  Trombones  fir!;ilt)£rons  to  Baclfs  Tromba  da 
tirarsi^j  in  the  Church  Cautata  ''Herr,  gehe  nicht  ins  Grericht**.  The 


1'  EHsha  Coles,  in  hin  Kn<rlish  Di(:tif)iiiiry  lifnidon.  1(;H2  ih  fitif")  Sarkbiit.  as  "n 
drawiiiy  Tnimpet".  lu  the  1732  edition  of  the  same  work  the  detinuion  is  strangely 
altercd.  probuhly  by  an  ignonmt  printer,  to  ''drawling  Trompet**.  Tansnr  (Elem«ntt 
of  Hntie,  1767}  tpeA»  of  the  sackbut  u  the  ^Trompet  harmonioiis'*. 

2}  Spitta,  Life  of  fioch  {English  tnmslation,  London,  USA),  II,  4S8,  note. 


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230 


W.  Barclay  Squirc,  Purcell*!  Music  for  the  Fnneral  of  Mary  II. 


tenu  '^Flat  Trumpei"  probably  referred  to  the  fact  that  they  vere 
tuned  in  a  flat  key,  instead  of  in  the  cnstomary  keys  of  0  or  G*). 
Bat  whateTer  the  predse  Instruments  used  in  the  *^e  labertine*'  were, 
it  is  interesting  to  note  how  Purcell  hit  upon  the  the  same  instrumental 
colouring  as  was  used  for  practically  tlic  sarne  dramatic  Situation  hy 
Monteverde,  wlio  introduced  tromboues  in  the  Hades  Bcene  of  Iiis  „Orfeo"' 
in  1607,  and  by  Mozart  in  the  employment  of  the  samc  instrumeuts  to 
accompany  the  entrance  of  the  Statue  in  the  last  Act  of  ^'Don  Juan" 
(1787). 

With  re|?ard  to  tho  "Tremolo"  of  Purcell's  Canzona,  I  cannot  do 
ht'ttcr  than  quote  Mr.  Morrow:  —  **The  Tremolo",  he  writes,  "would, 
l  tliink,  be  produced  in  the  same  manner  as  iistd  l)y  niany  attected 
pUiyers  —  diiefly  of  the  Cuniet  and  Kuphuniuni  —  at  tlic  prcscnt  day; 
it  is  a  vuljjar  iniessant  vibrato  wiiicii  they  niistako  Un-  cxpression,  bat 
Avliirh  can,  iike  all  other  effects,  !)»■  used  occüNionally  witli  Utility.  It  is 
prodiieed  by  a  niovement  of  tlu;  alxbiniinal  niu>flfs''. 

In  printing  thesc  int«>i'estinj,'  compositions  of  Pureeir.s  1  have  folluwrd 
the  Oriel  MStS.  elosely,  though  iu  the  Canzona  two  of  the  contempKiary 
coriei  tioni»  of  the  copyist's  MS.  have  been  utlopted  in  the  third  purt, 

they  rectify  \vhut  are  obviuus  errors. 

The  Queens  Funerall  Maroh  sonnded  before  her  Ohariot. 


Trunipt  2"d 


Trump''  3»d 


Trurapi  4''» 


Mr.  H.  Purcell. 


F: 


mm 


1  See  Eicliborn,  oj>.  cit.  p.  32.  The  Philological  Society's  Dictionary  {jives  a 
curiouä  exainple  ol  tlie  use  ui'ilie  tcrui  Hat  in  the  followinjr  passage  froni  Teongc'i«  Diary 
1G25]:  —  "25  Dec.  Crismas  üay  wee  keepe  thus.  At  4  in  the  moriung  our  trum- 
peters  all  doe  flatt  their  totunpetts,  and  begin  at  our  Captain^s  cabin  ....  playing  a 
l«vite  at  cach  doore^.  Dr.  Murray*«  explanalioii  of  thia  vsptwAou^  vis.  that  "to  flatt** 
means  "to  hlow",  dt  rived  fruin  the  Latin  flarc,  is  probaUy  001Tect|  and  the  tenn  hat 
nothing  iu  common  with  PurcoU's  "flatt  tnunpetts". 


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W.  Barclay  Squire,  PurccU  a  Music  for  the  ]?'uneral  of  Mary  IL  231 




■B-rh-  

 Ä>— 

Jl       1  1 

1  

Cauzona.  As  it  was  sounded  in  the  Abby  after  the  Anthem. 


Tremolo. 


— t=F3= 

— •— J 

i 


l^^-^*-f±-tr -.==fcfc 

fe>       .     1    -  -  -,-^^H^~.-^-  -:^=U=  .-=  

^ "     IM-     1  r  r  -j 

— 4  

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Ml  4 

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232         W.  BarcU;  Squire,  Purcell'i  Masic  for  Uw  l'uner»!  of  Mary  IL 


r  r  r  r  i!Lc±-iqirrfT-FR^ 


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W.  Baiday  Squin,  Parcell*8  Mmio  for  the  Funeral  of  Mary  IL  233 


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234  Arnold  Schenog,  Zur  Bach-Forsohung. 


Zur  Bach-f  orschuüg 

von 

Arnold  Schering. 

(Leipzig.; 


.T(i]i.  Sri).  Brich  arrangierte  bekanntlich  während  seines  fast  runni- 
jähii!.'»'!!  Auft  ntlialtt  s  als  Hofor^'nnist  und  Kammermusiker  in  Weimar 
(1708 — 1717,  rinc  An/alil  Vidlin-Konzorte  Antonio  Vivaldi's  für  Klavier. 
Über  die  Gründe,  die  dvn  Meister  /w  dieNei-  seltsamen  Transcn'jitions- 
Arbeit  bewogen,  geben  Dokunient«'  keinen  xiuf^elduB.  Man  ist  luit 
Spitta  einig  geworden,  sie  nuf  das  energische  Wollen  zurückziifidiren, 
mit  dem  sein  universeller  Küusth  i>jeist  alles  das  sich  anzueignen  bemüht 
war,  worin  sieh  Fortschritt  aussprach.  In  diesem  Falle  rei/.te  ihn  der 
flüssige  Kon/ertstil  der  Italiener.  Bach's  Jünglings/eit  fällt  in  die  Geburts- 
jahre dt»s  Tnstnimentalkonzerts.  Torelli  und  Albiuoni  hatten  den  Ton 
angegeben,  Taglietti,  Valentini,  Corelli,  Vivaldi  und  andere 
folgten.  Die  kaum  entwirrbaren  intemationalen  Fäden,  die,  durch  Eiii> 
und  Auswanderung  geknüpft,  sich  herttber  und  binttberspannen,  Ter- 
mittelten  rasch  die  Kenntnis  des  »neuen«  Stils  in  Deutschland.  In 
Fürsten-Schlössern  und  Gönner-Palästen  fand  er  am  ehesten  Eingang, 
denn  hier  waren  Mittel  vorbanden,  sich  in  Besitz  der  neuesten  Literatur 
zu  setzen,  wenn  nicht  gar  einen  welschen  Konzertmeister  zu  halten. 

An  der  Spitze  des  kunsUiebenden  Hofes  zu  Weimar  stand  der  junge, 
begabte  Prinz  Johann  Emst  Hier  war  es,  wo  Bach  als  Leiter  der  Hof- 
niusik  immer  neue  Anregung  für  sein  iiistniiiieiitahs  Schaffen  empfing. 
In  der  Violin-Literatur  beherrschte  Vivaldi  seit  kurzer  Zeit  das  Reper- 
toire. Seine  ersten  Konzertwerke,  op.  3  und  4,  erregten  ungeheures  Auf- 
sehen.   Quantz  berichtet  aus  dem  Jahre  1714: 

.  »In  Pirna  bekam  ioh  zu  dieser  JZeit  die  YtTsldi^schen  Violinkonzerte 

zum  ersten  Mal  zu  sehen.  Sie  maditen,  als  eine  damals  gantz  iu>ur  Art 
von  untsikall-i lu  ll  Stücken  hey  mir  einen  nicht  geringen  Kindruck.  Ich  iiijt»T- 
ließ  nicht,  mir  davou  «jiueu  ziemlichen  Vorrath  zu  sunauelu.  Die  prach- 
tigen Ktoraelle  des  Vivaldi  haben  mir,  in  den  künftigen  Zeiten,  zu  einem 
guten  Master  gedient').« 

l^ichts  war  natürlicher,  als  daß  auch  Bach  ihnen  Aufmerksamkeit 
schenkte. 

ünter  der  Bnbrik  »16  Konzerte  nach  A.  Vivaldi«  enthält  die  Aus- 
gabe der  Bach-Gesellschaft  in  Band  42  die  bekannten  sechzehn  Kla- 

IJ  Selbstbiographie  bei  Marpurg,  Kritische  Beiträge  I,  8.  205. 


üiyiiizeü  by  GoOgle 


Arnold  Schoring,  Zur  Bttch-Foracliaiig. 


235 


vier-KoiworU- ,  in  l!;in<l  38  vier  Orgel-Ül>(*Hraguiigen  und  in  Band  48 
ein  für  vier  Kla\if'n>  unigesetztes  Violin- Jvonzert  des  Italieners.  Als 
Spitta  für  seint  1  •;!(  h-Biographie  das  diesbezügliche  Kapitel  schrieb'  , 
stand  ihm  zum  \  »  iLilfich  nur  ein  Vivaldi'sclies  Original,  das  zweite  der 
Konzerte,  (i-flur,  nui  h  einer  Abs(;hrift  auf  (l<  r  Dresdem  r  Bibliuthek  zu 
Gebote,  obwohl  bereits  im  Jahre  1867  .lul.  Rühlmann  außer  dieser  das 
Original  des  Konzertes  für  rier  Klaviere  auf  derselben  Bibliothek  gefunden 
und  besprochen  hatte''').  Paul  Graf  v.  Walderaee  ergänzte  die  nodi 
bleibenden  Lficken  teilweise,  indem  er  auf  Gnind  der  inzwischen  Ton  der 
Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  erworbenen  sämtlichen  Viraldi^schen 
Konzertwerke  Opuszahl,  Titel  und  Bezeichnung  weiterer  sieben  der 
Bach*8chen  Arrangements  klarlegt.')  Es  bleiben  somit  noch  elf,  von 
denen  uns  nähere  Beziehungen  zu  ihrem  Autor  fehlen;  denn  das  unter 
ly.  stehende  Orgelstfick  (Bach-Ausgabe  Band  38,  8. 196}  ist  nichts  anderes 
als  der  modifizierte  erste  Satz  des  dreizehnten  Klavier-Konzerts.  Was 
mit  diesen  heimatlosen  Stücken  anfangen?  Zu  den  gedruckten  gehören 
sie  nicht.  Ihre  im  andern  Falle  handschriftlich  überlieferten  Originale 
als  verschollen  zu  betrachten  hat  wenig  Sinn,  da  wir  reichlich  mit  Vival- 
di'schen  Handschriften  (Kopien)  versehen  sind,  —  Dresden  allein  besitzt 
77,  abzüglich  der  beiden  oben  genannten  — ,  ohne  dal^  eine  sich  mit 
einem  der  autorloMen  Konzerte  deckte.  Bacli  sell)st  als  Verfasser  anzu- 
sehen, verbietet  mehr  als  ein  Grund.  So  bleibt  niciits  anderes  iibrii;,  als 
sie  nicht  von  Vivahli,  sondeni  von  fremden  Autoren  herrührend  /u  be 
trachten.    DnH  rlas  in  der  Tat  der  Fall,  nifiire  das-  Folgende  '/l  iLren. 

Als  H;iu|)tv()i  l;tL'<  n  für  die  ^♦'chzi  liii  1\ l;i \ ler-lvoii/.erte  dienten  den 
Editoren  der  Haeh-Ausgabe  uml  »liiii  liilniL^rn  S.  W.  Dehn,  der  sie 
zuerst  bei  Peters  iNr.  217/  erscheinen  lieli,  zwei  Handschriften  der  Berliner 
Königlichen  Bibliotliek: 

Ij  Haittlx  lirift  P  2<S0,  enthaltend  Konzert  1 — 11  und  das  erste  der  Orgel- 
Arrangements,  mit  der  Überschrift:   *A/i  Cuncerto    sie!]  di  Vivaldi 
eluborati  di  J.  S.  Bach.       J.  K.  Bach.    Lipsietis  11  SU». 
2)  Handschrift  P  804,  enüuilteu«!  die  Konzerte  1,  2,  3,  5,  6,  12—16. 

Für  die  Orgel-Konzerte  kommen  die  Handschriften  P  288^  P  4001-3 
und  P  286  in  Betracht 

P  280  —  wie  aus  dem  Zusatz  hervorgeht  aus  Johann  Emst  Baches, 
Sohn  des  Eisenacher  Bach,  Nachlaß  stammend  —  trägt  Uber  Konzert  1,  4 
und  9  die  richtigen  Hinweise  auf  die  betreffenden  Werke  Yivaldi^s,  denen 
sie  entnommen^}.  Waldersee  findet  außerdem  zu  Konzert  2,  5  und  7  die 

i!  I.  4oyrt'. 

2j  Neue  Zeitschrift  für  Musik  18()7,  Nr.  -Ii. 

3)  YierteljalirBaclirift  für  l^usikvifrsensehafl  1885,  8. 356  ff. 

4}  Nicht  nur  Uber  dem  ersten,  wie  Dehn  in  der  Ausgabe  Peters  (Vorwort)  angiebt. 


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236  Arnold  Sckermg,  Zur  Bach>Fonchuiig. 

(^)u(  ll('  V  HaiuLschrift  P  \dg  nur  nicht  vor;  doch  wird  nach  Angabe 
in  Band  42,  Seite  XVIII  Vivaldi  nicht  als  Autor  genannt.  Der  FaU 
ist  dies  in  Handschrift  P  ^2  (Orgel-Konzert  Nr.  2)  und  P400\OY^(iV 
Konzert  Nr.  3),  wo  es  beide  Male  heißt  *Cmctrto  dd  Änt.  Tiraldi 
aceomodaU)  per  l'Örgom  a  2  Clav,  e  Ped,  dal  8i^'  Qwvamii  SdtasUano 
Bach«. 

Handschrift  P  286  enthält  den  ersten  Satz  des  dreizehnten  Klavier- 
Konzerts  als  Orgel -Arrangement  mit  der  deutlidien,  nicht  miBzurer- 
stehenden  Üherschrift  *Ckmeerto  dd  Hhtsirisa^  Preneipe  Oiov:  Erttesto^ 
Duca  di  Sassonia^  appropriaio  aü'Organo  a  2  Cbxvier:  et  Pedal  da 
Oiov,  Beb.  Bach.« 

Weiterhin  erregt  Handschrift  das  zweite  Orgel-Konzert  (A'tmü) 

betreffend,  gewisse  Zweifel  durch  die  XJberBclirift  »Corwerto  per  Organa 
ex  AfnoU  [compos^  p.  Moi/s.  Telemann  poi4r  le$  Violons  et  transpos/^\  jxtr 
Mii^  J.  -'^'  ff.  Ii  ach«,  obwoid  die  eingeklammerten  Worte  ausstrichen 
und  die  Autorschaft  Vivaldi's  belegt  ist^). 

An  dritter  Stelle  ist  eine  Handschrift  in  der  Hofbibliothek  zu  Darm- 
stadt  zu  erwähnen,  die  den  Titel  trägt  >Co;/wrto  di  B.  Marcello,  ao- 
eominod^  an  Clavv.ssin  de  J.  S.  Bach«  und  niit  dem  dritten  Klavier- 
Arrangement  Vihercinstimnit^l  Kommt  hiorzii  noch  eine  auf  (  irund  dieser 
Zweifel  erwachsene  ästhf'tis(  h-kriti>che  Betracliiiinic  ilcr  ühri^^eu  fraglichen 
Konzerte,  so  fällt  für  den  ciniLrcrmaUen  mit  \'iv;ddi'H  Schreibweise  Ver- 
trauten dessen  ürhebcrsciiaft  aus  sicheren  ti runden  fort. 

Durch  die  Auffindung  zweier  alter  Handschriften  auf  der  (rni  Ii  her- 
zoglichen BiMiotiifk  zu  Scliwt  lin  und  der  Königliclicn  Biltliothf  k  zu 
Dresden  bin  ich  in  den  Stand  ijesct/t.  das  Original  für  dius  dritt«-  und 
vierzehnte  der  Bach'schcu  Klavier-Airangements^J  in  Gestalt  eines  Oboen- 

1)  Daß  Bach  im  zweiten  Klavier-Koiizert.  iQ-dur  und  im  drittou  Orgel-Konzort 
'C-ibir^  Stücke  aus  Vivulili's  '^ielvpntoTn  "Wr-rk  ^ril't .  wirft  rinon  UrhtMirk  in  die 
üntstehuiigszeit  der  \  i\ aldrschen  Konzerte,  respektive  der  Bach  schen  An-anpenients. 
Einem  Verlags-Kataloge  Evtienne  Hoger'a  von  1716  entnehme  ich,  daß  Vivaldi  bis 
xa  diesem  Jahre  eist  vier  «einer  Werke  v^ffentliclit  hutte;  denn  so  kage  wir  keine 
italienischen  Aui^guhen  krttiMMi,  müssen  wir  die  Amnierdamer  für  die  Original-Aue« 
pabfMi  ansehen.  Entweder  lagen  nun  Bttoli  Kopien  der  beiden  Konzert*»  vor.  die, 
bereits  früher  kompuuiert  und  beJcaunt  geworden,  Vivaldi  später  seinen«  op.  7  ein- 
reihte, oder  die  beiden  Baeh'sdien  Übertragungen  gehören  einer  nach  1716  fallenden 
Zeit  an.  Zur  letaleren  Annahme  liegt  kein  Qrond  tot,  da  Bach  schwerlich  als  Cöthe- 
ner  KapellmeiHter  seine  in  Weimar  Isegoimene  Transdniptions-Tliätigkeit  fortgesetzt 
ha)  »«^n  wird.  L)a8  erstere  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  Bach  auch  im  vi'  i  :cti  Kluvier- 
Kuuzert  einer  Abschrift  folgt,  die  vom  Jedenfalls  späteren  Druck«-  erheblich  ab- 
weicht. Siehe  Waldersee,  a.  a.  O.,  S.  368.         2)  Waldcrsee,  a.  a.  0. 

3)  Dieselhe  ist  hereits  Eitaer  (Monatsbefto  für  Musikgeschichte  1801,  S.  193)  und 
Seiffert  '(b-sdiichte  der  Klaviermusik,  S.  H7H  auigofallen. 

4)  Ausgabe  der  Baoh-Ueselbchaft,  Band  42,  ä.  T6  und  S.  Id5. 


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Ankold  Sohenng,  Zar  Bich-Pomeliiiiig. 


237 


Konzerl«  von  Benetletto  ^farcello  und  eines  Violin-Konzortrs  von 
G.  Pli.  Ti'li'iiiann  vorzulci:«'ii.  —  Ziin;i('b*^t  das  letztoro'  .  DtT  Oriui- 
naltitel  auf  der  1  »alistiiumt;  lautet  »  (\>h<:i  rto  n  J,  Vioii/to  co/tcerf'ito, 
Violino  pfttnOy  Vinlind  srmurh,  Alto  Vio//i,  J>ti.ssuper  il  CcmlHih'.*  darunter 
die  fünf  Stimmen  noch  einmal  und  dii»  l'nteraclirift  >Di  N.  N.  —  Melante.« 
Das  Wurt  Melante,  Telemann  s  anagi'ammatisches  Pseudonym,  hat  eine 
andere  gleichzeitige  Hand  hinzugefügt.  Eine  Partitur  existiert  nicht. 
Den  genannten  fünf  Stimmen  liegt  eine  mit  dem  bezifferten  Baß  über- 
einstimmende unbezifferte  Fagott-Stimme  bei.  Die  Sätze  stehen  wie  folgt, 
1.  F-dnr  dorisch  fG-moü)^  ^  ohne  Tempo-Bezeichnung;  II.  C-moU  (ein 
7  vorgezeichnet!;  C,  Adagio  \  III.  -F-</wr  dorisch,  C,  Aüeffro.  Anscheinend 
ist  diese  wie  die  meisten  der  Telemann'Bchen  Instrumental-Kompositionen 
ungedrackt  geblieben. 

Die  neugewonnene  Beziehung  Bach'-Telemann  ttbeirascht  nicht.  Aus 
Spitta's  Biographie  wissen  wir,  daß  das  freundliche  Verhältnis  der  beiden 
Nachbarstaaten  Sachsen-Weimar  und  Sachsen-Eisenach ,  welch  letzterem 
Telemann  seit  1708  als  Kapellmeister  diente,  sich  auch  auf  deren  musikalische 
Spitzen  übertrug.  Bach  schätzte  seinen  KoUegen  als  Komponisten  nicht 
gering,  wie  einzelne  eigenhändige  Kopien  von  dessen  Werken  bezeugen'). 
Auch  persönlich  stand  er  ihm  nahe:  Telemann  wurde  als  Fathe  an  die  Wiege 
Philipp  ESmanuels  gerufen.  Schon  1712  verließ  Telemann  Eisenadi,  um 
nacli  Frankfurt  überzusiedeln.  Um  diese  Zeit  oder  weniges  später  mag 
das  Bach'sche  Arrangement  entstanden  sein  Berührt  einerseits  die  Frei- 
mütigkc  it  sympathisch,  mit  der  Bach  fremdes  Können,  hier  seines  stärksten 
Bivalen,  anerkennt,  so  verwundert  es  andererseits,  daß  er  zum  Konzert 
eines  Drntschen  griff,  um  sieh  im  ilalienischon  Stil  zu  üben,  zumal,  wenn 
man  Telemann's  eigenes  Geständnis  über  seine  diesbezügliche  Tätig- 
keit hört: 

»Alldieweil  aber  iferänderung  belustiget,  bo  machte  j^ichl  mich  auch  Qbor 
Concerte  her.  Hiervon  muß  ich  bekennon ,  daß  sie  mir  niemals  von 
Hertzm  »«fj-ui  tr''T5  »^iTMl.  ob  ich  deren  schon  eine  ziemliche  Menge  gemacht 
habe,  worüber  mau  nber  Hchi'eibeu  möchte:  mitura  ncgat^  futit  i/täiynutio 
versum  Qualemcumiur  potest  .  . .  Zum  wenigsten  ist  dieae»  wahr,  daß  sie 
mehrAnteils  nach  Frankreich  riechen,  c 

Nur  in  der  Behendigkeit  des  ersten  Satzes  wifiX  sich  italienischer  Ein- 
fluß. Die  kurzatmigen  Soli,  die  ostinate  Baßligui"  im  zweiten,  die  fugieile 
Behandlung  im  letzten  sind  ^lerknmle  deutschen  Stils.  Von  »SchwUrig- 
keiten«  und  »krummen  Sprüngen,  <  die,  wie  er  gesteht,  seiner  »Hand  und 
Bogen  unbequem«  waren,  ist  hier  nichts  zu  finden,  namentlich  fehlt  das 

1  Sijrnatur  '  V  filT. 

2  Spitta,  u,  a.  O..  IL  S.  24ö. 

3;  Malthcsou,  GroUe  Geueralbaß-ScUulc,  1731,  S.  167. 


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2B8 


Aruold  ächeriug,  Zur  Bach-Fonchnng. 


bei  VivalJi  uiiil  (  Iriiossen  ausnahmslos  aullivti  iide  koloristisclu' Spiil  mit 
leenm  Saiten,  lunuerliin  scheint  Teh'mann  gewisse  Autorität  auf  diesem 
Gebiete  besessen  zu  haben,  denn  auch  Bach's  Weimarer  Kollege  Joh. 
Gottfried  Walther  arrangierte  eins  seiner  Konzerte  ftir  OrgeP;. 

Die  Soli,  teils  vom  Cembalo  allein,  teils  vom  Streichquartett  begleitet, 
gliedern  sich  folgendermaßen: 

I.  Satz,  Tiikt  tl  —  46  jürstos  Acbttil),  ÖU  5-i  (eii^tus  Achit;!},  58—77  (erste  s 
Achtel),  82-  93,  104--109  (erstes  Achtel),  113—117  (erstes  Achtel', 
135  ^139  (erstes  Achtel),  141—149  (erstes  Achtelt,  1Ö8<-164. 

m.  Satz.  Takt  10  (letztes  Viertel)  bis  IH  tTinftes  Achtel),  20  [zweites  Vier- 
tel) bis  27    ers<(s  A.lito!  ,  28  zweites  Achtel)  bis  6b  {erstes  Achtel), 

3ü  (letztes  Viertel,         47  ^erstes  Achtel). 

Der  !Mittelsatz  ist  ohne  Veränderung  aher  init  Weglassung  der  Be- 
jd£Ferung  herübergenommen  worden:  ein  weiterer  Heweis  dafür,  daß  für 
•zweistimmig  durchgeführte  Stiickc  nueli  ohne  dw^c  eine  volle  harmonische 
Begleiluii','  als  s»'lhstverstiiiulli(li  angenommen  wurde. 

Hri  di  r  Übertragung  vi  i  fiilir  R:irh  in  derselben  Weise,  wie  es  Wal- 
derst  <•  tili  die  Vivaldi'schen  Konzerte  nachgewii.->cn.  Starre,  auf  dem 
Klavier  an  wirksame  Raß- Akkorde  bricht  er  oder  lost  sie  in  Figurenwerk 
auf  (vergl.  Takt  7 — 28,  41  — 4<),  TiUff.',  dürftige  K.irmonien  füllt  er  auf 
Grund  der  Bezifferung  aus.  Durehganirsnoten  i.'l:ittrn  diN  (inme.  Die 
SolohtiiiiiiK'  wurde  mit  nur  geringfügigen  Audt  rungcu  beibrlialteu.  Eine 
Streichung  vun  12  Takten  erlaubte  Räch  sieh  lediglich  im  letzten  Satze, 
wo  das  Telemaim'sche  Original  vom  dritten  Viertel  des  4ö.  Takts  iin 
modulierende  Geigen-Arpeggien  aufweist:  der  einzige  geigerische  Glanz- 
punkt des  Satzes.  Bach  überspringt  ihn  und  kadenziert  rascher,  ohne 
daß  das  Ganze  an  Wirkung  einbüßt 

Die  Schweriner  Handschrift  des  Mar ccllo*8chen  Konzerts,  das  Bach's 
drittem  Klavier-Arrangement^)  zu  Grunde  liegt,  trägt  auf  der  Baßstimme 
die  Aufschrift  *Qmeerto  a  3:  HautboU,  VioUno  PrimOf  Viofino  SeeundOf 
Viola^  Basso  ConUnm  Marcel lo< ;  darunter  rechts  •  Poasesaor  Joh&n 
Matthias  Vedde«.  Der  Baß  ist  unbeziifert;  Tonart,  Takt  und  Tempo 
der  Sätze:  I.  B-dur  dorisch  {C-moll ,  C,  Andante;  II.  ebenso,  V4t  -i^ogh) 
HL  ebenso,  '/^,  .Vlrijrn.  Räch  transponierte  also  das  Stück  gegen  seine 
Gewohnheit  um  zwei  Tonstufen  höher').  Die  Oboe  ist  Solo-Instrument 
und  tritt  als  solches  auf: 

I.  Sftts.  Takt  4  -5  (erstes  Viertel^,  7—12  (erstes  Viertel),  14  (drittes  Viertel) 

1;  Autu^n'aph  in  ih  r  Köni<rliclRii  JJibliutliek  Jierlin. 

2;  Ausgabe  der  Bncli-GescUschaft.  Band  42,  S.  73.  Vou  L.  A.  Zelluer  aU  »Su- 
nate  {!;  in  D-moU  von  A.  Vh-aldi«  für  KUvier  und  Violine  herauM^ei:clien  (Hsmburg, 
Cranz;. 

3}  Vergleiche  Waldersee^s  Vorwort  zu  Band  XXXI3  der  Bach» Ausgabe,  S.  X. 


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Arnold  Sdkering,  Zur  B<icb»ForBcbung. 


239 


bis  21  [drittes  A'irrtrl  .  24  (drittes  Viertel;  bis  32  (drittes  Viertel),  M 
(drittes  Viertel)  bit»  52   drittes  Viertel  . 
n.  Satz.  Takt  4^35. 

HI.  Sutz.   Takt  1—4,  14—28    zweites  Achtel»,  32—52  ,  63—66  (zweites 
Achtel),  69—83  (zweites  Achtel),  87— 107  (zweites  Achtel),  111—127. 

Im  ersten  Satze  streicht  Bach  vom  letzten  Viertel  des  44.  Taktes  au 
1 Takte,  die  im  Original  von  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Bitomell- 
G^dankens  (Takt  2,  ausgefüllt  icerden  und  nimmt  gleich  das  nächste 
Oboe-Solo  auf.  Kurz  darauf  bat  der  Bläser  eine  zweite  Erholungspause: 
von  Takt  48  (letztes  Viertel}  ab  wiederholen  die  Streicher  die  vom  So- 
listen soeben  vorgetragene  Episode  (Takt  45 — 48);  Bach  iiherapringt  sie 
und  fährt  mit  dem  Solo  fort»  war  er  doch  im  Klavier-Arrangement  nicht 
gezwungen,  auf  Bläserlungen  Rücksicht  zu  nehmen.  Die  Verbrämung 
des  Anfangs-Themas  in  den  Takten  22,  23,  32,  33  und  die  akkordische 
Füllung  Takt  34 — 39  sind  Zutaten  des  Bearbeiters.  Der  zweite  Satz 
hat  ein  völlig  neues  Gepräge  erhalten.  Bach  löste  die  im  Original  in 
milden  Achteln  dahinziehende  Solostimme  in  wundervolle  Arabesken- 
Tiinion  auf,  schmückte  sie  mit  Mordenten  und  sinnreichen  Vorhalten, 
ähnlich  wi«-  er  es  im  Largo  des  vorherig  ^n  iidcn  Konzertes  getan.  Es 
lag  wohl  nicht  nur  in  der  Voniussij'ht  der  Unwirk'^aiiiki  it  i-iner  an  sich 
sterilen  Melodie  auf  dem  Klavier,  daß  Bach  in  solchen  Füllen  umbildend 
eingriff,  wie  Spitta*)  meint;  er  verfulir  vielniehr  wie  j^Mler  gemeine  Tn- 
stnimentist,  dem  ein  Adagio  vorgelegt  wurde,  und  schrieb  einfach  die 
von  ^larcello's  Ül)oisten  als  Imjirovisation  £r*'forderten  Verzierungen  aus. 
Um  einen  Vergleich  mit  dem  Original  /u  <  i  möglichen,  setze  ich  de!!i.sen 
Prinzipalstimme  (nach  D-moll  trauspuniurtj  her: 


Aioffio. 


h  A.  u.  0.  I,  S.  411. 

8.d.i.ii.  IV.  16 


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240 


Arnold  Schering,  Zur  Bacli-Fonchiiiig. 


^^^^^^^^^^^ 


Auch  harmonisrli»'  An(UTUiigeii  finden  sich.  In  Takt  ö  und  7  fügt 
Bach  die  akkordliche  Septinif  <  iii,  bei  Marcello  stellt  der  einfache  tonische 
Dreiklang;  in  Takt  10  hat  Marcello  den  Dominant-Septakkord,  in  Takt  11 
den  Dreiklang  des  ersten  Viort*  N  beibehalten;  die  Takte  19,  20,  21.  22 
weisen  in  der  Vorlage  im  ersten  Viertel  jed(rsmal  den  Quintton  auf;  die 
Führung  der  Altstimme  Takt  iJO,  der  Tcnurstimme  Takt  40  rührt  von 
Bach  her,  ebenso  der  alterierte  Akkord  im  fiiiift«  n  Aelitel  v(m  Takt  ^{l 
und  die  Verlegimir  (h'r  SeptiTiif  in  die  Oberstimme  in  Tiikt  I)t  r  St  hluß- 
satz  zeigt  nur  gernige,  tlie  F>aU-FUhrung  betreÜende  Abweichungen.  Takt 
18 — 21  schi^ibt  Marcello  im  Diskant: 


Badi: 


1            •  ^ 

Entsprechend  in  den  Takten  36—39  —  Nach  Fetist)  ließ  Marcello 
1701  eine  Sammlung  »Concrrti  a  cmque  istrwnenti*  als  op.  1  zu  Venedig 
drucken.  Ob  vorliegendes  Konzert  ihr  angehört»  wird  sich  erst  nach  Ein- 
sichtnahme in  dieselbe  feststellen  lassen. 

Ist  somit  der  Glaube  an  Vivaldi's  Urheberschaft  der  fraglichen 
Konzerte  an  zwei  Punkten  stark  erschüttert,  liegt  es  nahe,  mit  einiger 
Zuversieht  an  die  übrigen  anonjTnen  heranzutreten.  Der  ganze  Irr- 
tum scheint  auf  die  bisher  unkontrollit-rte  Ul)erschrift  Job.  Emst  Bach*s 
auf  Handschrift  P  2H0  zurückzugehen.  Hi(  i;iuf  gestützt,  hat  man  — 
unvorsichtig  genug  —  auch  alle  andern  Hacirscheu  Konzert-Arrangements, 
die  man  ohne  Autor-Bezeichnung  fand,  unter  den  2^amen  Vivaldi  sub- 
summieren  zu  müssen  geglaubt. 

AVie  schon  erwähnt,  wird  auf  Handschrift  P  JsH  als  Verfasser  des 
vierten  Orgel-.\rrangements2  .  fl<>ii  ersten  Satz  des  drei/clmtcn  Klavier- 
Kuiizerts  ausmacht,  der  Weimarer  Herzug  Johann  Krni»t  genannt. 

1)  Biographie  universelle  des  musicieiu,  V,  S.  442. 
2i  Ausgabe  der  Bach-GeseltscliAft,  Band  38,  S.  196. 


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Arnold  Scbering,  Zur  Bach-Fürschung. 


241 


Nach  dem  Vorigen  li^  kein  Grund  vor,  diese  Angabe  für  F&lsdmng 
zu  halten.  Zum  mindesten  beansprucht  sie  dieselbe  GlaubvQrdigkeit,  die 
man  bisher  dem  viel  unsichereren  EoUektiv-Titel  Job.  Emst  Baches  ent- 
gegengebracht. Der  junge  Herzog  war  in  der  Tat  ein  musikalisches 
Talent  ersten  Ran^^es,  liatte  bei  J.  G.  AValther  Unterricht  in  der 
Komposition  und  im  Klavierspiel  genossen*).  Setlis  seiner  Kon/^  rte  gab 
kein  Geringerer  als  Tele  mann  um  1715  in  Kupfer  gestochen  heraus. 
Mattheson,  der  im  allgemeinen  strenge  Kritiker,  rühntt  noch  zwei 
Dezennien  nach  ihrem  Erscheinen  die  fürstlichen  Kompositionen,  indem 
er  auf  ein  prächtige«?  F-f^/^^r-Konzert  hinweist  2),  Ob  Bach  rein  künst- 
lerische Oriinflo  /ur  l  'ht  rtraguiig  nf'ttigten.  oder  ob  fnmiliäre  mitspraclien, 
wird  schwer  zu  fiitsclicidcii  si  in.  (ii'iadr  daß  er  v-i<  (lorholt  auf  dasselbe 
zurückkommt,  spricht  tili  das  Ict/tcit'.  Der  JiiiYug  starb  schon  am 
1.  August  171.'),  19  Jahre  alt.  Hat  liach  deui  elf  Jahre  jüngeren,  früh 
abgeschiedenen  Freunde  einen  verschwiegenen  GruU  in  tlie  Ewigkeit  nach- 
senden wollen?  —  Das  fürstlit  lie  Kcnzertwerk  ist  meines  Wissens  bis 
jetzt  nicht  wieder  aufgefunden  worden,  so  daß  der  letzte  Beweis  für  das 
Gesagte  noch  aussteht.  Der  erste  8atz  weist  klare  Gliederung  und  an- 
sijrechende  italienische  Figuration  auf,  dem  zweiten  ist  ein  nicht  gewöhn- 
licher Zug  von  Empfindung  eigen.  Wie  weit  die  Originalität  des  nach 
Passacaglien-Art  gestalteten  letzten  geht,  läßt  sich  nicht  ohne  Weiteres 
feststellen.  Jedenfalls  ist  die  Art  imd  Weise  des  Konzertierens  nicht 
Viraldisch. 

Mit  Abzug  dieser  drei  Konzerte  blieben  noch  immer  siebeUf  deren  Autor- 
namen im  Dunkel  liegen.  Sie  einzeln  zu  bestimmen  ist  vorläufig  unmöglich. 
Immerhin  lassen  sich  auf  Grund  einiger  allgemeiner  Beobachtungen  und 
der  Erkenntnis  der  Prinzipien,  nach  denen  Bach  ammgierte,  gewisse 
Anhaltspunkte  für  künftige  Forschung  gewinnen. 

Vivaldi  schreibt  von  op.  4  an  seine  Konzerte  ohne  Ausnahme  drei- 
sätzig hält  sich  von  der  fugierten  Schreibweise,  ebenfalls  von  op.  4  an, 
durchaus  f*  rn '  und  kennt  keine  embryonenhafte  Gestaltung  der  Mittel- 
sätzf  .  wui  sie  Konzert  6  und  15  aufweisen.  Im  Einzelnen  wäre  Folgendes 
zu  bemerken: 

Konsert  6.  (Bach* Ausgabe  Band  42,  S.  101.)  Original  D-äur  (vergleiche 

Tükt  3,  4  und  sputer] ;  möirlicherwcl'^«'  Hir  zwei  Violinen  vt'r<;leiche 
AV»clistl>|»iel  in  Tnkt  8,  9  und  an  il  iLre.  Trfinf-po-^itiou  der  zweiten 
Stimme  um  eiue  Oktave  tiefer  und  harmonische  Kumbinaiiou  mit  dem 
Basse  in  Takt  12  ft,  27  ff.).  —  Italienischer  Meister.  —  Mareello? 


1)  Spitta.  a.  a.  O.,  S.  4fla 

3;  Große  Gt  u,  tall-aß-Schulc.  S.  392. 

8  Vergloiclie  dazu  tlie  Konzerte  8.  10  und  11, 

4i  Vergleiche  Kon/.ert  10,  II  zweiler  Satz. 

16« 


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212 


Arnold  Scheriog,  Zur  Bach'Forachoug.  ^ 


Konzort  H.  Ebeinla.  S.  lOW.)  (.)l•i<^inill  D-inoU  vcr!,'leiche  unljet|uemt'  JSpiel- 
weiso  im  zweiten  AUiijro  C  Takt  l'>,  20,  21,  2'^,  24;  vcrf^lciclu'  auch 
Takt  4,  37,  3H:  Sellin ß-.l%r(7  Takt  17  u.  s.  w.l.  Auf  rlie  R:.rh*-rlu.?i 
Zutiiteu  im  Adagio  C  luaclit  Spitta  ^a.  a.  U.,  1,  S.  412i  uuluu'rksaui. 
Deutscher  Meixter? 

Konsert  10.    'EbenJa,  S.   127.)    OriLfiual  wahrHcheinlich  D-ntuU.   der  l)e- 
«jueinerpi)   Spielweise  halber',   lür   2  Violinen    ^verffleiohe  Anfan«.,';  Takt 
20  fl". ;  letzter  Satz  Takt  7  ff.}.  —  italieuischer  Meister.  —  Gregor 
Torelli'^ 

Kansert  11.  (Ebenda,  S.  135.)  Thematik  des  ersten  Satzes  und  Fugato  im 
Aäagio  deutseh  ? 

Konzert  12.  Ebenda,  S.  142.'  Soli  und  Tntti  siii'l  It  iilit  zn  iTTifcr-rlicideti, 
Im  Afhuiio  offenbar  Räch 'sehe  Verzirnniijen  und  .Mittel.-t  iniuitn.  ? 

Kuuzert  15.  (Ebenda,  S.  161.)  Kürze  und  Dürftigkeit  der  Soli  Trioleu- 
Bildun*;)  nicht  italleniseh.  Im  Aufbau  und  in  der  Figuratiou  unmittet' 
bar  an  das  Orgel- Konzert  I  erinnernd.  —  Telemann? 

Konzort  10.  Ebenda,  S.  105.1  Verarbeitunj;  eines  »i^f*///(/<- Themas  im 
Allrgro  -'  4.   Tutti  sind  leicht  zu  nntersrheiden.  —  Italienischer  Meister. 

0 rg«l-Kouzert  I.  ^Bach-Ausgube  Band  3ö,  S.  49.)  Die  zoptige  Floskel 
I.  Takt  5 — 17,  die  Sequenzen  II.  Takt  12— 17  ff.,  sowie  eine  eckige 
Violin-Behandluiig  deuten  auf  dentacken  Meister.  Vergleiche  BJaTier- 
KoDzert  15. 

"n:i-:selbe  Kon/ert  liegt  in  eitjer  Klavier-rbertrajjjunu'  'Bach-.Vn"'j:t))*' 
li.iiKi  42,  S.  282  vor,  m  der  Bacli  nach  itiilieuischer  Art  lebhaltei 
figuriert.  —  Telemann? 

Weitere  Vermntuni(cn  luifzustellen  wiinlr-  ins  Uferlose  führen  uinl  an 
der  Sudic  nicht.««.  he>^,ern.  Nur  glürklirhe  l>il)lii»t!iek-^-t'uii«U'  küuucu 
Erledigung  derselben  beitragen.  Welche  Meister  übrigens  d;nnals.  in 
Weimar  beliebt  waren,  zeigen  Waltlier's  Orgel- Arrangements.  Das 
berliner  Autograph  enthält  im  Ganzen  dreizehn  Konzerte,  zu  denen 
Alcum  Varmtioni  sopr'un  Basso  Continno  Sig'  CarelU  kommen.  Als 
Autoren  nennt  Waltber  selbst  jedesmal  Tom.  Albinoni  (2  Konserte, 
op.  2  Nr.  4  und  Nr.  5),  Gius.  Meck  (2  Konzerte),  Luigi  Manzia, 
Gen  tili,  Torelli  (ein  vollständiges  Konzert;  ein  erster  Satz;  zwei  Sätze\ 
Taglietti,  Telemann ,  Gregori,  Blamr.  Mit  Ausnahme  Manzia^s 
und  Blami'^8  liegen  von  allen  übrigen  teils  gedruckte,  teils  handschriftliche 
Kompositionen  vor.  Wenn  Bach  anderweitig  an  Legrenzi,  Corelli,  Albi- 
noni anknüpfte  1),  warum  sollte  er  nicht  auch  hier  gelegentlich  zu  einem 
dieser  wahrlich  nicht  unbedeutenden  Zeitgenossen  gegriffen  haben  Der 
Vorwurf  einseitiger  Bevorzugung  Vivald^s,  den  man  ihm  billigerweise 
bisher  hat  machen  müssen,  ist  durch  Vorstehendes  in  der  Tat  zm  in  k- 
gcwiesen.    Welche  Belesenheit  in  der  musikalischen  Literatur  Bach 

1  Spitta,  a.  a.  0.,  I,  S.  421  lY. 

2  All)inoni.  dessen  gedruckte  KoDserte,  soweit  sie  bekannt,  mir  «lämtlicb  vor- 
lagen, ist  uicht  vui'lreteii. 


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Arnold  Schering,  Zur  Bach-Fursthung. 


243 


besaß,  möge  schliefilich  eine  bisher  imbeacbtet  gebliebene  Parallele 

zeigen: 

Geoffr  Muft  at,  FlorUeyiiim  primiim  Jöyö, Fasoic.  4.  »Syuiplionie<,  letzter  TmI. 


J 


J.  8.  Bach,  Itulicuisclies  Konzert  (Bach-Aoigabe  Band  3,  8. 189). 


r-2— ; — i 


I 


* 


m 


IL  t.  W. 


Es  ist  das  einzige  Mal,  daß  sich  beim  französierenden  Mulbt  eine 
italienische  Sinfonia  einschleicht,  Grund  genug,  um  in  Bach's  Gemüt  die 
Erinnerung  an  ehemalige  italienische  Vorbilder  wachzurufen.  Der  Im- 
puls ist  so  stark,  daß  ihm  —  echt  bachisch  —  ein  charaktervoller,  aber 
nebensächlich  behandelter  Muffat^scher  Gredanke  zur  Hauptsache  und 
damit  zur  Quelle  eines  seiner  schönsten  Klavierwerke  wird. 

1)  Denkmäler  der  Tonkunst  iu  Österreich  I  2,  lbU4. 


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244 


Wilhchn  Alimuim,  Spontini  au  der  Berliner  Oper. 


Spontini  an  der  Berliner  Oper. 

£me  archivalische  Studie 

von 

Wilhelm  Aitmann. 

(Friedei)aa<>Berlin.) 


Wer  Philipp  Spitta's  ausgrzoirhncten,  auf  demselben  Qaeileimiaterial 
benihenden  Aufsatz  >Spontini  in  lierlin«  in  dem  so  überaus  gehaltvollen 
Buche  »Zur  Musik  —  Sechzehn  Aufsätze«  (Berlin  1892;  kennt,  wird 
leicht  geneigt  sein,  meine  Studie  für  überflüssig  zu  halten.  Dem  erwidei-e 
ich  aber,  daß,  während  es  Spitta  darauf  ankam,  eine  möghchst  ab- 
gerundete Darstellung  zu  liefern,  ich  den  fTniHten  Wert  darauf  lege,  daß 
die  wirhtir^steii  DokTimcntc  uns  S])<>ntini's  Berliner  Zeit  in  ihrer  Oricinal- 
fassuni:  MTÖftciitlicht  wt-rden;  so  >s"ird  es  sich  zeigen,  dali  in  ilcni  uii;:liirk- 
lichcn  Wortlaut  des  mit  Spontini  nhir' hl(>»enen  Kontrakt*;?,  die  Quelle 
aller  Streitiirkciten  über  seine  AIa<  htbcfugni^.se  an  der  Berliner  Oper  lag, 
daß  die  licidcn  Dienst-Instruktionen  von  1H21  und  1831.  wt  Iclie  Spitta 
kaum  erwabnt,  sowie  die  ihm  unln'kaiiut  gtblit  hone  Instruktion  von  1820 
eine  Spontini's  Macht  cindi.uuuitiuk',  die  des  Generul-iiilcnilanten  stärkende 
Tendenz  hatten.  Auch  die  andern  Aktenstücke  und  Brief-Aub.züge  werden 
einen  durchaus  sichern  Boden  für  spätere  Forschung  und  Darstellung 
herstellen. 

Daß  ich  in  der  glücklichen  Lage  bin,  diese  Aktenstücke  veröffent- 
lichen 2u  dürfen,  verdanke  ich  dem  Überaus  gütigen  Entgegenkommen 
Sr.  Ezcellenz  des  Herrn  QeneraN Intendanten  der  Königlichen 
Schauspiele  Grafen  Hochberg,  welcher  mir  die  Arcbivalien  der 
General-Intendanz  zu  Studien  über  die  Geschichte  der  Berliner  Oper 
im  19.  Jahrhundert  eröfibet  hat,  wofür  ich  nicht  verfehle,  ihm  auch  an 
dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

Durch  die  »Vestalin«')  war  Spontini  (geb.  1774J  eine  europlusche  Be- 
rühmtheit  geworden;  der  glänzende  und  nachhaltige  Erfolg  des  »Fernand 
Cortez«  (28.  November  1809 ,  der  auf  Wunsch  Napoleons  im  Hinblick 
auf  den  ausgehrorhonen  spanischen  Krieg  komponiert  war,  hatte  ihm  die 
Direktton  der  italienischen  Oper  des  Theaters  der  Kaiserin  eingetragen, 

l;  Zu  grußcm  Danke  biu  ich  auch  dem  Herrn  Uuh-ai  Maeder,  dem  Vorsteher 
der  Begutrattir  der  Kgh  Scbanspiele,  verpflichtet,  welcher  mir  in  Uehenswürdigater 
AVßise  seine  rnt«ntfitsttiig  geliehen  hat.  Anch  Herrn  Intendantur^Sekretär  Thiel 

tchulde  ich  Dank 

2j  Erate  AuftuliruDg  Paris  15.  Dezember  1807. 


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Wilhelm  Altmann,  Spontioi  au  der  Bcrliuer  Oper. 


245 


von  welchem  PoBten  er  freilicli  bald  infolge  Kabalen  zurücktrat  Als 
König  Ludwig  XVIII.  an  Stelle  des  verbannten  Napoleon  getreten  war, 
erhielt  Spontini  1814  ein  Privileg  für  ein  italienisdies  Theater,  das  er 
aber  an  die  Sängerin  Oatalani  käuflich  abtrat,  und  den  Titel  eines 
dramatischen  Komponisten  des  Königs  von  Frankreich  nebst  einer  lebens- 
länglichen Pension  von  jährlich  2000  Francs.  Aber  so  gefeiert  wie  unter 
Napoleon  wurde  er  nicht  mehr,  obwohl  er  sich  der  bourbonischen  Bestau* 
ration  durchaus  angeschlossen  hatte.  Unter  diesen  Umständen  faßte 
er  seinen  eventuellen  Foi'tzug  von  Paris  ins  Auge  und  sah  sich  nach 
einem  für  ihn  passcn«len  Posten  am  Hofe  eines  anderen  Monarchen  um. 

Zu  seinen  größten  Verehrern  l'^ ii()rte  König  Friedrich  Wilhelm  HI. 
von  Preußen,  der  w-iliiend  seines  Panser  Aufenthalts  vom  31.  März  bis 
Anfang  .Juni  1814  mehrfach  Spontini'sche  Opern  gehört  und  später  am 
lö.  Oktoher  desselben  Jalires  sich  den  »Cortez-  auf  seiner  Berliner  Bühne 
hatte  vorführen  lassen.  Durch  Vermittelung  des  Geh.  Staatsrats  von 
B<'(|uelin  wandte  sich  Spontini  an  diesen  Monarchen  und  erbot  sich  gegen 
ein  Jahresgehalt  von  20 — 24(J(X)  Francs  in  snine  Dionste  als  Opern- 
kompom'st  zu  trftnn.  "Mtiirlich  i>t,  daB  K'inii:  Fi-i»'ilrich  Willidm  III., 
der  nach  den  Freiheitskrii'L"'ii  an  eine  aliiii/j-ndc  \\  iVili  rlicr'^ti  lhinLr  d<*r 
JSfnsik-  und  vor  allem  Uihtii- Vfrlialtni^^si'  (hu  ljte,  scllist  dm  (ii-daiikcu  i:<- 
hal)t  hat,  Spontini  in  sciiif  I  )it'iii,te  zu  /ieiieii ;  dncli  nirn-litc  ich  nach  den 
Akten  dniclians  annehmen,  «lali  die  Anre^Lnmi,^  von  Spnntini  iiii  .Juni  des 
Jahres  181.")  bri  Ksinig  Fritdrich  Wilheiui  s  An\vt  s,>nli.'it  in  Paris  aus- 
gegangen i.st.  .ledcfifalls  fjriff  der  König  dessen  Ant  rbiclcn  gern  auf 
und  ließ  durch  senn  n  Staat ^kanzler,  den  Fürsten  Haidenberg,  von  dem 
General-Intendanten  dl  1  Kuiiiglichen  Schauspiele,  Grafen  Brühl'},  der  am 
10.  Jan.  1815  diesen  Posten  übernommen  hatte,  ein  Gutachten  darüber 
einfordern,  ob  <?s  für  die  Königliche  Oper  von  Vorteil  wäre,  wenn  Spon- 
tini für  eiiien  leitenden  Posten  gewonnen  würde. 

Dieses  Gutachten  aber  fiel  kaum  im  Sinne  des  Königs  aus.  Es 
lautete: 

1)  »Ist  es  iiidit  /.II  leugnen,  daß  es  einer  großen  Musiknnstalt,  wie  der 
Köuigl.  Kapelle  und  Oper  Ehi'o  macht,  eiueu  Maua  vou  su  uusgezeichueteoi 
Xumen  au  ihrer  hipitze  XU  habeu,  ja  daß  dies  des  Auslandes  halber  und  des 
Bnfes  wegen,  welcher  Fremde  herbeilockt,  höchst  ti5tig  ist: 

Ans  dieser  selben  Ursache  ist 

1  GthI"  Karl  von  Brühl  pel».  18.  Mai  1772;  hatte  bei  Fasch,  dem  Dirigenten 
<irr  SIiifr;i'<:i'lemio,  Konipositii .11  ^1ii»H*irt,  war  ein  tiiehtifrer  Sänger,  sowie  ein  treff- 
hcher  SValdhoruist  und  besab  eine  universelle  Bildung,  Nach  lÜloud's  Tode  22.  Sptbr. 
1814  hatte  die  während  dessen  Krankheit  und  Beorlanbiiiig  schon  tttig  geweswie 
Kommtssioii  die  Yerwaltiuig  der  Oeneral-Intcndantur  bis  zum  Amtsantritt  Brtthrs 
vemib«!. 


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246 


Wüliciiii  Aluiiium,  iJpoutim  an  der  Berliuer  Oper. 


2}  aacli  uicht  auf  ErBparnisse  einiger  Tausend  Thaler  Rücksicht  su 
nehmen,  und 

3)  würde  es  oliin-  Zwi-itol  vortcilhnft  uml  iinLifiiflim  ~.in,  jiibrücli  riniire 
lU'ue  Uprni  von  einem  Tunset/.er  zu  halien,  der  hkli  durch  dio  wenigen  vo?i 
ihm  ersihieueneu  Werke  als  denkender  Künstler  und  als  Munu  von  ausge- 
zeichnetem Geist  und  Genie  gezeigt  bat. 

Die  Gründe,  welche  auf  der  andern  Seite  gegen  diese  AnstdUung  auf- 
austellen  wären,  sind: 

1  Dfiß  wir  bis  jetzt  nur  zwei  bedeut»  nde  Werke  von  Spontini  lM  >it7i*n, 
niiniiich  die  Vrstalr  und  Corfcx.  Von  beiden  ist  aber  die  erstere  unstreitig 
vorzüglicher  als  die  letztere  und  gäbe  beinahe  Anlaß  zu  glauben,  der  junge 
Künstler  habe  seine  ganze  Fülle  in  der  ersten  Arbeit  yenichwendet. 

Di»  -t»  Mutmaßunf^  wird  dadurch  noch  vermehrt,  daß  so  Wenigen  von  ihm 
erscheint!  Im  leichten  Stil  scheint  er  j^ar  kein  (lUick  zu  haben,  denn  eine 
komische  Oper,  welche  von  ihm  ^'egelx  n      worden,  ist  gänzlich  durchgefallen. 

2}  Die  vortiprücLeueu  2  üpwu  jähriicli  würden  in  der  That  mit  o--r)000 
Thalem  zu  teuer  befahlt  sein,  wenn  nicht  aus  der  Anstellung  deiiselben  zu- 
gleich ein  bedeutender  Vorteil  für  die  Direktion  der  Kapelle  und  das  weitere 
Ausbilden  des  Orchestei-s  entstünde.    Dies  ist 

3'  aber  ohne  vorhergegangene  genaue  Erkundigung  in  I'aris  nirlit  zu  bt^- 
stimnien,  da  die  Komponisten  dase!h<t  nie  du?  <  hrli» -^ttr  «clb-t  ruilülaen  und 
daher  keine  Übung  iu  diesem  schv ierig!<ten  tiesciiiilte  hiilieii.  Ih-m  Kapell- 
meister Spontini  würde  dasselbe 

4)  noch  schwerer  werden^  da  er  der  deutscheu  Sprache  nidit  mächtig  ist, 
sich  didter  nur  mit  Mühe  verständlich  machen  und  deshalb  weit  weniger  würde 
wirken  köninni. 

Aul  t  ii  1  ii  t  i  ge  O  rch  este  r- 1)  i  r i  g  en  te  n  i^t  aber  vorziigiit  h  Rücksicht  zu 
nehmen,  denn  Opern  können  auch  bei  eutfernu  n  KompouLsteu  bestellt  werden. 
Das  Berliner  Ordiester  bedarf  vorzüglich  noch  eines  lö^ftigen  und  geschmack- 
vollen Dirigenten.  Kapellmeister  Weber-i,  der  sii  Ii  ii'u  ht  mehr  in  der  ersten 
•Tugend  befiinli  t,  I<  ift  t  das  (»anze  \'.i>i  allein  und  kann  selbst  wegen  seiner 
körperlichen  Heschatienbeit  nicht  immer  so  tl>ätig  sein,  als  er  es  nach  seinem 
Eiter  und  seinem  guten  Willen  wohl  sein  möchte.  Musikdirektor  C^ürrl i ch-'j , 
ein  sonst  sehr  tüchtiger  Musikus,  leistet  dennodi  als  Dirigent  nicht  alles, 

1)  Le  Plelage;  Paris  1814,  August  23. 

2  Benihard  Anselm  Weber,  geboren  178(J  zu  Mannheim,  auch  als  Komponist 
niclit  imViidi  titend  ^fii^ilk  /.uv  ••Juugtrau  von  Orleans«,  1819  seine  Oper  »Hermann 
und  J  Iiii>ih_'M;m  .  w  ar  1792  als  Musikdirektor  in  preul?is('he  Dienste  getreten.  Er  war 
ein  sehr  IlL-iGiger  Arbeiter,  der  unermüdlich  Gutachten  über  Sänger  u.  s.  w.  dem  Graten 
Brühl  lieferte;  1820  verlor  er  sein  linkes  Auge,  gestorben  23.  März  1821. 

2)  Dieser  sehr  tüchtige  Musiker  war  1700  als  Kontrabassist  und  Aushilfe-K apell- 
nicister  engafriort  worden,  hatte  besundt  rs  in  Pnfsdam  die  Oper  dirieif-rt ;  ai.i  2i\  April 
l^^lf)  wurde  er  dann  Kapellmeister,  starb  aber  schon  am  27.  Juni  Ihi?  au  Brustent- 
zündmigslieber.  Als  Graf  Brühl  dem  Könige  Gürrhch's  Tod  meldete,  sclu'icb  er: 
»Ew.  Konigl.  Majest'ät  haben  durch  ihn  einen  ihrer  redlichsten  Diener  und  das  The- 
ater einen  der  Heißigsten,  aufmerksamsten  und  dienstwilligsten  Oftiziaoten  verloren, 
uiid  in  dieser  Hinsicht  ist  der  Verlost  fßr  den  Augenblick  wahrhaft  nnersetslicb  zu 
nennen.« 


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Wilbelm  Altmano,  Spontim  an  der  Berliner  Oper. 


247 


was  zu  wÜDschcit  wäre,  uud  Musikdiiektor  SeideUJ  iät  vullkunmic-n  uu- 
hedeatend. 

Ofienbnr  ^'olit  daraoB  hervor,  daß  unsere  diirdi  eine  hoffentlich  ein- 

KU  f  II  1»  reu  de  Kirchenmusik  sich  immer  mehr  vergrößernde  Musik- 
auötalt  wie  die  Königl.  Kapelle  nnrh  durch  ihre  Anführer  neue  Kraft 
uud  uoueu  (Jluuz  bekommuu  muß,  zu  mal  da  nach  Sr.  Mujeuiiit  iu  Puri^  ge- 
thaner  Äußerung  noch  ein  Konservatoir  för  Muük  und  Peklamation  xa  er- 
richten sein  würde  uud  man  dazu  mehrerer  Lehrer  bedürfte.  Teh  würde  daher 
für  zweckmäßig  h;ilt.  ii.  die  drei  Kapellmeisterst  ellen ,  wie  sie  durch  die 
Herren  Righiui^'.  HiniiiKr'^  und  Weher  besetzt  gew  es- fti .  wifderhorzustellen, 
dito  erste  davon  dem  Kapeümeiater  .Spoutiui,  Cheruliim  udtr  Paer  zu  gebeu, 
welche  alle  drei  ihre  Bereitwillitrkeit  2U  einem  Engagement  gezeigt.« 

Ua  Spoatiiii  auf  sein  Anorbicii'ii  nicht  glt-lch  vom  Köni^;,  deii  wühl 
dieses  durchaus  >a(  hliclR«  Uula(  litt  n  t  t\\as  stutzig  gemaclit  'liatte,  eine 
Antwort  erliielt,  suchte  er  mit  dem  Graten  Brühl  Konnex  zu  gewinnen; 

1)  fViedrich  Ludwig  Seidel,  geboren  1762,  1791  Organist  an  der  Marienkirche 
zu  Berlin,  17%— 1800  Dirigent  der  Oper  um  Xaiionaltheatcr,  1801  Königlicher  Kam- 
luenuusikus.  seit  18«)2  vieltacii  als  Theater-Komponist  bes<-iriifti}:t.  18()ö  Musikdirektor, 
«oit  April  1815  mit  der  Aulsicht  über  den  neu  errichteten  stehfi;  b  n  Chor  betrauf. 
Er  war  vielfach  kränklich;  1817  holte  er  sich  ein  Bruchleiden  beim  Ht'tten  vou  Noten 
aus  dem  brennenden  Schauf^pielhame.  Sein  gr<">(iter  Ergeiz  war  Kapellaietiter  zu 
werden,  welcher  Wunsch  ihm  endlich  am  23.  August  1822  erfiUlt  wurde.  Obwohl  er 
bereits  am  4.  März  182ri  seine  Pensionierung  beantragt  hatte,  wurde  ilnn  diene  doch 
erst  trotz  seiner  gntRon  Scbwiichf^  r.nm  1  April  1820  ij-t  wühlt ;  am  5.  Mi<t  1831  ist 
er  gestorben.  Er  wur  ein  sehr  schwacher  Dirigent,  besal>  aucii  keine  Autont:if.  Ich 
führe  noch  Auszüge  aus  swei  Sdireiben  des  Grafen  Brahl  an,  welche  «eigen,  daß 
dieser  außerordentUeh  nmsiditige  Intendant  sehr  genau  auch  über  Seidel  orientiert 
war.  Am  S.April  1815  schreibt  Brühl  an  diesen;  »Jedoch  muß  ich  ...  bemerken, 
«iitl>  das  K'itiipouien'n  mir  nie  h!«  Haupt  «aclm  pr«rb»^iTHMi  kann,  «ätnulern  nur  als 
Nebensache,  da  ich  neue  Kompositionen  von  allen  Orten  her  iiekommen  kann  uud 
die  eigentlidien  Musik^Direktions-^eschifte  mir  weit  wichtiger  erseheinen 
müssen.«  Als  die  Kapellmeister  Weber  und  Romberg  SeideFs  Gesuch^  ihn  naeb  Gnrr> 
lieh's  Tode  zum  Kapellmeister  yn  t  i m  nnen,  unterstüt/ten,  beschied  sie  Oraf  Brühl  am 
S.  .Init  1817  folgontit  rmaßen :  »Ich  \  ri  ki  THie  keineswegs  Herrn  Sei«b  1«  nuisikabHche 
Keuntnisse,  noch  weuiger  aber  semcn  guteu  moralischen  Karakter;  Ijoides  iüt  aber 
nicht  hinreichend,  um  ihn  zu  der  bedeutenden  Stelle  eines  Kapellmeisters  bei  der 
Königl.  Kapelle  tauglich  zu  halten.  . . .  Langjährige  Dienste  geben  indeß  noch  keinen 
gerechten  Anspmdi  auf  einen  Posten  von  solcher  "Wichtigkeit,  der  nicht  als  Ver- 
s  urgimg  an/nseh'^n  ist,  sondern  zu  welchem  entwesb'r  ein  selten  großes  Kompositions- 
talent, euie  grobe  Virtuosität  oder  ausgezeichnete  Direktioasgabeu  berechtigen.  Von 
diesen  EÜgensebaften  besitzt  Herr  Seidel  auch  nicht  eine  einsige!  er  kann  daher  in  subal* 
temen  VerhSltnissen  wohl  n&tslich  werden  und  sein,  würde  aber  auf  einem  hohem 
Standpunkte  weder  >i<  h  noch  mir  noch  der  Kimigliehcn  Kapelle  Ehre  machen  können.« 

2  VintM-rt/'^»  llii:hiTn'  wunb  17!W  als  Kapellmei'^ti  r  (l.  r  italienischen  Oper 
nacli  Berim  berufen  und  iiiieb  auch,  als  diese  1806  autgelüst  wurde,  ak  Kapellmeister 
ohne  rechte  Tätigkeit  iu  preußiaehen  Diensten  bis  zu  seinem  Tode  1812. 

3)  Friedrich  Heinrich  Himmel  trat  ab  kdnigL  preußischer  Kapellmeister 
Ton  1795  bis  zu  seinem  Tode  (8.  Juni  1814;  nur  wenig  in  Tätigkeit. 


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248 


Wilhelm  AltmanQ,  Spontiui  an  der  Berliuer  Oper. 


am  22.  Dez.  1815  teilte  er  ihm  unter  anderm  mit,  daß  er  an  dem  3.  Akt 
einer  fttr  Berlin  bestimmten  Oper  arbeite.  Aber  obwohl  Herr  von  Delmar 
aich  sehr  für  Spontini  interessierte,  antwortete  diesem  Graf  BrUbl  erst  am 
3.  November  1816,  er  habe  immer  mit  der  Antwort  gezögert,  um  Positives 
mitteilen  zu  können,  aber  auch  jetzt  sei  noch  immer  nichts  über  seine 
Berufung  bestimmt.  Darauf  schrieb  Spontini  bereits  am  5.  Januar  1817 
wieder  an  den  Grafim,  baichtete  von  der  Vollendung  der  »Olympia«,  zu 
deren  Auffuhiun^'  er  nach  Berlin  kommen  wolle,  und  frug  an,  ob  bei 
dieser  Gelegenheit  nicht  auch  sein  Oortez«  in  der  neuen  Bearbeitung  ge- 
geben werden  könne,  worauf  der  Graf  um  1.  März  1817  sehr  höflich 
antwortete,  daß  leider  vor  dem  nächsten  Winter  an  die  Einstudierung 
nicht  zu  denken  sei. 

Als  aber  im  Laufe  des  Sommers  1817  König  Friedrich  W'illielm  III. 
wieder  nach  Paris  kam  und  hier  nicht  weniger  als  viermal  sich  den 
Cortez«  in  5?Hnf>r  neiu^n  (lo^talt  die  nm  8.  Mai  zum  ersten  Mal  unter 
enormen  Beifall  aufgefiilirt  worden  wai-  angeselien  hatte,  setzte  Spontini 
alles  daran,  iiin  neine  t  hr^ei/i?en  Pläne  zur  Ausführung  zu  hrinixon:  am 
1(1  Juli  konnte  er  dem  Grafen  liriihl  Ix  rt  its  nielden,  dali  der  K<>nii:  die 
Partitur  des  neuen  ^Cortez«  für  Berlin  erwerben  wi»llc.  am  20.  Oktober 
teilte  i  r  ihm  dann  mit,  daH  er  das  Patent  seiner  Ernt  nnun.:  zum  >premier 
m.iitre  de  chapelle  honoraire«  des  Königs  von  PreuHen  i  i  warte.  Mehr 
alter  konnte  er  vorläufig  nicht  erreichen,  sei  es  nun.  dnf5  Prülili.  Ein- 
spruch oder  auch  noch  andere  Gründe  in  Betracht  kaiucn;  iloch  stieg 
Spontini  immer  mehr  in  der  königlichen  Gunst:  so  durfte  er  dem  König 
sein  zu  Salierl's  »Danaiden«  nachkomponiertes  Ballett  und  den  preufhschen 
Nationalgesang  widmen,  dessen  Text  vom  Königlichen  Kabinets-Sekretär 
J.  F.  L.  Duncker  verfaßt  war.  Die  Anregung  zu  diesem  Gesänge,  der 
von  1820  bis  1840  alljährlich  an  des^ Königs  Geburtstag  im  Opemhause 
gesungen  und  am  Jahrestage  der  Schlacht  von  Leipzig  1818  in  Berlin 
zuerst  aufgeführt  wunle,  ging  von  dem  Flttgeladjutanten  des  Königs, 
Generalmajor  von  Witzleben,  aus.  Dieser  war  es  dann  auch,  welcher 
ohne  Zuziehung  Brübrs,  da  in  diesem  Spontini  seinen  Feind  und  Gegner 
sah,  den  Kontrakt  am  6./20.  August  1819  zustande  brachte,  durch 
welchen  der  berühmte  Komponist,  der  eben  in  die  Dienste  des  Königs 
von  Xeapel  getreten  war,  weil  seine  Verhandlungen  mit  Preußen  ihm 
aussichtslo'-  M  liienen,  diesem  Staate  doch  noch  gewonnen  wurde. 

Dieser  denk-  und  merkwürdige  Kontrakt^)  lautet  folgendermaßen: 

»Nachdem  Seine  Königl.  Majestät  von  Preußen  Alleign&digst  zu  beschließen 
geruhet^  den  Horm  Spontini  in  der  Eigenschaft  als  Kapellmeister  in  Aller- 


1;  Ich  gebe  uttr  die  deataebe  Ftasung,  wdcbe  neben  der  franzi>»isehen  amgefertigt 
worden  ist 


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Wilhelm  Altmauu,  Spontmi  an  der  Berliner  Oper.  249 

hödiBten  Dienst  zu  nehmen  und  des  Endes  Höchst  Ihren  General-Adjutanten 
den  General-Major  von  TVitslebcn  !>'  \  oUmilcbtigt  haben  iu  A llt-rhöchstdero 

Xiimen  üljcr  die  Ticflitfgungen  seiner  Anstcllun«;  die  nähere  Vereinigung  zu 
trtlien,  so  ist  zwisclien  dem  vitHtfiianntcn  Herrn  Bevollmächtigten  an  einem 
Teil  und  dem  Henu  Spoutua  am  nudcru  Teil  unter  Vorbehalt  8r.  Königl. 
Majestät  AUerh5ch6ten  unmittelbaren  Bestätigung  nachstebender  Vertrag  er- 
richtet worden. 

Art.  1.  Seine  Königl.  Majestiil  von  Preußen  ühertragen  hiermit  dtin 
Herrn  Spontini  die  Stelle  Allnrhöch.st  dero  ersten  K  a  p  el  Im  p  i  t  <■  r  s  nnd 
di  e  G eneral-Ober-Aufb ichi  Uber  da»  Alusikweseu  mit  dt  sn  Titel  eines 
General-Mnsik-Direktors  und  der  Erlaubnis  außerhalb  der  Königl.  Preußischen 
I.;iii<]i  Jt  n  Titel  eines  General-Ober-Tntendanten  der  Königl.  Mnnik  zu  führen; 
jedoch  .sollen  diese  Kmennungen  Prädikate;  die  Hechte  und  Vorrechte 
der  Vorgesetzten  des  Köniirl.  <  )t"cheMtei*s  nicht  im  mindesten  beein- 
trächtigen und  iu  den  vertassuugsmäßigcu  Verhültniaiseu  der  Gleichheit 
unter  den  Königl.  Kapellmeistern  keine  Änderungen  nach  sich  ziehen. 

Art.  2.  Seine  Königl.  Majestät  gewälu*en  dem  Herrn  Spoutini  ein  fe»t- 
^•tehen^le^^,  kein«  in  Abzug«,-  unterworfen«-»  und  halbjälu'lich  voraus  zu  bezahlen- 
des (U-halt  von  jährlich  viertausend  T^n-n  fiischen  Thalern  in  Golde,  dmi  To- 
tlage von  sechszehntuuseud  fünfhundert  tranzösischen  Francs  gleich.  Aubeniem 
gewahren  Allerhöchst  dieselben  dem  Herrn  Spoutini  2um  jährlichen  Benefiz 
die  gesamte  kostenfr»  i«  l'iiinahme  d<'r  ei-steii  Vorstellung  einer  seiner  Opn  ii ; 
jedoch  »oW  es  der  Wahl  der '  <  J eneral-Jntendantur  der  Königl.  Schauspiele 
übeiln-  en  bleiben,  an  di«-  Stelle  einer  '-(»leben  Benetiz-VrH-stellung  eine  Knt- 
scbädigung  von  Kintauäcndtunfzig  i'iialern  £'reußit>chen  Kourant,  dem  Betrage 
von  viertausend  Francs  französischer  Münze  gleich,  eintreten  zu  lassen;  und 
in  diesem  letzteren  Falle  steht  es  dem  Herrn  Spontini  frei  aulnr  gedachter 
Entschädigung  sich  eines  der  Königl.  Konzert-  oder  Schauspielsäle  sowie  d«'s 
Personals  der  Königl.  Musik  und  Oper  einmal  kostenfrei  zn  bedienen,  um 
mit  dieser  Hülfe  ein  Konzert  zu  seinem  eigenen  Mutzen  zu  geln-u. 

Art.  3.  Was  die  Berufspflichten  des  Herrn  Spontini  betriflft,  so  ist  der- 
selbe den  Befehlen  Sr.  König].  ISIajestät  Folge  zu  leisten  und  in  die  Anord- 
nungen der  Königl.  G  en  eml-Intendantur  der  Schauspiele  sich  zu 
fügen  g«-halten.  Er  vrri)tii<  bu-t  sich  innerhalb  »b-ei(M-  Jahre  jed«-smal  zwei  große 
Opern,  von  welcher  Gattung  et*  üei,  oder  alljährlich  eine  kleine  Oper  (Operette), 
sämtlich  neu  und  von  ihm  komponiert,  auf  die  Berliner  oder  Potsdamer  Buhne 
zu  bringen.  Die  denselben  zum  Ghrund  gelegten  Handlungen  werden  ihm 
sowie  die  (xe dichte  von  der  Königl.  ( ü  e  n  era  1 -I  n  te  n dun  tur  der  Schauspiele 
geli«'fert  werden  und  bleiben  im  «'ntgegenge.st!tzt«>n  Falle  '-einer  eigenen 
AV'ahl  überlahsen.  Er  (Herr  Spontini)  verpllichtet  sich  in  eigener  Person, 
60  oft  er  seine  Gegenwart  notwendig  «-rächtet  und  gemeinschaftlich  oder  ali- 
wechselnd  mit  den  andern  KönigL  Kapellmeistern  das  Einstudieren  und  die 
Probevorstellungen  sämtlicher  Opern  und  d«  ~  musikalischen  Teils  alb-r  mit 
Musik  verwebten  Stücke  zu  leiten,  ohne  ji  dorli  /ur  eigenen  Direktion  di«s 
Orchester»  anders  verbunden  zu  sein  aia  bei  der  ersten  Auffuhrung  seiner 
eigenen  Knnstprodukte  oder  an  großen  Fest-  und  Galatagen,  wo  des  Königs 
Majestät  ihn  besonders  dazu  auffordern  lausen,  oder  wenn  er  aus  eigenem 
Beschluß  dazu  schreitet  und  endlich  wann  seine  Kollegen  daran  verhindert 
werden  sollten,  jedorb  iu  ülieii  diesen  F'illeii  üur  am  Klavier  oder  Flügel 
(ohne  selbfst  den  Musikstab  zu  fuhreiij  mit  ik-ihiilte  eines  auf  sein  Verlangen 


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AViiüelm  AltmauD)  Spontiui  an  der  Berliner  Oper. 


von  der  Qeneral-Intondaiitur  der  Schauspiele  behufs  der  Führung  des  MuUc' 
etabeB  anzuwcisondt  n  Mitgliedes  des  Köni<{:l.  Orchoäters.    Kr  Herr  Spontini) 

verpflichtet  sieh  überdies  sämtliche  kleine  fjLlerreiiheit«-  und  andere  Stücke, 
die  ihm  aiil  ]Jefehl  Sr.  MajeHtiit  vorgelegt  werden,  sowohl  für  d<n  (Jt'sjing 
als  für  Begleitung  oder  Tuuz  iu  Musik  zu  Hetzen;  uußerdt  iii  ancii  sich  der 
Oberaufsicht  der  zur  YervoUkommnung  und  Ausbildung  junger  Mitglieder 
der  Königl.  Op^  zu  Berlin  errichteten  Singeschule  mit  zu  unterziehen. 

Art.  4.  Für  alles,  was  Herr  Spontini  außer  den  oben  hezeiclnu'ten  AVerken 
iiiul  Stücken  hic^  ciirrneni  Trif'l»  kf>n)y>oniert"n  wird,  soll  ihm  eine  aulicrordent- 
liclie  Belohnung  zuteil  werden  und  ihm  überlassen  bleiben,  wich  deshalb  mit 
der  Königl.  General-Intendantur  der  Schauspiele  zu  einigen,  widrigenfalls 
darüber  nach  seiner  Willkür  zu  schalten.  Er  verpflichtet  sich  in  jedem  Fidl 
der  gedachten  (ieneral-Intendantur  vor/ug.<jWcise  alle  seine  Kompositionen  QÜt 
Ausschiuli  der  im  folgenden  Artikel  vorbt-haltfuen  n!r/iibi«*t«Mt. 

Ai-t.  5.  Außerdem  verstiitteu  Seiue  Königl.  Majestät  deni  Herrn  Spontini 
die  Befugnis  und  Freiheit,  alljährlich  vier  Monate  hindurch  von  Berlin 
abwesend  zu  sein  und  Kelsen  in  das  Ausland  zu  unternehmen;  jedoch  der- 
ge.stalt,  daß  dieser  Reisen  wegen  nicht  das  Mindeste  an  seinen  in  den  Artikeln 
H  und  4  bf*«timmtcn  OblteLrpiiheiten  gesnuhrt  werde.  Der  Zeitraum  dieser 
Ueiseu  ist  ein  tür  allemal  aul  die  Zeit  vom  15.  Augu»t  bis  zum  15.  Dezember 
jeden  Jahres  festgesetzt.  Auf  den  Fall  jedoch,  daß  Herr  Spontini  es  nicht 
suträglidi  finden  sollte,  von  diesem  Urlaub  in  einem  Jahre  Gebrauch  au 
nuu'hen,  so  «oll  er  dafür  im  nächstfolgenden *durch  einen  siebeumonatlichen 
I  x'laub  entschädigt  wordfMi,  und  wird  für  einen  solcln-n  Fall  der  Zeitraum 
vom  15.  ^lai  Iiis  zum  15.  Dezember  festgesetzt.  Während  dieser  Keiseu  soll 
er  befugt  sein,  im  Auslande  alle  Werke  setnw  Komposition,  die  in  Berlin 
gegeben  worden  sind,  auffuhren  zu  lagson;  solche,  die  in  Berlin  noch  nicht 
aufgeführt  worden,  können  unter  keiner  Bedingung  ohne  ausdrückliche  Kr- 
laubnis  Sr.  ^iajestät  des  Königs  einem  andern  Theater  überlassen  werden. 
Da  jedoch  Herr  Spontini  bereits  iu  Frankreich  wegen  Komposition  des 
Artaxerxes  von  Delrien,  der  Sappho  und  der  Apotheose  des  Herkules  von 
£mpis  und  Couruold  Verbindlichkeiten  eingegangen  ist,  so  geruhen  des  Königs 
Majestät  zu  gestatten,  daß  die  ersten  Vorstellungen  dieser  Stücke  oder,  wenn 
Herr  Spontini  mit  Bewilligung  ihrer  Vrrf'a««fr  tlir-^f  lbfn  diin'h  dit  i  uMlt-re 
der  Berliner  Büiiue  augumesseue  uud  dem  tieschmack  des  deutschen  i'ublikums 
entsprechendere  Gedichte  ersetzen  könnte,  daß  die  erate  Vorstellung  derselben 
unter  seiner  Leitung  in  Paris,  jedoch  gleichzeitig  mit  deren  Aufßlhrung  in 
Berlin  statttinden  möge. 

Art.  6.  Soine  Königl.  >rfti<«stät  von  I*renfl«'n  wollen  nicht  entgegen  sein, 
daß  Herr  Spontini  Verbindungen  mit  l'  rankreich  beibehalte  uud  aller 
der  Vorzüge  ferner  teilhaftig  bleibe,  womit  der  französische  Hof  ihn  bisher 
begünstigt  hat,  jedoch  ohne  daß  daraus  ein  Nachteil  oder  Sdiade  fiir  die  in 
den  vorstehenden  Artikeln  des  gegenwärtigen  Kontrakts  festu-  ~*'tzt«'  Vi  rbind- 
lichkeiten  erwaichse.  Demzufolge  ist  Herr  Spontini  ermächtigt,  alles  dasjenige 
bei  Sr.  Majestät  dem  Könige  von  Fraukreicli  einzuleiten,  was  er  die.sem  Zweck 
gem&B  und  für  sich  nttzlidi  erachtet. 

Art.  7.  Die  Vorstellung  aller  von  Herrn  Spontini  komponierten  Stücke 
bleibt  den  Königl.  Theatern  zu  Berlin  während  sechs  ^lonate  vom  Tage  der 
ersten  Aufführuni?  an  gerechnet  ausschließlich  vorbehalten.  Nach  Verlauf 
dieser  Zeit  steht  es  iluem  Verfasser  frei,  solche  unter  jeder  ihm  beliebigen 


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TTilheliii  AltmanD,  Spontini  ftn  der  Berliner  Oper. 


251 


B»  (1iui:niiL;  fn  iiiflrn  Rülnifn  zn  iilterlassen.  Diese  Eiiiseliiiinkiini:  soll  jprlocli 
Herrn  Spoiitiiii  uiclit  in  .seiutiii  Hiuciifimisrcrlit  stören  und  iini  nielit  liiutleru 
einzelne  iStücke  seiner  Ojjern  gkucli  nmii  deren  erster  Aulliiiining  tstücheu, 
drncken  und  gleich  den  Verfassern  litterariBcher  Werke  absetzen  xu  lassen^ 
dergestalt  iiuleß,  daß  die  Stück«'  selbst  vor  Ablauf  der  Yorgeschriebenen  Zeit 
nirgends  amlfi-s  aiif"L'»'nihrf  wcfdori  können. 

Art.  H.  Herr  Sjinntini  niuciit  sich  verbindlich,  .meinen  testen  Wobnsil/.  in 
Berlin  zu  uclmieu  und  spätestens  iuuerhulb  der  ersten  Hälfte  des  Munuts 
Februar  des  nSchsikommenden  Jahres  seinen  Dienst  ansutreten.  Der  Anfang 
fieiner  (leb«lt.sl)eziebttDg  wird  durch  die  Zeit  seiner  Ankunft  in  den  Preußi.schen 
StMten  ihre  nestinininn*,'  erbnlti  n.  Da  ein  etwaij^er  VerztiL;  dfs  Ht  i  i  n  S|H>iitin! 
bui  der  Antretung  Beines  JJiin^ti'H  zu  dem  Vürher])estininiten  Teruiine  dem 
Berliner  Theater  nachteilig  »ein  würde,  ao  uuterwii'ft  sich  derselbe,  Lusufem 
nicht  wichtige,  von  ihm  nicht  zu  beseitigende  Umstände  oder  eine  ansdriick- 
liche  Erlaubnis  Sr.  Kiinigl.  Majestät  von  Preußen  ihn  entbinden  sollt«  n  ncr 
zu  eiitrifhf.'inlrii  Knt-^rbädiLriiiip'  von  zweitatisend  Frniif  -i  für  j«  dt-ii  M<iiiat  der 
\'erzögerun<jf,  als  welches  auch  in  Ansehung  seines  [Irlaubs  auf  den  Fall  An- 
wendung iiudeu  soll,  wenn  er  ohne  Allerhöchste  Königliche  Bewilligung  dessen 
Grenze  Qberschreiten  sollte,  wobei  es  sich  von  selbst  versteht^  daß  diese 
etwanigen  Verzögerungen  weiter  keinen  nachteiligen  Einfluß  auf  die  Aus- 
zahlung des  im  2.  Artikel  re>f L:psetzten  Gehalts  ImIkmi  k"viitien. 

Art.  9.  Herr  Spontini  innc  lit  sich  verbindlich  vor  Abhuit  i  inrs  /ehn- 
jährigen  Zeitraumü,  vom  Lage  der  Dienst-  und  Gehaitsautretung  au  ge- 
rechnet, seine  Entlassung  nicht  zu  verlangen;  es  wilre  denn,  daß  seine  Qe- 
sundheitsunistände  sich  <l«  rgestalt  verschlimmerten,  daß  ,j<  ilc  T^e.schäftiguug 
ihm  iiiimfiglich  würde.  Auf  den  Fall,  daß  Herr  Spontini  innf  rlMlIi  einer 
ununterbrochenen  zehnjährigen  Dauer  Heinefii  Dienst  v(rrsf»«ht  oder  ain  li,  daß 
er  seinen  Vertrag  über  diese  zehn  .iahre  liinaus  aul  uniiestimuite  Zeit  ver- 
längert, soll  er  einen  rechtlichen  Anspruch  auf  eine  seinen  Diensten  ange- 
mesBene  Pension  für  den  Ruhestand  erworben  haben  und  diese  überall,  wo 
er  sich  niederlassen  möchte,  sofort  beziehen,  als  «  in  Alti  r  odi  i'  -ein  fJesund- 
hettszustand  es  ihm  nicht  weiter  gestatten  werden,  den  Ühliegeuheiteu  »eine» 
Bcrufä  zu  genügen. 

Art.  10.  Die  kontrahierenden  Teile  versprechen  dem  gegenwärtigen  Vertrage, 
seinem  ganzen  Inhalte  nach  und  ohne  Einschränkung  gemäß  zu  handeln,  und 
-<ill  dieser  Vertrag  Sr.  Königl.  Majestät  von  Prcii[>(  n  /nr  Ii -S  ii  un- 

mittelbaren < teiiehmiguiiL:  uixl  Bestätigung  niler  dni  iii  t  utlwilienen  Bedingungen 
eingereicht  weiden.  Uikundiich  ist  die.ser  Kontrakt  ernclitet  und  in  dopjjelter 
Ausfertigung  vollzogen  zu  Berlin  den  sechsten  und  zu  Paris  den  zwanzigsten 
August  Eintausend  achthundert  und  neunzehn.« 

[Fokfen  die  Vnieraeiariften.] 

Abgcsst'licii  davun,  daß  es  für  den  Grafen  Biiihl  verletzend  sein 
mußte,  daß  er  bei  Al)fassuiig  dieses  Koutraklef,,  {\on  der  König  ge- 
nehmigte, nicht  zugezogen  war,  war  der  Wortlaut  nur  zu  sehr  zu  will- 
kürlichen Interpretationen  geeignet,  auch  nicht  ohne  Widersprüche;  denn 
wenn  Spontini  nach  §  3  gekalten  war,  »in  die  Anordnnngen  der  König- 
lichen General-Intendantur  der  Schauspiele  sich  zn  fügen  ,  so  war  ihm 
in  §  1  die  General-Oberaufsicht  über  das  Musikwesen  übertragen  worden. 


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252 


Wilhelm  Altmamt,  Spontini  an  d«r  Berimer  Oper. 


£he  noch  Graf  Brülil  offiziell  von  Sijontini's  Ernt^nnung  in  Kenntnis  ge- 
setzt wurde,  wunli'  dicboni  diuch  Königliche  Kabinetsordre  vom  1.  8eji- 
ti  mber  1819  gestattet,  daß  die  Oper  Olympia  als  eins  der  alle  drei  Jahre 
für  die  Berliner  Bühne  zu  komponierenden  zwei  Werke  unter  der  Be- 
dingung gerechnet  würde,  daß  solche  um  dieselbe  Zoit  wie  in  Paris  hier 
in  Berlin  anf^f^fi'iln  t  worden  krmne;  gleiclr/citi;;  wurde  iliiii  eniffnet.  daß 
durch  den  kiuiii^lirluMi  ( icsaiulten  in  \ea])i  i  die  niitigen  Kinleitungen  ge- 
tiutten  werden  Millliu,  da  mit  das  von  ihm  dort  eingegangene  Kniraireiiit^nt 
autgehohen  nnd  im  x  lilitnmsten  Falle  die  dadurch  entstandt  nen  K(»Nt'*n 
aus  der  königlichen  Kasse  geti'agen  würden.  Wieiler  eine  große  Gunst- 
bezeigung. 

Als  dann  Graf  Brühl  durch  di  u  Staatskauzier  Für^vleu  HaiiU  iilit  rsr 
unterm  28.  September  1819  tjudlich  von  Spontini's  Ernennung  benach- 
richtigt worden  war,  machte  er  seinem  l^nmut  in  einem  Schreiben  an  den 
König  vom  8,  Oktober  Luft;  darin  sagt  er  unter  anderem: 

»Daß  der  SpdiifiTii  tfjinz  oline  meine  Mitwirktuirf  nnirp«t»llt  worden, 
dal5  irh  hei  leötfiteiluug  Heiner  Dieustverhäituisse  und  Verptiichturig  nicht 
einmal  meine  Meinung  habe  aussprechen  dürfen,  da  doch  der  eigentliche  Ge- 
flchäftsgang  mir  allein nur  bekannt  ist,  daß  die  ganze  Stadt  bereits  von 
der  Anstellung  unterrichtet,  sogar  alle  Bedingungen  genau  kannte,  ehe  mir 
nur  ein  "Wink  über  die  An.'*tellung  selbst  zuffekommen  war,  daß  meiiu'  Be- 
kannten und  die  T^nter-OfHzianten  mir  alle  Bj'tails  schriftlich  zukommen  ließen 
und  ich  erwidern  mußte,  ofüziell  noch  nicht  das  Mindeste  zu  wisüüu,  daß  bei 
dem  Kontrakte  einea  mir  künftig  Untergebenen  nicht  einmal  xnm  Schein  mein 


1)  Unstreitig  ist  Oraf  BrfihI  einer  der  denkbar  besten  Lilendanten  gewe«eiL  Mit 

vollem  Recht  schrieb  er  am  15.  Fel»ruar  1820  an  den  Staatskan/l«  r  Hardenberg:  -Ich 
],:\]h'  v*>n  Jugend  auf  niicli  niit  3Iusik  und  Gesunpf  )n  -  i-/;  .  jn  ich  darf  hin/u- 
lliffen,  ich  bin  sr-lhst  ausübender  Künstler  ]trp\vesen.  ich  bin  mit  mehreren  der 
größten  Meister  uuseres  Vaterlandeä  bt-kanut  gewo5<eu  und  hin  ea  noch.  Ich  habe  die 
muaikaliBclien  Anstalten  fast  von  fftaa  Dentsehiand  und  m^ireren  angrenzenden  Imo^' 
dern  kennen  gelernt  nnd  einen  ']*■  il  ilcr  frri'ißten  (iesangskünstler  frülierer  und  jetziger 
Zeit  gehr»rt,  inid  wenn  ich  iHü  Ii  ki  in  «großer  Komponist  geworden,  wie  Herr 
Spontini,  so  will  i<-h  in  Beurteilung  der  Musik  und  des  (iesanges  ihm  keinea» 
Wegs  nachstehen. 

»Die  hiesige  Oper  ist  seit  meiner  Dienstfühning  auf  einen  Standpunkt  frekom- 
men,  auf  dem  sie  nie  yorber  g'ewesen.  Dies  gesteben  selbst  meine  Wider  a<  h'  r 
ein,  ja  c»  wird  tnir  '■ogar  der  ungerechte  Vorwurf  gemacht,  zu  viel  Fleiß  auf 
die  Oper  und  duH  Ballet  und  zu  wenig  auf  dm  recitierende  Schauspiel  gewandt  zu 
haben.«  —  Die  zahllosen  Briefe  Brühl'*  an  das  Theater -Pei"8ouaI,  welche  im  Konzept 
erhalten  sindt  «eigen  eine  seltene  Sachkenntnis  und  eine  äußerst  humane  und  liebens- 
würdige Gesinnung;  mit  der  grr)Gt«-n  Geduld  nimmt  er  von  den  Wünschen  seiner 
l'ntergebenen .  niligen  diese  Knllen-Streitigkeiten .  Kostüm-Fragen  oder  (lehalts- 
Aufljesserungen  bftrettcn.  Kenntnis  und  erteilt  auch  immer  gleich  Bescheid.  Wäre 
ihm  nicht  Si>uuiini  aufgezwungen  worden,  so  hätte  er  sicherlich  die  Berliner  Oper 
zur  ersten  des  damaligen  Europas  gemacht. 


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WiUteliii  Altmann,  Spontini  u  der  Berliner  Oper.  253 

Na  HU  mit  beiji^efiVrrt  wurden,  dies  . . .  maß  mich  hin  in  dae  Innerste  erachüttem 
uiiii  schmerzlich  krünkeu.« 

»Der  Fttrst  v.  Hardenberg  hat  mich  wiMen  lassen,  Ew.  Königl.  Majestät 
hätten  die  Unterhandlungen  mit  dem  Spontini  nicht  durch  mich  nibren  lassen, 

dn  AJlerhöchöt  Ihnen  bekannt  geworden,  wie  ich  früher  in  DilFerenzen  mit 
ihm  ef"^tniiden.  Wer  dies  auch  Vw.  Kr»nigl.  Majestät  hinterbrficht  haben  mag 
< —  ich  uiuÜ  es  ala  ehrlicher  Mann  für  unrichtig  erkläi-en,  und  ilie  abschriftlich 
hier  angebogene  Korrespondenz  zwischen  mir  und  dem  p.  Spontini  wird 
meine  Aussage  betätigen.« 

»Nicht  leugnen  darf  ich.  daß  mir  seine  Anstellung  nie  wünschenswert  er- 
schienen, weil  ich  ihn  für  da.-*  Köniirl.  Thnnter  zu  kostpptflig  und  dafür  nicht 
uiitzlich  genug  hielt.  Seine  Musik  konnte  jederzeit  für  weit  geringere  Küsten 
ans  Paris  Terschrieben  werden  ~  er  Terstebt  unsere  Sprache  nnd  Litteratur 
nicht,  kiiiti  daher  nicht  in  derselben  komponieren,  ebenso  wenig  auch  die 
Details  des  Theater-  und  Orchester-Dienstes  besorgen,  li.if  ^itli  in  Paris  nie 
mit  t'iirontlirber  Orchester-Direktion'^  abgrgplipn,  und  war  mir  an  .fahre  1814 
von  duu  Administrutcurs  der  großen  Oper  in  Paxis  für  einen  äußerst  geld- 
süchtigen, unthtttigen  Menschen  von  boshaftem,  falschem  und  hamisehem 
Charakter  geschildert  worden.« 

> Diese  Ti runde  vereinigt  bewogen  mich  bei  Ew.  Königl.  Majestät  nicht 
nnf  «eine  Aiihtellung  anzutragen  und  nndere  —  wrnii  auch  nicht  "o  »rroPe 
Kumponisteu,  doch  nützlichere  Subjekte  —  zur  Allerhöchsten  Wahl  vorzu- 
schlugen ,  ,  .€ 

>Ich  würde  meine  Unterhandlungen  mit  ihm  gewiß  zu  Ew.  Köniul.  Mfgestät 
mir  so  unentbehrlichen  Zufriedenheit  beendet,  für  meine  Ehre  als  Chef  manches 
Kränkende  nnd  KniicririL'*  i>dc  vermieden  nnd  f?ir  den  Dienst  manches  Oute 
haben  bewirken  können,  wan  »ich  in  dem  vollzogenen  Kontrakte  nicht 
findet.  .  .  .« 

>Zu  N'ermeidung  aller  künftigen  Verantwortlichkeit  bin  ich  indeß  dem 

Königl.  Dienste  und  meiner  eigenen  Beruhigung  schuldig,  hier  ...  zti  be- 
merken, d«H  der  aligeschloss^-fie  Kontrakt  auf  t  ine  sn  tnib.'«tiinnitc  Art  ab- 
gefaßt ist,  welche  di«  grüßte  willkürliche  Auslegung  zulHüi,  daher  notwendig 
zn  Mißverstilndnissen  Anlaß  geben  wird,  nnd  daß  bei  der  großen  Spannung, 
w«dche  durch  die  außerordentlich  ▼orteilhafte  Stellung  des  Spontini  beim 
Musik-  und  Opempersonale  künftige  Reibungen  und  selbst  unangenehme  Aus- 
brüclu'  nicht  ganz  vermieden  werden  können.  Diese  nach  Möiflichkeit  zu  ver- 
meiden und  zu  beiieitigeu  boll  zwar  mein  eifrigstes  Bestreben  seinj  ob  dies 
aber  stets  gelingen  möchte,  wage  ich  nicht  in  hoffen  bei  dem  leicht  aufzu- 
regenden, ungebundenen  Q-emüte  aller  Künstler  überhaupt  und  bei  dem  nach- 
teiligen Gerüchte,  welcfaee  sich  bereits  allgemein  über  den  Karakter  des  p. 

1)  Spoiititii  int  jcfif-nfuli-:  doch  ein  rcclit  trnter  Diriprent  prowesen;  vergl.  außer 
R.  Wagner's  »Erinnerungen  un  Spoutini<  'Werke,  Band  üj  noch  folgende  AuUerung 
von  B.  Marx  in  der  »Beriiner  allgemeinen  musikalischen  Zeitung«  Jahrgang  1824  S.  SSO: 
»Man  sehe  Herrn  Spontini  in  seinen  großen  Opern  —  weiche  MenBCh^maBse  hat  er 
zu  leiten,  und  wie  leitet  er  sie!  Man  l>ecdiachte  ihn  und,  wenn  er  sein  an  fzu  führend  es 
Werk  vor  sich  lictren  «iehf  —mit  welcher  Hcijpi'ätenm«r  und  mit  welcher  Vorbereitung 
er  nun  seinen  Komniandostab  ergreiit  und  führt.  Er  ii«t  ihm  wahrlich  nicht  ein 
mechanischer  Taktmesser  —  in  seinen  HSnden  thut  er  Wunderdinge  . . .  Wie  teilt 
sich  nun  aber  seine  Begeisterung  auch  dem  gansen  Peisonale  mit . . . 


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254 


Wilhelm  Altmann,  Spontini  «n  der  Berliner  Oper. 


Spoiitiiii  veioreitet  und  neut-rlicli  dunh  liit*  Siiii<;i'rin  Catalani,  mit  wt-Uher 
vr  boim   it^ilieiiisrhen  Theater  im  Verliiiltnif?   ire>taiiden  hat,  bestätigt  ist. - 

Auf  ili('-~r  Eingabe  dt's  firnfen  Krüh).  w»'lrh*'r  iilniL'on^;  in  dioso'  An- 
jjrlri^ciihi  it  udcli  pin  irniu'i  1  CS  Schreilx'n  an  drn  .Staatssekn^tiir  Fürsten 
ll.u  dcnlii  lg  richtete,  uutwuitete  Köllig  iVit'diicL  Willielm  am  21.  Ok- 
tober 1S19: 

»Ich  verkcntie  es  nicht,  daß  Sit'  foi tilsuiernd  der  (Teneral-Intendantur  der 
Schauspiele  mit  au<;estren<^ter  A utim  i  k^.nnkeit  vorstehen  und  den  schwierifren 
l'Uichtuu  dieÄcü  Amte»  volles  Genüge  zu  lei.st«*u  stets  bemübt  gcweseu  »iud. 
Ich  lasse  Ihnen  dieserhalb  olle  Gerechtigkeit  widerfahren,  aber  eben  deshalb 
können  Sie  es  auch  nicht  als  ein  Zeichen  von  Mißfallen  oder  Ungnade  an- 
sehen, wenn  idi  .  inen  län<;st  als  <inu7.  vor/,ü<;lich  anerkininten  Virtuosen  ohne 
Ihre  Zuziehun*!  !  h;il>e]  engagi<'ren  lasssen,  der  liei  Ihnen  und  bei  den  rtneirezeich- 
utiten  Mitifliedtiii  de.s  Orchesters  nur  eine  •rünstige  Aufnahme  lindi  u  kann. - 

b(  nif  rkt  auf  diesem  Schreiben:  »ad  Acta,  obgleich  diese  Ant- 
wort zwar  f:^nit»lig,  n)»er  iib<T  den  Hanptpunkt  keineswetrs  i:i  nii£?rnd  i^^t  • 
In  einem  sehr  li<if  li(  ht  n  ScliiTibcn  vom  24.  Sept'-Miln  i-  batle 
Spontini  seine  Krncnnung  cb  ni  (7!  ift*n  l-irübl  anLr>  /eigt,  d»'r  dann  nicht 
minder  höflich  am  t>.  November  (l.irauf  erwiderte:  in  einem  Schreiben 
an  den  Fliigeladjutanten  von  W'itzlebeu  aber  beklagte  sich  Graf  Brühl 
doch  über  den  Ton  jener  Anzeige: 

^V.r  ist  '<elir  höflich,  aln  r-  mit  dem  itötiL'fii  Stnl/o  spricht  er  v»mi  r^hiftnua 
inten i<xiinlf.s  etc..  nirgends  ist  nur  die  leise.ste  Andeutung  eine«  ü  ntergehencn 
gegen  seinen  künftigen  Obern  zu  finden.  Spuutini  hat  Recht ich  kann 
ea  ihm  nicht  yerdenken^  wenn  er  mich  eeine  Stellung  fOhlen  macht.  .  .  . 

>Homberg*8  Abgang  ist,  wenn  es  auf  sein  Direktions-Tajent  ankömmt, 
sehr  leicJit  zu  very  i' Ii  ni  crz  e»i .  allein  ii!>  ci-sfri-  .iii-ülitiidi  r  Künstlm*  «.'ieht 
es  in  Kuropa  nicht  seiiiesf^leichen,  uml  wird  nir^^ends  gute  Sensation  machen, 
WO  er  die  Gründe  aufsteUcu  wird,  welche  ihn  weggehen  machen.  Uhiuben 
Sie  .  .  man  hätte  Spontini  noch  2000  Thaler  mehr  geben  können,  nur  die 
besondem  Titel  und  Ausnahmen  vom  Dienste  hätte  man  ihm  nicht  sugestehen 
müssen  1< 

In  dem  letzten  Abschnitt  dieses  Briefes  ist,  wie  wir  sehen,  von  Born- 
berg's  Abgang  die  Hede.  Dieser  ausgezeichnete  Violoncellist  war  auf 
seinen  Wunsch')  vom  Könige  gegen  Graf  BruhFa  Votuni seit  deut 

1,1  Bernli.  RüiiTl>f  r"/  hafte  sich  am  IM).  Dc/cinher  IHl.')  heim  Kr.nit'  direkt  um  dit.' 
durch  den  TuJ  Himiiu'i's  erledigte  KapelhneiHterstellc  beworben  uiui  un  demüclbcu 
Tage  dies  attch  dem  Intendanten  angexeifft,  trohei  er  zugleich  für  den  verstorlienen 
Konzertmeister  Schick  Loui«  Maurer  empfulili'u  hütt.'.  Nicht  unintereMant  ist  folgende 
Stelle  aus  dein  Uesuclio  l{ombcr);  s  an  den  KTniij^;  >l'nd  da  icli  mit  «bau  darauf  ruhen- 
den (iebalt  von  zwt'itaustnil  Tlialer  nicht  auskommen  könnte,  /cm;!!  i<b  nach  dem 
Tode  uieineü  Vaters»,  der  auch  dai.  ülück  halte,  Ew.  Majestiit  /u  dienen,  uulier  uteiuer 
eigenen  starken  Familie  noch  meine  betagte  Mutter  und  meine  kranke  Schwester  zu 
versorgen  habe,  so  ginge  mein  . . .  Antrag  noch  dabin:  £w.  Majestät  wollten  alsdann 


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Wilhelm  Altmami,  Spontini  an  d«r  Berliner  Oper. 


2Ö5 


19.  April  1816  als  Kapellmoister'l  nn^fstellt  gewesen  und  iiatte,  bald 
nachdem  Spontini's  An>t<'llunj^  Ifckannt  gcworilt  n  wnr,  fmi  20,  Oktober 
1819  um  .seine  Rntl;i>suni;  ^cIh  ton.  mit  der  Motivierung,  dali  sidi  durch 
j«  nt'  seine  DicnstA  crliiiltni'^st'  bedeutend  verändert  hätten.  Obirleich  ver- 
suclit  wiircU?,  ilin  /um  Wcitcibleiben  zu  bewegen,  ließ  er  sich  ducli  nicht 
dazu  bebtimmeu  und  schied  dann  bereits  am  1.  Dezember  aus  dem  Dienste  -], 
bevor  noch  Spontini  in  BerUn  erschienen  war. 

Mit  Bücksieht  auf  die  von  ihm  beabsichtigte  Umarbeitung  der  0|>er 
»Olympia«  wurde  nämlich  Spontini  vom  Kfmiij  ijestattet,  seinen  Poston 
erst  am  15.  ^lai  1H20  anzutreten.  Tatsäcldich  trat  er  ihn  noch  später 
an,  denn  er  kam  erst  am  27.  ^hd  nach  Potsdam  und  Ta^s  darauf  nach 
Berlin.  Als  seine  Ankunft  ziemlich  feststand,  hatte  Graf  Briihl  dies«' 
unterm  ti.  Mai  der  Musikdirektion  der  Königlichen  Schauspiele  mitge- 
teilt und  zugleich  es  für  nötig  gehalten,  dabei  wiederliolt  dannif  hinzu- 
\vi  i>en.  Mlaß  auch  hinfUro  in  der  Form  der  bisherigen  Dienstvcrlialtnisse 
duichaub  nichts  verändert  sein  wird  und  daß  ich  mich  nach  wie  vor 
der  speziellen  I^eitung  aller  musikalischen  Angelegenheiten 
beim  Theater  und  der  Königlichen  Kapelle  fortwährend  unter- 
ziehen werde. c  Er  war  also  nicht  gesoiiüLU,  sich  das  Heft  aus  der 
Hand  nelimeu  zu  lassen.  Dies  zeigt  auch  die  Dienst-Instruktion,  welche 
er  untenn  1.  Juni  in  fiauzösischer  Sprache  für  Spontini  erließ  und  be- 
reits am  Tage  vorher  den  übrigen  Eapellmeistem  in  deutschem  Wort- 
laut zur  Kenntnisnahme  ttbermittelte.   Sie  lautet: 


iTfriihfri,  mir  /u  trlatiben,  linrrli  zwei  Munate  im  Anfanpo  oder  zu  Ende  rh's  "Winters 
durcii  auswärtige  Konzerte  nocii  einiges  zu  verdienen,  um  so  als  honetter  Mann  lebcu 
KU  können.« 

8)  Br&hl  hatte  in  seinem  Outachten  darauf  hingewiesen,  dnß  H.  R.  unstreitig  als 
Violoneellist  der  K:i]>el)e  ^u^  iH'x-listen  Ehre  gereichen  würde,  als  Dirigent  and  Kom- 
ponist  aber  ni<'ht  bedeutend  genug  sei. 

1    Auf  Wunsch  d<  -  Ki'tiigs  wurde  er  uu  Ige  fordert,  »dnn  Tn-^trument.  wt-lilu'.  ^r 
bisher  mit  so  ausy^ezeieinieUT  hoher  Fertigkeit  behandi'lt,  aueh  fernerhin  im  Kiinigl 
Dienste  nicht  bei  Seite  zu  legen  sowohl  bei  Hofkouzerten  ab  bei  andern  öfleutliclieu 
Muiiken«. 

•J  Romberg  schrieb  unter  anderem  noch  an  Graf  Brühl  unter  «Kmii  28.  Oktober 
1819:  »K»  ist  für  niieii  unumiräng]i<li  nötig,  meinen  Gesundheitszustand  wieder  in 
Ordnung  zu  brinj-cn.  der,  wie  K'v  Uocliwohlgebnren  selbst  wolil  wi>*sen  werden,  durch 
den  Dienst  des  liieater»  eben  nniu  gffr»rdcrt  wird.  Icli  muß  durchaus  einige  Ruhe 
genieGen,  um  mich  za  einer  Kunstreiac  vorzubereiten,  die  der  künftige  Unterhalt 
meiner  Familie  notwendig  macht.«  AIh  Roinberg  i»''  Enthi^sung  erhielt,  gal«  ihm 
der  Intendant  -die  vollkommenste  Zufriedenheit  mit  st-im-m  FleiBe,  seiner  Thätigkeit 
und  «meinem  guten  Willen  wtilirend  seiner  dreijältn<_'»'?i  Dieustzeit«  :ni  iTkcnnen. 

3i  Vergleiche  über  diese  »Musikdirektion«  »ien  Absatz  vuu  Artikel  ii  der  Dienst- 
Inatniktion  für  Spontini  von  1820  .unten  8.  263). 

s.  d.  t.  M.  IV,  1? 


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256 


Wilhelm  Altmaim,  äpontini  an  der  Berliiier  Oper! 


Dieust-Iustruktiou  für  den  Königlichen  Iteu  Kapellmeister 

Herrn  Spontini. 

Du  der  Zeitpunkt  eingetieten  ist,  wo  HeiT  Spontini  ah  erster  Kapell- 
meister und  Oeneral'Mnsikdirektor  seine  FuneHon  im  KönigUdien  Dienste  an- 
treten soll,  achte  ich  es  Ar  sweckmißig  und  nfltilich,  .denselben  mit  der 

obwaltenden  Stellung  des  KünigUchen  Theat«8  und  der  Kapelle  zu  dem 

Genernl-TiitendMiiti  ii  litkaMiit  7.\\  nifirlien. 

Um  sich  geuiiuer  in  diese  X  erhiiltnisse  linden  zu  können,  wird  dem  Herrn 
Spüutini  ein  Auszug  der  sowohl  au  die  Muaikdirektion  als  auch  an  die  König- 
liche Kapelle  früher  ergangenen  Gesetse,  Verfügungen  und  Anordnungen  zur 
Nachricht  und  Tieachtung  übergeben  werden. 

Zu  dem  all»  i)iiir'M  n's.«)rf  dt  s  rioueral-Intendanten  geliJtrt  Nacbfo]i/('iid«'s : 

1)  Es  kann  keine  Anstellung  und  (Tehaltsverbeeserung  in  der  Kapelle  oder 
bei  dem  Opcrn-Persouale  gemacht,  und  keine  Zusicherung  darüber  gegeben 
werden^  als  durch  den  Genei«t>Intendanten  selbst,  welcher  sowohl  in  artistischer 
als  finanzieller  Hineicht  für  alles  verantwurtlitb  ist. 

2^  Vnrf*chlä<re  mn  Si  ifrn  des  General-Musikdirektor*'  und  drr  übriiren 
Kapellmeister  werden  mit  Vergnügen  augeuonunen  und  nach  UniBtanden 
berücksichtigt  werden.  Die  Bestimmung  der  ni  gebenden  Opern  und  musika- 
lischen AuDftthrungen  h&ngt  lediglich  Toin  General-bitendanten  ab,  doch  wird 
derselbe  auch  hierin  gern  den  ihm  zu  machenden  Vorschlägen  <  Jchör  geben. 

3)  Dl«'  Bosftzvniüf  der  Köllen  in  Opprn  mul  Schausj)ielen  steht  dein  (I i  iu  i  il- 
Intendauten  ganz  allein  zu,  da  der>elbe  bich  so  viel  musikalische  KenntniÜe 
zu  erlangen  gestrebt,  um  dies  im  generellen  beuiteileu  zu  können. 

4}  Bei  OperUf  bei  deren  Anfftthrang  der  Komponist  selbst  gegenwirtig 
ist,  wird  derselbe  jedesmal  bei  der  Rollenbesetzung  zu  Kate  gezogen,  und 
dessen  W'ünsilic  vorzüglich  beriii  ksirliti<.'t.  Dasselbe  geschielit  .ai«  h  lai  denen 
Opern  von  bes^underer  Bedeutung,  welche  der  jedesmal  ernannte  Urchester- 
Direktor  zu  leiten  hat. 

5)  Über  die  notwendige  Anaabl  der  Opemproben  erwartet  der  General- 
intendant jedesmal  das  Gutachten  desjenigen,  welcher  die  Oper  zu  dirigieren 
bat,  ntid  wird  (Idn  i  nur  die  möglidaste  iiht^amis  an  Zeit  und  Geldkosten 
zu  berücköielitigeu  sein. 

6;  Jede  Art  von  Befehl  und  Anordnung  an  die  Königliche  Kapelle  kann 
nur  Tom  General-Intendanten  ausgehen,  dagegen  wird  dem  General-Musik- 
direktor in  Hinsicht  auf  die  spezielle  Ausrührung  der  Musik  und  der  dazu 
nJUi^ren  A noi dnungen,  im  Orrbtsfir  sowohl  als  auf  dem  TLeafor  (wenn  es 
uiimiich  die  Musik  sellist  betrüi't,  nie  ein  Uiudernis  in  den  Weg  gelegt  werden. 

Diejenigen  Kün»>tler,  welche  bisher  die  Leitung  aller  musikalischen  Auf- 
führungen sowohl  am  Hofe,  als  in  den  KönigUcfaen  Theatern  und  Konsert- 
8iden  übernommen,  sind  gemeinschaftlich  tinter  dem  Namen  der  Mu^ikdiroktion 
der  Kiini'jHclien  ScbaM-]'it  I*'  Ix  ji-itTi  n,  und  liesteht  dit  !M  usikdirektion  gegen- 
wiirtig  aus  dem  Ka])elhiieister  W  eber,  Musikdirektor  iSeidel  und  Schneider*]. 
Herr  Spontini  wird  von  nun  an  auf  Allerhöchsten  Befehl  Sr.  Majestät  des 
Königs  als  erster  Kapellmeister  und  General-Musikdirektor  den  obersten  Plate 
in  diesem  Künstlerverein  einnehmen. 

Die  Ye! Iii  11(11  iclikeiten  des  Herrn  Sj)ontiui  im  KunigUclH'n  Dienste  sind 
^ar  größtenteils  durch  den  von  Sr.  IMajestüt  dem  Könige  genehmigten  Kou- 

i;  Vergletohe  fiber  ihn  weiter  unten  S.  284  A.  1. 


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Wilhelm  Altmaan,  Spontini  uk  d«r  fierliner  Oper. 


257 


trakt  slIioii  l(■^tge^Htzt,  doch  scheint  es  uotwendig,  dali  der  iiiitt  i/i  irhiiete 
Geiieral-liitciidant  sich  über  einzelne  Punkte  noch  näher  gegen  den  Herrn 
Spontini  erldftrt  und  denselben  mit  seinen  Ansichten  Ober  den  kflnftifien 
Oesehäftegan^  bekannt  mache. 

T)rr  %\  rx  lu  iitlii  ln*  kltMMct  i'  Dienst,  ilit-  Aul'.iiclit  ii1>rr  Tlic;i1<  r-^rii>ik  bei 
'>rt  l(j(lranien  oder  Schauspielen,  da»  Auttidirt'ii  lici-  klt-iiu  ren  Ojfern,  d:is  Auf- 
schreiben und  Einteilen  der  Kapelle,  die  ver-»cliiedeuen  Dienstleistungen  in 
Berlin,  Charlottenburg  und  Potsdam,  sind  den  swei  Mnsikdirektoreii  und  den 
zwei  Konzertmeistern  übergeben,  so  daß  diese  vier  Künstler  wöchentlich  nnter 
sich  flli\vt'(  Iiscln. 

Hi  irii  K  ipellmeiHler  Weber  habe  ich  von  diesem  regelmäßigen  Wnchen- 
dienste  Irei  gesprochen,  80  wie  Herr  Generul-Muüikdirektür  Spontini  ea 
schon  dnrdi  seinen  Kontrakt  ist. 

In  Hinsicht  des  Herrn  Kapellmeister  AVeber  habe  ich  mir  speziell  vor- 
behalten zu  bestimmen,  welche  Opern  Hrr-tllic  in  Person  dirip-ieren  wird,  so 
wie  den  übripcn  ^litgliedern  der  ^rusikdirt-ktiou  prleicbfalb  von  mir  allein  die 
Bestimmung  ssukümmt,  wer  von  ihnen  die  neu  einzutstudierendun  Opern  un- 
lllhren  soll. 

Da  ich  seit  dem  Antritte  meine-'  Amtes  die  spezielle  Oberleitung;,  sowohl 
am  Hofe  im  Theater,  aller  niu'^ikalischen  A nireleeenheiteii  ohne  Ausnahme 
geführt  habe  und  fernerhin  iühren  \V( nie.  so  habe  ich  mir  notwendig  die  oben- 
erwähnte Bestimmung  über  die  verschiedeneu  Opem-Auffdhrungen  vorbehalten. 

Herr  General-Musikdirdrtor  Spontini  ist  vermöge  seines  Kontraktes 
niclit  verbunden, ■  in  Hinsicht  auf  die  Direktion  der  Opern  und  Mu-iken  ia 
ein  gleiches  Verhältnis  einzutreten,  als  die  liier  -^ehrirj  anwe«enden  Kaprll- 
meister  und  Musikdirektoren,  sondern  es  sind  demselben  nur  seine  eigene/» 
Oper«  zur  speziellen  Leitung  überlassen.  Sollte  es  ihm  aber  ungenehm  sein, 
die  Proben  und  das  Einstudieren  fremder  musikalischer  Werke  su  übernehmen, 
so  werde  ich  ihm  dieselben  mit  Yei^Ggettr  übertragen,  und  erwarte  deshalb 
jedesmal  seine  nähere  Erklärmiu". 

Da  sich  dei*selbe  in  llinsiiUt  aut  dir  T^eitnng  seiner  eiprenen  Opern  koTitrnkt- 
mitßig  vorbehalten  hat,  den  !Musik.stab  nicht  selbst  zu  Iühren,  so  habe  ich 
EU  diesem  Zweck  die  beiden  Konsertmeister  Herrn  MöserM  und  Seid- 

1)  Karl  Moser  freb.  24.  Jan.  1774  zu  Beriiu  ,  ein  aiisgezeichueler  (ieiger,  wurde 
am  18.  Juni  1791  als  Kammermusiker  angestellt,  spielte  öilen  mit  König  Friedrich 
Wilhelm  n.,  der  bekanntlieh  ein  tüchtiger  Violoncellist  gewef«n  ist,  Quartett,  sah  steh 
aber  wegen,  aeine^  nicht  einwandfreien  Lehen^wandeh  1  al  l  L'i  noiigt,  ins  Ausland  zu 
p»»lien:  naeli  Frieclrit  Ii  AVilli-  Im-  TT  T(»de  wurde  ilini  'Iii'  Itüekkelir  nach  Bprlin  jjrestattet, 
wo  ihn  der  sehr  inu^ikahselie  l'rniz  J^ouis  Ferdinand  in  seine  L'nij.'el»uii};  zog;  nach  der 
Katastrophe  von  1806  aber  ging  er  wie  viele  andere  Kammermusiker  ms  Ausland,  bis  er 
1811  wieder  in  die  KSni^iche  Kapelle  als  Konisertmeister  trat.  Dardi  seine  Quartette 
Abende  und  Sinfonic-Kon/erte  machte  er  sich  um  die  niusikalisehe  Bildung  der  Ber- 
liner «elir  verdiii^f  Am  8.  Juni  1^22  wurde  fr  vom  (Jraren  Brühl  /ntn  T-^iter  der 
auf  Spontinis  Vorscidafr  eirigenclitoten  Liiten-ichtsschule  für  junge  Violinisten  der 
Königlichen  Kapelle  ernannt.  Am  5.  Juli  182Ö  enviehte  er  seine  Ernennung  zum 
Musikdirektor,  mußte  aber  erforderlichenCslli  auch  weiter  als  Konzertmeister  fungieren. 
Sein  Khr^^eiz.  Kapellmeister  zu  werden,,  sdieiterte  an  Spontini  s  Widerstand,  der  ihn 
iVrili.  Ii  al-  !l>  r  sehr  schätzte  AI«  er  «ein  öOjähriges  Dienst-Jubiläum  gefeiert 
hatte,  wurde  üiiu  <ler  Titel  >Kai>eliineis((  r»  beigelegt,  doch  trat  er  bald  daran! -l. äeptbr. 
1842,  in  den  liubestand.   i  27.  Jan.  1851. 

17» 


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258  Wübelm  Altmami,  Spoutioi  au  der  Berliner  Oper, 

1er 'j  bereits  befehligt,  dienes Geschäft  jedesmal  zu  ttberuebmen,  wenn  eine  Oper 
des  Herrn  Spontini  aufgeführt  wird,  so  daß  einer  der  KonxertmeiBter  jedes-» 
mal  mit  dt^r  Violine  vorspiele,  dor  andero  alx-r  iiarli  der  Bestinunang,  welche 
Uvn-  S|i(ititlni  in  Hinsicht  auf  die  verschiedenen  Tempos  geben  wird,  tak- 
tieren soll. 

Da  ich  jedesmal  bei  deu  grüßen  Proben  aller  uurzulühreudt^u  Opt^ro  »tlhst 
gegenwärtig  bin  und  die  theatralischen  Anordnungen  in  eigener  Person  über^ 
nehme,  so  fordere  ich  Herrn  Spontini  hierdurch  auf,  mir  jedesmal,  wenn 

"Werke  vnn  «eiiier  Konipo«itif>!i  ifuil'.  Hiln  t  wi  rilm.  oArv  -iplr!i<*,  welche  er  zu 
leiten  übernommen,  seine  \\  ünsche  hIh  i  f^t  eni^che  Anordnujit^en  und  Stellunsf 
der  Chöre  mitsuteilen,  indem  es  mir  zum  bei^onderen  Verfrnüj^en  ;^ereidit,  die 
Ansichten  ausgezeichneter  Kttnstler  über  alle  diese  Gegenstände  xu  hören 
und  nach  Gutbffinden  auszuführen. 

Herrn  Kt'L'i-'^i'iiv  llcf^eliort *'''  icf  vr,r'/iiL'Hi"!i  dit«  Ij  itun^  der  Oper  und  !d)»>r 
theatralisch-scenischer  Anordiumgen  ül»er;s'el>en ;  wenn  ich  daher  nicht  seihst 
iu  den  Proben  /^e^enwiirtij^  sein  kann,  no  ist  Uer8elbe  von  mir  beaul'tragt, 
alles  Nötiire  anxnordnen  und  sieh  mit  dem  das  Orchester  dirigierenden  Kapell- 
meistt  i   (iili  r  Musikdirektor  in  \'erl)indnn_Lr  zu  setzen. 

Montag,  J^iensfaij  ntid  "Mittwdi-h  Vormittair  v«'n  12  I  i-  !»  I'lu  der 
fTrenerul-Tntendant  ^rewiiliniicli  im  Upernhause  in  dem  1  >irekt ton.Hzimmer  zu 
finden,  wo  der  Entwurf  zum  wöchentlichen  Kepertuire  gemacht  und  die  nötij^en 
Proben  fUr  die  gausse  Woche  nach  den  übrigen  Verhültnissen  des  Theaters 
fesfL'i'-rlzt  werden. 

Du  zur  Kröpftruns,'  der  Kosten  die  Oper  nicht  für  ^irli  :nlt  in  I..  ii  lit.  und 
mehrere  Schaiispielor  zugleich  Siinfier  sind,  so  können  nur  uenieiiibchaftlichf 
Beratungen  zum  Zweck  führen,  zumal  so  lange  nur  ein  Theater  iUi'  große 
und  kleine  Oper,  f&r  Trauenspiel,  Lustspiel  und  Ballet  benntst  werden  kann. 
Bei  allen  diesen  Beratungen  ist  die  Könii,diche  Musikdirektion  und  die  Reg^e 
als  vorschlagend,  der  üeueral-lntendant  aber  als  entscheidende  Behörde  an> 
zusehen. 

Die  obere  Leitung  des  neuen  Sing-lnstitutes,  welches  ich  gestiftet,  und 
SU  dessen  Vorsteherin  und  Lehrerin  ich  die  ehemalige  Kammersängerin 
Dentoigelle  Schmala*)  Sr.  M^estllt  voiyeschlagen,  habe  ich  mir  gleichfalls  selbst 

1:  Karl  Autfust  Si-idlor  ^'ol>.  1778  wurde.  H!ii-lid<'T)i  er  ln  rrits  von  1703-1806 
der  Königlichen  Kapelle  an^chrirt  hutte,  wohl  vor  all<  ni.  weil  seine  Frau,  die  aii>jre-. 
zeichnete  Sängerin  Caroline  Scidler- Wrauitzk>"  en^jgierl  werden  sollte,  als  N«ch 
folger  Emst  Scbick'n  (f  10.  Dez.  1815  am  1.  Juni  1816  Konzertmeister,  dirigierte  aui'h 
kleine  Opern.  er  auf  seinen  Wuns<  Ii  27.  Mai  18:V>  tlav».n  dispensiert  wurde.  Er 
war  ein  sehr  tiieh1i'/er  OeiL:<'r,  war  sclion  aj^  •> j;iliri;r>'r  Ktialie  ölVctitlicli  aufui-tn-tcn 
und  hatte  nach  M('>serf  lCiitfernnn'_f  in  ileni  (^»lartelle  König  t'riedrieii  Wiiiielm»  II. 
die  zweite  N'ioliui-  gespielt,    f  27.  Februar  1840, 

2)  Jonas  Friedrich  Beschort.  geb.  1767,  seit  179B  am  Königlichen  National* 
theaier  in  Berlin,  ein  nus^^ezrirlmetei-  Don  Juan,  »ang  seit  1818  nicht  mehr.  Buiuleru 
wirk<<>  nur  imeli  als  Schauspieler  und  Ue'^iR-^i-ur  Ms  lS;i.S;  ;  ö,  .lan  184«5. 

3i  Au<fuste  Schmalz,  ^'ebun-n  1771.  san^'  vorn.'lnulirh  von  ISIO-  1.S17  an  <ler 
Berliner  Oper  und  wirkte  dann  bis  IH^iU  als  Ucsungslchreriu  neben  Prof.  lienelli. 
Viel  Vorteil  hat  die  Oper  von  diesem  Gesangs-Institut  nicht  gehabt;  es  wurde 
]8;U)  neu  organisiert,  in  drei  Klassea  gegliedert  und  dem  Kapellmeister  G.  A. 
Schneider  unterstellt.   Er  sollte  mit  den  Schülern  und  Schülerinnen  mogUchot  alle 


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Wilheha  Altmann,  Spontim  an  der  Berliner  Oper. 


259 


Yorbehnltt'ii,  und  Labe  ln-rcits  begonnen,  von  Zeit  zu  Zeit  mit  den  jungeu 
Schülerinnen  in  Gegenwart  des  Personals  der  Musikdirektion  Präfungen  an- 
snstelleii. 

Herr  General*Mu8ikdirektor  Spontini  als  entea  Mi%lied  dieser  Musik» 
dircktion  wird  voti  mir  jedcsniul  j.deicbtalls  dazu  einifeladen  werden,  mii  ««t^in 
Gutachten  über  tleu  l''ort<:an<j:  desselben  abgeben  uu  küuuoni  so  wie  es  tieui 
General-Intendanten  überhaupt  in  allen  Fällen  nun  besouderen  Vergnügen 
gereichen  wird,  die  ansgezeichneten  Kanstansichten  und  Aatsdiläge  eines 
Künstlers  wie  des  Herrn  Spontini  su  hören  nnd  jedesmal,  wo  es  anwendbar, 
ssn  benutzen«. 

Jeder  billig  Denkende  wird  zugeben  müssen,  daß  diese  vom  Grafen 
Brühl  erlassene  Dienst-Instroktion  durchaus  geeignet  war,  die  Grenzen  der 
Wirksamkeit  Spontini^s  anderen,  namentlich  Brühl  selbst  gegenüber  fest- 
zustellen. Auf  dem  Boden  dieser  Instruktion  war  ein  gedeihliches 
Zusammenarbeiten  für  alle  Teile  möglich. 

Als  Spontini  sein  Amt  dann  antrat,  machte  er  gleich  (().  Juni!  Vor- 
schläge, die  Orchester-MitgliediT  anders  zu  placieroti  und  den  Orchester- 
Raum  zu  ver:n<")!k'm,  wobei  ihm  Graf  TMihl  möglichst  nachgab.  Allein 
bald  kamen  Mißverständnisse,  die  schlieBlieh  zu  ofleneii  Streitigkeiten 
ausarteten.  Als  am  25.  Oktober  das  Wocheu-Kepertoir  (es  ward,  ii  da- 
mals in  der  Regel  nur  zwei  Opern  wüchentlii  Ii  ''  geben)  festgestellt 
werden  sollte,  nannte  Spontini  den  Bridilschen  Vuisclilag  »parfaifi nwiit 
räliade^  und  lieÜ  sich  dann  noch  hinreilJen,  die  ganze  \'e'rwaltinig  Brühl  s 
aufs  heftigste  air/ngrcifrii.  Dtuiiit  iioeli  niclit  genug,  sclin'fb  er,  nachdem 
Graf  Brühl  ilim  gegeniilH  r  den  \ Oi^'csetzten  herausgekehrt  hatte,  am 
1'2.  November  an  ihn  eiueii  Ikk  IisI  uuL^czogenen  liiit-i  '  . 

Der  Graf  berichtete  daiLiber  uakr  25.  November  an  den  Fliigt  l- 
Adjutauten  Generalmajor  von  Witzleben,  Spontiuis  spezitlkn  Gönner. 
Auh  diesem  Schreiben  seien  hier  folgende  wichtige  Stellen  augeführt: 

»Im  übrigen  tnugt  Spontinrs  Charakter  durchaus  nicht  dazu,  ihm  einen 
admini str ütiven  (Jeschiit'tskrei'»  nlletn  y.n  übertragen!  Dazu  gehört  erstens 
eine  vieljölirige  Kenutuiä  der  Individuen,  zweiieuä  groiie  Kahe,  welche  er 
gar  nicht  hat,  und  drittens  Kenntnis  der  Sprache,  weldie  ihm  dorehans 
abgeht.  Ohne  ihm  auch  nur  einen  Fehler  mehr  anzudichten,  als  er  deren 
hat,  sind  diejenigen,  welclie  ullen  Menschen,  welche  ihn  im  Gesebäft  be- 
obachten können,  bemerkend  aufgefallen,  scbon  hinlänglich,  nm  peine  L'ntaug- 
lichkeit  dazu  zu  beweisen.    £r  ist  höchst  leideuachattlich,  verliert  in  der 


zwei  Monate  eine  größere  und  aUe  Monate  eine  kleinere  Oper  einstudieren.  Seit  dem 

1.  November  1902  besteht  wieucr  <  int  'Uiuliche  Einrichtung  an  der  Beriiner  Huf-Oper. 

1'  Darin  sagt  er  n  a  :  « .V'-  in'cnrisaycx  pas  moi  •  vu'nic  comme  im  sHl>'>r<l'innc 
(fi'  plti^  de  Fotre  jiuissanee,  car  jr  ne  suis  uiiUrnicnt  pas  vi  pnr  mn  j>i  rsnnni  ni  par 
nion  caracürc  ni  par  ntoii  contrat  ni  par  mon  Uüenl,  qttoi«£tu-  par  mu  place  je  mc 
irouve  wmgin»  dmw  U  departanentf  wu»  est  eoitfiit  «naw  htm  dam  toui  auire 
numüre  que  soiw  ne  paraistez  craire  o»  que  rtm  vom  dmbmiex^* 


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260 


Wilhelm  Altmano,  Spoutmi  au  der  Beiliuer  Oper. 


Leidentschaft  aUea  Hafl  und  Ziel,  erianbt  ^di  «Udantt  AusdrOcke,  welche 
kein  Mann  Ton  Ehre  dulden  kann,  und  glaubt  alles  mit  seiner  natürlichen 

Heftigkeit  entschuldigen  zu  könneu.  Er  ist  Löclist  mißtrauisch  und  zugleich 
liötlist  IciclittrlHnhinr  und  läßt  sich  von  jedpm  Meuscheu  beschwatzen,  der 
seiner  Eitelkeit  Hchmeichelt;  daher  umschwärmeu  ihu  auch  eine  Menge  hüchst 
unzuverlässiger  Menschen,  deren  SpielbaU  er  wird.  Sein  Stolz  und  seine 
£itelkeit  haben  den  hdchaten  Grad  des  LSdterÜchen  erreicht^  und  diese 
Leidenschaft  zumal  unter  dem  ungenonimenen  Scheine  der  Bescheidenheit 
leitet  od*^r  viflmchr  voHfitft  alle  seine  Schritte  und  Handlungen.  Seine 
Schwäche  und  Churakterlosigkeit  thun  das  ihrige  dazu,  am  ihu  wie  einen 
Ball  auf-  und  abzutreiben  und  machen,  daß  er  »ieh  und  andere  alle  Augen- 
blicke kompromittiert . . . 

»Ich  hatte  früher  den  König  noch  um  einen  Kapellmeister  dringend 
crehpffTi'^  wtil  mir  ein  tüchtii'ei"  Orclif^terftthrer  lehlte,  indem  AVeher- 
kränklich,  Homberg  'j  nicht  geübt  und  iSchueider^j  noch  nicht  angestellt  war. 
Ich  wünschte  einen  deutscheu,  der  Sprache  mächtigen,  in  der  Anftthrung 
sehr  geftbteu  Mann  au  haben,  wie  Maria  Weber,  Weigl,  Lind- 
paitner  ete.,  einen  3Iaun,  der  in  das  gewöhnliche,  thätige,  aber  subordinierte 
Vorhnitni''  eines  gewöhiilidien  Kape]]iru'i>h  r<  eint i ctcn  uini  m)  nützlich  werden 
Jiätte  können.  Der  König  hat  es  vorgezogen,  einen  berühmten  Komponisten 
zu  eugug leren,  und  ich  mußte  mich  pÜichtBchuldigst  dieser  Anordnung  fügen. 
£r  hat  ihm  Titel  und  Vorrechte  augestanden,  welche  dem  Gkschaftsleben 
hinderlich  sind  .  .  .  AVas  sein  Kontrakt  besagt,  muB  ihm  freilidii  werden;  was 
nhiT  !>irht  wörtlli  li  tbtrin  trenjinJit  i«t.  muß  mir  zu  b(>t!min«Mi  überlassen 
bleilieu,  und  hierin  muß  er  mir  subordiniert  s»ein  — -  wenn  er  mir  gleich 
neuerlich  den  Gehorsam  schriftlich  aufgekündigt  hat.* 

Am  "iC).  Nnvombi'i-  ls2<)  wandto  sich  Graf  Hriilil  <]:iun  lux  li  Hesehwerde 
füliri  iul  iliickt  an  <.U'n  Kiinig,  arbeitotc  auch  ein  liingcrt  s  ( i utacliton  übor 
die  Verplliciitunsfon  und  Dionst-VorhiiltnisKo  pjnfs  orslen  l\;(jH'lliii<';-t<T> 
am.  Anfang  Dl/oihIk  i'  aber  wutileu  alle  Milihelligkeiten  wenigstens  vur- 
liliilig  (Imcli  Vorinitt«  hing  des  Herzogs  Karl  von  Meeklenburg  beigeleiiTt. 

Eä  war  dies  auch  uiu  so  notwendiger,  als  für  den  AiifaiiLr  'b  s  .lalii*es 
1821  der  Besuch  des  russischen  Tbrouiul;;i  r.>  Nikulaii.>  mit  Ui  ni.ilniu  l»evor- 
stand  und  deshalb  ein  Festspiel  >Ijulla  Rookli«  (nach  Thomas  Moore^ 
vorbereitet  wurde,  zu  dem  Spontini  die  erforderliche  Musik  liefern  sollte. 
Kaum  war  aber  die  erste  Aufführung  dieses  Festspiels  am  27.  Januar  1821 
vorüber,  als  die  auf  den  5.  März  angesetzte  Inscenesetzung  der  »Olympia« 
alle  Kräfte  der  Königlichen  Oper  in  Anspruch  nahm. 

Zu  dem  festgestellten  Termine  konnte  die  erste  Auffuhrung  der 
»Oljrmttta«  aber  doch  nicht  stattfinden,  da  Spontini  mit  der  UmarbeitUDg 
des  dritten  Aktes  gar  nicht  fertigt)  werden  konnte.  Trotzdem  suchte  er 

1)  Vergleielie  hierzu  iilien  S.  24»»  t.        2'  Verpfleu  iie  oben  S.  24<i  A.  2. 

3)  Vergleiche  oben  S.  2ö5  A.  1.  4j  Vergleiche  unten  8.  284  A.  1. 

5)  Bs  beweist  dies  unter  anderem  aoch  folgender  Brief  E.  T.  A.  Hoffmann\ 
welcher  di«>  deiitsehc  Bearbeitung  de»  Textes  von  Dieulafoi  und  Brifenx  lieferte, 
vom  19.  Januar  1821  an  den  Grafen  Brühl: 


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Wilhelm  Altmann,  Spontini  an  der  Berliner  Oper. 


261 


die  Schuld  an  der  Yeizögenin;  auf  Graf  Brfihl  zu  wälzen;  dieser  suchte 
sich  in  einer  Eingabe  an  deii  König  zu  verteidigen,  erhielt  aber  von 
ihm  am  28.  Februar  folgenden  Bescheid:  »Da  Ich  Omen  die  Schuld 
der  veizögerten  Aufführung  der  Oper  Olympia  nicht  beigemessen  und 
Ihre  Bechtfertigung  nicht  erfordert  habe,  so  ist  mir  Ihre  Eingabe  vom 
25.  d.  M.  sehr  befremdend  gewesen,  und  Ich  finde  mich  nicht  veranlaßt, 
darauf  einen  besonderen  BescbluU  zu  fassen.« 

Die  Olympia-Angelegenheit,  über  welche  auch  zwischen  Brühl  und 
8pontini  t  ine  endlose  Korrespondenz  geführt  wurde,  veranlrintp  auch 
Brühl  wieder  zu  einem  Her/.enserguß  gegei)  "  !  ti  königlichen  Flügel- 
Adjutanten  von  Witzleben  am  27.  Februar  lö^i;  darin  sagt  er  unter 
anderem: 

»Icli  hin  nicht  gewohnt  meinen  König  zn  hintergehen  und  würde  es  nur 

für  eine  Sünde  achten,  ihn  um  sein  Vergnügen  zu  hetrügeu. 
Da  ich  nun  weiß,  dali  er  die  Spontini  nche  Musik  sehr  lieht  und  01ym]>ia 
mit  Ungeduld  erwartet,  so  wäre  e»  schlecht  gewe^eu,  nicht  aus  uUcn 
Krilften  cum  Oelingen  beisutragen  . . . 

»Sie  wünschen,  geehrter  Herr  GrenerftI,  ein  ruhiges  friedliches  Ver- 
hältnis zwii^cbeu  mir  und  Spontini,  und  wer  wünscht  es  mehr  als  ich?  denn 
Krieg  auf  Erden  ist  nicht  moino  TiO^iinsr.  auch  hin  ich  diesmal  nicht  der 
angreifende  Teil.  Wo  soll  aber  nur  einiges  Vertrauen  herkommen, 
wenn  ich  erfahre,  daß  hinter  meinem  Bücken  in  Paris  TTnterhandlungen 
mit  dem  BolletmetBter  Aumer  angeknüpft  werden,  daß  ihm  Spontini  An- 
träge macht« 

Endlich  am  14.  Mai  ging  dann,  nachdem  42  zum  Teil  schier  endlose 
Proben  stattgefunden  hatten,  »Olympia«  in  musterhafter  Weise  in  Scene 
und  zwar  mit  ungeheurem  Erfolg,  während  das  Werk  bei  seiner  Pariser 
ersten  Aufführung,  die  doch  schon  entgegen  der  ursprünglichen  Ab- 
machung am  lo.  Dezember  1819  erfolgt  war,  nicht  recht  gefallen  hatte; 
allerdings  hatte  die  Oper  damals  noch  eine  andere  Ph^ognomie,  nament- 
lich einen  anderen  Schluß. 

Aber  was  war  der  Erfolg  der  Olympia  gegen  den  des  »Fi  rischiitz«, 
der  bald  darauf  am  18.  Juni  1821  zum  ersten  Male  im  Berliner  Opem- 
hauso  gegeben  wurde!  Für  die  Weber'sche  ^fusik  zeigte  Spontini  frei- 
lich kein  Verständnis.  »Der  Gedanke  war  ihm  unerträglich,  neben  seiner 

»Endlich  nachdem  mir  Spontini  die  Partitur  de«  dritten  Akts  brockenweiBe  ond 
das  letste  Stuck  davon  erst  in  dieser  Woche  zukommen  lassen,  bin  ich  im  Stande  Ew. 

Hochgeboren  die  vollständige  Ubersetzung  der  Oper  Olimpia  in  ib  r  Aiiluf^'f  ganz  ei- 
gcbcnst  zu  überreichen.  Es  war  in  der  Tliat  <=ir!e  in!ih'»elijre.  etwas  trostlose  Arbeit; 
indessen  rechne  ich  ea  mir  zum  Verdienst  an;  daß  keine  einzige  Note  in  der  Partitur 
Teründert,  die  muiikalischen  Acceote  und  Rhythmen  auf  das  strengate  beohachtet,  ja 
sogar  meisientdls  die  AasonamEen  des  Originak  beibehalteii  oder  durch  noch  voll- 
tönendere ersetzt  worden  sind.  £w.  Hochgeboren  Güte  und  Diskretion  fiberlasse  ich 
ganz  die  Bestimmnng  des  mir  etwa  aozaweisenden  Honorars. . . .« 


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202 


AVillielni  Altniana,  Spoutiui  au  der  BerUuer  Oper. 


Kunet  eine  andere,  gleich  große  dulden  zu  müssen.  Und  da  er  Weber^s 
Musik  mit  eigenen  Kunsttaten  nicht  bekämpfen  konnte,  versuchte  er  es 
mit  außerkUnsÜerischen  Mitteln.«  Natürlich  kam  er  dadurch,  wie  irir 
jiehen  werden,  in  neue  Konflikte  mit  dem  Grafen  Brühl,  der  ein  leiden- 

scliaftlicljer  Yerehror  AVober's  war. 

Kontraktmäßig  sollt»' Spontini  alle  drei  Jalu  t  /,\v(  i  LToße  Opern  liefern; 
da  ihm  die  Neubearbeitung  der  »Olympia«  als  ein  eigenes  Werk  ange- 
rechnet worden,  war  es  für  ihn  höchste  Zeit,  sich  an  die  zweite  Oper  zu 
machen.  T'ber  seine  Pläne  hierülier  unterrichtet  uns  sein  Brief  an  den 
Grafen  Brühl  vom  28.  Juni  1821;  es  heiüt  darin  unter  anderem: 

....  <Jr  m^nuprrste  de  Vuus  infamUTj  Monnieitr  h  Cmtttr^  f{uc  Mr.  Jtoff- 
Vidim  a  hicii  roidti  rftu.sciifir  ä  itrarrmufcr  Ir  poriiif  dr  Milton^]  rotinnr  jr 
fif.s-iir  rt  a  }>  jii'  ftrr  tont  rn  rrrs^  r/iais  il  dcxirr  d' ij  i'tn  inritr  par  nur  Irttrr, 
dr  ]'omf<e  <pii  tue  paroii  fort  ronvctuiblc  d  Juatt  j  Ji  Vouspro  pni  couist  quciUy 
Motmpur  h  Comte,  de  vouhir  hicn  la  tut  adrr^ser  h  phts  promptemmt  po»- 
aibl^y  apii  (fur  nous  puisaions  a  rinstant  nOUS  wctin  nu  IroraH. 

<Jr  n^tiddir  pas  .  .  .,  (jue  Vtfus  jH^fitr-,  jno/nis  dfs  obsrrnifiom  ff  drs  notfs 
stir  h  poii/ir  Snpho,jf  (es  irrl/intf  mrr  inMatiie  ir  niomcnt  dr  Votrc 
loüir,  a/in  de  produin^  saus  plan  JtesUi/  f  des  motifs  qui  tm  fonc/U  de  imomcr 
tt  ret  opera, 

*En  meme  teni»  il  ext  inipnrtnut  pour  moi  ^aprex  Irs  fertne.^  dr  mon 
cmilrat^  qtie  Vous  vir  disüx  offififUniit  itt  pur  crit  .  .  ..  si  Vous  rouh  :  rt  si 
l'ous  fiit'x  pour  nioffrir  le  jHtünr  du  srmuff  yiaud  Optra  tpir  je  dois  rofitposrr 
i  t  fuirc  nprest  nlrr  tri  datis  k  trrinc  pns<  iit^  nu  si  jr  dois  moi  meine  me  Ic 
proeureTf  attettdu  ipi<  U»  ouvrages  (pv  jr  prrpnrr  pour  cet  hiver  »ont  rotnpris 
dans  une  autrt  eathegorie  prrjseriie  dan»     nieme  eonirat  royal ...» 

Aus  des  Grafen  Brühl  Antwort  vom  21.  Juli  1821  mögen  hier  folgende 
Stellen  Platz  finden: 

<Lc  sujet  de  Sapplto  est  m  ytiteral  fort  diffinlr  d  iroitrr  stur  la  sernCf 
aourtout  pour  un  ffraftd  ojirra,  mai»  si  Vom  croip  \,  Momieur,  ij  Irouver  de 
l'rtofp'  pour  l'otrr  uinsitiur^  je  Vous  projmsc  dr  pnttdre  A»  principaux  moHf» 
dr  la  frnqi'dir  dr  Mr  (J r ill pn  r  '  >  r  d  Vinuir  rf  d\  /i  fairr  arraiigrr  iin  oprra  ou 
par  Mr  Korrff  ou  par  qurlqu  untre  pnt  tr  d<mt  nous  pourrionj<  rurorr  i-e/un  tur. 

tJc  Votus  asmrc  au  resie^  que  je  uroceujM'  dcjä  depuis  longtcms  aicc  le 
pim  grand  x$le  ä  Vom  froitver  im  bon  »ujei  d'opera,  si  Voua  m  vowkx  pas 
eu  ehoisir  un  partni  cem,  qWon  Vou»  a  proposr  ä  Pom,  et  fesperCy  petidaaf 
nur  Vous  fraraillei  avrcMrHoffniauu  u  votrr  Miltou,  pouroir  rrmpllr  mon 
rnr/o(/riiirtit  rnnrs  Vous.  l^ous  ue  desirrx  pas  /'ouiposer  Voprra^  que  Mtid. 
Milder^]  nroit  demaudv  ä  Mr.  de  Fouque  ni  rotrr  nout?  ...» 

Um  den  ewigen  Kompetenz-Streit inkeiten  zwischen  Graf  Brühl  und 
Spontini  vorzubeugen  und  den  Kontrakt  von  1819  zu  ergänzen,  liatte 

1)  l^[Kmthit  hatte  bereit*  1804  eine  einaktige  Oper  »Milton«  komponiert,  die  am 
27.  Novemher  1804  in  Paris  mid  1808  in  Berlin  —  hier  ohne  Erfolg  —  gegeben  wofw 

den  war. 

2]  Die  bekanutc  Süngerin  Anna  Milder-Hauptmaun. 


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Wilhelm  Altmann,  Spontini  an  der  Berliner  Oper. 


263 


König  Priedrich  Wiliiclin  eine  Instruktion  ausaiht  itt  n  lassen,  die  er  am 
2ß.  September  1821  iuihiizieren  ließ.  Ich  teile  dieselbe  in  ihrem  vullen 
Woitluut  mit,  da  sie  nur  zum  ^j'oringsten  Teile  bisher  in  dem  Büchlein 
von  C.  Robert,  Gasparo  Luigi  Pacifico  Spontini  (Berlin  1883)  ge- 
druckt ist: 

Instrulctioa  betreffend  die  amtlichen  VerhRltniBSe  des  General- 

Mueik-Direktor»  Spontini. 

§  1.  Die  Dienst-Oldiegenheitcn  ond  BefiiL^iii--!  (l.'s  T;,  in  ral-Mnsik-Direk- 
tors  Spontini  bri  rlt  n  TlM  ;i*.  t  n  lialirn  7.n^u  ( i.  u<  ii-lande:  die  spf»?,iont'  Anf- 
wiclit  und  jjeitung  fler  (j[M  i  mi<l  dt  r  «oustigen  musikalischeu  Auftüiiruugen 
und  Leistuiigeu,  das  Openi-l'trsuiial,  den  Theater-Chur,  die  Kapelle,  die 
Theater-Gesangschiile ')  und  das  Ballet,  insoweit  es  bei  den  Opern  zur  Anwen- 
dung kommt.  Kr  ist  l)ol'u«^t  und  verjiflichtet  in  Beziehung  auf  nelhige  teils 
unmittell)ar  teils  in  VerbinchiTiir  mit  di-i-  (jeneral-lntendsuif ur  und  mit  dfr 
nnzuordix  iidrn  lif*«onderen  Musik-J  )ireklion  2;  alles  dasjenige  einzuleiten  und 
festzusetzeu,  wodurch  die  möglichste  Vollkummeuheit  der  ütfentlicheu  Dar- 
stellungen und  Leistungen  befördert  werden  »kann. 

§  2.    Zur    unmittelbaren   und   auBBcbließlichen  Besorgung 

des  seihen    !.'t  ]ir.r»  n 

l'i  in  Bezieliung  aut  die  Von- teil  untren  von  Uperu  und  andern  Gcsangstücken 
aj  die  Verteilung  der  (iesangpaili*:aj 
b}  die  Anordnung  und  Leitung  der  Proben, 

c)  die  Bestimmung  wegen   etwaniger  Auslassung  effektloser  und  £in> 

legung  fremder  Gesjui^si  ii<  l^c, 
d,  die  ^icenif<chen  AnorfliinnL,'eii,  insofern  der  Effekt  der  Musik  davon  nb- 
hiingig  ist,  welche  der  Regisseur  nach  den  Anweisungen  des  pp,  Spon- 
tini und  des  leitenden  Musik-Direkton  aussufttbren  Tetpfllchtet  ist  und. 
denen  das  untergeordnete  Personal,  als  ^laschinisten,  Garderobiers, 
Dekorateurs  etc.  die  genaueste  Folge  zu  l.i^tfii  hrit, 

e)  die  Bestimmung'  über  die  Direktion  bei  den  Aufführungeu  und  X'rohcu, 
insofern  er  sie  nicht  selbst  id)eniimmt, 

f)  die  Sorge  fttr  das  Doublieren  dw  Beseteung  der  Hauptpartien  xur 
^'i  imeidung  der  Abangung  angekündigter  Stücke. 

2)  in  lit  /.iehung  auf  den  Theaterchnr 

a)  die  Aufsicht  auf  di  iisrlbeu  und  -»eine  Ati^bilduiij.;  im  allgemeinen, 
h}  die  Prüfung  (ies  Tal<;uu  und  die  Auswald  der  uuzustellenden  Subjekte, 
c)  die  Beurteilung  der  (Qualifikation  denjenigen  LidiTiduen,  welche  auB 
dem  Chore  zur  Klasse  der  Tbeateraänger  und  Sängerinnen  befördert 
zu  werden  wünschen. 
Hj  in  Rcziohnntr  «uf  das  Orchester 

a;  die  zweckmiiÜige  Benutzung  seiner  Älitglieder  nach  ihren  individuellen 
Eigenschaften  und  den  Erfordernissen  der  zu  gebenden  einzelnen  Vor- 
stellungen, 

b'i  die  Prüfung  und  Auswahl  der  anzustellenden  neuen  Mitglieder. 
4)  iu  Beziehung  aui  die  Theater-Ueaaugschule 

1)  Yetgleiche  oben  S.  868  A,  3. 

2)  Vergleidie  oben  S.  268  und  §  4/6,  sowie  auch  %  9  dieser  Instruktion  von  1821. 


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264 


Wilhelm  Altmauu,  Sponiini  au  der  Berliuer  Oper. 


a)  die  Aufsicht  auf  die  TJntemclite -Methode  and  die  Bozge  f&r  deren 

Zweckmäßigkeit , 

b)  die  Bestimmung  der  in  solche  uufziinehmenden  Jungen,  mehrerer  Aue- 
hildung  bedürftigen  und  fähigen  Thentt  r-Sänirerinnen, 

c)  die  Prüfung  der  Fähigkeiten  derjeuijjeu  jungen  Personen,  welche  mit 
der  Absicht,  sich  dem  Dienste  des  Theaters  künftig  zu  widmen,  die 
Aufnahme  in  die  Gesangschule  nachsuchen  oder  dazu  vorgeschlagen 

werden. 

§  Dif  Annahme  von  neuen  Subjekten,  die  Entfernung  von  nicht 
melu*  braucivbareu,  die  l  rlaubs-Krteiiungeu,  die  G ehalt«- Verbeeiiseruugeu,  die 
Zulassung  zu  Gastrollen  und  zu  Produktionen  mit  Instrument<al-Mttsik  vw- 
bleiben  im  allgemeinen  der  General-Intendantur.  Die  Konkurrenz 
des  General-Musik-Direktorö  ist  Jedoch  notwendig 
1)  in  Hinsicht  auf  das  Personal  der  Oper 

a]  bei  Prüfung  und  den  höheren  Orts  zu  machenden  Verurteilungen  auf 
Anstellung  neuer  Subjekte, 

b)  bei  den  TorsehlSgen  der  mit  Ablauf  ihrer  Kontraktzeit  beizubehalten- 
den oder  zu  entlassenden  Siinger  und  Sängerinnen, 

Ol  bei  den  etwanigeu  Atitriigen  auf  lebeuswieri^'es  Kngngement  und 
dj  bei  den  Urlaube-Erteilungen  bebouderü  in  Beziehung  auf  den  Anfang 
und  die  Dauer  der  TJrlaubszeit,  insofern  darüber  nidat  kontraktmäßige 
Bestimmungen  vorhanden  sind,  damit  die  Oper  zu  keiner  Zeit  von  dem 
notwendigen  Personal  xmgebührlich  entblößt  werde. 
2}  in   Hinsicht  auf  den  Chor  bei  den  Vgrschlägeu ,  um  das  Bediirfuis  an 
männliclien  und  weiblichen  Stimmen  zu   befriedigen  und  zur  etwunigen 
Vermehrung  oder  Verminderung  derselben  und  zur  Entlassung  und  Ersatz 
der  nicht  brauchbaren  Individuen. 

3)  in  Hinsicht  auf  das  Orche!*ter  bei  d<»n  Vorschl&gen 
ft/  zu  dessfMi  \'(  1  Uesserung  Uberhaupt, 

b;  zu  Kutfernung  der  nicht  brauchbaren  Mitglieder, 

c;  ZU  GehaUs-ErhÖhungen  für  sich  vorteilhaft  auszeichnende  und 

d)  bei  Prüfung  über  die  ZulSssigkeit  der  TJrlaubs-Gesuche. 

4)  In  Beziehung  auf  die  zu  (rastrollen  sich  unein geladen  einßndendcn  Siinger 
und  Sängerinne!)  o)in«>  Kuf  tritt  seine  Konkurrenz  dadurch  ein,  daß  er 

a)  ihre  Talente  und  Kunsttertigkeit  zu  prüfen, 

b)  die  ihnen  eventuell  anzuvertrauenden  Gebangspartien  zu  bestimmen  und 

c)  die  ihnen  zu  bewilligende  Remuneration  zu  begutachten  hat; 

5;  in  Beziehung  auf  die  sich  zu  (rastrollen  im  voraus  meldenden  oder  einzu- 
ladeuden  oder  auf  kurze  Zi 'it  /n  engagirenden  fremden  Sänger  und  Sän- 
gerinnen von  Kuf  dadurch,  daß  er 

a)  an  den  Unterhandlungen  der  General»Intendantur  teilnimmt,  auch 

b)  berechtigt  ist^  deshalb  selbst  Vorschläge  zu  machen  und  daß  er 

•   6)  in  Ansehung  der  fremden  Musiker,  welche  sich  auf  ihren  Instrumenten 

im  Theater  hören  lassen  wnlb'n, 

a)  die  Beurteilung  ilires  künstlerischen  Werts  und 

b)  die  Schätzung  des  ihnen  eventuell  zuzugestehenden  Honorars  zu  be- 
wirken hat. 

Die  (leueral-Intendantur  wird  daher  in  den  vorgedachteu  Fidlen 
ohne  Zu /ii  Illing  des  (i  enera  1-Mu  s  i  k- J)  i  rek  to  rs  keine  Vorschläge 
zur  Abschließuug  oder  Verlängerung  von  Engagements -Kontrakten  machen, 


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« 


Wilhelm  Altmum,  Sj^ntini  an  der  Berliiur  Oper.  265 

zu  keinen  Entlnp^iinrren,  T'rliiubs-Bewilligimgen ,  BeftirtltTungen  unil  Vor- 
besi^erungs-Antriigen,  Annahme  anf  kiirzfrp  Zeit,  (T;t>trnl!cn-Krteilnntrfn  unil 
Zuluüäuug  von  fremdeu  Musikern  sclireitcu,  ohue  darüber  die  Meinung  dea 
General-'Muflik-DirektorB  Temommen  und  sich  mit  demselben  darfiber  ge- 
eini^'t  /.n  liubeu.  Selbige  ist  verbunden,  allen  Yorächlägen ■  dea  General- 
Musik-Direktors  besonflerc  Aufmerksamkeit  zu  widmen  und  zu  ihrer  Aus- 
rührnnj;  die  Hände  zu  liittt-n,  insofern  nicht  ül»er\vie«.'»'nde  Gründe  und 
besonders  der  Kassen-Zustaud  ein  Anderes  uuiwcudig  macheu. 

Blofie  Znrlick]ei?ung  der  VorseUlige  ohne  n&here  Erwägung,  Kommuni» 
kation  nnd  Erledigung  auf  eine  oder  andere  Weiee  darf  in  keinem  Falle 
Ptattfiuden.  Ist  eine  Einigung  awischen  der  (teneral-Intendantur  und  dem 
(ieneral-Musik-Direktor  nicht  zustande  zu  1)rin2ren,  eo  ist  die  Sache  zur  Ent- 
scheid uug  des  Füräteu  Stuatskauzler  zu  lieiurderu. 

§4.  Dem  General^MuBik-Direktor  soll  eine  besondere  tfnaik-Direk- 
tion*)  beigeordnet  werden,  welche  aus  sämtlichen  jedesmaligen  aktiven  Kapell- 
meistern, Musik-Direktoren ,  Konzertmeistern  und  einem  von  Seiten  der 
(reneral-Inteudantur  zu  ernennenden  Itegisseur  unter  dem  Vnrsit/.o  und  der 
Leitung  des  CJeueral-Musik-Direkturs  zu  konstituieren  ist.  lusoferu  bei  den 
zur  Erörterung  dieser  Direktion  kommenden  Gegenständen  das  Ballet  in 
irgend  einer  Art  konkarriert,  ist  zu  den  desfalsigen  Beratungen  ein  Ballet- 
mei^iter  —  dem  in  diesem  Falle  Eine  Stimme  zukommt  —  zuzuziehen. 

5.    Es  soll  zu  den  Obliegenheiten  dieser  Musik-Direktion 
vorzüglich  gehören: 

mit  dem  General-Musik-Direktor  za  prUfen  und  sn  bestimmen,  weldie 
Singstficke  sich  zur  Aufnahme  auf  das  allgemeine  Bepertorium  eig- 
nen ;  ferner 

die  von  dem  (Jencral-ATusik-Direktor  ausjrehpnden  Vorerhläge  mit  dem- 
selben vor  der  Bctörderuug  au  die  (Jeneral-lntendantur  zu  beraten. 

§  6.  Findet  dabei  eine  Verschiedenheit  der  Meinungen  statt,  so  ent- 
scheidet die  Stimmen-Mehrheit.  Dem  General-Musik-Dirfktor  sollen  jedoch 
zwei  Stimmen  zustehen,  und  im  Falle  der  Stimmengleichheit  soll  derjenigen 
Meintiiiir,  für  welche  sich  derselbe  entscheidet,  Vorm^  irebühren.  Die  , 
Beschlüsse  der  Musik-Direktion  sind  demnächst  in  i'ro-Memorieu  im  Namen 
derselben  zu  fassen  und  durch  den  General-Musik-Direktor  an  die  General- 
Intendantnr  zur  gedachten  weiteren  Prüfung  und  Verfügung  zu  befördern. 

§  7.  Alles,  was  die  (Ökonomie  betrifft,  bleibt  dem  Ressort  der 
CTcnernl-l  II  t  t  inlantur  vorbehalten.  Inde^^eii  darf  dieselbe  die  AuschafTung 
von  Paitituren,  welche  von  dem  General -Musik- Direktor  und  der  Musik- 
Direktion  zur  Beurteilung  und  Auswahl  der  auf  das  Repertorium  zu 
bringenden  Stücke  verlangt  werden,  nicht  versagen  nnd  ebenso  wenig  auf 
den  Ankauf  anderer  als  solcher  neuer  Kompositionen  eingehen,  deren  Wert 
und  Xützlirhkoit  filr  <l;i-?  Theater  von  leiten  der  Musik- Direktion  geprüft 
und  unerkannt  worden.  • 

§  8.  In  Abaidkt  der  eignen  zur  Aufführung  kommenden  Kompo- 
sitionen des  General-Musik-DirektoTS  Spontini  soll  das  Urteil,  wie  deren 
Effekt  am  besten  zu  befördern,  demselben  gänzlich  tiberlassen  sein.  Den 
von  ihm  in  dieser  Beziehung  angegebenen  Erfordernissen  und  Anordnungen 
ist  drenüge  zu  leisten,  vorausgesetzt,  daß,  wie  zu  erwarten  ist,  die  verlangten 

1)  Vergleiche  auch  oben  S.  263  A.  8. 
% 

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266 


Wilbeim  Aitmann,  Spontmi  ah  der  Berliner  Oper. 


Verwendungen  ilio  Kräfte  des  Theateifouds  nicht  übersteigen  und  nidlt 
außer  Verhältnis  mit  den  Ton  der  Aufführung  der  betreffenden  Werlte  2U 
erwartenden  Vortt-ilen  sind. 

}?  \K  Da  l>ei  dem  Liej*if^en  TliPütcr  zwei  ieststj'hendo  Taj^o,  nriniHch 
Mtaitag^)  uml  i'reitug,  in  jeder  ^\ Uche  zur  AulTührung  von  (itsang^tiukeu 
hiermit  bestimmt  werden,  so  muij  die  ^Musik-)  Direktion  zu  deren  Aub- 
fttllung  wdchentiieh  einen  sweifachen  Vorschlag  bei  der  GeneraUIntendAntar 
vorle^fon,  und  lofztere  hat  zvk  bestimmen,  welche  von  den  vorge.-eldagenen 
8tiirkL'ii  XII r  AnfHilirung  kommen  und  auf  das  wöchentliche  fiepertorium  ge* 
braclit  werden  sollen. 

In  Absicht  der  auf  diese  W  eise  lür  die  AVoche  beatiuuuten  Stücke  darf 
nur  in  Fällen  absoluter  Unmöglichkeit  der  Aufführung  ein«  Abändemng  ge~ 
troffen  werden. 

Die  P.ciii  tciliiiiu'  d»T  Notwendigkeit  ein«  r  A1i\\ "  irlmiiL.'  in  'i  tzt»  i  <>m  Kalle 
und  die  iies-tiuimung  der  in  demselben  zu  8ull^lltui^^eliden  fstücko,  welche 
ebenfalls  Musikstücke  sein  müssen,  steht  dem  Geueral-Musik-Direktor  xn. 

Die  Bekanntmachung  der  Abänderungen  ist  dagegen  von  Seiten  der 
General-Intendantur  zn  bewirken. 

Ditnilt  «lif  IMusik-Dn  i  lc1  ion  in  den  Stand  gesetzt  werde,  bei  den  Vor- 
schlägen wegen  der  aufzuführenden  Stücke  das  Interesse  der  Kasse  zu  be- 
rücksichtigen und  die  weniger  besuchten  Stücke  entweder  Beltener  oder,  in- 
sofern es  möglich  ist,  mit  Verbesnerungen,  h(«onders  in  Absicht  der  Besetzung, 
welche  sie  dem  l'ublikum  angenehm «  r  niacben  können,  auf  die  Bühne  zu 
liririireüj  hat  die  -i  ikt.iI-I  iifendantur  die  Verfügung  zu  ti'tTcn.  (i.iC  ihiselben 
von  der  Kasse  monatli(;iu'  Nachweisuiigeu  vuu  dtiu  Krtrügeu  der  uulgelührteu 
(Jesangstücke  vorgelegt  werden. 

Die  etwa  snm  Besten  der  Theater-Kasse  zu  gebenden  Konserte  können 
noch  außer  den  2  Operntjigen  stattfinden.  Die  deshalb  zu  machenden  Vw>- 
schlütre  ijclii'iren  lÜr  die  !M  n -tk-Direkt  i' itt.  sn^vil  ilir  liuf  r>-tT<-iidi-n  ^pc/iellen 
Anordnungen  in  .Absicht  der  in  den  ivonzerten  aultretemieii  und  initAurken- 
den  Musiker,  Sänger  und  Sängerinnen  der  zu  exekutiirenden  Stücke  und 
der  Proben  von  dem  General-Musik-Direktor  abhängen. 

§  10.  J)er  C.  II.  l  al-Musik-Direktor  soll  endlich  das  Keoht  haben,  dem 
nnrb  (]t"tn  ^'^vI•^■t^•l^enden  ihni  iiiiinntergeordneteu  Personal  Zureclitweisungen 
zu  erteilen.  Hei  Vergehungen,  auf  welche  bestimmte  Straten  fjesetzt  sind, 
kann  derselbe  diese  gegen  die  Schuldigen  unter  MitvoUziehung  des  (Jeneral- 
Intendanten  verhängen.  Beide  gemeinschaftlich  können  nur,  wenn  besondere 
Umstände  solches  rechtfertigen,  die  Erlassung  derselben  bewilligen. 

T?ii  Vergebiin^f^n.  welche  eine  schwere  luißerordentlichf  Alin'hnvcr  ver- 
ilii'uen,  ist  die  ( ieueral-Iuteruhintur  verpdiclitet,  auf  die  Anzeige  und  den 
.Antrag  des  (Jeneral-Musik-Direktors  sich  mit  demselben  wegen  der  zu  neh- 
menden Maßregeln  ZU  einigen. 

In  allem  Übrigen  hat  es  bei  den  Bestimmungen,  welche  die  Kngagementa- 
Verhandluiitr  mit  d«^ni  <  ieneral-Mu>>ik  -  Direktor  und  eisten  KaiH  llineivter 
Spontini  enthält,  «ein  Bewenden.  Auch  bleibt  das  ganze  Theater- 
wesen der  oberen  Aufsicht  des  (ienerai- Intendanten  Grafen  von 
Brfihl  anvertraut. 


1  Am  24.  November  1821  wurde  fib*  die  Zukunft  der  tDienstag«  statt  des  Mon- 
tags als  Opemtag  festgesetzt. 


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Wilhelm  Aitm&on,  Spontmi  au  der  Berliner  Oper. 


267 


Dan  inholt  der  gegunwäitigeu  luäti'uktiou  liahen  hieb  bcäüudui*»  der 
GeneraKlDtendant,  der  General-Musik-Direktor  und  BKmtliche  dabei  interes- 
sierende Individaon  des  TheattTis  zur  genauesten  Achtung  gereichen  zu  lassen. 

Sollten  Uber  den  Sinn  und  die  Auslefriuiff  der  einzelnen  Bestini munjjen 
Zweifel  entstellen,  so  i;<t,  wie  nuch  sonst  in  Källfri.  welche  in  denselben 

nicht  bchouders  ürwühut  sind  und  zu  einer  \'er.s(hie<lenheit  der  Meinung 
zwischen  dem  General-Intendanten  und  dem  Gefieral-Musik-Direktor  Veran- 
lassung geben,  Im  dem  Fdrsten  Stnata-Ranxler  anzufragen  und  dessen  An- 
ordnung XU  befolgen.« 

[ge^.]  Friedrich  Wilhelm. 

Als  der  König  diese  Instruktion,  wekdie  in  scbn»ffom  (legensatze  zu 
der  Brührscben  von  1820  standf  gleicbwolil  aber  im  Yeijgleich  zu  dem 
Kontnikt  von  1819  nicht  so  sehr  ^ri'msfii:  für  Sjtontini  war,  dem  Staats- 
kanzler  ITürsten  Hardenberg  zar  \\  <  it<  rix  forderung  übersandte,  konnte 
er  sich  nicht  enthalten,  dabei  noch  li'olgendes  zu  bemerken: 

>Bei  dieser  Veranlassung  haben  Bie  den  frenannten  beiden  Beamten 
[nündich  Brühl  und  Spontini]  zur  unerläßlichen  l'flicht  zu  machen,  den  zu 
?npinem  iMinfifllrri  Im^Ikt  oft  bemerkten  übertriebenen  und  luiZM-rrk- 
müßigeu  Geld uut wand  einzustellen,  da  Ich  diu  tust«  Überzeugung  habe, 
daß  der  Glanz  des  Theaters  nidit  nur  fortdauernd  erhalten,  sondern  noch 
erhöht  werden  kann,  wenn  mit  den  vorhandenen  reichlidien  Mitteln  weise 
bansgehalten  wird.« 

Der  General-Intendant  Graf  Brühl  hatte  vorher  schon  gehört,  daß  eine 
neue  Instruktion  für  Spontini  auagearbeitet  wurde,  und  seinerseits  Vorschläge 
darüber  an  Hardenberg  ^gemacht,  die  aber  nicht  berücksichtigt  wurden. 
Auch  jet2t  noch  versuchte  er,  dagegen  zu  remonstrieren,  doch  nützte  es 
ihm  nichts.  Mit  schwerem  Herzen  mufite  er  daher  am  1.  Oktober  1821 
durch  Bekanntmachung  dieser  neuen  Instruktion  die  davon  berührten 
Beamten,  vor  allem  die  ]^litglieder  der  Musik-Direktion,  in  Kenntnis 
setzen. 

Daß  aber  Graf  Brühl  sich  bemühte,  spontini  ( Jerechtijijkeit  wider- 
fahren zu  lasse]!,  beweist  folgender  Vorfall.  Da  im  Publikum  das  dlerUdit 
verbreitet  wurde,  dali  Spontini  z^vei-  oder  dreimal  den  > Freischütz«  vom 
Repertoir  abf;oset/.t  hätte,  hatte  er  sich  an  Uraf  Brühl  mit  der  Hitt«^ 
gewandt,  ihm  zu  bezeup^i.  d:\W  dios  nicht  der  F:ill  gewesen  sei;  der 
Generai-Intendant  antwortete  ihuL  am  9.  Oktober  1821: 

<Le  puldie^)  doü  savoir^  que  je  nai  paa  k  droit  de  determitur  la  rrpr^ 


1  Daß  uiit>'r  «li'iu  Publikum  sich  aber  aiich  viele  Freunili  S|M.iitini's  befanden. 
tK'weist  f  .lj^.  i  flcr  »Hescheidenar  Wunsch«,  der  sich  unter  dem  1.  November  1821 
iu  den  Berliner  Blütti^rn  iludet: 

»Herr  General-Musikdirektor  Spontini  beraubt  nns  seit  llingerer  Zeit  des  höhen 
KnnBtgenusse»,  seine  Werke  zu  boren.  Besonders  bedauern  wir  auf  dem  Bepertotr 
immer  noch  seine  neueste  0]>er  ,01ympia'  sn  vermissen,  deren  Wiederholung  doch 


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268 


Wilhelm  Altmami,  SpoiiLiiu  au  der  Ueilmer  Oper. 


9etUeUion  <f «»  ojtera  aur  Je  refiertoire  H  qu»  pmr  eongeijuent  il  rst  tont  amsl  i/«- 
poamblr^  que  Voiis  rn  ortif Monteieur.    Tonte  thistoirr   du    Fre  if  sf-h  ü  t 
ijti''fni    Vn}is  i}}ipatr  aroir  if-arti  du  rrprrtnirr,  mminf   Vf>ii>:  v>  arr:  faif 
I  hoN'"/  <!•  iHi'  i-irr  —  v'rs-l  jifir  rouiff'iumt  <jk  un  luiportHit*  i^üH.s  jumh  intitt.-» 

Bald  darauf  trat  wieder  ein  Zwischenfall  ein,  der  Spontini's  Zorn 
gegen  den  Grafen  erreitrte.  Es  hatte  sich  nilndich  Spontini  auch  unjre- 
hührlich  gegen  den  Herzog  Karl  von  ^[ecklenhurg  benomincn,  <?o  daß 
ihm  (Jraf  Brühl  auf  V'erlangen  des  Herzogs  nm  20.  DezenilM-r  ISJl  oine 
Rüge  erteilte.  Auf  Beschwerde  Spontini's  scliiieb  aber  der  Fürst  Harden- 
berg an  Brühl  am  30.  Dezember  1821: 

»Ich  kann  Kw.  Hochgeboren  hierauf  nur  bemerkliur  machen,  daß  die 
Beschwerde  des  pp.  SpontiTii  i,'t'i'rüiidet  i«t,  imd  K\v.  Hnrliixrlmren  weder  die 
Verpflichtung  noch  das  Recht  hatten,  den  pp.  Spontini  in  du-scr  ganz  außer- 
dtenstUehen  Sache  Kurechtznweigen«  .  . . 

Natiii  lirli  Im  ruhigte  sich  Gr;if  lii  iihl  lucht  hiermit,  so  daü  Briefe  in 
dieser  An-,'!'!!  ;.:t'iili('it  hin  und  Im  r  Idingen, 

Da  Spontini  sich  mit  der  Kinnposition  einer  neuen  Oper  •  Niimiahal 
oder  das  Rosenfest  zu  ivusrliiiiif ,  (iir  die  er  nach  läncrereia  Si  lusanken 
entschieden  hatte,  dringend  befassen  nuißte,  wurden  ihm  die  in  der  In- 
struktion von  1821  auferlegten  Pflichten  bald  zu  viel.  Graf  Brühl  konnte 
hierüber  dem  König  Folgendes  am  26.  Dezember  1821  mitteilen: 

»Am  12.  d.  M.  erklärte  mir  der  (Jeuerttl-Musik -Direktor  Spoutini  vor 
einem  Zeugen,  unaufgefordert  und  freiwillig,  wie  er  jetzt  im  Begriff 
stehe,  eine  neue  Oper  zur  Vermiddun^  .  . .  der  Prinzessin  Alexandrine  zn 

komponieren,  wie  er  auch  seine  Oper  »Mihon<  umarbeiten  wolle,  wie  es  ihm 
aber  nicht  möglich  sei,  bei  «einer  schwächlichen  Gesundheit  an  das 
Kompuiiiereu  zu  denken,  so  lauge  er  die  vuu  Ew.  Köuigl.  Majestät 
ihm  durch  die  neue  Bienat-Instruktion  Übertragenen  immediaten  Birek- 
tions-  und  Verwaltungs-(i e.schäfte,  die  Menge  der  direkten  Anforde- 
rungen, Antragen,  deutschen  Briefe  etc.  zu  bearbeiten  habe,  und  hüte  er 
mich  dalier,  die  ganze  A'erwaltung  wieder  s*o  zti  ül)emehmen,  wie  ich 
sie  vor  dem  Erscheinen  der  I)ien.«t-In»truktion  frelühii;.< 

Graf  Brühl  lehnte  aber  dies  ab,  so  lange  keine  königliche  Erlaubnis 
vorlag,  ließ  sich  aber  von  .Spontini  versprechen,  daU  dieser  sich  dieser- 
lialb  au  den  König  wenden  werde,,  und  versuchte  auch  seinerseits  unter 

jetxt  kein  wesentliches  Hindernis  im  Wege  ku  stehen  scheint.  Ein  so  tiefes  Werk 

luuui  nur  durch  öfteres  Hören  verstanden  und  der  Geist  desselben  riehtifr  nuf- 

gefaGt  werdt'u.  Nai  iidem  nun  dir»  binnen  kurzer  Zeit  liint-  r  riuatiiit  r  erfol^^fe  .Auf- 
führung von  Mozarts,  Ghick'«.  Cherubiui's,  C.  Maria  von  Welvers.  Beethoven'» 
und  mehr  herrlichen  di'amatischen  Tondichtungen  uns  die  Unparteilichkeit  des 
Herrn  O.  M.  D.  Spontini  zur  .Genüge  chrgethan  hat,  waf^en  wir  es,  den  gewiß  allge- 
nuünen  Wunsch  öH'entlieh  auszusprechen,  daß  en  letzlerein  ^refallen  niÖKc.  nun  auch 
den  Verehrern  seiner  Opern  nicht  länger  die  baldige  AutTühi-un^  dt-rsvll.ten  vorza> 
enthalten.  Viele  Kunatireunde«. 


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Willidin  Altmann,  Spontini  an  der  Berliner  Oper.  269 

Hinweis  auf  ilie  mancherlei  Schwierigkeiten  der  Dienst- Wi  lüiitnisse,  den 
König  zu  t  iner  Änderung  der  Instruktion  zu  veranlassen;  bei  dieser  Ge- 
legenheit führte  »  r  uiiUt  iiiidcn'iii  aus: 

>Jeder  Schw  i<i  ii>ktit  ist  indeß  zu  liegeguen,  wenn  Ew.  Kgl.  ilajtstät 
dir*  schon  einmal  vor  mehreren  ^lonaten  mündlich  goycii  inirh  genuHrrto 
^'illensmeiiumg,  wonach  ich  trotz  der  DienbL-lnstruktiou  als  Chef  den  oberen 
Befehl  Uber  das  gesamte  Theaterwesen,  folglich  auch  ttber  die  Oper  behalten 
soB,  wonach  nichts  ohne  meine  Zu  st  immuner  <^t'>chehen  solle  und  dürfe 
und  wonach  icli  dem  eigenen  Ausdrncke  Kw.  Königl.  Majestät  zufolge  meine 
Stellung  mit  der  eines  kommandierenden  GenernlH  und  die  des  p.  Spon- 
tini mit  der  eines  KcgimoutükoimuaDdeui's  vergleichen  solle;  wenn,  sage  ich, 
Allerhöchstdieselben  die  Gnade  hätten,  dies  schriftlich  durdi  Kabineta- 
ordre  gegen  mich  ansnispreehen  . » .< 

Darauf  erwiderte  der  König  am  31.  Dezember  18!21  nacdi  einer  huld- 
ToUen  Emleitung: 

»Zu  einer  abändernden  oder  jsonsitigen  Verfügung  iu  Beziehung  auf  das 
zwischen  Ihnen  und  dem  General -Musik -Direktor  Spontini  stattfindende 
DienstverhiUtnis  habe  ich  aber  keine  VeranlAssung,  ds  einesteiis  der  letztere 
keinen  Antrag  deshalb  bei  mir  gemacht  hat,  anderntetls  Ihr  Wiikun</^^krei8 
und  Ihre  Becbte  durch  die  von  mir  genehmigte  Instruktion  gesichert  sind.« 

Aus  dieser  Antwort  ersehen  wir  idso,  daß  S[)ontini  sein  Vorhaben 
doch  nicht  ausgeführt  hatte,  trotzdem  er  es  dem  Grafen  versprochen  hatte. 

Die  Vtrleihung  des  roten  Adlerordens  .Tnnuar  1822:  feuerte 
Spontini  nicht  wenig  an,  mit  aller  Energie  an  der  Ojier  >Nurmabal«  zu 
arbeiten.  Sie  wurde  auch  wirklich  zu  dem  bestimmten  Tennine  fertig 
und  ging  am  27.  Mai  1H22  zur  Feier  der  Vermählung  der  Prinzessin 
Alexandrine  von  Preußen  mit  dem  Erbgroßherzog  von  Mecklenburg- 
Schwenn  erstmalig  in  Scene.  J)iese  Oper  ist  ein  durchaus  selbständiges 
Werk,  für  welches  freili(  Ii  einige  Stücke  aus  dem  F«^tspiel  »Laiin  Rookh«, 
ein  Lied  aus  »Les  du  n\  rivaux'  'welche  Ballrt-i  )[icr  Spontini  lHl6  zu- 
sammen mit  Berton,  rcrsuis  und  Kreutzer  ^^  xrluielit  n  hatte  und  das 
Baüett  aus  >I)ie  Danaidin*  benutzt  sind.  Bis  zum  12,  Dezember  18(>5 
ist  übrigens  «liese  ( )p<  r  T.i  Mal  gegeben  worden. 

Nach  den  Anstrengtingen,  welche  die  Knnii)i)>it;v>ii  und  Faustudierung 
von  »Numrahal«  zur  Folge  gehnbt.  machte  S|uintini  von  dem  ilim  kontrakt- 
mäßig zustehenden  sielteuuuniuLhcheii  Urlaul)  Gebrauch,  um  9.  Juni  ver- 
ließ er  Berlin,  reiste  über  Dresden  und  Wien  nach  Italien,  speziell  nach 
seinem  fiehurtsort  .Tesi  und  war  im  September  in  Paris,  wo  er  die 
»Olympia*  einer  nochmaligen  Umarbeitung  unterzog. 

Bevor  er  im  Januar  1823  nach  Berlin  zurückkehrte,  setzte  er  den 
General-Intendanten  Grafen  Brühl  davon  in  Kenntnis ,  daß  er  ihm  die 
Oper  »Milton«  in  dreifacher  Gestalt  vorh^geu  würde.  Kaum  zurückge- 
kdirt,  begannen  aber  die  Streitigkeiten  zwischen  ihm  und  Graf  Brühl 


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270 


Wilhelm  Altmann,  bpootini  an  der  Berliner  Oper. 


von  iit  iu-m,  muutjjillicli  die  Gastspie  le  fn  uider  Künstler  ein  Gegen- 

staiul  lies  Zankes.  Als  kS|)ontini  einmal  gai  zu  impertinent  wurde,  machte 
ihn  der  Graf  auf  die  Erfüllung  seines  Kontiaktes  inbetreff  der  Opern- 
Komposition  aufmerksam. 

Die  Folge  davon  war,  daß  Spontini  am  2.  August  1823  dem  von 
Berlin  abwesenden  Grafen  BrlUil  folgende  Mitteilung  nmchte: 

».  .  .  Je  m  empressf  di  cous  anno/uer,  (^u  apyt  i  auuir  tcnu  j^j/j/^um/*  con- 
femwes  avec  Mmrs,  Wolff^i^  flerklota^j  et  autres  likraleun  H  povtes  au  mjef 
de  mon  opera  de  Miltm,  je  me  mu»  di/imtivanettt  dccidä  d  le  eon^j/ofer  en  deux 
ijrands  octes  avec  ricitatif,  citans  et  baUetapour  U  donner  dans  la  mwnon  d^oipera 
d  l't^wque  du  camatfol  proekain  . . .« 

Aus  diesem  Briefe  interessiert  nns  auch  noch  folgende  Stelle: 
• 

^IkpuU  fyw8  atu  je  ns  cess/epae  de  vow  dire,  Monsieur  le  Comte,  nom 
awm  le  plus  pressant  besoin  (Vvtn  haritono  ehantantj  qui  partage  l'emploi 

de  Mr.  Blume  qui  donnr  plus  en  sml  ion,  qui  parh  rt  errie  souvrnt^  mais 
if  nr  f  ha  nie  jarnrris.'  le  qurl  Bliiuic'^f  twus  forrrra  (k  fcriiier  le  thiatrCy  s  ii  tombe 
nHtlu'i«  ,  chosc  ijKi  hii  arrive  dej't  assi  v  souvent ,  .  .« 

»Xou^  avous  ausifi  Ic  plus  urgent  besoin  (fuue  Lonne  voix  de  basso,  If  jrublic 
m  pouvant  pan  s'ltabiliur  ti  cdlc  d' IJillcbraud choac  qm  je.  re^'cttc  injinimcnt 
par  un  virUa^  interet  personnel,  que  ce  sujet  m^ittsftire.  II  nous  est  indispensabie 
un  tenore  qui  joue  (oits  les  roA»  sane  dUfinrtion  df  son  nuploi  ...<  >Notte 
defienaons  un  argeni  iiametm  pour  le»  gaabrollesf  et  totd  en  pure  perte  . .  .< 

Wir  ersehen  hieraus,  daß  sich  Spontini  um  die  Hebung  der  Oper 
doch  auch  bemühte ;  ihm  war  es  auch  gelungen ,  das  Orchester  auf 
04  Kammermusid^}  2U  bringen,  den  Chor  zu  verstärken  u.  dgl.  mehr.  Auf 
sein  Betreiben  geht  auch  die  königliche  Kabinetsordre  vom  14.  August  1823 
zurück,  woiuK  h  alle  Opern  ohne  Ausnahme  nur  duidi  Mitglieder  der 
Musik-Direktion  dirigiert  \vcrden  sollten»  während  bis  dahin  häutig  die 
Komponisten  selbst  dies  gethan  hatten. 

Die  Koni})nsition  des  »Milton«  legte  Spontini  aber  bald  bei  Seite; 
aus  einem  iiriefe  vom  17.  Oktober  1823  ersehen  wir,  daß  er  bereits  da- 

1}  P.A.  Wolff,  desisen  »Prezto«a«  noch  lieote  (mit  der  Miuik  von  K.  M.  von 
Weber^  nicht  von  der  BUhne  verschwanden  ist. 

2  Uhorsetzte  für  diu  Köniijliclif  Biilnit!  selir  viVle  Stü<'ke  «us  ilt-m  Französist'lien. 

8i  Ht'inrirli  Bliniie  ^^choreii  2ö.  April  ITHs;.  von  1R)8  — 1S48  als  SUnp-tT  mn\ 
8ultiiUi>piulur  am  kijiiigiicbeu  Tliuiitcr,  ein  lirillauter  Doii  Juau,  den  t-r  bis  183^  im 
ganzen  101  «ftl  mng.  Vergleiche  übrigens  Spontini«  ihn  sehr  lobenden  Brief  von 
1847  hei  C.  v.  Ledebur.  Tonkmuttler-Lexikon  Berlins  S.  63. 

4  Wirkte  II»  der  Berliner  0]>er  von  1821— 1H24.  iiHclldem  CT  vorher  ;m  der 
AViptjf  r  0)n  r  gewesen  war;  von  Berlin  '/wn  er  nach  Hannover.  Sciu  >äarastro«, 
»Ka^^imr«,  »Osmin*  werUeu  l>esoudera  gerühmt.  ' 

5)  Spontini  war  auch  darauf  bedacht  die  schlecht  besoldeten  Kammemrasiker 
bcwor  zu  stellen  und  beantragte  auch  öfters,  freilich  ohne  rechten  Erfolg,  Remunera- 
tionen für  sif . 


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WiUielm  Altmaim,  SpoDtini  «a  der  BerUner  Oper. 


271 


nials  Tag  und  Nacht  mit  der  Komposition  d«  r  Oper  »Alcidor  lieschäftigt 
war,  zu  der  ihm  Theaulon  den  Text  schrieb,  den  dann  Herklots  ver- 
dentschto.    Auch  mit  einer  Umarbeitung  des  Schlusses  des  »Ooitez«  he- 

schäfti^f  *!ich  Sponlini  um  diese  Zeit. 

Neue  Streitigkeiten  zwiselirn  ilim  und  d<  in  Intendanten  Orafen  liriüil 
entstanden  wieder,  als  dieser  den  Wunsch  hatte,  Weber's  Euryauthec 
haldmöglichst  aufzuführen,  ahne  daß  diese  Oper  erst  von  der  Musik- 
Direktion  geprüft  Avenh  n  sollte.  Spontini  wihisclite  aber,  wozu  er  auch 
nach  der  Dienst-Instruktion  berechtigt  war,  (hiß  diese  Prüfung  erst  er- 
folgen sollte.  Nun  wandte  sich  Graf  Brühl  iJeschwurde  fiilirend  an  den 
könighchen  Hausminister,  tlen  Fürsten  von  Wittgenstein;  aus  diesem 
Schreiben  vom  12.  April  1824  hebe  ich  folgende  Stellen  hervor: 

»8u  lauge  Herr  Spouiiui  gpeziellcu  EiuÜuU  auf  das  Kopertoir  der  Oper 
hat,  nämlich  seit  Jahr,  sind  außer  seinen  Werken  nur  die  im  an- 
liegenden [nicht  vorh.]  Verseidinis  ^]  benannten  Opern  neu  in  Ssene  gekommen, 
und  von  diesen  allen  hat  auch  nicht  eine  einzige  der  Kasse  irgendeine 
Art  von  Vorteil  gebracht.  Dnirf c^ii  Imlx'n  die  Opern,  der  »Freischütz«,  welche 
ich  vor  Erscheinung  der  l>ien.st-i nstruktion,  und  der  »Burbier  von 
Sevillac  von  Bossini^  welche  ich  wfthrend  der  Abwesenheit  des  Heim 
Spontini  habe  einstudieren  lassen,  hei  sehr  wenigen  Kosten  gewiß  eine 
Summe  von  40 — 50000  Tbalern  rein  eingebracht.« 

»Bei  solchen  Thatsachen  sollte  es  mir  wohl  erhiuVit  rpiii.  hei  der  Wahl 
neuer  Operu  zum  Besten  der  Königl.  Theaterkasse  ein  entscheidendes 
Wort  zu  qirechen.  Das  Fabliknm  hat  gegenirartig  eine  aasnehmende 
Vor  Hebe  für  die  Weber*sche  Mneik!  Oh  TOTdient  oder  unverdient,  steht 
hier  wohl  nicht  zu  erörtern  und  müßte  erst  vor  dem  Richterstuhl  unpartei- 
ischer Knnstrichter  entf^chicclpn  werden,  nicht  aber  vor  (h  in  flo>  llenn  Spon- 
tini, welcher  zwar  eiu  ausgezeichneter  Künstler  genannt  werden  kann,  aber 
dem  S^nn  von  Weber  den  nnglaabliohen  Beifall  seines  »FreisohUtaen«  nicht 
gOnnt  und  ans  Besorgnis  einer  gef&hrlichen  Rivalität  »Eoiyanthe«  nicht 
will  aufkommen  lassen !  Alis  ^esem  Grande  wird  derselbe  auch  so  lange 
als  mörrlieh  nMo  fremde  Werke  zurückweisen,  von  denen  eine  sehr  große 
Wirkiiiiu'  üu  erwarten  wäre.  .  .  .« 

Der  Hausministcr  i'.ih  aber  dem  Grafen  l^rülil  nicht  re(  ht  und  stellte 
sich  ziemlich  auf  Seile  Spontini'«:  aus  seinem  Sehreilien  vom  17.  April 
1824  dürfte  folgeude  Stelle  von  allgemeinem  Interesse  sein: 

»Ew.  Hochgeboren  versprechen  sich  von  der  A ultTilirung  der  »Kuryanthe« 
hier  große  Vorteile,  und  ich  gehe  Ihucu  die  Möglichkeit,  daß  dies  Stück  hier 
gefSllt,  zu,  obscbon  nicht  alle  Weber*s<dwn  Btfieke  hier  gefallen  haben  und 
namentlich  . . .  »Silvana«  gar  keinen  Beifall  erhalten*)  bat  An  andern  Orten 

1)  Nach  C.  8chftffer  und  C.  Hartmann,  Die  königlichen  Theater  in  Berlin. 
Statistischer  Buckblick  (Berlin  1886)  und  von  Mitte  Jnm  1831  bis  Anfang  1831  nur 

Isouard's  »Jeannoi  A  Collin* ,  L.  Hellwig's  > Bergknappen« ,  Paer's  »Sierra 
capric^hf^nf .  Rogsini's  >Fa)wfi''n  prr  la  musica*,  C  T51nm'«  »Parrcn  rlo?  Herzogs 
von  Yeudörae«,  K.  Kreutzer';»  »Libussa»  an  Opern  neu  einstudiert  worden. 

2)  Snte  Berliner  Aufluhnmg  10.  Juli  1812,  letzte  (10.)  1816. 

&  d.  t  K.  ly.  18 


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272 


Wilhelm  AUnam,  Bpootini  «n  d«r  B6«liii«r  <^r. 


hat  ubor  >Kuryautho»  ni<^lit  (iiirchaue  gefallen,  namptitüch  nicht  iu  ^Vit  n:  der 
Purst  Hatzfeld^  vun  dem  uiau  be)iatipi«t,  daß  er  auch  ein  ge»uu(iiu>  Urteil 
üb«r  Muik  l^b«  .nnd  «ip  wgeaaiixiter  gnuirtimiaer  «»if  biit  hüilur  ge- 
Bchrieben,  daß  die  Oper  »JBaiyanthe«  d&B  »chlechteste  Produkt  sei,  was  «1b 
große  Oper  auf  der  Bühne  r  rschieneu,  und  daß  si.-  daher  iu  Wien  mit  Recht 
allgemein  (hin  Xfinion  >Kiimiyanto«  anstatt  »Kuryanthe«  erhalten  habe.  Ich 
ftlhre  das  nur  an,  um,  ohiit-  über  den  Effekt  dur  »Jbluryauthe«  hier  iai  Voraus 
hoRtunmeB  ma  woUen,  in  ««igen,  wie  man  weniggt«iyi  nidit  ailgeni^ui  l}«iiMipf«i 
Jcjuuif  .daß  die  Oper  mit  stürmis^^iem  Baifall  «o^enominou  wordan,  und  aina 
vorgängigo  Prüfung  derselben  demnach  um  so  notwendiger  ist.  ...  * 

»Im  allgemeinen  muß  ich  hier  noch  bei  Gelegenheit  dieser  Differenzen 
Uber  die  Oper  »Euryauthe«  bemerken,  daß  es  mir  völlig  gleichgültig  ist,  ob 
die  ifoaikaii  der  'Hanaii  Mana  Ton  -Weber,  Spohr,  BÖaBini,  Spontini  -und 
anderer  großer  und  kleiner  Komponiaten  beklatscht  oder  aaagepHffen,  gelobt 
oder  getadelt  werden;  dagegen  ist  es  mir  nicht  gleicbgiltig,  ob  die  Befehle 
Sr.  Majestät  des  Königs  pünktlich  befolgt  werden  oder  unbeachtet  bleiben. . . .« 

in  einctm  längor«!  -Sollf^boil  suchte  sich  Brühl  wieder  zu  rechtfertageii 
(28.  April  1824);  nachdem  n*  am  Schlüsse  betont,  daß  es  ihm  nicht 
möglich  sei,  ohne  Nachteil  für  den  küni^dien  Dienst  und  ohne  Ver- 
letjEiing  fleiner  Ehre  iler  Dieost-iUistruktion  nachzukonunen,  fährt  er  fort: 

»INesa  feste  Überaeagung  hat  mir  den  ao  nnendlieh  schweren  Sehritt 

auferlegt|  bei  Sr.  iVIajehint  dem  Könige  nm  Entbindung'  von  meinem  jetugen 

Geschäfte  und  tim  Inildrciche  Erteilung  eines  anderen  Wirkunrr?l<r*»isps  nnter- 
thänig  zu  bitton,  da  ich  nicht  7.11  hoffen  wage,  daß  die  erwähnte  lui^truktion 
aufgehoben  oder  Herr  Spoptini  iu  seine  Greuzeu  zurückgewiesen  werden 
dfirfle.« 

Doch  der  König  wullte  vunciiirr  Anits-Xicdurlegung  des  (jrafeii  Brühl 
nichts  wissen;  nach  längeren  Verhaiulluugen  erhielt  dieser  aui  1.  Mai  1824 
von  Fürst  Wittgenstein  folgenden  Bescheid: 

Zur  Beendigung  (H<«rr  Differon/  bestimme  iih  jetzt  infolgp  Her  nach 
der  lvüui;4l.  Dieuät-iustruktiou  mir  zukommeudeu  Befugnis,  in  Eällen,  wo  über 
Auslegung  der  KSnigl.  Dienst-Instruktion  eine  Yerschiedeiüieit  der  Anai<^ten 
eintritt^  au  entscheiden  . . .}  <1aß  die  Oper  »ünryanthe«  erst  dann  in  Scene 
gesetzt  werden  kann,  wenn  T'w.  Hochgeboren  über  deren  Aufführung  das 
Gutachten  der  Geueral-Musik-Direktion  eingeholt  uud  mir  eingesendet  haben.« 

Dieses  Gutachten  fiel  dann  empfelilend  aus:  Euryantho  wurde  ange- 
nommen. <1o<  !i  sollte  sie  erst  n.u  li  Kh'sabet«  von  Rossini')  und  »Bi- 
quet der  Haarbüschel«  von  Karl  Blum^J  gegeben  .wwden  (Schreiben 
Spontini's  vom  17.  Mai). 

Kaum  war  dies«^  Differenz  beigelegt,  so  enstanden  neue  Streitigkeiten; 
am  9.  Juni  1^24  erhielt  Graf  Brühl,  gewiß  su  seiner  größte  Ereude,  vom 

1;  llossrnre  *E]i»>abeth,  Jvüni^^in  von  Kn^rlartd«  wunlo  im  Berliner  Opembaus 
arihrend  des  Juni  1834  dreimal  und  dann  nie  meki-  gegeben. 

2}  Diese  Feeneper  erlebte  vom  11.  Jani       bis  1896  im  ganeen  ^  AaflUirangen* 


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Wühfilin  Altganti,  Spaotini  .411  i$r  ]ß«r)iner  Oper. 


273 


Fürsten  Wit^öuütein  die  Benadiiicliti^^un^.  »daß  Herr  Spontini  nicht 
weiter  Austand  nehmen  wird,  Ihnen  in  der  gescliaftsiuäÜi^enForra  diejenigen 
Gutachten  abijugeheu,  welche  Sie  von  ihm  über  Dienst- Angelegenheiten  der 
Küniglichen  Instruktion  geraäü  crlurdeni  werden  .  iJald  darauf  nahm 
Graf  Brühl  einen  limgtren  Urlaub;  diesen  benutzte  J^'iirst  Wittgenstein, 
um  BrUhl^s  Stellverti-etcr,  Herrn  von  Arnim,  zu  Abänderungs- Vorschlägen 
zu.  jeiMT  Dtenslrlnatnil^on  Spontmi'B  zu  verajibisBeii;  fin  eine  Realisierung 
dieser  Torf  chliige  wurde  aber  nicht  gedacht,  als  Gtfi  Brühl  im  Dezember 
wieder  wQokkehrte.  1^  ^taod  bald  wieder  tot  «ijusr  bleuen  Eigen- 
mgchtigk<wt  Spontini's  Diciiiar  hatte  nSmlieb,  •Irotzdem  er  aeibet  die  iKabi- 
neteordre  ▼om  14.  August  1698,  wonaeb  nur  Mitglieder  der  General- 
Mu8ik>DjrektioD  fUngier^ii  eolUmi,  Teranlaßt  lu|lte,  Louie  ^pohr  ohne 
weiteres  eingeladeii,  i^eine  »Jea^ondifi«  b^  ibiw  Eretaiiffühzpqg  xu  diri- 
•gieren.  Auf  Brühl'/s  Beschwerde  ergiqg  feig&aä»  JKabine^goidre  vom  7.  Fe- 
bruar 1825  ap  Fürst  ^GTittgenetein,  den  fcöniglicheii  Hananinwiter: 

»Dafi  noeh  der  beiliegenden  Anzeige  des  C^eneral-Intendanten  Grafen 
von  Brühl  der  Genend-Husik-Direktor  Spontini  ohne  Anfrage  ee  lidi  «rUnbt 

hat,  den  uhurhessiBcUeu  Kapellmeister  Spobr  hierher  einzuladen,  qjn  die  Ton 
deni'ielheii  konipunierte  Oper  >Jes8onda«  zu  diriirtereji.  muß  Ich  um  so  mehr 
milibiULigeu,  alä  auf  den  eigenen  Antrag  des  p.  &>poutiui  alle  fremde  Kom- 
ponisten hienron  aoBgeeehloMen  sind.« 

»Indem  Ich  diese  Bestiminnsg  hiermit  aufhebe,  Mir  aber  iu  jedem  einsselnen 
Falle  die  dieaf^lige  Doziaion  vorbehalie,  beauftrage  loh  8ie,  deu  General- 
Musik -PIn'ktor  Spuntini  dieses  llinweg-t^tzen  über  Meine  Vorschrift  ernstlich 
zu  verweujen  uud  ihn  zu  bedeuten,  daji  ich  ühuiiche  iVnmaUungcn  ferner  nicht 
dulden  werde.  Übrigens  mache  loh  es  lediglich  von  .Ihrer  and  des  Grafen 
▼on  Brtthl  Bestimmnng  abhängig,  wer  die  Oper  »Jeseonda«  dirigieren  boU.« 

Dies  hat  denn  doeh  noch  Spuki  (24.  Februar  1825)  gethan. 

Nachdem  am  23.  Mai  1825  zur  Feier  der  Yermählnng  der  Prinzessin 
Luise  mit  dem  Prinzen  der  Niederlande  die  Zauberoper  »Alcidorc  mit 
großem  äußeren  Erfolg  infolge  der  feenhaften  Ausstattung  gegeben 
worden  war,  machte  Spontini  schon  am  1.  Juni  einen  neuen  Vorschlag 
betreffs  seiner  für  1826  kontraktmäßig  zu  lieferuden  Oper: 

»Vopera  ße  Miiton  eonsentipar  VouSf  . . il  y  a  dem»  an*,  <ou»  Ut  fonm 
de  grand  f^pera  oomme  opera  nouveaUy  quwqatfy  aie  eonserv4  ks  m^Ueurs 

morceaux  de  miisiqnr  nton  anei^n  Miiton.  le  dtclarrt-Vous  aussi  pour 
farfnir  romruf  int  nprrn  yimd-r  nj«  (s-nif  ipir  1p  rn]tj>nrfi\  sott  qitf  jf  rouM 
Venvo>jeJ  et  quc  cet  opera  sati^f  assc  mc.s  aigagenicus  sehn  man  contrat  Jusqti  au 

1,  Spontini  muß  am  2.  Juli  1824  ein  Entlussungs-Gesuch  eingereicht  haben,  das 
aber  der  König  nii'bt  bewilligte.  Iu  den  Akten  habe  ich  darüber  nichts  weiter  ge- 
funden, als  was  in  der  HpUtcr  ab<redni('kten  Kabinetsordre  vom  25.  August  1841  steht. 

2]  Diese  kostete  IGOOO  Thaler.  —  Über  die  Musik  und  das  Libretto  des  »Alcidor« 
vergleiche  »Berliner  Allgemeine  musikalische  {^eitung«,  Jahrgang  1826,  3. 
IMff.,  207 ff. 

18* 


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Wilhelm  Altmann,  Spontini  an  der  Berliner  Oper. 


moi<  dp  juin  1826^  epoque  qui  aekevera  les  aix  asmUs  de  mon  serviee  ä  la  eour 

de  I  'rume.  .  .  . « 

Kurz  vorhor  war  Spontini  um  Urlaub  auf  elf  Monate  emgekommen, 
der  durch  folgende  an  Graf  Brühl  gerichtete  Kabinetsordre  vom  31.  Mai 
1825  bewilligt  wurde: 

>Icli  lialii-  auf  Ihr»  An/t  i-,'.?  vom  27.  d.  M.  nichts  diigegeii)  daß  der  Generel» 
Musik-Direktor  Spoiitiui  von  dem  nach  seinem  Kontrakt  ihm  zustehenden  eilf- 
monatlichen  ürlrnilip  jt-tzt  (Jebranrh  macht;  Sit«  werden  alu  i-  die  Einrichtung 
treffen,  daB  auch  wahrend  dieser  laugen  Abwesenheit  Spontini  sciie  Opern  auf- 
geführt werden  können,  weshalb  mit  Znaiehnng  desselben  asu  bestimmen  ist, 
wem  die  Direktion  dieser  Opern  xu  übertragen  sei.« 

Spontini  wulltc  aber,  wie  l^'ürst  Wittgenstein  dem  Grafen  Jk-iibl  am 
21.  Juni  1825  mitteilt,  nur  von  der  Hälfte  seines  Urlaubs  Gebrauch 
machen  und  versprach,  seine  Rückkehr  dergestalt  zu  beschleunigen,  daß 
er  Zeit  genug  übrig  behielte,  »die  erforderlichen  Vorbereitungen  für  die 
Arbeiten  und. Opern  des  näduten  Winters  und  Karnevals  zu  treffen.« 
Betreffs  der  Oper  »Mütcmc  erbat  Graf  Brflhl  am  23.  Juni  1825  die  könig- 
liche Entscheidung,  ob  sie  von  Spontini  als  eine  der  kontraktmäßig  zu 
liefernden  neuen  Opern  anzunehmen  sei,  was  am  29.  Juni  Tom  Könige 
gestattet  wurde. 

Spontini  blieb  aber  doch  langer  TOn  Berlin  fem;  es  wurde  ihm  Nach- 
urlaub bis  Ende  Januar  1826  bewilligt,  da  er  die  Aufführung  der  Oper 
»Olyinpia«  m  ihrer  neuen  Gestalt  in  Paris  abwarten  woUte.  Als  Graf 
Brühl  an  den  Hausminister  Fürsten  Wittoenstein  Uber  diesen  Nachurlaub 
am  26.  Dezember  1825  schrieb,  konnte  er  folgende  Äußerung  nicht 
unterdrücken: 

>. .  .  ich  . .  .  füge  die  bündige  Versicherung  hinzu,  daß  das  Ausbleiben  des 
Herrn  Spontini  auf  das  Bepertoir  der  Oper  während  des  Winters  nicht  allein 
keinen  nachteiligen,  sondern  im  Gegenteil  einen  günstigen  Einfluß 
haben  wird.  . .  .< 

Eine  kleine  Bepertoir-Schwierigkeit  entstand  nur  dadurch,  daß  Spontini 

die  Partitur  von  >Alcidor<  mit  nach  Paris  genonmien  hatte,  als  diese  ■ 
Oper  At  fang  1826  wieder  gegeben  werden  sollte;  da  das  Schicken  sehr 
umständlich  war,  versprach  Spontini  schließlich,  sie  selbst  Ende  Januar 
wieder  zurückzubringen. 

Er  blieb  aber  bis  Anfang  März  aus  und  brachte  dann  »Müton«  nicht 
nur  nicht  fertig'  mit,  sondern  erklärte,  er  habe  diese  Oper  wieder  zurück- 
gestellt. Doch  arbeitete  er  weiter  daran;  allein  der  Sommer  verging, 
ohne  daß  die  Arbeit  beendigt  wurde;  infolgedessen  schrieb  Graf  Brühl 
am  30.  September  182(i  an  den  saumseligen  Komponisten: 

«Ii«  forme  qjEjproaftonf,  eepmäcrni  ou  Ü  fautt  pma»  a  un  nouvd  opera  pour 
h  eamaml^  je  Voua  prie       tk  wuhir  Mm»  prendre  Ums  les  arrangemmtf 


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Wilkelm  Altmaim,  Spontini  ma  der  Bwliuer  Oper. 


275 


titic-timiix^  a/tn  dt  pouioir  nionter  Voire  opera  de  Milton  pour  k  mois  de  ferricr. 
Vous  äant  occiij}6  dcjtuis  plusieurs  anmcs  de  la  rcmijse  en  90m»  de  eet  auvrage 
et  nom  ayant  daß  entmdu  a  pm  prw  sw  farranffement  de  la  eeene  et  des 
dSeoratione  je  »ms  pereuadSf  que  ma  proposüion  w  trouvera  aueune  diffhM, » 

Jedoch  trotz  dieser  Mahnung  des  Grafen  Brühl  kam  Spontini  mit 
dem  »Mflton«  nicht  zustande ;  er  hatte  sich  mittlerweile  mit  dem  Theatep- 
Diohter  Professor  Raup  ach  in  Verbindung  gesetzt,  um  einen  Operntext 
aus  der  Geschichte  des  deutschen  Mittelalters^)  zu  erhalten.  Es  war  dies 
> Agnes  von  Hohenstaufen«,  deren  erster  entsetzlich  langer  Akt  am 
28.  Mai  1827  auch  thatsächüch  zur  Aufführung  kam  und  den  bekannten 
hämischen  Angriff  Eellstab^s,  des  Kritikers  der  Yossischen  Zeitung 
und  der  Berliner  allgemeinen  musikalischen  Zeitung  hervorrief,  der  Spontmi 
so  unsagbar  schadete.  Daß  dieser  Angriff  über  das  Ziel  hinausgeschossen 
darf  nach  Spitta^s  Forschungen  als  sicher  gelten;  dieser  verlangt  sogar, 
daß  wir  eine  Wiederaufführung  der  > Agnes«  versuchen  sollten,  da  sie 
die  einzige  Oper  sei,  die  an  Größe  der  Anlage  und  Macht  der  Gestaltung 
jener  großen  Zeit  deutscher  Geschichte  würdig  sei,  aus  der  sie  ihren  iStoff 
entnimmt  Nachdem  König  Friedrich  Wilhelm  III.  am  31.  Oktober  1828 
befohlen  hatte,  daß  di»  v(>ll>t;iii<liirt  Hper  »Agnes  von  Hohenstaufen« 
zur  Vermähl ungsfeier  des  Kronprinzen  in  Scene  gehen  sollte,  ermöglichte 
Spontini  di«'s  tatsächlich;  am  12.  Juni  1H29  erfolgte  die  erste  Auf- 
führung, doch  genügte  Spontini  das  AVerk  in  dieser  Fassung  nicht;  er 
arbeitete  es,  nachdem  auch  dem  Texte  sehr  nachgeholfen  war,  sehr  um 
und  brachte  es  dann,  um  dies  gleich  hier  zu  sagen,  am  6.  Dezember  1837 
in  dieser  neuen  Fjissung  auf  die  Seone. 

Im  Sommer  1827  hegab  sicli  Spontini  nat:h  Teplitz  zur  Kur  und  he- 
reiste dann  einige  grülicre  Orte,  um  sich  nach  für  die  Berliner  Bühne 
geeigneten  Gesangskräften  umzusehen. 

Im  Herbst  182H  wnr  ein  für  die  l^prlirirr  ( )ppr  xmt]  mich  für  Spontini 
sehr  wichtiges  Ereignis  eingetret*!n,  nimdicli  dtr  Küektnlt  '  dt>^  (ir.if»  n 
l^riihl,  df'r  s»'ine  letzten  Lebensjahre  oline  A  fffM*  verbrin'-'"  n  ^\<lIlt(  .  \'»n 
der  Leitung  der  Köm''lichen  Sehanspiele.  l  )urrli  Ivi-nliilirlie  K'iiliint  t -.Mi-.li  e 
vom  13.  Dezember  1828  wurde  der  Hausmimstcr  Jb'ürst  von  Wittgenstein 

1}  Ernst  Raup  ach  [1764— 185S)  hat  bekanntlich  die  Gctichiclite  dar  Hokan- 
«taufen  von  Barbarossa  bis  auf  Konradin  in  18  Dramen  behandelt. 

^  Bekanntlich  schätste  auch  Kichanl  Wii;,'n<'r  Spontini's  Kompositionen  sehr; 
in  seinen  »Kriiinoniniri^n  nn  Spontini«  Werke,  ]iaud  ö  siifft  er  u.  ji.:  >Yerneigen  wir 
uns  tict  und  claiurebLsvull  vor  dem  Grabe  des  Sclilipler»  der  Vestalin,  des  Cürtez 
und  der  Olympia«.  Daß  Berlioz  Spontini  an  seinem  Sterbetage  nie  verlassen  hat, 
aeigt  anch,  wie  hoch  er  ihn  ff^schätzt  hat. 

3,  Seit  dem  I.J.Aug.  war  Graf  Brühl  vcn-ei-^t ;  nominell  blieb  er  Intendant 

bis  Ende  1828;  das  Abscbieds-Schreiben  an  seine  bi>,beri<jren  Untergebenen  ist  vom 
18.  Des.  182b  aus  seiner  iksiuung  äeifersdorf  bei  Dresden. 


276 


Wilhelm  Aitmaim,  Spontini  am  der  Beriiner  Oper. 


autoiisiert,  »döniKaiiimerbenrn  Gtafen  von  Rödern  die  bisber  Ton  dem 
Q^rafen  von  iÖitUil  Tervraltete  Stelle  eines  Gknendrlntendanteii  der  König- 
lichen Schauspiele  yorerst  mit  dem  Titel  eines  V  iz  e  -  Gener  aKInten^ 
danten  anzutragen  und  ihm  dabei  die  Versicherung  zu*  erteileui  daß  die 
ä'either  stattgefiindenen  Beschränkungen  in  der  Yerwaltan^ 
dieser  Stelle,  welche  einstweilen  noch'  besteben  bleibeni  künftigliin 
nach  Befinden  der  Umstände  auf  geh  oben  werden  kdnnen  < .  Graf  Bedem 
aber  lehnte  unter  diesen  Ümstanden  bereits  am  16.  Bezember  ^hrer« 
bietigst  ab;  er')  war  nämlich  schon  drei  Jahre  in  dem  Graf  Brühl  zur 
Seite  gesetzten  Kuratorium gewesen;  hauptsächlich  wegen  Spontini^s 
eigenartiger  Stellung  wollte  Graf  Reden!  den  Posten  nicht  abemehmen, 
ließ  sich  aber  dann  doch  dazu  bestimmen. 

I^achdcm  är  namentlich  schon  im  Marz  neue  Streitigkeiten  mit  Spon* 
tini*J  *ge)jabt  hatte,  suchte  er  im  August  1829  wieder  um  DienstrEntlas- 
sun^  nach.   Der  König  aber  antwortete  am  2.  Septc^mber  1829: 

»Ich  kann  Urnen  über  Ihre  GeHchftftsftthrung  nur  meine  Ziifiiedenbeit  be- 
zeigen und  daher  Ihrem  Wunsche  nicht  sofort  entsprechen. . .  .< 

Am  9.  Februar  183()  lobte  dnnn  d»  i-  KTmig  wieder  Gruf  Hedem  s 
Verwaltung  und,  als  dieser  ilira  am  30.  ,Mür;i  1830  anzeigte,  daß  er  zum 

1  Graf  Willi olm  von  l^rflern,  fjnl).  9.  r)cz.  18<)2.  s^-it  1825  Knmmerherr.  liat 
•ich  seit  1820  vielfach  kuin]H)siionäch  betbütigt;  am  10.  Jau.  IHi^ß  Aniitlo  er  zum  Mit- 
glied des  Theater-Kantorimm  eratnnt. 

2;  Dem  Qrafen  Brühl  sollte  schon  nach  der  Kuhinetsordre  vom  10.  Jan.  181Ö  und 
nadi  einem  Schreibendes  Stafttskanxlers  llariienl^er^r  \  otn  2.  April  ein  Kunitoriuni  Uber 
die  Tlieat«  rka««»^  jfnr  Seite  gest-tzt  worden,  doch  erst  'Iiit>  l!  Kiiliinctsor  lr--  vritii  11.  Okt. 
1824  wurde  inl'ul>;e  der  traiiri^''en  finniizielleti  Ziist-indc  di  r  KiWiijjliclien  «Sehaufipiele  — 
es  waren  ziendiche  Schulden  , vergleiche  üben  S.  2Ü7;  vorhanden  —  dieses  Kuratorimu, 
den  zunlchst  nur  der  Geheime  Oberfinansrat  Semmler  und  der  Geheime  Benfierangsrat 
Tschoppe  angchlirten  seit  1S2G  dann  auch  Graf  Hedern  ,  wirklich  [fofichaffen.  E»  sollte 
darauf  halten,  »daü  die  VerwaUnn;,'  des  Theaters  in  allen  Zwei<fen  mit  Ordnunif, 
T"Tn*ir!;t,  Beobachtung:  dt!r  ergangenen  und  etwa  imcli  erteilenden  Vorschriften  und  den 
Haupt bostimmungeu  des  Theaters  und  des  Anstaudea  uubeschadct  mit  Wirtschaftlichkeit 
gefttfart  "rtrerde.  Das  Kuratorium  ist  subsidiarisch  nächst  dem  General-Intendanten  dafür 
verantwortlich,  daß  mit  den  etatsmaßigcn  Einnahme^Summen  unter  allen  YerhUtnisaeo 
ausgelangt  werde. < 

>Dio  General-Intendantur,  sowie  die  Musik-Direktion,  insoweit  letzterer  durch 
die  Instruktion  vom  20.  Sept.  1821  eine  au.s«chlieljliche  Wirksamkeit  beigelegt  ist, 
bleiben  in  Bezug  auf  da»  Technische  nach  wie  vor  vSUig  selbständig,  und  da»  KuFa» 
torinm  tritt  demnach  nur  dann  in  Wirksamkeit,  wenn  die  Anordnungen  in  Betreff 
des  1  echnischen  auf  die  Geldmittel  des  Theaters  Einfluß  haben«  . . .  (Instruktion  vom 
11.  Okt.  1K24. 

'A  Spontini  wurde  gelegentlidi  des  von  ihm  «rdpitoteu  1.  thüringisch-sächsischen) 
MusUvfestcs  zu  Halle  im  Sept.  1H29  von  der  dortigen  Universität  zum  Doctor  musteoe 
ernannt. 


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Wilbfilm  Alimann,  Spontiiii  ui  der  Berliner  Oper.  277 


Liindrat  des  Kmses  Nieder-Baraiin  gewählfc  sei,  eröffnete  er  ihm  am 

5.  April: 

»daß,  da  der  Anstand,  wciclipr  Ihi  cr  definitiven  Anstellung  alp  Ct  ii«>ral-Tiitendttnt 
der  Schnnspiple  nach  ihren  diestailigcn,  jetzt  wieder  in  BuiiUg  genommenen 
Erkliiruugen  eutgegexutteiit,  aidi  hoffentlich  bald  erledigen  wii'd,  Sie  die  da» 
Schauspiel  betreffenden  GeeehKlte,  wie  es  biaher  in  Meiner  Zufriedenheit  ge- 
schehen ist)  fortführen  mögen.« 

Doch  erst  unter  dem  30.  Juni  1830  teüte  Fürst  Wittg^nstam  dem 
Grafen  Redem  seine  definitive  £mennimg  mit,  sogleich  aacli  die  Auf- 
hebung der  Dienst-Iiutruktion  8poiitim%  die  durch  eine  neue  unter  Mitr 
wirinmg  Bedem's  ersetzt  werden  sollte^  endlich  auch  die  Aufhebung  des 
Kuratoriums^),  »solange  neue  Umstände  eine  solche  Ifaßre^el  nicht 
wiederum  nötig  machen.« 

Doch  lob  habe  laat  sdion  etwa«  TorgcgriAen.  Sehe»  wir,  was  fljpoatiii 
unterdessen  trieb.  Dem  Konferenz-Protokoll  Tom  22.  Juli  1839  entAebmen 
mr  folgende  Stelle: 

>Nacbdem  der  üeneral-Musikdirektor  Spontini  angetührt,  wie  wesentlich 
notwendig  en  sei,  das  Personale  der  Oper,  welehes  sson  größten  Teile  ans 
kncoken  Menschen  bestehe,  zw  verbessern  und  wie  dnrehane  wüÄBchenewert 
ein  baldiger  Ersatz  für  die  p.  Milder*),  schlug  der^olho  vor,  m  dem  Knde  eine 
Keise  durch  Deutschland  zn  machen  und  namentlich  in  Aachen  die  Sängerin 
Fischer,  in  Leipzig  die  Streit,  iu  Frankfurt  a.  M.  oder  Mannheim  die  Ileine- 
fetfer')  nnd  Haas  an  hören-,  welche  ihm  als  die  Sängerin  empfohlen  wlren,  die 
die  anf  Pension  gesetate  Ssngerin  Milder^)  dereinst  würden  ersetsen  können. 
Ebenao  sei  dm  Bedfirflne  eines  Tenoristen  m  da»  Stelle  StfiAier's^),  eine» 

1;  Tairitohlieh  hörte  die  Wirksamkeit  des  Karatorinms  erst  Bode  Fehnmr  1931 
auf  (SlimiterialTerfSgimg  vom  11.  Febr.  1831). 

2i  Biese  wie  Überhaupt  alle  damals  der  Berliner  Oper  aiigehörigen  Gewaugskräfte 
behaupteten,  w-^hl  nicht  ohne  Grund,  daÜ  «hiicli  iVic  vifli^n  Anfnihnrnpon  rlcr  Span» 
tini'schen  sehr  anstreugetiden  Open»  ihre  Stimmen  vorzeitig  stark  gelitten  hätten. 

3}  Von  den  genannten  Sängerinnen  gastierte  (1890)  nur  Fräulein  Heinefetter 
(13  mal; ;  ihr  Engagement  kam  aber  nicht  su  stände. 

4)  Auf  Spontini'a  Botroibon  hin  war  Anna  Mildcr-IIauptman n ,  die  viel- 
frcfrierfc  Viifroterin  liochdramatischer  T'artieii.  zum  I.JulI  182*.}  peiiHioniort  wonh'ü, 
naehdt-iu  sio  seit  1816  au  dor  Borliiior  Oiior  tätig  gewesen  war;  lia  kein  gonügcn<l»*r 
Ersatz  für  sie  da  war,  gab  sie  noch  bis  18JU  gelegentlich  Gastrollen;  sie  starb  den 
29.  Mai  1638.  Ihre  Stimme  muß  hervorragend  gewesen  sein;  wie  aber  Graf  Brühl 
am  31.  Dez.  1810  an  den  Fürsten  Hardenberg  berichtet,  fehlton  ihr  ffanz  inusikalix  lie 
Kenntnisse,  bedurfte  sie  auch  unglaublich  lange  Zeit,  zuui  Einstudii  ii  ( iii<  i  KmII.', 
war  jedenfalls  lange  nicht  so  vcrwendhar,  \vi<'  fl«''  zu  jeder  Rollo  l>n\ucli)i:ti  <■  uimI  m  Iit 
musikalische  Frau  Caroline  S o id lur -  W  r u n  i tzky ,  ^vergleiche  oben  S.  268  A.  1^ 
auf  deren  Engagement  Graf  Brühl  besonders  stolz  war. 

ö]  Heinrich  Stümer  (geb.  1789j,  ein  Schüler  Bighini'«,  vertrat  von  1811  bis 
1.  April  1831  in  Berlin  das  Fach  des  lyrischen  Tenors  in  ausgezeichneter  Weise,  so- 
weit der  Gesaiv^r  fn  Betracht  kam.  Auch  als  Oratoriensäniior  (besonders  in  der 
»Matthäus-Passion«,  leistete  er  Auögezeichuetcs.   |  27.  Dez.  1857. 


278 


Wilhelm  Altmann,  äpontini  an  der  Berliner  Oper. 


Bassisten  un  ilie Stelle  des  ii  e rn  vorhundeu,  wozu  er  deu  Süugur  ZschiescUe^J 
als  völlig  ixualifuiert  vorscldu;r(>,  und  einer  SSngerin  an  die  Stelle  der  Schultx'J, 
eiche  iji  neuester  ^(>it  angcfougen  sehr  unrein  /u  singen  —  was  stets  ein 
Zeichen  abnehmender  Kräfte  «ei  —  fühlbar,  und  beabsichtige  er  deehalb,  wie 
vor  2  .Tidiren  dies  bereite  geschehen,  auch  in  dii^-^pm  .Tnhr»'  die  Cie'^anir-nihig- 
keiteu  der  Säuger  und  Siingerinueu  au  deu  verschiedeneu  Orion,  wo  sie  zur 
Zeit  angestellt  waren,  zu  prüfen.  .  .  .« 

J):iß  Spuutiui,  wenn  aui  h  Mt  llcicht  uitlil  im  lir  div.  Kraft,  so  doch 
den  Wunsch  hatte,  seinen  \  erpliiehtungen  be/iiglit  h  der  Kouipc-ition  von 
Openi  nach/.iikünunen,  bewci^^tda-s  Konferenz-Protokoll  vom  28.  Jauuai  1830, 
in  welchem  es  heiBt: 

Spoutiui  erinnerte  den  Herrn  (irafen  vuu  Rederu  au  die  der  In- 
tendantur Kttstehende  Verpflichtung,  ihm  behufs  der  tos  ihm  neu  zu  kom- 
ponierenden Opern  Texte  in  Vorschlag  zu  bringen  und  bemerkte,  dafl  n.  a. 
aucti  das  'Wetner^sche  Trauerspiel  »Attilac  von  dem  Herrn  Grafen  Brfihl  ihm 
früher  da/u  genannt  ^^el.« 

Das  Konferen/.-l^rotokoll  vom  12.  Mai  de»selbea  Jahres  zeigt  ilm  tttls 
wieder  auf  Hebung  der  Oper  bedacht: 

»Spontini,  welcher  mehrfach  auf  die  grolU-  Verlegenheit  aufmerksaiu  ge- 
nuiolit,  in  welche  unsere  Oprr  (bir.'!i  rlic  T.  i;>ioni«'rung  der  S;;ii,ft«rin  Milder 
sowie  deu  bevon^ti  hendeu  Abgang  der  Siingeriu  Schult/,  versetzt  werde,  wieder- 
holte heute  seinen  .  .  .  dem  Herrn  Graftu  vou  iiedein  mündlich  gemachteu 
Autrag,  hüberon  Orts  su  beantragen,  daß  ihm  die  Mittel  gegeben  würden, 
eine  Kunstreise  xu  unternehmen,  um  Sängerinnen,  wie  sie  der  Küuigl.  Bühne 
not  thüten,  /u  engagion-n.  .  .  .  l)a.s  Kuratorium  maclile  ebenfalls  auf  die 
dringende  Not \von<ligk»^it .  für  die  Herbeischati"uiii5  vnii  t"ri!üg('n  Personen  für 
die  Oper  >iu  sorgen,  autmerksam  .  .  .  forderte  den  Herrn  (irafen  v.  Kedcru 
auf,  schleunigst  Maßregeln  zu  ergreifen,  am  dem  grüßen  Maugel  absnhelfan, 
der  sich  namentlich  nach  dem  Schlüsse  der  Gastrollen  der  Sonntag*)  zeigen 
werde,  und  bcnicrkte,  daß,  wenn  man  »um  Engagement  von  Operisten  jemand 
;ib«iMt<h>n  Wfilh',  Herr  Sp<intini  nach  seiner  Sti-Hung  in  der  mnsikali.sch* ü  ^^'olt 
nicht  withl  geeignet  scheine,  als  U nterhändler  zu  dienen,  weil  er  /u  sehr  die 
Aufmerksamkeit  errege,  und  die  Sänger  um  bo  höhere  Anforderuugeu  maclieu 
wUrden,  wenn  ein  Mann  seiner  Kategorie  sie  aufsuche.« 

TatsächHch  wurde  auch  aus  dieser  von  Spontini  beabtiichtigten 
Reise  nichts. 

1  (ieor*^  (icrii,  18(H — ISIiO.  ein  aii^i^c/iichtutcr  B;iß. 

2  Aug.  Zschieschü  ^eb.  um  18t>L),,  früher  Ch(>ri->t  der  Ikrlincr  Oper,  wirkte  seil 
IflS?  am  KunigMStadti$chen  Theater  in  Berlin,  wurde  im  September  1R29  for  die 
Königliche  Oper  engagiert  und  blich  hier  bis  zu  seiner  Pensionierung  am  1.  Oktober  18ßL 

'A  .Jost  |.lii  IM' Scliulze-Killitsrhf^y  (reb.  1790)  wirkte  v  -u  1813  bis  DozcuiImt 
18.S1  ati  der  JJi  rliiiet- ()j)er;  sie  wiir  vor  allein  eine  uu-l'^i  /' ii  hii«  te  Ki»loraltir-.Siingerin. 
aber  uueli  im  di'amat  iüclien  i  aehe  thätig.  JSo  »uug  t>ie  bei  dei  ersten  Berliner  yidelio- 
AulTuhruog  am  11.  Oktober  1815  die  Titelrolle;  auch  war  sie  die  erste  Berliner  »Eglan- 
tine«  in  der  Kuryanthc.  Sie  lebte  bis  1.  Januar  18H0T. 

4  Henriette  Sunt  ig  sat^f  1830  14 mal  on  der  BcrHuer  Hofopcr.  l>etrat  dann 
erst  1849  wieder  die  Bühne. 


.  ij  i^od  by  Google 


Wilhelm  Aitmum,  Spontini  an  der  Berliner  Oper.  279 

Wie  wir  ^^rilirn.  sulltf  tiiaf  liedern  Vorschläge  zu  einer  neuen  In- 
struktion für  8poiitiui  n):H*li(^n.  Er  reichte  sie  dem  Hausnnnistcr  am 
9.  September  1830  ein;  scai  Kutwiai  lam\  aber  nicht  in  allen  Tunkteu 
die  königliche  Genehmigung. 

Die  neue  Dienst-Instruktion  f  ür  Spontini  vom  8.  Februar  1831 
lautete: 

»Nachdem  des  König?*  Majestät  es  Tür  augemefcbeu  erachtet  haben,  diü 
Uber  die  amtlichen  VerhältnU»«  de«  General-Musikdirektors  Spoutini  sprechende 
Inetrnktion  vom  26.  September  1821,  welche  für  besondere  rm^tiludc  gegehen 
war,  aufzuheben,  so  verordnen  Allerhöch.stdieselhen  mit  ßncksicht  auf  den 
liihnlt  fh'r  Artikel  1  und  3  de?  mit  dem  ( lenend-Mu-ikdirektor  Spontini  ab- 
geschlossenen Kontruktt»  vom  ü.  20.  Auguät  ISIU  i  olgeudes  über  die  amt- 
liche Stellung  deBselben: 

§  1.  Die  Dienst-Obliegenheiten  und  BefugnisBe  des  General-Musikdirektor 
Spontini  bei  den  Th«-atern  haben  unter  Oberleitung  des  General-In' 
tendanten  zum  Gef/eiuif und : 

die  spezielle  Aufsicht  uud  Leitung  der  Oper  uud  der  t>on^>t igen  musikalischcu 
Leistungen  des  Opern-Personals,  den  Theater^Chor,  die  Kapelle,  die  Theater-^ 
Gesang-  und  Musikschulen. 

Er  ist  befugt  und  verj)flich(et,  in  Beziehung  auf  die^e,  all«-?»,  wodurch  die 
möglichste  Vollkomnu  t  heit  der  öä'eutlicheu  musikalischen  Dai'st^llungen  be- 
fördert wird,  zu  berücksichtigen. 

§  2.   Zum  besonderu  Wirkungskicis  degsclbeu  gehören  kieuuch 
L  in  der  Oper: 

a)  die  Verteilung  der  Gesang^Pnrtien  in  seinen  eigi.-nen  Opern  unbedingt, 

b)  iu  Werken  anderer  Komponisten  die  Vorschläge  zur  Verteilung  der- 
selben, 

c^  diwj  Beiwuhneu  der  Probeu  aller  Opern,  soweit  Heine  anderweitigen 
Oesdiäfte  es  zulassen, 

d)  die  Bestinmumg  Uber  Einlegung  und  Auslassung  effektioser  Musik« 

Stöcke  und  freTiidi  I  f  sang.-^-Xutuuiern, 

i-i  die  Ajioi (iiiuiig  der  sceiii^cbeM  Kinriclit ungen  in  seinen  Opern  mit 
liücksitht  auf  den  kiirssenniäßigen  Zustund  und  die  bestehenden  Grundsätze; 
In  andern  Oppm  nach  seine»  von  der  (ieneral-Inicndantur  eventuell  zu  ge- 
liehmigend<-n  Vorschlügen. 

f'  die  A'-  r^cliläge  über  Direktion  der  Opern  für  Kapelhn«  •  r,  Musik- 
ilirtklur  und  Kon/*  rf iiiei^ter,  insulern  er  sie  nicht  seihat  übernimmt, 

g;  Vorschlage  zur  Aufführung  neuer  Opern; 
n.  in  Bezug  auf  den  Th«ati»r-Obor: 

0;  die  Aul'siclit  auf  ei*  i  t^.  Iben  und  seine  Ausbildung  im  allgemeinen, 

b]  die  Prüfung  un<l  Anstt  lhing  der  eitiKelneu  Subjt'kte  nach  vorgSngiger 
Anzeige  an  die  ( iener:d-I  ntrntbmtui-; 

III.  in  Bezug  auf  die  Kajjell«-: 

a)  die  zweckmäßige  Benutzung  seiner  Mitglieder  nach  ihren  individuellen 
Eigenschaft»'!)  und  diu  Krfoi dei nissen  des  Dienstes, 

b;  die  J^riilung  und  d«  r  \'orsi  hing  zur  Anstt  llung  neuer  Mitglieder; 

IV.  in  Bezug  auf  die  Theater-Musikschulen'}: 

1)  Vergleiche  oben  S.  257  Anmerkung.  —  Über  die  königliche  MuBtlnchale  konnte 


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280 


Willielm  Altmanu,  Spontini  an  der  Beriiner  Oper. 


tt)  dii'  Aufsicht   ;iiif  T.'  liniH  th«»(lt', 

b)  Prüfung  und  ZalaBsuug  der  Schfller  und  SchQleriimeil  nach  den  be- 

■tehjMulen  (Ti'si'tzfii. 

lu  alleu  übrigeu  Fülleu  tritt  die  Kuukurrtuz  de»  G euural-Musi k- 
direktors  mit  ein: 

a)  bei  frenkden  Künstlern  ohne  Buf,  dafi  er  aie  prüfe  und  über  ihre  Zu- 
lassung oder  Abweisung  der  (T«Mieral-]ntendantur  die  nötlLrc  Anzeige  mache, 

b)  bei  Engntrenient,  ( Instiollt  ii,  Bewilligung,  Verabschiedung  von  Künstlern 
der  General-Iutcudantur  Vuiächläge  zu  niacbeu,  überhaupt  alle  ihm  zweck- 
mäßig eradieinende  Veriinderungen  im  Felde  der  Oper  etc.  bei  derselben  in 
Anrefg^ng  mi  bringen.  Die  General-Intendantur  winl  diesen  VorsehlSgen  be- 
Bondere  Aufmerksamkeit  widiiu  n  und  zu  ihrer  Ausfiilii  uni;  möglichst  beitragen. 

s?  3.  T)em  ( i I  i  u.<ik(lin  ktor  soll  endlich  iliis  ]\<  rlit  zustehen,  dem 
nach  diei«en  Bestimmungen  ihm  ebenfalls  untergcorthn  tt  n  l'eisonale  Zurecht- 
weisungeu  zu  erteilen.  Bei  Vergehungen,  auf  welche  bestimmte  Strafen  ge- 
setzt sind,  hat  derselbe  die  Schuldigen  der  General-Intendantur  snr  Bestrafung 
anzuzeigen,  welche  darauf  die  gesetzlichen  Verfügungen  zu  erlassen  ver- 
pflichtet ist. 

§  4.  Dem  ( »»  IU  I  jil-^rusikdirektor  zur  Reite  hat  die  ( Jrnt  i  al-Miisikdii  t'ktion, 
bestehend  aus  den  Kapelliueisteru,  Musikdirekturen  und  Kun/ertmeistcrn  als 
Vorständen  der  Kapelle,  in  der  bisherigen  Art  das  Beste  des  König!.  Opern- 
dienstes  wahrzunehmen  und  mit  ihm  gemeinsame  Vorschläge  zur  Anschaffung 
neuer  Opern  etc.  abzugeben.  Der  General-Musikdirektor  kann  riutnchten  Von 
ihr  erfonli  riK  und  die  (^leiierul-Musikdirektion  ist  zur  Aualuhnuig  der  von 
ihm  getrolleuen  Anordnungen  vei^jibchtet.« 

Vielleicht  Hätte  diese  neue  Instruktion  doch  noch  eine  ftir  Spontini 
günstigere  Fassung  gefunden,  wenn  er  nicht  zur  Zeit  ihrer  Festsetzung 

in  Paris  gewesen  wäre;  wie  wir  w^issen,  hatte  er  sieb  ursprünglirh  nur 
auf  zehn  .lahre  verj)flicbtet,  in  preußischen  Diensten  zu  bleiben,  der  Tennin 
war  abgelaufen,  ohne  daU  er  den  Vertrag  selbst  gekündigt  oder  gekündigt 
erhalten  hätte.  Als  er  Anfang  April  1831  nach  Berlin  zurückkehrte, 
war  er  natürlich  nicht  sehr  über  seine  neue  Instruktion  erfreut  ;  da  aucli 
Graf  Hedem  sich  nicht  immer  an  diese  kehrte  und  öfters  Maßregeln 
traf,  bei  denen  er  sich  mit  Spontini  hätte  in  A'riltmdung  setzen  müssen, 
wurde  das  Hausministerium  vielfach  von  beiden  Pai  teieu  zur  iSchliehtung 
der  Streitigkeiten,  die  sich  bis  in  das  Jahr  1832  liinzogen,  angegangen. 

in  den  Jahn-n  IS'SH  und  1S84  scheint  es  zienilirli  friedlich  zwischen 
dem  General-Intendanten  und  dem  General-Musikdirektor  zugegangen  zu 

deren  Leiter  Moser  am  27.  Juni  1842  bcrichtca:  »Die  königliehe  Musikschule  besteht 
seit  28  Jahren,  und  es  hat  sich  während  dieser  Zeit  die  große  Nutsliohkeit  derselhen 

diuhin  ]i  genügend  dargcthan,  daß  beinahe  die  Hälfte  der  i<  t/t  aiiu<  ^t<  l1(c>n  Mitglieder 
der  KaiH'llp  aus  diesom  Institute  lien'orgcgangen  Ui- .  K-  In  stand  auch  eine  eigens 
ViuIuMcell-Kliis'^'".  1S.V)  wurde  eine  Bläser-Klasse  uuter  W  ieprecht  l'i  liiMct.  Diese 
küjiigliche  Musikschule  wurde  187G  auf  Antrag  ihres  Leiters  H  über t  Iii  es  autgelöst, 
da  ne  durch  die  köuigliche  Hochschule  für  Musik,  das  Stem'sche  Konservatorium 
n>  s.  w.  überholt  und  fiberflilssig  geworden  war. 


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Wilfaebn  AHmann,  Spcmtini  «n  der  Berlmer  Oper. 


381 


sein;  im  Aii.^nist  und  Soiiteiubcr  des  letzteren  Jahre'^  war  8i>ontini  auf 
Reisen,  um  neue  Kräfte  für  die  Berliner  Opor  zu  gewinnen.  Nach  seiner 
Rückkehr  abergingen  die  Spannungen  wieder  los,  die  1 8155  einen  solclien 
Grad  annahmen,  daß  der  gegen  Spontiui  so  sehr  narhsiclilige  Kiinig  sich 
am  9.  Juli  1835  verbat,  mit  Einzelheiten  der  Streitigkeiten  belästig  zu 
werdeUj  und  »Spontini  bedeutete,  daß  er  keinen  Grund  habe,  sieb  über 
die  Nichteinhaltung  seines  Kontraktes  zu  beschweren,  zumal  er  seiner- 
seits die  ihm  in  Bezug  auf  Ox^ern-Komposition  auferlegten  Pflichten  nicht 
erfüllt  habe. 

DfiR  Spontini  sich  allmählich  die  Gunst  seines  königlichen  Herrn  zu 
verscherzen  anfing,  ju'ebt  auch  aus  der  Kabiüetsordre  vom  9.  Januar  1836 
hervor;  darin  heißt  es  unter  anderm: 

»Ich  will  Ihnen  wegen  der  Vermögens-Verluste,  welche  Sie  nach  Ihrei 
Eingabe  vom  2ü.  Dez.  v.J.  erlittou  haben,  meine  Teilnahmn  zwnr  nicht 
versagen,  sie  enthalten  indessen  iiir  >rich  keine  ViTsudassung,  zur  Minderung 
derselben  beizutragen,  da  Ihnen  von  dem,  was  kontraktmäßig  Ihnen  zuge- 
standen wurde,  nidits  «ataegen  worden  ist  Gegen  die  AnfRÜunuig  der  Oper 
»Agnes  von  Hohenstaufen«  habe  ich  mich  nicht  erklärt;  nur  in  der  Ber 
Stimmung  der  Zeit  der  Auffübrung  habe  ich  der  neuen  Oper  vor  der  älteren 
den  Vorzuff  trecrfbe?»  ,  .  .  Sollten  Timen  (Jerüclite  •/ii'^rknmraen  sein,  als  wäre 
ich  fragen  große  Opern  überhaujit  und  namentlich  gegen  die  von  ihnen  kom- 
ponierten eingeuQiumeu,  so  mögen  Sie  sich  damit  beruhigen,  daß  ich  jene 
Gerichte  als  Unwahrheit  beseicbne.  Es  sind  daher  aneh  keine  QrQnde  vor^ 
banden,  welche  Ihnen  die  Krall  rauben  könnten,  eich  dienstlich  mit  neaen 
Produktionen  Ihres  Talents  zu  beschäftigen.« 

Tftt^Uich  ging  Spontini,  nachdem  »Agnies  von  Hohenstaufen« 
völlig  umgearbeitet  war,  nochmals  an  die  Oper  »Mflton« ;  am  9.  Mai  1837 
schreibt  er  darüber  an  den  Gitefen  Hedem: 

*Dipuis  kl  priniiiii  pn'st  )itnti<ni  tjio  jius  fh(>}iiicur  de  rou>i  fnire  Ir 
IG  mar»  dernkr  de  mon  mmvcl  opcra  ^MHtom  Tod  und  Busse  fitr  Kouiys- 
mortf«,  dont  rous  avez  tu  d^puut  um  parHe  du  premicr  acte  et  tout  te  3^'  ou 
4"**  d  J^e^  dt  prmdre  date  d»  son  inserq^Hon  aur  vos  registrea  pour  la 
prioriti  de  röpresentatiov  ■'•■>tr  //.v  tfieatres  roiinKx  avant  kms  <iutnx 
ournifff'^  }iru'(>  -dminathitirs^  tnvß'iirs:,  drames  etc.  (jui  ^xnuraiint  tous  itrr 
j)re.^riites  sur  In  ri  rul  utioa  d'  Anyle  te  rre  du  17'"'  */'x7f,  suf  le  nyieidc  de 
Charles  P  ^  mir  In  itrot^ctorat  de  Cromwdl  ei  le  reinblisaemenl  de  Charles  11^ 
sur  MiUim  rt  mit  des  eeremonies  cj-piatoiresj  ctntrommnents  de  monarques  etc. 
fai  r>(  ,}  re  .sdjrt  plusieurs  eonrersatioM  avec  Mr.  le  profcssrur  liaupofh^  et 
snrtout  dihnniehe  d'  r/ilrr,  qiii  a  hv  n  vohIk  nie  deelnrcr  et  pn/f'  <fn-  f'rnirtfn'fft^ 
quil  ii'a  nwun  pi  njrt  nt  tiii  llciiind  ih  trni  'iiUf  r  sar  nxrun  d>s  .sujets  /  i-d>ss-iis 
itidiijiu^s^  et  fjiic  de  m  pait  j<  u  auKti  uid  tuotif  d'rnfnirfs-  ai  de  concnrrent'C 
ni  de  resset/Uflattce  d  tout  ee-  que  je  hn  ai  parti'  ipe  depui.s-  yuelfiues  mois  sur 
tout  ceci, 

tPar  ronsr»p<ent  je  mus  pri(\  Monsieur  le  Comte^  d>'  nie  donner  votre  de- 
daraäon  offhiclk  par  tcrit  au  «ujet  de  la  sttdite  priorili^  cotnme  vous  ttien 


Üiyilizeü  by  ^OO^lC 


282 


AVUbeüu  Altmanu,  Spoutiui  au  der  Berliner  Uj>er. 


envz  d^a  ejtprimi  vohe  eonfentemeni  du  aujel  ei  du  poetne  de  cet  opem^  que 
je  me  propose  de  faire  r^resenter  dam  Vhii'er  de  2fi!iü.  > 

Bereits  mtu  nächsten  Taire  ei  kläi  ti'  sii  Ii  <]»'r  Tntondant  mit  flcr  In- 
scenesetzuiig  von  »Milton«  im  Winter  iSoS  für  i  i  ^timil'  ii  uiirl  verspmcli, 
dn(i  vor  Aufführung:  dieser  Opor  weder  ein  mii-ik:ili>(  !h  s  noch  ein  rcci- 
liereiuirs  AVerk  ähnlichen  liiljalt-<  auff,'eführt  wtiiLu  ^olle. 

Einen  ihf^erlielien  Zwischenfall  fjah  es  mn  Ii  im  .lahre  1837  wegen  der 
Freibillete '  .  die  Spniitini's  Diener  verkauft  halte,  wobei  nicht  ganz  kkir 
war,  ob  .sein  11<  ir  nielit  doch  daran  beteiligt  war.  Dieser  befand  sich 
nämlich  seit  18iil)  in  grolier  Geldverlegenheit;  am  28.  August  1837  wurde 
ihm  vom  König  die  Rückzahlung  der  letzten  Rate  10(>0  Thaler  Gold; 
eines  Vorschusses,  den  er  damals  erhalten,  erlassen.  Viel  böses  Aufsehen 
machte  auch  das  Pasquill  eines  Studenten  Thomas,  der  freilich  schlieB- 
lieh  alle  Anschuldigungen  gegen  Spontani  zarücknehmen  mußte. 

Trotz  d«B  dadurch  hereiteten  Argers  arbeitete  dieser  doch  an  der  Oper 
>Milton  oder  Die  Buße«  weiter;  am  16,  Dezember  1837  überreichte  er  dem 
Herrn  Generalintendanten  im  ^Vfanuskript  den  Text  zur  Oper  >DieBuße<, 
welche  er  zu  komponieren  beabsichtige.  Der  Herr  General-Intendant  er^ 
klärte  sich  mit  der  Wahl  des  Stoffes  ganz  einverstanden,  doch  wurde  be- 
schlossen, das  Gedicht  zuvor  zur  Kenntnis  Sr.  Majestät  des  Königs  zu 
bringen.  Im  Jahre  1838  erbat  sich  Spontini  20ü0  Taler  zu  einer  Breise 
nach  England  und  Schottland,  um  dort  an  Ort  und  Stolle  Studien  für 
seine  neue  Oper  >Dio  Stuarts«,  wie  er  jetzt  »die  BuOc«  nennen  wollte, 
machen  zu  können.  Diese  Bitte  wurde  ihm  aber  nicht  erfüllt,  zumal  da 
das  ganze  Sujet  (von  Sobernheim  nach  einem  Raupach'schen  Entwurf) 
nicht  die  königliche  Bilh'gung  fand;  zugleich  wurde  am  3.  Juli  1838  dem 
Grafen  Bedem  befohlen,  >von  dem  Gedichte  der  erwälmten  neuen  Oper, 
auch  wenn  dasselbe  umgearbeitet  werden  sollte,  die  genaueste  Kenntnis 
zu  nelmien  und  darauf  zu  halten,  daU  . .  .  sowohl  in  der  Tendenz  des 
Opemgedichtes  im  allgemeinen  als  in  den  ein/einen  .Stellen  und  Situa- 
tionen nichts  Unangenehmes  vorkomm«\«  Trotzdem  ging  Spontini  auf 
eigene  Kosten  nach  England;  er  hliel)  im  ganzeii  vom  14,  Juni  1838  bis 
10.  August  1S3'.)  von  Jierlin  fort,  da  sein  rrlaul»  verlängert  wurde. 

Gleich  nach  seiner  Rückkehr  geriet  er  wieder  in  llcibereien  mit  dem 
Oberschenk  von  Arnim,  der  damals  den  ( i rafen  liedern  vertrat,  nament- 
lich wegen  des  Krwerhs  der  Oper  »Der  Feensef>  von  Auber').  An  der 
neuen  Oper  scheint  er  dann  lieilhg  gearbeitet  zu  liaben,  wenigstens  sollen 
am  5.  Mai  1840  große  Partien  lertig  gewesen  sein,  doch  überreichte  er 

1;  Ik-i  .((mJi'v  Aiittiiliniii^'^  filier  HoiinT  Op«  rii  tnlii-'h  Spontini  2ö  Freikarten. 
2  Dinsf  0)M'i-  Auber's  ist  seit  dem  14.  Uktt>ber         mehr  als  lüOmal  in  Berlin 
autgctulirt  wuideu. 


i^'iLjuiz-uü  by 


Wilhelin  Alfanutn,  Spontüki  an  d«r  B«rliner  Oper. 


283 


erst  am  27.  Mai  1840  »lern  Grafen  Kedern  den  Text  der  dreiaktigen 
Oper  »Das  verlorene  Paradies«,  einer  völligen  Umarbeitung  der  Oper 
»Die  Stuarts«.  Der  Regisseur  Baron  vuii  Lichtenstein,  der  den  Text  zu 
begatachtcn  httte.  sagt  darüber,  es  dürfte  kaum  möglich  sein,  »ein 
passenderes  Opernbuch  für  die  grandiose  Gattung  Spontini'scber  Musik  zu 
finden  als  das  vorliegende.* 

Statt  aber  seine  Zeit  nur  auf  Fertigstellung  dieser  Oper,  die  er  für 
März  1841  angekündigt  hatte,  zu  vrrwenden,  brach  er  wieder  alle  mög- 
lichen Streitigkeiten  mit  Graf  licdern  vom  Zaune;  als  er  sich  wieder 
einmal  Be.schwerdc  fülirend  an  den  (neuen)  König  —  sein  alter  Gönner 
Friedrich  Wilhelm  1 1 1.  war  um  7.  Juni  1840  verstorben  —  gewandt, 
fordeitt  dieser  vi-m  Uraf  Hedem  Bericht  ein.  Unter  dem  26.  November 
1840  schrieb  dieser: 

»Wenn  der  p.  Spoutini  in  diesem  (iesuche  voiv-ugswei.se  darüber  Bc- 
Schwf  rd«'  führt,  daß  das  meiner  Leitunir  nnvertraute  Institut  den  Werken 
deutscher  Kompouistuu  nicht  den  verdienten  Anteil  widme,  so  wird  das  Un- 
wahre  dieser  Angabe  am  thatstteUichsten  dadureh  bewiesen,  daß  seit  dem 
Jahre  1828,  wo  ich  mein  Amt  antrat,  nicht  allein  die  Werke  aller  nur 
irgend  bedeutender  deutscher  Tondichter  zur  Aufflihrnnj;  gefördert,  sondern 
den  Bc  stK  IniiiL'i  n  jünfrcrcr  Tah-nte  aufmuittt  riider  Anteil  gewidmet  worden 
ist.  Die  größten  ^i^«ut^^chtIl  Tondiclit«'r  neuerer  Zeit,  Beethoven  und  K.  M 
V.  Weber,  lebten  nicht  mehr,  als  ich  die  Leitung  der  Königl,  Bühne  über- 
nahm, aber  Spohr*»  Faust,  Rieß's  Bäuberbraiit,  Marsebner'B  Templer  und 
.Tüdin,  Hans  Heiling,  Falkners  Braut,  Reißitrer's  '^Felsen)  MühU'  v<in 
Estallieres,  Hummers  Mnthüfh'  Vfin  Ouise,  Clever  Beer's  Robert  der 
Tenl'el,  Woltratii  8  Bergmönch,  »Schloß  Candra,  Drakaeiia,  Lüwe's  Die 
drei  W ünHclie,  Liudpaiutuer's  blühende  Aloe,  Kosenmädchen,  Macht  des 
Liedes,  Lortzing^s  Ozaar  and  Zimmermann,  die  beiden  Schätzen  kamen 
zur  AuffTilirung,  ebenso  die  Versuche  jüngerer  Talente  wie  Arnold^', 
Truhii-.  Kücken^,  Lau  er      Kckert'*!,  Schmidt  "^J. 

»Soviel  mir  bekannt,  waren  «s  die  Op^rti  >  Alfred  der  Hroßef  von  .1.  1'. 
Schmidt^),  welche  nur  zweimal  gegeben  wiirde,  und  »Die  deutschen  Herren 
Ton  NOmberg«  von  Baron  t.  Xiichtenstein^),  die  schon  na^  der  ersten 
AufifBhrung  vom  Repertoir  ginzlich  Terscbwand,  denen  der  p.  Spontini  eine 
be8ondere  Teilnahme  widmet»  ,  wie  er  denn  nußer  seinen  eigenen 
Werken  nnr  »Armida«  und  >Dou  Juan«  dirigiert^)  hat.   Sehr  selten 

1)  Arnold'»  Oper  »Treue«  kuin  18^V2  zwtimal  jmr  Darstellung. 

2)  Truhn's  Oper  »Trilby*  183Ö  zweimal. 

3)  Klicken »Flacht  nach  der  Schweiz«  von  1899—1641  swolfmal. 

4  Laurr's  Oper  »Orakelsjnucli'  1^^!''2  zwi-iin.d. 

n  Kl  k'  i-t's  Oper  »Kätchen«  löä?  dreimal,  »Der  Laborant  im  Bievengebirge« 

IBäü  zweimal. 

6]  Ist  hiermit  der  BaUett-Kümpunist  H.  Schmidt  oder  der  bald  genannte  3,1'. 
Sehmidt  gemeint?        7)  1830.        8)  1834. 

0)  Ist  doch  nicht  ganz  riditig;  so  hat  Spontini  am  18.  Jannar  18S9  die  erste 
Anfßhrung  der  von  Eapellmeister  Schneider  einstudierten  >Stwnmen  von  Portioi«, 


Digitizeci  by  Ct.jv.'vii- 


Wilt^lm  Altanaiin,  gpouUiü  4a  der  .Bertiner  0|^« 


liat  er  dif  Proben  der  Opern  besucht)  uoch  viel  weniger  sie  geleitet,  und 
die  Ton  dem  befolge  am  meisten  gekrönten  sind  lediglich  dur4i  die<3org£B^t 
der  Kapelldirigenten,  des  verstorbenen  Kapellmeisters  Schneider^)  .und  4m 

Kapellmei>(<  r>  Heuuing^j  in  dje  Scone  gegangen.  Ebenso  war  es  in 
früheren  .luhren  drr  Fall.  Aus  dem  ^Ttinrlf'  des  verewigten  Orafori  Brnhl 
weiß  ich,  und  die  Akten  beüüitigeu  du»  Uesugte  viellach,  mit  ^ekhou  Mühen 
es  verbanden  war,  Werke  bedeutender  lebender  Komponisten  ziv  Anfführung 
zu  bringen.  Nafoentlich  war  das  i|iit  Weber*8  Opern  dtr  Fall'Ji  ood  der 
glückliche  Erfolg  seines  >Frei8ehüt/en<,  der  mehr  als  ^ine  Oper  b^  d^m 
Publikum  Kiii^aiiir  fand,  des'^eu  zwoihundtTi^to  Yorstrllmitr  ?eit  seinem  Er- 
scheinen im  J.  1821  lu'vot>ti'ht  —  ein  in  der  Theaiergeschicbte  höch^^t  ?!p1- 
teuea  Ereignis  —  hut  dor  Kasae  die  höchste  Einnahme  gebracht  gleich 
Moxart'e  >Zanberflöte<  und  >Don  Juan«.  Diape  EiffTsadit  4«s  Bpontani 
machte,  daß  Wcber*B  »Oberon«,  weldier  sdion  Up  J^h^e  X826  .eriwhien,  ^nt 
1828  zur  Aufführung  gelangen  konnte. 

»In  allen  Fidlen,  wo  da^  (Ttitachtfn  der  Ot'iiernl-Musik-Dirüktion  sich 
nlojit  für  eiji  .Werk  ftu^spra(4i,  ist  solche»  immer  von  iSeiten  der  General- 
Intendantur  dem  Komponisten  snrftekgMteUt  worden;  niemabi  ift  dies  aber 
dorcb  den  Spontini  selbst  geschehen^  wie  dieser  es  in  jeinem  Immediat- 
gesuche  nunmehr  angLebt  Hatte  die  Verwaltang  -aber  Auf  die  Vorschläge 
des  (.Teueral-Musikdirektorr^  Rpontini  warten  wölben,  an  wäre  da»  liepertoir 
gewiß  außer  dest^iuu  eigenta  Werken  niemals  mit  eiu«i'  Up«r  von  M»jer  J^eer^), 
Auber,  Bellini  oder  Donizetti  bereichert  worden.« 

In  seinen  weiteren  Ausfülinmgen  peht  nun  Graf  Ivediru  auf  die 
einzelnen  Opern  ein,  deren  i\'lileu  im  ivepcrloir  von  Spuntiiii  tadelnd 
dem  König  berichtet  worden  war.  Uns  dürfte  daraus  etwa  Fplgeiuies 
interessienn: 

»Die  Spohr  sehe  Oper  »Der  .\1<  hyniist«  ist  von  dem  Komponisten  fichon 
1827  dem  Grafen  Brüld  zur  AuÜiiliruug  übcrsaudt  worden.  Als  der  General- 
Musikdirektor  Spontini  sie  aber  zur  PrOfung  erhielt,  drang  er  darauf,  sie 
dem  Spohr  zurückzuschicken  und  ihn  dabei  aufzufordern,  den  Text  KU 
ändern.  Dartiber  fUMte  sieb  Spohr  verletzt,  und  so  unterblieb  die  Aufführung 
gänzlich. 

am  6.  November  18&6  die  100.  AnlYUhrang  des  »Freisehfits«,  1888  »die  Abenoersgenc 

von  Cherubim  geleitet 

1  Georg  Abraham  Sehneider,  ursprünfrlirli  KüTiTmenmisikcr  Waldhcirnist^  !?eit 
ö.  April  182(11  jSIusikdirektor,  do'-h  mit  der  Verptln  limnLr  ii"t lu^cutalls  S<iliipartien  auf 
den»  Waldhorn  im  Orchester  zu  überueLuieu,  seil  b.  Juli  lt>2b  KaptilimeiKtur,  1.  Aprd 
1838  pensioniert,  gestorben  19.  Januar  1830. 

2  K.  W.  Henning,  ein  sehr  tüchtiger  Chiiger,  war  vom  Juli  1823  bis  April 
182(>  Kapellmeister  am  I\  "iiiGTHtiultisclien  Theater,  trat  suf  Spontiui's  Wuusdx  dann 
T\h  Kosr-iertmeister  in  die  Könif;liehc  Kapelle  wieder  ein,  wurde  am  21.  A^|il  1836 
^iusikdirektgr,  30.  Oktober  1840  Kapellmeiütcr;  yeusioniert  1.  April  1848. 

3)  Vergleiche  hierzu  oben  S.  262  und  271. 

4«  Meyerbeer'a  »Emma  von  Besburgo«  mur  1820  vor  Spontini*«  Amtsantritt 

aufgeführt  wortlen;  der  *Crncioio*  gelangte  (übripeus  auf  Me\ erbeers  "Wunsch)  gar 
nicht,  drr  »llobert«  18/52.  rli.-  > !Iu;icnottcn<  (erste  Pariser  Aufßihcong  ^1838}  erst  1842 
nach  Spontini 's  Abgang  zur  Auiluhrung  in  j^erlin. 


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WübeltD  Altanttiiti,  fiponimi  «a  dar  BacUnar  Oper. 


286 


Die  Oper  »Das  X.iohtlairpr  von  Oranada*  von  Kreutzer  ist  von  dem 
K oinpontsfpn  nur  allein  dem  Köuigätädter  Theater  zur  Auiiühruag  Ubersaudt. 
Der  iuieudautur  Ew.  Köolgl.  Majestät  Tlieater  ist  daher  ein  Mangel  an 
Anteil  iOr  diesas  Weik  oioht  Tonawarfen,  smaal  detaen  Op«m  »Ltbuas«« 
und  »Gordalift«  «uf  dar  Köni^l.  Buhne  aufgeführt ^}  worden  sind  .  .  . 

»Dag  neuerdlni^H  von  Spuntini  drinjorend  empfohlene  Hingspiel  de-s  Baron 
V.  Lichtenstein  Dti  Hofbarbier«,  dessen  er  in  Beinern  Immediat-Gesuch 
gleichCalls  erwähnt,  wird  apäter  zur  Aufführung^]  kommeu,  wobei  ich  nur 
wünschen  kann,  daß  es  einen  gQnfltigeren  Xirfolg  haben  möge  als  seine  Oper 
»Dia  deutschen  Herron  von  Nürnberg<,  welche  mit  großen  Konten  in  Scene 
ging,  und  ebenso  wie  seine  früheren  Singspiele  >Singetbee  und  Liedertafel« 
und  -»Die  drei  l'agen«  bei  der  Auf}uhniii'_r  fränzlich  durchfielen.  TS'arum  abor 
empfiehlt  der  Gouer^l-Muaikdirektor  Spontüu  iiicht  »die  HugeuoU«uc  .von 
Meyer  Bear,  »Hans  Sadu«^)  von  Lortaing,  »die  Gfinuaiarinc .rim 
Lindpaintner,  die  flbarall  Anerkenuong  findan,  nnd  die  wir  notwendig 
gaben  müssen  ? 

»SchlielUicli  erlaube  ich  mir  Kw.  K'hiitjl.  Majestät  ehrerl)i«  tijdt  zu  be- 
merken, daU  der  p.  Spontiui,  dessen  geniales  Talent  als  Ivuiupuiüst  der 
Veatalin,  des  Cortez  und  der  Olympia,  wie  seiner  spätt)r  iur  Berlin  geechrie- 
baaan  Opern  Kurmahal,  Alcidor,  Agnea  att^ei^weiB  Ith  ToUUuNninan  anerkenne, 
dessen  genauer  und  umsichtiger  Direktion  seiner  Opern  ich  alle  Gerechtig- 
keit widcrfnlireii  lasse,  ftir  »  im-  <Ii  ut  i  Ik  fr<"?chäftliche  Verwultu Jii,'  hIs  ita- 
lieniscln  r  Fr^nzn«*'  um  nicht  gteigiul  if.1.  Zu  leidenschaftlich  und  von 
augeublicklichcui  iiali  und  Liebe  für  oder  wider  die  Menschen  einge- 
nonuaen,  sind  alle  gesehttfUiehen  Berübmngen  mit  ihm  »ehr  eohwar,  oft  gans 
ntusfiglich,  \v<  il  seine  übergroße  Eitelkeit  ihn  faat  uunrechnungsfähig 
macht  nnd  ihm  dann  neben  sogenannteni  Ueist  leider  die  gesande  Vernunft 
ganz  abgeht. 

»Nach  seiner  Dienst-Instruktion  soll  er  nur  Vorschläge  machen,  und  der 
General-Intendant  ist  verpfliditet,  diesen  Vorschlägeu  die  möglichste  Anf- 
merksamkeit  zu  sehenkeu. 

»Damit  begnügt  er  »ich  aber  nicht,  erkennt  den  Chef  niemals  als 
solchen  an  und  verlangt,  daß  seinen  augenblicklich<Mi  Ivaunen  stets  unbedingt 
Folge  gejj'eben  werde.  Darüber  geht  aber  das  Institut  zu  Grunde... 
SoH  aber  die  Bache  nodi  einigermaßen  erhalten  werden,  so  mitfi  tidh  der 
p.  Spontini  Bigen  und  bei  seiner  ihm  dareh  Kontrakt  nnd  Instruktion  an- 
g.  wlegoneu  Wirksamkeit  ^ich  btgnflgen.  Will  er  bei  leiner  übertriebenen 
\'ijrnehmheit  das  al.i  r  nii  ht,  so  mag  »  r  :inf  die  mir  oft  geäußerte  Idee  de 
(kmandrr  au  rot  unt  /icusion  .  .  .  zurückkoniinen,  und  Ew.  Königl.  Majestät 
haben  dann  die  Wahl  unter  den  Hofkapellmeistar  Mejer  Bear^],  Meu- 


1;  Die  romaatiscbe  Oper  »Libussa«  wurde  nur  im  Desember  1823  dreimal,  »Oor- 
delia«  nur  1827  zweimal  aufgeführt. 

2   Kam  (ini  li  nii  jjt  zur  .\iiflTiLi unrr. 

3'  Kr»to  Berliner  Auttülaung  nach  Spontmi  s  Beseitigung  uni       Mni  1S1"J. 
4y  Erste  Berliner  AuttÜbrung  nach  Spuntini  s  Abgang  5.  August  IKH  nur  /.weiniai 
gegeben'. 

6;  Kam  in  Berlin  Iberhaupt  nicht  aar  AüffBhnmg. 

tV  Me  verheer  erhielt  nach  der  erfolgreichen  Berliner  Aufführung  seines  »Bobart« 
1832  den  Titel  eines  königl.  Preußischen  liof«KapeUmeisteirs. 


Digitizeci  by  C«.j^.'u.ii- 


286 


Willielm  Altmum,  Spontmi  im  der  Berliner  Oper. 


(lels»iolin  und  Lind  j»ai  Iiht.  dn»i  niicrknimt  tiicliti^'uii  uiul  u.'i  iiiiilt-ii  Prtjuüen. 
oder  ujiter  talentvollen  Leuten  wie  ReitJij^er,  Löwe,  Lurt/.iug,  Marnch- 
Der,  Laehner)  Krentaer.  Alle  ohne  Unterschied  hsben  sich  wie> 
dorholt  erboten,  sobald  Spontini  Berlin  verläßt,  in  Ew.  Königl.  Majestät 

Dienste  an  die  Spitze  der  K;i|ullr  zu  treten.  Sie  sind  Uberdir?  T>«nitHche 
und  nebenbei  verntinftiire  und  verträgliche  !^^f'n'■  eben .  mit  denen  mau  dad 
\S'ohl  der  Sache  ohne  Huder  und  Arger  zu  lüiiiciu  hoifeu  darf.* 

Auf  diesen  Bericlit,  der  durchaus  sachgemäß  war,  erhielt  Graf  Hedem 
unter  dem  6.  Dezember  1840  folgende  Antwort: 

^T)eF  K"inigs  Majestät  haben  Sich  , . .  Überzeugt,  daB  die  der  König!. 
General- Inteiiflaiitur  der  Schnu'jpiele  Sotten"  des  Genernl-Mn^ikdirektor.s 
Spontini  genuuhten  Vurwiaie  vse^'t-ii  Zurücksf(./.ung  der  dramatischen  Werke 
deutscher  Muhiker  nicht  begründet  sind,  Uußerten  aber  bei  dieser  Gelegen- 
heit, daß  von  dem  großen  Schatz  Uterer^  ecbfiner  Opern  gar  Tiele  mit  Un« 
recht  vom  ]{i  ])rrf oir  verschwunden  seien.  So  beispielsweise  Oedip  von  Sao- 
chini^',  TVidoiii'  uliainlnnata  von  PicriTii,  dei  Zauberwald  nebst  anderen  Kom- 
positionen von  liighini,  die  Salieri  schen  (.>p(  ru  u.  d.  ni,,  allppi  Mr-i^tt-rw«  !  k»«. 
die  etj  sehr  verdienen,  wieder  auf  die  Jüdin»?  gebracht  und  nicht  durch 
neuere  Kompositionen  verdrängt  m  werdenj  welche  ihnen  an  Wert  gar  weit 
nachstünden.  € 

Als  in  einem  Artikel  der  »Zeitung  fQr  die  elegante  Welt«  (1840,  De* 
zember  28/29)  behauptet  wurde,  daß  Spontini  künftig  durdiaus  dem 
Grafen  Eedem  unterstellt  sein  sollte,  brachte  jener  eine  sehr  unglücklich 
abgefaßte  Erldämng')  in  die  »Allgemeine  Leipziger  Zeitung«  (20.  Januar 
1841j,  daß  er  seine  SteUung  aufgeben  würde,  wenn  er  nicht  gegen  Hedem 
Eecht  bekäme.  Die  Folge  davon  war,  daß  gegen  ihn  eine  Anklage  w^n 
Majestäts^Beleidigung  erhoben  und  ihm  eine  Büge  vom  König  erteilt  wurde; 
auch  brachte  diese  »Gesetz  und  Anstand  verletzende  Erklärung«  im 
Publikum  eine  solche  Erbitterung  hervor,  daß  die  Polizei  Störungen  be- 
fürchtete, folls  Spontini  am  5.  Februar  die  Oper  »Iphigenia«  dirigieren 
würde;  sie  bat  daher  die  Intendanz,  einen  Stellvertreter  zu  ernennen, 
was  auch  geschah. 

Der  König  war  trotz  allem  gegen  Spontini  sehr  wohlwoUend;  er 
setzte  am  ö.  Februar  1841  eine  Kommission  ein,  welche  dessen  Be- 

1)  Der  »Oedipos  in  Goluuosc  von  Sacohini  war  von  1797  bis  182d  47  mal  ge- 
geben worden,  erschien  aber  trots  dieses  Wunsches  des  Königs  ebenso  wenig  wieder 

auf  der  Bühne  wie  Piccini'a  >I)ido«  (von  17*>0— 1808  25  mal  gegeben)  oder 
Righini'»  »ZBuberwald<  ivon  1^11— ISl/i  ♦)  la  il  n^r_:i  ben  . 

2]  Sjtontini  sagte  'Inrin,  dali  der  i'aU  unmöglich  sei,  dali  der  König  Bich  zu 
guQsten  Kedums  gegen  ihn  entscheide,  «denn  er  würde  die  Unterschrift  und  das  ge- 
heiligte Wort  zweier  PTeaßisdber  Könige  kompromittieren«. 

3}  Die  Kabinetsordre  vom  6.  Februar  1841  schließt  mit  den  Worten:  »Ich  kann 
nur  annehmen,  daß  eine  leidenschaftliche  Aufwallung  Sie  dazu  veranlaßt  hat,  eine 
Taktlosigkeit  zu  beweisen,  derrn  RüpT  ich  gern  überhoben  geblieben  wäre  und  vor 
deren  Folgen  ich  ISie  nicht  schützen  kann.« 


L.  kj  .i^cd  by  Google 


Wilhelm  Alimann,  Spo&tini  an  der  Berliner  Oper. 


287 


schwcriieu  untersuch« -n  und  darübiT  ('ntschfidcn  sollte.  Die  Mitglieder 
dieser  Kommission  waren;  ilor  Wirkl.  GtlieiiiH*  Rat  von  Masst.w  (Vor- 
sitzender', der  Gebeime  Obf'r-Tril)unalsrat  von  \\'iiitt'rf('ld.  dw  Professur 
von  2sauiii;iiin  und  der  (.u'lu'ime  Ober-Finauzrut  vuii  (Jruiu'nllial.  Diese 
Kommission  übersandte  Spontini'sBescbwerden  zunächst  dem  (J raf  lle<lern ; 
uns  interessiert  vor  allem  der  ö.  Punkt  »es  habe  ein  Kontmktbruch 
stattirefunilen,  indem  ihm  die  Handluri^n  n  und  Texte  (Gedichte)  nach 
Art.  3  seines  Kontraktes  von  der  Gen*  ral-Intendantur  nicht  wären  zur 
Komposition  neuer  Opern  geliefert  worden.  Damit  be^aündete  Spontini 
auch  die  Forderung  von  8chaden-Frsatz  dafür,  daß  ihm  die  durch  den 
Kontrakt  zugesicherte  Gratifikation  von  1050  Talern  für  die  erste  Aiil- 
fOhrong  jeder  neuen  Oper  entgangen  und  ihm  auch  der  Vorteil  benommen 
sei,  den  er  durch  Verkauf  der  Partituren  an  andere  Theater  und  an 
Kunsthandlungfen  gehabt  haben  ^rde  und  welchen  er  für  jede  neue 
Oper  auf  3000  Taler  berechnet«  Er  forderte  Oberhaupt  einen  Schaden- 
Ersats  ron  46,850  Talern. 

Mit  Recht  betonte  Graf  Hedem  in  seiner  Gegenschrift,  daß  von  einer 
Verpflichtung  Spontini's  »nur  diejenigen  Texte  zu  komponieren,  welche 
ihm  die  Intendantur  Übersenden  würde«  in  jenem  Kontrakt  nicht  die  Bede 
sei,  was  auch  aus  §  5  hervorgehe.  Im  Hinblick  auf  die  Komposition 
der  Oper  »Agnes  von  Hohenstaufen«,  zu  der  Spontini  im  ganzen  12  Jahre 
gebraucht)  sagt  Graf  Bedem: 

»AVolltü  mau  noch  Beweise  suchen,  daß  es  ihm  uuch  im  Büsitzt*  d«T 
trefifliehsten  Texte  dennoch  nicht  möglich  gewesen  sein  würde,  den  Verbind- 
lichkeif lu  nachzukomnj>  n,  /ii  d.  nm  «  r  sich  beim  Abschluß  Beines  Kontrakts 
verpflichtet  hat,  diu  Geschichte  der  Komposition  dieser  einen  Oper  würde 
dies  vollstündt<_'  ho'^tntiu'eii.« 

D»  . .  .  dem  p.  Spontini  die  Wahl  gelassen  war,  wenn  er  geeignete  Texte 
fHnde,  sie  zu  komponieren,  so  konnte  es  ihm  nicht  schwer  werden,  zumal  er 
vor  seiner  Ankunft,  wie  der  Kontrakt  beaaf^i,  bereits  in  Frankreich  mit 
Dichtern  wegen  Komposition  einiger  Opern  Verbindlichkeiten  eingegangen, 
ihre  AnffVihrung  hier  zu  bewerkstellii^en.  Bereits  im  Jahre  1822  fnipfahl 
der  verewigte  Graf  Brühl  dem  Spontini  das  Trauenipiel  »Das  Kreuz  an  der 
Ostsee«  von  UTemer  als  zur  Bearbeitung  eines  für  die  Oper  geeigneten 
Stoffes,  und  der  Prediger  Hauchecome  wurde  beauftragt,  es  fflr  ihn  zu  über» 
setzen.  Eine  KoiTespoudenz  mit  Goethe,  welche  sogar  zum  Druck  befördert 
ist  (Tiorow,  DeiikwiM  iliLdviit-  n  .  Im  AS  ri~f ,  iliiß  Spontini  sdion  seit  vit>!t*n  Jahren 
im  Besitz  eines  vortreü liehen  UperugedichtB  von  .louy  sich  beündet,  »/<« 
AUti  nü  nucst  betitelt 

»KrwBgt  man,  wie  viele  Jahre  über  die  SohSpfuug  dieser*)  "Werke  hin- 
gegangen und  gedenkt  man  «einer  öfteren  Reisen,  so  Iftßt  sich  wohl  nicht 


1]  Die  Kosten  der  szenisi  hon  EiurichtuDg  von  Olynipiii,  Nurmahol,  Alcidor  and 
Agnes  von  Hohenstaiifen  jriht  Graf  Ködern  auf  88213  Taler  an. 
2  Nümhch  Nurmaiial,  Ateidur  und  Agnes. 

ö.  d.  L  M.  IV.  '  19 


288 


Wah^  Altaunn,  %)Ostiiii  •»  der  BerliiMr  Oper. 


bfigreifeiiT  womit  deiwlbe  setM  Eordermng  siif  Scbndeo'Sntthi  bcgtOadea  will ; 

denn  daH  er  nicht  imätaude  f?ew*»s«n  wäre,  jährlich,  wie  es  in  seiner  Aii<r;tl»e 
dneh  HU  liegen  scheint,  ein  AVerk  von  dem  Umfange,  wie  diese  drei  Ojpeiu 
zu  komponieren  —  denn  Olympia,  zu  deren  Vollendung  10  Jahre  nötig 
wares,  war  schon  vor  seiner  Ankunft  in  Paris  gegeben  —  nnteriiegt  n&ek 
dem,  WAS  Mrir  hier  erlebt,  wohl  keinem  Zweifel.  Wenn  er  aber  hierbei  an— 
filhrt,  daß  ihm  dadiii-cli  i  h  der  Vorteil  (^enomiuen  sei,  den  er  duith  V«.t- 
kauf  au  audore  Thefitrr  und  Kunsthandlungen  gehabt  haben  wür»lf».  go  wider- 
legt bicli  die»  von  »eliwt  genügend  dadurch,  daß  mit  Ausnalime  der  Oper 
Olympia,  welche,  wie  icb  weiß,  nur  in  Dannstadt  nnd  Dresden  gegeben 
wräden  ist,  weder  Alcidor,  Kormahal  noeb  Agnes  Ton  Hohenstaufen  anf  irgend 
einer  eur^iisohen  B^m  rar  AnffObning  gekaaniMi  sind . . .« 

Noch  be?or  die  Kommission  ihre  Arbeit  beendigt  hatte,  war  Spontini 
vom  Kammergericht  zu  einer  neunmonatlichen  Festungsstrale  verurieilt 
worden.  Er  appellierte  gegen  dieses  Urteil  und  heschloS,  da  das  Gerücht 
Terbreitet  war,  er  sei  seines  Amtes  enthoben,  am  8.  Apnl  den  »Don 
Juan«  zu  dirigieren  und  ließ  sich  auch  nicht  zurflckhalten,  als  die  Polisei 
-darauf  aufmerksam  machte,  daß  Buhestoningen  zu  befürcbten  seien. 
Diese  trafen  auch  ein.  Mit  Mühe  gelang  es  Spontini,  die  Ouvertüre  wenigstens 
zu  Ende  zu  bringen;  dann  mußte  er  den  Bufen  »Hinausc  Folge  leisten. 

Unter  dem  10.  Juli  1841  erteilte  dann  der  Konig  dem  (reneral-Musik- 
direktor  Spontini,  »nachdem  die  Kommission  ihr  Geschäft  vollendet  hat 
und  auch  bei  der  vom  Kammergericht  ero&eten  Untersuchung  seine  Aa* 
Wesenheit  nicht  mehr  erforderlich  sein  wird,  einen  siehenmonatlichen  Ur- 
laub, c  Aber  erat  am  31.  Ausist  roiste  SpoDtini  ab,  nachdem  er  noch 
die  niederschmetternde  köntgUche  Xahmetsordre  vom  2b.  August  efhalten. 
Sie  lautete  namUch: 

>Die  generelle  Beschwerde  betr.,  daß  die  Dienst-Instmlctioin  vom  8.  Febr. 
1831  die  Kontraktß-Bestimnmngen  von  1819  verletze,  so  kann  ich  m Iah  nur 
für  <Ii«  ^lajorität  der  KoannissioB  dahin  entsobeiden,  dai^  dies  keineawigo 
der  Fall  nei   

»Alle  Geldfuixleruugeu,  welche  der  p.  Spontini  doähalb  macht,  weil  au- 
gebliohe  Kontrakta-Bestimmnngen  nicht  gehalten  worden  sind«,  sollen  »Uar 
mdit  entschieden,  sondern  derselbe  damit  «um  Wege  Aecbtene  Tenriesen 
werden«.  .  . 

•  Aber  nicht  allein  die  Erörterung  einzehier  Bc  chwordtpunkte  lag  in  dorn 
der  Kommisaiou  geschehenen  Auf  trüge ;  es  kam  auch  aul  die  Darstellung  d«3t> 
ganzen  Geadiftfl^yeihältnisses  und  auf  Angabe  der  Mittel  an,  ein  besseres  zu 
begrOnden.    Die  Resultate  haben  ei|reben,  daß  bei  der  IndividuaUiftt  den 

Spontini  nach  20,jähriger  Erfahrung  sich  nicht  hoffen  läßt,  ein  Niedlichen 

V<  rli:ntiiiß  bpst(>hrn  7n  «ehon,  durcb  welches  allein  ein  p-emeinaamets,  bcil- 
bringendeH  hinwirken  zum  Besten  des  mtisikalischen  iiiütitutti  der  ßchau.«piele 
sich  würde  erwarten  lassen.  Ich  habe  daher  beschlossen,  den  p.  Spon- 
tini aller  der  Verbindliohkeiten  zu  entlassen,  welche  ihm  durch  den 


1)  Überhaupt  wurden  die  meisten  speeielleo  Klagen  als  erledigt  angeaGhan. 


Wilhelm  AUmans,  Spuxituu  im  der  Beriiiiar  Opsr. 


289 


Kontrakt  von  1819  und  die  lutmktioiieii  von  1881  und  18S1  ssfexiogt 
worden  siad,  nii4  mithin  alHs  sn  l59«n,  vaa  ihn  blähe r  mit  der 

G  eueral-Intendantur  Mt  iner  Schtuspicle  iu  Terbinduug  gesetzt 
hat.  Alles,  was  p.  Spontini  Malier  nu  Oeldvortfilen  inid  Titelverlt-Uiunp 
aus  den  kontraktlichen  Bestimmungen  belogen  und  sich  zu  eri'reuen  gehabt 
hat)  soll  ihm  verbleiben,  und  er  soll  in  dem,  waa  er  jetzt  bezieht,  iu  nichts 
geiiefamilwt  werdm.  Seine  ganze  Mofie  aeU  er  der  ¥ompQaition  «idmen, 
nnd  Ich  ka^n  nnr  aonehmeu,  daß  e^vtere  vohtthjvtig  auf  letztere  einwirken 
wridi',  da  von  nun  an  alle  Heibuogon  und  die  maniiigfaltigendcn  Beschwerden 
vvt'<:fnll(n  wt nitri.  welche  die  Leidenschafteii  aufregten  uiul  dem  (leiste  die 
Ruhe  nuhuien,  die  zur  Hervorbriugung  genialer  Werke  durchuua  erforderlich 
iat.  Ich  rechne  hierbei  anf  Spouiini'e  volle  Dankbarkeit,  indem  Icii  »eine 
Bitten  Tom  2.  Juli  1824  au  des  hochseligen  Königs  Mi^erttt  in  ErfUhing 
gehen  la?se,  w»;]cho  dahin  gingen,  ihn  mit  En,tbiudung  von  aJlen  über- 
nommeuen  V'erpÜichtuugen  der  Kuhe  viusikalifcher  Komposition  zu  über- 
lassen. Seine  neuen  Kompositionen  werden  mir  sehr  willkomjfacn  sein.  Ks 
▼  ersteht  »ich  von  selbst,  daß  er  diese  au  dirigieren  berechtigt 
ist;  apUte  er  auch  Torzugsweise  Opern  anderer  Komponisten 
einzustudieren  und  zu  dirigieren  wünschen,  so  hat  er  dies  gegen 
den  (t  en  erul -Tn  tt  n  dauten  der  Hchuuspiele  aQS3^S|freohen  Mud 
sich  darüber  mit  ihm  zu  vereinigen.« 

Am  10.  Dezember  1841  kehrte  Spontini  von  Pai-is  wieder  nadb  Berlin 
zurflck,  am  23.  DezemV)er  zo^:  er  seine  Geldansprüche  zurück.  Audi  die 
zweite  Instanz  entschied  in  dem  Miiji^stäts-Beleidigiings-Prozesse  gegen 
ihn.  Doch  König  Fnedrich  Wilhelm  IV.  begnadigte  ihn.  Der  folgende 
Wortlaut  der  betreffenden  Kabineteordre  vom  14.  Mai  1842  dürfte  von 
besonderem  I&tereese  sein: 

»Bas  zweite  kammergerichtUche  Erkenntnis  in  Ihrer  Untermehungsiaehe 

hat  das  erste,  auf  neunmonaÜichen  Fcstongsarrest  lautende  bestätigt,  nnd  Sie 

würden  diese  rechtskräftig  gewordene  Strafe  erdulden  müssen,  wenn  Ich  mich 
nicht  bewon-on  Tande,  sie  Ihnen  in  Gnaden  zu  erlassen.  Diese  Begnadigung 
soll  nicht  als  eine  Kechtlertigung  Ihres  Benehmens  angesehen  werden,  viel- 
mehr halte  ieh  die  Straferkenntnisae  yollkommen  gerechtfertigt,  und,  wenn 
Ich  Sie  von  den  Folgen  der  letsteren  hefreie,  so  haben  Sie  dies  Meinem 
Anerkenntnisse  Ihres  durch  Meisterwerke  yrohi  erworbenen  künstlerischen 
Kufe<^  zu  verdanken  .  .  . 

>  Wim  III  Sie  biüher  durch  die  Erwartung  des  Ausgangs  Ihres  Unter- 
Suchungä-Prozesses  bestimmt  worden  sind,  Ihr  li^esiges  Dojiuizil  beizuhtUteu 
nnd  sich  den  Obliegenheiten  auswärtiger  Amtsverhaltnisse  und  wissenschaft- 
licher Verbindungen  zu  entziehen,  so  werden  Sie  jetzt  frei  über  Ihre  Zeit 
dispouieroii  können,  indmii  Sic  d.i-;,  wiis  Sic  bisher  in  Ihrem  Amte  bezogen 
haben,  lortgesetzt  l>»vi«-lK'ii  w.'idt  ti  und  dieses  durch  die  Verlef,nnig  Ihres 
Domizils  ins  Ausland  m  keiner  Art  geschmiUert  werdt-n  soll.  Bleiben  Sie 
aber  in  Berlin«  so  würde  die  Art  der  TThfttigkeit,  welehe  Ich  Ihnen  in  der 
. . .  Ordre  vonn  25,  Aug.  v.  Js.  vorbehalten  habe,  nur  dann  eintreten  können, 
wenn  Sie  den  speziellen  Auftrag  dazu  von  Mir  erhalten  haben.« 

Ein  weiterer  Beweis  der  königUolieQ  Gnade  war,  daB  -Slpoaiiiii  im 

19* 


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90 


Wilhelm  Altmaim,  Spontini  an  der  Berliner  Oper. 


Juni  1'^4l^  einen  Vorschuß  von  6000  Thalern  erhirlt.  der  mhii  1.  Januar 
1843  ab  durch  jährhclre  Raten  von  2000  Thalern  durch  Gehaltsabzüge  Ztt 
decken  vrar;  von  diesem  Zeitpunkte  an  wurde  Spontini  nnmittelbar  aus 
der  Kronfideikomniiß-Kasse  l)esoldet. 

Gegen  Ende  Juli  verließ  er  Berlin,  um  eni  im  Auinist  1H47  dahin 
auf  kürzere  Zeit  zurückzukehren.  Der  Köniir  "inpfing  üin  huldvollst  und 
bestimmte  nach  seiner  Abreise  durch  Kabinetsordre  vom  11.  Oktober  1847, 
daß  die  Opern  Nurmahal,  Cortez  und  Vestalin  im  kommenden  Winter 
unter  Spontini  s  eigener  Leitung  wieder  cfogeben  würden. 

Als  aber  der  Tntcndnnt  von  Küsliicr'  ,  der  Naclifolr^fr  des  Grafen 
Redern,  fh-swct^m  mit  Si)()iitiiii  korrcspoudit  it»',  liclici»  Inhalt  und  Fa'^'^imq' 
von  dessen  Antwortschreiben  Itt  sortroii.  daß  er  ■hiesell»>t  eine  Stellung  unrl 
"Wirk«:nmkeit  rin/unobinen^  lirali-^iriitiirc  wclclio  durch  den  ihm  auf  s»'inen 
Wuns(  h  erteilten  küiiiglichea  Auftra;^'  keineswegs  begründet  war  I  )i  r  l\«  >iii;,'^ 
wünschte  daher,  daß  Spontini  in  Kenntnis  gesetzt  würde,  daß  ea  kt  incvw.-.r-. 
Absicht  sei,  >ihn  hieselbst  seine  Funktionen  als  General-Musikdireklor 
wieder  antreten  zu  lasst  ii.  SDiiderii  duli  sich  st  ino  Wirksamkeit  vii  lni»dir 
nur  auf  das  Einstudieren  und  Dirigii'ren  der  genannten  Üpeiii  en^lreckeu 
solle  und  j^uh  daher  innerhalb  dw  (irenzun  halten  müsse,  welche  undereii 
Kumpunisten  in  solchen  Fällen  gezogen  werden.« 

Aber  auch  hier/u  kam  es  nicht,  da  Spontini  den  Winter  1847  48 
krank  war  und  im  Jahre  1848  zu  seiner  alten  langjährigen  Ivurzaichlig- 
keit  noch  durch  Schwerhörigkeit  betroffen  wurde.  Er  verbrachte  seine 
letzten  Lebensjahre  in  Italien  und  starb  in  seinem  Geburtsorte  Majolati 
am  14.  Januar  1851. 

Zum  Schluß  noch  einige  Worte  über  den  sogenannten  Spontini- 
Fonds.  Unter  dem  5.  April  1826  hatte  sich  Spontini  an  König  Fried- 
rich Wilhebn  HI.  mit  folgender  Bitte  bezüglich  des  ihm  kontraktmäßig 
zustehenden  jährlichen  Benefiz-Konzertes  gewandt: 

»J*ose  supplier  Vofre  Majrst/^  .s'/rr,  de  vouloir  hkn  m*auU>rüer  ä  r^noncfr 
pour  tout  j amais  ä  re  heuffhe  sHjmU  dam  won  conirat  et  d  sUituer  par  tm 
ordre  de  cabimty  si  frllr  itait  San  awjustc  rolonfr,  qw'  y  donuf  de  fondaiion 
tou»  Irs-  nti.v,  ff  Hff<!s'fii'i,  ftn  rntturt  spirifx'^l  ff  pfitst  rn/tirnahif  ff  Ir  j^his 
pioduttif pos»ibit\  lioid  la  rcccttc  brüte  soit  rersn  dam  unc  cuisac  ad  iior^ 
pour  servir  awc  awjmcntations  imnueUfSj  aiu  (/rad/irations  et  aux  seeoura  en 
faveur  de*  memhres  ds  la  eftapelle  roytUe  et  des  eltorur»  suriotit^  dotU  je  m 
munit's  jnmai^  fxposrr  ä  kt  bonte  genereusc  H  compatisitafde  de  Votre. 

JHajestä  la  pfus  graude  et  la  plus  unjf»f»'  nrf'fs<n'ff  .  .  ,  t 

Der  König  wollte  zunächst  nicht  auf  Spontini's  Wunsch  völlig  ein- 
gehen; am  10.  April  ließ  er  ihm  ahtworten: 

1}  Karl  Theodor  von  Küsluer  geb.  1784;  war  Leiter  der  KDniglicIieii  Schau- 
spiele von  1842—1851;  sein  Vorgänger,  di-r  Graf  Redem  erhielt  nonmehr  die  neu- 
geaohaffeine  Stellung  eines  Qeneral-Intendanten  der  £.5niglichen  Hofinusik. 


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Wühfttm.  Altmanti,  Spontmi  an  der  Berliner  Oper.  2dl 

*Jf'  ii'nrrrpfr  q  iir  pour  If  jour  de  pntitoicc  prorJtnin  Votrc  offre  dr 
fairp  vrrsrr  la  rrrrttc  brutr  dr  Votre  conecrt  ihtfi^  ttn^e  cnissc  au  hrnefire  d-t's 
uii  nihrrK  de  la  cJtapelic  et  des  clwcurs  ronimr  suf/inant.  pour  refuter  le  fatix 
briiit^  (jue  Vous  n^eussiex  häte  de  retour  d  Votre  poste  qu*ä  cause  de  ce  eoneerl, 
QttatU  d  tavmir  je  ne  veux  pae  agrier  Votre  renoMtaHon  d  un  recenUf  qui 
Vous  est  assure  par  Votre  eontrat  tpi^en  toiU  que  Vous  jugUx  d  propos  de 
faseigner  d  un  empUn  ei  homrabk.* 

Aber  Spontini  bestand  auf  semem  Plan,  ein  ständige  Wohlfahrts-Eiik- 
licbtang  zu  stiften,  so  daß  der  König  dann  durch  Kabinetsordre  Yom 
17.  Mai  1826  seine  Zustinunung  wie  folgt  erklärte: 

»Quoiqm  d^apres  la  teneur  de  Votre  enga^nneta  Vemploi  de  la  reeeUe  de 
Votre  coneert  ne  depende  que  de  Voue^  je  veux  Inen  attendre  pour  la  diqtosiHo» 
sur  hl  sQtnmr  dr  1500  Thaler  Ir  prqjet  rd^mentaire  que  Vom  deewe»  aou- 

wf'ttrr  ä  ma  sanrtioit.^ 

Ein  Statuten-Entwurf  Spontini's  fand  aber  nicht  die  Billigung  der 
General- Intendantur  und  auch  nicht  des  Hausministeriums;  nachdem  ge- 
wisse Abändern n^fon  vf)r^rr'noinmen  waren,  fand  das  Reiriement  für  den 
Spontini-Konds  die  königliche  Genehmigung  nm  17,  Oktober  Die 
wesentlichsten  Paragraphen  dieses  Keglements  waren  folgende: 

§  1.    »Ans    dei]    Einkünften  des    dem  Herrn  General -Musikdirektor 

Spontini  koiitraktmänig  zustehenden  jiihrlichen  Konzerts  am  Bußtage  ist, 
nucliflom  fM"  ;>tif  «(»Irhp's  mit  Allerhöcl!«t<'r  (ienehmigung  verzichtet  hat,  nach 
»einem  Antrage  zum  Besten  des  bodurttiguu  Tlietttei^-Peraouals,  nameutlich 
des  Orchester'  und  Ghor-Personola  eine  UuterstQtsnngskasse  gestiftet  und  de]>> 
selben  mit  Allerhöchster  Genehmigung  der  Name  »Spontini-Fonde«  bei- 
gelegt worden. 

4}  2.     In  Fonds  tlieHfii   ;iiiR<>r  jenon  Einkfniffen  die  'leldstrafen 

des  gesanitea  Theater-Personals  ohne  Ausnahme  und  ohne  einen  l  uterHchied, 
und  die  Bestimmung  der  bisherigen  Stralkasse,  hiililuse  reisende  Theater- 
Personen  2U  unterstützen^  wird  auf  die  Fnterstfitsungskasse  mit  Übertragen. 

§  3,    Zur  Verwaltun.iT  der  Kasse  wird  ein  Ausschuß  errichtet... 

12.  J)ein  HauHininistcriuni  ist  es  übt-rt raffen,  etwa  entstehende  DilTe- 
renzeri  iihcr  die  Austühruntjen  vor.stehenden  Keglemeut«;  definitiv  zu  ent- 
scheiden und  etwaige  Ergänzungen  zu  erlas.-ien.« 

Einen  keineswegs  guten  Eindriu-k  nuiebte  es,  daß  Spontini  wiederholt 
sich  nicht  über  die  Verwendung  der  Einnahmen  dieses  Fonds  zu  d(^n 
Stiftnnirs-Zwecken  durch  aasreicl!«nifb^  Belege  ausweisen  konnte  und  mit 
der  Einlicfortirm  mancher  Konzert-Einnubme  :m  dn»  T\;»ss(>  ii  i  iickstandc 
blieb.  König  Eriedrich  Willielm  III.  bestimmte  schliclilich  um  18.  Ok- 
tober 1837: 

»daß  von  «lfm  't'-neral-Musikdirektor  Spontini  über  dir  YrrwiiidiiTTjf  der 
in  den  Jahren  1830  u.  1S32  u.  1834  uu  küuiglicheu  und  priuzliuheu  Ge- 

1}  »(Test  €teee  plaisir,  que  je  Vous  renouteäe  ma  satisfaetion  du  disintiressemem/t, 
que  Vous  am  ^nonfrc  ä  eetie  oeeasion, . .  .• 


i^'iLjuiz-uü  by 


292 


Willieiiii  Altaiann,  Sponüitt  su  d«r  BerliiMur  Oper. 


schenken  für  den  Spontini-J''ond8  vereinnahmten  66u  Thalern  Gold  und 
30  ^ntderii  Ooimnit,  aowie  d«i  tau  diesem  Fonds  erhalteneB  Yorsdbiiiftes  von 
100  Tfaaleni  kmne  weiMre  Bedienichsft  gefofdert,  mHmI«»  d«r  Betrag  dieMr 
Snsnne  als  niadergeadilagen  Terrel^et  werden  aoU.« 

Aih  Sponttni  sich  1844  auf  Beisen  begab,  verlangte  er,  daß  wählend 
seiner  Abwesenheit  auch  nicht  im  geringsten  Uber  den  Spontini-Fonde  die- 
poniert  werden  solle,  ein  Verlangen,  dem  im  Einklang  mit  den  Statuten 
nicht  Itechnung  getragen  werdeii  konnte. 

Unter  dem  5.  Januar  1853  würde  durch  königliche  Eabinetsotdre  die 
Aufhebung  des  Sponiini-Fonds,  fär  den  bis  1852  regelmäßig  ein  £[onzert 
alljttirilch  stattgefsnden  hatte,  genehmigt;  bare  Beert&nde  desselben  waren 
nicht  indi^  voihanden. 

Damit  war  die  bleibende  Erinnerung  an  das  Bwlioer  Wirken  Spontini\ 
welche  er  durch  diese  Wohlfahrte-Etnrichtung  beabsichtigt  hatte,  beseitigt. 


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0.  Umüf,  Stovkwch«,  grwoiiiwiie,  wlitchiwhit  iA  tftitoch»  Tüsa»  n.  •■  w.  293 


Slovakische,  griechische,  walachisohe  und  türkische  Täuze, 

Lieder  u.  s.  w. 

Nach  einem  Manuskript  yeröffentlicht 

von 

Otto  HeHlg. 

(Ettlingen.) 


Nr.  93  der  Abteilung  »Praktischp  ^Äfusik*  der  Karlsruher  Landes- 
bibliothek  stellt  eine  einheitliche,  zusantmenhäiiirende  Handschrift  des  in 
den  fyOcr  Jaliren  des  vprimn^roncn  Jahrhunderts  verstorhenen  ehemaligen 
Jenaer  Herf^nats  Gustav  Sehueler  dar,  der  seine  Bibliothek  und  Samm- 
lungen seiner  Zeit  dem  badischen  Staat  gegen  eine  Tieihesrente  vermachte. 
I  1  >  r  den  Schreiber  des  Manuskriptes  und  seine  Tätigkeit  als  Musiker 
konnte  ich  weiter  nichts  erfahren. 

Auf  dem  Titelblatt  der  .slovakischen  Lieder  steht:  Gust.  Sehueler  1835, 
Zohler  (^omitat  rn;,'ani;  erhalten  von  Herrn  Seyfried  in  Nouscht;  auf 
dem  der  i,niechi>chen  Tanze:  Krhalteu  von  Horm  Oanzlcr,  Cav.  de 
Ferio  auf  dem  der  walachischen  Tün/e:   18.17   Brasclidw  und 

BukwuHcht,  erhalten  von  Herrn  Canzler  in  Cav.  de  Ferio;  auf  dein  der 
Irakischen  Beiträge:  1838  Conütautinopel,  erhalten  von  Canzler,  Cav. 
de  Ferio. 

Absichtlich  ist  die  Schreibung  des  Manuskriptes,  selbst  da,  wo  sie 
offenbar  fehlerhaft  ist  genau  beibehalten,  weil  so  die  Quelle  des  Schrei- 
bers vielleicht  einmal  erkannt  werden  kann,  falls  eine  ursprünglich  vor- 
liegende gedruckte  Fassung  hier  überhaupt  in  Frage  kommt. 

L  Slowakische  Lieder  (mit  Guitarre-Begleitung). 


Nr.  1.  ^ 

Diew  ca    Diew    ci      na      <\o  -  nes     do    mli  -  na         ma  -  lo 
Ga     ti       zo  -  mc  -  loni      mi  -  tu      ne    wez    mem       leu  ta 


2i)4    0.  Heilig,  äiovaidscbe,  gn«obiacbe,  walaohische  imd  türidfiche  Tita»  il  s.  w. 


le  •  bu  moc  lun  do 
dew  cat  -  ko     len  ta 


nes  na  noe 
ob    eg  mem. 


Kdo  na  wi  -  |»t  wedi  pri  •  wi  -  ka  wachak  je  win-ko  pretacUo  - 


-i^ — >—- .[i;^-^— ^»~^~*^T:#-  -^^.~2a 


ka 


Win-ko  chnye  win-ko  pa-li  Win-ko  chreje  win-ko  pa-li 

mm 


i 


A  -  — 


win  -  ko   mu  -  drc     chla  -  wi     »rhu  -  Ii, 


r 

Mr.  S. 


I      I  I 


TP 
I 


Zo  to  nlatscba 
Adi    ft      16  da 

$=--= 


po>w6  -  da 
a  -  )e  •  da 


zo  na  da  -  be  -te>. 
sa    ma   mi     po  -  rte» 


je: 


<  <  ^ 


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O.  Heilig,  Slovakisohe,  walachiscbe,  griechiscbe  und  türkiache  l&tm  u.  b.  w.  295 


da  ach  sclie  mi  mo  -  ja  nii  la  pre  -  no  -  ru  wat  -  ne  da 
te        ach  lach    ni   ji    du-scha  ma    aeui-mi   do     pos  -  te  -  Ic. 


T     f     f     f     f  ' 


XL  Gri'iechiscbe  Tänze,  rinM  ;)]!4:(  siluge  uud  Profanlieder- 

Melodien. 

Kr.  1.  QeichwilHi«  I  Keiheotans. 


fr  fr 


Ä 


v — r. 


«5 


fr  fr 

~  s  

-0-  vm 


Nr.  2    Griecbindier  Oürteltaiis. 

Mäßig. 


Nr.  3.  Aus  Lukas  Ii,  14.  Mixulydische  Tonart,  In  i molugisch  oder  goachwmde 
Uruadtou. 


1^ 


Sä 


^       -      -      -      >'/;,    tj'    ffi'    -     .'>^Mr>^.7r>t>-  fr  -  do  -  »i     -    -  (t. 

Dasselbe  aus  dem  hypophrygischen  Tone,  d.  i.  dem  (liaUiJüii  Lcu  E: 


-#  — #  •      -0  - 


296   0.  Heilig,  aiowkiedte,  griMbiMbe,  ««iMhitdie  und  tUÜMhe  lliiM  v.  t. «. 


f 


-    4*    *«*    <  -  Jti  «I  -        -    -  - 


Mr.  4.  PrluttbaUerendes  AnaaSit  oder  Tenrem  ftUB  den  Torigen  Tone. 


# — 


Nr.  6.  Lied  aus  dem  weichen  A. 


n  B«     ni     nä  tro    po»      na  je  •  m         kiäali      -      umon  ar- 


umon  ar- 


ff 


ea  metaae» 

1 


ke-U  .    ot    u  Uk     rnn-nft  pos 


aS 


f 


_  t=t: 
jS  a«1i        a  aes-tis   ei  •  an     ech  •>  oa      me  -  ga-  IL 


r- 


Kr.  6.   Anderes  Lied. 


i 


■4  1  1/- 


8e       -  ]a  -  goa  em  -  bi  Ica  -  Ii     mi  •  o  •  na  lachte  to 


n  ma    o-lopft-ra   der  •  ao    aas  ta  •  xo  dembo    xo  nm. 


n  o  •  lo  pa  -  ra       derno   nas  ia   •  xo       dem  -  bo  ro 


 p — > 


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0.  B»ilSg,  SloviUMlhe,  «riednaohtt,  «alaohMe  vnä  tttrkkoiie  Time  «. ».  297 

WF.  7.    Lied  ohim  Text. 


r 


UL  Walachische  Täase  und  Lieder. 


Nr.  1.  B#ttatat«in. 

Qesehtcinde. 


-G 


Nr.  8.   Walachiflohc  Cbora. 

Mäßig.  ^ 


^^^^^ 


Nr.  3.   Andere  Cbora. 


I 


— 1^        — — # — f- 


-I  1- 


I 


Nr.  4.  Chore. 



■4  — » 


ß  m  — 


Nr.  5.  Cbora. 


fr 


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296   O.  Heilig,  Slovaldsche,  griechkehe,  valMhtache  imd  türkuche  TSiue  «.  s.  w. 


Nr.  6.  OOrteltaiuE. 


CT  K  -  — •         \p  ^  — ji^^J  ' 


I  1 


r 


r 

Nr.  7.  K aluschär  oder  lioritschautanz. 
3^ 


Kr.  H    IVlokaneechti  oder  KataneachU. 

43 


I 


Nr.  9.  Arie. 

LaiKjsam 


i.an<^am  f,,  ^      ,      ^  ^        tr  fr 


O.  Heilig,  SloTakiaohe,  grioohiaohe,  walachische  and  türki«che  Tänse  u.  s.  w,  299 


Nr.  10.    Lie'l  Kimpe, 
Vorspiel  Kimpc 


iß-— 


6''  >'  Ini  tni/c. 


•      I  I 


langsam  öe»chwinde. 


•OfMWIffl    I  I 


4: 


IV.  Türkische  Märsche  und  Liedermelodien. 

Xr.  1.    JMcItxlic  des  Derwisr  htanzt's. 
MutUer. 


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4iOU    0.  lleiüg,  Slovikkiiche,  ipÜHiuadui,  waiacitMioke  und.  Uirkiacb»  lau^  u.  0.  w. 


3^ 


Nr.  2.  Arie. 
Langsam,  fr 


fr  V 


^^^^ 


/r  ^f^Oi':/ 


fr 


fr 


J.uiHjaiim. 


Vom  ÄnfaDg  bi»  som  ZeidMQ. 


U.  Heilig,  81ovakiache,  gritM^biache,  wakchuictui  und  türkische  Täuze  u.  s.  w.  301 
Nr.  S.  Solotaas  mit  ointtm  fliegenden  Taichentacbe. 


Nr.  4.  Tfiridiche  Sonate. 


Nr.  6.  PSstraff  tue  dem  Tone  Hnueim  Tax  i  i  TtchSanber. 


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• 

302  0.  Abrnliam  u.  £.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  Bber  daa  Tomystem  der  Japaner. 


Stadien  aber  das  Tonsystem  and  die  Mosik  der  Japaner 

▼on 

Otto  Abraham  und  Erich  M.  von  Hornbostel. 

(Aus  dem  p8ycliol<^(ischen  Institut  der  Unirersi^t  Berlin.) 

1.  Material  and  latteratar. 

Das  Berliner  Gastapiel  der  jupaniBchen  Theatertroppe  des  Herrn  Kawa- 
kami  im  Herbst  1901  r»'Ktc  UDB  an,   das  Tonsysteni  und  die  Musik  der 

Jap.nHT  eiu^rbfiidfr  /m  udit'ivn,  womöglicb  auf  fxpt'riniHntrller  ( Jrundla^'»'- 
Durch  das  IVi  undlicht'  Kiitgetrenkoiuuu'ii  der  japuinäibni  ^Itisik*T,  vor  allt-ii 
der  Frau  Siuia  Y  accü  selbst,  gelung  es  uus,  eine  gröivi  ie  An/.ahl  pbouo- 
grapbischer  Aufnahmen  an  machen,  die  wir,  iu  enropSische  Notena<diriit  über- 
trafen, im  Anhang  an  diese  Studie  wiedergeben.  .Kini<»e  Flöten-  und  öe- 
sangs-Stücke  verdanken  wir  zwei  Herren,  die  sich  studienhalber  in  Berlin  auf- 
hirlt)  IL  niid  -icli  bereit  t'nn<]i  n.  uns  niehrmaU  [im  psychologischen  Institut  der 
lUiversität^  japanische  Musik  vurzufuhren. 

Die  Siimmangen  der  Koto  (Harfe'  haben  wir  im  Theater  mehnnaU  mit 
Hilfe  eines  Appunn'scbeu  Tonmeaaers  kontruUiert,  ebenso  ließen  wir  luis  die 
Töne  des  S}i>ikt/hachi  (Bambus-Klariiiett«)  der  Reihe  nach  vorblasen,  und  he- 
stimmten  ihre  Schwinfinnirs^zfdjlcM  Dazu  kamen  M«-tJsniiL«<'n  au  Instruim  iit-'u 
mit  fester  Stimuumg  (FlöteJi  und  (  Juitarren  ,  die  wir  int  Museum  für  VöLker- 
knnde  und  iu  der  Köuigl.  Iu£trumenten-Samnüung  an  Berlin,  ferner  im  k.  k. 
natttrhiatorlscben  Hofmuseum  und  in  der  Sammlang  der  Gesellschafl  der  Musik- 
freunde zu  Wien  ausführten  Endlich  bestimmten  wir  an  unseren  Phouo* 
•/rnmiMen  die  Schwinguüi,' -/nhli-ii  fVtr  («in/i  liir  Töne.  T)ie  Benutzung  erperi- 
meiilLll-akustiseher  Methodin  hi*ini  Studium  exotinciier  Mu><ik  wurde  zuerst 
Von  A.  1.  EUis^j  mit  Erfolg  versucht.  Seine  Messungen  au  Musik-] U!<Uu- 
menten  der  meisten  Volker  des  Erdballa  sind  Muster  von  Genauig'keit  und 
Vorsicht. 

Javanische  Instrumente  sind  vou  L  P.  X  Tj.hiiP  .  i  in  iciches  Material  io 
deutschen  Museen  von       Wnüuschek  •*)  und  L  K  i  c m  i  n  ii  ■' )  geprüft  worden. 

Der  Phonograph  wurde  zuerst  von  H.  1.  Gilman*  beim  Studium  vou 
tndianer^Oesangen  und  chinesischer  Musik  verwendet.  Beider  Methoden  be- 

1  Iv-  <iA  uns  gestattet,  f^leich  an  dieser  Stelle  allen  flenm,  welche  dun  h  Ii*  hens- 
würdige  Luterstützuug  unsere  Arbeit  gefördert  haben,  vor  allen  dem  Direktor  de» 
I)9Ychol(*^i»chen  Institutes,  Herrn  Professor  Stumpf,  onsem  verbindlichsten  Dank 
auszu^preoheu. 

2  <h/  lUHfth'fil  scah's  of  r(irioiu>  mxfiotui.  Vergleiche  auch  Stampf,  Viertel- 
jalu-Bschnti  lur  Musikwissenschaft  II  ^188(1,,  S.  511  fl". 

3)  Die  Tonkunst  der  Javanen.  Femer:  Vorrede  von  Groneman,  De  Oamüan 

te  Jopjalatrta.  18.S!). 

ii  Die  Entstehung  der  Skala.    Wien  1899. 

6]  Über  eigentümliche  bei  Natur-  und  orientalischen  Koltur- Völkern  vorkommende 
Tonreiben,    l'.ssen  1899. 

(i  Zuiii  yfrlit'fii  s.  und  Oll  somc  psychologicnl  ftsj>crfs  >,f  (li<  Cliinrsr  niusical  tl^l^tm* 
Boston  1892.    \'ergleiche  auch  Stumpf,  Phonugi-aphierte  ludiunennelodieu. 


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O.  Abraham  v.  £.  M.  t.  HornboBtel,  Studien  Qber  da«  Toniystem  der  Japaner.  303 


(lit'iitt'  sieh  .Stumpi'*i  bei  der  ITntcrsm liung  des  si;mu'-is>lit'ii  Tonsystem». 
Aul  die  Vorzüge  und  Fehlerquelleu  der  eiuzelucn  Mttliudeu  kommeu  wir 
später  noch  zurUek. 

Es  existiert  über  japanische  Musik  schon  eine  xiemUcb  umfangreiche 
Literatur.  Die  ältesten  Mitteilungen  stammen  von  den  Missionaren  Dr.  Syle^) 
und  Dr.  Veeder-'y:  letzterer  machte  auch  einige  Me^Hunf^en  an  sehr  alten 
japanischen  Flöten  mit  Hilfe  einer  Sirene.  Einer  eingehenderen  Arbeit  von 
Dr.  Müller^)  verdanken  wir  «.  ».  die  einzigen  Mitteiltti^eii  über  die  Hof- 
masik  (Gagakn),  die  ihm  als  Leibarast  des  Bükado  sui^nglieh  wnrde.  Eine 
sehr  aupführliche  Darstellung  hat  F.  T.  Piggott^)  gegeben;  an  dieselbe 
schließen  sich  die  Diskussionen  über  die  japanischen  Tonleitern  von  F.  Du 
Bois*)  und  C.  G.  Kaott  an, 

NamenÜicb  für  die  Instrumentenkuude  wertroU  ist  die  Aibeit  von 
A.  Krans^).  Besohreibnngen  nnd  Abbildungen  finden  sich  femer  in  dem 
Atlas  von  Hipkins,  in  den  Mnsenms-Katalogen  von  Mahillon,  Chonqnet, 
C,  £ngel  tnid  niidern. 

Mit  den  einiji  imiM'hen  Mytlu  n  und  Satr^n  über  dt-n  TTrsprun^  der  Musik 
und  einzelner  Inatrumente  beschültigt  sich  eiuo  Monographie  von  D.  Brauns''). 
'  Nach  dem  Gehör  notierte  japanische  Musikstücke  und  Lieder  haben  u.  a. 
V.  Holt/.,  Fr.  Eckert.  Zedtwitz,  We»tphal  und  in  den  bereits  «niriÜinten 
Arbeiten  Müller  (Orchester-Partitur),  Piggott  und  Kraus  publiziert. 

Besonderem  Vertrauen  verdient  die  Sümiidung  von  Koto-Stücken  sowie 
eine  Keihe  von  \'olkö-  und  Kinderliedern,  die  von  Isawa,  dem  Direktor 
der  Muaiksdiule  zu  Tokyo,  znm  Scbulgebrauch  herausgegeben  worden  sind; 
fem  er  eine  Ansalil  Lieder  mit  ShnmisenoBegleitung,  die  K.  Joshimoto,  .ein 
auch  in  europäischer  Musik  gebildeter  Jtipjiner,  aufgezeichnet  hat. 

Für  wissenschaftlirhe  Zwecke  durchaus  unbrnurbbar  .sind  datre.i,'en  Arrnnure- 
meuts  für  Klavier  oder  Harmonisierungen  von  (iesüngen,  wie  solche  von 
Siebold,  Bevan,  Diettrich  und  andern  verbucht  worden  sind. 

Soweit  das  Gastspiel  der  japanischen  Truppe  dazu  Gelegenheit  bot,  haben 
wir  auch  den  Zusammenhang  der  Musik  mit  dem  Theater  aus  eigner  An- 
schauung kennen  gelernt.  Reiseberichte  uiunfeii  hier  zur  Ergänzung  heran- 
gezogen werden",.  Mündlichen  Mitteilungen  einiLjer  iu  Kerlin  ansüssirrer 
japaniBcher  Herreu  verdanken  wir  teils  Bestätigungen  und  Bcriclitiguugeu, 
teils  wertvolle  ErgKnsungen  der  in  der  Literatur  enthaltenen  Schilderungen 
ostasiatischer  MusikpHege. 

Wie  ihre  ganze  Kultur,  kam  auch  die  Tonkunst  der  Japaner  ursprünglich 
ans  China.    (.Neben  zahlreichen  Mythen,  die  ihren  autochthonen  Urapruug 


1  Tonsystem  und  Musik  der  Siamesen.  11K)1, 

2  (hl  primitirr  Musir,  tttprcially  ihnt  nf  Japan.  1877. 

3  JnpanciiC  Mustral  Intrrrals.    1877  und  1879. 

4  Einige  Notizen  iilier  die  japanisclje  Alusik.  1874—1876- 
5'  ihr  Mtisio  of  t/w  Japanese.    ISiJl — löi>3. 

H,  Tfy  yekkin  3Ü$neal  Seak»,  1891. 

7;  Remarlu  on  Japanese  Mitsiral  Seatet.  18B1. 

H;  L/f  trin^tifpir  an  JapoH.  1878. 

9;  Tradttioiis  Jupnnakv^  »ur  la  chamon,  Ut  ntmtqm  et  Ui  danse.  1890. 

10)  OoUeeHon  nf  Jafmnese  Köio-Muaie,  1888  und  Lange.  1900. 

11)  XanieiiMi.  ]i  A.  Fiselirr,  .T  , |,anisehes  Theater.  l'.K3! ;  A.  Lequeux,  Le  tb^tre 
japonals,  1889;  Ii),  (iuimet  et  F.  Ilegamey,  Le  theatrc  au  Japou,  1886. 

8.  d.  L  M.  iV.  20 


3U4  ^-  Abraham  u.  K.  AI.  v.  ilumbustel,  6tudicu  über  das  Tonsystem  der  Japaner. 

beweisen  sollen)  ensählen  andere  dentlich  Ton  jener  Wanderung).  Es  schien 
daher  geboten,  auch  ül»er  dsH  VerhiUtnis  beider  Mnsiksyäteme  AnlUlrnng  xn 

suchen,  zumal  noch  heute  manche  in  Japan  viel  «rebrauchte  Instrument«*,  wie 
die  Gekkfiiff  <Tuit,irre!i »lirbt  nur  chiitf-i^rlipn  Originalen  nach^'ebildet,  sunrlerii 
auch  direkt  aus  Ciüna  importiert  werden.  Das  *iH(uif  in  China*  gilt  sogi^r 
als  Verzag.  Wir  haben  demnach  unsere  Mestfungen  auch  auf  ciutieeiBdie 
Inatromente  ausgedehnt.  Oft  mag  sich  in  den  Museen  ein  chinesisches  tu- 
st rument  in  die  japanische  Abteilung  verirren  und  an  Verwechselungen  Au- 
la ß  irehen 

Phonographische  Aufnahmen  chinesischer  Musikstücke  sowie  genaue  ^les- 
ituugeu  der  verwendeten  Töne  wurden  von  B.  I.  (iilman  mit  tbeorctischeii 
Erdrterungen  zu  der  obenerwähnten  Studie  vereinigt.   Das  komplixiert«  6e- 

biiude  chinesischer  !^IuHiktheurie  hat  infolge  seiner  zahlreichen  auffallendett 
Annlo'jit'n  mit  dem  jjvthaLroreischen  Syst'  iii  m  Iioh  fi  iihzeitig  das  liit*T<'«''c  'Irr 
(Jelehrten  erreyt.  Abbe  lloussier  hatte  in  seinem  Werk'^;  :177<V  bifit-  ait- 
griücUihche  und  chiuesische  Anschauungen  Lu  Parallele  gfstellt.  Die  umfang- 
reiche Dai^tellunjor  des  P.  Amiot^)  (1780)  ist  neuerdings  von  A.  Dechevrena*) 
in  einer  kritischen  Stu<lie  übei-sichtlich  zusammengezogen  worden.  Die  Zu- 
sammenhänge der  Musik-Theorie  mit  d»  r  I*liil<i-npliii^  der  Chinesen  heleucbtrt 
(i.  Wagener'',.  Wertvolle  Drt.iilsj  rTithiilt  h-rner  die  Arbeit  von  .T.  A.  rnu 
Aalat''].  Nach  dem  üehör  notierte  cinnesische  Melodien  tiudea  siel»  außer 
in  den  genannten  Werken  hei  Barrow,  Du  Halde,  Dalberg  u.  a. 

Die  £rgebni8se  dieser  ForschungMi  werden  wir  bei  der  Untersuchung  de« 
japanischen  Tonsystenis,  in  die  wir  jetzt  eintreten  wollen,  gelegentlich  mit- 
znberiicksichtigen  haben.  Vorher  aber  erscheint  e^  :r»  bfttt  n.  ciniire  fiücremeine 
Prinzipien-Fragen  zu  losen,  welche  die  Auswertung  des  Materials  betretfeu, 
das  uns  bei  einer  derartigen  Untersuchung  zu  Gebote  steht. 

2.  MethodoIo<^is('ho  V<»rb<*merkanpen. 

AVir  ptlegeii  nur  doi*t  von  Musik  zu  reden,  wo  uns  feste  diskret»«  Ton- 
i^lufen  gegeiiübertreteu.  Die  erste  grundlegende  Frage  bei  der  Betrachtung 
eines  Tousystems  ist  daher  die  nach  den  Tonstufen  beziehungsweise  den 
Leitern,  wenn  wir  unter  Tonleiter  ganz  allgemein  eine  nach  der  TonhShe 
geordnete  KimIm-  von  Tönen  verstehen. 

Wir  können  dr  >i  ive^entlich  verschiedene  Arten  von  Leitern  unterscheiden 
und  genetibch  detiniereu: 

1.  G  ehr  auch  s-Leitem,  die  wir  erhalten,  wenn  wir  die  Töne  eines 
Husikstttckes  der  Tonhöhe  nach  ordnen; 

2.  Material-Tjcitern.  die  wir  erhalten,  wenn  wir  die  Töne  einer  großen 
Anzahl  v»T«riii«-d('n<*r  ^Insik><f iickc  di-i-  Tiiiili.'dir  ii;i,h  Dnlnni: 

3.  1  u strumeutui-Leiteru,   die  wir  erhalten,   wenn  wu"  die  au  lustru- 

1^  Anier  den  ( /'/./. /";<,•*  hat  auch  die  T-saitige  chinesis<  ho  H  irfr.  Eingang  in 

«Tapan  ;;cruii(lcn.  Die  angrVli.  Ii  japaniscbm  » Kitiiia-Kofos*  gK'jclicn  den  chinesischen 
auf  eiu  Uaar.    Auch  die  J'ipa  ^Lautej  iät  beiden  \  ülkern  gememsam. 

2)  Memoire  mr  la  Musique  de»  Amim».  1770. 

3  Sfi  hinirra  roHri'rnani  leg  Cliini>i/<  VI.  17H0. 

4  F.tmh  sur  Ir  si/s/inir  mu^lial  ilf»  CInitois.  Sammelbiuule  der  UVIG.  11^  S.  4Söff. 
bi  JJeinerkungeu  über  die  Theorie  der  chinesischen  Musik.  1877. 

6)  Chhi€8e  Mime.  im. 


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O.  Abrahmu  u.  K.  M.  v.  Hornbostel,  Studieu  über  das  Toiisystem  der  Japaucr.  305 

menten  mit  fester  Stimmung  gelundenen  Tone  der  Tonhöhe  nach  wdnen. 
Zwischen  den  drei  Arten  von  Leitern  bestehen  mannigfache  Bestehungen. 

Die  einzelnen  Qebrauchs-Leitom  bilden  da»  Beobachtungs-Material,  aas 

dem  wir  induktiv  ein  fu-setz  der  Iiittrvallen-Ffjlge  gewinnen  können,  indem 
wir  eine  Aiizalil  äbiilicher  Lfitern  unter  VernacbliissHfjfuii«;  kleiner  DifFeivitztMi 
zuHanimcnta.^beit ;  je  nachdem  wir  eine  engere  oder  weitere  Febler-Grenze  zu- 
Inssig  finden,  gelungen  wir  zu  einer  größeren  oder  kleineren  Zahl  von  em- 
pirischen Oesetzen. 

Die  paasende  Wahl  der  Fehlergrenze  ist  Sache  der  wissenschaftliehen 

Überletfung,  nnd^  es  wird  niclit  imnier  leicht  sein,  sicli  dabei  vor  Mißgriffen 
zu  bewahren.  Altere  Forsoli«  r,  die  M'  liKlien  bloß  nach  dem  Geliör  auf- 
/«•ichneten,  m<>gen  die  Feblei-G ren/.e  wohl  oft  zu  weit  geuoinmen  haben ;  die 
(■üwühuung  au  bei^timiute  Intervalle  beeinflußt  sehr  wesentlich  die  Auffatiäung 
ungewohnter  Tonschritte,  namentlich  wenn  uns  diese  in  einem  melodischen 
Zn^unuuenhan^'e  g>'<>*  ben  sind.  Es  können  80  intendierte  Feinheiten  der  In- 
tonation leicht  übersehen  werden. 

THe  neueren  Unter.suchun'_'H-M«thn(bMi  vorftibn-n  oIut  zu  dein  cntgegen- 
ge^t{/.ten  Fehler:  zur  Wahl  einer  zu  engen  Feljler-On  ijze.  Die  phytsikaliach- 
akubtischen  Messungen,  die  die  Tonhöhen  auf  die  Schwingungszahl  genau  zu 
bestimmen  gestatten,  lassen  uns  die  geringfügigsten  Schwankungen  der  In- 
tonation erkennen.  Die  Vorurteilslosigkeit,  ein  Grunderforderni?»  aller  wissen- 
^chattlichen  Forscliuivi,',  zwingt  un«,  die  musikiiii-^c  Iii  Tiegal)unj;  eines  fremden 
A'ulkes  nicht  zu  rinu'  ;iir/n-<'blnLren.  Indem  wii  iiuu  die  Fehler  der  älteren 
Musikgelebit eu  /,u  vernieidi  n  trachten,  müssen  wir  uns  doch  auch  biilen,  in 
das  entgegengesetzte  Extrem  zu  verfallen  und  alle  Freiheiten  und  Schwankungen 
der  Intonation  für  Gesetzmäßigkeiten  zu  halten;  denn  blotte  kritiklo.se  lie- 
schn^ibung  würde  uns  ebensowenig  weiterbringen,  als  unbedachte  oder  haltr..- 
loae  Hy|>otbt'>^fn. 

Sind  wir  auch  nicht  berechtigt,  aul  (Jniinl  riii.  s  uii^'enügenden  Materials 
aui  üesetzmüßigkeiiiiu  zu  schließen,  so  mitsseu  wir  un;»  doch  gegenwärtig  halten,, 
daß  vollständige  Induktionen  fast  nie  mitglich  sind. 

Mau  pflegt  das  Material  an  Gebrauchs-Leitem,  durch  deren  Zusammen- 
fassung eine  Material-Leiter  gebildet  werden  soll,  o^naphisch  und  historisch 
zu  umgrenzen.  Ks  bat  z.  B.  einen  iruten  Sinn,  chinesische  und  siamesische} 
alt-griechische  und  neu-^frie«  iii-cbe  Leitern  einander  Lregenüberzustelleii. 

Den  Materift!- Leitern  koiiuut  nur  eine  theoretische  Bedeutung  zu.  Sie 
können  zwar  jicleuentlich  auf  Instrumenten  verkörpert  erscheinen,  wie  unsere 
temperierte  chromatische  Leiter  auf  dem  Klavier  und  der  Orgel.  Über  das 
Wesen  von  Tonreihen,  die  wir  auf  Instrumenten  finden,  können  wir  aber  von 
vornherein  gar  nichts  aussagen:  sie  können  eben  «o  irnf  (b)«  irtcninfc  in  einem 
^fn^iksystem  verwendete  Tonmaterial,  wie  einen  größeren  oder  geringeren 
Bruciiteil  desselben  enthalten. 

Wir  haben  bisher  die  Leitern  als  Zusammenfassungen  und,  so  zu  «agen, 
ihre  Entstehung  im  Oehim  des  Musiktheorettkers  betrachtet.  Wir  wenden 
uns  nun  zur  Frage  nach  ihrer  Fiitstehung  im  ))raktischen  Musikleben,  und 
zwnr  zunächst  zur  Frni.'e  nnrb  dem  l^-sprung  des  Tonmaterini«.  Wir  müssen 
uns  hier  darauf  lieschriinken,  eine  Ifbersicbt  über  die  Entstehungs-Möglich- 
keiten  zu  geben,  da  ein«  eingehendere  Erörterung  des  Problems  des  Ursprungs 
der  HuaUc  aus  dem  Bahmen  dieser  Untersuchung  herausfallen  würde.  Das 

20* 


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306  0.  Alwaham  n.  R  IL  v.  Hornbottel,  Studien  Uber  du  Ton^tem  der  J apauer. 


J?iin/ip,  dem  feste  Tuiiätufeii  ihre  Entstehang  Terdanken,  kfttttt  ein  muAikm- 

ÜBches  oder  ein  auH<  i -itiiisikali--.  Ii.  s  soiti. 

^lu '•■  i  k  0 1  isch  können  Intervnlle  naeli  tler  auf  Vei^sclun- l/.u  ulj  beruhenden 
Kousonan/  oder  nach  der  Diätauz  der  beiden  Töne  lestgelegt  werdcu. 
Aussclüiefilich  nach  letstfrem  Prinzip  denken  wir  un»  die  siamesische  Leiter 
entetanden.  Auf  Kousonanz  (Verschmelzung)  allein  ist  wob)  nnr  die  Gut- 
stehung  weniger  Intervalle  zurückzufQbren;  meist  wird  man  auch  noch  Distanz«- 
Urteih'  7.U  Tftlfe  nehmen  miifisen. 

Von  nu ßei--mu»ikuliächuu  Prinzipieu wäre  zunächst  die  niatheiuati»cbe 
Berechnung  zu  nennen,  der  z.  B.  die  bei  uns  gebräuchliche  temperiert«  Skal* 
ihre  Entstehung  verdankt.  Femer  mag,  -namentlich  in  primitiveren  Koltnreiif 
die  Technik  des*  rnstrunient«nbaus  von  Einfluß  sein,  Xeuerdiuj^s  hnt 
Ch.  K.  Wcad"  :nif  ein  ü])t  i  s  ch-ä  s  t  he  t  i  s  «•  h  »-s  Prinzij)  hingewie-pn,  da^ 
primitive  Instrumentenbauer  jjoleitet  Laben  konnte.  Namentlich  prähistorische 
Thuupl'eifen  ans  Mexiko,  Peru,  Costariea  legen  den  Qedanken  nahe,  daß  die 
Grttße  und  Anzahl  der  Löcher  durch  Rücksicht  auf  die  Bequemlidikeit  des 
Spielers,  ihre  Auordnunn:  durch  Symmetrie  und  andere  ornamentale  Gesichtjt- 
punkte  bedingt  ist.  Mag  dieses  Prinzip  hier  und  in  einigen  anderen  Fiüon 
auch  zutreffen,  so  wird  man  es  doch  küinesfalls  alä  eiiizigeä  und  allgemeines 
annehmen  dUrl'eu. 

Die  Entstehung  fester  Tonstufen  durch  Fl5ten>  oder  Saiten-Teflung  läßt 
sich  auf  ein  musikalisehes  (Konsonanz)  oder  ein  außer-rnnsikalisehe»  Prinzip 

[mMtbctnatiM  lir  Sjirkulation^  zurürkfülireii.  j»'  nfichdem  man  di>'  ^ übertöne  be- 
zit'liuii:^>\vei**e  Flageolets^  zur  kliining  mit  heranzieht  oder  niciit.  A'ielleirht 
konnnt  die  Annahme  der  Wahrheit  am  uUchsteu,  daß  Gehör  und  lierech- 
nung  sich  wechselseitig  unterstützt  haben.  Überhaupt  wird  es  sidi, 
wie  flberall,  auch  hier  empfelilen,  die  wissenschaftliche  Ökonomie  nicht  zu 
übertreiben.  Treten  uns  in  der  Musikpraxis  eines  Volkes  verschiedenartige 
Leitern  entgegen,  so  ist  von  vtiniherein  sehr  Irnirlicb,  ob  sie  sich  auf  ein 
einheitliches  l'rinzip  zurückfüliren  la^eu.  Ob  freilich  feinere  Unterschiede 
;Ewi8chen  gleichnamigen  Intervallen  versduedenen  Ur^^prungs  auch  in  der 
Musikpraxis  berücksichtigt  werden,  das  ist  wieder  eine  andere  Frage,  die 
sich  nur  auf  Ghnnd  besonderer  Untersuchungen  lösen  lassen  wird. 

Im  Allifemeim-n  «ind  di  i  Ui  u  l  if  t-rung  des  TonTnaterisd?«  nach  außen  wie 
nach  innen  liestimmt«  (irenzeu  gesetzt.  Der  l  uitang  wird  einerseits  durch 
die  meuschliuhe  Stimme  bestimmt,  undreiT^eits  zwingen  die  meuschlicheu 
Gliedmaßen  die  Instrumental-Tjeitern  in  gewisse  Schranken.  Eine  Klaviatur 
von  mehr  ah  7  Oktaven  verniöehten  un^<  r<  Ai  nie  kuuni  zu  beherrschen.  Erst 
der  modernen  Mechanik  v.  rdankun  wir  h.uiiilu  li<^  Instrumente,  die  nn-=  au 
die  Oreti/en  des  physiologischen  Tonreichs  führen.  Bis  in  diese  Höhen  und 
Tiefen  wird  sieh  der  Musiker  zwar  niemals  wagen;  der  geringe  Umfang  aber, 
in  dem  sich  exotische  Musik  oftmals  bewegt,  ist  vielleicht  ebenso  sehr  der 
unvollkommenen  Technik  des  Instrumentenbaus,  wie  dem  (iesclimack  des 
Musikers  zuzurechnen.  Vermutlich  entwickeln  sich  beide  parallel:  auch  auf 
künstlerischem  Gebiete  stehen  .Nachfrage  und  Angebot  in  funktionaler  Ab- 
hängigkeit. 

Die  Vermehrung  des  Tonmaterials  nach  innen  durch  Verkleinerung  der 
Stufen  ist  physiologisch  beschränkt  durch  die  Ebenmerklichkeit  der  akustischen 


1;  Contribiäion»  io  (he  Hiatory  of  Musieat  Seahg.  1903. 


i^'iLjuiz-uü  by 


0.  Abraham  u.  E,  M.  v.  Hornbostel,  Studien  äber  das  Tonsystem  der  Jai>aner.  907 


Keiz-l  uterschiede,  durch  die  lieweglicUkeit  des  KuhlkopfH  und  der  Fiuger- 
Mnskalatur,  endlicb  wieder  durch  die  Technik  des  Instratnentenbaue.  Die 
wirklichen  (irenzen  fallen  jedoch  nieht  genau  mit  den  Grenzen  der  physiolo- 
gischen Leistungafähigkeit  zusammen ;  weder  werden  kleinste  ebennierkliclie 
noch  größte  technisch-mögliche  Tonsrhrittc  verwendet.  Die  Annehmlich- 
keit und  Bequemlichkeit,  welche  allerdings  in  Beziehung  zu  der  piiyslolo- 
gischen  Leutungäfähigkeit  atehen,  entscheiden  hier,  mag  sie  auf  nrasikaUschen 
oder  auQermusikaliachen  Prinzipien  beruhen. 

Mntcrial-Leiteru,  die  wir  durch  Vereinigung  einer  größeren  An/alü 
verschiedener  Intervalle  erhalten,  gestatten  noch  keinen  Scljlnß  auf  die 
kleinsten  Stufen,  die  ein  Volk  verwendet.  Denn  es  ist  immerhin  denkbar, 
daß  wir  z,  B.  kleine,  neutrale  und  große  Sexten  nebeneinander  im  Oebrauch 
finden,  ohne  daß  die  Yiertelton-Stufen,  welche  diese  Intenralle  unterscheiden, 
auch  praktisch  als  besondere  Tonschritte  angewendet  wcrd* n. 

Ebensowenitr  knnn  nns  einer  MMterinl-T>eiter  auf  die  gr<'ißt  «  ii  verM-enrlefen 
TouNchritto  geschh)s5en  werden,  da  dieselben  nur  eine  Summe  von  kleineren 
darätelien  könnten. 

Diese  Bemerkungen  scheinen  deshalb  nicht  liberflflssig,  da  sie  auch  für 

31aterial-L»  itt  I  II  gelten,  die  auf  Instiumenten  verwirklicht  sind.  Man  kann 
Instrtnnniital-Lritern  nicht  ohne  weiteres  f I « brauchs-Leitern  betrachten, 
wie  Ji.  Kiemann  und  R.  Wallascherk  »  s  thuii,  iiulem  «io  mis  den  Tönen 
von  Museunis-Lustrumeuten  allein  auf  die  verwendeten  intervuüe  weitgeliende 
Sehlfime  ziehen. 

Man  niiiR  sich  auch  hüten,  die  tonale  AufTas-^ung,  die  unsere  europftische 
Musiktheorie  beherrscht,  ohne  weitere»  auf  exotische  Leit<'rn  zu  übertragen. 
Wir  siufl  Lfewohnt,  den  tiefsten  Ton  einer  Leiter  .ilf^  firiindton  anzusehen, 
auf  den  wir  alle  anderen  Tonstufen  beziehen,  von  dem  aus  wir  alle  Inter- 
valle messen.  Vom  Grundton  ausgehend  teilen  wir  den  ganxen  TTmfang  der 
Leiter  in  Oktaven,  innerhalb  welcher  sich  das  Leitemgesets  erschöpfend  dai^ 
ftiHf.  Alle  diefie  Verhältnisse  müssen  nicht  notwendigerweise  bei  alten 
Leiti  TTi  zutreffen.  Xicht  alle  Li-itiiri  lassen  «ich  nach  Oktriven  gliedern. 
I)ie9  ist  z.  B.  stteiiL'  genommen  nicht  niöglich,  wenn  dnn  Jühlungj^gesetz  der 
pythagoreische  Quintenzirkel  ist.  Gelegentlich  kann  die  Struktur  klarer  hervor- 
treten, wenn  wir  statt  der  Oktaven,  oder  neben  ihnen  ein  anderes  Intervall 
zur  Einteilung  wählen  [7..  B.  (Quarten,  wie  bei  den  griechischen  Tetrachordeo). 
Dit»  ftefahi-  «IfH  Irrtums  liecrt  hesdnder.s  nalie  bei  Iji'sti  nnn  ntal-Leitern.  wenn 
wir  den  tielsten  Ton  des  Instruments  als  (Tnuultnn  einrr  ( iebrnncb^-Lfiter  he- 
trachteUj  alle  anderen  Töne  aui  ihn  beziehen  und  den  ho  lierechneteu  Inter- 
vallen praktische  Geltung  zuschreiben.  Aber  auch  die  aus  Melodien  ge- 
wonnenen (Tebrauchs-Leitem  drücken  zunäciist  nur  das  allgemeine  Gesetz  der 
Intervallen-Folge  aus.  Ilm  versdiiedene  derartige  (besetze  zu  vergleichen, 
wird  es  allerding«  nntwpiuli[r  «ein.  einen  (rrutidton  zu  wähh'n.  Es  ist  jedtvch 
nicht  nötig,  daß  dieser  (iruudtuu  mit  der  Tonica  [d.  h.  dem  melodischen 
Schwerpunkt)  oder  dem  Anfangn-  resp.  Sehlußton  des  Stücks  zusammenfallt. 

3.  Toileitcrn. 

A.  Gebräuche-Leitern. 

Nach  den  aligemeinen  methodologischen  Betrachtungen  er.scheint  es  zweck- 
mäßig, xnnftchst  die  japanisdbe  Gebrauchs-Leiter  festzustellen.    Erst  wenn 


Digitizeci  by  Ct^jv-ve- 


308  O.  Alyraham  u.  £.  M.    Horabostett  Studien  filier  das  Tonfystem  der  Jftpaoer. 


wir  einigermaOen  darüber  orientiert  sliul,  was  för  Intervalle  von  (It  n  Musi- 
kern in  «1er  Pr?ixi>^  intonrliert  werden,  können  wir  da-  Lcitorn-MHteriiil,  da« 
uns  nu  Instruuienteu  mit  fester  Abütimuiuug  j^egebeu  ist,  kiitisch  Bichteu 
und  fruchtbringeud  verwerten. 

Wir  Tereinigen  sur  Gebrauclis-Leitcr  die  Werte,  die  wir  an  Inatrumenten 
ohne  feste  Abstimmung,  mit  denen^  die  wir  an  Phonogrammen  gemeaseo 
haben. 

Zu  ersteren  gehören  die  j)opularcu  lustrumeutti  der  Jupauer:  Aoto,  6Via- 
mimii,  Kokyu  uud  tSkakuliachi^j. 

Die  Kok)  ist  eine  dreistehnsaitige,  liegende  Harte,  deren  Saiten  glei<^- 
m&ßig  schlaff  gespannt  sind  und  durch  untergeM-hobene  bawegliche  Stege 
gestimiTit  werden 2^.  Der  Spieler  zupft  und  reißt  die  Suiten  mit  3  f'ingern 
der  itcbtt;n  Hand,  die  mit  KlfoTihciu-Nägeln  versf^hen  piiid,  wälirend  di«,* 
Linke  gelegentlich  durch  Druck  uut  die  Saite  unterhalb  dci;  Steges  die 
Saiten-Spannung  uud  damit  die  Tonhöhe  erhöht  Die  Koto  ist  chiuesischeu 
Ursprungs  und  hat  der  Form,  Größe  und  Saitensahl  nach  mannigfache  Ver- 
ändern ngen  erfahren. 

DaK  Sluimist'nf  eine  dreisaitige  Guitarre,  wird  mit  einem  großen  Plektron 
geschlagen. 

Das  Kükyu  ist  eine  kleine  Geige,  deren  vier  Saiten  mit  einem  gaiiz 
schlaff  gespannten  Bogen  gestrichen  werden.  Der  Spieler  streicht  immer  in 
der.xell)en  Ebene  uud  bringt  den  Bogen  dadurch  mit  den  verschiedenen  Saiten, 
in  Rerülirung,  daß  er  das  Instrument,  das  er  auf  die  Kniee  stOtEt,  um  seine 

Achse  dreht. 

Die  dxei  genuuuten  Instrumente  vereinigen  »ich  häufig  zu  einem  Trio. 
Die  im  Anhang  mitgeteilte  Partitur  »Der  Kranich  und  die  Schildkröte« 
gibt  ein  Beispiel  eines  derailigt^n  Kammermusik -Stückes.  (Rubrik  IV  der 
Tabelle  1  gibt  die  Werte  lür  die  Koto,  Rubrik  V  die  für  das  Shamisen.) 

Eine  Ali  Mambus-Klurinftte  ist  da>'  Shakuhushi.  Das  einfache  Rohr  be- 
bitzt  ü  Eiitgerlöcher  (das  oberjste  hinten,  die  übrigen  vorne]  und  an  der 
Blas-Offnnng,  die  durch  die  Unterlippe  vollständig  gedeckt  wird,  eine  zuge- 
sdiärfte  Kaute.  Durch  die  Art  des  Anblasens,  sowie  durch  Halb-  oder 
Vierteldeckung  der  Löcher  vermag  der  Spieler  dir  Tonhöhe  zu  nuancieren. 
(f)i»  Werte  Tabelle  I  und  Tl  Rubrik  Vil  stellen  die  hiti  rv  die  von  Ton- 
leitern dur,  die  uns  der  Spieler  zum  Zwerk  <h'r  Me«-iiliir  In  sond.  i  s  vdr'spieltf ; 
die  Werte  Tabelle  U  Rubrik  Vlll  und  iX  wurden  nach  den  IMiuuogrammen 
der  im  Anhang  mitgeteilten  St&cke  gemessen). 

Die  meisten  Messungen  sind  mit  Hilfe  eines  A}>punn*schen  Ton- 
messers ausgefüln-t.  Derselbe  besteht  au8  einer  Reihe  von  Zungen,  di«' 
zwischen  400  uud  480  Schwingungen  von  2  zu  2,  zwischen  480  und  600 

I  i  Wir  können  una  hier  auf  eine  ganz  kune  Skifiderung  der  in  Betracht  kommen- 
den Instrumente  besclirünken,  da  in  den  erwähnten  Arbeiten  P.  Aniiot  und  van  Aalst 
die  chinesische,  Müller,  Piggott  und  JLraua  die  japanische  Instnunentenkunde 
ausführlich  behandelt  haben. 

2j  Auf  die  verschiedenen  Arten  der  Stimmung  und  deren  theoretische  Bedeutung 
kommen  wir  «p!ik>r  ausfiiln'lidi  /uniek.  Zum  Verständnis  der  Tabellen  st^i  mir  be- 
merkt, dab  die  Kolo-Stimmungen  lUmjmhi  und  Kitmoi  sich  nur  durch  die  Wahl  des 
Ausgangsttmes.  nicht  durch  das  Oesetz  der  Intervatleutulge  unterscheiden,  ganz  wie 
die  mittelalterlichen  Kirchentüue.  Um  beide  Stimmungen  vergleichl)ar  zu  machen, 
haben  wir  die  Werte  iür  (]i>!  A^////<</-lii  itcr  derart  umgerechnet,  da6  sie  sich  als  iftru- 
Junhi  darstellt.    ,Da»  Nähere  vergleiciie  S.  324., 


I  u.L;d  by  Google 


0.  AbrahMW  «.  E.  M.  t.  Hornboitol»  Studien  fiber  das  Tonsystem  der  Japaner.  909 


von  3  zu  3,  zwischen  600  und  800  von  5  zu  5  Scliwin^ungen  abgestimmt 
Bind  tind  duicJi  eiiion  fjf iiiplif-ümeji  Wiiidkusten  g]ei<*lini!i()ig  nn^««l>lH«<'ii  wk'v- 
ileii  können 'j.  Zu  eini-^'en  M*-*>ungt'n  in  "Wien;  wurde  t-in  MonocJioril 
von  H.  König  in  Pniis,  das  vom  plivbikalischtru  Institut  der  Universität 
freundlichst  zur  Verfllgung  gestellt  worden  war,  benutzt.  Die  Saite  diese« 
vorzüglichen  ApparateH  wurde  mit  Hilfe  einer  Xormalstimmgabel  auf  den 
KamnieHcm  i;).')  Scliwiniruiifjen  •.'»■stimmt.  Die  Messungen  sind  etwas  niüli- 
sanier.  nls  mit  lUiu  Appuna'ächeu  Tonmesser,  last^eu  jedoch  an  (ieuauigkeit 
niciitn  zu  wüu&cheii  iibri*,'. 

Wir  hüben  die  Verhiiltuisse  der  gei'uudenen  ychwingungszuhJeu  in  Cent» 
d.  i.  Hundertstel  des  temperierten  Halbtons  umgerechnet.  Diese  Ton  £lli» 
xueiDt  eingeführte  Methode  empfiehlt  sich  ihrer  Einfachheit  und  Übersicht* 

lichkeit  wefjen  Tür  alle  musikalisrh«*n  rnteiTsuchungen,  und  es  wäre  sehr  zu 
wiinsrhfTi,  dn(?  sie  von  der  Wie-^^-ii^rhaft  allgemein  acce|)tiert  würde.  Die 
Umrechnung  wird  durch  die  lienutzuug  östelliger  Logurithmeu-Tafelu  und 
der  von  Ellis  mitgeteilten  Tabelle  noch  erleichtert  Indem  man  einen  be- 
stimmten Ton  als  Ausgangspunkt  wählt,  von  dem  aus  man  die  Summen  der 
Intervalle  beiechnet,  erhalt  man  die  Leiter  in  »'inei-  Fnnn.  die  sie  mit  andern 
btMjuem  vergleichbar  nuu'ht.  Au  der  t. m j  i  iit  rtcn  l.ritn.  tlcmt  Intervalle 
»ich  der  Voraussetzung  nach  als  die  Hunderter  der  natürliciu-u  Zaiiieureihe 
darstellen^  hat  mau  einen  stets  bereiten  MaUntab,  und  bei  einiger  Uhuug 
wird  man  auch  die  Zahlen  Tür  die  reine  Stimmung  im  (Tedächtois  haben. 
Die  Genauigkeit  dieser  T)arstellun<rswei.-e  ist  mehr  als  hinliiu^dich.  In  der 
eiugestricheneu  Oktave  entspricht  fiu  Cent  ungefähr  (^2 — O.ii  Schwingungen. 

Wir  beiiiitz»*n  in  Tabelle  Ii  (Rubrik  Jll — VlU  die  ittelwerte  }t*  zweier 
liiDzelreihen ,  liie  in  Tabelle  1  zuaummengest»'llt  sind.  Die  Bereclitigunif. 
die  Intervalle  außer  auf  einen  (xrundtou  auch  noch  auf  dessen  Quinte  zu 
beziehen  und  beide  Beihen  zusammenfassen,  eingibt  sich  aus  der  häufigen 
Modulation  in  die  Dominnnt^Tonart,  auf  die  wir  noch  zu  sprechen  kommen'), 
sowie  aus  der  auff'alli-nden  Übereinstimmuu'JT  d<T  so  berechneten  \W  rti-. 
kann  sich  an  einem  Hei«pi»'l  leicht  übei-zeu^ren,  daß  zwei  um  eine  (Quinte 
differierende  Töne,  aber  auci»  nur  diese  zwei  Töuü,  als  (Jruudtöue  ange- 
nommen, ZU  übereinstimmenden  Werten  führen. 

Da  die  Koto  zunftcbst  nach  Quarten  gestimmt  wird,  halben  wir  in  Rubrik 

I  und  Jl  die  Werte  zusammengefaßt,  die  man  erhiUt,  wenn  man  ^t»,  /w 
beziehun!."=n  »  i-.-  //,  /*.  '  .  inerseits,  or,  d  bezlehung«wr  i>e  'f>s.  tjt  s  aiidet  er.seits 
der  Keih<-  nach  zum  <irundton  macht.  Wir  hnbrn  dadurch  sämtliche  auf 
dem  ge^^tinlmteu  luäti'umeute  möglichen  intervalie  in  Rechnung  gezogen, 
wHhrend  wir  uns  bei  der  Verwertung  der  an  Phonogrammen  ausgeführten 
Messungen  auf  die  benutzten  Intervalle  beschränken  durften. 

Die  W.  1*1«  Tabelle  I  Rubrik  TTI  und  VII  sind  überdies  Mittelwerte  aus 
mehreren  Hin/elmessungen,  die  wir  behufs  größerer  Genauigkeit  und  Selbst- 
koutrole  ausführten. 


1  Die  üufienauifikciten  der  Stimmung  wurden  nach  einer  TuIk-IIc  korrijriert,  die 
\h-  K.  T>  Sfbrifer  und  caiid.  Pfuügst  auf  Clntnd  «»'hr  •^<»re^r;itt;jpr  Messungen  mit 
Hille  einer  j^eaichteu  Xormalstnnmgabel  und  durch  Auszäiilcn  der  Schwebungen  be- 
nachbarter Zungen  aufgestellt  ha1>en. 

2l  Vergleiche  S.  927. 


310  0.  Abraham  a.  E.  M.  t.  Horaboat«!,  Stttdien  über  du  Toiuystem  der  Japaner. 
Tabelle  1.   Gebraacbs-Leitern.  Einxelwerte. 


!  Koto-Stimmiingcn 


II 


HinjMkl 


Koto-Solo 

III      ;  IV 
TodMiM  Krankh 

>  (Koto) 

f   1        I   K    '  « 


Sham-Solo 


V 

Krmnich 

r  I  < 


TI 

*  I 


Shaku- 
hacbi 

vn 


StiaaaaK 


(trundton 
Kleine  Sekunde 
Liritüe  Sekunde 
Kleine  Terz 
Große  Ter« 
ij^uarte 
TTitoniw 

JUeiae  Sexte 
Große  Sexte 

T\I'  iiif  Si'[iriiri«' 

Uro  1)0  Üüptune 
Oktave 


0 


'  Ol 

loal  — 

1  227  — 

329!  - 

—  :m  — 


0 


0     0     0,     0  0  0 

92  -      931    81  -  — 

,  1971  —  i  aOö  194  IHI  -m  19S 

'  338'  —  !  —  I  —  296  304  3ü(> 


4861  495  öOl 


385  —  —  -    41O1  — 

—  1  492  481  499  —  '  477 

597  l  602  595'  604  669  Ä73  -  |  —  - 

713  704  698  —  721  (W7  705  702,  — 

816i  —  ,  823.  —  ,  8021  —  803 

—  '  870!  -    861  916'  —  .  909l  883!'  879 

972        1002  —  '  —  974  —  999 


,  —  109ti|  —  1082  —  1IO6I,  —  —  I  —  xv«.^  -  ..x^.j  - 
1199 1199:1199 1199 1208 1202 1201 1201 1201 1'201 1199 1199^199 

  I  !         't  I         i  II 


0 

175 
306 
402 


0      Ol     0  0 

2a5  189  190|  224 
322  317  308  — 
379 
488 


5g2j   

724'  717  68di  —  '  6H7 

-  802  805,  806  807 
983  922  922!  — 

—  1014  —  961 
1030  —  ,1041.  — 


1199 


In  Tubelle  11  »iud  zuuächst  die  Mittel  für  die  ein/.eliieii  lustrumeuteu- 
Gattungen  gezogen:  Bubrik  X  (Mittel  aus  T — ^lY)  gibt  die  praktische  tjeiter 
filr  die  A'oto,  Kulirik  XI  Mittel  aus  V — VI)  diejenige  flbr  das  Shainiscn^ 
Rubrik  XII  Mittel  nun  VII — IX j  diejenige  ftr  das  Shakuhaehi.  —  Bubrik 
XTIT  riidlirli  yilit  das  ( Jciircalinitti'l. 

Bemerkt  »ei  noch,  duU  bei  der  Berechnuiig  von  Mittelwerten  htetü  dus 
Gewicht  der  einseinen  Faktoren,  mit  welchem  sie  in  das  Besultat  einitt- 
treten  haben,  berOcksicbtigt  wurde.  Es  ist  dies,  ein  unerlftßlicbes  Erfordernis 
übci-.ill,  wo  es  sieb  um  die  Zus.umuenfaSBuni,'  von  Reiln  1  I  nidelt,  die  zum 
Teil  durch  Ausfall  rin/cliHi  <ilied*r  unvoUstäudig  sind,  oder  Beihen,  die 
selbst  schon  Mittelwerte  enthulten. 

Tubelle  II.   Gebraucks-Leiteru.  Mittelwerte. 


1 

II 

III 

IV 

V 

VI 

'  VII 

VIII 

IX 

X 

XI 

Xil 

XIU 

XIV 

XV 

XVI 

H.2. 

B 

a 

1 

1 

p 
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k. 

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ii 

ii 

II 

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1 

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Gnmdtou 

0 

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3. 

0 

-"^ 

0 

0 

0 

0 

L" 

0 

1  0 

0 

0 

Kleine  Sekunde 

103 

92 

87 





94 

94 

112 

100 

114 

((•rroßc  S.'kuncle 

227 

197 

199 

193 

187 

197 

207 

222 

221 

201 

192 

21 1 

21  »2 

204 

200 

204 

Kleine  Terz 

329 

338 

306 

308 

293 

317 

313 

3(A) 

;ii2 

316, 

300 

318 

Große  Ten 

383 

386 

408 

379 

389 

402 

3791 

3{K) 

ODO 

400 

408 

^uart<•  ' 

489 

501 

487 

499 

477 

482 

488 

471 

Töb 

102 

480 

4S»r 

489 

498 

m) 

022 

1  ritonus 

599 

59i) 

571 

582 

Ö90 

582; 

589 

590 

600 

612 

(Quinte 

710 

698 

704 

7as| 

724 

703 

697 

710 

727 

704!  710 

70511  706 

702| 

700 

702 

Kleine  Sexte  ; 

816 

823 

802 

mi 

803 

806 

792 

812 

814 

803| 

804} 

809 

814 

800 

816 

Große  Sexte  J 

870 

861 

915 

896 

901 

922 

871 

888 

911, 

8711 

895 

884 

900 

906 

Kleine  Septime 

972  1(H)2 

974 

998! 

1014 

961 

973 

9S6  1014 

967 

985 

9961000  1020 

Große  Septime 

lOfHv 

1  ( tS2 

1051, 

1030 

1041 

1081  10361 

1068 

\(m 

1100' 11 10 

Oktave 

119iijUiti>jl202| 

12011200^ 

1199^jll99il200 

1200 

1200 12OO|12O0|| 

1200 1 

1200^ 

1200  1200 
1 

Digitized  by  Google 


0.  Abraham  u.  E.  IL    HornlHMt«],  Stadien  &ber  da«  Tonayatem  der  Japaner.  311 

Bevor  wir  an  die  kritische  Beurteilung  der  ( i  ebrauchfr'Leitem  gehen, 
wollen  wir  noch  das  Material  lichten,  das  nna  die  Inetrumenten-MesBungen 

geliefert  haben. 

B.  lustrumeutal-Leiteru. 

TtibeUo  Iii  gibt  eine  Übersicht  über  die  Leiteru,  die  wir  uii  Instru- 
menten mit  feater  AbBÜmmuug  gefunden  haben. 

Die  I^pa^)  ist  eine  4eaitige  Laute  mit  12—10  höhsernen  Griff»tegeii, 
die  größte  litt  ils  auf  dem  Hain,  teilweise  auch  noch  auf  dem  Körper  des  In- 
Btrunioiit«  s  f<  st  geleimt  sind.  Die  Mittelwerte  dor  Tntervall-Messungen  (aus 
ueuB  Einzelreiheuj  zeigen  eine  auffallende  Annäherung  au  die  temperierte 
Lnter.  Kur  der  Tritonns  ist  harmonh>ch,  d.  h.  im  Verhältnis  5  :  7  gestimmt. 
Sehr  bemerkenswert  ist  die  Tatsache,  daß  man  nnr  dann  au  vemfinftigen, 
d.h.  in  innerer  Übereinstimmung  befindlichen,  Reihen  gelangt,  wenn  man 
nicht  von  der  leeren  Saiti',  soiuli  rn  vom  olier^ten  Bund  ausgeht.  liegt  man 
der  Berechnung  dh-  Tunlnihe  der  leeren  S.iitf»  7.u  Grunde,  so  erhält  man 
ganz  absurde  Leitern,  in  denen  oft  (Quarte  und  t^uint«  fehlen,  datur  Inter- 
valle auftreten,  die  sich  sonst  nirgend  wiederfinden  ond  ftberdtes  fUr  jedes 
Inatrunient  anders  aussehen.  Das  erste  Intervall  dieser  Leitern  1 1H8  ('.  im 
Mittel  ent.-^jjricht  ungefiihr  einer  reinen  kleinen  Sekunde  (1K2  C;,  ist  aber 
aulSerordentlich  schwankend  (zwischen  175  und  1*2 1  (\  .  I>tp  Kohler  der 
ersten  (iliedor  schleppen  sich  bei  der  Summen-Berechnung  durch  alU*  Ulieder 
der  Eeihe  fort  und  bringen  die  erwähnten  Abnormitäten  hervor.  Die  schwan- 
kende Intonation  dieses  Intervallen  wird  erklärlich,  wenn  mau  die  leere  Saite 
als  i  inie  des  (rrundtons  auffaßt  (1012  C.  im  Mittel),  denn  dieses  Inter- 
vall kniiiint  sowohl  in  chinesischen  als  in  japanif^chen  Molodien  nur  sehr 
selten  vor.  Mau  könnte  geneigt  sein,  den  eigentümlichen  Bau  des  Instru- 
mentes durch  die  Annahme  zu  erklären,  daß  die  Aasftthning  von  Melodien, 
die  zu  dem  unterhalb  des  Ornndtones  liegenden  Leitton  hinabsteigen,  ermög- 
licht wird.  Wir  besitzen  in  Europa  Instrumente,  deren  Konstruktion  einem 
ähnlichon  Bedürfnis  geniiiren  soll.  Di«»-»^  Analofrie  wirfl  alu  r  Iiinnilli'j.  w»Min 
man  weiß,  daß  die  ostasiatischo  Melodik  etwas  Derartiges,  wie  einen  auf- 
steigenden Leittou  nicht  kennt.  Dagegen  bietet  sich  uns  eine  andere  Ver- 
mutung dar,  die  mit  den  bekannten  Tataachen  besser  Obereinstimmt.  Sie 
spricht  dafin  .  die  Melodie  nur  auf  der  4.  Saite  gespielt  wird,  während 

dir  i'fst.  II  ili  t  i  je,  r  /iii-  Be<fleitung  dienen.  Diesi-  Spit-lweise  rtit^-iii  lrlit  diT- 
jen igen  der  einer  japanischen  Abart  der  Pipa,  wio  «je  PiifL'ntt-  Im— 

schreibt.  AVahrscheinlich  wird  auch  die  OckJJn  (siehe  untenj  ähnlich  ge- 
handhabt, da  einzelne  Bttnde  derselben  nur  bis  unter  die  zweite  Saite  reichen. 
Nimmt  man  femer  an,  daß  die  4  Satten  der  Pipa  nach  Quarten  gestimmt 


1)  Kraus,  a.  a.  0.,  S.  70  beschreibt  ein  ilhnliehcB  japanisehcR  Instrument  mit  nur 

t>  Binnlon  tmter  (Ipüi  Xftmen  HfkLin.  Da  r«i  tinmrüjürh  war,  den  Ur«pniTicr  Hf»r  nnter- 
suchteu  Instrumente  festzustcUeD ,  fassen  wir  sie  unter  dem  chiac^cben  Tiamon  zu- 
sammen. 


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312  0.  Abraham  tt.  B.  M.  v.  Hornbostel,  gtodi«!  Über  du  Tomyatem  der  Japaner. 


werden,  eine  Stimniuiif^,  die  auf  dem  Sli.tini-rn  niit<  r  dem  Namen  SaftJfn^ri 
sehr  pehräurlilicli  i>t  und  .iiicli  iiiif  dn-  Wwv.i  voi  kniuiiit  -ii  cr-i  fa  int  C* 
tati<H«!dich  fjeboteii,  den  ersten  iiuud  xuni  <tnindtoii  der  Leiter  zu  machen. 
Denn  wäre  die  Stimmung  der  leeren  Öaiteu  beispielsweise  VFB  cjs,  so  iat  die 
Tonhöbe  des  ersten  Bundes  der  4.  Saite  f,  und  die  drei  leeren  Saiten  geben 
die  Oktav*-.  Dominante  und  Subdominante  de.M  (irundtons.  Immeibiu  geben 
wir  diese  Hypothese  mit  aller  Reserve,  und  es  bleibt  abzuwarten,  daB  vrir 
über  die  Stimm-  und  Sjdelweise  der  ]'ipa  genauer  unterrichtet  werden 2.. 

Kine  Ab;u't  der  Pipa  ist  die  japanische  fiiiri,  pIik'  ^roße  4'^;uti£re  l-isute 
mit  bloa  4  Bündcu.  Wir  haben  zwei  Kxemi>iare  untei-sucht,  dieselben 
stimmten  aber  in  der  Konstruktion  weder  untereinander  nodi  mit  den  in 
der  Literatur  bescbriebeuen  ttberein. 

Die  chineiiiscbe  Yiii-h'i/i  und  ihre  japanische  Abai*t,  di»-  h'ekkiu  >inA 
4saitige  Guitarren  mit  kreisrundem  Sihallkörper  und  7,  10  chin.]  oder 
(jap.)  festen  Bünden.  T>in  cliinesisclie  Shu'itH/-Ki/>  unterKcheidet  '^ich  von 
ihueu  durch  einen  oktogoualeu  Kür}>er  und  eiueu  viel  läuteren  HaU,  der 
12  Bunde  trSgt.  Diese  Instrumente  geben  neb«!!  nattbiidien  Int^raDen 
(Ganxton,  Quarte,  Quinte),  neutrale  Terzen  und  Sexten.  Dieselben  sind 
möglicherweise  identi^^ch  mit  dem  um  einen  ^  4  Tou  /II  151  C"  er- 

weiterten   reinen   groß<'n  (iunzton    8  :  0,  2iU  ('.)    und   dessen   I  mkehrung 

M  S    Vt;  1''>i  4-  204  =r.  a54  c.  —  It .  r  ä  -  n ■»       -  •^•"'■^  =  84t;c. . 

Daß  diese  Intervalle  von  der  reinen  Stimmung  auscjehen,  würde  mit  der 
sonstigen  Konstruiction  des  Instrumentes  stimmen.    Doch  da  es  nicht  er> 

.'^icbtlicL,  wie  man  /.um  4  Ton  fjelanf^t,  ueben  wir  diene  Hypothese  mit  der 
j;rüßtt  n  ^^)^>u•llf .  Die  Sejitime  .scli<-int  zu  ühA]  und  ^1  immt  mit  der  (kleineii 
pythajforeiscben  Si  jitime  '1<>20(V^  i)li<T»  iii.  Stmtt  tler  neutralen  Si-xte  erscheint 
auf  einigen  lustrunuMiti  ti  die  gniÜe  nutüriiche.  Zehn  Exemplare,  wovon  ü 
aus  China  und  4  ans  Japan  stammen  dilrften,  ergaben  die  Mittelwerte  d«r 
Rubrik  V  Tabelle  III;  diLre^jen  stand  uns  nur  ein  Exemplar  der  Sbtiang- 
Kin  zur  A'ertÜgrun^r^i  ^Tiibelle  III,  Rubrik  VI;. 

Das  Ki/i,  ein  chinesisches  Instrument,  wurde  früher  auch  in  Japan  unter 
dem  Namen  Shily  ithiu  oder  Kiiimt-Koto^],  jcdorh  :iii*»scbließlich  von  \'or- 
nehmeu  benutzt.  Ks  ist  eine  Tsaitigo  liegende  Ihule,  idiulich  dem  Koto, 
aber  kleiner,  und  wird  gleich  diesem  mit  Zupfnäi^eln  gespielt.  Die  Balten 
laufen  an  beiden  Enden  Aber  feste  Stege.  Die  Teilung  der  letzten  ^ite, 
auf  der  idlein  wohl  die  Melodie  ausgetldirt  wird,  ist  durch  eine  Keihe  von 
eingelegten  J*«>rlnuitter-  oder  Klfenboiimtnrkcti  vnr<ri>zt'ichnet.  Die  Messung 
zeigt,  daß  die.selbeu  von  dem  HalbierungNpunkt  der  Saite  ausgehend  uacb 
beiden  Seiten  in  symmetriKchen  Abstünden  angeordnet  sind.  Die  eine  HlUfte 
der  Tabulatur  aeigt  also  das  genaue  Spiegelbild  der  anderen. 


1)  Ellis,  a.  a.  0.  S.  525. 

2;  Ein  von  Ellis  pemesseneB  Exemplar  einer  Pipa.  das  nach  einem  anderen 
Prinsip  «gebaut  ist.  ah  die  unsriiifen.  wird  in  einem  späteren  Zusammenbuig  bes|>ro- 

chen.    (Sit'lie  S.         Aninorkiiner  4. 

3)  Im  Besitze  des  Wiener  K..  X.  HutmiLseums. 

4j  Vgl.  Kraus,  a.  a.  O.,  S.  61.  Piggott  beschreibt  dasselbe  Instrument  als  ^i- 
ehigenkin. 


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O.  Abraham  u.  E.  ML  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Tonsysteiu  der  Japaner.  313 


TfibelleTTT.  Instrumental-Leitern. 


1 

II  i 

III 

1 

f  \r  1 

Bflin 

V 

Ookkin 

VI 
Chin 

VLI 

(»ruudtuu 

i  ^ 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

"BT  1        »   45  .1  , ,  ,  ,1  ^ 

KJetne  iSeKimae 

97 

100 

112 

90 

Große  Sekunde 

'  197 

200 

aao 

1182 
^231 

I  189 

182 

180 

Kleine  Terz 

308 

ßOO 

314 

816 



294 

neutrale  lerz 

339 

340 

Große  Terz 

1  r 

387 

386 

497 

500 

496 

498 

602 

600 

498 

Intuuus 

6üü 

083 

688 

(Quinte 

700 

700 

701 

702 

697 

£1 

678 

Kl.  iiic  Sexte 

800 

800 

844 

792 

neutrale  ^exte 

1  861 

847 



Große  Sexte 

'  9m 

900 

879 

S4 

876 

682 

Kleine  Septime 

UKK) 

9% 

1018 

10-_>1 

Oktave 

1  1194 

1200  1 

1203 

1200 

j  1200 

12UU 

12OÜ 

Die  untenfoljjeiiJe  Tabelle  IV  A  giVt  in  der  ersten  lieilie  die  Distanzen  der 
einzelnen  Tastkiiri])fp  vnm  Saiten-FiKlc  nmgereclinet  auf  «Ii««  fiiifni  listcTi  Zahlen. 
Iji  der  zweiten  Reihe  Hlud  die  Z\uschenrUunie  von  Knopl' zu  Knopf  fjre^'ehen, 
in  der  diitteu  die  Verhältnisse  der  Knopf-Distanzen  zur  ganzen  SaiteuiUnge, 
gleich  den  reciproken  Verhältnissen  der  SohwingungszahleUf  in  der  vierten 
endlich  di<5  Intervalle  in  Cents,  die  leere  Saite  als  (irOtldton  angenoninieu. 
Es  ergeben  sich  die  Intervalle  d»'r  natürlichen  St iiniTiniii;  mit  außerordent- 
licher fronauitrkeit,  wie  mi<  <h'r  I'Ih n  i ii.stimnmni;  iKr  Kubrik  HF  Tabelle  III, 
welche  die  Mittel  der  an  ö  verHchiedeuen  Instrumenten  gefundeneu  Werte 
enUiält,  mit  Rubrik  TV  ersichtlich  ist.  Die  Tabulatur  umfaßt  3  Oktaven , 
von  denen  die  beiden  ol>eren  nur  die  ^roße  Terz  und  die  Quinte  enthalten. 
Die  Teilung  der  tiefsten  Oktave,  welche  das  Spiej^'elbild  der  beiden  anderen 
darstellt,  ergibt  außer  den  beiden  Terzen  und  der  großen  Soxte,  der  <^narte 
und  (Quinte  noch  das  Intervall  7:8,  eine  Art  übermäßigen  Ganztouä 
(231  Cents;  temperierter  Ganzton  »  200  C.].  Das  Vorhandensein  dieses 
sonst  ganx  nngebiiluchlichen  Intervalle  weist  darauf  hin,  daß  die  Einteilung 
der  beiden  dlx  ien  Oktaven  derjenigen  der  unteren  vorausgini;,  und  letztere 
nur  rlmdi  Wie  Syiitrnetrie  der  Anordnung  d-T  T.i<tkn(»|iff'  bedingt  ist.  Winider- 
licher  W  eise  erscheint  in  den  oberen  Oktaven  die  große  Terz  an  Steile  der 
Quart,  die  man  wegen  ihres  höheren  Konsonanz-Grades  eher  erwarten  sollte. 
Vermutlich  sind  aber  bei  der  Konstruktion  des  Kin  musika- 
lische Prinzipien  überhaupt  nur  iti  /\v<>iter  Linie  angewendet 
worden.  Denn  sämtliche  'Nrnßc,  die  auf  ailli  n  l]\t  iii|>l;(r(Mi  'j-enau  einirelmlft  ii 
('i>-(heinen,  sollen  eine  symbulische  H<  (b<ulijng  liaben.  So  soll  die  Länge 
von  '6  Fuß,  •»  Zoll  und  0  Linien  die  [MHij  Tage  des  Jahres,  die  Breite  von 
6  Zoll  die  "Weltrichtuugen  (N,  S,  O,  W,  Zenith,  Nadir),  die  Verengerung  des 
Eesonanz-Bodens  in  derMitt.  mf  4  Zoll  die  .lahreszeiten  andeuten  u.  s.  w.*]. 

Das  größte  Interesae  verdient  ein  sechstea  Exemplar  des  Kin  2},  welches, 

1-  Vergleiche  Kraus,  a.  a  0..  S.  64  und  Winckler.  Babylon.  Kultur. 
2]  Im  Besitze  der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien. 


314  O.  Abraham  u.  £.  M.  v.  Hornbostel,  Stadien  über  da«  Tonsyaiem  der  Japaner. 


äunorlirh  dm  n  anderrn  vollkommen  gleich,  durcli  die  T>istfiuzen  seiner 
Tustkuüple  wcseutlicii  von  ihnen  abweicht  Dieselben  sind  ebeufalhi  von 
einem  mittleren  Knopf,  veldier  die  Saite  halbiert,  ansgdiend  niuiii  beiden. 
Seiten  syinmetriach  angeordnet  Die  Berechnung  der  Intervalle  aoa  den 
Messungen  fÜbi-t  zu  einem  erj^tumiüchen  R«-Hultat.  Der  übermäßig«'  Ganzton, 
die  reine  irroB»-  Terz  und  die  (Quarte  I innerhalb  der  or-ttii  (»ktavc  «itnl 
beiden  Typen  gemeinsam.  Dageg^'Ti  Hrscheint.  an  Stelle  der  reinen  grußeu 
Sexte  in  der  ersten  Oktave  die  reine  kleine  Sexte  und  kehil  in  den  beiden 
oberen  Oktaven  an  Stelle  der  Quinte  wieder.  Die  zweite  Oktave  enthalt  an 
Stelle  der  großen  Terz  die  Quarte.  Kixlli.  Ii  erseheinen  in  der  ersten  Oktave 
an  Stelle  der  reinen  kleinen  Terz  und  der  Quinte  [!  zwei  gänzlich  neuo 
Intervalle,  nändich  eine  pythagoreische  kleine  Terz  und  ein  Inter- 
vall, das  die  Mitte  hält  zwischen  Tritouus  und  Quinte.  Wie  er- 
klärt sich  diese  sonderbare  Tonleiter? 

Teilen  wir  eine  Saite  durch  fortgesetzteii  Halbieren  in  32  =  2'\  gleiche 
Teile,  so  erhalten  wir  (in  dt  i  ersten  Oktave  die  in  Tabelle  IV  Rubrik  1  Iii 
dar'_'< -tcUte  Jieiter.     Markiert  man.  vom  H  ilbioningspunkte  ausgehend,  syni- 
nietriöcii  nach  beiden  Seiten  die  Teilstriche  4  -\-  2       2  -\-  2-j-li"  l-f-'i^ 
(vgl.  Tabelle  IV  C],   so  ergibt  die  Berechnung  der  Intervalle  die  Leiter 
des  Kin  (Tabelle  IV  Rubrik  IV)  mit  groüer  Annäherung  und  einer  einzigen 
.•Ausnahme:  .in  St (11.   der  großen  Terz  steht  in  der  ersten  Oktave  eine  neu- 
fi  ;ilf  '.'551)  (M,  und,  infolge  der  symmett  i-i  h.  n  Konstrukttoü,  nn  Stelle  der 
großen  Terz  in  der  dritten  Oktave  die  (Quarte.     ])ie  beiden  großen  Terzen, 
welche  aus  dem  Koustruktious-Prinzip  di«'ses  Iu>tr«imentes  herausftdlen,  sind 
vielleicht  in  Anlehnung  an  den  anderen  Typus  entstanden.    Es  könnte  die 
Vermutung  auftauchen,  daß  das  ganze  Instrument  al^  nii>4<-schickte  Nach« 
idimung  eines  mißverstandenen  ^fculell?'  anzusehen  sei  und  als  vereinzeltes 
minderwertiges  Exemplar  ni<  lit  mi   in  die  Diskussinn  aufgenommen  werden 
»lüde.     Dem  widerspricht  die  autiollende  Übereinstanuuung  der  gefundenen 
mit  den  berechneten  Werten,  sowie  die  bedeutsame  Tatsache,  daß  diese 
Intervalle  sich  keineswegs  allein  auf  dem  Kin  finden.    Eine  Serie  von  12 
japanischen)  Stiujuipfeifen,  SftOihi*}^  kleinen,  einseitig  olTenen  Bambusröhren'], 
gab  die  Tabelle  IV  Rubrik  V  mifL;- triltr  l.i  itti.     Die  Intervall«*  atimmeu 
außerordentlich  genau  mit  denejj  iiberein,  (iie  man  durch  Teilung  einer  Saite 
in  32  resp.  64  gleiche  Teile  erhält.    Nur  die  kleine  Terz  nähert  sich  mehr 
der  reinen,  und  neben  den  beiden  Septimen  scheint  noch  die  harmonische 
Sept  (4:7;  969  C.)  intendiert  zu  sein  (vgl.  Tal)elle  IV  Rul)rik  VI- VIII). 
IMe  merkwürdige    »vertiefte«   Quinte  (<>4H  C),  die  in  dieser  Reihe  fehlt, 
erscheint  auf  8   versdiiedenen    5  chiiiesi«rhen   und  H  japanischen)  Flöten 
mit  großer  (lenauigkeit  wieder  (650  C.  im  Mitti-.l;  größte  Abweichung  10  C). 
Sie  findet  -sich  auch  auf  einer  von  Ellis  gemessenen  Pipa  ')  neben  einem 

Ton,  eintr  neutralen  Terz  und  einer  (reinen?)  großen  Sexte. 

Der  Perser  Zalzal  (7  HOO  n.  Chr.)  erhielt  auf  seiner  Laute  die  vertiefte 
Quinte  auf  ganz  anderem  Wege.    Die  Bünde  entsprachen  ursprünglich  den 

1)  Vergleiche  die  beifolgende  Tafel.   Das  Schema  igt  dem  vorhergehenden  gleich. 

2)  Vei-gleiche  Kraus,  a.  a.  O..  S.  47. 

i\  Berliner  Museum  für  Völkerkunde.  Nr.  I  I). 

4)  A.  a.  Ü.,  Seite  519.  Die  lieihe  lautet  m  UeutSj:  0,  14ä,  '6öh  647,  874.  lliiö. 
Vermutlich  ist  intendiert:  0,  151,  359.  (366)  649,  8B4,  1200.  EUis  sagt:  »Thü  teakü 
lUte  nothing  1  haee  yet  nut  mih*. 


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0.  Abraham  u.  iL  M.  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Toasysteiu  der  Japaner.  315 


pythagoreiwhen  Inteirallen:  0,  204,  294,  408  n.  8.  w.  Später  wurde  di« 
kleine  Tere  Terändert^  indem  man  den  2.  Bund  genau  in  der  Mitte  des  1. 

und  3.  anbrachte;  man  i-rhielt  303  C.  Zal/.iil  halluei-te  nun  die  Distanz 
zwischt-n  dem  2.  niul  3  Bund  nochmab  und  erhielt  dir  neutrah'  Terz 
(355  C.^  in  der  ei-^ten  Uktave,  den  -^4  Ton  (355  204  —  151  C.)  und  die 
vertiefte  Quinte  (lÖl  +  498  —  649  C.)  in  der  2.  Oktave  ij.  VieUeiclit  erklart 
eich  die  erwähnte  PiparLeiter  auf  fthnlidie  Weise.  Die  grofie  Sexte  fftllt 
aus  lirideii  Reihen  heraus. 

Das  V<'ikf)ninn'n  vf>ii  Int^-rvalh-n .  die  mechaiii?rlii'r  Haili  iitrIluiiL',  ;iNn 
eincui  auJierniusikalischeu  Prinzip,  ilire  Entstehunf^  verdanken,  auf  ust- 
oslatischeu  lustrumeuten  scheint  demnach  außer  Zweifel  gestellt.  Daß  sie 
auch  auf  Stimmpfeifen  Übertragen  werden,  beweist,  daß  ihnen  nicht  nur 
eine  nebensüdüidie  Bedeutunf^r,  nicht  nur  eine  occasionelle  Verwendung  su- 
koinmt,  sondern,  daß  der  Versuch  gemacht  wurde ,  spekulativ  i^fwonnen«- 
Intervnllt'  in  die  Pr;ixi«  »Mnzufühn'n.  Übrigens  steht,  nach  Denuys,  das 
Kiu  »au  tift  Spitze  de»  ehine!<ir*chen  Orchesters,  nimmt  also,  nach  o.^tusiati- 
seben  Begriffen,  eine  analoge  Stellung  ein,  wie  bei  uns  die  Primgeige«  ^j. 


Tabelle  IV. 


I 

IiiUmll 

U 

in 

Cent« 

I? 
Kln 

V 
Di»- 
p^tm 

VI 

(,'cnt8 

1 

VII    i  YHI 

Vi'^rtelton 

31 :  32 

öö 

Ilalbton 

lö:  16 

112 

118 

112 

15:16 

reiner  Halbtou 

Kleiner  Ganzton 

29:32 

170 

Grnß.  r  nanrton 

7:8 

231 

231 

249 

Kkme  TefZ 

27 : 32 

294 

303 

312 

316 

5:6 

reine  kk-iue  Terz 

neutrale  Terz 

13 :  IG 

359 

382 

386 

4:6 

reine  grolie  Terz 

Große  Terz 

25 : 32 

427 

4,% 

♦  (^uart 

3:4 

498 

499 

Kleiner  Triton. 

23 : 32 

572 

Ö61 

Großer  Triton. 

11:16 

649 

647 

608 

610 

46:64 

Triton 

t|uint 

21:33 

729] 

729  1 

•  Kleine  Sext 

6:8 

814 

816 

867 

868 

39:64 

uentr.  Sext. 

Grofie  Sext 

19:32 

902  1 

963 

969 

4:7 

bann.  Sept. 

*  Kleine  Sept. 

9:16 

996 

1063  j 

1046 

36:64 

Kleine  Sept. 

Große  Sept. 

17:32 

1095 

1142 

1146 

33:64 

Große  Sept. 

Oktave 

1  2 

12(TI 

1201 

120^; 

1200 

1:2 

Oktave 

r*  reine  Intervalle.) 


Tabelle  IVA.    Konstruktion  des  Kin.    Typus  A. 

1.  Saitriil-ui^ren  0   15   20   21    30   40   48   60   72  80  90    96    100    106  120 

n.  Difiereiu^en  15    5     4     6    10    Ö     12  |  12    8    10    6      4       5  16 

m.  Verhältnisse  '  s    '  r;    «  :.    '  i    »/s         Vs    V5  V»    V4  *is 

IV.  CenU  1200j(>2  386  1200  702  :iS6  1200  884  702  498  386  316  231. 

X3  X2 


1)  Vergleiche  Ellis,  u.  a.  0.,  S.  493t. 
2;  Ellis,  a.  a.  0.,  S.S20. 


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316  O.  Abraham  u.  ix  M.  v.  Uorubostel,  Studicu  über  das  Tousy^teiu  der  Japaoer. 

Tabelle  IVB.    Typus  B. 

I.  SaitenläTig«  n    0   20  25   32  40  60  60  80  100   110  120   12B   135   140  100 

IT.  Diftert-nzeii      20    5     7     8    10   10   2ii    20    10     10     8      7      ö  20 

III.  Verhältnisse       '  h  ^  ;t>  '■    '  i    "  i.;   U    •  ■<      s    "  >n      i  ^''k  "h 

IV.  CeutH  12Ü0  814  3>Sb  12lJOHl44tj?S  120U bl4  64«    im  3Ö6  294  231 

X3  X2 

Tabelle  lYC    Mutmaßliober  üraprung  des  Typus  B. 

I.  SaitenlSni^   0     4     ö     6     8     10   12     IG     20     22    24    26    27    28  32 

II.  Dimn^ii/rn       4     1     1     2     2      2     4   |  4      2      2     2     1      1  4 

III.  Verhälims»e       i/»  ^/w         1/4  t/j     5;^    a/,^  3/^   i3/j^  2;/^  7/^ 

IV.  Genta  1200^81^4fl6 1200814^498  1200  814   649  496  350  894  231 

X8  X« 

Kine  ^roße  Anzahl  von  Tn^truiiienten ,  »lie  wir  noch  auPtr  tl<  M  1n'i«chrie- 
l)enen  fjemesson  hnlM>Ti .  k(iiiiitt_'  uicht  in  Betracht  gezogen  wridcn,  da  ihre 
Leitern  weder  unter  einander  noch  luit  den  sonst  gefundenen  Tonreiheu  über^ 
einstimmten.  Namentlich  die  Flöten  videraetsten  sieh  hartnäckig  allen 
Versuchen  einer  Zusammenfassung.  Es  wurden  im  Ganzen  24  japanische 
lind  cliinesische  Flöten  verschiedener  Konstruktion  [Titxu^  i^lnnohuyr  u. av/ 
untersucht.  T)ie  Art  des  Anh!r\s<^!is  ist  zwar  von  großem  Einfluß  nnl  «üe 
Tonhöhe.  Um  aber  die  hierdurch  entuteheudeu  i'ehW  zu  vermeiden,  haben 
vir  uns  gelegentlich  der  Mithülfe  eines  Bemfs-FlÖtisteii ^)  bedient,  der  der 
gleichmäßigen  Stellung  der  Ijippen  sur  Blas-Öfinung  u.  s.  w.  die  grüßte  Auf- 
merktsiimkeit  zuwandte.  Da  es  sich  nur  um  die  Tntervallenfolge,  nicht  um 
die  .ilisolutc  TdiiliTylte  handelte,  niuliten  wir  die  auf  <len  In^triiiiinitt  n  iislcii- 
dierteu  Tonreiheu  erhalten  haben,  falls  nicht  etwa  die  ostasiatischeu  Musiker 
die  einzelneu  Töne  ungleichartig  anzublasen  pflegen.  Die  dennocli  mangelnde 
tlbereinstimmung  erklärt  sieh  wohl  aus  den  Schwierigkeiten,  mit  denen  der 
Flötenbauer  /.u  kämpfen  hat.  Nicht  nur  Länge  und  (^uei*schnitt  des  Bohres, 
sowie  (Jröüi'  und  Distanz  dtsr  Löchf  i  müs-t  n  li>  1  iicksichtigt  werden!  auch 
die  Art  der  liulii  \9i  von  \v("sctU  1  i<  Ij«  111  Einliuß.  Fast  bei  allen  f»*t.'»-<iii- 
tischeu  Flöten  ist  ein  natürliclu  s  liainliusrohr  ohne  viel  weitere  Bearbeitung 
benutzt.  Vielleicht  wählt  man  einfach  Rohre  von  gewisser  Länge  nnd  be- 
stimmter Anznlil  und  Distanz  der  Knoten  und  bohrt  dann  die  Löcher  un- 
gefähr in  <li'-  Mitte  der  Inf ernodipii.  1'^  i?^t  einleuchtend,  daß  bei  dieser 
Art  der  Fal/rikation  li'u-listens  eine  gewi--r  Ann:ib("ruii^'^  ;m  eine  intendierte 
Leiter  erzielt  werden  könnte.  Die  Verwendung  der  Fluten  uu  Zuaauiraenspiel 
mit  andern  Instrumenten,  die,  nach  verschiedenen  Prinsipien  gebaut  oder 
gestimmt,  verschiedene  Tonreihen  erzengen,  mag  geeignet  sein,  das  Chaos 
noch  zu  vergrößern,  zumal  in  einem  ]..ande,  wo  Theorie  und  Praxis  meifit 
neben  einander  hergehen,  ohne  sich  wecliselseitiL'  zu  bestimmen. 

Fl)enfalls  als  unbrauchbnr  erwiesen  sich  ln>truujente  mit  Zung(!nj)teiien ; 
zwei  japanische  Stinimpfeifen-lleihen  [Sliosiiihntj/ s]^  sowie  meliiere  chinesische 
Sliengs  und  japanische  Sito*«.  DieHe  Mundorgeln  bestehen  aus  einer  B«ihe 
von  Zungenpfeifen,  die  in  einen  gemeinsamen  Windkaaten  eingesetzt  sind. 
Durch  H(r:iu>^/,iehen  einzelner  Pfeifen  kann  nnm  sich  überzeugen,  daß  die 
Stimmung  durch  kleine,  auf  die  MetaUzuugeu  aufgeklebte  Wachskügelcheu 

1)  Mitglied  des  Wiener  Hof-Opem-Orchesturs. 


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0.  Abraham  u.  E.  M.  v.  Hornbostcli  Studien  über  das  Tuusystem  der  Japaner.  317 


reguliert  wird.  yerBtimmuiigen  durch  Abfallen  des  Stimm -Wach^üs,  sowie 
durch  Rosten  des  Metalls  sind  bei  Museums -lustrumenten  unvermeidlich. 
\Vir  fanden  kein  einziges  intaktes  Exemplar  und  die  weni^'en  Pfeifen,  die 
des  VortraueuB  wert  schienen,  ergaben  Leitern,  die  jeden  Erklärungsversuch 
uuäbchlielieu. 

Bei  Jtwei  cbinestseben  Instramenten  endlich^  einer  Papageno*Fl9te,  Siao, 
und  einem  G-lockenspiel,  Yün  hf  hat  offenbar  schon  der  Verfertiger  auf  eine 
|/>  iiaiu!  Abstimmung  verzichtet.  Vielleicht  war  das  Siao  zum  Kinderspielzeng 
bestimmt;  das  Yünio  wird  vorzugsweise  bei  Leichensügen  ala  Lärm-Instm- 
meut  benutzt. 


C.  Kritische  Zusammenfassung. 

Der  Direiktor  des  Musikinstitate?*  in  Tokio,  Herr  Sliu  ji  Isavva,  hat  unter 
^fifhilfe  zweier  enrojini^i  !ier  Musiker')  und  durch  Umfragen  bei  einhei!ni«cheu 
Musikern  die  japanischen  Gebiauchsleitern  zu  bestimmen  versucht  und  die 
Keäultate  seiner  BemUhungou  in  einem  Bericht niedugeiegt.  Dieser  Be- 
richt wurde  1885  zur  »Invention  Exhibition«  nach  London  gesandt,  begleitet 
von  mehreren  Keihen  Stiramgalieln ,  originaNjapaniHchen  Stimmpfeifeu  und 
Tabellen;  EUis  prüfte  die'^es  ^liit.-rial  aufs  surgsriiltiLr-t*-  und  vprr)fT«iitlichte 
es-*)  als  Ȇic  most  auHirntw  aceaunt  of  thc  fnfintional  and  jmutical  Japanese 
^calc,  tliai  WC  po.ssr.<!s*.  Das  Ergebnis  ist,  daß  die  von  der  Theorie  verlangte 
und  intendierte  i^ythagoreische  Stimmung  in  der  Praxis  durch  eine  Art  Tem- 
peratur ersetzt  wird,  die  dem  Gehör  des  Spielers  überlassen  und  daher  not- 
wendig unvollkommen  bleibt.  Ellis  meinte,  alles  was  den  Japanern  fehle, 
sei  ein*'  Si'tif  i^^enan  tcmiH-riert  gestinimtrr  (Säbeln,  und  sandte  eine  solche 
nach  Tokio,  ilie  dem  dortigen  Musikinstitut  künftig  als»  Standoid  dienen 
sollte.  Leider  geht  aua  den  Mitteilungen  weder  hervor,  wie  Herr  Isawa  zu 
seinen  Stimmgabel -Beihen  gelangte,  noch,  warum  or  die  pythagoreische 
Stimmung  als  intendiert  betrachtet.  Eine  Aufklärung  hierüber  wäre  in  mehr 
als  einer  Hljisirlit  interessant.  Die  Stimmpfeifen  schließen  sich  eng  dem 
pythagoreischen  Ü'-Modus  au  (mittlere  Abweichung;  3,2  Cents),  wahrend  die 
Gabeln,  die  die  12  Stufen  der  japanischen  chromatischen  Leiter  darstellen 
sollen,  dem  pythagoreischen  F-Modus  zu  entsprechen  scheinen  (m.  A.  10,3  0.)^). 

Zwei  weitere  Gabel-Serien  repräsentieren  die  Koto- Stimmung  Wmjoshi 
nach  fleni  »alten  und  neuen  Styl*.  Von  die.seu  würde  dir  «i-ttn'  nllrrifalls 
dem  pythagoreischen  F- Modus  (m.  A.  C),  die  letztere  dem  (V.v-  (oder 
ebensogut  dem  AV.s-,  dw-,  Ais-  oder  //-Modus  (m.  A.  4,0  C]  nahe- 

kommen. Ellis  identifiziert  die  neue  Hirajoshi- Stimmung  tatsächlich  mit 
einer  derartigen  Letter.     Mit  der  alten  Hir^oshi- Stimmung  ist  nach  EUis 


1   ^fr.  L.  W.  Mason  aii>  T'-oston  und  «U  r  deutflclie  Kiipellraeister  Eckert. 

h'rsnU  nf  f/ie  Im-  .!l:iui;.v,is  eowxmiug  Mu$k  undertaken  by  Order 
uf  Ute  Departnicnt  uf  E(tuculion^  Tokto,  Japan. 
3)  A.  a.  O..  AnhanfT  S.  1108  -1111. 

4  Wir  bezeichnen  der  Einfachheil  halber  die  jicwöhnlirlic.  durcl»  den  aufsteigen- 
den Quirn i  ii/irk(  I  erhaltene,  pythagoreische  Leiter  nl^  >C^"Nr.Hhis«  und  nennen  deni- 
eotsprechend  die  Leitern,  die  »ich  ergeben,  weun  mau  den  Halbtou,  die  Quarte,  die 
Quinte  u.  s.  w.  dieser  Letter  zum  ürundtou  wählt,  >Cm*,«  resp.  ».f-«,  •&'<Modus.  Es 


31B  0.  Abraham  u.  E.  M.  t.  Hornbottelt  Stadien  über  da»  Tonsyvtem  der  Jii|MUier. 


die  reine  Leiter  intendiert  (m.  A.  n.T  (Die  mittleren  Abweichungen  aller 
diesf^r  Ivpilien  findet  man  im       Alt-ilmift  der  T.ilu>l!c  Y  zn8ammengei«tel1t  . 

I  n»  diese  liesultAte  kritisch  betrachten  und  mit  den  unsri^en  vergleichen 
zu  können,  scheint  es  angezeigt,  sich  erat  die  Abweichungen  zu  vergegeu'» 
wärtigen,  die  xwiaehen  der  reinen,  temperierten  und  den  in  Betra«sht  kom- 
menden pythagoreischen  Leitern  bestehen.  (Vergleiche  Tabelle  V,  erster  Ab- 
B(.liiiift.l  Sämtliche  Tnti'ivallo  des  pythagoreischen  (?-Modus  sind  vnn  denen 
des  /'-Modus  nm  ein  Knuinia  verschieden,  während  der  C-  und  (.r-Modus 
sich  bloß  durch  die  (Quarte  unterscheiden  (522,  respective  498  C.j»  die  wieder 
dem  0-  und  F^Modua  gemeinsam  ist.  Der  reinen  Stimmung  nähert  sich  d«r 
J^Modua  bedeutend  mehr,  ala  die  beiden  iind*  rn  pythagoreischen  Leitern,  ja 
sogar  mehr,  als  unsere  Temperatur.  Von  der  Temperatur  entfernt  sich  die 
reine  Stiinmung  am  wenigsten,  der  (-Modus  am  meisten,  doch  sind  die  Unter- 
schiede der  einzelnen  Abweichungen  nicht  itedeuteud.  lat  der  pythagoreische 
JP-Modus  intendiert,  so  sind  Abweiohungen  gegen  die  reine  Stimmung  leich* 
ter,  ala  gegen  die  temperierte.  Vom  O  (und  Cr-)]U[odus  ist  die  Möglichkeit 
einer  Abweichung  gegen  reine  und  temperierte  Stimmung  zierolicli  gleich, 
mit  geringer  Beuüiistigung  der  Temperatur.  Alle  diese  BezieluingeTj  gpltrn 
natürlich  auch  in  entgegengesetzter  Kichtuug.  Was  für  den  praktischen  Mu- 
siker Abweichungs-Möglichkeiten ,  das  sind  fiir  den  Hörer  und  Beobachter 
Verwechalungs-Möglichkeiten. 


Tabelle  V. 

Mittlere  Abweichungen  der  einzelnen  Stimmungen  [Cents). 


Uein 

Temperiert 
Pytliag.  C  f  a 
Pythag.  F  i  ^ 
Pythag.  ö  )  ®3 


Pipa 

Cxekkin 

(rcbrauchal. 

ElUs 

GHIman 


Ritflu-Gabeln 
Stiinm-Pfeiten 
Hir^joahi  alt 

llvrajoahi  neu 


Rein 

Temperiert 
Pvtbag.  C 
Pvthag.  F  ( 
Pythag.  G  )  ,i 


Bei« 


0 
!•.♦> 

12.9 
6.6 

10.7 


7.3 
6.0 
ö.ti 
11.8 
6.2 


13.2 
132 
5.7 

11.6 

Ü 

7.5 
7.0 
17.0 
1.0 


T«ii».       Pjrtb.  C.      Ffth.  F. 


9.G 
0 

12.0 
11.1 
10.8 


3.6 
7.5 
76 
ILb 
6.0 


13.9 
13.9 
4.7 

8.0 


7.0 
0 

13.6 
10.5 
8.6 


12.9 
12.0 
0 

24.0 
2.2 

16.4 
1.^.0 
12.4 
i3.2, 
U.4 


8.2 
10.7 

19.5 


7.0 
13.6 

f) 

24.0 
6.0 


Ü.ü 
11.1 
24.0 
0 

81.3 


6.4 
9,5 
12.5 

9.0 


10.3 
9^1 
10.0 

17.0 
10.5 

24.0 
0 

18.0 


Pjtb.  0. 

10.7 
10.2 

22 
21.3 

0 


13.4 
6.0 
10.1 

Ti 


6.7 
,Pyth.  Cisj 
4.0 

1.0 

8.5 
6.0 
18.0 
0 


sei  bemerkt,  daß  der  i^-Modus  identisch  ist  mit  der  Leiter,  die  man  durch  den  auf- 
steigenden Quarten-  resp.  den  absteigenden  Quinten-Cirkel  erh'^t. 


« 

i^'iLjuiz-uü  by  CjOO 


0.  Abnibatn  tt  E.  M.  r.  H<HnibMtel,  Stadien  fiber  dn  Tontyitem  der  Jftp«ner.  319 


Tabelle  VI.    Mittlere  Üeinheits>Breite. 


Bein 

1 

Ti>rap«>r, 

Pytb.  C. 

I'ytb.  F. 

1 

!   Pytb.  ü. 

Halbtoii 

17.6 

'  8.0 

19.H 

8.0 

19.6 

13.3 

13.3 

13.3 

23.0 

13.3 

14.1 

It).  1 

IUI 

GrnQe  Ter» 

15.4 

Ifi.O 

19.0 

15.7 

19  0 

Uaarte 

10.2 

10.6 

32.9 

10.2 

102 

Triton 

9.3 

12.9 

18.0 

9.7 

18.0 

Ouinte 

11.1 

11.8 

11.1 

28.4 

11.1 

Kleine  Soxte 

12.0 

10  2 

13.3 

15.5 

13.3 

Große  Sexto 

22.7 

21.7 

20.0 

22.9 

20.0 

Kleine  Sept. 

14.5 

14.5 

26.0  , 

14.4 

26.0 

Große  Sept. 

11.7 

4.7 

10.3  ' 

137 

10.3 

Mltt-! 

1:;  Ii 

1 

IS  T 

1  ^  ] 

Diese  Verhältnisse  ändern  sich  wesentlich,  wenn  wir  statt  der  12-stufigen 
die  ö-stufigen  Leitern  vergleichfn  «Triindton,  Halbton,  Quarte,  Quinte,  kleine 
Sextti).  £tf  ittt  dies  notwendig,  weil  wir  dadurch  eist  deu  richiigeu  Maßstab 
fflr  dKe  Hingmdii-Stimmangen  erhalten  vergleich^  Tabdle  V,  Abecbnitt  4). 
Ans  dem  vorhin  Gesagten  ergibt  sieh  von  selbst,  daß  auch  in  der  ö-etufigen 
Ijeitor  die  mitÜMre  Abweichung  des  pytliatroreischen  C-  und  /»-Modus  gleich 
einem  Komma  sein  muß;  diejenige  dun  C-  und  (i'-Modus  muß  entsprechend 
größer  werden,  als  in  der  12-8tufigen  Leiter,  da  «ich  die  Abweichung  der 
Quarte  auf  eine  geringere  Anzahl  von  Gliedern  verteilt;  eben  darum  fällt 
auch  die  Übereinstiminung  der  Quarte  im  C/-  und  F>Modua  mehr  ins  Ge- 
wicht und  bedingt  eine  kleinere  mittlere  Abweichung.  Quarte  und  Quinte 
des  (V-M'xliis  sind  rein,  Sekunde  und  kleine  Sexte  nur  um  je  '2  von  der 
reinen  verschieden.  Man  kann  daher  geradezu  sagen,  dal)  in  dci-  l'enta- 
tonik  der  pythagoreische  (/-Modus  mit  der  reinen  Stimmung  zuäuiuiutnlüUt. 
Der  i^-Modns  entfernt  sich  am  weitesten,  der  0-Modus  und  die  Temperatur 
bedeutend  weniger  von  der  reinen  Stimmung.  Die  Rangordnung  der  mitt^ 
leren  Abweichungen  von  der  Temperatur  M<  i1tt  dii  s» Um-,  wie  bei  der  12-stu- 
figen Leiter.  Im  Allifomein<*n  erscheint  da.-«  Verhältnis  der  AbwtM<linnnf^- 
Möglichkeiteu  von  einer  iuteudicrton  pythagoreischen  Stimmung  in  der  Kich- 
tung  d«r  reinen  oder  temperierten  gerade  umgekehrt,  wie  bei  der  12-8tnfigett 
Leiter. 

Kehren  wir  nun  8U  den  aus  den  Isawa-El Iis 'sehen  Tabellen  berech- 
neten Werten  zurück. 

Die  sehr  geringe  Abweichung  der  Kitsu-Gabeln  und  Stimm-Pfeifeu  von 
der  pythi^oreiächeu  Stimmung  (F-  beziehungsweise  CT-Modusj  föUt  eher  zu. 
Gunsten  der  reinen  als  der  temperierten  Stimmung  aus.  Da,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  der  J^-Modu8  eich  mehr  der  reiiMn,  der  C-Modus  mehr  der 
tcmpt>riert*»ii  Stimmung  zunei;.rt.  «^o  ♦•ry^-heiTit  (\a>  \'.  rii;dten  der  Kitsti-( Jubeln 
wohl  »'rkl-iilicli,  da.s  der  Stimtii-i'itiiü'n  dagegen  autfallend.  Audierüeits 
werden  wir  der  größeren  Aunälieruug  an  die  reine  Stimmung  bei  den  Ga- 
beln weniger,  bei  den  Pfeifen  umsomehr  Gewicht  beixulegen  haben. 

Für  die  iiltere  Hirajoülü-Stimmung  können  wir  ebensogut  den  pythago- 
reischen (/'-Modus  wie  die  reine  I.i  itt  r  als  intendirrt  iiniuhiiK  n.  Ks  zeigt 
sich  jedeiif.i]]^  eine,  wenn  auch  sehr  geringe  Abweichung  im  Sinne  der  Tem- 
s.  4.  L  M.  IV.  21 


Digitizeci  by  Ct.jv.'v 


320  0.  Abraham  n.  E.  M.  v.  Hornboitel,  Studien  über  das  Tonsyitom  d«r  J^wner. 

peratur.  Der  Hinneigung  zur  Teinperatur,  die  die  neuere  Hirnjo--lii-Htim- 
mung  zeigt,  (hwf  man  nicht  nllznviel  Gewicht  heilegen,  m'.yj  man  mit  Ellis 
den  C/5-jMo*Ius,  oder  den  i'-Modus  als  intendiert  betrachten.  Beide  lassen 
Abweichungen  gegen  die  Temperatur  bedeutend  leichter  su,  als  gegen  die 
reine  Stinunnng.  FQr  den  Cia-Modw  betrttgt  die  mittlere  Abweichung  Ton 
der  Temperatur  5,5  C,  von  der  reinen  Stimmung  11,0C. 

Es  ergibt  .sich  also  im  Allfremeinen,  daß  mnu  ilif  Abweichuntren  der  von 
EUis  untersuchten  Leitern  von  der  pythagoreischen  Theorie  niclit  notwendiger- 
weise ala  Annäherungen  au  die  gleichschwebeud  temperierte  Stimmung  be- 
trachten mußf  Bondem  mindestens  mit  dem  gleichen  Rechte  als  AnnSherungen 
an  die  reine  Stimmung  auffassen  kann. 

Die«o?-*  Hi-iiltiit  wird  bestätigt  durch  die  von  mi«  crffiiudiMU'  (Tebrauchs- 
leiter  (vei>;l*  iclif  Tabelle  V,  Abf<ehnitt  21  V^'w  Im  iihm kiMi  hit  r  clt-ii  entrHt**u 
Anschluß  an  die  reine  Stimmung,  die  Abweichung  von  der  Temperatur  ist 
etwas  größer;  dies  Yerhftltnis  eriittli  größeres  Gewicht^  wenn  wir  die  pjthft- 
gorei^di*-  Stimmung  als  intendiert  annt  ben,  da  der  0-Modu!<,  der  hier  iu 
Betracht  kommt,  die  Annäherung  an  die  Temperatur  erleichtern  würde  (in 
der  12-9tHfitrfn  Lcifpr;.  Die  Intervalle  der  Gekkin-Leit»'r  (von  den  neutralen 
Terzen  und  Sexten  abgesehen)  zeigen  dieselbe  Kangordnung  der  mittleren 
Abweichungen,  wie  die  dfir  Gebraucba-Leiter.  Die  größere  Annäherong  An 
die  Ten^pemtur^  die  wir  bei  den  Pipa-Leitem  finden,  wird  durch  die  gleich- 
zeitige AnnSberun^  an  den  pythagoreischen  F-Modus  noch  besonders  betont, 
d;i  ilifser  eine  Abwoichuntr  im  Sinne  der  rfinen  T.>  it<  r  bc^üii-ticen  würde. 
Dennoch  niöcljten  wir  dieser  scheinbaren  Bestätigung^;  der  Kllis  .«^rln'n  Hypo- 
these nicht  allzu  große  Bedeutung  beimessen,  da  iUr  eine  £eilie  gewichtigerer 
Tatsachen  entgegenstehen.  Die  Konstruktion  des  Kin  Tom  Typus  A,  da« 
Auftreten  der  reinen  großen  Terz  in  der  Kin-Leiter  des  B-Typus')  lassen 
keiTiPTi  Zweiftd  darüber,  daß  reine  Intervalle  in  der  ostasiatiachen  Musik  nicht 
nur  /ufälHif  vnrknmmpn. 

AVir  hüben  vergleichsweise  auch  die  mittleren  Abweichungen  der  von 
B.  I.  Gilman^)  publizierten  chinesischen  Gebrauchs-Leitem  beredinet.  Auch 
hier  verliert  die  Annäherung  an  die  Temperatur,  die  um  ein  (Jeringos  größer 
ist,  als  die  an  die  reine  Stimmung,  dadurch  an  Bedeutung,  daß  sie  von  dfiii 
möglicherweise  intendierten  pythagoreischen  (?-Modus  betrünstiirt  wird.  Wir 
haben  bisher  die  Abweichungen  der  Mittelwerte  (Tai)elie  Ii,  Kul>rik  Jü,  Ta- 
belle HI)  Bubrik  1  und  6)  yon  den  wahrscheinlich  intendierten  Leitern  be- 
trachtet. In  den  Mittelwerten  erscheinen  aber  Abweichungen  iu  entgegen» 
gesetaten  Richtungen  kompensiert;  die  »mittleren  Abweichungen«  fallen  da- 
her verhältnismäßig  klein  aus.  Um  ein  Maß  für  den  Spidrnnm  zu  gewinnen, 
in  welchem  die  Intonation  iu  der  Praxis  sich  bewegt,  ist  es  notwendig,  aus 
allen  Abweichungen  das  Mittel  zu  nehmen  *].  Wir  haben  die«e  umständlicbe 
Beredinung  der  »mittleren  Beinheits-Breite«  fttr  unsere  Gebrauchsr-Leiter,  anf 
die  es  uns  hauptsächli<  h  ankommt,  durchgeführt  (Tabelle  YI).  Das  bereita 
gewonnene  lu  sultnt  erfährt  hier  seine  Bestätip^untr •  die  reine  Stimmung 
schließt  sicli  der  (iebrauch^-l leiter  enger  an,  als  die  temperierte;  von  den  ])ytha- 
goreischen  Leitern  kann  nur  der  6"-Modus  als  intendiert  angesehen  wurden. 

1)  Ain  li  rtuf  die  große  Sexte  in  der£llii  gemessenen  Pipa^Leiter  sei  hier  noch- 
mals hingewiesen. 

2)  A  a.  O, 

sj  Auch  hierbei  muß  stets  das  Gewicht  berOckaiebtigt  werden. 


^  .d  by  GüOgl 


0.  Abraham  u.  E.  31  t.  Hbrnboiiel,  Studieo  fiber  dai  Tonay «tem  der  Jftpaser.  32 1 


Betrachteu  wir  die  mittlere  Keiiiheit8>Breite  der  einzelnen  Inter- 
vallo,  (Vw  (in  reliirivts  ^laß  dr-  T  ii  t  f-rv  n  11  -  E  hw  u  ß  t  s  e  i  u  8  darstellt,  so 
♦Tgibt  sirli  Fuls/'  ncU  s :  ndipn  der  Quarte  und  (Quinte  erfretif  sirh  der  Triton 
einer  uutlallead  reinen  Intonation  Es  erklärt  aicb  dies  wohl  aus  der  Be- 
TOTZugung,  die  der  ttbermäßige  QuarCschritt  in  der  japtmischen  Melodik  ge- 
nieBt.  Vür  die  Ideine  Terz  and  Sexte  scheint  sich  ein  Keinheits- Gefühl 
herausgebildet  zu  haben ,  das  für  die  große  Terz  und  Sexte  fehlt.  Wir 
kommen  nnf  diose  ni**rkwnrdii.'o  Tafsnche  später  noch  ztirück  und  koti<?ta- 
tiereu  hier  nur  noch,  daß  der  Haibtou  und  seine  Umkehrung,  die  große 
Septime,  sich  bemerkenswert  der  Temperatur  n3h«n. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  nnserer  Unterenchung  nochnuds  ansammenf  so 
finden  wir  die  reine  Stiuimung  als  die  wesentliche  Grundlage  der 
heutigen  japanisclu  u  ]\lu>ik.  Einzelne  Abweichungen,  sowie  die  Verkörpern iij» 
des  Quinten- Zirkels  aut  japanischen  Stimm-Pfeifen  lEllis)  weisen  auf  die 
Möglichkeit  hin,  daß  der  pythagoreischen  Theorie  auch  in  Japan  eine 
Bedeutung  zukommt.  Eine  gelegentlidie  Hinneigung  sur  gleichschwe- 
benden Temperatur  int  unverki mibar.  Der  genaueren  Untersuchung  und 
Erklärung  dii*scr  Tafsiulicn  ist  das  folj^'rnd»'  Kajiitel  gewidmet.  Amli  die 
Einwirkung  der  iit-utralen  und  der  durch  matlu'matische  Sniten-'J\'iluiitr, 
also  nach  einem  außermusikalischen  Prinzip  gewonnenen  Intervalle  auf 
die  praktische  Musik  werden  wir  noch  in  anderem  Zusammenhange  be- 
trachten. 

4.  Musiktheorie. 

Die  japanisiche  Musik  ist  ein  Ableger  der  viel  älteren  i.  Ii  in  i-sisch- korea- 
nischen. Nicht  nur  in  den  luätrumenteu,  auch  im  TouwvHtim  zeigen  sich 
noch  heute  deutliche  Symptome  dieses  ITrspmngs.  Ob  dagegen  die  sehr 
kunstvolle  Musiktheorie,  die  chinesische  Gelehrte  von  altersher  mit  Vorliebe 
in  den  Kreis  ihrer  Spekulationen  gezogen  haben,  jemals  im  Bewußtsein  des 
japanischen  \'olkf^  lebeTidiij  wnr.  müssrn  wir  bezwiiifeln.  Dennoch  müssen 
wir  mit  einigen  kurzen  üemerkungen  auf  die  cii in e tische  Theorie  zurück- 
greifen, da  sie  uns  den  Sdilfinel  zum  Yerstilndnis  mancher  Eigentümlich- 
keiten des  japanischen  Tonsystems  liefert  Die  diinesischen  Überlieferungen 
sind  schon  vielfach  zum  Gegenstand  eingehender  Stadien  gemacht  worden*), 
und  die  Verwandtschaft  des  chinesischen  Mufiksystems  mit  demjeniiren  de'« 
Pythagoras  ist  durch  so  zahlreiche  Analogien  belegt,  daß  man  kaum  um- 
hin kann,  au  einen  ursächlichen  Zusammenhang  beider  zu  denken.  Es  mag 
dahin  gestellt  bleiben,  ob  der  griechische  Oelehrte  tos  seinen  Beisen  nach 
Ägypten  und  dem  Orient  die  Grundlage  seiner  Theorie  als  fertiges  Geschenk 
in  die  Heimat  zurückbrachte,  oder  ob  wir  für  beide  Systeme  eine  ältere  j?»»- 
meiuschaftliche  Wurzel,  etwa  in  Indien  oder  Babylon^]  zu  suchen  haben. 

1)  Vielleicht  läßt  sich  die  Bevorzugung  des  Tri!  >n  iit  der  japamaohen  Musik  da- 
mit iti  Zusammenliiiiitr  bringen.  fl:i(?  d;i«  Intervall  ')  :  7  der  Vn-sclinielzung  nach  zwiseheji 
den  Konsonanzen  und  den  Dissonanzen  rangiert.  (Vergleiche  if'aist,  a.  a.  O.;  Meinong 
und  Witasek,  a.  a.  O.;  auch  Stumpf.  Neueres  über  Tonverschmelzung ,  S.  6ff.} 
Wir  fanden  den  Triton  5:7  :ö88  C;  auf  der  Pipa.  die  Septime  4:7  (9690.)  auf  Stimm- 
pfeifen v>'rk*»rpcrt.    (Siehe  Tabelle  III  und  IV.* 

2,  Vergleiche  die  S.  304  citierten  Arbeiten  von  Pere  Amiot,  Dechevrens, 
B.  1.  Gilman  and  Wagen  er. 

3)  Yeigleiehe  Win  ekler,  Die  babylonische  Kultur,  S.  46. 

21* 


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322  0.  Abraham  u.  E.  M.  v.  Hornbottel,  StncUen  ftbw  das  Tonqrttem  der  Japamr. 


Wir  werden  jedenfalls  kiuun  fehlgehen,  wenn  wir  die  faarmoniadbe  Musik  des 
heutigen  Europa  und  die  harmonielose  der  modernen  Japaner  ala  späte 
Bliiton  eines  Baumes  nebeneinander  stellen. 

Em  Hauptproblem  der  Theoretiker  von  altereher  war  die  Frage:  AVie 
entsteht  eine  Leiter?  Die  alt-chinesischen  Philosophen  wie  die  Fytha- 
goreer  haben  denselben  Weg  an  ihrer  liösung  betreten.  Jene  gründeten  ihre 
Thoorit'  auf  die  LHn«?e  von  töneridrn  Pfcifm.  diese  anf  dif  l.änuf  von 
schwingenden  Halten,  und  konstruierten  nach  der  abnehmenden  geomotriächen 
Progression : 

^'    3    U)-  (s) 

den  bekannten  »Quinten-Zirkelc.  Schreitet  man,  von  einem  gegebenen  An- 
fangston ntiHj  in  (Quinten  aufwUrts,  indfin  man  die  OTit-tiliciulcii  Tüno,  wo 
nötig,  durcb  üktaven-Trnn>i|Hisition  in  den  Umfang  einer  Oktave  verlegt'', 
so  gelangt  man  nach  iünf  Furtächri-ituugeu  zu  einer  5-stufigcn,  anhemi- 
tonischen  (halbtonlosen]  Leiter  von  der  Form:  f  g  a  c  d  f;  sieben  Fortsdirei« 
tnngen  fahren  au  einer  diatonischen  Leiter  von  der  Form :  fgahcdef; 
zwölf  Furtschreitunpen  zu  einer  chromatischen  Leiter  von  der  Form :  f  fis  g 
gis  a  ais  h  c  eis  d  dis  e  f.  Nun  bewegt  pich  die«  cbitiesi'^che  ^Fnsik  vorzugs- 
weise iu  der  Anliemitonik,  während  die  beiden  Töne,  die  die  5-atufige  zur 
7-stnfigen  Leiter  ei^insen,  die  sogenannten  »Pienac,  nur  in  einer  geringen 
Anaabi  von  StQeken,  und  in  diesen  seltener  als  die  Übrigen  Stufen,  yorkom- 
nien')>  l^ie  12-stufige  Leitrr,  das  System  der  sogenannten  »Lüs«,  findet  sich 
zwar  auch  auf  ciiizt  linni  1  nstrunu  nten  verkörpert,  (namentlich  auf  dt-n  alten 
Glockenspielen  Kiti^  und  Tsrhung ,  ihren  modernen  Formen  Pitth-King  und 
{HcurTschufig^lf  sowie  dem  zitherartigen  C/ic),  dient  aber  nur  sur  Modulation 
beaiehungsweise  Transposition  in  eine  andere  Tonlage.  Der  Quinten-2irkel 
erwies  sich  also  zur  ErklKrung  aller  in  der  praktischen  Mnsik  verwendeten 
Leitern  braurbbur. 

T)n  in.iu  sich  als  älteste,  urnprüngliche  Tonquellen  Pfeifenrohre  daclitt  *  . 
so  genügte  es,  die  Länge  eines  Rohres  ein  für  allemal  zu  nurmieren,  um 
▼on  diesem  [Huanff-Uehnng]  ausgehend,  alle  musikalischen  T$ne  au  erhalten. 
Der  Quinten-Zirkel  ward  dadurch  da«  Generations-Prinzip  nicht  nur  der  re- 
lativen.  soTub'rn  amli  der  absoluten  Tniistuffii.  Genau  nndi  d<M-  Er- 
zeugung der  zwölf  iiat  sicli  das  Geuprat iuii^- ['rin/i])  orsrbnpft  :  Uas  Kude 
kehrt,  da  die  Oktave  mit  dem  Grundton  idcntitiziert  wird^  ,  zum  Anfang  in 
sich  selbst  aurttck,  der  Kreis  ist  geschlossen. 

Was  die  Bedeutung  dieser  Theorie  nach  diinesiscber  Anschaunng  noch 
besonders  steigern  mußte,  ist  der  Zusammenhang  mit  der  in  astronomischen 
ypekulntionen  wurzelnden  Zahlen -Myi^tik.  Fünf-.  Sifbon-  und  Zwölf- 

zahl,  die  hier  eine  so  große  KoUe  spielen  "j,  stellen   auch  im  Tonsysiem  au 


1)  Alternierende  aul'steigeade  (Quinten  und  absteigende  ^uorteu  führen  zu  der 
gleichen  Letter. 

2;  Vergleicbe  G  ilni  a  n ,  a.  a.  O.,  S.  62. 

•\  Vcpjlp'.che  C.  Enbrel.  Mnsfrf,!  InMmmenUy  S.  tittff. 

4,  Vergleiche  Amiot,  a.  a.  U.,  IL  1. 

6}  Yergleicbe  Qilmant  a.  a.  0-,  S.  58;  van  AnUt,  a.  a.  0.,  S.  18. 
6)  Vergleiche  auch  Winckler,  a.  a.  0.,  S.  21  ff. 


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0.  Abraham  u.  £.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Tousystcm  der  Japaner.  323 


prominenter  Stelle.    Die  drei  ersten  ZaUen  der  natürlichen  Zahlenreibe 

2 

werden  im  C^uinten-Zirkel  (1,     ,  u.  «.  w.j  zam  Ursprung  der  ganzen  Pro- 

3 

gression. 

So  viele  wundcrlinrn  und  iM  flinitsnnif  Tatsachen  konnten  dem  B«  wußt- 
seiii  spekulativer  Mystiker  unmöglich  als  eine  Summe  von  Zufällen  erscheinen, 
und  es  ist  psychologisch  wohl  begreiflich,  daß  man  bei  der  primitiven  Tech- 
nik des  Instramentenban«,  bei  nicht  Übermäßig  reiner  Intonation  and  bei 
▼ölligem  Mangel  akustisch -physiknlischer  MesBungS-Metboden  sich  ganz  der 
Freude  liiiif^al).  ein  schwieriges  Prc>l)lorn  in  überaus  befriedigender  Wpi<e 
gelöst,  die  uiusikaliHchen  Tatsachen  durch  geläufige  Vorstellungen  erklüi-t 
und  dem  allgemeinen  AVeltbildo  organisch  angegliedert  zu  haben  —  es  ist 
begreiflich)  daß  man  dabei  die  Tatsachen  Qbersah,  die  der  Theorie  wider- 
sprechen. 

So  Miel)  das  kli'iiif;  Intervall  iiiilx  nnTkt .  um  das  der  zwölfte,  durch  den 
(Quinten-Zirkel  gewonnene  Ton  den  Tudang  der  Okt;i%-(!  übiMsclirRitet  (pytha- 
goreisches Komma,  524  288:531441,  24  Cents).  AVührend  Quinte,  (Quarte, 
kleine  Ten  und  kleine  Sexte  dieses  Systems  dorch  die  Übereinstimmung  mit 
den  entsprechenden  reinen  Intervallen  (beziehungsweise  große  Annäherung 
an  dieselben)  dem  Konsonanz-rrefühl  genügen,  vermögen  die  große  Terz  und 
dir  sToßp  Sfxte  dasselbe  so  wenig  zu  befriedigen,  daß,  wo  immer  dir«  pytha- 
goreische Tlieorie  über  die  Praxi«  zur  Herrschaft  gelangte,  eine  Reactiou  ent- 
stand, die  nach  einer  passenden  Konrektnr  dieser  Intervalle  verlangte^). 
Keinesfalls  kann  aber  auf  diesem  Wege  der  Ursprung  einer  Leiter  er- 
klärt werden:  wir  werden  im  (ii-genteil  erst  wieder  nach  dem  Ursprung 
des  Prinzips  des  t^uin  t  ««n-Zirkels  zu  fra^'pn  haben  Wollen  wir  uns 
nicht  begnügen,  ihn  einfach  auf  mathematische  Spekulation  zurückzuführen, 
so  ist  vielleicht  die  Vermutung  ge^^tattet,  daß  das  Fortschreiten  in  (Quinten 
«unftchst  als  praktische  Technik  beim  Stimmen  von  Saiten-  und  Holxschlag- 
1  n~triimt'nf (1),  wie  sie  bei  primitiven  Völkern  nehr  verbreitet  sind*),  Anwen- 
dung fand.  Die  Annnbine,  daß  der  auf  Pfrifen  durch  »TJbt  rMasen«  erzeugte 
zweite  Oberton,  die  Duodecime,  Quinten-Fortschreitungeji  nahegelegt  habe, 
scheint  überaus  gezwungen;  zudem  würde  sie  nur  die  Geburt  der  Quinte, 
nicht  aber  die  eigentümliche  Verwendung  derselben  im  Zirkel  erkliren  kön- 
iM  II.  Vit  l  wahrscheinlidier  ist  es,  daß  man  Ix-i  dem  Wunsch,  die  Oktave 
«liircli  Zwischenstufen  auszufüllen,  zunächi«t  flnicli  das  KonFonanz-ripftihl  auf 
die  nächst  niedrige  Verschmelzt! hl''-*- Stufe,  die  (^iiiui«'  gf^ftihrt  wurde**].  Uiese, 
von  den  beiden  durch  die  Oktave  gegebenen  Kckpunkten  aus  nach  innen 
konstruiert,  ergab  ein  sehr  verwendbares  Leitern-Skelett  (c  f  g  c'),  nSmlich 
awei  durch  einen  Ganston  getrennte  Quarten^),  und  es  erübrigte,  dieselben, 


1)  So  schon  im  Altertum  A  ristoxeuus  ^vergleiche  Bellerniüiiu,  Toult  itcru  der 
Qriechen,  S.  20)  und  in  der  Renaissance  B.  B.  de  Fareja. 

2  Z.  B.  das  I'rnrnt  der  Siamesen  und  die  fast  in  jedem  afrikanischen  Negerdorf 
zu  tlndende  MarmUm  [vergleiche  Auckermaun,  a.a.O.).  —  Auch  die  Japaner  be- 
sitsen  eine  Art  Xylophon,  das  »Mokkin*. 

3)  Vergleiche  Stum}>t.  Kousonanz  mid  Dissonanz,  S.  ßlif. 

41  Diese  unausgefüllten  Ti  trachorde  entsprechen  der  ältesten  griefhlsclitn  Iata- 
Stimmung  {vergleiche  Helm  hol  tz,  S.  422;  und  sind  auch  für  die  chinesische  Pipa 
und  die  japanisdie  Biwa  gebraneUich. 


324  0.  Abnham  u.  E.  U.  v.  Hornbostel,  Studien  film  du  Tonqntam  der  Japuier. 


w  ilil  uach  dem  Distauz-Gefühl*),  durch  noch  kloineie  StutVu  auszufüllen. 
Vielleicht  benutate  man  dn/u  i  l  tn  den  Ganztou,  der  sich  in  der  i^eschilderten 
Konstruktion  von  selber  tlarbot.  Indem  mnn  ihn  vom  Grundton  und  von 
der  Quinte  aus  auftrug,  erhielt  man  die  yiV/*Mi.r;j-lieiter  cdf  g  a  c.  Sie  be- 
steht aus  2wei  getrennten  (dulievyftü'Oi;)  gleich  gebauten  Tetrachorden. 

Die  HalbtoDHchritte,  die  im  chinesischen  Tetracbord  vermieden  amd|  finden 
sich  in  der  japanischen  Musik  besonders  häufig.  AVie  bereits  an  früherer 
Stelle  erwähnt,  i<t  es  dem  -Koto-Spieler  niÖLHirh,  durch  einen  Djuck  auf  die 
8ait«i  uuterhalb  des  iStegeü  ihre  Spaunung  und  damit  die  Tonhöhe  zu  er- 
hdhen.  Es  ist  sehr  wahrscheinlichj  dsA  man  aus  Bequemlichkeits-Hücksicbten 
bestrebt  war,  möglichst  viele  der  in  einem  Musikstück  vorkommenden  Tdne 
Bchou  von  vornherein  durch  Stimmen  auf  den  13  Saiten  der  Koto  herzu- 
stellen, um  der  Technik  des  Saitendrucks  nur  irehvireutlich  vorkommende 
Zwischenlüne  zu  überlassen.  AVir  wollen  die  vtjrbchiedeneu  Kuto-Stimiiiungeu 
im  Lichte  dieser  Hypothese  betrachten. 

Die  japanische  Leiter  ist,  analog  der  chinesischen,  aus  zwei  gleichen 
unverbundenen  Tetrachorden  aufgebaut.  Jedoch  erscheinen  «Iii-  (^uatti  it  nidit, 
wie  bei  Jener,  durch  <tanztÖne  und  kleine  Tcr/nn,  sondorn  durch  Halbtone 
und  grolle  Terzen  au:-Lft'fiillt.  AVir  Imbi-n  y^miui  eine  i.citti-  vou  der  Form: 
c  des  f  g  as  c'.  Durch  Saiumdruck  kann  man  leicht  von  dieser  Toufolge 
zur  anhemitonischen  übergehen.  Diese  in  der  japanischen  Musik  sehr  ge- 
bräuchliche ^Modulation  ist  in  anderen  Koto-Stimmungen  schon  dadurch  vor- 
gesehen, dafi  in  ihnen  die  beiden  Formen  des  Tetiachords  vereinigt  ei*- 
scheiuen:  wir  erludti-n  ho  zum  Beisjnel  eine  Leiter  von  der  Form  cd  f  'j  '7.«  c. 
An»  dieseu  diei  Hauptlormeu  der  K.otu-Leit«ru  lasseu  sich  eine  Jtteihe  an- 
derer nach  demselben  Prinzip  ableiten,  das  man  im  grieehiachen  Altertum  und  im 
kirchlichen  Mittelalter  befolgte»  um  von  der  ursprOnglichen  diatonischen 
Leiter  zu  den  sogeuannten  Oktaven-Guttungen  /u  l;«  laugen:  indem  wir  statt 
des  ersten  den  zweiten  oder  vieHiMi  Ton  der  Koto-Leitern  znm  Grundton 
wählen,  können  wir  die  Intfrvalkn-Folge  innerhalb  der  Oktave  verändern. 
(Wir  schreiben  diesmal  die  Leiteru  in  etwas  veränderter  Form ,  indem 
wir  die  dritte  Stufe  der  oben  mitgeteilten  Tonfolgen  cum  Ausgangspunkt 
machen  und  mit  der  gebräuchlichen  absoluten  Tonhöhe  in  Ubereinstimmung 
bringen.)  Wir  erhalten  so  für  die  häufigsten  Koto -Stimmungen  folgendes 
Schema: 

Ohmes.  Stunmungen  j  <l  1         «  1  »  1     H  ^ 

/  Hirajoshi:  g  i  »  ^^  2   '^'**''2  ^ 
Haupt-Stimmungen  i  '^^^^^  *  4     2   *  J     2       1  * 


(  Kumoi:  ^^2  ^1*4^2^ 


Akcbono:  gja^b2 
Miscb*Stimmungen   )  Han  Iwato       a.bg  ^^x^l'^l* 

Han  Kumoi:  ^1^1^^1*^^^3^ 

1;  Ein  gebildeter,  musikkuadiger  Japaner,  den  El  Iis  befragte,  versicherte,  die 
Japaner  stimmen  die  Halbt&ie  ai^  der  Koto  •not  by  amaononee  but  by  a  certain 
mdodical  iniuiHm*  (Ellis,  a.  s.  0.,  S.  622). 


Digilizod  by  C«. 


0.  Abraham  u.  E.  ÄL  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Tousystem  der  Jaj>uucr.  325 


"Wir  haben  <Ueae  Darstellungsweise  benutzt}  nm  den  Zusammenhang  der  ein- 
zelnen Stiiumungen  deutlich  zu  niucheu.  [Die  drei  (Gruppen  unteracheiden 
girh  durch  die  in  ihnen  vorkoiiuiienden  Intervalle,  wahrend  innerli;dli  icdt^r 
(iru2)j)e  nur  ein  Weclisel  der  lutervallen-Folge  statt  hat)  Wir  geben  nuu 
in  beifolgeuder  Tafel  die  Kuto-^timmuugeu  iu  ihrer  volhitüudigeu  ISstiiügeu 
Gestalt,  wie  sie  tataüchlich  auf  dem  Instrument  hergestellt  werden.  Die 
ersten  beiden  Saiten  behalten  in  allen  Stimmuugen  ihre  rehitive  und  absolute 
Tonhölic  bt»i.  auch  wenn  diese  Töne  in  der  nliriLT'  ii  Tjciff-r  Jiiclit  vorkfvnimen  fso 
d  in  Ni)t(  iiln  ispiel  4,  g  in  11'.  Diese  »  iL'*  nt iiniliilif  Konstanz,  welche  die 
Anüchauliclikeit  dea  Leiteru-Bildus  oft  trübt,  liat  in  der  englischeu  Literatur 
eine  ausgedehnte  theoretii»che  Diskussion  heraufbeschworen  auf  die  wir  je- 
doch ni<^t  uälter  eingehen  wollen,  da  »ie  nichts  wesentlich  Neues  f&r  die  hier 
zu  erörtt'i  iidt  ii  Fragen  beibringen  dürfte.  \Vir  beschränken  uns  darauf,  uoch- 
nials  zu  eriuiK'iii,  rlaß  wir  es  hier  mit  Tnstriimentiil-Tjoitern  zu  tiiu 
haben,  aus  denen  allein  sich  die  Probleine  der  Toualitüt  und  31odulatiüu 
nicht  «rkliren  lassen.  Wir  können  weder  der  ersten,  noch  der  zweiten,  noch 
sonst  einer  Saite  ohne  weiteres  die  Funktionen  einer  Tonika  suachreiben, 
und  widden  die  Rrundtöne  so,  daß  die  einzelnen  Stimmungen  vergleidibar 
und  die  Beziehungen  ihrer  Struktur  anschaulich  werden. 


Kotu-iStimmuuge  n. 

^    1.  Ryosen  (Tkiaiki). 

 ^  a  [ 

J   J  ^ 

2.   Aitsuson  ^Hjojoj. 


i 


8.  Hir^joshi. 


1 


TT  ♦ 


TU' 


-s-  


1  Man  findet  samtliche  (5-stufigcn'  Stimmungen  in  den  :7-atnfigen)  griediisehen 

und  den  KircliPntnnlpiteni  wir;''  :■       1  :-v.  mt-  <'-.1'-i 


Altgrieehtschc 
Leitern 

Kircheatöne 

nach  Glarean  j  nach  Helmholtz 

Koto-Stlininungen 

Lydisch 

Jonisch 

.^krygisch 

Aoliseh 

Dorisch 

Mixolydisch 

Syntonolydisch 

Jonisch 
Mixolydisch 
porisch 
Aoliach 

Phrygisch 

Lydisch 

Dur-Geschlecht 
(Quarten-Geschlecht 
Septiroen-Gcschlecbt 
Terfen-Oeschlecht 

Scxten-üescblccht 

Sekunden^Geschlechi 

Qaintnu-QeBddecht 

Rit^nsen,  Kyosen 
Ritsusen,  Ryosen 
Akebooo 
Hirajoshi,  Han- 

Kiiiiioi 
Kuuloi,  Hau-iwato 
Iwato 

Bitsusen,  Ryosen 

(Vergleiche  HebuhoUs,  S.  441.) 
gl  In  den  dtierten  Abhandlungen  von  El  Iis,  Piggott,  Knott  und  Du  Bois* 


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326  0.  Abraham  u.  E.  M.  v.  Hornbostel,  ätudicn  über  das  Tonsystem  der  Japaner. 

4.  Iwato.  ^ 

<s  (S — P 


9 

fi.  Knmoi 


i 


i 


6.  Akebono. 


i 


7.  Hm^Iwato. 


P 


^ — fit- 


8^  Httn-Kumoi 


9.  Kata-Kuuioi. 


3^ 


10.  Kata-lwato. 


3^ 


11.  Akebono  (?)  n. 


12.  Hir^oshi  i'f>j  IL 


w  WCk 


9 


13.  Hin^oehi,  Kio  Yu 


14    Kumoi  ?  n. 


L.  kj  .i^cd  by  Google 


O.  Abraham  u.  E.  M.  t.  Hombostol,  Stadien  über  das  Tonqrstem  der  Japaner.  321 


m  Saknra  (Kin  kn).  ^ 


16.    Hirajoshi  Licenz). 


Zu  den  bereits  besprochenen  8  Stimmungen  kommen  noch  einige  Varianten 
hinzu.  Wie  die  Oktaven  der  3.  <iruppe  dui'ch  die  Vereinigang  von  zwei  ver- 
«duedeneu  Tetradiorden,  bo  sind  die  Leiteni  Kaia-Kmtm  und  JTafti-JbwIo 
diu«h  zwei  aneinandergereilite,  Terscliiedene  Haupti^timiQungen  verkörpernde 
Oktaven  gebildet;  und  zwar  er«cheint  Kata-Kumoi  (9)  als  Verbindung  von 
Hirajoshi  (3l  mit  Ktimoi  '.')■,  Kafa-hrnto  '10;  als  V<'rbin«1ung  von  Iwato  ^i) 
mit  Kumoi  (5).  Die  H.  »Stimmung  können  wir  als  um  eine  (Quinte  nach 
oben  transponiertes  Hirajoshi  auffassen Derartige  Transpositioneu  auf  die 
Dominante  oder  Subdominante,  die  unseren  Modulationen  von  einer  •  Ton- 
art« in  die  andere  entsprechen,  kommen  in  der  japaninchen  Musik  auch  inner- 
halb eines  Musikstiickes  hUufig  V(ir.  Sie  bewci'scn  dort  einerseit«.  diiß  dem 
Japaner  weder  das  (Jefiihl  für  To  ri  a  1  ilii  t ,  niich  für  K  laji  ixvrw  andtscliiift 
abgeht;  andererseits  machen  sie  da»  Bedürfnis  nach  einer  Temperatur  der 
reinen  Leiter  erklSi'lich,  das  «ich  auch  in  nicht-harmonischer  Musik  einstellen 
muß,  wo  derartige  Modulationen  gebrftuclüich  sind. 

Die  12.  Stimmung  zeigt  uns  gewissennaßen  die  T'mkrlintnrr  der  in  Ake- 
bono  (und  den  nnderen  Stimuiungen  der  3.  Gruppe)  konstatierten  Tetriiehord- 
Folge:  der  halbtontreie  ^chinesische;  hat  mit  dem  (japanischen)  Hulljtou- 
Tetrachord  die  Stellung  vertauscht.  Diese  Stimmung  wird  (nach  Piggott) 
gelegentlich  angewendet,  wenn  ein  INIusikstUck  gerade  diese  Tonfolgen  häufig 
verlangt,  und  dann  im  Laufe  des  Stückes  durch  Erniedrigung  der  4.  und 
9.  Saite  !h  zu  b)^]  in  gewöhnliches  Hirajoshi  verwandelt.  In  analoger  Weise 
soll  Akebono  (8}  durch  Vertiefung  der  G.  und  11.  Saite  zu  Hirajoshi  umge- 
stimmt werden. 

Die  tibrigen  Varianten  (IS.^lö.j  unterscheiden  steh  von  den  normalen 

Stimmungen  nur  durch  Erhöhung  der  letsten  Töne,  wie  sie  auch  im  gewöhn- 
liclieii  Iwato  lind  Han-Twato  üblich  sind*).  Sie  dürften,  wie  alle  Eigentüm- 
lichkeiten der  Koto-St  immun  gen,  durch  melodische  Bedürfnisse  zu  erklären 
.sein.  Auch  die  Tendenz,  den  Tonumfang  des  Instruments  zu  erweitem,  mag 
ihnen  an  Grunde  liegen.  Letsteres  seigt  sich  besonders  deutlich  in  der  Ver- 
tiefung der  1.  Saite  um  eine  Oktave  (16.),  za  der  nur  gewisse  vorgeschrittene 

Spieler  berechtiu-t  sind"*). 

Siuntlidie  K oto-Stinimungen  weisen,  da  sie  sich  aus  u  n  v  o  !  1  st  ii  ti  d  igen 
Tetrachorden  aufbauen,  nur  fünf  Stufen  innerhalb  einer  Oktave  auf.  Die 
japanische  Musik  bewegt  sidb  aber  ebensowenig^  wie  die  chinesische^  aus- 


1)  Piggott  besehreibt  diese  Stimmung  merkwOrdigerweise  als  »Akebono«. 

2}  Durch  Verschiebung  der  entsprechenden  Stege. 

3)  Die  nltcriertcn  Stufen  sind  in  der  Notentafel  durch  x  bezeichnet. 

4)  Vergleiche  S.  336. 


328  ^-  Abi-aliuiu  u.  E.  M.  V.  Uut  ulH>stel,  StuUieu  über  da^  Tonsjstem  der  Japaner. 

schliefiUeh  in  der  Fentatonikl).  Die  Koto-Leüeni  enÜialteii  nur  die  in  einem 

Musikstück  am  häufigsten  vorkomuienden  Stufen,  und  ts  bleil>t  dem  Spieler 
übcrlasseu,  die  Lücktni  durch  Saitemliiuk  nuszufülli'H.  Ein  Blick  auf  die 
beigefügte  NotentaleJ  zeigt  uns,  wie  man  mit  liilie  dieser  Technik  leicht  von 
einer  Stimmung  in  die  andere  übergehen  kann.  Ei'hühung  der  6.  (und  11.] 
Saite  führt  von  Hirigoahi  za  Akebono;  wird  andi  noch  die  4.  (nnd  9.)  Saite 
erhöht,  so  erhält  man  Ityosen.  In  analoger  Weise  sind  Übergange  von  Iwato 
Tincli  Hiin-Iwato,  von  Tvitmni  natU  Hau-Kumoi  oder  Kitsusen  mö<rIio1i  u.  s.  f.  *^). 
Wird  schon  hieidtiirli  die  Füntstulij^ki-it  aufgegeben  und  die  Anzahl  der  Töne 
nnd  Intervalle  iuuerhali)  eines  MusikBtUckes  vermehrt,  &o  ist  e»  weiter  auch 
möglich,  XVL  diatonischen  Leitern  zu  gelangen,  da  sich  die  Tonhohe  durch 
Saitendruck  nicht  nur  um  einen  halben,  sondern  audi  um  einen  gansen  Ton 
hinauftreiben  läßt. 

Die  Analyse  einer  großen  Anzahl  von  anderen  Autoren  mitgctt  iltr  r 
Melodien,  sowie  unserer  eigenen  l'houogianuue  ergab,  daß  diese  Erhöhungen 
nnr  innerhalb  der  Lttcken  der  onToUstäudigcn  Tetrachorde,  niemals  an  andrer 
Stelle  gebraucht  werden.  Es  folgt  daraus,  daß  die  12H»tufig  (chromatisdie} 
geteilte  Oktave  als  Gebrauchsleiter  nicht  vorkommt,  sondern  nur  aUMaterial- 
Tiinter  Mn^nspreohen  ist.  Wenn  wir,  wie  bislitr.  «h  m  tHttrrhalb  der  In  iden 
verbundenen  iSekundt-u-Scliritte  liegenden  Ton  als  (  iruiidtun  ^nicht  als  Tonika  I  i 
unaehmeu**],  so  finden  wir,  daß  in  den  den  einzelnen  Melodien  (oder  deren 
musikalischen  Teilen)  sn  (irunde  liegenden  (Gebrauchs-)  Leitern  die  Quarte 
und  kleine  Septime  selten  niemah  Triton  und  große  Septime)  und  als  Durch- 
gangston  vorkommen  oder  ganz  fehlen;  dlf  irroße  und  kleine  Terz,  die  große 
nnd  kleine  Sexte  alteiiiieren  miteinander  und  treten  in  demselben  Teile  der 
Melodie  uiemHl»  gleichzeitig  auf.  Wir  würden  also  in  einem  ^lusikstücke) 
in  dessen  Verlauf  alle  genannten  Stufen  auftreten,  eine  9-8tufige  Leiter  von 
der  Form: 

g  a  {Cf  d  es  e  if) 

finden. 

l>pr  melodisrhe  Sehwerpunkt  flillt  rlurchanf?  nicJit  immer  mit  dem  hier  ge- 
wühlten Gruudtou,  sondern  miudeätens  ebenso  häutig  mit  der  Sekunde  oder 
(Quinte  maammen^}.  Von  diraen  als  GrmndtiJnen  ausgehend  würden  wir  Quarte 
und  Sexte  (besiehungsweise  Tent  und  Septe)  selten  oder  gamidht  finden,  und 
es  würden  Halb-  mit  Ganzton,  Triton  mit  Quinte,  besiehnngsweise  Halb- 
mit  (lanzton,  kleine  mit  großer  Sexte  alternieren. 

Es  ist  begreiflich,  daß  bei  der  Saitendruck-Technik  die  Intonation  der 
erhöhten  Stufen  nicht  immer  ganz  scharf  ausfällt.  Solcher  intermediärer  In- 
tonation verdanken  wohl  die  neutralen  Intervalle  ihre  Entstehung,  die  ynr 
gelegentiidl  auch  aus  japanischer  Musik  heraushören,  nnd  deren  Gefühl»» 
Charakter  uns  so  ft^mdartig  berührt.    Dem  von  Harmonie-GeiUhl  freien 

1)  Vergleiche  Gilman.  a.  a.  0.,  S.  62  Anm.  Aach  die  alt-schottiscdien,  slamesi* 

»chon  und  javanisch«  u  I'rln>/-  Melodien  halten  nicht  streng  an  der  Pentatonik  fest 
(.Vergleiche  Stuiii])f.  T.  u.M.  il<r  Siamescn,  S.  99fiVi 

2)  Die  Stimmungen  der  I.  Gruppe  .iütsusen  etc.)  werden,  soweit  wir  darüber  unter- 
riditet  sind,  auf  der  japanischen  Koto  niemals  von  vornherein  hergestelli  Sie 
liegen  aber  sahireichen  japani^^«  Leu  Melodien  su  Grunde  und  es  erschien  daher  sweck* 
mäl3ig.  sie  in  einer  Reihe  mit  den  iilirifren  m  besprechen. 

3j  Entsprechend  dem  Fa  der  diatonischen  Leiter. 
4)  Veigleiche  S.  338. 


Ü.  Abraham  u.  £.  M.  r,  Horabostd,  Studien  &ber  das  Tonqrstem  d«r  Japaiwr.  329 


Japuner,  dessen  Aufmerksamkeit  nicht  vorwiegend  auf  Terzen  und  Sexten 
gerichtet  ist^  mögen  dagegen  diese  Intouatious-Schwaukungeu  entweder  ganz 
entgehen,  oder  er  empfindet  sie  doeb  nicht  st&rend.  Daß  sie  intendiert  seien, 
können  wir  nach  den  Kesultnten  unserer  Messungen  nicht  gut  annehmen. 
Dagegen  gehören  sif  /wt-ircllo«:  tth  den  Kii^M'titünilichkeiten  der  chinesischen 
Mii^ik und  dürlU  n  mit  dn-  (Jt  kkiu  wolü  nach  Japan,  aber  nicht  in  das 
musikiiliaclie  Volks-Bewulitsein  der  .Japaner  eingedrungen  sein.  Eher  scheint 
■ich  noch  ein  fifewisses  Beinheits-Gefllhl  lür  das  merkwürdige  xwisdien  Triton 
nnd  Qninte  gelru. m  Intervall  ausgebildet  ra  haben  Tnsere  Er&bmngen 
über  die  praktische  IVlusik  der  Japaner  reichen  aber  nicht  hin,  um  etwas 
Bestimmtes  hierüber  zu  vcrmuti-ri. 

Auf  die  Ursaciten  der  Bevorzugung  der  Pentatonik  fallt  von  der  japanischen 
Blnsik  und  MnsikÜieorie  ans  kaum  neues  Licht:  sie  isl  nur  geeignet,  die  Ver- 
mutungen einiger  älterer  Autoren  (Helmholta,  F^tis)  hinfiiltig  lu  machen, 
als  hätte  die  T«  ndcn^,  Hslbtonschritte  oder  das  unharmonische  Inter\'all  des 
Tritonus  '  »Si  i  nutra  fa^  j  zu  vfrmcidon,  zur  Pentatonik  «geführt  •*).  Nicht  nur, 
daß  die  Füiit^tutigkeit  meist  niclit  streng  festgehalten  wird  oder,  wie  im 
javaniächeu  Salendro-System,  neben  einem  siebenstufigeu  System  erscheint 
—  die  japanischen  Koto-Leitem'*)  nnd  die  beliebte  Tritonus-Phrase  be- 
weisen zur  (ienüge,  daB  die  Pentntonik  mit  der  Anhemitonik  nichts  zu  tun 
bat.  Auch  die  Frage  luicli  der  I^iioritilt  der  5-  oder  T-stufigen  Leiter 
wird  durch  die  japanische  Mu^-ik  kniiu»  yctordrit.  und  wir  mUsseu  darauf  ver- 
zichten, hier  auf  diese  Probleme  niiher  einzugehen, 

5.  Praktisehe  Hvsik. 

Tlii'iretische  Kenntiii^-r-  fehlen  dem  jiipjinischen  Mn«iker  meist  völlig. 
Alletif.iHs  wi?isen  die  Koto-  uud  Sliamiseu-iSpieler  die  Stimmungen  ihrer  In- 
strumente; eine  genaue  Kenntnis  des  Tonsystems,  soweit  sie  nicht  praktisch 
erfordeHich  ist^  ist  ihnen  verschlossen.  Die  mangelhafte  musiktheoretisdie 
Bildung  erklärt  «ich  vielleicht  Z.  T.  aus  den  KiLentttmlichkeiten  der  japanischen 
X<>t  (•  n  chrift.  Wäbrend  !iTi>'erf'  Nnd'n  jd>  Symbole  filr  Totdiölii-n  i»elt«*ri, 
gbMc}ij.'iItiL'.  von  welchem  instninicnt  ^iw  liervorgebracht  werden,  bezielien  sich 
die  ja2Junif»chen  Notenzeichen  nur  auf  bestimmte  Instrumente.  Sie  bestehen 
im  wesentlichen  aus  Zahlwörtern,  welche  die  su  spielende  Koto-Saite,  be* 
»ehungsweise  das  Flöten-Loch  oder  den  ( hiitarren-Bund  (auf  der  Gekkin) 
bezeichnen.  BeigelTigte  kleinere  Symbole  bezieh'-n  >ii  h  auf  rhythmische  un<l 
tnktliobe  <T)iedenJTitr^'.  Die  Bedeutung  und  Verlircitung  der  Nofen«chrift  ist 
übrigens  viel  geringer  als  bei  uns;  vielfach  werden  Kompositionen  nur  nach 
dem  Gehör  Uberliefert,  und  «war  nicht  nur  Volkslieder,  wie  bei  uns,  sondern 
auch  instrumentale  Musik.  Infolgedessen  sind  diti  Namen  der  Komponisten 
oft  bald  in  Vergessenheit  geraten,  widirend  ihre  AVerke  allmählichen  Ver- 
än<terungen  unterliegen.   Jeder  Spieler  schmückt  das  überlieferte  Schema  nach 

1]  Veiigfleiche  B.  LG  i  Im  an,  China-MuHe. 

2  Vergleiche  S.  314. 

8;  Ver<ih  i(  lir  auch  Deehevrens,  a.  n.  O  ,  S.  5"23  Anmerkung  (!!\ 
4j  Jtcato  18t  übrigens  identisch  mit  der  aiiuu  enhaniumischen  Skala  deaOlympos 
(verglekhe  Helmholte,  a.  a.  0.,  S.  496). 

ö)  Vergleiche  Wallasehck,  Prtmiiire  Mtmr,  S.  153  ff 

6j  Über  das  Memorieren  von  Musikstücken  vergleiche  S.  335f. 


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330  0.  Abrabaiu  u.  E.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Tonsystem  der  Japaner. 

GeBchmack  und  Fertigkeit  aus.    Ferner  darf  man  aus  diesen  Yerhlltniasen 

auf  ein  guto»  Melodie-Gedächtnis  der  Japaner  schließen. 

Das  Melodie-Cxedächtnis  beruht  zum  prrößten  Teil  auf  dem  Godächtuis  für 
Intervalle  und  Rhythmus,  zum  viel  geri narren  Teil  nnf  dorn  Tr  »>  d  ;i  i  h  t  n  is 
für  absolute  Touhöht^n.  So  fiudeu  wir  das  letztere  auch  hei  den  Japanern 
reoht  mangelhaft  entwiekelt.  A  priori  ist  es  wohl  denkbar,  daß  ein  VoUc 
durch  Übung  das  absolute  Ton-GedKchtnis  stärker  ausgebildet  hat,  als  daa 
lutervall-Gedüchtnis,  umgekehrt  als  bei  uns,  wo  alles  getchiebti  das  Tntervall- 
Gf'dächtnis  auf  Kosten  des  ii1)solut*Mi  Ton-Gcdiu htnis«os  zu  erziehen'':  ihnh 
ist,  unseres»  Wissens,  diese  Mögliclikeit  bislier  uocli  nicht  verwirklicht  gelunden 
worden.  Hin  und  wieder  scheint  es  auch  in  Japan  mit  absolutem  Tonbewußt" 
sein  begabte  Musiker  zu  geben.  Bei  der  Schauspieler'Trappe  der  Sada  Yacco 
war  es  uns  aufgefallen,  daß  ein  kleiner  Kimbe  in  der  ersten  Soene  sein 
Kindt'ri,'f-rhi'('i  immer  mit  (IciiiscIIkii  Ton  'Jis.,  beirann.  T)agegen  schwankte 
der  Sänger,  dw  dvn  ('hur  iiKirkierfc.  Ihm  mmiuiii  Kinsntz  in  den  rib«nlnt<*n  Ton- 
höhen bis  zu  einer  Terz,  Zwar  haben  wir  nicht  gesehen,  daü  die  Theater- 
Mnsiker  ilure  Saiten  nach  einem  festen  Ton  abstimmten:  sie  haben  dies  rein 
nach  dem  Gedichtnis  getan,  aber  die  Stininninir  ihrer  Instrumento  schwankte 
auch  beträchtlich,  ati  zwei  auf  einander  folgen<len  Tagen  um  mehi  als  rlnrn 
(ianzton.  In  Japan  selbst  werden  die  Saiten-Insfrumeiitc  nach  den  iShakuhtuhis, 
Flöten  uud  Stimmpfeifeu,  welche  ja  feste  Töne  haben,  abgestimmt.  Die 
ttberans  groBe  Beinheits-Breite  ihrer  Intervalle  läßt  auch  kaum  den  Gedanken 
aufkommen,  daß  der  Ton  sich  als  Individuum  dem  Gedächtnis  der  Japaner 
eingeprägt  bat;  wir  müßten  denn  für  ihr  Ton-Ged&chtnia  ganx  andere  Ge- 
nauipkeiti-Grenzen  annphnien  als  für  das  unsrigp^^ 

Mit  dem  mangelhaltcu  absoluten  Ton-Gedächtnis  hängen  auch  die  starken 
Schwankungen  des  ostasiatischeu  Kammertones  susammen.  Die  Stimmpfeifen, 
die  fttr  profkne  Musik  verwendet  werden,  weichen  von  denen  der  heiligen 
Musik  {Oe^aku^)  oft  um  einen  ganzen  Ton  ab.  Nach  den  Angaben  der 
verschiedenen  Autoren  liegt  der  japanische  Kammerton  zwischen  eis^  und 
and  zwar  soll  er  nach  Piggott  550  —  5fiO  Schwingungen  betragen,  nach 
Müller  mit  unserem  t/j,  uach  Du  Bois  mit  unserem  dof^  übereinstimmen. 
Nach  unseren  eigenen  Messungen  schwankt  derselbe  zwischen  600  [Shö^  Sheng^ 
Shakiihachi\  609  (Flöten\  C.OO— 616  (Saiten-Instrumente  ,  623—635  (Stimm- 
pfeifen und  Sliakuhni  ]f}  ,  Interessant  ist  es,  damit  tlcn  cluiu  >i«rhpn  Kammei*- 
ton  {Ih(nn<j-<  'hutti/  zu  versrleichen.  Derselbe  wird  von  Gilmun  zu  603, 
von  van  Aalst  zu  601,5  Schwingungen  angegeben^j.  Nach  unserer  Normal- 
stimmuug  (aj  =^  436)  wttrde  dies  ein  erhöhtes      bedeuten  (c^j  =  «^^Oj 

Da  dieser  Kammerton  in  sämtlichen  Koto-Stimmungen  durch  awei  Saiten 


1)  Verixleirhr  ().  Abraham.  Das  absohite  T'Hilx  \viiPI<*mii.    Sa  mm  cl  bände,  III.  1.) 

2;  Auch  die  Häufigkeit  der  Transjiosition  »priclii  iiir  ein  schwaches  absolutes  Tou- 
bewußtsein.  Van  Aalst  berichtet,  daß  die  von  ihm  mitgeteilte  Confucius-Hymue  in 
jedem  Monat  in  der  für  diesen  oharakteriftisehen  Tonhöhe  begonnen  wird. 

3;  Vergl.  lc  h."  S.  334. 

4)  Vergleiche  auch  Dechevrens,  a.  a.  0.,  S.  Ö07. 

5)  Die  alten  Chinesen  verfertigten  ihre  Tempel-Glockenspiele  aus  Steinplatten  ( Yu^ 

Nephrit),  da  dieses  Material  »das  einzige  ist,  das  unabhängig  von  Temperatur  und 
Feuchtigkeit  stets  konstante  Tcmhöhe  behält,  während  alle  anderen  Mtisik-Inj^f nmiento 
in  dieser  Besiehung  uuverläßUch  sind«.    (Vergleiche  Engel,  Muskai  Iminimmts 
S.40.) 


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O.  Abralnm  u,  E.  Sl  v.  Hornboctel,  StadMn  Ober  das  Tonsyitem  der  Japftoer.  331 


'1.  und  5.)  repriisentiert  wird,  ist  ihm  vor  flen  übrigen  Tönen  He«  Tnsfnminttfs 
ein  gewiiMi68  Übergewicht  verlieheu,  das  sich  aucli  iu  deu  Melodien  bcmerkbai- 
maclit  E«  fimt  ifafii  daher  in  einem  gewiasen  Sinne  die  RoUe  der  »Tonika« 
zu.  "Wir  Tentelien  unter  Tonika  denjenigen  Ton  einer  Tonfolge  oder  Me- 
lodie, anf  den  alle  anderen  Töne  bezogen  werden,  und  der  dadurch  gewiHser- 
maßen  der  Schwerpunkt  dfs  i^nnzen  Systems  wird,  Ft't  if-  ]i;it  dies  hierarchische 
Verhilltuis  das  Prinzip  der  Tonalität  genannt.  Tonika  und  Tonalität  sind 
also  zusammengehörige  Begriffe.  Dadurch  daß  die  Tonika  im  Bewußtsein  lebendig 
bleibt,  indem  sie  mit  den  einzelnen  Tönen  mitrorgeatellt  wird,  erleichtert  aie 
die  Auffa^ang  der  IVIelodie.  Sie  bringt  Einheit  in  die  Mannigfaltigkeit. 
Dif  Beziehung  aller  Töne  auf  einen  Mittelpunkt  ist  iirsprnriüf1i(  }i  der  Ti  teils- 
Funktion  zuzurechnen.  Wenn  eine  Anzahl  «olcher  Beziehungen  häutig  zu- 
sammen vorkommt,  »o  verschmelzen  auch  die  mit  iiinen  verknüpften  einzelnen 
Gef&hle  (Intervall-Oeftthle)  zu  einem  gemeinsamen  Oeftthla-Gharakter:  dem 
Tonolitiita-GefBhl.  Wir  lirauchen  dann  nicht  mehr  ans  dem  einzchu-u  Be- 
aiehungs-Urteil  auf  die  Tonalität  zu  schließen,  sondern  fällen  das  Tonali- 
tät«-Frteil  direkt  auf  Orund  des  Tonalitäts-Gefühls.  Ein  Tonalitäts-Bewnßt- 
sein  von  der  eben  tikizzierten  Art  scheint  auch  in  der  homophonen  und 
polyphonen  Mnaik  nidit  su  fehlen.  Wir  finden  ea  in  den  paeudo-atiatotelischen 
Problemen  beschreiben,  in  der  aiaanesiechen,  chineaie^en  und  japanischen  Mnaik 
tritt  es  deutlieh  zutage;  selbst  bei  den  Bellakula-Indianern  wurde  es  von 
Stumpf*],  V>ei  den  Troquois  von  Baker'),  von  (iilman')  und  Fillmore^) 
bei  anderen  Indianer-Stämmen  gelunden.  Die  Inder  besitzen  für  Tonika  ein 
eigenes  Wort  {Arusaj.  —  Wir  pllegen  Stücke  von  gleicher  Tonalit&t  zu  einer 
Tonart  xnaammenanfassen. 

Ein  melodischer  Schwerpunkt  ist  sicher  in  der  japanischen  Musik 
zu  finden.  Wir  haben  aber  kein  Recht,  ihn  ohne  weiteres  mit  dtiii  <inind- 
ton  der  Leiter,  oder  dem  Anfangs-,  Schluß-  oder  tiefsten  Ton  der  Melodie 
zu  identificieren.  Er  ist  vielleicht  deu  Finaltöuen  der  mitteliüterücheu 
Kirchenmusik  vei^leichbar.  Nach  Aristoteles  bildet  die  Mese  den  Schwer^ 
puukt  und  den  Anfangston  der  altgriechi><  hi  n  Melodie,  während  der  SchluÜton, 
die  Hypate,  eine  Quarte  tiefer,  also  zur  Mese  im  Verhältnis  von  Domiinmte 
zum  Grundton  stand.  Im  Mittelalter  fiel  in  den  authentischen  Tonarten  die 
Tonika  mit  dem  tiefsten  Ton,  in  deu  plagaleu  mit  der  Quinte  des  tiefsten 
Tones  zusammen.  Eine  aufTallende  Ähnlichkeit  besteht  awiadhen  europftischer 
und  japanischer  Musik  in  dem  Verhältnis  der  Tonika  zu  anderen  Ti.nt  n  der 
Melodie.  Bei  beiden  besteht  eine  iiini^r  Verwandtschaft  zwischen  der  Tonika 
und  ihrer  hrdieren  und  tieferen  (Quinte  (Dominante  und  SubdoniinaiiteV  Diese 
Verwandtschaft  kann  rein  psyciiologisch  auf  der  Klang- Verwandtschaft  eines 
Tones  mit  seiner  Quinte  beruhen,  oder  man  kann  erst  durch  Harmonie-Ge- 
fühl auf  dem  Wege  der  musikalisdien  Modulation  zur  Bevorzugung  der  Quinte 
gelaugt  sein;  die  japanische  Musik  scheint  die  erstere  Annahme  wahrschein- 
lich zu  machen.  Denn  ein  Harnioni<  -(  fühl  ^di.  int  1>ei  den  Japanern  bisher 
kaum  entwickelt  zu  sein,  man  müßte  denn  ein  latentes  Harmonie-(ietuhl^) 
annehmen,  wofüi*  aber  außer  dem  geuauuteu  Grunde  nichts  spräche''). 

4 

1}  A.  a.  0. 

2)  Ein  solches  glaubt  Fillmore  bei  den  Indianern  amiebmen  zu  dUrfen.  Y^- 
gleiche  Stumpf,  Konsonanz  und  Dissonanz,  S.  G4. 

3)  Möglicherweise  dienen  dem  Japaner  zur  Erkennung  seiner  Xonarten  auÜer  dem 


332  0.  Abnlitm  tu  K  M.  v.  Horabostd,  Studien  fiber  daa  ToiK^tem  d«r  Japaner. 

Till  (Ins  Ti>ii!ilii;it^-<  icHilil  zu  erkliiren,  ist  es  nber  dxircbaus  nicht  ii'Uig, 
das  Hnnaonie-tiei'ülil  libeiluiuiit  heranzuziehen.  Sicherlich  wird  in  der  iiar- 
monischeu  Musik  dm  Uuruhl  liir  die  Tonika  viel  »tärker  uusgeprügt  sein. 
X)enn  an  die  Stelle  eines  einzelnen  Tones  tritt  hier  ein  ganxer  Akkord,  der 
tonische  Dreiklang,  dem  s&mtliche  Töne  andrer  Akkorde  in  ibrem  Anflösiing«- 
fiedürfnis  entgegenstrehen. 

Die  japanische  Musik  ist  aber  keineswegs  liarinouinch  zu  neiiiieu. 
Wühl  finden  sich  gelegentlich  simultane  lutervullo  (häufig  Sekunden,  (Quarten, 
Quinten,  Oktaven ;  selten  Tersen  und  Sexten).  Wir  sind  aber  Uberxengt,  daß 
nicht  die  Verachmekung  noch  die  Annehmlichkeit  der  Konsonanz  die  Häufig- 
keit dieser  Zusammenkltiiige  bedingt  hat,  sondern  lediglich  das  Bedürfnis  nach 
größerer  Klangfülle,  ähnlich  wie  es  8tunii>f'!  hei  dfr  siamesischen  IVTu^ik 
besclireilit.  liecht  bewei^<end  für  diese  Annahme  hIihI  die  in  Koto-8iückeu 
häutig  vorkommenden  simultanen  Sekunden;  sie  erklären  sich  leicht  aus  der 
technischen  Bequemlichkeit,  benachbarte  Saiten  gleichzeitig  anzureißen.  Den 
Mangel  an  Harmonie-Gefühl  bestätigen  femer  einige  Versuche,  welche  wir 
mit  einem  japanischen  Miisikei-  am  Klsivipr  nii'^tflHeti.  AVir  «spielten  ilim  l  iiis 
seiner  Repertoir-Stücke  mit  vers-chiedeiieii  iiegleitungw-Furinen  \uv:  in  (^uarlm-, 
Quinten-,  Terzen-  und  Sexten-Parallelen,  ferner  in  europHiochei  Dur-  und 
Moll-Harmonisierung.  Er  schien  hierbei  nur  auf  die  richtige  Wiedergabe 
der  Melodie  zu  achten  und  fiind  Unser  Spiel  immer  adiön,  wenn  er  dieselbe 
deutlich  heraushörte  2). 

Auch  uns  geht  dip«c  Fälligkeit  dis  I  )arül)erweghörens  nicht  vollkommen 
ah.  Sie  beruht  nach  Stumpf  darauf,  daji  wir  Töne,  die  nicht  im  Blick- 
punkt nnserer  Aufmerksamkeit  liegen,  der  Tonhöhe  nach  denen  angleichen,  die 
uns  gerade  besonders  deutlicli  im  Bewußtsein  sind.  Die  Mixtur-Kegister  der 
Orgel  und  die  unharmonischen  Töne  der  Schlag-Instrumente  siiirl  uns  nur 
durch  diese  Fähitrkeit  erträglich.  Pif  harbarischen  Akkorde,  die  der  Chinese 
auf  seiner  Musik-Urgel,  dem  Tsdung^  bläst  und  auf  seinem  (ilockenspiel,  dem 
Yuflp/o,  schlägt,  sind  offenbar  gleichftdls  hieriier  su  redioen. 

Nidat-harmoniache  Musik  kann  sich  in  ihren  Kadenzen  freier  bew^en, 
als  die  in  Harmonien  eingezwängte.  Sie  braucht  nicht  einmal  am  Schlüsse 
zum  Grundton  zurückzukehren:  wir  neben  die  Melodien  häiifip'  (in  der  Ga- 
gaku- Musik  immer)  in  die  (Quinte,  noch  öfter  in  die  Sekunde  des  Grund- 
tons ausmünden 

Wir  finden  endlich  in  der  japanischen  Musik  nichts,  was  dem  bei  uns  so 
wichtigen  Leitton  verglwdibar  wäre.    Dies  zeigt  sich  deutlich  in  einigen 

melodischen  Phrn^en.  von  denen  eine  der  hrmfigsten,  die  auf  den  ab- 
steigenden Ti  iloinis  aut'u'eliaut  [h-a-f],  «OTitiMHgen  wöi-tlich  mit  einer  Kadenz 
übereinstimmt,  die  sich  bei  den  alten  Griechen  besonderer  Bevorzugung  er- 
freute^). Hier  wie  dort  fehlt  die  Auflösung  nach  der  ünterquinte  des  An- 
fangstones, welche  wir  nach  unserem  Leitton-Prinzip  verlangen  würden. 

»Finalton«  noch  ähnliche  Kriterien,  wie  sie  för  die  Kirchentone  gebraudit  wurden 
(Reperkttssion,  Tropen).         1;  Tonsysteni  und  Musik  der  Siamesen,  S.  126. 

2;  Wir  müssen  hi«rbei  allerdings  bemerken,  rlaB  es  hei  der  ango]>orenen  Höf- 
lichkeit der  Japaner  überhaupt  sehr  schwer  ist,  ein  ahiiiihgcs  Urteil  zu  craielen. 

S)  Ein  Analogon  dasn  bieten  die  altschottischen  Melodien  mit  dem  Schluß  auf 
d>r  '2  Stufo;  vprirhnche  £nott,  a.a.O.,  sowie  Helmholtz,  S. 429  und  die  daselbst 
citierte  Literatur. 

4.  Vergleiche  die  von  0.  Fleischer  bei  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig  heraus* 
gegebene  ApoUo-Hymne. 


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O.  Abraham  u.  E.  H.    Hmnboatel,  Studien  ttber  daa  Ton^ttom  der  Japaner.  333 

r>ir-  Japanische  Musik  ist  a|eo.  wio  aus  dem  YorhergehendeD  ersichtlich, 
weder  h:iniioni«ch  noch  houiophon  zu  nenixMi.  Sir-  ist  yxih'phon  oder  hesser, 
mit  einem  Ausdruck  Plato's,  beteruphou  und  entspricht  etwa  den  ersten 
.Formen  des  mittelalt^rliclien  Dtakants.  Die  ▼ereehiedenen  Stimmen  bewegen 
eich  in  den  wiebtigsten  Absehnitten  und  TaJktteilen  nnieon,  in  den  Keben- 
teilen  dajije^en  erlauben  "i  li  einipe  In^ntnimente  Abweichungen:  Synkopen, 
Triller.  K<.lui  aturpii .  wt  K  ht!  die  Melodie  umrank*  u  ^  .  Fi'if  »utwukeltere 
l'orm  def<  Diskantes  timli-t  sich  in  der  Gagaku-Musik ,  in  weiciit^r  die  Küto<- 
Stimme  dem  übrigen  Orchester  einen  Dasso  ostinato  entgegensetzt^). 

Die  von  ans  nnterBuohten  Musikstttcke  lieOen  sich  aumahmsloB  nach  Zwei- 
viertel-  oder  Viervierteltakten  fjliedern.  T)och  sind  dieselben  bei  Weitem 
nicht  «f)  «rli.irf  rhytliiiii-i.  rt ,  al-  l/ci  uns-.  T{liytliiai~cher  Zwang  entspricht 
auch  nicht  dem  Volks-Charakter  der  .lapaner;  ihr  FreiheitH-Bf-dUrfni«*  fnj^^t  nich 
auch  in  der  Mui>ik  nicht  allzu  straffen  liegein;  nach  dem  Metronom  zu  spielen 
ist  ibneu  nicht  möglich,  wenn  wir  der  Mitteilung  eines  japanischen  Herrn 
folgen  dürfen.  Ehenso  wie  das  Tempo  der  ganxen  Musikstücke  bedeutenden 
Schwankungeji  unterliegt  les  ist  vielfach  von  der  Atemlänge  der  Bläser  ah- 
hängigj,  ebenso  wie  am  Schluß  jedes  einzrltu  n  Tcili  -  ein  dtnitüches  Ai'ccicrando 
zu  erkeuneu  ist,  no  tindcu  sich  auch  wiUkürliclie  Schwankungen,  Fermaten 
ond  VeikUrzungen  im  Einxeltakt.  Dies  zeigt  sich  besonders,  wenn  ein  und 
dasselbe  MufukstQck  von  verschiedenen  Spielern  vorgetragen  wird. 

Das  Erkennen  der  T.tktart  ist  für  uns  noch  aus  anderen  GrQnden 
erschwert:  wir  Europaer  ln^itz«'n  In  tiinmfc  Hilfsmittel,  den  Takt  zu  mar- 
kieren. Die  guten  Takluile  werden  enlwe(h'r  stark  betont  otltr  sind  von 
besonders  hohen  oder  tiefen  Tönen  gebildet,  welche  die  Aufmerksamkeit  auf 
sich  sieben.  Auch  die  Distanz  der  Akkorde  in  den  einzelnen  Taktteilen  ist 
für  die  Bhythmisierung  von  Einfluß'}.  Die  HÜfs-Kriterien  der  Distanz  und 
T?(  t«munir  si  ln  in.-n  bei  den  .Japanern  zu  f«'hlpn.  Das  Erkennen  des  Taktes 
wird  cndhch  durch  die  hriiifjLfi  n  Synkopen  erschwert.  H»m  cinpin  'if'^rinjijstUck 
mit  Koto-Üegleituug,  in  welciicu»  (irsang  und  luätrument  tortwidirend  in  Syn- 
kopen einander  entgegenarbeiten  [vergleiche  Musik-Beilage  X),  wäre  uns  die  Be- 
stimmung der  Taktart  überhaupt  unmöglich  gewesen,  wenn  wir  nicht  die  Be- 
^leitungs-Stimme  allein  phonograiiln-ch  fixiert  hätten.  Khytlnnische  Freihfiten 
können  sich  in  nichthannnnischer  Musik  vi*  !  Icit  htrr  ;ni<bilf].'ii .  speziell  bei 
besonderer  PHege  des  Stilospiels.  Das  japanische  Orchester  kennt  weder  Par- 
titur noch  Dirigenten,  die  Musiker  richten  »ich  nach  dem  melodieftlhrenden 
Sho^  und  den  Schlaghölzern  [Skaku-bioshi)^  welche  den  Rhythmus  markieren. 

Wie  in  der  modernen  Kultur  der  Japaner  überhaupt,  so  zeigt  sich  auch 
in  ihrer  Musik  das  Strelx  ii ,  Avh  »mi  ropäischer  Ci  v  i  1  i  s m  t  i o ii  »n/np.'i'SHe.ii. 
Europiiische  Musik-Instrunn-nte  Klaviere,  (Jeigeni  werden  importiert;  japa- 
nische Musiker  woiden  auf  Staatskosten  nach  Europa  gesandt,  um  hai-mo- 
nische  Musik  und  Theorie  zu  erlerneu;  das  japanische  Heer  hat  deutsche 
Kapellen,  die  altjapanische  Weisen  in  iiMiilrrner  Orchestrierung  zur  Auffüh- 
rung  bringen;  das  Muaikinstitut  in  Tokio  bemüht  sich,  unserer  Notenschrift 

1;  Dieser  Stil  findet  sich  nocli  feiner  aus^rehihlet  in  Riain.  Java,  und  China;  ver- 
gleiche Stumpf,  a.  a,  O.,  8.125  und  i:Uf.  und  Dechovretis.  a.  a  0..  S.  o37. 

21  Verfr!fi«'he  die  vnti  Miillor  mif -.t-ilt.-  I'n-timr  a.a.O..  H^Tt      S.  31;. 

3)  Mau  kann  das  leicht  bei  Tüuzeu,  »pczicU  bei  Walzern  beobachten,  in  denen  die 
Tone  des  erstw  Taktleib  meist  eine  Diitanz  von  8^  Oktaven,  die  des  twdten  und 
dritten  nur  von  1 — IV«  Oktaven  aufweisen. 


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334  0.  Abraliain  u.  K  M.  y.  Horobottel,  Studien  äber  das  Tonqrrtem  der  Japaner. 


Verbreitung  zu  verscbatleu;  selbst  Musik -lustruiueiite  japanischen  Modeiis 
(Oekkius  u.  s.  w.)  sollen  ans  Deut«chlaud  bezogen  werden.  Die  AnnBhemng 
an  unsere  temperierte  Stimmnng,  die  wir  in  japanischer  Musik  öfters  be- 
merkt kaben,  wird  wahrscheinlich  durch  diese  Einflüsse  begünstigt  und  in  ab- 
sehbarer Zeit  noch  bedeutend  ver^^rüßert  wikUmi. 

Auch  ijanze  Lieder  werden  jius  tVeimltii  Landern  übrrnouiiufii.  Nicht 
nur  chiuesiscbe  Volkäweiüeu ,  auch  umvrikauische  Gassenlmuer  »ulleu  groQte 
Popularität  erlangt  haben. 

6.  Verbnitnng,  ITntorriekt,  Theater-Viuik. 

Die  Musik  ist  in  Japan  noeh  mehr  Allgemeingut  des  Volkes  als  bei  uns. 

Die  Instrunu-ntal-Musik  wenigstens  wird  bei  uns  immer  nur  von  den  leidlich 
wohlhabiMiilfii  Klassen  gepflegt,  wiihn'nd  sich  die  niederen  Scliichtt  u  der  Be- 
völkeniTiLT,  die  Arbeiter,  mit  (U  in  Kinzel-  und  ^uartettgosan-:  begnügen.  In 
Japan  dagegen  ist  gcrudu  die  inHtrumeutal-Mu»ik  überall  zu  finden,  es  soll 
kaum  eine  Wohnung  geben,  in  der  nicht  ein  Koto  oder  wenigstens  ein  Shsr* 
mix'u  zu  finden  wäre;  bekommt  doch  jvdv  nodi  so  arme  Braut  in  Japan  sur 
Hochzeit  ihre  Koto  und  ihr  Shamisen  als  Mitgift'). 

Ein  so  verbreitctrr  musikalisrher  D  i  1  p 1 1 a n t  i s m  n  s  ist  erklärlicherweise 
auch  als  uationalokonomischer  Faktor  nicht  gering  anzuschlagen.  T)er  saufte, 
melancholische  Charakter  des  Japaners,  der  sieh  in  allen  Dichtungen  durch 
die  bilderreiche,  uns  etwas  weiblich  scheinende  Art  des  Ausdrudces  zu  er- 
kennen gibt,  verlangt  förmlich  nach  Musik.  Die  Vergleiche  des  mensch- 
lichen Lebens  mit  der  Tier-  und  Pflanzenwelt,  dir  TDrinifdereien,  welche  die 
Japaner  in  iliica  i>iclitunt.'en  verwenden,  können  durch  die  Muhik  unterstützt 
werden;  so  erkennen  wir  in  vielen  Musikstücken,  speziell  in  der  Theater- 
Musik,  das  deutlidie  Streben,  Naturlaute  aulsuuehmen.  In  den  Volks-  und 
Kinderliedem  sind  noch  häufiger  als  bei  uns  sinnlose,  nur  Stimmung  malende 
Silben  verwemlet 

Trotz  der  allgemeinen  Verbreitung  der  Musik  zeict  ''ich  do<'h  aiuli  in 
dieser  Kunst  der  eigentümliche  Kastengeist  des  Japaners.  i>urt  üiierhrückt 
die  Kunst  nicht,  wie  sie  es  bei  uns  wenigstens  versucht,  die  sozialen  Gegen- 
siltr.t).  In  .lapan  ist  auch  die  Musik  in  verschiedene  Rangordnungen  ein- 
geteilt und  nicht  das  musikalische  Talent  bestimmt  die  Stufe,  sondern  die 
bürgerlirhe  HerlMinlt.   Wir  tindni  in  .T;i]inn  vier  Klassen  von  Berufsmusikern: 

Die  erste  Klasse  nehmen  die  Oakunni  ein,  weicht?  sich  rekrutieren  aus  den 
TOmehn»ten  Povdnlichkeiten  des  Staates.  Sie  sind  musiktheoretisch  ge- 
bildet« soweit  bei  Japanern  von  Theorie  überhaupt  zu  reden  ist,  und  kennen 
die  Notenschrift.  Die  Hofkapolle  des  MUcado,  die  sogenannte  Onjaku,  setzt 
sich  aus  ilmen  zusammen.  Sic  pflegen  nur  dir  kl;i?4sische  ^lusik,  welche  aus 
China  und  Korea  stanuneu  mW]  ursprünglieii  waren  alle  Musikstücke  der 
Gagaku,  deren  neuestes  5ÜU  Jahr  alt  sein  soll,  Gesang.stücke  mit  Orchester- 
Begleitung,  doch  hat  sich  der  Gesang  allmäh^eh  verloren  und  die  Melodie 
wird  im  Orchester  durch  d  is  Sho  ange-jeben.  Dieses  Orchester  ist  vSllig 
anders  zusammeng<>setzt,  als  das  der  anderen  Musik-Klassen. 

Den  zweiten  Kang  nehmen  die  ^irftin  ein.  Die-^e  spielen  !inr  profane 
Musik  und  verstehen  meist  nicht  das  3iindeste  von  Theorie  und  ASoteuschrift. 

1)  Überaus  zahlreich  sind  bildliche  Darstellungen  von  Musikern  {Farbenholzscbnitte 
u.  9.  w4  zu  finden. 


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O.  AbrtbMn  u.  R  H.    Horttboatol,  Stadt«»  ftber  dn  Tonsyttem  der  J»p«iier.  335 


An  Hang  stehen  fir  t^twu  den  Kauf  leuten  gleich.  Daa  bekannte  Orchester 
des  Großfürsten  Tuikuu  gehört  zu  dieser  KlaBse. 

Die  dritte  Stufe  wird  von  den  blinden  Musikern  eingenommeD.  Diese) 
frttker  noek  in  eine  große  Anzakl  von  UnterklaBsen  eingeetellt,  büden  aueh 

jetzt  noch  zwei  verschiedene  Sekten,  die  der  Kengio  \\w\  dtP  der  Koto.  Die 
Musiker  der  Kengio  sind  die  besseren,  wahrscheinlit  h  auch  ilt  r  Ab3t«mniung 
nach,  sie  dürfpn  als  Zeichen  ihrer  Huperiorität  weite  Hosen  tragen.  Beide 
Klassen  ptiegeu  nur  populäre  Musik. 

Die  Tierte  and  niederste  Klasse  wird  von  den  weiblichen  Musikern 
gebildet,  welchen  nur  die  ge\vi'>linliche  Musik  zugiinglich  ist.  Die  meisten 
weiblichen  'Mu^ikrr  >,a'bnivii  in  di»"  KnteLcorie  der  flrislins ^  die  in  den  zahl- 
reichen Thcchäusem  (Tokio  besitzt  alleiu  die  «lästc  bodienpu  und  unter- 
halten. i'Hir  diesen  Beruf  werden  die  Mädchen  schon  als  Kinder  abgerichtet. 
KaoMftnnische  tTntemehmer  kaufen  sie  fllr  40 — 00  Francs,  lassen  sie  6e^ 
sang  nnd  Bhamisen- Spiel  erlerneu  nnd  verkaufen  sie,  sobald  sie  spielen 
können,  meist  als  14  jährige  Mädchen  an  die  Thoehäuser;  ihr  Preis  ist  dann 
auf  500  —  600  Francs  gestiegen.  Diesen  Oeif?has  ist  die  heilige  oder  klassische 
Musik,  welche  männliche  Beruls-Spieler  erlernen  dürfen,  stets  versagt. 

Um  den  Unterschied  der  klassischen  und  populären  Musik  der 
Japaner  sn  erkennen,  mflJSten  wir  Europier  weit  tiefer  in  das  Wesen  jap»- 
nischer  Kompositionen  eindringen,  als  es  bisher  mö|^ch  war}  oberflächlich 
betrachtet,  erschien  uns  die  klassische  Musik  aus  langgezogenen  Tönen  und 
Trillern  zusammengesetzt  zu  sein,  während  die  populäre  Musik  Hcbnellere 
Tonsprilngc  erkennen  läßt.  Ein  weiterer  Unterschied  soll  darin  bestehen, 
daß  bei  der  klassischen  Musik  Gesang  und  Begleitung  stets  in  Parallelen 
(Oktaven-,  (Quinten-Parallelen)  sich  bewegen,  die  populäre  Musik  nur  ein- 
stinuni;^  oder  unison  «»'in  soll.  Sucrefsives  Einsetzen  der  einzeliiftn  Instru- 
uieiite  soll  eine  besondere  Stil-Kiijfeutümlichkeit  der  (iatfakii-Musik  sein.  — 
Sicherlich  gibt  es  nocli  eine  ganze  Reihe  anderer  Merkmale,  wie  wir  ja 
auch  in  unserer  Musik  xahlreiche  Untersdiiede  swischen  der  sogenannten 
klassischen  und  modonuii  ^lusJk  Iceiinen. 

Der  Musik- Unterricht  der  Japaner  ist  streng  geregelt.  Die  (iragaku- 
Lehrer  werden  vom  Staate  besoldet.  Bei  deti  Blinden  stehen  an  der  Spitze 
der  einzelnen  Zünfte  Lehrer.  Bestimmte  Musikstücke  werden  nur  von  be- 
stimmten Lehrern  unterrichtet.  Diese  haben  der  Komposition  ihre  eigenen 
Vensierungen  hinzugefügt  und  lassen  sich  den  Unterricht  je  nach  dem  Musik- 
stück bezahlen.  8o  kostet  die  Erlernuticj  eines  klassischen  Stückes  bedeutend 
mehr,  als  die  einen  populären.  Auch  die  Tn^tnimenfe  sind  dem  Range  nach 
verschiedenartig.  Die  siebensaitige  Koto  [Jarnatohoto)  viird  uur  von  den 
vornehmsten  Japanern  gespielt;  die  13-saitige,  ausschließlich  von  Frauen  ge- 
spielte Koto  ist  das  Haupt-Instrument  der  besseren  bfirgerlichen  Häuser. 
Dir  entspricht  bei  den  Männern  daa  Shakuhachi  (Bambus-Klarinette),  welches 
noch  al"  vomebnip«  Instrinnent  (r'ih^  während  das  Shami.«ien  auf  (h  r  untersten 
RatigMtuiü  Hiebt  und  nur  von  (ieishas,  Straßtiusäugeru  und  Theuter-Musikeru 
öflFentlich  gespielt  wird. 

Jeder  Musik-Schfiler  muß  erst  die  Melodie  in  ihrem  Umriß  erlernt  haben, 
die  Noten  und  Griffe  vollkommen  auswendig  können,  bevor  es  ihm  gestattet 
wird,  sii^  auf  dem  InstnuiKMit  zu  üben.  Für  das  Shakuhachi,  vielleicht  auch 
für  die  anderen  Instrumente,  gibt  es  zwei  l'nterrichts-Typen,  die  östliche 
und  wcHtliche  Schule.    Ein  japanischer  Herr  spielte  uns  dasselbe  Stück 

S.  d-  1.  J£  IV.  22 


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336  0.  Abraham  u.  £.  M.  v.  Hambostel,  Siudieo  über  daa  ToMyatem  der  Japanor. 

nach  bcidtju  MutboiU^u  vor,  wodurcij  wir  den  Kiudruck  erbielton,  daß  die 
westliche  Schale  bedeutend  mehr  die  VerzieniDffeu  und  Umspieluiigeu  der 
Melodie  au  Heben  scheint,  als  die  Ostliche.  Die  Haupttöne  der  Melodie  waren 

in  beiden  Wiedergaben  dieselben.  Gewisse  eigentünilicbe  Vors^cbltige ,  die 
der  Shakuliachi -Spitder  selbst  vor  einfacbeu  Noten  anbringt,  erklären  sich 
ans  der  !Scbwi'  i  inl,;«  it  den  Anblasens.  iVsondere  Anlmerksanikeit  wird  auf 
ein  vollendetes  Legatissimü,  das  ula  vorneluuer  Stil  gilt,  verwendet. 

Die  Lehrer  des  Koto  haben  eine  uns  aoerst  unveratiindliche  Art,  die 
»Schüler  zu  belohnen:  Ein  vorgeschrittener  Schüler  erhftlt  die  Licenz,  die 
tiefste  Saite  auf*  seinem  Koto  eine  Oktave  tiefer  /.u  stimmen;  da  die  erste 
mit  der  ITinften  Saite  des  Koto  in  den  Haupt -StinununL'fti  id«>nti«<'h  ist.  so 
wird  durch  die  Vergüuätiguug,  sie  eine  Uktuve  tiefer  zu  stimmen,  der  Tou- 
mnfang  erweitert,  und  diese  so  entstandene  £»cbverang  des  Spiels  mag  sieb 
zu  einer  Belohnung  ansgebildet  haben.  —  Es  läßt  aich  hier  vielleicht  ein 
Zusammenhang  finden  mit  der  gi-sctzlichen  (!)  Begrenzung  des  Tonumfang» 
im  System  der  jdtcbinesisclieii  l.>>y.  T^ie  V«'rsclimeliinn!/  ♦•♦bischer'}  niid 
musikaliscb«*r  Anschauungen,  die  uns  so  lern  liegt,  liilit  sich  bei  den  Ostasiateu 
auf  religiöse  und  ^cahlen-mystische  Spokulutiouen  zurückführen. 

Nicht  nur  muaikaliache  Lehren,  sondern  auch  Anstände- Regeln  werden 
dem  Gesangsohüler  mit  auf  den  Weg  gegi-ben,  wie  aus  dem  Lehrbuch  drs 
Mlyakoji  Jiungo  zu  tTsebeii  !-!  .  l^i  r  Sänger,  <ler  -idi  iiiei>.t  selbst  auf 
dem  Shamisen  begleitet,  soll  gerade  sit/t  u.  I'r  soll  den  Kopf  richtig,  -weder 
AU  hoch,  noch  zu  tief  halten,  nicht  zu  viel  Bewegungen  mucbeu  und  keiuu 
Grimassen  sdineiden.  £r  soll  die  Stimme  nicht  forcieren,  sondern  die  Ton- 
stUcke  nach  der  (irr>ße  des  Raumes  einrichten.  Die  Stimme  soll  in  der  Brust 
durch  Uü'nung  »1er  I^ungo  entstehen.  Der  Khyilinms  soll  durch  Kather- 
Hchlag  markiert  werden,  falls  der  Sjiiiger  sich  «t'-lit  sellist  beL,deitet,  doch  soll 
demselben  nicht  /.u  viel  Nachdruck  gegeben  werch  n.  Mund  und  Herz  soUeu 
aasammenwirken  und  die  Hand  leiten.  Der  Sänger  soll  alle  awölf  T9ne 
(Ritmt  ?)  beachten  und  soll  sich  einer  deutJichen  Aussprache  befleißigen.  In 
der  AVohl  seiner  Gesaugstücke  soll  er  vorsichtig  sein,  nicht  von  Begeben- 
heiten singen,  die  einem  Anwesenden  peinlich  sein  köimten.  Nüfiien.  die  L'lrich 
lautt'U,  wie  die  von  Anwesenden,  solli-n  gestrichen  od»  t  veisiiideit  und  über- 
haupt alle  persönlichen  Anspielungen  vermieden  werden.  Schließlich  soll 
der  Sänger  stets  eine  ruhige,  mälUge  Lebensweise  führen,  da  schlechte  Lebens- 
führung der  Stimme  schadet. 

Alle  diese  goldenen  Hegeln  sollten  sich  auch  unsere  Sänger  nd  nolam 
nehmen.  Ab»;r  ganz  sonderbn!"  knntr;istiert  mit  ihnen  die  Krfahrung,  die  fler 
eui'upiüsche  lieobachter  maciit.  Der  japanische  tiesaug  ist  nach  uiihcien 
Begriffen  weit  davon  entfernt,  wie  eine  mühelose  Brust-Stimme  au  klingen, 
er  scheint  uns  stark  gequetscht.  Die  Sänger  strengen  sich  an,  diese  Kehl- 
laote hervorsubringen,  wie  man  an  den  geschwollenen  Halsvenen  und  dem 

1)  Nach  dem  179Ü  in  >ianking  publicierteu  Schul-lteglcmeut  C/itü^foui-dtiuefHuin 
ist  <len  Schulkindern  der  Gebraueh  von  Ssiten-Instrumenten  verboten.  (Yerglet<^e 
Jounml  usi'tfiqur.  .7.  .sV;  tV  17//.  S.  ."52  IV.  Kin  eliinesiselu  r  Chronist  sagt:  »Die  Ilar- 
moiiie  hat  die  Macht,  den  Himmel  auf  die  Krile  lierali/iizielien;  sie  Ilößt  «len  Men- 
^cLtn  Liebe  zum  (yuteu  und  Ptlichtgefühl  ein.  Willst  du  wisf-eu.  ob  ein  Reich  gut 
regiert  wird,  ob  die  Sitten  dort  gut  oder  «ehlecht  sind,  so  prüfe,  welche  Art  von 
Musik  r^ort  gfepflegt  wird.«  'Kraus,  a.  a.  0.,  S.  6.  Vergleiche  auch  Maller,  a.  a.  O., 
IX.  8.  28.) 


O.  Abrahatn  n.  JS.  M.    Homboetel,  Studien  über  da9  Tonflystem  der  Japaner.  ^7 

geröteten  Gesicht  erkennen  konnte.  Ein  Japaner  sagte  uns,  daß  dieBes  guttu- 
nJe  Qnetschen  besonders  erlernt  werden  müsse,  »nur  Kinder  und  Kutscher 
lassen  nach  europäiBcher  Manier  die  Tdne  ans  dem  Bauch  kommen.«  £r 
meint,  daß  die  Ursache  dieses  OosanijHtils  darin  läge,  daß  ein  zu  weites 

nen  des  Miinf|p?5  in  Japan  als  un^rliicklich  gilt.  Sfi  wt  rilcn  ;itifh  ^cim  Spre- 
chen die  hellen  \'okale  vermieden,  nogar  lautes  Sprechen  gilt  für  unfair'^ 
selbst  UefUhla-Ausbrttche,  Wut  und  Eil'erauchi  drückt  der  Japaner  nie  in  starken 
Tönen  aus,  wie  wir  uns  bei  den  Schauspielern  Überzengen  konnten. 

Absolute  Musik  scheint  sich  in  Japan  ziemlich  ntlten  zu  finden.  Für 
Shakuhashi  .-^ind  \v<»hl  die  meisten  Stiukf  als  Strli  frcdiu  lit,  nticli  Lrilif  t>  Solo- 
Htiirke  für  Koto,  alle  anderen  Instrunient»  ;i!iri-  und  häulig  auch  die  Koto 
dienen  nur  zur  Begleitung  de.s  Gesanges  und  des^  Tanzes.  Uberall  sind  iu 
Japan  StraBens&nger  eu  hSren,  weldie  snr  B^leitang  des  Bhamisen  Ges&nge 
und  Siaeken-Tiin/e  aufführen. 

Auch  i)ei  allen  CLMinonien  an  weltlichen  und  religiösen  Gedenktagen 
dient  die  Musik  als  notwendiger  und  stjinHiL'er  Begleiter.  Noch  heute  führen 
diu  Shiuto-Brieäteriuuen  die  alten  ehrwürdigen  Kfif/Kra-TÄma  auf,  iu  wei- 
chen unter  Gesang  und  Instramental-BegleituDg  alte  japanische  Mythen  mi- 
misch dargestellt  werden').  Aus  den  religiösen  Festspielen  entwickelten  sich 
im  15.  Jahrhundert  unter  den  SlioLimen  die  Ao-Spieh.  Die  Verfasser 
und  S(  h;uis|>it  li  r  di«ser  Spiele  Bind  Angehörige  de«;  vornehm--ti  ii  Adi  l-<  oder 
buddhitstische  Im  /iehungsweise  shintoistische  Priester.  So  drücken  auch  die  No- 
GesUuge  »tets  l'jrinuerungen  an  die  heiligen  Sitten  und  Gebräuche  alter 
Zeiten  aus.  Sie  sind  opemarttg  angelegt  und  bestehen  aus  Dialog,  Musik 
und  Tanz;  jedes  No-Spiel  dauert  et\\;i  .  in«?  Stunde,  alles,  Gang,  Sprache  und 
Gesang  i-(  diirt  stilisiert 2  ^  fremdartig  und  fern  von  jedi m  lu  di^smus.  Zuerst 
schliMchrn  ;i(  lit  < 'liorsiintrer,  Fhitcn-  tnid  Tronunelspieler  in  :iuffallenden  Oere- 
momen-Kleuieiij  auf  die  Büline  und  melden  dem  Puldikuni,  ganz  wie  der 
Chor  in  der  griechischen  Tragödie,  was  es  »u  hören  bekommen  wird.  Dann 
schreiten  die  Darsteller  seibat  auf  die  Scene  in  MaHken,  die  durch  alte  Tra- 
ditionen festgelegt  sind.  .Ml  dieses  soll  eine  weihevolle  ernste  Sdniniung 
hervorrufen,  dage<(en  soll  die  Musik  für  europäische  Olimi  unerträglich  sein 
uud  nur  dem  Beätreben,  elementaie  Geräusolie  (wie  das  Heulen  des  Sturms, 
das  Kauschen  des  WasHCrfallK^  nachzuahmen,  ihre  Entstehung  verdanken. 

Aue  den  Nö-Spielen  entwidcelte  sich  das  japanische  Drama,  Joruri 
genannt,  welches  mit  der  Zeit  große  Veränderungen  erfuhr.  Zuerst  bestand 
es  lediglich  in  einer  Rezitation  des  Dichters,  der  dmi  l'hvtbnms  der  ^^'rs•i 
durch  Fächersrhlag  begleitete;  später  wurde  der  Fächer  durcii  das  Shami.sen 
ersetzt -'J,  uud  Schauspieler  führten  dem  i'ublikum  die  Dramen  vor.  JJie  Vei^ 
böte  der  Zensur>Behörde,  welche  im  17.  Jahrhundert,  um  öffentlichem  Ärgerois 
zu  st*  tu  III.  lui  n^ihliehe  Darsteller  Ton  der  Bühne  verbannten,  wurden  die 
AV'urzel  des  berühmten  japanischen  Pu  ppen- Theaters,  welchoB  sich  zu 
hoher  Vollkommenheit  entwickelte  und  sich  noch  heute  großer  Beliebtheit 
erfreut:  Die  Daruteller  werden  durch  lenkbtue  Puppen  iu  Liebeuögröiie  ge- 
bildet, die  Dichtung  wird  von  einem  Rescitator,   Qidayn^  unter  Shamisen- 

1)  Besonders  oft  die  MviIh        tL  r  P^uslchun^'  d.  r  "Musik,  von  dem  Verschwinden 
und  der  Wiederkehr  der  Göttin  Amatci-asu.   (iSichu  Brauns,  a.  a.  0.) 
S)  Siehe  Fischer,  a,  a.  0. 

3)  Kine  Hezit^tionsweise,  die  an  die  Vorstellungen  ennnert,  die  wir  uns  von 
hellenischen  •Dichter-Sängern  und  den  alten  Barden  machen. 

22» 


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338  0.  Abraham  u.  E.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Tonsystem  der  Japaner. 


Begleitung  Torgetragen.  Staiweiiftweit  ist  die  lUitdoiM-'Fähigkeit  dee  japa- 
nisdieii  Ziuchaaen;  ihn  Btdrt  es  nicht,  daß  jede  Puppe  von  swei  flchwari" 

gekleideten  Männern,  Kurombof^  gelenkt  wird,  welche  jede  bedentsame  Stelle 
des  Stückes  durch  ZußammenklHppeii  zweier  Schln^hölzcr.  Iliufthiyi,  kenntlich 
macheu,  ebenao  w^uig  wie  das  kur/e  >Habt-Achtt-ruteu  der  Sharaisen-Spieler 

Diese  und  andere  auffallende  CigentüiuUchkeiteu  des  Puppen-Theaters  sind 
andi  auf  das  moderne  japanische  Drama  Qberpflanat  worden.  Die 
Köllen  werden  sämtlich  von  Männern  i^e^ipielt,  nur  an  einzelnen  Orten  gibt 
c>  FraiiPii-Thimter.  Ein  ^'fiuisolif Anftretm  von  Männern  und  Frauen  gilt 
bis  in  <li''  neueste  Zeit  als  uimioralisch  und  unerl.uilif.  Ki-st  vor  «r^nz  we- 
nigen Juhreu  hat  es  Kawakanü  versucht,  die  ulteu  Gebräuche  zu  durch- 
brechen, die  I*rauenrollen  von  weiblichen  Sdianspielmi  darstellen  su  laaaen. 

Hier  noch  weiter  die  Entwickelnng  und  die  Eigentümlichkeiten  des  japa- 
nischen Theaters  zu  verfolgen  würde  zu  weit  fuhren.  Wir  wollen  nur  kurz 
den  Zusaiutnpnhnn«r  der  Mu^ik  mit  dfiii  i!ipnni«<'h('Ti  DrnmH  betrachten,  wie 
wir  ihn  an  den  beiden  in  Berlin  aufgeführten  Stücken  kennen  lernten. 

Die  Musik  spielt  im  jupunisdien  Drama  keineswegs  eine  nebens&chlicbe 
RoUe.  Sie  begleitet  das  ganxe  StQck,  schließt  sich  eng  dem  Gang  der  Hand- 
lung  an  und  trägt  wesentlich  zur  Stimmungs-Muh'rei  bei,  Ihnlich  wie  in  un- 
serem Melodrama.  Hier  /»  it^tc  Ivmist  di  r  .Inpnner,  mit  den  einfach- 
sten Mittelu  eine  Stimmung  zu  erzeugen,  welelie  auch  di  u  turf^yiiiischen  Hörer 
lebhaft  ergreift.  Das  ganze  Orchester  wurde  aus  zwei  j\lusikern  gebildet, 
welche,  in  der  Coulieee  verborgen,  die  versdiiedenen  Instrumente  abwechselnd 
spielten.  Der  <;ine  zupft  fast  unausgesetzt  sein  Shamisen  und  itöüt  gele- 
gentlich einige  Klagelante  oder  kurze  Habt- Acht I-Kufe  aus.  Eine  Scene 
b«>irl«'it«'t  er  auf  der  Koto.  Der  andere  begleitet  das  Auftreten  der  H;ttipt- 
per.son  und  die  eiugestiouteu  Tänze  mit  Ge»aug  und  bedient  die  Schlag- 
Instramente:  Drei  d^mmeln  von  Terscbiedener  GrSJk»  (ein  Oia^  und  swei 
Tbifeoff);  zwei  Qongs  {Dora)\  ein  kleines  Glodcenspiel  (CVimoro^);  ein  kleines 
Tara-Tnm  {Kaimeh].,  einr  <i locke  von  der  Form  unserrr  Ti.vchglocken  {IT/f  ;; 
ein  Paar  Schlaghölzer  (Äi^ ;  ferner  ein»'  t/röPcre  Rolirpfeifc  (Takefuye)  und 
eiuo  kleine,  metallene  Signalpfeife  [Mmtfui/ci  -^ . 

Die  beiden  Schlaghölzer,  welche  zusammengeschlagen  einen  scharfen,  hohen 
Ton  ifia^)  hervorbringen,  dienen  der  Kegie.  Mit  ihnen  werden  die  Schau- 
, Spieler  aus  der  Garderul>e  gerufen  und  die  Zeichen  für  das  Heben  und  Sen- 
ken dts  Vf)rlt;ni<»?  •»•nwlc  iTu   die  Dekniat i' ins-Wcclisel  gegelicn. 

Die  nielüdierührende  Stiuune  liegt  im  .Shuniisen,  de.sb»  ii  JJliytlunns  von 
den  langgezogenen  Tönen  des  begleitenden  Gesanges  ansclu-ineud  nicht  be- 
achtet wird.  An  dramatischen  Höhepunkten,  zu  welchen  oft  ein  stark  cre- 
scendierender  Tromme)wirb<-l  hinleitet,  bricht  jede  Musik  ab|  und  der  durcb 
die  plötzlich  eintretende  Stilb'  hervorgiTufene  Kontrast  erregt  eine  gewaltige 
Spnninnvj'.  Der  Iirrt]i>iiiu5«  von  LioI»es-Scenen,  Kampf  und  T'»<1  wurde  auf 
diese  \S  eise  noch  packender  gestaltet.  Das  nahende  Verhängnis  kündigt  sich 
jedesmal  durch  die  Sehlfige  des  Gong  [as^]  an,  welches  nach  dem  Ansdilagen 
hin-  und  hergeschwungen  eine  unheimlidi  dumpfe  Klangfarbe  erhält.  In  der 

1    Siehe  Fischer,  a.  a.  O. 

-   i\jnlii'>hen  der  einzelnen  Glocken:  t'n^  f^,  ^3,  1/^,  (/i. 

3)  Die  japanischen  Bc/eichnungcn  der  Instruinente  nach  Angabe  der  Theater- 
Musiker.  r>' i  i1- i'  ktui-  der  Fremder, ;t.  i-  w'.w  uns  Herr  Di.  ^lüller,  Assistent 
am  Völkerkunde-Museum  m  Berlin  in  liebenswürdigster  Weise  behilfhch. 


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0.  Abrabiun  a.  E.  M.  t.  Hornbostel,  Studiea  über  das  Tonsystem  der  Japtmer.  339 

Sterbe-Hcene  der  Kesa  wurde  die  melanckoliwdift  Koto-B^leitung  (siehe  Bei- 
lage) durch  solche  (Tong-8chläge  und  die  lan^rgezogenen  Klngetöno  der  japa- 
iii«ichpn  Nachtipfnll,  von  rineiri  kl(»iiipn  PtV-ilcLeii  'fif^'j)  nächst-. >hnii .  äußerst 
wiikbHm  unterstützt,  in  wundervoller  W'eiee  wurde  die  große,  paukenaitige 
Trommel  in  einer  BAuber-Soene  verwendet:  Das  lauernde  HerutteUeichen 
und  dtm  plStsliebe  Bienrorbrechen  des  Feindes,  alle  Situationen  des  Kampfes, 
der  Absturz  des  Besiegten  von  einer  Felswand:  all  diesen  Vorgängen  folgte 
die  Trommel  in  äußerst  feinen  rhyllnnischen  und  dyiiamisthon  Ntumcierungen. 
Die  ebenfalls  rhythmisch  reizvolle  IMusik-Begleitting  clor  Täu^e  geben  wir  im 
Anhang  in  europäischer  Notierung  und  verweisen  auf  die  begleitenden  Be- 
merknngen. 

7.  Anffasffniig  nnd  Bearteilnng. 

In  der  Musik-Beurteilnnf?  stpckt  so  vit  l  KonventioiRlles,  claß  es  picher 
einen  großen  Unterschied  macht,  uh  ein  Japaner  seine  MuHik,  oder  ob  wir 
dieselbe  beurteilen.  Sowohl  die  sinnliche  Gefthls-Wirkung  wie  der  inteUeb* 
tnelle  Genuß  wird  von  der  KonTOntion  beeinflußt.  Bevor  wir  zum  genau** 
eren  Studium  der  japanischen  Musik  uIxTLringen ,  vorsuchtoii  wir  uns  erst 
einen  AUgemein-Eindnifk  von  ihr  au  verschaffen.  Mau  ist  im  stände,  alle 
theoretischen  Kenntnisse,  absolutes  Tonbewußtsein,  Klang- Analyse  und  der* 
gleichen  auszuschalten  und  sich  gana  der  sinnlii^ien  QefttUswirlning  der  Mu- 
sik hinsngeben.  Damit  eine  solch«  beim  erstmaligen  Hören  eintreten  kann, 
ist  es  notwendig,  daß  die  Komposition  unsere  Aufmerksamkeit  in  eine  be- 
stimmte Kichtuug  leitet  nnd  nicht  fortwährend  ablenkt.  Hören  wir  zum 
Beispiel  polyphone  Musik,  etwa  eine  komplizierte  l'uge,  zum  ersten  Mal, 
dann  kann  die  AuAnerksamkeit  nicht  den  verKshiedenen  Stimmen  gleichzeitig 
folgen.  Sie  springt  fortwtthrend  von  der  einen  zur  anderen  Stimme  und  l&ßt 
so  kein  sinnliches  Wohlgefallen  nufkommen.  Noch  stärker  zeigt  sich  dieser 
Mantrel  an  sinnlicher  (iet'iihlsw  t  1-;iti«,'  liciin  Hören  der  japanischen  Musik. 
Di©  eigenartige  Melodik,  die  titjuden  lihythnien,  die  Klancffarbe,  alles  arbeitet 
in  seiner  Wirkung  auf  die  Aufmerksamkeit  gegeneinander.  .Ja,  wenn  mau 
einmal  auf  Bhythmns,  ein  ander  Mal  auf  Harmonie  achtete,  wurde  selbst 
diese  willkürlich  gerichtet«  Aufmerksamkeit  fortwährend  abgelenkt.  Der  Aus* 
dniik  TJiclitnng'  der  A iifiiifiksaiiikcit »  bedarf  noch  der  näheren  Prä/isit>rnng. 
Die  Aufiiierksanikeit  wird  in  der  Musik  durch  allerlei  Dinge  erregt.  Ein 
sehr  starker,  ein  sehr  hoher,  ein  sehr  tiefer  Ton,  Stetigkeit  und  Veränder- 
lidikeit  der  Ton-Kmpfindung,  alles  dies  zieht  die  Aufmerksamkeit  auf  sich. 
Die  letzten  Orftnde  dafttr  sind  vorderhand  nicht  zu  erbringen.  Außer  den 
genannten  wirken  aber  noch  sekundäre  Empfindungs-Kriterien  mit,  die  Auf- 
merksamkeit zu  richten,  vor  nllem  die  Reproduktion  von  Vorstellungen. 
Uören  wir  die  Laute  a  b  c  d,  so  werden  frühere  Empfindungen ,  welche  mit 
der  Fortsetzung  des  Alphabets  v«^nttpft  waren,  reproduziert,  sodaß  wir, 
wenn  Übeihaupt  noch  Laute,  die  Fortsetzung  des  Alphabets  erwarten.  Genau 
80  in  der  Musik.  Der  Anfang  der  eben  gehörten  Tonleiter  c  d  e  f  repro- 
duziert frühere  Vorstellungen  nnd  bringt  so  die  Aufmerksamkeit  in  eine  be- 
stimjnte  Richtung.  Ganz  ebenso  wirken  auch  musikalische  Erfnhrnngon. 
Phrasen,  Akkorde,  das  Gcsamtgebiet  der  sogenannten  luusikidischeii  Logik. 
Werden  gar  keine  Vorstellungen  reproduziert  und  liegt  das  Gesetz  der  Auf- 
merksamkeits-Ricbtung  nicht  gerade  in  der  Empfindung  selbst,  dann  wird  die 


340  0-  Abraham  u.  E.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  über  das  Tonsysteiu  der  Japaner. 


Anfmerksamkoit  flberbanpt  nielit  geleitet,  sie  tappt  luerbin  und  d(»tluii,  und 
('^  kann  zu  einer  einheitlichen  "Wirkung  der  Musik  überhaupt  mcbt  kommen. 

So  erging  es  uns  aurh  ln-i  <ler  japani^^ilun  Mu-ik,  besonders  wenn  raclirfrf 
Instrumente  zugleich  trklan^'»  n.  80  wnr  ein  Lied,  dm  Todeslied,  in  wekhein 
die  Koto  den  Gesaug  begleitete,  lür  uns  absolut  unverständlich,  weil  in  Rhyth- 
men, Intervallen,  in  der  Klangfarbe  kein  Veigleicbipnnkt  mit  unserer  Musik 
auffindbar  war.  Die  Musik  eines  ein/t  liu  n  InstrumenteH ,  wie  der  Koto, 
konnte  »her  pItioh  (icmin,  wenigstens  einen  intellektuellen,  hervomifen.  Ja, 
sogar  konnte  di«-  K i.tt. -Begleitung  der  Str  rhr-Scpnr«  in  deuj  Theaterstück  »Kesa« 
die  mächtige  W  ii  kung  des  Stückes  noch  bedeutend  erhöhen,  weil  di«  milde 
klagende  Klangfarbe  des  Koto  angleich  mit  den  langen  Bbythmen  den  uns 
ge\M)]ii)ten  Klage-Äußerungen  in  der  Musik  nahestand. 

A\'ii.s  die  spezielle  intellekttielle  Auffassung  der  japanischen  Musik  von 
nn.-^cn  r  Seite  anlaii'^'^t.  haben  wir  erkannt,  daß  diosrlho  erst  crlcnit  werden 
muß.  Zuerst  sind  wir  stets  mit  den  Vorstellungen  unserer  iidmumischeii 
Mnsik  an  die  Benrteilung  berangegangen.  Wir  versuchten  die  jupuniscben 
AVi  isrii  wie  alle  anderen  Melodien  an  harmonisieren.  Wenn  es  uns  gelang^ 
einfach  Hurmonien  XU  finden,  sdlien  uns  die  Mnsik  verständlich,  wenn  nicht, 
so  war  es  nur  ein  Konglomerat  von  Tönen.  Durdi  die  vit  ltn  IMißi  rfolLr..  in 
den  Harmonisierungs-Versuchen  aber  lernten  wir  .lUniiihlirh,  rein  das  Melu- 
disehe  au  berücksichtigen,  und  konnten  es  schlioBlich  in  den  meisten  Füllen 
eireidien,  daff  wir  einfach  die  uns  gebotenen  Tftne  hörten,  ohne  unsere  har- 
monisdien  Vorstellungen  dazu  zu  tun.  Daß  wir  dahin  gelangt  sind,  konnten 
wir  d«rnn  erkennen,  daß  uns  jetzt  ein  Schluß  auf  der  zweiten  Stufe  und 
andere  Kigentiiiiiliclikeiteii,  die  ganz  der  harmonischen  Mupik  widersju eclien. 
gornicht  mehr  störten  ^j.  Wir  glauben,  daß  wir  seit  unserer  frühesten  Kind- 
heit bis  an  diesen  Versuchen  nie  in  Shnlicher  objektiver  Weise  Musik  gehört 
haben.  Die  Begriffe  Dur  und  Moll  sind  ein  Prodtikt  der  harmonisch«»! 
Musik-Entwicklung.  Die  jonische  und  äolische  Kirchentonart  (Zto-  und  La- 
Modus),  welche  den  Typus  unseres  jpt:^ijrpn  Dur  und  Moll  repräsentieren,, 
hatten  im  Mittelalter  noch  kein  Übergewicht  vor  den  anderen  Kirchentöneu 
etTungen.  Analog  haben  ^r  offenbar  die  japanische  Musik  an&ufassen; 
wir  sind  nicht  berechtigt,  unseren  Dur>'nnd  Mollbegriff  in  sie  bineinsutragen, 
was  sich  an  einer  großen  Anzahl  von  melodischen  Passagen,  die  si«^  weder 
als  Dur  noch  als  Moll  auffassen  lassen,  deutlich  ^eitft. 

Die  iu  der  läteratur  häufig  gefundene  Angabe,  daß  die  japanische  Musik 
im  Gegensatz  zum  chinesischen  Dur  reinen  Moll-Charakter  tragen  soll,  könncu 
wir  nicht  bestätigen.  Im  Qegenteil  finden  wir,  wenn  wir  Oberhaupt  diese 
Kategorien  anwenden  wollen,  ein  häufiges  Umspringen  derselben  innerhalb 
eiMe-  ^Iiisik^türke«?.    Tmmorhin  sind  die  MoU-l*hra!*<n  scheinbar  häufiger. 

Irutzdem  >(  iieiiirn  uns  einige  japanische  Melodien  Dur-Charakter,  rindere 
Moll- Charakter  zu  tragen,  ein  Beweis,  daß  wir,  sobald  die  Melodie-Führung 
irgendwelcbe  Veigleiehs- Punkte  mit  unserer  Musik  bietet,  in  di«?  ge- 
wohnte Auffassung  snrfickfallen.  Dies  liegt  voraugsweise  an  der  Stdlnng  der 
Tenten  und  Sexten  au  der  scheinbaren  Tonika. 


1;  Selbst  neutrale  Intervalle  (siamesische),  die  zuerst  nur  als  Verstimmungen  unse- 
rer Inten'allc  betrachtet  werden,  können  mit  der  Zeit  ihren  fn-nxlen  Charakter  völlig 
verlieren.  (Vergleiche  Stumpf,  Tonsystera  und  Musik  der  .Siamcscn  und  AlaBbcstim- 
mtmgen  über  die  Reinheit  konsonanter  Inter?alle,  8.  lOi  ff.) 


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O.  Abraham  u.  K  M.  v.  Hurnbostel,  Studien  über  das  Tonsystem  der  Japauer  341 

Mit  dem  häufigen  Yorkommen  des  Yenneintlichen  Moll  hängt  es  wohl 

zusammen,  daß  uits  die  japanische  Musik  emst  imd  schwermütig  erscheint. 
Hieraus  Schlüsse  auf  japanische  Auffassung  zu  machen,  ist  unberechtigt,  da 
wir  auch  hier  nur  der  Konvention  unserer  hanuünisclien  "Mn««ik  folgen. 
Selbst  Volkslieder  mit  lustigem  Text  kommen  uns  oft  melancholisch  vor^j. 

Wie  die  japaniadie  Mnsik  uns,  so  berührt  untere  Mttsik  die  Japaner  im 
aUgemeinen  fremdartig.  Doch  scheint  sich  das  japaniadie  Ohr  dodi  an  un- 
sere komplizierten  Harmonien  gewöhnen  zu  können,  und  abföUige  Urteile  be- 
jüehen  sich  meist  nur  auf  unsriN-  ^J<  «•nigr^-Tcchnik^). 

Leider  verschwindt  t,  je  weitere  J\reii*fe  die  europäische  Kultur  zielit,  die 
reizvolle  Originalität  der  fremdländischen  Kunst  und  mit  ihr  ein  für  den 
Mnsikforseher,  Ethnologen  nnd  Psychologen  flheraua  wertrolles  Material. 
Wenn  wir  auch  nicht  die  musikalischen  Schöpfungen  selbst,  wie  andere  Kultuiv 
Kr/pugni>se  in  nnseren  IMuseen  ruifbowalireii  könncTi.  so  sollten  wir  dodi  so 
lange  es  noch  Zeit  ist.  hp*?trelit  sein,  phonotri aphische  Dauer-i'räparate  für 
unsere  Laboratorien  zu  Huuuneln.  Zwar  wird  die  praktische  Musik  nicht,  wie 
bildende  Kunst  und  Kunstgewerbe,  von  den  Ostasiaten  riel  lernen  können, 
doch  durfte  ihnen  die  Wissenschaft  noch  iUr  manche  Erweiterung  ihres  Aus- 
blicks dankbar  werden. 

1)  Umgekehrt  encfaeint  uns  ein  >Tranriger  Abschied«  betiteltes  siamesisches 

Orcbesterstüek  besonders  hrifcr. 

2)  Vergleiche  S.  337  und  Müller,  o.  a.  O,  IX.  S.  20,  Anmerkung. 


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342  0.  Abraham  u.  E.  SC.  v.  Hornboitol,  Studien  fibw  da«  Tc»n^t«m  der  Japaner. 


Auhaug  1 
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I.  1.  Hein,  Japan,  Leipzig.  ^2  Bde.) 

'Beport  Oft  Oie  ßetnü  of  ihts  hwetUytUiong  eoneeming  Mteie,  underiaken  by  Order 

of  ihe  Deparfmenf  of  Ednmlion,  Tokio.Japan.  (^wa'. 
Ludwig  Riemann,  V\^<-v  •  igcntümlirhe  bei  Xator«  und  orientalischen  Kulturvölkern 

vorkommende  Tonreihen.    Käseu  1899. 
L.  de  Boeny,  La  eüfäieatton  jafmnaise,   Parin,  Leroux,  1883. 
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Siebold,  Jup:ini>i'lH'  Weisen.    Leyden  1830. 

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tmd  Diasonana.  Beiträge  aur  Akustik  und  Musikwissenschaft  Heft  L  Leipzig 
1898.    3.  Neueres  über  Tonvcrschnielzunjr.  Beitrage  Heft  3,  4.  Tnn^ystem 

und  Musik  der  Sianieiieu.  Beiträge  lieft  3,  1901.  ö.  Lieder  der  Bellakula- 
Indianer.  Vierteljalirsscbrift  für  Mnsikwissenscbaft  II.  Seite  405.  8.  Phono- 
graphiei-te  Indianermelodien,  Vii  i  it.ljabrsi^chrift  für  MusikwissoDSeliaft  VIU, 
Seite  127.  7.  Referat  über  El  Iis,  (hi  flu  mueicttl  Mcale»  u.  S.  w.  Vierte^ahrs- 
schrift  für  Musikwissenschaft  II,  Seite  öll. 

C.  Stumpf  und  M.  Meyer,  Maßbestimmungen  über  die  Reinheit  konsonanter  Inter- 
valle. Beitrag«  Heft  2. 

Bd.  8yle,  On  primitke  Mutie^  etpeeiaUy  thai  of  Japan.  Traneaetione  of  the  AmoHo 

Srirjrftf.   V.  1. 

Kd,  Veeder,  Japanese  Musical  Inlervai/s.    Transaciions  of  Ute  Asialic  Society.  Bd.  V. 

(1877)  und  Band  VH  (1879). 
0.  Wagener,  Bonu  rl^ungon  über  die  Theorie  «ler  chinesischen  Musik.  Mitteilungen 

<l-  r  <  ifsfllsrliiitt   l'tir  Natnr-  und  Vi'dkerkundo  üstasicii'^.    Tfpft  12  iMni  1S77). 
K.  Wailasehek,  1.  Frimitiee  Mrnie.   London  1893.   2.  Die  Entstehung  der  Skala 

Sitzongsberichte  der  kaiserlidten  Akademie  der  "Wissenschaften  in  Wien,  maih«- 

maiiacb-natarwissenscihaftlicfae  Klasse.  Band  CYHI,  AbteUung  II,  im  Juli  1899. 


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344  O.  Abraham  u.  £.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  Aber  dai  TMwyitem  der  Japaner. 


Cbarlcs  Kassou  Wead,  ContribtUöin^  to  Ute  Utsiory  of  Mmtcai  Scaies.  SmiUi^oniaii 

huHifUton  U.  8.  National-Muaeum.   Report  1900.   Washington  19QS. 
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Carlo  Zaluaki«  La  Mustea  dei  Chinesi.  Venedig  1866. 

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und  Völkerkunde  Ostasiens.   Helt  a2  (Mai  18äö.,  lieft  33  {August  Ititiö;. 


Anhang  n. 
Benerknng«!!  sn  den  Mnsik-BeilageB. 

Als  Beilügf  briugeu  wir  eine  Anzahl  ilei*  vou  uuu  mit  eiuem  Edisuu  scheu 
Phonographen  aufgenommenen  MusikstQcke,  in  europäische  Notenschrift  über- 
taten.   Wenn  diese  audi  nicht  allen  Feinheiten  der  japanischen  Intonation 

und  Vortr;iL'-u <  i-i  xu  j'olircti  vt-rmnu,  so  sind  doch  die  AliwtMchungen  vou 
unserfT  ^lu-ik  iiirlit  <o  i-rheblich,  »l.iB  wir  auf  «'in«'  Wi<*flcrfr!»b«*  in  der  uns 
gewohnten  Bezeichuuugaweise  verziehten  niiiliteu.  Jenen  Abweichungen  sucht «-n 
wir  übrigens  dadurch  gerecht  zu  werden,  daß  wir  merkliche  Differenzen  in 
der  Tonhöhe  durch  +  oder  —  markierten,  die  auf  der  Koto  durch  Saiten- 
druck erhöhten  Töne  mit  einem  X  versahen  nnd  die  Tempo- Schwankungen 
mit  dem  M- tronnni  mJ'.nrlirli-t  LTcnau  fixierten. 

I.  8olo-(_T  esü  n  ge   (Graf  J)r.  R.  (roto).     Text   in  freier  ü hersc-izuntr : 

1.  Abbchiedslied  ■volkstümlich).  -Wenn  ich  von  dir  Abschied  uehine 
und  dahinwandie  auf  der  Landstraße  zwischen  den  Eichen,  nicht  weiß  ich 
dann,  ob  Tau  mich  netzt  od«'r  Thränen.« 

2.  (_f asHenhauer  (aun  dem  ehinesisch-japaiiischen  Kriegj.  »Der  Li-Huug- 
C'liang  ist  der  dümmste  K«'rl  auf  d«'r  Welt:  um  so  viel  Soldaten  nach  Gasan 
zu  sciiickeu,  hat  er  die  ganze  KriegüHotte  vernichten  müs^eule 

3.  Chinesisches  Lied  (mit  den  chinesischen  Solmisationen  gesungen,. 
In  allen  drei  Stücken  fällt  der  melodische  Schwerpunkt  mit  dem  Schlußtoa 

zusammen,  ohne  daß  wir,  wenigsten  in  den  beiden  ersten,  eine  Tonika  in 
nti  Pinn  Sinuc  t^'ikennen  kJinnten.  Schwankendo  Intonation  ißt  im  ersten 
•Stück  in  der  Tei-z,  im  zweiten  in  der  Sexte  zu  ündeu.  Knie  regelmäßige 
Zusammenfassung  von  Takten  zu  Gruppen  von  je  drei  oder  vier,  wie  sie 
bei  uns  die  Norm  ist,  scheint  nicht  vonsuliegen. 

IJ.  Shamisen-Solo:  Otaxuma  'Theater-Musik«  i).  Dieses  in  Japan  sehr 
beliebte  Stück,  doß  sicli  in  fori  w'Ilin  iub  tn  A''f'''!'  i  indo ,  am  Schluß  zu  einem 
ras«'nden  Prrstüssimo  steigert,  wuide  aüt  bewunderungswürdiger  Virtuosität 
vorgetragen.  Es  steht  uns  infolge  seiner  scharfen  llhythmihierung  und  der 
gelegentlichen  Zusammenfassung  der  Takte  zu  Gruppen  musikali^  näha*. 

Iii-  Theater-Musik.  Tauzstücke  aus  dem  ers.ten  Akte  des  Dramaa  »Die 
Geisha  und  der  Ritter.«  Der  Sh.imi''(^n-Spielrr  s:iR  in  der  Cntdis^c,  wo- 
selbst wir  während  der  Aufiiihruug   unsere  phouographischeu  Aufnahmen 


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O.  Abr«li*iii  a.  £.  M.  t.  Hornbostel,  Studien  über  dM  Toiuystem  der  Japaner.  345 

luachteu.  Dem  ersten,  mehr  leierlich  cereiiutnielleu ,  folgt  ein  etwatn  lehhuf- 
ter«r,  anmutii^er  Tanz  unter  einem  liegen  von  Kirschblüten.  Da»  letzte 
Stück  gibt  ein«  Art  wilder  Tarantella  wieder,  welche  die  Tänzerin  auf  einem 
Dnohumi  kleine  umgehängte  Trommel  begleitete.  Alle  diese  Tänze  werden 
von  Frnii  SkIh  Yacfo  niit  vollentlff >■  r  (Irni^ie.  n;ii!ipiitlich  der  Arm-  und 
Hand-Bewej;unfren,  ausgeführt.  Die  kurze  monotone  .Stelle  in  der  Musik,  in 
welcher  dieselben  Taktgruppen  vielemule  wiederholt  werden,  begleiten  einen 
lirotesken  Versnch  einiger  Priester,  die  Tänze  der  Geisha  zu  parodieren. 

r\^.  Koto-Solo.  Sterbe-Sceiie  der  Heldin  aus  dem  »weiten  Akte  des 
J^chausjüel»  »Kes^jK.  ■Tlieater-^lusiker).  Eine  freie,  Stimnuing  malende  Phan- 
tasie, die  bei  jeder  Aufführung  vnriiert  wnrde.     Vergleiche  Seite  340. 

V.  Koto-Solo:  TodcMicä  (Sadii- Yaoco).  Wir  finden  in  dieäeni  Stück 
nicht  nur  einen  häufigen  "Wechsel  der  Koto-Stimmungen ,  sondern  andi  ge- 
legentlich eine  Transposition  derselben  Leiter  in  die  Sahdominante  (von  b 
nach  IS  . 

VI.  Shakuhachi-Solo.  liokinlan  '~  nerhs  Teile  .  III.  SatitJan.  (Dr. 
Muray.'Una,  Dr.  (roto).  Die-^c  in  .lapan  selir  bekannte  Komposition  Yat- 
suhashi  ä  ist  uri^prüiiglich  lux  Koto  gedacht  und  in  dieser  Form  t>chou  mehr- 
fach publiziert  worden.  Wir  geben  deshalb  nur  einen  einzelnen  Teil  der- 
selben in  Partitur  -  Form  wieder,  um  die  Abweichungen  der  verschiedenen 
Xntii  rnniren  und  die  charakttM-isti  •  ij. n  T  rsterschiede  des  Shakuhachi-  Und 
Koto-Sliles  betiueni  v<'rLfleichbjtr  zu  machen '1. 

Die  crHten  beiden  Teile  der  l'artitur  hiud  l'bertragungeu  der  Phono- 
gramme, die  wir  naeh  dem  Shakuhachi -Spiel  zweier  verschiedener  Musiker 
aufgenommen  haben.  Sie  weichen  nntereinandi  r  nur  unerheblich  ab,  baupt- 
HÜchlich  in  den  Verzierun^reu ,  deren  genaue  Nittierung  tiidit  m;'»glich  war, 
ebenso  wi*'  f1:>-  tr-fmi  1-Knti'_'<    T"nis|ii<'Iei»  der  lang  aus-' ib  r'f («tmii  T"hmv 

Dio  beiden  anderen  Kfihen  .^iud  der  l^itteratur  tiitm<iumene  Aufzeich- 
nungen fUr  Koto  und  zwar  die  eine  aus  den  von  Piggott  gesammelten 
Musik-Beispielen,  die  andere  auK  Isawa's  Sammlung  von  Koto-StQcken^). 
AVir  finden  in  Vw^niCs  Notierung  konstant  ei-iy  wo  Isawa  //  schreibt:  da  a 
als  (irundton  <ler  Leiti-r  zu  hetrachten  i-t,  s<»  fallt  die  8chwankuii'_r  auf  dio 
dritte  Stufe,  als  auf  einen  iiilfstoii  i/V'/<,  siehe  obni  Seite  322).  W  ir  be- 
merken im  («egensutz  zu  den  Wiedergaben  durch  das  Shakuhachi  die  charak- 
teristischen Eigentümlichkeiten  des  Koto-^Stils :  gleich  im  ersten  Takt  ein  ab- 
8t<Mgen<l(  -  Arpeggio,  simultan  oder  arpeggiert  gespielte  Quinten,  Quarten 
und  Sekunden. 

Die  Sexte  if,  f*^-'^  »r-clieint  in  «len  Koto-Stimmungen  stets  als  kU'ine  ;/";, 
bei  der  einen  Shakuiiaciii-Wiedergabe  ^l)r.  Cioto  ütets  als  große  in  dem 
anderen  8bakuhachi-$olo  (Dr.  Murayaroa)  schwankend  oder  in  intermediärer 
Intonation.  Wir  glauben  aber  nicht,  daß  hierbei  neutrale  Sexten  intendiert 
waren. 

Vli.  fresMiig  mit  Trio-Kegleitunj  Putitur):  Tsktu  Kanii\  Krnnich 
und  Schildkröte  (Koto:  Sada-Yacco).  Melodietulireude  Stimme  istt  die  Koto, 
der  aUein  Introduktion  und  Nachspiel  zufallt.  Das  Shamisen  bewegt  sich  meist 
unisono  oder  in  Oktaven  mit  der  Koto,  ohne  deren  Verzierungen  mitzumachen. 

Ii  Auf  die  \eri>fleutUchung  eine»  anderen  Sliakuiiachi-Stückes:  AxHuiu^hUhi 
iDr.  Goto,  Dr.  Mnrayama],  welche«  wir  in  ähnlicher  Weise  partiturartig  fixiert 
haben,  können  wir,  da  es  nicfatB  weBentlich  Neues  bringt,  ebenfalls  verzichten. 

2)  Siehe  a.  a.  O. 


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346  O.  Abraham  u.  E.  M.  v.  Hornbostel^  Studien  über  das  Tonqratem  der  Japuer. 

Das  Kokyu  hält  buld  eiueu  Ton  oigelpuiiktaitig  aus,  bald  folgt  ea  der  Me- 
lodie mit  Beinem  starken,  unser  Ohr  verletsenden  Portamento.  Der  Gesang 
ist  geilen  die  Koto-Stimme  häufig  in  8yiikoi)en  verschoben.  Wir  hesitsen 
das  Stück  in  drei  verschiedeDen  phouographiscben  Aufnahmen,  die  sich  uur 
in  Beziif?  fuif  dir  (^oda  unterscheiden')-  Einmal  kehrte  nach  der  mit  Da  Capo 
al  Firn  bezeichneten  Fermate  das  Vorspiel  wieder;  daa  zweite  Mal  folgte 
das  Nadispiel  bis  §§;  das  dritte  Mal  endlich  setite,  aach  einem  Überganga- 
takt,  das  Nachspiel  bei  §  ein  und  erstreckte  sidi  bis  zum  Schluß  der  No- 
tierung. 


1)  Binige  andere  unbedentende  Abweichungen  Terachnldeten  daa  Auifillen  eitiseber 
Takte  oder  Takttoile.  meist  in  den  Olo  rntimniea  der  Partitur:  so  erldiren  sich  die 
Ümregehnäßigkeiten  in  Takt  31,  97,  40,  47  und  63. 


O*  Abrihun  u.  £.  M.  y.  Hornbostel,  Studien  üf>er      Toniyston  der  JtfMMT« 

Anhang  III:  Musik-  Beiisugen. 


I.  Solo -Gesänge. 

(Pr.Ooto) 


ij  ij 


3.  Gasfienbauer. 


3.  GhiBetMche»  Lied. 


f^-j-m-?.if  m  J  Uli  Mi  11^  IJ  ijJi 


Ösaznma. 
W  ««) 


II.  Shamiflen-Solo. 


   _4__  


(J  =  81) 


8.  d.  I.  M.  IV. 


348  0.  Abraham  o.  £.  M.    Hornbostel,  Stadien  über  das  Tonsystem  der  Japaner. 


Ü  :  IIS) 


1 

i 

1 

i 

i 

[tJ-VjJJ  IJJ  J  JJ 

(J:  176)  pii; 


^^^^^ 


mosso 


4^ 


J3 


(J  -.  isz) 


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1. 


0*  Abnlitm  u.  £.  M.  v.  UomLostel,  Studien  u\>cr  da»  Tousystem  der  Japaner, 

III.  Theater- Musik. 

(Jr  188) 


—  ritard.  ^ 


a_rpinpo  (anstatt  8**^  4^f^) 


A         Ace.  ^     M  riiardand 


*»gp«    I   I  rnrnrn^  ritardando 


■^]/rr;ii,r^rriJ7^^ 


23* 


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350  O.Abnhun  iL&V.T.Hoziibaifcd,Stadi«nflberdMTbB«yrtem 

^  a  tempo  (J  z  iie)  


m 


J  :  112)  8  mal 


0  mal 


I: 


^^^^^^ 


  p»bag»o      .MM-  I 


8.  ^p^UftojTT^JTJl  tjy^^JTTJjj^ 


8*  ' 


ad  libitum 


aiMutta.S.M.T.Hflnabot(«l,8tedMBfiberdMToiii7rte^  35I 

^  a  tempo  (J :  ff  8) 


I  JTn ]f^|Y,i  ij, ■>  h n  in  n  I  rrriT  I 


lY  Koto-Solo. 


SteTbe-Se«aa  •m.JteMS^ 


1,1  iiJliiiiiirr^ 


^    ^    ^  9 


t  j«J*iJ*-'*iri 


P 


^  (J .-  g8) 


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O.  iimhMn  ilE,  ILt.  HmhInwUI,  Stadim  «w  dM  Tonqvlflm  a«r  Japaner. 


6 

■ 

«■       ^  I        I  *        ■  I 


Todeslied. 


y.  Koto-Solo. 


< 

— ir—   #   ^«  T—: — 

PI 

-t—r 


-irturM 


Digitizcci  h'  <  : 


O.AMMmii.£^M.T.HonMd,StadittfiberdMToiu^^  353 

VL  Shaknhachi-Solo. 

(Tergleicks-ftotftmK) 


Rokudan.  III.  San-dan. 


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354  0.  Abraham  a.  E.  M.  v.  Hornbostel,  Studien  über  du  Tonsystem  der  Japaner. 


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aiMMi«.B.lLv. 


.356 


VII.  Gesang  mit  Triobeg^leitung^. 

(Pftrtitav) 


iimnieh  und  Schildkröte. 


Ottaag.! 


m^ii — = — 1 

1  ■  1 

Iti'  

14-^  

m> «  ^ — 

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Hemunn  MQUer,  Zorn  Texte  der  MnaiUeihre  dei  Joannee  de  Qrodieo.  361 


Zum  Texte  der  Musiklehre  des  Joannes  de  Orocheo 

von 

Hermann  Müller. 

(fadorboxB.) 


Der  Musik-Traktat  di-s  .TDannes  de  fli  i  li  o.  tincs  uiiliekannten  Autors, 
der  um  (11 1' Wende  «It-s  ].$.  .lührhuiiderts  wubrsciifiulicli  /u  I'aiis  liK^'  ,  v  intlc 
zum  tM-sttii  Male  in  den  Hamiuelhänden  der  1M(t.,  Jalirgang  1  l.S'JU  l'JÜÜj 
S.  65  ff.  veröffeutlidbt.  Der  Herausgeber  .lobanuea  Wulf,  der  als  tUclitiger 
Kenner  der  mittelalterlichen  Musik-Theorie  mit  Recht  geschätzt  ist,  machte 
gleich  damals  auf  die  besondere  Bedeutung  dieses  Traktates  aufmerksam^ 
und  noch  jüngst  wie»  Oswald  Koller  in  der  Sitzung  der  Wiener  Ortsgruppe 
'  der  IMG.  toid  11.  November  1902^)  auf  den  musikhiatorischen  Wert  dieser 
Ablmndlung  hin. 

Die  iheiria  des  Joannes  de  Grocheo  liegt  bis  jetzt  nur  in  einer  Hand- 
sebrift  Yor.    Es  ist  das  eine  Handsdurift  des  ausgehenden  14.  Jahrhunderts, 
welche  in  Kodex   2663    der  (Iroßhereoglich    HesHistheii    Hof-Bibliothek  zu 
Darmstadt  auf  Fol.  öBr— 69r  sich  findet.    Das  Vuraetssblatt  des  Kodex  gibt 
den  Inhalt  folgendermaßen  an  -] : 
»Hic  contitieniur  substripta  : 
1*:  Confeaaio  quaedam  brevi«. 
2^:  Tigmli  passm  rdigiowrum  Bonaventnmr. 

Item'.  Forttin  nurifinntyn  arcutulum  rxUriorim  ei  itUeriorem  hommmii 

vaide.  hoHus  lün  r  ihn  ulvt  Timiria. 
Jtem-  Sertno  Vidnerasti  cor  nuum. 
Ikm:  Miqua  panefa  bona  dtt  wr^itturis. 
Itemi  Musi'-a  iiKKjistri  Johannis  dtt  Grodieo. 
Item:  Ordo  ini.<^<u'  vel  sjteeuium  errlfiitiae. 
Iteni:  De  artiruh<  fidri. 
Item'.  De  q^uatuor  lioiuinis  cjctrciuin 

1]  Vergleiche  Zeitschrift  der  IMG..  Jahrgang  TV,  Heft  ^,  S.  103. 

2  Herr  Dr.  Wolf  halte  die  Güte,  mir  sowohl  zu  «l-  r  Ir.liallsann'abc  wie  zu  den 
textkritischen  Bemerkungen  eine  Reihe  von  eigenen  Benbachtuugen  und  Mitteilungen 
naohtrigHob  zur  Verfügung  sn  stellen;  ich  verfehle  nicht,  fSr  die  wertvollen  Kotizen 
dem  geehrten  Verfasser  auch  an  dieser  St-  lle  öffentlich  meinen  Dank  auszuspreclien. 
Zur  Beftohr<M>>img  der  Handi^chrift  vergleiche  auch  F.  W.  Kmil  Koth  in  den  »Monats- 
heften für  Musikgeschichte  s  Band  20,  S.  ÖO. 

8)  Die  Zahl  im  Titel  ist  meines  Erachtens  en  leeen  als  mi  (b  4),  nicht  als  YII 
'=  7),  yrninirlcich  dem  "mOrrin  Anscheine  nach  zunächst  die  Zahl  7  in  Betracht 
kommt.  Das  letzte  Wort  des  Titels  bietet  der  EntzitTerung  wirkliche  »St^hwierigkeit. 
"Wir  glauben  rxtremis  lesen  zu  sollen,  zumal  die  hier  angewandte  Schreibart  des  fr  sich 
anch  sonst  findet  und  mit  dicst  in  Tit»  1  ilfr  Inhalt  des  in  Fni};e  kon>menden  Gedichtes 
!.nif  1i*"7,«'ithiift  wird.  "Wie  mir  H.  Wolf  nach  erneuter  Einsulit  in  ilt-n  T)arTn'5t;idtf'r 
ivodex  im  Anschluß  an  diese  .Notiz  mitteilt,  hält  er  die  Lesung  (^itutttar  für  unmöglich; 
»die  hetden  Funkte  (fiber  den  beiden  loteten  Strichen  der  Zahb  beweisen,  daß  nm* 
teptem  zu  lesen  ist.«  Indeß  knmmen  solcli-'  Tunkte  auch  bei  dem  Zahlzeichen  4  vor; 
zudem  hat  das  für  die  Zahl  7  vor  den  beiden  Strichen  gewöhnlich  gebrauchte  V  in 


362    Hermami  MiUkr,  Zorn  T«Ete  der  Mmiklelire  dm  Jeaiuiet  de  Gfociwo. 

Ifi  III :  Pa.tsio  sanctae  Barharae  mctrica. 

lU  tii :  Legenda  Iteaiae  Barbarae  virginis  et  martyri»  niefrire. 


Was  tli**  beiden  folgenden  Tiiiktate  angeht ,  so  ist  die  Schrift  Viffititi 
pctow<iJ<  reiiffiosorum  nicht  vom  heiligen  Bonaventura  verfaßt,  sondern  sie  ge- 
hört, ebenso  wie  die  Forma  noviHefumy  dem  Mystiker  Da^id  Ton  Augs- 
burg. Zu  diesen  beiden  ascetiechen  Abhandlungen  vergleiche  Bonaventurae 
.opera  omnia,  Ausgabe  von  Quaracchi,  Band  VIII  (1898)  8.  liXXVI,  Band 
X  (1902)  R.  17.  Ubrippns  ist  dieses  Werk  dos  David  von  Anji^burg  von 
den  Vätern  des  Bonaventura-Kollegs  zu  Quaracchi  separat  herausgegeben  unter 
dem  Titel  »Fr.  David  ab  Augusta,  0.  F.  M.  De  eiierions  et  mteriori$ 
hommu  eon^iosükme*  «Qtiaraoohi,  1899)');  ▼ergleiehe  dasn  »Litararia^e 
Enndschau'.  1899,  Nr.  7  S.  215  f.,  »Historisches  Jahrbuch  der  Görres-Ge- 
sellschaft«,  1899|  8.  506 f.,  »Jahreaberichte  der  Geschichtawiaaenachafb',  1899, 
IV,  40»&». 

Es  folgt  im  Kodex  ein  Sermo  über  Caut.  4,9  »  Vulnerasti  eor  imum*. 
Ein  Sermo  Ober  diesen  Text  wurde  frOlier  ilQschUeb  wobl  aucb  dem  heiligen 
Bonaventura  zugeschrieben,  ist  aber  in  der  obengenannten,  nenen  Gesamt- 

fiuf^frabe  iiiolit  auf^'eiioTnmen  worden.  Da  unser  Kodex  aus  einem  Knrthäuser- 
kloster  stanuiit,  mag  liier  erwiilmt  sein,  daß  Trithemius  De  siriptoribus 
ecd.  ad  a.  1472)  bei  den  Werken  des  Karthäusor-Munches  Jacob  as  de 
Grnytrode  eine  Schrift  » VulnerasU  <w  meuta*  nennt.  Ob  dieeolbe  mit 
nnserem  Sermo  verwandt  oder  identisch  ist,  vermag  ich  fllr  den  Angenbliek 
nicht  festzustellen. 

Mit  dem  allgemeinen  Titel  Jliqua  puutta  bona  de  scripttiris  bezeichnet 
sodann  das  Xuhalts-Verzeichnis  des  Kodex  einige  sehr  kleine  Traktate.  Über 
dem  ersten  steht  als  Überschrift  Hugo  de  laude  mriloHe,  de  Iribue  aignie  from 
etatue;  derselbe  gibt  S  Zeichen  an  »per  quae  polest  komo  eognoeeere,  m  eÜ 

in  bono  sintiK.  Eine  Schrift  de  laude  raritatis  ist  von  Hngo  a  s.  Victore 
(vergleiche  über  denselben  Hurter,  Nomeiiclator  üferar-im.  Band  4,  Inns- 
bruck. 1899,  S.  57  ff.)  überliefert  und  in  Migne's  Fatroiogia  latirm  veröffent- 
licht; an  findet  sich  jedoch  in  der  Darmstädtcr  Handschrift  a.  a.  0.  nicht«  davon. 
Die  Bweite  der  kleinen  Abhandlangen  ist  fibermdirieben  de  effee^  eermonis 
divini,  die  dritte  de  njfeciu  dirini  srnuonüt,  die  vierte  d^e  IV  inodüf  eeryjftltroe^ 
die  ftinfie  de  modo  praedicemdif  die  seohaie  de  tripUei  perfeeüone^). 

der  Regel  eine  etwas  andere  Gestalt  wie  hier  im  Kodex.  Etwas  Sicheres  wird  sidi 
kaum  feststellen  lassen.  Die  Lesung  >extreunst  nach  *lfominü*  ist  mein^  Erachtens 
nicht  l'Inpe  Kniijektiir :  v  erjj-liTH^lie  das  Zeiehen  für  tr  hei  Tappelli,  Le.\icon  abbre- 
viaturarum,  Leipzig.  1901;  S.  330.  Ubrigtins  dürfte  es  nicht  unmüghch  sein,  daß  die 
mittelalterliche  Theologie  wohl  auch  »septem  hominis  «trema«  aofiihlte,  obschon  idi 
für  den  Augenblick  einen  positiven  Beleg  dafür  nicht  zur  Hand  habe;  vergleic^ien 
ließe  sich,  was  A  in  1<ro<ii  n-«  in  De  l>nnn  mortis  K.tLpii»l  10  f.  Über  die  »habitaettia  ani» 
ttmrum*  im  Anschluß  an  iV  £sdr.  schreibt, 

1)  Daselbst  ist  m»er  Kodex  als  *»aee.  XPT*  dtiert  auf  8.  ZXm. 

2  Gemäß  einer  nachträglichen  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  Wolf  hätten  die  Tmk» 
»;(«e  '1  und  n  beide  als  Übersehrift  nfferfri  u.  s.  f.  Ich  meine  mich  zu  erinnern, 
aaü  an  einer  dieser  beiden  Steilen  uachti  üglich  eine  Korrektur  im  Kodex  vorgenommen 
sei,  nnd  habe  demgem&ß  die  Titd  oben  angegeben. 


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Hennami  MttUer,  Zam  Teocte  der  Mutiklehre  des  Joiuiiiei  de  Orooheo.  363 


An  ditae  Traktate  schließt  bich  die  Musüdelire  des  Joanues  de 
Grocheo. 

Darauf  folgt  der  ordo  missae  vel  wpe'  ulum  crclesiar  sowie  de  artmilüt  ßdei. 
VhcT  (llc  li'tzti'u  Dinge  dns  Menschen«  handelt  im  Anschluß  im 
articulim  fidei  in  der  Handschriit  enthaltene  Gedicht  Cum  revolio  toto  eorde. 
Das&elhe  ist  sonst  unter  dem  Titel  Äkditatio  anintae  fidelut  bekannt;  mit 
litewttgeachSchtlicben  anct  kritisohen  Anmerkniigen  Teraefaen  findet  sidi  der 
Text  desselben  bei  Mone,  >  Lateinische  Hymnen  des  Mittelalters  c,  Band  1^ 
S.  415—419;  verglLuhe  «aob  CbeTslier,  Big^erioHMim  h^mnologimm^ 
Band  1,  S.  246,  n.  4102. 

Zorn  Schluß  nennt  der  Iudex  der  Hs.  zwei  Orediohte  zu  £hmt  dar  hl, 
Barbani,  nimlidi  eine  jtoBtio  mmetoB  Barharae  melrioa  und  eine  Uffenda'betV' 
iae  Bai4am»  virginis  ei  marhfri»  meiriee.  Die  pas$io  stand  auf  Fol.  90 — 94 
des  Kodex,  ist  aber  später  herausgeschnitten  worden.  Die  kgmda^  welche 
mit  den  Worten  *srr>h<^r>'  post^)  lihrt  quo  stit  jmtrr  ixirlxira  natait  beginnt,  ist 
weder  bei  Totthast,  ßibl.  hisi.  med.  arn,  2.  Auflage  Band  1  8.  1193  noch 
im  Re^ertorium  hyvinologicum  von  Chevalier  verzeichnet;  auch  in  der 
.  netten  Siblio&ieea  Ea^ogregthiea  hsHna  der  Bollandisten  fehlt  ete. 

Wolf  hat  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  sich  hinter  dem  ordo 
niissof,  von  derselben  Hand  prsrhripbon,  noch  ein  Traktat  findet:  ^Ci  com- 
nirntr  Ii  Lmidnins'.  En  iat  ein  in  Diulogfurm  und  in  französischer  Sprache 
abgefaßter  theulugistlit'r  Traktat. 

Wie  wir  bereits  bemerkten,  stammt  der  Kodex  ans  einem  KarthSnaer- 
kloster.  Sr  gebort*  nümlldi  offenbar  der  Karthause  zu  Köln.  Fol.  55  v. 
liest  man  noch  am  Schluß  dlv  Bt  iiu  rkung:  »/»fe  liber  est  Corthusiar  in  f'n- 

lonia*.    Auf  Fol.   l  r  steht  obuu   »Iste  Uhrr  iyt  Colon  in      bei  der 

durch  ....  augedeuteten  Stelle  ist  die  ursprüngliche  Schrift  durchgestrichen 
nnd  anleserlich  genmcht;  man  wird  wohl  Carthtmoe*  oder  >eftt  Oarihu- 
sianorumt  zu  ergänzen  haben.  Das  Karthüusei kloster  zu  Köln  war  der 
heiligen  Barbara  geweiht;  so  erklärt  es  sich,  daß  in  der  Handschrift  die  beiden 
Gedichte  zu  Ehren  dieser  Heiligen  aufgenomnitn  waren.  Den  Schlußsatz  des 
Inhalta-Verzeichnisses  (s.  oben  S.  3ü2)  glaube  ich  ergänzen  zu  sollen:  *htuin 
librum  8i  nj)sU  dommus  Johannes  de  Bode  (?),  inmomm  domm  «mdae  Bat' 
barae  Cohmensie  ordims  Oarthimamj  rttquieaeai  in  paee.  Amen:  Übrigens 
ist«  wie  Wolf  schon  hervorhob^  der  Kodex  von  Yerschiedenen  geschrieben , 
Joannes  de  Hoci«  kann  nur  tur  einen  Teil  desselben  als  Srliroiber  in 
Betracht  kuuimen.  Die  auch  in  Eitner's  > C^uelleulexikon < ,  Band  4,  S.  3KI 
ausgesprochene  Anschauung,  Jo.  de  Bocis  habe  nnsem  Musik-Traktat  kopiei't, 
ist  aus  dem  Kodex  nicht  zu  erweisen. 

"Wolf  hatte  Hecht,  wenn  er  bextlglich  des  Musik-Traktates  von  J.  de 
Groiluo  in  di  n  Vorbciiii  rknnt'f^ti  feiner  Textedition  bei  der  sonst  sorgfältig 
und  sauber  ausgetülutiii  Stluilt  dir  boträchtliche  Anzahl  von  Abkürzungen 
und  die  Schwierigkeit  in  Bezug  auf  die  Lesung  des  Textes  erwähnte  ^j. 

Angesichts  der  großen  Bedeutung,  welche  die  theoria  des  J.  de  Ghrocheo 
beanspruchen  darf,  wird  unsere  so  erfreulich  aufblühende  Musik-Wissenschafk 
auf  die  Dauer  nicht  umbin  können,  unter  Berücksichtigung  der  bisher  be- 

1;  Oder  primo? 

2)  Übrigens  hat  '^uwohl  der  Traktat  De  artirulijs  fidei  als  anoh  das  Qedicht  Cum 
rerolro  Mo  corde  twk-I  Kolamnen  aaf  der  Seite.  Danach  ist  Wolf,  a,  a.  O.,  -S.  68, 

Zeile  7  f.  zu  berichtigen. 

ö.  d.  I.  M.  IV.  24 


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364    Henuami  Müller,  Zum  Texte  der  Minriklehre  des  Joannes  do  (irocbea 


kasnten  iiiittelalterli«lkw  Hiink-Theoretiker  und  auf  der  Grundlage  einer 
auBreiohenden  Kenntnis  der  BOgenannten  «cholaBtiBchen  Tenninolo^  stell 

auch  der  Erklärung  dieses  Traktates  mit  Sorgfalt  anzunehmen.  Frei- 
lich wird  dit'  rirhtipo  Lf^nni?  dos  Textes  die  notwendige  Grundlage  für 
derartige  i,  ntersuchuagen  bilden  müssen.  Aus  dieser  Krwäjj^nnt;  i5?t 
die  nachfolgende  Zusammenstellung  von  textkritischen  Bemerkuugeu  her^ 
Torgegaugen.  Dieselben  stUtseik  sioli  auf  eine  KoUstioniennig  der  Darauttdter 
Hsndschrift.  Ein  t  xegetischcr  Versuch  zu  einigeu  iStelleii  uuises  Traktates 
0oll  gelegcTitlirli  ft)l^r,in.  Bei  der  r-tändiLTt^n  nnd  vielleicht  efwas  ormüdenden 
Bcznsrnalinu'  auf  die  HandM'hriit  nin'j  uns  das  Wort  Mommsen's  aus  der 
Einleitung  zum  Monunicntum  Anrt/ramim  trösten:  »Daria  lertio  et  doda  co/^ 
ieetetfio  cmn  «jMoe  SMm'tfMMo«  aitUf  eo  d^ßruntf  qmd  Uki^  ut  uHUar  ett,  Üa 
laudibua  «ew  quodammodo  Mhirakitf  haee  wimu  prodeat^  magu  eMrakur^}*. 

69,  16  2):  Die  Abkfirzong  mot  ist  in  motis  aufzulöaeu ;  gemeint  ist  der  Traktat 

au  der  Physik:  *D6  momnÜbug  et  woH»: 

70|  4  ft.\  distantiam  ist  zu  losen  statt  tii staut itta'y  femer  a  statt  t  um,  admira- 
hitur  statt  adniirabih'fi  ,\  fitriJiu^  statt  faffrns.  Tier  Satz  heißt  also : 
»Sicui  tnhii  vidfiis  itttulos  ittttninuli  distnittkitii  vorjKtti'i  tioUs  ü  omtro 
terrae  höh  admirtihitur^  sed  facti  im  crit  .sy<V stc*  u.  s.  w. 

70)  19 :  In  der  Lücke  steht  ssm;  das  ist  in  ttfumm  anfeuldsen.  Die  Kon- 
jektur *risum*  ist  nicht  berechtigt. 

70,  Anraerkiuiü;  1 :  'Hjtnsiffis  steht  in  der  Handschrift. 

70,  Aiiiiu'rkuug  ü:  Zur  ivonj«*ktiir  *visuiit*  lichc  nhon  70,  19. 

70,  Anmerkung  4:  Die  AhkUrzuug,  die  sich  hu  dieHor  Stelle  findet,  läßt 
sich  m.  £.  nicht  blos  in  quod,  sondern  auch  in  quae  auflBsen. 

71,  2:  Hinter  rrritatU  steht  in  der  Handschrift  noch  iir  r^nfne. 

72,  26:  Es  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  das  {u   der  Handschrift  in  eani 

zu  verändern:  irt  m  '"at.  prhinj)in,  ifmic  sutif  tantquoin  moteria  tiMmcoe, 

viuska]  forma Ni  inusica/ii  introdio-it. 
74,  12:  Statt  nihü  ist  »i  lesen  in  hoc. 
74,  14:  Vor  immens  steht  in  der  Handsdirift  noch  in, 

76,  7:  Das  proptrr  quid  der  Handschrift  '  vergleiche  Anmerkung  1)  ist  nicht 
in  aliqiiid  zu  verändern;  es  entspricht  dem  projtter  quitm  r-ytt^ata  73,  <?f. 

7G,  9:  Statt  rt/iW  ist  aliquid  zu  lesen;  an  und  für  sich  sind  liejde  Lesungen 
möglich  (vergleiche  Cappelli,  a.  a.  O.,  S.  7j;  der  Zusammenhang  scheint 
jedoch  mehr  die  AnflSsang  in  aHquid  su  begftnstigen* 

76,  21 :  Zwischen  et  and  ut  fehlt  ttiaui. 

77,  23:  T)a<;  rousofinnfinm  der  1 1 andschrii't  ist  beizubehalten,  das  resoiMl&tf  in 

transitivem  Sinne  zu  nehmen. 
77,  Anmerkung  1:  tcmcrunt  steht  deutlich  iu  «1er  iiaudschriii;  Anmerkung  1 
ist  daher  fiberflüssig. 

77,  Anmerkung  2:  tiidhaphora  steht  in  der  Handschrift,  nicht  ^n&lhapom, 

78,  1:  Statt  II  ist  <*ine  Zahl  zu  setzen,  wahrscheinlich  7;  aucli  sont^t  kommt 

ein  ähnliches  Zeiclien,  wie  hi<!r,  für  7  in  alten  Handschrilten  vor.  Die 
Punkte  müssen  fehlen.  Der  Zusammenhang  ist  dieser:  Alii  /itiitas  esse 
diewä  et  »ub  nuniero  determinato,  plures  totnen  quam  7,  puta  18, 


V)  Vergleiche  Wilcken,  Amliiv  for  Fkpynu-Fbnchong,  1900,  Bend  1,  Vorwort, 

S.  IV. 

2}  Die  Zahlen  verweisen  auf  die  Seite  und  Zeile  der  Wolf  scheu  Ixlitiou  a.  a.  0« 


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HioniiaaB  MfUkr,  Zun  Teade  der  Muaiklehre  des  J<»aiiiies  de  ürocbeo.  dßb 


78,  18;  Statt  hoc  ist  hmm  zu  lesen. 

78,  20:  Nadbi  mundus  ist  Ubersehen  worden:  unde  et  inycromtnm»  id  evt 
minor  mundut.  Der  Zusammeiiluu^  irt  diewr:  latorum  .  .  opinumi 
assenÜfaWf  dioendo  (juod  hämo,  ut  aü  P,  ^  A.,  fM  quasi  mun^,  undi 

et  niifrfwnmtms-,  id  rjgt  minor  mundm^  ah  ris  düitur. 
78,  21:  Die  AhküriiuDg  der  Han(Uclirift  wird  vielleicht  in  aperationeSj  nicht 

iu  opiiüoms  aufzulösen  sein. 
78,  28:  Kaoh  quae  steht  in  der  Handschrift  noch  omnium, 

78,  Anmerkung  1:  Muß  fortfallen. 

79,  1 :  Nach  diapasati  hat  zwar  <ler  Kodex  Kt;  vielleicht  verschrieben  filr  Est7 
79,  12 :  isto  ist  jedenfaHs  bf-izubohalteu,  die  Anmerkung  1  daher  aufTinlassen. 

£s  wird  eben  durch  den  Satz  »7^*/  isto  modo*  der  tonm  im  Sinne  von 
»coneordantid,  qitae  cowd^  in  ali'/ua  proportione*  v^äStai, 

79,  38:  Die  AbkÖrsang,  welche  die  HiuidBchrift  bietet,  wird  wohl  besser  su 

consonantia  aufj?elöst  anstatt  zu  cousona. 

80,  26:  Statt  oh  ist  (tf>  t.u  lr=eu.    Das  //  mit  Abkürzung8zei<'ben  wird  in  hin 

aufzulösen  sein,  desgit-ichen  das  höre  mit  Abkürzungszeichen  hier  im 
Znsamiaenhaug  vieUeicht  besser  zu  hewrere  als  zu  habere.   Der  Sinn  ist: 

Diapason  ab  kia  {ac.  prneeedetiHtua  conoordanüi»)  haerere  vidrtur; 

die  OktftT  gilt  nicht  als  selbständiges  InteZTsll,  sondern  ist  innerlidi 
abhängig  von  den  übrigen  Intervallen,  numpntlicli  von  (Quinte  und 
(Quinte.    Die  Zusetzung  oiiK'^-  ^/tfiiffff/]  erscheint  nicht  als  notwendig. 

81,  36:  sit  steht  in  der  Handschrittj  nicht  cut. 

81,  Anmerkung  2:  Da  mneniiam  deutlich  in  der  Handschrift  sra  lesen  ist»* 

muß  diese  Anmerkung  tn!  tt;i!len. 
83,  9:  tali  ist  zu  le.«ien,  nicht  cocH. 

83,  14:  Jsta  muß  bleiben;  »wir  krmnon  darin  fiW/i)  keine  Einteilung  erblicken«. 
83,  18:  vmaü'Hm  steht  deutlich  in  der  Uaudschrift,  nicht  musicam. 

83,  Anmerkung  5:  ef.  zn  83,  18. 

84,  29:  Nach  arH»  ist  UheraUs  einsnlBgen. 

84,  3f):  Die  Handsiluift  bietet  in(piinint. 

86,  29:  In  der  Handschrift  steht  xt  mit  AbIdirTsnniTazpiclicu ;  das  ist  hier  in 
similitrr  aufzulösen,  nicht  iu  ttibi Die  Änderung  in  supra  ist  alsdann 
nicht  notwendig. 

86,  Anmerkung  6:  Tergleiche  oben  su  85,  29. 

86,  23:  srd  ist  zu  lesen  - /. 

Hft,  28:  Das  i.tfis  der  ITandschrift  ist  heizuboli  tltpi». 

Hti,  31:  >/iuUoth»  H>\  iiirlit   niulfifnffrfn^  st^hf  in  (b  i-  1 1  nid-rhrift. 

86,  32:  Das  f/  nieht  deutlicit  itn  Manuäkripi;  daruut  iolgt  zweimal  dos  Ab- 

kfirzungazeieben  fUr  con.  Demgetuftß  ist  auch  86,  Anmerkung  &  zn 
ändern. 

87,  1 :  DI«   Handschrift  hat  srptrni  statt  svx. 

87,  23:  Das  posxü  der  Handschrift  kann  beibehalten  weiden;  wenn  der  Singu- 
lar Anstoß  erregt,  dürfte  possintj  nicht  pussatd.  zu  schroiben  sein. 

87,  24:  Der  Kodex  hat  Sibi  tn\  das  wird  m  lesen  sein:  SeiUcet  ibi  iaMi»m% 

88,  82:  Es  wird  tdlUma  festsnhalten  sein;  der  Verfasser  unterscheidet  die 


Ij  Eine  ähnliche  Abkürzung  für  aimüUrr  ohne  1)  findet  sich  aueh  sonst. 
2)  Capp«  Iii  lus^eugt  ausdrücklich  dos  Vorkommen  der  Abkürsung  tn  kmium 
für  das  XIU.  Jahrhundert. 

24* 


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066    Hormatm  Müller,  Zum  Texte  der  Musikkbro  des  JoumeB  de  Qrodieo. 


coynitio  unitrrsalis  per  definiäonem,  die  cogniHo  perfe<:ia  distinguendo  et 
eognoseetuU)  portrs,  und  die  eogniUia  uUma  per  eogmHonem  eomporiUom». 
90,  19:  Im  Manuskript  steht  dicamm  statt  dtcimm. 

90,  31:  Die  Abkürzung  ist  wohl  l)i'.*«;pr  rin\  nicht  nrt  zu  lesen. 

9 1,  9 :  Boä  ah  ist  niclit  in  Klammem  zu  setzen,  da  es  deutlich  in  der  Hand- 

schrift steht. 

91)  21:  Statt  quia  dflrfte  vielleidit  auch  quae  vx  Uwa  seiB. 

91,  26:      telUt  im  Maaudoipt.  war  dethalb  in  Klammem  bu  aetm. 

92,  9:  l'ndf  ist  zu  setzen  stutt  17'/'  . 

94,  3:  Die  Stelle  ist  im  Mannskript  unverständlich;  ich  vermute,  daß  der 
des  Gtriechischeu  vielleicht  unkundige  Abschreiber  mit  dem  Worte  eroticun 
(oder  eroH»?)  der  Todage  nicht  fertig  m  werden  wußte. 

96,  7:  Statt  veraieiüari  Uea  iaU. 

96, 31:  Statt  poir^t  ist  primo  zu  lesen.    Der  Zusanunenhaug  ist  diea«*: 

Mfulus  .  .  coinponvudi  harr  f/rjirrfifitT  csf  Hnm,  iptt^mafhiUKluvt  in 
natura.  Primo  enim  dictninimi  lom  niat'  <  i'!>-  praiparantur,  postra  rrro. 
Wie  bei  der  Zusammensetzung  der  Köq)erwtilt  die  maieria  prima  als 
elemenittm  indderminaiumy  perfieimdum  u.  a.  f.  anBanehmen  ist^  welcher 
die  forma  subsUDitialiit  als  fl'  m'-ufuiti  (Ictfrminatis^  pcrfidens  U.  8.  f.  folgt, 
ist  es  ähnlich  bei  der  niusikulischen  Komi)osition ;  i\m  dirtamctt  ist  cr*"- 
wisscnnaßeu  die  niatcria  priina^  der  canim  pruportioiuüis  die  /bnna  sub- 
süuitiaiüi. 

96)  32:  Wie  ans  den  obigen  Bemerkongen  henrorgeht,  ist  das  profparaniur 

der  Handschrift  beizubehalten. 
96,  8:  Statt  snnf       sint  zu  setzen,  nach  instruimutalifpiis  ein  vero  einaofOgen. 
96,  12:  arfifiriulis  wird  /n  lesen  sein,  nicht  arfifh'inlifrr. 
96,  13:  afflatu  (>durch  Anblasen«}  heißt  es  im  Manuttkript,  nicht  a  flaäi. 
96,  19 :  Daa  eenhir  des  Manuskriptes  wird  sn  eamentur  (verschrieben  fttr 

caUMtur)  aufzulösen  sein,  nicht  zu  rrmitur. 

96,  36:  uaturalrs  ist  zu  lesen  statt  rirtitalcf. 

97,  2:  In  der  Handsclirift  hi  zu  lo'jen  entweder  fmo  —■  s'!tf)rrinrf\  oder  frio  = 

fortiore.  iSerio  sonn  unterscheidet  sich  tympanuin  rt  tuixi  kaum  von  der 
vieNa,  wohl  aber  fortiore  (eTentaeH  Midi  wperiore)  aono. 

97, 11 :  Die  Korrektor  lUae  statt  Bla  scheint  unnötig  au  sein. 

9K,  2:  Lies  etluni  statt  autem. 

100,  19:  Lies  harjnrtOH. 

lOO,  36:  Statt  nmlnli  ist  inohiUn  zu  lesen. 

103,  3:  aliquia  steht  im  Manuskript  und  wird  beizubehalten  sein. 

103,  11 :  Die  Abkttnning  ist  offenbar  in  syllogiami^  nicht  in  syüati  anfinlOsen 


1)  An  und  für  sieh  ist  auch  die  Auflösung  syüabi  möglich.   Hier  ist  Jedoch 

st/llogismi  entsehicden  vorzuziehen.  Einmal  aus  sprachlichon  Rücksicht '  ii ;  für  die 
Gleichung  syllnhm  —  Silbe  finde  ich  weder  bei  Du  Gange  noch  bri  Koioellini 
einen  Anhaltspunkt  [bei  Au-gustinus,  m«/.,  13,15  i— "Verzeichnis.  KrgisUsrj,  da«  Vor- 
kommen der  Form  monottyHabus  und  äluilioh  hat  für  unsere  Sti  Ile  keine  BedsUhmg* 
Sodann  spriclit  der  K<>nt'  xt  fiii-  die  Auflösung  sijl!i,i/ii-w i.  U.  W'nif  vcrvreist  mich 
zwar  auf  die  vier  Solmisationssilbcu  des  Joannes  Yerulus  de  Anagnia  bei 
Coussemaker,  Scriptores  TU,  129  b.  ff.  Aber  damit  seheint  mir  der  Avsdrodc 
unseres  Autors  »omnrs  ,siY/«  a^l  4  primos  rcduatfUur*  nicht  erklärt  zu  sein.  Man 
winl  Yi'1iiie!ir  <li'  Lehre  des  Aristoteles  und  deren  weitere  Ausgestulttmtr  <lundi 
Qaienua  und  die  scholastiäche  Philosophie  bezüglich  der  verschiedenen  »iigurae*  und 


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Hemumn  Mftller,  Znsa.  Texte  der  Muaiklehre  dea  JoenneB  de  Qrocheo.  367 


103,  35:  Statt  virtucUUer  ist  zu  lesen  unm  rmiis. 

104,  5:  Statt  aequaUter  lies  aiBquaiit, 

106;  1 :  partn  steht  im  Mamukript;  das  detignaho'  der  Haadadirift  wird  in 

designaniur  zu  äudern  sein. 
Iü5,  5:  re^ondfn  f  ist  zu  lesen  statt  rmdcret, 

105,  28:  istorum  ist  für  eorum  zu  setzen. 

106,  34:  Lies  utmergales  statt  vulgares. 

106,  86:  Lies  coroiaalioneff»  statt  enoHonem, 

107,  25 :  Statt  «nnnw  ist  eis  zu  lesen. 

108,  17:  Das  magisrnJira  erscheint  mir  recht  aweilelhaft:  ist  nicht  TieUeiobt 

nmffLstratuf^  zu  lesen? 
108,  32 :  Ob  das  cetUur  der  Handackriit  uiclit  doch  als  causentui  bezw.  mu- 
aehar  sn  lesen  ist?  Man  wendet  einen  dreistimmigen  Sati  an  {*faciunt*)^ 
weil  (oder:  wo]  die  drei  Stimmen  eine  perfecta  consonantia  ergehen, 
Oder  ist  vor  faduiU  in  108,  31  ein  »atia  vom  Absehreiber  easgdassen 
worden  ? 

110,  16:  Zu  lesen  iät;  Et  itcin  cum  nwküis  jtlura  «int.  Statt  itcin  kauu 
erentnell  andi  ita  gelesen  werden. 

110,  28:  Die  EinIQgnng  des  »on  ist  nicht  erforderlich. 

111,  15:  Lies  irit  anstatt  pt. 

112,  2:  Nach  rf  ist  tciiijm«  einzuschieben. 
112,  5:  fcsta  ist  zu  lesen  für  fa^io. 

118,  9:  Lies  quantum  für  qumi. 

118,  16:  Gompctum  steht  im  Mannskript;  gemeint  ist  der  sogenannte  eotnpu- 

tu.s  evclcsiastiaiif. 

112,  20:  Das  nun  ist  des  Sinnes  wegen  nnmöglich;  in  der  Handschrift  steht 

n  mit  Abkürzungszeichen  =  vir. 
112,  28:  vaht  ist  zn  lesen  statt  ridelicct. 

114,  6:  Das  9tm»ium  fehlt  in  der  Handschrift^  ist  aber  wohl  (in  Klammem) 

zu  ergänzen. 

114.  7  :  Statt  r/rnininatilms  wird  vielleicht  besser  fp-aininati'  'lUhiis  gelesen. 
114,  9:  Die  Aitderung  des  muaico  der  Handschrilt  in  ad  musicum  ist  wohl 
nicht  nötig. 

116,  6:  Das  et  darf  meines  Erachtens  nicht  in  den  Text  der  Handschrift 

eingeschaltet  werden,  da  sich  auch  olnu'  ilusselbe  ein  Sinn  ergibt. 
116,  3:  Im  Manuskript  steht  faciloray  vielleicht  verschriehen  für  faeilior€9n, 

Dr.  Wolf  liest  im  Kodex  pwiltoii  (—  fanliorrm  oder  facikin?). 
116,  12:  Das  tonum  der  Handschrilt  wird  man  beibehalten  müssen. 

116,  30:  Zwischen  primuB  nnd  aeeundus  fehlt  et 
118,  36:  Kach  iä  est  bi  primm  einxnschalten. 

117,  3:  Statt  triti  ist  tertii  zu  lesen. 

117,  IB:  Statt  quantum  ist  entweder  quoad  zu  lesen  oder  vielleicht  ist  nach 
quantum  ein  vom  Abschreiber  übersehenes  ad  einzuschieben. 

118,  17:  Das  Wort  nach  totm  ist  schwer  zu  lesen.  Jedenfalls  wird  man 
einen  Genetiv  Plural  zu  lesen  haben;  vielleicht  instorum  verschrieben 
für  tsfonim?  Audi  an  insimmmtorum  oder  magis^Oftm  könnte  gedacht 

»fnodi«  des  sylb^Mmi»  zur  Erläuterung  dieser  Stolle  horanzu/iehen  hsben;  auf  die 
>ner  ersten  modi*  lassen  sich  nämlich  die  15  fidpenrlen  zurückführen:  znr  Suche  vor» 
gleiche  Lehmen,  Lehrbuch  der  Philosophie,  Band  1  {Freibiu^  läi^j,  S.  1Ü6  lt. 


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368    Uersunm  Müller,  Zum  Texte  der  Musiklehre  des  Joannes  de  (ihrocheo. 


werden.  Komenilidi  magiaironan  wflide  dnreh  den  Gegensatz  zwischen 
den  Au&tellangen  der  "äieeretiker  emerwite  nnd  der  Ftaads  des  gre- 
gorianischen Choralgeeangee  aadereeite  einen  guten  Sinn  ergeben. 

120,  5:  Statt  ftt  lies  rrf. 

121,  11:  Für  (äii  ist  aluiui  zu  lesen. 

121,  35:  medium  steht  in  der  Handschrilt,  nicht  mcdiL 

128,  12:  Statt  aanetorum  iet  zn  lesen  Meetdorum,    Gemeint  ist  der  ale 

Evovae  bezeichnete  Schluß  des  Gloria  Patri  am  Binde  der  Psalmen. 

125,  3:  Statt  antiphona  steht  ah'ttf!  im  Manuskript. 

125,  13:  Für  foni'flebrafifr  lies  cum  celebratiir, 

126,  9:  Statt  quae  ist  wühl  quaedam  zu  setzen. 

126f  23:  Die  Ablrihrung  der  Handschrift  dürfte  besser  mmMerio  gelesen 

werden,  nicht  utifsteiio. 
126,  28;  Yioliciclit  ist  in  i]er  Handschrift  impomt  SU  lesen  stsit  imponoL 
128,41:  Lies  htmianam  statt  humanatam. 

129,  4:  In  der  Handschrift  steht  divcrsijkotHr^  nicht  dÜK&rsijicatus, 
129,  6:  Kacfa  (SinsH  steht  im  Mannskript  ei. 

129,  27 :  Der  Text  der  Handsehrift  ist  wahrscheinlich  qua»  voeaiU  sn  leseUf 

nicht  tium  vocantnr. 

130,  7:  Statt  'ompominfur  steht  im  ^Triruiskript  rntuponntitHr. 

Weitaus  die  meisten  der  oben  mitgeteilten  textkritisclien  Noten  scheinen 
mir  absolat  sicher  zu  sein.  Wo  ich  glaubte,  Konjekturen  auwenden  zu  sollen, 
will  ich  mich  gern  an  den  alten  Satz  erinnern  lassen: 

T6  toi  tored^Hv  roO  oäq>*  tldivai  t)/^». 


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Horace  Wadbam  MichoU^  Entgegnung. 


369 


Entgegnung 

von 

Horace  Wadham  Nicboll. 

[London.) 

Allow  me  a  f'ew  words  concerning  Prof.  S.  de  Lauge'»  rcmarks  anont 
mj  paper  entitled:  ** Buchs  nua-obüervance  of  bomo  Fixed  Haies/'  in  your 
preceding  Quarterly. 

Plrof.  de  Lange  evidentlj  nuBconceiTes  the  qpirit  in  which  my  article  wae 
written.  He  admits,  liowcver,  thai  tvo  of  the  passages  under  conaideratioii 
cannot  he  defendod,  sie'  but  singiilarly  enough  these  two  ^onnd  more 
agreeabie  than  many  ot  Uiuse  quotod.  For  iustance,  £x.  I,  pt^e  077,  (Takt  2), 
ia  exactly  Bimilar  to  the  two  examplea  admittedly  indefenaible!  Also  of  uiuch 
wofB»  eflbet  ia  the  third  Ex.  on  page  678,  as  well  m  Hieae  ob  pagea  681, 
ISz.  I;  683.  Ex.  H,  aeoond  excetpt;  and  680,  £z.  DI,  whioh  ia  oppoaed  to 
all  acceiittil  nilcs  concerning  suapen^ioii". 

Of  cDur.se,  everv  stndeut  kiiow?  the  rule«  concerning  the  jiinvemeiit  of  oiiu 
auJ  tiiu  8ume  churds  in  diffcieut  position»  ou  the  eame  buHä-uule,  pasäing 
(ornamental)  aotes,  suipensions,  &c.,  not  to  mention  the  more  elementäl  rolea 
governing  consectttiTe  oetavea  and  fiftha.  Thna,  the  exceptions  refeired  to  in 
Pale.striua  and  Lassus  do  not  count,  nr  in  uny  way  Hufficc  to  mnko  wiiting 
that  violates  rules  a  Standard  to  students.  Tho  movement  and  comparison 
of  each  part,  noto  aftor  (and  ugainst)  note,  and  chord  after  chord,  was  in 
question  aa  a  matter  of  pure  leading  of  parta. 

It  is  almost  needleaa  to  say  that  my  paper  waa  written  for  intereating 
atudy  and  to  be  of  some  practical  value  to  students,  rntlu>r  than  as  an  attack 
upon  the  grcat  manturV  i(aneral  writing.  Thua  Prof.  de  Lange  has  failed  to 
controvert  my  statements. 

Ferhaps  my  knowledge  of  conntexpoint  in  all  ita  hramohea  may  be  the 
canae  of  my  **inabiliiy  to  tmly  comprehend  and  appreciate  Bach" !  However, 
we  all  know  that  Bach  requirci^  neithcr  pruise  nor  defence  from  any  mnai- 
cian  —  great  or  sniall  —  bnt  to  rn1!  attention  to  uliat  appears  free  (as 
contrasted  with  pure]  part-writing  in  works  of  the  strict  .'style,  is  of  value 
to  all  —  even  to  Prof.  de  Lauge! 


Die  Vierteljahrshefte  der  Sanimelbände 

eFBCbemen  am  1.  November,  1.  Februar,  1,  Mai  imd  1.  August  Sehlnfi 
der  Bedaktion  jedes  Heftes:  ein  Monat  vor  seinem  Erscheinen.  Manu- 
skripte nnd  andere  Sendungen  beliebe  man  au  richten  an  einen  der 
Henuisgeber:  Prof.  Dr.  Oakar  Fleischer,  Berlin  W.  Motzstrafie  17  und 
Dr.  Johamiefl  Wolf,  Berlin  W.  Angsburgerstraße  80. 


L.  kjui^cd  by  Google 


Dorian  and  Fhrygiao 
A.  J.  HipkiM. 

(London.) 


In  thfi  following  remarks  I  would  offer  Bome  ezplaofttoiy  notoi  or 
soggestioi»  on  the  Doiüm  and  Fbrygian  modes  of  the  andent  Greeks, 
regarding  them  from  a  non-hamonic  point  of  view.  I  have  kept  quite 
dear  of  the  later  derdopment  of  the  Gk^k  nradcal  System  which  baa 
so  befogged  the  oonsiderataon  of  the  eai^er. 

The  Greek  word  aQfiovia  is  nsnally  rendered  by  icale  or  mode. 
Either  word  may  ezplain  a  Bucoesaion  of  mudcal  notes  fitted  and  com- 
f^ete  in  itself  -witiun  the  consonance  of  an  octaTe,  althongh  the  order 
and  meäsure  of  the  interrals  may  he  arbitraiy.  The  fonndation  of  a 
Scale  is  instrumental,  not  Tocal;  it  comes  from  the  stops  on  tho  finger- 
board  of  a  stringed  instrument,  or  the  lateral  boles  in  a  pipe.  Yocal 
music  in  its  origin  must  be  referred  back  to  Speech,  to  accent  and  mo- 
dulation  of  the  voice,  the  development  of  sustained  voice  sounds,  to  syn- 
thesis  rather  than  to  analysis,  with  freedom  in  the  dimensions  of  intervals. 
Scale  18  used  preferentially  for  a  recognized  succession  of  notes,  but 
mode  for  tbeir  characteristic  measiirement.  No  natural  order  is  to  be 
predicated  for  either. 

The  Dorian,  or  Hellcnic,  mode  was  hivt'>ricallv  a  livr»'  arcordance. 
tetrachordal  from  the  grasp  of  a  prpvious  lingerboard,  and  usiiallv  ^«  Tt- 
timal  in  hannonic  charactf^r:  the  presumed  fingcrboard  instruiiicni.  (  t 
jcavdoi'Qa,  havinf^  its  congetiers  in  the  Egyptian  Sr/rr  and  Bahyloniau 
Tanhöirr.  If  the  ohl  Aeoliati  mode  was  the  same  as  the  cid  Hypo-dorian, 
it  was  closely  allied  to  th»'  normal  Dorian. 

The  Phrygian,  an  Asiatic  mode,  was  l)as('(l  upon  the  positiou  of  the 
lateral  holes  of  the  uvVog,  as  is  well-kuown  a  pipe -instrument  blown 
with  a  reed,  and  the  stopinn^r  tliiicof,  in  its  natur«',  Hpxachordal  rathur 
than  Tetrachordal.  The  /^.>f>>',  the  aesthetic  effect  of  the  Instrument,  was 
in  its  character  approximate  to  that  of  the  Scottish  Hi^hland  Bagpipe, 
a  survival  of  an  Eastem  scale.  The  lower  tetrachord  of  the  Makat  double 

&d.L]L  IT.  g5 


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372 


J.  A.  Hipkins,  Dorian  and  Fhrygian. 


pipes  (B.  0. 1100)  diaoorered  hj  iPlmders  Petrie  in  tbe  Fayomn,  is,  as 
I  hoard  them  played  inih  an  Argboul  reed,  similar,  althongh  wiüi  Bome 
difference  In  the  succeasion  of  the  characteristic  interrals. 

Dorian  and  Fhiygian  according  to  Aristotle  were  entiiely  differait 
in  character,  and  being  so  would  be  of  separate  origin  and  inoommen- 
sorable.  Not  the  mere  sbifting  of  a  Diatonio  Minor  mode  as  is  generallj 
accepted,  a  modal  sjstem  Monro')  attribntes  to  Ptolemy. 

The  Greek  names  of  tbe  Lyre  oetaie  foUowed  tboae  given  to  the 
strings  of  the  instroment^  due  to  tbeir  relatiye  position  and  proximilgr  to 
the  player.  Our  letter  notation  can  express  their  order  equaUj  well; 
but  iicither  can  inform  us  as  to  their  measnre  or  pitch. 

The  Greek  names  of  the  avXhg  notes,  exceptiug  the  fundamental  note, 
and  its  octave^  which  were  apparently  in  early  times  not  osed,  bore  the 
national  modal  names  corresponding  to  their  use  us  pitch  prompters  for 
the  reciting  notes  reqiured.  Be  it  remembered,  the  Greek  intervals,  as 
in  all  non-harmonic  Eastem  scales,  were  steps  varying  in  measure  accord- 
ing? to  the  System  accepted;  nevcr  the  mental  analysis  of  common  chords 
as  in  tho  Harmonie  Intonation  proper  to  our  modern  —  particularly  our 
vocal,  music.  Pytiiagorean  ratio«  outside  the  Fourth,  Eifth,  and  to  some 
extent,  the  whole  Tone,  were  practically  non-existent,  or  wore,  at  least, 
verj'  much  restricted  in  the  Greek  music  of  the  Classical  period.  It  can 
be  shown  thoy  ultimately  madc  their  way  by  the  greater  ease  of  tuning 
with  Fouiths  and  Fiftlis. 

In  the  study  of  OlassiLul  (irreok  music  it  is  essential  tu  put  aside  our 
cliuribhed  ideas  of  chords  and  tonality  of  Scale;  of  sli;irj)s,  Hats,  and  key 
relationships.  Also  the  mudcni  chromatic  scale,  which  liad  tlion  no  exis- 
tence  outside  tlieory.  To  recognise  the  value  of  «luai ler  and  ihree-i^uai  ter 
tones;  their  fitness  for  musical  expression  and  pleasure  to  the  ear.  To 
appreciate  septimal  intervals  (the  ratios  of  Y^,  and  also  */j]y  and  to 
regard  scales  rather  in  descending  than  in  ascending  order.  To  estimate 
tuning  as  done  by  ear  mainly,  and  not  by  ezperimenting  witb  arithmetical 
ratios^  wbich  wonld  be  difficult  to  render  witb  anything  near  predsion, 
suioe  their  appeal  is  more  to  the  mind. 

Rudolf  Westphal,  I  consider,  went  quite  wrong  by  his  insistence 
upon  modes  derived  from  the  Major  Common  Gbord  of  wbich  the  Oreeks 
knew  nothing.  We  must  be  carefol  to  aroid  the  false  lures  beld  ont 
bj  modern  scales  and  Systems.  The  greatest  care  can  hardly  prevent 
tbe  enquirer  from  tripping,  so  fasdnating  are  apparently  obvious  com- 
parisons.  My  own  study  of  this  perplexing  subject  is  due  to  the  imperfect 
presentment  of  the  Greek  modes  in  a  Lecture  ''On  the  Musical  Scales 

1)  Tbe  Modes  of  Andent  Groek  Music,  D.  B.  Monro,  Oxfotd,  1894. 


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i 


A.  J.  Hipkiiui)  Donau  «nd  Fbrygiaa.  373 

oi  Various  Nations"  by  the  late  A.  J.  El  Iis,  read  hoff>ro  the  Society  of 
Arts,  London,  IHHf)!;,  \yi  wliich  I  had  some  share,  and  we  were  both 
content  to  follow  tho  too  casy  tahulation  of  Helmhoitz. 

As  coucerus  myseif,  my  position  is  tliat  of  a  simple  pnqiiirer  accreditt'd 
with  some  knowledge  of  music  and  of  musical  instruments,  and  as  liaving 
been  associated  with  Ellis  in  the  examination  and  compaiison  of  several 
Eastern  non-liannonic  scales  lu  which  wc  wcre  assisted  by  skilled  native 
perfonners. 

WitlilMato  Grcek  musical  liistory,  apart  froni  tradition,  may  be  said 
to  begin.  The  modes  quoted  in  the  dialogue  between  Socrates  and  Glaucou 
are  su  in  number,  and  tbeir  names  are  natioBal  or  tribal;  Dorian,  lonian, 
Phrj'gian,  and  Lydian.  There  is  no  tetrachordal,  hezaehordal,  or  hepta- 
chordftl  dfifinitioii.  Two  are  deseribed  by  GUracon  ta  high  aad  püun- 
tive;  the  miied  and  the  tense  Lydiaa  (tense  ohrioiisly  referrmg  ta  the 
lyre);  he  adds  ''and  Bach  like".  These  Socrates  exdodes  from  the  nse 
of  Äe  gnardians  of  yoath.  Two  are  soft  and  convma],  the  lonian  and 
the  Lydian,  which  are  caDed  slacfc  (again  refening  to  the  lyre).  The 
Doiian  and  Phiygian  remain  as  anawenng  to  the  requireaients  of  So- 
crates for  sober  enjoyment,  conrage  and  temperance. 

In  the  ^axijs,  Fhrygian  is  ezdnded  as  not  heing  Hellenie,  the  Dorian 
alone  answering  that  requiremeni  There  Phito  rejects  lonian,  Phiygian, 
and  Lydian.  Ii  is  dear  the  accepted  order  of  the  Greek  modes,  ana- 
logous  to  the  Ohiiich  Modes;  defined  by  tbe  note  from  which  each  starts, 
of  which  there  are  seren,  changin^^  the  intenals  as  they  occur  in  the 
octave,  as  may  be  done  on  the  white  keys  of  a  piano;  will  not  explain 
Plato's  characterisation.  In  this  order  the  Dorian  octave  is  at  the  top; 
th(;  Phrygian  a  tone  lower,  the  Lydian  anotlier  tone  lower;  the  Mixo- 
lydian  a  semitone  lower  than  the  Lydian;  the  intervals  supposed  to  be 
of  Pythagorean  dimensions,  2.04  cqual  semitones,  and  Äeiftuara  or  re- 
mainders,  E.  S.  0.90.  Westphal  possessed,  a.s  I  have  said,  by  the  Major 
Common  Chord,  discovers  a  .Syntono  Lydian  dorived  froia  the  major  Third 
of  this  chord,  a  whole  tone  below  thr  Mixo-lyilian,  ;nitl,  iiy  anahijn',  the 
Mixo-lydian  is,  according  to  hira,  referabh'  to  another  major  Third  derived 
from  the  lonian  or  Hypo-phrjgian !  If  one  reads  Plato's  description  with 
attention  tliis  appears  to  nir-  incr»'  topsy-tur\)'dom. 

Monro's  idenlihcation  ot  ih»  iiio(h'>  with  the  so-called  Transposition 
Keys,  a  Solution  I  had  arrived  at  uiyself  before  T  had  bis  authority  to 
support  me,  is  reasonable  and,  I  believe,  in  tbe  main  correct,  but  until 
!fQoa).attiiuvofttyo^  was  added^  we  can  hariily  talk  about  keys.  The 

r  PnMi<<hed  in  tbe  Joomiü  of  the  Society,  No.  1688,  Vol.  XXXTU,  with  a  Bub- 
sequent  Appendix. 

25* 


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J.  A.  Hipkint,  Donau  ■nd  PlurguuL 


Tonal  System  was  inconipli'te.  For  convenience  of  grouping,  key  signa- 
tures  of  tlats  havc  been  clioscn  to  deüue  the  order  of  the  Greek  scales 
and  their  pitch,  starting  with  the  Lydian  as  D  minor  in  the  descending 
form.  This  answen  very  well  for  a  chain  of  Fourths  up  to  E  tlat  minor, 
which  serves  for  tfaft  Mizo-^dku,  only  the  pitch  is  too  high  being  in  the 
f~~f  octave,  for  avenge  laale  Toioes  wMch  w€  niajr  take  aa  now  to  bave 
heeik  baiytone.  If  wo  acoept  an  /*— octave  we  ahall  find  tbe  DofiMk 
uf  üi;^  at  ihe  French  Diapason  nomal,  a  minor  Third  too  high.  At  tliat 
pitch  18  nearer  the  mark.  The  difference  from  the  usiial  letter 

notatton,  a — e,  is,  of  oonrse,  a  ^ole  tone.  By  the  tnmspoeitioti  firom 
tenor  to  baiytone  tbe  Dorian  t*4mj  is  eqnal  to  onr  not«  the  fourlh 
Space  of  the  basa  def  stave. 

I  now  prefer  to  regard  Flato'a  oQfiovla  aa  named  from  melodic  sya- 
tems  comprising  rimple  reciting  notea  roling  the  vöftog,  melody-type  or 
chant,  while  infloctions  and  cadences  appropriate  to  the  Torse  from  a 
aense  of  heaaty  dnatered  round  and  adomed  it;  <he  pofioir  conld  not 
have  been  nnüke  the  Indian  EägaSj  and  we  may  anppose  a  aimilar  ortgin 
and  nse  for  them.  From  the  voftoi  by  a  proeeas  of  evolution  and  de- 
finition  came  the  modes,  still  ^ith  much  freedom,  iintü  the  mechanical 
rigidity  of  instrumental  construction,  of  wind  instniments  stopped  with 
finger  liolcs-,  and  stringed  irstrunu-nts  witli  fingerboards,  forced  rousical 
practice  into  well-defined  scales.  As  intervals  in  non-hannonic  ecalos 
and  in  ancicnt  times  there  were  no  other  —  were  steps,  not  mental  re- 
ferences  to  the  analysis  of  common  chords,  tliere  was  a  liberty  of  choice 
comparing  with  that  observnlilp  in  some  East^^rn  scales  of  tlie  present 
day.  I  \voiild  insist  npon  the  instrumental  on,i:i!i  of  nll  scales;  vocal 
\;[i\i8ic  was  at  tirst  inusieul  spcecli  —  vitab'sed  as  ])uetry,  and  culminating 
in  the  livrir  wliich  is  pure  »'inotion  Imt  ton  indefinite  for  System. 

Of  what  1  venture  to  put  fonvard  1  daie  not  assunie  proof;  I  offer 
niv  sug^'cbtions  for  what  they  are  Wurth.    Tf  tbey  are  sct  asidc  I  shall  be 
( ontent  to  bave  tried  to  solve  a  prubleiu  as  niany  have  done  bofore  me 
witliout  success,  ])iit  with  the  hope  that  1  may  have  beid  out  a  clue  to- 
a  more  fortnnate  cmiuirer. 

Let  US  tberefore  ivssume  tbe  Doriuu  and  Pbrygian  niodes  allowed  hy 
Socrates  to  be  practically  the  nt)tati(»n  or  order  of  simple  melody  typcs 
with  reciting  notes,  let  us  say  G,  for  tbe  Dorian  answering  to  /leaij,  and 
Ay  for  tbe  Pbrygian  note  at  about  French  pitch.  The  Ö,  would  be  ap- 
propriate  to  a  barytone  and  give  the  imiffeasion  of  manly  character.  The 
Phrygian  from  the  higher  pitch,  would  be  more  cxciting,  yet  wiÜLont 
passion,  or  this  note  would  not  be  used  nowadays  for  tbe  monotone  of 
our  Cathedral  Services.  Assuming  the  relative  order  indicated  later  by 
Aristoxenus  we  shall  find  the  pitcb-note  of  the  Tense  or  Syntono- 


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J.  A.  Hlpldiii,  Doma  «nd  FluTgimn.  375 


lydian  kihuut  b,  and  the  Mixo-lydian  c',  aln^vc  winch  note  ordinary  male 
voiccb  could  not  bear  a  continuous  strain.  Tliese  would  be  among  the 
tighter  strung  notes  of  the  lyre;  the  highcst  note,  v^trj,  in  this  scheme  of 
pitch  answeiing  U)  d\  was  rejected  for  vocal  purposes,  although  usedin 
tlifi  ntQowftg  dt  iogtrnmental  accompaniment  The  slack  lower  notes  were 
ol  Msier  Tocal  prodnctioii  for  roeitiiig;  aooording  to  Socraites  fbeir  eSect. 
was  soft  and  oonvivial  and  therefore  not  acceptable  to  the  gnardians* 
Tfae  slaok  Lydian  following  my  scheme  of  pitch  woold  hare  for  a  recit- 
ing  note  the  f  sharp,  or  a  note  between  f  sharp  and  f  natural  of  the 
npper  region  of  the  bass  clef  steve:  the  loniani  a.  These  wonM  be  for 
the  ^mposium,  not  the  theatre  or  pnblie  assembly.  Snch  notes  were 
more  snited  for  the  sged  who  had  to  resign  the  tones  and  acoents  of 
Tigorons  manhood.  It  ivill  'he  seen  that  GHancon  contraste  the  slaok 
with  the  tense  Liydian;  the  one  is  too  low,  the  other  too  high,  as  is  also 
the  mixed  Lydirä;  I  cannot  say  wbat  oharacterised  the  Lydian  modesi 
no  Iiint  is  given  by  our  authorities  ezcept  that  the  Lydian  was  allied  to 
the  Phrygian,  although  differing  from  it  as  is  shown  by  the  three-part 
imfiog  of  Sacadas  of  Argos,  rather  than  the  Dorian;  the  Mixo-lydian 
may  have  had  certain  characteristicB  from  both,  later  defined  in  form  by 
Lamprocles  the  Athenian,  though  not  in  pitcdbi.  It  is  possible  the  high 
d\  the  note  above  the  Mixo-lydian  pitch  note,  may  have  h&m  alluded  to 
by  Glaueon  when  he-  added  "and  such  like",  ref erring  to  another  too 
high  mode.  iJut  this  note  as  a  pitch  note  would  be  extreme,  not  to  be 
maintained  by  :in  aver.ig«'  voiro  for  aiiy  Ifngth  of  timf,  oven  with  the 
help  of  cadonces.  Tt  would  offeiul  tlie  temperatd  Gi'cek,  oppased  in  bis 
aesthetie  nature  to  raanifestations  of  excess.  The  modern  Upera  rellects 
this  ?oice  distribution  in  Plate:  drlnking  songs  are  given  to  the  bass  voice 
(Der  Freischütz,  Hamleti,  i\n>sv  of  manly  and  noble  characttr  to  tlie 
barytone,  while  the  high  tenors  are  the  exponents  of  iove  and  grief  (La 
Eavorita,  Trovatore,  Tristan). 

With  Aristotle  we  find  a  dLüerence  of  character  distinctly  asserted 
between  the  Dorian  and  Phrygian,  the  otlier  scalos,  he  says,  beini»  mere 
varietios  of  these  two.  The  Dorian  and  l*hry,ü:ian  together  wer«'  the  nioun 
between  tensu  aud  slack;  but  it  is  clear  from  Aristutlu  that  they  differed 
in  form,  that  is  to  say,  in  the  measurement  of  the  intervals,  as  might 
be  betwe^  a  tetrachordal  Dorian  species  carried  on  to  the  lyre  trom  a 
fretted  fingerboard  instmment,  and  a  Phrygian  avhSs,  a  wind  instmment 
with  lateral  holes,  the  interrals  of  which  woold  be  mainly  determined  by 
their  spucing  for  the  conTonienoe  of  the  tiiigei*s,  On  the  one  band  we 
have  the  eTolution  of  a  septimal  scale,  the  soft  or  fiaXoxor  dtaroroPt  on 
the  other  a  begpipe  scale  with  three  quarter  tones,  a  tradition  of  which 
is  presenred  in  the  ofiolor  of  Ptolemy. 


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376  J*  A.  HipkiiM,  Doriu  md  fluygian. 

It  is  possible  the  diveriE^ence  between  Dorian  and  Phrygian  had  been 
lessened  in  Plato's  time  by  tlie  occasioual  eiuployrnent  of  '/.von  and  uvkog 
together;  modifications  in  tuning  the  one  and  by  usmg  Ihe  lip  power 
whicb  tbe  player  could  call  upon  ivith  the  other,  would  end  in  a  kind 
of  temperamflnt  wbioh  the  dar  woald  aocept  afi  tolerable,  bat  hardly  the 
Pythagoiean  tuning^  vith  which  the  pialmLOP  and  OfiaUbv  accordanoeft 
bad  no  direct  ralation;  nor  had  tbe  Enbannomc.  Tbe  Pytba^rean  was 
a  theoretical,  not  emphric,  non-barmonio  System.  Bat  it  niast  be  remem^ 
bered  as  early  as  Piato,  Dorian  avlol  are  mentioned  as  well  as  Phiygian 
and  Ljdian,  and  an  ävlost  the  mvention  attribated  to  Pronomas  of 
Thebes,  on  wbich  all  three  modes  conld  be  set  Tbis  is  lioweTer,  a  tra- 
ditaon  mentioned  by  Pansanias.  The  avhog  bad,  in  Pbito*s  time,  the 
greater  nomber  of  notes. 

Aristotle  thinks  So  erat  es  should  not  bare  left  the  Pbiygian  with 
tbe  Dorian  beGause»  being  the  same  as  tbe  avAd^,  it  was  neoessarily  oi>- 
giastic  and  emotional  Tbe  Dorian  appeai  s  first  in  the  archaic  sacrificial 
a:topd£iaa^bg  based  upon  the  soft  fiolaxbr  septimal  Diatonic  scale.  By 
the  rejection  of  the  characteristic  septimal  intervai  came  tbe  old  £n- 
hamonie,  witbout  Die  quarter  Tones.  Somewhere  between  we  may  place 
tbe  coloured  cfarom&tic  varieties.  Let  us  try  to  elucidate  this  develop- 
ment  by  presupposing  a  Ttavdov^aj  a  fingerboai'd  instrament  with  or 
witbout  frets,  with  wliich  the  grasp  of  the  band  could  conveniently  stop 
the  intervai  of  a  Fourth ;  we  will  presently  consider  the  smaller  intervals. 
The  ).vQu  woiild  pain  pre-eniinonco  ovcr  this  carly  Pandoura  by  its 
greater  power,  as  in  Hellas  music  was  an  open-ai!'  art.  With  the  ?.VQa 
the  reciting  note,  eventually  called  iitui^,  m  the  middle  note  of  a  mode 
or  scale,  was  taken  as  the  measure  of  a  Fourth:  it  was  twanged  by  the 
thumb  of  tlie  riplit  hand:  tbo  next  lower  note,  lixavog^  was  twanged  by 
the  index,  the  fore-tinger,  wliich  deterniined  the  Diatonic,  Chromatic,  or 
Enharmonic  species.  This  was  the  true  Hellenic.  The  i(v).öi;,  of  neaiiy 
equal  authority,  waö  derived  from  Asia  Minor.  The  note  of  the  pipe 
itself  does  not  appear  in  early  days  to  have  beeii  uaed;  it  may  have  been 
false  in  relation  to  tlie  finger-hole  series.  but  tbo  six  holes  bad  national, 
modal  names  attributed  tu  them  which  gave  iu  succession  uotes  in  somethiiig 
like  bagpipe  order;  the  characteristic  intervai  being  a  Third  which  is 
neuter,  neither  major  nor  minor  I  do  not  assert  that  Egyptian  or 
Babylonian  pecuüarilies  of  scale  were  directly  transferred  to  Greece,  bat 
the  bolo-boring  of  pipes  is  likely  to  prodaee  reeolts  everywhere  the  same 
or  nearly  resembling.  Tbe  differenoe  between  Xv^a  and  avXbg  may  belp 


1)  **Becftereh€s  sur  l  Hiatoire  de  la  gamme  Arahe",  J.  P.  Land,  Leyden,  1884, 
p.  oa  *^LeB  fläte»  (Pfd  Fanb^     the  ««iRMto**  of  Zakal. 


.  ij  i^od  by  Google 


J.  A.  iffipkins,  Boiian  «id  PlniygMiu 


377 


11!;  to  coniprehend  the  disünctiou  drawn  by  Aristotle  between  Borian 

With  Aristoxenus  we  are  near  the  end  of  the  great  classic  period; 
the  ^rale-building  principle  theoretieally,  if  not  practically.  advaiK-ed.  His 
knuwle(ige  was  in  advance  of  bis  time,  and  bis  propiietic  gaze,  in  the 
twelve-note  scale  of  equal  intervals,  illuminated  the  bed-rock  upou  which 
.1.  S.  Bach  built.  But  the  exact  raeasures  of  the  concurrent  niusical 
Systems  were  not  then  uccuratcly  derined.  He  says,  "Musicians  ai  range 
their  keys  very  much  as  the  different  cities  regulate  the  days  of  their 
rnonth",  that  is  to  >ay  differently;  and  he  gives  two  scales,  one  of  which 
apjicars  to  lu'  u  Lym  scale  -vvitli  an  Aulos  note  added;  the  other  is  cer- 
tainlv  an  Aulos  scale  iLivin''  no  relation  to  anv  Lvre  seale  wbatever. 
The  tirst  is  Diatonic,  with  tones  and  semitones  which  a])pcar  to  bc  Py- 
thagorean.  Following  tlie  text  as  given  by  Monro,  the  Hypo-dorian  is 
a  tone  below  the  Dorian  and  the  Phrygian  a  tone  above  it.  The  Lydian 
is  again  a  tone  above  the  Phrygian.  The  Mixo-lydian  is  unexpectedly 
inserted  between  the  Hypo-dorian  and  the  Dori&Q.  Finally  an  Aulos 
note,  of  ]Ater  mtroduction,  the  Hypo-phrygian  is  placed  lowest  If  it 
were  not  for  the  Mixo-lydian  tins  System  woold  be  a  simple  one  of  five 
notes  ascendingi  Ttaffvmaxr^j  kixavog,  ^iar^^  ftaffaiuarj^  and  r^/rr;.  Bvt 
even  Monxo  has  not  sncoeeded  in  expkdning  the  introsion  of  the  Mixo* 
lydiaa-note.  The  later  Hypo-dorian  had  not  as  yet  appeared  with  either 
AnloB  or  Lyre.  About  the  second  System  there  can  be  no  doabt,  tiie 
national  names  of  the  reciting  notes  follow  the  holes  of  the  Aulos,  then 
rix  in  nnmber  for  the  six  available  fingers;  thns,  and  in  ascending  order, 
Hypo-phrygian,  a  Y4-tone  inter?al,  Hypo-dorian,  another  y^-tone^  Dorian, 
a  whole  tone,  Phrygian,  another  '/4-tone,  Lydian,  agam  a  y^-Um»  Mixo- 
lydian;  eqnivalent  in  their  Order,  bnt  not  in  measure  to  TtaQvnaTtif 
AiXa*^»  1*^1  ftoffaftiai^j  tqItiij  and  sruQavijTrj.  «^ti^,  as  already  said, 
was  not  recofl^used  as  a  TOcal  note.  Accommodating  this  Aulos  System 
to  Ptolemy*s  o/<aAoV,  and  adopting  A  =  432  as  an  eader  nnmber  for 
simple  oalcolation  ihan  A  436,  we  may  adopt  this  Vibration  number  for 
the  reciting  note  of  the  Phrygian  scale. 

For  the  aMg: 

Hypo-      Hypo-  Mixo-  Un- 

UaoMd  phrygian  dorian  Doriaa  Phrygian  Lydian  lydian  nsed 
yib.(288)  324  358.5  368.8  432  471.3  618.4  676 
Eq.  Sem.  2.04     1.51       1.65       1.82     1.51       1.65  1.82 

For  the  XvQa: 

Taken  as  theoretieally  Pythagorean  and  transposing  Mixo-lydian 
ifinaßoliq)  which  Westphal's  emendation  of  the  text  permits: 


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378 


J.  A.  HipkuM»  Doffiui  and  PhrygiaiL 


vnüii;    fta^nänf    XlxaPÖg       fiiat}    TVagaftiarj  r^/rij^Mixo-lydian; 

y.  288  303.4  341.3  384  432  4&&1  512 
SiS.       0.90         2.04         2.04       2.04      0.90  2.04 

It  is  clear,  liowever,  when  Aristoxcnus  taught,  the  Pj-thagoreaii 
öiaiovov  rnviaiov  had  not  attained  to  general  use;  long  after,  indeed 
as  late  as  Ptolemy,  the  soft  Diatonic  was  the  favourite  System,  at  least 

for  the  lower  Tetrachord  of  the  Lyre. 

In  soft  Diatonic  the  Y  niunbers  would  be:  — 

288     303.1      329.1      384      432      454.7      493.7  576 
£.a      0.90       1.41       2.67     2.04     0.90       1.41  2.67 

^ftb  and  vnekif  conld  only  be  med  sTstenifttically  when  a  Pythagorean 
whole  Tone  and  Semitone  were  adcnowledged  and  observed,  baaishing 
from  use  qoarter  and  three-qaarter  tones.  Mcdnlation  oould  <mlj  then 
beoome  syrtematicallj  posrible,  irith  the  chain  of  FonrCbs  wbioh  reaulted 
in  the  brehe  semitone  cyde  attxibnted  to  Aiifltozenna  —  tlie  Eqnal  Tem- 
perament Obromatio  Octave.  Here  Aristoxenns,  I  irill  repeat«  oonld  only 
bebold  the  promised  kad  from  afar. 

The  DiatoniC'Scale  had  in  the  oldest  tradition  the  firat  place,  and  in 
the  80-caUed  Instramental  Notation  the  nnmodified  letters  are  those  from 
wbioh,  by  change  of  position,  the  Enharmonic  and  Ofaromatic  notes  are 
defined.  I  do  not  limit  the  Diatonic  genas  to  vhole  Tones  and  Idftfiota  — 
such  a  definition  is  inadäquate  to  represent  an  Order  of  notes  that  being 
neither  Gbromatic,  nor  Enharmonic,  if  not  preceding  the  one  and  the 
other  as  we  have  reason  to  believe  it  did,  was  at  least  of  äqual  antiquity. 
"We  have  no  distinguishing  name  for  an  order  govemed  hy  the  whole  or 
the  %  septinial  Tone,  but  Diatonic.  Let  us  first  consider  the  attovdti- 
uaiiog^  the  Libation  vo^iog^  whicb  from  its  sacred  character  was  long 
preserved  unaltered.  We  must  go  back  to  the  finperboard  of  the  Pan- 
doura  to  cxplain  it;  the  L^to  cmmot.  Marking  a  fret  at  ^  tlie  len^th 
of  tlio  striiig  aiul  pressing  upon  it  whilc  twuiiging  the  loiii^er  secti(in,  pro- 
duces  tlie  interval  of  a  Fourth,  K.  Ö.  4. US.  Then  halving  the  distance 
between  tliis  fret  and  the  nut  or  capotasto,  the  ncw  fn  t  will  give  the 
septimal  whole  tone  %  =  E.  S.  2.31.  Hahnnjj  this  aprain  wo  should  tind 
the  Diatonic  Semitone  E.  S.  1.12,  jJut  an  early  scheine  seems  to 

have  been  adopted  resembJinp:  that  of  the  Tanbour  ol  Bagdad  i)  by  which 
the  string  was  divided  into  41  >  e(|iial  paits,  10  of  which  were  within  the 
interval  of  the  Fourth  and  convenient  iinis])  of  the  band.  We  have  now 
the  foUüwing  available  intervals,  •^''/lo,  tlie  Fourth  V4  =  E.  S.  4.98.  From 

1)  J.  F.  N.  Land,  JMMVte»  mr  rkktowt  de  In  Gamum  AnOef  p.  79. 


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I 


J.     Hipkilia,  Dorum  aad  Pbi7guuD.  379 

the  nut  =  ^Vjo  E- S.  0.90,  tlie  Pythagorean  lüuua,  or  remainder 
when  the  Ditone  has  been  found^  ^y^Q  =  »/,o  E.  S.  1.82,  the  minor  whole 
Tone,  and  40  =  Vs  S.  2.31,  the  septimal  whole  Tone.  The  Greeks 
"went  110  fiirther  than  this  halving  and  quartering  expedient,  their  soft 
Diatomc  01  uaJMAov.  In  this  way  WestphaTs  diaTovov  uaka/.i/v  or 
cirov6eiaafibs  ia  easy  U>  explain 

E  F  Fi(*2)  (G)  A 

diiaatg  2           6  10 
Or  on  the  fingerboard: 

£.S.      0  0.90  2.31  '  4.98 

Extendiog  tius  to  a  fire-note  Bcale  we  might  oompare  it  with  a  za- 
tionaliaed  Javaneae  *'Salendro*'>). 

E.  S.      0      2.31      4.98      7.02      9.69  12.00 
Katios  Vg        »A        Vi        Vi  Vi 

PtoIemy*8  iiOTovov  /iaXaxbv  is  this  septunal  soale  reTaned,  tbe  » 
to  f!i*  hesng  tbe  ratio  V?  =E.  S.  2.67  in  order  to  inclnde  the  Minor 
whole  Tone  Vit  or  E.  S.  1.82.  The  septimal  ^B^og  or  ehaiacter  ja  im- 
altered.  As  late  as  Ptolemy  the  didioinnf  fioXmiov  was  the  prevailing 
Scale  with  the  Lyre  and  larger  Cithara,  or  it  was  mixed  with  the  Teose 
Chromatic,  XQ^^^  ai^ywovov,  in  the  npper  tetrachord.  MonrO|  p.  85» 
giTes  these  scalee  with  some  differenoes  for  which  Ptolemy  is  responuble) 
but  there  can  be  no  donbt  about  the  general  principle. 

The  Chromatic  Scale  was  also  evoked  from  this  fretted  schcmc,  trans- 
ferred, liko  the  Diatonic,  to  the  L}Te.  Our  authoritios  are  late,  hat  have 
the  wcipflit  of  tradition  in  their  favonr.  Archytas,  tlic  tcaclicr  of  Plato, 
accordiiig  to  Ptolemy,  divides  for  his  chromatic  ^imvor  the  Pythagorean 
whole  Tone  E.  S.  2.U4,  }>ut  Eratosthenes,  circa  240  B.  C,  is  more 
accurate  in  dividin^  the  jiiinur  whole  Tone  E.  S.  the  ■^«  40.  Ptolemy 
himself,  in  the  second  Century  A.  D.,  divides  E.  8.  1.82  for  his  XQÜtina 
^tuku/.üv,,  Ptolemy 'b  /^a>/<(f  ovrTotmv  dividing  the  septimal  whole  Tone 
E.  S.  2.31  I  should  call  a  Diatuuic  scale.  The  Cliromatic  appears  to  have 
been  restricted  in  use  compaied  with  the  Enharmonic;  tHe  yQiTjua  hjuö- 
/uoy  aiid  /.Qöiua  ftaXa/.or,  as  usually  given,  seem  to  be  f?eometrical 
Variante  approaching  the  Enharmonic;  I  cannot  offer  an  explauation  for 
them,  but  I  have  shown  them  with  the  Enhai'monic  and  diccTovov  fiakaY.bv 

1]  Die  Musik  des  griechischen  Altertums.  Iteipag  1883,  p.  38. 

2;  Fj*  represents  F  raised  a  ^'4  Tone. 

3;  A.  J.  Ellis  on  tbe  Musical  Scales,  etc.,  Journal  ol'  the  Society  of  Arts,  27t>> 
Jtluch,  1885,  p.  510. 


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360 


J.  A.  Hipkiiii,  Domn  «ad  Phrygian. 


on  four  pianos  tiined  undcr  my  direction  in  a  Lecture  given  by 
C.  F.  Abdy  Williams  at  the  Royal  Academy  of'Music,  on  the  27'^  of 
February,  1895.  The  Impression  upon  tlie  audience  was  certainly  favour- 
able,  especially  wben  tlio  scales  were  heard  in  descending  order.  The 
basis  of  the  tuning  was  Equal  Temperament  %Yhich  Aristoxenus  might 
have  approved  of;  the  width  of  the  intervals  being  detenuined  by  Fourths 
and  Fifths  and  with  Tuning  Forks  four  vibrations  a  second  apart,  of 
which  I  have  complete  sota.  Thns  that  which  Westphal  [p.  32)  deemed 
not  possible  was  easüy  made  understandable. 

Adopting  E.  S.  1,82  —  3"/4o  as  the  width  of  the  Ghromatic  nwvor  we 
may  foUow  our  fingerboard  in  forther  diWding  at  =>V4o>  finding  Tra^ 
n&tri  at  E.  8.  0.90,  leaving  out  the  IHatonic  U%otv6$  E.  S.  2.31  alto- 
gether. 

The  Enharmonic  Seale  was,  acoording  to  tradition,  fiist  disooTered 
hy  this  Omission  of  the  Diatonie  Ux^vög^  hnt  the  transference  of  lt%avhg 
to  the  semitone  R  8.  0.90,  and  by  a  forther  hieection  nv^nAtti  on  the 
>*/40  fret,  came  early  into  general  and  much  admired  use.  The  Enhaz^ 
monic  ttvxvbv  of  ErotosÜienes  was  E.  8.  0.44  and  0.46.  An  alternative 
bisection  of  the  £.  S.  1.12  Semitone,  which  was  the  oinpiric  linger  stopiung 
withont  frets,  would  give  for  quarter  tones  E.  S.  0.&5  aod  0.57. 

Both  the  Instrumental  and  Vocal  Notations  were  contrived  to  re- 
present  the  three  genera,  the  Diatonic,  Ghromatie,  and  Enharmonic.  They 
could  not  be  sung  or  shown  on  my  instrument  and  most  be  aocepted 
as  a  rational  endearomr  to  provide  for  all  tran^iositions,  the  notations 
being  elastic  in  their  application.  For  instance  no  difference  is  shown 
between  ).ixa%>og  ^iaKa%uiv  and  '/uxavbg  aifvroviov  of  the  Diatonic  genus, 
or  1)etween  the  charactcristic  notes  of  the  L}Te  and  Anlos.  The  so-called 
Instrumental  is  noted  in  an  asceuding  order;  the  so-called  Vocal,  a  des- 
cending  one.  It  seems  more  likcly  both  these  Notations  were  originally 
of  vocal  Intention,  to  j)ronipt  the  note  suited  to  the  words.  Neither  can 
have  beeu  older  than  the  classic  periotl  becanse  of  the  inclusion  of 
sTooakaußavö^ttvo^  and  the  clear  exhibition  of  the  Greater  Perfect  System, 
which  points  to  a  late  invention.  That  aichaic  characters  were  used 
proves  nothin|T.  It  is  most  Ukely  the  v.Qovaig  was  an  ex  tempore  ac^om- 
paniment  with  miprovised  interludes.  To  note  it  down  implies  a  ])rogi  ess 
in  instrumental  Performance  by  which  it  obtained  ccrtain  rights  in  re- 
lation  to  the  vocal.  The  h'ruc/yjudi^  or  nine-stringt.  tl  Lyre  is  iudicated 
by  the  Vocal  lettering,  bat  unless  tliere  were  means  of  stopping  the 
Lyre  to  shorteu  the  strings,  it  fai-  exceeds  the  capacity  of  the  Instru- 
ment to  render  it  without  setting  the  tuning  for  the  genus  or  mode 
required. 

An  all-important  qnestion  is  that  of  the  tuning.  Only  the  Pythagoreaa 


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J.  A.  Hipkiim,  JDorun  and  Fliiygiaa. 


381 


System  couW  be  tuned  throughout  by  Fourths  and  Fifths,  and  tbis 
facility  in  practioe  mmt  have  led  to  its  final  general  adoptiün;  but  not 
until  the  old  Greek  love  of  quarter  aud  three-quarter  tones  liad  died 
out.  These  irreguhii  iiitcrvals  could  only  be  tuned  from  frotted  finger- 
boai'd  iustruments,  or  a  monochord,  an  inconvenient  aid  to  stringed  in- 
struments,  whicb  besides  could  never  have  stayed  long  in  tune.  Habit 
and  a  fine  sense  of  Hearing  would  provide,  in  practice,  a  tuning  that  would 
satiafy  the  player,  the  poet  aud  ihe  audience,  but  tha  accuracy  of  the 
intemb  of  the  raoTable  BOtee  would  not  be  more  aure  tfaan  what  we 
get  from  Asiatic  mualdans  nowadays.  And  the  o^Jloff,  whicb  was  piohably 
defined  by  Ftolemy's  öitalov^  wouM  raiely  be  blown  true.  How  nearly 
stiüig  and  wind  became  recondled  by  the  Greeks  we  bare  no  means  of 
knowingt  They  are  veiy  near  in  onr  modern  perfonuancee,  bat  the 
wind  band  of  a  Wagner  Opera»  especially  the  hurge  instnunents,  will 
show  the  difficulty  of  a  problem  in  which  heat  plays  a  prominent  pari 
The  a^Xbg  would  be  rarely  in  tune  with  the  I6(fa  unless  it  were  by  ao- 
ddent,  and  neither  would  coincide  fanlüessly  with  the  ratios  of  the 
Arithmeticians. 

The  recognition  of  the  whole  Tone  £.  S.  2.04  between  the  Fourth 
and  Fifth  became  important  for  the  systematisation  of  Greek  music. 
As  the  DisjunctiTe  Tone,  «nployed  to  recast  the  Iklixo-lydian  Mode  or 
to  introduce  v/reQVTtaTt^  or  7f(fooXaf4ßav6ftBvog,  it  brought  about  Octave 
Bcales  and  with  them  a  conception  of  keys  and  tonality  essential  for  a 
coraplete  musical  System. 


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382 


Oscar  CiutoMttif  Francesco  da  Milano. 


Fraacesco  da  Milauo 

liutiflta  della  prima  meta  del  secolo  XYP. 

Genno  storioo-oritioo 
di 

Oscar  Chilesotti 

(BaaMno-Yicaua). 


Di  Francesco  Milanose  scarsissime  notizie  ci  offrono  i  dizionari  hio- 
gralici.  II  F<itis,  per  eseiiipio,  ci  dice  solo  clie  Francesco,  della  lamiglia 
(lei  Navizziani,  fu  orgaiiista  e  liuti.sta  ctdebre  nella  prima  mctü  del  secolo 
XVI e  che  «indipendentemente  dal  suo  rare  talento  nella  musica  egli 
possedeva  quello  della  poesia».  Gita  quindi  due  opere>),  nelle  quali  si 
trovano  Tent  di  Francesco  da  Müano.  Per  la  musica  da  Ini  pnbblicat» 
siriferisce  alDoni  ed  al  Piccinelli,  che  ricordano  il  primolibro 
della  Intabolatura  di  organo,  d'ignota  edisione,  e  la  IfUabolatura  di  Uuio 
edita  a  HUano  nel  1540,  libri  •devmus  de  la  plus  tfrande  rareM*, 
Aggiuuge  poi  il  titolo  di  varie  raccolte  che,  secondo  il  oostuine  dell*  epoca, 
ri|nx>ducevaiio  le  compoaizioiii  dei  liutisti  piü  famosi,  fra  i  quaU  spicca 
principalmente  il  nome  di  Francesco  da  BCilano.  CSrca  Tanne  di  sua 
nascita  e  l'anno  della  morte  nulla  sappiamo;  unioo  dato  che  nella  bio- 
grafia  oompOata  dal  F^tis  conceme  il  mudcista  si  h  che  verso  il  1&90 
egli  era  addetto  alla  cattedrale  di  Milano  come  organista. 

Qualdie  congettura  suiretii  del  nostro  musicista  possiamo  derivare  da 
quanto  trascrivc  il  Bertolotti^)  da  documenti  dell'Archivio  Gonzaga: 
«Francesco  da  Milano  h  ricordato  con  Marchetto,  Testagrossa  e 
Bnssetto,  cantori,  che  nel  1510  erano  ritomati  da  Yenezia,  ovo  aveyano 
procnrato  di  render  meno  triste  la  prigionia  al  loro  si-^rnore  Francesco 
Gonzaga».  Se  in  quel  tempo  il  Milancse  era  tanto  abile  ueir  arte  sua  da 
figurare  presso  il  Duca  di  Mantova  nella  qualitä  di  liutista  o  di  cantore, 
non  v'ha  dubbio  che  egli  doveva  essere  presso  ai  venti  anni  di  eü\,  sicchö 
non  saremo  lungi  dal  vero  calcolando  che  nacque  poco  appresso  il  1490. 

Breve  cenno,  a  grande  distau2a  di  tempo,  raccogliamo  poi  da  Cosimo 


11  //  qnarto  Ithro  drllc  Hime  di  (lirerifi,  Bolojrna ,  1531,  e  Tnvpin  d/Ifa  dirina 

atgitora  dontui  Qwramia  ä  Aragona  'fabbricato  da  tiäti  i  piü  gentilt  spiriti,  Yenezia, 
1634. 

8)  La  Muaw$  in  Mmtopa^  MUmo,  BiotHrdL 


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Otou:  ChilesotU,  franceaco  da  Milaao. 


383 


Bartoli*),  il  quäle  affenna  che  Francesco,  nel  Huto  eocellentissimo,  fu 
altresl  eccellente  nel  xmmsggiare  Im  liola,  sebbene  in  questa  cedesse  &L 
Siciliftno  (?),  mswme  col  cpiate  stette  al  serncio  del  Oardinale  ippolito 
de*  Medici'}.  Ippolito  de*  Medidf  eletto  cardinale  nel  1629,  morl  nel 
1535 ;  peraö  le  parole  del  BartoH  liMiciano  rappone  inesatto  dö  che 
xileEisoe  11  dica  l'iiiEido  di  SVanoesoo  nella  oattedrale  di  Milano 
qnale  suonatore  d'organo,  a  memo  die  Tartieta  non  fosse  passato  in  qnel 
tomo  di  tempo  preeso  il  Oaidinale  de'  Medid  a  dar  prova  piü  spiccata 
del  Stto  geoio  nmdcalei  esnberante  sotto  tanti  aspetü,  in  im  centro  arttstioo 
di  maggiore  importaiiza. 

Oirca  reBecndone  snlla  Tiola  sapptamo  dal  Bart o  Ii  che  lo  stromento 
d  prestava  agli  effetti  piü  yait: 

cLa  priucijjal  lode  dei  Siciliauo  era  uua  uuruüüe  agilit^  e  uua  fina  arte 
di  nnini  masaime  con  vno  atniinento  di  tasti,  laddore  Alessandro  Strigia 
da  MantoTtt)  non  meno  celebn»  ndla  viola  e  compontore  vdentissimo,  segna^ 
lavasi  sopra  tutto  per  la  maestria  di  farvi  aentire  qnattro  partt  a  nn  tratto 
«on  tanta  l«ggiadri»  che  facea  siupire.»') 

Ma  Francesco  da  Milano  riescl  pinttosto  eccellente  nel  liuto.  Ohe  la 
xinomanza  dd  liiiti§ta  allora  fosse  gxande  ce  lo  i»OTa  il  Marco lini  che, 
dedicando  ai  «Miidd»  il  sno  primo  libro  d^Intaindahara  di  laulo  (1536), 
dioeva  schiettamente  che  nella  nuova  <etä  ....  piü  oulta  ....  Jusquino, 
il  Conte  Gianmaria  Giudeo,  il  Testagrossa,  Taddeo  Fisano,  e  dmili 
di  cosl  fatta  scuola,  avevano  scemato  la  fama  del  nome;  onde  le  cose 
pubblicate  dal  Petrucci  erano  poste  da  parte  come  composi/iuiu 
lodate  giä>.  Onnai  soltanto  <Ia  soavitä  del  concento  che  partoriva  il 
liuto  tocco  dalle  divine  dita  di  Francesco  Milanese,  d'AIberto  di  Man- 
tova,  e  di  Marco  dall' Aquila,  con  il  fard  sentir  ne  ranima,  rubara 
i  sensi  di  chi  Tascoltava». 

Allora  irifatti  conunciava  a  dclinetursi  il  carattere  deirarte  italiana 
che  aperse  e  preparö  la  via  alla  «nuova  pratica»  '^fontevcrde)  del  secolo 
seguente,  cioö  al  dominio  della  molodia.  Le  arie  popolari,  che  si  esplicavano 
specialmfnte  nelle  villanelle,  neile  napolitane  c  ndlc  dan/e,  prcsero  tanta 
voga  che  anche  i  luadrigali  dovcttcro  spo^^liarsi  dei  soliti  artihzi  cd  assu- 
mere  forma  piü  spicjliata  e  melodiosa.  Xe  veimo  di  conseguenza  la  necessitä 
di  un  accompagnarnento  arinoiiico  per  mozzo  dv\  qiiale  si  definisse  chiaro 
il  concetto  melodico.  Tl  sentiaiouto  artistico  s  imixincva  adunque  a  poco 
a  poco  sulle  vane  elucubrazioni  scolasticbe.    JJell'importanza  di  tale 


ly  liagioncmunti  Aceadameit  .IHo;  Venena,  apfMresso  franoMOO  de'  Franoeadii 
Senese,  1667. 

8)  Oanal,  Omrtaxiiom  «d  aggiuni^  tU  FUtt^  Axt  IH«. 
3)  Op.  eit 


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384 


Omwt  Chileaotti,  Francesco  da  Müauo. 


molimone  fu  ooiucio  f rancesco  da  Milano,  pel  quäle  Tarte,  coma  dice 
con  fraae  feUcisaiina  fl  Marcolini,  amy6  a  farsi  sentire  ne  ranima. 

Eblii  oocanone  di  trascriTere  in  notasione  modema  moltissmie  oom- 
posizioni  e  lidimoni  per  liato  diFranoeaco  Mlaneee  dal  aao  pnmo  libro 
d^intavolatnra»  edito  a  Yenezia  dal  Gardane  nel  1646  >),  riatampato  nel 
1663  dallo  Sootto  con  VAffiorUa  nova  di  qtu^tro  Reeareari^\  dal  teno 
libro  d^intavolatura  di  Francesco  Milanese  e  Perino  FiorenUno, 
Gkurdane  1547');  dal  libro  ottavo  d*intavolattiradiFietro  Paolo  Borrono, 
Scoto,  1518^);  e  dal  primo  libro  d^intavolatora  di  Joanne  Matelart, 
Roma,  Yalerio  Dorico,  1669  >). 

Fra  tutte  queste  muBiche  soltanto  l'intaTolatora  del  Matelart  preeenta 
una  dedica,  insignificante  pero;  le  altre  mancano  ancbe  di  pzefazione, 
sieche  h  tolta  la  possibilitä  di  desuriH  rc  dairedizione  an  dato  qualunqne 
sulla  Tita  dell'autore  o  sui  suoi  intcndimenü  artisticL  Tnitavia  nel  caso 
di  Francesco  da  Milano  e  di  cht  raccolse  saggi  delle  sue  sonate  per  liuto 
possiamo  inferirne  nuova  prova  che  il  musicista  ver^o  la  meta  del  secolo 
XVl"  era  tanto  celebre  da  rendere  itmtile  che  le  sue  opere  fossero 
appoggiate  al  nome  protettore  di  (^ualche  grande  per  avere  (juella  diffu- 
sione  che  rcditoro  si  ripromettcva,  mentrc  i  virtuosi  ben  sapevano  di 
quäle  gusto  tinissimo  fos'^o  fU>t;ttü  il  compositore. 

Questi  iiifatti  si  att  lu  empre  alle  fonue  piü  nobili  e  pure  dell  arte, 
sia  abbaiulonandosi  u  Kaiitasic  oriffinali,  molto  spesso  costitiiite  neirinizio 
da  canoni  alla  quarta,  alla  (luinta  od  all  ottava,  che  si  svolgono  poi  con 
pensiero  assai  libero;  sia  ispirandusi  suirintreccio  di  una  canzone,  della 
quäle  tratta  qualche  punto  pifi  caratteristico  iiello  stilo  poiifonico  allora 
in  moda,  ma  pure  con  mirabih'  cliiarezza  di  concettu.  Tiii  sevcro  si  mostra 
nei  Ricercari,  dei  quali  non  saprei  se  meglio  lodare  la  semplicitä  o  la 
dolcezza. 

1)  Intal'oldfuni  i!r  Unln  ili  Prnnrpsco  da  Milano  riiyrametite  rÜUnnpata  lÄbn 
prinw.  In  Venetia,  Apresso  di  Antonio  Gardane,  MDXXXXVI. 

2,  La  IniaJbolaiura  de  lauto  {/»Francesco  da  Milano  con  la  Canxon  de  Ii  ücceUi, 
la  BaUtfflia  franeue  et  cUtre  eo$e  come  neUa  tavoUi  nel  fm  apart.  Novaynente  ristant- 
paki.    Libro  primo.    In  Vinc^na  aj)jirefMO  Qyrolamo  Sootto,  1Ö63. 

3)  fiüahofaUtra  di  hixfo  -Ii  M.  Kranfcsco  Milanese  rf  ^f.  Perino  Fioren- 
tino  Swj  DisfipnJo  Di  Rrccrmk  Madn'i/nli  <L-  Canxone  Framese  Sfnimnnf'^  I\i.<iam' 
pata  d>  corretta.    Libro  Icrxv.    In  Veuetia  Apresso  di  Antonio  Gardane,  ALÜXL.V11. 

4)  Iniavolaiura  di  kuäo  deWeecdlente  Pietro  Paolo  Borrono  di  Milano,  nuo» 
vammU  posta  in  lucc.  et  con  ogiii  diligentia  correUa,  (^nera  pcrfettisaima  topra  qualun- 
qtir  aKrrr  iufarnlafnrn  rhr  da  </tm  indietro  $ia  ttantpaia.  Libfo  oUtuo.  Yenetüa  apud 
Hieroiiymura  Scotum,  MDKLYIII. 

5)  LUacolalura  de  leuto  de  Joanne  Matelart  Fiammgo  musico,  Lütro  primo 
novament«  da  lui  eon^otio  inkdndato  4^  comMo  A  poeto  in  fuee;  in  Roma,  Per  Ysltrio 
Dorico,  MDLDL 


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Oscar  Chüesotti,  Francesco  da  Milano. 


385 


fVaoeesco  si  rese  inoltre  beoemerito  della  ciütiira  musicale  come  tra* 
Bcrittore:  tra  i  piinuasiim  Tero  diffnae  in  Italia  la  oonosoeuEa  delle  Oan- 
zoni  firancesi^  cbe,  col  loro  movimento  ritmico  piü  spigliato  ed  arioso, 
Gol  loro  Gompleaso  aimomco  piü  sempliee  e  piü  sdiietto  di  qiianto  appariva 
nel  l^idrigale  italiano,  concorsero  efficacemente  a  detenninare  quel  prin- 
dpio  di  evoluzioiie  che  diede  origine  all'arte  modern :i. 

Giä  fioo  dal  1536  Francesco  IVIilaaese  aveva  intavolato  con  una  sicu- 
rezza  maravigliosa  la  Battagüa  francese  e  la  Camume  degH  Uccelli  di 
Janequin,  per  le  quali  ogni  liutista  ebbe  campo  Ji  dimostrare  taute  la 
perizia  deiresecuiore  nell'interprotarc  con  garbo  sullo  stromento  Tintreccio 
della  polifonia  vocale,  quanto  l  estro  del  musicista  neirispirai*si  a  qualche 
brano  delle  Canzoni  per  creare  una  Fantasia,  o  man;ari  im\in'a  di  danna. 
La  Baftnglin  frnnrrsp^  specialmoiite.  da  allora  fu  svolta  sul  liuto  nei  suoi 
luotivi  duminanti  appar^ndo  sotto  le  forme  ]>iü  varie,  per  csempio  di  Pass'e 
mezzo,  di  Saltarello,  di  C'liiarenzana,  acc;  di  tali  forine,  alcune,  al  giomo 
d'oggij  ci  sembreranno  barocche  od  ancbe  grottesche  addirittura  — 
Jiilio  Cesare  Barbctta  Padovano,  1559,  invece^)  seppe  inventare, 
con  diminuzioni  flionture)  a})])rupriate  allo  stroniento,  un  Pass'e  ni&txo 
sopra  la  liuttaijlm  che  si  mantieue  sempre  elegante  e  grazioso'). 

Arie  di  danxa  pert)  non  troviamo  nelle  intavolature  del  nostro  Fran- 
cesco; ciocch^,  se  dinot^i  che  il  compositore  non  volle  mai  abbandonare 
le  regioni  pifi  eccelse  deU'arto,  dal  nostro  puntu  di  vista  h  dcplorcvole, 
mentre  sarebbe  üiieressantissimo  per  uoi  vederc  accettate  Ja  un  musicista 
cosl  perfetto  queste  manifestazioni  del  genio  popolare  che  tanto  induirono 
per  s^iluppare  sovrana  la  melodia  dalle  composizioni  polifonicbe. 

.Per  questo  fofse  di  Francesco  daMilaiio,  che  i  contemporaiiei  quali- 
ficaroDo  il  diTino,  oggi  b  spento  il  licordo.  Koi  lo  possiamo  caloolare 
Tiütmio  dei  grandi  liutisti  clasdcL  Amniiieremo  le  sue  composiziotti  a 
titolo  di  curiositi^  pei^d  da  nno  stromento  cosi  imperfetto  come  il  liuto 
egli  riuscl  a  trarre  il  massimo  effetto,  mostrandosi  passionato,  nello  stile 
dell*epoca  bensl^  ma  senza  i  giochi  artifiziosi  della  scuola  fiammioga. 

Depo  di  lui,  nella  seconda  metli  del  Cinquecento,  i  liutisti  spiegarono 
tutfco  U  brio  possibile  nei  Paas^e  mexxiy  nelle  Ftidovanet  nei  SaÜweüi,  forme 
rudimentali  della  odiema  sonata.  Le  loro  opere,  piü  in  aocordo  coll*arte 
nostra,  ci  appaiono  miracoli  di  grazia,  di  spontaneitä,  di  freachezza;  ma 
Francesco  da  Müano  si  era  necessariamente  attenuto  alle  dottrine  della 

1)  Ne  rironln  qualche  saggio  molto  s[>icoato  nelle  intavolature  di  Marcantonio 
Del  Fifaro  Bolugnese,  1Ö46,  c  di  Melchioro  de  Barberis  Fadovanu,  1549. 

2)  U  pnmo  libro  dtlPimtamiktturu  de  luUo  cfe  ittlio  oesare  barbetta  padovano, 
Isi  Yinegia,  appresso  Giroluno  Scotto  MDLIX. 

8)  Gfr.  i  midi  Liuti*ti  dd  Cinqueemio  a  pag.  72^75. 


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386 


Oscar  Chilesotti,  Francesco  da  MOiBO. 


serera  BcolaBtioa  impostari  nei  primordl  del  seoolo.  Egli  tattam  n  giorö 
dei  mem  che  tali  dottrine  gli  concederaiio  "»TramiA  an  alto  ideale,  in 
modo  che  la  raa  arte  paxla^  al  Bentimento,  merito  di  cni  pnö  andaie 
saperbo  fl  rnnmcxsta  di  quaitinque  epooa  e  di  qnalnnqne  acuola. 

Ho  pfabblicato  coaqKMinoiii  e  ridnzioiii  per  liuto  di  Franoeeoo  da 
Mflano  negli  scritti: 

Saggio  sulla  melodiu  populäre  dcl  Cinquecento  (Milano,  Ricordij, 
LkUuH  del  einqueemto  (Lipsia,  Breiticopf  &  Blrtelj, 
JVbfe  ewm  aleuni  IkaitH  üaÜtmi  deüa  prima  meld  <isl  ümqmemito  (Tormo, 
Bocoa,  1902), 

Les  chansons  fran^iaes  du  XVI*  siede  en  Italie  nella  «Revue  d^histoire 
et  de  critique  miwcale8>  del  febbraio  1902  (Paris,  Weiter). 

Ne  presento  oggi  qualche  nuoTO  saggio  tratto  daUe  intavolatare  piü 
indietio  dtate. 


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Oswr  GhileMUi,  Fnnoeueo  d»  Milmo. 

i.  Fantasia  di  Franceseo  da  Milano. 


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Omr  CBrileiotti,  WnmmM  d»  Mümui. 


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S.  Fantasift  di  Franoeseo  da  Milano. 


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OMtr  OUkMftti,  Ik— OMBO  dt  IOImo. 


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390 


Otear  OhilaMtti,  F^wbmmo  dft  NUtiio. 

8.  «Fortune  alors» 
C&nzone  francese  IntaTolata  da  Francesco  Milanese. 

(wa  bit«r»l»tw*  M  iM«.) 


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4.  «Beyeilles  moj» 
Gansone  francese  intaTolata  da  Franceseo  Müanese. 


(D»ir  Int»ToUtar»  del  1646.) 

1. 


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391 


OncAT  Chüeaoiti,  Francesco  d*  Milano 

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392 


Omv  (MMOtd,  FranoMOo  da  MiUao. 

5.  Fantasia  di  Franceseo  Milanese. 


(OAir  IntAvolatur»  di  F.  da  MiUno 


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Oaoar  GhÜMotti,  FnuiMMo  d»  Milano. 


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6.  Faatosia  dü  Francesco  Siilanese. 


(IMV  iBtMroütura  di  F.  d*  Mi  Uno 
•  FariBO  Fivrvatino,  1647.) 


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394 


Oscar  Chiletotti,  FruiOMOO  da  Milan« 


7.  Fantasia  di  Franeesoo  MiUnese. 


(Dair  IntoTolalBradl  XIUm 
•  PaviBo  Vlormitiao,  1547.) 


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Oscar  ChileioUi,  France»ou  d»  Milaoo 


895 


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396 


Otew  GliileMtttt,  Thhmmoo  4«  Hihao. 

8.  Faatasia  di  FraneeeMO  da  MilaiUK 


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Ommt  Caulifotta,  FruMMMo  da  MOuio. 


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FaniasU  di  Frane6Beo  da  Milano. 

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Omv  GhÜMOtti,  FraiMMOo  da  Miteao. 


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Omit  OhilMoMi,  FruM6Mo  dft  MJIaso 

iO.  Fantasia  di  M.  Franeeseo  MUaaeae  la  sexta. 


(DftIP  ZatawlAtuf*  4*1  lUUUrt.) 


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Omw  Chilatotti,  PnuuMMo  da  Milaao. 


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0»car  Chile«oiti,  Francesco  da  Milano. 


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403 


8.  <L  I.  M.  IV 


27 


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404 


AUred  Heuß,  Die  venetiwiiscben  Opern-Sinfouiea. 


Die  venetianischen  Opern-Slnfoiüeii. 

Ton 

Alfred  HeuO. 

(Leipzig.; 


Einleitung. 

Vorliegende  Arbeit  liat  als  direkte  Fortsetsung  der  Abbandlang  über 
die  Lifltnimental-Stiicke  des  »Orfeo« zu  gelten,  die  mit  dem  Hinweise 
sddoß,  daß  in  allererster  Linie  die  venetianiscLen  Opern-Komponisten 
als  die  wahren  Schüler  MonteTerdi*8  zu  gelten  hätten,  die  sich  dann  hald 
in  selbständiger  Weise  aach  neue  Ausblicke  zu  verschaffen  wußten.  Dies 
führt  dann  vorliegende  Studie  näher  aus,  weshalb  ein  Teil  derselben  ans- 
schließlich  der  Betrachtung  der  venetianischen  Opern-Sinfonien  gewidmet 
ist  und  den  Versuch  macht,  in  zusammenhängender  Form  ein  deutliches 
Bild  vom  Verlauf  und  dem  Wesen  dieser  Instrumental-Gattung  zu  geben'}. 
Doch  glaubte  dieArheit  hieiLci  nicht  stehen  bleiben  zu  dürfen,  sondern 
die  in  dem  früheren  Aufsatze  aufgestellte  Behauptung  beweisen  zu  müssen, 
daß  vom  Entstehen  der  Oper  an  die  Geschichte  der  reinen  Instrumental- 
Musik  nicht  mehr  von  der  der  Oper  getrennt  werden  dürfe,  weil  die  Be- 
ziehungen her-  und  liiniiher  gingen,  und  daß  es  im  17.  Jahrhundert  die 
Instrumental-Musik  sei,  weiche  von  der  Oper  empfangt\ 

Dioser  Umstand  ist  von  den  Historikern,  welche  über  Geschichte  und 
Wesen  der  Instrumental-Musik  schrieben,  entwotlcr  gar  nicht  oder  viel 
zu  wenig  herücksichti;j;t  worden,  ohjErhich  er  t  inc  Grundfrage  des  ge- 
schichtlichen und  ;i>thetisc}ien  Vci  h«t:ui(lnisses  der  instnimental-Musik 
sowohl  dieser  als  Jrr  sj^ätcrcn  Zeiten  bedeutet.  Die  Veniachlässigung 
dieses  Grsichtspunktes  hat  vielmehr  zu  der  Annahme  der  Existenz  einer 
»absoluten'  Kunst,  der  »absoluten«  Instrumental-Musik  geführt,  eine 
Ansicht,  die  wohl  nicht  so  leicht  aufgekommen  wäre,  hiittu  man  sich  bei 
Betrachtung  der  Instrumen'  l-Musik  vor  Augen  gehalten,  daß  diese  zu 
aiieu  Zeiten  von  außerhalb  liu  ur  Sphäre  liegenden  Ideen  beeiuiluüt  worden 


1)  Saiumc'lbäudc-  der  LMü.  IV,  2. 

Auf  den  Stoff  hat  mich  Herr  Ftof*  Kretzsehmar  anfinerkaam  gemaeht,  der 
wir  auch  freundlichst  sein  großes  Material  an  Tenetianischen  Opern-Biitfiiitien  /uv  Y(t- 
fugung  stellte.  Kretzschmar  ist  der  erste,  der  auf  diese  SiiifniiiL-n  wiederholt  liinpe- 
wiescn  und  einen  Jiegriß"  ihres  Wcen?  iff>i>-e)>en  hat.  (Führer  durch  den  Konzertsaal  I, 
und  »Die  Veuetiauische  Oper  und  die  Werke  Oavalirs  und  Cesti's«  in  der  Viorteijahrs- 
adirift  (Br  ICwtkwisMiuchaft  VIIL) 


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Alfred  fleuß,  Die  TeneÜuuMhen  Opero-SiofonieiL 


405 


ist,  die  nun  alisolut  iiicLt  nur  von  der  ( )j)er  lierziirühren  brauchen:  das 
gesamte  geistige  Lelien  in  seinen  niannigfaehsten  Al)stufungon,  und  zwar 
gerade  soweit  die  Instrumental-Konijjonistcu  vun  ihm  berührt  werden,  ist 
bei  dem  Zustandekommen  von  Instrumental-Musik  niittätig,  sozusagen  ihr 
geistiger  Taufpate.  Die  Frage  in  ihrer  ganzen  Tragweite  und  Bedeutung 
geht  uns  hier  nichts  an,  indem  ein  Abschnitt  der  vorliegenden  Arbeit 
einzig  die  Untersuchung  vornimmt,  ob  undinwiefein  im  17.  Jahrhundert  die 
reine  !biBtnimental-Musik  Ton  der  Oper,  und  zwar  speziell  von  denvenetiaoi- 
soheik  C^m-SinfoiiieQ  beeinflnBt  worden  ist;  gelingt  dies  dar  Studie,  so 
hofft  sie  damit  auch  onen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Instnmijental'MusÜc 
geliefert  zu  haben,  während  die  übrige  Behandlung  des  Stoffes  als  zur 
renetianischen  Oper  gehörig  zu  betrachten  ist 

L  fiesehiehte  und  Wesen  der  TeBetianisclieft  Opern-Sinfonien. 

Die  Komponisten  der  venetianischen  Schule  sollten  auch  in  instrumen- 
taler Hinsicht  das  kostbare  Erbe  Monteverdi's  übernehmen,  verwalten  und 
nach  mancher  Seite  hin  erweitem.  Zwar  ist  ihre  Stellung  zur  Instrumental- 
Musik,  was  gleich  Anfangs  betont  werden  muß,  eine  andere,  als  wie  wir 
sie  bei  Monteverdt  in  seinem  »Orfeoc  kennen  gelernt  haben;  aber  rie  ist 
auch  eine  andere,  als  Monteverdi  sie  selbst  in  seinen  letzten  Werken 
eingenommen  hatte.  Gerade  in  der  ersten  Zeit  der  Tenetianischen  Oper 
sieht  man,  daß  die  Komponisten  sich  in  instrumentaler  Hinsicht  eher  an 
den  »Orfeo«  anschlössen  als  an  die  instrumentalkärgliche  und  einsilbige 
»Incoronazione«;  denn  in  dieser  Zeit  trifft  man  innerhalb  der  Oper  noch 
häufig  selbständige  Instrumental-Stacke  und  swar  gerade  zur  Veranschan- 
lichung  der  Situation,  was  deutlich  die  Kenntnis  und  das  Studium  des 
»Orfeo«  Ton  Seiten  der  venetianischen  Komponisten  zu  beweisen  scheint 
Beispiele  solcher  Situations-Musik  sind  bereits  von  Kretzschmar  gegeben 
worden,  und  als  bekannteste  sind  Oavalli's  Sinfoma  ndwofe')  in  der 
»Didone«,  die  Smfonia  iafemak'')  und  die*C%MiiiiaAi*)  in  »nozae  di  Teti 
e  di  Peleo«  zu  nennen.  Allerdings  konzentriert  sich  der  Anteil  der  selb- 
ständigen Instrumental-Musik  in  der  weiteren  Ehitwickelung  der  venetiani- 
schen Oper  immer  mehr  auf  die  Smfoma  am  Eingang  der  Oper  und  zwa^ 
so,  daß  sie  gewöhnlich  vor  den  Prolog  zu  stehen  kommt,  der  um  diese 
Zeit  noch  üblich  ist*  Vor  1660  kommt  es  bekanntlich  noch  öfters  vor, 
daß  die  Sinfonie  bei  einer  Oper  fehlt;  von  draser  Zeit  an  wird  sie  aber 
kaum  mehr  weggelassen. 

Das  Seltenerwerden  von  selbständigen  Instrumental-Stiicken  inneEfaalb 

1)  Die  venetianiache  Op^r  und  die  "Werke  Cavalli'a  und  Ceati'a.  Vierteljahrsachrift 
ftr  MnBikwitBenschift  VIU,  Seite  44. 
2  A.  a.  0.,  Seite  38. 
3)  A.  a.  0.,  Seite  Sa. 

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406 


Alfred  Heuß,  Die  veaetianitchen  Opero^äinfonieu. 


der  Oper  hängt  woU  xnit  der  innereD  Entwickelung  der  TenettaaiBclieii 
Oper  zdsammeii  und  erklärt  ach  aoB  dem  gleichen  Gnradei  aus  welcfaeia 
axush  der  Chor  fiel:  nur  die  monodische  Kunst  war  modern,  sie  war  es, 
die  das  Hauptinteresse  Terschlang.  Hieraus  erkUurt  es  sich  dann  wohl, 
daß  innerhalb  des  I>ramas  seihst  an  Stellen,  an  welchen  Instnuaental- 
Stfieke  zur  Terdeutlichung  der  Situation  gut  passen  würden,  ja  direkt 
wQnsdienswert  wlLren,  toh  soldien  kein  Gehraudi  gemacht  wird.  Man 
sieht  diesen  Umschwung  (immer  im  Vergleich  mit  dem  »Orfeo«)  auch  in 
der  Behandlung  der  Bitomelle:  Bei  Montererdi  waren  es  gans  selbständige 
Stttcke,  die,  zu  einem  beetimmten  Gesänge  gehörend,  durchwegs  die 
Stimmung  auf  eigene  selbständige  Wdse,  d.  h.  mit  neuen  instrumentalen 
Miltilii  >\ iederzugeben  versucht  hatten.  Bei  den  Venetianem  tun  de 
dies  teilweise  in  der  Anfangszeit  auch  noch,  aber  bald  werden  sie  immer 
mehr  und  mehr  zu  einem  auf  Instrumente  übertragenen  Vokalsatze  de- 
gradiert, wuchsen  also  auch  nicht  aus  wirklick  instrumentalem  Boden 
hervor.  So  ist  es  denn  baJd  in  erster  Linie  die  Eingangs-Sinfonie, 
auf  welche  das  Hauptgewicht  des  instrumentalen  Schaffens  fällt.  Hier 
zeigen  aber  die  Komponisten  hinreichend,  daß  sie  mit  der  Instrumental- 
Mnsik  umzugehen  wußten.  Denn  das  Urteil  über  diese  Sinfonien  ist, 
was  schon  vor  ihrer  Resprecliung  gesagt  werden  mag,  ein  sehr  giinstigesj 
auch  nur  halbwegs  mittelmiilJige  Musik  bietet  koino  dieser  Sinfonien. 

Man  merkt  bald,  daß  man  es  bei  ihren  Kompunibten  mit  Persönlich- 
keiten zu  tun  liat.  Und  allerdings,  das  Opern- Schreiben  war  schon 
damals  kein  Spaß,  vielleicht  noch  weniger  als  heute;  denn  wenn  man 
sich  die  starke  Fruchtbarkeit  des  17.  .lahrhunderts  in  Italien  vor  Augen 
hält  und  dabei  trotzdem  die  Entdeckung  macht,  daii  auf  den  Zeitraum 
von  der  Entstellung  der  venetianischen  Oper  bis  170f)  nur  etwa  3(X)  Opern 
in  Venedig')  konnnen,  so  kann  man,  wenn  man  sich  das  ungeheure 
Interesse  des  Volkes  an  der  Oper  vergegenwärtigt,  teilweise  schon  daraus 
entnehmen,  daß  das  Opemkomponiereu  kleineren  Talenten  verschlossen 
geblieben  war. 

Die  venetiaaische  Opem^inf<mie  ist  eine  Kunstgattung  ganz  eigener 
Art;  ihr  ganzes  Wesen  ist  von  dem  der  übrigen  Instrumental  «Musik 
zunächst  dnmal  ganz  und  gar  rerschieden.  Wer  nur  die  übrige  Ihstmmental- 
Mnsik  des  17.  Jshrhunderts  in  Italien  kennt,  ist  eietaunt,  neben  dieser 
eine  .so  ganz  eigenlu-tige  Kunstgattung  zu  finden,  die,  hfilt  er  sie  mit 
jener  zusammen,  ein  so  ganz  und  gar  anderes  Aussehen  besitzt  Dieses 
ihr  so  sehr  Ton  der  Instrumental-Musik  abweicheades  Aussehen  mag  denn 
auch  teilweise  mit  Schuld  gewesen  sein,  daß  selbst  in  der  neuesten  und 
ausführlichsten  Geschichte  der  Listrumental^Musik  Italiens  ron  L.  Torchi') 


1)  A  s.  0.,  Seite  88.        fl|  JUriato  muneak  1897ff. 


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Al&ed  Heuß,  Die  veaetiaaiBclieu  Op«m-Sinfomea. 


407 


ihr  abaalat  kern  Baum  gewälirt  worden  ist»  wob«  allerdings  noch  mehr 
m  bedanm  ist,  dafi  übetiunipt  noch  Ton  Niemandem  in  gr6fierem  MaB<* 
Stabe  die  veneUanische  Oper  cur  ErkUbrung  der  Tielen  Bätsel  der  italie- 
nischen Listromenial-Musik  im  17.  Jahrhundert  herbeij;eaogen  worden  ist, 
obgleich  wir  über  das  "Weeen  der  venetianischen  Oper  durch  Eretzschnuür 
schon  lange  unterrichtet  sind. 

"Wie  gesagt,  wer  an  die  Sinfonien  mit  den  gleichen  YoniuSsetsungen 
wie  an  die  übrige  Instromental-Musik  dieser  Zeit  herantritt^  der  schaut 
dieselben  mit  etwas  eigentümlichen  Augen  an  und  gestehti  ditB  er  mit  ihnen 
nidit  Tiel  anzufangen  weiB.  Sie  sind  denn  auch  von  einem  ganz  an- 
deren Standpunkte  als  von  dem  der  Kammer-Musik  aus  zu  betrachten: 
ihr  Wesen  erklärt  sich  nur  aus  der  Oper,  und  zwar  speziell  d«r  Tenetiani- 
sehen;  hier  ist  der  Schlüssel  zu  ihrem  Verstifcndnis. 

Wie  in  der  ganzen  venetianischen  Oper,  so  kann  man  auch  speziell 
in  ihrer  Opern-Sinfonie  Terschiedene  Perioden^  kura  einen  Entwicklungs- 
gang bemerken,  der  in  seinen  einzelnen  Phasen  einen  überaus  interessanten 
Verlauf  zeigt  und  ein  kleines  Stück  Musikgeschichte  in  eigenartigster 
Weise  gibt;  äie  einzelnen  Perioden  sind  ziemlich  klar  trennbar,  ja  sie 
knüpfen  sich  vielleicht  an  einzelne  Werke.    -  Es  sind  zu  unterscheiden: 

I.  Periode:  Bis  etwa  1660.  Dif-  Sinfonie  stellt  auf  duixhaus 
akkordischem  Boden.  Es  ist  die  Zeit  der  Ansbildungf  die  Sinfonie 
erreicht  gewissermaßen  ihren  Höhepunkt. 
II.  Periuclo:  Eindringen  der  fugierten  Schreibweise,  von  1660 — 1680. 
lU.  Periode:  a)  Ül)erhandnehmen  des  fugierten  Stiles  und  Aufgehen 
in  die  französische  Ouvertüre  joder  b)  eine  die  Scarlatti'selie 
Sinfonie-Art  zeigende  und  in  dieselbe  Ubergehende  £ompoaitioDS> 
weise.   Von  16bO— 1700. 

Diese  Orientierung  wiirde  also  genau  mit  der  Einteilung  übereinstimmen, 
wie  sie  H.  Kretzschmar^)  für  die  übrige  Oper  der  Yenetianer  vor- 
genommen hat. 

In  der  ersten  Periode  sind  aber  zwei  Zeitabschnitte  sehr  streng  von 
einander  zu  scheiden:  der  erste,  vom  Anfang  der  venetianischen  Opern- 
Sinfonie  l)is  etwa  1650  ;»Ercole«  von  Cavalli  1649),  in  welcher  die 

Sinfonie  einen  durchaus  feierlichen  Charakter  aufweist,  der  zweite,  in 
welchem  das  Fititlringen  von  Allegru-EhMncnton  der  venetianischen  Sin- 
fonie den  eigenartigen  Stempel  aufdrückt  und  zum  eigentlichen  Höhe- 
punkt dieser  Siiifoii;t>-( Gattung  führt. 

Absolute  Grenzen  lassen  sich  natürlich  nicht  ziehen;  auch  in  der 
Periode,  in  welcher  der  ,fugierte  Stil  schon  eine  ganz  bedeutende  Koiie 
spielt,  hnden  sich  noch  ganz  akkordisch  angelegte  Sinfonien.   Man  muß 

1)  A.  a.  0.,  Setto  83. 


AHM  HeoG,  Die  venetuoiiadi«!  OpernoSinfonieo. 


bier  wie  in  allen  anderen  kilnst lorischen  Stilgattungen  von  der  Haupt- 
Strömung  ausgehen  und  die  Bichtung  berücksichtigen,  welche  diese 

einschlägt. 

Zeit,  Ort  und  Art  der  Entstehung  und  vor  allem,  vne  bereits  bemerkt, 
der  Zweck,  für  welchen  die  Sinfonien  komponiert  sind,  geben  die  Er- 
klärung für  (las  gnnz  spezifische  Aussehen  unserer  Sinfonien.  Was 
zunächst  l)ci  den  Sinfonien  der  ersten  Zoit  [hh  etwa  1650  auffällt,  das 
ist  (1(  r  ihnen  allen  gemeinsame,  feierliche  Charakter.  Breite,  aber  immer 
streng  rliytlimisierte  Akkordreihen  mit  prächtigen,  vollen  Harmonien, 
scheinen  die  Menselien  eher  zu  einer  kirchlichen,  allermindest  ernsten 
Vtwv  znsammenzuruien,  als  zu  einer  Opern- Vorstellung.  Der  moderne 
Mensch  würde  sich  heim  Anlniren  solcher  Kläntre  Ix'inahe  hei  Choral- 
gesang  in  der  Kirche  fühlen,  so  iireit  liieUt  dieber  Tonstrom  daliin.  Und 
man  fragt  sich  dann  auch  heinahe  erstaunt,  wie  dieser  feierliche  Festtags- 
ton zu  der  Schaumenge  paßt,  wie  er  sich  vor  allem  zu  dem  kommenden 
Schauspiel  reimt,  das  durch  Darstellung  menschliclier  Tieidenschaften 
sicher  geeignet  war,  ein  so  sensitives  Volk  ^vie  die  Italiener  in  seinem 
Innern  noch  mehr  zu  erregen.  Km-z,  widerspricht  nicht  der  Charakter 
eines  soldien  Eingangs  ganz  dem  Inhalt  der  kommenden  Buhnen- 
Ereignisse?  Wohl  vielleicht  für  den  modernen  Renschen,  der  in  der 
Oper  etwas  Alltä^ches  sieht,  etwas,  das  er  jeden  Tag  haben  kann  und 
das  Olm  deshalb  als  etwas  ganz  Gewöhnliches  erscheint.  Doch  dies  war 
damals  anders:  Insbesondre  der  Komponist  trat  mit  ganz  anderen 
Yoraussetziingen  an  die  Oper  heran  als  wir  und  allerdings  auch  ein 
großer  Teil  seines  Publikums.  Dem  Komponisten  war  die  Oper  wirklich 
noch  das,  als  was  sie  den  Gründern  deraelben  Torgeschwebt  hatte,  die 
Wiedererstehung  der  klassischen  Tragödie,  die  Krone  aller  Kunst^  der 
Höhepunkt  in  den  Bestrebungen  der  Wiederbelebung  des  klassischen 
Altertums.  Zudem  war  jede  Opern« Vorstellung  ein  Ereignis  und  so  galt 
es,  diesellie  auf  eine  würdige  Art  einzuleiten. 

Der  feierliche  Charakter  der  Sinfonien  schreiht  sidi  ziemlich  sicher 
aus  dm  bewußten  Bestreben  der  Komponisten  her,  den  Zuhörer  Ton 
Anfang  an  daran  zu  erinnern,  dafi  etwas  Hohes  und  Enistes  folgen  werde. 
Die  Sinfonie  leistet  rre^germaßen  das,  was  der  Prolog  hei  der  floren» 
tinischen  Oper  tat,  der  gern  von  dem  Musikdrama  als  von  der  Erneuerung 
der  antiken  Tragödie  sprach. 

DaB  aber  die  Sinfonie  der  Venetiaiier  gerade  zu  diesei"  Art  feierlichen 
Gepräp:cs  kam.  lint  einen  weiteren,  historischen  Grund.  ]\Ian  knni^  auf 
veisrliifdene  \\'ei>e  ein  fcit  iliches  Stück  komponieren.  Auch  die  Fran/.osen 
^'ingen  vdii  drin  (Gesichtspunkt  aus,  ihre  Tragödie  feierlich  und  würdig 
vurzubereiten,  aber  ihre  Ouvertüren  hören  sich  doch  ganz  andeis  an. 
"Was  nun  bei  den  Opern-Sinfonien  der  Venctiauer  durchschimmeit,  ist 


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Alfred  Bmllf  IKa  TentttiamielMik  Op«ni-SiiifoiiMii. 


409 


nichts  anderes  als  das  reklie  Fcsttnorskleid  von  Giov.  Gabrieli's') 
Sonaten  un<l  Kanzonen.  Wie  diese  eine  Volksmusik  im  oflolstcii  Sinne 
des  Wortes  gewesen  sind,  indem  ihr  Wesei\  als  direkter  Austiuli  des 
damaligen,  reichen,  glümenileu  Venedig  anyu  «  lu  u  ist,  und  diese  Kunst, 
ein  Gemeingut  aller,  aus  dem  ganzen  Leben  und  Tieilien  des  Volkes 
seinen  Stimmungsgohalt  erhielt,  so  wirkte  diese,  Gabricli's  küjistlt  risclH^ 
Sprache  durch  das  direkte  Aussprechen  «les  Volksempfindens  auf  das 
Volk  seihst  wieder  ein,  und  drückte  der  Kunst  seiner  Heimatstadt  einen 
so  entschiedenen  Stempel  auf,  daU  dei^elbe  nicht  so  sclmell  verlöschen 
konnte;  dieser  Gabrieli'sclie,  oder  sagen  wir  jetzt,  dieser  venetianische 
Ton  wurde  bei  den  Meistern  der  vtmetiaui.schen  Schule  geradezu  sanktioniert 
imd  gestaltet  sich  za  einem  Erkennungsmittel  fltrer  Kunst  Wie  sehr 
dieser  f  eierlkdie  Ghanikter  der  Tenetiamsdien  Musik  ils  der  kflnstlffiische 
Ansdrack  des  damaligeD  Venedig  zu  gelten  hat^  sieht  man  am  besten 
aus  dem  ElnfluB,  den  derselbe  aof  Nicht-Venetianer,  wenn  dieselben  in 
dieser  Stadt  zu  wirken  begannen,  aoszuttben  im  Stande  war.  Das  klassische 
Beispiel  hierfUr  ist  Monteverdi.  Denn  derselbe  Monteverdi,  der  dem  »Orfeo« 
eine  klirrende  Fanfaren-Tokkata  Toranssofaickte,  schlägt  in  der  für  Venedig 
komponierten  »Inooronazione  ^  Poppea«')  den  pathetischen  Ton  der 
Venettaner  an,  ohne  Zweifel  der  in  Venedig  herrschenden  Knnstströmnng 
seinen  Tribnt  bezahlend. 

Und  dieser  Ton  Gabrieli  angeschlagene  feierliche  Ton  mußte  den 
Opem-Eomponisten,  da  er  zudem  direkt  an  ihrem  Wege  lag,  um  so  will- 
kommener sein,  als  er  aus  den  vorher  angcgeltenen  Gründen  trefElich  für 
ihre  Zwecke  paBte.  Für  den  Pli.irakter  dieser  Sinfonien  der  ereten 
Periode  ist  so  unbedinjLrt  Gabrieli  der  sichtbare  Hintergrund.  Was  aber 
die  Anlage  derselben  betrifft,  so  ist  sie  eine  ganz  andere,  eine  ganz  und 
gar  von  Gabrieli  abweichende  und  beruht  vielmehr  auf  der  Grundlage 
der  Monteverdi'schen  Instrumental-Stficke  aus  dem  »Orfeo«,  die  auch 
Monteverdi,  wie  wir  sehen  werden,  in  seiner  Sinfonie  zur  »Incoronazione 
di  Poppeac  zu  einem  guten  Teile  konserviert  hat. 

Der  grundlegenrle  Unterschied  zwischen  den  venetianischen  Openi- 
Sinfonien  und  den  Instrumental  -Werken  (labrieli's  besteht  darin.  daR 
die  ( )pern -Komponisten  einen  scldieliten .  auf  akkordisehur  Basis  rulien- 
den  Satz  kultivieren,  während  Gabrieli  einen  überaus  reichen,  polyphonen 
Stil  schreibt.   Man  kann  den  Unterschied  zwischen  dem  harmonischen 


Ij  Auf  beide  Gründe  zur  Erklärung  des  Charakters  dieser  Siufonieo  hat  bereits 
H.  Kreifiohmar  hingewieaen  in  seinem  Aufratie  »Liooronanone  di  Poppea« 
(Vierteljalmaohrift  fSr  Mnnkwiisenschaft  1094,  Seite  496)  und  im  Fvihrw  dttreh  deo 

Konzertsaal,  Seite  37. 

2)  Siehe  die  Sinfonie  in  Tncoronazionc  di  Poppea«,  von  H.  Kretssohmar 
^Vierteljahrsschrift  für  Musikwissenschaft  1894,  Seite  197]. 


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410 


Alfred  Heafi,  Bie  vonetitniiriien  Opem^^aiaam. 


und  pol}plionen  Satz,  wie  er  sich  gerade  in  der  ersten  Emilie  des 
17.  Jahrhunderts  so  auffallend  zeigt,  in  welcher  sich  die  beiden  Stil- 
piiiizipien  so  scharf  gegenüberstehen,  nicht  genug  betonen.  Auch  in 
unserem  Falle  zeigt  es  sich  auffallend.  Um  nur  ein  einziges  konkretes 
Beispiel  zu  geben,  sehe  man  den  instrumcutaien  Teil  der  voii  Winter- 
fcld  ueugedi'uckten  Sinfonie  sacrc^)  nach,  der  kaum,  nachdem  er  mit 
einigen  Akkorden  begonnen  hat,  sofoi't  ein  reiches  kontiapunktisches 
Gewebe  folgen  läßt.  Ganz  anders  die  Opern-Sinfonien:  sclüicbt,  Note 
gegen  Note  gesetzt,  ganz  anspruchslos,  was  höhere  Satzkunst  anbeüifft, 
treten  sie  aul|  und  so  bilden  sie  in  dieser  Einsicht  den  stärksten  Gegen- 
satz zu  den  reichen,  polyphonen  S&tien  des  Ghibrieli,  in  welchen  gerade 
das  bewegte  Leben  der  Mittelstimmen,  die  bei  den  Opern-Sinfonien  stark 
snrücktEeten,  em  so  lesselndes  Bild  des  glfiaieiideD  Yenedig  gegeben, 
hatten. 

Es  ist  zweifellos,  dafi  die  Sinfonien  der  Venetianer  nach  dieser  Biehtong 
hin»  nSmlich  der  kunstroUer  Ausarbeitung,  nicht  denselben  hohen  kOnst- 
lerischen  GknuB  ivie  die  Gabrieli^schen  Stücke  gewahren.  Die  äußere 
Wirkung  ist  aber  wohl  ziemlich  gleichartig;  das  Glefühl  hoher  Feierlich- 
keit erreichten  diese  Komponisten  mit  ihren  langsamen,  vollen  Akkord- 
Folgen  ganz  TortrefElich  und,  was  nicht  unwichtig  war,  auf  sehr  einfache 
Art  und  Weise,  für  Opern-Komponisten  von  nicht  geringem  Belang.  Auch 
den  Gewinn  großer  QemeinTerständlichkeit  hatten  sie  für  sich,  inn  fUr  die 
Tolksbühne  där  Venetianer  eine  Existenz-Frage  bedeutete. 

In  der  allerersten  Zeit,  der  Periode  der  feierlichen  venetianischen 
Opern-Sinfonie,  ist  diese  noch  nicht  das,  was  sie  später  werden  sollte, 
eine  Einleitung  zu  einer  ganz  bestimmten  Oper.  Sie  hätte  dies  schon 
deshalb  nicht  sein  können,  weil  in  der  Oper  sdbst  der  feierliche  Ton 
nicht  mehr  in  der  Weise  der  Sinfonien  zu  treffen  ist  Wohl  fehlt  es 
den  Opern  nicht  an  Schauerlichem,  Wunderbarem,  aber  bei  ihren  Sin- 
fonien hat  man  dennoch  nicht  das  G^efUhl,  als  ob  die  Komponisten  bei 
ihrer  Yerferttgung  an  derartige  Szenen  gedacht  hätten;  es  ist  eine  feier- 
liche, beinahe  ideal  reine  Stimmung  von  einer  gewissen  Objektintät,  die 
diese  Sinfonien  durchzieht.  In  einer  Beziehung  ^vertritt  die  Sinfonie 
dieser  Zeit  die  Stelle  der  Tokkata  im  »Orfeo«:  sie  macht  den  Zuhörer 
darauf  aufmerksam,  daß  etwas  Großes  folgen  werde.  Freilich  tut  sie 
das  in  einer  ganz  [anderen  Art  wie  die  rauschende  Tokkota,  die  gerade 
so  gut  bei  der  Ankunft  eines  hohen  Herrn  gespielt  werden  konnte;  und 
sidier  ist  die  venetianische  Sinfonie  eine  Vertiefung  und  Veredlung  ge- 
genüber dieser,  und  Monteverdi  ist  ja  auch  gerade  derjenige,  der  9i^Aßt 
den  feierlichen  Zug  mit  den  Venetianem  teilt  Aber  bis  zu  den  späteren 


1)  QsbrieU  imd  seta  Zeit«lt«r,      Seite  74. 


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A]£red  Hauß,  Dia  TmetumMdraik  Opem-Sinlbiuflii. 


411 


Frognunm-Siiifonieii  igt  es  noch  ein  ganz  gewaltiger  Schritt,  der  ont 
dann  getan  werden  konnte,  wenn  neben  den  ernsten  Elementen  audi 
solche  in  die  Sinfonie  ^"g»"g  gefunden  hatten,  die  direkt  in  der  Oper 
Tertreten  waren. 

Eine  größere  Satzzabl  weisen  die  Sinfonien  dieser  Zeit  nicht  auf, 
was  sich  leicht  daraus  begreift,  weil  sie  nur  einerlei  Sümmiingsgehalt 
wiedergeben  wollten,  folglich  mit  einem  Satze  aaskommen  konnten.  Auch 
bei  der  Sinfonie  zur  »Incoronazione  di  Poppea«  von  Monteverdi,  die  aus 
mehreren  Gründen  an  die  Spitze  der  näheren  Betrachtung  gestellt  wird,  ist 
dies  der  Fall.  So  mager  und  spärlich  Monteverfli  mit  Tnstrumental-Stücken 
in  dieser  Oper  auch  ist,  für  die  Erklärung  der  Sinfonirn  dieser  Periode 
ist  diese  Sinfonie,  die  einzige  der  Oper,  von  eroßeni  "Werte,  indf  m  sie  den 
Beweis  liefert,  daß  sie  für  die  andern  ISinfonicn  nicht  ohne  Emliuß  ge- 
blieben ist.  Die  iSinfonie,  die  in  ihren  Haupt/.iia;*  n  in  Kretzschmar^s 
Monographie  zu  dem  Werke  Monteverdi's  steht  ^j,  ist  zweiteilig;  der  zweite 
Teil  ist  eine  Umbildung  des  ersten  Teils  vom  V4  den  '/4  Takt,  weist 
also  das  gleiche  Verfallen  auf,  welches  Monteverdi  auch  in  den  Tänzen 
des  Ballo  deUe  ingrate  mit  solchem  Erfolge  angewendet  hatte.  Aber  in 
noch  etwas  anderem,  weit  wichtigerem  zeigt  die  Sinfonie  uns  den  alten 
jNfonteverdi ;  der  zweite  Teil  ilires  Ikiü- Themas  ist  nichts  anderes  als 
eine  Umkehruug  des  ersten  auf  anderen  Tonstuicn: 

L  Strophe. 


— pn-  [ 

a!  J — 1      '  "1 

IL  Strophe. 


3: 


worauf  Stro])lie  T  in  C-dtir  erscheint,  während  die  zweite  die  Uberleitung 
nach  A-nioll  iiherniinint. 

Dies  ist  ganz  das  gleiche  l'rui/i]),  das  Monteverdi  so  oft  in  seinem 
»Orfeo«  angewendet  hatte,  eine  geistreiche  Verwertung  der  Sequenz. 
Die  lang  ausgehaltene  Note  am  Anfang  ist  bereits  venetianisch ;  die  Ve- 
netianer  wenden  solche  in  ihren  Sinfonien  Überaus  häufig  an;  es  ist 
immer,  als  wollten  sie  damit  den  Zuhörern  znrofen:  Geht  Acht,  es 
kommt  etwas  ganz  Besonderes. 

Das  Wichtige  an  der  Sinfonie  ist  fOr  nns,  daß  sie  mit  ihrem  klaren 
Anfban  ganz  dieselben  Ausblicke  eröffnet,  wie  die  Stttcke  im  »Orfeoc: 
ein  rhythmisch  scharf  gegliedertes  Ganzes,  und  ganz  auf  haimonischer 
Grundlage.  So  ist  trotz  der  scheinbar  äußeren  Yeraimung  des  Monte- 


1]  A  a.  0.,  Seite  497. 


412 


AJ£red  Hea£,  Di«  TeoetüuuMh«»  Openi-Siiifomea. 


vercU'schen  Orchesters  in  Venedig  (die  JSiiifonie  hat  drei  Ürcbester-Stimmen) 
doch  immer  noch  ein  inneres  Moment  des  früheren  Monteverdi  gebHeben. 
und  gerade  dieses  Eine  ist  es,  welfhcs  die  veiietianischen  Komponisten, 
natürlich  mit  Zugrundelegung  des  »Orfeo«  aufgreifen  und  weiterbilden 
sollten.  Vor  allem  tut  dies  der  persönliche  Schüler  Monteverdi^s, 
Friiiicesco  Oavalli:  bei  diesem  i«t  der  direkte  Einfluß  dee  Altmeister» 
aof  Schritt  und  Tritt  m  verspüren;  am  Uaisten  und  wdUStfmSMm  zeigt 
er  ffloh  in  setner  Sinfonie  zu  »Doridea«  <)  von  1645.  Diesem  Eünleitongs- 
Stficke  hat  nämlich  Oaralli  die  Sinfonie  zur  »Incoronasione«  zu  Qninde 
gelegt,  und  zirar  so,  daß  er  das  Baß-Thema  der  Montererdi^sehen  Sin- 
fonie hinflbenimmit)  dasselbe  aber  —  und  dies  ist  für  das  Verst&ndnis 
der  ' Sinfonien  Ton  entschiedenem  Belang  —  anders  auslegt  Schon  bei 
Besprechung  de»  ersten  Bitomells  Ton  Monteverdi's  »Orfeo«  ist  gesagt 
worden,  daß  die  Komponisten  bei  der  Bildung  von  In8tnimental*^StiiGkeii 
das  Hauptgewicht  auf  den  Baß  legten,  und  daß  dieser  in  erster  Linie 
zu  betrachten  sei.  Sicherlich  kann  dies  in  der  Zeit  der  Herrschaft 
des  Generalbaases  nicht  besonders  Terwundem;  ist  es  doch  etwas  sehr 
(Sewöhnliches ,  daß  bei  Ritomellen  nur  der  BaR  von  den  Komponisten 
notiert  wird.  Hier  haben  wir  aber  einen  direkten  Beweis  für  das  Ver- 
fahren der  Komponisten  und  für  die  Art  ihres  Komponierens,  selbst- 
verständlich nur  von  Instrumental- Stttcken.  Der  Baß  galt  als  eigent- 
licher Kern  der  Sache  und  war  gewissermaßen  Gemeingut  der  Musiker; 
ihn  aber  neu  auszulegen,  das  war  die  eigentliche  Aufgabe.  Die  Kom- 
ponisten verfuhren  so  ganz  ähnhch  wif  unsere  Harmonie- Schüler,  die 
ein  beziffertes  oder  unbeziffertes  Baß-Thema  bekommen  und  dasselbe  für 
so  und  so  viel  Stimmen  aussetzen.  Das  ganze  Verfahren  steht  mit  dem 
Ausle;jTn  flcs  Flasso  continuo  für  das  Akkom]K»«,nionunt  im  engsten  Zu- 
sammenhang', i'\n/.\^  mit  dem  I  iitvrschied,  daß  \\v":  ein  selbständiges 
Musikstück  aufzustellen  war.  Cavulli  folgt  seihst  in  Kinzelheitcn  seinem 
Vorbild;  so  behält  er  am  Anfang  die  Fermate  \\v\  und  Ycillziclit  dann 
besonders  auch  die  rhythmische  UmbUdungder  dritten  und  vierten  Str<ij)he 
aus  den  ersten  beiden,  wovon  bei  Mouteverdis  Sinfonie  bereits  Erwähnung 
getan  worden  ist. 

Der  Fall  wirft  ein  scliarfrs  Licht  auf  das  Verhähniü  der  jüngeren 
Kompum.sten  zu  Monteverdi,  die  selbst  in  Kinzelheiten  ihrem  Meister  zu 
folgen  suchen.  Sicher  hatte  es  Cavalli  nicht  nutig,  bei  Monteverdi  zu 
entlehnen,  da  er  um  diese  Zeit  bereits  neun  Opern  geschrieben  hatte 
und  ein  berühmter  Meister  war.    Eher  kann  man  dai'an  denken,  daß 


1)  Bibliothek  San  IVfarco  zu  Veiiecb'pf. 

2  Vergleiche  de»  Verfassers  Aufsatz  »Die  Instrumeutal-btücke  de»  Orteo« 
(SaininelbuulA  der  BCG.  lY,  3,  Seit«  187). 


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Alfred  H«a6,  Die  vonetniuMiieii  Opem-Süifoiiien. 


413 


Cavalli  mit  der  Herübernahme  des  Monteverdi'schen  Themas  dem  be- 
reits verstorbenen  Meister  eine  Ehre  erzeigen  wollte. 

Interessant  ist  die  Sinfonie  feraer  dadurch,  daß  sie  fünfstimmip;',  die 
Monteverdi's  aber  nur  tirristimmig  ist.  Der  Grund  liegt  waiirscheinlich 
darin,  daß  die  Opern  liir  verschiedene  Theater  komponiert  sind,  die 
>Tncoronazione«  für  S.  (imrmiiii  f  Paolo,  die  »r)orielea<  fih-  N.  (assidno^]. 
Da  die  Koniponistüu  die  Aidage  ihrer  Openi  ganz  nach  dem  ihnen  zur  Ver- 
fügung stehenden  Personal  richteten,  Bü  könnte  gest  hlossen  werden,  ilaß 
das  Theater  S.  Giovamd  c  Paolo  ein  bedeutend  schwächer  besetztes 
Orchester  hatte,  als  das  Theater  8.  Cattsiano,  was  ein  Grund  dafür  sein 
könnte,  daß  Mouieverdi  in  der  ^lucoronazionc*  die  Instrumental-Musik 
so  kärglich  beniati.  Etwas  Entscheidendes  kann  allerdings  deshalb  nicht 
gcüagt  werden,  weil  die  Akkord-lli^ll  umente,  die  bekanntlich  nicht  be- 
sonders notiert  sind,  den  Haupts tamm  des  itahenischeu  Üpern- Orchesters 
im  17.  Jahrhundert  bildeten.  Eine  Besetzung  von  zwei  Violinen  ist  bei 
den  Sinfonien  der  Yenetianer  eher  Ausnahme;  nur  die  Ritomelle,  diese 
aber  fast  immer,  sind  dreistimmig.  Cavalli  Bebt  die  fUnfstimmige  Be- 
setzung, wie  auch  Gesti  geiwohnfich  mehr  als  vier  Stimmen  anwendet 

Ebenso  scharf,  in  gewisser  Beziehung  noch  scharfer,  zeigt  Monte- 
verdi'schen  EtnflnJB  eine  andere  Sinfonie  OavalH's  aus  dieser  Zeit,  die 
als  Repräsentantin  der  Sinfonien  dieser  ersten  Zeit  in  den  Beilagen 
(Nr.  1)  zu  finden  ist,  nämlich  die  Sinfonie  zur  Oper  »Ormindo«^),  die 
vor  der  soeben  besprochenen  komponiert  ist  (im  Jahre  1644).  Die  Oper 
ist  ebenfalls  fUr  das  Theater  S.  Oassiano  komponiert;  die  Sinfonie 
ist  vriedAr  fttnfstimmig  und  einsätzig.  Der  dramatische,  unruhige  Ghist 
macht  sich  bei  ihr  bereits  stärker  geltend,  indem  sie  ganz  mit  Fermaten 
durchzogen  ist  Ganz  absichtlich  durchbridit  der  Komponist  immer 
wieder  den  ruhigen  Fluß  der  feierlichen  Akkorde,  aber,  was  man  be- 
merken möge,  nie  planlos.  Es  ist,  als  hätte  Cavalli  etwas  Furchtbares 
zu  sagen,  das  ihn  immer  wieder  zum  Stocken,  zum  Stehenbleiben  zwingt 

Man  betrachte  aber  einmal  den  ungemein  symmctrisclien,  wie  aus 
Marmor  gemeißelten  Aufbau.  Die  Sinfoir'f  :  <  rfällt  durch  die  gegen- 
seitig korrespondierenden  Fermaten  in  drei  fast  gleich  große  Teile,  die- 
einander  beinahe  pedantisch  nachgebildet  sind  und  zwar  nach  dem  Prinzip, 
welches  Monteverdi  in  den  Ritornellen  seines  »Orfeo«  mit  solcher  Wucht 
aufgestellt  hatte.  Jeder  Teil  ist  nichts  anderes  als  eine  AViederholung 
des  ersten  auf  anderen  Ton^tufen;  nur  «Ilt  dri*t»' Teil  erfährt  eine  kleine 
Erweitenin.ET.  In  den  Anordnuniren  dieser  Wicdcrliolungen  inbezug  auf 
die  Tonarten  vt-rfalinii  die  W'nclianer  bereits  moderner  als  ^lonteverdi, 
indem  dieselben  nach  Prinzipien  geschehen,  die  heute  noch  maÜgebend 

1)  Oalvani,  I  tetUri  muneali  di  Venexia  net  Seeoh  XVII. 
2}  Bibliothek  San  Aforco  zu  Venedig. 


414 


Alfred  HeuO,  Die  venetkniieheik  Opem-flinfiniieii. 


sind,  tmd  für  welche  in  dieser  Zeit  in  der  Xustrumental- Musik  erst  die 
Ansätze  vorliegen. 

Der  Fermaten  Akkorde  in  (f-moll  und  d-moU  werden  in  der  Parallel- 
Tonart  und  deren  Dominant^'  repetiert,  ebenso  das  eigentlielie  Thema, 
das  in  B-fhtr.  F-dur,  C-moli  unt  Kückschhlß  in  der  Haupt-Tonart  g-m(M 
zu  stehen  kommt.  Nach  Montevcnli'sehem  Vorbilde  setzt  die  zweite 
Violine  in  der  zweiten  Strophe  eine  Oktave  höher,  über  der  ersten,  ein, 
sodaß  durch  diese  Versetzung  ein«  neue  Klangwirkung  erzielt  und  das 
Aufdringliche  der  Sequenz  vermieden  wird. 

Dieser  so  übersichtliche,  in  stren«:^  rhvthmische  Strophen  abgeteilte  Auf- 
bau von  Cavalli'schen  Sinfonien  nimmt  sich  su  selbstverständlich  au«?, 
daß  man  kaum  daran  denkt,  daü  es  das  Einsetzen  einer  ganzen  Persöu- 
•  lichkeit  bedurft  hatte,  um  diesen  Typus  in  der  instrumentalen  Praxis 
dieser  Zeit  durchzusetzen. 

Halten  wir  solche  und  andere  Sinfumen  der  Venetianer  mit  Instru- 
mental-Stücken Gabrieli's  und  auch  seiner  Nachfolger  zusammen,  so 
stellt  sich  der  große  Unterschied  klar  genug  heraus.  Haben  wir  vorher 
gefunden,  daß  die  venetianischen  Opern-Komponisten  Gabrieli^s  feier- 
liche Weise  in  ihr  Kinleitungs-Stttck  hinttbergenouunen  haben,  so  stellt 
neb  in  der  Behandlung  des  Satzbaues  heraus»  daß  bieiia  MonteTerdi  das 
maßgebende  Vorbild  gewesen  ist 

Ein  Blick  aul  die  Übrige  ^Instmmental-Musiky  die  wir  nie  aus  den 
Augen  Terlieren  dOifen,  belriirt  uns  denn  auch,  daß  das  Piinsip  einer 
Uttren  Gliederung  noch  nicbt  dnrchgedrangen  war.  Es  ist  frQher>)  auf 
die  beiden  iüchtungen,  welche  die  Listnunental-Musik  in  der  ersten  Hälfte 
des  Jabrbunderts  geht,  hingewiesen  worden.  Sie  präsentieren  sich,  wie 
auseinandergesetzt  worden  ist,  in  ihren  Hauptzügen  als  die  Hanzonen-^ 
Sonaten-  und  die  Tanz-Fonui  Ton  denen  die  eine  den  f  ugierten,  die  andere 
den  hannoniscben  Satz  kultiviert.  Nur  die  langsamen  Sätze  der  Elan- 
Zonen  u.  s.  w.  stehen  eben&Us  auf  akkordischer  Grundlage,  bei  denen  man 
aber  eine  schärfere  Periodisierang  auch  um  diese  Zeit  noch  ganz  ver- 
mißt.  Die  Gründe  bestehen  darin,  daß  die  beiden  Bichtungen,  ohne 
einander  zu  durchkreuzen,  nebeneinander  selbständig  herlaufen.  Auch 
der  Tanz  nahm  nichts  von  dem  Wesen  der  Eanzone  in  sich  auf;  er  bleibt^ 
was  er  war.  Man  sieht  gerade  in  der  italienischen  Listmmental-G^ 
schichte,  daß  der  Tanz  aus  sich  selbst  kerne  größeren  Formen  schafft» 


1)  Vergleiche  Hie  mann,  »Die  Bedeutung  derTazmtücka  fix  die  Entstehung  dar 

Sonate^    Aula  1805,  N'r.  3.  S.  4'.  der  di  u  Kompositionen  dipser  Zeit  »entweder  ein 
Zurückialleu  m  die  Haupttonart]U><ii  allen  TtHlsclilüssi-u  oder  aber  ein  planloses  Uerum»  , 
irren  auf  den  Stufen  des  diatonittcheu  Systems«  vurwirlt  ,  em  Urteil,  dem  ich  indes 
nidit  «o  ohne  weiteres  nutimmeii  kenn. 

2}  SammelbMid  IV,  8,  Seite  18S  und  Seite  217  £ 


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AUMl  Hwß,  Ow  veaetMuiidiea  Opem-Sinltom«!. 


415 


eine  Ansicht,  welche  zu  dem  weitverbreiteten  Irrtum  tUhrte,  daß  die 
Sinfonie  sich  aus  der  Suite  entwickelt  habe*].  Denn  auf  sich  allein 
gestellt,  bleibt  der  Tanz  unfruchtbar,  und  ist  unfähig,  größere  Forniiui 
aus  sich  heraus  zu  scliatten.  Ich  möchte  hierfür  gerade  ein  Beis))iel 
aus  der  italienischen  Instrumental  -  Musik  geben.  Marini,  vielleicht 
der  scharfsinnigste  unter  den  Instrumental -Komponisten  dieser  Zeit, 
ist  in  seinen  Tanzstücken  vom  Jahre  1655  in  der  Form  keinen  Schritt  • 
weiter  gegangen  als  in  denen  des  ersten  Werkes  von  1617';;  eine 
"Weiterentwicklung  des  Tanzes  in  dem  Sinne,  daß  er  die  Fesseln  der 
Tanzform  zu  sprengen  vermocht  hätte,  ist  nicht  zu  konstatieren^).  Und 
ebenso  hatte  der  Kanzonen-Stil  noch  keine  innere  Durchbildung,  eine 
gründliche  Dnrchschttttelung  mit  schärferen  Elementen  erfahren:  von 
einer  gegenseitigen  Befinichtimg  der  beiden  Sdralen  ist  noch  nichts  am 
bemerken.  Erst  nach  der  Mitte  des  Jahrinmderts  beginnt  die  gegen- 
seitige Wechselwirkung  der  beiden  Bichtangen,  der  Kammer-  nnd  Kirehen- 
Sonate,  die  dann  endlich  die  eigentliche  Sonatenfoim  der  Corelli'schen 
E^MMihe  zeitigen  sollte,  die  ohne  die  Yerscbmelziuig  der  beiden  Bichtungen 
nicht  bitte  zu  stände  kommen  können.  In  der  Zeit  der  beinahe  abso- 
loten  Herrschaft  des  Kontrapunktes  hatte  Monte?erdi  durch  Bevorzugung 
der  harmonischen  Sdireibweise  der  Instrumental-Mttsik,  sofwn  sie  das 
modern  -harmonische  Prinzip  Tcrtreten  soUtOi  eine  sichere  Positjon  ge- 
schaffen, welche,  wie  wir  sehen,  in  erster  Linie  die  venetlanischen  Kom- 
ponisten halten  und  befestigen  sollten.  • 

^och  klarer  zeigt  sich  aber  die  eigenartige  Bichtung  der  Vene- 
tianer,  wenn  man  ihre  Sinfonien  mit  <!•  iien  anderer  Openistädte  vergleicht, 
vomelunlich  mit  Rom,  dem  bedeutendsten  Oi)ci'n Zentrum  unmittelbar  vor 
Venedig.  Ein  bemerkenswertes  Werk  aus  dieser  Gruppe  ist  Stefano 
Landi's  »San  Alessio«,  das  H.  Goldschmidt  in  seinen  »Studien  zur 
Greschichte  der  italienischen  Oper  im  17.  Jahrhundert«  einer  gründlichen 
Würdigung  unterzogen  hat,  wobei  insbesondere  auch  die  Einleitungs- 
Sinfonien  der  einzelnen  Akte  eine  eingebende  Bebprechung  erfahren. 

Der  Unterschied  zeigt  sich  hier  in  der  schärfsten  Weise.  Während 
die  Venetianer  eine  durchaus  eigene,  von  der  übrigen  Instrumental-Mu- 
sik abweichende  Kompositionsweise  in  ihren  Sin;fomen  anwandten,  gehen 

r  Zu  rlicHpm  Irrtnm  TiftHf»«  >)<■-.  .ixler«  Wagner 's  Sofariften  beigetragen,  die  in 
ihrt;m  hiHturtächen  Teil  beinahe  sämtlich  vorfehlt  sind. 
2)  Op.  22,  Stadt-BibUothek  zu  Breslau. 
8)  Op.  L  AffeUi  mttaieaH,  Ebenda. 

4^  Das  wicIitiLTst)'  Beispiel  bietet  die  deatsohe  ListniineDtal-^IuHik  im  17.  Jalip* 

hundert.  Dieseiljti  bleibt.  sie  von  Anfaritr  an  gewesen  i-t.  Suiten-.  Tanz-Kumpn- 
sitiiin,  und  entwickelt  keine  größeren  Formen.  Erst  Kose nni  ü  1  le r  bringt  hier  eine 
Wendung,  uls  er  sich  den  Italienern  anschüeßt.   Siehe  unten  Seite  466. 


416 


Alfred  Heul>,  Div  venetiauischen  Opern-SüifonieQ. 


die  Eomponisten  jener  Schale  gerade  loa  der  ttbiigen  Instnunental-Ma- 
«k  ans  und  stellen  ihren  Dramen  Instnunental-^tOcke  YOiana,  die  sich 
in  nichts  von  der  Kammer-Musik  dieser  Zeit  untemeheiden.  Ihre  Sin- 
fonien sind  Eanzonen  in  der  Üblichen  Form  und  Anlage,  sogar  der  üb- 
liche Kanzonen-Bhythmua  f  T  f  fehlt  bei  keinem  der  Stttdce;  bei  der  Sin- 
fonie zmn  ersten  Akt  schreibt  Landi  sogar  nodi  ausdrQckHch,  daB  man 
*  es  mit  einer  Kanzone  su  tun  habe.  Die  Sinfonien  smd  denn  auch  in 
der  Art  der  Listrumental-Kanzonen  fngiert:  eine  Stimme  sefatt  nadi  der 
andern  ein  und  wenn  alle  beieinander  sind,  so  fängt  die  Verarheitang 
des  Themas  nach  den  damaligen  Prinzipien  an,  wobei  es  voricommen 
kann,  daß,  wie  in  der  Sinfonie  zum  zweiten  Akt,  eine  Art  zweites  Thema 
auftritt)  was  auch  bei  Kanzonen  Q-.  Grabrieli's  vorkonmit  Von  einer  Be- 
ziehung dieser  Sinfonien  auf  das  kommende  Drama  kann  nicht  einmal  in 
dem  Sinne  der  venetianischen  Opern-Sinfonien  di^er  Periode  die  Bede 
sein,  die  mit  ihrer  absichtlich  zur  Schau  getragenen  Feierlichkeit  etwas 
•^Miiz  andreres  bieten  als  die  übrige  Instrumental-Musik,  während  sich 
diese  Kanzonen-Sinfonien  nicht  anders  anhören  als  die  Instromental- 
Musik,  wie  man  sie  zu  Hause  pflegte.  Selbst  für  den  langsamen  Satz 
der  Sinfonie  zum  zweiten  Akt  könnte  der  bestimmte  Nachweis  des  Pro- 
gramm-Charakters, wie  ihn  Goldschmidt  annimmt,  nicht  so  leicht 
werden,  einmal  deswegen  nicht,  weil  dieser  ruhige,  gebundene  Ton  bei 
den  langsamen  Sätzen  der  Kanzone  häufig  zu  treffen  ist,  dann  aber  des- 
wegen nicht,  weil  der  angebUch-  die  Erlösung  des  Helden  andeutende 
Satz  doch  besser  in  die  Sinfonie  zum  dritten  Akte  passen  würde,  in 
welchem  die  Erh'isung  Alessios  doch  erst  erfolgt.  Das  einzige  Zugeständ- 
nis, welches  Landi  (L  ni  Bühnenzweck  seiner  Sinfonien  machte,  scheint 
mir  in  der  Sinfonie  zum  ersten  Akte  zu  liegen,  in  welcher  er  der  Kan- 
zone ein*  n  breiten  vollen  Satz  voraussrhickt,  was  bei  der  Kanzonen- 
Literatur,  so  weit  sie  mir  bekannt  ist,  nirgends  zu  tinden  ist,  eine  Neu- 
eninir,  die.  wenn  sie  Naelifolcfo  jrefinidcn  hiitte.  vielh'icht  von  einer 
ähnlichen  BetKutiiug  hätte  ^vL'rd<'u  kiiniu  n,  wie  das  Einleiten  der  Suite 
mit  einer  Sinfojiic  welches  tUe  »leutschen  Instiiimental-Komponisten  in 
der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  vornahmen*),  indem  durch  einen 
wirk! i(  Ii  freien  Satz  die  starre  Gewalt  der  Kanzonen  leichter  gebrochen 
hätte  werden  können. 

Mit  Hedit  Hiacht  Goldschmidt  dnrauf  aufmerksam- ,  daB  die  Sinfonie 
zum  zweiten  Akt  den  Typus  der  späteren  Seiirlatti'selien  Sinfonie  auf- 
whIsp:  sie  wird  auch  wohl  die  erste  Ouvertüre  sein,  welche  die  bekannte 
Satz-Autstelluug  zeigt.    Dennoch  handelt  es  sich  auch  bei  ihr  um  nichts 

1}  Vergleiche  Karl  Nef.  Zur  GeMibidite  der  deatsdien  LiBtrumeotalmutik  in  der 

zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhundertg. 
2;  A.  a.  0.,  Seite  61. 


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AUred  Heuß,  Die  veiwtianisdiea  Opem-ämfomea. 


417 


anderes  als  vm  die  Übertragung  der  fiblieliea  EammeiyKaiizoiie  fOr 
Blümenzwecke,  und  ihre  Abstammmig  trägt  diese  Sinlome-Ksnsond  be- 
soaden  stark  nur  Schau,  wefl  sie  m  dem  difttm  Satie  wieder  wat  das 
Haupt-Thema  des  ersten  Sataes  zuxttekkommt,  was  man  beinahe  alä  ein 
tjrpisdies  Zeichen  der  Ejmzone  ansehen  mufi.  Bei  der  späteren  Scarlatti- 
sehen  Sinfonie  kommt  aber  ein  solches  Zurückgreifen  nie  vor,  da  der  letzte 
Satz  [meistens  2/4  Vs)  den  ersten  (gewöhnlich  Vi  Vi)  so- 
wohl in  der  Taktart  als  auch  im  CShaiakter  scharf  kontrastiert  Ein 
anderes  Oharakteiistiknm  der  italienischen  Sinfonie^  das  Scarlatti  in  dieser 
Kompositions-Ghittung  in  konsequenter  Weise  (TereuuMlt  kommt  es  auch 
bei  den  Ysnetianisehen  Opem-Sinfoiiien  öfters  tot)  dmchgefOhrt  hat,  ist 
das  scharfe  Trennen  der  l^tse,  das  nicht  Ineinanderspiclen  derselben, 
was  bei  der  Kanzonen-Litcrattir  vor  Einwirkung  des  Tanzes  fast  immer 
anzutreffen  ist  Die  Ähnlichkeit  der  Landi'schen  mit  der  Scarlatti'schen 
Sinfonie  liegt  so  nur  in  der  sufiUligen  DreisatarForm,  zufällig  deshalb, 
weil  Landi  dieses  Schema  in  dt-ti  anderen  Sinfonien  nicltt  innehält 
Lmerlich  unterscheiden  sicli  die  beiden  vSinfonie-Arten  natürlich  ganz  und 
gar,  gerade  so  wie  der  Anfang  des  17.  vom  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
sich  unterscheiden.  Die  ganze  mächtige  Entwickelung  der  allmählichen 
Bcfrciiinpr  von  der  polyphonen  Form  zur  akkordischen,  konzertierenden, 
lioinoi)honen,  welche  Seite  die  Scarlatti'srhen  Sinfonien  in  so  einseitiger 
"Weise  vertreten  sollten,  liegt  dazwischen.  Nach  dieser  Kichtung  aber 
weisen  die  Kanzonen-Sinfonien  nncli  nicht  im  Gerin^^sten  liin,  während 
die  Sinfonien  der  Venetianer,  wii>  sich  im  Verlauf  dieser  Abhandlung 
zeigen  wird,  teilweise  den  Scarlatti'tichen  »Stil  direkt  vorbereiten.  Vor- 
läuiiff  ist  es  aber  nicht  am  Platze,  Scarlatti  in  irgend  welcher  Weise  zum 
Vergleiche  herbekuziehen. 

Es  ist  nicht  Landi  allein,  der  seine  Sinfonien  in  der  Weise  der  Kan- 
zoue  anlegt.  Auch  Giulia  Caccini,  die  Tochter  des  berühmten  Ii»  ile- 
nisten  schläft  in  ihrer  Sinfonie  •)  zu  >La  Libera/iunc  di  Kuggieru  d'al- 
risola  d'Alcina«  1626  den  Kanzonen-Ton  au,  allerdings  in  der  entschie- 
den fortschrittlichen  Art,  daß  alle  Stimmen  zugleich  mit  dem  Kanzoueu- 
Thema  beginnen  wodurch  von  Anfang  an  eine  Gesamtwirkung  erzielt 
wird.  Eine  Parallele  bietet  Honteverdi*s  Sinfonie  auf  Seite  179  der 
Eitner'schen  Ausgabe,  die  ebenfalls  den  Eanzonen-Bhjrthmus  aufweist 
Im  zweiten,  langsamen  Satz  verrKt  sie  noch  stärker  den  Einfluß  Monte- 
▼ecdi^s,  indem  der  Aufbau  des  Sätzchens  ganz  unzweideutig  nach  dem 
»Orfeo«  hinweist:  streng  sequenzmüBige  Anlage,  wobei  immer  je  vier 
Takte  zusammengehören*). 


1)  Von  Benni  Prof.  Kretsaohmar  mir  freondliahit  aar  VerHigung  gectdlt. 
8^  Bei  Qiulia  Oftccini  aeigt  noh  MonteTerdrtolier  BinflnS  fiboriiBapt  in  d«r 


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418 


Altred  HeuÜ,  Die  venetianischen  Opora-Srnfonieii. 


Es  wäre  auch  beioahe  zu  verwundern,  wenn  der  von  dem  grSBten 
Meister  mit  solchem  Nachdruck  und  solchem  kilnsäerischen  Erfolge  an:^^ 
stellte  Satsbau  nicht  gelegentlich  auch  von  Niehtvenetianem  nachgebildet 
worden  wttre.  Bei  Garissimi,  dem  großen  römischen  Meister,  werden 
wir  MonteTerdi's  Kompontions- Methode  noch  in  einem  gana  anderen^ 
höheren  Grade  antreffen. 

Sicher  hat  der  Unterschied  zwischen  den  Sinfonien  dieser  Schulen 
seine  inneren  GrOnd^  und  er  wird  woM  in  dem  ▼erschiedenen  Wesen 
der  beiden  BQhnen,  der  römischen  und  der  Tenetianisdien,  zu  suchen 
sein,  Ton  denen  die  eine  mehr  eine  aristokratische,  die  andere  dnrcfaavs 
eine  YolksbÜhne  war.  Es  soll  an  semem  Orte  to&  dem  oft  derb  leaUstiBohen 
Zug  der  venetianischen  Sinfonien,  wie  er  sich  in  den  schndlen  Sätsen 
kundgibt,  gesprochen  werden;  hier  gentige  der  Hinweis  daranf.  Bio 
ttberaus  gediegenen,  sorgsam  ausgearbeiteten  Sinfonien  Laadi's,  ihr  tot- 
nebm  fngiertes  Wesen  setzen  ein  ganz  anderes  Publikum  voraus  als  eine 
Volksmenge,  die  sicher  nicht  in  die  Oper  ging,  um  ein  kunstvolles»  langes 
Tonstiick  mit  anzuhören.  Nahm  man  eine  Einleitungsmusik  vor  dem 
ttber  alles  vergötterten  Musikdrama  überhaupt  mit  in  den  Kauf,  so  mufite 
es  kurz  gefaßt  sein  und  etwas  anderes  bieten  als  was  man  anderwärts  genug 
7Äi  hören  bekam.  Auch  heutzutage,  wo  im  Ganzen  das  Stilgefühl  gerade 
für  Musik  ziemlich  abhanden  gekommen  ist,  würde  es,  und  mit  Becht, 
sehr  viel  Leute  geben,  die  sehr  unzufrieden  wären,  wenn  man  ihnen  vor 
dem  Au&iehen  des  Vorhangs  eine  Sinfonie,  und  sei  .es  eine  Beethoven'sche, 
vorspiflpn  würde. 

Der  feiogebiidete  Aristokrat  Roms,  der  Hof  des  Kardinals  Barbarini 
scheint  aber  seine  Freude  an  den  schönen  Knnzonen  gehabt  zu  haben, 
wie  in  Rom  überhaupt  sehr  viel  Kanzonen-Muaik  geschrieben  imd  ver- 
braucht wurde  i;.   Auf  der  venetianischen  ^BUhne  wären  de  sicher  ganz 

und  gar  immöglich  gewesen. 

Die  Geschichte  bietet  ein  ähnliches  Beispiel  in  der  französischen 
Ouvertüre;  auch  hier  erklärt  sich  die  würdevolle,  oft  sogar  noch  gespreizte 
Haltung  drr  instnmientalen  Einleitung  aus  der  Umgebung,  füj-  die  sie 
komponiert  war.  Die  venetianische  Sinfonie,  die,  wie  wir  sie  kennen 
lernen  werden,  sich  ungoinoin  frfi  und  ungeniert  ausdrückte,  hätte  nie^- 
mais  am  Hof(^  eines  liudwig  X  EV.  entstehen  o(l<'r  festen  Ij'uß  fassen 
können,  aber,  wie  die  Vc^rhältnisse  liegen,  auch  in  Koni  nicht. 

Doch  kehren  wir  zu  unseren  W'iietianem  zurück.  Die  Sinfonien 
dieser  ganzen  Periode  weisen  im  aligcmoinen  ganz  dieselben,  bereits  be- 

oftenii  Verwendiuig  von  Lutramentftl-Mnrilc  im  Sinne  dcnjanigen  det  »Orf«o«.  Ver> 
gleichu  Kreisachmar,  »Die  venetianische  Oper  u.  s.  w.< 

r  So  encbien  nnrh  von  Frcscobaldi  1628  eine  Semmlnng  mit  85 Initnunenial- 
Kaozonea.   (Stadt-Bibliothek  Breslau.] 


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Alireü  Heul3,  Die  venetiamäclien  0|i«rn>Sml'omeiL 


419 


scliriebenen  Züge  auf,  so  auch  die  beiden  Sinfonien']  aus  Cavalli^B 
»Egisto«,  mit  welchen  die  Figuren  des  Prologs  sich  einfühlen;  auf  die 
geistreiche  KatnrschÜderung  —  die  erste  Snfonie  stellt  die  Nacht,  die 
zweite  das  Morgenrot  Tor  —  hat  bereits  Kretz schmar  aufmerksam  ge- 
madit*).  Der  Bau  ist  streng  $e(|ueiizmäßig,  ganz  ähnlich,  wie  wir 
ihn  beim  »Ormindoc  finden.  Einen  überaus  interessanten  Zug  verleiht 
Garalli  den  beiden  Sinfonien  dadurch,  daß  er  die  AurorarSinfonie  aus 
der  Kacht-Sinf onie  heraus  entwickelt,  indem  er  das  Bafi-Thema  rhythmisch 
umbildet  und  nur  auf  leicbtere,  duftigere  Weise  auslegt;  zudem  hat  er  die 
Tonart  gewechselt  Er  macht  aus: 


3! 


i 


folgende  Umbildung: 


1          ^,  =1 

'  J^t^  

Sulclie  Umbildungen  sind  bei  Skalen-Bässen  überhaupt  sehr  häufig. 
Hier  ist  es,  als  wollte  Cavalli  damit  andeuten,  daß  <1(  i  Morgen  aus  der 
Nacht  sich  loslöse.  Die  S(>qiienz-Arbeit,  die  in  erster  Linie  sich  immer 
im  Baß  bemerkbar  macht,  ist  nicht  nur  etwa  fin  Charakteristikum  Ca- 
valli's,  sondein  findet  sich,  soweit  es  sich  überblicken  iTiüt,  bei  allen  ve- 
neüanischen  Opern-Komponisten,  bei  dem  einen  stiirkei-,  bei  dem  andern 
schwächer.  Wer  die  Sinfonien  gerade  iiarh  fliesiT  Seite  hin  untersucht 
und  miteinander  vergleicht,  der  k(»mmt  zu  dem  Ergebnis,  daß  es  sich 
hier  um  eine  spezitische  Eif?entümlichkoit  der  venetianischen  Sinfonien 
handelt,  die  (l('>h;ill)  als  das  Merkmal  l  iiicr  m'iiieinsanicn  Scluile  zu  ))«•- 
trachten  ist.  Nocli  um  KiSS  s(  lin  i}»t  Palla  vicini  in  seiner  Sinfonie  zu 
»r  Amazoni  Oorsara«-'  t-ineii  ganzen  Satz  auf  der  ( J ruiitllai;e  dieser  \<^n 
Moiiteveidi  aii;.'e\veiiileteii  Se.|uenz,  den  ich  zum  Jiewei->e  der  iranz  ■  ii- 
ariiir^'M  Tat^ac  lie  im  Au>zul'<'  lnei-  mitteile.  Die  Sinfonie  ist  fünfstimmigi 
nur  die  AuUeustimmeu  sind  hier  mitgeteilt: 


i 

5 

-  -  :  - 

l)  Mitgeteilt  von  Goldachmidt  in  den Monateheften  für  Musikgeschichte  1893. 

2  A.  a.  0.,  Seite  46. 

3}  Hof'BibUotbek  zu  München. 

L  U.  iv.  28 


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420 


AlfireU  iiuuß,  Die  venetiauUclieu  Operu-Siutonieii. 


— f — S — 

• 

— t — 

Oft  ist  gerade  bei  fonnell  unklar  scheinenden  Sinfonien  das  Auffinden 
der  BaB-Sequenz  ein  Hü&mitteli  den  Bau  der  Sinfonie  zu  erkennen;  so 
ist  bei  der  eins&tzigen  Sinfonie  Ton Leandrini  zu  »Psyche«  i),  1649,  hinter 
der  scheinbar  ganz  unregelmäßigen  und  undurchsichtigen  Arbeit  eben» 
falls  der  sequenzmäßige  Aufbau  nachweisbari  wenn  auch  nicht  so  auf- 
fallend, wie  bei  denen  Cavalli's  und  anderer.  Diese  Sinfonie  weist  unter 
den  mir  bekannten  Sinfonien  am  meisten  Stimmen  auf,  nämlich  sechs. 
In  ihrem  Charakter  erinnert  sie  stark  an  die  vielstimmige  Sinfonie  im 
»Orfeo«  (zvrischen  dem  II.  und  III.  Akt),  mit  der  sie  neben  der  vollen 
Resetzimg  ganz  ähnliche  rhytlimische  und  melodische  Bildungen  gemein 
hat.    Komponiert  ist  die  C^r  auch  für  die  Hochzeit  des  Herzogs  Karl 
in  Mantua.    Noch  frappanter  zeigt  sich  die  Se(iuenz  als  Hilfsmittel  zur 
Erkenntnis  des  Aufbaues  in  der  Sinfonie  zu  »Medoro<')  von  Fr.  Luzzo, 
die  aber  erst  in  die  folgende  Periode  geliört:  der  Schlußsatz  ist  ohne  se- 
<iuenziiiäßige  Periodisierung  absolut  unklar.  In  der  Instrumental-Musik  für 
Konzert  werden  wir  bei  Besprechung  Bassani's  etwas  Ahniielies  linden, 
we.slialb  der  betrettende  Satz  Luzzo's  hier  mitgeteilt  sein  möge,  da  in  der 
ganz  gleicben  Art  die  Adagio-Sätze  Bassum  s  zu  betnuhten  sind.  Es  ist 
der  Schlußsatz  der  vierstimmigen  Sinfonie  i,die  dritte  Stimme  ist  in  der 
Handschrift  nicht  ausgesetzt). 


-tr. 


4:^ 


1)  Bibliothek  San  Abreo  m  Venedig. 

2)  Mareat>BibUothek. 


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Alfired  Heoß,  Die  venetianischen  Op«nft<fliiifbiuen. 


421 


f  >  f  »  <r 


J  L 


1 — I — + —         I  - 


2(9- 


J  L 


J  L 


^  ^ 


3!: 


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3 


J  L 


Die  Phrasiening  ergibt  den  denkbar  klarsten  Aufbau  und  die  Mittel 
zu  dem  richtigen  Vortrag.  In  dem  Satz  lassen  sicli  klar  drei  Teile  er- 
kennen, die  durch  die  römisdion  Ziffern  gekennzeichnet  sind. 

Sinfonien,  wie  die  zu  »Oruiindo«  bilden  den  Grundstock  zu  der 
späteren  Sinfonie,  bei  der  das  feierliche  Element  immer  noch  vertreten 
ist.  Schon  die  Sinfonie  zu  »Doriclea«  oder  »Incoronazione«  weisen  mit 
ihrem  Taktwechsel  einen  Gegensatz  auf.   Man  könnte  sich  nun  denken, 

*  28* 


422 


Alfred  Ueufi,  J^ie  venetianiBcbeu  Opern-Üinfonien. 


(lali  das  Auftrptrn  des  Allt  i^ro  ia  Uer  vtiietianischen  Sinfonie,  welches 
von  nun  im  fast  iimncr  zu  finden  ist,  und  welches  der  zweiten  Hälfte 
der  ersten  Periode  das  charakteristische  Merkmal  gibt,  davon  herrtthrt, 
daß  di^  noch  sdiwachen  Gegensätze  sich  allmählich  zugespitzt  haben, 
oder  aber»  da  in  dar  fibrigen  Instrum^tal-MuBik,  sowie  auch  in  den 
Sinfonien  der  rönuscben  Werke,  das  AUegro  schon  längstens  vorbanden 
ist,  die  Yenetaaner  dasselbe  von  dort  in  ihre  Sinfonie  binübergenomnunen 
hätten.  Diese  Eridärungen  Krttrden  kaum  der  Sadie  auf  den  Grund 
kommen,  vornehmlich  das  Wesen  des  venetianischen  Allegro's  nicht 
erklaren  können.  Denn  wie  hier  das  All^o*Element  entsteht  und  sich 
einen  Platz  in  don  feierlichen  Satze  erobert,  das  gehört  zu  den  eigen- 
artigsten Prozessen,  die  mir  in  der  Geschichte  der  Instrumental-Musik 
bekannt  sind. 

Das  Auftreten  des  Allegro  bedeutet  zugleich  den  schärfsten  Bruch 
mit  der  Vergangenheit.  Monteverdi  hatte  in  den  Instrumental-Stücken 
des  >Orfeo«  immer  nur  eine  einzige  Stimmung  zum  Ausdruck  gebracht, 
und  diese  mit  allen  Mitteln,  die  ihm  das  Streben  nach  Einheitlichkeit 
eingegeben  hatte,  gewahrt.  Hieran  hielt  die  erste  Zeit  der  venetiaiü- 
sdien  Sinfonie  denn  auch  fest.  Jetzt  tritt  uher  auf  einmal  eine  Spaltung 
ein.  indem  das  feierliche  Moment  den  «lenkbar  schärfsten  Gegensatz 
in  dem  Allegro  erhält.  E.s  ist  einleuchtend,  daß  das  Auftreten  des 
Allegro-Elements  eine  Revolution  hervorrufen  mußte,  was  aber  doppelt 
durch  dir  Art  geschah,  in  welcher  es  eintrat.  Denn  bei  der  vtiietiani- 
schen Sinfonie  tritt  das  Allp^m)  nicht  ah  ü:p>rhhisspuer  Satz  nehrn  dem 
Feierhchen  auf,  wie  fs  hei  andern  Instniiiicntal- Formen  der  Kall  ist. 
sondern  es  zerreißt  denselben,  es  ist  eine  Geburt  aus  dem  Seholie  <les 
lancrsamen  Teils  oder,  ikkIi  anschaulicher,  es  tritt  in  der  Art  auf,  wie 
wenn  «lie  Erde  sich  plötzlich  teilt  und  au«?  der  Tiefe  ein  mächtiges  Feuer 
hervorbricht.  ^)  So,  in  dieser  Art  etwa,  nimmt  sich  das  Allegro  in  der 
venetianischen  Sinfonie  aus.  Wer  dieses  »Erdbeben^,  die>e  Revolutiun 
in  die  venetianische  Sinfonie  {gebracht  hat,  diese  Frage  kann,  wie  alle  solche 
Prioritäts-Fra;,'en,  iiniiu'r  nui-  bediu^'l  entschieden  werden  Doch  wird  man 
nii  lit  stark  fehlgehen,  wenn  man  in  Cavalli,  den  wir  soeben  noch  in  den 
Eußstapfen  seines  großen  Lehrers  wandeln  sahen,  den  eigentlichen  ßegriin- 

1;  Dieses  ganz  eigentümliche  Schauspiel  des  plütxlichcu  Auftretens  des  AUegros 
in  der  Sinfonie  erinnert,  nur  in  umgekehrter  Folge,  an  dn  Encheinen  der  KeatabiHtiii 

in  dem  breiten  Allegro-Strome  der  Sinfonie,  überhaupt  der  Iiistruraental-Musik  im 
18.  Jahrlninilt  I  i .  Tn  der  ersten  Hälfte  des  li^.  Jahrhunderts  herrscht  vor  nllein  t\[\% 
Allejn'o.  Das  17.  Jaiirhundert,  besonders  die  erhU:-  ll:i)ft<>  des»ell»eu.  ist  hierin  das  ■.'ei-.ulc 
Gegenteil,  bis  die  italiemscLe  Opern-Siufouie  Scarlatti  s  dem  AUegru-Element  zum 
vollständigen  Sieg  verhilffc.  Die  Geschichte  der  lustramenUl-Musik  ist  ein  fortiviUiren- 
der  Kampf  der  YorbemchRft  der  beiden  Grondeleniente  der  Husik,  Langsam  und  Schnell. 


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Alfred  Heu6,  Die  veneiuuiiidieii  Opern-Sinfonien. 


423 


der  der  venetianischen  Sinfonie  sucht.  Die  Sinfonie,  in  weicher  Cavalli  den 
entscheidenden  Schritt  übi  r  Montevordi  tut,  ist  die  zum  »Giasone*  1649, 
seiner  verbreitetsten  Oper.')  Mit  dieser,  kann  man  sagen,  ist  der  Grund* 
riß  der  venetianischen  Sinfonie  gegeben;  so  wie  sie,  allerdings  mit 
immer  andern  Modifikationen,  sehen  die  meisten  Sinfonien  der  Vene- 
tianrr  jins. 

Auch  hier  wie  in  allen  andern  Sinfonien  ist  tler  Bali  der  Träijcr  des 
(rjinzen.  Die  Plirase  erstreckt  sicli  über  zwei  Takte,  worauf  sie  in  ge- 
nauer Inn'tation  in  dor  Dominante  erschpint,  um  dann,  nach  einem 
Schluli  m  der  Dominant-Tonart ,  Halt  zu  machen;  der  kleine  Abschnitt 
atmet  diu  liuho  und  Feicrliclikcit ,  wie  wir  sie  bisher  in  den  Sinfonien 
vorf/inden.  Kaum  ist  aber  der  Scliluß  gemacht,  so  verändert  sich  auf 
einmal  das  ganze  Bild;  die  vier  Oberstimmen  einerseits  und  der  Baß 
anderseits  treten  in  heftigen  Gegensatz  mit  dem  kühn  angreifenden  Motiv 


* p  .  Ks  entsteht  ein  überaus  bewepler  Kampf,  indem  auf  jedes  Viertel 
ein  wuchtiger  Hieb  fällt;  bald  streilen  alle  Stimmen  gegen  den  Bali,  bald 
auch  unter  sich.  So  geht  es  mit  energischer  Modulation  über  a-nwll 
wieder  zui'ück  nach  C-dur^  und  mit  einem  Male  stellt  das  Anfangs>Mottv 
die  Bube  wieder  her,  und  der  Satz  schlieOti  wie  er  begonnen,  feierlich  in 
04ur  ab.  Dieser  MittelsatK  muß  als  AUegro,  etwa  mit  doppelt  so 
schnellem  Zeitmaß,  aufgefaßt  werden.  Sine  Tempo-Beseichnung  steht 
zwar,  wie  hei  tost  allen  diesen  Sinfonien,  nicht  angezeigt,  war  auch  nicht 
notwendig,  da  entweder  die  Komponisten  selbst  oder  andere  ausgezeichnete 
Musiker  am  DingieivGembalo  saßen.^)  Ausschlaggebend  kann,  wie  bei  fast 
aller  Instromental-Musik  des  17.  Jahrhunderts,  deshalb  in  erster  Linie 
nur  das  musikalische  Qeftthl  sein.  Eine  Täuschung  ist  hier  aus  dem  Grunde 
kaum  möglich,  weil  die  Sinfonie,  im  ▼origen  Tempo  weitergespielt,  sich 
zwar  auch  bewegter  anhören,  aber  dennoch  lange  nicht  den  unzweifelhaft 
beabsiditigten  starken  Gegensatz  herbeifOhren  wfirde.  Femer  stimmen 
für  diese  Annahme,  und  dies  dürfte  das  Ausschlaggebende  sein,  die  spä- 
teren Sinfonien  Caralli^s  und  der  and(>m  Komponisten.  Denn  von  nun 
an  ist  es  für  die  venetianischen  Sinfonien  ein  geradezu  typischt^s  Kenn- 
zeichen, daß  sie  mit  einem  Ruck,  ohne  die  geringste  Voibereitung,  den 
feierlichen  Qang  unterbrechen,  einen  kurzen  schnellen  Teil  einschieben 
und  dann  gern  wieder  auf  den  Anfang  zurückkommen,  oft  aber  auch 
aufs  neue  in  ein  stürmisches  Allegro  ausbrechen.  In  dem  ersten  Satz  der 
Sinfonie  zu  »Giascme«  zeigt  sich  demnach  bereits  der  Grundriß  der  T.ul  ly- 
schen Ouvertüre,  Langsam — Schnell —  Langsam,  er  ist  gewissermalien  eine 
Miniatur-Form  derselben.  £s  ist  naheliegend,  daran  zu  denken,  daß  die 

1)  Publikationen  für  Moaikfonchung,  Bd.  XI. 

2  Vergleiche  KretKBchmar,  »Kinirrc  Bi  merknng^n  über  d«B  Vortrag  alter  Musikc 
Jahrbuch  der  Musikbibliothek  Peters  19UÜ,  Seite  58. 


424 


Aifired  Heuß,  Die  venetianiiohen  Opern-Sinfonien. 


veiifLiaiusclie  Sinfonie  in  der  Fonnürchuiipr  von  EiiiHuli  liir  die  franzü.-viÄchf 
Ouvertüre  war.  Dennoch  hat  es  wenig  Wahrschcmlichkeit  für  sich,  obgleich 
in  den  ÜUTerturen  zu  den  Balletts  der  wichtigen  »CoUection  Philidor  * 
diese  Satz-Aufetellung  noch  nicht  vorkommt,  indem  sich  dieselben  mich 
»Formgebung  und  Ausdehnmig  nicht  TOn  den  Entr^es«  untenclifliden, 
bei  denen  die  Zwdteiligkeit  die  weitaus  vorherrschende  Form  ist.  IMe  beiden 
Ouvertüren  sind  in  ihrem  Wesen  zu  sehr  verschieden.  Hätte  die  venetia- 
nisdie  Sinfonie  gerade  in  der  Grundfrage,  der  SatzaufsteUung,  Einfluß 
äußern  woUen,  so  hätte  sie  es  selbst  vorher  zu  einer  fest  organisierten  Form 
bringen  mflssen,  wie  die  spätere  italienische,  die  durch  ihr  geschlossenes 
Auftreten  beinahe  sämtliche  andern  Instrumental-Gattungen  in  ihren  Bann 
zwang.  Zu  einem  solchen  war  aber  die  venetianische  Sinfonie  auch  zur 
Zeit  Oambert*s,  bei  dem  die  französische  Satzaufstellung  bereito  vor- 
kommt, wie  auch  Lully*s  nicht  gelangt,  und  zwar  aus  Gründen,  die  wir 
bald  noch  näher  kennen  lernen  werden.  Zur  Zeit  ihrer  Blüte  ist  die 
venetianische  Opem-Sinfouie  Programm -Sinfonie  und  nimmt  ihre  Lkeii, 
ihre  Impulse  aus  der  Oper;  diese,  an  sich  zu  sehr  verschieden,  ließen 
ein  JSinsperren  in  ein  festgezimmertes  Gefüge,  wie  die  erwähnten  Formen, 
nicht  so  ohne  weit^'res  zu  Hier  liegt  einerseits  dw  enmine  Vorteil  der 
venetianischen  Sinfonie',  den  sie  vor  diesen  Formen  voraus  hatte:  sie 
schöpfte  aus  dem  tiefen  Quell  der  Oper  und  blieb,  so  lange  dieser  klar 
und  hell  floß,  jugendfrisch;  die  Schattenseiten  dieses  Verfalirens  werden 
ims  später  beschäftigen.  Was  aher  norh  mehr  dagegen  spricht,  daß  die 
französische  Siiifonit'  ihr  Muster  nicht  in  der  venetianisclicn  haben  konnte, 
ist  die  Tatsache,  da(i  der  venetianischen  Sinfonie  dieser  Zeit  die  Fugie- 
rung  gänzlich  fenie  liegt,  worin  diese  Komponisten  wiiuler  getreu  ihrem 
Großmeister  Montevcrdi  foljsfen;  denn  aueli  die  AUej^nos  stehen,  was  für 
die  Erkentnis  dieser  eigenarügeu  Instrinaentiil-Forni  eljcnso  wichtig  wie 
interessant  ist,  auf  vollständig  akkordischer  Basis,  indem  sie  ja  auch  ganz 
aus  den  lireiten  Akkordreihen  heraus  entstelu'n.  Die  erste  Hälfte  des 
17.  Jahrhunderts  kennt  diese  Art  von  Allegros  sozusagen  gar  nicht.  Ge- 
rade die  AUegrü-Sät/.e  arbeiten  duirlnve^fs  mit  imitierenden  Stimmen,  in- 
dem der  Stil  dieser  Zeit  eine  ei*ste  und  zweite  iSuiiaue  nur  dem  tarnen 
uacli  kennt,  woraus  sich  das  Fehlen  des  harmunisclien  Satzcb  iu  AUegro- 
Sätzen  (außer  natürlich  bei  Tänzeuj  erklärt,  der  allerdings  die  Gleich- 
berechtigung der  Stimmen  aussohliefit. 

Die  Sinfonie  zu  »Giasone«  ist  zweisitzig;  auf  den  soeben  besprochen 
nen  Satz  folgt  ein  feierlicher,  der  wiederholt  wird  und  im  %-Takt  steht, 
also  ganz  wie  der  zweite  Teil  der  Sinfonie  zu  »Doiiclea«.  Er  bringt  auch 

1;  Besprochen  voa  Wasiejcwaki,  iu  der  Viertcljalirsschrift  für  Musikwissen- 
schaft L 


.  j  i^od  by  Google 


Alfred  Meaß,  IHe  veoetianischen  Opern-Siafgnien. 


425 


eine  Anspielung  auf  das  Haupt-Thema,  und  zwar  interessanter  Weise  nur 
in  der  Oberstimme.  Aus 


»^acht  Cavalli  I 


Dem  Baß  legt  er  ein  ganz  neues  Thema  unter:  der  spätere  Gang  des 
Basses  ist  hingegen  wieder  eine  Umbildung  desjenigen  des  ersten  Satzes. 
So  zeigt  sich  dus  Ganze  als  eine  hüchüt  eigenartige  Venjuickung  Monte- 
verdi'schen  und  selbständigen  Verfahrens;  jedenfalls  sieht  man,  daU  Cavalli 
auch  hierin  neue  eigene  Wege  suchte  und  fand. 

Dieser  zweite  Satz  \nrd  wiederholt,  natürlich  als  Echo- Wirkung ;  wie 
€in  elementares  Gewitter  wirkt  darauf  das  mit  dem  schwachen  Taktteil 
beginnende,  sofort  sich  aoschliefi^e  selbständige  EitomeU.  Die  direkte 
Folge  eines  solchen  anf  die  Einlcitangs-Sinfonie  ist  Montererdisch;  im 
»Orfeo«  hat  sie  Monteverdi  zuerst  angewandt  Audi  die  Anlage  mit 
den  Baß-Sequenzen  1)  führt  direkt  darauf  zurttck,  wie  auch  die  prägnante 
Kürze.  , 

Mit  dieser  Sinfonie,  d.  h.  mit  der  Z&X  um  1650,  beginnt  die  eigent- 
liche Blütezeit  der  Tenetianischen  Sinfonie,  die  eine  glückliche  Mischung 
der  beiden  Elemente  »Langsam  und  Schnell«  charakterisiert  Die  Sin- 
fonie zu  »Giasone«  enthalt  noch  sehr  viel  tron  der  früheren  Feierlichkeit 
und  Teranschauücht  ganz  trefflich  den  allmählichen  Übergang.  Die  weitere 
Geschichte  unserer  Sinfonie  spielt  sich  darin  ah,  daß  das  Allegro-Element, 
besonders  mit  Einzutreten  des  fngierten  Stiles,  sich  immer  mehr  ausbreitet, 
die  feierlichen  Akkord-Beihen  mehr  und  mehr  in  die  Ecken  des  Satzes 
drängt  und  zuletzt  ganz  wegstößt  —  das  ewige  Lied  der  Entwickelung. 

Mußte  die  frühere  feierliche  Sinfonie  und  jetzt  der  feierliche  Teil  der 
Sinfonie  wegen  ihres  gleichartigen  Charakters  dahin  verstanden  werden, 
daß  sie  die  Einleitung  zum  Begriff  der  Oper,  nämlich  dem  eines  feier- 
lichen Anlasses,  bilden,  so  schließen  hingegen  die  Sätze  von  schnellem 
tTempo  steh  mehr  oder  weniger  an  diejenige  Oper  'an,  für  welche  sie  ge- 
schrieben sind.  Sie  sind  Programm-Sinfonien'),  und  zwar  hangt  der 
Programm-Oharakter  derselben  wieder  aufs  engste  mit  dem  Wesen  ihrer 
Sinfonie  zusammen.  Denn  da  bei  den  Sinfonien  dieser  Zeit,  vor  der 
Einführung  des  fugierten  Stiles,  immer  das  ganze  Orchester  zugleich  tätig 
ist,  keine  Stimme  vor  der  andeni  solistisch  sich  erhebt,  so  ist  e^  natürlich, 
daß  auch  die  Allegro-Sätze  sich  weniger  an  individuelle  Aulkrungen, 
an  Solo -Gesänge,  sondern  meistenteils  an  allgemeine  Kundgebungen, 


1;  Es  wird  wohl  nicht  mekr  notweadig  sdn,  auf  dieBelb«n  immer  wieder  hinzuweiara. 

2  Auf  die  PruprraQun-Sinfonien  der  Veuetianer  hat  zu-  nt  ebenfalls  H.  Kretzsch- 
mar  hiDgewiesen.  (A.  &.  0.,  28;  ferner:  Führer  durch  den  Konserteaal  Seite  36ff.>. 


426 


Alfred  Heul3,  Die  venetiauischen  Openi-Sinfonien. 


an  Ghorsätze  anschloseen.  Der  Chor  ist  allerdings  in  der  venetiainschen 
Op^  sehr  bald  verschwmid^,  aber  Budimente  desselben  haben  sich  dnrch 
die  ganze  Oper  hindurch  erhalten  >),  und  auch  wirkliche  Chor-Szenen  tauchen 
immer  wieder  auf.  An  diese  kteinen  Ghorsätxe,  die  stets  die  Kund- 
gebungen des  Volkes  enthalten,  schlieSen  sich  nun  meistens  die  Allegros 
an,  xüunlich  an  solche  von  freudiger  Erregung,  wie  Sieges-,  Triumph-OhÖre 
mit  »Viva«,  »Yittoria«  und  dergleichen,  oder  auch  an  solche  leidenschaft- 
licheren Inhalts,  wie  Volks-Aufläufe,  kriegerische  Stürme  mit  »Moric  und 
»All*  Armic  etc.,  jedenfalls  mmier  an  Äußerungen  einer  machtig  erregten 
Volksmenge.  In  diesem  Sinne  sind  mehr  oder  minder  alle  Sinfonien  dieser 
Periode  Programm-Sinfonien,  mögen  sie  ein  »wörtliches«  oder  ein  ideelles 
Programm  Terkör(»em;  an  der  Sache  selbst  ändert  dies  nicht  vieL  Die 
wichtigeren  und  häufigeren  Sinfonien  sind  diejenigen  mit  geistigem  An- 
schluß ;  daß  aber  bei  solchen  aufgeregten  Allegro-Sätzen  gerade  an  den 
Inhalt  bestimmter  Szenen  in  der  Oper  zu  denken  ist,  das  beweisen,  bei- 
nahe zum  Uberfluß,  diejenigen  Sinfonien,  bei  denen  sich  in  der  Oper  der 
handgreifliche  Beweis  daiin  findet,  daß  die  Instrumental-Sätze  das  Thema 
aus  der  Oper  hertibemehmon.  Die  Sinfonien  erfttllra  schon  vollständig 
das,  was  beispielsweise  Gluck 2)  von  der  Ouvertüre  verlangt,  daß  diese 
»den  Zuhörer  auf  den  Charakter  der  Handlung,  die  man  danustellen 
gedenkt,  vorbereiten  und  ihm  den  Inhalt  andeuten  snllc.«  So  irehon  die 
Venetianer  in  der  Praxis  schon  viel  weiter,  als  J.  Quantz  V  lüO  Jahre 
später  in  der  Theorie,  der  bescheiden  genug,  keine  buchstäbliche  Pro- 
gramm-Einleitung fordert,  sondern  die  (dreisätzige  italienische)  Sinfonie 
so  gehalten  haben  will,  daß  sie  nur  unmittelbar  auf  die  erste  Szene  vor- 
bereite, weshalb  er  die  obligate  Dreizahl  der  Sätze  der  Theater-Sinfonie 
je  nach  dem  Charakter  der  ersten  Scene  modifiziert  haben  will,  und  zwar 
in  der  Art,  daß,  wofern  der  erste  Akt  beispielsweise  mit  einer  nihigen 
Szene  anfängt,  man  nach  dem  zweiten  Satze  die  Sinfonie  al)l>reche,  eine 
Modifikation,  die  bereits  durrh  Rameau  erprobt  war.  »Die  8infonie 
bliebe  docli  nocli  auch  für  andere  Zwecke  hrauclibar.  ^ 

Hier  sieht  man  die  Gegensätze  von  Konzert-Sinfonie  und  wirklicher 
(!)ppm-Sinfonie  deutlich  genug.  Das  für  alle  Zeiten  Bedeutsame  ist  aber, 
daü  die  Venetianer  die  idee  der  Programm-S  i  f  l  ie  niclit  spekulativem 
Denken  wie  Gluck  und  seine  Nachfoltrer  zu  verttanken  liaben,  sondern 
da(^  sich  dieselbe  bei  ihnen  von  innen  heraus,  beinahe  selbstverständlich 
gebildet  hat. 

Auf  mehrere  »wörtliche«  Programm-Sinfonien  hat  bereits  Kretzscb- 
1]  y«rgleiche  KretsBohmar,  «.  a.  0.,  Seite  21. 

2i  Ant.  Schmid.  Chr.  W.  Ritter  von  Gluck,  Seite  186.   Worte  Glodc's  in  dem 

Dedikationsschrpjben  der  »Alci  sfc"  an  den  Großherz<ig  von  Tosksn«. 

3)  J.  Q u a  D  tz ,  Versuch  eiuer  Anleitung  die  l'lute  traveniere  zu  spielen.  Seite  301  £f. 


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Atfrad  He«ß,  Die  veiietiiiiiidi«D  Opern-Sinfonien. 


427 


mar  aufmerksam  gemacht,  wie  die  Sinfonien  zu  Cesti's  »Porno  trOro« 
und  »rAr«?!.!«  Mehrere  solcher  worden  im  weiteren  Yerhiuf  der  Ah- 
liandliin;,'  jinf^efülirt  werden  und  zwar  deshalb,  weil  gerade  (h'e?:p  Sinfunieu 
noch  nach  einer  andern  Seite  hin  besprochen  werden  und  dadurch  zeit- 
raubende Doppel-Besprechun^ren  entstehen  würden. 

Aus  ihrem  Programm-Charakter,  ihrem  nnverkennliaren  Bezug  auf  da«; 
komnieTidf^  Drama  erklären  sieh  nun  die  (  harakter-Eigentüralichkeiten 
unserer  Sinfume,  so  die  freie  Gestaltung  und  «las  beliebige  Schalten  mit 
der  Zahl  ihrer  Sätze,  wrirauf  l)ereits  verwiesen  worden  ist.  Damit  aber, 
was  nichts  anderes  als  die  Stellung  der  Form  unter  die  Idee  bedeutet, 
liabeu  the  venetianischen  Komj)onisten  das  Problem  des  modernen  Vor- 
««piels  und  der  sinfonischen  Dit  htung  bereits,  wenn  auch  unbewußt,  gelöst. 
So  wenig  es  das  moderne  Vorspiel  einer  allgemein  übereinstimmeudeii 
^restaltung  bringt  unil  bringen  will,  ebeusoweuig  liegt  es  im  Wesen  der 
venetianischen  Sinfonie,  sich  in  ein  bestimmtes  Schema  einzuzwängen. 
Und  ebenso  erklärt  es  sich  aus  ihrem  Programm-Charakter,  daß  diu 
Sinfonien  trotz  mancher  Famihen-Ahnlichkeit  immer  neue,  frappante  Züge 
aufweigen.  In  diesen  Sätzen  ist  es  denn  auch,  in  welchen  die  Venetianer 
oft  die  glänzendsten  Ideen  entwickeln,  die  aie,  da  kein  Zwang  herrscht, 
in  der  freiesten  Weise  entfalten  können. 

Trotz  all  der  Feinheiten,  auf  die  im  Zusammenhang  eingegangen 
werden  vdrd,  sind  die  Sinfonien  in  ihrer  Wirkung  dennoch  von  einer 
populären  Einfachheit.  Es  ist  Yolksmusik  im  besten  Sinne  des  Wortes, 
was  sie  enthalten  und  ausströmen.  Die  Sprache  dieser  schnellen  Sätze 
ist  so  nnsweideutig,  daß  sie  Jeder  aus  der  Zuhöimienge  verstdien  mußte, 
inshesondere  wenn  man  bedenkt,  daß  eine  Oper  durch  eine  ganze  »star 
gione«  gegeben  wurde,  und  daß  die  Zuhörer  von  dem  Textbuche  vor  der 
Oper  Kenntnis  nahmen*).  Ein  freier,  republikanischer  Yolksgeist  durch- 
zieht diese  Sinfonien,  ein  Geist,  der  dem  etikettenmäßigen  Zwange  der 
französischen  Ouvertüre  durchaus  entgegengesetzt,  der  in  jeder  Hinsicht 
ungebunden  ist  Das  GesamturteiP)  Über  die  venetianische  Oper:  »£s 
geht  durch  die  renetianische  Opern-Musik  ein  knapper,  kurz  angebundener, 
fast  grober  Zug  —  aber,  was  geboten  wird,  hat  Gehalt,«  trifft  auch  für 
die  Sinfonien  im  ToUsten  Maße  zu.  Die  meisten  Sinfonien  sind  kurz, 
aber  in  dem  kleinen  Bahmen  bieten  sie  ein  so  lebensvolles  Bild,  daß 
gerade  in  solchen  Allegro-I^tzen  oft  mehr  Musik  steckt,  als  In  ganzen 
Sonaten  von  Instrumental-Komponisten.  Was  bei  allen  diesen  Sätzen 
schnellen  Zeitmaßes  zu  finden  ist,  das  ist  ein  ungeschminkter  Bealismus, 
häufig  von  einer  Naturwuchsigkeit,  die  selbst  im  17.  Jahrhundert  nicht  oft 


1)  X.  a.  0.t  Seit«  7d  f.  2)  A.  a.  O.,  Seit«  31. 
31  A.  a.  0.,  Seite  26. 


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428 


Alfred  Heaß,  Die  venetianisokeii  Opera>Sinibiiieii. 


in  dieser  Stärke  zu  treffen  ist.  Die  Komponisten,  besonders  Cava  Iii, 
benutzen  ungemein  gern  Natur-Motive,  Dreiklangs-Folgen,  die  sie  in 
manchen  FSJien  in  der  sorglosesten  Weise  so  oft  hintereinander  spielen, 
daB  sie  damit  einen  ganzen  Satz  ausfüllen,  doch,  muß  hinzugefügt  werden, 
inuner  mit  dem  Wechsel  in  der  Dominante.  Dadurch  gehen  sie  bei 
solchen  NatOF^Sinfonien  einen  Schritt  über  Montererdi  hinausi  der  in 
seiner  Tokkata  ebenfalls  eine  solche  Natnr-Musik  geliefert  hatte.  Dieses 
Fanfaren-Stflck  Hegt  denn  anch  manchen  Tenetianischen  Sinfonien  zu 
Grunde,  nur  gehen  diese  in  dem  angegebenen  Faktor  Uber  ihr  Vorbild 
hinaus.  Am  weitesten  geht  mit  solchen  Dreiklangs-Folgen  OaraUi,  der 
in  der  fUnfistimmigen  Sinfonie  zu  »Mutio  Sc&vola«')  vom  Jahre  1655 
nichts  anderes  als  den  C-  und  O^w-Akkord  in  zwei  Arten  benutzt, 
einmal  in  feierlidier  Haltung,  als 


!  '  I  r      i  I  1  1 


und  dann  sofort  losbrechend 


r  T  r  r  T  r  T  rrrrr 


worauf  alles  in  der  Dominante  erscheint.  Mit  iKielimaligem.  sofortig«  ii 
Anscliluü  des  C-diir  Allegro-Teils,  der  diesmal  etwas  breiter  ausgeführt 
vird,  geht  die  Sinfonie  unter  mächtigen  C-dur  Viertelschlägen  zu  Ende. 
(26  Takte).  Ein  wildes,  aufgeregtes  Leben,  das  dadurch  zu  stände  kommt, 
daB  da«  einfadie  Allegro-MotiT  aatiphonisch  durch  die  Instrumente  ge- 
führt werden,  pulsiert  durch  diese  Sinfonie;  die  gleich  sich  anschliefiende 
Bühnen-Szene  gibt  Aufschluß:  mit  wilden  Ruf  stürzt  das  Yolk  auf  die 
Bühne: 

di  raia>pe 


di 


usw. 


mm-pe 


Hier  haben  wir  eine  jener  »wörtlichen«  Programm-Sinfonien,  auf  die 
hingewiesen  wurde.  Das  Motiv  ist  ziemlich  getreu  bewahrt,  der  Yokalsatz 
läßt  nur  die  in  diesem  Falle  matt  wirkenden  Sechzehntel  weg. 

In  dieser  Sinfonie  ist  der  plötzliche  Wechsel  von  Feierlichkeit  und 
einem  explosiven  Ausbruch  ganz  bedeutend  gesteigert,  ja  bereits  auf  die 


1}  Bibliothek  San  Marco. 


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Alfred  Ueuß,  Die  Tenetiauischen  Opcrn-Sinfonieu. 


429 


Spitze  gestellt.  Wie  bereits  gesagt,  ist  es  ein  Charakteristikulli  der 
venetianiachen  Sinfonien  in  ihrer  Blütezeit,  ein  Effekt,  der  in  dieser  Tjr- 
wttchsigkeit  gebracht,  seine  zündende  Wirkung  nie  verfehlen  wird.  Der 
moderne  Mensch,  dem  schon  oft  BeeÜioTen*8che  Kraftproben  zu  stark 
sind,  schüttelt  vielleicht  über  diese  krassen  Gegensätze  den  Kopf  und 
nennt  sie  einen  wenn  auch  wirksamen,  so  doch  etwas  rohen  Effekt;  alirr 
man  denke  einmal  an  die  urwüchsigen  Gestalte  n  eines  Oavalii,  die  derbe 
realistisclie  Zeit  und  vor  allem  auch  an  das  Publikum,  eine  sensations- 
lustige, lebhaft  em])findende,  nnrofaige  und  pliantasievolle  Sohaomenge, 
die  nicht  ins  Theater  gekommen  war,  um  sich  hölzerne  Fugen  vorspielen 
zu  lassen,  mit  denen  es,  wenigstens  wie  sie  geboten  wurden,  nichts  an- 
zufangen gewuRt  hUtto,  eine  YolksmcTige ,  die  geraile  in  dem  V)nnten 
Mischen  von  liildern.  an  <ler  alienteiierlichen  Form,  ihre  Freude  haben 
niuBf»',  weil  sich  darin  ihr  Wesen  selbst  fand,  und  dann  wird  man  be- 
fii  it  1!.  daß  die  Komponisten  einerseits  auf  diese  Konipositions -Weise  p:e- 
rieteii  und  daß  man  sj*',  als  sie  erprobt  war,  auch  beil)ehielt.  Aller- 
dings, ein  modernes,  in  khtngJicher  Beziehung,'  al>fjestmni>ft*'s  Olir  müßte, 
um  die  riclitige  VorstelJun;,'  von  solchen  Sinfonien  zu  lu  kuinmun,  sie  auch 
in  der  für  dassell)e  raatSgebenden  Besetzung  hören,  w(»hei,  wie  bei  einer 
solchen  Schlachten-Sinfonie,  J Linken  und  ähnliche  Instrumente  nicht 
fehlen  dürften.  Hierin,  was  Intensität  der-  KlangAvirkuntr  anbetrifft,  hat 
die  moderne  Zeit  einen  >  Fortschritt «  zu  verzeichnen.  Auf  die  viel 
feineren,  musikalischen  Lärm  ungewohnten  Ohren  jener  Zeit  machte  eine 
solche  Sinfonie,  was  Kraftfttlle  aohetiifft,  sicher  den  gleichen  Eindruck 
wie  heute  die  stärkst  instrumentierte  moderne  Instrumental-Komposition. 
Denn  solche  Sinfonien  bat  man  sich  wohl  nicht  lediglich  von  Violinen-  und 
Akkord-Ordiester  gespielt  zu  denkoi,  sondern  hier  wirkten  wahrscheinlich 
auch  Bläser  mit;  solche  Motive,  und  in  diesem  Zusammenhange,  verlangen 
geradezu  kategorisch  Trompeten.  Andererseite  waren  unbedingt  auch  die 
vielen  Akkord-Listrumente  im  stände,  dem  ganzen  Ensemble  die  ge- 
hörige Wndit  zu  geben.  Wir  werden  aber  noch  Sinfonien  finden,  in 
welchen  Blas-Instrumente  ausdrücklich  vorgeschrieben  sind.  In  der  mo- 
dernen Musik  finden  wir  kaum  etwas,  das  wir  diesen  Sinfonien  mit  ihrer 
Kraftfülle  an  die  Seite  stellen  könnten;  denn  innere  Kraft  und  Ur- 
wüchsigkeit haben  die  Yenetianer  schon  durch  das  ganze  klüftige  Fühlen 
ihrer  Zat  den  heutigen  Musikern  voraus.  Wir  müssen,  wenn  wir  diesen 
Sinfonien  etwas  Ähnliches  an  die  Seite  stellen  wollen,  es  schon  in 
dieser  Zeit  selbst  suchen,  und  zwar  finden  wir  es  da,  wo  eine  direkte 
Beeinflussung  von  S<  iten  der  Yenetianer  vorliegt,  nämlicli  in  den  Werken 
der  großen  deutschen  Meister  dieser  und  der  nachfolgenden  Epoche: 
die  plötzlichen  Übergänge  in  Händel' scheu  AYerken  (als  typisches  und 
bekanntestes  Beispiel  kann  »Wie  durch  £inen  der  Tod«  im  »Messiast 


430 


Alfred  Heuß,  Dia  venetiMiiKliea  Op«ni-Sinfoineii. 


gt'lten  ,  in  Chören  des  V<»lkps  in  Scli  üt/' schon  nnd  Bach''8eb('ii  P.i«;- 
sioncn,  die  ebenfalls  mit  dit  sor  (iemcntarfT!  Gewalt  nnd  wie  aus  «lern 
Nichts  ii  I  \  orliroehend,  alles  über  den  lluuteii  zu  werfen  scheinon,  sind 
direkte  Machlnlduii^ren  (K'n  vruetianisclien  Verfahri-ns.  —  Die  venetia- 
nischen  Komponisten  miiöstii  sehr  vit  1  Freude  gerade  an  dem  krassen 
Wechsel  gelial)t  haben.  Schon  in  difstM-.  der  Sinfonie  zu  Mntio  Rcävoia«, 
wendet  ihn  Cavalli  zweimal  an,  und  ähnlich  verfahren  die  anderen 
Komponisten,  wie  l)eisj»ieLsweise  1'.  A.  Ziani  in  seiner  Sinfonie  zu 
»Heraclio«  1671  und  zu  ^Antigone  delusa«  *)  1660,  Francesco  Luzzo  in 
>Medoro  <  1658,  der  zwischen  hochpathetische  Ergüsse  zweimal  mn 
2SchlachteiibUd  dnsehielyt,  und  andere. 

Die  Tenetianischen  Sinfome-Eomponisten,  denen  es  daran  liegt,  mit 
einem  solchen  kurzen  Satz  oder  Tielfach  nur  Bmchatttcken  eines  solchen 
ein  einziges,  prägnantes  Bild  zu  geben,  werden  durch  dieses  Bestrehen 
nach  Deutlichkeit  dahin  gefttbrt,  in  ihrem  Aufbau  möglichst  einheitlich 
zu  verfahren.  Das  Besultat  dieses  Strebens  beruht  auf  dem  gleichen 
Piinap,  das  wir  Monteverdi  anwenden  sahen  und  aus  inneren  psycholo- 
gischen Gründen  erklärten,  nämlich  auf  dem  möglichst  konsequenten  Fest- 
halten eines  Motivs,  das  heißt:  die  Komponisten  beginnen  »durchzuführen«. 
Nur  gehen  die  Yenetianer  über  Monteverdi  hinaus,  indem  sie  nidit,  wie 
dieser,  das  ganze  Thema  auf  verschiedenen  Stufen  sequenzmäBig  wie- 
derholen, sondern  entweder  das  Thema  selbst  aus  einem  kurzen  Äfotiv 
bilden  oder  aber  auch  nach  Aufstellung  des  Them  v  markante  Teile 
desselben  herausnehmen  und  diese  auf  eine  Art  und  Weise  benutzen,  die 
wir  motivische  Arbeit  nennen.  Am  weitesten  geht  auch  hier  wieder 
Cavalli,  der  in  einige  seiner  schnellen  Sätze  Gebilde  aufstellt,  die  schon 
ganz  das  leisten,  was  man  heutzutage  als  Durchführung  eines  Motivs 
bezeichnet.  Schon  der  schnelle  Satz  zu  der  Sinfonie  »Mutio  Scävola  t 
die  oben  betrachtet  wurde,  zeigt  etwas  Ähnliches.  Auf  einer  höheren 
Stufe  steht  in  dieser  Hinsicht  die  Sinfonie  zu  Klint^abalü«  1()59,  die, 
dreisätzig,  die  Sätze  auch  streng  von  einander  scheidet,  was  bei  den 
Venetianem  zwar  öfters  vorkommt,  doch  nicht  das  Typische  ist.  Den 
längsten  der  drei  Sätze  (20  Takte)  bildet  Cavalli  ganz  aus  dem  Motiv: 


Er  nimmt  fOr  den  Schlufiteil  die  zweite  Hälfte  dieses  Motivs  heraus  und 
weiß  durch  die  allmähliche  Erhebung  <les8elben  von  unten  herauf: 


1}  Bibliothek  Sam  Mareo.       2;  Bibliothek  Stn  Iferco. 


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Alfred  Henß,  Die  venetianitohen  Opern-Sinfonien. 


431 


dem  Schlüsse  eine  prächtige  Steigerung  zu  geben.  Es  ist,  nebenbei  be- 
merkt, eine  Stelle,  bei  der  man  unwillkürlich  daran  denken  muß,  daß 
schon  die  damalige  Zeit  das  »crescendo«  anwandte. 

Der  Begriff  der  Schlußsteigerung  ist  vorläufig  der  Instrumental - 
Musik  noch  frenul,  so  man  unter  dieser  die  Solo-Musik  (Solo-  und 
Trio-Sonate)  versteht  G.  Gabrieli  kannte  etwas  vrie  Steigerung  am 
Schluß,  indem  er  nicht  selten  schnellere  Noten  anwendet  oder  durch 
komjjakteres  Zusammenhalten  der  Stimmen  eine  gesteigerte  Wirkung  er- 
zielt. Hei  der  Kammer-Musik  dieser  Zeit  trifft  man  aber  ein  so  be- 
wuBtes  Hinarbeiten  auf  den  SchluH,  wie  es  Cavalli  iiier  tut,  nicht  an. 
Der  Wiedcriiolung  des  Hauptthemas  am  SchluH,  die  von  den  Kom- 
ponisten dieser  Zeit  nocli  sehr  gern  und  sehr  oft  angewendet  wird, 
liegt  zwar  (»benfalls  eine  Steigerung  des  WohlgefUhls  zu  Grunde,  indem 
das  Wiedererkennen,  das  Yertrautsein  mit  dem  Thema  ein  solches  mit 
sicli  bringt.  Aber  was  wirklicher  » Effekt <  ist,  das  haben  auch  später 
am  schnellsten  immer  di«'  Opern-Komponisten  herausgefunden. 

Andere  Beispiele  solcher  motivischer  Arbeit  sind  nicht  selten  und 
zwar  besonders  bei  Cavalli.  So  macht  er  in  der  für  Paris  koMij)uni«'rten 
f imfstimmigen  Sinfonie  zu  »Kreole«';  im  zweiten  Satze  beinahe  eine 
r^[elrechte  Durchführung,  indem  ein  ganzer  Durchfühi'ungsteil  gelüldet 
wird,  der  sein  Motiv  aus  dem  vorher  deutlich  aufgestellten  Thema  ent- 
nimmt, genau  wie  es  heute  [noch  gemacht  wird.   Das  Motiv 


wird  tlurcli  die  Stimme  gejai^t,  fünfmal  in  der  oliersten  Stiunne  liiuter- 
einiinder,  eine  Tonstufe  tiefer  wiederholt  und  als  SchluUsteigeruug  iu  fol- 
gender Gestalt  gebracht: 


Baß  Oktave  tiefer. 

worauf  sich  dann  der  eigentliche  Schlußteil,  eine  machtige  C4w  Fanfare 
im  Sinne  der  Orfeo-Tokkata  anschließt,  welche  das  Qeftthl  des  Sdilusses 
noch  bedeutend  zu  steigern  weiß,  indem  noch  »verbürgtet  Tromben  mit- 
spielen*). 

Ij  iiibliuthek  Sun  Marco 

2.  Die  Sinfonie  wird  von  Herrn  Prot  Kretsschmar  in  dem  letzten  Band  seines 
Führers  durch  den  Konzertsaal,  der  Konserte,  Ouvertüren  etc.  umfassen  wird,  zur  Yer^ 
öffentlichnng^  gelangm,  worauf  ich  hiermit  verweise. 


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432 


Alfred  fieuß,  Die  venetiamachen  Openn-Sinfonien. 


Vielleicht  ist  es  gerade  diese  Sinfonie,  welche  zu  der  zweiten  Periode 
der  venetianischen  Sinfonie  bewulit  hinführt,  in  welcher,  wie  in  der  Über- 
sicht bemerkt,  das  Enidringen  des  [uixierten  Stiles  stattfindet.  Ausge- 
gangen von  strophischen,  sozusagen  auf  einem  Cantus  firmus  harmoniscli 
au^baaten  Akkord-Folgen,  denen  hohe  Feieriichkeit  an  der  Stime  ge- 
schriebeii  war,  trat  mit  emm  Bfale  das  Allegro-Blement  auf,  das  An- 
fangs im  Yerbilfcnis  zur  AvsdehnuDg  des  langsamen  Teils  nodi  zurück- 
trat» sich  dann  aber  bald  stark  in  den  Yordergrund  drängte,  sodaB  ihm 
ganze  Sätze  gewidmet  werden,  und  hierbei  ein  Abbild  der  venetianischen 
Oper  ttberiiaupt  wird.  Auch  der  Allegro-Satz  ruhte  auf  vollständig  akkordi« 
scher  Grundlage.  Deshalb  wurde  im  inneren  System  nichts  g^dert»  und 
deshalb  konnten  die  sich  im  übrigen  scharf  trainenden  Sinfonie-Perio- 
den zusammengefaßt  werden.  Jetzt  tritt  aber  eine  fOr  die  Sinfonie  ent- 
scheidende Wendung  eiU)  indem  sie  den  akkordischen  Boden  veriäßt  und 
der  Fugiemng,  wenn  Anfangs  auch  noch  so  bescheiden,  Eingang  gewährt. 
Es  hat  einige  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  daß  es  Oavalli  mit  der  für 
Paris  komponierten  Oper  »Ercolec  var,  dem  die  Einführung  der  Fugie- 
rung  zuzuschreiben  ist.  Man  kann  es  zwar  absolut  keine  eigentliche 
Fugicrung  nennen,  was  Cavalli  in  dem  ersten  Satze  tlieser  Sinfonie  bietet. 
Sie  beschränkt  sich  lediglich  darauf,  daß  nicht  alle  Stimmen  zugleich 
beginsnai;  dann  geht  es  aber  in  rasender  Folge  mit  lauter  Sextakkor- 
den, »einer  kühnen  Anwendung  der  alten  Fauz-bourdon-Harmonien, « 
weiter  und  der  Eindruck  ist  ein  ToUständig  >harmoni8dier«.  Der  zweite 
Satz  steht  wieder  ganz  auf  akkordischer  Basis. 

()h  es  wirklich  die  Sinfonie  zu  »Ercole«  gewesen  ist,  die  der  vene- 
tianischen Sinfonie  die  Fugierung  zuführte,  n)fitT  *1ahingcstellt  bleiben; 
Tätl  iche  ist,  daß  seit  dieser  Zeit  Sinfonien  mit  l-  uL-eriiug  an  der  Taj^es- 
ordnung  sind.  War  es  wirklich  Cavalli,  so  hat  er  der  venetianischen 
Sinfonie  ein  Danaer-Gescheuk  gemacht,  insofern  man  nämlich  die  Kon- 
sequenzen daraus  zieht.  Mit  Einführung  des  ersten  fugierten  Teiles 
begann  nian  an  einem  der  Hauptpteiler  der  spezifischen  Eigentümlich- 
keit der  venetianischen  Sinfonie  zu  rütteln,  bis  scldießlich  der  ganze 
so  selbständige  venetiauiijche  Bau  keinen  Umsturz,  wohl  aber  einen 
gründlichen  Umbau  erlitt,  und  eine  Form  unnuliiu,  die  mit  der  franzö- 
sischen Uuvertüre  große  Ähnlichkeit  zeigt.  Wie  sich  auch  nach  der 
anderen  Seite  hin  die  venetianische  Sinfonie  umbildete,  werden  wir  später 
erkennen. 

Sehen  wir  zu,  in  welcher  Weise  die  venetianisch«!  Komponisten  sich 
mit  der  Fugienmg  abfinden.  Es  zeigt  sich  bald,  daß  dieselbe  von  ihnen 
in  einer  so  selbständigen  Weise  gebandhabt  wird,  daß  sie  in  der  ersten 


1)  Kretsschmar,  Ftthrer  durcb  den  KonMrtBaal  I,  37. 


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Alfired  Bfiuß,  Die  venetüniK^ieii  Opern-Siiifoiiien. 


433 


Zeit  nicht  im  stände  ist,  das  gezeichnete  Bild  in  besonderer  AVeise  zu 
modifizieren.  Wie  die  VeuitiaDer  dies  anstellen,  ist  einer  der  interessan- 
testen Züge  in  der  Entwicklung  dieser  so  eigenartigen  Musik-Form. 

Maligcljend  ist  bei  den  Venetiauern  in  erster  Linie  der  dramatische 
(xesichtäpunkt.  Daher  kommt  es,  daß  das  ganze  Wesen  des  fugierten 
Stiles  in  den  Dienst  einer  Idee  gestellt  wird,  wodurch  die  Fugierung 
niemals  als»  Zweck  erscheint,  wie  bei  der  fninzösischen  Ouvertüre,  son- 
dern als  mnsiknlisches  Ausdrucksmittel  dieser  Zeit,  i  is  allerdings  einer 
•  Kunst-Form  lunzugefügt  wird,  der  sie  urs|)rünglich  ganz  fremd  war.  .lu, 
man  muß  sogar  sagen,  daß  diu  Fugierung  neue  Ausdrucksmittel  brachte, 
und  in  vielen  Fällen  die  schönsten  Früchte  zeitigte.  Dem  Volks-Charaklt  r 
der  venetianischen  Sinfonie  wurde  aber  dennoch  ein  feinerer  Zug  ein- 
verleibt, indem  man  uümlich  die  Entdeckung  machen  kann,  daß  Opern- 
Sinfonien,  die  fttr  einen  Hof  oder  eine  aristokratische  Gesellschaft  berechnet 
and  aus  ihr  hervorgegangen  waren,  von  Anfang  an  sidi  einer  gewählteren, 
kunstreicheren  » Sprache «  bedienen,  die  in  unserem  Falle  die  Anwendung 
der  fugierten  Schreibweise  wäre;  auf  die  in  Betracht  k<»nmenden  Fälle 
ist  bereits  hingewiesen  worden. 

Die  Fugierung  tritt  bei  den  Yenetianera  anfangs  sehr  bescheiden 
auf  und  wagt  nicht,  ihr  ganxes  Wesen,  zum  Beisiuel  als  ausgeführte 
Fuge  auszusprechen,  im  Gegenteil  richtet  sie  sich  ganz  nach  der  be- 
stehenden und  herrschenden  Ansicht  Denn  so  sehr  es  im  Wesen  des 
fugierten  Stiles  liogt,  recht  ausführlich  (wenigstens  fttr  Theaterzwecke}  zu 
sein,  indem  ja  schon  das  allmähliche  Einsetzen  der  Stimmen  hinterein^ 
ander  die  Musik  zu  einer  breiteren  Anlage  zwingt,  so  räumen  dennoch 
die  Yenetianer  einem  solchen  Satze  keinen  größeren  Baum  als  den  früheren 
Sätzen  ein,  und  so  vermag  die  Fugierung  in  der  ersten  Zeit  tatsächlich 
nicht  die  knappen  Yerhältnisse  zu  sprengen  und  zu  erweitem.  Die  auf 
AusfOhrlichkeit  hindrängende  Fugen-Manier  wird  also  gegen  ihr  Wesen 
in  der  gleichen  Art  wie  die  andern  Sätze,  nämlich,  »episodenhaft«  be- 
handelt Die  Komponisten  standen  so  offenbar  zwischen  zwei  Lagern, 
hier  fugenartige  Behandlung  mit  damit  verbundener  liänge,  dort  alther- 
gebrachte Kürze  und  Prägnanz.  Dadurch,  daß  bei  den  Yenetianem  die 
zweite  Forderung  wenigstens  Anfangs  maßgebend  war,  kamen  sie  auf 
einen  Ausweg,  der  im  Interesse  größerer  Mannigfaltigkeit  auch  von  Lully 
zur  Vermeidung  seiner  steifen  Fuge  hätte  beschritten  werden  können; 
man  fugierte,  aber  nicht  in  der  eigentlichen  Fugenart,  sondern  gewisser- 
maßen auf  harmomschem  Frinzi]).  Dieses  Paradoxum  erklärt  sich  folgen- 
dermaßen: man  beginnt  vielleicht  mit  einem  Thema,  das  von  einer  ein- 
zigen Stimme  gebracht  wird,  aber  die  anderen  Stimmen  kommen  so  plötz- 
lich und  schnell  dazu,  daß  das  Gefidd  des  Fugenartigen  schneller  in 
uns  verschwunden  als  eigentlich  entstanden  ist,  so  daß  der  Satz  im 


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484 


Ailred  HeuO,  Die  Tenetianitohen  Opem-äinfonien. 


II  lui umdrehen  solchen  gleiclit,  wie  wir  sie  bis  dahin  kennen  gelernt 

iuibeii. 

Diese  Art  der  fugenartigen  Behandlung  luit  aber  dennoch  in  gewisser 
Beziehung  Schule  gemacht  Wenn  Bach  zum  Beispiel  im  Gloria  und 
einigen  änderen  Sätzen  seiner  H-moU  Messe  das  Thema  Ton  taaaiex  Stinune 
ansetzen  laßt,  dem  dann  schnell  die  zweite  folgt,  worauf  dann  plötzlich  die 
drei  noch  fehlenden  Stimmen  ganz  unerwartet  zusammen  einsetzen^  gleich- 
sam als  könnten  sie  nicht  erwarten,  mit  ihrem  Lobe  auch  noch  zu  rechter 
Zeit  zu  kommen,  so  geht  Bach  dabei  ganz  vom  gleichen  Standpunkt  aus,  - 
wie  die  Yenetianer;  dieser  ist  eben  der  dramatische,  der  das  successiTe, 
regelmäßige  Einsetzen  der  Stimmen  in  einem  solchen  Falle,  wo  es  sich 
um  eine  allgemeine,  starmische  Kundgebung  handelt»  zum  Allermindesten 
als  nicht  natürlich  und  aus  der  Situation  gegriffen  halten  würde. 

Ein  prächtiges  Beispiel  zur  ganzen  Dariegung  der  Verwendung  der 
Fugierung  bei  den  venetianischen  Opern-Sinfonien  bietet  M.  A.  Ziani 
im  Allegro-Satz  seiner  überaus  abweclislungsreichen  Sinfonie  zu  >  Schiava 
fortunata«  vom  Jahre  1674  ^j,  die  auch  den  Beilagen  beigegeben  ist  (II.) 
Vom  ersten  Satz  wird  an  anderer  Stelle  noch  zu  sprechen  sein. 

Der  zweite,  ausdrücklich  mit  Allegio  bezeichnete  Satz  hat  ein  über- 
aus energisches  Fanfaren-Motiv.  Schon  im  zweiten  Takt  tritt  die  zweite 
Stimme  auf,  und  im  vierten  Takt  setzen  die  noch  fehlenden  Stimmen 
zusammen  ein;  es  gleicht  diese  Art  des  Einsetzens  ganz  dem,  was  wir 
die  Engführuiig  eines  Themas  nennen;  gewiß  mußte  gerade  die  En-j- 
fiiliruni?.  wo  ciiK^  Stimme  die  andere  dr?in,?t  und  treibt,  dasjenige  an  der 
Fugt-  sein,  was  den  Dramatikern  aui  meisten  getiel  und  ilmen  am  nächsten 
lag.  Kaum  sind  allf  Stimmen  bei  einander,  so  ist  auch  der  ganze  An- 
fangsgedanke vergessen  und  die  fugenartige  Selireibweise  anf^ecreben ; 
alle  Instrumente  bringen,  kaum  daß  man  es  sich  \ ersieht,  ein  beinahe 
streitsüchtiges,  pochendes  Motiv,  in  das  beim  zweiten  Mal  auch  noch  die 
Bali-  und  Akkord-instrumente  mit  eingreifen,  so  daß  durcli  diese  .ge- 
meinschaftliche Tätigkeit  aller  Instrumente  :in  t  inern  Motiv  eine  gerade/u 
elementare  Wirkung  zu  stände  kommt;  das  gaiwe  Orchester  sclieint  bei 
dieser  Kraft--\ußemng  zu  wanken.  Kaum  liaben  die  Schläge,  die  lebhaft  an 
Schubert's  Menuett  aus  tler  Fantasie  op.  78  erinnern,  aufgehört,  so  ver- 
zieht sich  auch  wieder  das  Gewitter;  mit  bestinunten  Tonrhythmen,  die 
aber  vollständig  den  Anfangs-Gedanken  außer  Acht  lassen,  wird  in  die 
Dominante  moduliert  und  mit  kraftigem  Schluß  ein  Halt  gemacht;  wer 
jetzt  eine  Wiederholung  des  Teiles  in  der  Dominante  erwartete,  wie  es 
Brauch  bei  der  Fuge  ist,  wttrde  schwer  irren.  Ungemein  zart,  beinalie 
schwärmerisch  setzt  solo  die  zweite  Stimme  mit  einem  neuen  Thema  mn. 

1}  Bibliothek  zn  Skui  Marco. 


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Alfk«d  Henfl,  Die  ?eiMtiiniMhen  Opern-SiBlbiiieiL  435 


der  die  enfte  aolort  folgt;  die  dritte  vierte  Stunrne  folgen  in  Terzen 
und  leiten  ganz  nnyersebens  in  das  von  alleii  Instrumenten  gebrachte  häm- 
mernde Motiv  über,  das  dieraaal  wahrscheinlich  gaas  leise  gespielt  w  erdt  n 
muß,  wodurch  eine  gam  awrkwttrdige  Wirkung  zu  stände  kommt.  Einige 
mit  dem  ersten  Teil  korrespondierende  Takte  führen  aber  jetzt  zum  Schluß- 
effekt des  Ganzen,  indem  das  hämmernde  Motiv  dreimal  hintereinander, 
natürlich  mit  aller  Kraft,  gebracht  wird,  was  entschieden  vom  Kom- 
ponisten als  Hauptwitz  des  ganzen  Satzes  betrachtet  wurde.  Hierauf 
geht  der  Satz  mit  krättigen  Akkorden  zu  Ende  geht, 

Fälle  dieser  Art  sind  duicliaus  nicht  selten  und  crkliircii  sich  aus  der 
ganzen  Schaffens- Weise  der  Komponisten,  ihrer  Auffassung  der  Sinfonie 
voUständitr.  Auch  das  Vorhandensein  eines  wirklichen  zw<'iten  Tlicmas 
(denn  als  solches  ist  das  Gesangs-Thema  aufzufassen],  und  zwar  eines 
solchen  geradezu  im  Mozart'schen  Smue,  kann  in  dieser  Umgebung  nicht 
einmal  verwumlem,  weil  der  phantastische,  abenteuerliche  Zug,  der  durch 
diese  ganze  Musik  geht,  eben  die  heterogensten  Elemente  zusammenzu- 
stellen im  stände  ist  und  die  Fantasie  in  Gegenden  zu  führen  vermag, 
die  der  von  ganz  anderen  Gesichtspunkten  ausgeheudt  u  Kammei'-Musik 
schlechterdings  verborgen  sein  mußten.  Wie  Bilder  einer  Latema  magica 
ziehen  diese  einzelnen  Sätze  und  in  diesen  wieder  die  einzelnen  Gedanken 
an  uns  vorbei;  kaum  haben  wir  uns  in  das  eine  TeiMiikt,  ao  ist  es 
«ooh  mder  venefammden,  nnd  ein  anderes  stdit  plötzlich  vor  nnsem 
entannten  Augen  da;  denn  «nsgefülute  GenSlde  geben  uns  diese  Kom- 
ponisten in  ihren  Sinfonien  nicht;  es  smd  Skizzen,  mit  Meisterhand  in 
Schnelligkeit  hingevrorlen.  Bafi  in  dieser  Beziehung,  was  aoigsame  und 
naeh  allen  Seiten  ausgefeilte  Arbeit  betrifft,  man  die  Sinfonien  nicht  mit 
Arbeiten  von  InstnnnentalpKonqMmisten  zusammenstelkn  kann,  liegt  ganz 
in  der  Anlage,  Hegt  in  der  Natur  der  Skizze.  Die  freie  Instrumentals 
llnsik  geht  von  so  ganz  anderen  Gesichtspunkten  aus,  sie  will  ans  eineu 
Gedanken  heraus  das  Ganze  entwickeln,  baut  deshalb  allmählich  auf, 
wozu  ihr  ein  solider,  nach  allen  Seiten  hin  fest  fundierter  Unterbau  not- 
wendig ist,  kurz,  sie  baut  auf,  während  die  Sinfonie-Komponisten,  so 
paradox  ee  klingt,  gleich  mit  dem  fertigen  Bau  schon  dastehen.  Für 
die  innere  Bntwicklung  des  Satzbaues,  soweit  es  dieaen  als  Ganzes  be- 
trifft, bat  denn  die  venetianische  Sinfonie  wenig  getan;  hirazu  ist  sie 
zu  qBnmghaft  £b  sind  mit  Kraft  ausgespielte  Trt'imple,  die,  wie  wir 
in  einem  besonderen  Abschnitte  nodi  sehen  werden,  Ton  den  Instru- 
mental-Komponisten später  aufgenommen  und  oft  ungeschickt  und  am 
falschen  Orte  angebracht  werden.  Ihr  Wirken  und  Einfluß  erstreckt 
sich  in  erster  Linie  auf  Anreguniren,  und  hierin  wird  sie  von  unge- 
meiner Wichtigkeit  für  die  weitere  Entwicklung  der  Instrumental-Musik. 
Auch  der  erste  Satz  zu  der  Sinfonie  von  »Sübiava  iortunata«  bietet 

a.  4  L  IL  lY.  29 


L.  kj  .i^cd  by  Google 


436 


Alfred  Heaß,  Die  venetiroinehen  Opera-Sinfornan. 


neue  Ausblicke;  hier  sind  die  harten  Gegensätze  bedeutend  gemildert; 
iiiclits  Robustes  ist  in  ihm.  Aber  auch  hier  feiert  die  fuji^iert«'  Schreib- 
weist' einen  kleinen  Triumph.  Nach  der  üblichen  feierlichen  Einleitung, 
bei  der  man  ebenfalls  den  Sequenzenbau  treffen  wird  (man  bemerke 
die  freie  Beantwortung  in  der  Dominante)  setzt,  Ton  je  zwei  Stimmen 
gebradit»  em  Thema  von  ganz  innigem,  beinahe  mtunem  Beiz  em;  denn 
trota  des  gestofienen  Bhytfamus,  der  sonst  für  ganz  andere  Ziredce  be- 
nutzt wurde,  ist  das  Thema  ganz  zart  gemeint.  Wie  ▼ertranKch  schwingt 
sich  im  drittletzten  Takt  die  Melodie-Stimme  in  die  Höhe*,  nachdem  die 
kurz  vorher  hineingeworfenen  Hiebe  —  ein  kleiner  DorchfOhrungsteil  <— 
eine  etwas  ernstere  Miene  aufzusetzen  Tersucht  hatten.  Es  ist  eine  Musik, 
die  zu  allen  Zeiten  schön  sein  wird. 

Aber  es  gibt  noch  interessantere  Mduiigen  als  die  soeben  be- 
sprochenen, Ton  denen  die  Instrumental-Musik  noch  lange  Zeit  sich  nichts 
träumen  sollte;  denn  die  Art  der  Yenetianer,  immer  und  zwar  ganz  un- 
vermittelt) Bild  an  Bild  zu  reihen,  fahrt  sie  in  der  Eompositions-Weise 
zu  Gestaltungen,  welche  die  spätere  Zeit  dann  zimi  Prinzip  erhebe 
sollte,  nämlich  zur  Verquickung  ^anz  gegensätzhcher  Momente,  ein  Ver- 
fahren, das  nur  zu  oft  auf  dem  Wege  der  Spekulation  entsteht  Eine 
Sinfonie  die.ser  Art  ist  die  vonPietro  Franceschini  zur  Oper  »Arsinoe«  *) 
(1677),  die  im  Anhang  (Nr.  3)  ersclieint.  Der  Anfang  ist  der  übliche  (mit 
denSequenz-Scliritten  und  ausdrüc  klich  mit  Orai  e  überschrieben)  ;  feierlich 
klingt  er  im  hellen  D-dur  aus.  Mit  einem  Mal  Szenerie- Wechsel  ein 
scharfes,  abgehaktes  drmoU  Thema  in  vollem,  vierstimmigen  Satz  «chieüt 
stnrmisich  los,  gelanf^t  aber  bereits  nach  dem  fünften  Takt  zum  Ab- 
schluß. Solo  setzt  sein  ( Je<2fcnstäck  ein,  das  in  beinahe  galanter  Weise 
dem  Unf^estUni  aus  dem  W<>irf'  zu  gehen  scheint  .letzt  t^oachieht  aber 
daü  Unerwartete;  kaum  fangen  dritte  und  vierte  Stimme  mit  diesem 
Thema  an,  so  spielen  die  heidcn  ersten  Stimmen  das  erste  Thema 
aus.  das  dann  wieder  von  den  tieferen  Instrumenten  ergniien  wird, 
wahrend  die  oberen  abwechselnd  das  zweite  nehmen,  als  ob  keine  Stimme 
der  andern  etwas  gönnen  möchte;  es  ist  ein  Reißen  und  wieder  ein 
freundlich  Tun  ganz  eigener  Art.  Und  dies  Alles  wird  im  Verlauf 
von  ein  paar  Takten  ins  Werk  gesetzt,  daß  man  geradezu  verwundert 
ist,  wie  dies  in  dem  engen  Ralimen  möglich  sei.  Der  Satz  wird  (mit  einigen 
Umbildungen  und  Stimmen -Wechseln)  ziemlich  genau  in  der  Dominante, 
wiederholt;  das  erste  Thema  behauptet  sein  Recht  und  schließt,  beinalie 
grimmig,  lakonisch  in  d-moU  ab. 

Die  paar  Beispiele  werden  gezeigt  haben,  wie  in  ebenso  geistmcher 
als  auch  selbstfindiger  Weise  die  Yenetianer  sich  den  fugierten  Stfl  zu 

'  1)  Bibliothek  8u  Man». 


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.Alfred  H«i6,  Die  Tenetieniachea  Opem-fiinfonieiL 


437 


^sutzf  luacliti'ii.  Mit  der  Zeit  zeigt  sich  die  Verwandtschaft  mit  der 
französischen  Ouvertüre  immer  mehr,  und  es  ist  eigentümlich,  wie  die 
venetianische  Sinfonie,  von  der  französischen  Oper  vollständig  unabhängig, 
jillmählich  auf  die  Lully'sche  Ouvertüre  los  steuert.  Die  venetianischen 
Komponisten  fangen  schon  vor  1680  an,  ganz  ausgeführte  Fugen  zu 
schreiben,  was  in  der  ersten  Zeit  des  Eindringens  des  fugierten  Stiles 
unmöglich  gewesen  wäre.  Aber  selbst  dann,  wenn  wirkliche  Fugen  vor- 
liegen, verleugnen  die  Venetianer  ihre  Natur  nicht.  Eine  solche  vene- 
tianische Fuge  ist  noch  ungemein  weit  davon  entfernt,  von  der  Art  und 
dem  Wesen  der  französischen  in  der  Lully'schen  Ouvertüre  zu  sein,  deren 
Merkmal  eine  etwas  lederne  Trockenheit  ist.  Ich  möchte  an  einem  ein- 
zigen Beispiele  zeigen,  wie  die  Venetianer  sich  auch  mit  einer  vollen 
Fuge  abzufinden  und  wie  dieselbe  zu  würzen  verstanden.  Es  ist  eine 
Smfonie  aus  dem  Jalire  1680,  nur  Oper  »B  Hatto  delle  Sabine«  yon 
Fietro  Simone  Agostini^).  Der  Anfang  entspricM  der  alten  venetiani- 
schen Sinfonie;  doch  fehlt  die  schaffe  Gliederung,  die  man  in  der  Zeit 
der  Bifite  geradesu  durchgängig  beobachten  konnte.  Skshon  dadurch 
EQigt  die  Sinfonie  ziemHche  Ähnlichkeit  mit  der  Lolly^scfaen  OuTertUre,. 
deren  Eingangsteil  die  scharfe  Gliederung  der  Tenetianischen  nidit  seigt| 
abgesehen  von  der  in  der  franxösisdien  Ouvertfire  fiblichen  Satzeinteilung: 
Tiangsam — Schnell — Langsam. 

Der  darauf  folgende  fugierte,  ebenfolls  fttn&tlmnuge  Satz  ist  keine 
einfache,  sondern  eine  Art  Doppelfuge,  das  heifit  das  Thema  besteht  aus 
zwei  gegensätzlichen  Teil-Themen,  wovon  das  zweite  sofort  von  der  zweiten 
Stimme  als  G^egensatz  zum  ersten  in  Beschlag  genommen  wird«  Hier 
der  Anfang  mit  den  verschiedenen  Ein^tzen.  (Die  vierte  Stinune  im 
zweiten  System  ist  eine  Oktave  tiefer  zu  lesen.) 


1)  Bibliothek  m  S«&  Man»  in  Venedig. 


U8W. 


29» 


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436  AlEred  H«a8,  Die  Tea«tiMiiMdiea  Opera-^mfosMii. 

■ 

Dies  ist  wieder  echte  Venetianer-Art;  deiin  ein  Blick  auf  die  Noten 
genügt,  um  zu  sehen,  daß  der  Einsatz  der  zweiten  Stimme  nach  den 
Begeln  der  Fuge  eigentlich  erst  im  dritten  Takt,  in  welchem  das  Thema 
in  clor  richtigeii  Gestalt  enclieiiit,  hätte  erfolgen  sollen.  Man  moB  di^ 
Oestaltnngsweise  cUf^  dramatifich  nennen,  aotoi  das  maliaierande  Spiel 
der  beiden  Stimmen,  indem  die  eine  die  andere  anzogreifen  scheint,  etwaa 
Dramatisches  an  sidi  hat  Biegelrecht»  irie  auf  Kommando,  selisn  dann 
die  andern  drei  Stimmen  (der  BaB  fehlt  in  dem  Notenheispiel}  hinter- 
einnnder  ein,  und  in  frohem  Lauf  eilen  s&mtlidhe  Stimmen,  wobei  sosnsagen 
jede  Note  thematisdi  ist,  dahin  bis  m  einem  scheinbaren  AbsehlnS  in 
Chdur.  Jetzt  eine  kune,  nur  dnroh  ein  Instrument  an«gefttUto  Pause, 
und  ohne  jeglidiii  Modulation  klingt  plötalich,  me  eine  OCtterstunme 
aus  den  Wollten,  ein  langer,  den  ganzen  Takt  fallender  Akkord  — 
QumtpSeztakkord  auf  eis  —  in  das  Toriier  so  erregte  Spiel  Es  kommt 
Einem  unwinktkrlich  der  Trompetenstoß  in  Beethoyen*8  Le<moren-Oaverture 
in  den  Sinn  und  sicherlich,  weniger  dramatisc])  ist  dieser  hereingeschneite 
Akkord  nicht.  Deiin(ir!i  ist  er  abo'  unzweifelhaft  historisch  als  eine 
•zusammengeschrumpfte  Erinnerung  an  den  früheren  feierlichen  Teil,  der 
gern  das  AUegro  wieder  unterbrach,  au  erklären.  —  Die  Stimmen  lassen 
sidi  aber  Ton  dem  Phantom,  das  sie  einen  Augenblick  zum  Stehen  brachte, 
nicht  weiter  stören;  beinahe  frivol,  als  wäre  auch  nicht  das  Geringste 
geschehen,  setzen  sie  in  der  gehörigen  Ordnung  wieder  ein,  und  es  folgt 
oinc  Art  Wiederholung  des  ersten  Fngatos;  genau  wie  in  den  meisten 
französischen  Ouvertüren  ist  der  Scliluli  wieder  ein  Largo-Teil. 

Die  besprochene  Sinfonie  war  aus  dem  Jahre  1G8(J.  Aber  schon 
früher  treten  Sinfonien  auf,  die  stark  an  den  Typn^  der  französischen 
Ouvertüre  erinneni.  H.  Tiet^renzi  sclireiht  zu  seiner  Oper  -  Totila«  *) 
eine  Einleitung,  die  überaus  stark  die  Verwandtschaft  mit  der  französischen 
Ouvertüre  zeigt;  selbst  der  langsame  Teil  ist  nicht  so  eigentlich  vene- 
tiaiusch.  Man  glaubt  l)einahe,  daß  sich  Legrenzi  des  üuterschiedcä  dar 
beiden  »Sinfonie- Arten  in  ihrem  feierlichen  Teil  bewußt  gewesen  sei,  denn 
dem  frauz()sischen  Eingang  folgt  noch  ein  kleiner,  feierlicher  Teil  im 
'/■.»-Takt  von  nur  wenigen  Takten ,  di'r  aber  ganz  lu  der  Art  der  vene- 
tianischen  Sinfonie  gehalten  ist.  Diesem  ähnlich  ist  denn  auch  das  ab- 
schließende Largo.  Der  deuthch  als  Fuge  gedachte  sdinellc  Satz  weist 
keine  neue  Züge  auf;  das  Thema  besteht  aus  lauter  Viertel^Noten,  wo- 
durch der  Satz  trotx  des  NadieinandereinBetzens  der  Stimmen  im  Augen- 
blick ganz  harmonisdi  wirkt 

Es  ist  bereits  bemerkt  worden,  dafi  nidit  bei  allen  Sinfonien  der 
Tenetianer  die  Yerwandtschaft  mit  der  französischen  Ouyertnre  ddi  aengt. 


1)  BiUiothek  San  Muco. 


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In  der  Tat  geht  denn  die  venetianische  Sinfonie  iu  ihrer  späteren  Zöit 
nach  zwei  Richtunj^en  auseinander,  und  zwar  von  der  Zeit  an,  als  sie 
den  festen  Kontakt  mit  dem  Drama  zu  verlieren  beginnt.  Auch  bei  den 
soeben  besprochenen  Fupen-^infonien  wird  man  nicht  so  leiclit  einen 
direkten,  inneren  ZiLsauimenhang  mit  der  ()|)er  herausfinden  können.  — 
Aber  auch  die  andere  Kichtiiug  Htrläßt  die  Bahn  der  frülieren  Sinfonie, 
eines  den  reichen  Inhalt  der  Oper  wiederspiegelnden  Musik -Stückw. 
Mau  möchte  in  diesem  Abkommen  von  dem  früheren  Weg  beinahe  ein 
kleines  Gregenst&ck  zur  Oper  übertiaupt  heraiaafiiideB.  Bis  jetct  war  die 
Sinfonie  aiebt  Selbsteweck  gewesen,  sondem  hatte  sieh  den  Dienst 
der  Oper  gestellt;  nun  machen  dch  aber  starke  Anidohen  geltend,  daft 
ihr  diese  Bolle  verleidet  ist,  nnd  so  beginnt  sie  bereitB  anl  den  Weg  ni 
geraten,  auf  welchem  die  Oper  in  der  späteren  Zeit  wandeln  sollte:  wie 
hei  dieser  die  Musik  im  stände  war,  den  dramatischen  Gestchtspunkt 
ans  den  Augen  sn  veflieren,  so  Teifolgt  auch  die  Sinfonie  allmühlich 
Selhstsweoke  und  wird  Konasrtstttck.  Sicher  ist  mit  dem  Kamen  >Eon- 
sertstflx^k«  siemlich  stark  ▼oigegrifisn,  aber  die  Anzeichen  hiena  aeigen 
sich  schon  in  aller  Klarheit,  und  als  solche  sind  diese  Sinfonien  für  die . 
Oeschiflhte,  ftr  dm  spätere  Entwicklung  der  Smfonie,  und  gaax  besonders 
für  die  Yorgeschidite  des  Ihstrumental-Konzerta  Ton  entscheidendem 
Interesse. 

Die  Richtung,  welche  dieser  Zweig  der  venetianischen  Sinfonie  ein«* 
schlägt,  ist  die  solistische,  kennzeichnet  sich  also  in  dem  Hervortretsn 
eines  oder  mehrerer  Instrumente,  ein  Verfahren,  das  ursprünglich  unserer 

Sinfonie  ^nz  fem  lag.  Die  Art  und  Weise,  wie  dies  geschieht,  zeigt 
deutlieh,  daß  man  es  hier  mit  Vorboten  des  späteren  Konzertes  zu  tun 
hat.  Wir  kommen  hier  zu  einer  Frage,  die  einiger  Klärung  bedarf  und 
deshalb  etwas  näher  erörtert  werden  muß. 

Über  die  Entstellung^  des  Instrumental-Konzertes  sind  wir  noch  ziem- 
lich im  Unklaren,  trotz  fUr  liöchst  dankenswerten  Mitteilungen  Sand- 
berger's  in  der  NeuausjL'  i l»i  m  Abaco's  Werken').  Den  Begründer  des 
Concprto  ffrosso  findet  Sandberger  iu  Tiucchese  Giov.  Lor.  Gregnri,  der 
schon  vor  ToruUi,  den  man  bis  dahin  als  den  Schöpfer  diei«er  Instru- 
mental-Gattung ansah,  Konzerte  sclirieb.  Ich  glaube,  daß  hier  weniger 
Namen  maßgebend  sind,  als  das  Wesen  des  Konzei  tS;  indem  auch  Oregon 
von  dem  Konzertals  von  etwas  ganz  Bekanntem  redet,  und  es  sich  vielleicht 
nur  um  weitere  Funde  bandeln  wird,  die  einen  noch  späteren  Komponistea 
des  Konzertes  berausstcllen  können. 

Für  die  Erklärung  des  Wesens  des  Konzertes  sind  aber  die  kon- 
aertterenden  Sinfonien  von  großer  Wichtigkeit,  da  das  solistisch  kon- 


1)  Denkmäler  der  Tonkunst  in  Bayam,  erster  Jahrgang. 


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440 


Alfired  Hen0,  Bi^  T6iMtuii»eb<eii  Opani'Sinfoiiita. 


•zertiertmde  Element  bei  ihnen  aus  ganz  anderen  Verliiiltnissen  als  bei 
der  Kammer-Musik  herauswädist  Wir  mübsen  hier  etwas  ausführlicher 
werden. 

Die  Instrumcntal-^rusik  des  17.  JalirhundtTts  ist  in  ihrer  Gesamtheit 
eine  solistische,  wenn  auch  die  Ansicht  unbedin^?t  vertreten  werden  iniiB, 
dali  dio  TrioSonfiton,  die  j^ebräuchlichsto  Kunstform  in  der  Instrumental- 
Praxis,  autii  Iii  ciiorischer  Besetzung  gespielt  worden  sind,  uiul  dies  eines- 
teils deswegen,  weil  man  sonst  annehmen  müßte,  das  17.  Jahrhundert 
h&tte  Orchester-Besetzung  außer  in  der  Oper  überhaupt  nicht  gehabt,  da 
Tielsttmmige  Inatnuiieiital-Kompositioneii  Ausnahmen  sind,  ferner  auch 
deshalb,  weil  gerade  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jabitiimderti  toi^ 
kcinunenden  Bezeichnangen  von  solo  und  iuHi  darauf  hinweisen,  daß  man 
gelegentlich  mit  einer  größeren  Anzahl  von  Spielern  rechnete,  um  den 
offenbar  gewünschten  Gegensatz  zu  erzielen.  Zu  den  von  Torchi<}  ge- 
gebenen Beispielen  solcher  Solo-  und  Tutti-Stellen  kann  ich  ein  weitere» 
aus  Harini's  op.  22  von  1655')  geben,  in  welchem  dieser  Komponist 
eine  Sonate  mit  Solo  beginnt,  tmd  ihm  dann  ein  stark  kontrastierendes 
Tutii-Thema  gegenüberstellt,  das  man  sich  kaum  anders  als  in  stärkerer 
Besetzung  denken  kann,  da  es,  durchaus  akkordisch  angelegt,  mit  dem 
ziTalisierenden  Spiel  der  übrigen  Sonaten  nichts  gemein  hat*).  Gerade 
das  rivalisierende  Spiel  der  Trio-Sonaten,  welches  diesen  Instrumental- 
Formen  ihr  Gepräge  gibt,  sagt  denn  aber  deutlich,  daß  man  es  mit  keiner 
eigentliehen  Orchester-Musik  im  Sinne  der  Gabrieli'schen  Sonate  oder 
des  nun  einsetzenden  Konzertes,  bei  dem  das  Tutti  (Concerto)  ein  regel- 
rechtes Orchester  TorauBsetzt,  zu  tun  liat.  In  dieser  Weise  betrachtet, 
ist  die  Trio -Sonate  in  ihrem  Wesen  doch  eine  solistische,  wofür  noch 
weiter  spricht,  daß  man  die  Solo -Sonate,  die  sich  in  ihrem  Ausdruck 
und  ihrer  Anlage  [nicht  von  der  Trio -Sonate  unterscheidet,  mit  dem 
gleichen  Kochte  als  Orchester- Musik  bezeichnen  könnte,  was  aber  bis 
dahin  von  Niemand  angenommen  worden  ist,  obwohl  sie  wohl  sicher 
wie  die  Trio-Sonate  neben  der  einfachen  auch  in  orchestraler  Besetzung 
gespielt  wurde.  Eine  eigenthche  ( Jrcliestcr-Musik  im  17.  Jalirhundert. 
nämlich  eine  solche,  die  orchestral  gedacht  und  gespielt  worden  ist,  sind 

1)  A  a.  O.  Eurnnl  Im  Pftlconieri  (1660)  tmd  d«Dii  bei  Oorelli  (1683). 

2}  Stadt-Bibliothek  zu  Breslau, 

3  Sclion  lanfTC  vor  Marini  und  Falci  nieri  !»ind  UnterscheidimL'on  in  dir  Be- 
setzung gemacht  worden^  so  von  Castello  m  dessen  »Sonate  concertaute«  von  liiSS, 
wo  aber  nicht  Solo  und  Tutti  einander  gegenübergestellt  werden,  sondern  Solo  und 
Duo,  wie  in  der  XYIL  Sonate  für  2  Violinen  und  2  Cometti.  Bei  CMello**  Sonaten, 

die  für  diese  Zeit  ziemliche  technische  Schwierigkeiten  geboten  haben  werden,  ist  an 
eine  mehrfache  Besetzung  eines  Tn^tnirnLutLS  kaum  zu  drnkrn,  da  die  oft  f^ehr  srlinellen 
Länfe  auch  im  Allecxo-Tempo  «rliwcrlirh  von  mehreren  Sj)irlern  zu^^k'ich  deutlich 
iierautigebracht  worUen  wUreu.    Diese  Sunaten  sind  wirklich  konzertierend. 


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Alfred  Heuß,  Die  venetianiachen  Op^n-Sinfonien. 


441 


denn  wohl  nnr  die  Opem-Srnfonien,  deren  'Wirkimg  nur  in  stärkerer 
Besetzung  (schon  wegen  der  Baumliöbkeiten  und  grüßen  Zuhörermenge) 
enielt  werden  kann.  Hier  haben  wir  ein  feet  oiganisiertes  Orchester,  in 
welchem  neben  {dem  Violinen-Orchester  auch(etwa  Blas-Instrumente»  die 
in  der  Sonaten-Iiteratnr  zur  Seltenheit  geworden  sind,  yertreten  waren. 
Und  diese  Blas-Listrumenta  sind  es,  welche  das  konzertierende  Spiel  im 
Sinne  des  neura  Konaertes  begründen,  und  «war  in  einer  Art  und  Weise, 
die  für  das  sptttere  Konzert  direkt  Torbildlich  gewesen  sein  wird,  da  sich 
hier  bereits  die  henrorragendsten  Momente  desselben  in  aller  Klarheit 
zeigen.  Hier  scheint  inir  der  Schlüssel  für  die  Erklärung  des  Konzei-tes 
KU  li^en,  erstens,  daB  es  ein  fest  organisiertes  Orchester  ist,  aus  dem 
das  modern  konzertierende  Spiel  herauswächst,  zweitens,  daß  es  Blas- 
instrumente sind,  die  dasselbe  begründen  und,  was  damit  zusammenhängt, 
daß  dieses  modern  konzertierende  Spiel  zuerst  in  der  Opem-Sinfonio 
auftritt.  £s  ist  notwendig,  jeden  dieser  Funkte  einer  Kritik  zu  unter- 
*  ziehen. 

Erstens:  es  ist  strenjif  zu  unterscheiden,  auf  welche  Weise  die  beiden 
Instrumental-Gattungen.  0?-clu'ster-Musik  (Opern-Sinfonie'  nnfl  Kammer- 
*  Musik  (S<>naten-Musik  zum  solistisclien  Spiel  beziehungsweise  Urchester- 
Satz,  kurz  zu  dem  Gegensatz  von  Solo  'irnl  Tutti  kouinit*n.  Hei  der 
Opem-Sinfoni«'  ist  das  solistischc  Spiel  eiu  Herauswachsen  aus  einem 
wirklichen  Orchester- Satz,  indem  das  Tutti  das  priniäre  war,  während 
bei  der  Kammer-Musik  das  Solo  in  erster  Linie  bestand  und  sich 
der  Gegensatz  (Tutti)  durch  das  mittelst  stäikerer  Besetzung  ver- 
dichtete ursprüngliche)  Solo  heranbiidete.  Das  Ziel  wäre  demnach  das 
ganz  gleiche  gewesen:  es  galt,  eine  bewußte,  systematische  Ausbildung 
der  Gegenüberstellung  von  Solo  und  Tutti,  von  Solisten  und  einem 
Orchester.  Das  Bedeutsame  und  Entscheidende  ist  aber,  duü  diese 
Gegenüberstellung  vom  Orchester-Satz  aus  frülier  zu  der  die  moderne 
konzertmäßige  Art  und  Weise  anzeigenden  Behandlung  gelangt  und  ge- 
langen mußte  (worüber  der  zweite  Punkt  GrUnde  geben  wird),  weshalb 
diese  konzertierenden  Opern-Sinfonien  fOr  das  spätere  Konzert  vorbildlich 
sein  konnten,  denn  hier  waren  audi  alle  äufieren  Bedingungen  gegeben. 
Das  fest  oiganisierte  Opern-Orchester  konnte  ohne  weiteres  die  Trennung 
Ton  Goncertino  und  Goncerto  Tomehmen,  in  der  Cembalo-Frage  —  ein 
.Cembalo  für  das  Concertino,  das  andere  fUr  das  Concerto  —  konnte  es 
wohl  direkt  Torbildlich  sein,  da  im  OpempOrchester  bis  vier  solcher 
Instrumente  Torkonunen  Wie  allerdings  in  der  Kammer-Musik  vor 
Entstehung  des  Concerto  grosso  die  Cembalo-Frage  sich  yerhalt,  ist 
mir  nicht  bekannt,  meines  Wissens  ist  diese  Frage  überhaupt  nodi  nicht 


1)  Xretsiehmar,  Jalurbuoli  der  MosikUbliothek  Peter»  ISOO,  8. 50. 


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442 


bertlhi;  worden.  Daß  Akkorfl-Instruraente  auch  in  der  Kammer- Musik 
fMTic  bedeutende  Rolle  spielten,  weiß  irinn.  indem  uns  lurch  Quantz  ver- 
büiL^t  ist,  daß  sich  die  Zahl  der  Cembali  nach  der  Anzahl  der  übrij^n 
In^ti  iniH  nie  richtet«;  für  die  angegebene  Scheidung  konnte  dennoch  das 
Upern-Urchester  vorbildlich  sein*). 

Zweitens:  Es  sind  Blas-Instnimente,  die  das  solistisch  konzertierende 
Spiel  in  der  Sinfonie  begründen.  Was  bedeutet  dies  einmal  für  die 
Sinfonie  ? 

In  den  früheren  Sinfonien  der  Venctianer,  bei  dinm  Blas-Instnimente, 
und  zwar  fast  einzig  Troinben,  öfters  vorkommen,  lialipn  die  so  stark  ans 
dem  Violinen -Orchester  hervortretenden  InstniuM  nt»  nicht  vermocht, 
solistisch  aufzutreten.  Es  kann  knimi  etwas  besser  den  veriinderten  Stand 
der  Sinfonie  bei  den  gleichen  instrumentalen  Verhältnissen  kennzeichnen 
als  gerade  dieses  selbständige  Gebaren  der  Blas-Instrumonte  gegen  früher, 
wo  diese  durch  den  allgemeinen  Zwang,  daß  keim/  Stnnim'  sich  in  dieser 
Weise  vor  der  andern  erhebe,  uiedergehalteu  wurden  und  nicht  aus  dem 
Ganzen  in  selbstherrUcher  Weise  hervorzutreten  wagten.  Wollte  man  in 
einem  Gleichnisse  reden,  so  könnte  man  sagen:  hier  hat  die  Brutalität 
den  Sieg  davongetragen;  die  Tromben  mit  ihrer  aufdi  iuglichen  Gewalt 
haben  sich  über  die  feinere  Welt  der  Geigen  /um  Herrscher  empor- 
geschwungen. Denn  bei  den  zu  besprechenden  Sinfonien  suid  ei,  immer 
Tromben,  die  solistisch  auftreten.  Es  ist  aucli  nichts  logischer,  als 
daß  gerade  diese  Blas-Instrumente  das  solistische  Spiel  herbeiführen,  und 
nichts  charakteristischer,  als  daß  in  der  Opern-Sinfonie  das  solistisch  kon- 
zertierende Element  lange,  bevor  es  in  der  Kammer-Musik  vorkommt,  — 
die  älteste  mir  bekannte  Konzert-Sinfonie  ist  Ton  1672  —  auftritt,  weü 
in  der  letiteren  diese  instrumente  keine  Eolle  spielen*).  Die  spftteren 
»BegrQnder«  des  Eonierts  bnnchten  nur  das,  was  maai  in  der  Opem- 
Sinlonie  teilweise  zum  Prinzip  erhoben  hatte,  «nf  ihr  Fach,  nlbnHeh  die 
Violinen-Musik  zu  übertragen,  nat&rlich  mit  den  in  der  E^mmer-Mnaik 
gebiftnohlichen  Fonnen.  Aber  auch  hierin,  wenigstens  was  die  Anlage  der 
Verteilnng  von  Solo-  und  Tutti-Stellen  anbetrifft,  hatten  die  Ihstrumetital- 
Komponisten  eigentlich  nichts  weiteres  zu  tun,  als  in  die  Oper  zu  gehen 


1  Em  weiterer  Grund,  daß  die  OperQ-Sinfonien  fUr  die  Erklärung  des  Konzertes 
maßgebend  nnd,  eoheint  mir  dum  tn  liegen,  daß  die  m  der  SonateD-Lsteraiiir  ea- 
«tttreffenden  Bezeichnungen  von  Solo  nnd  Tutti  ziemlich  selten  vorkommen,  wihnad- 
konzerticrende  Opern-Sinfonien,  soweit  sich  dies  beurteilen  läßt,  typiscli  auftreten. 
Torchi,  dem  ein  ungeheures  Material  m  Gebote  stand,  weist  nur  die  beiden  ge- 
gebenen Beispiele  nach.  Dennoch  getraue  icli  mir  hierüber  kein  endgültiges  Urteil 
abzugeben. 

8]  EOtnfig  kommt  nnr  dee  Fkgott  vor,  dst  den  Baß  unterstAtrt. 


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Aifited  SmSk,  Die  vsnatiaiuMhai  Opetn-8iiilinii«i. 


448 


und  sich  dort  Sinfonien  dieser  Art  anzuhören.  Zu  diesem  Zwecke  »ntiffwii 

wir  uns  einige  derartige  Sinfonien  näher  ansehen. 

Ein  passendes  Beispiel  ist  die  Sinfonie  zur  Oper  »Adelaide«  \]  von 
A.  Sartorio  aus  dem  Jahre  1672,  die  auch  dadurch  interes.sant  ist,  daß 
sie  die  kriegerische  erste  S/ene  mit  iliren  Trompeten-Fanfaren  vorbereitet, 
mithin  Programm-Sinfonie  ist.  Die  konzertierenden  Listrumente  sind  zwei 
Tromben,  die  einem  starken,  fünf  stimmigen  Orchester  gegenübergestellt 
sind,  und  zwar  in  der  Art,  daß  beide  Teüe,  Solo  und  Tutti,  wie  im 
späteren  Konzert  vollständig  gleichberechtigt  auftreten.  Die  Sinfonie  ist 
ganz  mit  Echo-Effekten  durchzogen,  worauf  bereits  von  H.  Kretzsch- 
m.ar  hingewiesen  worden  ist 2).    Hier  der  Anfang: 

Volles  Orchester.  2  Solo-Tromben  mit  BassoCont.       f^^^        ^  ^ 
B.  Cont.  Oktave  tiefer. 

Nach  der  ganzen  Besprechung  .der  venetiaiiischen  Sinfonie  werden  wir 
die  zwei  schweren  r^-rfwr- Akkorde  am  Eingai^  der  Sinfonie,  vom  ganzen 
Ensemble  gebracht,  begreifen ;  sie  sind  wie  ein  letzter  Gruß  aus  der  alten, 
feierlichen  Sinfonie.  Nur  auf  den  Anfang  beschränkt,  gleichsam  nur 
mehr  da,  um  Ruhe  zu  gebieten  für  das  gleich  darauf  folgende  Solisten- 
Spiel,  oder  wie  ein  Pförtner,  der  seiner  Herrschaft  das  Tor  öffnet  und 
dann  sich  in  die  Ecke  drückt,  so  sehen  sie  uns  bcinalie  an.  Dei-  Aufbau 
und  die  Ai*t  der  Behandlung  der  Instrumente  ist  nicht  uninteressant;  es 
liegt  etwas  darin,  was  man  mit  Instrumi'ntation  bezeichnet.  Das  scharf 
zugeschnittene,  viertaktige  Thema  (s.  oben),  bei  welchem  der  zweite  und 
vierte  Takt  Echo-Wirkungen  der  vorhergehenden  sind,  wüd  von  den  Solo- 
Trompeten  aufgestellt  uml  erfährt  vom  Orchester  sofort  eine  genaue 
Wiederholung  in  der  Doiiiiii.uite,  Avas  deslialb  bemerkt  wird,  weil  man 
sieht,  wie  .sehr  den  venetiaiiischen  KoniponiNten  die  Beantwortung  in  der 
Dominante  im  Blute  liegt;  denn  bei  sjiäteren  /.'«/•-Konzerten  von  V ivaldi, 
Corel  Ii,  Abaco,  wird  das  vom  Tutti-Chore  aufgestellte  Haupt-Thema 
vom  Concertino  immer  in  der  gleichen  Tonart  gel)racht3).  Nach  dem 
Schlüsse  des  Tutti  in  A-diir  setzen  die  Solo-Tnstruniente  mit  dem  Thema 
in  D-dur  wieder  ein,  doch  wird  diesmal  die  Echo-Antwort  vom  Orchester 
gebracht  und  so  ein  lustrumentations- Effekt  erzielt    Auch  die  Yer- 

1)  Bibliothek  San  Marco. 

2  Jahrbuch  der  Musikbibliothek  Peten:  Einige  Bemerkungen  für  den  Vortrag 
alter  Musik  (1900}.    Seite  64. 

3}  Eine  große  Anzahl  von  V  i  v  al  d  i  -  Konzerten  befindet  tioh  in  der  KgL  BiUiotlMk 
sn  Dreeden,  die  Konaerte  von  Oorelli  und  einige  von  Abneo  üegeii  ta  Neime- 
gnben  vov. 


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444  Alfred  UeuU,  Die  venetiamsclien  Opern-äinfunien. 

teUnng  des  thematisdien  Materials  erinnert  ganz  an  das  spfttere  Eonsert 
Das  erste  Solo-Lutrument  intoniert  darauf  ein  aus  Motiyen  des  ersten 
Themas  gebildetes  zweites  Thema  von  vier  Takten,  das  dann  ineder 
Tom  Orchester  in  der  Bominant-Tonart  gebracht  irird,  worauf  noch- 
.  mals  das  An&ngs -Thema  in  der  zweiten  Gestalt,  also  zwischen  Solo 
nnd  Tutti  verteilt,  auftritt,  mit  dem  dann  die  Sinfonie  absdiließt  Der 
Ben  ist  demnach  von  der  denkbar  einfadisten  Art,  geradezu  primitiv,  der 
hflxmonische  Bestand  beschränkt  sich  auf  drei  Akkorde.  Und  so  tritt 
die  Sinfonie  gewissermaßen  in  die  Heihr  jener  Natur- Sinfonien  mit  den 
Fanfaren-Motiven,  auf  welche  wiederholt  hingewiesen  wurde. 

Gröfiere  Anlage  und  weitere  AusbHcke,  auch  nach  der  des  späteren 
Konzerts,  weist  eine  Sinfonie  von  P.  A.  Ziani  auf,  die  zur  Oper  *Gan- 
daule«  ^)  1679  gehört,  und  trefflich  zu  zeigen  vermag,  in  welcher  "Weise 
diese  Sinfonien  für  das  spätere  Konzert  vorbildlich  sein  konnten*).  Auch 
hier  ist  das  Solo-Instrument  eine  Trombe  und  die  Sinfonie  steht,  wie 
meistens,  wenn  eine  Trombe  dabei  ist,  in  D-rfnr,  der  Sinfonie-Tonart  des 
kommenden  Jahrhundt-rts.  Die  ganze  zweisiitziije,  fünfstimmige  Sinfonie 
ist  ein  Konzert  für  die  Trombe  mit  dem  Aufangsthema: 


das  vom  Orchester  fugenartig  wiederholt  wird,  worauf  dann  die  Trombe  mit 

fortfährt,  vom  Orchester  aber  sofort  unterbrochen  wird.  Der  Anteil 
des  Orchesters  ist  hier  ein  viel  lebhafterer  als  in  der  vorheiigebendeii 
Sinfonie.  Ein  erregtes  Frag-  und  Antwortspiel,  dem  das  Motiv 

zu  Grunde  liegt  (ähnlich  wie  es  die  früheren  Sinfonien,  nur  unter  alle 
Stammen  verteilt,  geliebt  hatten),  gibt  dieser  Sinfonie  ein  charakteristisches 
Aussehen;  es  handelt  sich  wirklich  um  einen  Wettkampf  zwischen  den. 
beiden  Gegensätzen  Solo  und  Tutti.  Zum  Schluß  des  kleinen  feurigen 
Satzes  erklingen  dann  Solo-  und  Tntti-Stimmen  als  schöne  Schlufi- 
Steigerung  zusammen,  auch  darin  dem  späteren  Konzert  die  Bahnen 
zeigend.  Der  zweite  Satz  ist  ebenfalls  in  dieser  Art  angelegt,  nur  gibt 


1  ^larnis-Bihliothek. 

2j  Die  Sinfonie  wird  von  Herm  Prof.  KretssohmAr  veroffentlioht  werdeo. 


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Alfred  HeoO,  Di«  ▼mietuiiiMilMn  Opem-Siiifitniiai. 


445 


er  dem  Solo-Instruiiient  Gelegenheit,  sein  Können  auch  im  ausdrucks- 
vollen Spiel  zu  zeigen.   Das  »Barcarolen-Thema« 

Solo. 

das  sofort  vom  Orchester  aufgeprriffen  wird,  erinnert  stark  an  Arien, 
Jeron  Aceouipagnement  wetren  ilin  r  W  i<_hu^^keit  von  (h'n  Komponisten 
mit  einer  obligaten  InstrumLiiial-ijLgleitunjEr  verschen  wird.  Dem  Tutti 
ist  noch  eine  größere  Kolle  zuerteilt,  als  im  vorigen  Satze,  indem  es 
emige  Male  selbständigere  Bahnen  zu  gehen  wagt;  auch  hier  vereinigen 
sich  zum  Schlüsse  Solo  und  Orchester.  Ahnlich  wie  diese  sind  andere 
Sinfonien  mit  konzertierendem  Charakter  beschaffen;  immer  ist  es  ein 
Hin-  und  Herspielen  von  Solo  und  Ordiester^.-wie,  um  ein  weiteres  Bei- 
spiel 2u  geben,  in  der  draisätzigen  Sinfonie'  von  C.  Pallavicini  zu 
»L'Amazoni  Gonara«>]  vom  Jahre  1668,  bei  welcher  der  erste  Satz 
(Beflage  Kr.  4)  das  solisttBche  Spiel  anfweist  Instrumente  sind-  keine 
angegeben;  die  Tonart  B-4wr  scheint  zwar  darauf  hinzuweisen,  daß  die 
Solo-Stinune  mdit  TOn  der  Trombe  ausgeführt  worden  ist,  dodi  belehrt 
darüber  gleich  die  erste  Szene  des  ersteti  Aktes,  die  auf  die  Trombe 
Bezug  nimmt,  dafi  auch  hier  diese  Besetzung  gemeint  sei.  Man  rieht 
an  dem  Satze  die  solistiscbe  Behandlung  sehr  deutlich;  zugleich  weist 
er  in  sofern  gegen  die  besprochenen  konzertierenden  Sinfonien  neue 
Seiten  auf,  als  das  Orchester  gleich  sofort  ein  Gegen-Thema  aulBtelli 
Aach  in  seinem  Aufbau  ist  der  Satz  nicht  uninteressant,  indem  er  die 
dreiteilige  Form  mit  einem  neuen  Schluß  aufweist,  der  ans  einer  Ver- 
breiterung des  Anfangs-MotiTS  gebildet  ist,  Feinheiten,  von  denen  im 
Zusammenhang  geredet  werden  soll.  Die  geistige  Verwandtschaft  mit 
Händel  wird  wohl  Jeder  empfinden. 

Diese  konzertierenden  Sinfonien  künden  aber  nicht  nur  das  Konzert 
an,  sondern  rie  sind  auch  die  direkten  Vorläufer  der  Scarlatti*8chen 
Sinfonie.  Natürlich  sind  sie  es  nicht  in  der  Art,  daß  sie  für  die  bekannte 
Satz-Aufstellung  TorbQdiich  gewesen  wären.  £s  ist  immer  wieder  betont 
worden,  daß  die  venetianische  Sinfonie  es  zu  keiner  festen  Gestalt  ge- 
bracht hat  und  es  schlechterdings  auch  nicht  bringen  konnte.  In  der 
Zeit,  da  sie  rieh  hierzu  anschickt,  ist  die  Blütezeit  der  Oper,  mit  der 
die  Sinfonie  ja  wieder  aufs  engste  zusammenhängt,  vorbei.  Im  großen 
Ganzen  neigte  rie  zur  Einsätzigkeit,  alier  in  der  Art,  daß  in  diesem  fort- 
laufenden Ganzen  die  mannigfachsten  Elemente  vertreten  waren.  Die 
konzertierende  Sinfonie  der  Yenetianer  scheidet  nun  diese  ziemlich  aus, 


1}  Hof-BibHothsk  sa  Mfincken. 


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Alfred  Heul»,  Die  veuetmauohen  Opera-8ia£oaiea. 


80  daß  sie  ein  einheitliches  Gkuizes  zu  werden  beiginnt,  was  die  Scar- 
latti'sche  Sinfonie  so  scharf  tou  der  Tenetiatdschen  Sinfooie  der  Blttte- 
2eit  untendifiidet  In  dieser  Art  nun  bereitet  die  ▼on  den  heterogenen 
Elementen  »ges&aherte«  Eonzert^Sinfonie  die  Scarlatti'eehe  yor.  Doch 
.nicht  nnr  dies:  auch  das  konzertierende  Spiel  der  Scarktti'schen  Sinfonie 
•wird  zum  größten  Teil  auf  das  Konto  dieser  Yenetianischen  Sinfonie  zu 
setzen  seia.  Was  sonst  noch  für  das  Zustandekommen  der  Seariattd^sehen 
Sinfonie  mafigebend  gewesen  ist,  sind  Fragen,  die  von  emer  andern  Seite 
geUtet  werden  mtteseni  auf  die  aber  hier  nicht  eingegangen  werden  kaam. 

Die  Besprechung  dieser  Sinfonien  hat  sich  mit  Absicht  immer  nur 
an  einige  t^ische  Beispiele  gehalten,  um  an  diesen  das  Wesen  dieser 
Sinfonie  ausführlicher  darlegen  zu  können.  Alle  Sinfonien  bergen  aber 
eine  solche  Mannigfaltigkeit  immer  neuer  Züge  in  sich,  dafi  beinahe  an 
jeder  etwas  hervorzuheben  wäre,  worin  sie  ebenfalls  aufs  schärfste  mit 
den  Sinfonien  der  späteren  ^Neapolitaner  kontrastieren.  Auf  einen  Zug 
muß  aber  noch  aufmerksam  gemacht  werden,  und  zwar  deshalb,  weil  er 
in  der  späteren  Flut  gleichartiger  Sinfonien  gänzlich  Terloien  geht,  und 
wohl  kaum  jemals,  ahn-  erst  in  der  Gegenwart,  wieder  in  so  reicher  Art 
aufgekommen  ist:  auf  den  großen  Reichtum  an  rhythmischen  Bildungen, 
in  denen  die  Venetianer  eine  Feinheit  bekunden,  die  man  in  ihren  scheinbar 
hingcworfcTien  Sinfonien  gar  nicht  vermuten  würde.  Einige  Beispiele 
werden  im  stände  sein,  die  Achtung  vor  diesen  &ufonien  gerade  dadurch 
zu  erhöhen. 

Rliytlimisehe  T'raljihiungen  ganzer  Sätze,  wie  sie  Monteverdi  und 
Cavalli  vorgenonunen  hatten,  kommen  in  gleicher  Gestalt  in  der  Blüte- 
zeit der  venetianischen  Siniom«.'  nieht  mehr  vor.  Dennoch  war  diese  Art 
<li  r  Umbildung  nicht  vergessen,  sondern  in  gewisser  Hinsicht  verfeinert 
wurden,  und  zwar  folgendermaßen:  Die  Komponisten  nehmen  oft  das 
Thema,  welches  in  langsamem  ZeitmaHe  für  die  Einleitung  benutzt  wurde, 
in  doppelt  so  schnellem  Tempo  im  Allegro-Teil,  ein  Verfahren,  welches 
allgemein  ;tu:s  kScliuiuunn's //-^///r-Sinfonie  bekannt  ist.  Ott  tun  sie  es  nur 
iu  .schwacher  Andeutung,  wie  in  der  Sinfonie  zu  »Marcello«  ^]  von  Ant. 
Boretti,  in  welcher  das  auf  einem  Ton  verharrende  Eingangs-Thema 

sowohl  für  das  sofort  darauf  folgende  AIlegro-Thema : 


1)  Miroat-Bibliothek. 


^AHM  H«i6,  Die  veiMliuiiolMii  Op«ni-8iiifoid«n. 


447 


ak  auch  fttr  den  spttteran  Safts,  in  iliytlim»cher  Umgertaltiuig 
dot  wird. 


Auch  in  der  Sinfonie  zu  >Ercole  in  Tebec  i)  verfährt  Boretti  auf 
ähnliche  Weise.  Das  Thema  hat  ziemliche  Ähnlichkeit  mit  dem  Cesti's 
aus  der  Sinfonie  zu  »La  Magnanimita  d'  Alessandro« ;  bei  Boretti  ist 
eine  Anlehnung  deshalb  nicht  ausgeschlossen,  weil  auch  in  anderen  Fällen 
seine  Themen  an  solche  von  Cesti  anklingen.  So  ist  das  reizende,  ele- 
gante Thema  in  der  »Marcello^ -Sinfonie 


I 


I 


ans  einem  Ohore  in  Gwti's  »Porno  d'oro«  genommen,  was  deshalb  keine 
zojfiUige  Gleidiartic^eit  sein  kann,  weil  das  firnnfimn  der  Stimmen-  bei 
beiden  MeistetB  in  ganz  gleichen  Abstanden '  und  (^eidien  Noten  ge- 
Bcbidit 

Ähnlich,  nur  interessanter,  verftthrt  Cesti,  von  welchem  im  Zusam- 
menhange noch  zu  reden  sein  wird,  in  seiner  Sinfonie  zu  »La  Magnani- 
mita d*  Alessandro«  ');  nach  einem  Einleitongs-Takte  bringt  Oesti  folgen- 
des Thema: 


r  r  r  ■  I  p-e 


4- 


— I  - 


1    I  I 


Fortsetzung  in  der  Dominante 

Hierauf  folgt  nun  ein  hitziges  Allegro.  das  aus  dem  ganz  gleichen 
Thema  gebildet  ist,  nur  eine  interessante  Weitorbildung  erfiihrt;  die  beiden 
Ober-Stimmen  sind  auf  originflle  einfache  Art  umgetauscht,  so  daß  man 
glaubt,  man  habe  etwas  Neues  vor  sieh: 


1)  KwwBiUioChek. 

g)  Denkmäler  der  Tonkimit  in  öitenmoh,  HL  Nei  Tolomi  del  OidL  Seite  41. 
9)  Mareuf-BibliotheL 


u  kju,^  jd  by  Google 


448 


Alfred  Heuß,  Die  venetianischen  Opern-Ü^infonieii. 


Das  Original  fUr  solchen  StimmenrWeclisel  babfln  wir  bei  Montereardi 
gefunden;  es  ist  auch  beinahe,  als  ob  der  alte  Meister  hier  wieder  auf- 
lebte. Hier  ist  das  Neue  aber  die  doppelte  Tftuschmig,  Stimmen-Wechsel 
und  Tempo-Yerkleinenmgi  so  daß  sieh  das  Qanze  als  etwas  Originales 
attsmmmi  Man  meint  gerade,  der  Komponist  wolle  mit  seinem  Moti^ 
Tersteok  spielen. 

Solche  rhythmische  Umbildungen  sind  bei  den  Yenetianem  gar  niofat 
selten  und  kommen  bis  in  die  spätere  Zeit  der  yenetianischen  Sinfonie 
▼or.   PallaTicini  wendet  sie  in  seiner  drosätsigsii  Sinfonie  m  »!' Ama> 

zoni  Corsarfi«  1688  verschiedene  Male  an,  und  zwar  in  überaus  künst* 
lerischer  Weise,  indem  er  durch  Verbreiterung  des  Hauptgedankens  den 
Schluß  in  die  Länge  zieht.  Das  Hauptmotiv  des  ersten  Satzes,  das,  so- 
listisch  verwendet,  durch  den  ganzen  Sats  geht  und  sich  dem  Hörer  fest 
eingeprägt  hat,  benutzt  er  durch  Dehnung  zu  einem  breiten  Schlüsse'). 
Ähnlich,  ebenfalls  mit  ganz  freier  melodischer  Haltung,  verföhrt  er  im 
letzten  Satze,  wo  er  aus 


wieder  zu  einem  mächtig  sich  dehnenden  Schlüsse  gelangt: 


Auch  OaTalli  macht  gelegentlich  rhythmische  Umbildungen;  'so  be- 
nutzt er  im  >Ercolü«  das  Motiv  auch  in  dieser  Gestalt 
alles  kleine  Feinheiten,  die  man  später  nicht  mehr  finden  wird. 

Eine  ganz  freie  Wendung  in  rhythmischer  Beziehung  kann  mau  in 
der  Sinfonie  zu  dner  Fasticdo^Oper  »Iffide  greca«  ^)  (erster  Akt  von  BooL 
Partenio,  zweiter  Ton  D.  Freschi,  dritter  von  G.  Sartorio)  finden. 

Die  Binfonie  ist  echt  Tenetiamsch:  zuerst  eine  breite  Einleitung,  der 
sich  sofort  ein  stürmisches  Allegro  auscbließt,  das  plötzUcfa  wieder  durch 
feierliche  Noten  unterbrochen  wird,  dann  seinen  Fortgang  nimmt  und 
mit  langsamem  Teil  schließt. 

Der  schnelle  Satz  hat  zwei  Themen,  die  in  den  beiden  Ober-Stimmen 
der  fOnfstimmigen  Sinfonien  liegen.  Man  bemerke  jetzt  aber  wohl  die 
rhythmische  Verschiebung,  einschließlich  die  Stimmen-Vertauschung  der 
zwei  oberen  Stunmoi.  Aus 


1)  SidM  dan  Sinfonie^tc  im  Astitag  Mr.  4. 
2;  MBKDfl-BibiiotheL 


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Alfred  Heuß,  Di« 


Opera-Sinfonieii. 


449 


Baß  eine  Oktav  tiefer. 

wird  beim  zweiten  Male: 


Ist  diese  kleine  Accent -Verschiebung  um  eine  Achtels-Note  nicht  ein 
Kabinet-Stückchen  feinster  Rh\'tlimik? 

Man  kann  bei  näherer  Kenntnis  der  Sinfonien  sich  des  Gedankens 
kaum  erwehren,  daß  die  Komponisten  dieselben  etwa  als  einen  Tummel- 
platz humorvoller  Einfälle  betrachteten,  ja  dali  sie  sich  gelegentlich  selbst 
karikierten.  In  dieser  Weise  ist  vielleicht  die  8infuiii(3  zu  P.  A.  Ziani's 
»Heraclio«')  (1671]  zu  erklären,  in  der  der  K(jiii|)onist  den  feierUchen 
Einleitungstakt  dadurch  etwas  vi»n  seinem  Pathos  einbüßen  läßt,  daß  er 
den  Noten  die  halbe  Dauer  ^'ibt  und  die  andere  Hälfte  mit  Pausen  aus- 
füllt. Sofort  bringt  er  hierauf  die  ganz  gleichen  Noten  in  doppelt  so 
schneller  Bewegung,  femer  noch  in  Achtel  zerteilt,  und  natUrhch  im  Allegro- 
Tempo,  gleichsam  als  wollte  er  damit  andeuten:  man  kann  daaadlie  auch 
auf  eine  viel  amüsantere  und  weniger  zeitraubende  Weise  sagen.  Aus: 


wird  gleidi  darauf  natilrlieh  in  schnellem  Tempo: 


Die  paar  Beispiele  werden  genügen,  um  von  dem  reichen  Leben,  das 
in  den  Sinfonim  auch  nadi  dieser  Seite  hin  steckt,  Zeugnis  abzulegen. 

Es  wird  aufgefallen  seioi  daB  von  Oesti,  dem  beirorragendsten  Ver- 
treter der  Tenetianischen  Sdiule  außer  Oarallii  Mdier  nur  gelegentlioh 
die  Bede  war.  Ein  Grund  liegt  darin,  daB  Oesti's  Sinfonien  nicht  nur 
unter  dem  Einfluß  der  Tenetianischen  Schule,  sondern  auch  unter  dem 
seines  Lehrers  Garissimi  zu  stehen  scheinen,  auf  den  schon  deshalb  in 
Kfirze  eingegangen  werden  mftßte,  trenn  er  nicht  auch  sonst  zu  unserem 
Thema  gehören  würde. 

1;  Marcus-Bibliothek. 


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4&0 


AJired  Ueaß,  Die  venetumischen  Opern-iSmfoiueo. 


Bei  Carissimi's  Sinfonien  sv  seinen  Oratorien  zeigt  sich  der  Ein- 
finfi  M<mterardi'fl  in  der  «cbärfsten  Weise.  Carissimi  befolgt  in  denselben, 
was  die  KomposiÜaES-Weise  aiibetrifftf  mohts  anderes  als  das  im  >Orfeo< 
etc.  mit  solchem  Nsciidrack  aufgestellte  Seqaenz-Verfahren.  Dies  ist 
xask  so  interessanter,  als  Gaiissinu,  der  der  rSmiscfaen  Schule  angehört, 
sidi  nidit  im  geringsten  an  die  Art  der  Römer  kehrt,  wie  wir  sie  be- 
sonders bei  Stefano  Landi  gefunden  haben.  Da  einige  der  Oratorien 
Caris8tnii*s  in  NeuBOBgaben*}  vorliegen,  so  kann  ich  mich  hier  kun;  fassen. 
Ein  Yeigleich  wird  zeigen»  dal  den  Sinfonien  Gaiissinii's  das  gleiche 
Prinzip  wie  den  Hdnterordi'schen  BitomeUen  und  den  Caralli^sdien  Sin^ 
fonien  zu  Grunde  liegt').  Freilich  ist  Carissimi  in  der  Besetzung  Tiel 
einfacher  als  Hontererdi  und  auch  die  Yenetianer  {er  hat  durchgängig 
Trio-Besetzung],  aber  die  Art  ist  die  Monteverdisdi-Tenetianische.  Die 
Sinfonien  Oazissimi's  setzen  sich  ans  nidits  anderem  als  der  Wiederholiing 
des  gleichen  1%emas  auf  yerschiedenen  Tonstufen  zusammen,  daß  man, 
da  es  so  ausschliefilich  und  offenkundig  geschieht,  beinahe  von  Manier 
reden  konnte;  denn  da  Carissimi  durchwegs  fast  ganz  kleine  IdModie- 
Bildungen  wMhlt,  die  sich  auf  wenig  Takte  beschranken,  so  macht  sich 
ein  Herrordzangen  des  Sequenz-Verfslirens  in  viel  stärkerem  Mafie  geltend 
als  bei  Monteverdi,  Cavalli,  etc»  Äußerst  beliebt,  weil  in  jeder  der  Tor- 
liegenden  Sinfonien  angewendet,  sind  bei  Carissimi  die  Stimmen-Tertauach- 
ungen;  dadordi  erreicht  er  auch,  daß  ein  scheinbar  neues  Bild  ensteht 
(das  Betspiel  ans  Cesti's  »La  Kagnanimita  d'  Alessandro«  wird  ims  jeiifc 
hierin  klar  sein),  indem  die  erste  Stimme  in  der  Transposition  die  Mdodie> 
Schritte  der  zweiten  wiedergibt  und  umgekehrt.  Den  hohen  künstlerischen 
Wert,  den  die  Instromental-StUckc  Monteverdi's  und  die  venetianischen 
Sinfonien  aufweisen,  können  die  Einleitungen  Carissimi's  nicht  bean- 
spruchen. Während  bei  Montcverdi's  Instrumental-Stüiken,  abgesehen 
Ton  all  ihren  Feinheiten  auch  die  größere  Stimmenzahl  das  Aufdring- 
liche der  Sequenz  zu  verdecken  vermag,  und  die  venetianischen  Sinfonien 
besonders  in  der  ersten  Periode  trotz  der  gleichartigen  Struktur  doch 
imrt^'T  ^^-ieder  neue  Seiten  zeigen  und  jede  für  sich  zu  fesseln  vermag, 
haben  diejenigen  Carissimi's  g:cmde  we?en  ihrer  Übertreibung  der  Se- 
quenz-Anwendung etwas  Ermüdendes  und  Nüchternes.  Das  Positive  für 
uns  ist,  daß  Carissimi  sich  mit  seiner  Schreibart  ganz  der  der  venetia- 
nischen Sinfonie  nähert  und  Oesti*)  als  >  Yenetianer  <  nach  Yenedigkam. 

1]  Neoausgftbe  von  Chrysander.  Vergleiche  wach  die  InstrumentAl-Einleitung  zu 
dem  »Klagegetaag  der  Yerdamniienc.  (Schlecht,  Q«8chichte  der  Kirchwununik, 

Seite  447.  > 

2)  Vom  Emflui3  Monteverdi's  auf  Oarisaimi  redet,  nur  in  aadorer  Bvziehnng, 
Kretsschmar  in  awiem  »Führer  duroh  den  KooserleMl«  IL  Seite  11. 

3)  Dm  biognphiicfae  Material  über  beide  BGbmer,  Oarinimi  und  Oeeti,  iel  m> 
eptrlidi,  daß  men  geredegm  im  Pinstem  tappt.  Die  Abbandhngeik  Aber  Oiriiiiiid 


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Alfred  Honß,  JH»  vanetiaiiiicbeB  Open-Siiifoaueii.  451 

In  seinen  Instnunental-Sätzen  spürt  man  den  Einfluß  seines  Lehren  Idar 
genug,  wenn  Cesti  auch  in  seinen  Sinfonien  weit  über  0ari9simi  hinaus^ 
geht  Am  direktesten  zeigt  sich  die  Beeinflussung  in  den  Ritornellen 
Cesti's,  die,  wie  die  Sinfonien  Carissimi^s,  fast  durchgängig  dreistimmig 
sind  und  diesen  oft  so  sehr  gleichen,  daß  man  sie  dem  gleichen  Kom- 
ponisten zuschreiben  könnte.  Kaum  in  '  einem  seiner  Stücke  verleugnet 
Cesti  die  Se<iuenz-^rothode,  und  man  kennt  an  ihrer  starken  Verwertung 
dio  Cesti'schen  iDSinimental-Stttcke  gut  aus  denen  anderer  Komponisten 
heraus. 

Im  übrigen  unterscheidet  sir};  ( \>sti  von  <len  anderm  venctianischen 
KoiT!|)on!steTi  dadurch,  daß  semr  Sinfonien  toihveist'  mcht  in  den  ge- 
zt  irhiH  f*  u  iilntwickluiiL^sfran^?  hinoiiipiissen.  Das  ausschließlich  feier- 
liche ALoment  hält  bei  ihm  viel  länger  vor  als  bei  den  übrigen  Koni- 
ponistcn.  so  in  der  Sinfonie  zu  --La  Dori« und  zu  »Le  disgrtizie 
(V  Amore«  l(k)7  welch  letzt«  re  nol'en  dem  latitrsamen  Satz  nur  noch 
eiue  Sarabande  enthält,  also  dem  stiirnnschen  AlU'gro  keinen  Platz  ein- 
räumt. Tänzf»  sind  übrigens  bei  den  SinfoTiien  keine  so  große  Selten- 
heit; auch  Paliavicini  bringt  in  der  iSuilDiiie  zu  Amazoni«  eine 
Sarabande  und  zwar  als  Mittelsatz.  Weiterhin  unteisclieidet  sich  dann 
Cesti  von  Cavalli  u.  a.  durch  die  viel  häufigere  und  strengere  Anwendung 
des  fugierten  Stiles. 

In  anderen  Sinluineu  steht  dann  aber  (Y-sti  wieder  vollstiludig  auf 
Uex  Höhe.  Es  kam  ihm  jedenlalU  auf  dt  n  Anl.tli  an,  für  den  er  schrieb. 
Seine  Hinfonie  zum  >Pomo  d'  oro«  ist  eine  der  reichsten,  wenn  auch, 
wegen  ilires  vielen  Fngierens,  nicht  cliaiaktenstischsten  Sinfonien  der  Ve- 
netianer.  Auf  dem  ausg^-sprochenen  Progrannn-Cliarakter  gerade  dieser 
Sinfonie,  femer  der  zu  »1"  Argia*,  die  luit  ihrem  Wellen-Motiv  direkt 
in  die  Szene  führt,  hat  Kretzschmar^)  bereits  hingewiesen. 

Um  80  eigentümlicher  fällt  einem  deshalb  bei  Cesti  auf,  daß  er  gleiche 
Sätze  für  verscbiedene  Sinfonien  benutzt,  wobei  er  teilweise  geringe 
Änderungen  Tominunt.  In  der  ^teren  Zeit,  besonders  der  neapolita^ 
machen  Periode,  ist  dies  bekanntlich  ein  häufiges  Yorkonunnis.  Aber 
wenn  man  in  dieser  Beziehung,  was  wiederholtes  Benutzen  ein  nnd  des- 
selben Stttdces  für  Terschiedene  Werke  betrifft,  Cesti  mit  Händel  nnd 
Badij  in  erster  Linie  mit  Kndel  Tergleicbt,.  so  stellt  sieb  ein  gewaltiger 


(Ckrysauder,  Allgemeine  Musikzeitung  lö?ü,  Seite  07;  M.  Brenet,  //«  oratoirt* 
d€  O,  ^Tiita  mnrioale  1897,  Seite  460  nnd  Monmtihefte  für  Mnsikgetcliichte  1897, 
Seit»  HÖH  besiehea  licfa  fiut  minebließtioh  auf  die  Werke  Cariaeinu^e.  Über  Owti 
«iehe  die  Einloitniig  Gtiido  Adler*s  su  »Fomo  d*oro<  in  den  Denkmälern  der  Ton« 
IcODst  in  Österreioh,  ITT 

Ii  Pablikationeu  der  Gesellschaft  für  MuäikibrschnTig.  £d.  XI. 

2;  A'ierteljahrsschrift.  für  Musikwissenschaft  1892,  Seite  75  f. 
8.  «.LH.  IT.  SO 


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452  Alfired  Heuß,  Dm  venefeiaaisoluui  Opam-Sinfonisn. 

ITntci schied  heraus:  während  Hüudcl  hierbei  ein  Stück  einer  tiefurcifen- 
Uen  Umarbeitung  unterzieht,  daß  diese  geradt/u  einer  Neuschöpfung 
gleich  zu  acht<>n  ist,  verfährt  Cesti  dabei  in  der  Korgh)8esten  Weiso,  und 
dort,  wo  fr  An(lL'run^,'eti  vornimmt,  sind  dieselben  ganz  äußerlicher  Xatur. 
Dit"  Sache  bedarf  einer  näheren  Darlegung:  Die  drei  Sinfonien  zu  den 
Opern  »La  Magnanimita  Alowandro«,  >ü  Tito«  1666  und  mV  Argia« 
1669  weisen  teilweise  gleichd  I^Uase  «nl  Ton  der  Oper  »la  Magnani- 
mita« ist  das  Entstehungsjahr  nicht  bekannt;  doch  wird  dasselbe  von 
AUacci  in  das  Jahr  1662,  also  vor  die  beiden  anderen  Opern  ange- 
setzt wofür,  wie  sich  zeigen  wird,  anch  die  Sinfonien  sprechen.  Die 
dreis&tzige,  in  der  französischen  Form  angelegte  Sinfonie  ta  »La  Mag- 
nanimita d*  Alessandro«^  hat  Cesti  mit  Aiisscblnfi  des  zweiten  Teils  des 
zweiten  Satzes  in  derjenigen  za  »Tito*  wieder  benutzt,  statt  dieses  weg- 
gelassenen Tefles  aber  einen  neuen  fugierton  Satz  geschrieben,  der  die 
Sinfonie  dann  auch  abschließt,  ohne  auf  den  ersten  Teil  wieder  zurück- 
zukommen,  wie  in  der  Sinfonie  zu  »La  Magnanimita  d*  Alessandro«,  die 
als  Oi^pnal-Sinfome  sicher  die  frühere  ist 

Es  sei  mir  gestattet,  auf  den  zweiten  Satz  zu  »La  Magnanimita  €  auf- 
merksam zu  machen.  Derselbe,  auf  dessen  interesraate  Bildung  eben 
hingewiesen  worden  ist,  enthält  zwei  durch  eimm  Doppelstrich  getramte 
Teile.  Dieser  sTweite  Teil  ist  in  seinem  Ausgange  gänzlich  mißraten. 
Die  Sache  ist  zu  interessant,  um  ihr  nicht  auf  die  Spur  zu  kommen. 

Das  J)-dur-TheiaA  dieses  Satzes')  hat  nach  vier  Takten  eine  Modu- 
lation nach  A-dur  gemacht;  genau  dor  Art  der  Venetianer  wird  es 
in  der  Dominante  wiederholt  und  gelangt  so  notwendigerweise  nach 
K-^hfi\  jedoch  mit  sofort iijem  Rückschhisse  nach  A-diit\  worauf  ein  /weites 
Thema  in  A-dur  folgt,  das  aueli  mit  seinem  zarten,  zum  ersten  gegen- 
sätzlichen (  harakter  als  ganz  charaktoristisches  zweites  Thema  aufgefaßt 
werden  kann: 


Dasselbe  moduliert  sofort  zuräck  und  bringt  mit  Schluß  in  der  Haupt- 
tonart den  Satz  zu  ToUständigem  Abschluß.  Bis  dahin  war  alles  la 
schönster  Ordnung;  jetzt  beginnt  aber  (eine,  wenn  auch  Tenmglttckte 
Antizipation  des  späteren  SonatenrSatzes)  die  Beprise  des  ersten  Satzes, 
die  auch  richtig  in  der  Dominante  anfängt.  Wie  der  Schluß  ausweist, 
ist  das  Ziel  des  Komponisten  die  Tonart,  in  der  er  diesen  Teil  begonnen 
hat,  nämlich  A-dur,   Er  wiederholt  aber  —  und  hier  li^  der  Fehler  — 

1   Sii'ln-  K  r«"  t     ch  mar,  a.a.O..  Suite  f>3. 

2i  Fubhkatiürien  der  GeseHt»cbftil  für  Musikforschuog,  üand  XL 

3;  Siehe  oben  Seite  447. 


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Alfred  HeiiG,  Die  ywirtknitchen  Opern-ainfonien.  46S 

den  erst«'!!  Teil,  der  ihn  nach  l><lnr  geführt  hatte,  ganz  genau;  statt 
iiäiiilicli  dus  zweite  Thema  so  zu  richten,  daß  es  nach  A-dur  gelangt, 
läuft  dasselhe  den  gleiclien  Weg  wie  im  ersten  Teil;  ein  Takt  vor  dem 
Schluß  steht  es  denn  auch  in  aller  Deutlichkeit  bereits  in  D-(hii\,  da 
sieht  der  Komponist  i)lötzlich,  daß  er  an  einem  falschen  Orte  aiiyt  langt 
ist.  Mit  Gewalt  sucht  er  einen  Weg  nach  Ä-{lur,  was  aber  mißglückt, 
trotz  der  Dreingabe  eines  halben  Taktes  gegen  den  ersten  Teü. 


Daß  dieser  Vher^j.int,'  verfehlt  ist,  Ix'darf  keiner  weiteren  Darlegung; 
daß  aber  das  Beispiel  zeigt,  wie  E.  Kitiier  in  der  Fußnote  bemerkt, 
daß  »der  l/bergang  zur  Dominante  noch  die  Unbehilfliehkeit  in  der 
hannoiiix'lien  BeliaixUung  verrate«,  wird  man  doch  iiiiht  so  ohne 
weiteres  zugeben,  nachdem  der  Grund  zu  der  veruii^liickten  Stelle  auf- 
gedeckt worden  ist,  auch  deshalb  nicht,  weil  schon  damals  die  Kom- 
ponisten ohne  weitere  Fährlichkeiten  unzählige  ^lale  in  den  glücklichen 
Bereich  der  seligmachenden  Dominante  gelangt  waren.  Das  (Jaiize  be- 
ruht auf  einem  Versehen  des  Komponisten,  der  das  zweite  Thema  nii  ht 
zur  rechten  Zeit  umlenkte,  es  hätte  in  E-dur  stehen  müssen).  Diese 
Frage,  nämlich  die  organische  Durchbildung  zweier  in  verschiedenen 
Tonarten  stehenden  Themen,  war  aber  eine  Sache,  deren  Klärung  einer 
viel  sp&taran  Zeit  aaheimgesCdli  bliebt).  Hier  haben  wir  es  mit  einem 
der  frOhesten  Yersache  zn  tun,  nnd  fOr  die  Geschichte  des  Sonaten- 
Satzes  hat  dieses  Beispiel  unbedingt  historischen  Wert,  weshalb  auch  auf 
dasselbe  eingegangen  worden  ist. 

In  der  Sinfonie  zu  »Titoc  ist  dieser  fragliche  Satz  Ton  Cesti  wegge- 
lassen worden;  statt  dessen  hat  er  einen  ziemlich  streng  gehaltenen  fa- 
gierten  Satz  mit  drei  Stimmen  gesetzt,  in  einer  Lange  tou  85  Takten, 
was  für  die  Yenetianer  sehr  lang  ist  Diesem  Satz  folgt  dann  noch  eine 
»Ana  per  1*  assalto«,  ein  kurzer  Satz  aus  lauter  D-dur  Akkorden,  der 
direkt  in  die  Szene  führt,  die,  wie  schon  der  Name  der  Arie  sagt,  mit 
einem  Sturmangriff  der  Soldaten  beginnt. 

Denselben  fugierten  Satz  hat  nun  Cesti  für  seine  Sinfonie  zu  »1'  Ar- 
gia<  (1669)  wieder  benutzt,  nur  schickt  er  ihm  eine  neue  Einleitung  in  der 

1;  Der  einigcrmuijeu  iUitiliche  i'  ali  bei  Monteverdi  (a.  a.  0-,  Seite  19ö,  kaun  aber 
(loch  nigen,  wie  soharfnimig  Montererdi  arbeitete. 

SO* 


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464 


Aitreil  Htiuy,  Die  veneUaniflchen  Opern-Siofouidn. 


ttbliehen  Art  Tor&us.  Da  dieser  8at2  in  C-dur  steht,  so  bringt  er  anch  die 
frttliere  D-dnr-Fuge  in  dieser  Tonart  Eine  andero  Änderung  besteht  darinr 
daB  diese  Sidfonie  fünfstimmig  ist,  während  die  frühere  dreistimmig  war.  In 
der  Behandlung  der  swei  hinnikommenden  Stimmen  sieht  man  dann  aber 
schnell,  wie  leicht  es  sich  Cesti  machte.  H&tte  er  diese  themattsoh,  den  anderen 
Stimmen  gleichberechtigt  behsadeln  wollen,  so  würde  der  Salz  eine  ganz 
gründliche  TJmSndeniiig  eHahren  haben  müssen,  die  natürlich  eine  Er- 
weiterung des  Satzes  zur  Folge  gehabt  hätte.  Eine  Tlmarbeitong  des 
Satzes  wird  aber  nicht  vorgenommen;  die  beiden  Stimmen  werden  sozu- 
sagen hineingeschmuggelt  und  sind  einzig  Füll-Stimmen. 

II.  Einfluß  der  Tenetianiscben  Opern-Sinfeide  auf  die  reine  Instmiieiital- 

Musik. 

Nachdem  Tersucht  worden  ist,  yon  der  Geschichte  und  dem  Wesen 
der  venetianischen  Opern-Sinfonie  ein  Bild  zu  geben,  kann  an  die  Auf- 
gabe gedacht  werden,  zu  untersuchen,  ob  diese  Sinfonien  auf  die  übrige 
Bistrumental-Musik  Einflufi  gewonnen  haben.  Es  ist  früher')  bemerkt 
worden^  daß  mit  Entstehung  der  Oper  die  Geschichte  der  Instrumental- 
Musik  nicht  mehr  von  deijeiiigen  der  Oper  g^3«mit  werden  dürfe,  und 
daß  es  ün  17.  Jahrhundert  die  Instrumental-Musik  sd,  die  von  der  Oper 
empfange.   Diese  Behauptung  bedarf  einer  näheren  Begründung. 

Es  wurde  bei  Besprechung  der  Instrumental-Musik  des  >Orfeo«  aus- 
geführt, daß  sich  ein  direkter  EinHuß  dieser  Stücke  auf  die  Instrumental- 
Musik  zwar  nachweisen  läßt,  daß  aber  die  großen  Verdienste  Monteverdi's 
um  die  Instnunental-Mtisik  ilire  Früchte  in  erster  Linie  Im  i  <1*  n  Vene- 
tianem  zeitigten.  Ihre  Siuiomen  werden  uns  jetzt  «eigen,  daß  das,  was 
dem  »Orfeo«,  als  einem  einzelnen  großen  AVerke,  in  grölierem  Maße  ver- 
sagt war,  ihnen  vorbehalten  blieb:  einen  entschiedenen  Einfluß  auf  die 
Instrumontal-Musik  au'^zniiljen. 

Es  zi'igt  sich  tlics  am  hnstf*n,  wenn  wir  einen  lUick  anf  die  instru- 
mental-jSlusik  vor  Emwiikung  der  Oper,  im  besonderen  der  Üpera-Siu- 
fonie  werfen. 

Das  Aufki>ninieu  Utr  Instrumental-Musik  am  Anfanii:  ile»  Jahrlnmdcrts 
war  l»einahe  ])l<>tzlirh  geschehen;  Tnstrumental-Mu.sik  wurde  masseuhaft 
getrieben,  worüber  am  b(?sten  der  Bestand  an  Musikalic^n  aus  dieser  Zeit 
in  unseren  Bibliotheken  den  Beweis  liefert.  Die  U[)er  selbst  hat  in 
diesen  .Talir/.elmten,  solange  sie  noch  ein  Pnvileginm  der  voruciinien  Welt 
Wia-,  lani^e  niclit  die  Rolle  wie  die  Instrumental-Musik  gespielt 2).  Aber 
es  war  nicht  von  besonderem  Vorteil,  tlali  die  iuf>trumeiital-Musik  ge- 

1)  A.  a.  O.,  Seite  »0. 

2J  Es  wird  an  den  Aassprach  de»  Violft'Spielere  Man  gars  erinnert  (s.  s.  O.,  Seite  18S). 


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Alfred  Heo0,  Die  ▼emstiuuMlieB  Opem-Sinfoiiien. 


wisserniaßt'ii  sich  ^';mz  auf  ei^rene  i'üÜc  btelien  und  ilire  eigenen  Wotje 
g^pliPTi  wollte;  hierzu  war  sie  noch  zu  wenig  zu  innerer  Klarheit  über  ihr 
ciireiitliches  We^en  gelnngt.  Zudi'in  fuhr  der  Tielleicht  rrröRore  Teil  der 
InstruTnentiil-Kuiniionistcn  fort,  iu  der  Stilart  der  friilioreii  Gübrieli'schen 
Ejwche  zu  schreiht  ri.  :ihc'r  (jlme  den  hohen  künstleiischcn  P]mst,  und, 
was  wichtig  ist,  mit  eiiu'i-  eiitschiedtMieo  Vorliebe  für  techuische  Fertig- 
keiten. Die  Instrumental-Stiif  kt^  dieser  Zeit  sind  vielfach  geradezu  iiher- 
häuft  mit  Tunli'iterg;iii«,'eu,  Läufen  aller  Art  und  dergleichen,  in  »atäo 
cojtcertante,<  wie  man  es  nannte;  mit  einem  Worte,  die  Instrumental- 
Musik  hatte  mit  Verachtun;,^  lies  Gesanges  den  iuuereii  Zusiunmenliang 
mit  der  wahren  Musik  ziemlich  verloren,  ilir  Selbständig-sein-woUen  hatte 
2U  einer  nichts  weniger  aJs  reisroUen,  oft  sogai-  eintönigen  und  lang- 
weihgon  Musik  geftthrt  Hierüber  darf  man  ndi  keinen  länidhimgen  hin- 
geben» und  es  wird  m  den  Aufgaben  der  Geschichte  der  Ingtrnmental- 
Mustk  gehören,  hierfür  Erklärungen  zu  fitiden.  Sicher  hängt  es  teilweise 
/damit  zusammen,  daß  die  Insirumental-^Eomponistdi  dieser  i^[M>che  aus- 
schließlich nur  für  Instrumente  komponieren  und  sich  um  YokalrMusik 
wenig  zu  kümmern  scheinen.  Man  wird  wenigstens  unter  diesen  Kom- 
ponisten kaum  einen  finden»  der  auch  in  der  YokaUMusik  sich  einen 
Namen  gemacht  hätte.  Das  Erfreulichste  in  dieser  Zeit  sind  ohne  Zweifel 
die  vielen  Tänze  und  kleinen  freien  Sätze,  die  als  das  diarakteristikum 
der  »Neuen  Schule«  bezeichnet  worden:  sind,  nämlich  die  B:i2felt,  Gbr- 
renä,  OagUardi,  Capricd  etc.,  oft  mit  kurzen  Sinfonien  an  der  Spitze. 
In  allen  diesen  kleinen  Fonuoii  pulslcrl  ein  überaus  frisches,  heiteres  Leben, 
und  sie  stehen  mit  der  Volks-Musik  in  offenbarem  Zusammenhange,  was 
man  von  <U  r  Kanzonen-Literatur  nicht  behaupten  könnte.  Diestf  haftet 
dann  wirklieh  etwas  Trockenes,  Schul-  und  OrganistcnmäQiges  an,  wofür 
man  teilweise  einen  Grund  darin  findet,  daß  diese  K<MiiqN>ni8ten  sehr 
stark  mit  dem  Material,  d.  h.  einesteils  mit  der  Forni  und  dann  auch 
mit  der  Geigen-Technik  zu  kämpfen  haben');  aber  es  ist  doch  nicht  dieses 
allein.  Vor  allem  und  in  allererster  Tiinio  fehlt  es  diesen  MUnmMTi  an 
Melodien,  gefühlten  Melodien.  Ihr  erstes  I'riuzip  ist  nicht  eine  freie  Melodie, 

1.  Dennoch  darf  man  diesem  UmBtand  lauge  nicht  soviel  Gewicht  beilegen,  als  es 
Wa«ielewiki  in  leimr  »Q^schichte  d«r  InatnunentaloMuiik«  tat.  Es  ist  wahr,  daß 
die  Komponnten  die  erste  La<;c  nicht  gern  verlassen  und  nie  Uber  die  dritte  hioiuw- 
gehen;  aber  in  der  ersten  Lage  leisten  sie  denn  doch,  insbesondere  was  Fiiip^rpe- 
l'aufigkeit  atib^trifft.  ganz  Annehmbare».  Den  Stand  der  Technik  eeigt  btisonders  gut 
ein  Werk  von  Dario  Gaste  Ho,  ikmale  cQuccrtate,  1628.  Die  Behauptung  Wasie- 
lewski's»  daß  die  (7-S«ite  ent  spät  benutst  worden  sei,  laßt  sich  nioht  anfreoht  ei^ 
halten;  B.  Marini  gebraucht  schon  in  seinem  ersten  Werke  von  1617,  das  Wasielewski 
allcrdinfra  nicht  kennt,  gelegentlich  die  (/-Scitu.  Es  is^t  auch  sehr  natürlich;  zum 
bl  oßen  Luxus  and  Auseben  werden  die  Geiger  ihre  O'-äeite  jedenlalls  nicht  aufgeaogea 
haben! 


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456 


.Alfred  Henß,  Di«  Teoetimnischen  Opaiif%nfoiu«ii. 


sonclürn  technisch  kompositorische  Arlicit;  diese  soll  allein  den  Wert  ihrer 
Stücke  ausmachen,  und  in  dieser  Eeziehung  wurde  ihre  Musik  auch  mit 
Organisten-Musik  verglichen.  Man  sehe  sich  die  Themen  dieser  Zeit  ein- 
mal an;  weit  über  Gabneli  hinaus  und  zwar  an  allen  Ecken  und  Enden^ 
springt  einem  der  EannmeurBliythjniis  immer  wieder  entgegen,  und  es 
gereicht  der  Listnmiental-Miisik  dieser  Zeit  nicht  zum  Ruhme,  dafi  sie 
so  lange  brauchte,  um  jenen  ftherlehten  Hhytlunue  absuacfaaffen.  Man 
hatte  dadurch  etwas  zum  Prinzip  erhoben,  was  der  Musik  immer  wieder 
zum  Nachteü  gereichen  wird,  sowohl  früher  in  der  Zeit  der  Überkonst 
des  Kontrapunkts  als  auch  jetzt  hier  in  der  Instrumental-Praxis:  ein- 
seitig mnsüäüische  Arbeit  wurde  ttber  das  ^gentliche  Wesen  der  Musik 
gestellt».  Hieran  krankt  direkt  die  Instramental-Musik  dieser  I^»oche. 
Ob  das  Pehlen  einer  wurkUch  empfundenen  Melodie  damit  zusammen- 
hängt, dafi  die  Instrumental-Musik  von  der  Oper,  in  welcher  das  Bezi- 
tativ  noch  wirklich  harschend*  war  und  der  Melodie  ebenfalls  nur  einen 
kleinen  Baum  gewährte,  in  melodischer  Beziehung  keine  Förderung  zu 
envarten  hatte,  scheint  nicht  ganz  ausgeschlossen;  Tielleicht  könnte  hier- 
durch das  direkt  nüchterne  AVesen  dieser  Instrumental -Musik  erklärt 
werden.  So  -wäre  das  Ganze  ein  großes  Beispiel  dafür,  daß  die  In- 
sfarumental-Musik  eine  starre  Kunst  zu  werden  beginnt,  so  bald  sie  aus 
sich  allein  schöpfen,  »absolut«  sein  will.  Es  ging  aber  dennoch,  als  die 
Oper  in  melodischer  Beziehung  bereits  herrliche  Blüten  trieb,  ziemlich 
lanro  in  (^t  alten  Weise  fort,  his  die  Tnstrumental-Komponisten  unter 
den  EiuÜuli  der  venetianischen  0\)cr  gerieten. 

Selbstverständlich  handelt  es  sich  bei  dieser  Beeintiussung  nicht  in 
erster  Linie  um  formale  Kieniente,  sondern  ganz  besonders  um  den 
geistigen  Inhalt  di  r  venetinnischeu  Sinfonie.  Dieser  sollte,  in  das  alte 
Gefäß  der  Inbtruineiital-MuMk  geschüttet,  dort  vorerst  eine  ganz  bedeu- 
tende GährunfT,  ja  beinahe  ein  Aufbrauben  verursachen.  Es  ist  deshalb 
auch  ziemlich  naheliegend,  von  wem  die  Bewegung  in  stärkerem  Maße 
ausgehen  mnßte,  nicht  von  absoluten  InKtrumental-Musikem,  sondern  von 
Männeni  der  Oper.  Der  erste  groüe  Instrumental-Komponist,  der  zu- 
gleich ein  bedeutender  Opern-Komponist  war,  ist  Giov.  Legrenzi,  von 
dem  Galvani  15  Opera  nadiweist.  Da  Legrenzi  nach  dieser  Seite  Inn 
noch  nie  betrachtet  worden  ist,  so  muß  hier  auf  ihn  eingegangen  werden*). 

Geradezu  dnen  Umschwung  ToHzieht  Legrenzi  mit  dem  Hlden  von 
Themen.  Noch  Massimiliano  ^eri,  der  ihm  an  sonstiger  Bedeutung 
am  nächsten  kommt  und  bei  dem  sich  ebenfalls  l^üsse  der  venetianischen 
Opem-Sinfonie  geltend  machen,  schreibt  oft  noch  ungemein  trockene 

r  Für  die  Besprechung  dienen  teilweise  Beispiele  aus  der  Sammlnng  »Tnstru- 
mentalsätze  vom  £nde  des  16.  bis  zum  JSnde  des  17.  Jahrhundertat  von  Wasielewski; 
dann  ist  aber  beionder»  neoei,  nodi  wenig  berObrtei  Material  benutzt. 


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Alfred  Heuß,  JDio  venetianiachen  Opem-Sinl'onien.  457 

* 

Themen,  die  nur  zn  sehr  an  das  Staxenlied  der  Kanzone  erixmeni.  Ge- 
rade wie  eine  heftig  wirkende  Säure  fallen  dann  aber  Tide  Themen  Le- 
grenzi's  in  diese  erstarrende  Masse  hinein.   Themen  wie 


~jd — 1  ^5 

— 

1 

und  auch  gleich  das  des  folgenden  Satses  mit  dem  halsstairigen  Ter» 
harren  auf  einem  Ton  sind  nicht  in  der  Schule  der  bisherigen  Instru> 

mental -Musik  gewachsen.  Die  Sonate  steht,  sicher  ganz  mit  Absicht 
des  Komponisten,  gleich  am  Anfang  der  Sonaten-Sammlung  Ton  10552), 
und  Legrena  hat  sich  TieUeicht  im  Voraus  darauf  gefreut,  was  dio  Spieler 
*  für  Augen  machen  wfirden,  wenn  ihnen  die  Sammlung  in  die  Hand  kam 
und  ihnen  gleich  ein  solches  Quecksilber-Thema  entgigensprang.  Denn 
Leidenschaft  war  bis  dähin  am  wenigsten  die  Sache  der  Instrumental- 
Komponisten  gewesen.  In  dieser  Sonate  weht  ganz  der  Geist  der  Oper, 
welche  die  Chromatik  schon  längst  sich  nutzbar  gemacht  und  das  Ver- 
harren auf  einem  Ton  als  ausdrucksrolles  Mittel  angewendet  hatte.  Oder 
wenn  Legreuzi  Themen  wie 


bringt,  glaubt  man  da  nicht  in  einer  Oper  zu  sein,  eine  Liebesscene  mit: 
0  mia  eara  oder  so  etwas  zu  hören?  Jedenfalls  sind  es  Melodien,  ist  es 
wirkliche  Musik,  die  nicht  vom  Verstände  oder  Ton  der  Tradition  her- 
kommt, sondern  von  da,  wo  sie  auch  hinführen  will 

Aber  die  ^Themen  sind  nicht  das  Einzige,  was  bei  Legrenzi  an  die 
Oper  erinnert  Für  seine  Art  der  Behandlung  des  Jthematischen  Stoffes 
wird  einzig  die  Opern-Sinfonie,  wie  wir  sie  aus  der  zweiten  Hfilfte  der 
ersten  Periode  [(mit  dem  AU^gro-Mement)  kennen  gelernt  haben,  (eine 
ErUarnng  geben.  Mit  manchen  dieser  l^tze  schlägt  Legrenzi  der  loteten 
Entwicklung  des  Instrumental-Stiles  direkt  ins  Qesichtg  denn  derselbe 
hatte  die  kleinen  Teile  der  früheren  Kanzone  immer  mcÄur  ausgeschieden 
und  sich  der  Drei-Sätzigkeit  genähert,  indem  er  darauf  ausgegangen  war, 
ein  Ton-Stück  ausführlich  zu  entwickeln.  Hiermit  gibt  sich  mm  Iiegrenzi  . 
in  sehr  vielen  Fällen  gar  nicht  lange  ab.  Kaum  ist  ein  Thema  nebst 
einigen  Einsätzen  der  Terschiedenen  Stimmen  erklungen,  so  wird  es 
unterbrochen;  ein  neues  und  zwar  yollständig  kontrastierendes  wird. auf- 

1)  XXTTT  Nr.  der  Sammlung  vüu  Wasielewski.  Das  Thema  ist  bis  aul  Buch 
gelau(^t;  das  grimmige  D'MoU  Fugen-Thema  aus  dem  2.  TeU  dos  Wohltemperierten 
Klaviers  ISßi  die  Abknnft  von  dem  Legreiui*tolieii  Thema  noch  genan  eikennen. 

2)  8(mate  a2e$»  Stedt-BibUothek  Bredan. 


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458 


AUM  JSaofl,  0ie  T«iietiaiiiaohen  0]Mni*Siiifoiii«D. 


gestellt,  dem  es  dann  aber  ebenfalls  wieder  so  geht.    Die  Allrgro-Sätze 
TiOgrenzi's  sind  mit  plötzlich  hineingeworfenen  Adairio-Takten,  nicht  aus- 
geführten Allegro-Teiitn ,  ganz  durchsetzt.    Man  sieht,  daß  eine  Fülle 
von  muj<ikal{schen  Gedanken  zuni  Ausdruck  drängt,  und  kein  einzige«?  ^lal 
braucht  deshalb  Legrenzi  /u  dvm  verrosteten  Kan/onen-Motiv  zu  greü'-n. 
Ein  ruhiger  Fluß  der  Entwieklung  ist  nur  in  (hn  ersten  Sätzen  der 
8t  j  na  teil  zu  bemerken,  welche  akademischer  gehalten  sind,  gloirbsam  als 
wollt*'  Logrenzi  zeigen,  daß  aneh  «t  nach  der  Väter  8itte  schreiben 
könne,  wenn  er  nur  wollte.    8ei  es  aus  diesem  Grunde,  dalJ  er  tlen 
Spielern  seines  Werks  den  Unterscliied  zwischen  seiner  und  der  frühert;a 
Kumpusitiuus-Weise  recht  augenfäUicr  zeigen  wollte  oder  sius  dem  der 
Pietät,  in  seinem  op.  2M  hat  Tiegi-en/i  eine  Sonate  si-ines  Vaters  —  ü 
jmdre  Jtlf  Autoi'e  —  Giov.  Maria  Legreuzi'^  niitgeilru(  kt    Die  Sonate, 
Justinimm  genannt  (ein  überaus  häufiger  Tit^l  für  Instrumental-Stücke), 
rührt  zwcifcllob  von  einem  sehr  tüchtigen  Komponisten  her,  obgleich  sie 
ganz  die  alte  Faktur  zeigt  und  sich  nicht  genug  am  gleichen  Thema 
erschiipfen  kann,  das  nach  Art  der  deutschen  \'ariatiüneii-8uite  immer 
in  uuderen  Umgestaltungen  erscheint.    Hineingeworfene  kurze  Takte,  wie 
sie  in  vielen  Sonateji-Sätzen  von  licgrenzi  Sohn  zu  finden  sind,  weist  die 
Sonate  obenfulls  niclit  auf,  und  su  kann  uiuu  ^'erade  au  ihr  ^elien,  wie 
revolutiuiiär  der  junge  Legrenzi  in  der  Instrumental-Musik  verfiüir.  Wenn 
er  nach  einem  Adagio')  von  vier  Takten,  das  man  gerne  noch  eümial 
gehört  hätte,  plötzlich,  ohne  die  genngste  Vermittlung  mit 


losbricht,  so  glaulit  man  alles  nur  keine  Kammer-Musik  zu  hören ,  son- 
dern m  der  Oper  zu  sein,  in  welcher  die  Opern-Sinfonie  sich  schon  längere 
Zeit  auf  diesen  krassen  Wechsel  etwas  zu  Gute  getan  hatte.  Auch  die 
Kanzonen  haben,  wie  hereits  bemerkt,  Öfters  das  Tempo  gewechselt;  das 
Neue  ist  aber  das  Euckartige,  Plötzliche,  in  der  Opem-49infonie  das  Üb- 
liche. Hier  sei  denn  auch  bemerkt,  daß  der  Einfluß  der  Opern-Sinfonie 
gerade  in  dieser  Hinsicht  fOr  die  weitere  Entwicklung  der  Instrumental- 
Musik  nicht  heilsam  gewesen  wäre,  da  su  dem  Wesen  der  reinen  In* 
strumental-Musik  diese  zerrissene  Gestaltungsart  nicht  paßt.  Was  an 
dem  einen  Orte  natfirüch  und  leicht  erklärlich  ist,  wird,  am  falschen 
Orte  angebracht,  zu  einem  Unding.  Die  Erklärung  ist  leicht  zu  finden: 
Die  Effekte  der  Opern-Sinfonie  hatten  solchen  Eindruck  gemacht,  daß 

1)  fhnaie  a  2  e  ,V,  op.  2,  1655.    Stadt-Bibliothek  Breslau. 

2j  Übei' Legrenzi's  Vater,  der  allem  Anschein  nach  ebenCalls  Musiker  war,  lut  bii 
dabin  nickte  bekannt  geworden.  Kein  Nadiaehlagewerk  kennt  ilm. 
3)  In  Nr.  XXX  der  Beilagen  Waiielewaki**. 


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Alfred  Heuß,  Dia  vanetiuuaeheii  Opero^nfoiuein.  459 

iijuu  aie  losgelost  von  ihren  Ursachen  und  (iiuudlagen,  also  unmotiviert 
nachbildete.  Man  verfuhr  äußerhch,  crt'wissermaRon  nieclianisch  und 
sinnlos,  aber  das  Verfahren  brachte  deuiiocli  neues  Leihen,  neuen  Inhalt 
in  die  Instrumental-Musik.  Denn  vorläufig  war  gerade  dieses  revolutio- 
näre Vorgehen  von  ungemeinem  Werte:  Die  Instrumental -Musik  erhielt 
neue  Stiramungsgebiete,  neue  Aufgaben  und  damit  eben  neues  Leben. 
Und  daß  sie  nicht  zu  sehr  ins  Experimentieren  geriet,  dafür  sorgte  die 
Ji?üege  des  Tanzes,  der  etwa  von  dieser  Zeit  an,  in  weitaus  künstle- 
xiacherer  Weise  ab  bisher,  seine  flberaua  wicbtige  BoUe  in  der  ferneren 
EntwicUnng  mitfi|aelt. 

So  interesaant  es  wäre,  gerade  bei  L^grenzi  noch  länger  zu  verweilen, 
indem  sieb  bei  ihm  nocb  andere  Charakteristika  der  Opern-Sinfonie  zeigen, 
insofern  nämlich  in  einigen  Allegro-Sätzen  statt  fogierter  mehr  akkordische 
Schreibweise  angewendet  ist,  wodurch  diese  noch  mehr  zur  Opern-Sinfonie 
hinneigen,  so  mufl  dennoch  davon  Abstand  genommen  werden;  die  Hin- 
weise werden  aber  hier  genügen. 

Es  ist  nicht  Legrenzi  allein,  bei  dem  sich  Einflüsse  der  Oper,  das 
heißt  besonders  der  Opern-Sinfonie  geltend  machen;  auch  hier  können 
teilwetse  einige  Stücke  aus  Wasielewski's  Sammlung  als  Beispiele 
dienen: 

Vita  Ii,  kein  Opern-Komponist,  zeigt  deutlich,  daß  er  sein  Ohr  der 
Oper  nicht  verschlossen  hat.  Ein  so  pathetisches,  sehwernnitipros  Adagio 
in  F-moU,  (in  dem  Capriccio')  von  10691  wird  man  in  der  frübaren  Tn- 
stramental-Musik  kaum  finden;  das  sind  die  im  Ausdruck  gesteipreilen 
Töne,  die  zum  ersten  Male  in  der  Musik  das  Musikdrama  entfesselte. 
Auch  Vitali  hat  den  schnellen,  plötzlichen  Wechsel;  vielleicht  nennt  er 
deshalb,  wi(>  zur  Eutschuldigunt-  <l;is  Stück  Capriccio.  Denn  der  Name 
Cnprircio  kummt  häutig  vor,  nur  haben  diese  Capricen  nicht  besonders 
viel  LauiUjLTes.  Vitali  macht  auch  zuweilen,  wie  die  Opern-Komponisten, 
mit  einer  Fenuate  plöt/ürh  Halt  und  bricht  dann  nnfs  Neue  los. 

Bei  Uccellini,  einem  (.)]»eni-]\ <  u  jiGnisteu -i,  zeigt  sich  die  AVirkuni? 
der  Oper  besonders  in  lueliHlischer  Ik'ziehun;^.  Seine  Sinfonie  .I/a  Sua- 
vissima«"*/  (wie  kontrastiel  t  dieser  Name  schon  gegen  die  früheren  l'ber- 
schriften  von  Tnstriimental-Stüeken;  wetteifert  in  gesanghch  melodischem 
Reiz  mit  Liebes-Duetten  in  der  üpor;  überaus  interessant  ist  das  darauf 
folgende  Allegro: 

Dies  ist  ganz  der  ttbermfltige  Zug,  der  so  oft  in  den  Sinfomen  herrscht; 

1,  Nr.  XXV  der  Jkilagoii  W'a«ieiew3ki'?<. 

2j  Zu  Modena.   Siehe  Fetis,  Biographie  tmitcrsdle  etc.         3}  Nr.  XXIX. 


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460 


Alfimd  Bini6,  Di«  veneliiiüMlieii  Opmt'^iifomeB. 


denn  das  angefüliirte  Thema  ist  nichts  anderes  als  eine  Umhildnng  der 
vorheizenden  Adagio-Melodie.  Was  vorher  in  diesem  mit  der  gx&Bten 
Bfihmng  gebetet  «iffde,  vird  jetzt  lustig  henmtergetanzt,  indem  Ucodini 
Motive  aus  dem  Adagio  benutzt,  wodurch  er  die  kleine  Karrikatur  zu 
Stande  bringt^},  ein  Verfahren,  das  inr  oft  bei  den  Sinfonien  beobachten 
konnten. 

Dem  Programm-Stück  Uccelini's  >La  gran  Battaglia«^)  sieht  man  seine 
Abkunft  von  der  Oper  deutlich  genug  an;  besonders  in  seinem  zweiteD 
Teil  köiinto  es  ebenso  gut  in  einer  Oper  stehen :  Mit  solcher  Unverfroren- 
heit 23  Takte  lang  nichts  als  figurierte  7>-^//r-Akkorde  zu  hämmern, 
das  wUrde  den  Komponisten  und  dem  Publikum  vor  dem  TV'irken  der 
Oper  denn  doch  etwas  zu  profan  erschienen  sein.  Man  hat  schon  lange, 
sowohl  in  der  Chor-Musik  als  auch  in  der  Instrumental-Musik  Schlachten 
geschlagen');  aber  diese  Art  der  Behandlung  ist  denn  doch  erst  durch 
die  Oper  möglich  geworden,  in  welcher  es  galt,  mit  den  einfachsten 
Mitteln  die  gewünschte  Wirkung  zu  erzielen. 

Auch  Mazzaferata  ist  von  der  Oper  beeinflußt;  sein  Sonaten- 
Thema: 


findet  sich  in  ganz  Shnlicher  Gestalt  häufig  in  Oporn-Sinfonien ,  so  bei 
P.  A.  Ziani  in  seiner  Programm-Sinfonie  (das  Volk  stürzt  mit  dem  Rutß 

1)  Idi  midis  auf  diMe  Zflge«  die  mit  der  Veiiation  siiMaiiineiihiDgen,  anineifauii, 
da  «ie  Waaielewtki  aU«a  AnMhehi  nach  fiWwhen  hat. 

2)  Nr.  XXIX  der  geuanntcn  Beilagen. 

3]  Pas  ältpsti^  instrumentale  Schlficliten-Stfick,  das  mir  bekannt  ist,  )iofinilet  sich 
in  der  Sinnnihiiit^  von  InstrtiTncntal-Stücki  n  von  Susato  von  1550  von  Ii.  Eitncr  in 
den  Mouattthefteu  für  Musikgeschichte  herausgegeben,  1875,  Seite  82},  das  im  zweiten 
Teil  die  Schlacht  echon  ganz  pawend  mit  dem  Hotiv 


malt;  eine  Anticipation  des  AConleiverdi'idieii  Tremolo?  In  der  Lauten^Mnaik  und  noch 
frOhwe  ScUaditea-DarafteUiingen  naehweisbar.  O.  K  5rte  findet  eine  eolohe,  »La  gnerre« 

in  einem  AttaignantVben  Lautenbuch  von  1520  Zeif  schrift  der  IMG.  IV.  2,  Seite  98). 
Auch  spätor  war  bekanntlich  «lic  Schlacht  den  Koniponi«ten  ein  ?clir  boliel>t»r 
Stoff.  Keine  Geringere  wie  A.  riiiln  ioli  nnd  A.  Fadofan<i  liabon  dic^eti  dankbaren 
Vorvp'urf  lür  Kompositionen  gewählt.  In  den  Dialoghi  mtmcali  de  dtrenfi  exceüeniissimi 
OHiori  1S30  schreiben  beide  ScUaditen.  Die  Stücke  heißen:  Ana  detta  BattagU» 
per  wnar  «f  mstrumenH  da  Fiaio.  Die  St&cke  weisen  lOmliche  Momente  «ie  daa 
bei  SuAato  a\if.  (Bibl.  zu  Augsburg.]  Im  17.  Jahrhundert  waren  Sohlachteo-StOd^e 
ebenfalls  verbreitef.  so  daß  sie  sogar  als  gebräuchliche  Uberptchriften  für  Inttrument«!- 
Stücke  galten,  als  »battaglie«.  Im  18.  Jahrhundert  erinnere  ich  an  die  berühmten 
»BattagUe*  Ton  Oraun  und  F.  E.  Bach. 


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Alfred  Heuß,  Die  venetianiaolieB  Opera-Sinfoiueiu 


461 


>yittoria<  auf  die  Bühne;  das  gleiche  Motiv  erldang  yorher  in  der  Sin- 
fonie) zu  »Annibale«  in  CSapna  1661. 

Ancsh  das  sofortige  Wenden  nach  der  Dominante,  wie  es  diese  Kammer- 
Sinfonie  mv}  /war  nach  der  gleichen  Taktzahl  wie  die  Opern-Sinfonie 
zeigt,  weist  auf  die  innere  V«rwandtschaft  dieser  Stücke  hin. 

Uheraus  wichtig  sind,  was-  den  Einfluß  der  Üpem-Sinfonien  auf  die 
Instrumental -Musik  betrifft,  Stücke  von  Biagio  Marini,  auf  welchen 
Komponisten  wiederholt  aufmerksam  p^emaclit  worden  ist.  Gemeint  sind 
damit  besondurs  die  mit  »Sinfonien«  bezeichneten  vierstimmi/^'en  Siit/p  in 
op.  22 ^)  von  lt555j  von  denen  Wasielewski  sagt:  -Man  begreift  nieht, 
welchem  speziellen  Z^vecke  sie  gedient  haben  können ;  denn  als  selbständige 
Instruraental-Stüeke  sind  sie  zu  kurze  2}.  Marini  versucht  nun  in  diesen 
Instrumental-Stücken  nichts  andtrt's,  als  die  Opern-Sinfonie  (und  zwar 
diejenige  der  frühesten  Periode,  die  das  Allegro-EIement  noch  nicht  ent- 
hält] in  die  ivanun«a'-^rusik  einzuführen.  DaÜ  Marini  ein  überaus  rühriger 
und  findiger  Kopf  war,  ist  bereits  gesagt  worden.  Ton  hi  bezeichnet 
ihn  sogar  als  einen  »refonnatore*  der  Instrumental-Musik,  obijfhich  er 
Marini's  erste  Werke,  die  höchst  wichtig  sind  und  ganz  aus  deui  Anfang 
des  Jahrhunderts  stammen,  nicht  kennt. 

Die  betreffenden  sechs  Sinfonien  aus  op.  22  sind  mit  Ausnahme  der 
sechsten  aüe  zweiteilig  und  werden,  wahrscheinlich  gerade  wegen  ihrer 
Kürze,  wiederholt  Sie  weisen  fast  alle  dm  feieriichen  Ton  der  Openn 
Sinfonie  auf,  sind  aber  in  den  Mtttel-Stinunen,  wie  es  dem  EammerHStil 
znkomml,  etwas  reicher  ausgearbeitet.  Außerordentlich  interessant  sind 
sie  deshalb,  weil  sie  zeigen,  daß  der  feierliche  Ton  nur  scheinbar  so  leicht 
zu  treffen  ist>  denn,  was  innere  Gewalt  betrifft,  erreichen  sie  die  Opern- 
Sinfonien  nicht.  Marini's  Talent  ist  im  großen  Ganzen  mehr  auf  das 
Kapriziöse,  Leichte  gerichtet;  hier  leistet  er  aber  ganz  Ausgezeichnetes. 

Die  Beispiele  von  Instnunental-Stiicken  dieses  Komponisten  bei 
Wasielewski  sind  überdies  so  ungünstig  ine  möglich  gewSblt,  geben 
jedenfalls  nicht  das  richtige  Bild  von  Marini,  der,  in  erster  Linie  den 
Tanz  kultirierend,  auch  bei  seinen  Sonaten  auf  Feriodisierung  drang. 
Um  gerade  hierin  von  diesem  wichtigen  Tonsetzer  ein  deutlidies  Bild  zu 
geben,  folgt  in  den  Beilagen  (Nr.  ö)  ein  kleines  Stück  aus  der  zweiten 
Sonate  Ton  op.  22,  ein  Qrave^  mit  dem  die  Sonate  beginnt.  Das  Bei- 
-    spiel  weist  ganz  den  Typus  einer  einfachen  Opem>Sinfonie  der  ersten 


1;  Stadt-Bibliothek  CO  Brwiatt. 
2}  A.  ».  O.,  S.  40. 


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462 


AUred  HeoO,  Die  venetüuuMiben  Opem-Sinfoiiien. 


Periode  auf.  Der  Aufbau  mit  den  Stiiuoiizin  führt  direkt  von  den 
Opern-Sinfonien  zu  Montcverdi  hiDüber,  den  Maxini  auch  persönlich 
gekanut  haben  dürfte  i). 

Marini  scheint  ein  sschr  witziger  Künstler  gewesen  zu  sein  und  dem 
Humor  gelegentlich  auch  einmal  in  seinen  Instrumental -Stücken  ein 
Plätzchen  eingeräumt  zu  haben. 

Anders  ist  wohl  kaum  eine  Stelle  in  einem  BaMeHo  mwom  op.  ^  seh 
deuten,  in  welcher  er  siehenmal  hintereinander  in  der  Melodie-Stimme  mit 

-Js» — 

-*ffr  > 


I 


3^ 


ansetzt,  ohne  darüber  wegzukommen;  erst  dann  geht  es  weiter,  während 
die  anderen  Stimmen  mit  kurzen  Achtel-Noten  ein  schadenfrohes  Gelächter 

anzustimmen  scheinen.  Hat  man  an  eine  Stotter-Szene  in  der  vene- 
tianischen  Oper  zu  denken?  Unmöglich  ist  es  nicht,  und  desliall)  sind 
in  einer  Zeit,  in  welcher  die  Oper  so  das  Gemeingut  und  die  Tagesfrage 
Aller  war  und  ihr  Wesen  in  allen  Musik-Gattungen  zu  verspUren  ist, 

Auslegungen  wie  die  oben  gegebene  nicht  aus  dem  > Blauen«  gegriffen. 
Die  Anwendung  des  Sequenz- Verfahrens  sowie  der  wohl  ganz  unzweifel- 
hiiftc  Ansciduß  an  Opern-Musik  und  Opern-Eroitrnisse  lassen  Marini  har- 
monisclie  Kühnheiten  erfinden  und  wagen,  wie  mau  sie  in  der  reinen 
In8truniental-Mu<^ik  dieser  Zeit  nie  und  nimmer  vomniten  würde.  Icli 
gebe  ein  Beispiel  aus  dem  zweiten  Balletto  von  op.  22,  auf  zwei  Systeme 
übertragen : 


i 


1)  BaUdto  mit  der  MoiiteTerdi*«chen  Übendbrift  in  op.  I,  1617.  Ymedig. 


L.  kj  .i^cd  by  Google 


Alfired  Hmiß,  Di«  veneUndsclMii  Openi'SiiifoiÜMi. 


46S 


Man  versuche,  solclie  Miisik  von  dvm  -:il).solutpn»  Stnudpnnkt  aus  zu 
erklären,  und  man  wird  nicht  umhin  kumieii,  Marini  Extra vai^a uzen  und 
harmoniscLü  Tollheiten  unmotiviertester  Art  vorzuwerfen.  Deiin  erklären 
lassen  sich  derartige  Akkord-Folgen,  wie  E-<Inr  auf  G-uioll  usw.,  die 
erst  (las  Musikdi*ama  und  die  Progranini-Musil^  des  19.  Jahrhunderts 
wieder  aufbrachte,  nicht  anders,  als  daß  man  deui  Komponisten  entweder 
die  Sucht,  interessant,  urigiiiell  zu  erscheinen,  zum  \'orwurf  macht,  oder 
aber,  daü  Ilm  aulicrmusikalische  Ideen  auf  solche  Stellen  brachten,  Marini 
ist  aber  ein  gesunder  Komponist,  war  auch  um  diese  Zeit  kein  jugend- 
licher Strudelkopf  mehr,  lebte  aber  zur  Zeit  der  höchsten  Blüte  der 
▼enetiaaiisdieii  Oper  und  wohl  wahrscbeiiükli  üi  Venedig  selbet,  d&  Mine 
Werk  dort  211m  Druck  gelangten.  Das  Beitpiel  mit  den  so  fremdaitigen 
Harmonien  nnd  dem  fortwährenden  Unterbrechen  der  Entwicklung  will 
ans  sicher  eine  Geister-  oder  sonst  ganz  anBergewdbnliche  Ssene  aus  der 
Oper  torführen.  In  dieser  Art  wäre  über  MarinilB  Stfteke,  was  EnifluE 
der  Oper  betrifft,  noch  Manches  m  sagen;  doch  mag  an  diesem  Orte 
hierron  genug  sein. 

Von  einem  ganz  ähnlichen  Standpunkt  sind  Sonaten  von  Mauritio 
Cazzati,  8onaif  ä'2  1656 zu  betrachten,  in  denen  es  oft  gera^zu 
Ton  Opem^Gkist  wetterleuchtet.  Da  Ton  diesem  trefflichen  Komponisten 
nichts  neu  gedruckt  ist^),  so  folgt  in  den  Beilagen  (Nr.  6)  elh  Stück  aus 
einer  Sonate^}  »La  StrcMod«  und  /  v  r  deshalb,  um  an  einem  handgreif- 
lichen Beispiel  zu  zeigen,  in  welcher  Weise  die  Komponisten  von  der 
Opern-Sinfonie  beeinflußt  wurden.  Interessant  ist  das  Stück  auch  des- 
halb, weil  es  in  seinem  Anfang  starke  Ähnlichkeit  mit  dem  Grave  von 
Marini  (Nr.  5)  aufweist. 

Das  Stück,  der  zweite  Teil  der  Sonate,  könnte  gerade  so  gut  eine 
Openi-Sinfonie  sein.  Zuerst  der  breite,  pathetische  Anfang  mit  den 
spannenden  Eermaten,  der  sich  wie  eine  ^'eI•heiliung  auf  etwas  AuRor- 
gewöhnliehes  anhört.  Auch  die  si'(|uenzinäBige  Anlage  weist  direkt  zur 
Opem-JSmfonie  hinüber.  Ohne  weiteres  entwickelt  sich  plötzlich  ein 
Schlachtonbild,  das  immer  lebhaitei-  und  erregter  wird;  hin  und  her 
scliwirren  die  Noten  gleich  Waffen  in  der  Luft.  Plötzlich  wieder  etwas 
ganz  anderes:  ein  friedhcher,  fröhlit  her  Tanz,  der  etwas  von  der  Monte- 
verdi'sehen  More^sm  (nicht  in  den  Noten,  aber  im  ( ■liarakteri  hat,  beginnt, 
und  schmeichelnd  schließt  sich  ein  ganz  weiches,  beinahe  weibliches  Thema 


1}  Stadt-Bibiiothek  zu  Breslau. 

2)  Watielewaki  kennt  ifanuidit  imdTorohi  gibt  von  Qun  wodi  keine  Melodio« 
'  Schiüiz«l  Soeben  kommt  mir  der  dritte  Bond  von  »The  Oxford  History  of  Muaic« 

vou  H.  Farry  in  die  Hündc.  der  das  17.  Jahrhondert  behandelt  und  in  welchem 
einige  Eorrenten  aus  f  inem  Werk  von  1B87  mitgeteilt  sind.   (S.  320.) 
3}  Ks  ist  die  12.  Sonate  der  Sammlung. 


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I 


464  Alfred  Heui3,  Die  v  enetianischen  Optirn-Siuibüiäu. 

an.  LiebeToll  imiBcbliiigen  sich  die  Stimmen;  dann  gibts  eine  Fennate, 
also  aufgepaßt:  wie  Engeln  aus  dem  Bolir  sclneßen  zu  gleidier  Zeit  die 
beiden  Stimmen  los,  als  ob  ea  emen  letsfen  Wettkampf  gelte ,  und  als 
sie  ün  schönsten  Laufen  sind,  kommt  auch  der  Baß,  der  bis  dabin  lubig 

sttgeseheo  hat,  hinzu,  bescbwichtigt  die  Eilenden,  und  friedlicli,  obne 
fiele  Umstände  begeben  sie  sich  auch  zur  Ruhe. 

Es  kann  fraghch  erscheinen,  ob  alte  Musik  in  dieser  Weise  auszulegen 
ist;  daß  diese  Musik  aber  fantasievoll  ist,  wird  Jeder  zugehen  müssen, 
und  warum  soll  man  einer  solchen  nicht  ebenfalls  mit  Fantasie  bei^ 
kommen? 

Es  ist  wiederholt  schon  von  Giov.  Batt.  Bassani  die  Rede  gewesen, 
der  auch  Opern-Komponist,  in  der  Geschichte  der  Instrumental-Musik  oine 
wichtige  Rolle  spielt.  Wasielewski^)  sind  die  Äda(ji  in  soiiu'ii  Kirchon- 
Sonaten  doswcs^en  aufgcfallon,  weil  dirsen  >m(Mst  aus  einer  einfachen 
Folge  von  Harniüiiien  bestehenden  Sätzen«  die  Periodisierung  fast  gäuzlicli 
fehlt.  Dieser  S("it<'nbhck,  den  Wasielewski  auf  die  langsamen  Sätze 
Bassani's  wirft,  muß  umsomehr  auffüllen,  als  er  ilie  schnellen  Sätze 
gerade  wegen  ihrer  srliarfon  Ghederung  überaus  lobend  hervorhebt 
und  erklärt,  daß  die  sdnullon  Sätze  »freilich  in  ihrer  meist  fugen- 
artigen Behandlung  durch  <leu  Eintritt  des  Themas  und  seiner  Gegen- 
sätze eine  deutliche  Gliederung  begünstigen.«  Dieser  Grund,  der  eine 
Kera-Fragc  der  ganzen  Entwicklung  der  Instrumental-Musik  im  17.  Jahr- 
hundert berührt,  entbehrt  der  historischen  Richtigkeit  und  beruht  auf 
einer  teilweise  gänzlichen  Verkennung  der  Entwickelung  der  italienischen 
Instmmental-Musik  im  17.  Jahrhundert.  Man  frage  sich  nur  in  der  Art: 
Liegt  eine  schärfere  Periodisierung  gmule  im  Wesen  der  fugierten  Schreib- 
weise, dann  ist  es  sonderbar,  daß  es  länger  als  das  halbe  17.  Jahr- 
hundert, das  zur  Hauptsache  gerade  dieselbe  anwendet,  gebraucht  hat, 
um 'zu  einer  schärferen  Periodiderung  zu  gelangen.  Die  fugenartige  Be- 
handlung hatte  statt  dessen*  gerade  eine  breit  angelegte,  nichts  weniger 
als  Ubersichtliche  Musik  ergeben,  der  immer  noch  etwas  von  der  »unend- 
lichen Melodie«  Gabrieli^s  anklebte.  Daß  Bassani  scharf  gegliederte 
f  ugterte  Sätze  schrieb,  hat  seinen  Grund  in  einer  ganz  anderen  Seite,  die 
allerdings,  und  dies  ist  der  Hauptmangel  des  grundlegenden  Werkes  über 
•  Instrumental-Musik,  Wasielewski  sehr  wenig  berücksichtigt  hat,  nämlich 
in  der  ganz  bedeutenden  Kultivierung  des  Tanzes  in  Itah'en  und  seiner 
Wirkung  auf  die  Instrumental-Musik,  die  sich  dann  bei  Bassani  noch  in 
starkem  Maß«  mit  tlnu  JMntluß  der  Opern-Sinfonie  verbindet. 

Wie  Wasielewski  dazu  kommt,  den  langsamen  Sätzen  Bassani's  Tor- 
zuwerfen,  daß  sie  gleich  wie  »bei  Mheren  Meistern  den  jElindruck  einer 

1}  Die  Violine  im  17.  Jikhrhanderi,  Seite  66. 


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AUired  Hieaß,  Dw  THMtumiacheii  Opern-SinfoiueD. 


465 


verschwommenen  Tonmasse  machen«,  ist  schleclithin  inierkiärlich.  Von 
Verschwommenheit  ist  nirht  die  Rede,  wenn  man  die  .Stücke  phrasiert, 
wozu  Einem  Bassani  bei  dem  stren^'en  Setjuenzen-Bau  seinen'  Lmgsamen 
Sätze  seihst  die  Mittel  an  die  Hand  gibt.  Gerade  die  von  AVasielewski 
beigegebenen  Stücke  weisen  eine  vollständig  klare  Gliederung  auf,  die 
durch  die  Gegensätze  von  forte  und  piano  (Echo -Effekte)  noch  klarer 
wird 

Bassani  ist  eine  für  die  Instrujm  nt.d- Musik  überaus  wichtige  Persön- 
lichkeit, weil  er  als  Opern-Komponist  Elemente  aus  der  Oper  in  die 
Kammer^Miisik  hinUbemahm  und  hier  verwertete;  noch  vichtigei  ist  er 
aber  dadurch,  daß  sich  an  ihn  historiscbe  Wendungen  knüpfen.  Bassani- 
war  der  Lehrer  Oorelli's:  Die  >hymnen8itigen«  langsamen  Tonsätae  in 
dessen  Sonaten  und  Konzerten  nehmen  ihren  Weg  über  Bassani  zurUck 
au  den  Tenetlanischen  Sinfonien.  Denn  Basaani  war  mit  Marini  einer 
der  ersten,  der  die  langsamen  Sätze  in  dieser  Art  behandelte.  Man  ver- 
gleiche beispielsweise  die  Adagi  in  Core]li*s  Sonaten  op.  1  Nr.  m  und  X, 
und  man  wird  diese  jetzt  historisch  vollständig  begreifen  und  verstehen. 

Aber  aucb  in  anderer  Beziehung'  zeigt  sich  bei  Gorelli  der  Einflufi 
der  Sinfonien.  Die  eingestreuten  Adagi-1?akte  in  der  »Fanfaren-Sonate« 
Nr.  IX  von  op.  1,  femer  in  Nr.  in  welcher  fortwährend  Allegro 
und  Adagio  einander  unterbrechen,  werden  ihre  Erklärung  nur  in  den 
Opern- Sinfonien  finden;  das  unmotivierte  Abbrechen  mutet  Einem  bei 
einem  so  geklärten  Künstlei-  sonderbar  genug  an;  es  legt  aber  Zeugnis 
ab,  wie  ungemein  tief  das  Wesen  <li  r  Opern-Sinfonien  in  die  InstrunMutal- 
Musik  gedrungen  war  Durch  Komponisten  wie  Corelli,  Abaco  und 
andere  erfährt  denn  auch  die  venetianisdie  Opern- Sinfonie ,  gerade  was  die 
Tangsamen  Sätze  betrifft,  eine  ganz  wui  1  rl)ui  e  Verklärung.  Viele  langsame 
Sätze  in  diesen  Sonaten  sind  das  Abendrot  dieser  jiUmäblich  verschwinden- 
den Stil-Gattung;  denn  eigentümlicli.  die  »einheimischen«  deutschen  Kom- 
ponisten des  18.  Jalirlmndeits  zt'i'^rn  für  diese  milde,  leidenschaftslose, 
sozusagen  irdischen  Beiges(  hma(  ks  eiitbehi<viule  Feierlichkeit  keine  Nei- 
guuij:  Mozart,  der  so  niancbes  lu-wuBt  und  uidiewußt  mit  den  Italienern 
gemein  bat.  seblä^  in  der  Ouvertüre  zur  ZaubciUöte  jenen  venetianischen 
Feiertun  nocb  eimnal  an;  die  feierlichen  Akkorde  sind  wirklich 

wie  ein  Gruß  aus  der  Glanzzeit  der  venetianischen  Opemzeit,  und  Mozart 
hatte  die  Wirkung  solcher  feierlicher  Akkorde  auch  aus  Holzbauer'a 
Sinfonie  zum  »Günther  von  Scliwai-zburg«-)  kennen  gelernt. 


1 :  Vergleiche  auch  dai  kleine  Beispiel  bei  Torchi  »La  mtmea  matrumaUtUe  etc.« 

(ßivista  TTinsipnli»;. 

2)  Siehe  dio  Einleitim^y  zu  der  vuu  H.  Xretzschmar  besorgten  Neoaiugabe 
dieser  Oper  m  deu  Dcukinuleru  deutscher  ToukansU 


466 


Alfred  Heuß,  Dis  venetiuiiacliea  Opern-SinfinueiL 


Die  Beispiele  von  Instrumental-KoinpositioiuTi,  in  welchen  sich  der 
EinÜuß  der  Opern-Sinfonie  zeigt,  küimU  ii  iu  unbeschrankter  Zahl  ver- 
melirt  werden.  Hierum  wird  es  sich  aber  an  diesem  Orte  nicht  handeln, 
indem  die  Arbeit  nicht  bezweckt,  Instrumental- Musik- Geschichte  zu 
selirdbeiii  sondem  nur  Beweis  führen  will,  daß  die  Oper  und  swar 
besonders  die  Opern-Sinfonie,  von  m&chtigeiu  Einfluß  auf  die  Instru- 
mental-Musik jener  Zeit  war,  und  daß  die  künftige  Geschichte  der 
Listrumental'-Musik  sich  mit  dieser  Tatsache  abzufinden  haben  wird.  Als 
weiteren  Beweis  muß  nur  ein  Fall  noch  zur  Sprache  konunen,  weil  er 
mit  der  Siitwickelung  der  deutschen  Ihstnunental -Musik  in  engstem 
Zusammenhange  steht 

Durch  einen  glüddichen  Pnnd  Karl  Nef*8^)  sind  die  schwer  TennifiCen 
Kammer-Sonaten  Bosenmüll  er's  vom  Jahre  1670  wieder  ans  Tages- 
licht gekommen;  man  wußte  schon  lange,  daß  sie  ein  mit  Smfoma  be- 
titeltes Einleitungs-Stück  statt  der  Üblichen  Padumie  hatten,  und  daß 
jedenfalls  Bos«mittller's  Aufentlialt  in  Venedig  zu  dieser  schwerwiegen- 
den Neuerung  gefühi-t  hatt<'.  Daß  die  Sonaten  aber  so  sehr  den  Einfluß 
der  Tenet ianischen  Opem-Öinfonic  zriircn  würden,  konnte  nicht  geahnt 
werden*  Nef  weist  denn  auch  auf  denselben  hin;  da  er  aber  die  vene- 
tianische  Sinfonie-Literatur  nicht  kennt  und  kennen  kann,  ist  der  Hin- 
weis etwas  äußerlich  ausgefallen.  Aus  der  Beschreibung  der  Stücke  und 
der  Beila^?e  Rolhst  geht  hervor,  daß  Rosenmüller  in  den  Sinfonien  ganz  im 
Fahrwasser  der  Opern-Sinfonio  fährt.  Xiir  übertreibt  er  noch,  wie  fast  immer 
Deutsche,  wenn  sie  etwas  Ausländisches  nachahmen,  so  wenigstens  in  der 
Sinfonie,  welche  der  Publikation  bcii^pgeben  ist.  Rosenmüller  kann  sich 
nicht  genug  tun  mit  Fermaten,  alle  paar  Akkoidc  unterbricht  er  sich,  aber 
doch  wieder  nicht  in  der  trotzdem  so  planvdllrn  Art  und  Weise,  zu  welcher 
die  Itahener  trotz  aller  Freiheit  geknirt  waren  Das  Heispiel  von  Ca/zati 
(Nr.  6),  in  welchem  ti-otz  Unterbreehens  der  Entwicklung  ein  einheitliches 
Ganzes  vor  uns  steht,  wird  zeijren  können,  ^vie  dies  jremfint  ist.  Man 
sieht  auch  hieraus,  wozu  die  Setjuenz  wirklich  von  2sul/«'u  sein  konnte, 
und  wie  tu  luinerlich  sich  ihr  Vorhandensein  bei  den  Italienern  herschreibt. 
Was  Form  anbetrifft,  konnte  Rosenmüller  von  den  Itahenern  ungemein 
viel  lernen,  und  an  Gedanken  stehen  ihm  die  italienischen  Komponisten 
dieser  Zeit  ebenfalls  nicht  nach.  Da  man  sich -in  Deutschland  ein  wenig 
daran  gewShnt  hat,  vom  deutsehen  Soiten^^^dpunkt  auf  die  italienische 
Ihstrumental'-Musik  dieser  Zeit  etwas  henmtennischauen,  so  honnen  Fülle 
wie  diese  wieder  zeigen,  wie  eminent  viel  die  deutsche  Musik  und  gerade 
auch  die  Instrumental-Musik  Ton  den  Italienern  lernen  konnte,  und  wie 

1)  Zar  Geschichte  der  deutschen  lostrumentalnatik  in  der  sweiten  HSlfte  des 
17.  JalurhtmderU.  Veröffentlicht  «1«  Beiheft  V  der  FublihAtionen  der  IMG. 


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Alfred  H«u6,  Die  venetitniechen  OpernoSinfonten. 


467 


vi»  l  sie  ihr  auch  zu  verdanken  liiit.  Wenn  in  den  R^jKenmüller'schen 
Sinfonien  »ilie  deutsche  Instrumental-Munik  zum  ersten  Male  ilire  Schwingen 
vofrx,  den  höheren  und  höchsten  Ziehen  zuzufliegen«,  wie  Nef  von  diesen 
Stücken  sagt,  so  liätte  sie  es  also  wieder  einem  andern  Lande  zu  ver- 
danken, <I<  '->;i'n  Kunst  Rnsonmüller  verauluHte,  der  Instrumental-Musik 
Ideen  zuzuliihrin,  die  aulii-rlialh  ihres  Bereiche'^  hViren.  Man  kann  bei- 
nahe mit  Bestimmtheit  den  Satz.  aut>tt  llt  n :  jeder  Aufschwung,  zum  min- 
derten jeder  Umschwung  in  dem  Wesen  der  Instniiuentai-Afuf^ik  tritt 
inuiier  dann  ein,  wenn  ihr  von  auüeu  her  ein  neuer  Tdeen-( reliait 
zujreführt  winl,  wenn  sie.  net,Mtiv  ausgedrückt,  daran  erinnert  wird,  dali 
sie  el)en  keine  «absolute*  Kunst  ist. 

Die  spätere  Sonaten-SannnhmgM  Rosenmüller's  von  lü82,  auf  deren 
oiRiuliaftes  Wesen  der  iJiogrupli  RosenmüUerH,  A.  H  <»rn  eff  er-i,  auf- 
merksam macht,  war  leider  nicht  erhilltlich^);  sie  könnte  zeigen,  wie  weit 
Rosenniiiller  seinen  Aufenthalt  in  Venedig  in  sich  verarbeitet  hat;  denn 
Beschreibungen  reichen  hier  nicht  aus. 

Wie  weit  der  Einflufi  der  Opera-Sinfonien  durch  Rosenmüller's  Vor- 
gehen auf  DeutschU^nd  reicht»  kann  hier  nicht  verfolgt  werden;  über  das 
Wesentliche  gibt  die  erwähnte  Abhandlung  Nef s  hinreichend  Auvkunft 

Wir  haben  Entstehung,  Entwicklung  und  auch  die  Anzeichen  eines 
baldigen  Endes  der  venetianischen  Opera-Sinfonie  mit  angesehen.  Sic 
boten  uns  ein  kleines  Stück  Musikgeschichte  Ton  eigenartigem,  aber 
übeiiius  organischem  Verlauf,  der  wieder  in  engem  Znsammenhang  mit 
der  v^etianisdien  Oper  selbst  stand.  Wi  dieser  fiel  auch  die  Sinfonie 
und  Terschwand.  Es  war  ihr  versagt  gewesen,  Berfihmtheit  zu  erlangen 
wie  die  beiden  anderen  Sinfonie-Arten,  die  französische  Ouvertnre  und 
die  neapolitanische  Sinfonie»  deren  abgeschlossene  Form  ihnen  hienni  ver- 
half. Was  aber  unserer  Sinfonie  an  äußerem  Ruhme,  dem  Grande  ihres 
Vergessenseins,  abging,  das  ersetzte  sie  durch  ihre  Wirkung  auf  die 
Instrumental -Musik.  An  dem  Aufschwung  derselben  in  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  hat  sie  innigsten  Anteil,  und  bis  tief  ins 
18.  Jahrhundert  khngt  sie  in  deir  Instrumental-lSIusik  an.  Sie  ist  es,  die 
gerade  —  gewiß  nicht  zufällig  —  zur  Zeit  ihrer  höchsten  Blüte  der 
reinen  Instrumental-Musik  neues  Leben  zuzuführen  vermag;  aber  auch 
aur  Zeit  ihres  Niederganges,  der  eine  Nachblüte  genannt  wenh-n  nmB,  ist 
es  ihr  durch  eine  glückliche,  doch  innerlichst  in  ihrem  Wesen  lie^rrndo  Ver- 
kettung der  Umstände  möglich,  eine  Instrumental-Form,  die  für  lange  Zeit 
das  Haupt-Xnteresse  der  Inätrumentai-Praxis  bilden  sollte,  vorzubereiten, 

i:  Königliche  Bibliothek  za  Berfin. 

2)  A.  Horneffer,  Joh.  Rosenmüller.    Charlottenburg  1898.   Seite  117. 
H  Sie  befinden  sich,  wie  mir  Hn  r  Obcrl  iMi  .thekar  Dr.  Kopfermann  mitteilt, 
behuis  Neu- Ausgab«  in  Händen  von  Herrn  Dr.  Karl  Nef. 

H.  d.  L  u.  IV.  31 

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468 


Alfred  HeuU,  Die  venetiani«chen  Opern-Sinfonien. 


da->  Iiistiuiiu  iilal-Kon/ert.  Es  kann  vi<«]leicht  uuch  nicht  ganz  überselifu 
Merden,  wie  weit  der  Einfluß  unserer  »Sinfonie  reicht;  in  gewi>ser  Be- 
ziehung, durch  die  Vermittrlung  der  übrigen  Instrumental-Musik ,  er- 
streckt er  sich  bib  in  die  modeme  Zeit  liinein,  da  es  kaum  einen  herv(»r- 
steclienden  Zug  dieser  Sinfonie  gibt,  welcher  nicht  im  (Irolleii  Schule 
gemacht  liätte.  Blicken  wir  aber  von  den  Sinfünieii  der  Venetianer 
zurück,  wo  die  "Wurzel  für  das  Emporblühen  ihres  mächtigen  Bamiies 
liegt,  so  sehen  vnr  eine  einsame  Gestalt^  die  in  nerviger  Hand  den  Schlüssel 
der  gesamten  modernen  Miudk  bfilti  GzoBmeifiter  Claudio  Monteverdi. 


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469 


ANHANG. 


i.  Fr.  Cavalli,  Sinfonie  zn  «Ormindo». 

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470  Alfred  HenO,  Die  venetianischen  Opern-Sinfonien. 

2.  M.  A.  ZiANl,  Sinfonie  zu  <Schiava  fortunata 


1674. 


I.  Viol. 

II.  Viol. 


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AUnd  HeuO,  Die  rfiwrtimttithiin  Optm-Sioibniea. 


471 


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Alfred  Heuß,  Die  venetiaixiacheD  Opern-Sinfonien. 

8.  PiETB.  Franceschini,  Sinfonie  zu  «Arsinoe». 

1677. 


Grave. 

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Alfrsd  Hmfi,  Dm  .▼«iMfeiaoiaoh«n  Opara-SinlbBMB. 


473 


r j  r  ^ur  ^Pi 

1     A  ■0- 

'  .Pf 

4.  Carlo  Pallavicim. 

Erster  Satz  ttU8  der  Siiifonie  zu     L'  Amazoni  CorsurftS' 

M88. 


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474 


Attpsd  HmA,  Die  Tgnetianitnhun  Opcra-BmlbiiiM. 


C-4  . — •  #  — « — j — 1 

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1  W 

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Alfired  Heaß,  Die  TimetiMiiichm»  Op«ni-Siiifoiii«a. 

5.  Bueio  Marini, 
Grave  ans  der  StSf  Sonate  von  Op.  M. 


f«6S. 

Far  2  Violinen  und  Bai. 


Grave. 


475 


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476 


Alfired  Heuß,  Die  vwMtiaaiaolMn  Opern-Sinfonien. 

6.  Maüritio  Caczati. 
Ans  dar  Sonate  XII  „La  Stroisi**  in  „Sonate  a  S  VioL'' 

tese. 


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Tremolo 


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Alfred  H«aO,  Die  irenetieiUMhen  Ofieni-Smfomen. 


477 


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478      Albert  Mayer-Reinach,  C.  H.  Graun.  La  battaglia  del  Be  di  Phuna. 


Garl  Hemrich  Gtraun. 

La  battuglia  del  Re  di  Frussia. 
mitgeteilt  von 

Albert  Mayer-Reinach. 

(Berlin.) 


Die  ^f.'irkiis-Bibliotlu'k  in  \  t*neili^:j  birgt  unter  ihren  nmsikalis*  !m  n 
Scliiitzt  u  tili  Klaviorstiirk,  betitelt:  ^Ui  iMitUujUa  dd  litt  di  IVu.ssfa,  ron- 
cerh  per  t'l  cenibulo  dal  Si(fr.'  Graun*.  Wenip'f  seines  musikaliHclii'n 
Wertes  als  seiner  technischen  Stiuktur  liriHxr  virdient  es  dies  kurze 
Klavierstück,  als  Zeuge  seiner  Z«'il  wieder  aus  Bibliutheks-Staub  ans 
Tageslicht  gebracht  zu  werden.  AVelcher  von  den  Trägem  des  Namens 
»Graun«  der  Komponist  ist  und  zu  welcher  Zeit  das  Stück  entstand, 
darüber  kr>nn<'n  wir  zu  ziemlich  sielu  reni  Ergebnis  kuiumen,  da  wir 
einerseit  s  wissen,  da  Ii  Uarl  Heinrich  Graun  im  Auftnige  Friedrich's  des» 
Großen  Mitte  1740  bis  Mitte  1741  behufs  Anwerbung  von  Sängern  und 
Süogeriimen  für  die  in  Berlin  zu  errichtende  Oper  in  Italien  herum« 
rdste,  andrerseits  im  Dezember  1740  der  erste  schlesische  Krieg  seinen 
Anfang  nahm.  Graun  hat  ohne  Zweifel  über  die  heimischen  Vorgänge 
und  die  Schlachten  seines  Königs  nach  Italien  Bericht  erhalte,  und 
das  hier  abgedruckte  Klavierstück  scheint  demnach  als  Gelegenheits- 
Komposition  in  diesen  Monaten  der  italienischen  Reise  entstanden  zu 
sein,  wahrscheinlich  gerade  während  Graun*s  Aufenthalt  in  Venedig. 
Hierfür  spricht  die  Tatsache,  daß  Venedig  das  soweit  bis  jetzt  bekannt 
einzig  existierende  Exemplar  der  Komposition  besitzt  Ob  dieses  Vene- 
zianer Exemplar  eine  Abschrift  oder  ein  Autograph  ist,  konnte  ich  mit 
Sicherheit  nicht  entscheiden. 

Kritische  Beraerkui  -  n. 

1;  Die  Stell«'  ist  in  dor  Himdschrit't  sehr  tiinii  utlii  Ii ,  das  ff«'  der  riHlitfa 
Hand  uuJ  4  konnte  auch  c'  heißen.  Analog  dem  zweitlolgendeu  Tukt, 
wo  das  <{'  «ehr  deutlich  ist,  habe  ich  d!^  gesetxt. 

2)  Auf  4  steht  in  der  rechten  Kand  g*tPf  das  g  ivk  natflk-lic^  unindglich. 

3)  Der  Akkord  der  rochten  Hand  auf  1  heißt  in  der  Haadsdirifk  a^c^e\ 
es  muß  natürlich  heißen  f/^c^f^. 

i,  Der  Baß  hat  auf  4  iu  der  Handschrift  eis  a  f  a\  statt  /  muß  e  gesetzt 
werden. 

5^  In  der  Handschrift  wediselt  auf  4  der  Ba0  in  diesem  und  dem  folgen- 
den Takt  in  dafa^  was  unrichtig  zu  ^.  in  -cheiat,  namentUclt  da  die 
beiden  folgenden,  genau  entsprechenden  Takte  keinen  Akkordwechael  auf 

4  im  Baß  zeigen. 

6)  Der  vierte  Teil  des  Taktes  fehlt  in  der  Hand^^thrift ,  ich  ergänze  ihn 
entsprechend  dam  vorhergehenden  und  folgenden  Takt. 

7)  Die  Handschrift  aeigt  hier  d^a^f^.    Statt      muß  offenbar  stehen. 


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AIb«ri  Mugrw-Bdniflh,  a  H.  Giwu.  L»  hatt^i  del  Be  di  Phinift.  479 


Concerto  per  il  eembalo. 

Lft  battagll»  d«l  Ro  di  Pruesia. 


Allfirro. 


Dal  Sigr.  Oraun 


1  1 

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480      AIbw(ll^w^B«iMd^aH.eim  UlirttagliRdalR»« 


ü'  |i   j  iif   j  i\f  ir^^ 


|,j;ttefi,X;£te-r;fcf|totl! 


1^'     I1      .1  Jl 


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J>a  Prod^homm«»  M«rie  Fd  (1718^171)4:. 


485 


Marie  Fei  (1713-1794) 

par 

J.-G.  Prod'bomme. 


Parmi  rinoomparable  collection  des  pastels  de  Maurice-Quentui  de 
La  Tour,  <peiiitre  du  roi  Louis  XY»,  qne  possdde  la  Tille  natale  de 
Saint-QuentiDy  au  milieu  des  figures  de  iinandera,  de  mnsicieiis,  d'abb^  de 
philcMophes,  de  femmes  du  moude  et  de  personnages  prind^i  une  pbysio- 
nomie  entre  toutes  sollicite  Tattention,  tellement  eile  ^toime,  ainsi  jux> 
ti^pos^e  &  Celles  de  ses  contemporains.  Elle  fait  penser,  dans  cette 
90€a.it4  du  plus  pur  dix-huiti^e  si&de  franvais,  &  quelque  belle  esdave 
turque,  aTec  ses  grands  yeux  oru  ntaux,  fendus  en  amande,  d'nn  ^lat 
troublant,  son  nez  allongt',  sa  beuche  assez  large,  surmontant  um  menton 
d'iine  courbe  reguliere  (lui  d<miie  au  yisage  entier  une  forme  parfaite 
d'ovale  allonge.  Ijcs  clieveux  nc  sont  pas  poudrt^s,  et  siniplement,  in- 
cliiiee  vers  la  tempe  droit«!  nne  I6g<^  gaze  bleuätre,  semblable  ä  une 
calotte  turque,  les  cache  en  partie,  retenue  par  un  ruban  d'or  oft  8*ac- 
crocbe  une  fleur  rouge,  pres  de  la  tempe  gauche,  a  l'ondroit  oü  la 
coifEure  coupe  obliquement  Ic  front  Ce  portrait  oh  La  Tour  semble 
avoir  mis  toute  la  passion  qu'il  ressentit,  pendant  les  trente  derniäres 
ann«'cs  de  sa  vie.  pour  le  modelo,  est  cplni  dr  Mnrie  Fol  qiii  fiit  pr^s 
d'un  demi-si^elt' ,  au  tbf'Atrp  coinmc  an  coiu  ert,  l:i  cantatrice  la  plus 
fetee  des  düicttautes  parisien$,  avec  l'inimitabk  Pierra  de  Jelyotte.  • 

I. 

Contraireiueiit  ii  l  assertioii  presque  generale  des  biograiduc^  couraiitcs, 
Marie  Fei  na«iuit  ?i  Bordeaux,  non  pas  en  1710,  niais  en  1713.  \v  24  (x  tobre. 
Elle  etait  fille  ]('<ritiiiit>  de  ficnrv  Fei,  organiste,  <  t  de  Marie  Deracle, 
babitjvnt  paioisse  Sainte-Eulalie;  eile  fut  bapüsee  huit  jours  plus  tard  k 
la  cathedrale  Saint- Andre  >  . 

Fille  de  musicicn.  malgre  l'absence  df  n  iisoi£jnement.s  positifs.  on  peut 
affirmer  que  la  future  etoile  d»-  rAtudeiiiit'  ruyule  de  niusicjue  a])i)rit  de 
tres  bonne  heure,  ainsi  que  son  fror«'  dont  il  sera  questioii  plu.s  loin,  les 
principes  du  oliant.  Vraisemblablement,  eile  passa  les  vingt  premieres 
annöes  de  sa  xie  k  Bordeaux,  jusqu'au  jour  ou  quelciuc  reenitcur  du 
prince  de  Carignan  vint  l'enlever,  comme  son  fr^re,  ä  sa  faniille  pour 

1)  Voir  plw  loin,  Appendice  L 

32* 


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486 


J.-ö.  Prod'Lomnie,  Marie  Fei  (1713-1794.. 


rengager  &  TOpära  de  Paris.  £Ue  d^uta  au  Conoert  epiritael  des 
Tnüeries,  sniTant  Tusage  alors  ^tabli,  le  prenuer  Boyembre  1784.  Tjb  Pro- 
gramme de  ce  jour  portait  VJEjcawffat  Dma^  motet  de  MondotiTille, 
«dans  leq^ael,  dit  le  «Mercure  de  France»  la  I^*  Feld  (sie)  cfaanta  pour 
la  premi^  fois  diffärents  r^cits  avec  beaucoup  d'applaodissement,  de 
meme  que  la  D"*  Petitpas  et  le  8r.  Jeliote.» ')  Le  8  d^mbre,  oü 
ron  donnait  le  Benedißtus  de  Lalande,  le  m&ne  jonmal  rappoite  que 
«la  B*^*  Feld  chanta  diff^rents  B^cits  dans  les  grands  Motets  avee  beao- 
coup  de  jnstesse,  de  meme  que  le  8r.  Jeliote  dans  deux  Airs  Italiens.» 
Elle  j  reparut  le  jour  de  Noel  dans  im  petit  motet  de  Mottret  «qui  fat 
tr^8-goatä.»s)  A  TOp^  cla  Fell»  d^utait  le  29  octobre,  dans  le 
prologue  de  Phüomäe^  qui  arait  i\A  remis  k  la  scdne  dix  jours  aupara- 
▼ant,  par  le  r61e  de  Y^nos');  et  dans  ime  reprise  de  Vlj^kfgime  de 
Duch^,  Desmarets,  Danchet  et  Campra,  par  le  röle  d*Electre,  oft 
eUe  doublait  la  Petitpas.  Le  «Mercure»  constatait  k  cette  occasion  qii*elle 
^tait  «de  plus  en  plus  goflt^.»^}  Pendant  plusieurs  mois,  oft  son  aucote 
va  Sans  cesse  grandissant»  eile  remplit  les  r61es  secondaires  r^serr^  aux 
d^utants;  le  21  mais  1735  quelques  jours  avant  la  ddture  annuelle,  die 
cbonte  k  la  repr^aentation  ^Omphäk  «pour  les  acteurs»  une  cantatille 
comme  on  avait  coutume  d'en  intercaler  souvent  dans  un  acte  ou  un 
entr*acte,  pour  le  seul  plaisir  d'applaudir  un  chanteur  ou  une  cantatrice 
aim^  du  public. 

Le  5  mai  suivant,  ft  la  r^uverture  de  TOp^ra,  eile  joue  dans  le  pro- 
logue des  Grdces^  ballet  b^roique  en  trois  actes  de  B.oy  et  Monret,  le 
rdle  de  TAmour. 

Elle  a  iigai^  aux  concerts  des  2  f ^vrier,  25  et  30  mars  et  l*'  aTril,  de 
m^me  qu*elle  fera  ft  celui  du  9  juin,  recue  «avec  applaudissement»  oonmie 
toujours,  chantant  «avec  autant  de  justesse  que  de  pr^cision»,  soirant 
Texpression  un  peu  naive  du  chroniqueur  musical  contemporain,  des 
motets  de  Mouret  ou  de  Destoucbes*).   Bien  ne  semble  devoir  Tdoigner 

1)  Mercure  de  Francer  noveinl»re  1734,  p.  2521.  G  est  par  erreur  que  dans 
l't'tude  sur  JelyoUe  pnru  dans  Ic!»  Sat/inirfhihiile  de  1901  (p.  r»91  .  «m  lit  qne  pas  tin? 
■  eule  fois  cet  artii»U;  ue  cLauta  au  Uoiicert  spirituel;  ü  y  tigura  au  moins  jusqu en 
nia»  1736. 

8)  Mercure  de  Franee,  decembre  1734,  p.  2733. 

3}  Farfaiot,  A'jtmla  /lisiorigm  de»  Theairea  de  Pari*  1735,  1736  &  1737  (r^iD- 

pression  par  Pougin.  1876  . 

4   Mrrrure  df  Frntirr.  ilt-rembre  1734,  II,  p.  2930. 

5)  Parfaict,  Agenda  historüiuc  de  TanntSe  1735.    «Un  donna  hier  Omphak  ou 
chanta       de  Fei;  eile  devient  de  jour  en  jour  Tobjet  de  nos  esp^ranoes  pour  remplaoer 
la  Petiipas,  qui  devient  de  jour  en  jour  plus  mauvaiM.»  [Journal  dt  la  Cbur  ä 
la  Villc,  piib.  par  Ed.  Barthölemy.  18(19;  p.  28  .  23  mar»  1735.) 

6i  Mercure  de  Franee^  avril  17.S6,  p.  617  ;  juin,  p.  1226. 


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J.-G.  Pfod'lMimiiie,  Marie  F«l  (171$-i'}94i^ 


487 


du  theätre,  quand,  a  la  dato  du  18  juillet,  eile  signifie  son  conge,  et 
qiiitte  «k'dit  jour»,  rn  compagnip  «le  son  fröre.  Aiissitot  radministration 
de  In  Maison  du  Koi,  (|ui  avait  rOj)era  dans  son  departement,  adrcsse  $k 
Tiiuret  la  lettre  suivante,  rappclant  le  reglenient  de  1718  qui  obligeait 
les  acteurs  ä  demander  leur  cong^  au  moizu  im  somestre  d'avance. 

«A  Vor  "  le  20  JuUlet  1786. 

'M.  Thurct,  Dir»H"tour  de  TOpern. 
<J'ay  M.  rendu  corapte  nu  Roy  en  r.ibHonce  de  le  f'omte  de  Maurepas 
du  piacet  des  &  D''"  Fei  (^ui  demaudeut  perniissiou  de  se  retirer  den  a 
preseut  de  rAcademie  Boyalle  de  Mosique,  Sa  Ma^^  reat  abeoliimeiit  qu'aaoaDS 
actears  ne  puisaent  ae  retirer  qu'ila  n'ayent  demand^  lear  Coüg6  tix  moi» 
anparnTaat  et  par  conscquence  (aic)  voua  ne  dev^s  point  aeeorder  le  Congö 
que  demandent  les  B'  it  D"*  fei  Boae  qaelqne  pretexte  qne  ce  puiase  estre. 
Je  suis  M.  tout  a  voqb').» 

n  faut  croire  que  les  Fei  avaient  des  Protections  pnissantes,  car 
Tactrice  ne  rentra  au  concert  spirituel  que  le  2  fevrier  suivant^  et  räin* 
t^gra  rOpera,  j\  Pä(|ues  17H6,  avec  \2iX)  livres  d'ai)pointemeiits  an  Ueu 
de  1060  qu'elle  avait  au  d^but,  plus  300  livres  de  gratification. 

Peut-etre  faut-il  placer  pendant  cette  absence  de  Topera  son  s(>jour 
ä  Amiens,  oü  eile  chanta  au  Concert  «du  temps  quo  M.  de  Chauvelin 
en  ^tait  intendant».')  Tintjuante  ans  plus  tard,  Marie  Fei  faisait  elle- 
meine  allusion  ii  ce  petit  evenement  de  sa  vie  ailistiquo  et  l'inspecteur 
de  pidice  Me  unier,  a  la  fin  de  son  rapport  aur  VEtat  präsent  des  Acirioea 
de  F0p4ra  le  rappelait  brifevement  d^s  1752. 

En  meme  temps  r|u'elle  faisaii  sa  rentree  aux  Tuileries,  la  jeune 
bordelaise  et:iit  adniise  au  «Concert  chäs  la  Beine»  dont  eile  sera  long- 
temps  Tune  des  etoiles. 

Marie  Tieszezinska,  que  Thistoire  a  trop  delaissee  au  niilieu  de  son 
eerele  d'aniis  tideles  et  serieux,  poss^dait  une  instruction  solide  et  mon- 
trait  poui'  la  iuusi(|ue  un  goüt  qne  sa  jeunesse  passde  en  AUemagne  lui 
avait  |)ermis  de  developper.  Pendant  de  longues  anneos,  j\  la  cour,  tan- 
tot  h  Versailles,  tantot  a  Marly  ou  h  Fontainebleau,  la  reine  de  France, 
tandis  que  Louis  XV  se  divertit  ä  la  chasse  ou  s*abrutit  dans  scs  d  ('bau- 
che«, airne  h  se  faire  jouer  «en  concert»  les  opdras  (jue  la  Ville  vient 
d^applaudir  ou  applaudira  demain«  Le  «Mercure  de  France»,  dans  ses 
cahiers  mensuels,  le  duc  de  Luynes,  Tun  des  familiers  de  Marie,  notent 
chacun  k  sa  fa^on,  les  programmes  et  les  noms  des  artistes,  qui  partid- 

1)  Arch.  de  TOpcra  JUatiro»  du  lioy.  Diptchc«  reintivet  d  FOpSra.  Ms.  2479  (copie 
nodeme],  I,  fo.  78. 

2)  Mereure  de  Fraure  fevrier  173^  p.  371)  nous  apprend  que  le  concert  de  oe 
jour  se  tcrmina  par  le  Ihnninus  rcymirit.  de  Lalandc,  «dans  Icquel  la  D"«  Fei, 
ci-devant  Actricc  de  rAcademic  Hoyale  de  Aluüqae,  ohanta  diffi^rents  B^its  aveo 
spplaudisaement.»       3}  Voir  plus  luiu  ses  lettre«. 


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488 


J.-G.  Frod'homme,  Marie  Fei  (1713-17d4). 


peut  a  ces  sulennites  musicales.  «L'executiou*  U'iiu  opüni  durait  deux  ou, 
plus  souvent,  trois  seances.  Ainsi  le  13  fevrier,  oü  l'on  achfeve  de  con- 
certer  l^isie  Cümmencä  le  6  et  contmue  le  8,  apr^s  avoir  elle-meme 
chantä  äsaom  la  piöcc,  M***  Fei  chante  pour  la  premi^  fois  au  Conoeit 
de  la  Beine,  le  Trion^e  de  VEymen^  cantate  de  Mouret.  Lea  20  et  22, 
eile  paiait  dans  les  huka  ffolantea;  le  18  mars,  nous  la  retrouTons  au 
GoDcert  spirituel,  en  compagnie  de  Jelyotte;  puiB  ä  la  rtouvertore  de 
rOp^ra  le  10  aTril,  de  nouveau  dans  les  Indes  gakmies;  Fei,  constate 
le  «Mercure»,  «dont  la  voiz  feit  beaucoup  de  plaisir,  a  chanttf  le  prind« 
pal  Bolle  dans  la  premi^  Entr^,  avec  applaudissement.»*) 

Durant  deux  ou  trois  ans,  on  ne  lui  confie  encore  que  dee  roles 
seoondaires  dans  les  pitees  nonvelles  ou  dans  celles  du  r^pertoire'); 
maas  on  lui  feit  souvent  chanter  des  airs  d^tach^s,  fran^ais  ou  Italiens, 
des  cantatülea').  Et  d4}k  les  po^tes  lui  adressent  des  rers.  Voici  deux 
de  ces  po^mes  comme  la  muse  de  T^poque  en  inspirait  quotidiennement 
aux  galants  correspondants  du  «Mercure»: 

Yers  ä  M'"*  Fei. 

On  dit  que  duna  la  Tlirnre  un  chantr*  liiirtnonieux 

Pur  les  donx  soiis  <1  nii«'  voix  adinirable 
Arrctoit  des  tonuii.s  le  cours  impetueiix  ; 

Mais  oe  rapport  est  une  fable. 
Je  connois  un  predige  encore  plus  merveilleuz 

(^iic  louf  ceux  «jue  nos  bons  ayeux 

!Nou»  racoutent  de  leur  Orphöe. 
Uli©  Syreue  uimable,  uue  touchiinte  Fee, 

Par  8on  Ali  inspirtf  des  Dieux, 
Par  les  accords  charmans  d*nn  chant  m^lodieux, 
Fait  sentir  ce  ([u\\roour  eut  jamais  de  plus  tendre, 
£ncbaine  tous  1p«  r<vnrs,  ravit  tous  les  esprits, 

Eit  le  plus  semillaut  marquis 
Deux  heiires  sur  un  baue  eat  doucement  assis  'j 

Et  presque  muet  poor  Tentendre. 
Mais  ee  n*esi  pas  assez  que  d*enchanter  Paris; 

Elle  a  force  la  j:ilou*<c  TtMlif> 

A  Ini  rpflrr  la  ronrdiiue  et  le  prix 

De  1  Alt  diviu  que  les  Lullia 

Ont  dchauffS  de  leur  gönie. 

Ces  faits  chea  la  post^td, 

1)  Mereure  de  Frame,  avnl  173(>,  p.  7öt>. 

2)  Voir  l'Appendice  I,  Marie  Fcl  ä  1' Opera. 

8]  Ainn  le  81  norembre  1796,  &  la  reprisentation  de  JfediM  «f  Juon,  ce  qai  k 

&it  «universellemeut»  applaudir  [Meram  de  Franee^  neyembre,  p.  2542  .  De  meme 
Jes  17  et  22  mars  1738,  pour  la  «capitüti<>n»  des  acteurs  [Id.,  niar?5,  p.  ö66). 

4:  AlluMion,  soit  aux  banquettes  qui  etaicnt  a!nn  placees  sur  les  tMjtea  de  la  scene 
ä  rOpera;  suit  k  celles  qui  garnisi^aiunt  alors  la  salle  du  Concert  spirituel. 


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X-0.  Pk«)d'lMniime,  Marie  Fei  a71S>17M}. 


489 


i'ortunt  tout  rair  de  songegf 
Pusseront  pour  meusougtis: 
Iis  8ont  pourtant  la  pure  v^riM. 

J.  B.  GniB. 

Autreü  Vers,  dun  humiue  du  monde. 

äitöt  i|ue  le  8o!eil  jiaroit  sur  1  hori20ii| 
On  Vöit  le»  astres  dlüparoitre ; 
L*^at  d«  leiur  soaveratn  naitar« 
K*admet  point  de  comparaiaoii. 

Fei,  conuoissoz  votre  uvaiitiige) 
Votn*  dfstin  v^i  Wien  phis  doux ', 
Car  V0U8  purtMif»/  uotru  honimuge 
Lorsque  l'amour  clmute  avec  vou8*[. 

Avec  l'anneo  1739.  les  irrurids  roles  des  pit  ccs  nouvelles  ou  des 
<remises»  d'ujuvres  anciennes  cunimPTirpnt  :i  rclioir  ;i  M"*  Fei;  eile  est 
successivempnt  Hebe  dans  le  ballet  des  Ftte^  d' fhhr  de  Rameau;  San- 
gande  daiis  Y Ah/s  de  TiuUy;  H^sionfi  dans  la  tragi'dif  lyrique  de  Dan- 
chet.  Apres  s'etre  cuiiLentt-«'  des  rnles  de  l'Amoiir  ou  de  Veous  dans 
les  proltvi^ues  d'opera  et  de  ballet,  on  lui  confie  deux  et  trois  person- 
nages  difft-rents  de  ces  pieces  Ji  tiroirs  (jue  sont  pres<pie  toiites  les 
compui»itiuns  de  cette  t'poqne.  P'est  eile  qiii  remplit  les  pn-miers  roles 
de  Rameau  dans  leur  nuuveautc':  daus  Z/ftis^  Xni\s,  Zoroasfre,  Tun  des 
ehefs-dVuvre  du  vieux  maitre,  la  Ouirta/idr,  las  Surprises  de  l'Ammu\ 
t'tc.  Klit  i  rro  ( ncore,  dans  les  dcrnieres  annees  de  son  s»  juur  ü.  l'Opera, 
\'Auron\  V AljumudurL  de  Mondonville  et  la  Colette  du  Devin  du 
VUkige  de  J,-J.  Rousseau.'-'] 

Autant  qu'il  est  possible  de  s'en  rendre  compte  i)ar  les  documents  de 
repoque,  pendant  les  vingt-cinq  annt'es  qu'elle  fit  partie  de  TAcaddoiie 
royale  de  masique,  Marie  Fei  participa  ä  plus  de  cent  premi^res  repr^sen- 
tations  ou  reprises.  Elle  ne  ptit  sa  retnute  d^finitire  qu'lt  la  fin  de 
1758.  Son  traitement  comme  premier  sujet  s'elevait  &  SOOü  livres  d'ap- 
pointements,  et  1000  livres  de  gratification.  Elle  obtint  une  pension 
de  1000  livres  et  500  de  gratification  annuelle*].  Le  ministre  de  la 
Maison  du  Boi,  au  moment  oü  eile  demandait  son  conge,  lui  aocorda 
ce  «traitement  distingu^»  par  un  certificat  flatteur  dont  il  faisait  part 
en  meme  temps  aux  directeurs  de  TOp^ra. 

1  f'p^  ileax  pieces  de  vcr!*  <;onf  citäes  par  Gr^goir,  QMn»  dt  VOpira  (Bnt' 
xellen,  1878-1881:,  tome  U,  p.  Hiü-161. 

2  Outre  le  oatalogue  de»  roles  rcmplis  par  M""  Fei,  que  1  on  trouvera  plus  loin, 
Appendicel,  Marie  Fei  i  TOpera,  le  lectenr  eüpriii  de le  rapporter  k  r^tude  nir 
Pierre  de  J^lyoite  dont  eeUe^  n*ett  qoe  le  complfoieiit  ii4oenaire.  [Sammd' 
hände  der  IMG.,  acut  1902.) 

3)  Arcb.  de  TUp^ra.  Etat  du  pemmneL  MHnoin.  Cf.  App.  L 


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490 


J.-ü.  Prod  lioiiiine,  Marie  Fei  713-1794,. 


<A  YenU«  le  9  Avril  1758. 
«A  Mad*"*  Fei 

<Le8  Services  qae  von»  am  MMtemoiaelle  rendns  a  rAcademie  Boyall« 
de  Musique  nvec  I'applaudiBsem*  du  public,  vous  ont  merit4  un  Traitemeut 
di8tingu(^  et  comme  vous  avez  dpinnru]*''  et  oJitonu  d^s  lo  mois  de  mars  votre 
Ooug^,  vous  pouvez  etre  assuree  d'uue  Pension  de  1000  de  retraite,  et  d'une 
Chrattfication  aunuelle  de  500" ;  jV'cria  en  con8^(|[uence  ä  M"  lee  Concessionnaires 
du  Privil^e  de  TOpei«,  mais  je  eompte  qu€tant  neoeseaire  an  The&tre  et 
agreable  au  public,  vous  huivrcz  la  Promeese  que  Toua  serea  en  etat  de  servir. 
Vott»  connouseSi  Mademoiaelle,  les  sentimens  que  j*ai  pour  vous.» 

<A  Veraii**  le  9  Avrü  1757. 

«M**  Rebe!      Francour  Ceesionnaire  (sie) 
«de  1  Opera. 

«La  D'""  Fei  ayniit  ^Nlrs  demaude  json  C'ong»5  merltant  par  les  sen'icfs 
quelle  n  rendus  a  1  Aemleuiie  Koyalle  de  Musique  un  Traitement  dihtingur,  11  liii 
a  ^te  a88ure  des  le  moig  de  mars  d^r  une  Ketraite  de  1000"  et  une  gratiric;»- 
tion  aunuelle  de  500"  sur  TOpera,  mais  estant  neoessaiie  an  Theitre  je 
compte  quelle  snivra  la  promesse  qn'elle  m^a  faite  de  ne  point  quitter  taut 
qu'elle  sera  en  4tat  de  servir.    Je  vous  suis,  Messienrai  enti&r^  d^ou^  ^).» 

La  b^neficiaire  ne  se  fit  pas  prier  pour  rester  le  temps  necessaire  j\ 
pourvoir  8on  remplacement.  Depuis  quelques  mois,  eile  montrmt  Tart 
du  chant  k  nne  jeune  fille  de  dix-sept  aus  dont  M"*  Clairon  foimait  le 
jeu:  le  15  d^oembre  1757,  Sophie  Amould  ddbntait  dass  lea  Ammtrs 
des  Dieux;  eile  remplac^ait  sa  mattresse  le  13  avril  suivant  dans  le  pre- 
mier  role  d'JE^  et  Lavinie,  apr&s  avoir,  k  ses  c6t('s,  ]ou^  celni  de  V^nus. 
Dans  les  F^iea  de  Saphos  (reprise  du  mardi  9  mai),  Marie  Fei  jouait  dans 
la  deuxi^me  entr^  le  personnage  d*Erigone  et  Sophie  dans  la  troisi^e 
celui  de  Psycho;  enfin  toutes  deux  paraissaient  ensemble  dans  iVvserjwte» 
r^l^re  remplissant  le  röle  principal  et  la  mattresse,  celm  plus  modeste 
d'Ar^thuse.  «Le  jeu  de  M}^*  Fei,  dans  Är^thuse,  ^crivait  un  contemporain, 
n*a  pu  rem^ier  k  la  froideur  de  son  röle;  mais  sa  voix  brillante  et 
l^g^re  k  toujours  un  channe  nouveau.»^)  CVtait  le  14  novembre  1758. 
Marie  Fei  pouvait  d^rmais  abandonner  sans  inqui^tnde  la  scdne  lyrique; 
eile  avait  trouv^  en  Sophie  Arnould  une  remplagante  digne  d*elle. 


1;  Arrli.  de  l  Opcra,  ms.  2479  ^copte  moderue;.  Maison  du  lioi.  Depiches  reUU. 
d  rOpira,  I,  tl.  190  &  191. 

8}  Citation  Mtrsite  des  Ohires  de  VOpira^  II,  p.  812.  Oet  onvrage  de  Or^goir, 
compilation  trte  utile  msis  fort  indigcste,  est  reni])li  de  renseignements  exacts,  mau 

nullement  ronrdoiinö^  et  manque  absolument  de  critique  Les  «;onrcpf!,  cntrc  nutres 
chosos.  sunt  rareiiieut  uu  tiop  vaguement  indiqnt'es.  L'extrait  ci-dessus,  par  exetup!'-, 
provieiit  d  une  «Chroniquc  du  temps»  {(\  qui  n  est  autre  que  le  Mercure  de  Frati<:c 
(d^oembre  1768,  p.  187). 


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J.-G.  Frod^liomme^  Mui«  Fei  {XliA-l'm), 


491 


n. 

Da  quin  de  Cliatoaulyon,  lo  fils  du  cel^bre  organiste,  qiii  publiait 
en  1752  la  jireniirre  parti*  de  son  «Si^cle  littf'miro  de  Louis  XV», 
sVxpi-imait  aiosi  sur  la  cantathce,  b,  Tepoque  oü  eile  briilait  de  son  plus 
vif  eciat: 

cLe  noin      M"*  Fei  inepire  uue  joie  seorette.   On  se  repr^sente  enr  le 

champ  tme  Actrice  merveilleufo.  On  se  dit  Hvec  satiHfuctlon,  In  voix  le  M"* 
¥vl  etil  d  une  pr^cision  ndmirnblo  &  d  une  legerete  siuguliere.  On  lait  plus, 
on  vole  h  rOpera  lorsqu'elle  chaute;  on  lu  trouve  toujours  nouvelle,  toujours 
brillaBte,  c^est,  dura  M.  TAbbö  de  la  Porte»  Anteur  des  ven  qae  rom  alles 
lire:  c^est  un  timbre  d'argent:  .qo*on  en  juge  pur  ce  aeul  trnit,  eile 
cbunte  ritalien  et  le  proven^al  comme  M^'*  Faustine  qnand  eile  4toit 
bonue. 

«Ah!   que  vous  m  iuspirez  de  leux, 
cDe  Fei;  tos  doux  aecens  rendent  plus  tendre  eneore 
«L*amoiir  qui  brille  dang  voa  yeuxl 

«n  D*y  a  point  d^Opera  du  grand  Bameau  que  cette  F^e  n'embelliMe, 

je  jugc  k  1  air  satisfait  dont  eile  chuntc  »a  Mu^ique,  qu*dle  Ini  donne 
lai  prefeicnce  «nr  tonte  nutrc.  On  ne  fait  «udinairenient  usage  de  fon  fm  c'v 
de  ea  vivacit*',  (juc  i»()iir  le  inii  nous  j»Init.  Le  Iton  goüt  que  montre  en  cel« 
M"*  Fei,  est  une  raison  de  plus  pour  la  faire  adorer,  je  n'en  dis  pa«  trop, 
dee  v^ritablee  connoiMetmi.  Prenea  donc  pour  voos,  incomparable  Actrice, 
ce  que  M.  Greseet  a  dit  avec  enthousiasme:  Toix  charmante,  voix  präsente 
Ä  nies  pensees,  je  voudrois  t'entendre  toujours;  tes  »*elat8,  tes  cadencea,  tes 
8ons  Hgreahleiiif nt  nielangös;  leur  variet^,  leur  siinftrip,  leur  allianrf».  tout 
dans  toi  est  ravissaut.  (^ue  de  volupte  tu  verses  dan»  mou  aiue!  Croiroit- 
on  ie  vanter  heaucoup,  en  eomparant  tes  accor^  h  eeux  de  Philomele?  Non; 
les  soDS  uniformes  &  inarttcul^s  du  tendre  Rossignol  ont-ils  roxpreesion,  Tarne 
&  ]a  vie  des  tioQS?  Toujours  belle|  toujours  s^uiflantOi  chaque  son  que  tu 
fais  dolore,  est  un  sentiment  qui  penetre  le  cceur  &  qui  captive  les  sena> 

Aprte  ce  pan^gyrique  de  Marie  Fei  et  celui  de  sa  camarade  M"*  Che- 
valier,  «les  deux  plus  fameux  Actrices  de  ce  temps»,  Daquin  ne  loue 
pas  moins  Tiine  que  Tautre  comme  chanteuses  de  concert: 

«Je  quitte  l'Opera  pour  vous  transporter  au  Concert  ^^irUucI,  ajoute  T^cri- 
vain.  Vous  vojex,  Monsieur,  qne  nos  deux  Actrices  n*7  brillent  pas  moins 
qu^ä  ce  grand  8])ectacTc  d'oü  nous  sortons.  Vous  les  trouvez  les  memes,  & 
il  vous  semblc  (juV^ius  röpundent  de  nonvollcs  ^^ces  sur  les  sublimes  motets 
des  Lalandes  et  des  Mundonvillos  .  .  .» 

Un  autre  conteinporain,  qui  n'est  pas  souvent  louangeur  pour  tout  ce 
qui  touche  au  thäatre  et  k  la  musique,  Coll^,  donne  vers  la  meme 
^poqae  son  appr^ciation  sur  les  mSmes  artistes: 


1  D'Aquin,  <9iVrA  lifferaire  de  Louit  XV  au  Lettre»  mr  le»  hrnmnee  ütuetree. 
I.  Partie  (1702)  p.  174-177. 


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J.-G.  Prod  borame,  Marie  Fei  ,1713-1794.. 


«m"*  Cbevallier  et  M*'*  Fei  sont  bien  ^loiguees  d^^tre  de»  aetrioee,  sur- 
tont  la  derni^ite,  dont  la  voix,  Ugtoe  et  parfaite  en  Bon  genre,  n^est  bonne 
que  pour  les  ariettes*).» 

Longteiiips  plus  tard,  La  Borde,  danB  son  c^l&bre  Essai  sur  la 
Musiqm  aneierme  ei  moderne^  constatait  que 

•pendaui  vingt-cinq  nus  sa  voix  charmante,  purc^  argeutiue,  a  fuit  les  pluisirs 
do  public,  &  l'anroit  pu  faire  enoore  plus  de  ringt,  ei  ea  mauTaiM  Hut^  & 
la  dölicatesse  de  Ba  poitrine  ne  IVvoient  oblig^e  d^abandonner  le  tb4&tre  vers 
1759.  11^'*  Fei  diantait  ^galcmeut  bien  le  Fi-anyaie  &  l  ltitlieii,  &  est  ane  des 

FranrHises  <]m  n  le  niieux  chtmtt'  rT(;i]i»'ii.  La  voix  est  toujours  au««!  jeiinf, 
&  etonne  encore  le  petit  nombre  d  uiuis, .  ä  (|ui  eile  a  consaeie  le^  deniieres 
anneeä  de  sa  vie,  &  qui  ch^riäseut  autant  aes  qualitt^s  persunnelle»,  qn  ils 
ont  toujottra  admirt  ses  diffftrens  talena^).» 

HL 

Marie  Fei,  d^mais  ne  iigure  plus  qu'an  Coneert  spirituel  et  k  celui 
de  la  Beine. 

An  Premier,  eile  paralt  bientdt  k  la  tdte  des  «dessns»  et  garde  cette 
place  jusqu'en  1770,  ann^  ou  ks  Speetaeles  de  Faris  la  citent  pour  la 
demi^re  fois  comme  aoliste;  son  nom  y  repaniltra  en  effet  en  1782  et  1783; 
mais  on  est  un  pen  sorpris  de  la  voir  nomm^  an  quatritoie  et  demier 
rang  la  premi^  ann^e,  au  troisi&me  rang  l'ann^e  siiiTante,  paimi  les 
choristes.  H  s'agit  alors  de  sa  ni^ce,  selon  toute  vraisemblance.'} 

Sauf  des  intemiptiona  assez  fr^aentes  caus^s  par  le  mauvais 
de  sa  sant^^),  Marie  Fei  pamt  ponr  ainsi  dire  sans  inteiruption  aux 


1  ColU,  Journal  et  Memoiren  edlt.  Honorö  Bonhomme)  I,  p.  52,  fivrierl749. 
2;  La  Borde.  Fssnt  >?<r  h  Musiqu^  nnriennr  rf  mnfhriir  1780  ,  III,  p.  510. 

3  Voir  la  collcction  de  VAlmanach  hütorique  <lu  'Jlnütre  ou  Colmdrifr  historique 
<i>  chrotwlogique  de  tous  kn  Speciades  de  1751  ü  1754  puis,  u  partir  do  cctic  date,  la 
suite  de  la  neme  publication,  sont  le  titre  Lt»  ^pe^ade»  de  Pari»,  Cette  publicatlon, 
interroiupue  an  dibut  du  XEL*  li^e,  disparat  tont  Ik  fidt  en  1816.   Yoir  aassi  TAp- 

pendirt.'  VI. 

4  Kii  ]74<)  et  en  1749,  par  exeniple;  en  1746,  eile  reparnt  k  Topera,  dans  les 
Fitejs  ik  I'ulijnmic  le  12  octobre:  «M"»  Fei,  öcrivait  alors  le  «Mercure»  (cite  par 
Gr^goir,  U,  p.  848-851;,  qu'une  longue  et  dangereose  maladie  avoit  forc^  de  B*ab> 
senter  du  thttfre  pMidant  plnsiean  moit,  a  reparo  dan»  le  bellet:  lei  spplaudlBBemem 
xiaMM»  qn'elle  a  legtis  moutrent  combicn  le  public  est  equii;i1)1c.  Sa  voix  est  plus 
belle  que  jamais;  nous  ne  dirons  ricn  dti  r'ofit  avt  c  loquol  ollo  chante,  nous  n'appren- 
drions  rien  äpersonno  En  1750,  eile  reutre  au  Concert  le  8  decembre  et  y  reparait 
le  25  du  meme  mois,  apres  une  «maladie  fort  longne»  qui  «avait  prive  le  public»  de 
sa  pr^ence.  «Elle  excita  ane  vive  joie»,  dit  le  cbroniquenr;  Fei  eha&ta  dans  un 
motei,  qn*eUe  enricbit  de  tout  ce  (|ue  Tart  peut  imaginer  de  plus  seduisant  et  de  plus 
acfri'able.»  Et  plus  loin:  «Jamais  Mi'*^  Fei  n'a  mi»  dans  son  cbant  tant  de  gri'ire, 
janinis  le  public  n'a  pai  ii  rontent;  ce  n'etoient  pas  des  applaudissemens,  c'etoit  du 
transport.»    -ürregoir,  Ii,  p.  298.) 


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J.-a.  Pnid^liomme»  Mtrie  Fd  (ITIS-ITM). 


498 


Tiiileries  pendant  trente-cinq  ans.  Citer  les  petits  motets,  latins,  Ita- 
liens ou  fran^ais  qu'elle  y  intcrprMa,  ou  les  «grands  motets  avec  choeur» 
dont  eile  chanta  Ics  recits  serait  faire  riiistorique  du  Concert  spirituel 
pendant  sa  plus  l)nlliinte  periode.  II  nous  suftira  d'enum^rer  quelques 
(euvres  qui,  gräce  au  noin  de  leurs  auteurs,  ont  ete  Tobjet  de  commen- 
taires  un  peu  detailU's  tU^.  Ui  ]);irt  des  contcMuporains. 

Pendant  la  direction  de  Moiiflonville,  de  1755  ii  177U,  epo(|U(?  on  le 
compo^i* cur  en  vo^nie  fait  chaiitcr  ses  grands  motets,  c'est  Marie  Fei 
qiü  ♦  n  (-t  la  principale  interprete.  Elle  y  chante  »avec  iine  onction 
aussi  louchante  (pu'  sublime  le  «rrand  talilesni  du  Vfniir  adorentus,  qui 
sera  toujonrs  la  )ias»'  de  la  reputatiun  de  Mondonville,  et  le  critii|ue 
du  «Mercure>  la.  jHupose  coiiime  iiiodMe  !\  une  debutante,  M*'*  Etienne: 
<Qu'elle  ecoute,  (prelle  t?tu(lie.  (prelle  adiaire  sans  celle  M"*  Fei.  Ce 
sunt  des  niutleles  parfaits  qui  peuveut  seuls  fornier  les  gi'ands  talent». »') 

Voici  le  30  niars  1751,  la  prenii^re  auditiou  de  1'/»  converfendo,  de 
Ranieau;  le  17  avril  1758,  peu  aprös  les  preniieres  representations  du 
Devin  du  Village,  oü  Fei  et  .Myotte  out  trioiMplu'  uiu'  fois  de  plus  ä 
VOpera,  les  debuts  de  Jean-Jacques  Rousseau  dans  la  musique  sacree. 
L*aateur  du  Dueoura  de  Difon  fait  ex^cuter  par  la  cr^atnce  du  rdle  de 
Colette,  an  Si^e  Megina  de  sa  composition,  M"*  Fei  le  chanta,  «conime 
eile  Beule  s^t  chanter  ....  On  a  trouT^  ce  motet,  ajoute  le  «Mer- 
cure»,  beaacoup  de  chaot  et  d'expressioDi  et  les  OonnoiBseuTs  d^sirent 
que  M.  RouBseaa  contiBue  &  enrichir  la  Litt^rature  et  la  Musicpie  Fran. 
(^ise  et  Latine  par  aes  Ouvrages.»')  L'ami^  smyante,  oü  presque  pas 
nne  s^nce  ii*a  lieu  sans  eile,  Marie  Fd  remporte  un  grand  snccte  avec 
le  LaudaU  pueri  de  Fiocco,  compositeur  italien  dont  eile  interprfetera 
fiOOTent  des  motets;  un  peu  plus  tard,  en  1755,  eile  fait  appr^cier  ceux 
du  Chevalier  d'Herbatn  <si  connu  en  Italie,  dit  le  «Mercure»  par  plu- 
sieurs  grands  onvrages  qui  ont  re^u  Tapprobation  g^n^rale.» 

Eki  1757,  toujours  dans  le  motet  de  FioccOf  eile  chante  «areo  ce 
goüt,  cette  l^^ret^  et  cette  pr^ciston,  qui  la  rendent  si  sup^rieure  dans 
son  art»^)  L*ann^  smvante,  retir^  de  TOp^ra,  eile  paraft  au  meme 
concert»  auquel  son  4\hve  Sophie  Arnould  «a  attir^  la  foule  ainsi  qu'd. 
rOp^ra.  La  Sale  ^toit  pleine  h  quatre  heures  et  donie»,  ajoute  le 
«Mercure>,»J 

1)  Git£  par  Qrt-goi  r,  III,  p.  40:  Compte>rflndu  des  CSoncwto  d«  man-avril  1751. 

8)  Mereure  de  Franee,  1752,  juin,  I,  p.  164;  cf.  Or^goir»  m,  p.  66.  Le  Salve 
regina  de  Roaiaeau,  fut  chante  une  seconde  fuis  quelques  joon  plus  tard.  Dana 
ses  Cnnfesf^ifms  livre  IX,  an.  1767),  Boutseau  dit  qu'il  avait  compoa6  oe  motet  «pour 

mademoiselle  Fei». 

3;  Daprös  Gregoir,  III,  p.  116,  MH«  Fei  crea  le  principal  röle  de  CiUml-ne 
de  d*Herbain  (17o6).  Yoir  App.  I.        4)  Grögoir,  H,  p.  167. 

5]  Mereurt  de  fVwM»,  mar«  1768,  p.  190»  compte-reoda  da  cbnceft  du  9  f^Svrier. 


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494 


J.-(i.  Prod  homme,  Marie  Fei  (1713-1794). 


Aprfes  avoir  pass^  quelqae  temps  chez  Voltaire,  en  1759  >],  Marie  Fei 
rentre  &  No^;  eile  diante  un  motet  de  Mondonrille,  et  on  la  reroit 
«arec  plaisir*.  Son  succto  ne  diminue  pas;  quatre  ans  plu8*taFd  aprte 
raToir  entendue  au  concert  de  la  Penteoote,  on  pomnut  dire  de  M"*  Feit 
^crit  le  chroniqueur,  «que  la  voix  est  encore  dans  sa  primeur  et  le  talent 
dans  toute  sa  force.>*)  Jusqu'ä  la  fin  ce  sont  les  mdmes  ^loges.  Ainsi, 
en  1763,  eOe  chante  •b.ybc  le  saocte  et  les  applaudissemens  ordinaires» 
et  «regoit  lee  applaudissemenB  que  m^ritent  sa  Toiz  et  ses  talen8.>>)  Gette 
mdme  ann^e,  eile  interprtte  le  Salve  Regina  de  Kohanlt,  accom- 
pagn^e  par  le  Violoncello  dn  c^löbre  Duport. 

Peu  avant  sa  retraite  d^finitiTe,  Fei  cr^  le  nouveatt  motet  de 
J.'J.  Rousseau,  Ecce  se/ks  lue  tonaniis,  compos^  en  1757  par  le  philo- 
sophe  musicioi  pour  M"'''  d'Epinay.  «Lc  motet  eut  un  si  grand  succ^ 
dit  Rousseau,  qu'on  l'a  donne  dans  la  suite  au  Concert  si)iiituel,  oü, 
malgr^  les  sourdes  cabales  et  Findigne  exäcution,  il  a  eu  deux  fois  l«>s 
m^mes  applaudissemens.» Le  «Mcrcure»  trouva  «les  symphonies,  d'un 
goüt  agrenble  et  nouveau,  ....  egalement  applaudies  avec  vivacit^.»*} 

£n  176(>,  1767  et  1769,  annec  oü  les  relations  contemporaines  la 
nomment  pour  la  derni^re  fois,  Marie  Fei  ne  cesse  d'apporter  au  Con- 
cert des  Tuileries  le  concoui*s  de  ses  taleuts.  A  Paques  1769,  avec  le 
chanteur  Richer,  eile  execute  le  Stalmt  matcr  de  Pergolese,")  qui 
jusqu'alors  etait  confie  aux  dtnix  Italiens  Dota  et  Alban ese.  L'annee 
suivantf,  Spectacles  de  Paris*  pour  1771,  ne  la  citant  pas  plus 

que  les  jouniuux  du  tomps,  nous  dcvons  i'u  coiiclure  qu'elle  avait  drtini- 
tivoment  abandoiiiu-  la  carn^re  de  virtucsi'.  Et  cu  n'est  pas  sans  eton- 
ncnu  nt  que  nnus  trouvous  s-on  uom  dix  ans  plus  tard.  ])arini  les 
choristes  du  concert.  !^^ais  jicut-eUe  s'agit-il  alors  de  sa  niece  que  nous 
verrons  so  pn'sentf  r  < oinnu'  suu  heriti^re  en  1794. 

An  'roiK  i  rl  cIk's  la  Reine»,  il  serait  assez  p^u  interessant  de  suivre 
nntit'  caiitatric  ('.  Lt  s  programnu's  de  Versailles,  de  Fontnincljh  aii  oii  ili* 
Marly  etaiLiit  ideiiti((ues,  a  peu  de  choae  pres,  i\  ceux  du  la  Villc;  ()j>era 
ou  concert,  la  cour  applaudissait  les  memes  ci  uvres  (jue  la  Itour^noisie 
de  Paris.  D  apres  les  nilations  du  temps,  Marie  Fei  ti;:ura  ä  la  cour 
dcpuis  ses  debuts,  surtuut  en  17oU,  1742,  174;^,  1711,  1715,  1746,  annee 
pendant  laquelle  eile  cn'e  le  principal  role  dans  Z/limhr  (le  17  fevrier] 
jouo  par  ordre  sur  le  theätre  de  la  grande  Ecurie,  et  dans  la  ZöUsha  de 
Jelyotte  (3  et  10  mars).  Dans  le  m^me  temps,  eile  fait  partie  de  la  troupe 
du  thdatre  des  «Petits  Appartements»  cr^  par  M"*  de  Pompadour. 

1  Voir  plus  loin  la  lettre  que  Voltaire  lui  adressa. 

2)  ürtgoir,  II,  p.  270. 

3)  ^^ercuTe  de  Franee,  arril  1763,  p.  208-906. 

4)  J.-J> Bouateatt,  Cot^estionSj  IX  (1757). 

5)  QHgoir,  II,  p.  306.        6)  Or^goir,  III,  p.  28. 


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J,-Ö.  Prod'homme,  Marie  Fei  (1713-1794]. 


495 


4  janvier  1749,  eile  chante  dans  Top^ra  de  Boland,  dies  la 
Danphine;  puis  le  3  mars,  chez  la  Berne,  dans  BdUro]^ion;  le  20  aTril, 
dans  MtfrUe  et  Zü£e  de  Boy  er;  le  14  jaiiTier  1751,  dans  OmphaU\  le 
18  octobre  1752  eUe  cr^  dans  le  Devin  du  Viüage  le  T6le  de  Colette; 
Jean* Jacques  Ini-mfime  la  oonduit  k  Fontainebleatt»  en  compagnie  de 
Grimm  et  deBaynal  dans  nne  Toiture  de  la  oour>].  Uannde  suivante, 
le  16  man,  chez  la  Daapbinei  en  pr^noe  de  la  Beine,  eile  ehante  Jr- 
mide  \  Zaide,  les  10  et  12  avril;  et  &  Fontainebleau,  en  octobre^  Pha9km, 
Daphnts  et  EgU  (29  octobre),  pastorale  en  im  acte  de  Bamean,  paroles 
de  Coll^. 

Pendant  une  dizaine  d^annecs,  :^oit  que  leGoncert  de  la  Beine  subisse 
nne  intemiption,  soit  que  la  chanteuae  ne  puisse  y  fignrer  pour  tonte 
antre  raison,  le  nom  de  Marie  Fei  ne  parait  plus  dans  les  comptes- 
rendus.  Les  demi^res  fois  oü  ceux-ci  signalent  sa  prdsrace,  c'est  en 
1763:  le  9  ferner  h  Marly*),  dans  le  role  d'Alcimadure;  et  le  28  no- 
vembre  1764,  dans  un  divertissement  ex^cute  devant  les  Enfants  de 
France,  ä  Trianon,  ä  rocciusion  d'une  coUation  qui  leur  y  fut  presentee, 
Marie  Fei  jouait  un  role  de  fee  dans  ce  divertissement  ofi  fij^nraient  :\ 
ses  cotes  Fr^ville  (an  soldat),  Ciairvail  (un  berger)  et  Kicher  (un 
paysanV 

Tf'ü"  fut,  RuccinrtoiTifnt  n'sum^e,  la  earrierc  artistique  d'une  dos  plus 
illustres  caiitatrices  ilc  TAt  adciiiic  royale  de  musique,  sous  le  r^^no  de 
f/ouis  XV.  ( li  est  lä,  ('taut  donne  l'epoque  oü  vorut  Marie  Fei  et  la 
profession  qu  elle  exerruit,  que  sa  biograpliie  pour  ainssi  diu-  apparente, 
la  seule  conmie  du  ])ublic.  Des  doenmonts,  üint  administratifs  que  juives, 
(pii  dateut  du  XVUl"  siecle  et  qui,  pur  les  voies  bien  diÜerente.s,  sont 
parveuus  jusqu'ä  nous,  vout  nous  renseiguer  quelque  peu  sur  sa  vie  intime. 


Ii  Etat  des  Aetriees  de  Vojtera  avee  leun  ages  et  demeures  et  les  noms 
de  teure  Entreteneurs  au  mois  de  Septembre  1752^  dreas^  par  Tinspecteur 
de  poUce  Meiinier,  d^ute  ainsi: 


IV. 


NomB 


ages 


Dameures 


Amanta  | 
-Et  greludionBi 


Matstiona 


Actrices  recitnntes 
M"»  De  Fei 


35  ans 


rue  8'  Thomas  du 
Lüuvre  a  cote  de 
lliotel  Longueville 


vit  Rver  M, 
de  Cahuzac 


IJ  Yoir  J.-J.  Rouateau,  Confcssi&ns,  VIU  (1752;. 
2)  Gr<goir,  II»  p  869. 


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496 


J.-G.  Prod'homme,  Marie  Fei  ^ITliJ-niH,. 


Et  dans  les  trois  gros  volumeB  de  nipports  dreas^  par  le  policier, 
que  posskle  aujourdliui  la  Biblioth^ue  de  rAraenal,  panni  le  ramaasis 
d'bistoires  scandaleuses  qui  r^jomsaaieiit  fort  le  crapuleux  Louu  XV, 
amus^  de  ces  aneodotes  od  iDulent  pdle-mele  les  noms  les  plus  aimori^ 
de  toute  TEurope  et  ceux  des  plus  illustres  courtisanes  comme  des  plus 
TÜes  prostitu^,  ~  une  seule  page  coneeme  la  D"*  Fei  actrice  reci- 
taute  a  Topera.  La  voici: 

M"*  Fei  La        Fei  actrice  recitante  a  V 

actrice  de  Topera     8^  Thomas  du  Louvre  a  eote  de  l*botel  de  Loogaeville. 

l^it'      Tlioin     I  i        Elle  est  petite,  brune,  agee  de  33.  h  34.  ans,  la 
Loimi  pfnn  noire,  generaleinent  laide  :  eile  n'en  veatrien  croire 

,  cependant,  eile  u  la  voix  belle. 

Oü  assure  qu'elle  va  se  luarier  avcc  M.  de  Cahuzac; 
ilfl  demeiurent  a  cöte  Tun  de  rautre,  et  fönt  ordinatre 
t'nsemble.  M.  de  Cahuzac  a  fuit  les  paroles  de  l'opera 
ik'  Niii«:  et  de  Zoroastie.  11  tnivaille  ord'  pour  INI. 
Käme  au.  C'est  uu  pttit  liomme  \ivun  portaut  per- 
ruque  a  peu  pres  le  meiue  age  que  la  D  "  Fei. 

eile  est  originaire  de  Bordeaux  a  chant^  au  Concert 
d^amiens 

Pas  autre  chose.  Et  üindis  (jue  d'autres  cfiUes  de  l'opera»  ont  tle 
voritables  dossiers  daus  les  rapports  du  polider  Meunier,  Äf»  Fei  li'y 
est  rappelee  que  par  cette  simple  mention.  Contrairement  ä  grand  nombre 
de  ses  contemporaius,  Marie  Fei  nons  .4] »  traft  comme  menant  une  vie 
relatarement  reguU^»  Gitons  cependant,  sous  toutes  räserres,  le  paasage 
suivant  qui  la  coneeme,  dans  les  Mdnoires  du  fameux  Casanoya  de 
Seingalt 

«En  sortaut  des  Tuileries,  t'crit  Casanova,  Patu  me  condubit  chez  uue 
fameuee  actrice  de  VOpera,  qoi  tte  nomnioit  M""  Le  Kel  (sicj,  bien-aimee  de 
tout  Paria  et  membre  de  TAcad^mie  royale  de  musique.  Elle  ayoit  trois 
etifans  charmans  eu  bas  age  qui  voltigeaient  daua  la  maiaon.  —  Je  lea  adore, 

me  dit-elle. 

« —  Iis  le  meritent  par  leur  beautc,  lui  repoudis-je,  quoique  chacuu  ait 
uue  expressiou  difi'ereuie. 

< —  Je  le  croia  bien!  L*ai&4  eat  du  duc  d^Annecy^);  le  aecond  eet  da 
comte  d^gmont,  et  1*  pluä  jeune  doit  le  jour  k  Maiaonrouge  qui  vient 
d'^ouaer  la  Bomainviile^j. 

1   Bibliüth.  der  Arsenal.    Papins  dr  la  IkiatiUe.    Ms.  102H7,  ff.  239  et  240. 

2;  Le  doiuaine  d^Annecy  apparteuait  au\  duc3  de  Savoie,  rois  de  Sardaigne. 

3;  Botiiset,  dite  de  Romainville,  actrice  de  TOpera,  du  Concert  «piritael 
et  de  cclui  de  la  ReitM.  Mamon  de  Maisonrougc,  dont  Ic  manage  avec  la  Romain- 
ville fit  scaiulale  en  son  temps.  etait  fils  <run  richo  f'eritiier  g(5iuM-al  et  reeeveur  genöral 
dos  finnnf'C^  rie  In  «r'^n- ralitO  d'Amien.s  tle  1735  fi  1757.  II  avait  pcnln  sa  femm»'  (^n 
decembre  1751.  11  «etait  depuis  luiigtcmps  separe  d'ellc,  dit  un  conteiupui'ain,  et  en 
proc&B  pour  söparatioD.  II  a  toigours  entretenu  des  filles  et  eu  demier  lieu  made- 


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J.-G.  Prod^hoinme,  Mari»  Fei  (1718-1794;. 


497 


«Ah!  excuäez,  de  gräc«;  je  croyois  «jue  vous  etiea  la  mere  de  toua  lea 
troia. 

«VouB  ne  vons  Hob  pas  trompe,  je  la  suib. 

«En  disant  cela,  eUe  regdudB  Patu,  et  pari  avec  lul  d*un  ^lat  de  rire 

qui  iie  me  fit  point  roupfir,  mntH  qui  m'avertit  de  ihm  Leviic. 

«.T'etois  nouveau  et  je  n'avois  pas  ete  uccoutume  ä  voir  les  lenaues  eiiipu  tiT 
8ur  le  privilege  des  horames.  M"'*  Le  Fei  «'etoit  pourtani  pub  ctirontt'e, 
eUe  dtoit  meme  do  bonne  compagiuc;  mau  eile  dtoit  ce  quVu  appolle  au- 
defsuB  des  pröjitgte.  Si  j'ayois  mieux  eonnu  lea  moeurs  du  iemps,  j^aurois 
SU  qae  ces  choses  ätoient  dnns  Tordre  et  qae  lea  grands  seigneurs  qui  par« 
semoient  ainsi  leur  prog^nitim*  laissoient  leurft  enfans  entre  les  mainn  dp  lenrs 
innres  en  leur  payaut  de  fortes  peusions.  Par  oous^queut,  plus  ces  dames 
camuloient,  plus  elles  vivoient  dans  Taisance*). » 

Un  autir  aiiteur  fl'ouvra^os  h  scandale,  Chevrier,  dont  *le  Colpoi- 
triir'  i)arut  vers  le  debut  de  i'annef  1762,  sc  faisnit  do  son  cute  IVcho 
de  biuits  malveilliints  concernant  Tillustre  ^-antatricc.  ün  en  jugera  par 
bout  de  dialo^Mio  suivant,  qui  donnera  egalement  une  idet?  du  ton  de 
cette  «iiistoire  murale»: 

«.  .  .  .  Yotis  pnnvpz  avoir  raison  u  qn^lque  cbosp  jir^s.  rbt  In  M;ir<jiiisc. 
luaiä)  cunvt^uez  cependaut  que  le  destiu  de  ces  Fille*»,  dont  vous  nous  croyez 
Jalouses,  est  de  mourir  dana  Topprobre.  Je  d«nande  pardon  h  Madame»  ei 
je  rintenrompe,  repartit  le  ColporteuT)  maiB  je  aais  de  son  avis.  Voyea  la 
Cartont  qui  s'est  retir^e  Doyenne  des  choeurs  de  TOpera;  .  .  .  Voyez  la 
Fei  qui  a  fait  de  no«  jotir«?  la  gloire  d<»  l'Ac.ub'inif  Tvirvab-  de  Mu!*ique, 
et  dont  bs  accents  enchanteurs  Tont  dispute  lüiig-teui«  a  bi  melodie  du 
Rossignol.  Elle  crut  autrefois  honorcr  uu  Souverain  en  le  recevaut  entre 
aea  braa;  eile  rendit  foa  le  tondre  Gahuzao^)  qui  vient  de  monrir  dans  les 
loges  de  Charenton,  &,  cette  prteieuBe  est  aiijourd^bui  röduite  k  qußter  un 
regard,  ou  ä  deshonorer  son  goüt  .  .  .»>J. 

Qae  faut-il  retenir  de  ces  racontars?  A  quel  souTerain  Cliemer 
fait^il  allueion?  II  paratt  assez  diffidle  de  le  aavoir.  Qoant  ä  Thistoire 
de  Cahuaac,  eile  est  bien  connue.  rers  le  commencement  du  sitele, 
d'une  famille  noble  de  Montauban,  Louis  de  Gahusac  avait  ^t^  sdcretaire 
des  commandements  du  comie  de  Oleimont;  il  ^crivit  diverses  trag^ies» 
le  roman  de  Origrif  une  histoire  de  la  Danse  aneienne  et  moderne  et 

moiselle  Kotisset  de  KomainviUe,  actrice  de  POpera,  qui  u't'st  ni  trop  jeuue  ni  trop 
joHe,  et  cjui  a  toujours  ii6  d^un  libertinai^o  public»  Agi  de  cinquante  ei  un  an, 
MaisMtrouge  le  remaria  le  3  förner  1762.  II  fui  de  nonveaa  veuf  an  tnoit  de  mai 

Buivant.  V.  Barbier,  Journal  /lintorique  d  onfedotujur  ilu  rif/nc  >k  L.  XV,  III, 
p.  3(»(J-.%7:  frvrier  IT  "    Cf.  La  T?!<rarrurp.  tom«»'.  IV.  ]>.  105.  IX,  p.  10  et  XT,  j.  !?rj.) 

1;  Casanova,  Mtmuireg,  D'aprös  Campardon,  VAcaä.  royaU  de  Miinique,  1, 
p.  306-307. 

2)  «PoSte  lyrique,  jouissant  de  8000  livrea  de  rente,  mort  de  chagrin  de  n*avoir 

pn  6pouser  la  Fei.»     Note  de  Cbevrier.) 

;{  Cbevrier.  !•  Ct^portrur  lUstnirr  mnmle  ri  rri'fiqtte  par  M.  de  CbeTrier.  A 
Londres),  cbez  Jean  Nuur»e.   L  au  de  la  Veiite,  p.  96-97. 


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498 


J.-G.  Prod'humme,  Marie  Fei  (1713-1794}. 


la  plupart  des  po^mes  d*opte  de  Ramean:  les  FlSks  de  Pdifmnie^  Zaüf^ 
Nai's,  Zoroaskre  et  U»  Anumm  de  Temp^;  il  collabora  en  outre  k  •VEtk- 
cydopddie».  Grimm  qni  Im  dispnta  le  ooeur  de  la  cantabicei  aonon^ 
ainsi  sa  moii,  anrvenue  le  22  juin  1759  &  Tasile  d*ali^n^  de  C^arenton: 

«Nous  veiious  de  pfidic  uu  autrc  poete.  Louis  de  Cahusac  est  niort 
fou  eur&g6.  Cet  hoinme  avait  peu  de  talent  et  beaucoup  de  pretention.  Son 
caract^re  l*a  randu  odienx  et  malheureuz  tonte  ta  Tie.  II  a  fait  plusieura 
Optras  que  la  mntique  de  Barne  au  a  fait  r^uesir  en  Fiaaoei).» 

«On  peilt  le  placer  entre  (^uiuault  et  Lamotte»  ajoutent  les  «Auec- 
dotes  draiiiutiqucs»^). 

Vers  r^poque  de  la  premifere  repr^sentation  du  Denn  du  ViUage,, 
J.-J.  Rousseau  raconte  dans  ses  Confessions  comment  Grimm  lui 
«^chappa  tout-i\-fait».    Ce  fut  ä.  la  svite  de  son  aventure  avec  Fei. 

«Grimm,  dit-il,  apr^s  avoir  vu  qnelqup  temps  d<>  bonne  amiti^  madt— 
moiselle  Fei,  b  avisa  tout  d  ud  coup  d  en  dcvi  iiir  eperdumeut  amoureux,  et 
de  Touloir  supplanter  Cahniae«  La  belle,  se  piquant  de  conttancei  Aconduisit 
ee  noureau  pr^tendant  Celni-ei  prit  raffaire  an  tragique,  et  a^avisa  dVn 
▼onloir  mourir.  H  tomba  tout  subitement  dans  la  plus  ^trauge  maladie  doni 
jamais  peut-<*tre  en  nit  miY  parier.  II  passoit  leB  jours  vi  les  nnits  dans 
uno  contiiiUL'lk'  l6tliaigif,  Its  youx  biou  ouverts,  le  pouln  Viitu  battunt,  mais 
saiiä  parier,  i>uns  mangei:,  buus  bouger,  paraissnut  quelqueiois  eiiteudrc,  mais 
ne  r^pondant  jamais,  pas  mim»  par  signe,  et  du  reete  sans  «gttationf  «ans 
doulenr,  ians  fi^vre,  et  restant  lä  comme  s  ü  eut  et^  mort.  L*abbä  Baynal 
et  moi  nous  pai-tageumes  sa  gardo;  Tabbi',  pbis  tobuste  et  mieux  portrmt,  y 
passoit  les  nuits,  moi,  les  jours,  saus  le  quitt*^r,  jamais  ensemble;  et  Tun  ne 
partoit  que  l'autre  ue  füt  arrivö.  Le  comte  de  Fritise,  alarme,  iui  ameiia 
Senac,  qui,  aprda  Vmiir  bien  examin^,  dit  qne  ee  ne  seroit  rien,  et  n*oi> 
donna  rien.  Mon  efiroi  ponr  mon  amt  me  fit  obaervor  avec  soin  la  oon- 
teiuuic  du  medecin,  et  je  le  vis  sourire  eu  sortaot.  Cepeudant  le  malade 
resttt  plusieurs  jours  immobile,  sans  preiidre  iii  bouillon,  ni  quoi  qnp  ce  fut, 
que  des  cerises  coufites  que  je  lui  mettois  de  temps  en  temps  sur  lu  iaugue, 
et  qu'il  ayaloit  bien.  Uu  beau  matiu  U  se  leva,  sliabilla,  et  reprit  sou  traiu 
de  vie  ^rdinaire,  aana  que  jamaia  ü  m'ait  reparl^,  ni,  qne  je  säcbe  ä  I*abb4 
Raynalf  ni  ä  peraonne,  de  cette  ainguliere  l^argie,  ni  dea  aoina  qne  nona 
Int  avioiis  rendus  tandis  qu'elle  avoit  dtirö. 

«Cette  aventnre  ne  laissa  pas  de  faire  du  ]iruit;  et  c  t  üt  viv  rrt^llement 
une  anecdute  iiierveiileuse  que  la  cruautc*  d'une  lille  d  Op^ra  eüt  fait  mourir 
nn  homme  de  d^aespoir.  Cette  bdle  paaaion  mit  Orimm  &lamod«;  bient6t 
il  paasa  ]Knir  un  prodigo  d*amonr,  d'amitie,  d^attachement  de  toutc  espi>ce. 
Cette  opinion  le  fit  rechercber  et  fetrr  ibms  le  grand  monde,  et  par  la  l'^loigna 
de  moi,  qui  u'avois  jamais  ^t6  pour  lui  qu'un  pis  aller.  .  .>.^) 

Ainsi  se  termina,  au  dirc  dn  philosophe,  la  passion  malheureose  de 

1  (rrimin,  (^nrrrvp,  liff.'r.  TV,  p.  IGl.  decombrc  1759. 

2  Anccdotrs  dramalinucs  ilhK.»8-1811 ;.  II,  p.  153. 

3.  J.-J.  Rousseau,  Confessions^  L.  VlJl  ,1750-1702. 


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Grimm  poQr  la  eaatatrioe,  dont  TaniBiit  put  tont  k  «m  aise  dmnir  fou 
de  n'avüir  rdossi  ä  T^pouser. 

Cest  Teis  la  m^e  ^poque,  oü  Marie  Fei  brillait  de  tout  son  ^dat 
h  rOp^ra  et  au  concert,  entre  1760  et  1760,  qu*il  est  plausible  d*indiqaer 
lee  d^uts  de  sa  liaison  arec  Qu  entin  de  la  Tour,  liaison  qui  ne  de- 
vait  prendre  fin  qn'aTec  la  vie  du  peintre.  Le  «Mercure  de  France» 
indique  le  fameux  portrait  de  Tactrice  comme  figurant  au  Salon  de  1757.^) 
Pendant  one  trentaine  d'ann^ee,  k  Paris  d'abord,  pitig  lorsque  le  peintre 
retouma  dans  sa  ville  natale  ponr  y  mourir,  ils  ne  cess^rent,  les  doctt- 
ments  le  prouvent,  de  se  t^moigner  la  plus  vive  affection.  L'actrice,  apids 
avoir  qnitt^  l'Opera,  cTecnt  dans  une  socidt^  d'amis,  dont  eile  se  fit  estimer 
et  ch^rir»  disent  les  «Annales  dramatiqnes». ')  On  aime  h  se  la  repr^ 
senter  ainsi,  seit  k  Paris  oü  eile  dcmeurait  nie  des  Filles-du-Calvaire,  apr^s 
avoir  quitt^  la  nio  St.  Thomas,  soit  ä  Chaillot  od  eile  mouruti  ir^oen- 
tant  les  artistes  et  les  litterateurs  contemporains. 

Pinsieurs  ^tes,  eile  rrad  visite  Yoltairo  aux  Dt-licts;  tf^moin  cpr 
quatre  oxtraits  de  la  corrospondance  du  viciix  ])hilusoplio,  le  premier 
tire  d'une  lettre  m  Thicriot,  l'un  des  plus  anciens  amis  de  Voltaire,  l'autre 
au  comte  d'Argeutal;  leg  deux  autres  sout  des  lettres  adresseee  k  M'^^Fel 
meine: 

*Aux  Di^licps  le  11  juin  (1759) 
«Mon  uiicieiiiie  amie,  M  '*^  Ftil  est  chaz  luui  iivuc  aoii  liere,  qui  est  plua 

vieux  que  vous,  qui  a  fait  le  voyage  gaiemeni,  et  qui  cfaante  encore.  Quand 
Tons  Toadrez  venir  nous  Toir  Bans  chanter^  vons  ne  terea  pas  ü  bien  nqn 
que  chez  les  Monttnorency ;  mnls 

.  .  .  0v«8  ad  flomina  paacit  Adonis».^] 

«Aux  Deliees,  15  juin  (1759). 
^^fiie  hetM  adoueir  mes  mauz  par  son  joli  gosier,  la  tete  va  me 

toiu'ner»  *  . 

De  retour  ü,  Paris,  la  cantatrice  recevait  du  patriarche  de  Femey 
la  jolie  lettre  que  voici: 

«Aux  Deliees,  7  aoüt  (1759). 
«Tres-ainiable  rossiiiriiol,  l'oucle  et  la  ni^ce.  nx\  plntöt  la  nieoe  et  l'oncle 
avaieut  besoin  de  votre  soaveoir.  Les  geus  qui  n  uut  qu«*  des  oreilles  vous 
admirent;  cenz  qui  avec  des  oreilles ,  ont  dn  sentiment,  youa  aiment.  Noua 
notts  flattoQB  d*aToir  de  tout  cela.  Et  sachea,  malgrö  toute  Totre  modesÜe, 
que  TOus  etcs  auBsi  s^dulsante  quand  youb  parlez  que  quand  voüb  chantez. 
La  soci»''t<»  p=f  1p  preniior  des  concerts,  et  vous  y  fait*»«  la  premiere  partie. 
Kous  savous  bicn  que  nuus  uc  jouiruns  plus  de  votre  couuueroe,  dont  uons 


1;  ^hrrurf  ih-  Frnnrf.  1757,  lut.  II.  )f.  h\l  —  1B.'5. 

2j  Attimles  dramatiqucs  uti  Dktionnatre  gintral  des  TlUdtrcs  19  vol.,  Ib09-1811), 
IV,  p.  74,  MU«  Fol. 

3}  QSu9re8  de  Vdiah^  ^t.  Beuoliot  XL,  p.  laa        4:  /d.  ibid^  183. 
8. d.i. II.  ir.  33 


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6ÜÜ 


J.-G.  Frodkomm«,  Marie  fei  (1713-1794). 


«▼ons  senti  toat  le  prix;  le«  hftbi^nts  des  bordi  de  notre  lac  ue  sont  pas 
faits  pour  £tre  mtuti  henreux  que  oeax  des  bords  de  la  Seine.  Yoici  ee  qne 
notre  petii  eoin  des  Ajpea  dit  de  Tone: 

Da  rossignol  pourquoi  porter  le  nom? 

II  est  bien  vrai  qu'ils  ont  ^te  mes  maltree^ 

Muis  tons  le««  ans  daii»  la  belle  saison. 

L'amour  lüs  guido  eu  mea  r^duits  champetrc». 

Elle  n  a  pas  tant  de  fid^HM; 

Elle  nooe  fnil,  peut-etre  nons  oablie. 

G'est  le  ph^nix  k  jamais  regrett^, 

On  ne  le  voit  qu'noe  fois  dana  la  vie. 

<C*e8t  ainsi  qH*0ll  tous  iaraite,  mademoiselle;  et,  quand  vous  roviendriez, 
VOU8  n'y  tfnfifneriez  rien:  on  vous  traiterait  soulemptit  de  ph<'niX  qu'on 
aurait  vu  deux  i'oin.  Pour  moi,  quelqu«  forte  eiivie  que  j  aie  de  venir  vouä 
rendre  mes  hommages,  il  n'y  a  pas  d'apparence  que  j^aille  ä  Paris.  Le  rüle 
d*an  honune  de  lettree  y  est  trop  ridicnlei  et  celni  de  jfdiilosopbe  trop  dan- 
gereux«  Je  mW  tiens  k  achever  mon  ch&tean,  et  ne  TeQX  plna  bitir  en 
Eqpagne. 

«Vraiment,  vous  taites  it  merveille  (io  iiu-  iiarkr  de  M.  de  La  Borde 
Je  saiü  que  c  est  uu  homme  d  uu  vrui  uieritt*,  et  iiecessaire  ä  TEtat.  Soito 
po€hiuimi  %  signori  de  cette  espdce. 

«AdieUy  mademoiselle;  recevez  sans  cörömonie  les  assurancea  de  Tattache* 
ment  trto-v^ritable  de  Tonde  ei  de  la  niftoe.  Hoa  oouplimenti  k  M.  votre 
fr6re»). 

Et  deux  ans  pliiB  tard,  apr^s  un  nouvcau  s^jour  ehez  Yoltaire,  non 
plus  aux  D^lices  cette  fois,  luaia  k  Ferney,  la  lettre  suivante  montre  en 
quelle  estime  lediteor  des  «Cknimentaim  8ur  Corneille»  tenait  rancieime 
actrice  de  TOp^ra: 

cAu  ohAteau  de  Femey,  par  Gen^ve,  29  juillet  (1761). 

«II  me  semble,  mademoisellef  que  je  toiib  dots  des  remeroiements,  toutos 
les  annees,  d'avoir  bieu  voulti  venir  datis  inn  petite  retraite:  inaiü  il  faut 
que  je  vous  remercie  d'tnie  autre  sorte  de  plaifiir  que  vous  m^avez  fait|  et 
que  vous  ue  aavez  peut-etre  pas. 

«Vooa  me  ditea  anx  D^lioes  qu'il  y  avait  k  Paris  nn  homme  plein  d'eaprit 
et  de  g^n^rositä,  dont  le  plua  grand  plaiair  dtait  celni  d^obliger,  et  qne  c'dtait 
M.  de  TiH  Borde.  Je  m'en  suis  souvenu  quand  il  a  ete  question  d^imprimer 
uu  Corneille  avec  des  commentaires,  et  d  en  faire  uue  editioii  majjnifique, 
au  profit  de  la  famille  iofortuuee  de  ce  graud  homme.  J  ai  repete  mot  pour 
mot  ä  M.  de  La  Borde,  tr^s^indiscretemeut,  tout  ce  que  vous  m^aviez  dit  de 
lui.  Je  Toua  aaaure  qu*il  n*a  paa  dömenti  voa  ^loges:  il  favorise  celte  entre- 
prise  nvee  tout  le  a^le  d'uu  excellent  oitoyen,  et  il  n/a  ^crit  nne  lettre  qui 
fait  bien  volr  (ju'il  n  autant  (r<>sp!it  <\ni'  de  iinlilusse  d'Ame.  Je  suis  si 
peuetre   de  tout  ee  iju  il  dai;.'ne  faiv  <\\ir  j<-  )\r  puis  mVu  taire  avec  voti««. 

«Vous  ([ui  avcz  des  talouts  si  supuneui-s,  madeuioiselle,  vous  sentez  bieu 
mieux  que  personne  combien  il  aera  beau  k  notre  nation  de  prot^ger  lea  talenta 

1;  De  La  Borde  Benjamin  ,  le  celfebre  banquier. 
2)  (Eurreit  de  Voltaire ^  XLI,  p.  377. 


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J.-G.  Pröd'hommtt,  Marie  Fei  (1718-1794;. 


m 


du  ^'^raiul  Corneille  cent  ans  npri-H  8u  mort,  et  vous  devez  etre  llattee  f]ue 
ce  soit  votre  ami  M.  de  La  Borde,  i^ui  ait  fait  leg  premi^res  demarches.  Par- 
donnez  done  ii  mon  enChousiume,  et  comptes  qne  nons  en  avoiu  tonjoun 
beaucoup  poor  vom -an  pied  des  Alpes,  Madame  Denis  et  moi. 

«iteceveB,  aveo  Totre  bonU  ordinaire,  les  sentiments  respeetueux  du  vieux 

Voltaire.  1) 

Betir^  de  l*0p4ra  »vec  1500"  de  pension  en  1769;  de  la  mitsiqiie 
du  roi,  c*e8t-ä-dire  de  la  conr,  avec  une  gratlficatioii  annuelle  de  1000 

^as,  ou  3000  livres,  «aans  ietenue>  sur  Tetat  des  menus  plaisirs,  en  176^ 
-Marie  Fei  jouusait  en  outre,  depuis  le  27  man  1778,  de  2000  livree 
d*appo]ntement8  qni  lui  avaient  6i6  conserr^  snr  les  fonds  ordinaires 
des  meraes  menns  plaisirs  «sans  rctenue,  h  titrn  de  retraite,  enqnalitöde 
musicienne  oidinaiFe  de  la  Ohambre  du  Koi»  .^)  Un  brevet  d'une  pension 
de  5000  liyres,  accoid^  par  le  roi,  le  1*'  mai  1780,  änumöre  ces  diff^ 
rents  titres. 

A  peine  en  poesesnon  de  ses  2000  livres  de  retraite,  en  1778,  M^** 

Fei  acquit,  poiir  vie  durant,  la  jonissance  d*iine  malRon  sise-  daas  le 
village  de  Chaillot,  alors  hors  Paris;  cette  maison  consistait  en  un  jardin 
en  terrasse,  un  corps  de  batiment  de  deiix  etagcs  surmont^s  de  mansar- 
des.  Le  4  inai,  eile  devint  acqu^reur  de  cette  propriet^  du  consciller 
d'Etat  Augustin  Henry  Cochin,  moyennant  In  sonime  de  9325  livrea, 
qu'  lle  soldait  dix  jours  plus  tard,  en  presence  des  notaires  Belurgey  et 
Deberain.^/ 

Quentin  La  Tour  vrciit  aussi  ä  Chaillot  k  ])artir  <lu  niois  (ravril  ou  de 
mai  1784,  dans  le  voisiiiage  de  Celle  qu'il  appelait  plus  tard  «sa  (L  ieste*; 
il  y  resta  d'ailleurs  peu  de  temps;  car,  le  20  juin  de  la  meuie  annee  on 
etait  obligä  de  le  ramener  ä  tiaint- Quentin  dans  un  ^tat  Toisin  de  la 
f  olie.  4) 

Dans  une  petite  publication  faite  par  nn  fei  vent  biographe  de  La  Tour, 
M.  Cb.  Desmaze,  il  y  a  un  charmant  billet  qui  rappelle  le  Souvenir 
du  s^jour  ä  Chaillot  de  Marie  Fei  et  de  (Quentin  La  Tour. 

«Je  mt'  «Iii  mise,  mon  tn^'s  eher  voisin,  dans  h's  (lrt;iils  de  notre  dinn^, 
jusqu'au  coü  tjt  pour  que  vous  öuchies  ce  qu'il  en  cuüte  de  duuncr  n  manfjor 
aujourd'huy,  je  vous  envoye  lu  feuiUe,  qui  ue  ressenible  nuUemeut  ü  celle 
des  bdn^ces,  yoxu  n*y  trouTeres  pas  de  tIhi  de  liqueur,  attendu,  (]ue  nous 
faisons  cette  depense  <>n  conmn.  Yous  sores  aetuellement  o6  peuvent  aller 
vos  dinners,  car  j'ai  mis  l'attention  la  jiliir«  Prrtipuleuse  a  tout  voir,  et  tont 
Sfavoir.    Je  puis  vous  aaaurer,  mon  tres  eher  voisin,  que  je  u'en  ferois  pas 


1)  (hi'n  rs  de  Vullalrc,  XLI,  p.  377. 

2)  Vuir  plus  loin,  Appendioe  H,  \m  piäces  oiBoieUea  tir^ea  dm  Arehives  nationales. 

3)  Voir  plus  loin,  Appendiee  m,  Piieei  tträei  des  Archives  d^partemen" 
tales  de  la  Seine. 

4}  n  tnoorut  le  17  fövrier  17ä&  II  ^tait      k  Saint-Qaenün  le  ö  septembre  1701. 


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tnut  pour  maj.    Je  TOttfl  Mraha^  le  faoa  jour,  et  ntm  embnune  du  fond 
de  inon  coeur.  «FeL 
«A  Oiaillot,  ce  jeudL 

«J'ai  pris  de  mAiie,  ee  mcliii,  pour  nw  d^Uvxer  de  mes  iBakrnmnm^ 
je  me  toouve  ndeiix.»^) 

Cesi  la  seule  lettre  coimue  adress^  per  Fei  h  8on  ami.  Mais 
nne  ftm  oehn-d  TeTenu  k  Saant-Qoentm  oü  mm  irtoe^  le  dkevalier  de  la 
Teor,  ancien  otficMr  de  gendamierie  vedlait  &  sa  saiit^  levtement  cooa- 
promiBe,  Taetriee  ne  oeseait  de  demand^  de  ees  noitvelles  et  les  lettra 
eamotes,  publik  ägalement  per  IL  Desmase,  aont  «m  preave  de  aa 
eoUieilode  persistante.  La  pfemi^re,  que  l'dditeiir  da  «BeUqnain»  date 
uijproxiniatiTeniait  de  1780-81,  peut  dtre  leport^  a«  momB  qiatra  ana  plus 
tMnl;  les  deux  autree  eont  dat^  al&n  qae  la  suifanle,  adneite  iL  an 
juge  oonsul  de  Saint-Queatin,  Cambroane-Huet,  qui  avait  4lt6  an  ami 
de  La  Tour,  jusqu'ä  sa  mort. 

Le  peintre  andt  I6ga6  per  son  testament,  en  dato  du  9  f^viier  1784: 

«A  M"*  Fei,  tou8  les  meubles,  g^aces,  siögos,  tablesux,  etc.  qui  so^t  dans 
mon  appartementf  le  gnnd  t^leeoope  exoeptö,  leBquels  effst»  eeront,  upeim  moh 
dtete,  an  eoMiB  Dorisoa  on  apparttendroBt  ä  eee  eafanti,  a^il  n^esiito  plui.» 

Un  Douveau  codloille,  du  80  Wvrier,  ajoutait: 

r 

«A  M"*  Fei,  tont  ce  que  j  «i  ä  Ciiaillot  (niou  grand  telescope  except^ 
devant  »tre  tire  au  sortj,  le  piauo-forte,  les  glaces,  les  meubles  et  ceux  de 
domestiquee.  Tont  sera  reversible  aprik  tea  d^cte  au  coiuin  Boraoa  <ni  Ii 
sa  fttmüle,  aimi  que  rafgeuterie  qui  s*j  trouTe,  qui  connate  actaeUement  en 
quatre  petita  plats  «t  une  donaaine  de  euillAieB  et  feurclietkea,  le  tout  en 
axigei&t.»') 

Ainsi,  la  lettre  du  5  jauvier  1785,  la  seule  oü  il  ue  soit  pos  qaestifin 
de  Quentin  tant  qu'fl  y^cut  et  dans  laquelle  M***  Fei  remercte  le  Chevalier 
de  lui  laisser  la  jouissance  des  meubles  de  sou  f  me  eemblerait,  eile  aussi 
de  TOir  etre  recul^  de  quatre  aas. 

«J'ai  etö  fort  aisc,  Mousieur  le  cliuvalier,  (1  appreudre  que  vous  avez 
travera^  les  forSts  sans  accident,  ainsi  que  la  rteeption  que  tous  a  latt  le 
paoTTe  voisin,  il  n*a  rien  de  foft  dans  le  proc^d^.    Je  suis  rndme  tentte  de 

i-irjiif  ipie  nof^re  absence  l  a  jetie  d&r\a  des  reflcxions,  quH  a  eu  le  temps 

de  (liirt'rer,  et  quf  voyfint  dans  uotre  depeiidance  il  atirn  *>enti  qu'il  auroit 
1h  plub  LH-and  iiitereht  u  noun  uifiiager.  Quand  :i  la  pi  iit.'  dirtte  (ju  il  a  voulu 
l'uire,  ne  le  coutraigues  pas,  je  luy  coimoiH  des  Labitudes  nur  cölu,  luio^u  il 
•entoit  flon  esiomae  trop  oocu]>f,  il  «toit  quelques  fois  2,  ou  3  jours  sans 
•  manger. 

1)  Ch.  Dcsmazc,       Jidiquaire  de  Maurice  QtteiUin  de  La  Tintr,  peintre  du  lioi 
l^ouis  XK,  m  eom-gpandanee  ei  «es  mmv^  (PariB.  Leroux,  1874],  j).  46-47,  XTIT'. 

2)  On  le  smnommait  pour  cette  raison  cle  Qendarme». 

3  M.  Tourneu X,  La  Tour  ehe»  ses  nofaires  (cGacette  des Be»mc-Arts»|  ISBS,  t.  98, 

p.  82-83;. 


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«A(Jieii,  Monsieur  le  chievaltpr.  je  me  aui  aqiiittöe  de  tous  voa  complimens, 
iaittes  iee  mieiis  a  M.  Tabbä  Duiitige  ^j,  ei  aax  aiuis  (^ui  veulent  bieu  se  Sou- 
venir 4e  uNf  ,  leoevea  aeac  eM««u»aiee  Vtamunm  äm  Mutimams  que  je  vout 
»y  Touto  «Fei».*) 

Paris,  cf  5  janvier  1785. 

<J  ai  recü  eu  iucluse,  Mouaieur  le  chevalier,  T^tat  den  meables  doat  votro 
honetteM  me  lause  la  jouissMice  ma  Tie  dturant.  Je  suis  tres  tonch^e  de 
Donvelles  offres  que  voua  me  faittes,  mais  cn>yeS|  Monaieur  le  chevalier,  que 
je  Tie  mo  suis  ftttendiie  a  aucnnc  marque  de  reconnoissnnco  de  vutre  pari, 
D*ayaut  ecout^  ({ue  ina  coiiseieuce,  qui  est  mon  guide  urdinaire  dans  toutes 
les  actions  de  ma  vis.  (^uaut  k  l'appaxtememt  que  j'occupe  ä  Paris,  qui  me 
eoBTtent  pv  la  pvozimitA  de  mee  amis,  mais  qui  est  ü  triste,  qae  ei  la 
Partie  qae  je  ne  ooimeia  {ms  Test  moins,  je  poarrai  peafr4tare  loAer  le  tout 
pear  me  sauver  des  ho&m  de  (^haillot  penduil  l'biver.  Quaad  toqs  seres  h 
Paris,  ie  me  d^cideray.  M.  Dorizon  a  du  von«  mander,  que  d'spro»  Tovis 
qu  a  douue  M.  Paquter.  pour  les  daugera,  et  le  dumage  que  la  i'umee  pourruit 
causer  aux  pasteles  de  M.  de  La  Tour,  il  eak  insiaBt  que  veas  vflmiee  faire 
fwnur  Im  ^cartonena  du  mmr,  an^y,  ja  eooqile  qae  eel  afloideai  tous  delc»" 
minera  a  rendre  pOMfible  votre  petit  voyage. 

•  Rrccves  les  assttranc««  de  sonbaits  bie?i   ^«insfrcs  qti©  je  fai«^  pour  TOlia 
daus  tous  le8  tenis,  et  du  devouement  avec  iequel  je  suis,  pour  la  vie, 
«Moueiieur  le  cbevalier, 

«Totre  trotfa  fanble,  ei  fcree  obeissaiiie 
aerranta, 

«Fei 

«Tou»  no8  ninis  nie  chargent  de  Tflsiix  ei  de  com|4imeiis  pour  tous,  faittes 
passer  les  miens  oü  voua  etes.»  '] 

«Je  TOOS  vmd  graces,  Mcuieieiir  le  chevalier,  det  VCeilX  obUgeans  que  vom 

forme/  pour  moy,  et  de  leur  8iiic<'erite,  dont  je  ne  saurais  doutter  d'aprfes  la 
GOunoiäHuuce  qu<j  j  ui  da  votre  caraciere:  je  me  flate  aussy  que  voua  etes 
bien  persuad6  que  personxie  ne  desire  plus  que  moy  de  vous  savoir  beureux, 
et  tranquille. 

«Je  suis  charmee  que  la  sante  de  votre  pauvre  friere  se  continae;  il  ne 
faut  pa*!  ?'etoniior  si  los  forces  diniinuent  i\  son  ät,'e:  le  temps  met  a  tout 
des  proportions,  il  taut  compter  sur  cela.  Je  croi-^  ]>')iirtaiit  qii'tl  perait  a 
propuä  de  luy  persuader  que  la  Celeste  trouve  muuvuid  qu  il  boive  de  sou 
wrine,  ei  qu'U  s'obstine  de  deux  joura  saue  manger.  Qnand  aux  bfo^dictiona, 
je  les  erois  autsi  indifferentes  qae  celle»  du  pnpe,  aassy,  vooa  pouvea  le  laiaser 
faire.  Te  que  vous  mo  mandes  de  M.  Bibert  inspectenr  des  manufacturos, 
me  proüve  qne  ma  rejionso  a  crnifse  votre  lettre,  II  m'ecrit  la  lettre  du  monde 
la  plus  honneio,  et  j  ai  eu  I  houneur  de  lui  repondre  de  la  fa^on  la  plus 
deiaillöe  que  j'avais  chantä  au  concert  d' Amiens  da  temps  que  M.  de  C9iaa-' 


1^  L'ablie  Daliege  fut  rexdculem"  tcstaincntaire  du  cbevalier  de  Jj»  Tour 

2;  Gh.  Desmaze,  Le  Heliq.  de  Im  Tour,  p.  4ii-4y,  XXiV.   Je  »eraia  davis  da 

lire  «notrs  abaence»  (de  Baint-Qnentin),  «uons»  et  «uotie»  aa  liea  de  «nebe»,  «neos» 

et  €notre>  comme  a  fett  Ch.  Desmm. 

8)  Cai.  Desmase,  Le  Retiq,  de  La  7o«r,  p.  49—61,  XXVL 


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^  J.-a.  Frodhomme,  Maiie  fei  U^l^-l'^J- 

yiUü  an  4toit  intandut'):  ion  Monsiaar  la  diavaliar  il  a  gagnA  la  diqfovtbn, 
at  j'an^  soii  bian  aiaa;  faites  Ivy  atea  complimena,  et  je  vona  piia  tons  d^ire 
a  na  «mt£.  Yoiib  conn  aissei  mes  sentimens,  cotuma  ja  &*ai  paa  anTis  d'«a 
changer  je  suis  sann  ccn  nionie 

«Monsieur  le  cheTalier^ 

«Votrc  tres  huuible  et  treis  ub^issante 
«PariS|  le  6  janviar  1788.  serraote 

«Fel.>  *) 

Lettre  de  M"*  Fei  k  M.  Cambronue-Üuet, 
Juge-Consul 
k  Samt-Qaeatüi,  en  Picardie. 

«CTbdUot,  ce  8  jiullet  1789. 

«Les  pr^cautions,  Monsieur,  que  vous  faites  prendre  ä  M.  le  chevalier  de 
La  Tour,  s'accordent  tout  affft  nvoc  mn  facon  de  pen9er.  Dans  la  crise 
oü  il  se  trouve,  an  ne  sauroit  veiller  du  trop  ))reä  les  sconveniens,  et  trancbe 
ment,  ü  est  tems  que  le  paavre  chevalier  ite  mette  en  repos. 

<Je  recevrai  Mtil^r  avac  plaiair  pour  man  domestiqae,  d'aatant  plus  qae 
j^ttois  d^idiM  I  renvoyer  le  mieu,  qtu,  eomme  je  Tavoia  prerü,  t'eat  cr6  nn 
peniominpr',  ih  piiis  rju'il  a  eu  I  honiieur  d'eu  imposcr  h  nn  foti.  Je  vais 
arretier  ien  »oim  de  nos  amis,  qui  s  ^toit  «  tiquettes  de  me  trouver  un  sujet 
tel  quUl  le  faut  pour  son  bonheur,  et  le  miuu:  ai  Malier  me  sert  aveo  A&tc- 
tion,  qu'il  ne  te  relAdie  pom  aar  sea  devaiia,  il  n'ora  jamaia  enria  de  m» 
qnitter  car  il  tronvera  che«  moy  de  la  joatiGey  de  l*hmnaiiit6,  iiiie  maisea 
r^glöe,  et  bcaucoup  de  tranquilit<§l  Mes  gages  sont  de  eent  Ecos  y  compris 
son  li:il)lllt'!in'iit,  il  sera  blnnchi,  pt  los  otrrnnu's  snnt  pti  proportion  dn  mrritt«. 

tSi  ma  condition  luy  <  l  uvit  ut.  M.  \v  ('hevalier  nie  l'envoyem  nv*»« 
uu  mot  de  lotre,  pour  me  duuuer  des  uouvelles  de  M,  de  La  Tour:  j  oriu 
an  entretien  aveo  luy,  ou  je  deciderai  le  jonr  de  so»  entrfe  cbas  moy,  pea- 
dant  que  Maler  ae  raposera,  je  me  deferai  de  ma  lourde  b£te. 

<  Je  vous  piia  monsiear  de  continaer  tos  bona  Offices  d^ami,  et  d*aim  de 
lu  vf'rit«'«!  qni  n  scn  vniiji  (ippercevoir,  n  du  remnrquer  ces  sentimens  ÖMO» 
votre  cucur.    J'ai  rhonuctir  (rr^tro  avec  la  plus  parfaite  cousidäration 

«Monsieur 

«Votre  tres  bnmble  et  tres  obeieaante 
senrantef 

«Fei.» 

«Bien  des  chosps  je  vous  prie  a  M.  If»  chevalier  ft  quoique  je  nye  p»s 
I'honneur  d't?tre  counüe  de  M'""  Cambroune,  j'ai  celuy  de  la  saluer  ainai  que 
toute  votre  famille.» 

Note  de  M'^*  de  Fei  aar  de  La  Toar. 

«Un  monsieur  d^Argenville,  conseiller  au  Cfaätelet,  je  crob,  qut  eatimoit 

beaucoup  votre  fröre,  s'occupe  depuis  longtompa  k  recucillir  des  anecdotea,  pour 
aattsfaire  TenTie  qu'ü  a  d'torire  la  vie  de  son  ami,  poor  metlre  an  graad 


1  ]  M.  de  Ghauvelin,  maitre  de  requeies,  fut  inteadsnt  de  la  g^raliti  d'Amiei» 

de         ä  1751. 

2]  Ch.  Desmaze,  I^e  Reliq.de  La  Tour,  p.  53-64,  XXVllL 
3)  Ch.  Deimaxe,  A.,  p.  69-60,  XXXL 


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J:-G.frod*hoiii]M,  Muie  Fei  (1713-11»i}. 


505 


jour  »es  vertuB  et  ses  grands  talens.  J'ai  creuse  ma  tete.  moiiäieur  le 
cheTalier,  pour  luy  en  trouTer,  d^aprti  ce  qa*ü  m'a  conW  luy  meme;  comme 
son  ariv^  ä  Paris,  sa  vie  diBtipö»,  le  portr»it  de  M"*"  Boulogne,  la  remar- 
que  du  vieiix  Boulogne,  beau-p^re  de  la  dame,  co  grand  peintre  voxilut  con- 
noitre  le  jeune  homme;  on  Iny  pr^sentn;  il  le  trainne  ]>;ir  le  collet  de  son 
babit,  vis  h  vis  du  portrait,  en  luv  disant:  liegarde,  niaiiiuureux,  si  tu  es 
digne  du  don  que  t^a  fait  la  nature;  va  i'eu  dessiner,  si  tu  Y«a%  derenir 
nn  homme. 

«Je  luy  ai  aussi  raconte,  d^apres  luy,  les  podraita  de  M.  etM**  de  TAreni^re, 
fpi'H  Tie  voulüt  livrer  ä  moins  de  deux  milU-  »  cn??,  en  leur  di>»ant:  que  lea 
richfs  (levoit  payer  pour  les  pauvres.  H  m'a  raconte  auasi:  qu  en  peigoaut 
les  euiaus  de  France,  ä  Meudon,  il  avoit  eu  le  courago  de  dire  ä  M.  le  dauphin^ 
qtte  fiee  enfuns  ^toit  mal  «levfe.  H  m^a  raoonU  anni  que  peignaot  If"'  de 
Pompadour,  le  roy,  apr{>8  lafTaire  de  Bosbach  arriva  fort  triste,  eile  Iny  dit: 
i]m\  ne  falloit  point  qn^ii  s'afflige&t,  qa*il  tomberoit  malade,  qu^au  reste,  aprto 
eux  le  d<!'lnge. 

«La  Tour  retint  le  mot;  quand  le  roy  fut  party,  LI  dit  la  dame  quo 
ce  mot  Tavoit  afflig^,  qu'il  valoit  mieuz  qae  le  roy  fnt  malade,  qne  si  son 
ooBur  6toit  andnroy.  Voila,  monsienr  le  cheTalier »  ce  que  ma  t£te  a  pn 
foumir  d*anecdottes  k  M.  d^ArgenTiUe:  ti  voiia  en  avez  que  je  ne  consoisse 

pa«!.  voTi»«  vouflr"-  )iien        les  eiivoyer,  ponr  que  je  los  luv  fasse  parvenir.^) 
«Adieu,   Mouüieur  le  cbevalier,   recevez  sans  ceremonie  l'assurance  des 
seutimens  que  vous  me  counoissez  pour  vous  et  qui  dureront  autant  que  moi. 

«Fei».  2} 

Puis  la  Revolution  arriva.  XJn  decret  de  1790  suppriina  toutes  h  s 
peubionü  qu'avaient  accordees  la  Royautt'.  M"*  Fei  dut  par  ( onstMuiciit 
perdre  la  plus  grande  partie  de  ses  reveniis.  Klle  vecut  alors  daiis 
le  silence  du  village  de  Chaillot,  ])(Mit-etre  cn  coiiiiiagniu  de  la  iiiece  qui 
fut  son  hdriti^re.  Elle  mutüüL  a  qualre-viiigt-uu  aii,  au  commencement 
de  ventose  an  II,  c'est-^i-dire  vers  le  milieu  de  fevrier  1794;  seuls,  les 
papiers  provenant  de  radministration  des  Domaines  nous  perineitent  de 
fixer  cette  date,  ignor^e  jusqu'ici.^)  La  maisoii  acquise  par  la  canta- 
trice  €tait  pass^  anx  mains  da  notaire  CSbaudot,  dont  les  biens  farent 
confisqu^.^)  Et  c'est  l*enqa#te  faite  siir  cea  biens  qui  nous  r^Töle,  au 
bout  d^uii  si^cle  que.  en  pleine  Revolution,  dans  la  solitude  douloureuse 
de  la  banlieue  parisienne,  s^^teignit  le  Bossignol  qui  avait  enchant^  deux 
gen^rations  de  dillettantes,  ä  T^poque  la  plus  brillante  et  la  plus  trou- 
blante  de  lliistoire  de  l'ancienne  monarcbie. 

V  D'Argenville,  dans  ses  Vie«  des  plus  fameux  Peintres  et  SetUptcurs  (Paris, 
17H7j,  n'ayant  pns  compris  dans  son  volume  sur  Tl'^ole  fraii<|^se  Ift  biographie  de  La 
Tour,  n'a  piu  eu  ä  utiliser  ces  aotes  de  M>ia  Fei. 

2)  Cb-  Desmase,  U  Beliq.  de  La  Tour,  p.  61-68,  HXXTT. 
Voir  Appoidiee  m. 

4)  Vivant  J.>B.  Chaudot,  notaire  depuis  le  8  mal  1781,  fut  un  des  huit  notaires 
parisiens  <\m  perirent  sur  V^afaud.  Condamn^  le  26  plovioie  an  U,  il  fat  goillotin^ 
le  29  ,16  fevrier  1794;. 


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506 


J.-U.  Prud'liomme,  Marie  Fei  ^1713-1794,. 


Appendices. 
1. 

Marie  Fei  k  VO^tä. 

Yoici  a'ttprti  U  «Ofttetogne  d«  1»  BibliotMqae  de  1  Opera»  dretsC  pur  Xh.  d» 
Lajartet\  d^ftprfts  ToavTSge  de  Oaanperdon  war  «rAjced^mie  royale  de  Ifonqne  n 

XVIII"  si.-cle>^,  ainsi  que  d*apr^a  les  sooroes  contemporaines,  tdlee  qne  le  «Mer- 

cure  de  France»,  la  liste  au?«ii  complMe  que  T'o««il>Ic,  des  rnles  remplis  par  M^«  Fei  ä 
rOp^ra,  de  173o  a  la  fin  de  1768.  C@  catalogue  comprend  enviroa  cent  vin^  r51e« 
qui  66  r^partissent  aiiui  luivant  les  componteurs : 


J.  B.  LuUy 

16 

C.  de  KlftiiKint 

5 

L.  LuUy  et  Marais 

1  • 

Hebel  et  Fraucceur 

5 

Oampra 

14 

Boyer 

8 

Deetonohea  ei  Leinde 

1 

Mion 

3 

Destouches 

4 

de  Brassac 

2 

Monteclair 

1 

de  Bury 

1 

Salomon 

4 

Le  Clair 

1 

Uowet 

17           .  Moudomille 

5 

AfU«  Doval 

1 

La  Oecde 

1 

Baptistin 

2 

DeaTergne 

1 

Boismortier 

4 

J.-J.  Rousseau 

1 

Niel 

3 

Giratid  et  M.  Berton 

l 

(ireuet 

3 

d'Merbain 

1 

Btteetn 

20 

Damnmpie 

1 

1735. 

81  ment  Omphnl*-.  traj^edip  hri-iue  cn  v'mi\  actos  et  un  prologue.  paroles  de  La 
Motto,  iiiu'iirj(ii' de  Destouches;  ä  cttte  repr^sentation.  donnee  pour 
la  «capitation»  des  acteurs,  M'i«  Fei  chanta  une  cautatiUe  ilalienne. 

5  mai:  (premi^  repr^tentation):  hu  Oräaet,  ballet  hä^oTqne  m  troia  «ctea 
et  un  prologue;  paroles  de  Roy,  musuitte  de  Mouret:  an  prologue» 
TAinour   une  'Sybarito'. 

A'JiiVr  >f  D-'!>l<tmi(\  tr;ijr.  lyr.  en  5  actes  et  un  prul.  de  Danchet  et 
Campra:  Une  Sirene*,  uno  'CbaasereMe*,  une  'Bergere  italienne". 

1736. 

10  avril  :         Lrs  Indes  galantes. 

3  mai:  (prcmitrc  represcntatiun  .   I^es    Voyage»  de  VAnmir.  0)ii'ra  I  diet  . u 

qoatre  actos  et  un  prologue,  paroles  de  Le  Clerc  de  La  iSrucre. 
de  Boismortier:  au  2*  acte  {la  ViUe);  'Locile';  'Diro4'. 
14  join:        FBurope  galante ^  op4ra-baUet  en  4  entnSea  pi  an  prol.  de  La  Motte 

et  Campra.    'Cephise',  Zaide'. 
23  aoftt:  premi'-ro  re]»r.sriit;itioii  :  Lrs  [vtmans.  ballet  tn'^roVqne  en  cinq  entreei 

et  nn  prologuc  paroles  de  Bonne val,  musiquc  de  >iiel:  TAmour', 
'Eglantine'. 

18  octobre:     prcmi^re  repr^eentation) :  Lea  Oeniet,  ballet  en  quatre  aotca  et  an  pro* 


1]  Pari«,  1878,  2  vol.       2}  Paris.  1878,  2  toL 


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5U7 


12  novembi« 
9  mai: 

16  juia: 
22  ftofit: 
24  ootobve: 


7  j  an  vier: 
13  fevrier: 

16  avrfl: 


äü  mai: 


85  oetolMre: 


82  jsavier: 

21  avrfl: 
21  mai: 


23  juin  {1739 
Sieptembce: 


27  uctobre: 
\^  aovembre 


86  jwiviw: 

17  man: 


logu«,  paroUs  de  Fleury,  musique  de  Mi^«  Duval:  au  prologue, 
'VAmowf;    1»  4»  «nMe,  «n  *lla«qiift\ 

IßdU»  «t  «Tmom,  tng.  lyy.  en  oiaq  tdet  ei  im  pml  d«  Pallegrin,  La 
Roque  et  Salomen:  mw  *MaAek»tte\  'OWBm*. 

1787. 

(pnmitoe  lepräientation):  Le  Trimnphe  de  PHarmmief  billet  häro'üiue 
en  troiB  aetee  et  on  prologoe,  parotoe  de  Le  Fraae  de  Pompignaii, 
musique  de  Grenet:  au  prologne,  TAmenx^;  k  la  deoziteie  entree 

[HyUus .,  'Doris*. 

Lr.^  Ammirsf  df^  Dirtfr.  opera-ljaliet  eu  4  entrees  et  uu  proL,  de  T  uze  Ii  er 
et  Mouret:  uue  'MateloUe . 

Cadmut  ä  Mermione,  trag.  lyr.  en  cinq  actoa  et  an  prologue  de  Qui  nanli 
et  Lully:  *rAmoar^, 

(premi^  repr^Mnlatinn; :  Castor  et  FoUux,  tragedie  lyriquc  en  cinq  aetee 
et  Tin  proloprtie,  paroles  de  Gentil-Bernard,  muaique  de  Kameaa: 
au  prologue,  i'Amour'. 

Afffs,  de  Qninanlt  et  Lully:  'Melisse'. 

Lrs  Festes,  dr  V Ammtr  et  de  Bacchm.  jiastorale  en  3  actes  et  un  prol.  de 
Müliere,  Beoiterade,  Quiuault  et  Luily:  'Bacchante'. 
{piemitee  reprtentation}:  Let  Coraetirea  de  rAmmr^  baDet  hdvoTque  eü 
troia  aetee  et  im  prologne,  parole«  de  Ferrand,  TanneTOt  etTAbbä 
Pellegrin,  muriqne  CMin  de  Blamotit:  k  la  premitee  eoträe  \pAmour 
rolage],  'Doris'. 

(premi&re  representation) :  Ijc  Ballet  de  la  Faix,  opcra-baUet  en  trois 
acte«  et  un  prologue,  paroles  de  Boy,  muBique  de  Bebel  ctFran- 
eoenr:    la  8*  entr^,  ime  *Ai^enoe\ 

Tan^yrbdc,  trag.  lyr.  cn  cinq  actes  et  un  prol.  de  Danebet  et  Campra: 
la  Taix',  une  'Goemöre'  une  'Nympbe*. 

1789. 

ilfeesfe,  de  Qttinault  et  Lnlly:  'C^phise*. 

Polydore,  de  Pellegrin,  La  Serre  et  Stuck  (Baptistin):  'Th^tis*. 
i'promit'TC  reprcsentation):  Les  Frt>s  iPHcIk,  op<  ra-1ialk't  i  n  trois  entrees 
et  un  ]iri<I()rrnp,  pnroles  de  Gautier  de  Mondorge  etautros,  muaique 
de  Kameau:  au  prologue;  'Hebe'. 
?):  On  sgoate  une  eoträe  nottvelle  {Tyrtte):  'Iphise'. 
(prämiere  repräeeatatioD) :  Zaüde^  reme  de  (TmMufa,  ballet  b4roYqiie  en 
troie  aotee  et  un  prologue,  pamlee  de  Tabbd  de  La  Marre,  mwiqne 
de  Boy  er;  au  prologue:  'Venus'. 
On  y  ajoute  Montti<i  amoureux:  'Philis'. 

iprcnüere  represenUttionj:  Dardamts,  trag.  lyr.  en  cinq  actes  et  un  prol. 
de  Le  Clere  de  La  Brnftre  et  Rameau:  one  Thxygienne*,  un 


1740. 

Pi/ram'  >f  lliidii^  tTag.  lyr.  en  cinq  actes  et  u  n  pr  1.  de  La  Serre. 

Bebel  «-t  Frnni^oMjr:  une  'As^ynontie',  nnc  'Rer^reri-'.  unr  'Africainc'. 
Jephte,  trag.  lyr.  tirüe  de  TEcriturc  sainte,  par  Pellegrin  et  Monte» 
clair:  Elise'. 


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506 


J.-a.  Prodhomme,  ÄUrie  Fei  il713-1794j. 


19  jnillet:      £et  Fuk»  tenUiennesj  op^-bttUet  «n  tro»  entr^  et  an  prologne  d» 

Danchet  et  C 

7  noveulnpe:  tmgt'die  lyrique  en  cinq  actes  et  im  prologue,  parole»  de 

Quin  au  It  ,  miisiijUP  de  LuJly:  'Satip'aride'. 

Amadis^  Tragedie  lyrique  des  nemes:  'Corisande . 

Lei  Sensy  opära-ballet  en  oinq  actes  et  un  prol.  de  Roy  et  Mouret: 

^Lenoothie',  'Z^liyi^. 

1741. 

81  janvier:     Proscrpine,  tragiMie  lyrique  de  Qnüiaiilt  ei  LnUy  *la  Yictoire*  et 

'Ar^thust'. 

14  avril:         Xüi'h's,  iragt-<li('  lyriijiu-.  eit  cinq  actes  et  im  prologue,  paroles  de  La 

Serre,  musique  de  Mion:  au  prologue  Tbemis'. 
25  aud:  V Smpin  de  rÄmouTt  bnUet  h^fqiie  en  troia  aeiae  «t  un  prologue, 

parolei  de  Per a die  de  Monerif,  munque  da  marqnii  de  Braesae: 

&  la  premiere  entree  [les  Dieux ,  'Psydi6*|  nne  *Statae  anim^*;  k  la 

3",  nouvi'lle   Irs  Df  nii'-Dirny ,  'Misis'. 
4  juiliei:        Lr<i  Ft-tea  gret'qms  et  ramaitiej^,  ballet  heroiqut*  en  tritis  actes  et  un  pro- 
logue, paroles  de  Fuzelier,  musiijue  de  Colin  de  Blamont:  k  Ja 
2*  entrde  [k»  Jenas  Olympiques},  'Aspasic',  une  *JBergtoe*. 

14  octobfe:    fpremifere  reprteitation):  Le  Temple  de  Omde,  paetorele  en  an  aete^ 
pecolee  de  Bellis  et  Roy,  musique  de  Mouret:  au  prologue:  'Th^mire'. 

14  noTemlnre:  List',  pa^torale  Iioninpie  eti  trois  nctei^  et  un  prologue,  paroles  de  La 
Motte,  musique  de  Destouehes:  'Doria'. 

1742. 

10  avril:         pn'm^^re  representation; ;  Tsf»'.  ]>astnrale  lieroVque  en  cinq  actee  et  un 

prol.  de  La  Kivi^ro  et  Mundonville;  'Charite*. 
22  mai:        Le«  Elements,  ballet  du  Boy  en  4  entr^  et  un  prol.,  de  Boy,  Lalande 

et  Deetouehes:  *Xieucoeie*. 
2  ao6t:         Ajax.  trag.  lyr.  en  otnq  actes  et  un  prol.  de  Menneieon  et  Bertin: 

'Diane'. 

11  septembre :  Hippohjfe  rf  Aririr.  trag.  lyr.  en  eiiui  actes  et  un  proL  de  Pellegrio 

et  Barne  au:  la  Pretresse  du  Diane'. 
13  Dovembre:  Phaeton,  de  Quinault  et  Lnlly:  *A«tr^*,  une  'Heore',  une  'Egyptienne'» 

1743. 

12  fevrier:      [preiuiere  rcpicscntatiGu) :  Don  (/uicholtc  chex  la  DticJtesw,  ballet  comique 

en  trois  actes,  paroles  de  Favart,  musique  de  Boismortier:  'Altisi'* 
dore*. 

l*t  nars:        Ilesmnc,  tragedie  lyrique  en  cin<|  actes  et  un  prologue,  paroles  de  Dan« 

chet.  mupiqne  de  Camprn:  I;i  JVetresse  du  Soleil';  nne  'Efryptienne'. 
28  avril:         Ji^remiere  representatiuii) ;        l'ouroir  <le  rAmour,  ballet  lu  rorque  en 

trois  actes  et  un  prologue,  paroles  de  Lefevre  de  Saint-Marc, 

musique  de  Roy  er:  TImagination*,  'Cöpbyee*. 
28  mai :  Le^  Indes  gakmiety  ballet  heroYque  en  trois  actes  et  un  prologue,  paroks 

de  Fuzelier,  musique  de  Bameau:  'Hebe',  une  'Mat«lotte'. 

20  aoüt:  premiere  repropentatioTV  :  Lts  Carni  l'      Jr  hi  Fnfir.  opora-ballet  cri  trois 

acte«  et  un  prologue,  paroles  de  Duclus  muBique  de  liernard  de 
Bury:  h  la  premiöre  entree  [VAstrologuc):  'Florise'. 

22  octobre:    OalUrhoi^  de  Roy  et  Desto nohes:  nne  *Calydomenne\ 

19  d4cembre:  Rotanä,  de  Qutnanlt  et  Lally:  Thdmira*. 


J.-0.  Prod  homme,  Marie  Fei  (1713-1794). 


609 


1744. 

8  man:       Jephte:  "Eiiwt. 
81  avril:         Dardanu.<.  tra^'tjdio  lyrique  en  cinq  actcs  ot  un  prologue,  parules  deLe 

Clerc  de  La  Brufcro,  musique  de  Itameau:  au  prologue,  'Vi'nus'. 
11  joio:         (premi^ire  representation) :  L'Ecole  des  Amanta,  opera-ballet  en  irois 

ontrfaa  «1  vn  prologue,  panlas  d«  Fuaeller,  muuque  d»  Niel:  1*m 

LeQon  [la  Cbfwfcmee  «sottrönn^«):  'Z^lide,  damenapolitaiiie,  ea  chaweme'; 

3*  Legon  [VAhtmee  »urmimtfr  :  'Elisnidne,  dame  veuve.  frangoiatf. 
7  juillet:       Lc»  GHicet^  entn'e  nouvelle:  'rretn-sge  do  Diane',  'Dercillis'. 
16  octobre:     La  Mort  (rAleidi  .  tragt  die  lyiique  eu  cirui  acte«  et  un  prologue,  parolds 

de  Campistruu,  muaique  de  Louis  Lully  et  Marais:  'lole'. 
14  Dovembt«:  Im  Auguntales,  diTertiaMmeDt  (fc  FooMMioii  d«  1«  oonvaletcence  de 

IxrataXV),  paroletdeBoy,  mnnque  de  Bebel  ei  Franooenr:  'Hygie^ 

fiUe  d'Esculape*. 

10  dteembre:  Thcsh,  tragi'dlß  lyric^uc  cn  cinq  actee  ei  un  prologaei  paiolea  de 
Quiaaulti  musique  de  Lully:  'i£gl^'. 

1745. 

LkllerophoH^  trag.  lyr.  en  cinq  actes,  parolca  de  Quinault,  muaique  de 


I  förner: 
7  man: 
29  jniii: 

12  octobre: 

27  dteembce: 

7  jaafier: 

4  octobre: 

15  nevemfare: 

17  liSvrier: 

II  avrü: 

9  mai: 

18  mu: 
86  juillet: 

28  octobre: 


Lully: 

AmadU  de  (hiee^  trag.  lyr.  en  cinq  aetea  ei  un  prol,  parolei  de  La 

Ifoite,  mudqne  de  DeaioQchea:  *ZSrjhi6^i  *Niqute'. 

Lea  Fäes  de  Thalk.  paroles  de  La  Fontaine,  motiqne  de  Motiret: 

*Tjoonon>',  'J"li:ilii  '.  'Doris'. 

(prt'inierti  rt'prt'scntalion- :  /.^>  Fi'hs  i/r  I'nh/mtiic,  ballet  heroYque  en 
troi»  actcs  et  un  prulogue,  paroles  de  Cahusac,  mus.  de  Käme  au: 
*USM\  'AngeUe*. 

(premitoe  repriteiitation):  Le  Tempi»  de  h  Otoire,  fSte  en  trois  aotes  et 
un  prologae,  paroles  de  Voltaire,  muaiqne  deRamean:  *£rigone\  *]a 

(iloire'. 

1746, 

Beprtw  d^Armide^  a?eo  W^»  Chevalier.  Le  «Meronre»  d*avrU  pnblie  un 
'air  ^oui4  au  qnatritaie  Acte*  pour  VS^  Fei,  k  qui  le  prineipal  role 
dtaii  aloiB  confiö. 

premi^re  rppr»'<^fn<atioii) :  Setjfh  ft  Gfattnis ,  trag.  IjT.  cn  cinq  acte«  et 
Uli  pro!.,  paroles  de  d'Albaret,  musique  de  Le  Clair:  'Scylla  ,  une 
Nymphe'. 

Araee,  de  Quin  aalt  et  Lully:  *AndroiBi»de'. 

1747. 

Ärmide  de  Qui  na  n  Ii  et  Lully:  'Lueiade*. 

(premi6re  lepr^sentation  :  VAnmie  gaiatUr,  opera-ballet  cn  quaire  aotea 
et  un  prologue  paroles  de  Boy,  ntuatque  de  Mion:  2«  enträe  {k  /Vmi- 

tempif  :  'V'. 

LEnropt  ifalaute,  ojjera-ballct  cn  quatre  entrce»  et  un  prologue,  paroles 

de  La  Motte,  mu^Kiue  de  Oampra:  Cephise',  'Zalde*. 

Lea  Amown  dee  Diewe,  de  Fuselier  ei  Mouret:  une  'Bergtoe', 

'Coronis'. 

Lei  Festes  d^lUbi  tm  lee  Talma  Iffriquee:  «u  psol.,  'H4be  ;  4  la  2*  entr^ 

'Iphisf* 

(premieru  reprcsentation; :  JJaphnis  et  Chloc,  pastorale  en  trois  acte«  et 
an  prologue,  parolei  de  Laujon,  musique  de  Boismortier:  'Chloi*. 


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BtU%OBam,  Ifaria  M  anS-llB^. 


29  ferner: 
85  iHVT«mln«: 


4  fiSvrier: 
38  f^vricr: 
22  avhl: 
16  joilkfc: 
88  Mptembre 

5  d^cembre: 

22  fevrier: 
5  nud: 


1748. 

(premif're  representation* :  Za'in,  ballet  heroTque  en  quatre  acte*  6t  «m 
prol.,  paroles  de  Cahtisac,  muBique  de  Hamuau:  Zelidie*. 
(preniitre  fgprfcmtation):  La  Festes  de  r Hymen  et  de  fAmom^  ou  les 
Dum  ^Sgypte^  baDet  h^Tqo»  en  troi»  acte»  et  ua  proL,  pur  lea  mimea, 
3*  «ntrfa  (Ani4rts):  'Orie*. 

im 

/Ms,  baBeC^boBlIni  ea  trou  adet  et  nn  pn^,  parole»  d'Aatreav 
«i  Ballot  de  Saayot,  madqtte  de  Bameaa:  'la  Folia\ 

Aßde«  et  Jason,  trag.  Ijrr.  en  cinq  actes  et  tm  prol.  parolea  de  Pelle- 

griu  et  La  Roqtie,  Tnusique  de  Salomon:  'Cleone'. 

.  premi6re  representation) :  Hom^  opera  (pour  lapaix)  en  trois  actes  et  im 

prologue,  parole*  de  Oaliaaac,  moaiqae  de  Bameaa:  T^AXa*. 

La»  OameÜreB  d»  fAnimit:  1*"*  «airfe  {Vamumr  ^ohg^^  Doris*; 

3»  entrde  \JtWnour  eonstanfi,  TMre'. 

(p^pTn^^re  reprt'spntation) :  Le  Camaral  du  Pamas9^,  ballet  lif^roTque  en 
trois  actes  et  un  prol.,  pnroics  de  Fuzelier,  muaiqus  de  Mondou'- 
ville:  au  prol.,  Florine'  au  1"  acte,  Tbalie'. 

{pttndkm  nprtfieiitattaii):  Zonmtn,  trag,  lyt,  ea  ciaq  actes  et  na  ptoL, 
parolea  de  Fuaalier,  mtwiqoe  de  Rameaa:  *AmBiM, 

1750. 

Tamrlde,  trag.  lyr.  eu  cinq  actes  tit  prolugue,  parolei  de  Uaucbet, 
mariqu«  da  Oampra:  *Heminie*. 

(premi^  eepfdieatation);  Lkmdn  et  Bin,  tiaf.  1^.  ea  einq  actes  et 
an  prol.,  paroles  de  La  Fraac  de  Pompignaa,  aMuiqaa  du 
quis  de  Brassao:  'H^'. 


1761. 


88  ftniar: 


de 


premi^ra  representatiou] :  AtgU,  ballet  h^roiqiie  ea  an  acte, 
Laujon,  musiqoe  de  La  Garde:  'iflgle. 
21  sepiembre:  La  Guirlanrti'  nu       >7wrj?  enrhantcc«,  op^ra- ballet  eu  ou  acte,  paroles 

de  Marmoutel,  nusiquL-  de  iiameau:  'Z^de*. 
18  noTaailve:  jMintte  d  Ciphis«  m  la  ,  pasiofale  bdroTqaa  en  trois  actes 

des  meraes  auteors:  *Cdphise*. 
Lei  Sewt  de  Roy  et  Moaret:  TAmoui^. 

1768. 

14  janvier:     (haj^tale:  *Ompha]e*. 

11  Uniw:  (pnnii^re  reprdseniatioii) :  Le»  Amimr»  de  Tempf,  ballet  horoique  en 
quatre  entr^es,  paroles  de  Cahusno  .  mu^ique  de  Dauverjrnc:  cntree 
Je  Bai):  'Doris ;  2«  ,La  fite  de  filymcn]:  Themire';  3«  ;/c«  Vendanges}: 
'Hegemone'. 

9  janvier:  {premiire  repr^sentatinsi  Ti'fo»  rt  VAtirore,  pa'^torale  hi^roYque  en  trois 
aotes  et  un  prol.,  paruiea  de  La  Motte  et  l'abbe  de  La  Marre, 
musiquc  de  Mondonville:  TAuroxe*. 

l«r  man:  (prendtee  ropriseatatioo}:  Le  Deem  du  Vähge,  intenafede.  pareleB  et 
mutique  de  J.'J.  Boussean:  'Oolette*. 


J.-e.  Prodnxnmme,  Ibm  Fd  511 

1764. 

S  janvkr:       CoMm-  rf  PoUttx.  trafr.  Irr.  pti  cinq  act<^  pt  nn  prol.,  iMrolesde  Gentil» 

Bernard,  miisique  de  Bameaa:  'Tela'fre'. 
21  fe>Tier:      J^tee  :  La  Folie'. 
3  d^cembre:   Thfyte,  d«  Qninrnvli  et  Lttlly:  '.£gle. 

29  däoemiwe:  (pnraitee  repr^entation]:  De^knü  et  JUdmmbMrßt  partOMle  laqgu«- 

dooienne  en  trois  act«t  «t  im  pfologtte,  pMolM  et  miieique  de  Mondon- 
▼ille:  *AlciinMlare'.  - 

1755. 

30  eeptembre:  (prämiere  repn-scntationi:  l>i  ucfiiirm  '(  Pijrrh^i.  opura-ballet  en  im  acte, 

paroles  de  6ainte-Foix,  musique  deGiraud  et  Montan-Berton: 
Tyrrha'. 

1766. 

19  ianvier:       Ziiroa.^ttr:  'AiTK'^lite*. 

18  mai :  Lc«  FrsU.s  d'Hi  U:  'Hebe'  et  'Iphiise'. 

28  scptembre:  Celime,  ou  ie  Tcmplc  de  rindifferencc  detruH  pctr  l'Amour:  parolea  de 

ChenneTi^rea,  musique  du  dheriUer  d*Herbaiii:  'CMime*. 
2S  d^cembre:  Iu£:  *Doria\ 

17Ö7. 

81  mAi:  Ipremi^re  reprosentation" :  Lfs  St/rjfrtWs  de  V Amnvr,  lialle*  hi>roTque  en 

un  acte,  paroles  de  Bernard,  muBiquc  de  Kameau:  f artbeuope' ,  une 
'Sirene'.  ' 

176& 

14  iifivrier:     JEMe  d  Latmk,  tra^ir.  lyr.  en  clnq  acte«  et  an  prol.,  paroles  de  Fen* 

tenellc,  niu'^lqnt'       üauvcrgne:  'Lavinie'. 
d  Stai:  Jjfs  Fr'frs  de  l'aphn«.  ballet  heroVque  en  trois  cntr^es,  paroles  de  C <>  1 1  , 

La  Brill  r>'  et  Voisenon  musique  de  MoudonTÜle:  2«  e&trte 

{Dacciiua  i'i  Krvjotw):  'Erigone'. 
14  novambre:  Pnatffinti  *Ax^Üiaie'. 

n. 

T.ies  trois  docutnuaie  Kuivants  ont  ete  reproduits  par  Campardoa  dans  son  oavrage 
ftur  1  Opära,  d'aprds  lus  originanx  conservus  aux  Arcbives  nationales. 

1760^1«  mai. 

BBBVET  D*UNE  PENSION  DE  6^000  LIVRES,  ACCORD^  PAR  LE  BOI  A 

Mii«  MARIE  FEL. 

Brcvci  d'une  pension  de  5,000  livre».  cn  favear  de  la  demoiselle  Marie  Fei,  n^ 
ä  Bordeaux  le  24  octobre  ITIS,  I)apti8«'e  le  31  du  m<"me  mois  dans  Teglise  m^tro- 
politain»'  de  ladite  \\\\<'  fVtte  pension  est  composee  d«»«  nlrjcfs  ri-apr^<'•  Rppoinlemen« 
de  2,UU0  livres  qui  lui  ont  «'ti-  conscrvcs  sur  lo  funds  ordiimire  des  nienus  plaisirs, 
Sans  retenue,  titre  de  retraitc,  en  qualit«  de  musicicnne  ordinaire  de  la  Chambre  du 
Roi ;  tme  gratification  annuelle  de  8,000  livres,  auBei  «eae  retenue,  qtti  a  4t^  aooord^ 
Sur  le»  depenees  extraordinairefl  deadita  menus  plaisira,  le  27  mars  1778,  eo  oon- 
•id^ration  de  sea  «ervices. 

PIECIi!«  JOIMTtM  kJJ  BBBVET. 

1«  Acte  de  bapteme  de  MM*  Marie  FeL 
Extrah  da  regiHtrc  den  baptt'nies  de  V^gliae  peroiwiale  mdtropolitaine  de  la  ma> 
jeitat  St-Andr6  de  Bordeaux:  Le  mardi  trente'an  octobre  mü  lept  oent  treiae,  a  ^t4 


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512 


J.-G.  Prod  horame,  Marie  Fei  (1713-1794;. 


baptiste  B£aria  lille  Mgitime  de  Henry  Fei,  exgtniete,  et  de  IMboie  Deraole,  peroi»e 
Ste-Eulalie.  Ferndn  Jeea-Marie  Fei;  mairaiiie:  Heiie  (^netneL  Kequtt  le  ^Togt" 
quatre  de  ce  mois  4  «ne  heaie  aprl»  mianii. 

2"  Ddclaration  autographe  de  MU«  JPel  relative  ii  la  pension. 

La  demoiselle  Fei,  ordinaire  de  la  musiqtie  de  la  chambre  du  Roy,  nee  h  Bor. 
tlcanx.  le  31  octobrc  1713,  baptisee  paroisse  St-Andr<^.  caU'drale  (sie  diidit  lieu, 
demeuruut  pr^eutement  k  Chaillot,  üaubomi^  de  la  Confcranoe  (sie),  declare  avoir 
Sern  la  mneiqiie  du  Boy  pr6«  de  iremte  ene  aux  honoraira  de  dem  nine  franca  et 
obteira  en  1763  mie  gratifieaUon  amuielle  de  mille  ^ue  «ur  T^tat  dee  menos  plaiars, 
qui  luy  a  toujours  ete  payde  sans  retenue  et  dont  il  lay  rMte  dü  demt  anntet. 

Fait  k  CbaiUot,  le  U  octohre  1779. 

(Arch.  nat.,  0»,  67ö]  »J. 

Une  note  de  radniinistration  de  rOiK>ra  postvrieure  k  la  retraite  de  Marie  Fel^ 
note  k  laquelle  le  rodactenr  de  TEtat  du  penonnel  i^oatait  des  obaervadona  de  eon 
cru,  indique  quelle  fut  sa  Situation  exacte: 

«Entröe  ä  TOpera  on  novembrp  1734,  ä  l.niiO  livros  d'apiHnutoiiK'nls  sani»  grati- 
ficatiun,  A  sijfnifio  snn  rnnpe  le  18  juiilet  173ü  et  ii  quittr  lodit  jotir.  Est  reutrec  k 
Paques  1736  sur  le  pied  de  1,200  livre»  et  300  Uvtcs  de  gratihcutiuu.  A  quittr  l  Opera. 
en  1760.  Son  traitwnent  oonune  premier  «iget  i*Aevait  k  3,000  livres  d*appomtenienie 
et  1,000  livres  de  gratification.  •  A  et£  mise  i  la  pennon  de  1,000  livrei  ft  fiOO  livres 
de  gratification  annuelle.» 

«Fei.  pefite  fiUe,  mai«?  errandf»  Tnusiciennt'.  chantant  f(»rt  hicn  Titalien.  Elle  n'eat 
point  jolie,  cependunt  ou  k  dit  maitresse  de  Muusii  ur  lo  duc  de  ßochechouartSj.» 

Rapprochons-cn  troh  roous  des  anne^f  1750  ot  1753;  le  premier  est  en  possession 
de  M.  Theophil<>  Eck,  dii-ectour  de«»  Mus. 'es»  do  1:»  Viltf  de  Saiut-i^ueiitin ;  le  ^crond. 
du  meme  jour,  pruvieat  de  la  coUection  liathcry  et  a  et«^  public,  par  M.  Maurice 
Tourneax*j;  le  demier  a  iM  comprit  dana  la  pubUeation  de  Ch.  Deemase,  Le  IM»- 
qwUn  dt  iL  Q.  dB  La  Tour% 

Ann^e  1749  a  17ML 

Oratifioation  Extraordinaire  pour  r^mpetfee  de  aervke»  La  DU«  Fei.  lOOCT. 
Yen  L*£tat  anest<  au  Bureau  de  la  ville  Le  Deua:  ootolire  1700,  et  apprownfi  per 

lo  Roy  euivaiit  la  Lettre  de  M.  le  comte  B'Argenson  en  date  du  7  dndit  raois,  Le 
Sr  Do  iieurillc  payera  ;i  la  D"-*  Fol  actrice  dans  le  chant  des  fonds  de  L'academie 
Koyale  de  musique,  ia  souitne  de  mille  Livres  pour  laquelle  eile  est  emplnyt'e  dans  le 
dit  etat,  et  en  rapportant  par  le  dit  iv  De  neuville  lo  prescnt  mandemeut  quittaui-e 
De  la  ditte  Fei,  la  ditte  son  ine  de  mille  Livree  lay  sera  pats^e  et  alloiuSe  Dani 
la  d^penae  de  see  campte«  «an«  difiieultä.  fidt  et  arreetd  ao  Bureau  de  la  ville  Le 

huit  octobre,  1750. 

De  Bemage  pour  aquit  fel^j. 

1)  Oampardon,  VAeadimie  royalle  de  mmique  au  XVJTI,  siidtj  I,  p.  806-318: 

Marie  Fei. 

2)  Archives  de  i'Üpcra.    ßat  <in  persoiinei.  Mätwire. 

3)  Gmresp>judauct'  de  Grimm,  XVL  p.  603-504,  note. 
4  Pages  21-22,  XL 

f)  Oes  trois  niot=i  /ci-its  de  la  inain  de  I  i  '  Lintut! n c  L'Opöra  fut  de  1749  a  1780 
administre  par  la  Yille  de  Paris.  Basil  de  Bcrnagc  etait  alors  prevöt  des  mar- 
dia&da. 


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J,-^,  Prod^homme,  Miwie  Tel  {1718-1794:. 


513 


Gnititication  extruordinaire  et  i)articulit  rL'.    La  D'-"  FEL,  400  L. 
Yeu  l'Etat  arreste  au  Bureau  de  lu  ville  k  duux  octobru  I7ä0,  et  approuve  pur 
le  Roy  suivaDt  le  lettre  de  M.  le  eomte  d'Argenaon  en  date  du  7  dodit  aKtii)  le 
Iß  Beneuvüle  peyen  k  la  DH«  Fei,  eotrice  daiia  le  ehani  de»  fonds  de  PAeadAnie 

royale  de  nuisiique,  la  aorame  de  Quatre  cents  U\Te9  pour  laqueUe  die  est  empluyre 
dans  ledit  etat  pour  gratification  Dxtraurdinaire  et  particuli^re,  et  en  rapfv^rfant  le  dit 
Deueuville  ie  prcsent  maudement  quiltance  de  la  ditte  D^i«  Fei,  ladite  somme  de  quatre 
Cents  livrea  lui  sera  posa^  ei  idlou^  daus  la  depense  de  ses  comptes  aans  difficulte. 

Fait  et  arrett«  an  Bureau  de  la  vüle  le  huit  octobre  1750. 

De  Benage  pour  aquil,  feL 

Pain  et  vin  de  l'anuee  ilö2  ä  1763   300  livrea. 
J*ai  refu  de  Monaieur  de  NettviUei  cainier  de  TAcad^mie  Boyale  de  Matique,  la 
Mmme  de  iroia  eene  livrea,  pour  pain,  vin  et  entretien  de  chanaBurea,  k  mm  aceoid^ 
pendant  Tannee  mil  lept  oent  einquante  troü^  dont  quittanee,  oe  qninae  avril  mil  sept 
Cent  cinqnaDte*trois.  FEL. 

m. 

PIECKS  TIREES  DES  ARCHIVKS  DKPA RTEMEN TAIRES  DE  LA  SEINE. 

Jusqu'ä  present,  la  dato  exa(^te  de  In  iiiorte  d<>  M'  o  Fei  etait  rest«'e  inconmie  aux 
biographos.  Colle-ci  tigurait  dans  la  liste  des  \  ingt-i^uatre  Acieurs  et  aulrea  suJets  retircH 
aeee  1»  pemion  de*  gnmi§  e^itpoiniment»  qui  avaieot  leon  entr^e  gratuitee  TOpdra 
en  1788<^i)  et  k-s  «Spectacles  de  Paria»  indiquaient  pour  la  demi^  fois  en  1796 
<la  citoyenne  Fel>  sous  la  rubrique  (]ui  avait  remplac^,  depuis  1791  celle  des  Pension- 
naires :  Xom»  des  prraQunes  dont  Us  taient»  ont  ae^tü  de  la  dUbriU  aur  le  Theäin 
de  r Opera  fieputs  plu.s  de  cent  ana^]. 

Mais  un  cortain  iiomhre  de  documents  apparteuant  aux  Archives  departciiii.'nta1f«=i 
de  la  Seine 3]  uoua  renscignent  positivement  sur  son  etat  de  fortuue,  de  1770  ä  sa  mort 
survenue  en  f<$nier  1794. 

EX.TEA1T  DU  OONTRAT  DE  VENTK  DE  LA  MAISON  HABITEE 

PAK  MU«  FEL  A  CHAJLLOT. 

Entre: 

«M.  AUOÜSTIN  HENKT  OOCEON  Gh«  Coneeiller  d*Etat  Et  Con.Uw  honoratre 
anParUment  de  Pari«,  Et  DAME  MARIE  LOUISE  ELIZABETH  GERMAIN,  son 
^pouse  r;u'il  autori^c  h  I'EtTt  t  d<  ?  presentes  demeurant  ä  Paria  Rae  ä.  Benoit  Faubourg 

S*  Germain,  l'arni-;se  Suipict.'. 

«L£<Squels  out  pur  cea  ptväeuteä  veudu  &.  promis  sulidairtrnient  Tun  pour  l'atitre 
et  denx  aeul  pour  le  tout  Sous  lea  renonciationa  aux  B^n^lices  de  droit  requises, 
Garantie  de  tout  trouble  Dons,  Douaire,  Dettes,  Hypoth^que9,  Evictions,  AU^nataona 
Et  autres  Empechemens  g«'>ti»'>ral  •  quelconques,  A  DU«  MARIE  FEL  fille  Majeure, 
pensionuaire  du  Roi  demeurant  ä  Paris  Rui'  dt  =!  filles  du  t'alvaire.  paroisse  Nicolas 
des  Champs  ä  ce  presente  et  accep<«  acquereure  pour  eile  et  sa  \ie  durant. 

<UNE  Maieon  sise  k  Chaillot  Grand  RuB  dndit  lien  anprte  de  la  Paroisse,  con- 
aiataat  en  un  jardin  en  Terraase,  oofps  de  Batiment  ayant  deus  Etages  aveo  Mansardes 
au  deseui  le  tout  tenaat  Pardevant  sur  la  Bue,  par  derri^re  k  un  Maraia  appartenant 

1)  Voir  Revue  rifrospecticc,  1895,  tome  III,  p.  242:  «L  Optra  pendant  la  demiere 
ann^e  de  la  Monarchie».        2)  Le»  Speetodu  de  Pari»  pour  1796,  p.  70. 
3)  Domaines  666;  Biene  naiionam,  SeeÜon  Chan^&^eiea. 


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514 


J.-G.  Prod  homm«,  Mark»  Fei  (1713-17^4 . 


anzd.  &t  AB»  y«adean,  «i  de  oliaqM  o6M  k  d«  Iühkiim  i  mx  pwaiDoBMot  •ppui«- 


«Poiir  par  lad.  D"*"  fcl  jouir  et  <li"?]>o3er  de  lad.  Maison  et  dependnncc«»  n  vie 
ilamnt  comme  de  chnse  a  ölie  appart*inanto  sur  sa  tete.  et  jii8qu'a(i  jour  dt-  boh  den'i, 
a  partif  duquel  la  yreaente  jouissaucä  »era  Eieinte  &  rUeufruit  eera  rüimi  Et  coa> 
•oiid^  a  la  propri^M  an  profit  detd.  db  D*  Vendmm  <m  de  leon  ie|ii<iMilauli  a 
commeneor  Ind.  Jouissance  du  premier  Aytü  DemlflT  letqiiell  8.  Bt  D*  Veildenie  fonl 
en  faveor  de  lad"  D^'«  fei  tow  dessaisinseTneTit  acc «iioire  pOOT  hd.  Jomiiienoe,  ToalaiiA 
constituaut  Procurcur  le  porteur  donnant  pouvoir.» 

Suivent  les  dauses  ordinaires  des  ventes;  pui»: 

fEt  enfin  lad.  Venia  ett  fatte  moTwniaikt  la  tomme  D£  MEÜF  MILLE  TBOIS 
OBNT  YIKGT  CSSq,  Uvres.» 

Cet  acte,  dresse  par  les  notairas  Belurgey  et  Deb^rain,  fut  sign^  en  Tbötel  du 
vendeur,  le  4  mai  1778.  La  qnittmoe  qai  le  termine  eet  datte  de  14  du  inline  wtoa». 

Liasse  du  Condamne  Chaudot,  grande  rue,  nos  12  et  13. 

1. 

le  C«n  G&limard  Le  27  Germiaal  de  Laa  2«  de  la 

Oondamn^  Gbandot  SepubL  une  et  indiv.ij 

HaiMot  k  duaSht  Ltb.  EgaL 

No.  11  L' Agent  &c. 

&  Je  te  prie  de  voulnir  V)ien  faire  j>mceder  ati  pbtt*»t  k 

No.  13  L'eetimation  Locative  de  deiix  maisuns  provenant  du  con- 

SituatioD  locative.       daiune  Cbaudot,  siaea,  grande  nie  de  Chaillut,  Ho*  11  et  13 

dont  riitta^t  de  oelle-ei  appaitenoit  an  Cttoyen  Fe^le 
(eic}.  J'attendfl  ton  rappori  tiii  promptemeot  fl  m'eet  indte- 
peneablement  neceMaire. 

2. 

Eorire  Ii  Gelimerd  La  maiton  Grande  rfie  de  Gheillot  No.  18,  apparte- 

ponr  &ire  tres        nante  i  Obandot  L*iunfriiit  appartenoH  a  la       f  ey  le  (tic). 

promptem  ent 

L'estimation  de  Maisun  (irande  rüe  et  Occupee  par  Chaudot  No.  11. 

ces  deux  maisons. 

3. 

Paria  2  flortel  Lan  8  de  la  Eepnblique  une  indivinbleS/. 

Le  Directeur  de  LVnre^strement 

Au  cit<»yeu  Balduf 

La  CitoyeiiiK"  Irl  avait  acquis  du  Oitoyen  rurhin  et  fciiiiUL-  la  jnHif(sanrf  peii- 
dant  sa  vie  d'iuie  maisuu  sise  a  Chaillot  gi-aude  Kue  Nu.  13.  La  Ciluyenne  tel  oat 
ddoedee  depuia  enTtron  deux  moit,  et  la  pFoprieti  de  cette  aiaiion  eet  devenne  une 
propriet^  nationale  Lbdritiere  de  la  Gm«  fei  dMnande  quUl  eoit  aommä  un  Ocmtnlnire 
pour  recevoir  d'elle  la  maison  cn  bon  i-tat  de  tonte»  reparations  au.\  termee  du  contrat 
d'arqiiisitioD  quelle  rapporte''.  je  te  prie  de  prendre  1p?  Tnpsurp''  le?  plus  promptes 
pour  que  larcbittiute  de  l'agenoe  visite  cette  maison  et  cuD^tatc  par  uu  rapport  qu'il 
te  remettn  de  suite,  Tötet  de  oette  maisoo  et  lee  r6parations  qni  doiveat  y  etre  fidtee. 
tu  Ini  reoommandera«  de  fixer  en  meroe  teme,  la  valeur  locative  de  ceite  Buneon, 

1,  Iti  avril  1794.         2;  21  avril  1794. 

3)  Ceti  le  Oontral  analy«£  en  tete  de  ce»  dotmmenta. 


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J.-G.  f rod'h«mme,  Marie  fei  (1713-1194/. 


Ö1& 


tant  poor  deteminer  ia  somme  que  devra  Tberitiere  fei  pour  le  tems  qu  elle  a  joui 
de  Iftdite  suuton  depuis  le  dec^e  de  «a  teste,  qoe  pour  que  tu  mette  snr  le  ehamp 
oette  maieon  en  loeatson.  tu  me  rendra  oompte  de  la  Boite  de  eette  affaire  &  in  me 
zenverrus  Texpeditioii  que  je  Venvoye  da  oontrat  d'aeqniaitioii  de  la  (>>>•  fd  du 
4  mal  177a 

GENTIL. 

(A  cette  pi^ce  ^tait  j<riiit  le  eontrat  d'aoqiiintion  analyse  ci-deeaua.) 


Le  C«  Galimard 

Confisque  Chaudot 

Maison  a  Chaillot 
graudu  nie,  no.  13. 

B^aratioiis  lecativee 
et  nottvelle  eetimatioii 
locative  k  hin 


Location 
Cond.  Chaudot 
Eeg.  de»  Loc 

La  Location 
arret^  attenda 
la  miee  en  vente 


Le  O»  Genta 
Condamnd  Ghandoi 
Moi  k  Gbamot 


4. 

RepQb.iuie  et  indiT*) 
Lib 


Le  4  floröal  de  L*an  2*  de  la 


L'Ageut  &c. 


Egal. 


Je  t'adreete,  ci«jouite^  oopie  de  la  Lettre  h  moi  adveee^ 

par  le  Citoyen  GentU,  c<mQ«riiant  une  maiBon  k  Chaillotf 

grande  nie  N'>.  13  »»u  tu  verras  combien  il  est  instant  que 
tn  visites  au  plutöt  ottte  luaison.  que  in  en  roiistates  L'etat 
de  Lieux  et  des  rt^pai'utioutt  locatives;  eulia  tu  y  juindras 
nne  estimation  locative  tant  poqr  fixer  la  dette  de  PliMtier 
Fei»  qne  pour  metire  oette  maiion  en  location.  Je  te  prie 
de  ne  metfare  aocun  retard  dan«  oee  diff<§rentee  opärationB. 

6. 

ins^  le  4  llor^*) 

maison  situee  k  Chaillot  provenante 
du  condamne  cbaudot  no.  13 
Elle  ronsiste  en  un  corps  de  logis  sur  la  Rue  apliqut*  a 
un  pastiagü  de  porte  Cochere  escaiier  ouisine,  lavoir  et  sali» 
a  maager,  cave. 

Le  1»  eit  distribuö  en  nne  antichambre,  Oabinet  ei 
chanil'K  Lt  second  est  distribn^  de  ttime,  an  3m>«,  tont  dee 
chambrcB  de  dumc8ti(|U0  &  une  cuisine. 

Le  jnrdin  e^t  plantr  d'arbres  et  de  vigne^  et  diatributt 
en  piusieurs  platschet»  de  icgumes. 

Cette  maiBon  vaut  annueOement  400  Ihrm 

L'erdiiteote  doB  domaineB  nationanx  , 
Gatitnard  le  4  ÜOTitI  an  2. 

6.  ■ 


Le  1«  mesBidor  de  L*an  2«  de  la  Bep») 

Egal 


nne  et  indiv 

Lib 

1/ Agent 

i<<;paration  a  la  Charge  des       Je  t'adresse,  ci-joint,  le  Kapport  du  fitoyen  Galimard 
liucataires,  compensces  sur  une  pruposition  faite  par  lee  heritiei'a  de  La  ('ituyeiiiie 
per  doB  efltote  Uubb^b  but  Fei,  propridtaire  k  via  d*une  raaiBon  bHu^  A  Chaillot,  pro^ 
place  venant  du  condamn^  CSiandot  oomme  iIb  BOfot  teniu  dti 


1)  23  arnl  1794. 
8.  4.  I.  H.  IT. 


2}  23  avrU  17ü4.      3)  17  juin  1794. 


34 


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Ö16 


J.-G.  Prod'hommc,  Marie  Fei  (1713-1794). 


r^ptntions  LocaftivM  et  qu'elles  sont  peu  consid^reble'^ .  II 

pense  ijuMl  scra  avantapfux  d'nocepfer  les  objet"!  d(^"*l^iies 
daua  \v  rajiport  en  cumpcnsation  des  frais  de  R<'parat.iona- 
je  te  prie  de  me  douner  ta  deciaion  sur  cei  accomodement 
afin  qull  «it  liea  Le  pfaitot  poitible. 


7. 


C«n  Lucas 
Visiteur 

Bboton  dn  coad« 

Chaudot  a  Ohaillot 
Soa  dM  Ohainpa  elis^s 


16.  Tlienmdor  Vm  2m>«  de  I»  fiep«  ^ 


Je  te  prie  de  te  tnmspcnpter  en  nne  meiwii  aiae  h  Qudlloi 

provenant  du  condamDe  Chaudot  et  cyd*  occupee  par  la  C**^ 

fclt  pour  t'assurer  si  eile  e«t  vcndue,  ou  dans  le  cuh  contrair«» 
mo  taire  sa\'oii'  le  noiii  des  peraoiuies  gui  habiteut  lad'  nxai- 

son,  et  (]uels  sont  leurs  titrcs. 

L'ex-notaire  Chaudot  avait  üte  guillotine  le  29  ^iluviuse  au  II-.  Ses  uiaisom  de 
ChaiUot,  estim(3es  chacune  32,400  livres  furent  vendues  le  15  meesidor  an  II;  l'unc^ 
801U  le  niim^ro  16«  qui  <teit  pent-ftro  oelle  prtoödemment  ooonpte  par  la  oaatelrioet  fiit 
aoqtUM  per  le  citoyen  Richer  moyeimattt  88400  ÜTtes;  eile  •  tait  loote  deptti»  le  IB 

mesfiidor,  avec  liail  de  trois,  six  vt  netif  an?,  nu  citoyon  Piurre  Daquenne»  peintra,  TW 
basfle  du  Bempart  f  orte-Saint  Denis,  cul  de  sac  Laurent. 


IV. 
Iconographie. 

On  ne  coonalt  coinme  portrait  de  Marie  Fei  que  le  celebre  pastel  de  La  Tovir 
oonwnrö  an  Musäe  de  Saint-(^uenttn.  H  ftti  eocpoa^  en  1757  u  Selon  da  Lowre, 
en  mSme  tempe  qoe  oenx  d*iin  cepaein,  de  Tronoliei  et  da  Honet 

«Pltiueurs  portraits  de  M.  La  Tour,  dit  le  «Mercure»,  peiubl  au  pastel ,  ont  üe4 
üuccessivement  les  regards  du  Public  empresst'  Tt  \  oir  les  omTacres  de  cet  Artiste  .  .  .  . 
Le  modele  du  chant.  M\^2  Fei  fait  taut  de  plaisir  ä  la  voir  si  bien  repr^sentcc  q.u'  ou 
se  sent  plus  vivcmeut  presse  du  düsir  de  l'eutendre^, . . . .» 

«Tete  Strange,  impr^e  et  channante,  a  dit  Edmond  de  Goncourt,  qni  semble 
d^peyede  Ut,  au  milieu  de  cette  galerie  de  femmee  du  JLVUV  sitcle,  avec  son  front 
pur,  ses  grands  sourcils,  la  larj^eur  de  ses  grands  yeux  noirs  velout»'s  de  cils  dans  les 
coins,  8on  nez  grec,  ses  traits  droits,  m  boriehe  paressouso,  son  u\ale  long,  tout  cet 
ensemble  de  physionomie  cxotiquc  si  bien  couronnee  par  cette  ooifi'ure,  un  mouckoir 
de  gaze  ]is£r6  d'ur,  coupant  son  front  de  tacren,  desoendant  eur  Vftü  droit,  ohatooillaiit 
nne  tempe,  et  remontaat  sur  le  bonquet  de  flenrettes  i^qui  k  Fautre:  ainai  Ton  ae 
figiiretait  une  Levantine,  rajiportt'e  d'Orient  sur  une  page  de  Fallram  da  Lioiard;  oa 
plutot  on  rSverait  THaydee  de  Don  Juan.«)» 


1}  3  aout  1794.         2  IR  f.'vrier  1794. 

3j  Mereurc  de  France,  1767,  octobre,  11,  p.  162-1 Ö3. 

4)  £dm*de  Ghonconrt,  GaxeUe  des  Brnm-Ärts,  t.  XXn,  p.  144-145.  Le  mdme 
anteur  aignale  nne  r^p^tition  de  ce  portrait,  par  Ducreux,  exposi  e  au  «Salon  de  la 

conversation>.  Le  pastül  de  La  Tour  a  CiC  trrave  par  Jules  de  Goncnurt.  II 
ügure  BOUS  le  no.  79  de  son  CEutrc  gravee,  au  cabinet  des  Estampes  de  la  Bibliothfeque 
nationale. 


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Frod'homme,  tfarie  Fei  il71d-1794i.  517 


Vers  en  i  liouneur  de  M"*  Fei. 

Plusieurs  pieces  de  vers,  adressees  h  M'l«  Fei  par  des  adiairateur»  de  ?on  talent 
oDt  ete  cit«les  au  cuurs  de  Tetude  qui  prüc^de.  Eu  voici  d'autxes  qui  n'oat  pu  y 
trovcwe  place: 

1. 

Si  Tamour  jouit  de  ea  gloire, 
Belle  Fei,  il  le  tieut  de  voua: 
Son  empire  semble  plus  doux 
Lonque  rum  dumtei  «a  Tictoiret). 

2. 

£pttre  äMll'Fel  en  lui  envovüiit  les  paroles  du  Retour  du  i^nntemps 

Toi  dont  la  vuix  tendre  et  touchaute 
Semble  etn  rorgtne  dos  Dieoa^ 
Toi,  doni  let  telents  pfteienx 

Te  rendent  phis  int^MlMllte 

Que  la  Divinit«'  charmante 

Qui  jadis  brillait  dann  les  cieuxl 

Aiinablc  Fcl,  üiabellis  uu  ouvrage 

Qai  n'a,  pour  plaire  et  ponr  etre  Mfanir^, 

Que  Oes  tdei»  dont  romque  ttsetnblage 

Enl&ve  et  force  le  suffrage 

Da  oeaiear  le  plus  äokürä. 

28  decembre  1772  (sicj. 

8. 

m*  F£L. 

De  la  tendre  IRiQoinele 
Fei  est  le  parfait  modele 

Ses  acceiis  melodieux 

Sauroient  enchanter  les  Dieux. 

Musique  tendre  et  legere, 

Air  badin,  air  serieux, 

Air  barbare^  air  gracieux, 

Dans  son  gosimr  tout  vent  plaixe*;. 

VT. 
<i.  Fei. 

Apr^s  avoir  Buivi  la  cantfitrioe  Marie  Fei  dans  su  vie  publique  et  dans  sa  vie 
priv^e,  ü  o»  peui  etre  sans  iuteret  de  dire  quelques  mots  sur  soa  fr^re,  le  peu  que 
r^T^ent  Im  doenmmU  oontemporaiiiB. 

81  Ton  en  eroit  nne  des  letties  de  Voltaire  rapportte  oi-dessus,  il  serait  a?aiit 
le  Tieil  ami  du  patriarche  de  Femay;  Thiwiot,  plus  jeone  que  Voltaire,  de  douM  ans, 

1)  D^apr^s  Gr6goir,  Des  Ghires  de  l'Opera^  t.  II,  p.  290:  annee  i7j<J. 

8)  Gr^goir,  qvi  eite  oes  vers  {Des  Ohira  de  POptra,  II,  p.  178)  k  Vaani»  1787 
tout  en  les  datant  de  1772,  eignale  u  la  fin  de  1755,  aux  Italiens,  oii  la  cantatrice  no 
semble  jamais  avoir  paru,  uue  r«''p<^tition  du  Retour  du  FrintempSf  de  Pkilidor. 
«oü  M^ie  Fei,  ajoute-t-il,  se  distingua»  Jd.  ibid.  p.  124 . 

3)  TraTonol,  La  Qaierie  de  PAeademie  rt^ale  de  mueique  (1784),  p.  37. 

34* 


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Ö18  J  -G-  Prod'homme,  Marie  Fei  ;1713.1794;. 

^Uit  de  16%.   G.      Fei  aiirait  dooc  eu  environ  ringt  «nt  de  pln«  qoe  ta  MBtir; 

on  a  va  qn'cii  175^6,  il  s'c'tait  rctiri-  en  mrinc  tcmps  qu'elle  de  TOpera.  II  y  rentra. 
Sans  doutc  avcr  eile  raiuiee  suivaiiie.  Le  «C'aieudrier  des  Spectacles»  Ic  cite  en  1752  et 
eu  1753panxii  les  basses-iaillea  de  rAcadtinüe  royale  de  musique,  Travenol,  danB  «>on 
«Hittoire  de  l'Opära»  (^tion  de  1763,  p.  174j  doniwnt  V4itt  do  Coticert  spirituel  en 
1751,  le  pleoe  psmii  l»  teille«,  m  qnatcitaie  mig.  H  prit  m  retreite  probeblement 
k  Paquei  en  1753.  Et  le  tOalendrier  des  Spectadei»  chaque  annee,  de  1754  a  1772, 
le  nomme  parmi  los  Pensionnaires  de  rOpera;  il  rfeerait  !a  modiqne  penssion  de  300 
li\Te8.    On  peut  donc  conjecturer  que  le  fröre  de  Marie  Fei  mourut  en  1772. 

Q.  Fei  nous  est  d'autre  pari,  revcle  comme  compositeur,  par  Or^goir,  qui  Signale 
en  1730,  h  pQbücfttioii  de  *rÄmotir  ftäem^  eaatatille,  peroles  de  A.  X.  Hardootn  d'Ar^ 
ras,  musique  de  G.  Fei»  >}  et  per  le  «Uercure  de  Fnuee»  de  d^mbre  1746,  qui  pu« 
bliait  Tannonec  <>uivante: 

«M.  Fei,  ordinaire  de  TAcademie  Koyale  de  Musique,  a  exposc  en  vente  son 
Cond  Livre  de  Uantatillea  Fran^oises.   Les  äix  Cantatilles  qui  composent  ce  second 
livre  lont  let  ytia  <fe  Vamour^  Fepretm  rieiproque,  Chettmue  fanOty  rmeoiuittnt, 
CaeeetU  du  eceur,  Fheuretue  Vieäleste.  Oette  denuere  est  «  deox  Toix,  Elles  se  de- 
bitent  airx  adrcsses  ordinaires,  et  cbez  TAuteur,  nie  Saint-Thomas  du  Louvre.»^ 

La  Hibliotliequo  nationale  de  Paris possMe  dans  sa  section  de  musique  un  rf- 
cueil  des  douze  Cantatilles  de  G.  Fei;  les  six  demi^res  sont  Celles  signalees  par  le 
€Mercure».    I^es  premi^res  sont  intitulöes:  Le  Langage  de»  Teux;  Le  mot  difficüe 
Le  Oourrma  htulUe;  Le  Vra4  iHrmr;  Amom  Asmm, 

La  troisieine,  ainsi  qoe  VBatmme  FmU»  du  seoond  livre,  est  ^crite  poor  besse* 
taille ;  la  düiizii-mc  et  dcmi^^^^,  h  deux  voix,  portc  en  sous-titre:  Anacnnri  ((•  V Amnur. 

Le  premier  Livre,  p-ravt-  par  T)e  (llaiul,  <iraveur  du  ]\oi,  se  veiidait  ehez  l'auteur, 
cbez  Madame  Buiviu  et  che/  le  Sr.  Le  Clerc;  le  secoud,  grave  par  M"'*'  Brouet,  se 

vendeit  en  ontr«  ehes  MD«  Oa8tagner>\ 

Ssiis  donte  A&aie  Fei  et  son  iths^  cbuitdrent,  seit  dam  des  coneerts  peiiieoUen, 

8oit  au  Concert  spirituel,  ccs  compositions,  comme  il  en  fut  tant  publiu  a  repoque;  oom- 
position«  «i'niu>  assez  facile  execution,  souvent,  comme  les  romances,  d'une  lamentable 
banalite,  qui  servaient  aurtout  h.  faire  valoir  le  cbauteur,  et  satisfaisaieat  les  gouts  mu- 
sicauz  de  noe  aneetrei. 

II  est  vnisemblable  de  supposer  que  trh&ntifere  Fei»,  ni^  de  la  cantatrioe,  dont 
il  est  (|uestion  dans  les  doeuments  de  T^poque  revolutionnaire  rapport^  oi-dessus,  Aait 
unc  fille  du  mupicicn.  Peut-etre  meme  est-ce  d'elle  qu'il  s'agit  lorsque  les  «Sj>pc- 
taeles  de  I'aris»  indiqueut  pariiti  les  choristes  du  Concert  spirituel  une  demoiscUe  Fei, 
et  uou  de  raucienne  «recitante>  du  meme  Concert. 


1)  Grögoir,  De^t  (Hoirtt  de  VOpi'ra,  I,  p.  18ö. 
2i  Mrr'  urr  de  Frame,  1748,  decembre,  II,  p.  167. 
3j  Sous  la  cOte  YM  7,  383-394 


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WülieliD  Altmuui,  Meywbeef'PorMibungen.  519 


Meyerbeer-Forsohungen. 

* 

Archivalische  Beitr&ge 

ftut  der  Bogiatrator  der  GeneraUntendsator  der  KBoigliolieB  Sohaiiqiiele  «i.  Berlin*) 

mitgeteilt  von 

Wühelm  Altmann. 

(Friedeiuw'Berlin.] 

I.  Die  ersten  BesieliuigeM  Meyeri»eer*8  cum  BerHner  Openihaiu. 

Als  Meyerbeer,  der  Solin  des  in  Berlin  sehr  angesehenen  Banqiiiers 
Jakob  Hertz  Beer  in  Italien  mit  seiner  Oper  >Romilda  e  Constanxa* 
Aufsehen  erregt  hatte,  war  es  ganz  natürlich,  dafi  Graf  Brühl,  der 
Oeneral-Intendant  der  Berliner  Schauspiele,  sich  an  den  Täter  des  jungen 
Künstlers  wandte,  um  die  Partitur  zu  erhalten  (30.  August  1817).  Doch 
gelangte  diese  Oper  »Bomüdac  nicht  zur  Aufführung;  vielmehr  war  das 
erste  Werk  M^rheer^s,  das  im  Berliner  Opernhaus  in  Soene  ging,  die 
Oper  >Eimna  Ton  Boxburgh«,  die  es  freilich  nur  auf  drei  Aufführungen 
brachte.  Doch  muS  Graf  Brühl  von  der  Musik  einen  sehr  guten  Ein- 
druck gehabt  haben;  denn  wenige  Ts^  nach  der  Premix  der  »Emmac 
(11.  Februar)  wandte  er  sich  am  20.  Februar  1820  wieder  an  Meyerbeer's 
Vater,  um  von  diesem  die  Partitur  des  mittlerweile  von  seinem  Sohne 
komponierten  »Abimelechc  (Alimelli)  zu  erbitten.  Ob  er  sie  erhalten  hat, 
konnte  ich  nicht  feststellen;  jedenfalls  aber  ist  diese  Oper  in  Berlin  nicht 
gegeben  worden. 

Erst  als  Croeiaio  m  ^pio*  in  Italien  Mqrerbeer  zu  einer  Be* 
rOhmÜieit  gemacht  hatte,  wandte  sich  Graf  Brühl  direkt  an  den  Kom- 
ponisten; unter  dem  17.  Oktober  1825  erbat  er  Ton  ihm  die  Partitur 

des  yCrnciato^  und  mußte  diese  Bitte  noch  eiiim.il  am  0.  Dezember 
wiederholen,  da  sein  erster  Brief,  den  der  General-Musikdirektor  Spon- 
tini  hatte  befördern  wollen,  verloren  gegangen  war.  Sehr  schmeichelhaft 
war  CS  übrigens  für  Meyerbeer,  daß  Spontini  ihn  am  24.  Oktober  1826 
aufforderte,  eine  Oper  speziell  für  das  Berliner  Operphaus  zu 
komponieren. 

1)  Ich  vorfrhlc  nidit.  Sr.  Excellenz  dem  Grufon  ITochberg  für  die  mir  seiner- 
zeit erlaubte  Benutzung  der  Kegistratur  auch  an  dieser  Stelle  zu  daakeu;  zu  großem 
Danke  bin  idi  such  Herrn  Hofrat  Maeder  fUr  Mina  liebaiiwürdige  Untentütsniig 
v«rpflteht«t.  Auch  H«rm  Intondantur-Sekretitr  Goldammer  idudde  ich  iOr  teme 
stete  Hüfsbereitadiaft  herzlichen  Dank.- 


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620 


•'Willlelm  AKmmiij  Heyerlwer-FonohniigeB. 


Aus  dem  Antwortschreil)en  Meyerbeer'a  (der  mittlerweile  nach  Berlin 
zurückf^ekehrt  war)  r^ii  Graf  Brühl  vom  11.  Dczemher  1825  \^irfi  man 
nur  eine  beiir  ^'ünstige  Meinung  von  Meyerbt-er  s  kimstlerischen  Intenti- 
oueu  erhalten.  £s  lautet,  soweit  es  für  unsere  Zwecke  in  betracht  kommt, 
wie  folgt: 

».  .  .  Dero  Anfrage,  ob  es  bereits  eine  deutsche  tlb  er  setz  u  ug  der 
Oper  ,//  Orociato  in  Egitto^    J?ibt,  glaube  ich    mit   Xein    V)eant\vorten  zu. 
können;  wenigstens  ist  mir  keine  hekaunt    £s  haben  mir  []]  zwar  bereits  zu 
daaMOi  Zweeke  mehrere  Dichter  die  Partitur  begehrt,  dleiit  ich  habe  ei» 
stete  ehgeschlagen,  da  es  meine  feste  Übeneugnng  ist,  daß  der  fCroeiato* 
in  deutscher  Übertragung  auf  deutschen  Bühnen  nur  einen  gänzlicl» 
ungünstigen  Erfolg  haben  kann,  weshiilb  ich  auch  nicht  einmal  die  Par- 
titur mit  mir  hierher  gebracht  habe.    Meine  Gründe  für  diese  Ansicht  be- 
ruhen zum  Teil  auf  die  [!]  Dichtung,  die  trotz  der  unendlichen  Komplikstton 
des  Dramas  deimo<li  so  monoton  und  ennfidend,  so  unmotiTiert  und  lrsg<- 
mentarisch  ist,  daß  TOn  dieser  Seite  nur  Mißfallen  zu  erwarten  Wftre.  Be- 
sonders  würde  du-^es  mit  der  ganz  eingeschobenen  Rolle  der  »Felicia'  der 
^all   in-'iu.    die    ein  so    dnunatischef?  Pnhlikum   als   das  hiesige  kaum  wohl 
dulden  dürfte,  und  doch  iät  in  muuikuliächer  Hinsicht  (besonders  der  En- 
semble-Sttteke  halber)  diese  Bolle  so  wichtig  geworden,  daß  sie  trots  ihrer 
dramatischen  Nullität  nicht  nur  nicht  hinweggelassen  werden  könnte,  sondern 
fdes  Terzetts  halber)  nicht  eirnnal  der  Charakter  derselben  umgeformt  werden 
konnte.  —  In  der  Musik  selbst  würden  gewiß  viele  Einzelheiten  der  Gesangs- 
formen [durch  die  Individualität  der  italienischen  Sänger  und  den  Geschmack 
des  italienisohen  Publikums  bedingt]  ein  denteches  Publikum,  besonde»  als 
Produkt  eines  deutschen  Tonsetsers  nicht  ansprechen;  und  dodi  sind 
wiederum  di^  G^aangsfomien,  wie  zuHillig  und  außerwesentUeh  sie  auch  er- 
scheinen mÖL'en,  so  fest  in  die  Wesenheit  des  Ganzen  eingewoben,  daß  auch 
liie  kleiubto  Änderung  derselben  ohne  Zerstörung  der  Totalwirkung  nicht 
geschehen  kann.  —' 

»Endlich  bietet  die  Bollenbesetsung  des  yCkoeiaio^  (dieses  wesentliche 
SSrfordemis  zum  Gelingen  jeder  Oper  und  bti^onders  einer  italienischen]  un- 
endlich»; Schwierigkeiten  dar.  Die  Hauptpartie  der  Oper,  ,Armattdo\  ist  für 
Velluti')  komponiert.  Nicht  nur  dessen  Stimuienlage,  auch  die  ganze  Gesangs- 
weise dieses  Künstlers  ibt  ao  sehr  eigentümlich  und  schwierig,  daß  diese  für 
ihn  berechnete  Bolle  nur  2  unter  allen  italieniB^en  S&ngerinnen  mit  Qlfick 
nach  ihm  abordieren  konnten.  Fast  jede  Sängerin  wird  swar  irgend  ein  ein- 
zelnes Musikstück  dieser  Rolle  ihrer  Stimmenlage  und  Gesangsweise  anpassend 
finden ,  da  Vellutis  Stimmenumfang  fn  sehr  groß  ist  und  sein  Stil  so  viele 
Genres  umfaßt,  aber  eben  deshalb  paßt  auch  die  ganze  Bolle  nur  ihm. 
Ferner  erünrdert  die  BoUe  der  ,Felicia*  einen  ungew&hnlidi  tiefen  Eontre* 
alt,  der  hilufig  auf  g,  a,  b  sogar  sillabierten  Gesang  hat,  weldier  der  Tielen 
Ensemble-Stüdcen  halbw  durchaus  nicht  h5her  zu  legen  ist 

»So  höchst  unangenehm  es  mir  dfjher  sein  niüllte,  wenn  der  ,Crociato* 
in  deutscher  Übertragung  in  Berhn  gegeben  würde,  ebenso  erfreulich  würde 
es  mir  sein,  ein  eigenes  Werk  für  die  königliche  Bühne  meiner 
Vaterstadt,  auf  die  IndiTidualit&t  der  hiesigen  braven  Sänger  und  den  Qe- 

Ij  Giovanni  BattisU  Velluti,  der  letzte  berBhmte  Gsstrat,  geb.  1761,  f  1861. 


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Wühfllm  Altintiin,  Hey«rbe«r>FondMiiigeii. 


621 


schmack  des  PubliktimB  berechnet,  zu  komponieren.  Die  Aufforderung  Sr. 
Majestät  des  Königs  erfüllt  mich  daher  nicht  nnr  mit  ehrfurchtsvoller  Er- 
kenntlichkeit iui'  dm  ehrenvolle  Zutrauen  meiue»  gnädigen  Muuurcben,  sie 
begegnet  auch  mein«!  Wünschen ,  vnd  idi  Mfame  sie  daher  umso  dankbarer 
an.  Diese  Oper  aoU  meine  erste  Arbelt  sein,  sobald  ich  meine  beiden  frü- 
heren Verpflichtungen  gelöst  habe,  zu  deren  Erfüllung  ich  kontraktmäßig  ver- 
bunden bin.  Es  sind  dieses  eine  italienische  Oper  für  das  Königl.  Thonter 
S.  Carlo  au  Neapel  und  eine  französische  Oper  fQr  die  Äcademw  royaie  de 
mtutfue  m  Paria.  Di«  lateta  diaaer  baiden  Opern  bin  ich  Terpfliahtat  Tor 
dem  ginsUcben  ScUnasa  daa  kttnftigea  Jahres  auf  die  BidiBa  gebraeht  zu 
haben.  Von  1827  an  kann  ich  also  einzig  und  allein  maino  Kräfte  der 
Kompoaiüon  eines  Werkea  für  Berlin  weihn  .  . .« 

Anf  mderholtes  Dzängen  Spontini^s,  der  auch  gern  Meyerbeer'a 
Oper  »Mar^ienta  tPAngü^  *)  anfgeftlhrt  hättei  schrieb  der  G^eneral-Inteiir 
dant  Graf  Brühl  nodi  einmal  (mehr  als  awei  Jahre  apftter),  am  1.  Januar 
1828  wegen  Überlassung  des  »Crodalo*,  Die  Antwort  Meyerheer's 
(Berlin  13.  Juni  1828}  lautete: 

». .  .  Erst  vor  wenig  Tagen  von  dam  Erankenlagor  erstanden,  worauf  midi 

der  Gram  um  den  Verlust  meines  einsigen  Kindes  warf,  war  ieh  bia  jetat 

außer  Stande,  Ew.  Hochgeboren  verehrte  Zuschrift  vom  1.  dieses  zu  beant- 
worten. Die  traurige  T^i-sache  meine??  Stillschweigens  wird  Ihrem  fehlenden 
Herzen  gewiß  als  hinlängliche  Kechtfertiguug  desselben  erscheinen. 

»Es  gereiaht  mir  snr  besonderen  Beruhigung,  daß  Ew.  Hochgeboren  in 
Ihrem  Briefe  der  [!]  Qrttnda  ehrend  erwShnan^  weldba  mich  bewogen,  schon 
vor  anderthalb  Jahren  dero  Anffbrdemng,  die  Partttor  meiner  Oper  ^21  Oo- 
cinfn'  dem  Könij]fl.  Tloftlieater  zu  geben,  nicht  ent£»erjen  zukommen.  Tch 
darf  daher  um  so  eher  zu  bekennen  wagen,  daß,  da  sich  in  der  Lage  der 
Dinge  seit  danial.<)  nichts  verändert  hat,  auch  meine  Ansicht  gegen  die  Auf- 
fOhröng  des  ^Grodah*  dieselbe  geblieben  ist.  Da  ich  indeß  so  glücklidi  war, 
daß  damals  meine  Vorstellnngen  bei  Ew.  Hoc1i>r«>l)oren  Eingang  fanden  und 
mithin  einem  Manne  genUgten,  der  strenge  Rechtlichkeit  und  Loyalität  mit 
der  tiefsten  Kenntnis  des  Kunstwesens  vereinigt,  so  darf  ich  hoffen,  daß 
auch  Herr  Spuntiui  meine  Ansichten  billigen  und  ihnen  beitreten  wird, 
wenn  er  sie  durch  Ihren  Hund,  verehrter  Harr  Graf,  nnd  dnreh  Ihre  gewichtige 
BiUignng  unteratQtat,  kennen  lernen  wird,  um  so  mehr,  da  ich  voranHetxen 
darf,  daß  Herr  Spontini  nur  mit  wohlwollenden  Absichten  für  midi  nnd 
mein  Werk  wird  handeln  wollen. 

»WuB  übrigens  meinen  d.nmals  ausgesprochenen  "Wunsch  betrifft,  lieber 
auf  dem  Königli eben  Huitlieuter  mit  einer  neuen  (iur  die  Individualität 
der  Binger  berechneten]  Oper  au  debntieren,  so  ist  er  zwar  derselbe  ge- 
blielx  ii,  :i1)t'r  es  ist  mir  nnterdeß  gelungen,  in  den  Besits  eines  (wie  mir 
sclieiiit  trefflichen  Opernbuchs,  von  Herrn  Scribe  verfaßt,  zn  g-elanjyen,  der 
es  mir  indeß  nur  unter  dem  Beding  überließ,  dnß  die  Op,  r  zuerst  in  Paris 
gegeben  würde,  weil  er  außerdem  seiner  (in  Frankreich  sehr  bedeutenden] 
Antor-Bechta  davon  verlustig  ginge.  Ich  meinarseita  habe  mir  dagegen  vor- 
behalten, Buch  nnd  Musik  dieser  Oper  am  Abend  nach  der  ersten  Vorstellung 


1)  1820  im  Mailander  Scala-Theater  anfgefUhrt. 


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522 


Wilhelm  AUmann,  M^erbeor-FonobuBgeo. 


demlbeii  in  Paris  düm  ESnigL  HofUieat«r  tu  Berlin  senden  ra  difftni. 
Herr  General  von  Wits leben  hat  die  Güte  geliebt,  8r.  H^jeeUt  dem  König 

von  mir  die  Bitte  TanAtMgen,  ob  Sr.  Maj«  ^tät  irt  i-uhen  woIlt«n,  diese  Oper 
an  die  Stelle  derjenigen  «nsunehmen,  welche  Sr.  Mi^eet&t  mieh  sn  Hfihrei,hep 

beauftragten. 

»Schließlich  wolleü  Ew.  Hochgeboren  mir  erlauben  diejenige  Stelle  Ihres 
Briefes  za  beriehtigen,-  worin  sie  mir  anseigen,  von  Herrn  Spontini  offiai^ 
erfahren  zu  haben,  daß  man  jede  in  Italien  aufgeführte  Oper  (mithin  andl 
d«'ii ,  r'/vv'  /'/to'j  in  allen  dortipm  Mnisikläflfn  öffcnt  licli  i-rbalten  kann.  M«-istpn- 
ti'iU  mag  dit'sf.'s  wohl  der  Fall  sein,  allein  ich  kann  Kw.  Hocbgebureu  mtsiju-ii 
Kontrakt  mit  dem  Direktor  des  Teatro  uiia  Jenün  in  Venedig  (für  welches  ich 
den  jOrodafo*  komponiert  habe)  mitteilen,  woraus  £w.  Hochgeboren  ersten 
werden,  daß  mir  das  ansBchUeßliche  Eigentumsrecht  meines  Wer- 
kes bedungen  war.  Da  es  indeß  später  mit  meiner  Bewilligung  in  vielen 
Städten  Italiens  gegeben  ward,  i'o  wnr  es  natürlich  und  leicht,  daß  viele  Ko- 
pisten heimliche  Abschritten  davon  nahmen,  und  so  nach  und  nach  viele 
M usikUden  in  den  Besits  davon  kamen.  Doch  kann  dieses  natOrlich  der  Krall 
meines  stipnlierten  Bedits  keinen  Eintrag  tun,  und  selbst  in  Italien  hat 
wenigstens  jedes  bedeutende  Tlieuter  immer  meine  EinwiHigUDg  zur  Anfinb- 
rung  des  Werkes  vorher  nachgesucht.» 

Graf  Brülil  aber  sollte  nicht  diese  neue  Oper  Meyerbeer's,  den 
»Bobert«,  auf  die  Bediner  Bühne  hriagen;  es  fiel  diese  Au^be  seiiiein 
Amtsnachfolger  Graf  Bedern  zu.  Becht  interessant  ist  folgender,  an 
diesen  Von  Meyerheer  aus  Paris  gerichteter  Brief  vom  8.  April  1831: 

»Wie  vielen  Dank  weiß  ich  dem  Herrn  Baron  fWüMmJ  von  Humboldt^!, 
daß  er  mir  die  Gelegenheit  verschafft  hat,  Ew.  Hochgeboren  persönlich  sagen  ma 
können,  mit  welchen  freudigen  Hoffnungen  ich  wie  gewiß  auch  alle  andren 
Künstler  Sie  an  der  Spitze  der  Königl.  Theater  «eben.  "Wie  5eh<»n 
vereinigen  sich  wie  bei  Ew.  Hocbguboren  die  Unabhaugigkeit  von  allen 
Bücksichteu  (dies  schöne  Prärogativ  Ihres  hohen  Standpunktes)  mit  Ihrer 
wahren  Kunstliebe  und  Kunstbildung.  Um  so  mehr  freut  es  mich  für  meine 
Taterstadt,  daß  eben  am  Berliner  Kunsthimmel  die  neue  Morgenröte  leuchtet. 

»Teb  sebe  die  vielen  Hindernisse,  die  sieb  i außer  dem  Theaterbereich'' 
bisher  der  hiesigen  Aufführung  meiner  Opt  r  .Ji'thrrt-fi  -1  >i(il>lf'  t'nt;,'egen  setz- 
ten, nun  fast  als  eine  Vergünstigung  iur  mein  Werk  an,  du  ich  jetzt  die 
Hoffnung  habe,  es  unter  der  oberen  Leitung  Ew.  Hochgeboren  auf  die 
Berliner  BOhne  bringen  zu  sehen.  So  rasch,  wie  ich  dieses  sehnlich  wünsche, 
kann  dieses  nun  freilich  nicht  geschehen.  Der  häufige  Wechsel  des  bie.-itjen 
Ministeriums  hat  auch  die  Leitung  der  Operndirektion  verändert  \x\n\  .«eit 
mehrere  Monate  |^!]  deren  Tätigkeit  gänzlich  gelähmt,  so  daß  von  meiner 
Oper,  die  in  diesem  Augenhlieke  schon  hüte  gegebou  sein  sollen,  kaum  die 
proben  begonnen  haben.  Schwerlich  wird  sie  also  (bei  der  hiesigen  Langsam- 
keit) vor  Ende  Juli  in  die  [!]  Scene  sein,  und  die  Autor*Bechte  meiner 
Dichter  erlauben  mir  nicht,  das  Werk  ircfond  einer  nnderen  Bühne  zu  über- 
geben, ehe  es  hier  nuf  der  großen  Oper  dargebtellt  i^t.  Unmittelbar  nach 
der  ersten  Auflülirung  aber  sende  ich  die  Paiütur  nach  Berlin,  und  da  £w. 

1;  Uaraala  preußischer  Uc^nndter  in  Paria. 


Digltized  byj^ogle 


Willielni  AltmMui,  Meyerbeer-7or*duiiig«iL 


623 


Hochgeboren  sich  dort  ihrer  unnehmen  wollen,  weiß  ich  «ie  unter  dem  8diuts 
der  Kunst  und  des  Wohlwollens. 

>Alle  Henseignements  übrigens,  die  Kw.  Hochgeboren  Uber  hiesige  Kunt$t- 
werke  und  Xfinstler  jetzt  nnd  künftig  zu  erfakren  wUnBchen|.  wwde  ich  stets 
bereit  sein,  mit  der  größten  Frende  nnd  AoslAkrlielikeit  sn  geben  .  .  .< 

•  « 

Mit  Bezug  auf  diese  Äußerung  Meyorheers  bat  ilm  Graf  Reclcrn 
unterm  30.  April  1831  sich  zu  urkuiRligeii ,  unter  welchen  Bedingungen 
die  Sängerin  Malibran  im  Laufe  des  Jahre»  iu  Berlin  gastieren  würde. 
Darauf  antwortete  Meyerbeer  am  1.  August  1831  von  Paris  aus,  wie  folgt  • 

>Wie  nachlässig  muß  ich  iu  den  Augen  Kw.  Hochgeboren  erscheinen  uml 
doch  darf  ich  mir  sagen,  daß  nur  der  AVuusch,  £w.  Hochgeboren  nützlich 
sein  zu  können,  mich  zu  dieser  Ssnmseligkeit  Terleitetq.  Einige  tage,  ehe 
ich  Ew.  Hochgeboren  geehrtes  Sehreiben  erhielt,  war  Madame  MaliVran 
verreist.  Niemand  wnßte  bestimmt  wohin.  Einige  meinten,  sie  sei  nach  der 
Schweiz,  andere,  nie  ?ei  nach  Holland  gegangen,  viele  hchiiupteten  wiederum, 
sie  auf  dem  Wege  nach  Italien  zu  wissen.  iJie  vürhchiuUeasten  Gerüchte 
verbreiteten  sich  Qber  den  Zweck  dieser  mysteriösen  ßeiae,  die  dironique 
wandalmM*)  ermangelt  nicht,  die  tTrsadie  nach  ihrem  Sinne  zu  deuten.  Ich 
beeilte  mich  indeß,  nach  jeder  der  Richtungen,  die  man  mir  uls  Madame 
IMiililjran'.s  moTncTitnTien  Anffiithalt  andeutete,  zu  6chrt'i])(>n  und  ihr  die  wohl- 
wulh^nde  Ahsicht  K\v.  HocliLfthoreu  hinsichtlich  ihrer  mitzuteilen",  Monate 
verstrichen,  in  denen  ich  täglich  untsunät  auf  eine  Antwoil  wartet«.  In 
dieser  Woche  erfahre  ich  sn  meinem  Erstannen  und  Leidwesen,  daß  Madame 
Malibran  in  keinem  der  Orte  sei,  wohin  ich  meine  Briefe  für  sie  ^reiichtet 
habe,  sondern  ganz  zurückgezogen  auf  dem  Lande  in  Belgien  lebe.  Ich 
sehrieh  ihr  nun  sogleich  unter  der  mir  cregebenen  Adresse  und  sehe  mit  Unge- 
duld einer  Antwort  entgegen,  die  mich  endlich  dem  sehulicheu  Wunsche,  £wi 
Hochgeboren  zu  dienen,  nachkommen  ließe.  Pas  absLchtUehe  Dunkel,  wei- 
ches Itber  die  momentanen  VerhXltnisse  der  Madame  Malibran  gezogen  ist, 
scheint  mir  so  auffallend,  daß  es  unter  diesen  ümatSnden  andi  wohl  mög- 
lich wäre,  sie  schlüge  das  AtHnhieten  Ew.  Hochgeboren  in  diesem  Autren- 
hlicke  aus,  wie  SLhineichelhatt  es  ihr  auch  fon«t  sein  mag,  wie  sehr  ich  sie 
im  allgemeinen  geneigt  glaube,  es  anzunehmen. 

•hl  diesm  Falle  bemerke  ich  Ew.  Hochgeboren,  daß  Madame  Pasta 
die  jetzt  den  Gipfel  der  Kunst  erreicht  hahen  soll,  Anfangs  September  hier 
eintrifft.  Diese  Sängerin  l>t  zwur  für  den  Karneval  in  Mailand  engagiert, 
wird  aber  in  den  ersten  Frühlingsmonaten  ganz  frei  und  würde  dann  f^ewiß 
sehr  gern  eine  Exkursion  nach  Deutschland  machen.  Jeden  Aultrag,  den  mir 
Ew.  Hochgeboren  in  dieser  Beziehung  geben  wollen,  werde  ich  mit  Freuden 
vollziehen  nnd  hoffe  midi  in  den  Besnltateu  meiner  TTntexhandlungen  pOnkt- 
lieber  zeigen  zu  können. 


1)  Schon  1831  begannen  die  intimen  Beziehungen  der  Maria  Malibran  geb. 
Oarcia  ;geb.  24.  Mär/.  IPOS  zu  lL  iu  Violiiiviituosen  de  B^riot,  mit  detn  sie  sich 
183B  nach  ihrer  S«  heiduug  von  ihrem  ersten  üatten  vermählte.  Sie  hat  übrigens  in 
Berhn  nicht  gesungen. 

8)  Oiuditta  Pasta,  geb.  Kegri  (geb.  1796,  f  1.  April  1863)  wurde  nicht  nach 
Berlin  zu  einem  Gastspiel  berufen. 


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524 


Wilhelm  Altmann,  Mfliyerbeer«f  orteboogen. 


»Keinesweges  habe  ich  indeß  bestimmte  Gründe  zu  vermuten,  daß  Madame 
Mal  ihr  an  nicht  nach  Berlin  komman  könnte;  ich  sehe  im  Qegeniefl  einer 
Imldigen .  Antwort  anliegen ,  die  ich  im  Augenblick  Ew.  Hochgeboren  mit- 
teilen werde  . . .« 

Für  Graf  Redem  führte  Meyerbeer  auch  Verhaiidiun;^'«'»  über  ein  Gast- 
spiel des  Balletmeisters»  Tagliuni  und  seiner  Tochter  in  Piiris;  ein  Brief 
Meyerbeer's,  der  auch  auf  Wunsch  viele  Dttaik  über  »Robert«  entlii*  lt. 
ging  leider  verloren.  Meyerbeer  rekapitulierte  dann  nochmals  tli« 
Hauptsache  am  4.  Februar  1832.  Aus  diesem  Briefe  seien  hier  folgende 
Stellen  wiedergegeben: 

».  .  .  Herr  Baron  von  Hnmbold't  .  .  .  teilte  meine  Meinung,  dafi  nicht 

nur  D™*  Taglioni*B  Dsnätilhuigtii  überhaupt  von  allerhöch;<ttin  Interesse 
für  das  Könlgl.  Tlirater  in  Berlin  ^c'ui  würden,  sonrlrTn  daß  est  auch  für 
den  ErfoK''  Ihjhrrt  Jr  dinhlr  iu  Berlin  von  größtem  Nutzen  wäre,  wenn  es  sich 
Bo  fügen  wollte,  daß  da»  Einstudieren  dieser  Oper  bis  zur  Anwesenheit  des 
Herrn  Taglioni  nnd  seiner  Tochter  in  Berlin  aich  verzSgeni  kSnnte,  da  der> 
aelbe  nicht  nnr  die  Balleta  dam  hier  gemacht  hat,  sondern  auch  6ie  höchst 
komplicierte  mtse  m  sccne  leitete  und  außerdem  alle  Detnik  der  sehr  a^wie» 
rig  auszuführenden,  aber  sehr  efiektvgllen  DekorMtirmen,  Maschinerien.  t?es 
magischen  Moudticheius  etc.  kennt  und  angeben  könnte.  Außerdem  ii^t  auch 
die  £,olle  der  Äbtissin  Helene  in  dieser  Oper  fttr  D"*  Taglioni's  Individua- 
litSt  von  Herrn  8  cribe  geschaffen  worden,  nnd  sie  hat  sie  mit  nnnadialim- 
lieber  VoUkommenheit  in  den  ersten  Torgtüllongen  getan/t,  indem  ein  FnA- 
Übel  sie  nach  der  4^"  Vorsti  llung  auf  6  Wochen  von  ih  r  Bühne  entfernt  hat  .  .  . 

»Meine  zweite  Anfrage  betraf  zwei  Dekorationen:  die  des  Kloi^teikirch- 
hofes  mit  den  Grübern  im  3.  Akt  und  die  der  Kirche  im  5.  Akt.  Beide 
sind  nach  einem  so  neuen  Systeme  (namenÜich  auch  in  der  Beleuchtnnge- 
procedur)  verfertiget  und  bringen  eine  so  dioranKniihnlicLe  "Wirkung  hervor, 
daß  schon  mehrere  fremde  Theater  allhier  sich  kleine  Modelle  davon  ver- 
fertigen ließen.  Meine  Anfratre  rialier  ß'mtr  dabin,  ob  das  Königliche  Theater 
in  Berlin  die  Ausgabe  machen  wollte,  solche  kleine  Modelle  von  den  beiden 
b^agten  Dekoration^  von  Herrn  Ciceri  an  bestellen^  welche  alsdann  Herr 
Taglioni  Bitte  mitbringen  können. 

»Endlieh  habe  ich  auch  noch  die  Bitte  [!],  an  Ew.  Hochgeboren  die 
Bitte  zu  wnjren,  die  TTborsetzung  dieser  Oper  Herrn  Rellstab^'  zu  über- 
tragen. Eü  war  dieses  immer  mein  AVun'^ch.  und  ich  habe  denselben  Herrn 
Relliätab  schon  mitgeteilt,  noch  ehe  ich  vor  2  Jaliren  Berlin  verließ.  Stellen 
sich  also  diesem  Wunsche  keine  Schwierigkeiten  von  Seiten  des  Theaters 
entgegen,  so  wage  ich  die  Bitte,  hochverehrter  Herr  Graf,  meinen  Wunsch 

au  berücksiebti^ren. 

>Die  Partitur  ist  noch  immer  nicht  gänzlich  fertig.    Ich  hatte 


1}  IVicht  Ludwig  JEteUstab,  der  langjährige  Muaikrefercnt  der  VoMiseben  Zeitung, 
überaetste  den  »Robert«  ins  Deutsche  [wahrscheinlich  wollte  man  dem  geschworenen 
Gegner  Sponttni's  keine  Arbeit  für  das  Berliner  Opernhaus  übertragen),  sondern  Theodor 
Hell. 


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Wilhelm  Altmann,  Mey«rbeer*FoiidMingen. 


525 


sie  Bchon  seit  6  Wochen  absdirfliben  la  n,  allein  Herr  Scribe  hat  während 
der  Proben  so  viele  Änderungen  im  Stück  gemacht,  daß  sie  par  rkochct 
auch  auf  die  Partitur  sich  ausdehnten,  und  meine  vorige  Abschrift  teilweise 
nicht  zu  gebrauchen  war,  indem  ich  natürlich  die  Oper  gänzlich  äü,  wie  nie 
iu  Paris  aufgeführt  wird)  nach  Berlin  senden  wollte.  Nun  aber  hat  der 
Verleger  meiner  Partitur  dieselbe  auf  ao  vielllltige  Weise  und  fllr  alle  In- 
atnimente  arrangieren  lassen,  daß  es  mir  drei  Wodien  lang  nidit  moglioli 
war,  tlieselbe  für  meine  Kopisten  zu  erhaschen.  Es  hat  daran  immer  daher 
nur  jxir  suuts  et  bonds  geschrieben  werden  können.  Übermorgen  erhalte  ich 
die  letzten  Nummern  des  fünften  Aktes  und  kann  daher  mit  Sicherheit  den 
Abgang  des  selben  in  dieser  Woche  bestimmen. 

»Mit  dem  innigsten  ToUkommensten  Yertranen  in  Dero  hohe  nnd  liberale 
Ennatansichten ,  in  Dero  gütige  Gesitmung  für  mich  lege  ich  das  Schicksal 
meines  .Roberts^  in  Ihre  Hände,  hochverehrter  Herr  Grat',  und  ftihle  mich 
doppelt  glücklich,  daß  das  wenigst  unvollkommene  meiner  Werke  zu  gleicher 
Zeit  das  erste  ist,  welches  unter  Ihrer  Leitung  und  unter  Ihrer  Protektion 
...  in  meiner  Vaterstadt  aar  Aufl&hmng  kommt  .  . .« 

Ans  dem  Briefe  Meyerbeer^s  vom  IG.  Februar  1832,  in  welchem  er 
dem  Grafen  Bedem  anzeigt,  daß  die  Partitur  des  Bobert  endlich  abge- 
gangen ist,  dürften  folgende  Stellen  von  allgemeinem  Interesse  sein: 

»Mein  Bruder  Heinrich  hat  mir  geschrieben,  von  mehreren  Personen  ge- 
hört zu  haben,  daß  das  Kön igstädter  Theater  eine  Partitur  von  ^Rnf>rrt-Ic- 
Dmble'  bef^itze  und  dli;<e  ( )})er  ebenfalls  zur  AutTiihrung  bringen  wolle. 
Niemand  besitzt  das  ^lauutskript  dieser  Oper  und  kann  sie  verkuuleii  als 
der  Verleger  derselben,  Herr  Morits  Schee  Inger  in  Paris.  Derselbe  hat 
mir  sein  Ehrenwort  gegeben,  sie  nie,  so  lange  sie  noch  Manuskript  sein 
würde,  nach  Berlin  zu  vorkaufen,  da  er  von  mir  weiß,  daß  das  Königliche 
Theater  durch  Ew.  Hochgeboren  dieselbe  zur  Aufführung  bringen  wollen, 
.la  er  verzögert  sogar  die  Herausgabe  der  Partitur  bis  zum  Anfang  Mai, 
damit  das  königliche  Theater  in  Berlin  und  die  italienische  Oper  in  London 
(welche  letztere  das  Eigentumsrecht  für  England  gekauft  hat)  Zeit  haben, 
die  Oper  ohne  Konkurrena  der  anderen  Theater  in  beiden  Städten  auf  die 
Bühne  zu  bringen.  Freilich  ersehe  ich  aus  den  Zeitungen,  daß  das  Drury- 
laae-Theater  [!]  in  T.nnrlon  die  Oper  nächstens  ankündiget.  Aber  dort  haben 
sie  die  »Schamlosigkeit  gehabt,  die  einzelnen  mit  Klavierbcgl e ituug 
im  Stich  erschienenen  Stücke  Ton  and'eren  arrangieren  und  instra*' 
mentieren  an  lassen,  ebenso  alle  Finales,  Eneemblestacke  und  Resitative, 
W(>lc1ie  nicht  gestrichen  ist  [!],  von  andern  Komponisten  machen  zu  lassen 
und  Werden  nun  diesen  pasticcio  mit  dem  Xamen  liolurt  Ic  Th''ih!i  zn  [!] 
taufen.  Etwas  «o  T'^nkünstlerisches  und  Luwürdifjes  alier  kann  in  Deutsch- 
land nicht  geschehen,  und  ich  bin  überzeugt,  daß  das  ivönigstödter  Theater 
sich  zu  etwas  so  Unwürdigem  nicht  herablassen  würde.  Gewiß  ist  also  das 
Ganae  nur  ein  leeres  Oerficht  . . .« 

Am  20.  Jnni  1832  ist  dann  »Robert  der  Teufel«  im  Berliner  Opern- 
baus mit  großem  Erfolg  unter  Mitwirkung  der  Taglioni  zum  ersten  Male 
gegeben  worden. 


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526 


Wilhelm  Altmann,  Meyerbeer^Fonduiiigai. 


II.  Zi  Meyerbeer  8  Wirksamkeit  als  General  •Musikdirektor  in  Berlin. 

Unter  den  reponierten  Akten  der  G^eral-Intendanz  der  Berliner  König]. 
Schauspiele  habe  ich  unter  anderem  auch  einige  Briefe  Meyerbeer 's 
gefunden  (Fase.  503},  welche  deutlich  zeigen,  wie  einet  er  seine  Pflichten 
als  General-Musikdirektor  1)  genommen  hat.  Der  erste  der  im  Folgenden 
mitgeteilten  Briefe  zeugt  von  seinem  Interesse  für  die  Hofkonzerte, 
der  zweite  von  seiner  Sorge  für  die  Besserstellung  der  Kammermusiker, 
der  dritte  illustriert  seine  Bemühungen,  das  Solo-Personal  der  Oper 
zu  orc'änzen  nnd  auf  die  nötige  Höhe  zu  bringen;  auch  zeigt  er,  wie  sehr 
sich  Mcvorhccr  um  das  Opern-Bepertoir  kümmerte;  der  vierte  Brief 
endlich  betrifft  eine  Aufführung  der  »Wüste«  von  F^licien  David  im 
Berliner  Opemhause. 

L  [An  den  General-Intendanten  der  Hofmusik,  Wirklichen  Geheimen 
Rat  Grafen  von  Bedern^),  Excellenz]: 

1}  Dia  KabineUordre,  durch  welche  Meyerbeer,  seit  der  Berliner  Autfülirung  de« 
•Bob«rt<  im  Jfthre  1838  preaDisoher  Titular-Hoflnpellmeister,  zum  Qenenl-Miuik- 
direktor  emaimt  worden  ist,  laafet: 

»Dir  seit  lunger  Zeit  begründeter  musikalischer  Ruf  und  die  Beweise  Ifaret  Tm* 
lents  bei  tlciti  Einstudieren  Ihres  grninlnn  groOrn  AVt?rks  auf  ilor  Berliner  Bühne, 
welches  mit  dem  glänzendsten  Erfolge  gekrönt  wonien  ist,  hiit  den  Wunsch  in  Mir 
«rregt,  Sie  durch  ein  bleibende«  Verhältnis  Meinem  Dienste  und  Ihrer  Vaterstadt 
ZU  erhalten,  und  trene  mich,  d»8  Sie  derauf  eingegangen  «ind.  loh  ememie  Sie 
biermit  zum  Oeneral^Mueikdirdctor,  und  haben  Sie  diesen  Titel  Ihrem  bishnigen  eine« 
Hofkapellmeisters  hinzuzufügen.  Ihre  Anwesenheit  in  Berlin  will  ich  auf  sechs  Mo- 
TTiito  btsclirUnkcn.  Du  Sie  aVier  noch  ausuärtitr  lingrp^ancfpnc  Verliindlichkeilen  zn 
ertülleu  haben,  so  verlange  Ich  llire  Anwesenheit  in  den  beiden  ersten  Jahren  nur 
vier  Monate  hindurch  und,  wenn  der  Regel  nach  Ihre  Anwesenheit  in  Berlin  in  die 
SanieTalasflit  fallen  mufi,  so  vrill  Ick  doch  für  das  nüchste  Jahr  Ihnen  gestatten,  statt 
der  'Wintermonate  die  Jlfonate  April,  BW,  Juni  und  Juli  an  Ihran  Aufenthalt  in 
Berlin  zu  wählen.  Während  Ihrer  Anwesenheit  in  Berlin  werden  Sie  die  Dir^tion 
der  Hofmusiken  mit  Ausseliluß  der  g-ei^tliclien  unter  Olier-Aufwielit  des  zu  diesem 
Zwecke  von  Mir  ernannten  AN'irkiiehcn  (ieheimen  RaUs  General-lntondanten  der  Hof- 
uiuäik  Grafen  von  Kedent  ühemehmen  und  Ihre  Zeit  dem  Kiostudiereu  und  Diri- 
gieren  der  neuen  großen  Opera  Ihrer  und  anderer  Kompositioam  widmen,  auch  dem 
General-Intendanten  Meiner  Schauspiele  in  allen  musikalisdieii  Angelegenheiten  mit 
Hat  und  Tat  zur  Seite  stehen,  insofern  er  dazu  die  Veranlassung  geben  sollte. 

Wcnnj^'^leieh  Sie  a\is  Zart  sinn  das  Übersehen  de«!  Geldpunkts  wenig'stcns  im  ersten 
Jahre  gewünscht  Imben,  so  finde  ich  mich  dueh  veianlnßt.  Ilir  (ielialt  mit  dreitausend 
Thalem  sofort  festzustellen,  welches  Sie  vom  I.Januar  k.  J.  ab  aus  dem  Kroufidei- 
kommiß-Fonds  su  besidien  haben.  Ich  ^nsdie,  daß  Sie  in  diesen  Bewilligungen 
meine  große  Anexicennuag  Ihres  Talents  und  Mein  Wohlwollen  eikennen  mögen. 

Gharlottenhof,  den  11.  Juni  1842.  {gex,]  Friedrich  Wilhehn. 

An  den  Hofkapellraeister  Meyerbeer.« 

(Akten  betreffend  den  Komponisten  Meyerbecr . 

2)  Wilhelm  Graf  vou  Bedern  war  von         ilti31)  bis  1842  General-Intendant 


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'Wühehn  AHnMim,  Meyerbeer^Forschangeii. 


527 


£w.  Excelleuz 

gebe  ich  mir  die  Ehre  anzuzeigen,  daß  der  große  Gesaugskünstler  Eubini 
sich  mit  Li« st  aatoeiert  liat,  nm  gemei&sdialüich  Konserte  aaf  einer  Knnstr^ 
reise  ZU  geben,  welche  sie  Über  Holland  und  Dentidhland  nach  Rußland' 
ftlhren  wird,  und  woboi  ««it»  auch  Berlin  im  Decpmbfr  oder  Januar  benihron 
wollen.    Nun  würde  Jiian  iilx-r  Rubini  nicht   in  sfiiuT  glänzen  Trcfflie  hk<  it 
kennen  lernen,  wenn  nmu  ihn  bloß  in  oiuzulnen  Arien  im  Xoiiztiio  hörte, 
und  es  wäre  ein  Genuß,  den  sich  unser  knnstUebendes  Königspaar  nicht 
▼ersagen  sollte,  diesen  Gesangsheros  in  ('iiii(r(.>n  seiner  Glanzrollen  scenisch 
zu  hören,  denn  Kubini  glänzt  ebenso  in  den  Duetten,  Knseniblestücken  und 
dramatischen  Momenten  als  in  den  brillanten   Konzertarien.     Mehrere  der 
Upem,  worin  er  »eine  besten  Partien  hat,  als  >die  Puritaner«,  »die  Nacht- 
waaiilerin«,  »Othello«  sind  ja  anf  dem  Bepertoir  der  königlichen  Oper  nnd 
können  mit  geringer  Mühe  in  kurzer  Zeit  in  italiSnisdier  %»raehe  eingelernt 
werden.    Sollte  der  Direktor  der  italiiinisdien  Oper  in  der  Königstadt  da- 
gegen Pro(i"«t  einU'£?en.  so  könnte  «icli  Se.  Majestiif  doch  wenij^'stens  diesen 
Genuß  auf  Ihrem  Theater  im  Neuen  Palaiö  versL-li äffen.     Zum  ]}es(  hlus-^e 
dieser  Gastdaratellungen  ließe  sich  eine  Vorstellung  des  »Don  Juan«  (worin 
Rubini  den  Don  Ottavio  Tortrefflich  singt)  auf  eine  so  glanxTolle  Weise  ver- 
anstalten,  wie  Tit  tlin  dieses  unsterbliche  Mei.sterwerk  nie  hörte,  wenn  man 
die  so  vielfachen  Hollen  bi«?  auf  die  klein-ite  liernnter  mit  S^rt^falt  besetzte, 
welches  möglich  wäre,  wenn  man  die  Klite  der  königl.  Oper  und  der  italiä- 
uiüchen  Oper   in   der  Köuigstadt  zu  diesem  Zwecke  vereinigte,  den  Don 
Ottavio  von  Rubini  singen  ließe  und  das  herrliche  Final  des  1**"  Aktes  mit 
ebenso  starken  Ohormassen  wie  die  Spontini'sche  Oper  executieren  ließe.  Wenn 
eine  dergleiche  Vorstellung  auf  Befehl  Sr.  Majestät  oder  zum  Besten  der 
Armen  veranstaltet  würde,  so  könnte  das  Könij^tiulter  Theater  seine  Mit- 
wirkung nicht  vorsagen,  und  es  gäbe  einen  Kunstgenuß  der  reinsten  und 
edelsten  Art,  unseres  hohen  Königspaar  ganz  würdig.  —  Diese  Idee  kam 
mir,  als  mich  Rubini  Tor  seiner  Abreise  mit  Liszt  besudite  und  sie  mir 
ihre  ReiseplSne  mitteilten.    Doch  sprach  ich  diese  Idee  nidit  gegen  Rubini 


der  Königliclicn  Schauapicle  gewesen  und  war  dann  durch  Kabinetsordre  vom  13.  Juni 
1842  zum  General-Intendanten  der  TTnftruisik  ernannt  worden.  Die  betreffende,  sehr 
intere<?sante  Knliinetsordre.  welelie  su  li  im  Akten-Fascikel  544  Itefindet,  lautet: 

»Bei  Ihrer  Ernennung  zum  (.ieiietnil-Inteudauten  der  Hofmusik  finde  ich  notwendig 
festtasetxen,  daß  Sie  in  dieser  Eigenschaft  die  alleinige  Oberaufsicht  fiher  die  größe- 
ren und  kleineren  musikalischen  AulTührungen  bei  Hofe  (Uhraif  deshalb  jedesmal 
meine  Befehle  einholen  und  demgemäß  die  erforderlichen  Anordnungen  treffen.  Zu- 
gleich verpflichte  ich  Sie,  sieb  vor  jeder  solchen  musikalischen  Anffühmntf  mit  dem 
üoneral-Intendanten  der  Schauspiele  näher  zu  vernehmen  und  solche  Verabredungen 
mit  demselben  su  treffen,  daß  weder  die  theatraltscheu  VtmtellungM  nodi  die  masi« 
kaÜBdien  Aufführungen  bei  memem  Hofe  hierunter  leiden.  Die  Aufsicht  ttber  die 
Sjq>elle  verbleibt  übrigens  dem  General-Intcudaiiten  der  Schauspiele  ganz  in  der  bis- 
herigen "Weise,  wogegen  es  Ihnrn  tnihenonunen  «ein  soll,  densellien  auf  uToi^rnete  An- 
steUuugen  aufmerksam  zu  macheu.    .Vuljerdt.iii  übertrage  ich  Ihnen  die  Überaufsicht 

a.  über  die  Mihtärmuüik  der  Garde-liegimcnter, 

b.  Uber  die  MusUcschule  des  großen  Militibr-Waisenhaases  su  Potsdam  und 

c  über  das  kleine  Hofkapellenchor,  welches  der  Miyor  Einbeck  leitet. 
Sanssouci  den  13.  Juni  1842.  Priedrich  Wilhehn.« 


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528 


Wilbtiim  Altmann,  Meyerbeer-f  omhungen. 


auB,  weil  ifiih  dodi  nkshi  wisBeu  konnte,  vdehen  Anldang  ne  in  B«ilin  findaa 
würde.  Idi  bin  so  frei  an  Ew.  Exoellens  Tonngswebe  diese  IGtteiliuig  ma 
richten,  indem  eine  solche  Kombination  vielleicht  nicht  im  Interesse  weder 

des  einen  noch  des  anderen  Theaterdirektors  Vie^i  und  als  reiner  Kunstgenuß 
bloß  durch  die  Miinificenz  Sr.  Majestät  des  Königs  hervorgerufen  werden 
kann.  Kubiui  und  Liszt  hatten  sich  vorgesetzt,  zuerst  nach  Weimar  zu  gehen 
(irgend  eines  Hoffestes  hslber),  wollten  dann  aber  nnr  ein  paar  Tage  ver- 
weilen und  dann  gleich  nach  Kolland  sich  begeben ,  wo  sie  erwartet  sind, 
und  Mitte  oder  Ende  Decembers  wfirden  sie  wahrscheinlich  in  Berlin  ein- 
treffen. Fände  nun  die  Idee  der  scenischon  A'orstf  lhniL'  Ruhini's  den  Beifall 
8r.  Majestät,  so  müßten  natürlich  vor  nlh  u  Dingen  l  nlerhandluufjeu  mit 
Uubini  angeknüpft  werden,  um  zu  erfaiiruu,  ob  und  unter  welcheu  Be- 
dingungen er  Gastrollen  annehmen  wollte;  denn  wenn  man  so  lange  damit 
warten  wollte,  bis  er  Ton  selbst  in  Berlin  eintrifft,  so  steht  dann  zu  fürcht«n, 
daß  nicht  Zeit  genug  ?.uni  Elntttudieren  der  verschiedenen  Opern  in  italiä- 
nischer  Sprache  übrig  bleiben  würde.  Sollten  Ew.  Excellenz  vielleicht  T^ubini 
schriftliche  Antrii]j?e*)  mfichen  wollen,  so  wäre  es  zu  besserer  Sicherheit  ge- 
raten, dieselben  uauh  Pariä  zu  ndreääiereu,  woselbst  er  Verwandte  hat,  welche 
wohl  stets  Ton  seinem  jedesmalige  u  Aufenthaltsorte  sichere  Kenntnisse  haben 
worden.  Ich  bin  ssh»  gern  bereit,  die  Be^^ur^^unu'  dergleichen  Briefe  an 
Kubinis  Schwager  sn  ttbemehmen,  wenn  £w.  Excellenz  sie  mir  zusenden 
wollen,  oder  nnch  über  jede  Anfrage,  die  £w.  ExceUena  wünschen,  selbst  an 
Kubini  zu  schreiben. 

Ich  hoffe,  daß  die  Musik  zu  dem  Eackeltans,  welche  mir  Ew.  Excellena 
im  Namen  Sr.  Msjestllt  im  Monat  Angnst  befohlen  haben,  aar  rechten  Zeit 
zugekommen  sein  wird,  obglei  :    I  ii   larüber  aller  Nachricht  ermangle. 

Mit  der  ergebensten  Bitte  mich  dem  Andenken  der  Frau  OrUfin  von  Redera 
Excellenz  anirelegentlichst  zu  empfehlen,  habe  ich  die  Ehre,  in  reinster  Ver- 
ehrung zu  verbleiben 


n.  [An  den  General-Intendanten  der  Kgl.  Schauspiele  Herrn  0.  Th. 
von  Kttstner')]: 


Angenschwäche  leidend,  bin  ich  gezwungen  diesen  Brief  zu  diktieren. 

1)  Am  6.  Januar  IHt:?  HaiiLT  liubini,  s]>ielte  Lis/t  Fantasie  in)L'r  Figaros  Hurh- 
zeit  uud  Heil  Dir  im  Siegerkianzj  m  einem  Hofkouzert  in  Berlin.  —  Giovanni  Baitibtu 
Bubini  (geb.  7.  Aprill7d5j  zog  sich  bald  nachher  1846  von  seiner  Sifeniliohen Tätig, 
keit  sla  MiUioiur  ins  Privatleben  zuriiek;  f  8.  MSrs  1864. 

2)  Vom  1.  Juni  1842  bis  1.  Juni  1851  General-Intendant.  —  Veigleiehe  E.  Th.  von 
Kiistner.  Vicrnn  ldreißig  Jahre  meiner  Theaterleitung  in  Leipzig,  Dsrmstsdt, 
München  und  Berlin  (ijeipzig  18Ö3). 


Paris  den  25.  8.  42. 


Ew.  Excellena 


PS.  Soeben  erfahre  ich,  daß  Liszt  in 
Aachen  krank  pfewnrdon  ist;  mithin  wird  die 
Reise  nach  Weimar  wahrscheinlicli  unterblei- 
ben, uud  die  beiden  K.ünstler  werden  wohl 
zuerst  nach  Holland  gehen.« 


ganz  ergebenster 
Meyerbeer. 


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Wilhelni  Altnuum,  JlieyerbMr-fonchiiagen. 


529 


Zuvörderst  erlauben  Sie  mir  den  gütigst  überschickten  Status  von  den 
Qohaltsaliöliungeu  der  königlieben  Kapelle  anbei  wieder  2urttck  in  eendea 
und  Ew.  Hoohwohlgeboren  auf  einige  Punkte  deteelben  aafmerksam  su 
machen. 

Gewiß  kann  niemand  mehr  duvou  überzeugt  sein  als  ich,  daß  rli»-  jieku- 
niare  SttiUuug  d^r  Kunigl.  Kapelle  im  allgemeiueu  wie  im  einzelnen  uur 
uLedrig')  ist.  Ich  selbst  habe  in  einem  meiner  Berichte^)  angeführt,  wie  allor- 
dtngs  die  Herren  Kapellmeister,  Mnaikdirektoren,  Konzertmeiater  und  eraten 
Virtaoeen  der  Blaainatrum«ite  vor  25  Jahren,  wo  alle  Lebenabedfirfoiaie 
wohlfeiler  waren,  sieh  ganz  gewiß  besser  standen  al«  jetzt. 

Aber  80  sehr  nun  einerseits  die  (TchiiltHerhühungen,  wie  sie  Ew.  Hoch- 
wohlgebureu  iur  einige  der  wackersten  Künstler  sowohl  Dirigenten  als  Vir- 
taosen  Torgeeehlagen ,  an  und  fOr  sidi  Vetraebtet  ganz  recht  nnd  billig,  ja 
▼ielleieht  nicht  einmal  hoch  genug  wären,  so  ist  doch  auch  nicht  zu  vergessen, 
wie  diese  jetzt  hier  in  Rede  stehende  Gehaltserhöhung  ihren  Urgrund  in 
den  höchst  bedrängten  Umstanden  der  Mindestbesoldeten  hatte.    Diesen  letz- 
teren eine  Zubuße  zu  verschaffen,  wurde  der  Grundsatz  aufgestellt,  daß  die 
HQlfrbedfliftigatm  ancb  zumeist  und  zuerat  der  Hülfe  bedürften.    Und  zu- 
folge diese«  GrondsaiBea,  welcher  8r.  Bfi^eat&t  entwickelt  und  von  ibm  dnrcb 
Bestimmung  eines  Zuschusses  genehmigt  worden,  wurde  nun  nacb  den  Be~ 
dürfnissen,  nirlit  aber  nach  dem  Verdienst»-         TnbMttes  bei  dies^'w  ersten 
Schritte  der  GeLultüerhühung  zu  Werke  gcyaugeii  ;  denn  m  der  eingereichten 
Vorstellung  wurde  Sr.  Majestät  vorgebchlugeu,  die  Gehalte  vuu  400  Thalern 
und  darunter  um  100  Thaler,  die  ttber  400  Thaler  aber  nur  um  60  Thaler 
au  erhöhen. 

In  einer  späteren  Sitzung  jedoch,  welche  die  Genend -Musikdirektion 
unter  Vorsitz  des  Herrn  General-Intendanten  liielt,  ward  bei  Besprechung 
dieses  Gegenstandes  von  einem  der  gegenwärtigen  Mitglieder  und  zwar,  wenn 
ich. nicht  irre,  vom  Herrn  Huaikdirektor  Taubert  der  Einwuid  gemacht, 
daft  infolgedessen  ein  Hitglied  von  früher  400  Thalem  jetst  auf  600,  ein 
anderes  von  fjrtiher  425  nur  auf  485  Thaler  zu  stehen  kommen  würde,  und 
also  einer,  der  sonst  25  Thaler  mehr  hatte  als  ein  anderer,  jetzt  nach  dem 
neuen  statits  sogar  15  Thalur  weniger  hätte  als  Jener.  Diesem  Übelstand» 
abzuhelfen  wurde  die  Grenze  von  400  auf  425  verlegt,  so  daß  also  die 
Oehalte  bis  425  Thaler  die  ToUe  100  Tbaler  Zulage,  aber  die  Gehalte  über 
425  Thaler  nur  60  Thaler  Zulage  erhalten  sollten. 

Die>e  Bestimmung  t'»'st'/i  f  tzt,  sollte  sie  der  Billigkeit  gemäß  nun  aber 
auch  wenigstens  insuferu  aulrecht  erhalten  werden,  daii,  wenn  auch  nicht 
gerade,  wie  in  der  Sit/.uug  bestimmt,  olle  von  425  Tbalor  Geholt  die  Zulage 
von  100  Thsler  erhielten  (welches  ja  nur  zugestanden,  um  dem  vorerwllhnten 
Ubelstande  abzuhelfen)  daß  wenigstens  dieser  Ubelstand  vermieden  worden, 
daß  einer,  der  »onst  mehr  hatte  als  ein  anderer,  jetst  nach  dem  atmum  tkUuB 
weniger  hätte  als  er. 


1;  Diese  Tatsachen  hatten  Meyerbecr,  Kapellmeister  Henning,  Musikdirektor 
W.  Taub  er  t  und  die  beiden  Konzertmeister  Hubert  Bi  es  und  Leopold  Ganz  namens 
der  Kapdle  in  emem  Lnmediatgesaeh  sn  den  König  vom  2.  April  1643  begründet. 

2;  Vom  24.  April  1843.  Im  Jalire  1819  bezogen  88  Mif^rlied.  r  der  Kapelle  [die 
Kapclltneister  und  Koii/i  rtmeister  eingerechnetj  43,785  Taler,  1813  dagegen  104  Mitr 
gUeder  nur  47,237  Taler. 


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530 


.Wilhelm  Ahnuim,  Meyerbear-Fondiugen. 


Nichts  desto  weniger  habe  ich  in  dem  mir  von  £w.  Hockwohlgeboreik 
geneigtest  übers>chickten  stotus  hie  und  da  Abweichungen  von  diesen  Prin* 
cipien  bemerkt,  was  mir  um  so  mehr  miffallpn  mußte,  als  namentlich  bei 
den  Herreu  .  .  .  und  .  .  deren  Gehalt  von  425  auf  500  erhöht,  und  wo 
also  wenigstens  teilweise  nach  dem  oben  genannten  Grundsätze  veriahrüQ 
ist,  sogar  nodk  beigeschrieben  worden,  wie  diese  Erhöhung  von  75  statt  der 
no  Thal«  eben  deshalb  geschehe ,  daß  sie,  welche  sich  früher  besser  als  die 
Nachfolgenden  standenj  in  dem  nenen  tkUut  doch  nisht  minder  haben 
könnten. 

Wenn  nun  bei  diesen  beiden  Herren  das  modificierende  Princip  mit  Kecht 
nnd  mit  vollem  Bewußtsein  angewendet  worden,  wo  sehe  ich  dagegen  bei 
den  Herren  .  . deren  Gehalte  anch  anf  426  Thaler  waren,  dessen  ohn- 
geachtet  nur  um  ßO  Thaler  erhi'iht.  Aufierdem  ist  bei  Herrn  .  .  .  noch  zu 
bemerken,  daß  er  nls  iisttr  seines  Instrumentes  iLcn  Ansprüihe  auf  die- 
jenige Kxtrazulniro  niachcn  könnto,  welche  Herr  Generai-Iuteudant  den  8o- 
listeu  in  diesem  statm  zuzuführen  wünscht  (wie  z.  B.  .  .  und  Herr  .  .  - 
also  in  dem  neuen  slolwt  anf  eine  zweifache  Weise  benadxteÜigt  worden  wäre. 
Ohne  weiter  die  Entvif&elnng  dieses  Gedankens  zu  yerfolgen,  wird  es  £w. 
Hochwohlgeborcii  einleuchten,  daß  Herr  .  .  .  mindestens  nidit  weniger  all 
100  Tlmler  Zuhifro  erhalten  sollte.  .  .  . 

Indem  ich  nun  zu  einem  andeni  Teile  übergehe,  so  halu^  ich  freilich  das 
\  urrecbt  der  Hülfsbedürftigen  zu  verteidigen  gesucht,  bin  aber  doch  der 
Meinung,  daß,  wenn  es  irgend  möglieh  ist,  den  andern  Virtuosen ,  weiche 
Ew.  HoehwoUgeboren  besondere  Zvl^gen  bewilligt  haben,  dieselben  edbalten 
möditen.  Deshalb  aber  kann  ich  auch  nicht  damit  einvorstanden  sein,  wenn, 
während  Ew.  Horhwohlpf  hören  den  Ohofs  der  Instrumente  im  Statuts  mehr 
einräumten,  als  nach  dem  aufgestellten  Principe  geschehen  konnte,  wie  z.  B. 
bei  dem  Herrn  Konzertmeister  .  .  .  und  ebenso  bei  den  Herren  .  .  - ,  wie- 
demm  andere  Virtnosen,  die  anch  die  Chefs  ihrer  Instrumente  sind,  wie  .  - . 
nidht  nnr  keine  Extrainlagen  erhalten,  .  .  .,  sondern  ihnen  sogar  statt  der 
bewilligten  60  Thaler  nur  50  Thaler  gegeben  werden.  Ich  begreife  sehr  wohl, 
daß  J]w.  Hochwohlgeboren  ihnen  eben  deshalb  keine  Extrazulagen  bewilligen, 
weil  f^ie  übcrdio«  «chnn  am  lu  ^ton  bezahlt  sind.  Aber  in  ihnen  allein  das 
Princip  hinten  ansetzen  und  austnahmswcise  nur  ihnen  sogar  die  60  Thaler 
nicht  gestatten,  möchte  nicht  bUIig  nnd  zugleich  Terletaend  fUr  diese  wür- 
digen Künstler  sein.  Überdem  würde  diese  Beduktion  nnr  40  Thaler  im 
ganzen  ausmadien  nnd  dag^en  4  unsufricdene  Leute  hervorrufen. 

In  diesen  40  nnd  jenen  145  Thalem  wttrde  also  zugleich  der  ganae  Unter- 
schied unserer  Ansichten  beruh«  n. 

Diese  mir  nun  noch  nötigen  I8ö  Thaler  zu  erhalten,  scheinen  mir  nur 
zwei  Wege  offen;  der  eine  w8re:  ganz  aufrichtig  Sr.  Migestit  unseren  Bechen' 
fehler  berichten  und  um  die  fehlenden  185  Thaler  ganz  gehorsamst  ansuchen, 
was  Allerhöclisttlei selbe  bei  seiner  großen  Huld  und  Gnade  und  bei  dfi" 
riiiL'füLrit^'keit  dieses  Zuschusses  im  Verhältnis  der  schon  bewilligten  Sunuue 
hotfentlich  genehmigen  wird. 

Im  Falle  einer  abschlägigen  Ajitwort  aber  den  Herren  .  .  .  sein  Be- 
dauern zu  äußern,  die  40  Thaler  aber  zurückzubehalten,  den  andern  8  Hmen 
aber  die  zurUdcgehaltenon  146  Thsler  ungeschmälert  zukommen  zu  Isssen 
und  dieselben  von  der  Gesamtsumme  der  Extra-Bedachten  abziehen;  denn» 
wie  gesagt,  die  allgemeine  Ordnung  geht  vor  der  besonderen. 


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Wilhelm  Altmaan,  Meyerbeer^Fonchutigcu. 


531 


Schließlich  erwähue  ich  nnn  noch^  daß  sich  Ew.  Hochwohlgeboren  Ton 
früherer  Zeit  her  erinnern  werden,  wie  sehr  gerecht  und  hillig,  ja  sogar 
notwendig  ich  Ihren  Vorschlatr  zur  Verbesscruntr  der  Chöre  gefunden  nnd 
deshalb  Ihrem  Wunsche  gemäß  meine  Zustimmung  auf  den  anbei  zurück- 
erfolgenden Entwurf  ua  das  Ministerium  gesetzt  habe.  . .  .« 

m.    [An  den  General- Intendanten  der  Kgl.  Schauapiele  Herrn 
▼on  Kttstner]: 

»Paris  am  5.  Dei.  184S. 

Hnrhwohlfrelinrpnrr  Herr  fTpnornl-Tntendant. 
.  .  .  Der  Zweck    meines   heutigen  Schreibens    ist    1)  nochmals    nuf  <lie 
Notwendigkeit  des  Engagements  dea  Herrn  Pisciieck  zurückzukommen,  ob- 
gleich ich  bereits  unter  dem  16.  Septbr.  von  Frankfurt  b.  M.  ans  die  Ehre 
batte,  Draeu  weitläufig  über  diesen  ausgezeichneten  Künstler  zu  schreiben 
lind  Ihnen  vorzustellen,  wie  sehr  wichtig  und  ersprießlich  ich  es  für  unsere 
Köniijliche  Bühne  halte,  diesen  ari<«srezeichneten  Künstler,  unstreitig  den  ersten 
Baritonisten  Deutschlands,  für  unsere  Bühne  zu  gewinnen.  Die  Sache  schien 
mir  doppelt  dringend,  da  dieses  Fach  hei  unserm  Theater  gans  nnd  gar 
nidit  besetzt  ist.   Herr  Fisehek  schrieb  mir  vor  einiger  Zeit  nach  Paris, 
daß  die  Summe  des  Gehalts,  welches  Ew.  Hochwohlgeboreu  ihm  offeriert 
lia1>en,    nicht   nur  >jur  /u   sehr  von   seinen  Forderungen   abstäche,  sendorn 
aucii  tief  unter  den  Anerbietuugeii  stünde,  die  ihm  von  verschiedenen  anderen 
Hofbühnen  gemacht  werden.    Ich  kann  natürlicherweise  nicht  ermessen,  bis 
au  welcher  Höhe  Ihnen  Ihr  Theater-Budget  erlaubt,  seinen  Forderungen  an 
genfigen,  aber  als  Musiker  halte  ich  es  für  meine  Pflicht,  Sie  nochmals 

daran  zu  erinnern,  daß  wir  eine  uu^lm  /  'ielincif  Act|nisItion  an  diesem  ersten  i 
aller  deutschen  Baritonisten  machen  wurden,  nnd  liitto  ich  Ew.  Hochwohl- 
geboren  ganz  ergebeust,  diese  meine  Meinung  in  liirem  nächsten  Briefe  an 
Se.  Mujcätät  Aber  diesen  Gegenstand  gefälligst  vorlegen  au  wollen,  falls  Sie 
es  nicht  schon  nach  meinem  Briefe  vom  16.  September  getan  haben.  Nach 
dem,  was  ich  in  denjenigen  deutschen  Theaterzeitnngen,  die  mir  hier  kürz- 
lich zu  Gesicht  gekommen  sind,  ersehen  hnbe,  scheint  en  mir  dringlich,  keinen 
Augenblick  zu  versäumen,  falls  tiie  auf  Pischeck ')  reflektier&n. 

2)  Was  unser  weibliches  Personal  betriflEt,  so  bedürfen  wir  aufier  den 
Frl.  Marx ^)  und  Tu z schock')  auch  noch  einer  dritten  prNna  dbniia,  welche 
das  hochtragische  Fach  der  älteren  Rollen  übernehmen  kann.  z.  B.  Königin- 
nen, Priesterinnen ,  Mütter  etc.,  welche  früher  Madame  Milder*  ^mv/,  nnd 
die  für  die  große  Oper  von  außerordentlicher  Wichtigkeit  ist.  So  sehr  ich 
selbst  zum  Wiederengagement  der  Mademoiselle  Marx  in  meinem  Briefe 
T.  16.  Septbr.  angeraten  habe  und  so  sehr  ich  mich  freue,  daß  wir  die 
wackere  Künstlerin  wiedergewonnen  haben,  so  gl*  l>t  ei^  doch  eine  ganze  Gat- 
tung Rollen,  für  welche  ihre  Erscheinung,'  /u  jugendlich  ist  und  wir  über- 
haupt einer  andern  Repräsentantin  bedürfen,  z.  B.  »Alci  ste«,  »Khtemnestra«, 
»Oberpriesterin«  in  der  Vestalin  u.  dgl.  Sogar  wenn  zwei  jugendlich  tra- 
gische Rollen  in  einer  Oper  sind,  können  wir  sie  nicht  besetzen.  In  der 
»£uryanthe<  fehlt  uns  die  Eglantine,  im  »Bon  Juan«  die  Donna  Elvira  etc, 

1)  Herr  Tisch  eck  <snh  vier  Gastrollen,  wurde  aber  doch  niclit  engagiert. 
2;  Vom  1841  bis  18öl  engagiert.         3J  Von  1841  bis  1861  engagiert. 
4)  Anna  Milder-Hanptmann  1616—1631. 

8.  4. 1  H.  IV.  86 


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AacH  hatt«  das  Berliner  Thisater  zu  jeder  Zeit  drei  PrimadonDas:  die  Damen 
Milder,  Scbiil/'  mu]  Seidler*:  waren  in  ihrer  Blüte  bei  einander,  später- 
hin di*  Fräulein  Lö-w  e-*),  Fassmann'*),  Hedwig  Schultz*]  etc.  Ich  würde 
»«kr  dafür  stimmen,  daß,  wenn  des  Gastspiel  der  Madame  Bevrient")  n 
Ende  iet,  Sie  die  Maduw  Stökl-Heisefetter^  xa  OaetroUen  Icmdbm 
ließei^  Man  schreibt  mir  aas  Wien,  wo  sie  gastiert,  daß  sie  anQerodUnt' 
U^e  Fortschritte  gemacht  hat. 

3)  Endlich  bedürfen  wir  auch  eines  prononciertt  ji  Kontra-Altes,  oder  wir 
müssen  auf  das  Kepertoir  der  neuen  französischen  großen  Oper,  sowie  auf 
das,  was  darin  in  der  nldisten  Zukunft  «rscheinen  wird,  und  Mgtt  auf  das 
Beste  des  frohem  italienisdien  Oper-Sepertoirs  ginalicli  Versieht  leisten. 

Schon  vor  meiner  Abreise  hatte  ich  die  £hre  Ihnen  mitziitcib  n,  daß  idi 
als  erste  Opor,  die  icli  <lii'>en  Winter  zu  montieren  dächte,  die  IJi  ]  i  i?e  von 
Gluck's  »Alcfste«  winisclite,  und  zwar  mit  Madame  Devrient  und  Rem 
Hertinger Ich  erinnere  mich  wohl,  daß  Sie  damals  diigegeu  wartu, 
daß  Herr  Hertinger  diese  BoUe  von  Anfang  an  ttbemShme,  weU  sie  sonst 
HeiT  Mantins*)  nicht  weiter  singen  würde.  Wenn  aber  Herr  Mantins  fVui 
Rolle  in  der  ersten  und  zweiten  Torstellung  singt,  so  scheint  mir  das  kein 
Hindernis  zu  Sein,  dieselbe  von  Herrn  Hertinger  als  Qast  weiter  fmtführen 
zu  lassen.  , 

Es  wäre  also  auf  jeden  Fidl  gut,  daß  Herr  Hcrtiuger  davon  benachrichtigt 
wttrde,  um  sieh  schon  vor  seiner  Ankunft  ein  wenig  damit  Yertrant  au  nadbsa.  | 
Ebenso  wttnsche  ich  sehr,  daß  er  den  Hugo  im  »Fau8t<  [von  Spohr**)]  sb  ' 
Gast  singe,  und  Sie  ihn  davon  in  Kenntnis  setzten.    Pi  sgieichen  wird  es 
Unt  sein,   der  ^riulame  T>evrient  die  Eolle  der  Alce^tl'  vorher  zuzusenden.  i 
Die  andern  Köllen  aliei  bitte  ich  nicht  vor  meiner  Ankunft  zu  verteilen,  d» 
ich  darüber  noch  mehrere  Bemerkungen  mündlich  zu  macheu  habe. 

Als  zweite  Oper  hatten  wir  damals  den  »Fliegenden  HollSnder«  yw 
Wagner*')  festgesetzt,  und  da  die  Rollenvi  rtcilung  schon  hingst  vom  KoiD' 
ponisten  selbst  geschehen  ist,  so  habe  ich  darüber  nichts  weiter  hinzasa- 
nigen. 

Tür  die  dritte  Oper  erbat  ich  mir  damals  einige  Zeit,  Ihnen  meine  M«i* 
nung  mitzuteilen.     Ich  wollte  nämlich  sehen,  ob  die  beiden  französischen 
Opernbfihnen  mit  ihren  Neuigkeiten  die  dritte  Oper  liefern  kSnnten. 
was  jedoch  in  der  kumischen  Oper  Neues  entstand(<n  ist,  scheint  mir  nt<^ 
für  uns  geeignet.    In  der  großen  Oper  hat  »Don  Sebastian«  von  Scribe  an^ 

1;  Josetine  Seh  ulz- K  il  1  i  t  s  c  h  k  y  18i:?-1RB1.  n-estorl^eii  1.  .Tanuar  \m)J: 
2)  Caroline  Seidler- Wranitzky  lölli— IhüH,  gti»turben  -L  September  1Ö72[1,. 
3j  1837-1848.        4)  1837-1848.         5.  1839—1842. 

6)  Frau  Wilhelmine  Schröder-D errient  gab  1842  elf,  1843  drei,  1844  wtir  , 
undiwaosig  GaatroUen.  1]  Gastierte  nicht  ^ 

8  TTär  t  i  II  LZ  I  r  aus  Mannheim,  der  sechsmal  im  Jahre  1642  gastiert  hatte,  gsk 
1844  drci/L'hn  ( ip'-tn illen.  9)  V'>n  1831  bis  IHö?  PTiQfBtrierJ.  I 

10)  Ist  vom  14.  .November  1829  bis  2um  11.  August  1843  im  ganzen  elfmal  gegebtu  ^ 
worden  und  daim  vom  Repcrtoir  verschwunden. 

11)  Ente  Berliner  AolÜihrung  am  7.  Januar  1844.  —  Zu  den  Verhandhrnges  i 
Richard  Wagner' 8  mit  der  BerUncr  General -Intendantur  über  den  »Fliegeaden 
Holliinderc  Tergleiche  meinen  Aufiata  im  ersten  Märzheft  1908  der  Zeitschrift  »Di0 
Mu8ik.€ 


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Willialm  AHfMm^  MiyerlMMsVonNdniiigeiL 


538 


Donizetti,  sowohl  der  Text  als  'd*c]  Mn^^'V  ntir  mäßigen  Erfolg  ^aliabt;  wie 
mich  dünkt,  mit  Tnrecht.  Der  Stoff  seht  i  i  mir  iutere«»ttjit,  und  du-  ^Uwik 
euthalt  wirklidi  schöue  Sachen,  auch  vom  di uuiatischeu  Staiidpuiiktü  uub  be- 
trachtet Bodi  wttrde  bei  uns  die  aehr  widitige  Kolle  einee  CSamdens,  die 
eiiL  sehr  hokex  Beriton  ist,  gegenwürtig^  gar  Dicht  m  beMtsen  sein.  Auch 
ist  die  mim  m  scäru  bo  äuflerst  prnchtvoll  und  gchwieuig,  daß  es  auf  jeden 
Fall  f^eratener  sein  wird,  falle  Hii*  die  Oper  geben  wollen,  sie  erst  im  Op^TH- 
hause  ^}  üiir  Auffiilirtinp'  zti  bringen  En  wird  in  diesem  Monate  wohl  noch 
die  AufHilirung  einer  neuen  Oper  kUitUinden,  von  der  man  sehr  viel  erwartet. 
Wie  diese  antgelViUen,  weide  ich  Ibnen<  bei  mein«r  Ankunft  in  Berlin  (den 
L  Januar)  niitteiltn. 

Mehr  Grlüok  hIb  alle  lyrischen  Neuigkeiten  macht  in  diesen  Augenblicken 
hier  die  KepiiHe  der  alten  Oper  »d*T  Desertour^  mit  Mnnsicrny's  rührend 
einfaelier,  ailerliebtster  Alu.sik.  Adam  bat  mit  großer  Muliigkeit  und  GeBchiok- 
lickkeit  die  Instrumentation  modifiziert.  Nach  meiner  Ansicht  könnten  wir 
diese  Oper  sUerliebst  in  Berlin  besefsen,  und  obgleich  sie  freilich-  nidit  fttr 
eine  neue  Oper  rangieren  inüßk>,  so  könnte  sie  doeh  als  Beprise  Ihrer  Kasse 
vielleicht  sehr  nützlich  und  dem  Publikum  sehr  angenehm  sein;  doch  würde 
ich  für  diesen  fall  raten,  sie  mit  Adam's  Orcbestration  aafoofUhren.^  .  .  .« 

TV.  An  den  General -Intendanten  der  KgL  Hofmusik  Excellem 
Gruien  von  Redern]: 

>Ew.  Excellcnz 

Imbe  icii  die  Ehre  anzuzeigen,  daß  der  Komponist  der  berühmten  Symphonie- 
Ude  »Lc  descrt*  Herr  Felicien  David  aus  Pari»  hier  angekommen  ist. 
Es  schien  mir  der  Wttrde  unserer  Königlichen  Openibtthne  angemessen,  daß 
ein  Werk,  welches  so  viel  Anziehen  erregt  hat,  wfthrend  der  Anwesenheit 

Sr.  Majestät  des  Königs  in  unserer  Kesidenz  zur  Aufftlhrung  käme.  Da  nun 
abr»r  dif«»e'<  AVi  i  k  ein  sehr  zahli-eirheg  Orchester  und  starken  Chor  erfordert, 
mitbin  (lein  Komponisten  zu  viele  Kosten  verurbacbeu  würde,  um  datsfiellie 
auf  eigne  Rechnung  in  der  vorgerückten  Jahi'tiszeit  aufzuführen,  so  habe  ich, 
von  dem  Kunstasnstand  aasgehend,  welchen  nnsre  Kdniglidie  OpembOhne  ein* 
nehmen  soll,  dem  Herrn  Oeneral-Intendanten  v.m  Küstner  den  A'orscblag  ge- 
macht, daß  er  das  Werk,  wolclien  noch  Manuskri])t  ist,  unter  der  Direktion 
de«  Komponisten  in  einem  Konzerte  im  Opt  rrdinnse  «/Hlie  und  dem  Kom- 
ponisten dieselben  Hedingungen  gewähre,  welciie  Herr  Berlio/,  vorigen  Winter 
erhalten  hat.  Der  Herr  General-Intendant  hat  aber  die  ganze  Idee  des  Kon- 
zertes im  Opemhause  Töllig  znrttckgewiesen.  £s  wäre  also  nnn  möglich,  dafi 
die  Anffiihrung  dos  Werke«  in  Berlin  gans  unterbliebe. 

Ew.  Excellenz  habe  ich  die  Ehre  diese  Mitteilung  zu  machen,  um  sie 
Allerhöchsten  Ortes  vorzulegen,  damit  Sr.  MajeHtUt  von  «ler  Sncldng«  unter- 
richtet seien,  falls  Allerhöchstdieselben  die  8ymphouie  zu  hören  wünschten.  .  .  .« 

d.  20.  Mai  [1845]. 

Die&cu  Briefen  Moyerbecr'ä  möchte  ich  noch  eme  im  Akten-Fasc.  528 

1)  Das  1742  errichtete  Opemhau«  war  bekenntlich  sm  18.  August  1843  abgebrannt. 

T>aH  an  derselben  Stelle  und  in  der  gleichen  Form  wie  das  abgebrannte  errichtete  neue 

Gebäude  wurde  erst  am  7.  Dezember  1844  eiöffnet. 

2j  Geschah  nicht.  Von  1787  bis  1822  war  diese  Oper  22  mal  ge<reljen  worden. 

3ö» 


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Wilhelm  Altinann,  Mejerbeer-Forschungen. 


enthaltene  Kabineteordre  König  Friedrich  Wilhelms  IV.  beifügen,  welche 
für  Meyerbeer^s.  Stellung  als  Gkneral-Mueikdirektor,  soweit  die  Eöniglidie 
Oper  in  Betracht  kommt,  Ton  größter  Wichtigkeit  gewesen  ist.  Sie  lautet: 

>Ji:li  kann  nicht  umhin,  Ihnen  mein  besonderes  AVohiwulleu  lÜr  Ihren 
lediglich  zum  Vorteile  Ihres  neuen  Wirkungskreises  und  selbst  mit  Auf- 
opfemng  Ihres  eigenen  Intereeae  Tierlllngerten  hierigen  Attfenfhalt  zu  erk«nnCD 
sa  geben.  Zu  dessen  Betätigung  babe  ich,  um  Ihnen  für  die  Zukimft  in 
Ihrer  Wirksamkeit  einige  Erleichterung  zu  verschaffen,  angeordnet  nicht  nur. 
daß  Thiicn  bei  der  RoUenbf sptzmi?f  Ihrer  Opern  volliff  freir  Gewalt  ein- 
geräumt werde  und  ohne  Ihre  Zustimmung  keine  \'erjinderung  in  der  Be- 
setzung, sei  es  temporär  oder  stabil  durch  Glate  oder  einheimische  Mitglieder 
erfolgen  kSnne,  sondern  auch,  daß  während  Ihrer  Anwesenheit  in  Berlin  hei 
Besetzung  von  andern  Opern,  sowie  in  allen  den  Fällen,  wo  es  haupteAchlich 
auf  musikalisclif  Kcimf nis^e  und  Beurteilung  ankommt,  namentlich  bei  En- 
gagements von  SäiiLTt-ni  uiul  Riinfri  rirnien,  bei  Einladung  von  fremden  Künst- 
lern oder  Künstlerinnen  zu  Gastrollen,  auf  Ihr  Gutuchten  vorzugsweise  Rück- 
sicht genotmaen  und  bei  «ntstdieader  Dtffieirens  swisc^ien  Ihnen  und  dem 
General-Intendanten  von  Kttstner  der  Qeneral-Intendant  der  Hofmusik  Wirk- 
licher Geheimer  Hut  Graf  von  Bedern  als  Obmann  zugesogen  werden  soll. 
Würde  auf  diese  Weise  keine  Eini'irnnf?  zu  erlangen  sein,  so  soll  der  Gral 
von  Redern  unmittelbar  an  niieh  zu  meiner  Entscheidung  bericiiteu.  Ich 
hoffe,  daU  Ihnen  diese  Anordnung  lieb  sein  wird. 

Beriin  d.  2,  Septbr.  1843.  [gcx.]  Friedrieh  Wilhelin. 

An  den  General "Hnsikdirektor  Meyerbeer.« 

WieiU-rholt  hat  Meyerbeer,  immer  unter  Verzicht  auf  sein  Gebalt,  lUü 
Urlaub  von  Berlin  gebeten  uatl  ilin  orhalleu,  bis  ihm  dann  dieser  durch 
Kabinctsordre  vom  22.  Juli  1804  auf  unbestimmte  Zeit  erteilt  worden  ist. 
wodurch  tatsätlilich  INreyerbcer  s  AVirksamkeit  als  preußischer  General- 
Musikdirektor  ihr  Ende  erreicht  hat. 


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Robert  Lach,  Alte  W«ili]»cht«>  und  Ottergeainge  mf  Lnasin.  535 


Alte  WeitaBaohts-  und  Ostergesange  auf  Lnssin 

von 

Robert  Lach. 

(LasriDgrande.) 


"Während  eines  mehrmonatlichen  Aufenthaltes  auf  der  zum  öster- 
reichisrhon  Küstonlande  (Istrien]  ^?ohr)ripfpn  Tnspl  Tiussin,  und  zwar  spe- 
ziell im  Orte  Lussingrandr,  lieli  icli  die  in  dt  n  Woihnachtsfcifitafren  sich 
darbietende  Gelegenheit  nii  lit  unbenutzt  vorülx  rtr^'lien,  die  in  der  Mitter- 
nacht vom  24.  zum  25.  Dezt'inl)er  alljährlich  abgehaltene  Weihnachtsmesse 
zu  l)esuchen,  auf  deren  originelle,  alte,  nationale  Musik  ich  schon  vorher 
aufmerksiini  ^jcmacht  worden  war. 

In  der  Tat  ist  für  den  Musikhistoriker  der  Besucli  dieser  Messe  iu 
mehr  als  einer  Hinsieht  lohnend:  ni(  ht  bloß  we;,'en  der  wiiklich  originellen, 
durchaus  nationalen  und  musikalisch  interessanten  Pasturali  und  uralten 
Volksweisen,  die  darin  zu  einem  künstlerischen  Ganzen  zuManunengestellt 
sind,  sondern  ancli  wegen  der  für  die  Volks-.Seeh»  chnnk'tmVtisclien  Auf- 
fassung des  liturgischen  Aktes  als  einer  Ri-ibcnfolgc  dramatischer  JS/enen, 
die  sich  aus  dem  Charakter  dieser  Weisen  mit  überra.scliender  Klarheit 
ergibt  und  eine  bedeutsame  Illustration  zu  der  Geschichte  des  Volksge- 
sanges  im  liturgischen  Drama  liefert. 

Durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Organisten  von  Lussingrande,  eines 
SchUIers  Perosi's,  wurde  mir  die  Orgclpartitur  der  Messe  sowie  die  Ges<änge 
zur  Verfügung  gestellt  und  ich  so  in  die  Lage  versetzt,  die  nachfolgen- 
den kurzen  Bemerkungen  durch  Teröffentlichung  der  Origintil-Kiedersohrift 
dieser  turalten  Volksweisen  zu  ergänzen. 
.  Die  mir  vorliegende  Handschrift,  auf  vei^btem,  altem  Notenpapier 
in  Quartformat  mit  sehr  deutlicher,  hübscher  Notenschrift  geschrieben, 
trägt  auf  dem  Titelblatt  die  Aufschrift: 

Pastorali 
imparate  per  uryano 
da  me 

Marco  Giovanni  Antonio  Lettich   Simeone  Lettich^ 

Li      Tkccmbre  1830. 

Der  ursprüngliche  Name  ]\rnrco  (h'ovanni  Antonio  Lettich  i^t  von 
einer  fremden,  späteren  Hand  mit  anderer,  blasserer  Tinte  durchgestrichen 
und  darüber  Simeone  Lettich  hinzugefügt.    Beide  sind  die  Namen 


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536  Kobert  Lach,  Alte  "Weifanachto-  und  Ostergeeänge  auf  Lunm. 

zweier  ehemaliger  Organisten  Lussingrfuides,  Brüder,  die  sich  im  Chor- 
direktorium ablösten. 

Die  in  den  Beilagen  B  bis  H  hier  Teröffentlichten  Weisen  aind  die 
genaue,  imretanderte  "Wiedergabe  des  musikalischen  Originales;  nur  dort, 
wo  offenkundig  infolge  eines  Versehens  des  Schreibers  einzelne  Noten 
oder  Gruppen  von  mehreren  ausgelassen  waren,  wo  Fehler  gegen  den 
Bhythmus  und  die  durch  das  TaktmaB  Torgezeidmeten  Werte  der  Noten 
Yorlagen  (z.  B.  im  ^/i-Tskte  die  Punkte  bei  den  T*  weggeblieben  oder 
im  ^/4-Takte  irrtümlich  hinzugekommen  waren)  oder  wo  (wie  in  Beilage  F 
bei  der  durch  punktierte  Klammem  ersichtlich  gemachten  Stelle}  ganz 
deutlich  der  Bau  der  Melodie  ein  rhythmisches  Glied  erforderte,  das 
infolge  Versehens  des  Schreihers  fehlte,  endlich  in  Fällen,  wo  in  -ler 
Handschrift  statt  der  durch  die  Harmonie  geforderten  richtigen  Tüue 
falsche,  sinnlose  standen,  erlaubte  ich  mir,  die  diesbezüglichen  Korrek- 
turen vorzunehmen.  Übrigens  sind  dies  im  naiizen  nur  etwa  5 — 6 
Stellen,  und  somit  die  hier  veröffentlichte  .Niederschrift  als  getreue 
Fassung  der  Original- Volksweisen  anzusehen. 

Was  nun  diese  selbst  betrifft,  so  wurde  mir  von  sämtlichen  £in' 
heimischen  (Priestern,  Organist  und  Kapollnu  ister,  Bürgern,  Fischern  etc.  , 
mit  denen  ich  über  die  Gesänge  und  deren  Alter  sprach,  versichert, 
daß  diese  Melodien  uralte  Volksweisen  und  schon  von  ihren  Groiivätem 
und  Ahnen  ihnen  so  überhefert  worden  seien,  und  ich  selbst  habe 
oftmals  Gelegenheit  zu  beobachten,  wie  auch  heute  noch  die  jwscatoi'i 
und  fachini,  dosgleichen  Frauen  und  Kinder  die  eine  oder  andere  die- 
ser Weisen  bei  don  Verrirbtunp^on  m\A  Geschnftrn  des  Allt:i£is  vor  sich 
hintiilUern.  G<';,'('n  lurinc  IJcdeuken,  oi)  iiiihl  namentlich  die  in  den 
Beilagen  F  und  H  nacii^tehend  wicdcii^» '^^(•l»cnen  Stücke,  deren  Styl 
und  Bau  mir  auf  gewisse  Schahloneu  der  Kunst imi><ik  hinzudeuten  scheint 
(z.  B.  das  in  Beilage  F  verortcntlichtc  ;iuf  die  KLiviennusik  zu  Ende  des 
18.,  Anfang  des  19.  Jahrhund«  rt>  in  der  Mn/art-  o<lcr  Havdn'schen 
Manier),  etwa  eini'aeh  gcwüliiiliehi'  Piodukte  frülierer  (Jrgauisteii  seien, 
die  ihre  Elaborate  unter  die  alten  \  ulksweispii  einccselmiuggelt  hätten, 
wo  .sie  dann  gewohnheitsmäßig  beibehalten  ui^d  liei  der  scliriftlichen  Auf- 
zeichnung durch  die  beiden  Letticirs  irrtihnlich  unter  die  alten  \'nlks- 
weisen  aufgenommen  worUeu  seien,  faiul  1»»  i  den  erwähnten  Eingebüreiieii 
allgemeinen,  lebhaften  Widerspruch,  und  uurde  von  ihnen  der  volkstüm- 
liche, nationale  Ursprung  der  bezeichneten  beiden  Stücke  energisch  be- 
teuert und  reklamiert.  Indem  ich  mir  also  bezüglich  der  Herkunft  und 
des  Alters  dieser  beiden  Kummern  der  Partitur  meine  Bedenken  vorbe- 
halte, gebe  ich  sie  sowie  die  übrigen  Stücke  mit  aller  kritischen  Reserve, 
wie  ich  sie  hier  für  angezeigt  halte,  nachfolgend  in  den  Beilagen  wieder. 

Wodurch  die  Musik  der  Messe  ein  besonderes  Interesse  erregt,  das 


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Hobert  Laob,  Alt«  Weihnaohli-  «nd  0«(esge«aage  Mf  lioam.  537 


ist  die  Veriniscliunp  italienischer  und  slavischer  Volksweisen,  die  in  ihr 
zu  Tage  tritt;  die  geographischen  und  etlmologischen  Verhältnigse  der 
Insel  liussin  spiegeln  sich  in  ihr  wieder.    Sowie  die  Bevölkerung  und 
Sprache  auf  der  Insel  ein  Nebeneinander  und  SidiTennischen  sla^risdier 
und  romanischer  Race,  kroatischer  und  italienischer  KatkmaUtftt  repräsen- 
tiert, genau  so  aeigt  sich  dies  auch  in  ttumr  Volksmusik,  der  weltlicbeii 
wie  der  gdstlidieii:  Die  peseaUni  und  faekmi  auf  der  pmxxa  und  dem 
porio  singen  italienische,  speziell  Tenezianische  Gkusenhaoer,  der  eampag- 
nuoh  näselt  stundenlang  uralte,  monotone  slawische  Volkslieder  und 
Epen  aus  der  sttdslavischen  Heldenzeit,  zur  Zeit  der  E&mpfe  gegen 
Mongolen,  Türken,  Venezianer  etc.   Genau  so  läßt  sich  auch  die  Musik 
der  Messe  in  Volksweisen  kroatischer  und  italienischer  Provenienz  zer- 
legen. Während  die  in  den  Beilagen  C  bis  E  und  wiedeigogebenen 
Pastorali  wenigstens  stellenweise  auffallend  an  die  analogen  Weisen  der 
Plfferaris  der  römischen  Campagna  und  Abruzzen  erinnern,  sind  anderer- 
seits die  unter  A  und  (wahrscheinlich  auch)  unter  B  Teröftentlidkteik  Stficke 
rein  slavisdien  Ursprungs:  als  uralte,  knuttische  Weihnachts-Lieder.  Ich 
bin  hier  nicht  in  der  Lage,  die  erwähnten  Weisen  nach  ihren  nationalen 
Stjlen  ganz  scharf  und  eindeutig  bis  ins  kleinste  Detail  zu  zerlegen  und 
zu  konstatieren,  was  daran  italienisch  und  was  kroatisch  sei;  es  ist  dies 
wohl  auch  gar  nicht  möglich.    Vi'  lmehr  dürften  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte italienische  und  kroatis(  Ii»-  Weihnachts-Hirtenlif  (h  r  infoltre  des 
gemeinsamen  Lebens  der  beiden  Nationalitäten  allmählich  in  einander 
Übergegangen  sein,  sich  gegenseitig  beeinflußt  hahen,  und  dürfte  so  durch 
gegenseitige  Verschmelzung  ein  Gemeinsames,  l««eues  entstanden  sein,  an 
dem  beide  Nationalitäten  wenigstens  annähernd  gleichen  Anteil  haben.  So 
wenigstens  halte  ich  es  bei  den  Pastorali  unter  B,  C,  D,  E  und  G  für 
walirscheinlich;  anders  allerdin^js  Ist  es  bei  dem  uralten,  kroatischen  Weih- 
nachtslied unter  I,  das  sowohl  infolge  seiner  bedeutenden  Ausdehnung  als 
auch  wegen  seinor  srhönr  n,  eindrucksvollen  Melodie  mit  Recht  zum  Kern 
und  Ausgangspunkt  der  ganzen  Musik  der  Messe  misersehen  worden  ist. 

Bezüglich  des  Alt<»rs  dieser  Volksweise  wurde  mir  von  d<  n  Fin- 
heimisehen  vorsichert,  daß  sie  in  die  älteste  Zeit  der  shivischeu  Kin- 
wanderung  in.s  Küsteidand,  also  his  in  die  ersten  Anfäiiije  der  slavisclien 
Kirche  zurnekreiehon  solK'.  Vom  iiiusikiilis(  li-kritiM-hen  Standpunkt  lassen 
sich  aber  hiergegen  wohl  mehrere  triftige  (Gründe  anfiiliren:  Der  freie 
Gang  der  Melodie  mit  seinen  Ter/en-  und  (^)uarten-Spriingt'n,  der  gän/Jiche 
Mangel  au  Tunwiederliolungeu  und  au  su  li  um  einen  Ton  li(?runi windenden 
(periheletisehen)  Plnasen,  die  gänzliche  X'ermeidung  aller  Monotonie,  der 
verhaltnismäliiEf  große  Tonumfang,  das  J?\dilen  klenist^  r  intervallen-Schritte 
und  ahuli(  her  Symptome  sehr  alter  Musik  u.  dgl.  Wie  die  Melodie 
unter  I  zur  Beurteilung  vorliegt,  würde  ich  mich  nicht  getrauen,  sie 


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Robert  Lach,  Alto  Weihittcbti-  und  Ostergesänge  auf 


(wenigstens  in  der  vorliegenden,  melodischen  Fassung]  im  günstigsten 
Falle  weiter  als  etwa  in  das  14.  Jahrbundert  zurück  za  datieren.  Im  übrigen 
lege  icb  sie  hiermit  dem  Urteile  berufciu  r  Fachleute,  speziell  der  Kenner 
slavischen  Volksgesaiiges  bebufs  Entscheidung  vor. 

Dem  Texte  nach  ist  dieses  alte,  kroatische  Weihnacbtslied  eigentlich 
ein  Marienlied.  Icb  gebe  von  dem  ungemein  umfangreichen  Texte  (von 
den  zahlreichen  Wiederholungen  abgesehen,  20  Strophen)  die  ersten 
12  Strophen  im  Originalwortlaut  und  mit  beigefügter  sinngemäßer  Über- 
setzung unter  Beibehaltung  der  rhythmischen  Form  und  der  Beimstellung) 
nachfolgend  wieder: 


U  sre  vrime  godiecA 

Mir  se  Bvitu  nazriScä 

Porodjerije  tlitira 

Od  8vete  JJivt"  Marije. 

Od  preciste  Divito 
]  nebeske  kraljice 
Acgjokke  Oesttrice 
Svete  Dive  Marge. 

Diva  fiina  porodi 
Djavln  ailtt  aon  alomi 
A  krl^ane  oalohodi 
Svet»  Diva  Marge. 

U  jaale  ga  stavljase 
Majka  mu  hc  klanjuse 
Ter  ga  shitko  l.jubljaäe 
Svet«  Divn  Mnrijiv. 

Andjcli  nni  shi/;ilia 
Novu  pisaii  piviiliu 
U  njega  milost  pro.>ahu 
S*  Svetom  Divom  Mar\jom. 

U  polu6£  se  Bog  rodi 
Nebo  i  sendjic  prosvitli, 
Kiiko  n  podne  svitlo  bi, 
ä'  Svetom  Divom  Marborn. 

Zvizda  izadje  zornica 
Od  pr«n*'iste  Divice 
Ang,iel8ke  Cesurice 
Svete  Dive  Marijc. 

Svjiko  svitn  stvoroiij© 
Tada  ima  veselje, 
Za  isuaa  rodyeige, 
Od  svete  Dive  Marije. 

Otci  n  limbu  spivase 
Kad'  te  glase  sliSaSe, 


^Kommen  ist  die  frohe  Stund', 

wo  der  Welt  ward  Friede  kuud 
aus  unschuld'gen  Kindleins  Mund, 
von  der  heirgen  Magd  Marie, 

vriTi  <l<'r  .1  iiiif^ffnui.  keusch  und  rein, 
Künigiu  in  Himmels  Schein, 
Kaiserin  der  Engelein, 
von  dw  heil'gen  Magd  Marie. 

Zu  zerstör'u  die  Macht  des  Böseu, 
alle  Christen  za  eriösen, 
eines  Sohnes  mu0t*  genesen, 
sie,  die  heil'ge  Magd  Marie. 

In  der  Krippe  lag  das  Kindletn, 

Mutter  sorgsam  hüllt's  in  Windlein, 
hi  r/.V  und  küßt'  das  süßt-  Miindlein 
sie,  die  LeiTge  jNIagd  Marie. 

Engel  8<liw(l>tiii  auf  und  nieder 
di<'TH'Ti(],  und       ballten  wieder 
ihm  zur  Khie  neue  Lieder 
und  der  heiligen  Magd  Marie. 

£rd'  und  Himmel  glänzt'  voll  Pracht 
tagh<dl  nm  die  Mittemacht, 
da  zur  Welt  ward  Gott  gebradit 
von  der  heil'gen  Magd  Marie. 

Um  der  reinsten  Jungfrau  Glans, 
Kön'gin  in  der  Engel  Kranz, 
Kreist'  der  Morgensterne  Tanz, 
um  die  heil'ge  Magd  Marie. 

Friede  nun  umfangen  hält 
alV  Geschöpfe  dieser  Welt, 
seit  snr  Mutter  Gott*s  erwtiilt 
sie,  die  heil*ge  Magd  Marie. 

In  dem  Grab  die  Vater  schliefen, 
als  der  £ngel  Stimmen  riefen: 


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liobert  Laub,  Alte  Weihnachta-  und  Ustcrgesängo  auf  Lussin.  589 


»Gott  kam  xu  d«r  Erde  Tiefen 
ans  der  heiligen  Magd  Marie.« 

Gott  nun  preisen  wir  im  Liede, 

der  Erlösung  bracht^  hiernieden 


I  Jovikii  smirnomu 

Sa  svetom  Divom  Marijom. 


und  der  ^ronschhoit  sel'gen  Frieden 
aus  der  heil  gen  Magd  Marie. 


Vi  taiimosti  koj'  staho 
A  svitloHti  ne  imabu, 
Sima  Boijcg'  ^ekabu 
Od  srete  Dive  Marije. 

Koga  obe&a  Bog  dati 
Ter  im  na  srit  poslati 

Iz  tanmosti  speljati 


8'  svetom  Divom  Marborn. 

etc. 


Finsternis,  sie  war'  so  dicht, 
und  kein  einziger  Strahl  vuu  Licht, 
braclit*  uns  Gott  Erlösung  nicht 
dnrdi  die  hefl'ge  Magd  Marie. 

Ihn  versprach  uns  Gott  zu  sdliicken, 
der  uns  sollt*  der  Finsternis  Ttteken 

als  Erlöser  güt'g  entrücken 
durch  die  beil'ge  ^^ngd  Marie. 


Die  Stellung  dieses  Volksliedes  im  Aufbau  der  Musik  dvr  ganzen 
Messe  ist  folgende:  Der  Messe  geht  als  Einleitung  (und  zugleich  Schluß 
des  vorausgegangenen  Matutinums)  die  feierliche  Al>singiing  des  Tedeum 
seitens  der  Priesterschaft  voran.  (Beilage  A.)  Hierauf  beginnt  die  Messe, 
und  sofort  nach  dem  Introitxs  bringt  die  Orgel  in  einem  kurzen,  8  Takte 
langen  Vorspiel,  das  ropr-tiert  wird,  ritomellartig  das  Grundtlicina  des 
kroatischt'ii  Volksliedes.  Hierauf  setzt  das  Volk  ein  und  singt  unisono 
(unter  ürgeibigleitung)  die  erste  Strophe  des  Weihnaclits-Liede-^,  wie  sie 
in  Heilage  T  notiert  ist.  Hierauf  folgt  nach  einem  kurzen,  ebenfalls 
8  taktigen  uml  ü'ijetierten  Urgel-Z wischenspiel  die  2.,  ebenso  die  3.,  4.  e(e  , 
insgesamt  11  Strophen,  worauf  die  Orphol  mit  einem  kurzen,  koda-artigen 
!N,i  Ii  pielu  abschließt.  Siimtliche  Zwihcheiispiele  der  Orirel  sind  in  IkilageB 
zusaniinengestellt,  uiul  tlie  Stelle  des  Einsatzes  des  Volksgesanges  mit  den 
verschiedeueu  Strophen  des  WeDniachtsliedes  durch  die  an  der  hetreÜeuden 
Stelle  beigesetzten  röiniselieü  Zitierul,  11,111  u. s.w.  ersiclillieli  gemacht.  Nach 
dem  Sattctiis  nimmt  die  Orgel  einige  der  im  soeben  besprocheneu  AFcssen- 
teile  angeschlagenen  Pastoralmotive  wieder  auf  und  führt  sie  in  einem 
durchuub  originellen,  eciit  ländlich  idyllischen  Pastorale  (Beilage  C)  selb- 
ständig weiter  aus,  wobei  zugleich  auch  einige  descriptive  (den  Vogel- 
gesang schildernde)  Motive  des  gleich  näher  zu  besprechenden,  mittler- 
weile vorausgegangenen  nächsten  Stückes  (in  Beilage  D)  mitverarbeitet 
werden.  Zwischen  den  in  Beilage  B  und  C  wiedergegebenen  StUcken 
nämlich  bringt  die  Orgel  in  einem  sowohl  durch  Erfindung  als  auch  In* 
strumentiening  (Register)  ungemein  reizToUen,  echt  volksmäßig  originellen, 
selbstständigen  Fastorale  (Beilage  D)  ein  sehr  anmutiges  Beispiel  schalk- 
haften Yolkshumors  und  kindlicher  Spielerei  ebenso  gut  als  descriptiTcr 
Musik.  Zu  einer  von  der  Orgel  in  den  zartesten  und  feinsten  Registern 
{flauto  piceoh  etc.)  ausgefährten  graziösen,  hüpfenden,  das  Zwitschern, 


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540 


Robert  Lach,  Alte  WeOmaohts-  und  Osiergesänge  auf  Löwin, 


Flattern  «nd  Httpfsn  der  Y6gel  nachahmenden  If elodie  pleifen  zwei  auf 
dem  CShore  neben  dem  Organisten  aufgeetelhe  Knaben  durch  gans 
dünne,  tehrille,  den  ripieniSüwmtia  angehorige  '«nd  entnommene  Orgel- 
pfeifchen)  die  mit  dem  freien  finde  in  ein  mit  Wasser  gefülltes  Glas 
gesteckt  worden  sind,  streng  im  Takt  mit  der  Tom  Organisten  vorge- 
tragenen Musik,  wobei  sie  die  Jjäufe,  Triller  und  Sprünge  der  Orgel- 
stimme auf  ihren  Pfeifchen  durch  ein  bald  längeres,  bald  kürzereH,  die 
staccato-Töne  der  Orgel  durdi  t  in  ganz  kones,  stoßweises  Hinoinblasen 
in  das  Wasser  ersetsen.  Oer  Effekt  ist,  namentlich  vwk  Kirchcnsctiilf 
unten  aus  vernommen,  eine  ganz  täuschende  Nachalunnng  des  Trillerns, 
Glirgelns,  Köllens,  Zwitschems  und  Glucksens  im  Gesang  der  Singvögel, 
so  daß  im  Vorrin  mit  dor  img^ein  glücklich  erfundenen,  zarten  Melodie 
tatsächlich  durch  die  Musik  in  zwingendster  Weise  der  Eindruck  einer 
mit  zwitschernden,  jubilierenden  und  tirilierenden  Singvögeln  erfüllten 
ländlichen  Szene  hervorgerufen  wird  —  doch  eine  recht  anmutige,  kindlich 
naive  lUustrieriiiic:  der  aus  Fronde  nhor  die  Geburt  des  Wolterlösers 
jubelnden  und  jauchzonden  Natur  und  Kreatur'  An  diej^r*  iiiid  die  schon 
besprochene  Numiner  C  schließt  sich  ^im  f f/ferton/nn'^  ein  anderes,  eben- 
so geliiniipncs  uu<l  durchaus  orierinollos  Pastorale  i Heilage  E)  an,  bei  dem 
durch  die  I^egister  flaiifi)  und  tfunhuro  und  die  besonders  charakteristische 
Melodie  ein  ( ienrebildchcii  in  ungemein  lebliaften  Farben  hinjremalt  wird : 
ein  Aufzug  von  Hirten,  die  unter  dem  Klane:  ihi-er  liindlicben  Musik,  Flöten, 
kSchalmeieii  un<l  Dudelsack,  heraugezügen  kommen,  um  das  Kind  in  der 
Wiege  zu  l>eghißen  unil  iliui  ihre  Huldigung  darzubringen.  —  Nach  der 
bereitb  eingangs  dieser  Bemerkungen  erwiihnten,  unter  JJeilage  F  wieder- 
gegebenen Nummer,  gegen  deren  volkstümlichen  Ursprung  bereits  oben 
Zweifel  geäußert  wurden,  kommt  neuerlich  ein  untjemein  charakteriütischps. 
erbt  volkstümliches  Pastorale  ^Beilage  Gl,  das  sowohl  durch  seine  melo- 
dische Erfindung  als  namentlich  auch  durch  die  Instrument  irj  ung  d'w 
Register  Pn'ticipale  Bassi  e  Soirrani,  FUuifo  in  S,  Tromboncini  Jlassi 
e  ■Soptani,  Tromboni  e  Cmtralmssi,  Flantu  in  XIT)  das  in  den  früheren 
Pastoralen  gelieferte  ländliche  (lenrebüd  in  der  glücklichsten  Weise  ver- 
vollsUlndigt:  die  derben,  plump  treuherzigen  Bauern  und  Hirten,  die  in 
der  Freude  ihres  einfältigen  Herzens  mit  ungeschlachten  Tänsen  und 
Hopeem  aum  Klange  Ton  Pfeifen,  Trommeln,  Dndelsack  und  Brumm- 
baB  die  Geburt  des  Welthdlands  feiern,  polternd,  trampelnd  und 
stapfend. 

Den  Schluß  der  Messe  endlich  bildet  ein  sehr  banales,  lärmendes,  an 
den  Styl  des  Kehraus  erinnerndes  AUegro  (Beilage  H),  gegen  dessen  Tolks- 
tümliche  Herkunft  ebenfalls  schon  am  Beginn  dieser  Ausftthruxigen  Be- 
denken vorgebracht  wurden. 

Überblickt  man  nun  die  ganze,  in.  den  Beilagen  zusammengestellte 


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Robert  Laoh,  Alto  Witflmaehta-  und  Oitergeribge  «af  Limiii. 


641 


Musik  dieser  Messe,  so  crgil)t  sich,  abgesehen  von  ilem  rein  musikalisciicii 
Interesse,  (his  die  Pastorales  und  da»  alte  kroatis(;he  Wcnhnaditslied 
einflößen,  ein  für  die  volkstUinliche  Auffassung  der  Messe  (zunächst  nur 
bei  den  Kroaten  und  ftalienem  von  Lnssin,  dnnn  aber  wohl  de«;  Südens 
überhau])ti  sehr  bedeutungsvolles  Moment:  T>ieses  lel)]iafte.  lieißbliitige 
südliche  Völkchen,  das  immer  gestikuhcrt- n.  singen,  lachen  und  tanzen 
muß,  sieht  auch  in  dem  heiligsten,  freudig  erhabcndsten  Bilde  seiner 
heiligen  Geschichte,  der  Geburt  seines  Heilandes  —  im  groben  Gegensatz 
zum  still  in  sich  gekehrten,  schweigsamen  Nordländer,  der  in  diese  Szenen 
der  heiligen  Geschichte  die  ganze  Tiefe,  den  ganzen  überstrünienden 
Reichtum  keuschester  Innigkeit,  hingebungsvollster  Zärtlichkeit  und 
schwärmerischester,  weltentrückter,  andachtsvollster  Mystik  hineinlegt,  — 
den  seinem  leichtsinnigen,  übermütig  unter  Lachen  und  Tollen  in  den 
Tag  hindnlebendeii  Naturell  so  ungemein  willkommenen  Anlaß  zu  neuem 
Schäckenii  Kosen,  Tanzen.  Das  in  8«mer  beQigen  Geschidite  berichtete 
Ereignis  acerlegt  es  dch  in  eine  Reihenfolge  anmutiger  Szenen:  Die  gaoEO 
Messe  wird  ihm  jmr  dramatischen,  ssEenischen  Illnstration  der  im  Weihnachts- 
liede  (als  dem  Gnindtenor  der  ganzen  Messe)  und  der  heiligen  Über- 
lieferung berichteten  Erzählung.  In  der  Krippe  Hegt  das  neugeborene 
Kind>  Engel  dienen  ihm  und  feiern  es  in  Lobgesangen;  die  ganze  Welt, 
Himmel  und  Erde,  jegliche  Kreatur,  die  Vögel  des  Himmels,  alles  jubiliert, 
jauchzt  und  frohlockt  ob  der  Geburt  des  Weltheilandes.  Von  den  umher» 
liegenden  Dörfern,  Auen  und  Feldern  kommen  jubelnd  die  Hirten  und 
Bauern  herbeigeströmt  und  singen  unter  dem  Klange  ihrer  ländlichen 
Instrumente  fröhliche  Lieder  zu  seinen  Ehren.  Ihre  fVeude  wächst  immer 
mehr,  und  scblieBlich  macht  sich  ihr  überquellender  Jubel  in  dem  Luft, 
wozu  der  Südländer  und  das  Volk  Uberall  und  immer  im  größten  Taumel 
der  Freude  seine  Zuflucht  nimmt:  im  TaEkiz.  So  wird  die  ganze  Messe 
zu  einer  Oper,  und  zwar  zu  einer  Bossini^schen  Oper:  gerade  so  anmutig, 
graziös,  von  Lebenslust  8pru(\elnd  und  Uberschäumend. 

Aber  damit  ist  denn  doch  noch  nicht  alles  in  der  Messe  liegende 
erschöpft;  diese  dramatische  Auffassung  der  Messe  deutet  noch  auf 
Tieferes,  Ernsteres  und  Ft  it^rlicheres,  als  die  lei(ditsinnige  Rossini'sdie 
Oper:  auf  das  geistliche  Volks-Schauspiel.  Die  Beziehung  auf  diese  alt- 
ehrwürdige  Stammmutter  kommt  noch  deutlicher  zum  Ausdruck,  wenn 
man  erfrdirt,  daß  bis  vor  etwa  30  Jahren  noch  mit  der  Musik  dieser  Messe 
ein  feierlicher  Aufzug  <b  r  peseatari  und  campag^nuoli  vcM-bunden  war,  die 
hier  bei  dieser  Gelegenlieit  korporativ  dem  in  der  Krippe  liegenden  Heiland 
ihre  Huldigung  darbrachten.  Wie  mir  von  Eingeborenen  berichtet  wurde, 
wurde  dieser  uraltertüniliehe  Gebratich.  bei  dem  d;jR  t^.m'ze  Volk,  und 
speziell  flin  raiifpnfjnttofl  und  pri^rdfori  in  ihren  jetzt  ber«Mts  ungebräuch- 
lichen NatioQaltrachtuuuadi^'eötia^s-Gewändeni  erschienen,  vor  ungefähr  30 


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542 


Roliert.  L«ob}  Alte  Weibnachti*  imd  Oitei^ange  auf  lioniD. 


o<ler  40  Jahren  von  ilcr  Kirche  und  dem  Staat  \ve;i:cn  der  im  (Tefolirf  des 
Aufzuges  sich  anschln^iicnden,  häufigen,  unziemlichen  Ausschreitm  -i  n  des 
l'bermutes  ahirescliaftt.  Jedenfalls  also  deutet  die  Musik  dieser  xMesse, 
verbunden  imi  deu  jetzt  iu  V^ergesbeuhcit  geratenen  Au f/üj,'en,  unverkenn- 
bar auf  seinerzeitige  Herstammung  aus  dem  geistlicheji  \  Iks-Scliauspicl 
liin.  Wir  haben  somit  in  den  vorhesrcndcn  Musikstiiekeu  die  letzten 
Reste  uralter,  slavisch  -  italienischer  Weihuachts- Volks-Schauspiele  und 
-Gesänge  zu  erblicken. 

Schließlich  ist  die  ^Messe  noch  in  einer  anderen  Hinsicht  interessnnt: 
als  Illustration  zur  Geschichte  des  alten  Kampfes  zwischen  Kirche  und 
Volk  um  die  Vorherrschaft  des  liturgischen  (gregorianischen  Gesanges, 
beziehungsweise  des  geistlichen  Volksliedes.  Während  bei  uns,  in  Deutsch- 
land und  Oesterreich,  dieser  durch  das  ganze  Mittelalter  und  einen  Teil  der 
Neuzeit  fortgesetzte  Kampf  bekanntlich  mit  dnem  Kompromisse  endigte,  der 
aber,  wenn  man  unsere  heutige  Meß-Auffossung,  die  EinfUhning  des 
streng  cadliamschen  Styles  und  ähnliche  Sympt<Mue  berficksichtigt,  denn 
doch  eigentlich  dnen  entschiedenen,  gänzlichen  Sieg  des  Klerus  Uber 
das  Volk  und  die  Yertreibung  des  Yolksliedes  (im  strengen  Sinne  des 
Wortes)  aus  der  Kirche  darstellt,  hat  im  Süden,  bei  der  ungleidi  stärkeren 
Lebhaftigkeit,  Lebensfreude  und  unbezähmbaren  Übermacht  des  Naturells 
des  Volkes  dieser  theoretische  Kompromiß  praktisch  eine  ganz  andere 
Bedeutung  als  bei  uns  Nordländern,  und  ist  demgem&B  das  Bild,  das 
sich  uns  bietet,  ein  ganz  anderes:  hier  steht  das  unverfälschte,  treuherzige, 
schalkhafte,  naiv  lustige  und  selbst  ttbermiitige  Volkslied  dem  ernsten, 
liturgischen  Gesänge  als  gänzlich  gleichberechtigt,  ja  —  was  die  räum- 
liche Ausdehnung  anbelangt  —  sogar  tiberlegen  gegenüber.  Der  Volks- 
gesang ist  hier  nicht  das  Aschenbrödel,  das  analog  dem  Satze  emulier 
taceat  in  ecdesia*  rauh  aus  der  Kirche  hinaus  vor  das  Tor,  auf  Wiese 
und  Feld,  verwiesen  wird,  oder,  wenn  man  es  schon  K^iädig  aus  Erbarmen 
im  heiliiren  Raum  duldet,  doch  als  ein  eben  nur  geduldeter,  recht-  und 
ehrloser  Wechselbalg  sich  scheu  in  den  letzten  Winkel  an  die  Mauer 
drücken  muß,  sondern  er  ist  der  freie,  stolze  Schiffer,  der  von  dem  Bord 
seines  ScliifPes  stracks  und  frank  in  die  Kirche  schreitet,  um  dort  seinem 
Gott  fin  die  glückliche  Errettung  aus  einer  Gefahr  zu  danken,  oder  er 
ist  das  harmlos  fröhhche,  unschuldige,  kindliche  junge  Mädelien,  das  halb 
schelmisch  neugierig,  halb  scheu  andachtsvoll  in  das  mystische  Dämmer- 
dunkel des  geheiligten  Kaumes  tritt,  um  da,  im  frommen  Gebete  vor  dem 
Altar  hingegossen,  der  schönen,  lächelnden,  jungen  Madonna  mit  dem 
reizenden  Kinde  ihre  unschiddiiren  Sünden  zu  beichten,  etwa  wie  die 
jün^M-re.  knnm  dem  Kindesaiter  entwachsene  Schwester  der  älteren,  die 
als  jun^'e  brau  schon  ui<  !ir  Erfahrung  im  Leben  besitzt,  ihre  kindlichen 
Sorgen  und  Schmerzen  klagt. 


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Bobert  Lad»,  Alte  WMhnMhti-  ond  Ostergo^ge  md  Lusaiti. 


543 


Zum  Schlüsse  füge  ich  (in  Beilage  K)  die  Niederschrift  einiger  alter 
falffihordoni  bei,  die  hier  in  der  Ostenv'oche  gesungen  werden,  und  zwar 
der  unter  h)  angcfülirte  am  Clmrfreitage  nachmittags  hei  einer  aus  der 
Kirche  durch  die  Stadt  ziehenden  Prozession  vom  Volke  zu  den  Worten 
einer  uralten,  kroatischen  Gehetsformel  gesungen  (oder  vielmehr  rezitiert , 
während  der  unter  ai  notierte  vom  Chor  in  der  Kirche  vor  Beginn  der 
Prozession  vorgetragen  wird;  der  unter  c)  wiedcrpre^^ehene  endlich  wird 
zu  den  in  den  letzten  Wochen  vor  Ostern  in  der  Vesper  abgehaltenen 
Litaneien  gesungen.  Sämtliche  fahtihordoui  wurden,  wie  mir  der  Kapell- 
meister und  der  Pfan'er,  Don  Antonio,  versicherten,  noch  zur  Zeit 
der  Venetianer-Herrschaft  eingeführt,  und  zwar  die  beiden  letzten  aus 
Padna,  (]ot  erste  aus  Vf^nedig;  os  sollen  auch  hierüber  Chronik-Auf- 
zeichnungen mit  der  Angalie  dos  Jahres,  in  dem  diese  Gesänge  iiu])ortiei  t 
wurden,  bestehen.  Die  ah  Brevis  S  notierten  Töne  stellen  jene  dar,  auf 
welchen  die  Rezitation  längere  Zeit  verweilt.  Die  AN'irkuntr  namentlich 
des  unter  b]  notierten  Gesanges  ist  eine  tief  melancholische,  düster  ernste. 


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544 


Robert  IiMih,  Alto  WeUmohto-  vaä  Orteiyrteg»  aaf  LoHni. 

Musikbeilagce 
zu  »Alte  WeilinAcJitss  und  Oster^esänge  anf  Lassini^ 


T6  Deum  laudamus» 


Orgel. 


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Te  ergo  qvMSpniiis,  tut  famalU  snliTeiu  ete. 


Andantino  quasi  AUegrretto. 


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Bobvi  LmIi,  Ahe  VflftnMlito-  and  Ottergesängo 


545 


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646         Kobert  LMh,  Alto  WdhnMbü-  and  OitonrMioge  Mir  Luniii. 

DL. 


Seg^ue  Pastorale 
Andante. 


(Dopo  il  Sanctus). 


0. 


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Robert  LmIi,  Alte  WeUuuchU-  unii  Otteigeaänge  «of  Lotsin. 


547 


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B.d.I.M.  IV. 


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548 


Bobwt  Laoh,  Alte  Wdlnachts.  nad  Otttigeilnge  auf  Liwiii. 

Pastorale. 
Andante 


Uaccato  ^ 


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J.j.  J-  r- 

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Robert  Lach,  Alte  Weihnacht»-  and  Ottergtöänge  auf  Luriii. 


549 


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550 


Hobect  Lach,  Alte  WeOuuujhts-  und  Oftergedbig«  mf  Ldmu» 


Pasiorale. 
(Offertorio).  ^ 


Plaato 
e 

Tamburo. 


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Iff^t-ff  -  f  ff — TT  Pirn 


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Bolwvt  htA,  Alto  WeHniMhli-  und  Ottoqpilog«  Mif  Lmib.  S51 


Ii   nrif 


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552 


Bobert  Laoh,  Alte  WeihnaohU-  und  Ostergemnge  auf  ffwwfn. 


f  rriiii  iinr 


■ß — ^ 


^±1  Alleg^ro 


be^e 
dellit 
Pfistorale. 


Alle^fro. 


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Bobflri  Ltch,  Alte  WailiiuMhto-  «nd  OtUargMagt  Mf  Lmiiii. 


853 


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Tir  r  1^' 


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3S 


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6. 

PaBtorale  cou  8coruo  di  zampogno. 
AUfi^retto. 


g 


Priacipsl«  Bftwl  •  8opr»ai,  Pl»«to  l  8 
Tromboneiai  BMSi  •  Seprani,  Tromboni  e 


Gontrabaairi 


riMrtoiaXn 


^)  Jlie  «iiiKt-kUnunert«  8t«IIe  fehlt  im  ManuBkript,  itt  J«doeh  dureh  d«a  »p— trlgehen 
Ba«  d«r  Malodi«  bedingt  «ad  jed*Bf»Us  aar  aus  V«r««Ii«n  d«s  8«luNiib«ra  MUg«kli«b«B. 


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ff  ff  ff  1^1.  Ii  J.  Ii.  i. 


8 


11^  ^^J|qiJ.Jj,|i 


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Bobcct  Lieh,  Alto  Vtfm>e1»to»  und  OftotgWbige  anf  LoMin. 


655 


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Se^ue  AUegru 
eon  Spirito. 


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556        Bobwt  Liah»  Alke  Wailuwolit«-  «ad  OttergM&n^  «of  Loniii. 

Allf  «lo  can  Spirit». 


Tromboncli 
3  3 

3  3 

8  3 

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6  5 
4  8 

6  6 
4  8 

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6  7 
4  6 

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Pitt«  deDa  aeaM* 


Coro. 


Organe 


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Andantiiio  ^uasi  Alleg-re tto. 


ü  8ve  vri .  me    go  .  dii.ea,       mir  se  avi  .  tu  nasj 


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Ruber!  Lach,  Alte  WeahnaoliU-  und  Oatcrgüsaiige  auf  Luas 


iit. 


557 


ipo  .  Tcd  jeu- je      di  -  ti-c»,         odsvo.to  DI  -  v«     Ma  -  n.j«, 


3e 


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po  .  rod  Jen  .  jo       di  .  ti .  ca 


od  bvc.te  Di  -  Vü      Ma  .  ri .  je. 


Falsibordoni. 

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558     Itiemaon,  Die  donsche  Tonart  als  Grundakala  der  griechiachen  Notenaobnit. 


Die  dorische  Tonart  als  Grundskaia  der  griechischen 

Notenschrift 

vou 

Hugo  Riemann. 

(Leipng.) 


Seit  fast  i^lt'iclizcitig  im  .lalii-e  1S47  Frie<lrich  Tic] IrrmMun  f  Tnii- 
leitern  unil  ^rusiknotrn  (l(.'r  ( 1  ricclicii « i  und  Karl  J^'orthi.^e  ; ' Das  musika- 
lisclic*  Sy^^tcm  der  (Jricclu'ii  in  scim-r  l  Tpfestalt* ''       der  Analyse  des  iri  i« - 
eliist  liuii  ^ütensystenis  zu  dem  Scldussr  kamen,  daU  die  ( Jniiidskula  di*  -<'^ 
Systems,  die  Fol/^o  der  weder  nh  erhöhl,  noch  als  eniiedri^t  vorgestellten 
T(ine  eine  hypolydisclie  AVt  ,1  HCT)  1'^ F  sei,  hat  sich  eine  Form  der  Uber- 
tragung  der  auf  uns  gi  koiuinriK  n  l  'herreste  griechischer  Musik  festgesetzt, 
in  der  die  iluupttouart  dw  ( u  iei  heu,  die  dorische  als  B-moll  erscheint,  alsi» 
als  eine  Tonart  mit  5  Been.  Angesichts  der  Rolle,  weiche  die  diU'ische  Ton- 
art iu  siuutlicheu  Traktaten  der  alten  Theoretiker  spielt,  muß  aber  ein 
solclu.'s  Ergebnis  entschieden  befremden,  zumal  eine  verhältnismäßig  späte 
Entstehung  der  hypolydischeu  Tonart  durch  Aussagen  alter  Schriftsteller 
belegt  ist.   Ich  will  hier  nicht  den  ganzen  Apparat  heibringen;  es  genüge 
darauf  hinzuweisen,  daß  nach  der  ausdrlicklicben  Aussage  des  Aristides 
Quintilian  (I,  24;  einzig  und  allein  die  dorische  Tonart  in  ihrem  ganssen  Uiu« 
fange  von  zwei  Oktaven  gesungen  wurde,  daß  Ftolemäus  in  seinen  Tabellen 
der  Transpositionsskalen  (II,  11]  durchaus  als  Tiefengrenze  den  dorischen 
Proslambanomenos  und  als  Höhengrenze  die  dorische  Note  hyperbolaon 
festhält  und  zum  Beispiel  das  eine  Quarte  höher  als  das  Dorische  stehende 
Mixolydisch  oben  mit  der  dorischen  Nete  endet»  welche  doch  erst  die  Nete 
diezeugmenon  des  Mixolydischen  ist,  und  dafUr  den  drei  Stufen  unterhalb 
des  mixolydisch^  Proslambanomenos,  welche  das  dorische  zweioktavige 
System  enthalt,  die  Namen  zuteilt,  welche  ihnen  zwei  Oktaven  höher  zu- 
kämen.   Besondere  Beweiskraft  für  die  Bedeutung  des  Dorischen  als 
Hauptonart  hat  auch  das  übereinstimmend  bei  Aristides  und  bei  Kleo- 
nides  sich  findende  zweifellos  auf  Aristoxenos   selbst  zurückgehende 
jJioQiog  fc/s*'  gegenüber  der  Doppelgestalt  des  Phrygischen,  Lydischen 
und  Mixolydischen  als  hoch  und  tief. 

Wenn  überall,  wo  von  Mese,  Nete,  Hyi)aie,  Lichanos  u.  s.  w.  ohne 
weiteren  Zusatz  die  Rede  ist,  die  Stuffcn  der  dorisch  gestimmten  Oktave 
gemeint  sind,  wenn  Aristoxenos  (Seite  4())  ausdrücklich  die  Lehre  von  den 
Tongcschlechtem  an  Tetrachorde,  ^es  Baues  anknüpft,  wie  er  zwischen 


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H.  Kiemann,  Die  dorisch«  Tonart  als  Qrnndakala  der  griechiaofaen  Notenscbhfl.  559 


Mese  und  Hypate  (der  dorischen  Oktave)  sich  findet,  so  mn&  es  doch 
höchst  seltsam  erscheinen,  daB  der  griechischen  Notenschrift  als  Gbrund- 
skala  die  hypolydische  Stimmong  zugeschrieben  werden  kann,  und  es 
ilrängt  sidi  uns  zunSehst  die  Frage  auf:  Warum  betrachten  Bellermann 
und  Fortlage  die  hypolydische  Stimmung  ab  diejenige  ohne  Transpo- 
sition, ohne  i  oder 

Bcllt  iTnann  sowohl  wie  Fortlag(,'  erkennen  klar  die  Gruppierung  der 
Zeichen  der  griecliischen  Notenschrift  zu  je  dreien,  auf  welche  zuerst  die 
unverkennbare  Venvenduiifj:  desselben  Zeichens  der  Instrumental-Noten- 
schrift in  dreierlei  Lage  für  der  Tonhöhe  nadi  on^benachbarte  Töne 
V  ^  -  c  u.  8.  w.)  aufmerksam  machte  und  A\ekhe  für  die  Singnoten- 
schrift die  Pykna  der  enharmonischeii  und  ( liroraatischen  Skalen  (wenig- 
stens «1er  älteren}  in  den  Alypischen  Tabellen  bestätigen.  Das  den  niitteleren 
Kei-n  des  Gesanituinfange«^  ibv;  griechischen  Kotensystems  bildende  intakte 
Alphabet  der  äingnotensohrift: 

jiBr  I  JEZ  I  HSI  (  K^iM  I  NSO  \  /IPC  |  TV®  )  XVQ 

wies  zweifellos  auf  das  von  ihm  umspannte  Tongebiet  als  das  wichtigste, 
als  die  Hittellage  allgemeiner  Singbarkett  hin;  der  Best  der  Noten  fügt 
oben  und  unten  je  eine  weitere  Oktave  an.  Die  Veränderlichkeit  der 
Bedeutung  der  beiden  ersten  Zeichen  dieser  Triaden  in  den  drei  Ton- 
geschlechtem  (der  iUteren  Stimmungen)  deutete  auf  eine  besondere  Wich- 
tigkeit der  dritten  Zeichen,  welche  als  Barypykna  stets  ihre  Bedeutung 
festhalten.  Sowohl  Bellermann  als  ForÜage  stellten  daher  den  Ton- 
abstand dieser  dritten  Zeichen  von  einander  aus  den  Alypischen  Tabellen 
fest  und  fanden: 

r  Z  I  M  O  C  0  n  entsprechend  F  K  T)  C  H  A  (i  F 
'  t  V,  Vi  Vi  '/t  'i       'Ii  ','1  '  > 

Damit  war  die  hy|><'l  vflisclif  (iktaveiiL'attuii^j^  als  die  allen Transpositioueu 
zum  Ausgang  dienende  Stimniunjr  der  Mittcloktave  erwiesen. 

F'it  diese  Beweisfiihninff  stichhaltig'?  besser:  Tsl  »s  wirkHch  un- 
niüglich,  für  das  Dorische  die  Stiniinung,  in  welcher  allein  nach  Pto- 
lemilus  'rhesis  und  Dyiiamis  zusaiu  nienfallen,  in  ähnlicher  Weise 
eine  grundlegende  Bedeutung  zu  erweisen?  Denn  80\iel  ist  wohl  ein- 
leucht*iud,  daß,  falls  dies  doch  möglich  sein  sollte,  HtUermann's  und 
Forthige's  Erklärung  ohne  weiteres  fallen  .ircjasseu  werden  müßte,  da 
eiutj  in  der  griechischen  Theorie  eine  so  uiitii  geordnete  R'iUc  spielende 
Skala  wie  die  hypolydische  dann  gegenüber  der  dorischen  gar  nicht  ernst- 
haft in  Frage  konniien  könnte. 

Zunächst  ist  gegen  die  Bellerniann-Fortlage'sche  'Grundskala  ein- 
zuwenden, daß  eine  Skala,  welche  die  Tonzeichen  VZIMOCO'Q 
vereint,  weder  in  den  Alypischen  Tabellen,  noch  in  den  erhaltenen  Kom- 


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560  H.  Riemano,  Die  doritcbe  Toniurt  als  Onmdtlnl«  der  griediiiclien  Notemdirift. 

Positionen  nachweisbar  ist.    Ein  Halbtonverhältnis,  das  durch  zwei  Ton- 
zeichen ausgedrückt  w^ürde,  zwischen  denen  das  Gesamtsystem  zwei  weitei-e 
aufweist,  kennt  die  Praxis  der  griechisclien  Notenschrift,  wenigstens  für  die 
älten  n  Skalen  nicht.  Anstatt  F  X  und  1/  (>  p-ebrauclit  (hV*<elbp  vielmebr  im 
diatonisclien  und  chromati.schen  ( Ji  sc  hledit  stets  /;  Z  uiul         im  «  iiharmo- 
nischen  J  Zm\i\  V  ()  für  den  Halbton.  Allerdiiiirs  i>t  abci-  trotzdriu  l  iclitiii, 
dali  Z  gegenülicr  /  um]  ( ) ^enüber  1/  einen  einen  Halbton  tiefrn  n  Ton  be- 
deutet, abci-  nicht  in  derselb(M)  Skahi.  xindcrn  in  vcischiedenen.  Nur  die  seclis 
jiingrri'n  Skalen  (Jastisch  und  Äolisch  mit  ihren  Hypo-  und  Hvpeituiiartcnj 
kl  inieii  für  (las  enbamionischi:  Tungeschlecht  den  's:('sj)alteuen)  Halbton  aus- 
gctlriickt  durch  Zeichen,  die  zwischen  sicli  Raum  tur  zwei  weitere  lassen.  ' 
aber  ni(  lit  zwischen  dritten,  sondern  zwischen  ersten  Zeiclien  der  obigeu  j 
Tripelgruppen  /um  l^ieispiel  ./ //.   V /7,  IIT,  I  X.   Die  etwas  umständ- 
liche Erkliirun;,'  dafür  gebe  ich  weiteihin.  | 
Bellerniami  .suwcjhl  als  Fortlage  haben  den  Schlüssel  für  das  Ver-  ' 
stUndnis  des  ganzen  Systems,  den  die  F}  kua-Notierungen  so  wiUig  an  die 
Hand  gaben,  zu  früh  fallen  lassen.   Vergleicht  man  die  einzelnen  Skalen 
der  Alypischen  Tabellen  sorgfältig  miteinander,  so  ergibt  sieb  dodi  eine 
Yon  Bellermann  und  ForÜage  üba«obene  MfigliGbkeit  mit  genau  der- 
selben Evidenz  -~  vielleicbt  sogar  mit  stärkerer  —  die  doriscbe  Stimmung  | 
als  Grundskala  des  griecbischen  Notensystems  zu  erweisen.  Freilich  muß 
man  dabei  etwas  anders  zu  Werke  gehen  als  die  beiden  Gelehrten  getan. 
Es  bedarf  als  Ausgangspunkt  nichts  weiter  als  der  Annahme,  daß  das  ^ 
Dorische  die  eigentliche  Stammskala  sein  muß  und  weiter  allerdings  der 
Zugrundelegung  des  enharmonischen  Tongeschlechts,  auf  welches  tmrer- 
kennbar  das  uns  allein  überkommene  vollständig  entwickelte  Notensystem 
der  Griechen  berechnet  ist.  Da  wir  sowohl  ausPtolemäus  als  aus  den 
erhaltenen  Musikresten  wissen,  daß  die  enharmonischen  Pykna  keineswegs 
die  Benutzung  der  diatonischen  Lichanoi  bezw.  Paraneten  ausschlössen  (nur  • 
auf  der  Kithara  war  das  im  allgemeinen  der  Fall),  so  werden  wir  im 
Interesse  leichterer  Ül)ersi(  htli<  likeit  trotz  der  enharmonischen  Pykna  die  | 
Stufen  der  diatonischen  Skala  vollzählig  ins  Auge  fassen.    Die  Alypischen 
Talielleii  erweisen  für  die  Zeichen  der  Mitteloktave  der  dorischen  Tonart 
die  Tonbedeutung: 


f 
f 


es*    If  Paranete  diezeugmenon  diat.  .  . 
des'  K  Paranete  diezeugmenon  enhami. 
des'-  A  Trite  diezeugmenon  (diat.,  chrom 

c'    l  M  Paramese  

h      JJ  Mese  


a 


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H.  £iMnHin,  Die  domclie  Tonnt  wh  Gtimdilala  der  griediiiohen  Notentdirifi.  561 


08    T  Lichanos  meaon  diat. 


9 


f 
f 


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Ich  h&be  die  Tonbedeatung  der  Zeichen  rechts  daneben  geschrieben, 
^e  ich  sie  annehme;  links  steht  die  Deutung  Bellermann^s  und  Fort- 
lage*8.  Vorausgesetzt,  daß  sich  Ton  hier  aus  alles  wettere  glatt  ab- 
leiten  läBt»  wird  schwerlich  jemand  etwas  einzuwenden  haben,  wenn  ich 
behaupte,  daß  Uber  das  Alphabet  von  A  bis  Q  in  einer  überaus  zweck- 
mäßigen Weise  disponiert  ist,  um  die  dorische  Skala 


bedeutsam  als  Grundskala  heraustreten  zu  lassen;  daß  auch  die  obere 
Oktave  des  Einaltones  e  noch  aber  sich  den  für  die  antike  Schlußbildung 
so  unentbehrlichen  Oberleitton  (des  supitixndlmmim  mocUj  hat,  muß  sogar 
als  ganz  besonders  wichtig  erscheinen.  Die  Frage  ist  daher  nur,  ob  di«> 
anderen  Skalen  sieh  olme  Zwang  aus  dieser  als  Transpositionen  nach 
einfachen  Gesichtspunkten  ableiten  lassen.  Ich  will  die  Leser  nicht  un- 
nötig hinhalten,  zumal  ja  diejenigen,  welche  meine  Studie  »Notenschrift 
und  Notendruck«  kenn^,  nichts  Neues  er&hien  werden;  da  dieselbe 
aber  nidit  im  Buchhandel  ist  und  mein  Leidkon  sowohl  wie  der  Kate* 
cliismus  der  Musikgeschiclite  (2.  Auflage)  die  Erklärung  nur  skizzieren,  so 
i\  ird  man,  angesichts  der  noch  immer  allgemein  festgelialt<>nen  Übertragung 
der  griechischen  Musikrestc  nacli  Belleniiann'schen  beziehungweise  Fort 
lage'schen  Prinzipien,  es  nicht  für  überflüssig  halten,  die  Frage  einmal 
an  dieser  Stellt?  ernstlich  zum  Aiistrag  gebracht  zu  sehen.  Wie  gesagt, 
ich  will  aber  kurz  sein  und  gleich  verraten,  worauf  das  Ganze  hinausläuft. 

Wir  wissen,  daÜ  die  Kitbara,  das  h»)chststehende  Musikinstrument 
der  Griechen,  dauernd  eine  sehr  beschränkte  Saitenzahl  gehabt  hat 
f  selbst  in  der  römischen  Kaiserzeit  blieben  11  Saiten  das  normale  Ma- 
ximum!, daß  daher  das  Spielon  in  verschiedenen  Tonarten  in  der  Haupt- 
sache auf  eine  lic-^ondcrc  Einst imimius'  vor  Beginn  des  Spieles  angewiesen 
war.  Lange  Zeit  betrug  der  Imfaug  nicht  mehr  als  eine  Oktave  — 
sagen  wir  direkt:  von  ^ — c'  diatoni-^eh.  ontspreclieml  unserer  Grmidskala.  mit 
alleiniger  Eiuächaliung  einer  besonderen  chromatischen  Saite  für  also: 


Erst  durch  den  berühmten  Virtuosen  Timotheos  von  Milet  (im  4.Jhrh. 
V.  Chr.)  soll  die  zehnte  Sait<;  /'  und  durch  .Ton  von  Chios  nicht  viel 
später  die  elfte  Saite  (^j  hinzugefügt  worden  sein.  Vor  Timotheos  war 
also  ohde  :ünisttmmen  nur  das  Spiel  in  zwei  Tonarten  möglich  [e^e  mit 
h  =  Dorisch,  oder  e—e  mit  h  «  IMixolydisch).   Die  Kithara-Virtuosen 


c'  d'  c  h  a  g  f  v 


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502  ü.  Jüemaim,  Die  donscbe  Tonart  ab  Gnmdskala  der  griechischen  >ioteiuchnlU 

brachten  aber  an  Stelle  des  S^els  in  der  Originalstimmimg  allxuShlich 
ünmer  mehr  das  in  Transpositumen  in  Aufnahme,  welche  dnrch  Höher- 
stimmmig  einzelner  Saiten  erzielt  wurden.  Diese  HöherBÜmmung  erfolgte 
in  der  Beihenfolge  der  Töne  g,  d;  a  brauchte  nicht  höher  gestimmt 
zu  werden,  da  man  frttli  die  enhamonische  Identität  des  b  (der  Trite 
synemmenon)  mit  ms  begxifi.  Von  dem  Moment  ab,  wo  aber  diese  lÜtr 
verwmdbarkeit  des  b  in  transponierten  Tonarten  erkannt  wurde,  setzte 
mch  der  Gebrauch  der  Stimmung  mit  4  )f  fest  (Lydisch),  der  zur  römischen 
Kaiserzeit  allgemem  gewesen  zu  sein  scheint  Eine  in  mehreren  Hand- 
schriften (in  Paris,  im  Escurial  und  in  Mttnchen)  erhaltene  Anweisung 
zum  Stimmen  der  Eathara,  die  »xott^ij  o^fiaoia*^  zuerst  mitgeteilt  von  A 
J.  H.  Viacent  (Notices  sur  trois  manuscrits  relatifs  älamusique,  1847), 
auch  bei  K.  v.  Jan,  Scriptores  421,  erschließt  mit  ilirer  auffälligen  Be- 
nennung der  Saiten  (mit  beigefügten  griechischen  Noten"  die  ganze  Ent- 
wiekelungsg«'S(  hichte  der  Kithara  und  gibt  auch  den  Sdiliisscl  für  gewisse 
rätselhafte  Mitteilungen  des  Ptolemäus  über  die  Kitharistik  seiner  Zeit 
Liest  man  auf  meine  Weise  die  Notenzeichen  (also  mit  Zugi  undelegung  des 
Dorischen  als  Grundskala j,  so  ei^ben  sidi  für  die  11  Saiten  der  Kithara 
folgende  Tonhöhen  und  Benennungen: 

1.  Proslanibanüiiienos  r/.v. 


2.  Diapemptos 

/is. 

d.  Hypate 

giß. 

4.  Parhypate 

a. 

ö.  Ohromatike 

ais  {b). 

6.  Diatonos 

h. 

7.  Mese 

eis*. 

8.  Paramesos 

dis'. 

a  Trite 

t\ 

10.  Synemmenon 

fU\ 

11.  Kete 

Das  ßätsel  dieser  Skala  löst  sicli  einfach  genug  dahin  auf,  daß  die- 
selbe (lio  dorisrho  Mitteloktave  von  der  obersten  Seite  der  Kithara  aus,  de  r 
von  Jon  liinzugefü^trTi  //-Saito,  vorstellt.  Sie  beweist,  daß  die  Kitharisten 
der  spUti'i  cn  Zeit  sich  derart  auf  das  Spielen  in  glänzendeTi  luUier  liegen- 
deu  Tüuartcii  gewendet  halieu.  daß  sie  sogar  die  Naiuen  der  Saiten  ver- 
?>(  hoben.  An  die  Stelle  der  Nete  c  trat,  als  Timotheus  die  10.  Saite  ein- 
fidnte,  die  Is'ete  f  oder  vieiraehr  wahrscheinlich  «rleieh  fis,  und  als  Jun 
nocli  die  11.  Saite  oben  anfügte,  wurde  elx'u  diese  luamlich  //  oder  viel- 
nielir  ///v)  die  Nete.  Es  ist  srlion  friilier  autiretiillcn,  daß  die  Instnmien- 
talnoteii/eichen  der  Nete  diezeugmenon  des  Dorisclien  {e'\ ,  Phrv- 
gischen  {/in'}  und  Lydischeu  {gia')  ofieubar  Umlegungen  eines  und  desselben 


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B.  Biemaim,  Die  dorische  Tonart  als  Grundskala  der  ghecluscbea  Notenschrii't.  563 


Zeichens  sind  (N  Z  |/|),  welche  zweifellos  ehedem  zur  Bezeichnung  eines 
Pyknon  zusammengehörten.  Wir  können  daher  mit  großer  Wahrschein- 
lichkeit scUieBen}  daß  tod  der  ursprünglichen  Stimmung  der  nfiiiiisaitigen 
Kithaza  aus: 

e  f  g  a  h  h  c'  d!  €^ 

zunächst  die  durch  successive  Ümstimmung  von  /|  c,  g  und  d  sich  er- 
gebenden Tonarten  Hypodorisch,  Phiygisch,  Hypophiygisch  und  Lydisch 
aoBschlieBlich  in  der  Form  zur  Anwendung  kamen,  welche  sich  zirischen 
e  und  ^  ergibt: 

mit  1  1*.  efi^gahifeFe^  =  Hypodorisch 

niit  2  Jf:  e  fis  g  a  h  eis  cf  c'  =  Phrygisch 

mit  3  ^:  efisgisahds'd'^^  Hypophiygisch 

mit  4  f :  e  fia  gia  a  h  evl  di^  e  —  Lydisdi. 

Dfizn  hatte  inan  durch  die  für  alle  die^o  Stiniinuiipiweisen  nicht  in 
Betracht  kommende  6-8aite  noch  weiter  zur  Verfügung: 

mit  IV:  efgab<fd^  =  Mixoljdisch 

und  schließlich  mit  Ausnutzung  den  b  in  dem  Sinne  Ton  eus  auch  noch 
mit  5  jf:  «  fts  gis  ais  h  ei^  di»*  €  =  Hjrpolydisch. 

*  Lange  mögen  die  Namen  der  Saiten  unverändert  diejenigen  geblieben 
sein,  welche  ihnen  nach  der  Lage  auf  der  neunsaitigen  Kithara  zukamen, 

obgleich  ja  wohl  außer  Fi  age  steht,  daß  durch  die  hinzukommende  10.  und 
11.  Saite  die  Spieltechnik  eine  starke  Veränderung  erfahren  mußte.  Für 
das  Phrygi'jche  und  Hypophrygische  ergab  sich  mit  der  Einführung  der 
/'-Saite  (lie  Möglichkeit  der  Benutzung  des  Tones  fis\  welcher  als  dyna- 
mische Nete  des  Pln  vuiM-lH  n  und  als  Oktave  der  dynamischen  Mese  des 
Hypophrygischen  der  Alelodieführung  als  Grenzton  hochwillkommen  war. 
Ebenso  brachte  die  ^-Saite  für  das  Lydische  und  Hypolydische  gis'  als  dyna- 
mische Nete  beziehungsweise  Oktave  der  Mese.  Ob  nicht  das  ganze  Kapitel 
von  der  Thcsis  und  Dynamis  bei  Ptolemäus  veranlaßt  worden  ist  durch 
diese  neuen  Probleme  der  Teelmik,  ist  niiiule'^tens  in  Kra^'e  zu  stellen.  Die 
Honnasia,  wiche  sicher  der  Kaiserzeit  angehört,  beweist  aber,  daß  zuletzt  die 
lydische  Stiiniininir  dermaßen  dominiert  hat,  da  Ii  die  sämtlichen  Namen  von 
Nete  bis  Hyj)aie  um  zwei  Stufen  nach  oben  geschoben  gebräuchlich  wurden. 
Damit  wurden  aber  unterhalb  der  nunmehrigen  Hypate  gis  zwei  Stufen 
namenlos,  von  denen  die  eine  ^dio  /"-Stufe  in  die  Unterquint  der  neuen 
Met!i'  c/.s'  gestiiimit  (//*)  den  Numeu  Diapemptos  (=  Unterquint]  erhielt, 
während  man  die  tiefste,  eigentlich  «,  nunmehr  in  der  Unteroktave  der  Mese, 

d.  I.  M.  IV.  37 


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5(34  H.  Biemann,  Die  dorische  Tonart  als  Grandskala  der  griechischen  Notenschrift 


also  als  Profilambaiiomenos  eis  einstimmte.  In  der  Mitte  dieser  neuen 
Skala,  welche  man  ohne  Skmpel  als  die  Gommunskala  der  späteren  Eitha- 
ristik  bezeichnen  kann,  stand  aber  als  seltsamer  Zeuge  Tergangener  Zeiten 
die  ehemalige  Trite  synemmenon  b  mit  dem  Kamen  Ghromatike  Licha* 
nos  chromatike)  zum  Unterschiede  von  der  diatonischen  Lidianos  (Dia- 
tonos)  h.  Es  wäre  gänzlich  rätselhaft,  wie  diese  vereinzelte  chromatische 
Stufe  in  die  Skala  käme  (NB.  unterhalb  der  Mose),  wenn  nicht  eben 
die  nunmehrige  Parhypate  a  die  getreu  ohne  Umstimmung  erhaltene  alte 
Mese  yrlkref  über  weldier  der  Halbton  seit  alters  selbstverständlidi  ist. 
Aber  der  Name  chromatike  ist  wiederum  nicht  vom  altem  sondern  Tom 
neuen  System  aus  gegeben: 

Mese  eis' 

Lichanos  diatonos  Jf 

Tiichiinos  cliroiiiatikc  nts 

Parhypate  (diat.,  cbrom.)  a 

Hyputo  gis 

Diaperai)tos  //.s 

Proslambanomenos  eis. 

Doch  zurttck  zur  Notenschrift!  Wie  steht  es  nun  zunächst  mit  der 
Ableitung  der  ältesten  Favoritskalen  von  der  dorischen  Ghrundskala 
aus?   Hier  ist  der  Schlüssel  ohne  alle  Umschweife. 

Die  Triaden  der  Notenzeichen  sind  gar  nicht  in  der  Absicht  dis- 
poniert, nach. Art  unserer  Stammtöne,  t^-Töne  und  jf-Töne,  dreierlei 
Formen  derselben  Stufe  zu  bezeichnen,  sondern  vielmehr  lediglich  auf 
die  Spaltung  des  Halbtons  im  enharmonischen  Tongeschlecht  berechnet: 
ihre  Verwendung  für  das  chromatische  Tongeschleoht  ist  bereits  eine 
sekundäre.  Jede  Triade  umschreibt  mit  ihrem  höchsten  und  tiefsten 
Zeichen  das  Intervall  eines  halben  Tones  und  zwar  sind  von  dSmtlicfaen 
Stufen  der  Grundskala  aus  (der  dorischen  e^d^ifhafge)  Halb- 
tons chritte  nach  unten  vorgesehen,  wie  das  bei  dem  ausgesprochenen 
MoU-Gharakter  der  griechischen  Musik  nicht  verwunderlich  ist: 

^ßl    J_LZ   HQl    Iv^M    NSü    nr^    T\Qt  XH'Li 
f-e'    e'-dis'  ct-eia^     (f-h      hrois    thgis    g-fis  f-e 

Jede  Ti  aii^i)(>.sitionsska1a  wird  al<o  in  erster  Linie  mit  den  Triaden 
notiert  welclie  ihre  beiden  Halbton.sehritte  erfordern.  Dorisch  mit  ^^TiT 
{=f('),  A./l/  '=r'h)  und  X^Fn  [=-fi],  Hypodorisch  mit  h^IM 
(=r7/)  und  7'>'/^  ^,if,s\,  Plirygisch  mit  Hhl  [—d'cis)  und  7')=/^ 
{=(ffts],  Hypoplny.Ln-cli  mit  ! K-Jl  '—  d' rtW)  und  HP::  {=  ngis),  Lydisch 
mit  /i:Z       f  'dis''  und  '=  nijis]  und  Hypolydisrh  mit  J HZ  ^=  r  (Iis*) 

uud  AHO  {=-hai6].    Die  übrigen  die  Tykiia  weder  in  der  Tiefe  noch 


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H,  RieuHUit  Die  doriaehe  Taasit  als  Grandsbüa  der  griechischen  liotenschrifi.  565 


in  der  Höht'  begrenzenden  Stuft'ii  lAitykiiu)  wcni*  u  nut  ilrn Zeichen  notiert, 
welche  ihnen  als  Uxypykna  oder  iiarypykua  zukununrn.  Für  c  und  h  er- 
geben sich  (hibei  zwei  MöjrHclikciten  (e  =  i"  oder  h=  M  oder 
von  diesen  wird  die  Bezeichnung  mit  der  Barypyknon-Note  ff,  M] 
unter  allen  Umständen  bevorziiprt.  Das  gan/e  System  der  Bezeichnung 
ist  80  leicht  und  selbstverständlich,  daß  es  für  die  Mitteloktave  sofort 
im  Gedächtnis  behalten  wird  und  mit  Sicherheit  fj^ehandhabt  werden 
kann.  Für  die  höheren  und  tiefcjen  Oktaven  gilt  es  aber  in  absolut 
gleicher  Strenge;  nur  der  Tv])en  wetren  sehe  ich  von  deren  Erörterung'  ab. 
Die  NotensseiclieD  für  die  atcha  älteren  Stünmungö weisen  der  Mitteloktave 
sind  also: 

Dorisch:        [AB\  F  H 

Hypodorisch:         r  II 

Phrygisch:  V  HGI 

e'    d  eis' 

Hjrpophrygisch:      V  H0/  M  HFC 

d  eis'     h     a  gis  fis 

Lydisch  [NB)\        J liZ^  M    Jfl'C    (U  r[It2\ 

e  diW  eis'   h    a  gis   fis  e[dis] 

Uy^oiydiBchiNIij:  JJ:z   I    N^O   C  a> 

e'dis'  eis'  h  <m  gis  fis  e{dis) 

Von  irgend  welcher  Schwierigkeit,  die  durch  das  Ausi^ehen  vom  Do- 
rischen alb  Grundskala  veranlaUt  wäre,  ist  hier  gewiü  hkIiis  zu  spüren. 
Das  Resultat  ist  aber  gegenüber  der  Ubertragungsweise  Bellermann's 
und  Fortlage's  insofern  ein  geradezu  gegt  nsiltzüches,  als  diese  sechs 
ersten  Transpositioneu  Kreuztonarten  ergeben,  während  sie  bei  jenen  zu 
-Tonarten  führen: 

< —  Bellermann -Fort  läge: 
5b  4!?  3lT  2b  lt>  (JrundRkala 

Dorisch    Ifypodorisch   Phrygisch   Hypophrygisch   Lydisch  Hypulydisch 


«tl  ^ff  -iff  V 

Eiemann  — *• 


Natürlich  müssen  daher  düe  jüngeren  (abei-  auch  bereit»  von  Aristo- 
xeBOS  aufgestellten)  Transpositionsskalen,  welche  bei  Bellermann-Fortlage 
Kreuztonarten  sind,  bei  mir  zu  i^- Tonarten  werden.  Die  Andersartigkeit 
der  Bezeichnung  der  Ilalbtöne  in  den  neueren  Tonarten  bleibt  natürlich 
bei  mir  ebenso  markiert  bestehen  wie  bei  der  andern  Leseweise;  auch  das 

.37» 


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566  H.  Riemann,  Die  dorische  Tooert  als  Qnindskala  der  grieduadben  Notenschrift. 

Faktum,  daß  es  in  äev  jL^riechisrhen  Notenschrift  z^vei  Tonarten  gibt,  in 
weichen   die   heideu   heterogen  Systeme   der  Halbtonhezeichnung   >i(  h 
mischen,  bleibt  natürlich  unerschüttert.   Mögb'cber^veis(>  ist  die  niixo- 
1  yd  i sehe  Tonart,  in  welcher  diese  Mischung  zuerst  stattfindet,  lange  die 
vimige  ß-Tonart  gewesen;  sie  aber  gehört  dennoch  zweifellos  zu  den  ältem 
Tonarten.  Wir  dürfen  als  sicher  annehmen,  dali  die  Einschaltung  des  Halb- 
tones b  zwischen  die  Mese  a  tind  Paramese  h  selir  alt  ist,  vielleicht 
gar  annähernd  in  das  Zeitalter  des  Terpander   hinaufreicht.  Doch 
wird  schwerlich  schon  in  jener  Zeit  das  duiehj^el)ildete  enhamionisch- 
chioiuatisebe  Notensystem   aufgekommen   sein.     Die  Tnstnnnentalnotcn 
lassen  vielmehr  ein  Stadium  aliuen,   wo  einlacli  jede  Saite  der  Kilhaia 
ihr  Tonzeichen  hatte,  das  je  nach  der  Tonart  des  Stücks    je  nach  der 
Stimmung   der   Saiten)    abweichende    Tongebungen    bedeuten  konnte. 
Ich  habe  schon  in  meinen  »Studien  zur  Geschichte  der  Notenschrift«  ange- 
deutet, daß  dabei  wohl  die  Anfangsbuchstaben  der  Saiten-Namen  als  Ton- 
zeichen dienten  und  daß  der  gleiche  Anfangsbuchstabe  der  Paranete,  Para- 
mese und  Parhypate  möglicherweise  der  erste  Anstoß  zur  Verwendung 
derselben  Zeichen  in  verschiedener  Lqping  wurde  (H  «  Paramese, 
L.     Paranete,  'J  oder  _}  =3  Parhypate).|   Doch  sind  das  Hypothesen, 
die  sich  als  irng  erweisen  können.  Jedenfalls  setzt  die  auf  uns  gekommene 
Art  der  Bezeidmung  des  durch  Benutzung  der  Trite  synemmenon  ent- 
stehenden Halbtones  ba  Yoraus,  daß  man  die  enharmonische  Identität 
von  b  mit  ais  bereits^erkaont  hatte;  das  uns  vorliegende  ausgebildete 
System  der  griediiscfaen  Notenschrift  setzt  bereits  die  liypul}  dische  Trans- 
position als  bekannt  voraus. 

Sämtliche  1^-Töne  werden  n&mlich  mit  demselben  Noten- 
zeichen  gefordert,  welches  ihnen  als  j(-Ton  zukommt,  b  mit  dem 
für  ais,  es  mit  dem  fttr  dis,  as  mit  dem  ffir  gia^  des  mit  dem  fOr  eis  und 
^  mit  dem  ffir  fis  disponierten.  Samtliche  Ereuztöne  sind  im  Qeiste  des 
griechischen  Notensystems  zunächst  Barypykna^  d.  h.  tie&te  Töne  im  enhar- 
monischen  Pyknon,  dritte  Zeichen  der  oben  entwid&elten  Triaden,  Töne,  zu 
welchen  die  Tone  der  Stammtonleiter  Leittöne  von  oben  sind  (wir  würden 
heute  umgekehrt  sagen:  sie  sind  die  Leittöne  von  unten  zu  den  Tönen  der 
Gmndskala);  erst  durch  Erweiterung  des  Transpositionssystems  können  sie 
als  Apykna  vorkommen  (z.  B.  m,  fis  und  ffis  im  Hypolydischen).  Dagegen 
sind  dieselben  Zeichen  als  i^-Töne  zunächst  durchaus  als  Ocypykna,  also 
hödiste  Töne  im  Pyknon,  können  aber  natürlich  auch  Apykna  werden.  Einen 
jr-Ton  als  Oxypyknon  oder  einen  KTon  als  Batypyknon  kennt  die  griechische 
Notenschrift  nicht  (entsprechend  unserem  eü-fis  und  b-eea  u.  s.  w.}. 
Man  muß  durchaus  festhalten,  daß  die  i^-Töne  von  den  Griechen  doch 
fortgesetzt  eigentlich  als  Kreuztöne  voigestellt  wurden  und  daß  nur 
sozusagen  theoretisch  die  chromatischen  Halbtone  (Apotomen)  den  dia- 


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H.Bieiiuuui,  Die  doriacbe  Tonart  aU  GmndskalA  der  griechischen  Notenacbrüt.  567 


tonischen  (T.iiuüuita)  gleichgestellt  und  als  zur  Skalenbildung  befähigt 
definiert  wurden.  Tatsächlich  drückt  die  griechische  Notenschrift  diese 
neue  Art  von  Halbtüncn,  auf  welchen  die  jüngeren  Tonarten  berulien, 
als  Verbindung  eines  Stammtones  niit  «mu  lu  erljühten  Tone  aus  und  teilt 
daher  nirlit  für  die  von  denselben  gebildeten  Pykna  neue  Triaden  be- 
naclibarter  Buchstaben  des  Alphabets  ab  {was  freilich  auch  die  Über- 
sichtlichkeit des  Systems  sehr  in  Frage  gestellt  hätte).  Die  Pykna  über  den 
Tönen  der  Grundskala  (abgesehen  natürlich  von  denen,  welche  schon 
innerhalb  der  Grundskala  Barypykna  sind  [e  und  h])  werden  sämthch 
bezeichnet  durch  drei  Buchstaben,  von  denen  nur  der  zweite  und  dritte 
an  einander  anschlieBen,  während  der  eiste  fom  zweiten  nm  eine  Stufe  ge- 
trennt ist;  das  dritte  Zeichen  (das  für  den  Stammton)  ist  stets  ein  erstes 
der  gnmdlegenden  Triaden  der  Kreusdialbtöne,  die  beiden  andern  sind  das 
erste  und  dritte  der  vorausgehenden  Tziade,  so  daß  also  hei  der  Be- 
zeichnung der  t^-Halhtöne  asweite  Zeichen  der  Triaden  gar  ni^t  zur  An- 
wendung kommen.  Es  scheinti  daß  die  BSnharmonik  zu  der  Zeit,  wo 
die  B-Tonarten  in  Aufnahme  kamen,  nicht  mehr  die  erste  BoUe  spielte, 
da  nur  das  Halbtonverhaltnis  des  Mesopyknon  zum  Bai}  pyknon  in  dieser 
Art  der  Bezeichnung  deutlicher  henrortriti  Die  Zeichengruppen  für  die 
>-Halhtone  sind  in  der  Mitteloktave: 

es'  tf       des'  c'         b  a         as  g        9^  f 

J..ZH  H„i  K  N.,0  n  jr..c  r  t,,0  x 

Als  ein  Mangel  des  Systems  (aber  nicht  nur  in  meiner  Art  der  Deutung, 
sondern  ebenso  in  jeder  andern,  natürlich  auch  bei  Bellermann  und  Fort> 
läge)  fällt  zunächst  auf,  daß  drei  Buchstaben  zvrei  um  einen  Halbton 
Tmchiedene  Bedeutung  haben  können  [H  —  d  oder  des,  II  a  oder  as, 
T  —  g  oder  pe.s).  Dieser  Ubelstand  ist  aber  nur  für  das  enharmoniscfae 
Geschlecht  vorhanden;  im  diatonischen  fällt  bekanntlich  das  Oi^pyknon 
überhaupt  aus,  im  chromatischen  aber  rückt  das  Ox^'pyknon  auf  die 
Tonhöhe,  welche  dasselbe  Zeichen  als  Baiypyknon  bedeutet: 

ä,,  z  H  n  .  I  K  N..  0  n  n„c  T  t..  0  x 

e'    es  d  d'  des'  c    h    b  a    a  as  g    g  ges  f 

Auch  die  Oxypykna  der  j(- Halbtöne  bedeuten  ja  im  chromatischen 
Geschlecht  um  einen  Halbton  höhere  Töne  als  im  enharmonischen.  Man 
muß  daher  zugeben,  daß  schließlich  die  Bezeichnung  der  Pykna  der 
B-Tonarten  so  gut  durchgeführt  worden  ist,  wie  das  nach  der  Toraus- 
gängigen  Entwickelung  des  Systems  möglich  war.  Bie  geringen  In- 
konsequenzen hissen  sich  etwa  mit  denen  vergleichen,  welche  unser  heutiges 
Note n^ys lern  in  der  Stellung  von  um  einen  halben  Ton  und  mehr  in  der 
Tonhöhe  yerschiedenen  Koten  wie  //,  6,  heses  und  A»,  auf  den  gkxohen 
Ort  im  Liniensystem  aufweist. 


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568  H.  Biemann,  XHe  doriBche  Tonart  als  OnuidBkala  der  grieohiMshen  KoteiMchhft. 


Die  Einstellnntr  der  L'-Halbton-Pykna  ergibt  nun  für  die  Mitteloktave 
die  weiteren  Trans.poMtionen  durcli  allmähüclie  Umstimmung  der  Tone  //, 
Of      g  um  einen  Halbton  abwärts: 

Mtxolydisch:         r   H   K    N..On   T  ^XQ        Mischung  baider 

e'    ^    &     b       ^    9    f     '  Beieicluniiigvweiieii 

(tief  Hypolydiscli)   es'         (f    b      a   g    f   es  [d) 

Äolisch:  J7z77  K    oTTxr  X   V  ..IF] 

LyUi.sch)        es'    d'   c'    b    o.s     9    f  {d) 

Hypoiastisch :  Z  U..IK  O  n,.CT  X  2 
(tiefHypophiygiBch)es'  desf  c'    b    as     g     f  es 

(tief  Pbrygiscli}     es'  des'  d    b    as  gee    f  es 

Hyperiastiscb:      Z    I    X^O    C     T..0X    1  \ 
(tief  Hypo dorisch)  &s'  des  ces  b    a.s   ges     f    es  I  Mischunrr  boidrr 


Hv-periastisch:      J   Z    I    N^O    C  T..0X 
(hochMixolydischJm'  diu'  m'  h  aü  gis  fia    ein  . 


Bezcichnungsweiseu' 


Je  nachdem  mau  das  Hyperiastische  als  B-Tonart  (mit  6  b)  oder  als. 
Kreuztonart  imit  6f)  liest,  ergibt  es  sich  für  die  Mitteloktavo  e'—e  als 
tiefere  ^Nebenform  des  Hypodorischen  (Es-muU  statt  E-raoU)  oder  als  hulicre 
Nebenform  des  Mixolydischen  Dis-moll  statt  D-moU).  so  daü  sich  in  ihm 
der  Kreis  der  zwölf  Transpusitionen  enhariuoiusch  sehluljt. 

Das  gesamte  System  der  griechischeM  Xutenschrift  läßt  sich,  wie  man 
sieht,  recht  wohl,  ausgehend  vom  Dorischen  als  Grundskala  erklären 
und  ein  Grund,  die  bisherige  Leseweise  aufrechtzuerhalten,  liegt  nicht  vor. 
Leider  ist  EIatI  v.  Jan,  der  so  gut  wie  entschlossen  war,  für  meine  Aus- 
legung bestanunt  einzutreten,  darüber  gestorben  (vgl.  übrigens  seine  letzte 
Arbeit,  den  nachgelassenen  »Bericht  Uber  griechische  Münk  und  Musiker 
▼OD  1884 — ^1899 €  im  Jahresbericht  fttr  Altertumswissenschaft  Bd.  dV ; 
1900,  I}.  Ich  möchte  aber  hiermit  die  Frage  einmal  ernstlich  zur  Aus^ 
tragung  bringen  und  bitte  alle  Freunde  der  griechischen  Musik,  Gegen- 
gründe, wenn  sie  solche  ausfindig  madben  können,  vorzubringen.  Der 
Ghimdy  daß  nun  einmal  die  andere  Manier  sich  eingebürgert  hat,  ist  in 
Wirklichkeit  keiner!  Fragen  wie  die  der  Thesis  und  Dynamis  erscheinen  mit 
einem  Male  so  außerordentlich  viel  leichter  zu  behandeln,  wenn  man  den 
falsch  gewählten  Zentralpnnkt  aufgibt,  daß  schon  darum  dem  Hjpoly- 
dischen  als  Grundskala  endlich  der  Garaus  gemacht  werden  müßte. 

Zum  Schluß  mochte  ich  eine*  kleine  Ergänzung  zur  Deutung  der  grie* 
chischen  Notenschrift  beibringen,  nämlich  den  kurzen  Hinweis,  daß  wir  uns 


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H.  Biemann,  Die  dorische  Tonart  «b  Gnmdsbüa  der  gneduscheu  Hoteiucluift  569 


ühtT  die  ominö>.e  Ditij>L'n-»Skala  b»'i  Aristides,  S.  22.  wohl  ganz  überflüssig 
dir  Kopfe  zerbrochen  habfii.  Die  schon  länii;st  erkannte  traurif^e  Vcr- 
fassun.c:,  in  wekhc  div>e  Nütcntaft  l  durch  verständnislose  Schreiber  ge- 
raten ist,  hat  l'ifh'r  (huvli  licl  1  eriiiann  eine  Rekonstruktion  erfahren, 
welche  wohl  nur  uocii  \  icl  weiter  von  der  ursi)rüngiichen  Fassung  weggefühit 
hat.  Nach  dem  'Vcxt  ist  an  der  Stelle  nichts  anderes  zw  erwarten,  als 
für  die  erste  Oktave  die  vollstihtdiL'r  Reihe  der  Tonzeichen  der  Pykna, 
wie  ich  sie  oben  für  die  Mitteloktaxt  do  Sin!7notens3'steins  entwickelt  habe. 
B*  '  niifnierksainei-  Prüfung  ergibt  sicli.  daß  Aristides  zweifellos  die  Sing- 
uuten  vom  hypotloribchen  Proslamhanoinenos  an  auf-^ti  n  l  verzeichnet 
haben  wird.  Es  sind  von  den  Zeichen  doch  noch  eine  gelingende  Anzahl, 
gerade  in  den  beiden  ersten  Zeilen,  erkennbar  erhalten,  um  die  (Jewißlieit 
zu  l:<  In  n,  dali  es  sich  keinesfalls  um  eine  verlorengegnn.ifeTv  besondere 
Art  lier  Tonbezeichnuag  gehandelt  hat.  Die  Verglciehung  ni  t  dt  ii  Tabellen 
Aristides  S.  27  und  28  gibt  füi*  die  Verunstaltung  einzelner  Zeichen  den 
Schlüssel 


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570        H.  £.  Wooldhdge,  The  Latest  CoUection  of  Early  Bogliali  Music 


'    The  Latest  GoUeotdon  of  üarly  English  Mtuio 

by 

H.  E.  Wooldridge. 

(London.) 


At  page  150  of  thc  first  year's  SammelbSnd*  i  uotice  was  given  of 
"Early  Bodleian  Music,  Dufay  and  his  Contemporaries",  by  J.  F.  K.  Stainer 
and  Cecie  Stainer.  At  pn^r»'  •^">*^  lant  year's  Zeitschrift,  ü  f>roliininarA- 
notico  wns  given  of  "Early  jiodiL'iaii  Music,  Sücred  and  Secular  Songs, 
c.  llöö  to  c.  1505",  2  vols.,  by  the  same  auihors;  with  the  remark  that  per- 
bapB  they  would  be  more  ajnply  discnsBed  later  on  by  anofhcr  pen.  This 
laai-nained  andertaking  may  now  be  xedeemed. 

Tbe  subject  of  the  present  notice  —  a  miscellaueous  coUection  contaiuing 
more  thnn  one  hundred  specimens  of  early  £nglieh  music,  brought  tocrether 
from  various  MSS,  in  th<-  Bodleian  Library  by  the  laie  Sir  John  Stainer 
and  his  8on  and  daughter  —  is  a  worthy  companion  to  the  former  publica- 
tion,  ''Dufay  and  bis  ContemporarieB** ,  wbicb  we  owe  to  tbe  same  family. 
In  Bome  respects  bowerer  it  prcsenta  a  strong  eontrast  to  that  work,  rang- 
ingi  as  it  does,  over  a  period  of  three  centurics,  and  revenling  many  of  the 
changes  which  took  in  the  method  of  compositiou  during  that  time; 

while  the  dotei^  of  thu  üpecimeii!«  to  be  found  in  tho  former  collectiun  are  cou- 
tained  withiu  u  very  few  yeai-8,  und  the  workB  theuiüclvos  beloug  eutireiy 
to  one  period,  and  represent  a  sehool  united  in  the  employment  of  one  me- 
thod. Yet  tiie  two  books  are  naturally  connected,  and  together,  under  the 
general  title,  "Early  Bodleian  Music",  coiistitute  the  contribution  of  the  Uni- 
versity  Library  to  tbe  histoiy  of  practical  motio  during  the  period  whioh  th^ 
represent. 

In  auother  puiut  of  view  the  present  volume  uiay  perhaps  be  said  to 
continue  the  work  begon  by  the  Flaineong  and  MediaeTal  Muaie  Sooiefy  in 
their  publication  "Early  English  Harmonjr.  The  object  in  both  is  esBOnti* 
ally  the  same,  and  though  the  field  of  Observation  is  less  wide  in  the  newer 
work,  boiuLf  tiiere  coiifined  to  flu«  cnTitenta  of  iho  t^reai  Oxford  librarj',  the 
reRearch  within  its  liniits  wouid  seem  to  have  betii  t-xbaußtive,  and  has  left 
probttbly  little  or  uuthiug  to  be  discovered  by  future  explorers.  In  "Early 
English  Hannony**  the  intention  was  to  give  a  general  view  of  this  kind  of 
musioi  as  it  exists  in  the  libraries  of  the  British  MuBonm  and  of  both  Uni- 
versities,  and  rather  to  indicate  the  deposits  than  to  aim  at  presenting  a  com- 
plete  coUection.  It  is  true  that  as  regards  the  period  beforo  the  year  140(1 
it  was  supposed  that  not  much  niort'  of  its  music  would  be  found.  and  w*' 
welcome  thereforo  especially  tlu-ee  or  four  cumpositions  of  the  fourt^eeutli 
eentniy,  wbidi  Ae  later  research  has  brought  to  light,  and  which  are  in- 
dnded  in  this  work. 

The  present  publication  consists  of  two  volames.  The  first  contains 
photocn'apbir  roproductions  of  the  vnrious  pieoo«?.  to<»ether  with  Mr.  Nichol- 
sons learued  observatious,  hiätoriual  and  palaeographical ,  upou  the  MSS.  iji 


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H.  K  Wooldridge,  The  Latest  GoUeotion  of  Eurly  Englith  Mm.  571 


wbich  they  were  found;  tbe  second  ks  devoted  to  trauölatiouä  iu  modern  uuttä, 
and  to  explanatory  and  critical  remarks  beariug  upon  the  muBic  itsell', 
•ome  of  whioh  are  special  and  gyren  wifh  the  translationS)  and  some  general 
and  coUected  in  tiie  preface.  There  ia  also  an  appendix,  in  which  tweuty- 
three  of  the  more  pleasing  specimena  are  a^^^  iin  rlu  wu  in  the  form  of  a 
]>iMTiotMrt»'  HrrAiif^omeiit  compnsed  in  three  or  l'our  pju-ts.  Thus,  to  the  ori- 
gmai  Single-  und  doublo-  voiced  songs,  nne,  two.  or  three  oiher  voices  have 
now  iu  effoct  been  added,  while  the  pitch  ot  the  whule  also  has  ofteu  beeu 
eiflier  raiaed  or  depreaaed.  The  neceaaity  for  this  treatment,  in  a  work  of 
ao  tlrictly  acientiflc  a  character,  ia  not  very  apparent;  the  reanlt  however  ia 
often  moflt  pleasing,  and  siuce  an  appendix  may  always  be  considered  ns 
<]inte  apart  from  the  book  with  which  it  ia  aaaociated  the  method  here  em- 
ployed  does  not  necessarily  invite  criticisni. 

The  Bodleiau  Library  in  nut  richer  thuu  uthers  iu  England  in  music  of 
ihe  tlurteentk  and  fonrüentii  oentnriea;  indeed,  if  we  were  to  judge  from 
the  small  nnntbar  of  spedmenB  of  those  perioda  in  the  coUection  baforo  na, 
we  shonld  anppoae  it  to  be  considerably  poorer.  But  not  all  of  its  resourcea 
are  shewu  here,  since  the  principle  of  .selectlon  wliich  j^ovcriiB  the  preseut  work, 
excludes  litur<?ica!  inusic.  Aiul  no  douht  this  juinciple  was  wiscly  adopted,  for 
if  it  haä  deprived  the  wurk  uf  u  few  inteieätiug  compubitions,  it  has  al»u 
brought  it  within  Hmita  wbidk  hare  rendered  its  pnblication  possible.  Owing 
howerer  to  thia  nüe,  fhe  important  fragment  of  a  hymn  to  St,  Stephen  be- 
ginning  Ut  tuo  jyrojnciatus ^  written  early  in  the  twelfth  Century,  in  two 
pfirts,  in  tho  letter  notution,  conld  not  be  given;  and  thif  w;ir  nnfortunate. 
a»  the  little  compositiun  is,  iu  severe]  respectfl,  of  ^reat  lutereHt  and  value 
in  the  history  of  music.  Oa  the  other  band,  the  collectiou  iuclude:»  the  veiy 
remaricable  aecnlar  aong,  Fbwelea  in  ths  FHA^  dattng  from  abont  1270,  — 
probably  the  earlieat  homanitarian  poem  in  the  language,  —  the  setting  of 
which  affords  an  ezcellent  example  of  the  English  two-Toiced  music  of  the 
thirteenth  centnry.  Tt  is  in  the  Hypolydian  mode  with  a  Bfljit  t^iirnature, 
one  of  the  niost  populär  «d  the  m»'flirK>v!(]  «rale»,  and  is  perhaps  especially 
noteworthy  from  itü  couiaLning  uiuny  luätuuceH  of  a  peculiar  kiud  of  part- 
writing,  —  QJPO  for  inatanee  grouped  in  one  part  againat  QÄO  iak  tiie 
oiher,  or  AQFQ  aa  a  gronp  opposed  to  AB9  AQy  —  which  ia  fonnd  in 
two-part  eongs  in  other  English  MSS.  of  the  thirteenth  and  fourteenth  cen- 
turies,  and  would  seem  to  be  unknown  elsewbere.  Tt  was  first  adopted  pro- 
bably in  extempore  discant.  from  a  tet-lini,'  of  ticiidity  in  the  discantor,  and 
a  desire  to  keep  as  near  the  meludy  a»  pus»ible;  afterward»,  the  variety  of 
ihe  concorda,  parfeot  and  imperfecta  whidi  ariae  from  tiie  application  of  the 
neihod,  woold  natnrally  recommend  it  to  the  more  leamed  wiitera.  Ita 
general  efiPect  is  to  create  an  almost  equal  interMt  in  both  parts;  so  nearly 
^qnnl,    in  fact.  that  it  wotild  not  alwaya  be  eaay,  without  the  worda,  to  aay 

whicli  ((f  tlie  two  c(jntaiued  tlie  jnt-l.idy. 

The  Version  of  tliiß  Uttle  composition  given  in  modern  notes  in  the 
pt«8ent  work  aeema  to  have  been  made  in  the  belief,  which  untU  very  latcly 
vaa  the  general  one,  that  eonaidering  the  dato  of  the  MS,  —  1270,  —  the 

song  would  natorally  be  governed  eitber  by  the  Francouian  rulea  of  notation, 

^"bich  hiid  prf)bahly  at  this  timc  Ixuni  establiahed  about  twenty  years.  or  by 
thoBe  ui  Jean  de  (iarlnnde,  which  were  a  Uttle  earlier.  But,  as  a  matter  of 
fact,  the  impoasibility  in  that  case  of  ace<»mniodating  the  voices  to  euch  other, 


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572         ü.  E.  Wooldridge,  The  LaU'st    uilictiou  of  Early  Engheii  Music. 


withont  the  nae  of  lioeaces  tuikaown  to  tiie  old  wriien,  —  for  in  tliis  ver- 
sion,  to  idw  om  iniliB&ce,  the  ternary  Ugatare  Iim  to  be  employed  &uin«> 
times  as  an  nnapaest  and  sometimes  as  a  tribrach,  —  might  be  tbought  to 
br  in  itself  sufficient  to  sbew  thiit  neither  tlie  niU  s  ot*  Franco  rior  t1i«>^i-  of 
JüHu  de  Garlande  will  apjily^  ,  and  tliat  tlu-  üigns  of  au  ulder  ine- 
tliod  of  writing  music,  repiebeuting  quite  diiitireut  priuciples  of  notatiou, 
should  probably  be  looked  for.  This  altematiTe  method  ia  governed  not 
by  rules  of  Proportion,  but  entirely  by  the  poetical  metre  of  the  worda;  is 
it  the  musical  notes  aud  l^atures  have  no  mensural  value,  but  each  expresses 
>i  syllable  of  the  metre,  and  each  note  or  £»roup  of  notes  is  equal  to  the  nute 
or  group  oppoöt.'d  to  it  in  tlie  ( oiiijmiiidu  part.  And  the  existence  of  tlais 
uiethod  bere  would  tieem  to  be  iudicated  by  the  fact  tbat  the  gong  containf, 
in  each  part,  exactly  aa  many  notes  or  groups  of  notea  as  ihere  are  ayllab- 
leB  of  the  metre. 

The  three-jiart  composition,  also,  sbewn  in  Plate  Vlll,  diaplays  the  old 
niethod  of  notfition,  and  this  has  again  proved  a  source  of  difficultv  in  traus- 
liiting.  Tbc  rditor  says,  "Our  MS.  must  be  inoie  or  less  corrupt,  because 
cousidcrable  aiteratiou  of  the  value  ot  the  uote»  ie>  ueceseary  from  üme  to 
time  in  order  to  bring  them  into  eombination**.  Bat  anotiier  veraion  was 
fonnd  which  gave,  as  we  gatlier,  better  results.  ^Fortunatcly  another  oopy 
exists  in  the  famous  MS.  of  the  Faculty  of  Medicine  at  Montpellier  ...  A 
comparißon  of  tlK*  Montpellier  with  tbe  Bodleian  copy  at  oncp  fhcws  tliat 
the  former  is  a  purer  voi-sion  than  the  latter".  It  is  not  how(^vt  r  because 
the  English  copy  is  con*upt,  for  it  is  not  reaUy  so,  but  because  the  lules 
of  the  Mon^ellier  version  are  thoae  which  the  pretent  editon  also  had  adopt- 
ed, that  the  French  co]<y  gave  Bueh  ezcdlent  results;  for  the  seTenth  fascicle 
of  the  Montpellier  codex  which  contains  the  French  copy,  is  a  coUection  of 
(Mily  thirtoonth  contnry  music,  tranalated  into  the  Franconian  notation  by  a 
seribü  ot  the  lourtventh  ccntnr\''>'). 

Apart  from  these  inätauce»,  and  a  few  more  of  minor  interest,  in  which 
the  intention  of  the  seribe  may  best  be  inteipreted  according  to  the  pre- 
mensural  method,  —  a  method,  it  should  be  Said,  which  has  only  quite  lately 
revealed  itself  definitely  in  its  real  importance,  —  the  translations  leave 
nothing  to  be  dcsiitHl, 

The  muBic  ot  tJue  earlier  half  of  the  thirteenth  centurj',  —  tbe  }>eriod  of 
which  Maitre  Pörotin  would  seem  to  be  the  most  worthy  exemplar,  —  re- 
presents  the  cnlmination  of  the  first  great  effort  towards  the  combination  of 
independeut  voices.  It  is  to  be  distingoished  especially  by  its  striking  and 
eraphatic  rhythms,  —  and  iudeed  by  a  constant  resemblance  in  the  character 
i)f  the  separate  parts,  in  all  reppects,  to  pnpnlar  song  and  danrc  music;  but 
it  is  not,  except  in  one  striking  iubtüücc,  —  Swficr  ü<  icumcn  tn^  —  reniark- 
iible  for  auy  special  care  for  beauty,  or  even  for  suavity,  in  the  general 
effeet.  These  Iflting  rhythms,  continnally  recnrring  in  the  composition  ^  no 
doabt  created  in  the  heareni  a  spirit  of  mde  dieerfolness  and  exhilaration, 

1]  Jean  de  Garlande,  it  is  trae,  does  sometimes  nae  the  tevnary  Ugatme  to 
express  the  tribrsch,  and  the  molosBot  also;  bat  onfy  in  certatn  circamsUMice«,  wbiob 

do  not  arisc  hf>rp. 

2;  Oswald  Koller.  Der  liiedercodex  von  Montpelher.    , Vierte^ ahrsschrift  für 
Musikwissenschaft  1888..  pp.  6,  -iöö. 


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H  £.  Wooldridg«,  The  Latest  OdlteHM  of  Eurly  Engluh  Music.  573 


a  spirit  sufficient  to  satisfy  tbeir  elementary  musical  percepH*»»,  aud  a 
frame  of  minel  wliicli  miirht  %vell  pxrlnde  any  nntion  of  thc  exact  kind  of 
fffect  produced  hy  thv  sininltancous  occuience  ol  diÜerent  uotes  ul  appieci- 
able  leugth.  Concoids,  iuherited  trom  an  earlier  system,  were  prescribed  as 
neceasacy  to  he  employed  upon  the  strong  beat,  bat  no  principle  of  seleetion 
was  geueraUy  perceived,  and  if  the  broad  rnle  was  obeyed  it  was  thonght 
siifßcient.  No  iustinctive  sense  whatever  of  the  undeilying  hamonic  pro- 
j>riety  in  a  progrea^ion  nf  par-t«  to  be  di'srovprrd  in  the  tarlicr  thirtcfiif Ii 
Century  music.  Not  even  in  the  delicattf-  and  sensitive  rcgitm  of  the  clu^e 
is  the  idea  which  afterwards  produced  the  cadeuce  to  be  di^tiuguisbed  as  a  prin- 
ciple:  sometimes  indeed  a  leadlng  note  ia  seen  ae  poeaible  if  we  adopt  the 
musüa  ficta,  but  just  as  often  the  rnaftie  comes  to  an  end  by  other  meane, 
and  leaves  the  ear  entirely  unsatisfied. 

In  the  latter  half  of  tho  Century  these  characteristics  boirin  to  tjive  phice 
to  others  which  foreshadow  the  forms  to  be  taken  by  the  niusic  which  was 
to  come.  In  the  two-voiced  Fowcha  in  tiic  Frilh,  for  inetauce  we  lind  a 
Scale  eTidenÜy  efaoBen  for  it«  natural  cadenee  and  for  the  snavity  of  ita  effecte, 
atid  a  metfaod  of  writing  well  adapted  to  display  these  advantages;  and  in 
the  fine  motett  Sandte  Ingeniie  in  the  Cambridge  Univer«ity  Library,  given 
in  "Early  Knglish  Hannony".  and  also  to  look  abroad  for  a  moment  — 
in  more  than  one  of  the  pitcea  in  the  Frauconian  portions  of  the  Mont- 
pellier codex,  we  may  see  an  attempt  to  write  for  the  voices  in  a  method 
apart  from  fixed  and  continuoaa  rbytiima. 

With  regard  to  the  music  of  the  fourteenth  centnry,  we  have  not  nntil 
quite  lately  beeu  ncarly  so  well  supplied  with  the  meana  for  a  view  of  it 
fis  we  were  in  the  case  of  the  thirteenth.  We  possess  many  important  theo- 
retical  treatiaes  of  this  period,  it  is  true,  but  tlu*  conteraporary  coilections 
of  practical  music.  which  aloue  cau  afiford  exact  intormatiou,  havc  hithertu 
been  for  the  most  yuw-i  o^erlooked.  SeYeral  very  important  MSB.  howoTer, 
containing  componitions  of  this  Century,  have  lately  been  brought  into  notice, 
—  especially  by  J.  AVolf  and  F.  Ludwig  in  the  Quarterly  .lournal  of  this 
Association,  —  and  it  is  already  evident  that  from  these  soiirce? ,  when 
tliey  have  been  thoroughly  examined,  we  t^hall  obtain  a  niore  ju  rfect  know- 
ledge  of  this  rather  obscure  period  ol  musical  history.  Jn  the  meantime 
it  18  clear  that  the  musicians  of  thia  generation,  satiated  jicrltups  with  the 
empbatic  rhythms  which  aboanded  in  all  forma  of  compoaition  in  the  pre- 
vious  centurj',  and  possiblj  also  awaking  to  some  perception  of  the  frequent 
cacophony  of  the  earlier  workp,  were  hepfinning  to  apply  theinaelvea  to  the 
evolution  of  a  more  sober  and  more  agreeably  sounding  styie;  and  in  tliis 
attempt  no  doubt  they  were  mucb  assistcd  by  the  recoverj*  and  establibh- 
menty  —  effected  during  this  period,  —  of  Üie  duple  riiythm,  which  had 
been  abolished  by  the  first  mensuralists,  but  waa  now  restored  aa  alternative 
or  complementary  tf^  tlie  triple.  The  rhythms  now  by  this  means  rendercd 
possible  in  music,  wiiieh  thns  heeanie  not  only  more  natural  but  alfo  mnre 
varied  and  intricate  than  betöre,  ure  of  course  diöjdayed  in  the  Systems  ot 
Proportion,  expressed  in  mood,  timc,  and  prolatiou,  which  at  ouce  arose. 
These  Systems  were  npparently  at  first  simple,  relating  chiefly  to  the  pro- 
lation  of  tbe  semibreve  and,  in  our  own  country  at  least,  not  requiring  help 
to  recognise  them  in  the  composition ;  for  in  EngHsh  music  the  indicative 
signaturog  do  not  at  first  np|>etir  at  all,  nor  with  any  Irequency  untii  towards 
tbe  latter  half  of  the  followiug  Century. 


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574        H  E.  Wooldridgc,  Tüe  Latest  Üuliectiou  of  Earlj'  English  Muu>io. 


The  present  collection  inclades  very  few  Bpectmen«  of  the  miuie  of  thk 
poriod,  bat  among  them  tliere  ib  one    of  considerable  interest,  owing  to  its 

representutive  character.  ThU  18  a  moictt,  —  Pehwn  f'jtJi'i^  cccksie,  ~— 
from  a  MS.  flatincr  about  1375,  coutiiiuiiiü[  nut  <>iily  thc  usual  U  n(ii\  discatituf!^ 
and  triplum,  but  a  quartus  canlm  also,  a  stcoiul  irnor .  whirli  ündä  its  na- 
tural place  immediatelj  above  the  subject;  aud  this  addition  of  a  fourth 
voice  to  die  motett  is  an  inventioii  of  fJie  fonrteenUi  oentmry.  Veiy  diffe- 
rent  alao  from  anjibu^  known  to  the  thirteenth  oentury  U  the  character 
of  the  general  efiect  of  the  combined  voices  in  this  compositiou.  We  no  longer 
perceive  the  frequent  clashinpr  of  discords  deliberately  iutroduced  as  'colour' 
Ol"  relief  from  the  monotmiy  ot  the  jiDttic  rh\'thm.  whieh  is  characteristic 
üf  tlie  thirteenth  ceatury  uiu»ic;  but  the  whole  woik,  coustructed  of  coIlCord^, 
perfect  and  imperfect,  gUdes  smoothly  on  from  begiiming  to  end  in  perfect 
euphony.  The  rennnciation  moreover  of  the  thirteenth  Century  'oolour^  stiem» 
to  be  complete,  and  exteuds  apparentiy  to  all  the  devices  included  by  the 
theoriata  tnuler  that  namt- :  passaET^s  of  Imitation  and  the  interchange  of 
parts,  ;aumetimeä  callfd  Uuubl«  counterpoiut,)  so  frequent  iu  the  old  Con- 
ducti  and  in  Organum  purum^  have  disappcared  like  the  old  forms  themselves. 
Indeed  the  divieion  of  the  subject  in  an  inregolar  form  of  the  old  fifüh  me* 
lodic  mode  constitutes  here  the  only  real  formal  restniblanoe  to  the  thirteenth 
confttry  motott.  It  \9  true  that  the  Upper  parts  alao  wonld  scom  to  Im 
Hritttni  in  the  lirst  niolodic  mode  of  the  older  theory,  but  although  tbrir 
march  is  the  same  as  that  of  the  tirst  mode,  alternate  long  and  breve,  it 
vill  be  aeen  that  the  nndercnn'ent  of  the  rhyfhm  ia  not  the  aame,  that  the 
notea  when  they  are  broken  are  not  brokan  in  tiie  old  manner,  and  ÜuA  in 
ahort  we  haTO  here  not  so  much  trochaic  rhytimi  as  the  aesquialtera 
Proportion.  The  cliief  characteristic  wbicb  this  composition,  —  and  indeed 
the  music  of  the  whole  period,  —  may  be  said  to  possess  in  common  witb 
the  older  forms,  is  vagueness  of  hannony;  ibere  is  no  nearer  approach  to 
a  rational  idea  of  progreiaion  nov  than  in  the  previoas  centuiy ,  and  the 
dosing  passage  of  a  piece,  thongh  generally  elaborate,  is  often  groteaqnely 
inconclusivo  in  its  sounda. 

Tlie  titteenth  Century  is  memorablo  in  the  annals  of  the  art  of  ransic. 
but  eäpecially  in  Enjjland.  There.  the  teebnique  of  the  combinatiou  ot  real 
parts,  which  had  beeu  iu  procesä  ol  develupmeut  sioce  the  twelfbh  Cen- 
tury, had  abont  1400  reached  a  point  beyond  whieh  it  waa  impoasible 
to  gOf  nntU  aome  frnitfiil  principle  conld  be  perceived  which  might  direct 
the  applicatiou  of  the  tcchnique  towards  the  production  of  a  satisfactory 
general  effect.  Enthnsiasm  was  {rrnwins?  and  spreading  fast,  and  the  numhcr 
of  practitioners,  wiiich  had  already  forraerly  been,  about  the  year  12UU, 
yexy  considerable ,  was  now  again  becoming  exceedingly  large;  the  common 
interests  and  desires  of  these  men,  expressive  of  the  irreeistible  tendenciee 
and  necessities  of  the  art,  found  representatives  in  D  uns  table  and  other 
musicians  of  supeiior  ability,  nnJer  whose  leadershiji  a  sdiool  was  soon 
once  niort;  creatfd.  The  important  iinprovemeuts  which  were  eft'ected  by  thi« 
ßchooi  may  be  traced  without  much  difhculty  iu  the  collection  bcfore  us, 
which  is  comparatively  rieb  in  works  of  the  fifleenth  Century ,  containing  a» 
it  does  between  serenty  and  eighty  examplea,  (or  three  fonrths  of  the  whole 
number  included  in  the  book,  of  tbis  ])eiio(l  These  examples  are  written 
apparently  for  the  most  part  by  exceediugly  able  members  of  the  achooL 


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H.  £.  Wooldridge,  The  Latest  Colleetion  of  Evly  £iiglish  Muric. 


575 


No  uani»'-^  art!  i^iven,  l)ut  two  pifco^  liave  already  been  recocrnistHl  ;is  (opies 
ot  kuown  works  of  Dunstable  and  Leonel  Power,  and  there  «re  many 
compoBitloiis  to  be  found  Imre  in  nerit  wxt  inforior  to  thete.  Aa  might 
natnraUy  be  suppoeed,  ike  works  whidbi  beloiig  to  tbe  first  quarter  of  the 
Century  are  les8  remarkable  for  general  ezoellenee  tkan  those  which  oome 
somewhat  lah  r,  hui  even  in  the  earlier  period  we  percoive  at  least  one  great 
ndvance.  In  a  MS.  of  1425,  for  exjimple,  Hlready  find  that  the  incon- 
ehi^ive  eudings  common  iu  the  precediug  Century  huve  Leen  abolished,  and 
tbat  the  prineiple  of  the  eadence,  —  the  descent  of  one  part  by  a  whole 
tone  to  the  finad  of  the  «calei  and  the  simultaneoue  aacent  to  tlie  same  note, 
in  unison  or  octave,  hy  a  aemitone  in  the  other,  —  in  firmly  entablished. 
The  rather  niore  elaborate  form,  too,  in  which  the  Hoven fh  susppiided  above 
the  descending  penultimate  ih  resolved  upou  the  sixth  as  leading  nute,  is  al- 
readj  common,  and  we  even  find,  in  the  tong  Love  wolle  /,  not  uoly  the 
pennHimate  bat  the  antepennitimat«  alao  accompanied  by  a  anspended  diecord 
in  tbe  most  approved  polyf>honic  manner.  The  delight  of  tho  new  school 
in  this  beautiful  iuventioii  is  well  seen  in  the  litth*  pieco  J/y  rarrs  rowni\ 
thi.s  contiiet^  of  hardly  aiiything  eise  but  cadences,  which  are  applied  wher- 
ever  the  smallest  break  in  the  sense  of  the  words  can  be  imagined;  and  all 
tbese  cadences  moreorer  modnlate  not  eaenally ,  bat  into  acalee  whidi  we  feel 
to  be  related.  Loi  tiie  gi^neral  condact  of  the  phrasee,  however,  at  thia  period, 
apart  from  the  oloee)  die  hamonic  relations  of  interrab  are  Btül  only  very 
dimly  perceived. 

Thp  second  ([uartcr  ot  tlic  rontnry  is  represented  In  thp  Bodlrian  librar^', 
parily  by  a  sniall  and  iVuguieutary  coUectiou  of  pieces  tu  bu  iuund  among 
the  Aflhmole  MBS,  and  partly  by  the  very  fine  coÜection  beqneathed  by  the 
great  Seiden,  oontaining  not  only  three-part  motetts  of  considerable  import- 
ance,   but  a  large  number  also  of  two-part  songs,  both  sacred  and  secular; 
and  nearly  all  of  thesc  roinpoi'itionf'  arr  irivpn  in  flic  present  work.  From 
an  exauiiuution  of  ihem  it  becumen  uvideui  tbut  tbe  special  effort  which  they 
represeut  was  towards  a  reasonable  progressiou  of  sounds  in  those  parte  of 
tbe  compotition  which  lie  between  the  cadences,  and  this  effort  was  nata- 
rally  more  successful  in  the  two-part  compositions  than  in  those  ibr  a  larger 
number  of  voices.    The  editor  of  this  colleetion  indeed  taki  s  ncrnsinn  more 
tban  once  to  remark  upon   the   excellenee  of  the  writin<f   in   the  two-jiart 
pieces  included  in  it,  and  the  comparative  timidity  and  often  the  ill  success 
of  attempta  to  add  a  third  pari    The  difficnlfy  may  be  well  oImctv^  even 
in  the  three-part  closes,  where  the  pasaage  which  aecompanies  the  two 
well   known    members   of  the    eadence   is  at  first  often  carionsly  in- 
appropriate    nnd  nnsuccessful;   tlie   tni<^   accompnniment   bowevor  was  pnon 
perceived.  niul  ap[)ear8  in  all  the  best  works  of  thr  tinn'.  —  in  tli»'  soug  Go 
Hert  in  the  Ashuiole  MS,  in  the  motett  without  words  on  plate  XXXVII, 
in  Ntacima  Makr  Virgo^  Jirgim  CaeK,  and  the  motett«  by  Leonel  Power 
and  Dnnstable  on  plates  XLII  to  XLIY,  aU  in  the  Seiden  MB.    In  these 
compositiong,  and  in  others  of  similar  character,  we  see  the  complete  mea- 
sure  of  improvement  attninnd  during  this  period.    In  the  first  piece  men- 
tioned,  for  instance,    it   i»  clear  that  the  harmonic  instinct  is  wonderfully 
developed  iu  the  composer,  and  that  the  skill  wiih  which  he  has  avoided  bare- 
ness  of  effect)  in  a  combination  of  very  agreeable  parte,  is  of  a  high  order. 
The  last  five  bars  of  the  translation  of  this  piece  are  especially  remarkable; 


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576  Wouldridge,  The  Latest  CoUectiou  ol"  Karly  Krigii^ii  3Iusic. 


the  final  dose  ia  avoided  apon  its  fint  approach  by  a  false  cadence,  ili  tbe 
in<i(lern  manner;  and  the  final  passuge  itself)  di'sceuding  tu  the  true  cIom- 
with  suspt'usions  of  concord  and  discord,  leaves  really  nothing  to  be  desire«!. 
aiid  {^ivcs  an  astonishincr  f>f  the  progress  mode  in  Enj?!hnd  nnder  T>uu>- 
table.  In  the  fine  niotett  without  words,  also,  the  harmuuic  prupriety  Ii 
ofteu  well  perceived  by  the  writer,  both  in  the  modulatious  and  in  the  genenl 
conduct  of  the  work.  The  aaine  too  may  be  said  of  Neadms  Mater  Fvp») 
and  Regma,  CSneli;  and  it  may  be  added  that  in  the  latter  a  eomparatively 
near  approach  ia  raade  to  the  later  methods  of  closing.  The  writers  of  thei'i 
worka  however  aro  «tili  far  from  thcir  ^oal.  Kveu  in  Lennel  Power  anf] 
in  DunBtable,  may  be  aeeu  Irum  the  tipticimens  uf  their  werk  in  tbi^ 
coUection,  the  management  of  discords,  for  iustunce,  thougb  evidenÜy  a  sub- 
ject  which  was  always  engaging  their  attention,  is  not  qnite  perfecÜy  nnder- 
■tood;  we  may  probably  assumc  therefore  that  this  was  n  pari  of  music 
held  over  to  be  dealt  with  by  the  succeeding  goneration,  like  the  harmooic 
propriety  itself.  which  wa«;  rt'rtainly  not  completely  perceived  at  the  death 
of  Duustable,  notwithbtauding  th**  greut  progress  made  in  that  reapect  duriu2 
his  life-tinie.  For  its  approach  to  harmonic  propriety,  however,  a  movement  iu 
which  it  took  tiie  first  stepe,  thie  achool  of  Engliah  composen  of  the  fixst 
half  of  the  fifteenth  Century  must  eyer  be  remcmbered,  and  not  lesa  for  ib« 
invention  of  a  kiud  of  melody  in  the  separate  voices  which  departä  altogetber 
from  the  old  rude  and  populär  charnctcr  of  poetic  or  danco  rhythm,  and  nr- 
rives  at  the  beginning  of  that  exquisite  style  of  musical  prose  which  is  cur 
of  tbe  chief  characteristics  of  the  later  pol^'pbonic  compositiou. 

The  coUection,  cspecially  in  thie  latter  portion,  containa  many  matters  of 
intereat  not  referrod  to  in  this  notice,  wlüch  indeed  profesaes  only  to  take 
a  general  vIew  of  the  aubject.  Aniong  such  mattera,  for  instance,  are  th» 
trarns  which  may  be  found  liere  hhI  tlu  rc  of  tho  influen<4>  "f  Fauxboitrdr»ii 
upon  tht'  learned  compositiou.  Tlie  song  Aoit  tiolde  1  /ayttc^  upou  plati? 
XXX,  affords  a  good  example  of  thi»,  and  in  anojtber  compositiou  also,  of 
greater  general  intereat,  —  the  Song  of  Agiacourt,  —  it  will  be  notieed 
that  the  whole  of  tlie  three-part  chorus  ia  a  Fauxbourdon  disguised  with 
passing  notes.  Older  forma  of  compositiou,  too,  will  sometimea  be  recoguised. 
aa  in  Leonel  Power  s  short  'Hocket'  at  pa^p  92  of  tlu»  Volume  of  tran?- 
lationa.  Other  mattera  of  intereat  will  also  be  observed,  »ome  of  which  are 
pointed  out  by  the  editor  while  otbers  will  be  discovered  by  the  reader  for 
himself. 

In  conclnding,  ref«?rence  should  be  made  to  the  perfection  of  tbe  repr«)- 
ductions  of  the  old  MSS,  in  this  publication,  and  also  to  the  general  excel- 
lence  of  the  ni.  thods  adopted  iu  the  prosontatiou  of  tbe  trauslations.  It 
may  however  bu  uf  üorvice  to  poiut  out  that  the  arrangemeut  of  the  worti? 
beueath  the  upper  part  in  the  two-part  songs,  —  though  no  doubt  iuteudod 
to  aerve  aome  uaefnl  puqioi^e,  —  givea  a  wrong  impreaaion  wilh  reapect  to 
the  niiture  of  this  form  of  compositiou,  which  consiate  of  a  Tenor  aong  witb 
troble  diacant.  It  is  not  certain  that  words  were  anng  to  the  upper  part. 
thoae  giiren  being  always  written  in  the  originale  below  the  Tenor  only. 


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Die  Vierteljalirshefte  der  Sammelbäude 

erscheinen  am  1.  November,  1.  Februar,  1.  Mai  und  1.  Augost  Schluß 
der  Bedaktion  jedes  Heftes:  ein  Monat  Tor  seinem  Erscheinen.  ManU' 
skripte  und  andere  Sendungen  beliebe  man  zu  richten  an  einen  der 
Herausgeber:  Prof.  Dr.  Oskar  Fleischer,  Berlin  W.  MotzstiaBe  17  und 
Dr.  Joiiaiuies  Wolf»  Berlin  K.  0.  Prenzlauer  Allee  30. 


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The  Toundations  of  Harmony 

by 

Frederick  Niecks. 

EdiuWurgh.; 


It  has  seemed  to  me  for  a  long  i\mo  that  the  Systems  of  teaching 
haimiony  are  to  a  large  extcnt  unsatisfactory.  The  theories  suppUed, 
instead  of  being  BOtmd  explanationn  drawn  froin  objective  facts,  are  mootly 
ingenious  conjectures  evolved  out  of  the  author's  inner  consciousness, 
hypotheses  which  are  improbable,  and  whose  proof  is  indeed  rarely  as 
much  as  attempted.  If  examples  of  this  are  asked  for,  the  various 
iheories  of  invisible  roots  and  of  limited  chromaticism  may  be  recom- 
mended  for  examination.  A  common  procedure  is  to  start  with  a  number 
of  general  assumptions,  and  to  legitimise  all  the  foUowing  particular 
assumptions  by  a  reference  to  these  entirely  arbitrary  and  purely  fanciful 
principles.  Another  common  procetlure  is  to  bnse  theories  and  rules  on 
the  style  of  one  ('omijosci-,  on  tho  taste  and  habitude  of  one  indiyidual. 
Thus  it  ha])i)Oii^  that  a  sy^tcin  whicli  a^'rees  excellently  well  with  Mozart, 
causes  some  troul)!»-  with  Heethoven,  requires  a  great  dcal  of  stretchiug 
with  Öchuin'»mi   and  completely  brefiks  down  with  Wai^nor. 

In  frammg  a  systeni  <if  harmony  the  chief  aim  should  be  universal 
applicability.  This  can  only  he  attained  by  strict  rejection  of  the  fifti- 
tiou^«,  and  a  tinii  adlicrciue  to  the  actual.  in  short.  it  is  necessarv  to 
go  back  to  real  pi  iiK  i|)les.  I  found  my  System  un  two  laws  —  the  Law  of 
Dissonance,  a  physii  al  law,  and  the  Law  of  Tonality,  a  psyehiral  law. 
These  two  laws  are  wliat  F  call  th<-  kt'vs  to  the  theory  and  practice  of 
harmony.  The  Tjaw  of  Dissunaiue  is  the  primordial,  elementary.  lower 
law;  the  Law  of  Totiality,  the  later.  gradually  doveloped  higher  law. 
The  higher  law  docs  not  su[)er8ede  tho  lower,  but  superimposov  itself  on 
it.  In  (»tluT  wurd.s.  the  law  of  tonality  puts  an  impress  of  it>  cwn  on 
the  variotis  manifestations  of  the  ever-valid  law  of  dissonance,  gives  new 
and  distiti  t  meanings  to  them. 

Little  neod  bp  said  on  the  Tiaw  of  Dissonance.    It  is  th«*  outcome 
of  the  physical  discomfort  or  even  pain,  with  its  psychical  concomitants, 

S.  d.  I.  M.  IV.  3g 


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578 


Frederick-  Niecka,  The  Poondationi  of  Hannony. 


irritatiu»  and  restlessness,  experienced  by  us  when  we  liear  a  dissonanoe. 
The  law  of  dissonance  may  be  formulated  thus:  Every  dissonance  must 
be  followed  by  a  neighbouring  consonance,  must  be,  technically  speaking, 
resülved  la).  Apparent  exceptions,  where  nno  of  tbe  notes  forming  a 
dissonance  takcs  a  leap,  instead  of  proceeding  by  a  degree  or  remaining 
stationary,  iniply  omissions  nm\  suhstitntinTi«:.  wbieb,  habitiinted  as  we 
are  to  the  second  law,  we  im  iitally.  Imt  iincunsciously,  supply  b  .  Here 
we  bave  an  instancc  of  im  im  reast'  of  the  resolutions  pos««iblp  under  the 
law  of  dissiiimiice  by  tlir  action  (»f  tho  Inw  of  tonality.  It  would  lead 
too  far  oft"  tlic  road  to  bi'  travellcd  wrrc  I  to  enter  on  a  disquisition 
as  to  tlie  t'xtcnt  to  which  tbe  law  of  tonality,  with  its  tones  of  distiurt 
tendencies,  limits  th<*  n^solutions  possible  under  tli»-  law  of  tlissoiiance  —  for 
in}>taQce,  those  of  diminiähed  and  augmeuted  intervuls. 


On  the  Law  of  Tonality  I  cannot  be  so  brief.  This  law  is  to  be 
found  in  all  rausic  whose  material  (xmsists  of  a  regulated  series  of  sonnd'^. 
that  is,  in  music  of  all  doffrefs  of  artistic  development.  Hut  in  the 
different  stfigcs  of  art-inusic  tonality  presents  itsolf  in  nmny  defjrees  of 
development.  It  is  niur(^  bierlily  deveh)p«'d  in  harnionic  tlian  in  purely 
melodic  music,  and  more  liiglily  developed  in  modern  harnionic  luusic 
from  tlic  17"^  Century  onwardj  tiiun  in  the  oldcr  harnionic  nmsic  based 
on  tlu'  ccclcsiastical  modes.  In  the  niost  modt  rn  nnimc  there  are  signs 
of  a  reac'tion  against  \\w  law  of  tonality.  But  does  any  success  thi^ 
reaction  may  boast  not  jircsuppose  a  stiong  feeling  of  tonality?  Chaos 
may  be  welcomed  by  sonic  as  a  pleasini;  change  from  tlic  monotony  of 
Order,  But  if  chaos  wt  rc  to  take  the  place  of  order  for  gno  l.  not 
merely  incidentally.  it  i>  nuich  to  be  donbtcd  whether  even  tiie  cxiremcst 
revolutioiiists  would  loiij^'  rcmain  batisticd  witli  the  new  rnjim*.  For 
after  all  is  not  tonality  the  fundamental  law  of  l^u^icy  Is  it  not  tl»e 
centripetal  foice  which  holdh  tu^'cther  the  paits  and  particles  ol  muaical 
compipsitions  large  and  small?  Tonality  may  be  defined  as:  The  relation 
of  the  uoies  of  the  scale  to  eaeh  other.  Such  as  it  exists  in  our  es- 
sentially  hanuonic  music,  it  may,  bowever,  be  better  detined  as:  The 
predominance  of  the  tonie  not«-  and  tlie  tonie  oliord  ov*»r  the  uther  note.s 
and  cliurds.  We  niav  also  sav:  I'onalitv  <'on>ists  in  the  difference  of 
chaiacter  possessed  by  the  differeut  tones  of  the  siale,  consists  in  their 
different  degrees  of  restfulness  or  restlessness,  and  their  consequent 
tendeucies. 

The  tirst,  the  third,  and  the  tifth  degre»',  tlie  notes  of  the  tonie  triad, 


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Frt}<lerick  Kiecks,  The  Foundations  oi  Harmoiiy. 


57y 


are  the  ekments  of  rest  of  tbe  diatonic  scalea,  which  we  may  also  call 
the  positive  elements.  The  other  degrees,  the  second,  the  fonrth,  the 
sixthy  and  the  seventh,  are  the  elements  of  imrestf  or  movement,  wbich 
we  may  also  call  the  negative  elements. 


The  measure  of  restfiilness  of  the  three  positive  elements,  however,  is 
not  the  same;  nor  is  the  measure  of  movement  of  the  lonr  negative 
elements.  Ferfect  rest  is  to  be  found  only  in  the  tonic.  The  mediant 
and  dominant  have  less  perfect  rest.  On  the  other  band,  the  greatest 
imiesty  the  most  vigorous  movement  is  to  be  found  wbere  a  note  at  the 
distance  of  a  semitone  leads  up  or  down  to  a  note  of  rest  —  for  instance, 
in  major,  from  tbe  7*^  to  the  8*^  degree,  and  from  the  4^  to  the  3^ 
degree.  Both  these  notes  are  leading  notes,  bnt  Ihe  former  is  the  piin- 
dpal  leadxng  note,  the  leading  note  par  exadleneef  and  we  call  it  thus 
becanse  it  leads  to  the  pzincipal  note  of  the  scale,  tbe  tonic,  the  most 
perfect  point  of  rest,  and  we  forther  call  it  thna  becanse,  leading  as  it 
does  to  the  pnncipal  point  of  rest,  it  strains  more  vigorously  than  the 
other  leading  note.  Where  the  negative  element  is  at  the  distance  of  a 
tone  from  the  adjacent  positive  element  the  nnrest  is  less  great  and  the 
movement  less  strenuous.  Ifark  that  the  second  and  the  fonrth  degree 
bave  a  note  of  rest  on  each  aide,  and  the  aizth  and  the  aeventh  degree 
only  on  one  side.  Diagrams  with  the  dilferent  degrees  of  rest  and  unrest 
indicated  by  signs  will  iUustrate  what  I  have  described,  as  in  this  way 
the  State  of  matters  can  be  seen  at  a  glance.  A  horizontal  line  indicatea 
rest,  a  wedge  movement.  The  size  of  the  signs  corresponds  to  the 
measure  of  the  rest  and  movement. 


Better: 


38* 


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580 


frederiok  Kieokt,  ThA  Foundatioiii  of  fiarmony. 


Witli  iv^jird  to  tlie  minor  scaie.  it  uiay  luA  Vm>  supertluouo  to  sav 
that  thc  ükl  form,  thu  fomi  prest-rvctl  in  the  descending  melodk*  minor 
Scale,  is  still  thc  fundamental  funn  of  our  minor  scale,  the  raised 
degree  of  tlie  harmunit  form,  and  tlif  j;iistMl  (V^  and  7'''  of  the  ax-ondiui: 
m*^lodic  form  being  really  chromatic  moiliiicMtions  forharmonic  and  melodi», 
jmrpost'6.  The  harmonic  piiip()st'  niight  also  be  called  a  tonal  ])iirj>03e. 
For  by  thc  sharpening  of  the  7^**  degree  a  leading  nute  to  the  tonir  is 
obtained,  vvhereby  thu  negation  of  the  position  (the  tonic)  is  «^nipha>i>.Mi 
and  the  eifect  of  the  asnerted  jxKsition  heiglitened.  The  naiiic  "liannonic" 
&a  applied  to  one  of  tli«-  fornis  of  the  miimr  scale  is  a  inis;ipj)li(  ation, 
for  that  form  does  not  ;j:ivc  us  the  whole  hatinonic  eouU^nt  of  the  minor 
mode.  whicii  compreliends  the  unraisod  ns  weil  as  the  raised  7'^  deiriv« 

Thus  far  1  havp  troated  f»f  the  Ii  ii  .nie  scales.  The  chromatic  scait 
is  not  H  Hcah»  in  the  same  senstii  it  i-^  not  an  independent  scale.  not  a 
third  mode  added  to  the  major  and  minor  modes,  but  simply  a  meludic 
development  of  the  diatonic  scales.  In  iiilrotluciu<r  ( hi  oiaatic  notes  into 
the  diatonic  modes  we  introduco  new  notes  of  uurest,  new  notes  of 
movement.  The  nature  of  chromati(  nntrs  cannot  be  bftter  described 
tlian  by  calling  them  artiftcial  leadiug  notes  to  the  next  degree  npward 
or  flownward.  If  we  sharpen  c  we  cret  a  leading  notf  \\\)  to  d.  Thc 
bceond  degree  we  can  flatten  an<l  sharpen,  d?  leading  down  to  c,  d^  up 
to  e;  and  so  on.  In  the  directiüu  where  Uiere  is  a  semitone  we  cannot 
of  course  introduce  a  chromatic  note  leading  to  a  diatonie  note;  for 
instance,  in  (  '  tnajor  no  c^.  f'^,  '  J,  and  h^.  But  we  could  introduc^' 
such  chromatic  notes  it  we  wii>hetl  to  go  to  another  chromatic  note  or 
to  a  note  in  another  key;  for  instance.  fiom  r  to  //'  hy  way  of  c^. 

The  logical  notation  of  the  ckromatised  C  major  scale  would  conse- 
quently  bc  thus: 


And  the  logi*  al  notation  of  the  clirumatist.'d  A  minor  scale  —  we  have 
to  take  the  old  form  as  the  basis  —  would  be  thus: 


-<g>-i»»- 


It  will  be  Seen  that  shai  peniug  acci<lentals  are  consistently  made  use  of 
in  the  ascendiug  scale,  and  Üattening  accidentals  in  the  descending  scale. 


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Frederiök  Kiedu,  The  Fonndations  of  Hurmony. 


d81 


Of  oonne  evciyonf  who  reads  music  observantly  knows  that  com- 
posers  are  not  systematic  in  their  Dotation  of  chromatic  notefl,  but  write 
them  mostly  as  it  serves  their  own  or  the  executants'  momentary  con- 
▼enieoce,  often  also  they  write  them  negligently  and  ignoraaüj.  In 
Bcores  one  meets  frequently  with  cases  where  a  chromatic  passage  in 
one  pari  is  vritten  in  onn  way  and  in  another  part  in  another  way. 
However,  these  notational  diversities  in  practicey  which  prove  nfithing  as 
to  the  real  nature  of  the  notes,  do  not  concem  us  liere.  It  is  otlu  rwise 
with  the  teaching  of  the  theorists  who  teil  us  that  the  content  of  a  key 
incliides  certain  chromatic  notes  and  excludea  others.  For  instance, 
Day  s  and  his  followers'  chromatised  C major  scale  has  no  ci^  d1^,  g  \ 

and  a^.  He  gives  reasons,  bat  not  satisfactory  ones.  We  must 
agree  with  his  concloaions,  if  we  grant  his  premises,  which  however  is 
inipossible.  Such  a  System  of  chromaticism  is  not  a  key  to  the  hannonio 
treasury  of  Schumann,  Chopin,  Wagner,  and  the  most  modern  composers 
generally.  If  one  nevertheleBS  insists  on  applying  a  System  of  this  kind 
to  the  music  of  these  masters,  one  is  drivcn  to  twist,  tum,  distort,  and 
denaturalise  the  facts,  and  obscure  instead  of  elucidating  them.  I  venture 
to  assert  emphatically  and  without  the  slightest  hesitation  that  the  theoiy 
of  limited  chromaticism  and  the  practice  of  the  modern  composers  are 
irreroncilable. 

The  tonal  teiult  iicies  thus  «  1  rved  in  the  scales,  that  is  in  melody, 
remain  the  same  in  harmony,  that  is  in  the  siinultaneons  combination  of 
two  or  morc  degrees  of  a  scale.  Ohoi^ds  may  be  compounded  of  notes 
of  different  measures  of  rest,  or  of  notes  of  movement,  or  of  a  mixtnre 
of  notes  of  rest  and  of  movemont  Harmony  understood  thus,  in  the 
Bonse  of  simultaneous  combination  of  melody  notes  with  various  tonal 
t^'ndencies,  fumishes  us  with  explanations  of  most  harmonic  phenomena. 
This  view  of  the  matter  saves  us  frora  the  necessity  of  having  recoui-se 
to  Systems  founded  on  roots  and  on  derivation  from  the  hamionic  sories; 
nay,  it  evcn  altogether  excludes  such  Systems.  Indeed,  the  root  and 
derivation  theories  are  arÜficial  edifices  basid  «m  nnjustifiable  assumpttons 
and  constructed  out  of  more  or  less  ingeniniis  infrrences  drawn  from 
them.  Admire  tho  beauty  of  these  fontastic  fabrics  if  yott  like,  but  do 
Tiot  expeet  that  they  will  be  of  any  practical  use  to  you.  Instead  of 
being  a  help,  these  theories  are  a  lundrance  to  the  right  understanding 
of  the  Problems  in  question;  inst«  ad  of  removing  actual  difficulties,  they 
create  new  imaginary  ones.  The  fact  is,  we  cannot  see  clear  in  the 
matter  untii  we  have  divested  ourselves  of  the  notion  that  chords  are 
<^ntities  given  us  ready-made  by  natuie.  Nature  has  given  us  notliing 
t>f  the  kind.  It  is  no  more  than  mere  sport  to  ^licf  the  chords  out  of 
towering  formations  of  seven  superimposed  thirds  springing  from  two  or 


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682 


fVedertdc  Ntecks,  Tb«  FoundAtioot  of  Hsmoiqr. 


three  roots,  iiionstprs  such  as  huve  never  been  seen  on  land  or  sea^). 
Nor  is  it  anytliiiiiL;  mon'  serious  than  sport  to  pick  the  notes  reqiiired 
for  the  (liords  out  of  that  abouniliiig  storehouse  the  harmouic  series. 
Anfl  vvliv?  Berause  the  harraonic  sorio'^  is  n  simultaneoiisly  sounding 
multitudc  of  tones  which  in  their  t(»t;»lity  luntlier  stand.  iirtiHtifHlly 
speaking,  in  liarmonic  relation  to  tach  other,  nur  forin  when  lieard  toge- 
ther  with  equal  distiiictness  a  satisfartory  whole,  and  from  wliicii.  if 
being  in  tun«'  is  not  an  iiKh'spensablc  condition.  tlie  toues  of  all  the 
harmonics  in  uso  inay  l)e  collected  and  vct  an  unusable  residue  left. 
The  pretcntion  that  by  buch  theorics  a  natui'al  or  scientific  basis  is  '^Wen 
to  harniony  is  an  ilhision  that  canuut  fail  to  be  the  woiKier  and  dcrision 
of  fiituro  f,'eneratiou!s,  if  it  is  not  already  of  the  prpspnt.  Tf  we 
a])prüacli  the  matter  unprejudiced,  we  nefd  no  nioi  r  than  cunauon  senbe 
to  recopnisc  the  haselcssness  of  these  tlieories  to  fundamental  fact«, 
and  the  illogicahiess  of  their  development>.  Wliat  I  preach  is  the  aban- 
donment  of  these  wooden  idola  devoid  of  living  divniity. 

Well,  then,  it  may  be  conveuient  to  s])eak  of  triads,  of  ( hordt»  of 
the  seventh,  and  jieihaps  also  of  choi  i]>  nt  the  iimlh  -  whetlier  it  be  con- 
veuient to  speak  of  chords  of  the  1 1  venth  and  thirteonth  is  another 
question  — but  it  is  necessaiy  thatwe  should  uiulei  ^tanti  that  triads,  chords 
of  the  seventh,  etc.,  are  not  matter-lxnn  but  niind-born  entities,  1 
repeat,  chords  are  neither  niore  nor  less  thau  siinnltaneous  couilnnations 
of  notes  of  a  scale,  notes  of  various  characters  autl  tendencies  which 
combiued  produce  harmonies  ol'  ditierent  «  liaiacters  and  tendencies.  The 
characters  and  tendencies  uf  tlie  constitiients  detennine  the  character  and 
tendency  of  the  whole  eonibnuaion.  The  greater  the  niunber  and 
strenuousness  of  tlie  negative  elementx  of  tlie  scale  in  a  chord,  the 
greater  is  the  mcusure  of  its  unre>t  and  niovemenl.  The  raeasure  of 
rest,  on  the  other  band,  depends  upun  the  position  of  the  positive  Cle- 
ments. As  the  tonic  note  expresses  perfect  rest,  and  the  mediant  and 
dominant  imperfect  rest,  so  the  tonic  chord  with  the  tonic  in  the  lowest 


1,  How  »ui'prised  Kam e au  wouid  he  il  ha  cuuld  see  some  of  the  devclopmeots 
of  hit  ideftt!  For  instanee,  John  Stainer^B  Scale  in  Thirds: 


j  .     by  Googl 


Frederiok  Kiecks,  The  Foundttioos  of  Uarmony.  58S 

and  in  the  liighest  part  expresses  pcrtect  rest,  and  the  mnm  chord  witU 
any  otlier  noto  III  oiie  of  ihv  extn-me  parts  imperfect  rest. 

Whiit  h;is  more  esperially  to  be  noted  ib  this.  Outsidc  'roiiulity, 
that  is  MS  individuals  standing  hy  themsclves,  nll  consonant  chords  are 
chords  (»f  rest,  and  ouly  dissonant  chords.  churds  of  unrest;  whereas 
within  the  partnership  of  tonalitv  onl}  a  single  consonant  cbord,  the 
tonic  triad,  is  a  chord  of  rest  and  has  self-sufficiencv,  and  all  the  other 
cliordti,  the  consonant  as  well  as  the  dissonant,  are  choids  of  unrest  and 
lack  self-Rufficiency.  Hence  it  comes  that  tlie  sarae  consonant  notes 
form  at  one  time  a  chord  of  rest  und  at  other  times  a  cliord  oi  uiirest. 
Thus  c-e-fj  wüuld  i)e  in  C  major  a  chord  of  rest,  but  in  O  ittajor,  F  njaj(/r, 
E  minor,  and  ,.1  luiuor,  and  as  a  chromatic  chord  a  chord  of  unrest. 
This  faet  is  forgotten  or  not  properly  appreciated  by  those  theorists  who 
deal  in  borrowed  chords.  If  we  procee«!  from  the  chord  of  tlie  dominant 
in  0  major  to  the  chord  of  the  tonic  of  tliat  key,  we  proceed  from  un- 
rest to  rest;  if  we  proceed  froni  the  chord  of  the  supertonic  with  raised 
thiril  in  C  major  to  the  chord  of  the  donunüut  of  that  key,  we  proceed 
froin  unrest  to  unrest.  Alili'  i-li  the  notes  are  in  })oth  cases  the  same, 
the  eftect  is  different.  I  wrut«-  u  uionient  agu  of  consonuni  and  di.ssonant 
chords  of  unrest.  It  niay  not  be  useless  to  note  the  difference:  the  non- 
tonic  consonant  triuds  have  only  the  unrest  derived  from  the  negative 
tonal  Clements,  the  dissonant  chords  have  in  the  dissonance  or  dissou- 
ances  an  additional  element. 

The  Constitution  and  conditions  of  chords  can  be  strikingly  brought 
out  by  means  of  the  signs  I  made  use  of  in  connection  with  the  diatonic 
scales,  but  which  are  equally  applicable  to  chromatic  notes.  First  I 
shall  tabulate  the  Triads  and  the  chord  of  the  dominant  seTenth  of  the 
major  mode. 

Tonic.     Dominant.    Subdominant.    Mediant.  Submediant. 

g  —  d  ^  c   b  A  e  — 

6— ..bA  av  g—  c  — 

c  —         g^  ff  e  —  aV 

Supertonic.      Subtonic.      Dominant  Se^enth. 
a  V  ff  ff 

f  }  d^  di 

d*  bA  bA 

g- 

The  marking  of  the  first  five  chords  does  not  stand  in  need  of  com- 
ment  With  regard  to  the  others  I  shall  oonfine  myself  to  the  foUowing 
two  points.   (1)  The  laiger  of  tvo  wedges  indicates  always  the  stronger 


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584 


Frederick  Niecks,  The  FoundatioDB  oi  Huxmuiiv. 


tendency  and  more  natural  drift;  and  [2]  where  theie  are  two  wedgea 
they  may  not  be  applicable  to  the  same  ctreumstancea  {tot  instance»  d 
in  supertonic  chord  and  f  in  subtonic  cbord  not  with  fundamental  in 
bass).  It  will  of  course  be  understood  tiiat  the  movement  marka  diow 
the  bearings  of  the  notea  in  qneation  upon  the  notea  of  the  tonic  chord. 
That  composers  often  balk  the  natural  tendendes  of  the  notes,  at  least 
temporarfly,  that  erery  non-tonic  is  not  always  immediately  foUowed  by 
the  tonic  chord,  is  a  fact  that  doea  not  require  pointing  out  Mudc 
would  not  be  an  art,  still  less  the  piquant  and  ex[)re98ive  art  it  iS|  were 
it  otherwise.  The  State  of  matters  harmonic  may  be  strikingly  and  truth- 
fully  pictured  by  a  oomparison  of  tonality  to  the  solar  system.  The 
tonic  chord  is  the  sun.  What  revolves  around  it  may  be  single  stars  or 
groups  of  Stars  inth  subordinate  centres  of  their  own.  If  we  look  upon 
Our  harmonic  System  as  a  deviating  from  and  a  direct  or  indirect  tending 
towards  the  Clements  of  this  central  chord,  every  oombinationi  be  it  ever 
so  Strange  and  eomplicated,  will  become  intelligible. 

Instead  of  unnecessarily  spending  time  in  tabulating  the  other  dia- 
tonic  chords  in  major  and  those  in  minor,  which  everyone  can  easüy  do 
for  himself,  I  tum  now  to  the  chromatic  chords. 

A  chromatic  chord  is  a  diatonic  chord  one  note  or  more  notes  of 
which  have  been  chromatically  altered,  that  is  raised  or  flattened  a 
semitone.  This  way  of  putting  the  matter  acts  on  some  theorists  as  a 
red  rag  on  a  bull.  The  word  ^'altered'*  is  the  red  rag,  The  alteration- 
ists  are  told  by  their  opponents  that  it  is  foolish  to  speaJc  of  e$  as  an 
altered  that  the  two  notes,  although  bearing  the  same  name,  are 
acoustically  as  distinct  as  c  and  b  and  e  and  f.  No  doubt,  they  are. 
But  what  reasonable  person  erer  deoied  it?  The  alterationists  do  not 
teach  this,  and  their  theory  does  not  imply  it  But  whilst  the  opjion- 
entb  impute^to  them  something  not  in  the  alterationists'  mind,  they  ovei^ 
look  sometÜng  that  really  is  there,  It  is  this,  that  you  can  alter,  modify, 
a  degree  in  a  scale  of  notes  maJdng  up  a  tonality.    If  you  alter  f  into 

in  C  major,  the  altered  f  remains  still  the  fourth  degree.  So,  to  ease 
the  Situation,  the  deünition  might  perhaps  be  formnlated  thus:  a  chro- 
mniiv  note  is  a  modified  diatonic  degree,  and  a  chromatic  chord  une 
which  contains  one  or  more  such  degiees.  The  misunderstanding  has 
seemed  to  me  always  one  of  the  most  curious  and  striking  examples  of 
to  what  Strange  misconceptions  and  suspidous  prejudice  may  lead.  The 
misunderstttading  is  so  much  the  more  cun'ous  as  the  alterations  of  the 
sixth  and  seventh  degrees  of  the  diatonic  minor  mode  might  hare  senred 
as  a  waming. 

Observation  cannot  but  show  the  correctness  of  viewing  chromatic 
chords  as  altered  diatonic  chords,  as  chords  in  which  one,  two,  or  more 


Fredehok  >iiecks»  Tbe  f  oundations  of  H&rraony. 


Ö8Ö 


degrees  of  tlie  liiatonic  seil»'  have  been  modified.  Indeed,  it  is  difficult 
tu  imagiue  tiuit  cniivictioii  sliould  fail  to  come  to  anyone  who  sees,  as 
may  be  seen  in  the  folluwitig  examplcs,  cbromatic  cbordä  in  tbe  making. 

The  cbromatic  notes  here  reveal  their  diatonic  and  melodic  origin 
munistakably,  and  prove  themseWes  leading  notes,  notes  straining  towards 
the  degree  immediately  below  or  above  them.  These  straining  notes  are 
eitber  new  notes  of  unrest  or  empbasised  old  ones.  In  the  hi^est  part 
of  the  first  and  the  lowest  part  of  tbe  last  of  the  abore  ezamples  the 
chiomatic  notes  prodnce  a  diange  from  rest  to  unrest,  all  tbe  other 
cbromatic  notes  bring  about  an  increase  of  nnrest,  of  strain. 

A  System  of  barmony  tbat  in  tbe  twentieth  centnry  recognises  only 
a  limited  number  of  cbromatic  chords  in  a  key  is  nearly  a  Century  be- 
bind the  times,  and  falls  lamentably  short  of  tbe  practice  of  the  present- 
day  composers.  To  be  duly  comprehensive  we  have  to  say  that  every 
diatonic  chord  may  be  in  several  ways  chromatically  altered.  For  mstance, 
the  tonic  triad  in  C  major  thus: 


By  iiieans  of  the  straining  tliromatic  noti  s  a  stionir  drift  is  pioduced 
towards  harmonies  of  which  tbe  not'*^  tbus  reaclad  fuiiii  constituents  —  for 
instance,  tlif  snpertoni<"  or  tlie  (lumiii  uit  haniiony  by  tbe  first  clionl  ;  tho 
subdoiiiiiiaiii  ur  siibnicdiant  by  tbe  seeond;  the  dumiuant  or  ( liromatic 
supertonie  ic-d-f^]  by  the  tbinl;  tlie  subtonic  [d-f-it  after  fiist  iuversinn) 
or  supertonic  (triad  or  chuid  ul  seventb)  by  tbe  fourth;  and  tbe  siipt  i- 
tonic  or  dominant  by  tbe  fiftb.  Tlic  usual,  ultliuu^di  not  tbe  only,  fuiiii 
of  tbe  bist  of  these  cbromatic  t  hords  is  of  course  tlie  firbt  inversion. 
Tbe  two  chords  in  parentbes»?s  are  giveii  as  chioniatic  chords  leading  to 
chruuiatic  chords  (»f  the  same  key  or  to  diatonic  churds  of  uthcr  keys. 

Of  the  supertonic  diatonic  chord  tbc  foilowing  chromatic  modifications 
are  possible. 


Hcre  tlif  tirst  two  <  liromatic  chords  tend  to  the  (h)minant  barmony; 
tbe  third  to  the  tonic,  sulime<Hant.  and  medinnt;  the  fourtl»  to  tbc  nicdiant; 
tbe  last  bat  two  to  tonic  or  dominant;  tho  liist  but  one  to  the  touic; 


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m 


Frederick  Mecks,  The  Foimdations  ot  Hannooy. 


and  the  last  to  the  subdominant.  Where  the  different  fonns  of  a  chord 
are  not  equally  natural  or  effective,  the  preferable  one  (perhaps  a  first 
inversion)  ia  eadly  disooTerable. 

We  need  not  pnrsue  this  inquiry  further.  For  the  chromatic  modi- 
ficftiions  of  the  oÜier  diatonic  iziads,  and  of  the  chords  of  the  sereuth, 
etc.,  woüld  be  but  repetitiona  of  the  processes  fllustrated  by  the  chromatio 
modifications  of  the  tonic  and  supertonic  triads.  It  is  equally  super- 
fluous  to  point  ont  that  even  in  so  far  as  I  hare  giren  illnstrations, 
exhanstion  has  not  been  attempted. 

The  view  here  set  forth  of  chromatic  chords  eeems  to  me  to  gire  a 
simple  and  rational  theoiy  of  them,  a  theoiy  based  not  on  mere  assump- 
tionSy  but  on  obvious  and  palpable  facts,  namelj,  dissonant  and  tonal 
tendencies.  Moreover,  the  theory  is  suffident,  vhich  other  theories  are 
not,  to  comprehend  with  ease  every  imaginable  chord  of  the  Idnd,  eren 
those  that  hare  caused  the  greatest  tronble  —  for  instance,  the  chords  of 
the  augmented  sixth  {a^-e-ftl  a^-^  -f^',  etc.).  The  attempts  to  account 
for  these  chords  otherwise  have  not  been  a  success.  One  cannot  help 
thinking  it  a  contradiction  in  terms  and  a  confusion  of  ideas  vhen 
theorists  flpeak  of  chromatic  chords  and  derire  them  from  diatonic  chords 
of  other  keys.  Are  not  the  characteristics  of  chromatic  chords  that  they 
are  not  diatonic  and  yet  belong  to  the  key  in  which  they  are  used?  The 
most  irrational  proposal  made,  howerer,  is  the  derivation  of  oertain 
chromatic  chords  from  two  keys.  ^Hiis  is  a  musical  mystery,  the  mystery 
of  Duality,  of  two  in  one,  for  which  nnreasoning  faith  is  indispensable, 
a  demand  that  ought  not  to  be  made  outside  theology.  Tben  there  is 
the  search  for  roots,  the  endeavour  to  discorer  independent  origins  of 
the  chords.  Unfortunately  the  searchers  are  not  aware  that  the  roots 
they  find  are  only  in  their  imagination.  Apart  from  tonality  there  can 
of  oourse  be  no  question  of  roots,  and  in  tonality  the  only  fundamental 
realities  are  the  positive  and  negative  Clements,  the  elements  of  rest  and 
nnrest  The  theoiy  of  invisible  roots  reminds  me  of  the  beautiful  ar- 
rangement  of  pntting  the  cart  before  the  horse.  We  are  often  told  that 
the  chord  b^f-a  is  a  chord  of  the  ninth,  and  b^f  a  chord  of  the 
seventh,  with  tbe  fundamental  note  left  out.  It  would  be  more  correct 
to  say  that  g-b-d^f-a  was  a  chord  of  the  seventh,  and  g-h-il-f  a  triad, 
with  a  fundamental  note  added.  The  relationship  of  these  chords  comes 
not  from  a  common,  not  actually  present  root,  but  from  the  common, 
artually  present  constituents  {bnl-f]  that  chiim  tlic  same  resolution.  The 
dominant  chord  is  regarded  as  the  foundation  cliord  of  tlie  group  because 
it  occnrs  most  frequently;  it  occurs  most  frequently  because  it  is  the 
most  important  of  thoin ;  and  it  is  the  most  important  because  it  com- 
prises  in  its  Constitution  in  addition  to  negative  elements  one  positive 


j  .  d  by  Googl 


Frederick  Nieeks,  The  FaimdatumB  of  Harmony. 


Ö87 


Clement.  From  tliis  link,  which  connects  it  with  the  tonic  bannony,  the 
chord  of  the  dominant  seventh  dfrives  its  superiority  over  the  two  other 
chords.  The  fifth  uf  the  tonic  churd  is  here  the  hinge  on  which  the 
door  constructed  out  of  negative  elements  Swings.  It  would  he  pofldble 
to  bnüd  on  tho  hinging  on  the  extreme«  of  th^'  toni<  tTiad  a  pretty 
theory.  Illustration  (a)  shows  us  the  pure  contrast  of  positive  and 
negati?e  elements;  (b)  the  hinging  of  two  ncpative  elements  to  the  ex- 
tremes of  the  positive  elements,  hy  which  the  dominant  and  suhdominant 
triads  are  obtained :  and  (c)  the  extendon  of  the  same  process,  by  which 
the  chord  of  the  subtonic  and  dominant  seTenth  and  the  supertonic  triad 
and  chord  of  the  serentb  are  obtained. 


Interesting  conclusions  could  be  drawn  from  such  premises;  but  this 
exampie  of  a  theory  is  not  brought  forward  as  a  proposal.  If  we  wish 
the  truth  and  nothing  but  the  truth,  we  must  look  for  that  in  Illustration 
(a).  AVliat  indaced  theorists  to  adopt  the  doctnne  of  roots  was  the 
»irailarity  of  fanction,  or  rather  of  tendency,  which  certain  groups  of 
chords  exhibited  —  for  instance,  the  dominant  group  (bearing  on  the 
tonic  harmony),  the  tonic  group  (bearing  on  t}ie  subdominant)  and  the 
supertonic  group  (bearing  on  the  dominant).  This  view  of  matters  bar- 
monic,  however,  bas  no  objective  reality,  it  is  the  outcome  of  the  mind's 
love  of  Order  and  System,  a  loTe  that  often  rests  satisfied  with  something 
artificial.  In  my  opinion  no  good,  and  much  eril,  comes  from  the 
tlieones  of  roots.  To  conüne  ourselves  to  the  actuaUy  present  is  both 
simpler  and  more  in  accordance  with  truth. 

Another  unneoessaiy  difficulty  arises  from  the  insistence  with  which 
many  theorists  regard  every  simuhancous  combination  of  notes  as  an 
independent  chord.  If  they  took  a  horizontal  as  well  as  a  vertical  view, 
they  would  discover  that  not  a  few  combinations,  especially  in  modern 
music,  can  only  be  riglitly  understood  in  relation  to  what  foUows,  or 
what  precedes  and  foUows.  Before  calling  harmonic  combinations  chords 
of  the  eleventh  and  thirteeiith,  attributing  to  them  extraordinai7  roots 
and  derivations,  we  should  submit  them  to  real  analysis,  and  separate 
the  appoggiaturas,  anticipations,  pedals,  etc.,  from  the  chord  notes.  Nay, 
often  we  must  altogether  refuse  an  independent  existence  to  harmonic 
combinations  and  simply  regard  them  as  dependent  on  their  neighbours. 
In  this  way  much  Ught  can  be  thrown  on  obscurities.  and  many  com- 
plezities  can  be  unravelled. 


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588 


Frederidc  Niecks,  The  Foundation«  of  Hamony. 


The  laws  of  dissonance  and  tonnlitv  toa«  Ii  u<  Jiiucli  in  tli<-urv  aii'l  :v. 
praetire.  in  little  jind  in  great  tluiigs,  evt-n  in  at'Ätlit'tics  and  in  acDU-^ti*-. 

If  wr  knovv  tlu'ir  spirit        wAl  as  their  letter,  tla-y  ])r«ivi'  thcni^t^h-- 

cxct'Ilvnt  «fuidts  in  part-writing,  enablinL'  n«s  aniong  otli«  r  thinirs  t<i  ^uhe 

all  ])iol»ltnis  of  resolution.     They  hclj)  us  io  explain  the  discrepancy 

betwt'cn  lliH  theorists'  rulos  and  tlic  <  .»niiiosers'  practica  iu  the  matter  of 

doubling  chord  constituent^j .  hy  sliowintf  us  that  th»   usual  rules  deal 

vvitli  individual  haiTiionies.  not  with  progmssions  of  liai monies:  that  ^hat 

applies  to  things  at  rcst,  cannot  have  tho  same  vMlidity  in  the  casp  of 

tliingh  in  motion;  and  that  what  in  anuliar  stat"  dot;,  not  pleane,  iua\ 

)t!t  bp- acceptable  in  tran^itiou.   Through  the  law  <d  tonality  \ve  get  also 

a  wciiidi  rfui  in^iglit  intu  -  loses.    It  reveals  to  u>  at  once  the  causes  of 

their  different  expressiuii  —  th*^  difference  «d  the  füll  and  the  half  dos«, 

the  differences  of  the  perfett  füll  t.lose  nnd  the  toiiu>  of  the  iinperfed 

füll  close,  an  l  >«»  on.    That  the  la^\^  of  dissonance  aud  tunality  have 

anything  to  do  with  tho  mu>A\  ili?><  U!>sed  quesstion  of  Intonation  inay  have 

escMped  in^ny.    E<(ual  t»  ni|tri anieut,  that  n»*ees<.ary  evil  wliere  Instrument? 

With  lixt  d  l(»iies  ar«-  (  niu  t med,  need  not  be  lonsiderod.    But  what  uhoMi 

ihf  other  two  intonations  that  nr*^  made  nse  of  in  our  music  —  just 

Intonation  and  what  we  niav  i  all  free  nielodic  intonation?    The  latter. 

which  scieiitists  ii,'n«»ir  nr  niiid.  iim.  but  whici)  >ini:ers  and  players,  except 

tliose  of  instrunicnts  with  tixeil  ton<  s,  make  u>e  uf.  is  a  svstera  in  which 

the  intonation  is  deleniiined  not  in''chanically  as  in  equal  teniperament, 

and  not  whollv  by   the  h.itinonic  pfopoi-tions   of  intervais  as  in  ju^i 

Intonation,  but  parth  l'v  thr^c  pt oiMuticnis  and  partly  by  the  melodie 

tt  n<lt'nci**s  of  the  n*'i«  tiee  lueltMÜc  intonation.  this  irregiüar 

inif)ruvi.>ed  teinjin  aiu<'nt ,  plays  an  inert  a-^inirly  impoi  tant   part  in  our 

inereasingly  eliKmiatie  and  impassiont^d  nui>ic.     In  fact,  one  may  say 

witliout  exagj^er  ttion  that  in  inod»  rn  luuNic  there  is  hardly  anvthing  in 

tune  except  tiie  tonic  chord.    Wht  re  there  is  rest,  justnes«  df  intonation 

is  imperative,  at  any  rat«'  the  rever^»-  >  painfully  feil;  where  there  is 

inotion,  our  attention  i^  «liawn  froin  what  is  to  whnt  is  to  be,  and  just 

intonation  is   of      <  »ndaiy  iiiipot  taneo.     Thi-.   enal)lef»   US   tO  sacrüice 

withoiit  regret  pli\-iral  oup)>f>Tiv  to  p■^vchie!d  expre<sion. 

Tli''^''  are  a  few  oulI»>uk>.  it  i>  not  my  int*  iition  to  lay  before 

the  reatler  a  whole  svstein  ut  haiiaonv,  1  sliall  now  draw  niv  remarks  to 

a  conclusion.    iMy  object  was  to  point  out  tlir*  itnportanee  of  two  laws 

that  form  tlie  true  foundations  of  nvusie.    W  e  ma}  learn  from  them  the 

gi*eat  and  preijnant  truth  that  lianiiony  is  not  a  pntting  tosfether  of 

inanimate  lil*H.k»,  but  a  weaving  and  interw  ivini:  id  livinir  tendencies. 

Iii  ähort,  liarinony  i.s  a  study  of  dynamicä  rather  thau  of  statics. 


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Kobert  Lach,  Über  eiixea  iuteressaaten  Spozialfall  von  »Auditioa  colureo«.  589 


Über  alueii  interessauteu  Spezialfall  voa  i,  Aadltioii  coloree". 

von 

Robert  Lach. 

(Luuingnmde.) 


Obw(^  über  das  Farben-Hdren  schon  eine  ziemlich  umfangreiche 
Liteitttar  existiert,  glanbe  ich  doch,  daß  der  nachfolgende  Bericht  über 
einen  von  mir  beobachteten,  wie  mir  scheint,  recht  interessanten  fall  dieser 
merkwürdigen  Disposition  nicht  unwillkommen  sein  dürfte. 

Was  zunächst  die  subjektiTO  Q-laubwürdigkeit  des  betreffenden  Indi- 
viduums betrifft,  so  kann  ich  mich  für  dieselbe  mit  voUster  Sicherheit 
und  nihigstem  Gewissen,  verbürgen;  in  intimster  Verwandtschaft  und  seit 
frühester  Jugend  in  unzertrennlichem,  innigstem  Kontakt  mit  ihm  ver- 
bunden, hatte  ich  genugsam  Gelegenheit,  von  der  Einderzeit  herauf  bis 
in  das  Mannesalter  dieses  Phänomen  in  allen  seinen,  im  Laufe  der  Jahre 
bisweilen  wechselnden  Äußerungen  an  ihm  zu  beobachten  und  mich 
davon  zu  überzeugen,  daß  eine  eventuelle  Fiktion  oder  absichtliche 
Täuschung  von  seiner  Seite  vollkonmien  ausgeschlossen  sei,  —  zumal 
dieses  Phänomen  schon  in  unserer  Einderzeit,  wo  noch  keiner  von  uns 
es  zu  deuten  wußte,  an  ihm  auftrat. 

Wenn  so  also  der  Fall  bewußter,  absichtlicher  Täuschung  ausgeschlossen 
scheint,  so  ist  es  eine  andere  Frage,  ob  nicht  unabsichtlich  eine  unbe^ 
wußte  Selbsttäuschung,  sei  es  in  quantitativer  Hinsicht,  rücksichtlich  des 
Stärkegrades  des  Phänomens,  sei  es  in  qualitativer,  hinsichtlich  der  Art 
oder  der  Deutung  und  Beobachtung  seiner  Äußerungen,  dabei  stattfinde. 
Auf  die  verschiedenen  Möglichkeiten  und  Anhaltspunkte  für  Etklärungen 
in  diesem  Sinne  werde  ich  noch  weiter  unten,  bei  der  Kritik  des  Phä- 
nomens, zurückkonmien ;  hier  möchte  ich  nur  vorläufig  bemerken,  daß 
Patient  selbst  (ich  bitte,  der  Abkürzung  wegen  diese  in  pathologisdien 
*  Berichten  übliche,  medizimsche  Terminologie  beibehalten  zu  dürfen; 
und  ist  denn  nicht  schließlich  das  Farben-Hören  auch  ein  psychopathi- 
scbes  Pliünomen?]  mit  vollster  Unbefangenheit  selbst  auf  alle  zu 
Zweifeln  ))erechtigenden  und  ihm  im  Sinne  subjektiver  Selbsttäuschung 
verdächtigen  Punkte  aufmerksam  macht  und  fortwälirend  bemüht  ist, 
bei  seinen  Selbstbeobachtungen  mit  möglichst  strenger  Selbstkritik  und 
Vorsicht  zu  verfaliren. 

Patient  ist  jetzt  29  Jahre  alt.  akademisch  gebildet  und  leidenschaft- 
licher Musiker.  In  seiner  Familie  väterlicherseits  ist  künstlerische  Anlage 


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590    Robert  Lacb*  Über  einen  intereaMoitett  SpetuUfiill  von  »Andition  eoloroe«. 

nachweisbar:  ein  GroBonkel  war  Maier.  ein  ( )heini  hat  schöne  malerische 
und  musikalische  Anlagen,  sein  Vator  war  irrnlier  Mnsikliebbaber;  Fälle 
von  auditirm  röhrte  aber  sind  ihm  weder  an  ihnen,  noch  sonst  wem  in 
der  Familie  bekannt  geworden.  Von  der  mütterlichen  Seite  h«'r  ist 
Patient  mit  Neurasthenie  erblieli  heiastet,  die  bei  einem  Onkel  direkt  in 
Paranoia  und  Veriolgungswahnsinn  ausartete.  Patient  seihst  bietet  uns 
das  Bild  des  Berufs-Neurasthenikei-s.  Er  zeigte  schon  in  der  Kindheit 
Talent  zur  Musik,  ohne  daß  jedoch  TiUst  und  Neigung  dazu  sieli  geäußert 
hätte;  im  G(»genteil,  der  Mu=;ik-rnterricht  war  ihm  verhaßt,  er  mußte 
«rtets  dazu  gezwungen  werden.  Erst  in  seinem  IB.  Lehensjahre  brach 
plötzlich  die  Triebe  zur  Musik  hervor  und  bestimmte  ihn,  sich  der  Musik 
(Komposition  1  zu  widmen. 

Die  Ei*scheinung  des  Farben-Hrnens  nun  äußerte  sich,  wie  bereite« 
oben  bemerkt,  schon  in  seiner  Kinderzeit:  er  erinnert  sich,  die  frühesten 
Anfänge  davon  ungefiihr  in  seinem  achten  Lebensjahr  beobachtet  zu 
haben.  Je  älter  er  wurde,  umso  stärker  bildete  sich  auch  diese  Disposi- 
tion aus.  Doch  ist  sie  nicht  zu  allen  Zeiten  und  bei  allen  Gelegenheiten 
(juantitativ  (seltener  qualitativ,  wo  sich  Vei-schiedenheiten  meist  nur  in 
ganz  feinen  Nuaneiernngen  und  Schattienmgen  der  Farben  äußern] 
die  gleiche:  während  sie  zu  manchen  Zeiten  ungemein  stark  ist,  ver- 
schwindet sie  zu  anderen  Zeiten  fast  ganz  oder  teilweise  derart,  daß  er, 
in  einem  solchen  Zeitpunkt  aufgefordert,  sie  zu  beschreihen,  sie  rein  nur 
aus  der  Erinnerung,  nicht  aus  lebendigem  Anschauen  heraus  zu  schildern 
im  Stande  ist.  Je  mehr  und  je  öfter  er  Musik  und  Töne  hört  (sei  es 
Orchester  oder  Klavier,  von  anderen  oder  ihm  seihst  gespielt),  umso 
stärker  äußert  sich  auch  rhe  Erscheinung  des  Farben-Hörens;  je  mehr 
dagegen,  infolge  längeren  Nichthörens,  die  Tonvorstellung  verblaßt,  mnso 
schwächer  wird  auch  die  beim  Hören  oder  auch  nur  der  bloßen  Tonvor^ 
Stellung  sich  zwangsweise  einstellende  Farben-Empfindung,  beziehungsweise 
-Vorstellung.  Es  gibt  Tage,  Wochen.  Monate,  wo  das  Phänomen  sich 
nur  ganz  schwach  in  der  Form  äußert,  daß  beim  Hören  von  Tönen  vor 
seinem  Auge  gleichsam  ein  traumhaft  schwacher,  matter  Glanz,  wie  ein 
duftiger,  farbiger  Schleier  vorüberzieht  ;  es  gibt  aber  ebenso  Zeiträume, 
wo  vor  seinem  Auge  prachtvolle  kaleidoskopartige  Bilder  erstehen,  ein 
leuchtendes,  schillerndes,  glitzerndes  Farhenmeer,  das,  in  gleichem  Schritt 
mit  der  Bewegung  und  Veränderung  der  Töne  in  jedem  Augenbhck  seine 
Farben- Verteilung  wechselnd,  so  durcheinander  wogt  und  wallt.  Was 
vielleicht  von  Bedeutung  und  jedenfalls  von  Interesse  ist:  Patient  be- 
obachtete, daß  dieses  peiiodische  Stärkei*-  oder  Schwächer-sich-äußern 
des  Farben-Hörens  gleichzeitig  mit  dem  ebenfalls  periodisch,  eben  im 
Anschlüsse  an  das  öftere  oder  seltenere  Hören  von  Tönen  bald  stärker, 
bald  schwächer  sich  bei  ihm  einstellenden,  absoluten  Tonbewußtsein  za 


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Robert  Lach,  {'her  ein«D  interessanten  Speziallall  von  >  Audition  colori^e«.  5dl 

konstatieren  ist  Ich  halte  dies  für  die  Kritik  des  Phänomens  fUr  nicht 
unwesentlich  und  werde  noch  später  darauf  zurückkommen. 

Die  Farben  nun,  deren  Vorstellung  bei  ihm  durch  die  Empfindung 
oder  auch  bloBe  Vorstellung  tou  Tönen  ausgelöst  wird,  sind  folgende: 

(•■  weiß,  nher  mit  bräunlich  gelber  Schattierung,  etwa  wie  das  weiche 
Holz  junger  Bäume  nach  dem  Abschälen  der  Hiude  aussieht. 

rw  ebenso,  aber  mit  aUberglitserDden  Punkten  besetct,  etwa  wie  ein  mit 
offener  Klinge  und  weiBlidigelber  Beinschale  im  Sonneulicht  gtitsem- 

d*'s  Messer. 
d    «clineeweiß,  sehr  hfl!  titid  irlnnzvoU. 

rfüf  eiteuso,  aber  mit  >itark  gelber  Sehattiening  und  starkem  Goldglanz  auf 

sahireichen,  in  dem  WeiB  ▼erteilten  Punkten, 
e  hellgelb. 

ei0  ebenso,  mit  starker  bläulicher  Nuanciening  und  ebenfalls  glilnzen- 

den,  metallisch  glitzernden  Punkten  besetzt. 

f    hellblau  (himmelblau). 

/is  ebenso,  mit  etwa»  dunklerer,  mehr  sich  dem  Berlinerblnu  nähernder 
Nuance,  mit  silbergllUuEenden  Punkten  besetst;  aueh  grOnliches  Sohillem. 
y    saftiges  Orttn. 

ffis  ebenso,  mit  goldig  glitzernden  Punkten. 

a    wt  ißliili  nifn.  etwa  dem  Inkarnat  oflcr  dtr  Farbe  gsns  weniger,  in 

f-tlii  viel  Milch  aufgelöstHr  Chokolade  iiljnlich. 
ais  ebenso,  doch  bedeutend  dunkler,  mit  starker  roter  Schattierung  und 

goldglänsenden  Punkten  Qbersilet. 
h    gesättigtes,  tiefes  Rot. 

his  dasselbe,  mit  goldigem  <.Tlanse,  aber  sogleich  weiOüchgelbem  Schim" 
mer  in  dem  Hotgoldgraud. 

Für  jeden  Ton  ist  diese  Farbe  dieselbe  ohne  Unterschied  der  Oktave, 
in  der  er  liegt,  jedoch  äußert  sich  die  Verschiedenheit  der  höheren  oder 
tieferen  Lagen  durch  je  eine  hellere  oder  dunklere  Schattierung  und 
geringere  oder  st&rkere  Sättigung,  Konzentration  der  Farbe;  die  höchsten 
Oktaven  sind  gans  lichte,  die  tiefsten  Oktaven  ganz  dunkle  Nuancen 
der  Farbe  eines  und  desselben  Tones,  Die  cliromatischen  Erhöhungen 
der  Töne  äußern  sich,  wie  aus  Obigem  ersichtlich,  in  der  Farben- Vor- 
HtoUung  als  ein  der  Farbe  des  betreffenden  Tones  gleichsam  aufgesetztes 
Licht,  als  ein  metallisches  Glitzern  und  Fiiiimiem,  das,  je  nachdem  die 
Farbe  des  betreffenden  Tones  eine  kalte  oder  warme  ist,  mehr  einen 
silbernen  oder  goldigen  Glanz  ausstralilt.  Der  betreffende  Ton  orsdioint 
als  ein  Fleck  von  der  einen  oder  anderen  Farbe,  und  auf  diesem  Fleck 
sitzen  gleiclij^am  erhöhte  PUnktchen  oder  Wärzehen  (etwa  wie  die  Augen 
an  den  Fühlhömem  der  Schnecken  oder  wie  die  Haare  auf  den  Wärz- 
chen der  Raupen},  die  goldig  oder  silbern  glitzern  und  flimmern,  so  daß 
der  Effekt  etwa  derselbe  ist,  wie  wenn  in  durch  bunte,  mit  (ilasmalereien 
•ausgezierte  Fenstersclieiben  hereinfallendes  und  demgemäß  gefärbtes 
Sonnenlicht  Gold-  oder  Silber-Gegenstände  gehalten  werden,  die  im 


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592    fioberi  Ltcb,  Über  einen  interewanten  Spezialfall  von  »Audition  color^e«. 

Schein  eines  durcli  eint-  TJ  t  ^  li.  reinfallenden,  unge  färbten,  natürlichen 
Sonnenstralils  aufblitzen.  Zugleich  erglüht  die  betreffende  Farbe  in  be- 
deutend stärkerem  Glanzr.  otwa  wie  niasin  1  n  icn  in  durchscheinendem 
Lichte.'  So  \sird  zum  Beispiel  das  Blau  des  f  durch  die  chromatische 
Erhöhung  i  zu  einem  in  silbernem  Glänze  schimmernden  und  strahlen- 
den, prachtvollen,  gesättigten  Berliiu  rlilMu,  etwa  wie  die  Farbe  eines  in 
durchfallendem  Lichte  erglühenden  Saphirs.  Eine  sehr  interessante 
woitfre  Tatsache,  eine  Nuancierung  der  Farbe  im  Sinne  einwr  Assimilierung 
der  Farbe  des  chromatisch  t  t  hrditen  Tones  an  die  Farbe  Jenes  nächsten 
Tones,  zu  dem  die  chromatische  Erhöhung  hinleitet,  wird  im  Folgenden 
noch  eingehender  zur  Besprechimg  gelangen. 

Chromatische  Erniedrigungen  bewirken  demgegenüber  eine  Trübung: 
die  betreffende  Farbe  wird  gleichsam  schmutzig,  verwaschen.  So  ist 
zum  Beispiel  g  ein  schönes,  saftiges  Grün,  gis  erglüht  in  prachtvollrni, 
mit  goldglitzernden  Punkten  besetztem  Goldgrün,  etwa  wie  ein  in  durch- 
fallendem Licht  betrachteter  Smaragd  in  Goldfassung,  oder  wie  die  ge- 
wisse Farbe  des  Meeres  in  der  Tiefe  von  etwa  6 — 8  Meter  an  schönen, 
sonnigen  Tagen  bei  einfallendem  Sonnenlichte;  gcs  dagegen  wird  zu  einem 
verwasclienen,  gleichsam  durch  einen  schmutzigen  Schleier  betrachteten 
Blauf^'^riin.  Doch  tritt  nicht  ininna*  konsecjuent  die  Vorstellung  des 
Schmutzigen,  \*i  rwaschenen  ein:  bisweilen  wird  die  Grundtonfai-be  da- 
durch einfach  milder,  sanfter,  trüber;  so  wird  zum  Beispiel  das  Rot  des 
//  durcl?  '  7U  eint'iii  hedeiitond  milderen,  snnftercn  Rot.  allerdings  —  ein 
gewisser  trüber  iSchleier  äcukt  sich  auch  hier  wieder  über  das  Bot  her- 
nieder. 

Dil-  durch  chromatische  Erniedrigung  aufgelösten  Farben-Empündungen 
sind  folgende: 

rrs    schmutzig  verwHscliones  WeifUicliL'«!!)  mit  r<")fliilier  Schattierung. 
des   schmutz!«»  verwaschem»«  Weiß  mit  LrHVilicli»  r  Schattieruncr. 
es     ächmutzig  verwtischenes  Bräunlichgelb,  etwa  wie  von  der  Souue  be- 
schienener Felsen. 

ft»   achmutasig  verwaschenes  Blau  mit  eigentümlidi  gelblicher  Schattiemng 

^    schmutzig  verwaschenes  Grün  mit  ]>lnugrauer  Schattierung. 

OS    «"i  hnmt/ig  Terwaschenee  Weißlichrotbraun ,  sehr  matt,  fast  wie  In- 

karnnt. 

b      i^chmutzig    verwaschenes  Rot  mit    brauner   oder  graurötUchweißer 
Nuance. 

Be/.eiclin.  iiil  ist  also  auch  hu  r  uieder  die  Annäherunfi  der  Farben- 
Nuancen  an  die  Farbe  jeiies  Tones,  zu  dem  die  chromatische  Emiedri- 
ffuner  hinahlpitet.  Ein  und  derselbe  Ton  hat  also  ver.schiedene  Färbung, 
je  Da(  lidciii  iliii  der  Patient  als  chruraatiNche  Erhöhung  oder  ^irniedrigung 
des  n;i(  ll^t  Iiiederen  oder  höheren  Tones  hört  oder  zufolge  musikalischer 
Orthographie  ge!>chriebeü  liest. 


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Robert  Lich,  Uber  einen  interessanten  Spezialfall  von  »Audition  coloree«.  593 


Jt^t  oder  i7  bewirken  nur  eine  Steigerung  der  durch  %  oder  f  erzeugten 
Farben-Empfindung:  Der  Glanz  wird  noch  st&rker,  die  flchmutzig  rer- 
waschene  Trübung  noch  trüber,  und  zugleich  konunt,  wie  beim  einfachen 
%  oder  t^,  in  die  Farbe  des  Grundtones  eine  immer  mehr  zunehmende 
Nuance  der  Farbe  des  Nactibar-Tones,  an  den  eich  der  ursprüngliche 
Grundton  durch  f ,  llf,  1^  annfthert;  so  wird  ^  durch  zu  einem 
BlänlichgrUn,  durch  wird  die  schmutzige  Verwaschenheit  und  blaugraue 
Nuance  noch  stärker»  das  Bot  des  h  wird  durch  ^  milder,  trüber  und 
unreiner,  durch  ^  wird  es  noch  blässer  und  Terwaschener  und  nähert 
sich  dem  Inkarnat  des  a.  Umgekehrt:  Das  Blau  des  f  wird  durch  % 
glanzToIIer,  schillernder,  dunkler,  und  diese  schillernde  Nuance  verstärkt 
sich  durch  ^  zu  einem  direkt  grünlichen  Glänze.  Das  Fleischfarben 
des  a  erhält  durch  %  nicht  bloß  den  gewissen  metallischen,  goldigen  Glanz, 
sondern  auch  eine  dunklere  Nuance,  die  sich  dem  Bot  des  h  annähert 
Durch  iH^  wild  diese  Annäherung  in  der  Farben-Nuance  an  das  Kot  deo 
h  noch  stärker;  daß  alle  diese  chromatischen  Erhöhungen  oder  Emiedri* 
gnngen,  je  nachdem  sie  in  höheren  oder  tieferen  Lagen  liogen,  lichter 
oder  dunkler,  sonniger  oder  schattiger  erscheinen,  ergibt  sich  aus  dem 
hinsichtlich  der  Oktaven-Lage  bereits  oben  von  allen  Tönen  ohne  Au^ 
nähme  Gesagten. 

Aus  dem  bereits  früher  bemerkten  Verschiedenfarbigsehen  der  auf  dem 
temperierten  Klavier  identischen  Töne  je  nach  der  musikalischen  Ortho- 
graphie folgt  für  Patienten  eine  große  Unannehmlichkeit:  er  nimmt,  beim 
Anhören  dieser  Töne  auf  dem  KlaTier,  das  Gewaltsame  der  temperier- 
ten Stimmung  in  Form  unangenehmer  Farbeu-Empfindungen  wahr.  Denn 
einerseits,  (so  namentlich,  wenn  er  die  betreffende  musikalische  Stelle 
mitliest,  und  Jf  oder  ^  vor  seinem  Auge  stehen)  erzeugt  die  so  ver- 
mittelst des  absoluten  Tonbewußtseins  vor  ihn»  auftauchende  Ton-V^or- 
stellung  in  ihm  die  entsprechende  Farben-Vorstellung,  also,  je  nachdem 
/is  oder  ges  steht,  auch  verschiedene  Grundfarben;  andererseits  aber  löst 
der  auf  dem  Klarier  oder  im  Orchester  wirklich  gebrachte  Ton  der 
temperierten  Stimmung,  der  also  sowohl  vom  vorgest<  llten  jh  als  aut  Ii 
ges  der  natürlichen  Stimmung  verschieden  ist,  auch  eine  dei-  Empündung  die- 
ses wirklichen  Tons  entsprechende,  heterogene  Farben-Empfindung  aus.  Die 
Wirkung  ist  dann  ein  für  <len  Patienten  unangenehmes  Ineinandei-fließen 
beider  Farben*Fiecke,  deren  Farben  aber  sich  nicht  mit  einander  mischen 
iwie  man,  zufolge  einfachster,  psychologischer  Konstruktion  auf  Grund 
der  vorigen  Bemerkung  über  die  Annäherung  der  Farben-Nuancen  an  ditj 
Farben  der  nächsten,  nicht  alterierten  Töne  erwarten  sollte),  sondern  die 
vielmehr  gleichsam  zusamrnenrinnen  zu  einem  trüben,  schmutzigen,  ver- 
wunschenen Fleck.  Das  dem  al)soluten  Tonbewul'tsein  und  der  natürlichen 
Stinnnung  Nachgeben  seitens  der  Sänger  und  Instrumentalisten  mit  Durch- 

j*.  4. 1.  M.  IV.  39 


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594    Robert  Lach,  Über  einen  interessanten  SpesialfaU  von  »Auditiou  colorie«. 

hrechung  der  tompericilen  Stimmung  ;icli  meine  das  bekannt^',  un- 
willkürliche t^i  Ii*  licu  des  licittons,  sowie  die  auf  den  Saiten-ListrumciiUn 
unwillkürlich  und  deutlich  sioli  äuBemde  Vers<  hiedenheit  der  durch  die 
temperierte  Stimuiunt,'  ideuütizierten,  chiuiiiati-suhen  Alterationen)  er- 
zeugt hingegen  im  Patienten  immer  das  Ijustgefühl  der  Emptinduii;L: 
rtiner,  ungetrübter  Farben.  Daß  deingemiiß  auch  die  ^'eringste  Ver- 
schiedenheit der  Stimmung  zweier  oder  mehrerer  Instrumente,  zum  Bei- 
spiel zwischen  Klavier  und  Violine  oder  zwischen  Instrumenten  und 
Gesangj  dem  Patienten  die  oft  peinlichsten  Gefühle  der  Empfindungen 
Kchnmtzig  vei'waschener  Farben-Flecke  erzeugen,  braucht  nach  dem  eben 
Gresagten  wohl  nicht  erst  noch  ausgesprochen  zu  werden. 

Interessant  sind  auch  die  Farben- Vorstellungen,  die  durch  die  Kom- 
binationen der  einzelnen  Töne  sowohl  im  Nebeneinander  als  auch  im 
Nacheinander,  also  sowohl  in  der  Harmonie,  Intervall  und  Akkord,  ak 
auch  der  Melodie  ausgelöst  werden;  ebenso  wie  Inter^'alle,  Akkorde  und 
Melodien^  so  haben  auch  die  einzelnen  Tonarten  Terschiedene  Farben. 
Was  zunächst  die  Intervalle  anbelangt,  so  findet  ein  Yerscbmelzeii  und 
Ineinaaderfließen  der  Farben  der  beiden  TQne  insofern  statt,  als  meistens 
der  eine  oder  andere  Ton  des  Interralls  die  Grundfarbe  H^ert»  ^ilUirend 
der  zweite  Ton  entweder  nur  eine  stärkere  oder  schwächere  Nuancierung 
dieser  Qrondfarbe  bewirkt  oder  aber  mit  dieser  zu  einer  gemeinsamen 
Mischfarbe  verschmilzt,  zum  Beispiel: 


€  e 

weißlichgelb  mit  stink  ;{fU>er  Schutt ifiuiig. 

eg 

irrünlichweiß  mit  stark  urüruM-  Schalt ienitig. 

blftulichlila  mit  Inkaruat-Schattierung. 

fh 

▼iolett  mit  starkem  Yorben^chen  des  Blau. 

hj 

violett  mit  starker  Betonung  des  Rot. 

9  '* 

^rUnüchrot  mit  »tarkem  Vorherrschen  das  CIrlln. 

ii  »Iis 

Kot  mit  iiitt'iisiv  \vt  ißjjukligem  <ilaiiü. 

d  fh 

l>h'ii(J('ii(l\veiß  mit  »ilbern  glitzerndem,  piuchtvuUem  Uuiikelblau 

schattiert. 

n  vis 

weißlichrot  mit  goldenem  (ilaiiz. 

r  a 

weißlichgelb  mit  stark  nitlicher  Schattiemug. 

e  h 

weißüchgelb  mit  intensiver  l'urpunüchattierang. 

ffesb 

ficbmutsiges  GHlnlichrot,  »tark  verwaschen. 

fiiftciit  rötlichweiß  mit  intensivem  Ooldglans  und  flimmernden  Punkten 
ttbersSet. 

eift  ffis   weiJSlichgrün  mit  stark  grttugoldigeui  und  silbernem  Glanz  und 
prachtvollem  Goldgräu  schattiert. 

It  d       schmutzigrot  mit  blendendem  Weiß  schattiert  usw. 


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Robert  Lach,  Über  «inen  iiiterea«uit«D  Spesialfdl  von  >  Atiditaou  colorte«.  595 


£^  seilt  int  also  der  Grundton  die  Grundfarbe  absugeben,  die  der 
zweite  Ton  des  Intervalls  moditiziert,  und  mit  der  er  gleichzeitig  veiv 
schmilzt  zu  einer  neuen,  einer  Mischfarbe  (zum  Beispiel  rot  und  blau  zu 
Violett}.  Merkwürdiger\i'eise  ist  diese  Art  der  Vermischung  sehr  ver- 
schieden: h  und  f  verschmelzen  zwar  zu  Violett,  dagegen  e  und  also 
gelb  und  blau,  nicht,  wie  man  erwarten  sollte,  zu  grün,  ebenso  weni;;'  c 
und  A,  also  gelb  und  rf)t,  zu  Orange;  tielmehr  ist,  wie  aus  obi-xm  Bei- 
spielen ersichtlich,  die  gemein^^am»'  Farbe  meist  die  Gnindfarbe  des  einen 
oder  anderen  Tones,  und  die  färben  der  beiden  Töne  sind  innerhalb 
des  gemeinsamen  Kalmiens  dieses  Meckms  zwei  verschiedene,  lokale 
Xuanora,  scluUt Mude  Schattierungen.  Nur  dann,  wenn  die  Farbe  des 
Grundtonee  des  Intervalls  eine  so  ungesättigte,  blasse  ist,  daß  die  Farbe 
des  anderen  Tones  des  Intervalls  einen  bedeutend  höheren  Grad  der 
Sättigung,  eine  bedeutend  stärkere  Leuchtkiaft  besitzt,  nur  dann  tritt 
die  Farbe  dieses  Grundtones  derart  zurück,  daß  die  Farbe  des  anderen 
Tones  zur  gemeinsamen  Farbe  wird,  der  die  ungesättigt«  Farbe  des 
Grundtones  eine  blasse  Nuance  der  betreffenden  anderen  Farb<  verleiht. 

Analog  wie  bei  den  Intervallen  verlüUt  es  sich  auch  bei  den  Akkor- 
den: jeder  Akkord  erzeugt  den  Eindruck  eines  farbigen  Fleckes,  in  dem 
innerhalb  eines  gemeinsamen,  von  ein  und  derselben  Farbe  erfüllten 
Kahmens  die  Farben  der  betreffenden  Töne  des  Akkordes  erschillem,  — 
gleichsam  ein  farbiges  Meer,  das  stellenweise  in  anderen  Farben  erglüht, 
als  die  allgemeine  Grundfarbe  ist*).  Die  den  gemeinsamen  Rahmen  er- 
füllende Farbe  ist  meist  die  Farbe  eines  aus  dem  Akkord  besonders 
hervortretenden,  also  seines  wichtigsten,  für  ihn  besonders  charakteristi- 
schen Tones  oder  Klanges  iso  zum  Beispiel  namentlich  in  hamioni- 
srher  Hinsiebt  der  großen  oder  kleinen  Tera,  vermintlerter  oder  über- 
mäßiger Intervalle,  des  Tieittones  u.  s.  w.);  die  Farben  der  anderen  Töne 
sind  die  innerhalb  diesem  liahmeus  schillernden,  anderen  Nnnneen. 
Welcher  von  den  Tönen  des  Akkordes  diesem  dir  ( u  undfarbu  gibt,  ist 
merkwürdigenveise  nicht,  wie  man  aus  liarrnonisehen  (iriinden  eruarten 
sollte,  stets  der  Grundtou,  auch  nicht  die  Terz  oder  (^uint,  sondern  «lips 
ist  ganz  \  »'rs(  hieden.  scheinbar  willkürlich.  Ich  gebe  hier  eine  Zusam- 
mcustclluug  der  tonischen  Drciklänge: 

V-äm:  gelb-grfinlich. 

G-^noü:     dnsBelbe,  aber  das  Gelb  schmatsig  steingraa. 


1}  Idi  bnuiche  hier  wohl  nfeht  erat  zu  bemerken,  daß,  wenn  im  Vorhergehenden 
und  Folgenden  der  Auidmek  »Grundfiurbe«  des  öfteren  gebrauebt  wird,  dies  nie  im 

Sinne  der  psychologischen  Tenninoloo^ie  zu  verstehen  int  wie  man  zum  Beispiel  Ton 
Grund-  und  Mischfarlien,  Uaupi-  nnd  Nebenfarben  eprii^t,,  sondern  stets  im  Sinne: 
Farbe  des  CrruadtüM«!». 

3«* 


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59t)     Bobert  Lach,  Über  eiuen  inumMuieQ  äpeziaifiiU  von  »Audition  coloreec. 

CU-du) :  prachtvoll  gold-  und  8Üb«rglitzerud,  gräiigold  und  »Ubenreiß, 
mit  itark  blinliehem  Gluim. 

Ci»-math  dasi^elbe,  aber  ohne  bliiuHchen  (ilaos,  stark  gelb«  Niumce,  nicht 

so  InteTisivfT,  nipt;illischer  Schiiiniifr. 
I^ur:      prachtvoll  blau  und  wpiR  «rhimmfiml.   etwa  wie  im  dnrchfal- 

lendeu  Sonnenlicht  glitzernde,  von  Brillanten  eingefaßte  Saphire. 
I>-moU:    daaaelbe,  aber  ohne  das  pracbtTolle  Glitieni;  das  Blan  mild«', 

matter,  farblosen 

lyU-dttrl  eigentlich  die  Grundfarben  von  DhIuf,  aber  daa  Weiße  schillert 
stark  in-«  Orlbc,  da-;  Bl;uif>  ins  Or?jnlirii>-.  '1  t~  in  D-ilui  fant 
unmerklichf  Lila  oder  Iiikaniut  stark  ius  Kütlichc  hinüber; 
dabei  prachtvolles  Flimmern  in  Gold-  und  Silberglanz. 

Du^motl:  dasselbe  wie  bei  Dia-dar,  aber  ohne  den  grfinlichen  SchiUerf 
mebr  tiefblaue  Schattiening,  aucb  metallischer  Glans  nicht  so 
stark. 

K-dur:      prachtvolles  <Joldgrün.  mit  grünlichem  Glänze. 

E-moU:     dasselbe,  aber  ohne  den  Glanz:  das  Grün  nicht  s«>  edeUteinartijj 

funkelnd,  sondern  matter,  milder^  gleichsam  trockener. 
F'Hht:      schftn  hellblau,  mit  rOtlidaweifiem  Schimmer. 
F-moii:    dasselbe,  aber  gleichsam  schrnntaig  verwaschen,  rötliche  Knance 

beigemischt. 

Fin-dur'.  prachtmllo.-«  gold-  und  f^illuM  ;.'l;in/»'inlp-s  Tiot1>]nii.  {rlitzt'niil  uitd 
sciiiminernd  wie  Saphirglanz  im  durchtallendeu  laichte ;  zugleich 
leichte  rSttiche  Nuance. 

FiiMnM:  dasselbe,  aber  ohne  diesen  Glans;  milder,  matter. 

0-dur :     schönes,  saftiges  Grün  m i t  <^u\y/.  sdbwadier,  weifilicherSchattierung. 

O-^nwil:  ebenso,  jedoch  trübe,  gleichsam  Terwischt,  und  wie  mit  einem 
rötlichen  Srhmutzflock  pchfittiert. 

Gis-ilur:  prachtvolles  Goldgrüu.  nhw  ganz  anders  als  bei  E-dur,  gif  ich- 
sam rötlich-silbemer  Glanz  hineinspielend,  ungemein  stalle 
metallisdi  flimmernd. 

Ois-'moH:  ebenso,  aber  ohne  den  starken  Glans;  milder,  schwicber,  auch 
die  rote  Nuance  bedeutend  stärker. 

A-ilNi  '.      weilüich-rosa,  mit  starkem  Goldglauz  und  Gelb. 

A-wnil',     ohne  den  Goldglanz,  mehr  weißlich-gelbe  Nuance. 

Ai^-duri  dasselbe,  aber  stark  ins  Rötliche  und  Goldige  hinttbenchillemd: 
sehr  htarkcr,  metallisch  flimmernder  Glans,  mit  weißUcheD 
Scheine  ähnlich  Silberglanz  gemischt. 

.l/V-/rto//:  dasselbe,  ober  ohne  letztere. 

H-dur:      prachtvolles,  gold-  und  silberglänzendes  Purpurrot. 
ff-moll:    dasselbe,  aber  der  Silberglans  ist  verfifichtigt  zu  einem  hellen, 
weißlichen  Scheine. 

Die  mit  ^  vorgezeicbneten  Akkorde  verhalten  sich  analog.  Während 
also  beim  gleichzeitigen  Erklingen  von  Intervallen  oder  Akkorden 
die  "Farben  der  einzelnen  Tön«  mehr  oder  weniger  zu  Mischfarben  zu* 
aammenfließen  oder  die  gemeinsame  Grandfai*be  durch  Nuancen  beein* 
Aussen,  so  bat  Patient,  wenn  sie  arpeggiert  erklingen,  oder  wenn  er  sie 
sich  durch  Konzentrieren  dm-  Aufmerksamkeit  in  ihre  einzelnen  Töne 


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Robert  LmA»,  Über  an«»  interetianten  ^pezwlfall  tod  >Attdition  color^e«.  597 

zerlegt,  den  Eindruck  verschiedenfarbiger,  nebeneinander  stehender 
Mecken  oder  Streifen,  von  denen  aber  häufig  der  eine  oder  andere  ein 
stärkeres  Licht  ausstrahlt  als  die  übrigen,  so  daU  diese  von  dem  Scheine 
des  einen  gleichsam  überstrahlt  werden.  Dies  scheint,  wie  schon  oben 
bemerkt,  namentlich  dann  der  Fall  zu  sein,  wenn  die  eine  der  beiden 
Farben  licht  oder  wenig  gesättigt  ist,  also  zum  Beispiel  bei  C-/ltir  das 
c  (weißlich-gelb  ,  D-dur  das  d  kiv stallklar,  bläulich-weiii,  —  übrigens 
mit  starkem  Schimmer),  A-moU  das  a  (blaßrosa  oder  Heischfarben). 
Für  die  übrigen  Arten  der  Akkorde,  zum  Beispiel  der  Septimen,  Nonen- 
iL  s.  w.  -Akkorde,  weitere  Beispiele  zu  geben,  würde  hier  dtni  Rah- 
men dieser  kui'zen  Mitteilung  übersteigen  und  wohl  auch  nichts  Xrues 
und  Interessantes  liefern,  da  eben  immer  die  Farben  der  betreffenden 
Töne  innerhalb  oiiios,  von  der  Farbe  eines  Tones  des  Intervalles  oder 
Akkordes  gleichmäßig  wieachteten  oder  durchschimmerten  Baumes  er- 
^dühen,  ohne  daß  man  einen  inneren  Grund  für  das  bestimmende  Moment 
des  Vorberrschens  dieee»  einen  oder  anderen  'Poih  s  auffinden  könnte. 
Merkwürdig'  übrigens,  daß  das  eine  Mal  Grundton  und  Terz  die  Farbe  » 
verleihen,  das  andere  Mal  die  Quint  (man  vergh  ii  lu-  die  obige  Tabelle, 
zum  Beispiel  die  Farben  der  Akkorde  E-dur,  JI-(lni\  (J-dur^  A-dur,  wo 
bei  K-dur^  und  H-dtw  die  Quinte  verschwindet,  bei  G'dnr  und  A-dur 
bestimmend  mitwirkt).  Die  Terz  bestimmt  nur  insofern  die  vom  Grund- 
tone gelieferte  Farbe,  als  sie  dieser  helle  oder  trübe  Lichter  aufsetzt, 
Glanz  oder  Mattigkeit  verleiht,  je  nachdem  sie  eine  große  oder  kleine 
Terz  ist,  j|  oder  >  hat  (also  der  Akkord  ein  Dur-  oder  ^foll-Akkord  ist). 
Dur-Akkorde  e:eben  also,  wie  aus  obiger  Zusammenstellung  ersichtlich, 
helle,  glänzende,  bei  5  auch  glitzernde  und  flinimcnulc  Farbenflecke. 
Moll-Akkorde  dagegen  solche  ohne  (irlan/,  trül),  matt,  verwaschen,  oder 
wenigstens  mildei-,  hliisM-r  Übrigens  kommen  hier  zahlreiche  Wider- 
sprüche in  den  Kmplindungen  des  Patienten  vor,  in.sofern  bei  jedem 
Intervall  oder  Akkord  der  Kindruck  ein  anderer  i<t,  und  diese  verschie- 
denen Eindrücke  einander  häutig  widersprechen.  Kin  liestimintes  fJesetz 
in  dem  Verlaufe  dieser  Vorstellungen,  bezieliungswei.se  für  die  Beüiiiu  ni^:en, 
unter  denen  ein  Ton  diese  Herrschaft  tler  Farbengebung  erlangt,  konnte 
ich  trotz  jahrelanger  Experimente  absolut  nicht  entdecken. 

In  ähnhcher  Weise  wie  beim  gleichzeitigen  Erklingen  mehrerer 
Töne,  also  lieim  Miteinander,  der  Harmonie,  stellen  ^ieli  die  Farl>en- 
Enipimduugeii  auch  ein  beim  Xa<  li<  inander,  also  der  M  lodie  \Hai*monie 
im  altgriechischen  Sinne).  Merkwürdig  ist,  dalJ  sich  hierbei  die  Tonalität 
äußert  als  eine  gleichfsam  das  ganze  Vur^telhingsfeld  erfüllende  Farbe, 
innerhall»  welcher  (he  einzelnen  Töne  drr  Melodie  als  ebensovielo 
einzelne,  kleinere  Farbenfleekr  in  ununterbrochener  Linie  aufeinander 
folgen,  gleichkam  wie  verschiedenfarbige,  an  einer  Schnur  auf gt?f adelte 


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598    Robert  huch,  Über  eineo  interenaiiteo  jdpeinlfBll  von  »Audition  ooIonSe«. 

Glasporlen.  Eino  in  der  Tonart  F.-iuoH  sich  bewegende  Melodie  zum 
Beispiel  ei*soheint  als  fino  prleiclisam  an  einem  Faden  sich  hinbewegende 
Anzahl  verschieden«  r,  f;u])i^n'r  Flpckf\  die  in  einem  von  schwefelgelbem 
Jjichte  gleichmäßig'  *  rfiillten  Haumo  in  dem  Tempo  der  Melodie  vorbei- 
ziehen. Die  Tf»r!:irt  li-fhrr  erzeng-t  rlienso  die  Vorstellunfr  eines  von 
purpurrotem  Lichte  erfüllten  Vorstellunf.,'sfeldes,  in  dem  goldi^rer  Glanz 
sich  ausbreitet,  (l-dnr  eine  solche  von  sriftiffem  Grün,  Fh-^lur  die  eines 
solchen  mit  prachtvoll  tiefblauem,  silbcrschimmerndcm  Lichte.  Die  Farben 
der  Tonarten  sind  genau  dieselben  wie  die  der  betreffenden  Grimdtcin'». 
beziehungsweise  toni«5chen  Drciklänpe;  D-fhtr  zum  Bei«?piel  ist  ein  v(.n 
bläulich  kristÄllsclüninierndem  T/iclite  erfüllter  Raum,  in  dem  i,deichzeiti.ii 
ein  prachtvoll  tiefitlauer,  saj)liir^dan/:ihnlicher  Schimmer  erstrahlt,  tief- 
blaue, sillierglitzurnde  Flecke  leuchten  'etwa  gleich  dem  Eindrucke  einer 
von  glitzernden  Tropfsteinen  erfüllten  Grotte,  in  (ier  blaues  Licht  an?*^- 
zündet  wird,  während  gleichzeitig  die  Tropfsteine  mit  Tausenden  blitzen- 
der und  funkelnder  Kristalle  ein  abseits  angezündetes,  bläuliches  Mag- 
nesiura-Licht  zu rLirk werfen). 

Interessant  iüt,  daß  mit  dieser  das  Vorstellungsfeld  erfidlenden  Farbe 
der  Tonart  die  Farben  der  einzelnen  Töne  der  Melodie  nicht  verschmelzen, 
wie  dies  hei  den  Intervallen  und  Akkorden  der  Fall  ist,  sondern  sie 
heben  sich  so  scharf  und  deutlich  davon  ab,  wie  etwa  auf  einer  Bühne 
die  handelnden  Versoncn  im  Vordergrunde  vnu  der  Beleuchtung  des 
Hintergrundes.  Jedes  Musikstück  ist  so  für  den  Patienten  vom  ersteu 
Takte  an  in  ein  gleichmäßig  ruhiges  Licht  von  bestimmter  Farbe,  das 
der  betreffenden  Tonart,  gehüllt,  das  bei  Modulationen  in  andere  Ton- 
arten wechselt  mit  dem  liichte  dieser  neu  eintretenden  Farben.  Damus 
folgt  für  den  Patienten  als  Musiker  eine  große  Unbequemh«  hkcii ;  näm- 
lich bedeutcude  Schwierigkeiten  und  peinliche  Unlustgefühle,  die  ihm  alles 
Transponieren  verursacht,  ohne  Unterschied,  ob  er  selbst  transponiert 
oder  bloß  transponieren  hört.  Da  er  nämlich  einerseits  den  musikalischen 
Text  liest  und  zufolge  des  absoluten  Tonbewußtseins  mit  der  Vorstellung 
dieser  gelesenen  Töne  unwillkürlich  die  entsprechende  Farben- Vorstellung 
reproduziert,  andererseits  aber  die  durch  Transposition  auf  dem  Klavier 
oder  sonstigen  Instrumenten  oder  Gesang  wirklich  erkhngenden  Töne 
sofort  auch  wieder  die  ihnen  entsprechenden  Farben-Empfindungen  auslösen, 
die  natürlich  mit  denen  der  bloß  Torgestellten  (gelesenen)  Töne  der 
Originaltonart  absohit  nicht  fibereinstimmen,  und  so  glekduseitig  zwei 
verschiedene,  ganz  unzasammenhftngende  Reihen  von  Faiben-VorsteUongen 
in  seinem  YorBtellungs-Gksichtsfeld  zusammentreffen,  so  ist  fttr  ihn  auf 
optischem  Gebiete  die  Empfindung  dieselbe,  wie  sie  auf  akustischem  Gk* 
biete  ist,  wenn  zum  Beispiel  auf  verKchiedenen  Instrumenten  ein  und 
dasselbe  Stitck  in  verschiedenen  Tonarten  gleichzeitig  gespielt  würde: 


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Bübert  Lach,  Über  eiiion  luteresaanten  Spezialiaii  vou  »Audition  coloreet,  599 


beide  Farbeamhen  flieBen  zusammen  in  sdunntzife  Eleckse^  die  jeden 
Allgenblick  beim  Anscblagen  neuer  T9ne  zu  nenen  Klecksen  fortrinnen. 
—  In  ahnHcher  Weise  nie  dnzehie  kleinere  Stacke,  zom  Beispiel  Lieder, 
Klavierstücke  s.  w.,  sieht  Patient  ancb  Zusammensetzungen  Ton  Musik- 
Stücken  zu  gröBeren  Ganzen  als  ein  grofies,  farbig  beleuchtetes  Ganzes,  ' 
je  nach  der  Tonart  ihres  Anfanges,  Endes  oder  einer  ihm  besonders 
lieben  oder  wichtigen  Stelle :  Die  Bralims*sche  »Feldeinsamkeit«  zum  Bet- 
spiel als  wunderschönes,  müdes  Hellblau,  das  »Lohengrinc-Yorspiel  rosen- 
rot Ton  goldigem  Glanz  nmschimmert,  das  »Tristane-Vorspiel  als  glänzen- 
des Weifi  nüt  blauem  Schimmer  (wahrscheinlich  wegen  der  Tonart  D^moU 
mit  dem  f  als  zweite  Note),  das  »Gdtterdämmepmgc-Yorspiel  br&unlich 
gelb  mit  braunroten  Sprengelungen  (1.  Akkord:  Ea-moB^,  Schuberts 
H-moU-Symphonie  tiefpurpnr  u.  s.  w.  (Inwieweit  hier  Associationen,  sei 
es  mit  dem  Klang  der  Vokale  der  Namen  der  betralEenden  Werke,  zum 
Beispiel  Lahengrin,  Tristan  u.  s.  w.,  oder  der  Vorstellung  der  Btthnen- 
Bekuchtnng  oder  einzelner  Szenen  der  Opern  xl  s.  w.  mit  ins  Spiel 
kommen  dürften,  wird  noch  weiter  unten  zu  besprechen  sein).  Auch 
seine  eigenen  Kompositionen  sieht  Patient  stets  in  den  ganz  bestimmten 
Farben,  die  ihrer  Tonart  entsprechen,  und  beim  Komponieren  wird  ihm 
dureh  diese  Farben-Vorstellung  direkt  für  jede  Melodie,  jedes  Tonstück 
u.  s.  w.  die  Tonart  diktiert:  eine  Melodie  zum  Beispiel,  die  er  in  der 
Beleuchtung  »goldigglftnzendes  Purpur«  sieht,  kann  er  absolut  nicht  in 
einer  anderen  Tonart  als  H-dur  notieren;  Tersucht  er,  sich  gewaltsam 
dazu  zu  zwingen,  so  zerflieBt  ihm  die  Farben-  und  Ton  Vorstellung  in  ein 
schmutziges,  trübes,  verworrpn^s  Chaos,  und  es  packt  ihn  ein  derartiges 
Unlustgefühl  des  Unmutes  und  der  Abgespanntheit,  daß  von  einem  Weiter- 
arbeiten keine  Rede  mehr  sein  kann.  Dasselbe  tritt  auch  ein,  wenn  er 
Tonstücke,  die  er  in  ihren  Originaltonarten  kennt,  zu  hören  und  vorzu- 
stellen gewohnt  ist,  in  transponierten  Tonarten  hört.  —  Daß  ihm  auch 
sämtliche  Instrumente  und  Gesangsstimmen  —  abgesehen  von  d^n  m  ? 
schiedenen.  auch  sonst  häufig  lieobachteten  und  sogar  zum  Teil  in  die 
Sprache  übergegangenen  Kmpfindungs-Associationen  anderer  Sinnesgebiete 
(zum  Beis|)iel  weiche,  harte,  kalte,  warme,  stechende,  spitzige,  dicke,  dünne 
u.  s.  w.  Töne)  ,  sowohl  in  ihrem  allgemeinen  Charakter  als  auch  hin- 
sichtUch  der  verschiedenen  Partien  ihres  Klang-Unifanges  bestimmte 
Parben-Vorstelhingen  erwecken,  wird  nach  dem  bisher  Benchtetcn  nicht 
überraschen,  umsomehr,  als  dies  ja  ein  auch  sonst  sehr  häufig  beobach- 
tetes Phänomen  ist.  Ich  zahle  hier  einige  der  wichtigsten  mit  den  durch 
sie  erweckten  Farben  auf: 

Oboe:  hellgelb,  gegeu  oben  zu,  in  deu  höhercu  Lugeu,  inmier  heller  und 
lichter,  gegen  unten  2u  immer  dunkler,  briianlieher. 


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600     lioberi  Ladi,  Uber  einen  mter«aB«Qteii  Spexuü£ftU  von  »Auditiou  coloreec. 


Fagott:  gelbbraun,  gegen  oben  sn  immer  g«lb«r,  gegen  unten  sn  immer 
dunkler  braunrot,  in  den  tiefsten  Lagen  gans  dunkelrotbraun. 

Flöte:  (je  nach  der  Tuiiint,  7.um  Beispiel  Ftöte  in  D]  glashell,  durch- 
sichtig lut'tii,'.  mit  bhiuliclit'iii  Schimmer,  <'tw;i  wie  Eiskristnllt- :  L'*»i.'eii  oh'ni 
7.n  immer  lichttT.  heller,  feiner  gläsern,  gegen  unten  zu  immer  dicker,  gleich- 
sam Nvie  ttuLiige  Glasperlen. 

Klarinett:  übnlich  wie  die  tiefe  Flötenli^e  jedoch  kdmiger,  kompakter, 
etwa  wie  farbige  Glaskugeln  rot,  blau,  grün,  gelb  durchsichtig,  je  nach  den 
Trunspositions-Tonarten;  je  höhere  Lagen,  umso  lichter,  gläserner,  der  Flöte 
ähnlich,  je  tiefere  Lagen,  umso  dicker,  dunkler,  massiver,  wie  dickes,  far- 
biges Glas. 

Horn:  je  nach  der  Tonart  rot,  blau,  grün,  gelb  u.  s.  w.,  aber  immer 
schwellend,  weidi  wie  Peinohe  oder  Atlaa. 

Trompete:  je  nach  der  Tonart  weiU,  gelb,  weißgelb,  blau,  rot  u.  a.  w., 
stets  ;il)er  sehr  Lrläuzend,  luiii,  kalt,  trnckon,  wie  Stein;  gegen  oben  imme^ 
heller  und  gliinzünder,  gegen  unten  immer  dunkler. 

Posaune:  rotgold,  mit  starkem  Glänze,  gegen  oben  zu  immer  heller  und 
glänaender,  gegen  unten  an  immer  dunkler,  ins  Braunrotgoldige  Mhimmemd; 
sehr  hart  und  kalt,  starr  wie  Trompete. 

Triangel:  liebt,  bläulichweiß,  silberglänzend,  sum  Teil  gläsern. 

Pauken:  'je  nacli  der  Stimmung)  blan-,  braun-,  grQn-,  rotschwarSy  grau, 
immer  sehr  liuster,  dunkel  und  düster. 

Inwieweit  aach  hi«r  wieder  diese  VorsteUungeii  vielleicht  auf  im  An- 
schlusse  an  den  YokaUdang  der  Namen  dieser  Instrumente  (zum  Beispiel 
Obee,  Fagett,  Klarinet  u.  s.  w.)  erfolgende  oder  sonstwie  vor  sich  gehende 
Associationen  zutilckmfKhren  sein  mögen,  wird  ebenfalls  weiter  unten 
noch  zur  Sprache  kommen. 

Für  den.Patienten  sind  alle  diese  geschilderten  Farben-Empfindungen 
insofern  sehr  bedeutungsvoll,  als  sie  ihm  das  Partitor-Studium  und  In- 
«trumentieren  in  JUmlidier  Weise  bald  erschweren,  bald  eridcbteni,  wie 
das  Transponieren.^  Die  Stimme  jedes  Instrumentes  oder  jeder  Gesangs- 
4imme  (aber  dieeen  gegenttber  bt  die  Empfindung  bedeutend  schwä- 
cher und  schweigt  oft  fast  ganz)  der  Partitur  erscheint  als  ein  Strailen 
von  bestimmter  Parbe,  der,  je  nachdem  er  in  höheren  oder  tieleren 
Lagen  des  Stimmen-Umf anges  sich  erstreckt,  eine  lichtere  oder  dunklere 
Schattierung  aufweist  Die  ganze  Partiturseite  gewinnt  so  das  Aaseben 
einer  von  farbigen  Bändern,  die  bald  parallel,  bald  senkrecht,  bald  gegen, 
bald  auseuiaader,  kreox  und  quer,  zioksack  oder  in  Kurven,  symmetrisch 
oder  asymmetrisch  durch  einander  wogen,  durofaflochtenen,  in  allen  mög- 
lichen Farben  und  Parben-Nuancen  schillemden  Stickerai  oder  Glasmalerei ; 
umso  stärker  natürlich  ist  der  gleiche  Eindruck  beim  Anhören  des  wirk- 
lichen Klanges,  also  zum  Beispiel  bei  der  Aufführung  durch  das  Orche- 
ster, wo  Patient  den  polyphonen  Klang  des  Orchesters  als  ein  durchein- 
ander wogendes  und  wallendes,  in  den  prachtvollsten  Farben  und  Lichtem 
«erglühendes,  blitzendes,  funkelndes  und  schimmerndes  Farben-Meer  hört 


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Hobest  Lach,  Über  eineti  iatereaatt&ten  Speziftlfall  von  »Audition  coloree«.  301 

Zugleich  deuten  ihm  die  in  seiner  Vorstelluii;^'  aiiftrt  tcnden  Farben  das 
Auftreten  der  Instrumente  an:  i^länzendes  glitzerndes  Gelb  zum  Reispi»  ! 
mit  bräunlicher  Beimiscliunu  verrät  die  Oboe,  und  zwar  je  hf^ller  und 
«iänzender,  umso  höhere  laugen  der  Oboe,  je  dunkler  und  uielu-  ins 
Hraungelbe  spielend,  umso  tiefere  Lagen.  Analog  Englisch  Horn  dunkel 
braungelb,  dunkler  als  die  tiefste  Lage  der  Oboe;  je  tiefer,  umso  dunk- 
ler und  ins  Braunrote  si)i«'lL'nd,  je  höher,  umao  mehr  ins  Gelbe,  Helle 
»der  Farbe  der  Blüte  des  >Gt)idlack«,  oder  mancher  braungelbrot  lackier- 
ter Möbel  vergleiehbar).  Ahnlich  steht  es  ]iiit  den  bereits  oben  be- 
schriebenen Far]»eu-Lmpfiudungen  für  Flöte,  Kiarinett,  Horn  u.  s.  w.,  die 
alle  durch  ihre  Farben-Nuancen  die  höhere  oder  tiefere  Lage  des  In- 
strumentes anzeigen.  'Wie  weit  etwa  auch  hier  underscitige  Associationen 
mit^i)ieien,  wird  weiter  unten  noth  zur  Sprache  kommen  nmsseni. 

Die  nächste  Frage,  die  sich  hier  und  iiberliaupt  schon  von  allem  An- 
fang an)  aufdrängt,  int  nun  ilie:  Wo  sieht  Patient  alle  diese  Farben? 
Sieht  er  sie  nach  auüen,  auf  die  AuUenwelt  projiziert,  oder  in  sich  selbst? 
Wo  ist  der  Schauplatz  dieser  Flucht  von  Farben- \'orstelliing<'n?  — 
Leider  vermag  Patient  gerade  hier  trotz  aller  seiner  Bemühungen  keine 
wis.sen8chaftlich  befriedigende  Antwort  zu  geben ;  er  kann  es  selbst  nicht 
beschreiben.  Daß  dm  Farben  weder  (beim  Lesen  von  ^fusiki  an  dem 
Papier,  noch  (beim  Hrir  'n;  an  den  Listrumenten  oder  dem  Munde  des 
Sängerb  haft«  n,  dali  sie  dim  a\ich  nicht,  wie  manche  aiulere  Farbenhorende 
den  Eindruck  hatten,  als  farbige  Diinsti'  oder  Nebel  au><  dem  Instru- 
mente oder  dem  Munde  des  Sängers  aufzusteigen  scheinen,  versichert  er 
mit  alier  Bestunmtheit :  auch  empfindet  er  diese«?  Phänomen  am  deutlich- 
sten und  stärksten,  wenn  er,  wie  es  seine  Gewohnheit  ist,  Musik  mit 
geschlo88<.'nen  Augen  hört.  Mehr  aber  kann  er  leider  nicht  bestimmt 
angeben.  Seine  Kmptindung  ist  einfach  die.  als  im  Momente,  wo  er 
Musik  oder  Töne  hört,  vor  meinem  Auge.  aber,  wie  er  sehr  deutlich 
fühlt,  rein  innerlich)  "ichsam  ein  farbiger  Schleier  herniederrollte,  auf 
dem  faibige  Streifen,  Kugeln.  Flecken,  Lichter  u.  s.  w.  im  Tempo  der 
Musik  vorüberziehen,  etwa  wie  farbige  Dämpfe  und  verschiedenfarbig 
leuchtende  Feuerkugeln;  daß  diese  Phänomene  rein  innerhalb  seines  Ichs 
vor  sich  gehen,  dessen  ist  er  sich  während  der  Dauer  der  Erscheinung 
je(h'rzeit  vollkonuiien  klar,  —  nur  wohin  sie  zu  vcrli'gen  seien,  darüber 
konunt  er  nie  mit  .^ich  ins  Reine.  Bald  scheint  es  ihm,  als  em})tinde  er 
den  Vorgang  im  Grunde  des  Auges,  auf  der  Netzhaut,  bald  wieder 
vorne,  vor  der  Tanse  oder  dem  (jrlaskörper,  bald  vor  der  Hornhaut,  bald 
wieder  scheint  es  ihm,  als  ob  er  die  Farben  nicht  in,  .sondern  zwischen 
den  Augen,  über  der  Nasenwurzel,  unter  der  Mitte  der  Stirn,  sehe.  Es 
s^cheint  dim  dasselbe  Gesichtsfeld  zu  sein,  auf  dem  auch  die  gewissen, 
vom  Blutdruck  hervorgerufenen  Erscheinungen  winzig  kleiner,  blitzsclmell 


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602    Robert  Lach,  Über  einen  intereaMuiten  Speciatfall  vob  »Audition  colorfo€. 


vorübtTschieliencler  oder  krcisiMider,  roter  und  schwarzer  Punkte  sich  ab- 
spielen'). Worauf  er  in  dem  Bestreben,  die  Erscheinung  zu  bcscbn'iVx-n. 
immer  wieder  ziirih-kkommt,  ist  nur  dies:  den  Eindruck,  den  ihm  das 
Sehen  (h  r  Töne  als  Farben  macht,  könne  er  nichts  anderem  vergleichen 
als  dorn  Eindruck  eines  Kah^doskops,  wo  innerhalb  eines  von  einem 
farbi'jfn  Lichte  gleichmäßig  erhellten  Raumes  oder  Gesichtsfel(lf^>  die 
piarlitvollsten,  verschiedenartigsten  Farltenflecke,  Linien,  Streifen  u.  s.  w. 

den  verschiedensten  Figuren  zusammenflieUen  und  durcheinander 
wallen. 

Schließlich  ist  noch  zu  heuu  iken,  daß  Patient  zwar  beim  Vorstellen 
oder  Hören  von  Tönen  Farben-Empfindungen,  bt-ziehungsweise  -Vor- 
siellun^'L-n  hat,  iiiclit  aber  umgekehrt;  der  Anblick  von  Farben,  (Temäl- 
drn,  (Jrnamenten  u.  s.  w.  vermag  zwar  eine  allgemeine  Stimmmi;Lj  und 
künstlerische  Erregung  in  ihm  zm  erwecken,  aber  seine  Wirkung  geht 
nicht  soweit,  daß  befstinnnte  Farben  die  Vorstellungen  oder  Empfindungen 
der  im  Farlnnliören  assücierten  Töne  ausziüösen  verm(u  liten. 

Versuchen  wir  es  nun,  den  vorliegenden  Fall  vom  :dlgenieinen,  kriti- 
schen Standpunkte  aus  zu  betrachten.  Es  kann  hier  natürlich  nichi 
meine  Aufgabe  sein  (und  ich  fühle  mich  auch  gar  nicht  dazu  berufen  , 
innerhalb  des  engen  Rahmens  dieses  Berichtes  rine  Erklärung  des  vor- 
liegenden Phänomens  zu  versuchen;  sind  doch  schon  von  lienifener  Seite 
die  mannigfaltigstt'n,  diesbezüglichen  Versuche  unternommen  worden.  Ich 
möchte  mir  nur  erlauben,  auf  einige  Möglichkeiten  von  iOrklarungen  hin- 
zudeuten, für  die  mir  hier  einige  Anhaltspunkte  vorzuliegen  scheinen. 

Was  zunächst  die  Assoeiations-Theori«'  anbelangt,  möchte  ich  zimUchst 
zur  Unterstüuiiu^'  für  einen  i'Ii  kUu  uiiixs-Versueh  in  diesem  Sinne  auf  die 
Tatsache  aufmerksam  machen,  daü  Patient  in  ^deichen),  ja  vielleicht  noch 
in  stärkerem  Grade  als  auf  musikalische  Töne  auch  auf  den  Klang  der 
Sprache,  beziehungsweise  dei*en  Vokale  mit  Reproduktion  von  Farben- 
Empfindungen  oder  -Vorstellungen  reagiert,  derart,  daß  der  bloße  Klang 
der  Vokale  eines  Wortes  aus  den  betreffenden  Farben  bestehende,  leuch- 
tende Flecke  vor  seinem  Auge  erstehen  läßt  Die  durch  die  einzelnen 
Vokale  hervorgerufenen  Farben- Vorstellungen  sind  folgende: 

ai    leuchtend  helles  Weiß,  niildiig,  mit  gans  leichtem  Inkatnats-Auflug. 

<?:      helles,  glänzendes  (jrelh. 

i:     helles,  mildes,  sanftes  liichthluu. 

o:     dunkles  Rotbraun  (etwa  wie  Scbokuladej. 

«:    tiefes  Grün^  fast  sehwansgrün. 

1,  Ich  habe  hier,  irotz  der  unwissenschaftlichen  und  laienhaften  Aii?'!mrk*»wei?e, 
seine  Beschreibung  wiiillirh  wiedergegeben,  um  das»  Charakteristische  daran  nicht  zu 
verwischen. 


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Kobert  Lach,  L  ber  einea  interessanten  Öpeziallall  von  »Audition  cüloree«.  ÖU3 


//:    gelbgrau,  etwa  wie  die  Farbe  Tom  SonneDlieht  grell  beaehienener 
Felaen. 

o:    rotgelb,  mit  starkem  Porpurglans. 

ti:    aaftiges  Goldgrün. 

ai:   sehr  bia^ila,  Üemisch  von  milchig  aartem  Inkarnat  und  Himmel- 
blau. 

ti:     gelb,  mit  starkem  bluutiu  (ilanze.  das  'Janze  leicht  m'lbtrrönlich. 
oi:    violett,  je   imch  Betonung  des  o  oder  i  mehr  dem  Kot  oder  Biau 
aidi  nShemd. 

Mi:  biaugrOn,  je  naeh  Betonung  des  n  oder  i  mehr  dem  GrOn  oder  Blau 
Bich  nähernd. 

w.  graugrün,  je  nach  Betonung  des  a  oder  u  mehr  dem  Grau  oder  Orttn 

sich  nähernd. 
>iu:   Rchniutzi«,'  ^teinyraugeibliche.s  (irüu. 
ca:  gelbgrUu,  sehr  »uftig  und  frisch. 

Ob  nun  diese  seit  firOhester  Eindenseit  beim  Patienten  unveiandert 
fort  und  fort  auftretenden,  durch  Vokale  ausgelösten  Farben-YorsteUnngen 
nicht  selbst  wieder  auf  irgendwann  in  frühester  Jugend  zun  erstenmal 
aufgetretene  und  dann  fortwShiend  unveründert  wiederholte  Associationen 
mit  durch  Worte,  aus  denen  die  betreffenden  Vokale,  Umlaute  oder 
Diphthonge  besonders  stark  herrorUingen,  bezeichneten  Begriffen  für 
Gegenstände  von  der  betreffenden  IWbe,  deren  Vorstellung  jetzt  mit  dem 
Klange  des  betreffenden  Vokals  associiert  wird,  zurückgehen  mögen,  das 
hier  zu  untersuchen,  würde  den  Bahmen  dieses  Berichtes  sprengen.  Ich 
möchte  hier  nur  bemerken,  daß  es  bei  Tieren  der  Vokale  («agelb» 
f  himmelblau,  o  ss  rotbraun  oder  schokoladefarben,  tt,  s  grUn)  tat- 
sächlich ohneweiters  gelingt,  einen  solchen  Zusammenhang  aufzufinden, 
während  e^i  allerdings  schwerer  fallen  dürfte,  für  a  und  die  übrigen  Um- 
laute und  Diphthonge  ungezwungen  einen  solchen  zu  konstatieien 
[a  —  Papier?  Aber  die  betonte  Silbe  ist  i,  also  müBte  eher  der  Vokal 
I  <lie  Farben- Vorstellung  Wwfl  erzeugen!)  Die  Kolorierung  der  Diphthonge 
wid  Umlaute  könnte  man  dann  ja  als  eine  weiterhin  allmählich  erfolgende, 
ganz  unbewußt  vor  sich  gehende  Verarbeitung  des  durch  die  fünf  Grund- 
Tokale  g^ebenen  Farben-Materials  erklären.  Immerhin  läge  es  dann  nahe, 
anzunehmen,  daß  auch  die  Kolorierung  der  'l'öne  und  Tonarten  durch 
(unbewußte)  Association  der  mit  den  gleichnamigen  Sprachvokalen  asso- 
ciierten  Farben  erfolge,  also  beim  Tone  n  die  Farbe  des  Vokales 
beim  Tone  e  die  des  Vokales  e\  und  in  der  Tat  stimmt  ja  für  diese 
beiden  Fälle  die  Farbe  so  ziemlich.  Aber  woher  dann  die  Farben  für 
sämtliche  übrigen  Töne,  denen  keine  gleich  benannten  Vokale  korrespon- 
dieren?  Und  wie  den  Widei-spnich  (»rklären,  daß  selbst  bei  dem  ersten 
der  beiden  soeben  angeführten  Fälle,  hei  die  Farbe  des  Tones  a 
eine  andere  Nuance  ist  als  die  des  Vokals?  (nämlich  rötlich  weiß,  In- 


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604    Bobert  liacb,  Über  einen  mtenMMUten  SpenalfoU  von  •Andition  oolof^e«. 

kurnat.  iiiclit  liellweiß,  uülchijf,  wie  letztere?)  Also  eigentlich  nurfiirl'j 
Fülle  wäre  die  Erklärung  durcli  Absociation  mit  \'okalf:aben  anwendbar, 
nüüilich  auf  e  und  7Mm  Teil,  wenn  auch  nicht  befriedigend,  auf  a.  Alier 
abgesehen  hiervon  erhebt  sich  gegen  diesen  ErkUirungs-Verbiic}i  aucli  in 
psycholo^iselier  Hinsicht  ein  Widerspruch:  er  postuliert  näiidich ,  daß 
eine  Kniptin<]uiig's-Vorstellun£r  die  von^  Farben)  ausgelöst  werd«'  ilurch 
Association  vua  Üegriffen  ^näudjeh  der  durch  Worte  mit  gleichluuteudeu 
Vokalen  bezeichneten) ;  es  ist  dies  also  derselbe  Fehler,  an  dem  zum  Bei- 
^.piel  die  Erklkrunt,'  der  Konsonanz  und  Dissonanz  aus  den  betreffenden 
Intervallen  imnisinenten,  einfachen  ndci  kuuipiizierteren  mathematischen 
iSrhwin.irungs-)\'erhältnissen  krankt.  Immerhin  aber  map  es  unbenom- 
men l)leibi?n,  die  Franc  der  Möglichkeit  der  Erklänmg  durch  Association 
/u  ventilieren;  virileicht  mag  ebenso  bei  der  Kolorierung  des  KlaiiL,'- 
Charakters  der  insti'umente  eine  Association  mit  den  Sprachvokalen.  be- 
ziehuügsvveise  den  Farben  der  betreffenden  Begriffe,  stattnnd»  n  /um 
Beispiel  Oboo,  Vokale  o  und  r,  also  Farben :  rotl)raun  und  gelb,  was 
allerdings  nur  hinsichtlich  des  Gell>  -anz  für  die  Oi»oe-Klangfari)e  palit; 
ebenso  Fagott,  betonter  \  okal  o,  also  braumutj.  Die  verschiedenen 
dunklereu  und  helleren  Nuancen  der  Tiefe  oder  Hohe  der  Instrumental- 
higen,  zum  Beispiel  des  Bräunlichen  im  Klang  der  Oboe  m  ihrer  tiefen 
Lage,  kann  man  sich,  wenigstens  im  vorliegenden  Fall  unseres  Individu- 
ums, das  durch  und  durch  Musiker  ist,  leicht  dadurch  erklären,  daß  die 
Annäherung  des  Klanges  der  tiefen  oder  hohen  Lage  des  Instrumentes 
an  andere,  gerade  der  befcraffenden  Lage  klangverwandte  Instrumente, 
(2iim  Beispiel  der  tiefen  Oboe-Lage  an  EngUsoh  Horn,  des  tiefen  Eng- 
liachhoras  an  den  Fagott,  der  hohen  Elarinett*Lage  an  die  Flöte,  der 
tiefen  Fl@ten-Lage  an  das  Ekanett  xl  s.  w.)  auob  die  mit  diestti  asBo- 
ciierten  Faxfoen-Vorstellnngen  ansloeen  mag.  Abnlicherweise  wenigstens 
nicht  gana  unmöglich  mögen  Erkläranga-Yersudie  in  diesem  Sinne  gegen- 
über Kkunnett  (Vokale  o,  c,  /,  also  weiß,  gelb,  blau)  u.  a.  w.  sein;  ganz 
nnerldärlich  ab^,  wenn  nicht  Überhaupt  widerspruchsvoll  bliebe  hisfnaoh 
die  Kolorierung  des  Klanges  von  Flute,  Horn,  Posaune,  Trompete  u.  s.  w. 
(Wie  weit  nicht  auch  die  ein&che  gewöhnliche  AssodsAion  mit  den  Vor- 
stellungen der  Farben  und  des  Äußeren  der  Instrumente  die  mit  deren 
Klang  associerten  Farben-Vorstellungen  beeinflussen  oder  gar  henrormfen 
mag,  braucht  hier  nicht  weiter  ausgefOhrt  zn  werden). 

Ein  begleitendes  Phttnomen,  in  dem  man  beim  ersten,  fluchtigen  Er- 
wägen leicht  ein  willkommenes  Kontrol-Organ  für  die  soeben  geschilder- 
ten Phänomene  erblicken  könnte,  versagt  leider  bei  näherer  Untersuchnng 
vollständig:  ich  meine  das  gleichzeitig  mit  dem  Farbenhören  periodisch 
ab-  oder  zunehmende  absolute  Tonbewoßtsein.  Denn  offenbar  liegt  es 
nahe,  zu  kalkulieren:  die  sicherste  Probe  dafür,  ob  das  dem  Patienten 


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Robert  Lieh,  Über  etnmi  interesMiiten  flperialfiill  \w.  »Andition  coloree«.  606 


angeborene  Farbenhören  auf  in  die  fiüheste  Jugend  zurückgehenden,  rein 
zafiUligen  Aseociationen  beruht,  oder  ob  es  in  tieferen,  rem  iniKTÜchen 
Beziehungen  zu  dem  Klang  der  Töne  selbst  steht,  wird  offenbar  die 
sein,  ob  Patient,  auch  wenn  er  die  erklingenden  Töne  gar  nicht  ge- 
schrieben ror  sich  sieht,  also  ihre  absolute  Höhe  gar  nicht  kennte  dennoch 
diesol])en  Farben-YorBtellongen  hat,  wie  sie  sich  einstellen,  wenn  er  die 
betreffenden  Töne  schwarz  auf  weiü  geschrieben  vor  sich  sieht,  also  ihre  ab- 
solute Hohe  ki*nnt.  Trifft  dies  ein,  dann  lio 't  «loch  hierin  der  Beweis,  daü 
die  Farben- Vorstellung  mit  dem  absoluten  Klange  des  Tones  rein  innei  - 
lich,  und  nicht  bloß  mit  dessen  Abbild,  seiner  Vorstellung  in  der  Seele 
des  Patienten,  rein  äußerlich  diirdi  zufällige  Association  zusammenhängt. 
Und  in  der  Tat  habe  ich  bei  den  mannigfaltigsten,  jahrelangen 'Experi- 
menten mit  dem  Pationten  stets  enteren  Fall  bewährt  gefunden;  auch 
wenn  er  in  derartiger  Entfernung  und  Lage,  —  zum  Peispiel  in  einem 
anderen  Zinuner,  mit  dem  Instrument  zugekehrten  Rücken  u.  s.  w.,  — 
Tom  Instrument  abseits  stand,  daU  er  durchaus  nicht  auf  diesem  die  ab- 
solute Höhe  des  angeschlagenen  T  n  >  hätte  ablesen  und  erst  danach 
durch  Association  die  betreffenden  Farben-Vorstellungen  reproduzieren 
können,  —  immer  stimmte  die  ton  ihm  als  bei  dem  betreffenden,  er- 
küngenden  Tone  empfunden  angegebene  Farbe  genau  mit  der  laut  obiger 
Darstellung  tabellarisch  jedem  Ton  zukommenden  Farben-Nuance.  Ja 
selbst  daim,  wenn  man,  um  Patienten  irrezuführen  und  gerade  da- 
durch zu  priifen,  das  Klavier  oder  betreffende  Instrument  um  '/i  oder 
ganze  Töne  hinauf-  oder  hinunterstimmte  und  ihn  selbst  dann  auf  dem 
Instrument  Töne  anschlagen  und  die  von  ihm  empfundene  Farbe  angeben 
hieß,  so  daU  also  das  scheinbare  C  der  Klaviatur  in  Wirklichkeit 
ein  absolutes  Ct«,  Z),  //  oder  B  war,  so  war  er  zwar  darüber  sehr 
frappiert,  daß  sein  Ohr  plötzlieh  wie  er  meinte,  die  Töne  verwechsle  und 
er  bei  einem  C  die  Farbe  des  O^v  oder  D  oder  H  oder  B  sehe,  aber 
er  hatte,  —  ganz  korrekt  im  Sinn'  h  r  obigen  auf  Gi  ui  1  /  iblreicher 
Experhnente  mit  ihm  mf gestellten  Tabellen — ,  die  dem  absoluten  Ton 
ent<?prechenden  Farben-Empfindungen.  Aber  gerade  hier  kommt  dem 
Prüfenden  eben  des  Patienten  absolutes  Gehör  bindernd  dazwischen; 
denn  gerade  das,  was  beweisend  sein  soll,  daß  nämlich  Ton-  und  Farben- 
Kniptindung  beide  ganz  gleichzeitig  und  von  einander  unabhängig  primär 
auftreten  sollen,  wird  durch  das  absolute  Gehör  des  Patienten  sofort 
wieder  illusorisch:  vermöge  seines  absoluten  Gehörs  hört  er  eben  die  auf 
dem  absiclitlieh  falsch  gestimmten  Instrumente  höher  oder  niedriger  er- 
scheinenden Töne  in  ihrer  wirklichen,  absoluten  Lage  (er  hört  das  schein- 
bwe  C  als  wirklidi»  ;tl)s()lutes  D  ,  stellt  ^ir  ^ich  als  solche  vor.  und 
wenn  nun  die  Farben-Vorstellung  wirklich  dmdi  Association,  also  sekun- 
där, erfolgt,  was  ja  eben  der  Gegenstand  der  Untersuchung  ist,  so  knUpft 


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^OQ     Kobert  Loch,  L  bei*  eineu  iuteredsanien  SpczialiaJi  von  »Audition  colorve«. 


sif  sich  dann  an  den  vorgestellten  absoluten  Ton  an.    Das  Experiment 
'  beweist  also  nicht  das,  was  es  soll;  es  wird  durch  das  absolute  Gehör 
des  Patienten  paralysiert 

An  zwei  weitere  Erklarungs-Theorien,  —  in  denen  übrigens,  wie  in 
allen  derartigen  Fragen,  das  letzte  entscheidende  Wort  einerseits  der 
Psycholog,  andererseits  der  Physiolog  hat,  und  die  ohne  deren  entschei- 
dendes Votum  einfach  wertlose  Spielereien  bleiben,  —  möchte  ich  nur 
noch  mit  wenigen  Worten  erinneiii:  die  eine  betrifft  die  eventuelle  Mög- 
lichkeit eines  Falles  von  Sinnesvikariat^  und  tlie  andere  die  rein  physio- 
logische Frage,  ob  das  in  Rede  stehende  Phänomen  nicht  etwa  möglicher^ 
weise  durch  ein  Uberspringen,  gleichsam  eine  Transposition  akustischCT 
Reize  von  den  ^Nervenbahnen  des  Gehörsinnes  auf  eventuelle  angreuzemle, 
benaclibarte  Nervenbahnen  des  Gesichtssinnes  erklärt  werden  könnte. 
Eine  Appellation  an  ei*stere  Theorie  erschiene  mir  im  vorliegenden  Falle 
begreiflich  oder  wenigstens  entschuldbar  angesichts  des  Umstandes,  daß 
Patient  für  Malerei  und  Farben  sonst  auch  nicht  die  leiseste  Empfäng- 
lichkeit oder  Bedürfnis  darnach  zeigt.  Der  einzige  Fall,  wo  überhaupt 
Farben  für  ihn  existieren,  ist  eben  der  der  Vermitteluug  duich  Tönt', 
sodaB  man  also  in  dem  vorliegenden  Beispiel  der  audition  color^  einen 
Akt  des  Ersatzleistens,  des  EntschUdigungdarbietens  erblicken  könnte, 
<lcn  die  Natur  vornimmt,  um  wenigstens  ein  gewisses  Minimum  von  Gleich*  , 
gewicht  in  den  Anlagen  herzustellen.  —  Im  anderen  Falle  hätten  wir  I 
eigentlich  nichts  anderes  als  einen  Spezialfall  des  Weber'schen  Gesetzes 
der  spezifischen  Sinnes-Energie  vor  uns:  ein  akustischer  Reiz,  das  heißt 
ein  Reiz,  der  unter  noraialen  Umständen  und  bei  nonnalen  Menschen 
nur  die  akustischen  Nervenbahnen  in  Erregungszustand  versetzt,  löst  im 
vorliegenden  Fall  beim  Patienten  aus  irgentlwelchen  Gründen,  die  zu 
erforschen  eben  Sache  des  Physiologen  wäre,  eine  Reaktion  auch  der 
optischen  Nervenbahnen  aus.  Ob  und  inwieweit  dies  möglich  ist,  ob 
vielleicht  infolge  einer  sei  es  ganz  normal  bei  allen  Menschen,  sei  es  nur 
beim  Patienten  und  anderen  farbenhörenden  Individuen,  also  patholo- 
giscli,  vorkommenden,  engen  Nachbarschaft  oder  vielleicht  gar  direkten 
Verbindung  beider  heterogener  Nervenbahnen  eine  solche  Reiz-Übertragung 
stattfindet,  so  daß  also  in  diesem  Falle  einfach  eine  Fortpflanzung  des  ur- 
sprünglich bloß  auf  den  akustischen  Nervenbahnen  ausgelösten  Erregimg*- 
Zustandes  auf  die  optischen,  also  ein  Uberspnngen  der  Reaktion  von 
den  einen  auf  die  anderen  vorläge,  —  etwa  wie  ein  elektrischer  Funke, 
infolge  ;^'roßcr  Nachbarschaft  oder  gar  direkter  Verbindung  von  einem 
Leitungsdralit  zu  einem  andern  überspringt  und  so  sekuiuliii-  sich  neue, 
für  ihn  ursprüngHch  gar  nicht  bestimmte  liiUaicn  bchaÜt,  —  das  alle» 
sind  Fragen,  in  denen  das  letzte,  erlösende  Wort  zu  sprechen  einzig  uud 
allein  der  Physiologe,  und  auch  niu'  dieser,  berufen  ist.  Jedenfalls  müüte 

i 

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Robert  liwb,  Über  einen  interenantoi  Spesialfell  von  »Andition  color^t.  607 


man,  wie  mir  scheint,  erst  die  l'nraöglichkeit  aller  dieser  Erklürungs- 
versuche  unwiderleglich  dargetan  haben,  ehe  man  berechtigt  wäre,  auf 
(l**n  Beistand  des  Naturforschers  zu  vei*zichten  und  sich  der  mystischen 
Theorie  einer  als  im  letzten  Grunde  unausweichlichen,  metaphysischen 
Identität  von  Farben-  und  Tonschwingungen,  deren  Symptome  eben  das 
kolorierte  Hören  sein  soll,  in  die  Arme  zu  werfen,  einer  Theorie,  die 
allerdings  infolge  ihrer  romantischen  Mystik  auf  naiv  spekulative  Ge- 
müter einen  gewissen  Reiz  ausüben  mag,  die  aber  nie  mehr  AVert  als 
den  einer  bloßen,  metaphysischen  Spielerei  und  müßigen  Konstruktion 
haben  kann,  solange  es  —  Gott  Lob  und  Dank!  —  noch  Physiologen 
und  Naturwissenschaft  gibt  und  geben  wird. 


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608 


Robert  .Lach^  VolksIiMler  in  Lowingrande. 


Voikälieder  in  LussiDgrande 

von 

Robert  Lach. 

(LuMingrande.; 


Für  den  Musik-Historiker,  der  auf  Lussin  die  einheimiscben  Volks- 
lieder kennen  lernen  und  sammeln  will,  kommen  Gefahren  und  Sch\nerig- 
keiten  in  Betracht,  die  ihm  die  äußerste  Vorsicht  und  Zurückhaltung 
zur  Pflicht  machen,  wenn  er  nicht  wertlosen  Kram  als  Ausbeute  nach 
Hause  bringen  will.  Was  er  nämlich  von  vornherein  in  Betracht  ziehen 
Tiiiin.  sind  die  aus  dor  i^eoirraphiscben  Lage  der  Insel  resultierenden, 
eigeiitiiinlichen,  ethnographisclicu  Verhältni'^se.  Mitten  im  Quamero, 
zwischen  Italien  und  Istrien  einerseits,  Dahnaticn  und  Kroatien  anderer- 
seits gelegen  und  dem  Verkehr  mit  allen  diesen  Ländern  in  fj^leicher 
Weise  geöffnet,  bietet  es  liinsichtlich  seiner  Bevülkerunfr  ein  seltsam  ge- 
mischtes Bild:  während  Lussinpiccolo  /.um  j^rößten  Teil  italienisch  ist  un<l 
Lussingrande,  Neresina,  Ossero  u.  s.  w.  uralte,  venezianische  Stadt-Anlaj^on 
sind,  welche  von  dieser  alten,  venezianischen  Kultur  noch  mannigfaelie 
Uberreste  bewahren,  sind  andererseits  die  Campagua  und  das  Herz  der 
Insel  durchwegs  von  Kroaten  Itewolmt.  Tin  allgemeinen  k;niTi  nu\n  für 
die  Bevölkening^  JjUi^sins  die  Formel  aufstellen:  Die  besseren  8tände  un«l 
die  pescatüi  i  sind  durchwegs  mir  itnlienischer,  die  cnmjmgymoli  nur  kroa- 
tischer Nation.  Dies  spiegelt  sieh  denn  auch  getreulieh  in  der  Volks- 
"Musik  iler  Tnsol  wieder:  die  pe^caimi  sin^'^en  italienisch'",  die  campaff fiuoh' 
kruati  (  Ii  ?  Volkslieder.  Die  innige  (Tcistes-  und  Bluts -Verwandtsc liaft 
mit  itaÜGu  wird  übri^^ens  umso  stärker  immer  wieder  von  neuem  aufge- 
frischt, als  zufolge  eines  Vertrages  zu  isehen  f)sterreich  und  Italien  nach 
dem  Abschluß  tles  letzten  italienisch-i.sterreichiselK'n  Krieges  [186(i  Ix-i 
der  Abtretung  Venedigs  den  FislIm  in  von  Chioggia  bei  Venedig  für  ila-, 
noch  aus  den  Zeiten  der  veneziaui-i  hen  Bepnl)lik  herrührende  liecht 
der  freien  Fischerei  in  dem  Binnenmeere  bei  Lussin  (Jewälir  geleistet 
wurde,  so  daß  demgomUR  der  ganze  Porto  Lussingrandes  von  chioggio- 
tischen  Fischerbarken  gefidlt  ist,  die  an  der  Küste  Lussins  Fischfang 
betreiben  und  aus  ihrer  Heimat,  (  hioggia,  Venedig  und  überhaupt  Italien 
sowohl  die  älteren,  als  auch  die  neuesten  chiog<^rii)tis(hen,  venezianischen, 
neapolitanischen  etc.  Vi'lk>lieder  und  Gasst  idiauer  nach  Lusmii  ver- 
pflanzen, wo  sie  von  der  italienisrhen  Bevölkerung  mit  Begeisterung  ge- 
sungen und  weiter  überliefert  \\ erden.  Wer  also  ihn  einheimischen 
V'ulksgesang  Lussins  kennen  lernen  will,  muß  die  ganze  Giiippe  bloli 


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Robert  Loch»  Volkslieder  in  LassingFande. 


609 


iiiipoitititor,  italienischer  Volk'^lieder  aussclicidf  ii  und  sich  an  die  von 
der  kroatischen  Bevölkerung  ;(i  sim{?enen,  alten  kroatischen  Volkslieder 
halteil,  in  tlenen  allein  die  Früchte  autochthonen  lussigfnesischen  Volks- 
gesanges  zu  erblicken  sind. 

Kein  nur,  um  <las  weiter  unten  auszuführende  Bild  nach  allen  Seiten 
abzurunden  und  zu  vervollständigen,  gebe  ich  (in  Beilage  A)  auch  einige 
Proben  istrianischer  und  italienischer,  also  aus  Pola,  Fiume,  Triest,  Venedig, 
C'hioggia  etc.  importierter,  auf  Lussin  gesungener  Volkslieder.  Nr.  1  ist 
ein  aus  Pola  herrülirender  (Gassenhauer,  der  von  den  Kekruten  Lussins 
gesungen  wird»  wenn  sie  von  der  Stellung  in  Pola  zurückkehren.  Nr.  2  bis 
11,  ferner  Nr.  14  und  18  bia  20  sind  venduedene,  teils  triesUnische,  teils 
venenanfachei  neapolitanische  n.  dergl.  italienische  Volksweisen.  Nr.  12 
und  13  sind  sehr  beliehte  Lieder  der  Ghioggioten,  jeder  peseaion  singt 
sie  laut  in  seiner  Barke  im  Porto  von  Lussingrande.  Nr.  15  und  17 
sind  bekannte^  venezianische  Gondellieder,  von  denen  namentlich  Nr.  17 
uralt  sein  soll.  Nr.  16  endlich  ist  ein  ebenfalls  alter,  neapolitanischer, 
graziöser  Volksscheiz.  Daß  auch  die  unentbehrlichen  Gassenhauer  »Che 
&di{fo*,  das  •Fimieidi  fwueula*  und  die  »Santa  Lucia»  nicht  fehlen, 
ebenso  wie  der  ungemein  beliebte,  italienische  Sozialisten-Hymnus,  ist 
selbstTerständlich.  Für  den  Musik-Histonker,  der  die  einheimische, 
autochthone  Volksmusik  Lnssins  kennen  lernen  will,  sind  aber,  wie 
gesagt,  diese  italienischen  Volkslieder  völlig  wertlos,  und  wir  wenden  uns 
daher  besser  der  zweiten  Gruppe  von  Volksliedern  zu,  den  kroatischen. 

Was  diese  uralten,  bis  in  die  ältesten  Zeiten  des  Slaventums,  in  die 
slavische  Heldenzeit  (deren  Andenken  viele  dieser  Gesänge  forterhalten, 
insofern  ihr  Text  die  Kämpfe  und  Heldentaten  der  alten  slavisohen 
Helden  im  Kampfe  gegen  Venetianer,  Mongolen,  Türken  etc.  besingt) 
zurückreichenden  Gretönge  charakterisiert,  das  ist  die  als  ein  Symptom 
hohen  Alters  bedeutsame  Monotonie  und  Tonarmut,  sowie  die  ganz 
engen  Intervallschritte  dieser  Gksftnge.  Stundenlang  näselt  der  com-' 
pagmiolo  in  der  Chieria  hunderte  von  Malen  stets  immer  wiederholt  die- 
selbe monotone  Lied-Strophe,  ganze  Nächte  hindurch  (wie  ich  selbst  zu 
beobachten  Gelegenheit  hatte),  und 'die  andern  näseln  dieselbe  Melodie 
unisono  mit,  höchstens  daß  ein  zweiter  sie  in  der  Ober-Terz  begleitet, 
oder  ein  dritter  gar  die  Unter-Terz  (also  die  Unter-Quinte  der  obersten 
Stimme)  Übemimmii)  Ich  gebe  in  fieilage  B,  Nr.  1  bis  8  ver- 
schiedene solcher  G^esänge,  die  stets  aus  ganz  kurzen,  oft  nur  einen 
oder  zwei  Takte  umfassenden  Melodien  bestehen  und  (namentlich  2 
und  3)  durch  die  typischen  Symptome  höchsten,  uiältesten  Archais- 


1)  Vergleiche  fieilage  B.  Nr.  la.  b,  e,  wo  eine  der  beliebtesten  dieser  Melodien 
notiert  ift. 

8.  d.  1.  M.  IV.  40 


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610 


Robert  LMb,  Volkslieder  in  Lttsnngrude. 


mus  gekennzeichnet  siml.  Besondere  interessant  ist  die  Melodie  des 
unter  Nr.  3  a  und  1»  notierten,  uralten  Pfingstl iedes:  am  Abend  der 
Pfinpstfeiertage  und  am  Tage  dt  r  heiligen  Anna  werden  in  der  Cam- 
pmjiifi  oder  auf  Plätzen  vnr  (hn  Häusern  Feuer  angezündet,  und 
die  Burschen  springen  über  luinveg.  indem  sie  dabei  die  hier 

notierte  Melodie  ^on  der  ich  zwei  V  ersionen  hörte,  die  ich  daher  beide 
luitteih';  näseln.  Bezüglich  des  Worthintes  des  Textes  ])itte  ich  um  Ent- 
schuldigung, falls  selber  schlecht  und  imiielitig  ge-itlirieben  sein  s<.>iiiH; 
da  ich  seihst  nicht  Kroatisch  verstehe,  umi  keiner  der  Natur-Sänger  aus 
dem  \  ulke,  die  mir  die  MehuHen  \ursangeu,  schreiben  konnte,  muUte 
ich  sie  rein  nach  dem  Klange  niederschreiben. 

Wer  bich  um  die  Erhaltung  dieser  uralten  Gesänge  hocliverdient  ge- 
macht hat,  ist  die  Kirche.  Wie  bei  uns  Deutschen  im  Mittelalter  Avelt- 
liehe  Volkslieder  durch  geistliche  Parodierung  in  den  Besitz  der  Kirche 
übergingen,  so  ging  und  geht  auch  noch  heute  hier  im  Süden  die  Kirclie 
gegenüber  den  slavischen  Gesängen  vor:  sie  legt  der  Melodie  geistliclie 
Texte  (entweder  in  slavi.scher  oder  in  lateinischer  kSpiache;  unter,  nimmt 
eventuell  das  Tempo  noch  langsamer  und  tr  uiiLjer,  als  es  ohnehin  schon 
ist,  —  und  (las  slavische  Volkslied  ist  zum  Ivirchenlied  geworden.  Da 
hier  überdies  der  kroatischen  Sprache  infolge  der  Indulgenz  des  selbst 
durchaus  kroatischen  Episkopates  auf  Vegliu/  ein  bedeutend  weiterer 
Spielraum  in  der  Liturgie  und  der  gottesdienstliclien  Musik  gegönnt  ist, 
als  bei  uns  der  deutschen,  so  mögen  auch  schon  von  Anfang  an  eine 
ganze  Anzahl  von  Gesängen  direkt  in  kroatischer  Sprache  für  die  Kirche 
erfunden  worden  sein,  so  daß  eine  geistliche  Parodierung  bei  ihnen  nicht 
einmal  stattgefunden  zu  haben  braucht  Der  ganze  Schatz  der  auf 
Luuin  in  der  Kirche  noch  heute  gesungenen,  kroatischen  Kirchenlieder 
gliedert  sich  also  in  drei  Gruppen: 

1.  Uraprfingliche,  schon  von  Anfang  an  für  die  Kirche  hestimmte  und 
erfundene^  geistliche,  kroatlsdie  Volkslieder. 

2.  Ursprünglich  weltliche,  und  erst  durch  geistliche  Parodie  fUr  die 
Kirche  gewonnene,  kroatische  Yolkslieder. 

3.  Weltliche  Weisen,  die  von  der  Kirche  einfach  herübergenommen 
wurden  und  jetzt  noch  bei  gewissen,  verschiedenartigen  xVnlä.ssen, 
ITesten,  Prozessionen,  in  Messen  etc.  gespielt  werden. 

Zvnschen  der  ersten  und  zweiten  Gruppe  wird  sich  eine  Sonderong 
der  ursprünglich  getrennten  Gruppen  wohl  kaum  mehr  herstellen  oder 
wenigstens  nicht  mit  Sicherheit  durchföhxen  lassen.  Zu  der  zweiten 
gehört  namentlich  eine  geringe  Anzahl  uralter,  kroatischer  Melodien, 
denen  yom  Klerus  kroatische  Obersetzungen  lateinischer  lituigisdier 


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Bobert  Lach,  Volkslieder  in  LuMingnnde. 


611 


Gesänge,  wie  zum  Beispiel  des  Dies  irae,  untt  ilegt  wurden  i  .  Als 
einen  Anhang  wird  man  dieser  Cirru|)pe  wohl  auch  jent'  (jt  siänge  bei- 
schließen dürfen,  deren  Melodie  ursprünglich  dem  gregonanisclien  Gresang 
aiigeliört»'.  die  aber  im  Laufe  der  Jahrhunderte  unter  dem  P'iiiriuß  des 
kroatischen  Volksliedes  und  infolge  stellenweiser  Einschaltung  beliebter 
Phrasen  desselben  derartig  umgestaltet  wurden,  daß  sie  in  ihrer  jetzigen 
Form  nicht  mehr  als  Produkte  des  gregorianischen  Gesanges  gelten 
können,  sondern  vielmehr  als  solche  des  kroatischen  Volksliedes  be- 
trachtet werden  müssen.  Die  unter  Nr.  8  und  9  in  Beilage  C  ver- 
öfEentUchten  Gesänge  mögen  ein  Bild  hiervon  geben;  eine  Vergleichung 
mit  den  betreffenden  Weisen  des  authentischen,  gregorianischen  Gesanges, 
wie  sie  in  jeder  offiziösen  Ausgabe  der  gregorianischen  Gesänge,  zum 
Beispiel  den  Begensburger  Ausgaben,  enthalten  sind,  aeigt  den  tief- 
greifenden üntencbied  dieser  Umarbeitung  darch  den  Einflufi  des  kroa- 
tischen YoIksUedes. 

Durch  die  Lfebenswürdigkeit  des  maestro  di  coro  von  Lussingrande 
wurde  es  mir  ermöglicht,  mir  eine  Abschrift  sämtlicher  in  Lusaingrande 
beim  Gottesdienst,  Prozessionen  etc.  gesungenen  alten,  slavischen  Lieder 
nach  einer  im  Besitze  des  Pfarramtes  befindlichen  Niederschrift  zu 
machen.  Alle  diese  Gesänge,  die  in  Beilage  G  Nr.  1  bis  12  zusammen- 
gestellt sind,  tragen  alle  typischen  Merkmale  höchsten  Alters  an  sich: 
große  Monotonie,  fortwährend  um  einen  Ton  sich  henimwindende  (peri- 
helettschej  Phrasen,  sehr  geringen  Tonumfang  (drei,  vier  Töne),  ganz 
kleine,  enge  Ihtervallenschritte  (höchstens  Terz,  ausnahmsweise  Quarte 
meist  nur  schrittweise  um  einen,  um  V/^  oder  2  Töne)  etc.  Nach  allen 
diesen  Kennzeichen  zu  schließen,  halte  ich  es  nicht  fflr  übertrieben,  wenn 
ich  glaube,  daß  man  diese  Gesänge  (mit  Ausnahme  des  Chorals  Nr.  10) 
wenigstens  in  ihrer  Urform  bis  ins  frühe  Mittelalter,  etwa  das  achte  oder 
neunte  Jahrhundert,  zurttckdatieren  darf. 

Im  Einzelnen  wäre  von  ihnen  noch  zu  bemerken: 

Nr.  1  ist  ein  am  Allerheiligen-Tage  gesungenes  Kirchenlied,  Nr.  2a 
ein  solches  fttr  das  Fest  des  heiligen  Antonius  von  Padua;  2b  wird 
an  jedem  ersten  Freitag  jedes  Monates  gesungen,  außerdem  am  Herz- 
Jesu -Feste.  Nr.  3  wird  während  des  ganzen  Monates  Oktober  mit 
sieben  verschiedenen  Strophen  vorgetragen.  Nr.  4  ist  ein  ungemein  be- 
liebtes, auch  häufig  außerhalb  der  Kirche  gesungenes,  uraltes,  kroatisches 
Volkslied,  das  in  der  Kirche  am  Feste  Mariä  Himmelbhrt  gesungen 
wird;  Nr.  9  ein  solches  vom  Festtage  des  heiligen  Josef.  Wahrschmüch 
liegt  auch  diesem  Volkslied  ursprünglich  eine  Melodie  des  gregorianischen 
Ckmius  firmus  zugrunde,  die  im  Laufe  der  Jahrhunderte  durch  den  Ein- 


1;  Vergtoicbe  BeiUge  G,  Nr.  7. 

40* 

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612 


Bobert  Lech,  Volkilieder  in  Lutnngnmde. 


flufi  des  kroatischen  Volksliedes  total  umgeändert  wurde.  Xr.  6  wird 
an  allen  gewöhnlichen  Sonntagen  in  der  Messe  vorgetragen.  Kr.  7  ist 
ein  uraltes,  kroatisches  Volkslied,  das  seit  Jalirbunderten  zu  den  Worten 
des  ins  Kroatische  übersetzten  Dies  irae  Ix  i  <U  n  Totcn-^f essen  fOr  Arme 
gesangen  wird,  während  bei  denen  für  die  reichen  Verstorbenen  die 
gr^orianisohe  Melodie  des  Dies  irae  mit  lateinischem  Texte  zum  Vortrag 
gelangt.  Nr.  8  und  9  sind,  wie  schon  früher  bemerkt,  ursprünglich 
gregorianische  eantu»  ßrtm.  di«'  im  Laufe  der  Jahrlmnderte  durch  den 
Einfluß  des  kroatischen  Volksliedes  fast  bis  zur  Unkenntliclikeit  zu 
kroatischen  Volksweisen  umgest^iltet  wurden;  8  wird  am  1.  Januar 
und  zu  Pfingsten ,  bei  der  Annifung  des  heiligen  Geistes,  gesungen,  9 
bei  allen  Marienfesten.  Bezüglich  lo  v  nRten  mir  Pfarrer  und 
maestro  di  coro  nicht  anzugeben,  ob  diese  Melodie  eine  alte  kroatische 
AVeise  sei;  der  mm-fm  meinte  sogar,  hierin  einen  in  späteren  Jahr- 
hunderten aus  Deutschland  importierten  Choral  erblicken  zu  müssen. 
In  der  Tat  macht  ja  auch  die  streng  festgehaltene  Choralform  stutzig; 
vergleicht  man  jedoch  diesen  Choml  mit  der  unter  Nr.  2  a)  und  b)  an- 
gefohrten,  malten  kroatischen  Volksweise  der  Ldtanie  Antomane  »Gos- 
podine  pomilui«  und  >0  presvetom  sr^u  isosovu«,  so  sieht  man,  daß 
seine  beiden  i  rsti  n  Strophen  fast  ganz  sich  mit  jenen  Melodien  decken. 
Ich  glaube  daher,  daß  man  auch  in  diesem  Choral  eine  alte,  kroatische 
Volksweise  erkennen  darf,  die  aber  im  Laufe  der  .Tahrhunderte  irgend- 
wann und  aus  jetzt  nicht  mfhr  ormittelbaren  Gründen  (vielleicht  aus 
einem  ganz  bestinimton  Anlaß,  /.um  Beispiel  eines  besonderen  Festes, 
einer  FeirrHrhkcM't  tind  dergleichen  kim^^tgemüR  vielleicht  von  einem  zu- 
fällig hierher  verischlMfronrn  ( )r^'anisten  deutscher  Abkunfti  umgearbeitet, 
modernisiert  und  in  Choralforra  geprägt  wurde.  —  Kine  weitere,  uralte 
kroatische  Volks-Melodio  »Bnze  moi«,  die  alle  Kennzeichen  des  höchsten 
Alters  in  geradezu  idcalci-  Form  aufweist  und  liier  :nn  Charfreitag  bei 
einer  Prozessiim  von  Pri«'stern  und  Volk  mh  Chor  ^'esun|,'en  wird,  habe  ich 
bereits  an  anderer  Stelle in  diesen  ]*ui>iikationen  mitzuteilen  mir  erlaubt. 

Ein  interessanten  Beisjiiel  des  JneiuanderarVieitens  von  altem,  kro- 
jitischem  Volks-  und  liturgisch  gregorifini-^ehein  desang  geben  auch  die 
in  l^ell  iL'e  C  unter  11  (a  bis  e  voWitfcntlii  liten  Kirchen-Gesänge,  dio 
hei  der  Sninita^s-Mcsse  während  der  ( Isterzeit,  im  Mai  und  anderen  Ge- 
legenheiten zuui  Credo,  Sanctus,  Agnus  Dei  und  der^deic  lien  L'i'sunsren 
werden.  Auf  den  ersten  Anblick  wäre  man  versucht,  diese  Gesänge  als 
durchwP!^«;  reine  Produkte  des  gregoriani^i  hen  Ge*;angs  anzusehen: 
kehlen  m  ihnen  ja  doch  die  stereotypen  Anfangs-ij'ormeln  der  Lamentationen 


1  Vr  rjt'Mrhc  »Alto  Weihnacht«-  und  Oetergesänge  aufLossin«.  Sammellrände  der 
lAltr,  1W3.  Hell  H,  Seile  üHö. 


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Kobert  Lacb,  Volkslieder  ia  Lassingrande. 


613 


wieder  iman  vor^l.  ziiiTi  Beispiel  11  b,  c,  d.  c).  Und  doch  liegen  diesen 
Gesängen  uralte,  kroatibclie  Hirten-  und  Hauem-Gi  siin^'e  zu  (Grunde,  die 
eliemals  im  Volke  viel  gesungen  wurden,  dann  aber  im  Volkslt  hm  ;ib- 
starbeu,  in  den  Schatz  der  Kirchen-Lieder  übergingen  und  liier,  im  Sinne 
des  liturgisch-gregorianihchen  Stvle?*  etwas  überarbeitet,  nun  in  dieser  er- 
starrten Form,  gleichsam  in  Versteinerung,  erhalten  sind.  Die  Ijereits 
oben  besprocliencn  Merkmale  arehaistisdier  Musik  zeigen  diese  Gesünge 
in  bervorrn^enchMn  Maße:  ihre  ganze  !Melopt»ie  ist  ein  fortwährendes  Sieli- 
lierumwmden  um  einen  Mittelt« »n.  von  dem  sich  der  Gang  der  Stinnue 
in  ganz  geringen,  engen  Intervall-Scli ritten  um  einen,  höchstens  zwei  oder 
drei  Töne  entfernt.  Die  gleichen  Merkmale  prmüLiv  archaistischen  Stvlesi 
zeigt  der  unter  C  12  wiedergegebene  Gesang,  eine  uralte  kroatische 
Hymne,  die  l»ei  verschiedenen  feierliclien  Anlässen  des  Kirchen-.)  ah  res 
gesungen  wird.  IcIj  luirte  sie  hier  in  zwei  verschiedenen  Versionen:  die 
erste,  unter  12a  notierte  Fassung  )>ei  einer  Prozession  am  Taj?e  dfs 
heiligen  Markus,  die  unter  b  bei  einer  gleichen  am  Tage  Maria  Himniel- 
fahrt. 

Die  dritte  Gruppe  endlich  der  oben  gegebenen  Einteilung  umfaBt 
hauptsächlicli  Hirten-,  Pastoral-  und  Tan/-Weisen,  die  noch  heute  allent- 
hnlben  auHerhalh  der  Kirche  v(»ii  den  f  iiiujHujnuoli  gesungen  und  gespielt 
und  in  der  Ivirche  als  Natiunahnotive  in  Meßmusiken  verwendet  werden. 
Ich  habe  in  Ht*ilage  i)  eine  Anzahl  derselben  /iisarumengestellt:  es  sind 
durchwegs  sehr  alte  Weisen,  wenn  »ie  auch,  allen  mus»ikkiitischen  Merk- 
malen zufolge,  bei  weitem  nicht  an  das  urehrwürdige  Alter  der  zur 
vorigen  Gruppe  gehoiiireu  (rcsänge  hinanreichen.  \ Oai  Volke  werden 
sie»  wie  gesagt,  noch  heutt-  Ln^sunjien.  gepfiffen  uml  gespielt;  in  Neresina, 
Ossero  und  (Jhinnschi  'aut  der  ni'KlIich*  n  Hälfte  (h-r  Insel  Lussin,  (Jssero 
auf  der  Insel  Cherso)  sollen,  als  die  letzten,  überlebenden  Hüter  einer 
hier  einst  allgemein  geübten  und  beliebten,  jetzt  aber  längst  ausgestorbenen 
Kunst-Pi*axis,  auch  noch  die  letzten  Dudelsack-Pfeifer  leben,  ilie  auf  ihrem 
Instrument,  der  \nmpo<fnn  [kroatisch:  eurlitza  i.  diese  alten  Hirten-M*  ludien 
l»Iasen.  In  der  Kirche  werden  sie.  —  die  bereits  in  dl«  ^en  Publikationen  an 
der  üben  angegebenen  Stelle  venitfentlichten/Vw/o^W/  der  Weihnachts-Messe 
ausgenonimen  -  ,  bei  verschiedenen  (Telegenheiten  des  Jahres,  Ostern, 
i^tingsten  und  sonstigen  Festen,  in  die  Meli-Mubik  aufgenommen  und  von 
der  Orgel  gespielt;  auch  exi.stjeren  bisweilen  hier  und  in  der  Fmgebung 
(den  Inseln  rin  i-<o,  Arbe,  Veglia  etc.)  von  Grir;ini-ten  über  diente  uralten 
Volksweisen  als  JNIotive  *?eschriebene  jVrefi-MuNikru  Mir  liegt,  ans  dem 
Inesigen  Kirchen-Archiv  «iurch  die  Jiieheaswurdigkeit  des  nmei^tro  <// ' 
zur  Verfügung  gestellt,  eine  solche  vor,  der  ich  die  in  Beilage  D  v.-i- 
öffrntlicliten  in  ihr  MMTi\e  verwendeten,  noch  le  ute  hier  t'esiuiLrrn.  ii, 
uralten  Fastoralmeloilien  entnehme.    8ie  trägt  den  Titel  ^JUssn  jj/utorale, 


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614 


Kobert  Lach,  Volkslieder  in  Lussingnmde. 


dedieata  td  ttverendissimo  Mmngnore  Alberto  Furiamdty  Veseoto  ü  Zam^ 
oompotita  da  Giuseppe  Bozzotti«,  und  ist  eine  im  übrigen  recht  iinge- 
sddckte,  geschmack-  und  geistlose  Gompilation,  welche  die  frischen,  oft 
derb  fröhlichen,  alten  Schäfer-Melodien  mit  pumpSsen  Introduktionen, 
Koloraturen  und  Passagen-Geschnörkel  verzieren  zu  mfissen  glaubt  Wie 
weit  verbreitet  übrigens  diese  alten,  kroatischen  Hirten-Gesänge  waren 
und  sind,  wie  sie  weit  über  die  engen  Grenzen  ihrer  kleinen  Insel  hinaus 
aufs  Festland,  ja  selbst  in  Länder  mit  ganz  anderssprachiger  und  einer 
andern  Basse  angehdriger  Bevölkerung  verpflanzt  wurden,  hierfür  ist  der 
beste  Beweis  der,  daß  der  End-Befrain  eines  dieser  uralten,  kroatischen 
Hirtenlieder,  nämlich  des  (an  der  bereits  oBen  angegebenen  Stelle  hier 
veröffentlichten}  Weihnachtsliedes  tü  sve  vrime  godiSsa,  mir  se  svitu 
nazvilcac  von  den  Ungarn  zur  Melodie  eines  ihrer  beliebtesten  und 
ältesten  Volkslieder:  »szeretni  szantani«  verwendet  wurde. ') 

Um  auch  von  der  Volkstanzmusik  auf  Imssin  eim'ge  Proben  zu  geben, 
füge  ich  in  Betlage  E  die  Niederschrift  einiger  Tanzmelodien  bei,  wie 
man  sie  zum  Teil  heute  noch  allsonntäglich  abends  bei  dem  am  poxxo  statt- 
findenden baUo  der  peaeatori  und  faeMn  hören  kann,  und  zwar  sind  Nr.  6, 7 
und  9  italienischer,  1  bis  5  und  8  kroatischer  Provenienz.  Beide  G^ppen 
weisen  den  Typus  romanischer,  beziehungsweise  slawischer  Musik  ungemein 
scharf  ausgepriigt  auf;  man  vergleiche  nur' zum  Beispiel  mit  den  erataren 
italienische,  französische  oder  spanische,  mit  den  letzteren  böhmische  oder 
polnische  Volkstänze,  um  die  gemeinsamen,  sozusagen  >Baoe«-EigeDtBm- 
lichkeiten  auf  das  Schlagendste  sich  vor  Augen  zu  führen.  Die  Melo- 
dien zn  den  alten  Nationaltibizen  Monfrino  und  Vinca  sind  spezifisch 
lussignestBche  VoUcswdsen;  dagegen  gehört  die  unter  E  9  verzeichnete 
Melodie  der  alt^talienischen  Kunstmusik  an:  von  Galimberti  komponiert 
und  im  17.  und  18.  Jahrhundert  in  Turin  bei  Hof-Festlichkeiten  viel  ge- 
spielt. Die  in  Nr.  1  bis  5  veröffentlichten  Weisen  endlich  sind  alte, 
slavische  Banemtänze,  die  bis  vor  drca  30  Jahren  bei  den  am  letzten 
Karneval-Sonntag  auf  der  piazxa  abgehaltenen  Volks-Belustigungen  und 
Bauem-Tibusen  vom  Volke  bdm  Tanze  in  der  alten,  kroatischen  Volks- 
Tracht  zum  Klange  von  Dudelsack  (dem  nationalen,  heimischen,  kroa- 
tischen  Bauemmusik-Listrumente,  der  curlitza),  Schalmei  und  Pfeifen 
gesungen  wurden.  Jetzt  sind  diese  Feste  und  Bauerntänze  auf  der  piaxxa 
längst  abgeschafft  und  die  Gesänge  leben  nur  mehr  draußen  in  der  oom- 
pfujrui  fort  —  im  Gedächtnis  der  alten  Bauern,  die  nach  dem  Klange 
dieser  Melodien  tanzten  und  sie  mitsangen,  wohl  auch  selbst  den  Dudel- 
sack oder  die  Schalmei  dazu  spielten;  übrigens  stirbt  diese  Generation, 
gerade  so  wie  die  ihr  angehörigen  Vertreter  der  alten,  einheimischen 


1)  Vergleiche  Beflage  J>,  Nr.  10. 


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Bobeii  Lftch,  VoUulMder  in  LninDgnwde. 


615 


Mubikinstnimonten- L'bung  ^Dudelsack,  Schalmei.  Pfeifen)  von  Tag  zu 
Tag  mehr  aus,  und  in  20,  30  Jahren  werden  wolil  alle  diese  alten 
(lesän^p,  Tänz»!  und  lustnimento  i;erade  so  verfressen  und  in  dem  Schutt 
d<'r  Verifaiif^enlieit  begraben  sein,  wie  es  jetzt  schon  die  alte  emheiiuische 

\  olJvS-Tracht  iNt. 

Die  M.  Idilit  des  unter  E  1  notierten  Tanzes  lebt  übrigens  noch  in 
einem  kroaUsi  lu  n,  alten  Voiksliede  fort,  das  ich  unter  B  6  ebenfalls  auf- 
führe. Bezüglich  lier  Textesworte,  die  nn'r  von  itaheni&clier  Seite  —  dem 
mtitstro  di  mro  —  mitj^eteilt  wurden,  verweise  ich  übrigens  auf  die  schon 
oben  bemerkte  Verwahrung,  daß  ich  infolge  meiner  Unkenntnis  des 
Kroatischen  eine  (iarantie  für  die  richtige,  orthographische  Wiedergabe 
der  Texteswortü  nicht  übernehmen  kann. 

Was  den  Vortrag  dieser  Volkslieder  uiibi  langt,  so  ist  sowohl  tür  die 
kroatischen  als  auch  die  italienischen  charakteristisch  ein  ungl.uildich 
näselnder,  schnarrender  und  die  langen  Töne  lirrausplärrender,  für  uns 
direkt  widerlicher  Vortrap.  Während  aber  die  kroatischen  bei  ihrer 
primitiven,  archaistischen  l^liiifachheit  nicht  die  geringste  Koloratur  und 
Verzierung  verweudeu,  werden  die  italienischen  fnanientlich  die  chioggio- 
tischen  und  venetianischen)  von  den  pcscaiori  und  fncchini  mit  Kolora- 
turen, Trillern,  l^ralltrillem,  Mordenten,  Vorschlägen,  Schleifern  und 
sonstigem  Omameut-Geschnörkel  derart  überladen,  daß  die  eigentliche 
Melodie  darunter  fast  ganz  verschwindet.  So  wird  zum  Beispiel  die  unter 
Ä,  Nr.  12  angefühlte  cliioggiotische  Melodie  nicht  in  der  notierten  Weise 
gesungen,  sondern  etwa  so: 


-5-r7-f^  


— _V — ^p— — • — •  ' 

0 

3 

 i*. 

«to. 


und  je  mehr  verschnörkelt,  geheult,  geschluchzt,  gegurgelt  und  ge- 
meckcat  der  Vortrag  Uingt,  für  umso  schöner  wird  er  von  ihnen  ge- 
halten. Namentlich  das  Ziehen  und  Schleifen  yon  einem  Ton  zum  andern, 
also  statt 


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tilÖ  Bobert  JLadi,  Yolkalieder  in  LuMÜigraode. 


gleich 


I 

ist  unausweiclilich,  und  es  gibt  nicht  zwei  eiitf« mtere  Tone,  die  nicht 
auf  diese  Weise  verbunden  werden.  Besonders  beliebt  sind  Yerzienings* 
Figuren  wie 


Daß  in  einer  solclien  Vortraffswoi'^e  in  lien  dem  Portauieiito  ;nu  Ii  das 
Tremulien  n  das  unentl)ehrli(  h^^tc  lni:ivdiens  bildet,  braucht  \viihl  nirlit 
weiter  beiiifikt  zu  w<  i  <lrn:  nicht  dir  bescheidenste  Dorfhch'in«'.  ni(  lit  das 
kleiüöte  Scliulkind  uird  dtu  neuesten,  aus  Triest,  Pola,  Fiunit  oder 
Venedig;  iinjnirticrtcn  ( J;iNst'nhauer  trälleni,  ohne  nicht  jeden  hall)^^ej^s 
lancier  auszuhaltenden  Ton  diiich  Tremolieren  in  eine  Anzahl  kleiner 
Stakkato-Töne  zu  zerlegen,  aksu  statt  ^  zu  meckern : 


-0-ß-0-0^'0-0-0-0-0~0-0-*-^-0  


Nebenbei  bemerkt,  wird  einem  hier  erst  der  Ursprung  jener,  in  der  alten 
italienischen  Opemmusik  eines  Bellini,  Donizetti,  Verdi  eto.  so  beliebten 
und  dann  auch  nach  Deutschland  imix>rtierten,  zum  Beispiel  bei  Flotow 
so  gewöhnlichen  Orchester-Figur  des  Tremolando  beim  Vortrag  länger  aus- 
gehaltener Töne  verständlich,  die  bekanntlich  in  der  noch  heute  bei  den 
Leierkästen  und  Drehorgeln  üblichen  Manier  Melodien  wie 

AnUauic. 


3 — 0^  eta 


wiedelgibt  als 


l^^zsÄ  0-t — :2tzizz:  tt- 


8.  f. 


Ich  habe  hier  während  der  sechs  Monate,  wo  ich  dir  Kinu' Ix.nien  singen 
hörte  (und  sie  singen  fortwährend,  Tag  und  Nacht!,  aucli  nicht  ein 
einziges  Mal  solche  Natui^änger  oder  -Sängerinnen,  die  übrigens  häufig 
recht  gute  Stimmen,  meist  sdir  gutes  Gehör  und  immer  einen  leiden- 


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Robert  JjRch,  Yolkalieder  in  LuMingiuDde. 


«17 


Bchaftlichen.  mimischen  Vortrag  haben,  gehört,  die  nicht  das  bescheidenste 
Viertel  tremolierend  ausgelialten  hätten. 

Für  den  Musik-Forscher  aber  ist  diese  Vortragsweise  von  hohem 
Interesse;  denn  nicht  bloß,  daß  sie  (wie  ich  an  anderer  Stelle  ausgeführt 
habe'  das  Merkmal  primitiver  Kunststufe  und  demnach,  bei  Kultur- 
A'ölkem  vorkommend,  ein  Zeichen  hohen  Alters  und  primitiven  Archius- 
jnus  der  betreffenden  Volksmusik  ist:  kommt  iiocli  ein  auderes,  historisches 
IVforncnt  dazu.  Bekanntlich  ist  f^tiadc  diese  näselnde,  gurgelnde,  schluch- 
zende, meckernde  und  mit  OrDauieiiten,  Portamentös,  Schleifern  und 
Tremolandos  die  eigentliche  Melodie  ganz  verdeckende  Vortragsweise 
uns^'^mein  eharakteristi'^rli  für  die  Musik  des  Orientes  'der  Araber,  Perser. 
Türken,  S;iraz'  neii.  S\  rtM',  Byzantiner  und  Tseugriechen,  zum  Beispiel  des 
giierhischen  Kircheiigesanges).  I  lierljhckt  man  nun  die  geographisc])e 
Tiatre  Tais>iiis,  zwischen  Venedig  und  Italien  einerseits,  Kroatien,  I)al- 
Miatien,  Bosnien  etc..  also  der  iiroHm  Heer<*traRe  in  den  Oi'ient  und 
Baikau  andererseits,  erinnert  man  sidi  ferner,  daii  laissin  im  Mittelalter 
lange  Zeit  ein  Besitztum  Vene(1i;^'s  wf»»-  da^  in  Tjus-in^/raude,  Neresina. 
Ossero  etc.  und  den  umlieirenden  In.seiu  Ailie.  Cherso  etc.)  zahlreiche 
Häfen.  Festini'.'en  und  Kastelle  anlegte,  um  liier  Stützpunkte  für  seinen 
Handelsvei  kehr  mit  Bvzanz  und  für  den  Kam|if  ge^en  die  Seeräuber  (später 
di«'  f  ski il.t  u  .  Sarazenen,  Mongolen,  Türken,  l  ii::arii  etc.  m  haben,  bedenkt 
man  weiter,  dali  der  ganze  Handels-  und  freundliclie  ^ie  l'eiudliche  Ver- 
kehr Venedigs  und  des  Festlamles  mit  B\zaiiz  und  dem  Orient  über  die 
große  Seestrafte  des  Qnarnero  erfolgte,  daß  Sendboten  byzantinischer 
und  orientalist  iier  Kultur  einer-,  abendländischer  Kultur  andererseits  oft 
genug  diesen  Weg  zocren,  Lussin  und  die  ültrigen  Inseln  seiner  L'm- 
gebung  also  mitten  an  dieser  großen  Straße  lagen,  erwägt  man  weiter, 
daß  die  Byzantiner  und  später  die  Türken  oft  und  lange  genug  ihren 
Arm  selbst  bis  in  die  Gegend  unserer  Insul  und  no(  h  höher  ausstrecktm. 
und  dabei  in  bald  feindliche,  bald  freundhche  Beriüuung  mit  dem  Abend- 
land und  speziell  dessen  Bollwerk  Aenedig  kamen,  sowie  daß  die  See- 
riiuljei'  (und  später  die  l'skoken),  die  Jahrhundei  te  I.lh'j.  in  diesem  ganzen 
Gebiet  ihre  Nester  und  Schluidwinkel  hatten,  von  ihren  Raubzügen  nach 
Hyzunz  und  dem  Orient  oft  genug  l'rub'  n  byzantinischer  und  orientalischer 
Kunst,  Kultur,  Sitten,  Gebräuche,  Gesänge  und  dergleichen  heinihrintjen 
mochten,  erfährt  man  nun  endlieh,  daß  auf  einer  von  Lus.singrandi  lici 
günstigem  Wind  in  nicht  einmal  einer  ganzen  Stunde  erreichbaren,  kleinen 
Felseninsel  (Palazzuoli  die  Trümmer  eines  uralten,  griechischen  Klosters 
liegen,  dessen  Mönche,  aus  dem  byzantinischen  Reiche  vor  dem  An- 
sturm der  Sarazenen  flüchtend,  sich  mit  ihren  Schätzen  hierher  retteten, 
hier  slcli  häuslich  niederließen  und  Jahrhunderte  lang  hausten,  bis  sie 
endlich,  mit  den  Seeräubern  gemeinsame  Sache  machend  und  ihr 


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618 


Robert  Lach,  Volkalitdar  in  Loniiigniide. 


Kloster  za  einem  Hauptsitz  und  Raubnest  derselben  bergebendf  durch 
einen  gemeinsamen  Kreuzzug  der  Bevölkerung  von  Arbe,  Cherso,  Luasin 
und  der  Venezianer  Temichtet  und  ihr  Kloster  dem  Erdboden  gl€t<^ 
gemacht  wurde  (im  12.  Jahrhundert),  — :  h&lt  man  alle  dieee  Erwägungen 
zusammen,  so  scheint  mir  wenigstens  die  Vermutung  nicht  ganz  aus  der 
Luft  gegriffen,  daß  dieses  lokale  Vorkommen  byzantinisch-orientaUsdker 
Vortragsmanier  in  Lussin,  ChersOt  Chioggia,  Venedig  und  überhaupt 
Italien  nicht  so  ganz  zufiülig,  sondern  auf  orientalisch-byzantinische  Siit* 
flttsse  —  fQr  die  sich,  wie  soeben  ausgeführt,  die  mannigfachste  G^legeik- 
heit  bot  —  zurückzuführen  sein  möchte. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  eines  charakteristischen  Zuges  er- 
wähnen, der  ebenfalls  etwas  seltsam  an  den  Orient  Erinnerndes  hat.  In 
manchen  Nächten  nlUnlich,  wenn  eine  größere  Anzahl  der  chioggiotischcn 
peacatori  mit  ihren  Barken  im  Hafen  versammelt  ist  und  sie  sich,  ihrer 
Gewohnheit  gemäß,  die  Zeit  mit  Singen  italienischer  Volkslieder  ver- 
treiben,  sammeln  sie  sich  um  einen  von  ihnen,  der,  auf  dem  Vorderdeck 
seiner  Barke  hoch  aufgerichtet  stehend,  in  traditioneller  Manier  Ge- 
schichten, zum  Beispiel  aus  »Tausend  und  einer  Nacht«,  Episoden  aus 
populären,  alten  Dichtungen  und  dergleichen  zu  erzählen  beginnt,  während 
die  andern,  auf  ihren  Barken  sitzend,  aufmerksam  zuhören  und  bei  jeder 
größeren  Pause,  die  der  Erzähler  macht,  im  Chore  mit  einem  gerade  be- 
liebten Volksliede  oder  Gassenhauer  (&st  alle  zwei  Monate  wird  ein  neuer 
populär  und  verdrängt  die  andern)  einfallen,  nach  dessen  Absingun^  der 
Erzähler  seinen  Vortrag  fortsetzt,  worauf  bei  der  nächsten  Pause  das 
Gleiche  erfolgt,  was  oft  die  ganze  Nacht  oder  einen  großen  Teil  derselben 
hindurch,  bis  zum  Morgen,  fortdauert.  So  beobachtete  ich  einmal,  von 
dem  S*enster  meines  Zimmers  aus  auf  die  mondbeleuchtete  piaxm  und 
den  porio  hinabschauend,  von  9  Uhr  abends  bis  12 Vs  Uhr  nachts  eine 
solche  Szene,  die,  als  ich  endlich  vom  Fenster  wegging,  noch  fortdauerte. 
Für  den  Vortrag  des  Erzählers  scheint  ein  eigenes  Bezitations-Schema  zu 
bestehen:  er  beginnt  die  ersten  einleitenden,  gleichgültigen  Worte  in  einer 
tieferen  Lage,  etwa  der  Unterquart,  und  hebt  die  Stimme  bei  dem  ersten 
betonten  oder  hervorgehobenen  Worte  auf  einen  Mittelton,  auf  dem  er 
während  der  ganzen,  folgenden  Rezitation  verweilt;  nur  besonders  hervor* 
gehobene  Worte  und  betonte  Silben  steigen  noch  um  einen  oder  zwei 
Töne  ge  nach  dem  Grade  des  Affekts,  mit  dem  sie  vorgetragen  werden} 
über  diesen  Mittelton  empor,  auf  den  jedoch  das  erste,  gleichgültige  Wort, 
der  erste,  ruhige,  affektlose  Satz,  sofort  wieder  zurückfällt,  und  auf  dem 
die  ganze,  übrige  Rezitation  verweilt.  Zum  Schlüsse,  bei  den  leisten 
Worten,  hebt  sich  mit  der  letzten,  besonders  hervoi|^obenen  Silbe  und 
dem  letzten,  betonten  Worte  des  Satzes  die  Stimme  kadenzartig  noch 
eine  Stufe  über  den  Mittelton  der  Rezitation,  und  sinkt  dann  wieder  mit 


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Robert  Lach,  Volkslieder  m  Xtiuiingrande. 


den  letzten  Worten  uiul  Silben  auf  den  Ausgangstun,  die  Unter-(^uarte, 

zurück,  so  daß  aidi  in  Noten  das  Schema  der  Rezitation  etwa  so  dar- 
stellen ialit: 

^  f  !       '       I  ♦ 

Hierauf  fällt  sofort  der  Chor  mit  seiiicui  Liede  ein.  Tn  dorn  von  mir 
Itcoltacliteten  Falle  war  es  »i  i^  unter  A  Nr.  15  notierte  venctKiiusclie 
Goji'l' liere-Lied  »Tere*//«/,  rint  aühd.^m*  dessen  Refrain  iihtnrn,  ehkira, 
chiani  tum  il  di<  von  Jung  und  Alt  in  unglaublich  kindischer  Freude 
heransjrp «schnarrt  und  -geplärrt  wird. 

I'i  :  ttxtliclie  liiliaU  dieser  Erzählungen  besteht,  wie  sehon  bemerkt, 
zum  leil  aus  den  alten  italieiii^c  lien  Dichtern  entmmimenen  Episoden 
oder  Abenteuern  aus  ^Tausend  und  eine  Nacht«,  zum  Teil  aber  auch 
aus  kleinen,  lustigen,  tlüclitig  improvisierten  Geseliielitclitn.  Produkten 
des  Volkswitzes,  kleinen,  harmlosen  Nrckt  itMc  n  und  Sticheleien  auf  Vor- 
kommnisse des  Tages,  Erlebnisse  der  einzelnen  Familien,  Gevattern, 
Nachbarn,  udt  r  scherzhafte  Vorfälle  in  Iv-Ubsingrande  oder  aiulern  benai  h- 
harten  Orten  und  Inseln,  zum  Beispiel  Neresina,  Ossero,  Cherso,  Asiuellu, 
S.  Pietro  di  Nembi,  Ulbo  etc.,  Geschichtchen.  die  mit  ihren  übermütigen  und 
ausgelassenen,  nicht  immer  salonfähigen  Pointen  di»  ( Jrenzeu  di  rZulässigkeit 
des  »Naturalia  non  sunt  turpia<  oft  melu  al>  uberschreiten.  Zur  Cha- 
rakteristik teile  ich  hier  einige  der  erzählbaren  dieser  auf  Vorialle  des 
insulanen  Lebens  im  Übermut  des  Augenblicks  improvisierten  Geschicht- 
eben mit,  von  denen  Nr.  V  bis  X  sich  auf  wirkliche  Begebenheiten  aus 
•  den  letzten  Jahren  beziehen  sollen,  die  von  dem  für  Scherz  und  Situations- 
komik stets  empfänglichen,  leichtlebigen  Völkchen  sofort  zur  Improvisation 
kleiner  Neckereien  und  Spottgeschichten  benutzt  wurden;  die  vier  ersteren 
dagegen  sind  alte,  lussignesische  Volksscherze.  Interessant  ist^  daß  hier 
derselbe  Typus,  wie  ihn  unsere  deutschen  Yolkssagen  in  der  Figur  der 
»Schildbürger«  und  »Sieben  Schwaben«  geschaffen  haben,  von  den 
Lussignesen  den  Einwohnern  der  benachbarten  Insel  Ulbo  (einer  der  dal- 
matinischen Inseltti  deren  Einwohner  durch  massenhafte  Erzeugung  von 
Schafkäse  in  der  Umgebung  bekannt  sind,  aber  auch  deswegen  als  Ziel- 
scheibe fOr  zahlreiche  Neckereien  herhalten  mfissen)  zugeschrieben  wird. 
Zum  Beispiel: 

I. 

Einst  wollten  die  Eiinvobuer  von  Ulbo  ciu  iiindliches  Fest  besuchen,  das  auf  einer 
benadibarten  Iniel  abgehalten  wurde.  Da  lie  aber  furchtetm,  sie  koimtei&f  einmtl 
von  ihrer  Intel  fort,  auf  dem  Meere  nicht  mehr  den  Weg  nach  Hauie  snrückfindeo, 


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620 


Robert  Laoh,  Volkdaeder  in  ImBsingrande. 


hiflten  sie  eine  Rutssitznn'j' ab.  was  /u  tun  s-oi.  Da  inaclitc  der  Alleste  und  Klügste 
dea  Vorschlag:  bei  der  iüniahri  iurtwaaieud  Blätter  ins  Meer  zu  streuen,  damit  sie 
dann  auf  dem  Bflckweg,  der  Spnr  der  auf  dem  Meere  U^endea  BlSfcter  folgend,  tutch 
Hanee  flnden.  Das  leuditet«  den  «adem  anch  eiot  ue  taten  eo,  und  &nden  richt% 
—  nimmer  nach  Hause,  weil  die  B&tter  natSrlich  längst  fortirescliwoinmcD  warea. 
Daher  kommt  es,  daß  die  Ulbaner  nie  »bei  eiok  su  Hauae«  (WorUpiel:  »bei  eich  zu 
Hause«  =  vernünftige  sind. 

IL 

Die  Ulbaner  wollten  ciust  durchaui  gern  unter  die  Herrschaft  Venedigi  kommen, 
und  beschlossen,  ihre  Insel  Venedig  zum  Geschenk  darzubieten,  und  zwar,  uui  den 
Vt^nezianem  den  Wert  dieses  Geftchenkes  refht  ad  oculos  ni  demonstrieren,  an  Ort 
und  Stelle,  in  Venedig  selbst  Sic  banden  also  äthcke  an  die  Bäume  and  Häuser, 
knüpften  sie  an  das  Hinterdeck  ihrer  Barken  und  mderten  dann  aus  Leibeskräflen,  um 
mit  vereinter  Kraft  ihre  Insel  nach  Venedig  zu  ziehen.  Nachdem  sie  nun  von  früh  bis 
Abend  den  t:uM/.  -n  Tag  hindurch  gerudert  hatten,  inul  abends  die  Sonne  im  Meers 
unter<rtTi?",  rii  iV-n  sie  freudig:  »Seht,  wir  siml  hon  bei  Sonnoniintoriraiipc.  "Wortspiel: 
im  Westen,  also  schon  Venedi«»^  um  so  viel  näiier!  Am  nüchsten  Mtn-izr-n.  ah  «ie  au< 
dem  Schlafe  erwachten,  sahen  sie  die  Türme  imd  Dächer  ihrer  eigenen  Kirche  und 
Häwer  im  lackte  der  aufgebenden  Sonne  bUtaen.  Da  riefoi  ile  freudig:  »Seht  ihr 
schon  die  Kuppel  von  St.  Markus?  Wer  hätte  doch  das  gedaabt,  daß  Venedig  so 
nahe  bei  Ulbo  ist!« 

in. 

Drei  Ulbaner  bitten  um  ihr  Leben  gern  Venedig  gesehen,  von  dessen  Sohonheit 

sie  schon  \uA  gehört  hatten.  Da  sie  aber  wußten,  daß  man  in  Venedig  nur  italienii^oh 
spreche,  auf  Ulb  i  aii<  r  nur  kroati-ch  ^^egprochen  wird,  beschlossen  sie  :^i:fr!'t  Italienisch 
zu  lernen,  bevor  sio  nach  Veuedig  reisten.  Nachdem  sie  ein  Jahr  lang  eilrig  Tag  und 
Macht  hindurch  italienisch  gelernt  hatten,  konnten  sie  am  Schluß  des  Jahres  jeder  je 
ein  Wort:  Der  Erste  »lo«,  der  Zweite  >Si«,  der  Dritte  »Ho«.  Stola  über  ihre  um- 
fangreidien  Kenntnisse  des  Italienitobett  reiston  sie  nun  nach  Venedig.  Als  eie  mm 
ankamen  und  ausstiegen,  war  es  finstere  Nacht.  Aufs  ^n-r.i'b  vvohl  tappten  sie  durdi  • 
das  nächst  f  vv^e  niißchen,  da  stoljurtr  der  Er-!»-  indem  Dunkel  über  einen  am  Boden 
liegenden  ( iet:enstand.  Sic  zündeten  ein  Liclit  an.  da  s.;»hon  sie,  daß  der  (leircnstaud. 
über  den  bie  gestolpert  waren,  die  Leiche  eines  V  or nehmen  war.  den  Bravi  ermordet 
hattm.  Wie  sie  nun  so  dastanden  und  verblttfil  den  Bnnofdeten  anstarrten,  kam  die 
Stadtwache,  und  als  sie  die  drei  robusten,  bäarisch  ungescblaohten  Kerle  vor  dem 
blutigen  Leichnam  stehen  sah,  rief  sie:  Ualt.  wer  hat  diesen  Mann  gctödtet?  »lo« 
sagte  der  Er«!<e,  der  als  Vorderstor  vor  der  Wache  stand.  >Und  du  hast  ihm  wubl 
geholfen  V*  sprach  diese  zum  Zweiten,  während  sie  den  ersten  in  Ketten  legte.  »Si« 
sagte  dieser.  >Wie  frech  und  offen  die  Kerle  ihre  Schandtat  noch  eingestehen!« 
riefen  die  Wachen  empört  »Und  du«,  herrschten  eie  den  Dritten  an,»  hast  du  ihnen 
utich  geholfen?  Oder  bist  du  unschuldig  daran?«  »No<,  sagte  der  Dritte.  Da  packten 
sie  anch  ihn  und  hängten  die  drei  zusammen  auf  denselben  Galgen,  und  das  ist  für 
L Ibaner  das  Allerbeste. 

IV. 

Drei  Ulbaner  kamen  nach  Venedig,  um  die  Keliquien  des  heiligen  Markui>  zu 

sehen,  von  denen  sie  schon  so  viel  gehört  hatten.  Als  sie  nun  mit  ofTenem  Maule 
und  blöd  gaffenden  Augen  durch  die  Gassen  Venedigs  stiipften,  begegnete  ihnen  ein 
Venezianer,  der  ein  großer  Sitaßvogel  war.   Und  da  er  auf  den  ersten  Blick  sah,  we« 


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Robert  Lach,  Volksliader  in  Lusingtande. 


621 


Geistes  sie  w.uen.  fragte  er  Bje.  wober  sie  küriH-n.  und  was  sie  hier  wollten.  Sie  cr- 
zaliiten  ihm,  sie  seien  vou  Ulbo  gekommen,  um  die  Gebeine  des  heiligen  Markus  zu 
Rehen.  »Ali  bah!«  rief  der  Veoesümer.  »Wu  Qebeine  dei  lieüigeii  Markus!  Ein 
Bein  ist  doch  wie  da»  andere!  Was  seht  ihr  denn  daran!  Aber  ich,  tcfa  will  euch 
ganx  was  anderes  zeigen.  Wenn  ihr  mir  erkenntlich  sein  wollt  und  zehn  Dukaten 
gebt,  so  zeige  ich  euch  den  lebendigen  Gott,  und  kunn  ihn  euch  Rogar  mit  nach  Hause 
geben«.  »Den  lebendigen  Gott?«  riefen  die  L  Ibaner,  und  glotzten  ihn  mit  offenem 
Munde  an.  »Ja,  da«  i^dUre  wohl  was,  wenn  wir  den  nach  Ulbo  nach  Haase  brilchten!« 
Und  sie  gaben  ihn  ihi«  gana»  BarsdiafI,  damit  er  ihnen  den  lebendigen  Oett  rw- 
schaffe.  Da  führte  sie  der  Venezianer  in  sein  Haus,  ließ  sie  in  einem  Vorsaal  harren, 
und  nach  tniiltreii  Minuten  k;itn  i-r  mit  einer  Sflmchtel  zurück,  die  Lufllöcher  hatte 
und  versit  !_fc'U  war.  »liier,  in  dieser  Scliaelitfl«  <«agte  er,  »ist  der  lebendige  Gott,  aber 
ihr  müßt  mir  voi-sprechen,  daß  ihr  die  Schachtel  erst  öffnet,  wenn  ihr  zu  Hause  in 
Vlbo  angelangt  seid.  Denn  der  lebendige  Gott  will  mit  Ehrtedit  behandelt  werden, 
und  wenn  ihr  schon  «Ahrend  der  Heise  in  eoren  BeiseUeidera  die  Sehaehtel  Öffnetet 
mid  ihn  anschantet^  würde  er  dies  als  Unehrerbietigkeit  Übel  aufnehmen  und  euch  vei^ 
lassen.«  Da  ver<»prarlien  denn  die  T'llniner  hoch  und  lu  ilii;.  si.;  würden  erst  'Inln-im. 
in  Ulbo.  die  Schachtel  öffnen.  -Vis  sie  nun  in  T'lbo  aukaiaen,  und  alle  ITlbaner  neu- 
gierig fragten:  »2^'un,  habt  ihr  die  Gebeine  des  heiligen  Markus  gesehen?«  riefen  die 
drei  TeritehtHeb:  »Wae  Oebwno!  Wir  bringen  nodi  riel  was  HerrBoheree  mit  als  Gto- 
beine!  Wir  bringen  «ndi  dm  lebendigen  Gott,  und  in  dieser  Schadktel  hier  wohnt 
er.«  >Pot2;tiui<jend«  riefen  alle  T'H  aner  erstaunt,  mid  horchten  an  der  Schachtel,  aus 
der  sie  ein  Krat/en,  Seharren  und  Pl'cifeti  hörten,  »wir  höron  ihn  auch,  wie  er  sieh 
drinnen  bewegt.«  Da  versammelten  »ich  nun  auf  der  Piazza  beim  i'orto  um  die  drei 
die  ganze  Bürgerschaft  von  Ulbo,  und  unter  andächtigem,  lautlosen  Schweigen  öfiäieten 
jene  die  SchaehteL  Da  sprang  eine  mSchtige  Batte  heraus  nnd  schoß  pfeifend  in  daa 
nichste  Loch  zwischen  den  Steinen  des  Porto.  Aber  die  Ulbaner  riefen  kreuzimgluoldich, 
indem  sie  der  Ratte  nachjagten:  »O  Wehe!  Was  ist  das?  Der  lebeinliffe  (lott  ent- 
t!ieht  nn«!  Dns  ist  doch  nicht  Recht!  Da  haben  wir  uns  so  bemüht,  ihn  dir  weite 
Heise  sorgsam  getragen,  und  jetzt  entflieht  er  uns!  Auf,  laßt  uns  Steine  vor  das  Loch 
tragen,  damit  er  nna  wenigstent  nicht  aus  dem  Halbn  fort  kann.«  Und  sie  liefen  mid 
schleppten  Steine  von  Man  Seiten  herbei  nnd  hKnften  sie  vor  dem  Lodie  anf.  Aber 
die  Batte  schoß  hervor  und  sprang  in  ein  anderes  Ja^kYi ;  da  sachten  sie  auch  dieses 
711  verstopfen,  und  so  ein  drittes  und  viertes  n.  h.  f.,  und  -schließlich  hatten  ^ic  rlen 
ganzen  Jlafeu  mit  Steinen  so  iiu^tretullt.  da-  vi»r  lauter  Sti:ineu  kein  Schifl'  mehr  an- 
legen konnte.    Seither  haben  die  L  Ibaner  keinen  Halen  mehr. 

V. 

Ein  UlbaMT  hatte  einen  Sohn,  der  auf  der  lateinischen  Schale  in  Venedig  studierte. 

um  Priester  zt>  werden.  Kinst.  w;i!ut nd  der  Vakanzen,  als  er  nach  Hause  zu  den 
Eltern  gekonuaen  war  und  .sie  aachtö  alle  /.usammen  schliefen,  erhob  sich  ein  mäch- 
tiger Sturm  mit  Uewitter  imd  rüttelte  so  mächtig  an  den  Fensterläden,  daß  der  Vater 
dadurch  aus  dem  Schlafe  geweckt  wurde.  »Beppo«  rief  er  zum  Bette  des  Sohnes 
hinüber,  »steh  auf  und  sieh  nach,  was  draußen  für  Wetter  ist!«  Schlaftrunken  taumelte 
dieser  empor,  und,  vor  lauter  Schlaftrunkenheit  und  der  dichten  Finsteniis  blind,  tappte 
er  sich,  statt  zum  Fenster,  zum  Srhrankr  hin,  der  für  die  Kä«pznl>ereitung  diente, 
üffnete  dessen  Türllügel,  —  im  Glauben,  es  sei  das  Fenster,  —  steckte  das  Qesicht 
hinein  und  murmelte  schlaftranken:  »Annuvolatus  est.  Ana  sirondova«.  {Oemisch 
Ton  italienischem  Küchenlatein  und  Kroatisch;  sirondova  ist  kroatisch  nnd  bedeutet 


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622 


Robert  Lach,  VolkBlteder  in  Liusingrande. 


»iIm  iii  n:i<li  Kiist  <.  Also  wtjrtlich:  Annm olnt!!"»  est.  Die  Luft  rieolit  nu'li  K'ä«e«-) 
Der  Vater  aber  stielt  voll  Vaterstolz  die  Blutt.  r  in  die  Seite  and  raunte  ihr  zu:  »Hör 
nur,  wie  gut  unser  Beppo  schon  Lateinisch  kann.« 

VI. 

Der  i'urrer  von  Neresina  war  mit  dem  Kuchen  besuch  seiner  Pfarrkioder  übel 
zufrieden;  entweder  kamen  eie  gar  nicht  Sonntags  cor  Xirdie)  oder,  wenn  de  kamen, 
acbUefini  rie  wihrend  der  Predigt  und  der  MeMe  etets.  üm  nnn  das  leligiSee  In- 
teresse seiner  Gläubigen  zu  erhöhen,  ließ  er  einst,  als  Pfingsten  herannahte,  verkünden: 
Am  Pfitigj^tsoTintasre.  hei  der  Predigt,  würden  «iit  joniprcn.  die  Predigt  und  Hochamt 
hörten,  ein  ^rnÜes  Wunder  sehen.  Der  heilige  (Tci.st  selbst  wenle.  allen  Augen  «sicht- 
bar, III  Gestalt  einer  schneeweißen  Taube  von  der  Decke  der  Kirche  herabschwebeu. 
Seinein  Kaplan  aber  sehirfle  er  ein,  mit  dner  eigens  m  diesem  ZwedM  gekanften. 
lebendigen,  schneeweiOen  Tanbe  wahrend  der  Predigt  Hinter  dem  schon  vor  Beginn 
der  Predigt  geüffnetoi  Cborfenster  sich  versteckt  zu  halten  und  bei  der  schon  vorher 
geniui  verabredeten  Stelle,  auf  das  veraV)nHlete  Zeichen  hin.  die  Tftul)e  darcli  das  offene 
Chorteuster  hinaus  zu  jagen,  so  daß  sie  in  dm  Kirchenschiö  hinabtlaitere.  Gesagt, 
getan!  Der  Pfingstsonntag  war  gekommen,  die  Kirche  war  ubervoll  von  Neugierigen, 
die  gern  die  Ankunft  des  heiligen  Geistes  gesehen  hatten,  und  der  Pfiurar  begann 
seine  Predigt.  Der  Kaplan  aber,  der  ans  Ulbo  war.  schlich  sieh  leise  und  unbemerkt 
zu  dem  oben  im  Chor  versteckt  angebrachten  Käfig,  in  dem  die  Taube  gehalten  worden 
war.  um  sie  lür  den  richtigen  Moment  in  Bereitschaft  zu  haben  Aber,  nh  er  hinzu- 
trat, —  o  Schrecken!  —  ein  Haufen  blutiger  Federn  war  alles,  was  von  der  schönen, 
weiOen  Taube  übrig  geblieben  wer,  und  Tsrriet,  daß  die  KaUe  des  Küsters  hier  bar- 
bariseh  gdianst  hatte.  Aber  was  nun  tun?  Sdion  naht  die  Stelle  der  Predigt,  wo 
die  Tsnbe  hnabflattern  ?oll,  der  Pianer  spricht  die  als  Zeichen  verabredeten  Worte, 
—  lange  erwartungs^dle  Pause  — ,  er  wiederholt  sie  nochmals,  räuspert  sich  unge- 
duldig und  sieht  ärgerlich  zum  Chorfenster  hinauf,  mit  den  Augen  winkend,  -  der 
arme  Kaplan  aber  windet  sich  in  verzweifelter  Ratlosigkeit :  was  tun  r  Da  kommt  ihm 
ein  erldsender  Gedanke.  Br  beugt  sieh  weit  in*s  offene  Cborfenster  hinaus  und  ruft 
sur  Kansel  hinab:  »Herr  Pfisrrer,  ich  kann  nidits  daittr!  Aber  der  heilige  Geist  ist 
von  der  Katee  gefressen  worden!« 

vn. 

Ein  wegen  seines  Geizes  berüchtigter  Wirt  in  Ossero  sann  darauf.  wi>»  er  dem 
Besuch  seines  Albergn  seitens  dt^r  Fremden  aufhelfen  könnte.  Da  däueiitc  ihm  das 
beste  Lockmittel  für  die  Besucher,  wenn  er  ein  recht  schönes,  sauber  gomaite»  Schild 
mit  einem  recht  malerischen  Wappentier  über  dem  Eingange  seiner  Wirtschaft  an- 
britcbte,  würde  dies  gewiß  die  Fremden  zum  Besuch  anlocken.  Er  begab  sich  slso  su 
einem  wegen  seiner  Schalkhaftigkeit  berühmteu.  venezianischen  Maler  und  frug  ihn, 
ob  er  ihm  wohl  ein  recht  schönes  Schild  malen  wollte  mit  einem  jiriichtigen,  lang- 
mähnigen  Löwen  und  darunter  der  .\nfsrhnft:  »Albergo  al  leonp«.  Der  Maler  erklärte 
sich  bereit,  nur  fragte  er,  ob  er  den  Lüweu  mit  oder  ohne  Kette  malen  solle?  Ver- 
dutst  meinte  der  Wirt,  das  sei  doch  ganz  gleich?  0  nein,  durchaus  nicht,  antwortete 
der  Haler,  für  ihn  nicht,  da  ihm  die  Kette  mehr  Arbeit  und  Farben  koste,  weshalb 
er  auch  den  Pr  eis  für  den  Löwen  mit  Kette  hoher  ansetzen  müsse  als  für  den  ohne 
Kette,  für  den  Wirt  aber  nicht,  da  der  Löwe  ohne  Kette  leicht  auf  und  davon  gehen 
könne.  »Schon  gut<.  lar-hte  der  Wirt,  »ich  habe  von  euren  Schalkereicn  genug  ge- 
hört! Das  ist  wieder  einer  eurer  Spaße!  Wie  soll  ein  gemalter  Löwe  davon  rennen? 


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Robert  Lieh,  Volkilieder  ia  LoMingrande. 


623 


Malt  mir  nur  ilen  billigeren,  ohne  Kette!«  Wirklich  erhielt  wenige  Ta{fc  darnach  der 
"Wirt  sein  Schild  mit  einem  prächtigen  Löwen  und  der  gewünschl'  ii  Aufschrift,  und 
war  mit  dem  Bilde  sehr  zufrieden.  Am  nächsten  Tage  trat  ein  starker  (iuGiegen  ein. 
und  aU  am  übemächsteu  Tage  der  Wirt  aiub  wieder  am  Anblicke  seines  Schildes 
eifrenen  wollte,  fSftnd  er  «war  die  Au&cbrift  nnrerindert,  der  IjBwe  eher  war  und 
blieb  spurlos  vwMdtwundi  ii.  Der  Schalk  von  Maler  hatte  nlmlich  die  Aufschrift  mit 
Ol-,  tk'ii  Tiöwen  aber  mit  Wasserfarben  gematt,  und  diese  waren  natürlich  vorn  Rcpr«ju 
vegtrewiischcn  worden.  Entrüstet  begab  sich  nun  der  Wirt  zum  Maler  nnd  stellte  ihn 
zur  Kede,  was  das  für  ein  Betrug  sei!  »Was  wollt  ihr?<  sagte  der  Maler.  >lmb  ich  s 
«ttch  niclit  gleidi  gesagt,  daß  der  Lowe  ohne  Kette  Mehi  mal  und  davon  geht?c 

vm. 

Die  (jremeiode  von  Ulbo  ist  sehr  arm,  so  dali  sie  nicht  einmal  die  Mittel  hat.  in 
ihrer  Ktr^e  eine  Seaael  bauen  zu  lauen.  Vielmehr  ersetzen  sie  diese  durch  einen 
groBen,  umgekehrt  «o^eeiellten  Bottich,  in  den  sonet  immer  der  Wein  gekeltert  wurdet 

und  den  sie  mit  Teppichen,  Blnnit  n  n.  s  w.  üherkleiden.  Kitist  predigte  nun  derPferrsr 
von  niiii.  der  ein  sehr  stürmisclies  utid  leidenscluifllii  lH's  Temperament  hatte,  am  Tage 
Christi  HiniineHalirt.  und  so  giüiiend  und  fiehwlirmerisch  redete  er  sich  in  seine  ße- 
geisteruDg  hinein,  daß  er  voll  heiligem  Eifer  auf  dem  Bottich  hin  und  liertrampelte. 
Nun  wer  dieser  tber  eehon  vom  Alter  morsoh,  und  eo  gesohih  e»,  dn6,  als  der  P&rrer 
die  Worte  ipreeh:  »Und  er  itieg  vor  ihren  Augen  in  den  ffimmel  auf«,  der  Boden 
brach  und  der  gute  Pfarrer  vor  den  Augen  seiner  Ottubigeo  spurlos  verschwand.  Sie 
aber  ptarrten  voll  Entzücken  begeistert  zur  Decke  empor,  wo  ^ie  ihren  Pfarrer  sehen 
zu  müssen  meinten,  und  schwören  lieute  nuch  steif  und  fest,  es  sei  damals  ein  Wun- 
der geschehen :  voll  Verzückung  sei  er  auf  einige  Augenblicke  in  den  Himmel  empor- 
gefahren. 

IX. 

Der  Pfarrer  von  Xeresina  und  ein  bei  ihm  zu  Gaste  weilender  Mönch  wetteten 
einst,  ob  letzterer  c<?  znsarnmenbringr'*"  möchte,  bei  ofifener  Predigt  vor  der  glänzen 
Gemeinde  dreimal  von  der  Kanzel  herab  zu  rufen:  »Persutto,  Persutto.  Persuttoc.  (Per- 
sutto  Hl  Provinzialismus,  verderbte  Form  des  im  Schrift-Italienisch  lautenden  Wortes 
Prosdutto,  dae  heiSt  Schinken;  im  lussinischen  Dialekt  kann  aber  persutto  vujok  ge« 
branoht  werden  für  ]jera^ciutto,  das  heißt:  ganz  durch  and  durch  trocken,  ausgetrock» 
net,  ausn-cdorrt.  Sollte  der  Mönch  es  zu  Stande  bringen,  so  setzte  der  Pfarrer  einen 
ganzen  Seliinken  zum  Wettpfand.  Nach  kurzem  Nachdenken  nahm  joner  dig  Wette 
an.  Am  nächsten  Sonntag  hielt  er  die  Predigt,  in  der  er  ausführte,  wie  Christus  arm, 
hungernd,  durstend,  bald  von  der  Hitae,  bald  von  der  KUte  leidend,  auf  Srden  wan- 
delte, und  rief:  »Persutto.  persutto,  persutto  peraacintto)  e  perbagnato  (Aristo  a 
camminato.«  (Von  Hitae  verdorrt  und  vom  Regen  durdmaßt  hat  Christus  auf  Erden 
gewandelt» 

X. 

Mehrere  lussignesische  Studenten,  die  m  Padua  studierten,  machten  bei  einem 
vttaten  Gelage  etneii  von  ihnen,  der  Antonio  hieß,  trunkea.  schoreu  ihm  Kopf  und 
Kinn  glatte  daß  er  kahl  wie  ein  Mönch  aussah,  sogen  ihm  einen  schwarzen  Mönchs- 

habit  an  und  trugen  ihn  vor  die  Pforte  des  nächsten  Klosters,  wo  sie.  mitten  in  tief- 
ster Nacht,  den  Pförtner  nm  di-m  Si  lilafe  läuteten  un-l  ihm  sagten:  >Hochwürden,  es 
tut  uns  leid,  daß  wir  euch  dies  antun  müs^n.  Aber  hier  diesen  hochwürdigen  Herrn 


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Eobert  Lach,  Volkslieder  in  LuMingrande. 


fanden  wir  jetsfe  loeben  in  «iner  Schenke  in  wÜBtem  Geaaufe  und  in  GateUsdiaii  lied»^ 
lieber  lIlireibBbilder;  er  war  «dion  ganz  beunnongaloa  vom  Trinken.  Ist  m  vielleidit 

einer  \  ui  tl*  ii  Iiochwürdi^en  Fratres  eures  Klosters?«  Der  Pförtner,  voll  Scham,  daß 
ein  Geistlicher  den  fifei^^tlirlieii  Stand  so  entehre,  dankte  den  Studenten,  daß  sie  diesen 
fremden  Moncb,  der  /.wiii-  nicht  sfinem  Kloster  antjehörc,  sondern  vielmehr  weiß  Gott 
woher  hergelaufen  gekommen  sein  müsse,  den  aufzunehmen  aber  docli  Pllicht  sei, 
«chon  damit  er  nidit  linger  den  geiatlicben  Stand  so  Temnoere^  ans  der  Ctoese  ge- 
togen  hotten.  Die  Studenten  «ogen,  heimlioh  taehend,  davon,  der  beiinnnngalose  An- 
tonio aber  wurde  xn  Bette  gebracht  und  schlief  in  einer  Mönchszelle  bis  zum  nächsten 
Morgen.  Al«i  er  ntm  erwachte  und  rings  um  sich  lauter  Cnicifixe,  Weihkessel  n.  s,  w. 
wahrnahm,  fand  er  sich  nicht  ziirefht  tmd  glaubte  zu  träumen.  Während  er  noch 
ratlos,  mit  wüstem  Kopfe,  »ich  zurecht  zu  tinden  suchte,  trat  der  Prior  und  Subprior 
des  Ktosters  ein,  nnd  mit  tiefenutar,  strenger  Miene  donnerten  sie  ihn  empSrt  an, 
welohe  SfJrftnit^»  es  dodi  sei,  wenn  ein  Odstlidier  sich  so  weit  vergesse  nnd  so  tief 
in  den  Schmutz  falle.  Vergeblich  beteuerte  er,  er  sei  gar  kein  Geistlicher,  er  wnsse 
nicht,  wie  er  hier  lierkomme;  sie  wurden  ob  seines  hartnäckigen  Leugnen«  nur  ruch 
empörter  und  drohten,  ihn  in  eine  geistliche  Korrektions- Anstalt  zu  schicken.  Da, 
mitten  in  der  höchsten  Bedrängnis  und  Verzweiflung,  kam  ihm  ein  (}edanke:  »Hoch- 
wfiidigste«,  rief  er  den  Geiatlidhen  an,  »sohiokfe  do<di  jemanden  nadi  Padua,  an  die 
üniversitlU,  um  nachzufiragen,  ob  dort  nicht  ein  gewisser  Tonio  aus  Lussin  Phar- 
macie  studiert.  Und  wenn  er  nicht  dort  ist  und  auch  nicht  in;  Hiiiiiiiale  nder  in  der 
Schenke  bei  der  schönen  (üiaUetta  sitzt,  dann,  —  ja,  meiner  Seel',  dann  glaube  ich, 
daß  ich  der  bin!« 


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Bob«rt  IiMb,  YolUMiar  in  LutiiiigrMid«. 

Nütenbeilage. 

1.  Moderato. 

3|J  I  I  j|J^^ 


625 


^1 


9*  Moderato. 


^^^J       J    J     J     J  ^=p:^^-^ 


3.  Allegretto. 


la    qael.l»  bax.clie .  tol.la,      che    va  canUnd'al  .  lo.n. 


4.  AllegTO. 


II  I  jJinr^^J  II  I  i'  j  I 


Un  mMeiivQlovaBespo^a.re 


If  ^  Jl 

41 


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626 


Bahwi  I«ei^  Yotkslieder  in  LntatogMiid«. 


5.  Afidantino  espressivo. 


Ckr  icLcaa .  ta.to,   ter.ra  da.  mo.ro. 


B,  Andantino  molto  espresBivo. 


m 


la  (^uoila  fiae  .  strolla      Ma.rLetta  sta&se  ,  ra.ta 


7.  Allef  xetto. 

1?^ 


jinJU^LlL/l^r  IM  I  I  II'  IMoj  ||  II  II'  I 


S.Alle^etto  yiaiioio. 


IMi,ti    4Mta.fan.didU,l«  lo.in. 


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fioM  Lach,  ToOnliadir  in  Luringnmd«. 
Allegfretto  scHerzando. 


627 


Sei  gra .  zioäa,Bi'i  vaga  fanciuUa,  i  tuoi  o  .  Ghiluuife.ritoilimocuor. 


ritard. 


ritrn. 


i(X  AllegTO  molto  briUante. 


Qua  sotto  il  notitrocicl  tut.to  üc   cua.ta  bei 


Chor. 


tl.  Adagio  multo  espressivo. 


pif  r'T  (  rnp 


tb  braml  ea&.cel . lar  dal  niio  pen  .  siero. 


r  iiiLi  iTr-  'Hro'f  frr  » 


41' 


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028 


Bobtrt  LMh,  Volkdiedo-  in 


iZ*  Adagio  moUo  tottenuto. 

r  IM  I  iujT  II  i|j  iLj^  I  1 


13.  Andante  molto  •tpieseiTO. 

_P  ■ 


^^^^^  i-T"  1 1  I ?i|  I  j.  1 1  ^rfPiji 


14.  AUegretto  g-razioso. 


15. 


4 


-t 


i 


Tere  .  ei. na  vien' ab  .  bas.so,    e    un'      o .  rat  ch' io eon'  qui,  la 


lun'  e      tan  .  to    chia .  ra,   chia .  ra,      chia .  ra  com*   il  di. 


Digitized  by  Google 


Robert  Lach,  YoUcslieder  in  Lussingrande. 


629 


M,  AUegfo  molio. 


£h,  per.di6?por.cbe  din  (icii.dm.dra.    In     mez  .  zo  ma.reun 


T  I  fi  I  1  I  "rT7-rn 


sco.glio  ci     8ta.        Tat  i  ti    veu .  go.no  be..Te.re  qua. 


Eh,  pordiAf   £h,  perehe?      Eh,  perehef  PerdiA  dindAiidiii .  dnt. 


Allegrettü. 


La  notto  fa.mo  .  si»  .  sLina  del      ao  -  strore.den  .  torl 


Ni.na,6u  via!  per.6ua.di  t*eMere   fat.tapw  V%  .  mor. 


Piu  adag'io,  molto  caiitabile. 


Ni  .  na,d'abando  i    ucru.po.li!     uon  star  me  dir  ve  uo! 


^^^^^^ 


Se  eompagnaeti'in  goDdcUa    eta  notte  vieif  eon    mh\  Ni .  lUi  eto. 


f^VLlT[U^rJ;71^ri-MM^/||  'f ff '  'ili'  Vir'rr '  ^i^l  I 


18.  Allegro  molto. 


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Robert  Lüh,  VoUaiieder  in  LutangnadA. 

19.  AllegTo. 


#  0-^ 


»0. 


B 


J    I    t  I 


I  I 


i 


jiT  r/rrrrirujr  r  if  "ü^limmjri 


8.  a) 


"j-^i  j  j  j  j 


hime.na    hime.na       o.ria  buz&.dt'rne.na    JJT&fju.  di      draga  di 

b) 


Toi  po  FM  no  n  me  xd. 


Digitized  by  Google 


Bobtrt  Ltidk,  VoDBriMflr  in  LttMagnude. 


Ü31 


^  - .  Lento. 


5.  Lento. 


f     I  I 


Ni  servaeea,  ni  propall»  dogle  iivismo 


^^^^^^ 


7.  Majka  je  Maru  preko  morazvala.  g  ^ 

nJn  J^ii  JiJ  Ji^r  TTTTT^lT^i  I 


8.  üra  je  doäla. 


c. 


-Ol 


-  ir  r 


r 


Digitized  t 


632 


Robert  Lach,  Volkslieder  in  LuMingnuicle. 


9.  Litanie  Antoniane. 
a)  


tl  8 


im 


Gospodi 
Sve 


no 
ta 


po 
Ma 


mi 


ri 


o 


kar  .  .  ste  pomi  .  lui. 
mo  .        .Ii       sa  n&s. 

-A-  A  ^  ^ 


33: 


Litailie.*  0  I'ressvetoin  sr^u  isusovu. 


j  n 

tJr  r 

-li^^ — - 

1     u*  ' 

3.  Litailie  Lauretaiie. 


c) 


r 


f  f 


.0 


r  f  ^ 


m 


i 


i 


1 


i 


,  f), 


^'  I  ff  lüTir  tf  ir  r 


3C 


Digitized  by  Googl 


Bobert  LmIi,  Volkdiedar  in  Luumgnad». 

4.  Draga  Mojo  (Neir  Assumpta).  (6VAr«//.; 
Morendosi  per  l^processione.  ^ 


683 


Glerus. 


5.  Iste  Confessor. 


^  ""r  r 

r  r 

«  

-r-f- 

F  tfr 

r  r 

m 

r  r 

.1^-^ ---- 

r  r 

A .  menJ 

"  r"  r' 

6.  Messa  Domenicale  Lussignese. 


Digitized  by  Google 


684 


Bobcvt  LmIi,  Volkdiadtr  m  Lmnogrand«. 


7.   dies  Irae) 


8.  Veni  Creator.  (Alla  Lussienese)  Mentcs  tuorum  etc. 

'  -  I  I  II  i  j_iJ  Jinj 


f 


i 


fr 


9.  Ave  Maris  stella  (Alla  Lussi^upse). 


-  r 

^  ^  J  

r  " 

A  .        .  men.  | 

1  -„ 

9  p  

Digitized  by  Google 


635 


10.0  salutaris  hostia. 


j  j. 


i 


7 


i  J 


Credo 


Src  IssuB  ovosro  umeai 


^  b) 


Digitized  by  Google 


636 


Bobert  IaoIi,  Tollnliodsr  in  Iniitiiigmid«. 

D. 


.  Allegrro. 

*•  Alt«^  und  Sopran«? 


AiT«'  una  Bopran«?.  f^^^^ 


Bis««  und  TeBors. 


Alt«  «ad  Soprane. 


rr 


Aüegretto. 

9*  8«halin«i. 


rr 


Alt«. 


Busse  und  Teiiore 


Digiiiztxi  by  Google 


Bobert  Lach,  Volkslieder  in  Lussingnunde. 


637 


BäBse  und  TtBore. 

■  • 

Alte  und  Soprane.      |^  \   ^  p  |>*m 


Tutti. 

fischiotto*-' 


3.  Allegro. 


Coro  tutti  con 
fischiotto. 


Solo 


i 


Coro  (  on 
fischiotto. 


m 


f 


4.  AllegTo. 


*>  Die  mit  fiteiiiotto  beseiehxieten  8toll«ii  mrd«B  «if  in  WasMrglÜter  gehalienea, 

dünnen  Pfeifchen  gepfiffen,  ßodafi,  durch  das  Hineinblasen  in  das  Wasser,  ein  dem 
Vogelp'ozwitschor  ungemein  ähnlicher  Effekt  entsteht;  diese  pastorale  Spiölerei 
ist  in  den  alten, kroatischen  Hirtcnliedern  Lussius  und  dessen  Umgebung  unge. 
mein  beliebt. 


Dlgitized  by  Google 


638 


Bob«rt  ladi,  VolkiUader  in  iMmaggnßB. 


6.  AÜegro. 


i";ifgii'gii^'^i|i[^i|i'ipi'^ii't 


15= 


l'i'.^i'^i|i|i^iiU'^^i|L|i%|iAiV,rii  ,1 1 


6.  AllegTO. 

m 


.Digitizedby  Googl« 


BolMit  lAQh,  Volkslieder  ia  InMKqgnode. 


639 


7.  Ailegro. 


8.  AllegTO. 


f'!lf  PIf  r^IHTIf  p^"^!.! 


9.  Ailegro. 


Digitized  by  Google 


e4o 


Bobert  Lach,  Yolktlieder  in  Lotiingrmiide. 


iO,  (ßd%BB  luigarisoliesVoULBltedflberkrMtiBolwr  Pastoralmelodie.) 


i>         fi'  p  p  I  p 


Sze  .  ret  .  ai    szan  .  ta  .  ni         hat     ök  .  ret    bag  .  ta  nii 


ha  ros.zom j5n  .  ne.ez  .  eket  tar.ta.ni,       sze.ret .  ni  szän .ta.ai 


iüu  ök.ret  hag-ta.ni      ha  rot>.2om  Jöo .  iie,ez  .  eküt  tar.ta.m. 

i.  E. 


2. 


'I  r  ,  r  f  irr 


3.  Merezinka. 


I  lll,lllR7l|ni|n^|nj|j77]|j  j, 


Digitizcü  by  Guv.(L.it. 


Aobtrt  ImclL  Volk«Jiedcr  in 

4.  Ol  djevojko  veselo«  Teselo  ti  srce. 


641 


6.  Corri,  oonri,  86  ti  me  vol  ciapar. 

Ji  I    I  I  I  I  riTlTTTTTl  liiTTrii  I  I  Ilj  I  I 


6.  Vinca. 


T  Vinea. 


«2 


r  Ml  I  niiii  1 1.^ 


-i  r- 


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642 


8.  Monfrino. 


Boberl  Ladk,  VolkilMdcr  i&  LBNiB|FUida. 


j  D.C.  la  I  volta  dal  BOgnoiSt 


fin  al  seguo 


Digitize<3  by  ÜOOgle 


Itnutti  Krolm,  Welche  ist  die  beste  Methode  Volkdieder  zu  ordnen?  643 


Welche  ist  die  beste  Metbode^  um  Volks-  imd  volks- 
mäßige  Lieder  nach  ihrer  melodischen  (nicht  textlichen) 
Beschaffeniieit  lexikalisch  zu  ordnen?^) 

Voa 

llmari  Krohn. 

■Hei«mgfors.; 


I. 

Zur  Beantwortung  der  obigen  Frage  muB  man  zunächst  feststellen, 
welcher  Zweck  durch  das  lexikalische  Ordnen  der  Volksmelodien  erreicht 
werden  soll.  Es  scheint,  daß  er  in  der  wissenschaftlichen  Erkenntnis 
jeder  einzelnen  Melodie  liegen  muß,  wodurch  ihre  Besiehnngen  zu  anderen 
Melodien  möglichst  klar  und  vollständig  zu  Tage  treten.  Demgemäß 
scheint  es  wichtig,  unterscheiden  zu  können,  welche  Helodien  nationales 
Eigentum  bestimmter  Völker,  und  welche  intemationales  Gemeingut 
größerer  Völkergruppen  sind.  Die  nächste  Frage  betrifft  den  Ursprung 
der  internationalen  Melodien,  die  entweder  von  einer  bestimmten  Nation 
aus  sich  weiter  verbreitet  haben,  oder  schon  seit  alter  Zeit  Gemeingut 
vieler  Völker  gewesen  sind  und  sich  dadurch  als  Nachklänge  uralter 
Musik  besonders  bemerkbar  machen. 

Um  derartigen  schwierigen  und  umfassenden  Forschungen  entgegen^ 
zukommen,  würde  es  Hich  sicherlich  empfehlen,  das  bisher  gesammelte 
Material  in  anschaulicher  Weise  zu  ordnen,  und  zwar  so,  daß  alles  noch 
dazu  tretende  Material  sich  mit  Leichtigkeit  eingliedern  lassen  könnte. 
Da  nationale  Gesamtausgaben  der  Melodien  der  einzelnen  Völker  eine 
notwendige  Vorbedingung  fttr  die  vergleichende  Forschung  bilden  und 
erst  aus  ihnen  die  internationalen  Melodien  allmählich  erkannt  und  ab- 
gesondert werden  können,  ho  wollen  wir  die  Frage  der  Anordnung  zu- 
nächst  auf  die  nationalen  Sammlungen  beschränken. 

Die  vorhandenen  Melodie-Sammlungen  sind  meist  nach  außermusi- 
kaltschen  Grundsätzen  geordnet.  Eine  Ausnahme  bildet  das  große 
Sammelwerk  von  Job.  Zahn:  »Die  Melodiken  des  evangelischen  Kirchen- 
liedes«, welches  nach  metrischen  Gesetzen  geordnet  ist  Diese  Anord- 
nung empfiehlt  sich  für  den  Zweck,  eine  dem  Gedächtnisse  klar  vorlie- 


If  Wir  veröffentlichen  hiermit  eine  zweite  Antwort  ftof  die  von  Mr.  D.  F.  Sohenr* 
leer  'siehe  Zeitschrift  der  IMQ.  Jahrgang  I,  Seite  219)  au^geschriebtn*'  Preisfrage. 

lUü  Redaktion. 

42* 


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644 


Itmaii  Krobo,  Welche  i»i  die  beste  Methode  VoUulieder  m  ordnen? 


gende  Melotlie  miiliclos  auf/.uliiulLii  niid  d'w  darüber  Rcwünschti'n  niUieren 
Aiiffaben  zur  Huiul  zu  haben.  Für  die  verul<'i<  h('iide  M>  loilitii-Fui- 
scliuug  ist  sie  aber  su  gut  wie  unfrurhtl»ar.  l  lii  v<•I•^\aIl(ltt'  ^klodien 
aufzufinden,  muß  man  die  ganze,  Taii^t ude  vrm  Weisen  umfassemk' 
Sauimlüüg  durchsehen.  d*'nn  die  ^'ariaMt»•^l  können  ja  oft  gruiulver^cliie- 
denen  Metren-Klassen  angehören,  <i:i  diestdbH  Mclmlie  sich  sehr  leicht 
auf  die  versehiedenston  KliythintMi  und  ^lelreii  ültt  i  Ii  aLren  läßt. 

Eine  (^rundla;:«'  für  die  in  lietracht  zu  ziflifiulr  Kintrilung  ergibt 
sich  aus  »Icii  ui  olien  Haupt-Kategorien  der  Vulk^iiK  liMlit  n :  1)  Epische 
Gesiinge.  2.  iivrische  Tjieder,  3  Tan/weisen.  Diu  niusikulischen  i'unaen 
dieser  Kategorien  grenzen  sich  niti>tens  scharf  von  einander  ab.  indem 
die  ersten  rezitierentler  Art  sin<l,  die  zweiten  sich  in  knappen,  abge- 
rundeten Formen  bewegen  und  die  dritten,  als  lubtruniLntülmusik,  be- 
weglichere Tongiinge  und  ausgedelintere  Formen  aufweisen.  Indessen  ist 
ein  großer  Teil  der  lyrischen  Lieder,  nändich  die  geistlichen  Volkslieder, 
oft  breiter  geformt,  wie  auch  die  Kirchenlieder,  aus  denen  sie  nicht 
selten  entsprossen  sind.  Auch  stehen  andererseits  die  Reigenlieder,  ob- 
gleich zum  Tanz  gesungen,  in  der  Form  den  lyrischen  Liedern  am 
nächsten,  und  ausgedehntere  rezitativische  Melodien  haben  etwas  von  der 
Freiheit  der  luBtnimentalmusik. 

Am  besten  wird  der  Forschung  gedient  sein  durch  eine  Anordnung 
der  Melodien  nach  ihrer  melodischen  Verwandtschaft,  also  nach  Vari- 
anten. Innerhalb  der  Yarianten^Gruiipeu  könn^  yerschiedene  Ter- 
wandtschafts-Grade  berücksichtigt  werden:  1)  Abweichungen  melo- 
discher Art,  bei  unberührter  Struktur  der  Melodie,  2)  Verschiebungen 
der  gegenseitigen  Yerhältnisse  der  Phrasen  (»Kola«]  und  Perioden, 
3}  Yeranderung  des  Umrisses  der  Melodie  durch  organische  Verlängerung 
und  Verkürzung  des  Silbenmaßes  der  einzelnen  Phrasen,  oder  durch 
Wegfall  und  Zufügung  ganzer  Phrasen,  4)  Verwandtschaft  durch  melo- 
dische Anklänge  bei  grundverschiedenem,  organischem  Bau  der  Melodien. 
Durch  Verwandtschafts-Verhältnisse  der  letztgenannten  Art  können 
mehrere  Sonderabteilungen  innerhalb  der  Varianten-Gru[)pen  sich  bilden, 
mit  selbständiger  Grundform  für  jede  Abteilung. 

Die  Anordnung  der  Gruppen  ist  nicht  leicht  übersichtlich  auszu- 
führen, es  sei  denn,  daß  sie  nach  der  metrischen  Beschafitenheit  ihrer 
Grundformen  geordnet  werden. 

n. 

So  wichtig  die  Klarlegung  der  melodischen  Verwandtschaft  der  Me- 
lodien für  die  Forschung  ist,  so  schwierig  stellt  sich  die  Aufgabe,  die 
Varianten  alle  zusammenzufinden.  Die  genaueste  Kenntnis  von  Tau^^enden 
von  Melodien,  verbunden  mit  einem  trefflichen  musikalischen  Gedächtnisse, 


Digitized  by  Go  ^v,-^ 


Umari  Erohn,  "Welche  ist  die  be^te  Methode  VolkBlieder  zu  ordnen?  645 


sichert  den  Forscher  nicht  vor  Mißgriffen,  abgesehen  von  der  mühseligen 
Arbeit,  das  Material  von  Mal  zu  ]\Ial  durchzusehen,  um  die  Melodien 
einander  gegenüberzustellen  und  sie  mit  einander  zu  vergleichen.  Un- 
entbehrlich erscheint  somit  das  Herstellen  einer  Melodien-Kon  kordanz, 
worin  gewisse  charakteristische  Eigentümlichkeiten  jeder  Melodie,  lexi- 
kalisch geordnet,  sich  auffinden  lassen,  so  daß  für  die  vergleichende 
Gegenüberstellung  «hf  ^ft  lodic  u  nui*  diejenigen  durchgesehen  zu  werden 
hrauchen,  deren  BescLafenheit  irgendwelche  Möglichkeit  der  Verwandt-  * 
schalt  in  sich  birgt. 

Die  Einrichtung  einer  Konkordanz  für  Volks-  und  volksmäßige  Me- 
lodien müßte  nach  zwei  verschiedenen  Gnindsätzen  eingerichtet  werden, 
wodurch  zwei  soll>stänilige,  auf  das  je  vorliegende  gesamte  Material  sich 
beziehende,  Abtei  hingen  entstehen  würden : 

erstens  in  Anl)etracht  der  melodischen  Gestalt  jeder  einzelnen  Phrase, 
zweitens  in  Anbetracht  der  Struktur- Verhältnisse  der  Melodien, 
üb  es  sich  lohnen  würde,  als  dritte  Abteilung  einen  Katalog  der  Melo- 
dien  nach  Metren -Klassen,  ^nach  der  Anordnung  von  J.  Zahn),  zusam- 
menzustellen, mag  dahingestellt  sein.  Eine  derartige  mechanische  Arbeit 
würde  allciifalls  etwas  zeitraubend,  sonst  aber  ohne  weitere  Schwierig- 
keiten zu  bewältigen  sein.  Dagegen  muß  die  Ausführung  der  obigen 
zwei  Abteilungen  der  Konkordanz  näher  beleuchtet  werden.  Als  Probe- 
Material  folgeii  hier  2ü  deutsche  Kirchenlieder: 


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646     Bmari  Krohn,  W«lohe  iit  die  beste  Methode  Volkslieder  m  ordnen? 

Valet  will  ich  dir  geben. 

— r- 
2 


4: 


3tZC 


]  I  I 


«  ^  ;  j  ' 


Vom  Hir  imftl  hocli,  da  kumm'  ich  her 


-1- 


Nun  singet  and  seid  froh. 


& 


— t- 


— #- 


P-  1  !  1  ' 

Ä3C 


Nun  laßt  uns  Gott  dem  Herren. 


6. 


^  ^ 


\  I 


22: 


Henlich  thut  mich  verlangen. 


7, 


'^^^^^ — j — r-rt 


-9 — #- 


L«!  h 


j — r 


— c> — 


& 


Sollt'  ich  meinem  Oott  nicht  singen. 


-i- 


i4= 


^^^^ 


5 


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Bnuri  Kiohiif  Welche  ist  die  beste  Methode  VoUcilieder  cu  ordnen?  647 


7      ^     t  -2  0. 


— 0- 


-# — 0- 


Werde  nimter,  ueiD  OemUte. 


9-  m^'Ei^ 

 ¥• 


_i — 


-jtruL 


 — ^ 


m 


Gott  des  Himmels  und  der  Erden. 


10. 


i 


I 


^  II 


Jesu,  meine  Freude. 


m—m—0- 


i 


O  Gott,  da  frommer  Qott. 


Christus,  der  ist  aiciu  Leljcn. 


13.  fc^: 


— # 


— r 


3£: 


0  Welt,  ich  muß  dich  lassen. 


14. 


iP  '4-  

u — r-°^ 

Ii     i    fl^  p:j 

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648     Xlmui  Krohiif  Welche  ist  die  beste  Methode  VoUuUeder  sa  ordnen? 


— — r 


r    rj  f 


3 


m 


Aue  tiefer  Kot  Mdiret  idi  ca  dir. 


Wenn  wir  in  höchsten  Nöten  sein. 


•d? — ^ — *■ 


M-t — U- 


— t— 


17. 


Auf  raeinen  lieben  Gott. 


js!: 


Es  ist  gewißlich  an  der  Zeit. 


18. 


 1                     -  ■ 

 1 — ' 

3:: 


■'5'- 


—  ö-- 


Fren*  dich  sehr,  o  meine  Seele. 


a 


S3i 

f  f  f 

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nmui  Krolm,  'Welche  it(  die  beste  Methode  Votkriieder  ni  ordnen?  649 


1^ 


:4: 


Nun  danket  alle  Gott. 


2f). 


— #- 


ni. 

Die  melodische  Bescbaftenbeit  jeder  einzelnen  Phrase  tritt  heiTor 
durch  das  Stieb- Motiv';,  welches  ihre  wichtigsten  Töne  enthält  Die 
melodisch  hervorragenden  drei  Haapttöne  sind:  1)  der  Ausgangspunkt 
der  melodischen  Betonung  (nicht  zu  verwecliseln  mit  der  Anfangsnote), 
2]  der  Mittelpunkt  des  melodischen  Ausdrucks  (durchaus  nicht  immer 
die  höchste  vorkonmiende  Note],  3}  der  abschließende  Ruhepunkt  (wie- 
derum nicht  ganz  identisch  mit  der  Scblußnote:.  Die  übrigen  Töne 
mUssen  als  mehr  oder  weniger  zufällige  Neben  töne  aufgefaßt  und  be- 
zeichnet werden.  Um  das  Vergleichen  zu  erleichtern,  mUssen  alle  Stich- 
Motive  auf  einen  gemeinsamen  Grundton  bezogen  werden;  am  geeignetsten 
empfehlen  sich  die  Tonarten  Ö-dur  und  ß-molL  Was  die  alten  Tonarten 
betrifft,  die  im  Volksgesange  häufig  vorkommen,  so  mußten  ganz  bestimmte 
Grundsätze  fUr  ihre  tonale  Auffassung  zur  Annahme  kommen,  wodurch 
sie,  gleich  Dur  und  Moll,  auf  eine  bestimmte*  Tonika  hezogen  werden 
können.  Der  Baum  und  die  Gelegenheit  verbieten  es,  uns  hier  darüber 
weiter  auszubreiten. 

Die  Stich-Motive  der  obigen  20  Kirchenlieder  geben  zunächst  in  der 
Ordnung,  wie  sie  vorliegen,  folgendes  Bild,  zu  dessen  näherem  Verständ- 
nisse noch  einige  Bemerkungen  dienen  mögen.  Die  Viertelnoten  bezeich- 
nen die  Haupt  töne,  die  Notenköpfe  ohne  »Hälse«  die  Nebentöne. 

£in  Nebenton  unmittelbar  dem  Haupttone  beigesellt  ^«  oder  ^)  bezeichnet 

einen  melodischen  oder  harmonischen  W c cli schon,  nach  welchem  der 
Hauptton  noch  einmal  vorkommt.  Durcligangstüne  in  ununterbrochenem 
diatonischen  Gange  werden  durch  den  Bogen  bezeichnet.  Ein  Akkord 
zeigt  beliebige  Gänge  in  den  angegebenen  Tönen  an.  Die  Taktstriche 
grenzen  die  Phrasen,  die  Doppelstriche  die  Perioden  ab. 


1  Die  Anroi^aing  zu  dem  Gedanken  der  Stich-Motive  verdanke  ich  Herrn  I>r.  Max 

Seiffert  in  Berlin. 


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Umari  Krohn,  Welche  iit  die  beste  Methode  Volktlieder  zu  ordnen?  651 


^2      ilwari  KrohOf  Welche  ist  die  beste  Metbode  Volkslieder  zu  orduen? 


— 

i^^t  r 

— 0 — ' 

— — 

— 1— 1 

 ^ — u.i=*4 

#  -r  -  "  ^ 

£0  #^    f  '    *  f 

-#-t-= — ^  ■  ^  1 

-#  — 

^  1  1  1_ 

-     ^          ■  11 

,  — ^ 

Die  Stich-Moüve  werden  dann  nach  der  Gestaltung  ihrer  drei  Haupt* 
töne  geordnet}  und  zwar  in  erster  Linie  nacb  der  Lage  des  ersten 
Haupttones,  in  zweiter  nach  der  des  dritten,  und  zuletzt  in  Betracht 
des  mittleren  Tones.  Uiu  verwan<lte  Arten  Ton  Sticfa-Motiren  einander 
möglichst  nahe  zu  bringen,  wird  es  sich  empfehlen,  die  Quintenfolge  als 
Grundlage  fttr  die  Reth^ifölge  der  Anfangstone,  (beginnend  ¥oii  der 
Quarte),  und  die  Entfernung  Tom  Anfangston  als  Grundlage  für  die 
Reihenfolge  der  SchluBtöne  zu  benutzen.  Bei  der  Einteilung  nach  dem 
mittleren  Tone  können  die  einfaclieren  Verhältnisse  zu  den  beiden  anderen 
Tönen  den  komplizierteren  vorangehen.  Übet  diese  Einzelheiten,  sowie 
über  die  weitere  Anordnung,  in  Betracht  der  Nebentöne,  wird  es  nicht 
schwer  sein,  Gleichmäßigkeit  des  Verfahrens  zu  erlangen,  in  irgend  einer 
beliebigen  Weise. 

Selbstverständlich  muß  jedem  Stich-Motiv  die  Nummer  des  Liedes 
(und  vielleicht  auch  die  Ordnungszahl  der  Phrase)  beigegeben  werden, 
so  daß  die  betreffende  Melodie  ohne  Schwierigkeit  aufgefunden  werden 
kann. 

Der  Gegensatz  der  Tonarten  (Dur  und  Moll)  kann  nur  zuletzt  als 
Einteilungsgrund  für  Stich-Motive  mit  gleichen  Haupttönen  gelten,  da 
die  Varianten  derselben  Melodie  sich  oft  um  tonartliche  Gleichheit  nicht 
kümmern.  Seltener,  als  in  Dur-  und  Moll-Tonarten  mit  gleicher  Tonika, 
finden  sich  Varianten  in  den  Parallel-Tonarten,  äußerst  selten  in  noch 
anderen  tonalen  Verhältnissen,  z.  B.  so,  daß  die  Dominante  der  einen 
Variante  in  der  anderen  als  Tonika  behandelt  wird  oder  auch  umgekehrt 
Bei  sorgfältiger  Arbeit  soll  demgemäß  z.  B.  das  Stich-Motiv  g  ag  auch  mit 
/>  c  h  und  mit  d  e  d  verglichen  werden,  um  keine  Möglichkeit, '  eine 
Variante  aufzufinden,  entgehen  zu  Wsen. 

Hier  folgen  die  Stich-Motive  der  20  Kirchenlieder,  ihrer  geringen 
Anzahl  halber  nur  mit  Angabe  ihrer  Haupttöne. 


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Smiri  Krohn,  Welche  ist  die  beste  Methode  Volkslieder  tu  ordnen?  6a3 


Nr.  8,4. 


Quarte 


17,6. 


Xr.  ü,l.    10,2.      14,6.   164.   16.1-   Aä-  10,3. 


6.S.  9.5.  14.S. 


Tonikt:  pE^=^z= 


I: 


2,1. 


i 


::li=l: 


18,1. 


3,4. 


2,2. 


54.  fi,2.  17,1. 


4.2. 


Nr.  3,6.  13.8.  20.1.         7,1.  7,6.        12,0.  8,5. 


17,5. 


1^ 


Ep3 


11,4.  13,2.  2,3. 


11,2. 


3: 


-) — 


i 


8,1. 


2,6.  8,1. 


9.1. 


17,2. 


1,1.  1,5. 


Nr.  1.2.  1,6.  9.2.  9.6.  12,2.  12,&  18,4. 


14,2.  14,6. 


Nr.  20,3. 


15,1. 


7,6. 


13,3. 


1,4. 


r- 


5.4. 


1 


7,3. 


3,2. 


8.8. 


6.2. 


8,6. 


12.4. 


18,3 


8,2. 


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ÖÖ4      Ilmari  Krohu,  Welche  ist,  die  beste  Methode  Volkslieder  zu  ordnen? 


Nr.  4,3. 


9,4.  30,6.  bfi. 


19,4. 


4,4. 


Nr.  17,4. 


Ters: 


12,1.   13,1.  14,1.   14,4.   19A  19.6- 

S-— ^  .   [t  J  ^  J 


■I    '  r 


1 


2,6. 


Iß. 


3 


1'  » 


«,4. 


m 


X 


^    3,6.      5,«.     6,4.     10,4.     13,4.     18,2.     18,6.     19,6.     20,2.  20,6. 


7,2.    11,1.    11,3.   11,6.  2Ü,4. 


r  '-;      I*  r  V  ^i^^*^ 


17,3. 


10,3. 


3,3. 


lß,4. 


10,1.  19.1.        16,2.  16A  16^> 

^^^^^^ 


5 


7.4. 


11,6. 


Septime:         '  j  -j- 


8,3. 
-# — 


IV.     ach  trag. 

Um  den  Baum  der  Sammelbände  und  die  Zeit  des  Lesers  nicht  un- 
nütz in  Anspruch  zu  nehmen,  ist  es  gut,  an  dieser  Stelle  die  Wieder- 
gabe der  auf  die  Preisfrage,  im  Herbst  1900,  eingesandten  Arbeit  ab- 
zubrechen. 

Bei  der  Darstellung  der  Stich-MotiTe,  obgleich  sie  hier  in  revidierter 
Gestalt  erscheinen,  kann  man  sich  des  Eindrucks  nicht  erwehren,  daß 
das  subjektive  musikalische  Empfinden  bei  der  Bestimmung  der  drei 
Haupttöne  eine  zu  große  Rolle  spielt.  Je  yertrauter  man  mit  den  Gre- 
setzen  des  musikalischen  Rezitativs  wird,  desto  bessere  objektive  Hand- 
habe kann  man  freilich  darin  erlangen.   Auch  das  Vergleichen  mehrerer 


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limari  Krohn,  Welche  ist  die  beste  Methode  Volkslieder  zu  ordnen?  665 


\'a!ianten  tut  i^utc  Uicnste  bei  dem  Unterscheiden  der  Haupt-  und  Ne- 
bentöne. Alu  r  dir  \'ananten  sollen  ja  gerade  erst  mit  Hilfe  der  »Stich- 
Motive  zusaninicnyuiuiKlp'n  werden!  —  Und  doch,  trotz  des  rchitiven 
Mangels  an  Objektivität  in  »li  ni  Vtrl'alueii,  mochte  ich  es  für  ein  ge- 
eignetes Mittel  halten,  wodun  h  der  Forscher  in  da-.  \\'esen  der  zu 
■  analysicrendi^n  Melodien  -.vird  eindringen  können,  wenn  auch  die  volle 
objektive  Jieherrschung  des  Materials  auf  anderem  Wege  erlangt  werden 
muß.  Deswegen  habe  ich  nicht  gescheut,  mit  der  ausführlichen  Dar- 
stellung des  Verfalnens  die  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Die  zweite  Abteilung  di  r  Konkordanz,  die  Scheniata  der  kompo- 
^Mtoi  i  i  hs  11  Struktur  der  Melodien  enthaltend,  kann  in  ihrer  damaligen, 
teils  netcli  unreifen  Form  am  lir  bsten  hier  wegfallen.  In  den  vergangenen 
zwei  Jahren  habe  ich  mich  mit  der  Aufgabe  bescliäftigt,  eine  Gesarat- 
aasgabe der  lyrischen  weltlichen  Volksmelodien  Finnlands  vorzubereiten. 
Die  dabei  klar  gewordenen  Ergebnisse  mögen  an  dieser  Stelle  die  abge- 
brochene eingesandte  Arbeit  ergänzen. 

Zu  allererst  muUte  es  einleuchten,  daß  die  Anordnung  nach  Varian- 
ten schheßlich  doch  eine  Unniöglichkeit  war.  weil  die  Au>5schlag  gebende 
Unterscheidung  der  entfernteren  Verwandt ^ehafts-drade  der  Melodien 
von  dem  subjektiven  Emijfinden  des  Einzelnen  aliliiingig  ist,  und  eine 
Gren/.liuie  nicht  klar  genug  zwischen  sicherer  und  liyjxithetischer  Ver- 
wandtsrliaft  zu  ziehen  niöirlich  i>t.  Die  Gesamtausgalie  der  geistlichen 
Volksmeludien  Finnland»'  ,  worin  icli  die  etwa  1000  Melodien  nach  Va- 
rianten gpordn*  t  habe,  ist  geeignet,  die  Vorzüge  und  Schwächen  des  Ver- 
fahrens aufzuweisen:  und  doch  giebt  der  l'mstand,  daß  die  größere 
Hälfte  der  Me'iodien  aus  Varianten  der  kin  hlic  hen  Choräle  be>tidit,  eine 
l)esonders  triftige  ]iegriindung  des  Verfahrens  in  diesem  Ix 's^underen  Falle. — 
Das  Herstellen  eines  Varl?«  nten-Katalogs  ist  freilii  h  für  jede  Me- 
lodien-Samnilunif  hiielisl  wertvoll  und  wünschenswert,  wenn  auch,  was 
d^n  objektiven  Wert  betrifft,  von  den  jeweiligen  Kort ^ehiitten  der 
l'orsehung  abhängig,  und  deshalb  einer  steten  Ergänzung  oder  Bc- 
richligung  bedürftig. 

Eine  sicherere  und  objektiv  unanfeclitbaiere  (irundla^e  für  das  lexi- 
kalische Ordnen  von  X  olksmehidit^ii  würde  das  Prinzip  der  komposito- 
rischen Struktur  abgeben  können,  so  wie  es  sich  bei  meinen  erwähnten 
vorbereitenden  Arbeiten  ergeben  hat,  zum  mindesten  für  soKIm  >relodien- 
Sammlungen,  wo  die  Hauj)tmasse  der  Melodien  <lie  vierzeilige 
Form  aufweist.  Die  Kadenz- Verhältni^^»"  d-r  vit-r  IMira-^en.  die 
sich,  mit  seltenen  Ausnahmen,  paarweise  gegenüberstehen,  snid  sehr  klar  und 


1  Su'uuch  Kans'in  S-iurh/ivi,  1.  II')i;/clh'.-i'>  äiiaelmiä,  Verlag  der  Pinniechen 
Literatur-Gesellschaft  in  Hclsingfora,  Ibiiö— 1901. 


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050      limari  KroUu,  Welche  ist  die  beste  Methode  N'olksheder  zu  ordnen? 


weisen  bestimmte  formale,  latent  harmonische  Gesetze  auf;  die  einen, 
guten  Überblick  über  das  Material  Terschaffen,  und  bei  deren  Befolgung 
im  Ordnen  der  Melodien  die  Varianten  der  nächsten  Verwandt- 
schafts-Grade,  (um  wie  viel  mehr  die  identischen  M!elodien},  sich  von 
selber  zusammenfinden,  sowie  die  entfernteren  Verwandten  zum  Teil 
ohne  Tiel  Mühe  aufgefunden  werden  können. 

Von  den  vier  Kadenzen  ist  die  letzte  in  erster  Linie  maßgebend  für 
die  Einteilung;  dann  die  zweite,  als  Abschlufi  der  ersten  Periode;  da- 
rauf ist  die  erste  Kadenz  für  den  Charakter  der  Melodien  Ton  Bedeutung: 
und  schließlich  ist  auch  die  dritte  in  Betracht  zu  ziehen,  obgleidi  sie 
eine  wenig  entscheidende  Stellung  einnimmt.  ' 

Von  den  etwa  3000  finnischen  Melodien  liegt  das  erste  Tausend  in 
obiger  Weise  fertig  geordnet  im  Manuskript  vor,  zur  Veranschaulichung 
des  Gesagten  füge  ich  hier  ein  Verzeichnis  ihrer  Einteilungs- Kategorien 
bei,  mit  Angabe  der  Anzahl  der  Melodien  in  jeder  einzelnen  Abteilung. 
Einige  Bemerkungen  müssen  aber  noch  vorausgeschickt  werden: 

1)  Die  wt'itaiiN  häutigsten  Kadenzen  fallen  auf  die  Tonika  und  die 
Dominante,  oder  auch  auf  deren  Terz  oder  Quinte.  Die  ersteren  soUeü 
mit  den  großen  Buclistaben:  T  und  D.  die  letzteren  als  Halbschlüsse 
angesehen  mit  den  kleinen:  t  und  d  bezeichnet  werden.  Für  die  ziem- 
lich seltenen  Schlü.sse  auf  der  Subdominante,  oder  ihrer  Stellvertreterin: 
Akkord  der  II.  Stufe,  in  Dur„  dient  die  Bezeichnung:  S  oder  s.  Die 
etwas  häutigeren,  in  Moll  vorkommenden  Kadenzen  auf  der  Tonika  oder 
Dominante  der  Paralleltonart  können  mit:  FT^  Pt,  PD  und  Pd  ange- 
geb^  werden.  In  den  Fällen  jedoch,  wo  der  Akkord  der  VIL  Stufe  in 
Moll  (mit  nicht  erhöhtem  Grundtone]  eher  eine  Stellvertretung  der 
Dominante  als  eine  wirkliche  Abweichung  zur  Faralleltonart  vorstellt, 
wird  er  mit:  d  bezeichnet. 

2^  Für  den  Charakter  der  Kadenz  ist  nicht  immer  die  letzte  Xot<? 
der  Phrase  maßgebend,  sondern  der  letzte  dynamisch  sich  geltend 
machende  T<m,  ohne  liücksicbt  auf  Durchgangstönc  u.  dgl. 

3)  Die  (Quinte  der  Tonart  hat  eine  Doppelstellung  als  gemeinsann/r 
Ton  des  tonischen  und  des  Dominantakkordes.  Wenn  durch  einen  i 
nachschlagenden  unbetonten  Ton  der  eine  jener  Akkorde  sich  geltend 
macht,  wird  ein  Halbschluß  angenommen.  In  anderen  Fällen  bleibt  die 
Bezeichnung:  D,  ohne  damit  die  latente  Harmonie  entscheidend  zu  be- 
haupten. 

4)  Einige  Sorgfalt  erheischt  auch  die  Unterscheidung  der  Ganz-  und 
Halbschlüsse  auf  der  Tonika.  Wenn  der  Grundton  mit  dem  stärksten 
Accente  d*'s  letzten  Taktes  der  Phrase  auftritt,  aber  die  Quinte  noch 
nachschlägt,  liegt  ein  Halbschluß  vor;  die  nachschlagende  Terz  kann 


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Vmwn  Kiohn,  Welche  ist  die  bette  Methode  VoUodieder  m  ordnen?  fö7 


aber  nur  dann  eine  solche  Wirkung  aus&ben,  wenn  auf  sie  ein  Neben- 

accent  fällt. 

5)  Innerhalb  jeder  Abteilung  mit  gleichen  Kadenzen  werden  die  Me- 
lodien nach  Dur  und  Moll  unterschieden,  und  als  allerletztes  Pnnzip  für 
die  Anordnung  bietet  sich  dasjenige  der  Stich -Motive,  oder  wenn  man 
es  sich  be(iuemor  machen  will,  dasjenige  der  rhythmisch  betonten  Melodie- 
noten dar,  sowie  es  von  0.  Koller  vorgeschlagen  ist^). 

6)  Als  Hauptgruppe  st<  11.  n  sich  die  vierzeihgen  Melodien  heraus,  705 
gegen  141  zweizeilige  und  III  mehrzellige.  Die  zweizeihgen  könnten  auch 
als  vierzeilig«!  mit  zwei  gleichen  Hälften,  aufgefaßt  werden;  doch  empfiehlt 
es  sich,  sie  wegen  ihrer  Beziehungen  zum  rezitativisch cii  Gesänge  als  be- 
sondere Gruppe  zu  behandeln.  Die  sehr  vereinzelten  dreizeiligen  ISIelo- 
dien  sind  als  erweiterte  zweizeilige  zu  betrachten.  —  Der  größte  Teil 
der  melirzeiligen  Melodien  läßt  sich  auf  die  vierzeiligen  zurückfülu*en :  bei 
den  fünfzeiligen  (24  an  Zahl)  gehören  stets  an  irgendwelcher  Stelle  zwei 
Phrasen  eng  zusammen,  so  daß  eine  Kadenz  auliiT  Acht  gelassen  werden 
kann;  die  achtzeiligen  (23)  sind  entstanden  durch  variierte  Wiederholung 
ganzer  nerzeiliger  Melodien,  oder  auch  so,  daß  zuerst  die  eine  Hälfte, 
dann  die  zweite,  in  lei(  ht  veränderter  Gestalt,  sich  wiederholt;  die  sechs- 
zeiligen  sind  teils  2- teilig  (28),  entstanden  durch  Wiederholung  der  erstercn 
oder  letzteren  Hälfte  einer  vierzeiligen  Melodie,  teila  J^-teilig  (23),  wobei 
die  zwei  Kadenzen  der  ersten  Periode  und  die  beiden  Schluß-Kadenzen 
der  anderen  Perioden  sich  als  vier  Haupt-Kadenzen  hervortun;  die  un- 
regelmäßig gestalteten  übrigen  13  Melodien  lassen  sich  auch  irgendwie 
auf  die  vierzeiUge  Form  zurückführen. 

7)  In  vereinzelten  Fällen  kann  es  als  streitig  angesehen  werden,  ob 
der  Hauptton  einer  Melodie  als  Tonika  oder  als  Dominante  im  modernen 
Sinne  aufgefaßt  werden  soll.  Es  ist  ratsam,  nachdem  man  eine  Ent- 
scheidunj?  getroffen  hat,  <loch  an  der  entsj)rechenden  Stelle,  die  durch 
die  gegenteilige  Auffassung  bestimmt  wird,  einen  Hinweis  auf  die  Melo- 
flie  anzubringen.  Es  gibt  Varianten-Gruppen,  namentlifh  von  Melodien 
in  Moll,  bei  denen  ein  Umschwung  des  tonalen  Gefühles  sich  klar 
verfolgen  läßt,  und  von  denen  einzelne  Melodien  so  sehr  an  der  Grenze 
stehen,  daß  eine  Entscheidung  für  sie  äußerst  schwierig  wird.  Im  all- 
gemeinen ist  aber  da«^  Feststellen  der  tonuhMi  Verhältnisse  der  "^^tlks- 
melodien  viel  leichter,  als  oft  an^fonomnien  wird.  Man  muß  nur  ohne 
Voreingenoinnienlieit  sich  mit  ihnen  vertraut  machen  und  sich  davor 
hiiten,  nidit  oline  Xot  die  sehr  iiiud(  rne  Subdominante  hineiiizufühlen. 
Tonik;i  luid  Dominante,  die  n;itilrlichen  Grundpfeiler  jedes  toualen  Zu- 
sammeuhunges,  lassen  sich  schon  heraushören.  • 


1)  SammelUmde  der  IMG.  IV,  1. 

S.  iL  I.  K.  IT.  43 


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058     ItoMi  Kwlm.  Welohe  irt  di«  b«ite  Method«  YolksUedw  «u  ordßen? 

VeneieliBis  der  EinteilMigs-Kata^jonen  vou  etwa  1000  AiinischeB 

Volksmelodien. 


A.  Zweizeilige  Meindien. 

I.  Schiaß  auf  der  Tonika 
tt.  TT.  Pur 

b.  tT,  Dur  14,  Moll  4 

c.  B  T,  Dur  13,  Moü  1 

d.  dT,  Dur  9.  Mnll  14 

H.  Schluß  auf  der  Dominante 

a.  T  D,  Dur  2,  Moll  3 

b.  t  D,  Dur  18,  MoU  7 

c.  DD  

d.  d  D,  Dur  19,  MoU  13 

e.  t>  D,  Dur 

m.  Schluß  auf  der  Dominant- 
quinte 
».  Td,  Dur 

b.  td,  Dur 

c.  D  d  

a.  .1  a.  Dur  3,  Moll  9 

IV.  Schluß  auf  der  Terz.  Dur 

V.  Schluß   auf  der  Parallel- 

dominante,  Moll 

B.  Vier«eilige  Melodien. 

I,  Schluß  auf  der  Tonika 

a.  —  T  —  T,  «2  Mel.) 

1.  TT  -  T  "  

2.  tT  —  T 

a.  tTtT,  Diir22,  Mon2 
ß,  t  T  D  T,  Dur  l 
y.  t  T  d  T,  Dur  5,  MoU  1 
ö.  tTfiT,  Dura 

3.  DT  —  T 

a.  D  T  t  T,  Dur  4,  Mott  l 
ß.  DTDT,DiirS,MoUl 
y.  DT. IT,  Dur  6 

4.  dT  —  T 

a.  d  T  t  T,  Dur  7,  Moll  3 
ß.  d  T  d  T,  Dur  8,  MoU  8 
y.  dTsT,  Durl 

5.  sT  —  T 

a.  8  T  d  T.  Dur  3 
ß.  8  T  8  T,  Dur  1 
6  Pt  T  l^'  T,  Moll  2 

b.  —  t  —  T,  (129  Mel.) 
1.  Tt  —  T 

o.  TttT,  Dur  2 
ß,  TtdT,  MoUl 


Antahl 

der  Mi^' 
lodien 

69 
4 
18 

14 

23 
63 
5 
25 

32 
1 

16 
1 
3 

12 
2 


I  475 


34 


15 


27 


3 


2.  tt  "  T 
er.  ttTT,  Dur  2,  MoU  1 
ß.  tttT,  Dur  31,  MoU  2 
y.  1 1  D  T,  Dur  2 

8.  1 1  d  T,  Dur  6 
f.  1 1  8  T,  Dur  ö 

3.  1 )  t  —  T 

a.  D  t  T  T,  Dur  1 
ß.  D 1 1 T,  Dur  1,  MoU  1 
y.  D  t  D  T.  Dur  6 
d,  DtdT,  Dur  1 

4.  dt  —  T 

a.  dtt  T.  Dur  21,  MoU  4 
^.  d  t  D  T,  Uur  2 
y.  d  t  d  T,  Dur  12,  MoU  4 
d.  dtsT,  Dur  14 
6.  flt  —  T 
a.  B  t  T  T,  Dur  1 
ß.  B  1 1  T,  Dur  4 
y.  s  t  d  T,  Dur  1 
d.  8  t  8  T,  Dur  4 
c.  —  D  —  T,  (147  Mel.) 

LTD  i"'  T,  Dur  5 

2.  tD  —  T 

tf.  tDtT,  Dur  44,  MoU  17 
ß.  t  D  d  T,  Dur  7,  MoU  ö 
y.  tDsT,  Dur  9 

3.  DD  —  T 

a.  D  D  t  T,  Dur  4,  Mott  1 
ß.  DDsT,  Dur  1 

4.  dD  —  T 

a.  dDtT.  Dur  12,  MoU  8 
ß.  d  D  D  T,  MoU  1 
y.  dDdT,  Dur4,MoUll 
d.  d  D  s  D,  Dur  3 
6.  »D  —  T 
a.  s  D  t  T.  Dur  3 
ß.  8  D  d  T,  Dur  1 

6.  PtD  —  T 

a.  Pt  D  t  T,  MoU  1 
ß.  Pt  D  Pt  T,  MoU  1 

7.  PDDMT,  MoU4 

8.  Pd  D  —  T 

a.  1\\  DDT.  MoU  1 
ß.  PdDdT,  MoUl 


>  Anuhl 
d«r 

49 


10 


67 


10 


6 

39 


4 

5 


Ibawi  Kiohnt  Welcb«  ui  di»  beste  Metiiode  Volkslieder  sa  ordnen?  669 


Anzahl 


i. 


/.  PdDPtT,  MdlS 
a.  PdBPdT,  Moll  1 

d.  —  d  —  T,  (108  Mal.) 

1.  Td  —  T 
er,  T  d  t  i  .  Dur  2,  MoU  1 
^.  T  d  d  T,  Dur  2 

2.  td  —  T 
ff.  t  d  t  T,  Dur  22,  Moll  l 
ß.  t  d  d  T,  Dur  6,  MoU  4 
y.  t  d  8  T,  Dur  1 

3.  D  d  —  T 
a.  D  d  T  T,  MüU  1 
ß.  DdDT.  MoU  4 
y.  D  .1  1  T.  Dar  1,  MoU  b 

4.  dd  —  T 
a.  d  d  T  T,  Dur  1 

ddtT,  Dur  12,  Moll  15 
ddDT,  Durl,  MoU  2 
dddT,  l)ar6,MoU14 
f.  (1 .1  H  T,  Dur  3 

5.  8  d     T.  Dur  1 

6.  Pd  d  l^i  T,  Moll  1 

e.  EßüLT,  Dur  3,  (3  Mel.) 

f.  —  Pd  —  T,  (6  Mel.) 
1.  T  Pd  W  T,  MoU  1 

3.  tP.l  T 
er.  tPd  t  T  3 
(i.  t  Pd  d  T,  MoU  1 

3.  PtPdüllT,  Moll  1 
H.  Schluß  auf  der  Dominante 

a.  _  T  —  D,  (16  Mel.) 

1.  TT  —  D 

a.  T  T  T  D,  Dur  1 
(i.  T  T  8  D,  Dur  1 

2.  tT  —  D 

er.  t  T  T     Dur  2,  MoU  1 
ß.  t  T  t  D.  Müll  1 
y.  tTdD,  Dur  3 

3.  DT  —  D 

a.  D  T  T  D,  Moll  1 
ii.  D  T  t  D,  Moll  1 
y.  DTsD,  Dnrl 

4.  dT  —  D 

a.  d  T  T  D,  Moll  1 

(i.  (IT  tD,  Dur  1,  MoU  1 

y.  d  T  a  D.  Dur  1 

b.  —  t  —  D,  (32  Mel.) 
1.  TtW  D,  Dur  1 


37 


11 


63 


1 
1 


1 
4 


1 

198 

2 


Aiu»hl 
d«r  Mo- 
!  lodian 


2. 1 1  —  D 
ff.  tttD)  Dur  7,  MoU  2 

ß.  1 1  d  D,  Dur  6,  MoU  2 

3.  D  t  —  D 

er.  D  1 1  D,  Dur  1 
^.  D  t  d  D,  Dur  1 

4.  dt  —  D 

a.  d  1 1 D,  Dur  3«  MoU  1 
ß,  dtdD,  Dur  5,  MoU  3 

c.  —  D  —  D  [64  Mel.) 

1.  TD  —  D  

2.  tD  -  D 

«.  tDTD,  MoU  1 

ß,  t  D  t  D,  Dur  3,  MoU  6 

y.  t  D  D  D,  Moll  1 

^.  t  D  d  D,  Dur  6,  MoU  ö 

i.  t  D  8  D,  Dur  3 

q.  tDPTD,  MoU  1 

3.  DD  —  D 

a.  DDTD,  MoU  1 
ß.  DDdD,  Moll  1 

4.  dD  —  D 

«.  d  D  t  D,  Dur  4,  MoU  3 
ß.  dDdD,DurlO,MoU20 

d.  —  d  ^  D,  (85  Mel.) 

1.  T  d  D 

er.  T  d  T  i>,  Dur  1 
ß.  T  d  d  D,  MoU  3 

2.  td  —  D 

ff.  tdXD,  MoU  2 
ß.  tdtD,  Dur  8,  MoU  2 
y.  t  d  d  D,  Dur  3,  MoU  3 
d.  tdsD,  Dur  2 

3.  D  d  —  D 

«.  D  d  t  D,  Moil  2 

ß,  DddD,  Durl,MoU4 

4.  dd  ^  D 

a.  dd  t  D,  Mnll  10 
ß.  dd  DD,  Dur  l,Moll  1 
/.  dddD,DnrlO,MoU35 
6.  8  d  W       Dur  1 
6.  PD  d  m  D,  MoU  1 

e.  li>!rD''MD,MoU  l,(lMel.) 
m.  Schluß  auf  der  Dominant- 

quinU* 

a.  l^Tl^id,  Durl.  (1  Mel.) 

b.  üitiüd,  Dur  1,  MoU  1, 

(2  Mel.) 

43* 


17 


2 


12 


25 


2 


37 


15 


57 


1 
1 


24 


d  by  Google 


660     Ilmari  Krohn,  Welche  iii  die  bette  Methode  VolktUeder  in  ordnenP 


Aozahl 
der  Mo- 
.  lodies 


C. 


—  D 


d,  (5  Mel.) 


1.  TB  —  d  

2.  tD      d   I 

3.  D  D  —  d  

4.  tl  D  —  d 

a.  d  D  t  d,  Moll  1 
ß.  dDdd,  MoUS 

5.  sD  —  (l  — 

6.  Pt  D  1*1  d,  Moll  1 
_  d  —  d,  {16  Mel.} 

1.  T  d  —  d   I 

2.  td'ild,  Dur  2  ' 

3.  D  d  —  d  

4.  dd  —  d 

a.  d  d  D  d,  Moll  1 

(i.  d  fl  d  d,  Dnr  5,  Moll  6  I 

y.  d  d  8  ci,  Dur  1  i 

ö.  sd  —  d  

6.  Ptdlild,  Moll  1 

IV.  Schluß  auf  der  Ters, 
Dur 

V.  Schluß  auf  der  Paral- 
leldominante, Moll 


2 
18 


Aauhl 
der  M«. 
I  lodica 


VI.  Sdtluß  anf  der  Paral-  { 

leltonika,  Moll  i 
Vn.  Schluß  auf  dem  Leite-  \ 

ton.  Dur 
VJLLL  Schluß  auf  der  Sub- 
dominant«, Moll 

C  Mehrzellige,  2-teili5e 
MeloditM»  Dur62,Mol]  ISV. 

I.  Schluß  auf  der  Tonika 
II.  Schluß  auf  der  Domi- 
nante 

m.  Schiaß  «nf  der  Domi- 

nantquinie 
IV.  Schluß  auf  der  Ten 

D.  8-taüigo  Melodien  (Dur 
20,  Moll  10). 

I.  Schluß  auf  der  Tonika 
n.  Schluß  auf  der  Domi- 
nante 

m.  Schluß  auf  der  Terz 


1 
1 

1 

ö3 
15 

1 

2 

22 

7 
1 


Digitized  bv  CooqIc 


F.  W.  (Hlptn,  Azfeec  Inflmnoe  on  Amerioftn  Indian  Instnimento. 


661 


Aztec  Inflaence  on  AmericaQ  Indian  Inatruments 

F.  W.  Galpln. 

{Hatfidd,  nfltf  Htrtow.) 


"Tt  is  an  important  principle  which  archa  'uunsts  sometimes  overlook, 
that  ai  ts  nmy  sumve  and  obey  the  laws  of  techiiic  evolution,  even  though 
the  meii  through  whose  instnimentality  they  live  and  have  their  being 
have  n«)  immediate  blood  relationship."  So  wrote  Professor  Mason  in 
tlu'  Sinithsonian  Report  for  1886,  and  takinjr  Iiis  obnervation  as  a 
gtiide  I  propose  in  the  lollowing  pajjcr  to  ilcM  iiKe  the  character  and 
construction  of  a  well  deiined  series  of  Americaii  Indian  Musical  In- 
8trunicnt8,  a  line  of  study  at  present  but  inadequately  followed,  and  to 
endtiavonr  to  show  a  probable  source  for  their  unic^ue  peculiahty  and 
striking  originality. 

Scattereti  along  the  Paeitic  Cotist  of  North  America  between  Lat.  48 
and  Lat.  59  there  are  a  number  of  Indian  tribeji  who,  in  the  siiperiority 
of  their  handicraft,  aad  tlie  details  of  their  pliysique,  stand  out  as  a  group 
distinct  from  the  other  tribes  now  inhabiting  tlie  sarae  continent.  The 
800  mil'es  of  sea-board  which  they  occupy  are  deeply  indented  with 
numerous  inletj>,  and  fringed  by  islands  the  largest  of  ^vliicli  are  the 
Queen  Charlotte  Islands  with  an  extreme  length  of  al)out  190  miles. 
Hanges  of  lofty  mountains  covered  with  thick  forests  form  a  natural 
barrier  between  them  and  tlie  inhabitants  of  the  interior.  These  tribes 
are  generally  known  as  ''Tlie  liulians  of  the  North  West  Coast",  and  they 
occupy  tlie  entire  western  boundary  oi  üritish  Columbia,  tourlung  also 
the  United  States  at  their  southern  limit  and  tlie  Alaskans  and  Escpii- 
maux  in  the  north,  A  glance  at  their  carvings  in  woud  and  slate.  as 
well  as  their  weavings  in  roüt  and  bark  fibre,  of  which  most  niuseums 
possess  specimens,  testifies  at  once  to  their  technical  skill;  and  when  we 
observe  that  their  complexions  are  surprizingly  light  coloured,  and  this 
without  any  known  intermixture  with  white  races,  interest  is  aroused  and 
enquiry  stimulated.  Living  in  a  region  where  hard  by,  at  Behring*s  Strait, 
two  continents  approach  each  other,  whüe  Oceania  with  its  numerous 
ialanda  seems  to  offer  jret  aaother  point  of  contact,  the  origin  of  the 
peenliar  charaeteristics  of  these  N.  W.  Goast  tribes  has  been  a  sonrce  of 
frequent  discussion;  some  seeing  in  them  a  pronounced  Asiatic  type, 
oihers  finding  a  link  with  the  Polynestan,  and  others  again  referring  them 


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662        f  •      Galpio,  AzUc  lofiuence  oa  Americaa  Indiao  Ixutruments. 

to  that  Aztec  civilization  which  found  its  higliest  develupment  in  the  land 
of  Analiuac,  tlie  modern  Mexico.  >sow  although  we  might  hesitate  to 
accept  the  stateiutjnt  of  an  entliuisiastic  musical  ethnologist  who  aifirmed 
that  all  the  nations  of  the  uarth  could  be  grouped  in  proper  relationship 
by  their  musical  instrumenta,  one  nced  not  hesitate  to  assert  ihat,  witbAitt 
necessarily  implying  a  blood  relationship,  communicatloiia  whlch  have 
taken  place  between  the  various  nations  öf  the  world  can  be  traced  hj 
a  study  of  their  instrumenta  of  music,  and  extemal  influences  noted, 
where  bistory  itself  is  silent. 

For  my  present  purpoae  I  may  divido  the  North  West  Coast  tribes 
iiito  .the  following  five  famOJes^  dosely  related  and  distinet: 

1^  The  SALISHAN  of  Eaatem  Vancottver  Island  and  tfae  opposite 
.  mainlaad. 

.  2.  The  WAKASHAN  of  Western  YancouTer  and  the  mainland  north 

<  of  the  previoiis  fomüy. 
:  3.  The  TSIMSHIAN  on  the  mainland  north  of  the  Wakashan. 

4.  The  TUNaiT  north  of  the  Tstmahian  in  South  Alaska»  and  m 
the  Upper  pari  of  Frinoe  of  Wales  Island. 

5.  The  HAIDA  on  Queen  Charlotte  Islands  and  the  lower  part  of 
Frince  of  Wales  Island. 

Franz  Boas,  who  has  dosely  studied  the  reUUonships  existing  be< 
tween  the  tribes»  places  the  Tsimshian,  THngit  and  Haida  as  th©  most 
superior  in  character  and  handicrafti  and  is  indined  to  oonsider  the  last 
two  as  branchea  of  one  oonunon  stock. 

Throiighout  theae  families  we  £nd  in  use  not  only  the  dnun  and 
rattles,  which  in  a  rüder  foim  appear  to  be  the  common  property  of  all 
American  Indians,  but  certain  whistles  and  reed  instromenta  of  wood, 
which  in  their  construction  and  prindples  of  sonnd  pToductton  find  no 
existing  parallels  in  the  western  hemisphere.  The  following  Classification 
of  them  has  been  based  on  a  caieful  inapection  and  from  detailed  d^ 
scriptions  of  a  large  number  of  specimens;  some  my  own  property, 
otheis  preserved  in  Ihe  British  Museum,  the  United  States  Museum  ai 
Washington,  and  in  oollections  at  Oxford,  Victoria  (British  Columbia), 
New  York,  Berlin,  and  elsewhere. 

GROUP  A.    W  HISTLES. 
Claas  L  Withoat  flnger  holes. 
Division  a  —  mouth  blown. 

Section  1.  Stopt  pipes,  found  in  simple  or  Single  form;  also  in  twin 

(or  double},  triple,  quadruple,  quintuple  and  sextuple  forms. 
Section  2.  Halfstopt 
Section  3.    Open  pipes. 


.  j  .1^  .^  l  y  Google 


f.  W.  ijalpin,  Axtec  Inflowieft  on  AmericMi  Indian  Instroments.  663 

Division  b  —  mechanically  blown. 

A  compressible  bladder  filled  with  grass  or  bark  is  attached  to  the  whistle; 
in  later  specimens  its  place  is  supplied  by  bellows. 

Class  U.  With  fliiger  lioles. 
Bare,  and  in  the  older  specimenB  siopt  fipes.    There  are  two  geiuiine 
specinien«:,  with  one  and  three  holes  respectively,  in  the  Britif^h  Museum. 
The  Slate  Fliites  [o^yen  pipes)  are  modern  adaptations  of  European 
models  made  for  sale  as  curiosities. 

GROUP  B.   B£ED  INSXEUMENTS. 
dasfl  I.  Witlitiit  flnger  holes. 

Division  a  —  mouth  blown. 

Section  1.  Double  beating  reeds.  As  well  as  the  simple  form,  there  is 
a  covered  form,  with  one,  two,  three  or  four  reeds  concealed  within 
the  body  uf  the  Instrument. 

Section  2.  Single-hmUng  reeds.  The  Single  form  is  evidently  a  recent 
European  introduction,  but  tliero  is  a  primitive  twin  single  btiatiug 
reed  derived  from  the  double  beating  reed;  and  also  an  original 
'»double  action"  single  reed.    There  is  also  a  covered  form. 

Section  3.  Rctreatmg  reeds.  The  inverse  of  the  double  beating  roed, 
and  found  both  in  a  terminal  and  lateral  form.  There  are  also  twin 
retreating  reeds  of  both  fonns. 

Section  4.  Eibbon  Reeds.  A  thin  vegetable  membrane  vibrating  within 
a  naiTOw  air  passage;  some  with  many  vibrators  in  one  instrmuent. 

Division  b  —  mechanically  blown. 
Bellows  only  are  used  for  these. 

Ciass  U.  With  flngei*  holes. 

Spedmens  are  rare.  There  are  three  in  the  British  Musemn  of  an 
early  form. 

In  Order  to  understand  the  peculiarity  of  these  instroments  a  brief 
description  of  their  construction  is  necessary.  All  the  more  primitive 
forms  are  made  of  free  straight-grained  wood,  generally  Bed  Oedar 
(Thuya  Giganka^  Nutt),  sometimes  of  Spmoe  (Pieea  Menxiem,  Lindl), 
or  of  yellow  Oypress  {Chamaeßyparis  I^fttGcaenaiSj  Lamb.).  For  the  pur- 
pose  of  forming  the  hoUow  body  of  the  Instrument  ^e  wood  is  split 
longitadinally  with  the  grain;  each  half  is  then  hollowed  ont  and  bound 
together  again  with  split  spruce  roots  or  shred  cedar  bark.   The  com» 


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6ö4         F<       Galpin,  Azl^c  lufiuence  uu  Ainencan  iudian  InstrumeuU. 

monest  type  among  the  whistles  is  the  sto])!  pipe;  a  snudl  block  being 
left  at  the  bottom  of  tiie  tubei  while  the  Upper  end  is  caref ully  formed 
with  a  whistle  embouchure,  with  "langiud**  and  -lip''  similar  to  tbat  of 
the  flue  pipe  of  the  oiigan  or  the  fipple  of  the  flageolet  The  voiciDg  of 
the  whirtles  is  sweet  aod  fine;  aad  as  two,  three,  fotur,  five  or  eren  ox 
separate  tubes  are  constructed  in  one  block  of  wood,  and  blown  thron^ 
one  common  moathpiece,  polyphonic  instnunents  of  uniqne  character  and 
tone  are  produced.  The  reed  instnunents  are  formed  in  a  similar  waj 
and  show  a  like  fondness  for  combinations  of  Bounds.  The  reeds  them- 
selves  are  also  made  of  wood,  which  is  thinned  down  on  either  side  until 
it  aasumes  the  shape  of  a  fiat  tongue  tapering  more  or  leas  towards  the 
point.  In  certain  *'coTeied'*  fonns  the  reed  is  concealed  within  the  tobe 
or  body  of  the  instmmenty  and  where  it  is  so  placed  there  is  often  a 
waistiüke  oontraction  of  the  exterior  tabe.  In  such  cases  the  reed  is  out 
of  sight  and  out  of  the  control  of  the  lips,  so  these  instnunents  have  a 
trumpetlike  appearance  and  hj  casual  observers  are  not  infrequently 
caDed  **honis*'.  In  the  single  reeds  there  are  evident  traces  of  receat 
European  influence;  the  simple  form  consisting  of  a  short  hollow  bone 
shaped  at  one  end  like  a  clarinet  mouthpiece^  and  haying  a  tiiin  slip  of 
wood  attached  by  sinews  as  the  vibrator«  In  the  '^corered**  fonn  a  piece 
of  tin  or  thin  iron  serres  as  a  reed;  this  also  is  a  devioe  of  recent  date. 
In  f act  the  simple  single  reed  as  we  know  it  does  not  seem  to  have  been 
used  by  the  Indiana  in  primitive  times;  though  they  had  evoked  the 
principle  by  separating  the  vibrating  halves  of  the  double  reed  by  means 
of  a  thick  slip  of  wood  which  provided  a  double  lay.  The  Betreating 
Beeds  and  Bibbon  Heeds  appear  to  be  the  sound  producers  of  the 
natural  man;  though  the  terminal  form  of  the  first-named  may  have  been 
derived  from  the  Inversion  of  the  Double  Beed.  Of  the  Instruments  with 
finger  holes  little  can  be  said,  as  ^eoimens  are  so  rare;  except  in  the 
case  of  the  carved  slate  flutes,  which  are  comparatively  modern  and  made 
after  European  modele.  The  number  of  holes  in  the  older  wooden  flutes 
I  have  Seen,  vaiying  from  one  to  four,  is  characteristic  of  the  American 
Indian  instrumenta,  and  though  in  two  of  the  reed  instruments  five  holea 
are  found,  yet,  äs  the  lower  end  of  the  tube  is  stopped  by  a  block  as 
in  the  stopt  whistles,  the  closing  of  the  tiftli  hole  renders  tiie  Instrument 
silent  Even  in  some  of  the  Slate  flutes  the  four-hole  arrangement  is 
shown,  thougli  the  more  elaborate  specimens  have  siz  holes  arraaged  in 
two  groups  of  three  as  in  the  European  flute. 

I  will  now  proceed  to  compare  thcse  whistles  and  reeds  with  the  in- 
struments  in  nse  in  those  regions  w  lxh  whuAi  the  N.  W.  Coast  Indians 
may  have  come  in  contact  and  hy  which  they  might  have  been  influenced. 
Eor,  ingenious  as  these  particular  tribes  are,  we  can  hardly  suppose  that 


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F.  "W.  Ottlpin,  Aiiec  Inflaanc^  od  American  Indüm  InstramentM. 


665 


such  priiiciples  of  soimcl  production  as  thev  li;t\f'  aiL-  wliolly  tlie  outconie 
(»f  indcpeiiilent  di^covery  and  inveiition;  ))ut  must  rathcr  siijjjxjse  that 
many  of  tliem  are  «lue  to  cuntaet  with  an  extümaL  civiüzation,  or  with 
a  civilizutiüü  whirh  has  ntnv  passed  away. 

]n  placing  tlieso  instruiiH'uts  side  by  side  with  those  of  tho  othcr 
Nortli  Anu'ricau  tribes  oxisting  ut  the  present  day,  their  superiority  is  at 
once  evident.  Instead  of  iiie  carefuJly  ronstructed  whistlp  head,  some 
tribes  still  usc  the  elementary  vertictil  Hute;  Um  simple  tiibe  hlown  on 
the  ii])per  edge  as  in  the  Hopi  Le-/m  jind  tlie  sacred  flute  of  the  Zuni 
Indians  in  New  Mexico;  or,  as  in  Arizona^  the  whistle  is  formcd  by  the 
iKitnral  kuot  of  the  reed  aided  by  n  strip  of  skin  or  clotli  which  covers 
tiie  Upper  purt  »tf  the  orifice;  whilst  anion^r  the  Tndinns  t  ast  of  the  Rocky 
Mountains  a  very  ])opulär  whistle  is  niade  of  a  siiiall  bone  with  a  notch 
or  vent  hole  enf  in  the  side,  witile  one  end  is  partially  plugged  wth 
asplüiltinii  or  resin  to  give  a  nanow  wiudway,  a  very  anrient  but  inferior 
luethod  of  construction.  Even  the  Chotrmhn  or  eouiting  Flute  of  the 
Sioux  and  neighl)ouring  tribes.  with  its  six  tinger  liules  and  evident 
European  improvemenis,  sllo^vs  a  ^vlli8tle  far  ujore  inidely  constructed 
than  in  the  spe(  iniens  froni  the  N.  W.  C'oast.  Of  Reed  Instruments  the 
ordinary  Indian  knows  nothing,  except  where,  as  in  Mexico.  Spanish  rule 
has  introduced  the  Chirinua  or  small  Oboe  onte  couiuion  in  the  ^fother 
Country.  When  we  also  remeuiber  the  barriers  of  hill  and  forest  which 
.sej)arate  tlie  Coast  Indians  from  their  inland  neighboui*«,  it  is  impossible 
to  believe  tliat  uny  recent  contact  with  existing  Indian  tribes  could 
have  given  them  thcse  well  formed  whistles  and  this  variety  of  reed 
instruments. 

As  rcpirds  direct  European  contart  otlier  than  Spanish  the  facts  are 
%\(  11  known.  Our  earliest  acquaintance  dates  trojn  the  visit  of  Behring 
in  1741,  eoniinfj;  from  the  north.  In  1778  Captain  Cook  and  bis  niid- 
shipman  Vancouver  sailed  these  seas,  and  brought  back  many  proofs  of 
Indian  hundiwork,  showing  at  that  tinie  a  high  order  of  workmanship.  In 
1787  Captain  Dixou  thuroughly  explored  the  eoast  anil  islands,  and  since 
then  an  ever  increasing  tide  of  emigration  ha.s  brought  the  whiti»  races 
into  closer  contact  with  the  natives.  I  have  already  alluded  to  the  in- 
struments  which  are  evideutly  due  to  this  contact,  viz:  the  simple  ff)rins 
of  the  Single  beating  reed  and  the  inijiroved  Üute.s  carved  by  the  Haidas 
of  the  Queen  Charlotte  Islands  from  soft  slate.  There  is  howcver  yet 
another  possible  medium  of  direct  European  contact,  tlirough  the  Russian 
territory  in  Northern  Alaska.  Eut  if  these  instruments  owe  their  existence 
to  such  a  source  as  this,  we  should  expect  to  find  them  most  abundant 
where  the  Russian  iufluence  was  strongest:  whereas  the  Indians  of 
Northern  Alaska,  (or,  as  it  was  formerly,  Russian  America;  are  entirely 


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Ö66        -F.  W.  Uftlpin,  A2iec  Influenc«  on  American  Indian  Lutmments. 

withoiit  tliese  furms,  and  content  themselves  with  a  roughly  made  drum 
and  a  rude  rattle  of  rlaws  und  beaks. 

It  is  evident  thtii  ihat  we  must  go  further  back  and  in  other  direc- 
tions  für  :in}  explanation  of  the  origin  of  the  communest  and  more  prim- 
itive {onus  of  these  whistles  and  reeds.  We  tum  therefore  to  the 
Asiatic  coast  and  the  islaiuls  of  Oceania;  and  if  we  examine  the  list  of 
muKical  Instruments  we  shall  find  certain  puiut^  wLich  will  li'^lj)  iis  to 
form  a  fairly  safc  concliision  :is  to  the  influence  exerted  trtjni  these 
sources;  an  iuiportaut  matter  whon  rec(»ll<»ct  that  not  onlv  was  there 
a  frequent  commnnication  ni  nt:iined  duriug  the  18th  Century  with  the 
coast  of  Cliina,  biit  in  tlic  imknown  course  of  earlier  ages  Japanese 
voyujicrs  may  havc  n-ai  lird  tiir  2S.  \V.  Coast.  or  (.-anoos  fruni  the  islands 
may  liave  drifted  ac  loi»»  tlie  Pacific.  In  the  lisl  and  Classification  given 
above  may  he  noticid: 

1.  The  abscnce  of  the  vertical  flute,  the  noso  flute,  and  tiie  trans- 
verse  tiute,  and  the  presence  on  the  other  hand  of  the  perfect 
whistle  head. 

2.  The  absence  of  the  free  reed^  and  the  presence  of  an  original 

form  of  simple  beating  reed. 
'd.  The  absence  of  all  instrumenta  of  the  bom  or  trumpet  type  with 

cup  moutlipieces,  and  the  presence  of  certain  trumpet-shaped 

invtniiiKnts  in  which  the  sound  is  produced  by  a  concealed 

douljie  reed. 
4.  The  absence  of  all  stringed  instruments. 

11^0 w,  suppobing  the  Eastern  Asiatic  and  Oceanic  influence  had  exerted 
even  a  moderate  power  over  the  inhahitants  of  the  North  West  Coast, 
in  the  first  instance  we  should  have  undoabtedly  found  among  them 
examples  of  the  Vertical  Blute  (the  simple  tobe  blown  on  llie  uppcr  edge), 
for  it  18  found  in  typical  abundance  from  Japan  to  New  ZBaland.  Lost 
in  the  mists  of  antiquity  are  the  inventron  of  the  Chinese  Lu,  the  Yo^ 
and  the  Hsiaoy  all  vertical  flutes  which  gave  to  the  Japanese  in  the 
14th  Century  the  Sbakuhaehii  while  among  the  Maoii  the  andent  war 
whistle  is  sounded  exactly  on  a  like  prmciple.  Thronghont  Ocettnia  too 
a  characteristic  instmment  is  the  "nose  flate**,  and  **pan-pipes'*  aboiind; 
but  we  search  the  X.  W.  Coast  in  vain  for  such  types.  Besides,  amongsi 
the  Eastem  Asiatics  the  Transverse  Mute  (of  which  the  Chinese  Ch*ih 
and  Ty  and  the  Japanese  Foujfe  are  well  known  examples)  has  been  in 
use  i^om  time  immemorial.  But  we  find  no  such  transverse  flute  among 
the  Lidians;  instead  of  it  howerer  a  perfect  whistle  mouthpiece,  which 
until  quite  modern  times  has  been  unknown  in  Eastem  Ada  and  the 
islands.  In  the  absence  of  the  free  reed  from  the  list  of  K.  W.  Coast 


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F.  W.  Gfllpis,  Attoo  Inflnenee  on  American  Indian  Instroments. 


667 


instrument«,  we  are  again  stnick  by  the  iniprobability  o£  sudi  a  thing 
had  the  Indians  derivcd  tbeir  superior  civilization  from  contact  with 
Asiatics.  For  the  birthplaoe  of  this  peculiar  form  of  sound  producer, 
the  free  reed,  is  in  those  very  districts  with  which  some  thiiik  these 
Indians  must  have  been  in  racial  communication.  Tlie  ancient  Ckeng  of 
China,  the  Sho  of  Japan,  the  Heem  and  Phon  of  Banuah  and  Siam,  the 
JCrtmee  of  the  Malay  Arehipekgo,  are  all  *^ree  reed"*  instnunents.  On. 
tbe  other  hnnd  the  single  beating  reed  was  in  early  times  nnknown  Uy 
these  peophis,  thouc^  popukur  enough  now  as  a  squeaker  for  children's 
toys.  In  fact  we  may  consider  that  Üie  free  reed  is  as  much  the  offspring 
of  Eastem  Asia  as  the  simple  form  of  the  angle  beating  reed  ia  of 
Westeni  Asia  and  Egypt;  India  originally  separating  the  two  principles. 
Yery  stränge  too,  if  Oceania  is  reaponsible  for  the  higher  civilization  of 
these  Indian  tribes,  is  the  absence  of  all  Instruments  with  cup-mouth- 
pieces.  Throughout  the  islands  the  conch  or  shell  trumpet  is  in  general 
use;  we  find  it  in  New  Zealand;  we  find  it  in  Japan  and  China.  In 
this  latter  coimtry  there  are  also  several  kinds  of  brass  instnunrnts  with 
cup  mouthpieces,  whilst  the  Maoris  construct  a  long  tnimpet  of  wood 
called  Teterc.  Of  this  principle  the  Indians  know  nothing;  though  had 
the  knowledge  reached  them  it  would  have  been  (^uite  as  easy  for  them 
to  make  such  instrumenta  after  the  fashion  of  the  tubes  of  their  whistles 
and  reeds  as  the  Maori  do,  and  as  is  the  common  practice  in  countries 
where  forests  aboiind.  The  absence  of  all  stringed  instruments  is  also 
remarka))le.  if,  as  has  been  suggested,  these  tribes  are  connected  with 
the  Asiatic  raco«;:  for  the  many  fomis  of  stringed  instruments  of  the  Se 
and  Kin  type  wliicli  have  existed  for  so  niany  centuries  in  China,  or 
tbeir  counterparts  of  the  Koio  class  in  Japan,  would  surely  have  su-jr- 
gested  some  fonn  of  stringed  instrument  plucked  by  the  fing:er8,  i£  not 
playc'd  with  the  bow,  a8  in  those  instniraents  introduced  into  Eastem 
Asia  from  Tndia  at  a  latcr  period.  (jcraiiia  also  is  not  witliout  its 
strinjLred  instruments,  tlie  cords  eut  from  the  oiit«  r  cuticle  of  the  bamhoo 
body  or  formed  of  twisted  vegetuble  tihrr.  liere  again  the  Coast  Indians 
had  matorial  ready  to  band  in  tlieir  root  and  hark  fibre  used  for  weavin^, 
or  the  sinews  pmph>yed  for  hindin^j  tlieir  tools  and  weapons.  I  do  not 
say  that  a  vinlin  ai.ty  not  l)e  foiind  amongst  them  t^jil  iv,  bnt  either  it 
or  its  un;,anai  iiiust  liavc  hailcd  from  miicli  nearer  liOtidon,  Pari^.  or 
Berlin,  than  British  r'olumhia.  AVhatevcr  parallele»  may  lif  (h-awn  l>etween 
the  Asiatic  and  Oceanic  people.s  and  tlie  Indians  of  tlu'  Nurth  West 
Cuast — and  in  their  carviiiirs  and  decorative  arts  thi  rc  mav  lir  a  seem* 
inj?  similarity  —  yet  tlir  mu>ical  instrumenta  sui^LM-^t  no  >iuli  eonnec- 
tion;  in  fact  the  absencf  of  eertain  principles  of  '-ouiid  production  which 
have  prevailed  in  Ea-stem  Asia  from  unkuown  ages  seems  to  refute  the 


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Jf.  W.  (iaipin,  Artec  Infiuenoe  oa  Ametkan  ladiaa  Instrument«. 


idea  that  the  higher  civüization  fouud  on  Üiis  coast  h  in  any  way  due 
to  the  East. 

To  what  conclusion  ihm  are  we  led,  and  in  what  direction  are  \\e 
to  look  für  the  probable  öource  of  this  superior  culture?  I  thjiik  ihere 
can  be  but  oiw  answpr.  Four  hiindred  years  ago  and  earher,  centiMl 
America  was  the  lioiiie  of  a  nation  \vliu.>e  works  of  art,  skilful  canmg-> 
and  arcbitectural  abiin  v  btainp  ita  people  as  possessing  a  ci\ihzation  far 
in  advance  of  anything  the  Indian  tribes  of  the  di.strict  possess  ttvday. 
Now  the  Aztecs  and  their  predecessors  the  Toltecs  came  from  tlie  XorLh ; 
to  tlie  latter  is  generally  attributed  tlie  greater  skill  in  urts  and  handi- 
crafts,  tü  the  former  that  love  of  power,  the  desiderium  imperii  which 
impiessed  this  civihzation  on  surroumling  tribes.  Here  it  is  that  we  find, 
unearthed  fiom  their  tombs  and  buried  cities,  the  whistle  head  liotli  in 
perfectiou  and  in  great  abundance;  inade  it  is  true  of  pottery.  but 
possessinj?  tlie  details  wliich  characteme  the  N.  West  Coast  whistle»  und 
place  them  aliove  those  of  any  other  existing  Lidian  tribe.  Some  of 
these  whistlefä  are  single,  otherb  duuble,  others  wilii  hii^w  lioles;  iht: 
ordinär}  form  in  all  being  the  stopt  pipe  wliich,  as  has  bceii  seen,  pre- 
vails  on  the  N.  W.  Coast.  The  Aztecs  niay  certainly  liave  also  had  reed 
Instruments,  thougli  owing  to  the  iterisUaide  nature  of  the  thin  wood  of 
which  the  reed  would  have  to  be  inade,  no  actual  specimens  have  sur- 
vived.  But  I  consider  that  tlie  Gurions  stone  tubes  of  elongated  hour- 
glaas  form,  that  is  with  a  waistlike  coiitraetion,  which  have  l)een  fouud 
in  Tennessee,  Georgia  and  neighbouring  states,  were  couslructed  for 
containing  a  concealed  double  reed  as  we  find  still  in  use  by  the  Coast 
Indians.  These  tubes  have  been  callcd  Tnimpets,  and  their  sound  has 
been  described  as  terrific,  but  owing  to  the  large  diameter  of  the  supposed 
mouthpiece  no  sound  is  produceable  by  modern  Ups.  If  we  insert  a 
wooden  reed  however  at  the  waist,  the  effect  becomes  in  realitv  terrific. 
Then  again  as  to  the  absence  of  the  free  reed,  we  need  not  be  suqirised 
at  it  if  the  higher  civüization  sprang  from  contact  with  the  Aztecs;  for 
the  free  reed  is  not  a  native  of  America,  though  owing  to  the  later  Com- 
munications between  the  continent  and  the  Malay  Archipelago  isolated 
spedmens  might  easüy  find  their  way  into  the  new  coontry.  Stringed 
infltroments  also  were  nnknown  before  the  Spanish  conquest^  notwilli"- 
Btanding  Dr.  £rinton*B  dissertation  on  **Native  American  atringed  momcal 
Instruments^.  so-called  ^^Äpache**  Fiddle,  and  the  marvellous  reports 
vhicfa  traTellen  have  brought  of  ancient  musical  inatruments,  one 
feet  long  with  ejight  strings  and  played  with  a  bow  managed  hy  two 
Indians  one  at  each  end**,  show  us  that  these  are  but  mde  attempts  to 
imitate  the  white  man  or  the  negro.  There  is  another  similarity  also 
which  deserves  notice,  and  it  is  this,  that  these  whistles  and  reeds  are 


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V,  W.  CMpin,  Atiec  Inflnenoe  on  Aniaricftii  LwUftn  Inatniiiietttt.  069 


aimost  wliolly  used  by  thc  Indians  in  oonnection  with  their  secret  reiigious 
soca^es  and  niystic  (formerly  cannibalistic)  rites;  in  the  Aztec  ceremonies 
muRic  also  played  an  important  part,  and  a  Hute  (so-called)  was  broken 
by  the  bumnn  vietim  as  he  approached  tbe  altar  of  sacrifice. 

It  would  be  inte^estin^?  to  press  the  inquiry  further  still,  and  ask  how 
the  Aztecs,  or  the  Toltecs  beforc  thnm,  arrived  at  the  whistle  heod. 
'Perhaps  after  all  the  myth  of  the  white  man  with  long  dark  hair  and 
flowing  beard  who  came  (they  say  in  the  12th  Century)  fi*om  the  East 
Over  the  Atlantic  Sea  and  as  mysteriously  disappeared,  promising  to 
retum  at  some  future  day,  niay  he  founded  on  fact.  The  art  of  govem- 
raent.  the  use  of  metal«,  and  the  knowledge  of  arts  and  sciences,  which 
marked  the  golden  age  of  Anahnac,  may  have  been  learnt  from  the  bps 
of  the  ubiquitous  European. 

There  is  but  one  final  question  to  ask,  How  did  the  Coast  Indians 
come  in  contact  with  the  Aztec  civilization  ?  It  may  have  been  overland ; 
for  the  Shoshoni  Indians,  an  Axtec  tribe,  are  found  as  far  north  Jis  the 
40th  parallel,  practically  touchin^r  the  coast  Indians  at  their  southem 
limit.  The  serret  societies  with  which  the  instnunt'nts  an-  connected 
seem  to  have  spread  northwards  from  the  Kwakwiutl  Indians,  who  are  a 
southeni  niainland  tribe  bolon^'ing  to  the  second  of  the  live  coast  tribe 
fainiiies;  and  it  is  known  that  tlie  Tsimshian,  just  ahov<?  tliem,  passed  on 
the  knowledge  of  these  ntes  to  tlie  Haida  of  Queen  Cliarlntte  Islands. 
Or  it  may  be  that  the  eontaet  took  j)lace  by  sea,  through  coasting  <  anoes, 
or  tlirougli  the  traffic  whicli  after  tlie  fall  of  the  Aztec  power  wäh  main- 
tained  bv  the  Spaniards  all  ai<uig  the  north  wfst  coast.  Had  tlie  Spaniards 
hnwever  introdiK  ed  tliese  instrinnents  through  European  Channels  only, 
and  n»»t  as  contju«  rors  of  >rexico  and  successors  to  Montezuma,  we  should 
have  found  a  far  üiorf  general  use  not  only  of  instruments  with  finger 
hole<?  but  of  instr  iti  K  iits  with  six  finger  holos,  instead  of  tlie  fonr  or 
fewer  ehanicteristic  ot  the  primitive  Indian  tiutes  and  the  Aztec  whistles. 
The  outline  of  the  Indian  double  reed  too  is  certainly  not  European, 
tapering  as  it  doos  to  a  blimt  puint,  instead  of  l)roadening  out  towards 
the  vibniting  edgc  as  in  the  Hassoon  and  early  Oboe  reeds. 

Linguistic  aftinities  also  are  not  wanting  to  eniphasize  the  probabiHty 
of  this  contact;  in  fact  (Jalhitin  observed  in  the  Tlingit  faniily  ithe 
most  northerly  of  the  iivc  more  remote  analogies  to  the  ancient  Mexican 
tongue  than  in  any  other.  Until  further  ligbt  is  thrown  upon  this 
interesting  sul)j«  ( t  by  fresh  disi  overy  and  more  cxtended  research  we 
may  fairly  conclude  that,  withuut  necessarily  implyiug  a  blood  relation-^liip 
between  the  raecs,  the  American  Indians  of  the  North  West  Coast  show 
in  the  char  icter  and  oonstruction  of  their  musical  in.struments  distinct 
tiaces  of  Aztec  intiuence. 


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670  W.  Qftlpin,  Astec  Inflaeooe  oo  Amencaa  IndiAn  losirumeato. 

The  foUowing  work>  inay  hv  ( onsulted  on  the  subject  of  the  K'Ttli 
West  Coast  Indiaus  tliough  they  deai  but  cursoriiy  wiüi  the  musäcal 
iiiätruinenti». 

Swan  (J.  G),  Th.«  North  West  Coast.  1857. 
Poole  (F),  Queen  Charlotte  Islands.  1H72. 

Dawson  (G.  M.j,   Report  ou   4ueen  Charbtt«  Islauds  in  the  Greological 

Sairej  of  Ganada.  1880. 
Powell  (J.  W.),  A  claBsification  of  Indian  tribep  {wlik  map],  Bureaa  of 

Ethnology.  Washington.  1886. 
Nibla*  k   E.  P.\  The  Indiana  of  tho  Xorth  West  Coast  (with  piateaj,  Smiti^ 

soniau  Report,  Washington.  18H^i. 
Boas  (Dr.  F.],  The  Kwakwiutl  Indians  (with  pUleu  aud  songs  in  uiusicAl 

notation),  Smithaoniaii  Report  1895, 
Wilson  (T.),  Prehistoric  Art  incladiog  miuical  instruments  of  all  natioiu, 

Smithsonian  Report.  1896. 


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Hugo  Goldwfainidt,  Hontavwdi*a  Batonio  d*  Uliaae. 


671 


Monteverdi's  Sitomo  d'  TJlisse 

von 

Hugo  Goldschmidt. 

(Berlin..^ 


Der  Kodex  Claas.  IVJS763  der  K  K  Hofbibliothek  Wien  galt  nach 
Kiesewetter,  Ambros  und  Molitor  als  MonteTerdi*8  Spätoper  von 
1641:  II  RUorao  XJUaae.  Die  Handschrift  selbst,  welche  aus  der 
PiiTat-Bibliothek  Leopolds  L  stammt,  triigt  keinen  Titel,  und  verrät  weder 
den  Dichter  noch  den  Musiker.  Welche  Anhaltspunkte  jene  Forscher 
für  Monteverdi's  Uiheberschaft  geltend  machten,  ist  mir  nicht  bekannt, 
auch  Ambro  B^)  begnügt  sich  die  Tatsache  festzustellen.  Emil  Yogel^} 
bezweifelt  sie  aus  folgenden  Grttnden:  Der  Text  des  Librettos  von 
Badoaro  stimme  mit  der  Partitur  nicht  iiberein,  zwar  liege  der  Hand- 
schrift Badoaro*s  Dichtung  zu  Grunde,  doch  in  gänzlich  umgeänderter 
Gestalt,  Monteverdi's  Oper  bestehe  aus  fünf,  die  Wiener  Partitur  aus 
nur  drei  Akten.  Zudem  seien  Prolog  luid  Schlufisz^en  ganz  verschieden. 
Aach  trügen  die  von  anderer  Hand  als  der  des  Kopisten  hinzugefügten 
szenischen  Bemerkungen  nicht  den  Monteverdi^schen  Schrift-Charakter. 
Die  Musik  könne  also  ebenso  gut  von  einem  anderen  Komponisten  her- 
rühren. Ein  sicheres  Besultat  werde  sich  erst  nach  genauerer  Unter> 
snchung  herausstellen. 

Dieser  >genaueren  Untersuchung«  habe  ich  mich  unterzogen  und  kann 
als  ihren  Erfolg  mitteilen,  daß  die  Wiener  Partitur  mit  Monteverdi's 
Bitomo  cC  Ulisse  identisch  ist  Wir  liaben  somit  eine  zweite  Spätoper 
des  großen  Meistors  ^'»  fimtlen,  die  uns  im  Verein  mit  seiner  Licoronaxione 
dl  Poppea  ein  klares  Bild  seines  dramatischen  Schaffens  im  letzten  Lebens- 
abschnitt ermöglicht.  Ein  solches  hier  zu  entrollen,  int  nicht  meine  Ab< 
sieht.  Der  demnächst  zu  erwartend  \\eite  Band  meiner  >  Studien  zur 
Geschichte  der  italienischen  Oper  im  17.  Jahrhundert^  \\ird  sich  dieser 
Aufgabe  ausführlich  unterziehen.  Zunächst  nur  die  lieweise  für  meine 
Behauptung  der  Echtheit  der  Wiener  Hand  - I  i  i  ft  Wir  wei  den  zunächst 
auf  VogeFs  Beweisführung  einzugehen  haben,  dann  aber  durch  den  Ver- 
gleich mit  der  musikalischen  Behandlung  von  Busenello's  Inanwmxhne 
äi  Poppea  weitere  Anhaltspunkt r  ^ewinneu. 

Der  Text  von  Badoaro*s  Libretto  stimmt  mit  demjenigen  der 

1)  GeachirhtR  der  Musik,  Band  IV,  Seite  'M2  f. 

2}  Vierteljahn>«chrilt  fiir  Musikwisseuschaft  1887.  Claudio  Montoverdi,  Seite  403  1. 


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672 


Hugo  Goldiofamidt«  Monteverdi's  Bitorao  d*  UlifM. 


Wiener  Handschrift  durchaus  iiberein,  nur  Prolog  und  SchluU- 
szene  sitid  andere.  Di«*  Vertauschung  des  Prologs  mit  einem  anderen  kann 
niclit  venvuiiiierUj  wunn  mau  Monteverdi\s  »Selbständigkeit  dem  Textdichter 
gegenüber  kennt.  Wir  werden  im  Folgenden  sehen,  wie  er  sieh  st^^ts 
den  Text  nach  iiiusikdiumatischen  Gesichtspunkten  umformt,  wie  er  überall 
beilisseu  ist,  dramatisch  erregte  Situationen  zu  gewinnen.  Warum  ><jlUe 
er  nicht  den  Prolog  verworfen  und  durch  ein  anderen  ersetzt  haben? 
Auch  die  Scldußszene  ist  gewechselt.  An  die  Stelle  des  Chore.s  der 
Ttaker  tritt  ein  Diu  tt  zwischen  Tllisses  uiul  Penelo})p.  Grade  dieser  Um- 
stand weist  auf  Munteverdi's  Hand  hin.  Er  v(  i  uilu  nämlich  ganz  ebenso 
in  der  hicuruiunione  di  Poppea.  An  die  Stelle  der  das  Drama  ab- 
schließenden Verse  des  Amor: 

»Hör  cantlamo  giocotidi 

Festeggiaudo  ridenti  in  terra  e  in  eieio 

II  gaiidio  sovrabbondi 

E  in  ogni  cUnui^  in  ogni  regione 

Si  mtta  ribombar:  Foppea  NeroneS 

die  ihm  wohl  zu  inhaltslos  und  konTentionell  dUnkten,  setzte  er  jenen 
unbegreiflich  schonen,  liebestrunkenen  Qesang  der  Helden,  ein  Triumph- 
lied der  Liebe,  gewissermaßen  eine  konzentrierte  Zusammenfassung  der 
Erotik,  die  Text  wie  Musik  des  Ganzen  trägt*).  Dieser  Austausch 
spricht  also  nur  fUr  Monteverdi's  Urheberschaft  Freilich  konnte  ihm 
Vogel  noch  nicht  Ton  demselben  Gesichtspunkt  beurteilen,  weil  die  In^ 
eoronaxüme  erst  einige  Jahre  nach  Abschluß  der  Arbeit'  durch  Taddeo 
Wiel  ans  Licht  gezogen  ward. 

Nun  zum  Drama  selbst.  Hier  stelle  ich  fest,  daß  die  Wiener  Hand- 
schrift auch  nicht  ein  Wort  enthMlt,  daß  nicht  im  Textbuch  stunde.  Nur 
einige  Auslassungen  und  Text^Umstellungen  hat  sich  der  greise  Meister 
erlaubt,  und  das  Yerfahren  gleicht  auch  hier  demjenigen  gegenüber  Bu- 
senello^s  Incoromxicne  auf  ein  Haar.  Jedesmal  sind  belanglose,  die 
Handlung  nicht  betreffende  Stellen  vielfach  ganz  ausgelassen  und  Worte, 
die  der  Librettist  erst  nach  Beendigung  einer  Bede  bringt,  vorweggenommen, 
um  so  die  langen  Monologe  wirksam  durch  Einwürfe  einer  anderen  Person 
der  Szene  zu  unterbrechen.  Kretzschmar^)  hat  auf  diese  Eingriffe  für 
die  Soldaten-Szene  und  das  erste  Zwiegespräch  Neros  und  Poppeas  bereits 
hingewiesen.  Sie  beschränken  sich  aber  nicht  auf  diese,  finden  sich  viel- 
mehr fast  in  jeder  Szene.  Ich  verzeichne  in  der  Incoronaxume  Aus- 
lassungen von  einer  oder  mehreren  Verszeilen:  in  Akt  I,  Szene  4,  6,  10; 

1)  Von  mir  mitrretcilt  in  den  Monatsheften  fiir  Musikgeschichte 

2)  Mouteverilis  »Incoronaziono  di  Ptjppea«  Vierte^jahrsachrift  für  Miwikwisscn- 
söbaft  1894. 


.  j  .i^  .o  i.y  GüOgl 


Hugo  Goldachmidt,  Montevcrdi't  Sitorno  d*  Uline.  *  673 


Akt  II,  Szene  2,  6,  7,  9,  13  und  14:  Akt  III,  Szene  14:  Ilmstellungen 
und  Worteinschaltungen  in  Akt  I,  Szrn«  2,  8.  5,  8,  11,  13:  Akt  II,  Szene 
2,  3,  4,  9  und  11;  Akt  III,  Szene  4  und  ö.  Ähnlich  verfährt  der  Kom- 
ponist in  der  Buckkehr  des  Uliases: 

Akt  I,  Szt^nc  1.  30  Verse  uu!»geiHsäi'u  und  eine  UmstelluDg  der  Kede 
der  Fenelope. 

Szene  2.    2b  Vene  ausgelassen,  statt  der  7  Schlufiverse  Wiederholung 

eines  Duettes. 

Ssene  B  ist  nicht  komponiert.  Die  Szene  zählt  aber  mit)  das  Ssenariiiiik 
ist  mit  dem  fjHii'-tTo  identiscli. 

Szene  4.  Stunmie  Ssitne,  die  Sinfonie  ist  nur  durcii  Üailuoten  des  lii- 
tomellB  angedeutet  Das  Libretto  gibt  an:  Pimano  i  Fead  in  nme^ 
e  «baroano  Ulisg^  dormienky  e  Uf  pongono  appnsw  t  dellc  Naiadi 
rol  suo  haga/jh'o,  r  qutata  Seena  i  mutttf  aecompoffnata  con  sinfoniOf  e 
poi  enira  h  narr, 

Szene  5.    Zweimal  je  4  Verse  auhgelassen. 

Szene  (>  und  7  stimmen  mit  dem  Libretto  üfaereiu. 

Szene  8.    13  Verse  ausgelassen. 

Szene  9.    T)er  die  Szene  eröffnende  Chor  mit  0  V^i    n  ist  ausgelassen. 

Szene  10.  Die  Szene  eröffnet  Penelope  mit  den  Worten:  Donair  o  Dci 
(ontetUo  (i  ^*?V/  tfnn\  die  im  Libretto  fehlen:  dann  sind  4  Verse  der 
Melanto  gestrichen,  an  deren  StcUe  Wiederholung  von  4  Versen  der 
MeUnto. 

Szene  11.    6  und  dann  5  Verse  ausgelassen. 

Szene  12  erfiihrt  eine  Kürzung  um  die  0  Schlufiverse. 
Szene  13.    £s  sind  einmal  4,  dann  3  Verse  ausgelassen. 

Akt  II«  Szene  1  stimmt  mit  dem  Textbuch  liberein. 

f^zene  2  stimmt  gleichfalls. 

Szene  3.    Es  sind  ö  Verse  des  Telemach  gestrichen. 

Szene  4  stimmt  überein. 

Szene  6.  20  Vene  ausgelassen. 

Szene  6.   BaUo  nicht  komponiert 

Szene  7  stimmt  überein. 

Szene  8.     Es  f-iiid  B  Ver?e  überp^nngen. 

Szene  und  10  ^'nu\  aus  K/«-ii»-  H  dva  Tcxtbui  li^-s  t.'t'l)ilciet.  Ausgelassen 
sind  ö  Verse  und  Szene  9,  und  den  Schluß  bilden  2  Verse  deä  Ulisseä, 
die  nicht  im  Libretto  stehn. 

Szene  10  stimmt  mit  ILm  überein. 

Szene  11.   8  Verse  in  der  Mitte  und  6  Verse  am  Schluß  ausgelassen. 

Szene  12  iimfanf  zwei  Szenen  des  Textbuches:   einmal  f>  Verse  ausge- 
lassen und  <  Iii*'  komische  Episode  gestrichen^  am  Schluü  sind  einmal 
dann  2  Vers»'  eliminiert. 

Akt  III,  Szene  1.    Stimmt  überein. 
Szene  2  ausgelassen. 

Szene  3,  4,  5,  6,  7,  8,  9  stimmen  wörttioh  mit  der  Dichtung. 

La  Szene  10  ist,  wie  erwShnt,  der  Schluß,  niUidich  3  Verse  a  due  voei| 
niu]  4  Verse  Coro  (T  Itacensi  durch  einen  Z wiegesang  des  UUsses  und 
der  Fenelope  ersetzt. 
B.  d.  i.  M.  IT.  44 


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674 


Hugo  Goldschmidi)  Monteverdi's  Bitorao  d'  Ulisse. 


Diese  VoränderuHiron,  weit  entfernt  gegen  Mnntev.  rdi  s  I  rlieberscbaft 
zu  !«prochen,  bestütigt'u  sie  vielmehr.  Halten  hich  andere  Komponisten 
streng  an  den  ihnen  vorliesrenden  Text,  ho  ist  es  gerade  seine  Eigentiimlicli- 
keit,  niit  ihm  in  der  f,n'sciiil<l(<rten  Art  frei  zu  sehaltcn.  Ks  ist  in  beidt-n 
Opern  nach  derscilicii^ri'thodt'  und  untor(hMnst'll)i'n(ifsichtspunkt  verfahren. 

Der  Dichter  zcrlci:to  seinen  Stutt"  in  fünf  Akte,  Monteverdi  folsrtf 
dem  Opernbruuche  dur  Zeit  und  beschied  sich  mit  nur  zwei  Al>>(  lilii»en, 
also  drei  Akten,  in  dem  er  die  vier  ersten  S/encn  di  s  zweiten  Akte> 
zum  ersten  scldnif  und  die  h't/.ten  dici  S/enen  jenes  mit  dem  dritten 
und  vierten  Akt  (h'r  Diclitung  zum  zweiten  Akt  vereinigte;  der  fünlV 
Akt  des  l,il)rett(i  und  der  dritte  Akt  des  Textbuche*;  decken  sieh.  TVr 
Dichter  stellt  im  er.sten  Akt.  nachdem  uns  T'enelnpes  'i'rauer  und  Tr-  u» 
gescliildert  ist,  die  Landung'  des  Ulisses  durch  ilie  IMjüaken  dar.  >ein*' 
Vei-zweif hing  wiederum  von  ihnen  betrogen  /u  si  in.  Mim  rvas  Kuigreifeii. 
1  lisses"  N'ervvaudlung  in  einen  Bettler  und  den  Jubel  des  Helden,  als  er 
st  ine  Heimat  erkennt.  Den  zweiten  Akt  eröffnet  ein  Zwiegesj)r;ich  derl\ne- 
h»pe  mit  ihrer  (getreuen  Melanto.  Eumete  wird  eingefiilirt :  iro,  einer  der 
Freier,  den  Baduaro  zur  komischen  Figur  .stempelt,  unterhält  sich  mit 
Kameles.  Ihnen  gesellt  sich  Uhsses  in  Bettlergestalt  zu,  der.  freundlich 
aufgenommen,  des  Itakerkönigs  Heimkehr  ankündigt.  Diese  Haiulluujr 
schlägt  Monteverdi  zum  ersten  Akt  und  macht  hier  den  ersten  Akt- 
schluß. Nun  greift  Telemat  h  ein,  der  soeben  von  seiner  Reise  zurück- 
gekehrt. Miner\a  versichert  ihn  ihres  Schutzes.  Eumetes  begrüßt  ihn 
und  teilt  ihm  di«'  Melduuir  des  Bettlers  mit;  Ulisses  offenbart  sich  dem 
8()linf.  und  sie  Ix'schlielien  /u  handeln.  Hier  endet  der  /weite  Akt  der 
Dichtung,  während  sie  In-i  Monteverdi  den  zweiten  Akt  erultnen,  dem  noch 
der  gesauite  dritte  und  vierte  Akt  jener  angefügt  sind.  Kin<^  komisclie  Szene 
zwischen  Melanto  und  Kunmaco,  die  keinerlei  Beziehung  /.ur  Handluii^. 
aufweist,  die  erste  Freierszene  mit  der  vergeblichen  Werbung  und  ein 
Ballett  folgen.  Eumetes  bringt  Penelope  die  Nachricht  vuu  der  angeblichen 
Heimkehr  des  Gatten,  er  stößt  auf  ihren  Zweifel.  Es  folgt  die  zweitf 
Freierszene,  in  der  sie  Telemach  zu  töten  beschliehen,  ein  Adler  Jupiters 
warnt  sie:  Minerva  ermutigt  Ulisses,  die  Freier  zu  vemichten,  Telemach 
erstattet  der  Mutter  einen  Reisebericht.  Dritte  Freierszene,  der  Wettstreit 
(la  lottjij:  Ulisses  .spannt  seinen  Bogen,  die  Freier  unterhegen.  Schluß 
des  zweiten  Aktes.  Den  letzten  Akt  eröffnet  ein  komisches  Intermezzo  des 
Iro,  Penelopes  Klage,  die  Ulisses  nicht  erkannt  hat  Eumetes  meldet 
der  Sieger  im  Wettkampf  sei  Ulisses.  Penelope  bleibt  ungläubig.  Tele- 
mach bestätigt  des  Eumetes  Bericht.  —  Zwei  Götterszenen,  Jupiter  be- 
schützt Ulisses  auf  Fürsprache  der  Juno.  Eriklea,  die  Amme  des  Ulisses, 
hat  ihn  erkannt  und  schwankt,  was  zu  tun  sei.  Ulisses  ei*scheiiit  in 
eigener  Gestalt 


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Hugo  Goldscbmidt,  Monteverdi*«  fiitorao  d'  UUue. 


675 


"We^en  dioser,  viollcichl  iinr  mi!<  bnhiipnterhnischen  Gründen  r<'>Mlti»»rf>n- 
den  Verk^j'UDg  der  Sckluaüc  kaim,  bei  der  suubt  völlig  kongruenten Huiul In iii:, 
unmöfrlich  von  einer  Inkongruenz  der  Wiener  Partitur  mit  dein  Textbuch 
gesprochen  worden.  Ja,  auch  sie  deutet  wieder,  ganz  wie  die  ge>ehilderten 
Auslas-^ungen  und  T'instellungen,  auf  Monteverdi's  Hand.  Kein  anderer 
Korapüiiist  jener  Zeit  verfährt  so  eigeiinrtig  mit  seinem  Tjihretto;  seine 
Größe  offenhart  -sicli  nicht  zum  wenigsten  in  einer  freien  Disposition  des 
Textes  im  Inteit  ssr  der  dramatisch-musikalischen  Wirkung,  —  \'ogers 
Bedenken  glaube  ich  durch  riiese  Ausführungen  beseitigt.  Der  Vergleich 
der  musikalischen  Gestaltung  und  der  eigenen  Art  der  Notierung  heider 
SpUtopern  aber  erheht  die  Authentizität  der  Wiener  Oper  zur  (jtewiliheit. 
MonteverJi  ^teht  im  Gegensatz  zur  römischen  Schule  auf  dem  von  den 
Florentinern  gelegten  Grunde.  Das  Dramatische  bleibt  ihm  ila>^  rrinci- 
pale.  die  Musik  ist  ihm  noch  niu'  ein  Mittel  seiner  Steigerung.  Die 
höchsten  Affekte  liegen  deshalb  im  Rezitativ,  die  gebundene  Form  tritt 
ihm  gegenid>er  in  eine  hescheidenere  St«  llung.  So  in  der  Inet/rvuaxkme^ 
so  in  Rilitnio  d'  /7/.ss^.  Kein  römischer  Komponist.  i\berhaupt  kein 
anderer  Mei>,ter  ist  von  der  Kantate  und  Carissimis  Eintluli  in  solchem 
(irade  unlierührt  wie  Monteverdi.  Vergleicht  man  beide  Opern  in 
dieser  ßück.siciit  so  ergibt  sich  eine  vollständige  Ubereinstimmung  in  der 
Bewältigung  des  t.  xtHcheu  .Sttiff«  ^.  Hier  wie  dort  ist  es  die  unu-^i  bundene 
Form,  das  Rezitativ,  dem  die  Höhepunkte  d»  r  Handlung  entf.illen.  Und 
die  der  Jiujoroiifr.inin  charakteristische  Behandlung  des  Si)rachgesanges 
ist  der  anderen  ü]>er  in  tdrichem  Maße  eigen. 

Das  Hinübergleiten  über  einen  Ton  mit  dem  Fallen  auf  die  tiefere 

Sekunde  (^'.^/^l^  ^EriJm)'  ^       Eintreten  der  Septime  und  None, 

dissonanzreiche  Antizi[>ationen  aller  Art,  die  Unterbrechung  des  trockenen 
Bezitatirs  durch  melodische  Wendungen,  nicht  selten  leitmotiTisch,  so  daß 
die  gleiche  Melodie  an  passender  Stelle  mit  denselben  Worten  wieder- 
erscheinty  endlich  die  Zusammenfassung  einzelner  Szenen  durch  melodische 
Hauptgedanken  (z.  B.  das  toma,  torm  UHsse  der  ersten  Klageszene  der 
Penelope),  alles  das  weist  auf  Monteverdi's  Meisterhand.  In  den  ge- 
schlossenen Formen  überwiegt  der  dreiteilige  Takt  in  beiden  Partituren 
in  solchem  Grade,  daß  fast  ausnahmslos  der  get*ade  nur  für  heitere 
oder  komische  Episoden  verwendet  ist,  gleichfalls  eine  Eigentümlichkeit 
unseres  Meisters.  In  der  Melodiebildung  herrscht  derselbe  Sinn  und 
Geist;  so  ist  beiden  die  Vorliebe  für  die  Eröffnung  mit  Tönen  gleicher 
Höhe  gemeinsam.  Ich  kann  hier  die  Yerwandtschaft  nur  andeuten,  und 
muß  mir  einen  eingehenden  Vergleich  für  die  Fortsetzung  meiner  »Studien 
zur  Geschichte  der  italienischen  Oper«  vorbehalten.  Nur  noch  zwei  Punkte. 
Die  Instrumentation  unserer  Oper  ist  wie  die  der  Ineoronazione  nur  durch 

44« 


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676 


Uugo  Goldsciimidt,  Moutevordi's  Kitorno  d'  Ulisse. 


den  Continuo  angedeutet  und  nur  in  den  Sinfoiiieu  und  Kitoraelleu  aus- 
gesetzt, diesmal  zu  fünf,  dort  zu  drei  Stimmen.  Die  Incoronaxione  iiat 
keinen  Chorsatz,  die  unsrige  nur  eine  Chorszene  und  zwar  mit  einem 
Satz  zu  vier  Stimmen,  dem  sich  ein  zweiter  gleichgearteter  hinzugesellt, 
his  heide  Chöre  sich  achtstimmig  vereinigen.  Den  Chor  der  9.  Szene 
des  ersten  Aktes  hat  Monteverdi  eliminiert  Dagi  gen  ist  das  Werk  an 
Ensemble-Sätzen,  Duetten  wie  Terzetten,  noch  reicher  als  die  Yenezia- 
nische  Oper. 

Nicht  zum  mindesten  spricht  für  dieselben  Urheber  die  Notierung,  die 
von  derjenigen  der  jttngeren  Heister  erheblich  abweicht.  Sie  verrät  die 
Schule  des  16.  Jahihimdeii»  auf  den  ersten  Blick.  Die  Anwendung  der 
weifien  Fusae  nnd  Semifosae,  sowie  der  Brevis-Ligaturen  ist  besonders 
kennzeichnend.  Letztere  kcnunen  in  zwei  Formen  vor.  Im  Vi  Takt 
6  SemibrcTes  Terliert  jede  Brem  die  Hälfte  ihres  Wertes  (f^  |),  zu 
dreien  vereinigt  bdiült  jede  ihren  Wmt.  Jene  entspricht  also  der 
nach  oben  gestricheaen  Ligatur  Pale8trtna*s.  Diese  deckt  sich  mit  der 
Schreibweise  dieses  Meisters  i).  Iii  keiner  andern  mir  bekaanteii  Open^ 
Partitur  habe  ich  diese  oder  eine  ähnliche  Verwendung  der  Brevn-Liga- 
tur  getroffen^.  Diese  nnserai  Partituren  gemeinsame  Notierung  fällt  also 
gleichfalls  fttr  die.  Identität  des  Urhebers  in  die  Wagsehale. 


1)  QMMnt-Aiuigabe«  Ssnd  I,  Torworfc. 

2}  Wohlverstanden  in  iler  (^per.  Sontt  war  sie  noch  in  Übung,  ond  die  Theore- 
tiker, wie  DeTiiantius  in  Avr  >  Isajzoge  Artis  musicae«  von  16.%,  ja  noch 
Murschhauscr  >Fuudamentaiische  kurze  ood  bequeme  Uandleitimg«  von  1707  han- 
deln von  den  Ligaturen. 


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J.  W.  Eniched«,  Zur  BftttaglU  dd  Be  di  Pninm. 


677 


Zur  fiattaglia  del  Be  di  Frusäia 

▼on 

J.  W.  Ensched^. 

(Or^rreen.) 


Im  lets^n  Hefte  dieser  Sammelbände  hat  Herr  Dr.  Albert  Mayer- 
Reinacb  die  Battaglia  del  Re  di  Prtissia  nach  einer  Handschrift  der 
Markus-Bibliothek  in  Venedig  herausgegeben.  Da  ihm  keine  andere  Niedeiv 
Schrift  dieses  Musikstückes  bekannt  ist,  halte  ich  es  nicht  für  unwichtig, 
eine  abweichende  Fassung  zum  Abdruck  zu  bringen  nach  einem  Manu&riptef 
welches  in  meinem  Besitze  ist.  Sie  findet  sich  in  einem  Sammelbande, 
welcher  handschriftliche  Cembalo-Stücke  von  Fr.  Bianchi^  Sebastiano 
Nasolini,  Gluck,  GioT.  Paesiello,  Buonfichi,  Ign.  Ple)  el,  A.  Gyro- 
wetz,  Pav.  Bon  und  Abb.  de  Bossi  mthSli  Mehrere  dieser  Stücke 
trafen  die  Bezeichnung  *pef  oder  »ad  itso  di  Paolo  van  der  Vrteken*^ 
und  die  Jahreszahlen  1800  bis  1802.  Ein  anderer  ebenfalls  aus  dem 
Besitze  dieses  Tan  der  Vrecken  stammender  Sammelband  enthält  unter 
aadenn  eine  Dirigenten-Partitur  Ton:  riH  d^Efcw,  Mira  qud  btn^ 
orränti,  Seena  e  dueUo  dd  Giuseppe  FarindH*  mit  der  Bemerkung: 
*Camepa!ß  2804.  Venexia,  Tea^  la  Fenke*,  Es  ist  daher  einleuchtend, 
daß  die  Abschrift  der  BatiagUa  möglicherweise  in  Venedig  und  zwar 
im  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts  entstand^  ist. 

Wer  Paolo  van  der  Vrecken  war,  ist  mir  unbekannt,  veimutlich 
aber  Cembalist  an  einer  Operetten-G^esellschaft,  welche  in  Italien  reiste. 
Ich  halte  es  für  unzutreffend,  ihn  mit  Graf  Paul  Mathias  van  der  Vrecken 
(geboren  in  Maastridit  1777,  gestorben  in  Houthem  1868]  zu  identifizieren, 
der  1803  vom  Papste  zum  protonotarius  apostolicus  ernannt  worden  ist; 
denn  während  seines  italienischen  Aufenthaltes  von  1800-rl803,  den  er 
fast  ausschlieSlich  im  Palast  der  Propaganda  in  Hom  zubrachte,  waren 
es  nur  theologische,  keineswegs  profan-musikalische  Studien,  welche  ihn 
beschäftigten  i}. 

Diese  neue  Redaktion  der  Batiagliu^  welche  einen  Autor  nicht 
nennt,  ist  nicht  ohne  Interesse.  Sie  enthält  mehrere  Varianten  hin- 
sichtlich der  Struktur.    Vorangeschickt  ist  «^e  Marcia,  deren  Zu- 


1)  Paul  Verhaegen,  Lc  comtc  Paiä  mn  der  Vrecken.  (Publieatioiu  de  la  SoHeU 
ki^orique  et  ardieologique  datte  le  duchi  de  Limbourg.  Tome  XXX,  1893,  Maetir. 
pag.  89  raiv.) 


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678 


J.  W.  Enschedd,  Zur  fiattagU»  del  Ba  di  Pnmia. 


f]reli<iri<,'koit  sclioii  im  Hinltlick  auf  die  Tonart  zwtMfclliaft  srlieint Die 
Passa;;'»'!!  und  die  Faulaifii  sind  ausj^jiddint ;  der  Scliluß  des  ersten 
Teiles  f»'lilt  im  Abdruik  von  Ma\ ei-lleinac  Ii :  der  Anfang  des  zwfitt^n 
Teilt  e  i^t  in  der  neuen  Niederschrift  anders,  und  zwar  unschöner;  ebenso 
der  Scliluü. 

Da  diese  Absclirift  offen))ar  einer  andern  (Quelle  entnonnnen  ist. 
jedoch  vielleicht  durch  Vergleich  auf  eine  v*  rs(  )iüllene  Tr(|uelle  zurück 
zu  fiilinn  ist,  bin  ich  nur  darin  von  der  Vorlage  abgewichen,  ilalJ  ich 
die  l^rgl(>itungs-Figuration  voll  ausschri«'b:  sonst  habe  ich,  einige  zu- 
gefügt«'  Accidentien  über  dem  Systeme  ausgenommen,  nichts  geäudeil. 
zum  Beisjjiel  nicht  die  Angabe  der  Ten«»r-S<lilüsscl.  Solche  Kleinig- 
keiten, welclie  aus  v'mw  Handschrift  in  andere  hinübergehen,  sind  bi>- 
weilen  sichere  llandbaben,  um  eine  kritische  Forschung  zu  erleichtem. 
Daran  mitzuhelteu,  i&i  die  Absicht  meiner  Publikation. 


Battaglia. 


1)  Die  Maroia  b^imt  wie  folgt: 


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(iBO  J-  W.  EuscUede,  Zur  Battaglia  del  lle  di  Prussia. 


u  y i.,^  jd  by  Google 


J.  W.  £iuchedä,  Zur  Battaglia  del  Be  di  Pnuaia. 


681 


L  iyiii^üd  by  Google 


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084 


J.  W.  Enached^,  Zar  B«tUigUft  del  Be  di  Prania. 


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J.  W.  EüBohede,  Zar  BattagMft  dfli  Be  di  ProMi«.  685 


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6^  Amalie  Arnbeim,  Le  devin  du  viliage  von  Jean- Jacques  Kousseau  a.  s.  w 


Le  devin  du  village  von  JeanJacques  Bousseaii  und  die 
Parodie  Lea  amoizrs  de  Bastiea  et  Bastieime 

von 

Amalie  Arnheim. 

(Berlin.] 

Jean  Jacques  Rousseau^B  leidenschaftliche  Teilnahme  an  den  mnsika- 
lischen  Kämpfen  seines  Zeitalters  macht  ihn  auch  fttr  denMusik-Histonker 
zu  einer  Persönlichkeit^  deren  Bedeutung  für  die  Entwicklung  des  fraih 
zösischen  Singspiels  und  eine  Beform  der  französischen  Oper  nicht  za 
imterschätzen  ist.  Der  herühmte  Schriftsteller  und  Philosoph^  der  Ye^ 
fasser  der  Nmvdle  H^loft$e,  des  Cmtrat  social  ^  des  Eniik  spielte  zu 
seiner  Zeit  auch  auf  musikalischem  Grebiete  als  Kritiker,  Theoretiker. 
Polemiker,  Komponist  eine  große  Rolle  und  nahm  sowohl  in  dem  be- 
kannten Streit  der  Bouffans  iiaiienSt  wie  Jahrzehnte  später  in  dem 
zwischen  Gluck  und  Piccinni  eine  führende  Rolle  ein. 

Durch  die  Polemik  über  den  Wert  italienischer  oder  französischer 
Musik  und  das  Gastspiel  der  italienischen  Sänger-Gesellschaft')  doppelt 
angeregt,  faßt  Rousseau  während  eines  Aufenthaltes  in  Passy  den  Ent- 
schluß, etwas  der  opera  buffa  Ahnliches  für  die  französische  Oper  zn 
schaffen.  Er  berichtet  selbst  im  VUI.  Briefe  der  ConfesaumSj  wie  in 
wenig  Tagen  der  PlaUi  der  Text  und  die  Musik  des  Stuckes  entworfeu 
und  im  Verlaufe  von  6  Wochen  das  Ganze  Yollendet  wurde.  Bei  einer 
Probe,  welche  von  Duclos  veranstaltet  wurde,  dem  durch  seine  Memoire» 
seerets  sttr  les  ri^fs  de  Louis  XIV  et  XV  bekannten  französischen 
Historiographen  und  Verfasser  des  Ballets  Les  caracttres  de  la  foUe^j 
gefiel  Rousseau*s  kleines  Werk  so  sehr^  daß  seine  Freunde  die  Aufftthrung 
bei  Hofe  durchsetzten.  Zweimal,  am  18.  und  24.  Oktober  1752,  wurde 
der  devin  du  viUage  in  Fontainebleau  vor  dem  König  mit  großem  Bei- 
fall gespielt,  dann  im  Beginn  des  Jahres  1753  von  Herren  und  Damen 
der  Hofgesellschaft;  die  Marquise  de  Pompadour  selbst  spielte  die  Haupt- 
rolle'). Darauf  führte  die  Acad^mie  royale,  das  heißt  die  Oper  in  Paris, 

1  über  die  Auilulirungeri  der  Butii»uisten  siehe  Mcrcure  de  France  17Ö2,  17ä3  und 
17iVl.  Vergleiche  auch  die  »wücheuüichcu  Nachrichten«  von  Hiller,  43.  Stück,  22.  Ok- 
tober 1770:  Über  die  BafTon»  oder  Streitigkeit  fiber  die  Musik  in  Frankreich,  Seite  933. 

2)  Musik  von  Bury,  1743  an  der  Oiier  aufgeführt. 

3}  Alb.  JanHcn.  J.-J.  Rousseau  als  Mvisiker,  Seite  168,  ferner:  Chonia  et  Chan- 
sons pnjmiairfs  ih  hi  Vroncr.  Sotiir  par  M.  Rlcrsan.  Delloijr  äliteur.  III«  S<*rie. 
1843:  «Lr  dciin  ilit  riUaijr  de  .J.-J.  UanssraK  faii<aU  furmr.  Madame  de  Pompadour 
joiiaü  ik  Choiny  le  roh  de  Colcttc  et  chantail  uii  jx «  jaux. 


.  kj  .i^  .o  l  y  GüOgl 


Amalie  Arnbeim,  Le  devin  du  village  von  Jean- Jacques  Kuusseau  u.  s.  w.  687 

das  InteiTuezzo  zum  ersten  Male  einem  größeren  Pul)likum  vor.  Diese 
erste  öffentliche  Aufführung  gehört  zu  den  interessantesten  in  den 
Annalen  der  französischen  Oper  jener  Zeit,  sie  fällt  in  die  Epoche  der 
heftigsten  Kämpfe  ^^egen  die  Buffonisten.  Mademoisellc  Fei  und  Mon- 
sieur Jdlyotte die  ersten  Sänger  und  Lieblinge  des  Publikums, 
spielten  die  Hauptrollen.  Der  »Mercure  de  France«,  das  Organ  für 
Kunst  und  "Wissenschaft  jener  Zeit,  berichtet  über  diese  Aufführung 
unter  anderem:  »Die  Allgemeinheit  bat  die  Gesänge  dieses  Intermezzo  sehr 
angenehm  gefanden  und  die  Kenner  haben  nach  und  nach  immer  mehr 
Feinheiten,  eine  große  Wahrheit  der  Empfindung  und  eine  seltene  Aua- 
drucksfthigteit  bemerirt«  %  und  lUwsseau  selbst  berichtet  in  den  Cmfesskns 
Über  die  erste  Aufführung  in  Fontainebleau.  >Es  wurde«,  so  sagt  er, 
>sebr  schlecht  gespielt,  aber  vorzüglich  gesungen  und  auch  die  Instru- 
mental-Musik sehr  gut  ausgeführt.  Schon  bei  der  ersten  Szene,  die  tat- 
sächlich Ton  einer  rührenden  Naivität  ist,  hörte  ich  Hufe  des  Erstaunens 
und  des  Beifalls,  wie  sie  sonst  in  dieser  Art  von  Stücken  nicht  gebräuch- 
lich waren.  Der  Beifall  steigerte  sich  bis  zur  Liebes-Szene,  ich  horte  um 
mich  herum  das  Flüstern  von  Frauenstimmen,  das  ist  entzückend,  das 
ist  rührend,  da  ist  kein  Ton,  der  nicht  zum  Herzen  spricht.«  3} 

Die  Handlung  der  kleinen  Dichtung  ist  sehr  einfach.  Oolette,  ein 
Landroädchen,  ist  von  ihrem  Liebhaber  Colin  verlassen.  Sie  sucht  einen 
Wahrsager  auf,  der  ihr  helfen  soll,  den  Geliebten  wieder  zurückzuge- 
winnen. Der  Wahrsager  berichtet  ihr,  dafi  die  Qutsherrin  G^lin  zur 
Untreue  verleitet  habe.  Colin  liebe  jedoch  Colette  noch  immer  und  würde 
zu  ihr  zurückkehren;  dann  müsse  sie  ihn  aber  durch  Kalte  und  Zurück- 
haltung für  seine  Unbeständigkeit  strafen.  Als  Colin  nun  reuig  Colette 
au&uchen  will,  erklärt  ibm  der  Wahrsager,  sie  liebe  jetzt  einen  andern, 
verspricht  aber  auf  Colin*s  Bitten,  Colette  durch  einen  Zauber  herbeizu- 
rufen. Colette  erscheint,  wie  verabredet,  und  spielt  nur  mit  Mühe  ihre 
Bolle.  Als  Colin  sich  darauf  verzweifelt  entfernen  will,  ruft  sie  ihn 
zurück  und  Versöhnung,  erneute  Versicherung  der  Liebe  und  Treue  folgen. 
Der  Wahrsager  empfangt  seinen  Dank  und  Lohn  und  die  versammelten 
Landleute  nehmen  an  dem  G-lück  der  Liebenden  teil.  —  Auch  in  dieser 
kleinen  Dichtung  gibt  Boussean  dem  Gedanken,  der  ihn  damals  be- 
herrschte, Ausdruck;  Bückkehr  zur  Natur,  Flucht  vor  der  Welt  war  zu 
jener  Zeit  sein  Lebens-Ideal.   Bousseau  hat  den  Devin  dem  schon  vor- 


1}  J.'Q.Prod'homme,/%Trv  <fe/df9ofte(1713-1797),8uBmmeIbi^ 

2)  J.-G.  Prod'hotume,  a.  a.  0. 

3  Yer)?leiche  Arthur  Pougin,  J.-J.  Rousseau  musicien.  Rivista  musicale  1895, 
Band  II .  Üher  diese  Aufführung  sii-ho  aurli  Musikalische  Bibliotliek  von  EschstrtUh. 
Musikalischei'  Ahuanach  Vav  Deut)>chlaud  auf  das  Jahr  17Ö5.  IX.  Anekdotca  und  Ein- 
falle, Seite  287. 


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()88  Amalie  Arubeim,  Lc  devin  du  vülage  voo  Jeau-Jacques  Jüousseau  u.  s.  w. 

her  erwähnten  Duclos  gewidmet,  dem  Philosophen  seiner  Zeit,  welchem 
er,  wie  er  sagt,  die  größte  Achtung  zollte.  Das  Intermezzo  ist,  meines 
Wissens  wenigstens,  das  einzige  Werk  Kousseau^s,  das  eine  Widmung 
ti%t,  sie  lautet  ganz  kurz:  A  Mr.  DtidoSy  hhtoriographe  de  Franca,  l'un 
des  qiuarante  de  taeadiSmie  franioise  et  de  ceÜß  de$  mecripHons  et 
beäes  lettres,  *8ouffrez  monsieitr,  qne  votre  nom  eoit  a  h  Ute  de  eet 
mnragr  ^  qui  sam  veus  n*eiU  janmis  paru,  Ce  aera  nm  premün  et 
nnique  dSdicaee:  puisse-i'-elle  vom  faire  atitant  ^honneur  qttä  t/udU 
Diese  wenigen  Worte  lassen  Roussean's  SelbstgefOhl  und  den  allgemeineii 
Beifall  erkennen,  den  sein  Werk  schon  als  Manuskript  gehabt  haben 
muß! 

Wer  sich  mit  dem  Libretto  des  Devin  etwas  näher  beschäftigt  hat, 
wird  von  der  Anmut  der  Sprache  in  den  kleinen  Chansons  und  Romanzen 
ganz  Überrascht  sein,  denn  sie  zeigt  uns  Bonsseau  als  einen  lyrischeo 
Dichter.  8dion  in  Ljon  im  Jahre  1740  hatte  Rousseau  begonnen,  sidi 
einen  Ruf  als  Dichter  zu  erwerben.  Der  Herausgeber  einer  Zeitschrift') 
teilte  seinen  Lesern  sogar  mit,  daß  Herr  Rousseau  föhig  wäre,  den  Ruhm 
des  großen  Namens,  den  er  trüge,  aufrecht  zu  erhalten  und  daß  es  auf 
dem  Pamasse  eines  Tages  heißen  könne  »Ronsseau  der  erste  und  Rous- 
seau der  zweite*).  Uns  erscheint  dieser  Ausspruch  heute  sehr  merkwürdig, 
denn  Rousseau  der  erste  ist  Jean  Baptiste  Rousseau,  ein  noch  heute 
nicht  ganz  Tergessener,  aber  im  18.  Jahrhundert  sehr  Überschätzter  Ijii- 
scher  Dichter. 

Im  Devin  du  vüla^  ist  Rousseau  Dichter  und  Komponist  in  einer 
Person.  Auch  in  seinen  Schriften  über  Musik')  weist  Rousseau  wieder- 
holt darauf  hin,  daß  Poesie  und  Musik  zusammengehören  und  daß  nur 
da  ein  einheitliches  Kunstwerk  entstehen  könne,  wo  die  Dichtung  durch 
die  Musik  zum  ToUkommenen  Verständnis  und  zur  ▼oUkommnen  Wirkung 
gelangt.  Dichter  und  Komponist  müssen  zusammen  schaffen,  müssen  die- 
selbe Person  sein.  Auch  hier,  wie  in  vielen  andern  Beziehungen,  berührt 
sich  Rousseau  mit  R.  Wagner.  »Was  Leuten  von  Gkschmack«^  so  sagt 
Rousseau,  »den  Devin  schätzbar  macht,  ist  die  vollkommene  ÜbeieinattnH 
mnng  des  Textes  und  der  Musik,  das  enge  Band  ihrer  Teile  unterein- 
ander, welches  das  Gkmze  zu  einer  nie  dagewesenen  Einheit  bringt 

1)  Ixt  eUf,  Ott  Joumai  hi^arique  nur  U»  matitrt»  du  tempg  (Alb.  Jansen,  a.  a.  0., 

Seite  39). 

2)  Mastet-Farthay,  (Mtvre»  eon^^tüet  de  J.'J.  Bauauem,  In  dem  »amt  de  THif 
teuri  vor  dem  »Diteoure^  qui  a  remporU  le  prw  ä  Faeadhrne  de  Dijon*  iit  die  SIdle 

ans  dem  Joumai  >/a  clf'f<  mitgeteilt.    Siehe  aoch  Jattien,^».  a.  0. 

3  Lrffrr  yi/r  In  niusi'/ii'  frruic'u'sr  1753;  Frainrn  rh  iletix  printiprs  par  Mr.  Ri'i- 
nimtf  17.')ö.  1  >;is  Fragment  t  iiuM-  17öö  verfaßten,  aber  nicht  veröffeni lichten  Schrift 
kIu  principe  lU  la  mvlodie<  (vergleiche  A.  Jausen,  a.  a.  0.,  Anhangj  und  C.  Stumpf, 
Musikpsycliologic  in  England  (Vierte^jahmehrift  fiir  Muiikwiatentdiaft  I,  S«it«  S68tr. 


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Amalie  Amheim,  Le  devin  du  viltage  von  J«an<Jacqaei  Ronaieau  u,  s.  w.  689 


i'berall  hat  der  Komponist  gedacht,  gefühlt,  gesprochen,  wie  der  Dichter, 
der  Ausdruck  des  einen  harmoniert  so  genau  mit  dem  andeni,  daß  man 
alle  beide  immer  von  einem  find  demselben  Geiste  beseelt  sieht.«  — 

Rousseau's  Zusammenwirken  als  Dichter  und  Komponist  regte  auch 
andere  Künstler  an.  Mondonville,  Violinspieler  am  Hofe  Ludwigs  XV. 
schrieb  Te.xt  und  Musik  zur  Oper  Ihipknia  et  Alchmidure^  einer  Pastorale 
im  Dialekt  von  Languedoc  und  auch  Maria  Antonia,  die  Gemahlin 
Friedrich  Christian'«  von  Sachsen,  diclitete  und  komponierte  zwei  italienische 
Opern:  //  trionfo  della  feddtn  und  Tnfrstris.  UTkt  das  Singspiel  Tnfrsfrh, 
Kiiutgln  der  Amnxonen  findet  man  eine  sehr  günstige  Besprerliuiig  im 
Tl.  Stück  von  Hiller's  >wöchentlidien  Narhriclitcn»  und  Fi-iedricli  der 
Große  schrieb  der  Verfassorin :  »Sie  gebi-n  den  Komponisten  ein  Beispiel, 
daß  alle,  um  guten  Erfolg  zu  haben,  zugleich  auch  Dichter  sein  sollten*  < . 

Der  Darin  du  ri/l/ii/r  ist  nach  Form  und  Inhalt  ein<>  Pn  storale.  Kous- 
scaii  erklärt  später  in  seinem  >  Itictioniiaire*  die  Rezeiclinung  Pastorale  als 
Idylle,  (leren  Personfn  Hirten  sind  und  deren  Musik  der  Einfalt  des  Ge- 
schmaekes  und  der  .Sitten  anzupassen  ist,  die  man  bei  ihnen  vomussetzt«. 
In  diesem  Sinne  hat  Rousseau  auch  die  kleinen  Tiieder  und  Arien  zu  kom- 
poniereu  vei*sucht.  Der  einfache  Ausdruck  einer  natürlichen  Emplindung, 
die  das  Gedieht  beherrscht,  spricht  sich  auch  in  der  Musik  aus,  die  man 
heute  noch,  nach  15<)  Jahren,  als  eharakteristiseh  emijliudet  und  deren 
außerordentliche  Wirkung  in  ihrer  Zeit  man  begreift,  wenn  man  an  den 
Konti  ast  zurfranzfisischenopera  seria  mit  ihrem  meist  mythologischen,  pathe- 
tischen Stoff  und  ihrer  weniger  individualisierten  Musik  denkt.  Ganz 

1)  CSHvre«  IX,  Seite  116. 

2]  Orrrespiymlanrr  p<tr  (iT\mm  11,  428.  Unterhalt uiig.  n,  Hamburg  1768,  II.  Band, 
Seite  165:  Fhiphni«?  und  Alcimadure,  eine  Schäferoper  in  3  Akten.  Musik  und  Poesie 
sind  von  .T<^an  Mondonville.  Zuerst  im  Tjanpnedockiscbeu  Dialekt  geschrieben 
und  17Ö4  m  Fontainebleau  gespielt,  17öö  iu  Paria  wiederholt.  —  >I>ie  Komposition 
hat  dorchgehends  den  sanften  leichten  Ge.sang,  den  die  Art  des  Stückes  erfordei'te. 
Kenner  haben  darin  Yiel  neue  Zflge,  eine  lebhafte,  firuchtbare  und  maleriaehe  B&n- 
bildungskrafl  gefunden.  Bie  Tttnze  waren  fenng*  hebend  nnd  voll  Aufdruck  komponiert.« 

3  8.  Julius  1766. 

4  f^orn-ftpornfftnyr  Fr*^dt*ric  le  (irand,  Ausgabe  von  Preoß  (Band  IX, 
iJ'Mrns  äf  Fndiric  le  (Jranä,  Tome  XXIV,. 

Ji  la  prineene  Marie-AtUonie  4b  Sasee, 

PMnm,  29a9rü  1763. 

Mofhum  '  J'di  ra;n  anc  neHsihiHfi'  H  rfnmtutissanee  le  beau  pritetU  que  rotre  al' 
f^snc  rdijulc  n  datyni'  n  ine  fai'rr  dt'  dfux  opiras:  dttnt  eile  a  fait  Ir.^  paroles  et  la  muAi- 
que  —  f»irrfffffH  seraimt  pnrüjnx  fnir  eus-mt'iiies ;  ce  tfui  leiir  ajoute  un  nouceau  prix, 
ce«l  la  tun  in  dont  iU  nie  vkuttcuL  .  .  Mai.s  jr  doüs  cou4  c^ntfamer^  muäame,  qua  vom 
faüea  hommtr  ä  la  mutique^  eontereanf  pnr  V09  ouvrage»  le  Aoti  goüt  prU  &  *e  perdre 
et  que  pom»  donmex  un  iixemple  aux  eompoeiienr»y  qni  tou»,  pour  bien  reueeir 
devtnient  ^trc  pin  tes  cn  nn'mt'  temp.i. 

öj  Dkiionnaire  de  mmique  [Gen^ve  1767},  Artikel  Ptuioraie, 
S.d.I.M.  17.  45 


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090  Amalie  Arnheiin,  Le  devin  du  viliage  von  Jean-Jioquea  Roiitt6*u  u.  s.  w. 


>ondero  Sorgfalt  vt-rwandtH  liuuj^seau  auf  div  inusikuliacla'  VV'icdrruMut 
dt'>  Dialoges  duicli  das  l{i'/.itativ,  welches,  ucnn  aurh  der  italienischen 
(J\>iT  nachgebildet,  der  Iran/üMscheu  Spruche  frei  toi^^«'n  und  t^ite  natur- 
gemäße, aber  dennoch  küu>tlerisch  ausgebildete  Deklainaiiou  darstellen 
sollte. '  Dieses  neue  Rezitativ  an  Stelle  des  oft  sehr  eintömgen  an  die 
P>aiiiHHlic  eiinnernden  wagte  man,  so  erzählt  weniir^tens  Rousseau, 
ht'i  der  erstell  Aufführung  nicht  einzuführen,  somi,  ru  ersetzte  es 
durch  ein  von  dem  oben  schon  erwähnten  Sänger  Jelyotte  in  der  alten 
Form  koui}(uinertes  Rezitativ.  Rousseau's  Rezitativ,  das  sich  tat->;H  lilicli 
nur  wenig  von  dem  .jt'l\ utte's  unterschieden  liahen  s(di.  und  die  dem 
italienischen  (7e>cliniack  nachgebildete  Ouvertüre  wurde  erst  bei  der  ersten 
öftentlichen  Aufführung  in  Paris  gespielt 2^. 

Zu  der  Beurteilung  der  Mu.sik  muß  hei  den  im  Anhang  beigegebenen 
Probes.lcllen  darauf  hingewiesen  werden,  dali  in  erster  Linie  der  histo- 
risclie  und  dann  erst  der  musikalische  Wert  für  uns  hier  in  Betracht 
koiuiiit.  Bei  der  ungeheuren  Wandlunir,  die  die  ^fusik  in  den  vergangenen 
15Ö  Jahren  erlebte,  wird  es  mandieni  schwer  ^eui,  holb.st  die  Mu&ik  be- 
deutender Meister  heute  noch  zu  genießen.  Noch  schwieriger  ist  es  aber 
bei  Rousseau,  der  in  seinen  Schriften  ein  iK-deutendei  Reformator  mit 
noch  heute  für  uns  gültigen,  gei>»treichsten  Neuerungen,  in  seiner  Musik 
doch  mehr  ein  sehr  begabter  Dilettant  war,  dem  oft  die  Fähigkeit 
niangelte,  das,  was  er  leidenschaftlich  mit  dem  Worte  verlrat,  in  Töne 
umzusetzen. 

Die  erste  Arie,  in  der  (Juh  n.  weinend  ihre  \'erlassenheit  beklagt,  ist 
einfach  und  schlicht  in  der  Melodik,  sie  wird  von  Streichijuartett  unii 
einem  i'agott  begleitet  und  erinnert  in  ihrer  volkstümlichen,  ganz  natür- 
lichen Entwicklung  an  die  kleinen  t  -handuri^  m  den  P  i^turaleu  des  Mittel- 
alters. In  dem  Liederspiel  linhin  et  Marion  von  Adam  de  la  Haie, 
das  schon  1:282  in  Neapel  auti,'eführt.  aber  ei*st  1822  in  Paris  veröftentli(  hi 
wurde  und  aller  Wahr'Jelieinlichkeit  nach  Rousseau  unbekannt  war,  findet 
sich  in  dem  Beginn  der  (ur  dcnlrf^m  der  ^farion  eine  Aiuilit  iikeit,  sowolii 
in  Form  wie  in  Melodie  mit  der  Ariette  C'olette's.  An  diese  schließt 
sich  sogleich  ein  Rezitativ  an.  dem  noch  einmal  eine  kur/^c  Wieder  hu  lunj*: 
des  Haupuliemas:  jni  penift  tont  ntou  bonhenrt  folgt.  Den  Abschluß 
der  Arie  bildet  wieder  ein  kurzes  Rezitativ,  das  (""olette's  Entschluü,  den 
Wahrsager  der  Gegend  um  ILlte  zu  bitten.  Aufdruck  gibt-*j.  Diese  Ariette 

1  Vcrgleiclii    f>i'<  ti'niii'Tiir  (h  fnnsi'iur,  Artikel  ReeättUf. 

2  Ofto  .Tabu,  W.  A.  Mozart,  Band  I.  Seite  117. 

3)  Julien  Tiersot,  llktoire  de  la  chanaou  pcpulaire  en  Frame,  Seite  .511. 


Bo  >  bin»  m'ai-me  Kobiusm'a  Eobinü  m'a     de  «mau  -  de- e     si  mar». 


Güogl 


AnuUe  Arnlieiin,  Le  davin  da  village  von  J^ftn'JaoquM  Rousseau  n.  s.  w.  091 


erfreate  sich  in  kürzester  Zeit  einer  sehr  großen  Beliehtheit.  Ton  dem 
König  an,  der,  wie  es  heißt,  »mit  der  schlechtesten  Stimme  seines  König- 
reiches« *fai  perdu  man  servUeur*  sang,  spielte  sie  in  ganz  Paris  eine 
große  BoUe  und  wurde  hald  zu  einem  Gassenhauer  im  besten  Sinne,  i) 
In  der  nächsten  Szene  zwischen  dem  Derm  und  Oolette  ist  das  kurze 
Vorspiel,  hier  Pr^ude  genannt,  darum  interessant,  weil  Kousseau  in 
demselben  einen  Versuch  von  Ton -Malerei  macht  Das  Zählen  des 
Geldes,  die  Unruhe,  das  Zögern,  ehe  Colette  sich  dem  Wahrsager  nähert, 
wird  in  der  Musik  charakteristisch  anzudeuten  versucht^).  Nach  einem 
kurzen  Dialog-Bezitatir  zwischm  dem  Devin  und  Culeite  schildert  diese 
in  einer  anmutigen,  kleinen  Arie  ihre  Gefühle  für  Colin.  Nur  Text  und 
Instrumentation  rähren  anscheinend  von  Kousseau  her,  die  Melodie  selbst 
könnte  entlehnt  sein.  Sie  findet  sich  im  >  Chansonnier  frmi^is*^. einer 
liiedersammlung  von  1760  in  Band  II  unter  Nummer  173  als  Bondeau 
bezeichnet,  aber  ohne  Bousseau's  Namen.  Die  Anette  ist  noch  heute 
wirkungsvoll;  die  Musik  ist  wie  für  die  Worte  jj^eschaffen  und  zeigt  die 
graziöse  lebhafte  Melodik  der  französischen  Chansons.  Die  Begleitung 
wird  durch  Violinen  und  Flöten,  die  unisono  geheUt  und  Baß  ausgeführt; 
die  Klangfarbe  dri-  Flöte  gibt  der  Arie  einen  pastoralen  Chai*akter*). 
Um  zu  zeigen,  daß  Boussoan  auch  in  der  Musik  zu  individuulisicren 
versuclit.  wäre  das  erste  Bezitativ  und  die  sich  an  dieses  anschUeßende 
Arie  des  Wüiir-agers,  in  welcher  er  Colette  allerlei  gute  Ratschläge 
gibt,  ein  Beispiel.  Die  Liebe  wachse,  so  sagt  er,  wenn  sie  Kämpfe  zu 
bestellen  hätte,  während  sie  sonst  leicht  einschlafe;  eine  Tv<Mjuette  mache 
den  JUngling  in  seinen  Gefühlen  nur  beständiger.  Man  könnte  hier 
auf  dn-j  R<  /itativ  besonders  aufmerksam  machen,  daß  sowohl  nach  der 
melodischen  nach  d<>r  deklamatorischen  Seite  hin  gelungen  ist.  Die 
Musik  der  Arie  ist  den  Worten  gut  angepaßt,  tlott  und  lebendig.  Trotz 
der  etwas  din  ftiLren  Instrumentation,  Strei»  ]i.[uartett,  wirkt  sie  noch  heute 
und  ist  in  Melodik  und  Form  durch  das  italieuische  Intermezzo  heeinflußt*). 

Wieder  einen  besonderen  Charakter  tragen  die  einfachen  Gesänge 
Ck)lin's,  die  die  Dialog-Rezitative  zwischen  ihm  und  dem  Devin  und  auch 
zwischen  Colette  und  dem  Devin  unterbrechen.  Dem  Text  entsprechend 
sind  mehr  sentimentale  Melodien  verwendet,  so  daß  die  Charaktere  Colin's 
und  des  welterfahrenen  Wahrsagers  im  Konstrast  zu  einander  stehen. 

Die  erste  kleine  Anette  schildert  Colin's  Hoffnung,  Colette  wiedei-zu- 
sehen  und  den  Kummer  über  seine  eigene  Untreue.  Sie  ist  nur  mit  be- 
ziffertem Baß  in  der  Partitur  notiert  und  wurde  daher  nur  mit  Begleitung 
des  Cembalo  vorgetragen,  das  bekanntlich  eine  sehr  große  Bolle  bei  den 
Opern -Aufführungen  bis  weit  ins  18.  Jahrhundert  spielte  und'  bis  zu 

1.  Siehe  Anhang  Nr,  L  2;  Siehe  Anhang  Nr.  II. 

3;  Anhang  Nr.  m.  4)  Anhang  Nr.  IV. 

46* 


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692  Amalie  Ambeiin,  Le  devis  da  village  von  Jeaa^Jacquet  Bottweau  u.  s.  w. 

Philipp  Emanuel  Bacli,  in  F'ngland  xngjir  noch  unter  Haydn  auch  bei 
der  Aufführung  von  Svin])honirn  verwendet  wurde. 

Für  eine  genaue  Kenntiüs  der  Partitur  des  Ih  rlu  wäien  außer  Ter- 
schiedeneu  Arien  und  Rezitativen  noch  zwei  Duette  /^visilieu  (  oliii  und 
Colotto,  voll  denen  das  zweite  A  jamats  Coiin  s'eiigagt,  durch  die 
canonische  •Stimiufiiluung  im  Beginn  interessant  ist,  ein  vierstiniraiger 
Chor  das  einzige  Ensemble  und  das  Schiuli- V:nideville  AUons  dans'  y  mi^ 
/e.s  onniiiii.i:  zu  erwähnen.  Mit  letzterem  führte  Rousseau  /um  ersten 
Male  dji»  Strophenlied  mit  Rt»frain  auf  der  Bühne  der  Ac;ul«  init'  rovale 
(der  Oper)  ein,  auf  der  bis  daliin  niemals  Vaudevilles  gesungen  AV()rileD 
waren  Den  Text  zum  Vaudeville  l'art  ä  rn/j/o//r  t^l  fuiwaU^:  mit  Jem 
Refrain  ceM  uu  enfaiit  hatte  R^u.sseau  einem  Lied  Colle's,  des  durch 
Ch:inson>.  Lustspiele  und  boshafte  Bemerkungen  in  seinem  *  Jonmal 
histüt  ii[iif^  liekannteu  Seki'etiirs  des  Heraogs  von  Orleans,  entlehnt - 
Auch  <  in  Divertisst  nit  nt,  eine  Art  Ballet,  wie  es  in  den  italiriii>^(  h»  u 
Liternirz/d  meist  iildicli  war,  komponierte  Rousseau  im  AnscliltiU  au 
Diclitung  und  Musik  in  sein  Singspiel  hinein.  So  sagt  er  wenigstens 
seine  Gegner  behaupten  freihch,  daii  Francfpur*),  einer  der  Direktorcii 
der  Aiadt  uiie  royale,  die  Musik  zu  den  Tilnzen  und  einer  eingelegten 
Arie  der  Mademoiselle  Fei  verfertii,'t  habe;  die  letztere  hatt^  Rousseau 
mit  Vei^sen  des  Dichters  Cahusac  in  das  Divertissement  eingelegt  ^  .  Auch 
duH  Rousseau  für  die  Instrumentation  seines  Werkes  die  Hilfe  von  andern, 
besonders  von  Philidor  in  Anspruch  genommen  haben  soll,  darf  nicht 
unerwähnt  bleiben,  obgleich  das  nicht  genau  nachzuweisen  ist. 

Schon  bei  der  Komposition  der  Muses  galantes  y  einer  Oper  von 
Rousseau,  die  er  vor  seinem  Aufenthalt  in  Italien  begoimen,  hatte  er 
einen  Teil  der  InstrumenUition  und  ^Vrbeiten,  die  ihn  langweilten,  dem 
jungen  Philidor'^)  übergeben.  In  dem  auf  der  königlichen  Bibliothek  in 
Berlin  betindllcheii  Exemplare  des  Devin  du  välaye*^  befindet  sich  als 
Auliang  eine  eingelegte  Arie  des  Colin  fUr  ein«  AuffUluung  am  Hofe 
am  9,  Mäiz  1763  von  Philidor,  die  von  dem  berOhmten  Sänger  Caillot^I 

1  J.  Tiers ot,  Ilütoire  de  ia  charuon  popidaire  en  Fmnee  1889,  Chapt.  IV, 

Seite  611. 

2.  Alb.  Junseu,  J.-J.  KousseAu  als  Mu&iktr,  Suite  166. 

Adolphe  Adam,  Somenir»  ^u»  mufioim,  Paris  18^7,  Ssite  200. 
4)  Alb.  Jansen,  S.  a.  0.«  Seite  166. 

ö  Vergleiche  Arthur  Pougin  in  der  >Kivi>tta  musicale*  1895,  Band  II.  —  Über 
Andn-  Philidor's  Leben  und  Werke  wird  in  kurwr  Zeit  an  anderer  Stelle  attsiabr* 
lieh  l>ei  iclilet  werden. 

6j  Dieselbe  Auagtibt  wird  bei  A.Pougiu,  »Andre  Philidor«  in  >la  chroniqM 
muaieaie*  Band  YHI,  lH7ö,  Seite  278  Anmerkung  erwlQint 

7.  Calliot  ist  mit  Recht  der  Lieblingsantor  und  Singer  in  der  komischen  Oper 
in  Pari^.  Seine  Stimme,  die  er  nach  IVIieben  als  Baß  und  als  Tenor  braueben  kann, 
ist  vortrefflich  und  er  ist  in  allem  Betrachte  ein  sehr  anziehender  und  anterhaltender 


.  j  .^  .o  i.  y  GüOgl 


Amalie  Arnheim,  Le  devin  du  vUlage  von  Jean-Jacques  Jiouaseau  u.  t.  w.  693 

gesungen  worden  ist.  Es  wäre  flemzufolge  wohl  muglich,  daß  Philidor 
tatsächlich  llousseaii  aucli  in  der  Partitur  unterstützt  hätte,  ohne  daß 
Bousseau  deshalb  die  Ver|)tHclitun,!?  fühlte.  Pliilitlnr's  Namen  als  Mit- 
arbeiter 711  nennen.  Man  nahm  es  damals  mit  muMkalischem  Eigentum 
nicht  so  trenau,  wie  viele  Tatsachen  beweisen,  und  glaubte  kein  Plafjiat 
zu  begehen,  wenn  man  selbst  die  Melodi«;  eines  anderen  Komponisten  in 
seinem  ei<^enen  Werke  benutzte,  olme  den  Namen  zu  erwiilmeu.  Im 
"Vergleicli  zu  den  ersten  Werken  Pliilidor's  ist  jedoch  in  d»'m  hrvin  flu 
riHaiji  eigentlich  kaum  eine  Stelle  nachzuweisen,  die  auf  Pliilidur  .s  Mitarbeit 
schließen  ließe.  Auch  finden  sich  einige  Fehler,  falsthe  Fortschrei- 
tungen u.  s.  w.  im  Devin,  die  Phihdor  wohl  sicherlich  verbessert  hatte. 
Die  eingelegte  Arie  scheint  ihrem  Charakter  gemäß  in  die  einfache  Musik 
des  Ihrlfi  nieiit  so  recht  hineinzupassen  und  gehört  eigentlich  eher  als 
Dacajio-Arie  in  (nne  opera  seriu  als  in  ein  Intermezzo.  Sie  ist  für  Barytun 
ge<?clirieben  und  schon  reicher  instrumentiert  als  die  Arien  bei  Rous- 
seau. Alliier  dem  .Streichquartett  werden  noch  2  Oboen  und  1  Hürner 
verwertet,  während  Ruusseau  für  sein  Orchester  außer  dem  Streich- 
quartett nur  vereinzelt  Oboen.  Flöten  und  Fagott  ])enutzt.  Der  Text 
der  Arie  lehnt  sich  an  den  Kelraiu  de.>  Liedes  L'arl  a  l'dinoin'  est  fa- 
rorable  an:  >L'amoftr  ne  sf-aif  ijn're,  cc  qii'U  pcrnicf,  ce  qit' il  dcfctifl .' 
C'est  im  pfifnnt.  c'est  un  eitpmt^.  In  der  Musik  ist  im  zweiten  Teil 
sclwju  der  Emiiuß  Gluck  s  bemerkbar,  den  Philidor  aber  damals  nur 
aus  dem  Manuskript  des  Orpheus  gekauut  haben  kann,  welches  er,  wie 
bekannt,  vor  dem  Druck  durchgesehen  hat'  .  Eine  Romanze,  die  schon 
sieben  Jahre  vor  dem  Ihvin  entstanden  war-^,  legte  Rousseau  noch  in 
das  Divertissement  ein.  Sie  erinnert  in  ihrer  Einfacldieit  und  Melodik 
ai)  die  Romanzen  in  Iluu>>eau'8  Sammlung  Cmisolaiiom  des  nm^re^  de 
ma  vie  %  von  denen  das  kleine  Konzertlied  Le  ro&ier*)  und  Que  le  jour 
me  dure*)  —  eine  musikalische  ^ferkwürdigkeit,  nur  aus  drei  Tönen  be- 
stehend —  noch  heute  bekannt  sind.    Auch  hier  ist  der  geringe  Um- 

Schau»-iiielt'i  -.  f.Tacob  lJurncy  der  Musik  Doktors  Tagebuch  einer  musikalischen 
Reise  durch  Frankreich  und  Italien.  Au-  ileni  Englisi  In  n  lUn  tuetzt  von  C.  D.  Elu  lin;?. 
Hamburg  1772,  Seite  8).  —  Caillot,  dont  M"'t  Vuji'r-ijt  lfrtiit  a  prini  un  ai  joli  jftrb  aU 
et  qu'cn  ISOO  rinstitui  adinrltra  au  nombre  de  »es  con'cspondanU  pour  la  cla4S€  des 
Beam-AriB.  {La  comidie  Haltenne  tu  Franee  ei  h  fhSdtrt  de  h  Farce  par  Mr.  IL 
Bernard  in.   Paria,  cdift'on  de  fa  Beruf  Ueue  1903;. 

1;  Siehe  Anhang  Nr.  V. 

2j  Alb  Jansen,  a.a.  O.,  Seite  166. 

3]  Paris  1781. 

4)  Je  l'ai  platUi;  je  Vai  ru  naUre  als  Aixhang  zu  Arthur  Puugin.  J.-J.  Houasrau 
mutieim.  [Rivigta  muskatf  1895.  Seite  260. 

5  'Rhlsfa  nvisif-al''.  Seite  201  und  Max  FriedlUndor,  Das  deutsche  Lied  im 
XVin.  Jahrhundert,  19()2.  II.  Band  Seite  292  und  298.  Siehe  auch  den  Aufsata  voa 
Jean  Chaotavoiue:  Zwei  französische  Lieder  Beethovens  ;Die  Musik  I,  12,. 


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694  Amalie  Arnheim,  Le  devm  du  village  von  Jtan-Jac<]uefl  HouBseau  u.  ».  w. 

fang  der  Melodie  auffällig  imd  weist  auf  die  volkBtttmlichen  Chansoiis 
bin.  Die  Begleitung  der  Floteu  gibt  dem  Ganzen  einen  pastoralen  Cba> 
'  rakter.  Bemerkenswert  ist  der  Septimenakkord  im  vorletzten  Takt,  der 
den  mittelalterlichen  französischen  Chansons  eigentümliche  Bhjthmns,  die 
halbe  Note  auf  dem  2.  Viertel  und  die  im  18.  Jahrhundert  sehr  beliebten 
ausgeschriebenen  kurzen  Vorschläge  in  der  Melodie-Bildung 

In  Paris  und  gunz  Frankreich  erwarb  sich  Rousseau's  Intermezzo 
immer  mehr  Beifall,  obgleich  Rousseau^s  Gegner  und  Feinde  nach  wie 
vor  behaupteten,  daß  er  die  Musik  zu  verschiedenen  Gesangen  von 
einem  unbekannten  Komponisten  entlehnt  und  Vieles  nicht  selbst  ge- 
schaffen hätte'].  Diese  Beschuldigungen,  die  mit  der  Zeit  nicht  nach- 
liefien,  kränkten  Rousseau  so  tief,  dafi  er  beschloB,  um  seinen  Feinden 
den  Mund  zu  schliefien,  eine  neue  Musik  zu  schreiben;  So  wurde  denn 
in  der  Tat  der  Devin  du  tiUage  1779  mit  einer  neuen  Ouvertüre  und 
6  neuen  Gesängen  in  der  Oper  aufgeführt'],  das  Publikum  forderte  aber 
stürmisch  die  sJte  Fassung  zurück.  Mit  der  populäi*  gewordenen  Musik 
hielt  sich  das  Werk  dann  noch  fast  ein  halbes  Jahrhundert  auf'  der 
Bühne  und  erlebte  mehr  als  400  Aufführungen.  Uns  erscheint  es  Usi 
unglaublich,  wenn  wir  lesen,  daß  das  »Journal  de  Paris«  von  1777,  also 
mehr  als  20  Jahre  nach  der  ersten  Aufführung  und  aus  einer  Zeit,  als 
Glückes  Opern  Iphigenie  in  Aldis  und  der  Orphetts  bereits  aufgeführt 
worden  waren,  noch  spaltenlange  Berichte  über  den  Devin  bringt.  Der 
Berichterstatter  sagt  unter  anderm:  >daß  der  Devin  noch  jeden  Abend 
eine  Fülle  von  neuen  Zuhörern  heranzieht  und  daß  man  die  Schönheiten 
dieses  Werkes  nicht  beschreiben  könne,  sondern  daß  man  sie  hören 
müsse«  ^  .  Der  Devin  wurde  häufig  in  demselben  Jahr  mit  Amnde  von 

1^  Siebe  auch  Friedländer,  Das  deutsclie  Lied  im  X.Vni.  Jshi^undwt,  Budlr 
Seite  XXXVL 

2  Arthur  Pottgin,  a.  a.  0..  Krlaircis^njteHs  dotinm  ü  rniiU-nr  du  JoHmai  m- 
fyclopäl{t{w  nur  In  niusiqi"  <hi  tim'n  äu  viUage  poT  le  Stent  deMarignsn,  eomedien 

.raris,  V"«"  Duchenne,  IT'^l,  in  S  . 

3,  Les  sLc  mitvmux  uirti  du  drein  du  nHa<^e,  Paris  1779. 

4,  Journal  d$  Paru  1777  {Paris,  Bibl.  Nat.),  Xr.  41,  10.  ferritr, 

Le  derin  du  village  attire  tou»  le»  joun  a  ee  spetiaele  un  eonetmrs  plu»  nombma. 
Abi»  n^entendrons  poini  dt  ditaükr  les  hrantis  d,-  cff  ottrrfujr;  H  fawimii  le  eopwr, 
/»(//'s  jKHfiouft,  f/u'il  m  j#/rrt  pan  itiutii»-  ih  /ifiianlrr  quelques  riflexioun  mir  ft 

quo  l'effrf.  qr/'t'f  profhfif  ffftris  er  vnnueui,  est  }Kut  i'frr  jtht.s  vif,  qu'il  nr  /V/  jainais  de! 

Le  piu^  tj/  umi  tunnbrr  des  ^pectatcurif  imayine,  quc  le  ifuccia  de  trt  Optra  n'cut  qu'unc 
euite  de  eelui,  qu'il  obtint  dane  ea  natiwaute  et  Veffet  nnique  de  Vagremmi  du  ehatU 
H  de  la  nat'tete  de»  parolee.  Mais  »i  ton  veut  faire  attention  A  la  diffierenee  des  eir- 
connfauecs,  A  la  rettdufion,  qni  »^est  operee  dam  rsprits  rrlatirement  ä  la  mutipie 
npjiltqudc  an,r  /»/V't.s  de  thidtre^  ou  tie  cnuroineni  fnr-ifemrnt  qw  sr  rr  rh<'f-<ripurre 
indl'jn'  Ic  uomhre  prndiijieux  de  .vr.s  repri^^intatiniiä  '.  cmiserrc  auJvurä'Jiui  tiiut  Ic  ptquani 
dl  la  Hourcdutt,  etat  qu'il  est  yiutruleuieul  utietur  muli... 

Mr.  Rmttimtu  sneait  m  etmpomnt  «on  twrragr,  mai«  see  epeetateur»  rignerairtd 


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Amalie  Arnbeiin,  Le  devin  du  village  von  Jetn-Jacqnes  Roaiseaa  n.  i.  w.  695 

(ilu(  k  an  einem  Abend  gegeben  und  beide  Werke  miteinander  vergliehen, 
fast  immer  trägt  der  Devin  in  den  Res|>recbungen  den  8ieg  davon 
Das  sehr  beliebte  Intermezzo  wurde  auch  häufig  von  Sängern  als  Debüt 
gewählt,  ^o  luuli  ls;)3  von  dem  später  berühmten  Xourit  pere.  Für 
diese  Aiiftühiuiig  waren  nene  Rezitative  und  eine  neun  lustrumentation 
durch  Lefebre.  den  liibUotliekar  der  Oper  hinzukomponiert  worden. 
In  die>or  Gestalt  hörte  Rossini  den  [hrin  nneb  1829.  Berlioz,  be- 
kanntlich kein  Freund  der  fian/j'isischen  Singspirlr,  berichtet  in  seinen 
Mnnoires  über  die  Aufführung  mit  dem  ^ogcnunnten  Perrücken-Skandal, 
in  der  aus  dem  Publikum  eine  riesiL'e.  weiß  gepuderte  Pemicke  der  Colette 
zu  Fidlfu  i^fworfen  wurde,  um  «las  \'eralt<'te  des  Stückes  zu  zei;reu,  im 
Vergh  ii  h  zu  der  grolien  Wandlung,  die  >ich  auf  musikalischem  Gebiete 
inzwisclien  vollzoiren  hatte.  Einmal  wird  nocli  von  einer  Darstellung  in 
der  C'omedie  irain;äise  iin  Jahre  18.3H  berichtet,  dann  von  einer  interes- 
santep  Auffühning  mit  Athiilit  von  Kacine  zusammen,  in  der  in  Paris 
unbekannlu  Chöre  von  R'vieldieu  gesungen  wurden  und  der  berühmte 
Sänger  Roger  den  Colin  spielte.  Ln  .lalire  18()4  erschien  der  Devin 
wieder  neu  instruaieuticrt  auf  einem  Vaiidevillc- Theater  in  Paris  und 
erlebte  schließlich  noch  in  unserer  Z«  it  18901  einige  Aufführungen,  bei 
welchen  v'mv  junge,  reizende  Künstlerin  die  Colett«'  darstellte^;.  Außer- 
halb Fratiki  t  ich.s  erwarb  sich  der  Du  in  sehr  schnell  Freunde.  Goethe, 
damals  no(  Ii  ein  Knabe,  sah  ihn  gegen  Ende  des  siebenjährigen  Kl  ieves 
in  Frankfurt  am  Main  und  vergaU  (hui  Kindruck  nicht,  den  Text  und 
Musik  auf  ihn  machte.  Noch  im  Jahre  1781  ließ  er  sich  von  seiner 
Mutter  ein  Exemplar  des  Drrin   nach   Weimar  schicken-'').  Charles 

rncitn',  ([w  In  tunsiifiir  n^f  unf  InmjHr.  (/tt'fllt:  r.tt  ttunctyitihli'  de  donnrr  aux  /jajfswiis 
Irnrv  diffimis  nf(i<>ii<.  fjnr  .s/  porrr  '  'ifn-rrf  Ir  cnrnjintiii  nr  prut  n  soll  yri'  prodiffNPr 
(onfcs  h.i  i'ichcsut^  dt;  l  arl  et  fairv  briikr  dam  unc  artt  llr  dcltwhtt'  (*•  yosier  du  ciian- 
tenr,  ü  perd  eette  librrti  dam  h  e&mpoaition  d'nttc  püve  tk  thiätre,  qu'tl  est  obüge 
de  donner  ii  ks  perwnnnyes  un  sfyle  differettt  ei  gut  Imr  mit  propre,  que  de  pr&rr  d 
r un,  ecitii  ifttn  anlrr  firuif  sur  d>s  on^'Urs  txertees  le  m^ttw  rffH,  qiir  prodmrait  m 
litfirdfiirc  i^tir  Vhiinnttr  de  ijniit  If  -"fißl'  (mp  jleuri  dam  nne  njliujup  oh  d»'x  ntarinie.t 
et  des  rpiffftnunirs  dan^  t(n*'  irngtdtr.  On  fnif  uifj'furfriiiii,  qi(€  In  imtidqiic  d'nnr  jm-rr. 
Je  thiidrr  doü  i'lrc  uuc  et  qiw  lea  conicnmura  y  prurntt  r(  iloircnt  etre  obscricc^  ui'ce 
auiaui  de  Kteriti  ^tie  dam  k  po^tm  h  mieux  faii:  '^Iphigenie  inquieä&  mr  kt  to»- 
stanee  «tÄckiUe  et  Oolette  «ur  eeffe  de  Odm  m  doivetU  pa»j  pottr  mmi  dire,  reriier 
let  nit'mrif  lanntg.  t hi  rttnttt^e  (ic^r  phtisir.  (pir  les  ptetir»,  que  foit  ven^cr  Ccirffr 
Inrtiqtu ,  Urne  ü  »  Ui  -iucmr.  clh:  .sc  pUiint  de  rinfidt  lifr  de  son  umant,  rr.nf^mldrnt  poi'nl 
t'i  reux  qn'«'llr  arrdchc.  Inrs(pi'eile  est  fwcce  de  se  rappeler  Ics  sacnfices  qü'elle  a  faits 
puur  liti  rcsla'  Ihlih.»    c.  ct. 

1)  Journal  de  Paris  1777,  Nr.  öS. 

2)  Vergleidie  Arthur  Pougin  in  der  Jiir<«ta  mmieah  1896,  IL  Band.  Seite  244 
lud  in  J.-J.  Sottaseau  mmieien  1901,  FiftriB,  Seite  91  über  die  AuffOhrungm  des  De- 

Inn  in  Pari«; 

3;  üoethe's  Werke  XX,  Stite  8ö  mid  üÜC. 


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596  Amalie  Ariiheim,  I^e  deviu  du  viliage  von  Jean-Jacques  Rousseau  u.  s.  w. 

Burney,  der  englische  Musik-Historiker,  benutzte  schon  1760  die  Münk 
Bou8aeau*s  zu  einer  Übersetzung,  The  tutming  tna/i,  die  am  Drurj*  Laue- 
Theater  auch  yiel  Beifall  eintete^^.  Graf  Durazzo,  der  Direktor  der 
Schauspiele  in  Wien,  durch  seinen  interessanten  Briefwechsel  mit  dem 
Dichter  Favart  bekannt,  bat  Bousseau  in  demselben  Jahre,  freilich  ohne 
Erfolg,  um  die  Erlaubnis,  das  Intermezzo  aufführen  zu  dfirifen^}.  Im 
Jahre  1781  ist  der  Va^in  von  dem  Freunde  Lessing^s  M^-lius'J  und  1819 
noch  einmal  von  Dielitz  in  deutscher  Übersetzung  herausgegeben  worden^!. 
Leider  konnte  ich  diese  Bearbeitungen  nicht  ermitteln.  In  der  »All- 
gemeinen musikalischen  Zeitung«  vom  18.  Dezember  1820  berichtet  Louis 
Spohr  in  seinen  »Briefen  aus  Paris« : 

»Am  Al>end  unserer  Aukuntt  filhrte  uns  Kreutzer  in  die  große  Oper, 
wo  mau  ein  Ballet  mit  lieblicher,  charakterist iäch er  Musik  von  iluu,  carrte^ 
val  de  Frfiiw,  spielte.  Vor  dem  Ballet  wurde  Le  dtvin  du  riliagf,  Text  und 
Musik  von  Boneseau  gegeben.  Soll  man  es  loben  oder  tadeln,  daij  die  Frau- 
SOSen  nehen  dem  vielen  Vorzüglichen,  wodurch  ihr  Opernrepertoiie  in  deu 
leizto!i  20  Jahren  bernichert  worden  ist,  noch  immer  die  allor'iltostt  ii  S  tein  n 
geben  und  ist  es  wohl  ein  Zeicben  eines  tortju^eschrittenen,  »Uft^'ebildeten  Kuni-t- 
getichmacks,  wenn  man  sie  die  älteisten  Opern  von  Gretry  in  ihrer  harmoni- 
schen Armuth  nnd  Inoorrectbeit  mit  eben  dem  EnthiiBiaamns  oder  wohl  noch 
größerem  aufnehmen  sieht,  als  die  Meisterwerke  von  Cherubini  und  Mehul? 
Mir  scheint  das  niclit  so.  Wit«  lange  ist  es  nicht  schon  her,  daß  <li>  Oj.c-it 
Yr)rt  Hillrr  und  1 )  i  1 1  e  rs  d  nr  ff  und  nnd<'rn  jener  Zeit  vom  Repertoire  ver- 
schwunden sind,  obgleich  diese  ihrem  inneren  musikalischen  Werthe  nach 
den  meisten  Oretry^schun  vorzuziehen  sind.  Freilich  ist  es  anf  der  andern 
Seite  wieder  sehr  niederschlagend,  daß  bei  uns  nor  das  Neue,  an  _  sich  nodi 
so  Fade  und  Incorrecte,  Eingang  findet  und  manches  Tortreffliohe  Altere  dar< 
über  auriickgelegt  und  yeigeBBen  vird^}.« 

Dieselbe  Zeitung  bringt  aus  dem  Jahre  1811**)  in  den  »Briefen  über 
Musik«  aus  Kassel: 

»Eine  zwar  nicht  in  Hinsicht  ihre»  mui>ikali>chen  Werthes  aber  in  Hiu- 
■icht  ihre»  Autors,  ihrer  Zeitepoche  und  der  damit  verbundenen  Erinnerungen 
höchst  interessante  Erscheinung  auf  dem  hiesigen  Theatw  war  uns  vor  Knrsein 
>le  devin  du  viliage c    Es  ist  eine  fieliquie,  die  freilich  keinen  Wert  io 


1)  Ortmd  eney^opaedic.  Im  »Dieiionat'y  of  nättonal  BtogrofJiy*  unter  Burnev; 
*0n  hüs  rcturn  at  Oarricl's  mgije^tir»}  }>c  m/'pted  h'ousäfaus  Optra  denn  du  ril- 
lage*  uhifh  wnn  prnfftirf  /f  af  Ormy  Lnue  in  1766  i*w.  a»  'ihe  eomiftg  man'  tritkotd 
however  ac/ncpittg  nny  grrat  sitrcr.H.H.* 

2)  Streckeisen-Moultou,  J.-J.  Kcmusrau  tea  amis  et  »es  ennemia  I,  191. 

3)  Alb.  Jansen,  J.'-J.  Rousseau  als  Musiker,  Seite  168. 

4)  Der  Dorfteaiir.myrr.  ein  Nachspiel  mit  Gesang  und  Tan2.  Text  und  Musik  von 
Jean-J.  Kousseau.  Zur  I  v  il«rh;iltenen  Musik  metribc!:  V>earbeitet  und  mit  den  Melo- 
dien heraiisgf<jnbf?n  von  Carl  Dielitz.    Berlin,  bei  Ochmifrke,  1820. 

5  Allgememe  musikaiinche  Zeitung,  Band  XX Iii,  »Seite  141. 
6.  Allgemeine  niusikalisclie  Zeitung.  Band  XIII. 


.  j  .1^  .^  l  y  Google 


Amalie  ▲mheim,  Le  devin  du  vilUige  von  Jean-Jsoqitet  Bousseau  v.  s.  w.  697 

Bich,  üonderu  mir  in  dw  Cunuuisatiou  des  Heiligeu  hat,  aber  denn  doch  als 
eiu  niemento  uu  dtn  originellen  Philosophen  gewiß  interessant  ist.«  ^) 

Als  Gluck  das  Singspiel  in  Paris  hörte,  soll  er  zu  seinem  Schüler 
Sali  er  i  gesagt  haben,  >wir  hätten  es  anders  gemacht,  aber  wir  würden 
Unrecht  gehabt  haben«'-*),  und  Gretry  rühmt  das  Volkstümliche  in  Rous- 
seau's  Werk,  wenn  er  auch  erkennt,  daß  Rousseau's  Begabung  für  einen 
komplizierteren  Gegenstand  mit  leidenscliaftlichen  und  moralisch  bedeutr 
fiamen  Charakteren  nicht  ausgereicht  haben  würde  . 

Trotz  der  begeisterten  Auhiahme  des  Denn  als  erstes  Intermezzo  in 
finnzösischcr  Sprache  dauerte  der  Kampf  der  Bouffons  fort.  Obgleich 
sein  Werk  f,'orade  an  der  Oper  aufgeführt  wurde,  schrieb  Rousseau  zu- 
nächst ein  kleines  geistreiches  Pnmphlet,  eine  beißciuh;  Kritik  des 
Orchostors  Den  stärksten  Angriff  brachte  aber  seine  berühmte 
Schrift  »Lrftrr  st/r  La  musifim  fran^aim*^  in  welcher  Ronsseau  seine 
A''orliebc  für  die  italienische  ^fusik  hi-^  niif  das  Kleinste  zu  begründen 
versnelit.  Er  schließt:  »So  «.daube  ich  gezeigt  zu  liaben,  daß  es  in 
der  französischen  Musik  weder  Rliythmiis,  noch  Zeitmaß,  noch  Melodie 
pil)t,  weil  die  Sprache  dem  widerstrebt,  daß  der  französische  Gesang 
nur  ein  beständiges  Gekläffe  und  unerträglich  für  jedes  nicht  vor- 
eingenommene Ohr  ist,  daß  die  französischen  Arien  keine  Arien,  die 
Kezitativu  keine  Ke/.itative  sind.  Daraus  folgere  ich.  daß  die  Franzosen 
keine  Musik  lial)en  und  keine  halten  kiinnen,  oder  daß  es,  wenn  sie  je- 
mals eine  haben  werden,  desto  bclilimmer  für  sie  sein  wird^j.*  —  Man 
kann  sieh  die  l)erecliti^jte  Erregung  denken,  welche  der  Veröffentlichung  der 
Schrift  folgte,  die  bei  Rousseau  nur  als  ein  enieuter  Angriff  auf  die  An- 
hänger Rameau's  und  Lully's  verständhch  ist**).  Inmitten  der  Künstler, 
der  Gelehrten  und  im  Publikum  erhob  sich  ein  wahrer  Sturm.  Mit- 
glieder des  Pariser  Orchesters,  das  sich  für  das  erste  der  Welt  Iiielt, 
hiingten  ein  Exemplar  der  ^Lettre  sur  la  musufHf'^  in  der  Oper  auf,  um 
>also  einen  llUcher  des  Vaterlandes  zu  erwecken«,  wie  der  Berliner 
Marpurg  in  seinen  >  Kritischen  Beiträgen«  ')  sarkastisch  bericlitet.  Feier- 
lich wurde  Rousseau  im  Bilde  verbrannt.    »Das  ist  mir  eine  wahre  Er- 

1)  Über  eine  AuS&hning  des  Denn  in  Hamburg  nebe  »Unterhaltangen«  1769, 
IL  Band,  Seite  268.  Über  eine  in  Straßbnrg  ist  m  Tergleiebeu  »M««k>lisd>e  Beftl> 
Mitimg«  1789,  8.  893. 

2i  Alb.  Jansen.  J.-J.  Rousseau  als  Musiker,  Seite  182. 

3,  M.  (iretry,  Mcmoirr^  ntt  Kamyti  sur  la  fnimquc,  tarne  I,  Seite  2Hi. 

4)  Lettre  d'un  »ytnphonük  de  Pacadimie  ruyale  de  mumquc  u  ncs  carnaraiku  d'or- 
«Mr«.  1768  in  AnMterdMD»  1764  in  Paris  «nobienen  {Alb.  Jansen,  a.  a.  0.,  &  199). 

5)  LeMre  «iir  la  mtuique  froHfoite,  Petr  J.-J.  Bousseau.  Sunt  verba  H  wee» 
praeiereaque  nihä,  17ö3. 

6)  örrrrspnnffrinrr  lUtcraire  dr  flrinnii,  ilü  '  julifc  1753.    'rnriie  IT,  Sf>ite  307. 
7}  Marpurg,  Hi8tonach-kriti»cUe  Beiträge  1,  äcitc  lÜO  und  folgeadc. 


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698  Amalie  Aroheim,  Le  devio  du  viUage  von  Jean-Jacqaes  üoiuseaa  o.  %,  w. 


lösung,  denn  gefoltert  liaben  sie  niicli  mit  ihren  Instrumenten  mui  schon 
lange  genug*,  sagte  er,  als  er  von  dieseiii  Autodafe  hürle  ^  .  Tiefer  traf 
ihn  seine  Zurückweisung  als  Besucher  der  Oper  hei  den  Auffühnmcren 
seines  eigenen  Werkes,  die  trotz  der  persönlichen  Angiilte  auf  den  üichtrr 
und  Komponisten  übrigens  ihren  ungestörten  Fortgang  nahmen. 

In  demselben  Jahre,  1758,  erscliien  schon  auf  dem  The'ätre  uux  Itaheit 
eine  Parodie  des  Devin  »Les  amours  de  BasHcn  et  de  Bastienne^)*  von 
Harnyä]  und  Madame  Favart  verfaßt,  der  beliebtesten  Sängerin  mid 
Schauspielerin  ihrer  Zeit,  die  gerade  durch  die  Holle  der  Bastienne 
ihren  Ruf  begründete.  Unter  Parodie  verstand  man  in  Frankreich 
damals  eigentlich  nicht  immer  das,  was  wir  heute  darunter  ver* 
stehen.  Die  Parodie  war  keine  Verspottung  des  Originals,  sondern  brachte 
in  Anlehnung  «i  dasselbe  zu  beliebten  lUjslodieii  oft  ähnliche,  auch 
humoristische  Texte,  zuweilen  sogar  mit  Anspielungen  auf  Tagesr-Ereigiüsse. 
Aus  den  Parodien  entwickelten  sich  die  ftimzösiBcben  »BeVuea«,  dienodi 
jetzt  in  Paris  sehr  beliebt  sind  und  sich  auch  in  Deutschland  dnzubüigen 
lieginnen,  sie  enthalten  meist  eine  humoristische  Übersicht  aller  Tages- 
ereignisse in  Kunst,  Wissenschaft  und  Politik.  Diese  finden  aidi  in 
BasUen  et  Bastienm  noch  nicht;  der  Inhalt  dieser  Parodie  bestand  nnr 
darin,  daß  die  Landleute  ganz  realisüsch  dargestellt  auftraten  und  audi 
in  ihrem  gewöhnlichen  Dialekt  sprachen  und  sangen.  Die  Musik  war,  wie 
'  immer,  aus  bekannten  und  beliebten  Melodien  zusammengesetzt  Madame 
Favart  trag  als  Bastienne  ein  leinenes  Kleid  wie  die  wirkHcken 
Bäuerinnen,  ein  goldenes  Kreuz  um  den  Hals,  Holzpantoffeb,  das  Haar 
einfach  aufgesteckt  und  die  Anne  frei;  das  war  eine  unerhörte  Neuenuig; 
über  die  sidi  die  Kritik  bei  der  ersten  Aufführung  wieder  sehr  erregte. 
Madame  Favart  entzückte  aber  ganz  Paris  durch  die  Feinheit  und  Ui^ 
sprttnglichkeit  ihres  Spiels.  Der  Maler  Carlo  van  Loo  malte  sie  ab 
Bastienne,  ein  anderer  verfertigte  eine  Gravüre  von  ihr  und  der  Abb^ 
Yoisenon  verherrlichte  sie  in  Versen,  in  denen  er  aussprach,  dafi  weder 
Pinsel,  noch  Griffel,  noch  die  Verse  des  Dichters  im  Stande  w&ren,  die 
Reize  ihres  Talentes  zu  schildern^).  Bekannt  ist,  daß  man  der  DemoiseUe 
Steinbrecher,  der  Hauptvertreterin  in  den  deutschen  Singspielen  keine 
gi'oßere  Ehre  erweisen  konnte,  als  daß  man  sie  die  deutsche  »Favartt 
nannte.  Der  Inhalt  der  Szenen  der  Parodie  Les  amours  de  Bastien  ei  di 
Bastimme  richtet  sich  nicht  genau  nach  dem  des  Devin,  Die  Hand- 
lung ist  dieselbe,  aber  die  Ausdnicksweise  der  Personen,  wie  schon  er* 


1)  Ccrreapondance  läUrain  äe.  psr  Grimm,  U,  Seite  312  und  IX,  Seite  9. 

2)  Currespotula ncf  liticmirc  dr.TLy  lun'' mfn-e  1754. 
3   '^nrrrspioiilnnrr  h'fli'rairr  IV,  Seite  KM)  uml  417. 

4;  L'orrrspnfnlniut'  lUfrrfiirf,  Totur  //,  n*nrmhrr  ITöl  und  Mii)ioir('.s  et  ijorrcspott' 
duHcc  Htteraire  dmmutiqum  H  auceiioiiqnes  de  L,  S.  Favart,  Paris  1808. 


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Amalie  AnUi«im,  h»  devia  da  viUage  von  Jeon-Jacques  i&oussean  u.  s.  w«  699 

•wäiint,  eine  gam.  midvn-.  Es  lag  den  Vcifjf-^^crii  wohl  liuiipt sächlich 
daran,  durch  den  Kontslrast  zwischi-n  iioub&euu  s  Viersen  und  den  sehr 
einfachen  Di;dekt-Dialo?en  und  Liedeni  eine  heitere  Wirkung  hcivorzu- 
bringen,  und  die  Belif  litheit  des  Originals,  braclite  es  mit  sieh.  daH  auch 
die  Parodie  einen  ungeheuien  Zulauf  hatte,  W()rid)er  fast  ein>tinnuig  he- 
nchtet  Avird  ' .  Das  Textbuch,  das  von  einer  Aufführung  in  Brüssel  im 
November  1753  vorliegt  2  .  ])ietet  eine  Fülle  von  heiteren  Szenen  und 
drolligen  Einfälh-n.  Gleich  (h'e  erste  Arie  der  Ba^-iienne  J'ai  p>  rdn  mou  ami 
/II  der  damals  beliebten  Melodie  Jdi  pi nlii  inoii  äin'  uesungen,  muß  im 
Vergleich  zu  Rousseau's  sentimentalem  JV//  perilu  toat  tnun  bonheur  sehr 
lusti?  trewirkl  haben.  Der  Text  ist  für  jede  der  drei  verschiedenen 
Personell  sehr  cbarakiei  i^ii>cli.  geistreich  und  pikant  gewählt,  so  daß  man 
kaum  begreift,  wieWeiiikeni  eine  so  plumpe,  unschöne  Bearbeitung  für 
Mozart's  Bastian  ft  Jiasiit/Dir  daraus  maclien  konnte.  Solche  Hedensart^^n, 
wie  die  Worte  L'ulas,  des  Zauberers:  >Sei  ruhig,  dein  geliebter  Gegen- 
stand ist  gamicht  nntr*  u,  er  liebt  nur  den  Aufputz«,  sind  in  dem  fran- 
zösischen Original  garmcht  zu  finden 3).  Die  Bearbeitung  erinnert  an  viele 
der  Textunterlagen  zu  den  deutschen  Siug.spielen  und  späteren  U^ber- 
setzungen  der  ojiern  comi«iue,  von  Pliilidor,  Monsipny  und  (4rrtry  Kecht 
humoristisch  ist  die  Figur  des  Zauberers  uiitgefaßt,  der  schon  dadurch, 
daß  er  nnt  einem  Dudelsack  auf  der  Bühne  erscheint,  nichts  Gewaltiges 
an  sich  hat.  Bei  der  Hervorzaub<  rung  von  Colette  zieht  er  ein  blaues 
Bibliothek-Buch  aus  der  Tasche  und  murmelt  mit  höchstem  Pathos  Worte 
wie  Manche.  Planche,  Salme,  Palme,  Vendre,  Cendre.  Me(  r« ,  Xecre  u.  s.  w. 
Die  Idee  der  Einführung  der  Person  des  vermeintliclien  Zauberers  als 
Retter  aus  der  Not  oder  Überbringer  neuen  Glückes  war  durch  Rous- 
seau's Denn  sehr  beliebt  geworden.  Sie  fand  in  vielen  Singspielen  Nach- 
abaoiiig,  in  verschiedenen  Texten  von  A  nst  a  uiiip,  Poinsinet  u.  s.  w., 
die  von  Philidor  komponiert  wurden  und  auch  in  dem  Singspiel  von 
Goethe  Enrin  und  Klmire-'].  Uber  die  Musik  in  Bcusticn  et  Bastieiuw 
ist  zu  berichten,  daß  sie,  wie  schon  erwähnt,  hauptsächlich  aus  bekannten 
Melodien  zusammengesetzt  war,  von  denen  die  beliebtesten  10  Nummern 
dem  Textbuch  als  Anhang  beigedruckt  sind,    Einen  großen  Teil  der  nicht 

1)  Uurcure  de  Franc*',  gfptembrt;  17Ö3,  Seite  158;  Janrier  1754,  Seite  150.  —  Cor- 
respondanee  par  Grimm  II.  Seile  4M. 

2  Lr.s  ainiiurs  (h  Bftatirn  f^t  linatirnne.  Parddi*'  tlu  Der  in  ih-  rUhujt'  fmr  MdJnnif 
Favart  rt  J/r.  Harny.  h'rftri.^rjtU'  ä  Jiruxrllrs  </a>i.i  If  fouritiif  du  m<ti<  dr  Sovriuhrc 
J7Ö3  par  les  Onmdiins  Fran{aU  soua  Un  urdrm  de  aon  AUei»c  Ittnjidc.  Actnirs: 
Ba^wnne  Mr.  Ditrancy,  JhAtien  MH«  Deitrel,  Ccdäs  Mii*  Daran cy,  Paysam, 
Paysannfs.   [Aub  der  Bibliothek  der  Snoeck'selien  Instnunenten-Saininliiiig;. 

3  Siebe  aach  0.  Jahn,  W.  A.  Mozart,  Band  I,  Seite  120. 

4  Lr  Soldat  >itrnii^!>>K  l.r  sn^i^r  ifr. 

ö]  Erwin  und  tJfutn,  ein  Singspiel,  2.  Aulzug,  8.  und  9.  Aultritt. 


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700  Amalie  Ainheim,  Le  denn  du  villag«  von  Jeua-Jaoques  Rouneau  n.  i.  w. 

dort  verzeichneten  Melodien  sind  in  der  Uber  2(JÜlJ  Xiunniern  entli.ilt'-iKieT. 
8ammhm,£r  '^If  'h'  (In  mvpafi"  zu  f-mlen';,  so  daß  mau  sich  ein  ziemlich 
einheitliches  Bild  von  dem  Text  und  «1er  Musik  der  Parodie  machen  kann 
Eine  handschriftliche  Partitur  betindet  sicli  auf  d»'r  Bihliotliek  in  Woheii- 
büttel.  Nur  Geigen  und  Baß,  ganz  vereinzelt  Flöten  und  ( »boen  liildec 
die  einfache  instrumentale  Begleitung.  Es  ist  erwähnenswert,  daß  auch 
eine  Melodie  aus  dem  Devin  du  vilUnje'-]  (in  der  Partitur  zwei  Melodien 
und  eine  aus  Titon  et  Vimrore ,  der  damals  sehr  beliebten  Oper  von 
Mondonville  ein,7efii«^t  ist.  Die  Aufführung  dieses  Werkes  von  Mondon- 
ville  fiel  unirof;ihr  mit  der  von  Hotisspru's  Th  rin  zusammen  und  wurde  von 
den  Freunden  der  fr!U)z<>sischen  Musik  den  itali«'nischen  Inteniiezzi  als 
Mei>terwerk  frepenüber  ^^estellt.  Den  Schhd^  der  Parodie  bildete,  ebenso 
wie  im  Ihr/H,  ein  Vaudeville,  ein  vdu  den  .'5  liandehiden  PtMsunen  ein- 
zeln vorgetragenes  Strophonlied,  dessen  Hefrain  im  (,'liur  gesunken  ^\  urvb 
Später,  als  sich  das  nationale  fronzösincbe  Singspiel,  das  heißt  die  wirk- 
liche o]}^ra  comiqne  mit  gesprochenem  Dialog  durch  Pliilidor,  Monsigny 
und  Duni  mn  diesen  Intermezzi  und  Parodien  entwickelte,  wurde  das 
Vaudevillti  nadi  und  nach  zu  einem  richtiiien  Ensemble,  scldielJlich  zu 
einem  Finale,  w'w  wir  es  bei  IMozart  hnden.  Auch  das  Vaiuii  ville  au> 
JJasttm  ei  JUistmiKv^  war  in  der  Zeit  seines  Entstehens  beUr  pupuhir, 
und  man  legte  der  Melodie  auch  noch  andere  beliebte  Text©  untei'*]. 

1  La  rif  tiu  cnrirtu.  A  Vit^agr  dr  tons  len  C/iamonina'if  Fmit^aü,  etc.  Troi^itm^ 
idition.    A  Paris  vhcx  Janet  d  Cokllc. 

8)  CAntaton«  chomea  atft  in  airs  noie$j  ä  Oe$t^  1782,  Tome  HI,  Seite  168. 
Bomanee  de  Bantien  ei  Btutienue.  Siehe  Anhimy  VL  Air:  Dan»  ma  eabane  obwurt. 

fl'lfij*  mnh'u,  qttf  PoKrore 

Hirn  apns  i'foir  riimre 
Dam  itOH  valiotu  frettois; 
Le  Iratail  et  la  prine 

Tnftf  {(1  n'me  faiKiiil  Heu 
Ilt'/'i.s,  f'rat  ifur  Basiie» 
Ktait  acec  Baatirn»  .* 

!,Madamc  Favart.) 

8:  La  eU  du  caeeatt,  Nr.  384,  Seite  190.  Air  du  ranämile  de  Battien  et  Battienmt, 

Mf«  ettfatu,  apre»  la  piuie 

(hl  10  it  irnir  h  beau  temp» 

I^rn>/r\  grt'ire  ii  tna  »lOffir. 
A  h  fin  roii.i  r'lä  rotUtm, 
Alhm,  nmriex-vom, 
Votre  mee  e»t  dijä  pr^e; 
AUon»,  martex-vou», 

II  y'rnnf  f<'t>>ii. 

4,  Die  Partitur  weicht  an  (einigen  Stellen  von  dem  Textbuch  ab.        schliejßt  ne 


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Amalie  Arnheim,  Le  devin  da  village  von  Jean-Jacques  Bonuean  n.  s.  w.  701 

Die  beiden  rrbihlcr  von  Mozart's  Jugcnd-f )pcr  i>Vw//(7<  utui  liasiinuie 
dürften,  außer  dem  Anteil  dui'cli  den  Zusammenband?  mit  Mozart,  aucli 
efj(enes  Interesse  für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Das  Intenneziiu  Le  denn 
(ifi  riUafje  wird  immer  f  inf  ii  [größeren  historischen  "Wert  behalten,  ni(  lit 
nur  als  Dichtiin^r  und  Komposition  des  l'hil'isophen  Rousseau.  Ein  jeder, 
dt  r  sich  eingehender  mit  dem  französisLlien  und  deutschen  Singspiel  l)e- 
8c  li;iftiL't ,  wird  Housseau's  Intennezzo  in  seine  Betrachtungen  hinein- 
ziehen müssen 

nicht  mit  dem  Vaadeville.  mm:^«!!  mit  einer  Art  WecliseIge8ao{f  zwiiehen  Bastien  und 
Baatienne,  der  sich  fcUieOlich  zu  einem  kleinen  Duett  gestaltet.  Dem  Dnett  folgt 
eine  Art  Tanzlied  mit  Refrain,  die  romlc  basttenne.   Die  Worte  zu  diesem  seehsetro- 

phigen  Liede  fehlen  in  der  Partitur,  «iv?-!  f>1>fr  dem  Textbuche  beij^egeben. 

Ii  Zur  Erkläi'ung  der  in  den  Beilagen  vorkommeuden  Verzierungezeichen  siehe 
Rousseau '3  Didionnairc  de  musiquc  1767,  Artikel  agrinuns.  Vergleiche  auch  Ed- 
ward Dannreuther,  Ji^meal  <tmamentat*ont  2  Binde,  1893/1895. 


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702      Amalie  Aruheim,  Le  devin  du  village  von  Jean- JMquM  AooMeau  tt.  l  w. 

Beispiele 

aus  J.  J.  Rousseau,  Le  devin  du  village. 
I.  Arie  der  Coletle  (Bc^ne  IIS). 
Lent  et  rnique. 

tlour 

TITT-JTT^^I      I  '  I 


um». 


m 


doux 


dOUT 

i_rr_irfrr|^.^^r|ffrf|^j, 


A  «(Ott«  ^m,  ^ 


1 


detachi* 


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Amtli«  Amheim,  Le  derin  du  TÜlage  von  jMa-JMquet  Ronwuin  u.  i.  w.  ^93 


Jai  {jtr.du  toutmonbonheur;     jlai  per.du  monser.vi .  teur. 


unii. 

_i       mtii                                 ,   r 

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i^^i,          .  ..-.  ir^  ^^^^ 

ne  d< .  lalt .  m,           Co  .  lin       w»  ii  ^  lAiata' 

uiyiiizod  by  Google 


Amalie  Arnheim,  Ije  devin  da  vülage  von  Jeui-jMqDM  Boqmmu  o.  w. 


f^L  p     rfffffic     tflrmr  .ff  \r  fr  T  \ 

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J'ai  per .  du  mon  ser.vi  _ 

|l  1    M    1  1 

touri      J%i  per.  du  toatmonboiiheitr 


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lin    mt)  df  .  laif^se. 


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Aauli«  AfiilMiin,  Le  devin  da  TÜIag«  tob  JeM^JMqoM  BomiMu  ti.    w.  7Q5 


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Hdias  il  a  puchan.g«r! 


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J«  vondrals  iify  plus  ■on.ger 


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706    ^Jx>^e  Arnheim,  Le  devin  du  viUage  von  Jean- Jacques  Rousseau  n.  s.  w. 

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il  a  pü  chan.ger! 


Je  vou.draiBnypIus  son.ger 


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las!  He 


las! 

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ces.se.  J'y  son 

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Jki  per  .4a mouMr.vi.lear;     Xai  paÜ 

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'      du  toutmonbonheur 

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708    Amalie  Arnheim,  Le  devin  da  rillage  von  Jean-Jaoqv««  Boasseaa  a.  t.  w. 


j  ,  r  r  I  r  f  r  r 


j  ij  J  J  j 


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^  I  ir  I  I  f  1'^      ^  r  if  r  r  fi 


1 


J'ai  per.  du  mon  ser.vi  .  teur;  J'ai  per.  du  tout  mon  bon 


32 


•       •  • 


1 


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■Ii  tp  ir  rjf/i|.  j  I  ^pir  r.ri*ji 


1 


hcur  Co .  lin    me     de  .    lais.se  Co  .  lin    me     dö  . 


r  r  r  if  r 


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laisse. 


i 


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AaaUe  Arnheim,  Le  devin  da  yillaft  von  Jeui^Mq«M  Boowean  u.  i.  w.  7Q9 


r^^^^  , 

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fois       et  < 

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t  moa  II 

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firme 


Ironie  ei  dfytt 


;  estdouc  cel.le  qu'il  me  pre  .  fe  .  re?  £lle  eetoonobiencnar. 


menace  ^ 
Mrs      tupeux  a.voir  ton       tour.  Quemesertdy  re.verB 


1^1     tupeux  a.Toir  ton  tour. 


i 


i 


ces.se?   Rien  nepcut  fruerir  mon  A  .  mour,  et  tout  augmen.ie 


Iba  tfis  . 


L  iyiii^üd  by  Google 


710  Arnheim,  Le  derin  da  villtge  von  JeaD'Jacqaes  Routteaa  u.  s.  w. 


«  r  if   *  r  i 


5 


1 


tesse. 


r^r-t"  ff — 


J'ai  per. 


i 


1 


i 


i 


iu  tout  mon  bonheur:       Co.  lin  mede. 


du  mon  servi  .  tear;       J'ai  per.  du  tout  mon  bonheur 


i 


Miiii  tüjij  irirrTniLLPtliii  i^ntj 


3 


laisse       Co.lin  me  de.  laisse 


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AbmU«  Anhm,  Lt  dtfia  du  vfUtg«  tob 


1^ 


i 


fr 


 7r-#— ir^-tv-f 

lel 

wir;  je  le 

;n  J 1 1  r  j  j 


doia       Peut.^re  il  m'aiiDeeii  .  eore       Poar.qaoi   nw  f uir  Mas 


tri*/  dx 
Re/ieeHon  ifottee 


4  ' 

dehi'ft' 

ces.fe?  II    me  cher.ch 

&it  tant  au.tre     fois.           Le  do.vin  du  Can. 
^    '                \        ■  —  

M          D    '  .       i           ■  ^                ^  ^ — ^ 

^Tjirh  hpl'^rfppll  Pf)  Ate 

t<»Bfaiti.ci  M.  de.meiure:     il  Mit  toat;ilsatt.m  1«  «ort  demaoia 


toat; 


Ii« 


dthiU 


mour        Je   le  vois,         et   je    veux  m'e.clairjcir    hn  ce  jour. 


L  iyiii^üd  by  Google 


Ajnalie  Arnheim,  Le  devin  du  vüUge  von  JtMl-Jaoqiiei  Bouueaa  u.  w. 


II.  Sceue  Z^i  Le  Devin»  Colette. 


Prelude. 
Grave  et  marque, 

^4  »  if  ^r^:33E 


P 


dun»  Mt  «MT?« 


^3 


=0 


demijfu 


i 


f //«  iU'MVe  en  upproehant  du  devin 


DigitizccJ  by  Google 


▲rnhtiiii,  Le  deria  du  viUtf»  von  Jmn^moqum 
III.  Arie  der  Colette. 


tt.  1.  w.  713 


Oolette. 


Flutes  et  Viul. 


r  ir  r  r  «r  ir  r       i  j  j  i 


8i  des    ga.la]uide  la    Til.le  jVouae  .  eou.M  lat  dis. 


ff' ir  r  r T"if TT-nr  r 


eouM,  Ahtqu'il  mCeat  i  .  ie    fa  .  ci.le,  de  for  .  mer d*AU.tTes  a 


rrT^"r=rr~i  r  r  r  r  ir  rii 


r  0?^lr7rfiaijll"'^ffffWfi& 


renforci    k  rfo«x 


F — » 


moars!  Mise  en    ri.ehe  de  .moi  .  Bel.ie,  Je  bril  .  le.rait  tot»  les 

i 


i 


le  Je  eh« 


jours;  de    ru  .  bans  et    de    den  .  tel.le  Je  cbar  .  ge.rais  raee  a  . 


r  r  r  "r  rrrrTy'^=^ 


tours.     8i  des     ga. laue  de    la     vil  .le  j^Bone 4  .  c<ra . M  les  die 

I'  J  J  i  1 1  I  r  r  ir  rrTT^S 


Digitized  by  Google 


Amalie  Amheim,  Le  devin  da  vilkge  von  Jean-Jacquea  Rousseau  u.  a  w. 


r  if  r  r  iir  ir .  !•  .  I,  j  j  . 


coun,  Ahlqu'il  m'eut  ^  .  te    fa  .   ci.le  de  for  .  merd'autres  a  .  mours. 


M  M 


j-ir  r  r  r-tf^  r  ir  JiTyi 


r  r  ir  r 


Pour  l'a  .  mour  de    Tin  .  fi    .    db.  le,  Jai    re  .   fu  .  se     mon  bon  . 


i 


I  jjj iJ  j  11^^ 


douT 


r  I  r  r  »-i  r  i  r 


1 


heur  J'ai 


.  maismieuxd  .   tre  moinsbel  .le,  Et 


lui 


i 


i 


r    r  in^r 


/or/ 


7  r  fr -Hu 


r  r  r  r 


fi 


eon.ser.ver    mon     coeur.  J'aim&is  mieux 


e  .  tremoins  bcl.ie 


r  r  1^  r 


r  r  I  r  r^r  r  ir^^ 


^ 


1 


r  ir  r" 


Et 


_^  ^a  la  Reprise 


^  jusqu'au 


lui     consor.ver  mon  cocur.        Si    des    galans..   mot  fin. 


av0e  empha$e 


r  r  i«-^  ^  ^ 


i 


^  Google 


AnaUe  AnlMiai,  Lt  dsvia  da  vUkg«  von  Jmm-Jtuaqß&»  Bowean  «.  i.  w.  715 

lY.  Beeiialiv  nnd  Arie  des  Devin. 


Jevoitf  rmdrai  le     sioi,  ee  m.  ra  mon  ou.vra  .  go. 


3 


Vbiit        lemi6iDCgar.dmr  ap.pli.questOtttTos  MineiPonrTousfkire  ai  . 

I 


fi  fi  n 

K  P  F 


5 


•I       .      I  I 


rrf -rr"li=f=|i  p  p  p  ^  i 


mtrdajrui.ta.i^  feignM  d'ai.m«r  un  peu  BBoi]i«.F(Nirv«Mftür«aiiner, 


ta  .    ge    Fei .  gnte»    fei .  gn6e      d*ai  .  mer     un  pea 


1 


1 


L'amoar 


L  lyui^ed  by  Google 


716     Amalie  Arnheim,  Le  devin  du  viUage  ron  Je«n-JaoqnM  Boamaa  o.  t.  w. 


i 


r  r  ir  r  r 


'  1'  r  r 


croit   s'il  s'inqui.et.to.II  s'en.dort    s'il  est  content, 


l'amour 


j...;jl'-Jf  I   jl 


fort  doux 


■!!  1          r-pr  1  '1     p  ' "'i' 

croit  s'il  s'inqui .  et .  te,Il  s'en.dort    s  il  est  coa.tP 

Wt  j^i . .  ,rj  ij-^ 

nt,  Tan 

lour  croit  s'i 

1  8  mqui. 

1  j.  j  il  il  1'  jr  1  '  ' 

^ — » 


et.te  U  s'en.dort  s'il  est  con .  tent,. 


II   s'en  .  dort  s'Uest  con 


1 J  turici£^ 


Digitized  by  Google 


ÄJBoäßM  Anhdm,  Im  d«vui  d«  villag«  tob  Jeaa-JaoqMt 


V.  IL  w. 


.  717 


k"i           1  1 

1 

ient      Mt    oon  .  tont 


f 


i 


La  berftre  impeaoo.qMtte  rend 


9" 


if  T"  r  ir'  ^ 


351 


_  le  bergfer  plusconstant 


La  bergere un peu CO . quette,  rend. 


•  7       e  • 

♦  14« 


.iMT-rrnfFfi 

■ 

Tri,  l?ne 

1  ■  1  -  ft^PP"^ 

»n  i*"  =- 

phuoonstant 

ir-Mö  ^ 

^                             «           6  4<l  6 

Digilized  by  Google 


718  AniAlie  ArnlMän,  Le  dem  da  yiHhg^  fon  J<n>JteqMt  Itooww  o.  ■.  w. 

J 


i 


L'Amöitrerait  iTil  ifioqni .  el  .te,Il  t^njäcH    il'U  est  eonjtent;  V%xoaat 


i 


1 


1 


if  r  r  I 


cToit  i^U  a'inqui  .ei .te,  II  e^n  .dort   ifUeet  ooa .  tent 


1^ 


4-  ■  dx 

-l  1  1 

dort  ill««!    eon  .  tont  f*!!««!  con  .  ient; 

m 


♦  ^  ♦  Ä 


6 
4 


6 
t 


6 
4 


^H. — 

/  ■  •  •+  ■ 

■»  ^ 


quette,  Rend 


le  berger plusconstant. 


La  beigere  un  pgu  co. 


dt 


i 


1 


i 


(e  re: 


quette  rend 


le  bevycer  plae  conb  t  a  L  t 

[■'■'I L  J  i^rrr-T^ 


3 


ül.^  ^  /7\  - 


Oigitized  by 


720 


L«  dtffin  du  TÜtag«  von  jMn^MqoM 

V.  Ariette  ajoutde  an  Derin  du  vUlage 

Par  M?  PhilMor. 
Chant^e  derrnnt  leurs  Majest^s 
Par  Mr  Caillot,  le  meroredy  9.  Mars  1763. 


Muderato. 


«.a  w. 


HuutboiB. 


Violino  I. 


Violino  U. 


Oonü. 


Alto  col 
Baiso. 


o- 


Piano 


r  r  r- 


Ätt  Dieu  .       .  qui  vous  en  .  ehai  . 


i 


i 


i 


ne       a.raantoof.Ms  vosvoeux 


qae  .  VMtraat. 


1 


Digitizoü  by  Cjt.)0^lL 


«.•.w.  721 


irr  I  r  rrr  r  i^r    J  ir^r-^ 


portal  .  ela  twtdiMBwi        .  tes,  4  .  ela 

 ^  f 


j — *—\ 


dt 


i 


1 


S.d.I.M.  IV. 


47 


Digitized 


722  AiMlie  Arnhmm,  Le  dtvin  d«  viUtge  vod  JeiB^MqvM 


«.  c  w. 


i 


f  fC  Ip  •  lt-7l  lJ_j3i^lr-"QiJ  JIJ^IM 


^«   ta     flam.md«  .  ni  .   meno«  jeux 


TTi  r-rrrr 


f  II  J  J3j  j  i.|_^;?TrjT7-]-T??-?i7TT^T 


J5iJ{)iJJii'j.  jJi'l  1 1 1 


-r 


p 


TO  .  tre  bon  •  heur...  &  .  jouJe  4  sea  con  .  )ue   -    tes     que  s& 

III  I  M  II  I  I  II  I  1=^ 


AmAti»  Arahtim,  La  dsvin  dn  vflkg»  m  JMii-JMqMS  Boomm  o.  t.  w.  728 


■» 


^-jjnj^-t  ^^^^ 

j9  cre«c. 

p"j  um 

mh   r.  — 

Ij  lUjjljf  -     It  t 

w —  IJi      If  f'  ^  / 1 

Kit  y   o  — - 

r  p 

r   f  r 

47* 


L  iyiii^üd  by  Google 


724  AmUa  AmlMÜD,  Le  ddria  du  TÜltgt  von  J«ta-jMq«M  Pqiwmu  «,  t.  w. 


L  r     I   - 

me         a.ni  .  menosjeux        que  tob  irwuports  a  .  jouteasescon. 


»T  rrrff  Hr  r  r  7Tti  iTVi-jrj—TTTi  i  <  r  r  r  i 


fr|7-Tl^ 


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pocofor 


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zz: 


ES 


CS 


guö  .      .  tcs,     k    860  con  .  quo . 


tes. 


Fim. 


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AnuUi«  Arnbmm,  Le  devin  da  TiUag«  von  j6t»JiMtMf 

Andante. 


725 


f '  r  ^  n 


i 


'»'■  >  ^  r  rr  »cj-^ 


Cet  en  .  fant   qui    eou  .  rönnet  ton     gri        wm  ar 


ii  ^  i  r 


T2' 


deuM,  a    le  grand  art        do        Ii .  re  dans  noe  coeurs 


Mi  ü      ^  .  ,-i;J  J  1  J  J|J  J 

l^-THfr  1  

n  Hri  «Ii            H  '        f. .  -  . 

P  \it'^    u  --iji'l  1 

Alto 

 ■           -f^  1 

^»  1  1 

Mw .  M,      gne.  rit,          in  ti  .  nii.d^    ras .  au  .      .  r«  U 

M^.  —hn  m     Ii»'  1    u            ■          '■  "  n 

•  Digitized 


726  AmdUe  Anhnm,  Lo  d«vi&  da  nUaftt  twi  Jm^moqtm  Iloumwi  n.  w. 


Tri?'  1  'T  j  i^n 


?  c^ir  r  ^  'f 


a       pour  nout  ehar .  mer 


mtl  .  le  mo.yens  di 

I     '    II  I  J  I 


t    ^lÜ  I  LP 


m 


de       Tu  .  ni 


vers 


J    U  ,  J 


i 


3t 


I 


]>a  o«po 


mH.»  Im  te  •  erets  de 


j  I  r  irrrrijji,.ij  1 1  i 

■e  •  erets    de     Ul     na  .   W  .       .  re. 

/7\        .  , 


iju,^  jd  by  Google 


Amalie  Arnheim,  Le  devin  du  TÜllge  von  Jean- Jacques  Rousseau  u.  s.  w. 

VI.  Bomanee  des  Colin.  (3e^ne 

J  .  .  Lent 


727 


üoUn. 


dcmi  jru 


um« 


irh  doux 


If  Couplet. 
2#  Couplet. 


Dans  ma  ca.bane  ob  .  Bcu.ro  toujoan  lou. 
|>MChamp8ae  la  Ptai.ri.e  re.touraant 


8  4 


6  6 
4 


lini  de  Cadence 


1 


TTic  ri'&'nii  ii|  |i  Iii  I  I 

cisnou  .  vaux,vent,8o.leil,  ou  froi  .  du.re,  toujourspeine  et  tra  .  vaux. 
chaque  soir,  chaque  soirplus  che  .  ri  .  e,    jo  vieudrai  te  re  .  voir. 


chaque  soir 

l;>^'ii7i  i| 


If  irr  fi-'f^ 


i 


ffiE 


I 


I 


i 


Co.let.te  ma  bor 
du  Bo.leil  dAiitnoft 


ffo  .  re  si  tu  viens  Tha.bi 
plid.iiot    de-vanuyant     le  re 

-ÄJ  


g '  - 
tor, 
tour, 


i 


J  IJ.  i.iJr! 


Co.lm  daas  sa  chau 
je  charjne  .  rai  mes 


r  r  I  ^'  fT^g 


mie  .  re  na  neu  a  re  .  gret 
pei .  nee     ea  ehantani  nötre  a 


ter. 
mour. 


i'||  "I  u    1^  ^/  i'i  r  I  |i  I 


üiyiiizea  by  CjüOgle 


728         J.'Qt.  Frod'liomiDe,  Lea  Maaioiens  FraugaU  k  Eome  il80i^ld03j. 


Les  Musldei»  Franfais  ä  Borne  (1803-1903) 

i.-G.  Prod'homme. 


Au  moment  oü  l'Acad^iiiie  de  France  ä  Borne  vient  de  cöl^brer  le  centenain 

de  son  installution  ä  la  Villa  Mi^'dicis,  oq  peat  rapp^er  quil  ny  a  qu'un  aikle 
egalemeut  qu'ello  y  re^oit  des  musiciens  parmi  se?  pensioimaires:  et  Toccasioti 
mi  Sans  doute  opportune  de  dresser  comme  le  bilaa  de  ce  qu  a  produit  le 
8(^jour  (seulement  ä  demi-ubligatoire  il  est  vrai)  d'une  centaine  de  jeuuea 
mnsiciens  sur  le  «iol  dassiqae  des  arts»  pendaiit  le  ei^e  ^ooiil^. 

Chamu»  faiaant,  en  paasant  en  reTue  les  nombrenx  lanröata,  lee  preaqaa 
aiufli  nombreux  oubli^s  du  grand  prix  de  composition  musicale  d6o&m6  chaque 
aniK^e  par  rAcadt-mie  des  Beaux-Arts,  il  nous  sern  donne  de  rappeler  les 
critiques  qui,  pour  ainsi  diro  d^s  son  origine,  fureiit  ädresst-es  iv  c«tte  Insti- 
tution. DepuiB  8oixante-dix  ans  uu  moius,  eües  out  ete  repetees  bien  des  fois; 
mais,  nal  n  ^tant  oblig^  d'aeoepter  lee  btetöoes  da  prix  de  Borne,  aigomd^bm, 
tont  le  monde  oemble  d'aecwcdl  qua  le  goavernemeiii  fiian^aie  n'entei&d  faire 
k  eea  peneionnaires  de  la  Villa  M^dicis  qu*une  agrdable  viU6giature.  CVst 
donc  une  raison  de  plua,  diront  Ks  optiuiistes.  pmir  le  conserver,  dViitnnt 
plus  qu'uu  d^cret  recent  du  miiiistie  de  i'Instruction  publique  vient  d  m\- 
mettre  les  femmes  k  entrer  en  löge  pour  composer  la  traditiuuaelle  cautate, 
le  «Besame,  ouvre'^i!»  des  laurtots  de  rAead^mie. 

♦  • 

Soub  Taucieu  regime,  seuls  le  |  intres  et  sculpteurs  fdepuis  1668),  pui4 
les  architectcg  (depuis  1671  ■  t'tuit  iit  eiivoyes  ä  l'Academie  quc  Oolbert  re- 
nuit  dü  iuiidor  ä  Home.  Lt»!*  Acudeuiies  supprimees.  comme  od  sait,  pur  le 
decret  de  la  Convention  du  8  aoüt  1793,  iureat  remplac^es  presque  iiunte- 
diatement  par  «un  Institnt  national  chairg^  de  recueillir  les  dfeouyertes  et 
de  perfectiouuer  les  sciencei  et  les  arts.>  (art.  298  de  la  Constitution  da 
5  fructidor  au  III).  L'arret«  cousuluire  du  3  pluviose  an  XI  (23  janvier  1803  , 
qui  reforma  Tlnstitut  d'une  fayon  profonde  ot  lui  donna  la  Constitution  qu'il 
a  ä  peu  pr^s  conservee  depuis  un  siecle,  crea,  pur  son  article  13  et  demier, 
le  grand  prix  de  composition  musicale,  coucurremment  h  ceux  de  peinture, 
aonlpture  et  areliitecture.  II  devait  £tre  döcern^e  par  la  aection  de  nuuiqne 
de  la  quatri^me  classe  (beanx-arta),  aeetion  qni  comprenait  trois  membrea, 
Mehul,  Oretry  et  Gossec.^} 

Jja  nnuvelle  que  les  niusiciens  allaient  »  tre,  im  meme  titre  que  les  pein- 
tres,  admis  a  concourir  pour  uu  grand  prix  de  Korne,  fut  favorablement 
accneillie  et  la  «Correspondauce  des  Amateurs  musiciens»  qui  paraisait  alors 
eona  la  direetion  du  citoyen  Cocatrix,  pnbliait  TaTis  auiTant,  h  la  reille 


1  A  la  mif^i  iutj  i'tait  jointe  la  declamation  rfj.r''.«(''r!tdf'  i)ar  ^lole,  Preville  et 
Graudmeuil.  Pius  tard  les  artiates  dramatiques  furent  elimincs  et  remplac^  partrois 
masidena. 


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J.-G.  P^^lioiiuaiev       Muncimt  IVaa^ab  k  Borne  (1806-190S). 


729 


du  premier  concours  auquel  etaient  mlmis,  non-senlemont  les  el^^ves  du  Con- 
eervatoire,  mais  tons  les  citoyeus  fransais  juBÜEant  de  certaines  con- 

uaisBaucefl  musit  jilcs: 

<Le  gouvernement  ayant  egoute  aux  uneouragemens  donnds  aux  vd»,  ecrivait  Co- 
catrix,  un  grand  prix  d«  oompoiiftiott  mtimcale.  qui  procnreva  au  eompotitottr  conrotm^f 
ravantagc  inappn-cialjle  d'etre  envsiyr  et  eiitretenu  pendant  cinq  ans  en  Italie  aax 
frais  de  la  Kvj  il  :i  )  u'.  la  classe  des  Beaux-Arts  de  rinstitTit  national  eharg^e  de  de- 
«eraer  lea  granUä  pnx  de  peinture,  sculpture,  arcbitecture,  gravure  et  compositiua  mu- 
aicale,  ouvrira  le  premiar  frnoUdor  jxrodiaiii,  un  conoonia  ponr  ce  dernier  prix. 

«Les  condiüoiu  da  oonooon  tont  d'toa  Fian^aii  on  naioialiaä  et  de  n'avoir  pas 
ploB  de  30  an?. 

«Lea  concurrens  se  ferout  inscrire  au  aecr^tariai  de  Tlnstitut  national,  du  1«^  au 
20  thermidor. 

«Le  prcnucr  fructidor,  ils  senmt  ezatnin^i  enr  la  marohe  et  la  thtorie  det  aocords 
pottr  savoir  s'ils  sont  admissibles  au  concours. 

«Du  2  au  25  fructidor,  ils  concourront  sur  le  contrepoint,  la  fugue  uuu  scene 
dramatiqae  compoi^  d*im  rfoitaüf  oblig^,  d*un  cantabile,  «aivi  d*im  rMtatif  simple, 
et  tenninte  per  un  alr  de  mouTement  d'un  caracU-re  prononcii. 

«Si  le  prix  est  döcerne.  il  sera  exicüU  dan«  la  «^aace  pablique  de  la  olasae  de« 
£eaux-Art8  de  Tlnstitut  uatioual.»  >; 

Troi<j  mois  plus  tard,  le  meme  Journal,  duns  son  nunu  ru  du  22  vt  iKit  - 
niiaire  un  XII,  douuait  le  uoui  du  vaiuqueur,  proclame  dan»  la  beauce  au- 
mielle  de  la  dasae  des  Beaux-Arte,  du  8.  «La  oompositioii  qni  a  obtenti  le 
prix,  est  uue  seftne  d\4.lci/one  et  (Mir,  poesie  du  cit.  Arnatidt,  muBique 
du  cit.  And  rot,  ^löve  du  Conservatoire,  classe  du  cit.  Gossec.  Cette  Bc^ne 
a  etö  expcut«'»'  la  fin  de  la  B^ance.»  Androt,  n^  h  Paris  »  n  1781.  eiitiV 
au  (Honsel vittüire  en  1796,  prix  de  contre-point  et  fugue  en  lb02,  burvecut 
peu  k  son  triompbe;  la  liste  des  prix  de  Korne  di^bute  comme  uu  n^crologe. 
Arriv^  k  Borne  ü  la  fin  de  1803  oa  an  commenoemet  de  Tannte  eniTante, 
ce  jeune  homme  j  mourut  le  19  aoüt  1804.  II  n\ivnlt  pas  perdn  son  tempe 
et  avait  tenu  h  prouver  que  le  s^jour  de  l'Italie  n  etait  pas  nuisible  aux 
musiciens.  Affectioiino  de  Guglielmi,  maftre  de  chapelle  de  Saint-Pierre 
(qui  mourut  lui  au^ai  en  1804),  Androt  truvailla  soua  sa  direction;  il  ecrivit 
difKrents  morceaux  d^eglise,  dont  un  Deprofundis  qui  fut  execute  lors  d'uue 
c^r^monie  en  eon  sonvenir,  k  Saint-Lanrent  in  Lneina,  au  moie  d'octobre. 
II  laissait  un  op4ra  inachevd.  Le  Breton  lut  une  notice  ^ur  le  premier  com- 
positenr  franyais  envoyö  u  Komc.  le  14  vcndt'iiiiaire  an  XJII,  h  Tlnstituti 
il  y  rn])pel:iit  «ju'Androt  etait  niort  d  une  hemorrhagie,  «comine  Pergol^se.» 

Personne  n'ajaut  etc  juge  digne  du  graud  prix  Taunee  suivante,  Androt 
n'eut  pas  de  anoceBBeor  unmödiat.  En  reTanche,  en  1805,  denz  lanrtais 
ex  aequo  fnrent  envoy^e  en  Italie:  Ferdinand  Gasse,  natif  de  Kaples,  et 
Victor  Dourlen  qui  devint  professeur  au  Conservatoire.  La  cantate  qu^ils 
avaietit  eu  ä  composcr  t'tait  intitulre:  (  ujiidon  j^euront  Fs^dl^.  Toos  deux 
6crivirt'nt  {du.s  tard  ])our  iOpera-t 'oinique. 

Le  suivunt,  Guillaume  Bouteiller  de  Paris,  n  alia  pas  meme  a  liomei 


1}  Corrcsj).  de»  Äumicur»  mmieim»:  enlSOl,  leooncours  d'admissibilite  setermina 
le  30  (Id.,  1804.  p.  542  :  il  coraprenait:  im  contre-point  double  k  l'octave  et 
ä  4  parties;  un  coutre-point  double  ä  la  douzicme  et  ä  4  parties;  une 
fugue  Selon  les  regle»  s^v^res  2  ou  3  sujeta  et  &  4  voix;  enfiu  une  sc^ue 
dramattqne  couposee  de  meme  que  Tannee  prte^dente  oü  les  eoncurrents  poavaient 
divetopper  «toutes  les  richessea  de  rhamonie  et  de  la  m^lodie». 


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730  Prod  iiomme,  Lea  Mosicieiw  Fran^ais  k  Borne  a80B-190d). 


aj'iint  pivt«'!«'  entier  daus  rndniiniätratiuu  des  druits  reuni».  Untre  sa  can- 
tate,  JlCro  et  Luituhc^  U  duunu  au  Theatr«  Feydeau,  le  26  mai  1817,  k 
Trompeur  mn$  1$  $amir. 

AneuD  pi'ix  n^ayaut  t  te  dt-cernä  TaniK^'o  suivante,  Loub  Bluudeau  (caii- 
tate:  Marie  Stunrt\  eleve  de  Baillot  et  Gossec,  fut  euvoy6  i  Korne  eu  1807. 
A  son  retour,  il  eutra  comine  altn  h  rOptTa-Coinique  oü  il  resta  ju>'«[u  tu 
1842.    II  ecrivit  des  traites  »ur  la  mu»ique  et  de  la  musique  de  chaujhre. 

£n  TauBÖe  180*i,  parait  un  nom  un  peu  moius  obscur,  eelui  de  Dau»- 
Boigne-M^hnl  (cantato:  Ägw  dem»  h  IMterf)^  neTau  et  ^l^ve  de  nilastre 
autanr  de  Joseph.  Sfats  moms  heurcux  que  celnioci,  Joseph  Daussoigne, 
apr^='  avoir  fait  repn-senter  h  grand'peine  deux  operas'.  Aspasir  ft  Ptrichs 
|182()  ("t  Dru.r  Snffttf  (lH24i,  so  retira  eii  Tielrrique  et  devint  directeur 
du  Conservfttuire  de  Liege  (1827-18Ü2};  il  mourut  eu  1875,  ä  l  äge  de 
quatre-viugt-ciucj  ans. 

D^airä  Martin,  dit  Beaulien,  qui  lo  rejoignit  &  Home  en  1810  (ean- 
tate:  Htro  et  Linmln)  n'a  laisse  un  nom  dann  In  biographie  musicale  qu'l 
titre  de  fondateur  de  T Associ ation  mtiBicaie  de  rOuest  {183d].  11 
v6cut  pf  mourut  in  Xinrt  18H8'i. 

Jean- iiaptiste  Chelard  est  plus  couuu,  eutre  untres  par  sou  opera  de 
MmiMK  (1827).  KUye  de  Baini,  U  fit  repr^nter  pendaat  son  a4jonr  Naple?, 
Gomme  firent  eouvent  sea  coU^irnes  «romains»,  un  op^ra  bonffe  (1815K  Hau 
apr^a  ]>IusieurB  s^jonrs  ä  ^Imii  li.  eii  1H28  et  1830^  puia  ä  Londr«'^.  oii  il 
dirif^ea  l'Oju  rn  alleinand  1HH2-831,  il  «f»  retira  en  Allemacrne;  il  devint  Ic 
predecesseiii  lii  laszt  i  lh;i»i-.')0  ,  comme  kapeünieisier  ii  Weimar,  oü  il  mourut 
une  dizaiue  d  annees  plus  tard. 

Jnaqtt'ici,  on  le  voit,  l'Institut  n^avait  pas  encore  d^coavert  pami  sei 
lanräata,  de  eompositenr  appeI4  par  la  auite  k  illttstrer  beaueonp  rEoole 
fran^aise.  En  1812  parut  <  nfin  ce  premler  prodii^o,  celui  qui  dovait  etre 
rautfiir  ihi  Zainpa  et  du  l'i'  -aft r-('hrfff.  I.onis-.los.  pii-Keidinaiid  "H.'n-li!. 
alors  »ige  de  vingt-neuf  aus,  nMii]M)ita  son  prix  de  Kume  aveo  nur  cmtaie 
intitulee  Louise  de  La  Vfillitrc  Apres  trois  auuees  passees  a  Kume  et  ä 
Naplt!!«,  oä  il  fit  repr^aenter  La  (rioveniu  di  Enrico  QuintOy  Harold  revint  1^ 
Paria  en  1815,  et  presque  chn<]ne  ann^e,  il  prodoisit  un  ouvrage  au  tbeatre; 
mais  nn  aeul  acte  de  lui,  lyisthfnir,  fut  repreaente  ä  l'Opei  i  < 'elui  i\ae 
Berlio/,  np]>tl.iit  plus  tard  un  •  AN'eher  des  Batignolle.s»,  mourut  trop  jeune 
ponr  Tbonneur  tle  la  musitjue  fran(;air<e,  un  mois  iipri^s  la  preuiiere  du  JVf- 
mu-Chics,  partitiou  qui  t'aisait  presager  une  brillante  carrieru  (jauvier  1833i. 

Panseron,  dont  la  cantate /ftfrmmw  (1818)  lui  permit  d*idler  Bologne 
t-tudier  avec  Maitei,  fut  ä  aon  retour  aocompagnateur  h  rOpera-Comique,  oü 
il  donna  trois  nctcs;  il  devint  profcsseur  au  Conaervatoire  (1826)  et  se  fit  COD- 
naitrf  'nrt«Mit  pnr  des  nnvrages  didacti«jue.s. 

De  Koii,  4(u  leujjiorta  le  prix  Tannee  »uivante  avec  Atul/ij  un  <J(ft€r  Ic 
Danois  l'aiilit  etre  repret>ente  u  l'Op^ra.  Son  auteur  abandonua  la  muaique 
et  ^pouaa  la  Teuve  dn  romancier  Ducrai-Dumvnil. 

Ün  peu  plua  heureux  <iuo  lui,  Benoiat.  qui  concourat  dans  Knonr,  fut 
represent«'  ä  TOpt  ra  trente-truis  ans  apres  avoir  obtenu  son  prix  L  Appanffon, 
184S;  J't!ii>inrttf.  ballet  en  collaljoration  nvor  Tln'nphile  Guutier.  1851;. 
11  est  vrai  qu  i!  »Hait  chef  de  chaut  k  ce  theälre  pour  iequel  U  ecrivit  eu  outre 
difff^rents  ectes  de  ballet. 

Entre  lea  ann^ea  1816  et  1818,  avant  d'arriver  h  Hal4vy,  TOici  Desire 


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J.-G.  Ptodliomme,  Lea  Muncient  Fnm^ais  k  Bome  (tW3-19l»)  731 


Alexandre  Button,  que  sa  cantat«  lu  Mort  (rjdonis  Ht  euvoyer  en  Italic 
Apres  avoir  flonn«''   fju^>lf[iTfs  pit^TP«  nu  thrTttre  Fcydeau   et   collabor«'  u 
M'irquisr  (k  Brinvülicrs  h  1  Uptira,  il  devint  inapecteur  des  succursaies  du 
Conservatoire. 

Hal6vy  fut  presque  un  prodige.  Eiitr6  au  Oonsemiioire  en  1809,  a^r<> 
s.Miknient  de  dix  ans  aprfea  e^y  etro  couvert  de  lanriers,  il  conquit  son  prix 
de  Rorae  ä  l  äge  de  vingt  aus  par  sa  cantate  llcrminie.  II  »Hait  d«'jii  dcpuis 
trois  ans  professeur  an  Conservatoire.  Son  cbef-d'dMivre  la  Juiir,  rinnt  on 
sait  la  reputation  universelle,  ]>arut  ii  TOpera  le  23  fevrier  1835  et  lui  ouvrit 
rannte  saivanie  les  portes  de  Tlnatitut 

Massin,  dit  Tnrina,  Italien  d^origine  premier  prix  ex  aeqm  avec  Hal^yy, 
resta  en  Italie  et  a  laiss^  aumi  pen  de  trace  dans  la  mnsiqae  fran^aiae  qua 
■on  coll6gue  s'y  est  fait  un  nom  glorieux  —  a  TOpera. 

II  iiou«  fatit  pn«ser  environ  uue  diKnine  d'nnnees  pour  arriver  ä  fie«  rom~ 
positeuis  .  iicoiü  conuua  de  uos  jours.  V  oici  Simon  Leborne ,  de  Bordeaux 
{Sojfhcmishf,  1H20),  qui  en  qnalit^  de  professeur  forma  Ini-meme  de  nombreux 
prix  de  Bome  et)  comme  bibliothdcairef  conserva  la  nrasique  de  Louis^Fhi- 
lippe»  de  Napoleon  in  et  celle  de  l'Op^ra;  Etienne  Hifaut  [Diatie  et  Emly- 
mioH^  18211,  qui  voyagea  non-seulement  cn  Italic,  niais  visita  Viennf,  ^Imii.h 
et  Dreade  et  devint  chef-d'orchestre  ä  l'Opern  - < 'oniiqne;  Lebuurgeois 
{(JemüUvc  de  BrabaiU^  1822),  dont  on  a  peitiu  toute  trace;  Boilly,  le  fils 
du  peintre  (Pyramc  et  TTUshi],  qui,  n'ayaut  pm  de  aucete  avec  ses  op^rae 
(11  ne  parvint  ä  se  faire  jouer  h  l'Opt^rarOomique  que  vingt  et  un  ans  aprto 
Bon  prix),  devint  professeur  de  piano.  Constant  £rniel,  (jui  fut  ex  aequo 
,ivec  hii  eilt  bien  »in  ouvrasje  rp«;u  h  rCJpera,  mais  il  ne  fnt  jitmais  reprt'sentt' ; 
mit'  Ouvertüre  de  sa  composition  oljfint  fi  Plnntitiit,  cn  1SJ!I,  un  «succ«'S 
d  enthousiasmo»,  dit  «la  Gazette  musicuie»  de  ri-poque,  il  se  lit  un  peu  cou- 
naStre  jtl'etranger;  ä  Pari.s,  il  fut  profeaseur  de  piano.  Balthasar  Barbereau 
{Affttis  Sorely  1824},  apr^s  avoir  ete  Ghef->d*«rdie8tre  du  Tb^atre-FranQais,  fut 
professeur  au  Conservatoire;  Guillion  {Ari€iiir  (hns  VUe  df  Xaxos,  1825), 
fit  repr^senter  un  opera  ä  Venise,  se  n*tira  dr  lettr  vilh-  rt  al)aiul(iMn;i  la 
nuisi(|ue.  Paris  \Hrntiinii \  1820  fit  intindrt^.  unt-  oiivfiturc  de  ricuiutj 
cumiiie  euvoi  de  Kuwe  eu  18H1;  ia  uii-rne  unnee,  il  eut  uu  uuviugc  repre- 
sentä.  J.-B.  Guiraud,  p^re  du  compositeur  bien  eonnu,  partit  pour  la 
Nouvelle  -  Orleans  qu('l(|ue  temps  apr^  avoir  remport4  son  prix  de  Borne 
{Ofjjßie,  1827).  (  •iiillaume  Boss-Despröanx  eut  &  mettre  en  musique  pour 
son  concours  de  KMine,  nne  notjvollc  verrinn  <V Hrnuhnr  sujet  qui  ^tait  pro- 
pose  pour  la  quatrioiue  luis  dOjä  depuis  vingt-cinq  ans! 

A  cette  ejjoque,  paraissait  depuis  un  an  la  «Gazette  miisicale»  de  Fetis 
qui  allait  Itre  en  France  le  premier  organe  musical  s^rieux.  La  «Gaeette» 
se  plaignait  avec  raison  de  ces  «cantates  us^es  et  d^crepite^^  i)ro{K»ait 
aux  jeuncs  musiciens;  dt'j?»  eile  critiqnait  ce  prix  envoyant  des  musicions  en 
Italie,  avec  des  argiiments  que  nmi"?  vorrorm  »piolqurs  rinn«*es  plus  tard  repris 
par  Berlioz  avec  sa  vigueur  et  son  ironi«  ai;coutiun<'es;  par  Beriioz  qui, 
apres  avoir  ete  en  concurrence  avec  lo  laureat  de  1828,  avec  Brevost  et 
Montfort  dans  Clropatre^  en  1629,  oft  des  seconds  prix  seulement  furent 
distribues  fi  ces  deux  jeunes  gens,  allait  rcmporter  enfin  la  victoire  avec  ce 
meme  Montfort,  en  pleines  joum^es  de  juillet. Sa  cantate  de  Sardanapale 


1)  Toir  ses  Memnires,  tome  I, 


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732 


J.-G.  Prod'homme,  Lea  Mundeos  Fnui^  k  Boue  (1806-190CQ. 


lut  executee  le  3U  octubit*.  Eile  ne  puaaa  pas  iiiujx'it^ue  et  «la  Gazette  musi- 
cale»  porta  sur  eile  ce  prudent  jugement:  «Attendona  encore  quatre  ou  cinq 
ans  pour  eonnaftni  ei  juger  M,  H«etorBorlioi.>  L'attente  o«  fat  pM  ti  longue, 
on  le  saity  pniaque,  arant  de  qnittw  la  Fraoee,  Berlioi  faUait  entendre  m 
Symphonie  fantasHque  et  d'antres  oeuTree  de  ea  eompoHitlon.  Qu'on  reihe 
»m  «Menioires"  et  sa  «r'orre««pondnnce»,  en  cette  anu^e  1^03  qui  col^bre,  a 
lui  aussi,  sou  centeuaire.  Un  verra  qitelles  impre!?!«ions,  miisicales  et  autrr^ 
fit  sur  son  temperameDt  ardent  le  sejour  de  1  Itaüe,  et  cumment  uu  jeuiie 
mueiiaeii  romaatiqtie  passait  son  tempa  dans  la  caanpf^ne  lomaine.  Son  oon- 
dieciple  Siontfort,  ^oiiTit  plusieun  Optras  corniques  et  un  ballet  pour  l*0|i^ 
la  Qiaä»  fnetamorphosre  en  femme.  Proq»er  Pr^vost  rejoignit  aea  deux  oon* 
current^?  1831:  il  vfimit  enrin  d»»  r»'!nporter  le  prix  avec  Bianca  Caj^IIo. 
Auteiir  de  plu»ieurh  upi^ras  c(>iiii(|iie»,  ilief-d'orchestre  au  HAvre  en  lS3ö.  :! 
partit  cinq  aus  plus  tard  pour  iu  Nouvelie -Orleans  uü  etait  deja  GuirauJ, 
il  sejourna  de  nonveau  k  Paris  de  1862  ä  1867,  et  retooma  en  Am^tique 
il  y  monrat  le  80  aoftt  1873. 

La  cantate  de  Hennann  et  Kctty  valut  le  prix  h  Ambroise  Thomas, 
Igii  de  vingt-un  ans  (1832).  Celui  qui  dt^vait  a'illuatrer  par  Migtion^  visita 
l*Italie  et  A'ienno  et  r<Mih:t  ii  Paris  en  1H;^H,  oü  il  produisit  une  qnantite 
d'operas-comiques  qui  huni  tomb^s  daus  le  plus  cruel  oubli,  apr^  avoir  obtenu 
des  succes  souvent  prodigieux. 

Alphouse  Thys  eut  i\  coniposer  conuue  cantate  U  Cotitrebandier  cspagnd 
(1833),  dont  le  iitre  semble  pronver  comme  eelui  de  la  cantate  soiTante, 
tEnirie  m  loije^  donnt^e  a  El  wart,  que  les  fournissenra  de  livrets  de  Tlnstitut 
tentaient  de  8'«51oigner  de  ruTi<i<|ult.'.  Thya  ne  a'eat  gll^r^'  Ii  vre  qu^au  pro- 
fessorat:  51  a  cepentlant  ecrit  plusieurs  artes;  mnis  sotj  titre  le  plus  emirient 
e»t  SU  presidence  de  la  Societe  dea  Autours  et  Ooiupositeurs  qui  a  rendu  de 
si  grauds  Services  aux  musiciens.  Quant  &  Elwart,  dont  on  conuait  de« 
ouTrages  sur  les  Concerts,  il  fut  traute  ans  professeur  au  Conserratoire  (1840-70; 
et  ne  parut  an  th^ä^  qu^ä  Bouen  avec  un  optra  en  deux  aotes,  Im  Ca^ 
(ahm  (1840). 

Alexandre  Buulanger,  qui  i)artit  pour  l'Italie  en  decembre  183r>,  fit 
avec  Scrilit.'  !e  Dlnhlc  n  Vtcolc  et  diüV'reuta  actos  lyriquea.  II  entra  conirue 
prolesseur  de  chant  au  Cousorvatoiro  en  1671.  Sou  aucceaaeur  Frcderic 
Boisselot  [VtMda]^  ne  donna  qu'nne  pidce  an  Thi§fttre-Lyrique,  N€  touchez 
pas  ä  la  Rom  (1847),  puis  se  consacra  k  la  direction  d*une  fabrique  de 
pianos  fondöe  por  son  pere  h  Marseille,  oü  il  mourat  en  1893. 

Cfest  en  octobrc  de  cttte  aun^e  quo  se  place  la  poUmiqne  h  laquelle  il 
a  t*te  fait  iillnsion  pius  haut,  entre  un  certain  Gremanus  Lepic  et  Hector 
Berlioz,  dans  la  'Gazette  unisii-ale  ,  dont  tnns  deux  ctaient  collaboratenrs. 
Lne  ordounituce  royaie  de  1819,  qui  avait  eutre  parenthcse  ruhaiäät*  de  treute  ä 
vingt-cinq  ans  la  limite  d*fige  maximnm  des  concnrrents,  exigeait  qu'un  po^e 
füt  d^livr^  aux  lanröats  retour  dltalie  par  le  direoteur  de  rOpärarComiqne, 
et  que,  par  un  toor  de  favour,  Toeuvre  füt  promptemeait  mont^^e.  L*Aca- 
dt'init"  royalf  de  mn^iqtie.  u'rtalt  par  fontre,  tenue  h  aucune  Obligation  envers 
ies  [Ii  ix  (!<•  Kouie.  L  np.  r!i-<."i)niii|ue  s  executa  ([Ueliju»'  fois  de  bonuc  gräce, 
raais  [uis  pour  tousj  il  y  eut  d  asse/s  uombreuses  exceptiuus. » ') 


Ij  A.-L.  Malliut,  La  Mmiqm  au  IhäHre  (Paris  1863^,  p.  3ÜO-30i. 


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J.-(jf.  Prod'bonuue,  Le«  Musiciens  ^ran^ais  ä  Home  (180ä-l^}. 


733 


G.  Lepic,  constoiant  qne  dMqve  lanr^at  eofltait  k  l'Etat  16000  ou 
17000  franes,  diBnit: 

«Le  mode  da  ooneonrt  de  nmaiqae  k  Tlnititat  n'eet  probabtenie&t  pM  la  meOleur, 
absolftment  pvlant;  maii  e*eit  te  plnt  ruMimAble  en  «tteodMit  ntionx». 

Et  relatiTeiiient  1^  1*  pronesae  faite  am  laurtots  d*o1»teiur  d*£tre  joada: 

«Ce  malheureux  concours  Mi  battu  en  breche,  memo  pour  les  articles  qui  ne  a*y 
rattachent  quc  de  loin.  Un  de  ccv  articloB  por*»'  en  effet,  que  TAcaddinie  s'engage 
H  prucurer  ä  chaque  laureat,  ä  la  fin  de  sa  peusion,  un  poüme  d'opära  et  k  le  faire 
jouer  rar  tm  thdltre.  C^Hait  II  certainement  iine  difporition  foit  rationnalle,  inait  ab» 
surde  dans  la  pratique  comine  beaucoup  de  choses  rationneUaa.  Aussi  n'a>telle  jamaii 
»'t-'  c'X''*^')t'  *?,  et  Ton  fait  sonner  cettR  infraction  bien  haut,  comme  si  TAcademie  avait 
ime  action  queloonque  sur  aucun  thöätre.  Cet  artide  i^est  abroge  natureUemeni,  et 
dhB  Torigine,  conune  toate  l^giftlation  Inapplioable». 

A  quoi  Berlioz  repliqua: 

«Je  VOU8  rüpondrai,  Monsieur,  que  iti,  comme  vous  le  pensez,  TAcadämie  na  au- 
eune  actum  qneloonqne  sor  ancuii  th^tN,  all«  a  grand  toit  da  lainar  labaistar  cetta 
promesse,  formellement  exinimte  et  imprim^  dau  M>n  rtglemaat,  qui  att  antra  lat 
nains  de  tous  les  eU-ves. 

€parmi  les  conditions  du  prinl^gc  de  TOpera-Cornique,  lo  ministre  de  Tint^rieur, 
imposa  trto-poaHivamant  h  MM.  lat  directeurs  de  ce  thÄtra  celle  d^aaoorder  un  tonr 
de  faveur  k  chaque  lfiurt5at  pendant  les  deux  deniit  res  nnn^es  de  sa  pcnsion.  Dnnc, 
si  TAcademie  voulait  adresser  au  ministre  d'cnergiques  reolamations,  eile  reduirait 
les  mauvaises  volontes  des  directeurs')». 

Deux  ans  plus  tard,  ou  lisait  dans  les  joumaux  de  Paris:  «L'Academie 
daa  Baavz-Arta,  pranant  an  consid^ratioii  la  diffienlt^  qii*oxit  las  Jannaa  lanrtata 
qai  rariannant  de  Borna,  soit  pour  obtenir  un  po^ma,  seit  pour  faire  jouar 
aaux  qui  leur  out  confi^,  rAcademie  promet,  pour  le  premier  po^ma  qiii 
aera  donno  a  nn  grand  prix  df  Horn««  un«»  mf'daillf  dt*  500  fr.»  2)  Od  ne 
voit  gu6re  tjue  cette  determination  ait  lu  (|uel<|U('  i<ft\  t  purtique. 

Apr^s  Boisselet,  qui  devint  incteur  de  pinuos,  Jjouis  Desire  Besozzi, 
daacandant  d'nna  famüle  d^illostoea  virtiioBeB  bantboiatea  et  bassonistca,  grand 
prix  avec  Marie  Stmrt  et  Mxxio,  qui  valait  ä  Oharias  Oounod  le  second  prix, 
BeHozzi  n^aborda  paa  m^me  le  th^Mre.  Georges  Bousquet  [La  Vendetta^ 
1838)  beneficia  en  1844,  d'nne  Innovation  due  i\  Au1)er,  qui  n't-MT  de 
suite.  Le  directear  du  Cunservatoiro  avait  juit-  le  jjarti  de  luire  representer 
les  launiats  de  Tlnstitut  sur  iu  »ceue  de  lu  rue  Bergere.  L'Hutcssc  dt  Lyon^ 
an  un  acte,  y  tat  jou^e  le  26  mai,  et  oe  fnt  la  aaule  exp^rienoe  tent^e  en 
faveur  des  prix  de  Koine.  En  1839,  voici  un  des  noma  lea  plus  illustres 
de  la  musique  fran^aise:  Charles  Gounod  est  couronne  pour  sa  cantate 
Fernand.  U  emploie  st".-  loi<s;ir<i  ii  visiter  Roine,  l'Autriche  et  l'Allematrne. 
11  lait  executer  une  ii  liome  ;1841),  un  Requieui  h  Vienn«*  (1842j,  et 

dt'bute,  apres  avoir,  comme  on  sait,  renonce  k  la  carriOre  religieuse,  eu  1851 
seulamant,  k  TOp^ra:  Sapho,  öcrit  an  collaboration  a^ec  Emile  Aug i er,  n^eut 
(|ue  dix-neuf  representations.  Trois  ans  plus  tard,  /"  Xon//i  sanffUmtef  dont 
le  livret,  de  Scribe  et  Delnvigne,  avait  ete  retire  li  Berlioz,  n'en  obtient  que 
onze.  La  Heine  dr  Saba  |8  fevrier  IHH'ii,  arriva  au  chiffre  de  <iuinzo,  enfin 
apres  un  incontestable  succes  de  dix  auuees  au  Theätre>Lyrique,  son  Faust 


1;  Jlecue  et  Gax4tt€  mMieaie,  octobre  1830,  p.  353-365,  362-363,  370-373,  377-380, 
2j*A.>Ti.  Malliot,  La  Munque  au  Theätrr,  p.  dOS. 


734 


J.-ü.  Prod'Uunuuc,  Les  Alusaieus  Fiaui^ais  a  Kuuie  »1803-1903,. 


est  admis  k  rAcad^mie  imperiale  de  mustque  le  3  man  1869.  Bomio  rt 
JuHette  (1B67)  ne  vint  Vf  rejoiudr«  qa*eii  1888,  dix  ans  aprvs  Poiyeuete  {1  oc- 

tobre  1878). 

Les  dcux  titulaires  suivauts  du  prix  de  Home,  Joseph  Bazin  [Lotj^^c  <h 
Montfort^  l^i-lOy  et  Louit»,  dit  Alme  Maillurt  ^Lionci  J'osrari,  1841^, 
firent  im  nom  h  rOp«ra«Comique,  Tun  avec  te  Trompette  de  Ic  PHnce  :  1847 . 
et  avec  k  Voyage  cn  Chinr;  le  seeond  arec  lea  Dragons  de  Vüktrs,  qai  jouissent 
encore  d^uue  grande  populnrit^  \19  octobre  1856  .  Quant  h  Roger,  qui  n^ent 
pas  de  successeiir  iinnu'-diat  f.a  T!<'inf  l^oir,  1S1_',  il  n'a  cojiserv«.'  ancun^ 
notorirtt' '.  los  l)iogrnpla:s  rii^uorent  totulement.  Kutre  dos  concours  san«  rt- 
»ultttt  ^lb43  et  184öj,  purut  Victor  Masse  ^L^  JinaycUj,  dout  la  JIuU  .m 
Bidro  ^1863)  h  rOpvra  u'arriya  qu'&  8a  troiai^me  repr^sentaiioni  mais  qoe  des 
auccto  r^p^t^f  au  Lyrique  et  &  I'0p6r*-Comiqne,  dddomniagöreiit  amplement 
Mentiounon»  seulemont  Renaud  de  Vilback,  V>x  acqUQ  de  Victor  Mas.-i 
(Hj;  sc  Tt'f'iiirin  plus  tnrd  daus  dos  teures  tout-ä-tait  inlV'rieui'S.  En  1840,  tut 
CDüiunu«}  M.  Löoii  U  astin  ol  i  Vrhistfur:  dont  l'Oj>öra  a  reprOsoutö  uu 
ballet,  Ic  JÜcc  \)  juiu  1MH>  .  II  u'tciivit  gucre  pour  le  tbeätre  et,  hivu 
que  ses  ceuvres  de  musique  pure  soient  peu  connues,  on  doit  conütater  qa'il 
fut  un  des  premiera,  parmi  noe  prix  de  Borne  qui  aient  tournö  leurs  racs 
du  cöiö  de  la  grande  musique.  Auteur  de  c{uin8e  op^ras-eomiqueSf  Louis 
])(.ffrs,  rniiroj»!!«"'  en  1H47  '  L\\iujr  ei  Tobie\  torinina  f^a  carrii're  coinme  di- 
recteur  du  <  unservatoire  ilt  Toulouse,  .sa  viilo  natale  ( 1 901 1.  Duprato 
tuodcJi^  1848j,  peu  applau»ii  au  tbeütxe,  deviut  [)roi'esseur  au  Conservatoire 
de  Paris.  En  1849,  aacun  prix  ne  fut  deceme.  En  1860  et  1851,  Charlot 
qui,  apvks  de  u'rand  8Ucc#B  dann  aea  claBBes,  fut  couronn^  avec  aa  cantate 
Emma  ei  fu/hiiihartly  ne  put  parveuir  ä  se  i'aire  jouer  mnjgi-ö  ses  fonctiou? 
d'jtrcnnipugnateur  vi  df  r!u  f  rlifint  m  l'n]i('Ta-(.'omMjUi' :  »t  Delehelle  iV 
l'n-<oniitfrj  qui  eut  deux  jn  tiLeti  pieces  repn-sentes  aux  Iloulles  et  ä  1  Athem-e. 
deviut  crititjue  muäical.  Leuuce  (.'oheu  \Lc  lietottr  dt:  Virtjinie  1852],  violü- 
niste,  dut  se  Hvrer  k  l*en8eignement.  Galibert  [Ia  rofher  d^lppcnxell,  1853 . 
mourut  en  ]8r)8,  apres  avoir  dottnö  iin  acte  aux  Buufl'oä.  Adrien  Barth« 
{Frfii(('4\<ca  (Ii  Iiiini lä,  1854)  env«>yH  de  lionie  uue  Judith  qui  lui  valut  un 
prix  de  1500  francs.  Sa  Finiirip  d' Ahifdos  ^1805  n'eut  jias  de  >noot''S  au  Ly- 
rique; il  se  livra  ä  1  eneeicuement.  Conte  Acis  rt  (taltiUui,  1855;  ne  fit 
gu^re  jouer  qi^e  Bt/jj)'/  ä  l  Upera-Cornique  (1875  ;  il  fut  alto  ä  TOpera.  Apris 
une  ann^e  sti^rile,  le  oonoours  de  1857  envoya  h  Rome  un  jeune  homme  de 
dix^neuf  ans,  Ueorges  Bizet,  auqnel  la  gloire,  ou  seuleuient  le  succes,  devait 
otre  sl  cruelleuu'ut  rof'usi-  de  son  vivant.  Ni  lo  Joli>'  iillc  dt  J*<ith,  ni 
IfJ'nnil'h,  ni  surtout  cette  ('armm  (|ui  a  tiiit  le  tour  du  moude  et  peut,  ii 
juhte  titro,  ötre  cüüsid<  ivo  cnnune  un  des  rares  cbufs-d  Oiuvre  de  uotie  nni- 
sique  moderne,  ne  fureut  upplaudis  du  grund  public  avant  la  mort  preuiA- 
tun^e  du  compositonr,  perte  irreparable  pour  l'Ecole  fran^aiae.  Le  s^jonr  de 
Rome  inspiru  a  Bi/et  une  oeuvre  exöoutee  aujourd'hui  encmo  dans  lea  coli- 
certs,  la  syinplionif  Homo.  Pendant  sou  söjour  i»  la  villa  Medicis,  il  euvoya 
il  1  Institut  un  oj>rra-l>outt'o,  I)i>n  J'ro'ujdo,  uu  opöra-conxiijue.  (Juxln  f-t 
l  Emir  et  uue  ouverture,  la  L'ltiUiKt  d  Oasiun.  Suu  cj:  aequo,  (  ha rieh  Coliu. 
que  la  meme  cantate  de  Burion,  Clomt  et  doHide^  avait  iuspire,  devint  pro- 
fesHeur  de  hautbois  au  Conservatoire.  Iis  eurent  tous  deux  pour  colUgues: 
raiint'e  -uivante,  Smnuol  David  J-jdit'  .  qui  se  fit  jouor  a  rOpera-Comiqn« 
et  ä  Veutadour,  et  fut  dirocteur  general  de  la  musique  de«  temples  iaraMÜtes; 


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J.'Q,  Prod'lioinme,  Lea  Miuicifliu  Fransais  h  Borne  (1803-1903,. 


735 


puls  Knifft  liniraud.  .^eul  exeiiiple  dun  j>rix  de  l»'oni'  Iiis  dun  ])rix  de 
Kouje,  t^ui,  iw  h  la  Nouvello-Urleaus  eu  1837,  y  avuit  lait  juuer,  au  1853, 
le  Bai  David.  De  Oniraud,  le  i^pertoire  th«^ätral  n^a  rien  conMrv#,  mai»  lea 
eoncerti  jouent  <  ncore  parfois  le  Camavai,  qni  fnt  ex^cute  en  1872.  M.  Pa^ 
ladhile,  dont  T Opera  monta /'o/r<>  (20  d^mbre  188() ,  tut  lu  plu^«  prteoc<? 
de  tfius  l«*"  ]irix  de  Kf>me.  Entn*  hu  < 'onservatoire  Vu'je  de  ueuf  ans,  i) 
oWtint  Hou  prix  u  seize  ants,  avec  la  cantate  le  ('\ar  hint  JV.  Ii  tut  ii'jniiit 
ä  Rom©  pur  MM.  Theodore  Dubois  [Atahi,  IHlil  i,  aujourd  Lui  directeur  du 
Conserratoire,  et  Boargault-Dueondray  {Ijmiie  de  Mexiere»^  1862)  quL 
apr^s  avoir  ^tö  re^u  avocat^  entra  au  Conservatoire  en  1860,  et  s^eet  iaii 
connaitre  par  aes  Stüdes  aar  les  melodies  populairen  d»ns  lesquelles  il  a  sou" 
vent  pni-^e  son  Inspiration.    M.  Mn^senrt.  laureat  de  admin  ä  l  Air«* 

de  dix  ans  a  peine  au  ( 'onservatuire,  ejeve  de  liazin,  Kelier  et  A.  Thomas, 
u  avait  que  vingt-deux  ans  lorsf|u'il  partit  pour  l'ltalie;  inais  il  ue  borua  pas 
Bou  voyage  ^  Rome  oa  it  Naples,  et  i)rofita  de  sa  bourse  pour  viaiter  PAtitrichef 
la  HoQgrie  et  rAUemagne.  A  l'estb,  il  dcrivit  ses  Snim  dt  btU  {1865}; 
vitirent  ensnito  les  Sri/ns  hon;/roisr.<i,  an  Jieqniern  (18()(>  ,  Pompfia  oxecute 
h.  Paris,  au  Casino,  le  24  ievrier  18(>0,  et  dort  il  utilisa  de';  tV.T_'ni(Mit« 
tard  pour  Us  Krinmirü).  Son  preniier  sut'c«-s  ä  l  Tipera,  le  liot  df  Uihon 
\bl  rcpr^entations),  date  de  1H77;  1  annee  suivaute,  il  etait  nomine  professeur 
an  (yonservatoire  qa*U  abandonna  en  1896,  apr«8  avoir  refusd  la  aucceaaion 
d'A  iiiliroise  Thomas,  #chae  h  M.  Th.  Pnboi».  Les  titres  des  teuvres  de 
M.  Massenet  sont  dans  toutes  les  in<^moires,  et  point  n'est  hesoin  de  les 
r.tpjiclor.  T,p  roiirnur<  dr-  1  H<i4  oii  la  cantate  (\  Ininhor,  execiifMp  Ip  18  no- 
veiiibre  suivant,  valut  le  prix  ä  Sieg  (elevo  d'A.  Thomas,  [)rolcsMeur  de  chant 
de  la  ville  de  Paris,  mort  organtste  de  (/lignancoiut  en  1899),  se  fit  d'apres 
nn  nonveaa  r^glement.  Denx  döcret»,  du  13  novembre  1863  ei  du  4  mai  1864, 
avaient  modißä  le  concotirs  qni,  an  lieu  d'etre  jng^  par  les  membres  de  Tin- 
Htitut,  le  fnt  d«''4onnai«  pnr  un  jury  de  neuf  inembres,  tiir  mi  sort  sur  une 
liste  presentee  pnr  ]*'  ^tinntendant  general  df"^  t))<^:'itres  et  arretee  ]far  Ir'  lui- 
uiBtrc  Jdecret  du  4  mai  I8ü4;.  «Tous  les  niii(>ieien8,  di9|k08ait  i  articie  l***" 
de  ce  demier  d^cret,  ages  de  quinze  vingt-ciu(|  ans,  qu'ils  soient  ou  non 
^l&vee  dn  (^oneervatoire,  peuvent  concourir  au  grand  prix  de  Bome^  aprto 
avoir  reussi  dans  deux  epreuves  pr^alables,  pourvu  fju'ile  soient  fran^ais.» 
J.r  iii«*ine  articie  decidait  (ju'il  n'y  avait  «pruii  sml  crrruid  prix,  (pir  In  pen^ion 
etait  <le  <)uatre  annees,  dont  deux  j^eulemont  devaient  »-tre  obligatt)irement 
pjwsees  H  Home;  le  graud  prix  (iispensait  du  »ervice  niilitaire.  ("e  reglement 
fnt  modifi^  de  nouveau  en  1871,  par  le  d^eret  du  13  novembre.  qui  restitua 
ä  PAcad^mie  des  Beaux-Arts  le  droit  de  regier  les  concoure  et  d'en  juger 
les  resultats,  et  ramena  la  liniite  d^lge  de  vingt-cinq  ä  trente  ann. 

La  nouvelle  rt'gleinentation  ne  semble  pas  avoir  prodtiit  d.  nuilleurs  ni 
de  |)irc9  efTet^  que  les  ])rf'r«'d»'utes.  Le  prix  de  iHJiö  fut  attribut*  a  M.  Le- 
nepvou,  eleve  de  öavard,  dont  la  cantate,  iknaud  daiis  ks  jardim  d^Armitlt, 
fut  execut^e  au  ('onservatoire  le  3  janvier  1866;  celui  de  1866,  ä  M.  Enule 
PesKard  IDaUh^  ex^cut^e  k  POp^ra  le  21  ft^vrier  suivant)  dont  la  muse 
agreal)lr  pas  eneore  dit  8on  dernier  mot.  Apres  une  aniu'e  ßtt  rile,  l'alsacien 
Kmilc  Wintzweiler  moi-t  ä  Arcadioü  en  1H70  et  Alfred  l'elletii-r.  dif 
Kabiitean,  trioniphi'rent  avec  la  cantate  de  ///////'/;  eehii-ci  envnya  de  Kunie 
uu  yWsv/^e  de  la  Mcr  J!owje  ( 'onservutt)iro,  '2',\  mai  1874'  et  fit  joucr  aux 
Coneerts-Colonne  Jiome  et  Napk.s,  suite  symphoniqne  innpiree  par  ses  sou- 


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736         J.'G.  Prod  humme,  Les  MusicienB  fran^ais  ä  Korne  ^lbU3-lU03j. 


venira  dltalie.  Tandou,  prix  de  1869  {F^ran^ioiae  d»  ümttm),  tq  da 
aa  Baut^,  fat  aatoria^  k  ne  pas  quitter  la  France ;  11  produisit  quelques  ceuvres 
a3nBlphoaiqtte8  et  de  musique  de  chambre.   Henri  Marechal  et  Charles  Le- 

f.  Ttvrp  le  remplacereiit  h  Rome  Tannee  suivante  'Tj'  .Jugfmmt  de  Dien):  1© 
j.reujier  envoya  de  Koma  la  Nafirife,  executee  au  Couservatoire  en  1875  et 
fit  jouer  lea  Anioureux  de  CaÜurim  ü  rOpera-Comique  (8  mai  1876  ,  Deidamic, 
longtemps  plus  tard  h  rOp^ra*(lo  septembre  1893);  son  condiseiple  Toyagea 
non-^nleiiieiit  en  Italie,  mais  eucore  en  Gr^ce  et  en  Turquie.  II  adresea 
de  Bome  un  nouveau  Jugemetit  de  Dieu  (Coneervatoire,  23  mai  1874),  un 
Psaume  XXII^  une  Suite  symphofdqiir^  et  Judith  27  mai  18751  A  l'Oprra, 
il  a  fait  repr^senter  Djelma  (25  mai  1894).  M.  Gastou  Serpette,  \Jeanne 
d^ÄrCy  25  üovembre  1871)  n'a  gu6re  ecrit  que  des  oeuvres  legeres,  pour  les 
Bouffes,  lea  Vari^Ms,  ete.  M.  Salvayre  [(JakfpaOy  1872),  e*esfc,  an  eoairaire, 
essay^f  sans  grsnd  succ^s  dans  Top^ra  (la  Zteme  de  Montsoreau^  30  janvier  1888; 
huit  representations).  II  a  t'crlt  quehjues  oeuvres  de  concert.  M.  Paul  Png<?t 
a  fait  de  meine:  s;i  cantHte  Maxeppa  fi  t  <>x<''cutee  au  Cbätelet ;  plus  r^cemmeiit| 
l'Op^ra-Comi<iue  a  doiiuti  de  lui  Bcaucoup  de  bruit  pour  rieti  (1899). 

£ug6ne  Ehrhard  {Aei9  et  OabMe)  eut  une  destui^e  peu  enfiable.  Comme 
le  premier  des  prix  de  Bome,  il  movrnt  en  Italie  dte  la  premitoe  aaa^  de 
ga  |K-nsion,  k  Paretta,  pr^s  de  Florenoe,  d*oü  il  reTenati,  malade,  Ten  la 
Villt'  Ktcnielle.  "Sl.  Ai»dr6  Worms or  qiii  lui  j-uccedn.  est  connu  par  plu- 
sieurs  purtitioiis  cluirmantes:  l'Kn/ant  pr<t(Jif/ii<.  ]>ni)tomime;  CEtotlc^  ballet 
(Op^ra,  21  mai  18U7j.  11  serait  bien  difliciic  d  iiidiquer  les  ceuvres  de  M, 
Paul  Hillemaeher,  prix  de  1876  (Judiiäi)  oar,  depuis  1881,  ilnaoett«  de 
coUaborer  avec  ton  firtoe  Lnelen  qul  ftit  envoyA  k  Borne  quatr»  ans  ]^nt  tard 
])our  JW  cantate  Fingal.  deux  maitres  ne  se  sont  gu^re  fait  jouer  qu^4 

l't'tranper,  mais  l'Oprra- Comique  promrt  rine  partitifMi  'le  (Jirci  due  u  !eur 
collaboration.  La  m^me  ann^e  que  VaIuv  des  Hillemuclier,  M.  Vpronge  de 
La  iNux  tut  aussi  envoye  en  Italie;  il  ttail  aiors  accompagnateur  hu  th^atre 
de  la  Benaissanoe.  Le  28  mai  1890,  TOp^ra  reprteenta  de  lui  Ztärty  qtii 
n*ent  que  pen  de  repr^tentations.  Avec  Broutin,  mort  en  1889  directeor 
de  l'Ecole  de  musique  de  Koubaix,  M.  Samuel  Rousseau  partit  pour  Rome 
ji  la  fin  de  1878  (cantate:  la  Filh  dr  J» j>}ifi'\  Ori"tni-tp  ;>  Rnijite-Clntüdc, 
ou  il  succ^da  h  C'»*«Hr  Frnnrk.  M.  8.  Rousseau  a  iuit  extcuter,  par  ia  bociete 
des  (irandes  Auditiuus,  M»mwvj  ^1892;  et,  k  TOpera,  la  Cloche  du  Rhin 
(8  juin  1898;  neuf  repr^aentatioiu).  M.  Georges  Hufi  (Mßdiey  1879)  s'eat 
fait  connafta*e  surtout  dans  les  concerts,  a  la  Sooi^f4  nationale,  au  ChAtelet; 
le  Boi  de  Paiis  (Op^ra,  29  avril  1901)  n'a  eu  que  peu  de  suoo^  moins 
Tffnnia  Opera-C'oniique,  23  janvier  l!>On).  T.e  roncours  de  1881  n'ayant 
douue  aucun  resnltnt.  MM.  Marty  et  Piei  iie  fureut  couronnes  Tannee  sui- 
vante  [Edith] ;  le  premier  est  actuellement  cbef  d'orchestre  de  TOpera-Cornique, 
apr^B  avoir  it6  chef  des  ehceurs  k  l*Eden  (en  1892)  et  ä  la  Soci^  des  Con- 
certs du  Conservatotre.  T.e  second  s'est  fait  connattre,  au  tbeatre,  par  un 
certaiu  nomine  de  partitions  qui  comptent  panni  les  plus  Importantos  de 
l'ecole  i  Olltemporaine.  Dt:  ^I,  Vidal,  qui  remporta  1<*  prix  en  1883  avec 
k  O/atltal'  to\,  i  Opera  oü  il  est  chef  d'orchestre  a  donue  le  ballet  de  la  Mar 
ladcttaj  joue  ceut  fois  depuis  uue  dizaine  d'annees,  grace  au  livret  signd  da 
directeur  Gailhard,  et  la  Burgonde,  (]ui  n'a  pas  mftme  atteint  la  dizi^me. 
Son  cadet,  M.  Debussy,  qui  u'nyaut  pas  la  chancc  d*6tre  n^  toulottsain,  a 
va  le  jour  simplement  k  SaintrGermain>en>Laye,  est  une  prenve  entre  eent 


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J.-a  Prodliomnie,  Les  Miuidena  Ftuicais  k  Rome  (1808.190B). 


737 


autres  que  le  prix  fle  Eome  n'est  que  d  une  ntilit»*  secoudairo  dans  la  can  i<  re 
de  compositeur.  M.  Debussy,  upri^s  d'iucontestables  succöb  dans  les  coDceriä, 
u  du  attendre  jusqu'eu  1902  poor  Toir  aon  nom  fignrer  sur  Taifiche  de 
rOp^m^Gomiqtte.  H.  Xavier  Leronx,  qui  compte  k  son  actif  un  certain 
Dombre  de  belies  partitions,  n'aborda  TO^^era  qa*en  1901,  avec  Astartc,  qui 
a  atteint  viugt-trois  representatlons.  De  deux  ans  plus  .li/»'  ^\^•|•  I  ii.  rtant 
ne  en  iStid,  M.  Gustave  Cliarpen  t  ier  iut  envoye  a  Eonie  eu  1885J  (can- 
tate:  L>idün\\  ü  adressa  de  lä  ä  l'Inatitut  Impressions  d'ItaliCf  la  Vic  du 
FoiU\  «t  ce  n^eat  qa*en  1900  quHl  a  pu  forcer  les  portes  d*un  tb^ätre,  on 
Bait  a^ec  qael  sucods!  M.  Erlanger  {VtXUda^  1898}  a  donn«  k  TOp^rar 
Conique  Kermaria  et  U  -htif  pohtuiis^  longtemps  apr^s  avoir  entendu  ses 
«•uvres  execut^es  avec  succ^s  dans  les  concerts.  MM.  Carrand  et  Rachcflct 
{Sinif'U',  18?)n  ,  n'ont  pas  encore  aborde  les  theatres  parisieus,  uon  plus  (jiu' 
leurs  condisciples  plus  jeuiies :  Charles  Sil v er  (/'/nferdtV,  1891,  qui  cepeiidaut 
fit  joaer  rdcemment aa  F4e des  Keif/cs,  troie  actes,  en  proyinee;  Bio ch  et  Büeser 
(1893,  AnHgone)^  oe  dernier,  chef  dWcbestre  de  rOp^ra-Comique;  Henri 
Raband,  nn  des  jeunes  qui  promettent  le  plus  {Ikgahnt,  1893^,  et  dont  la 
Proffff.siou  noffurnf  et  la  JP  St/mplionip  sont  des  oeuvres  dp  mnftrc:  Tjetorpy 
(CVarw*e  Jlaiiuwe,  1895),  orgntiifte  h  Haint-Thonias  d'Aquiu :  i\I()u<ji]ct  [Me- 
litsinCj  1896;  qui  se  cousacrc  ii  la  uiusique  de  cbambre;  Max  d  Ülloune 
[Fridigondef  1897)  qoi,  en  compagnie  de  Rabaud,  est  d4jä  aU4  k  T^iranger 
faire  entendre  la  musique  frangaise  moderne;  L^vad^  et  Edmond  Malberbe 
{CaUirhce,  1899);  Florent  Schmitt,  dont  la  cantate  SV'mfmwt*  fiit  peu  gofit^e 
il  y  a  denx  nns  aii\  f'<'nr»'rfB-'''<>Innne;  f';i]ilHf.  Knur  >A  Tjaparn  '1!)0S',  <\\\\ 
clöt  cette  libtc  des  ceut  premierü  prix  de  liouiü  et  dunt  les  lauriers  leceuts 
permettent  d'esperer,  pour  le  siecle  nouveau,  uno  plus  riche  moisson  que 
ponr  celni  qui  vient  de  a^^couler. 

Combien  pen,  b^Ias!  de  tous  ces  laureat»  de  jadia  ont  survt  cu  daus  la 
memoire  meine  des  plus  vieux  de  nus  dilettantes  contemporains  ?  £u  par- 
conrant  rette  liste  de  cent  noms  qui  parnit  interminabfe,  ne  dirait-on  pas 
(pi'on  erre  au  milieu  d  un  cimetifere  dont  les  tombes  s'efFritent  faute  de  soins 
[üeux,  dans  l'iudifierenco  du  temps  implacable  qui  passe.  £t  n'est-il  pas  plus 
pt^nibie  eneore  qne  aurprenant  de  conatater  Tabaence  de  cea  granda  nonta: 
Felicieii  p  id,  C«''sar  Franck,  Kiltmard  Lalo,  Emmanuel  Chabrior,  Emeat 
Royer,  Camillo  Saint- Saöufi,  Vincent  d'l  ndy?  Ajoutons  m(*me  LtM)  De- 
libe«.  Ceux-lf»  ont  cunquis  tout  de  meme  la  gloire  et  honore  leur  payg  siins 
avoir  ete  rever  sous  les  frais  oiubrages  de  la  V^illa  Medicis;  par  des  voies 
diffSrentea,  d'antant  plus  difficilea  qu^iia  nWaient  paa  VeatampiUe  officielle  si 
reebereb^e  en  Francef  ila  aont  arrivee  k  leur  bat  cependant.  Et  leur  exemple, 
ai  Ton  avait  entere  beaoin  d^argament  pour  attaquer  Tinstitution  romaine, 
semblc  An^vr.  rnnvninqiijint  pour  persuader  ;"i  ses  plus  Hcluinif's  (lt'*ff'n«eur?,  ([ue 
TEtat  n'entend  lairc,  i"(juini«-  on  l'a  dit  au  tlcbut  de  ccttf  .  tudc,  t|u  uiie  ville- 
giature  ugreable  u  quelques  bous  eldves  qui,  par  hutiard,  peuvent  avoir  du 
gf-nie,  maia  auxqucl»,  k  coup  sür,  cela  ne  donne  pas  plus  de  talent  que  de 
moyens  d^ezistence,  apr^a  le  retour  dans  la  patrie. 

Si  TEcolc  de  France  i\  Ronie  eat  un  luxe  utile,  diplomatique  mime,  oomme 
Tjouis  XTV  iiiniiiif  :^  s'en  payer,  <iu'on  la  laisse  vivr<'  en  paix,  qu'on  lui 
continue  chu«|Ut  mint  .«  sa  reute  de  150000  fraucs;  mais  qu'est^il  besoiu 
d"y  euvoycr  des  ujusiciens? 


s.  d.  I.  M.  iv.  48 


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738  Hugo  iJotstiber,  Musicaiia  in  der  JSew  York  Public  LibnQ-. 


Musicalia  in  der  New  York  Public  Library 

mitgetMli  von 

Hugo  Botstiber. 

(Wien.j 


"Während  ratui  über  ilie  inusikHÜscheii  Beistände  der  europiüsi  lien  Biblio* 

thikfii  Hclion  zit^mlirh  *rfii:in  infonniert  ist,  weiß  man  bisher  fast  gar  nichts 
darüber,  was  alles  in  uuierikuniächeu  BibliotUdkeu,  dereu  Cä  ju  eioe  stattliche 
Anzahl  gibt,  schlummert. 

Die  vorliegende  X'eröffentlichuug  bildet  nun  daa  Krgtbui«  einer  Durcl»- 
foriichuiig  der  Musik-Abteilung  der  Lciwx  Library  zu  New  York,  die  ich  im 
Laufe  des  letaeten  Sommen  besuchte.  Einen  vollstSndigen  Katalog  des  Vor- 
handenen ausafeitigen,  war  selbstverständlich  nicht  möglich;  ihn  hier  sa 
veröffentlichen  würde  auch  weit  über  den  Rahmen  dieses  Aufsatzes  hinaus- 
gehen. Ich  «fbube  aber  schon  damit  einen  nicht  unwesentlichen  Beitrag  zur 
Muaik-Bibliographie  geliefert  zu  haben,  daß  ich  das  ttlr  den  Historiker  Inte- 
ressante aufnahm  und  so  den  Fundort  manches  seltenen  Dmokee,  mancher  fiber- 
auB  wertvollen  Handschrift  bekannt  gebe.  Die  Lenox  Libraiy  bildet  einen 
Zweig  der  New  York  J'uhlic  Lihrary^  welche  letztere  aus  der  Zusammenlaasang 
nifhrerer  großer,  bisln  r  ^tlbständiger,  teil»  privater,  teils  öftVntlicher  Biblio- 
theken entstanden  ist  und  in  Bälde  ihr  eigenes  Heim-  v'unw  Bnn,  der  der 
groUartigste  seiner  Art  zu  werden  verspricht  —  beziehen  wird.  Den  (Truud- 
Btock  der  Miiaik-Al>teUung  in  der  Lenox  Library  bUdet  die  sogenannte  Drerd 
CoUeetiony  xueammengetragen  und  der  Lenox  Library  geschenkt  von  Joseph 
Drexel,  einem  reichen  Kunstfreunde  (Sohn  eines  eingewandert«  !)  Tirolers'. 
Drexel  selbst  crwarl»  ilon  weitaus  größton  Teil  der  Saninilntig  von  H.  F.  Al- 
brncht,  der  im  .lahre  1848  als  Mitglied  des  (iermania- Orchesters  nach 
Amerika  kam.  Der  ei^te  Ursprung  dieser  interessanten  Sammlung  stammt 
also  aus  Deutschland.  Später  kamen  noch  Ankäufe,  die  Drexel  bei  der 
Versteigerung  der  BibHotiiek  von  Edward  F.  Bimbault,  dem  englischen 
Musikgelehrten,  machte,  hinzu,  und  in  letzter  Zeit  wurde  die  klilni  ^Miisik- 
Sammlung,  die  die  Astor  Library  in  New  York  beherbergte,  gleichfall»  der 
Lenox  Library  einverleibt» 

So  vorlockend  e«  auch  wfiro,  auf  finitr«'  d»M'  vorhandenen  T^nri'"«imn  iiHhi-r 
einzugelien,  insbesuiKkiL'  die  /.ahlreicii  vorliegendi  n  hieuuitbein  eiugcljt-ndt'r 
zu  besprechen,  muß  ich  mir  dies  doch  versagen  und  mich  mit  der  blußen 
Aufsfthlung  derselben  begnügen.    Den  Anfang  madie  ich  mit  den 

Uandschrifteu 

und  zwar  in  erster  Linie  mit  den  eigenhändig  gcnchriebeneu,  meistens  Mu- 
siker-Briefen.   In  der  Sammlung  befinden  sich  nun  folgende 


^  .d  by  Googl 


Hugo  BoUtiber,  Miutcalift  in  der  Kew  York  PubUo  Wany,  739 


Autogr 

Adam,  Brief. 

Adnras,  Th..  Brief. 

Audre,  Job.,  Brief. 

Artot,  .r.,  Albam-BUtt  (Noten). 

Badloli,  Brief. 

Baron,  Brief. 

Bazzini,  Brief. 

Boauchesriay,  Brief. 

Beethoven : 

s)  Brief  Tom  10.  Aug.  [1825]  an 
Holl. 

1))  Brief  an  Ainalio  Sebald. 

c   Skiz'/f'iiblatt  Hilf  Hki^zen  zum  Fi- 
11  >!u  des  (/-«/«/-(Quartetts  Up.  Ib. 
BerIio2 : 

a)  Brief  (vom  9.  Oct.  1836)  an  M. 
Bunet. 

b)  Brief  ait  M.  Dietcb. 
Bishop,  r>  Briefe. 
Bochsa,  Brit'f. 
Böhner,  Brief. 
Bohrer,  Brief. 
Brendti,  Brief. 
Cramer,  Brief. 
Czerny,  Brief. 
Dolzauer,  Brief. 
Drouet,  Brief. 

Ernst,  Brief. 
P^tis,  Brief. 
Forkol,  Brief. 
Fürstenau,  A.  B.,  Brief. 
Fürstenau,  M.,  Brief. 
Haldvy,  Brief. 
Haydn: 

aj  Brief   vuni  7.  May  1780  . 

h]  Jiied  >  Ab  einst  mit  Weibes 
Schönheit«. 

c)  Zwei  Siitze  einer  Symphonie- 
Partitur:  Adagk)  2,4  l)-dur\  Al- 
kgro  Vi  O-dur. 

Ben,  Brief. 
Hummel,  Brief. 
Jaeli,  Brit  f. 
Kalkbrenner,  Brief. 
Krebe,  Brief. 

Xreatser,  Brief  (Wien,  24.  December 

1831... 
Kullak,  Brief. 
Laohner,  Brief. 


aph  e  n. 

Lind,  .Teniiy,  Zeugnis  für  einen  Diener. 

Lindpalntner,  Brief. 

Lisst: 

a)  Brief  (16. Aug.  1838)  an  £.Knop. 

b)  Brief  an  Conrad, 

c)  Brief  an  Mine  Plötz. 

d)  Kino  Paiiiturseite  aus  pincm 
Männerchor  (Text:  Jeder  IVeyler 
heißet  Feind]. 

Loewe,  Brief  (31.  Mai  1840). 
Lortiing,  Brief  (Leipiig,  28.  Mai  1834). 
Marsohner,  Brief  (21.  April  1845). 
Marx,  A  B  ,  Brief. 
Mendelssohn : 

aj  Brief,dat.:Düs8eldorf26.0ct.l83a. 

h)  Brief  vom  27.  Nov«nber  1834  an 
Heinrich  BSrmann. 

c)  Noten -Antograpb  (eine  Orgel-^ 
8timmp\ 

d)  Brief  vuni  20.  Oct.  1Ö3«  au  Mmo 
Sehlein  i  tz. 

e)  Brief  an  G.  Generalconsal  Claus, 
fl  Skizxenblatt. 

Methfossel,  Brief. 
Meyerbeer : 

a)  Brief  an  Deh  n. 

b)  Brief  an  Mme  Stoltz. 

c)  Brief  an  Failoni. 
Milder,  Anna.  Brief. 
MoHque,  Brief. 
MoBcheles,  Brief. 
Mozart : 

a)  Bympbouie  (Köchel  318).  *Sin- 
fonia  (dabey  noch  für  2  Clarini) 

di  Wolfgan'ji)  Ainadpo  Mozart 
d.  26.  Apr.  7i).  l'artitur  und  zwei 
Trompeten-Stimmen, 
bj  Stück  einer  Aiie  »Da  schlägt  die 
Abscliiedsstttnde«.  Nur  Sing- 
stimme  (Mme  Herz)  nnd  Baß. 

Nookomm,  3  Briefe. 

Onslow,  Brief. 

Faer,  i^rief. 

Paganini,  kurze  lubchrift  auf  einer 
ibm  gewidmeten  Polonaise  des  Gra- 
fen Sottyk. 

Pleyel,  Brief. 
Proch,  Brii'f. 
BeUstab,  Brief. 

4ö* 


cJ  by  Google 


740 


Hugo  Bototibcr,  Maaicalia  in  der  New  York  Pablio  Libnuy. 


Selsiiger,  Brief. 
Boohlits,  Brief. 
Bomberg,  Bamhard,  Brief. 

Rossini : 

a)  Brief  an  den  Fürsten  Joseph 
Poniatofski. 

b)  Bill  et  mit  der  Bitte  iiin  eine 
Karte  zu  einer  Vorstellnng  des 
Wilhelm  Teil. 

cj  Zusammenstellung  seiner  Opern 
und  Orte  ihrer  Uraufführungen. 
Bohmltt,  AloyB)  Brief. 
Sohrödw-Devrient,  Brief. 
Bohumann,  Brief,  datiert:  Dresden, 

11.  Sept.  1845. 


Spoltr,  Brief,  datiert:  Cassel,  19.  Ja- 
nuar 1840. 
Spontini,  3  Briefe. 
Thalberg,  Brief. 
Verdi,  kurzes  Billet. 
Vlordot-Gtauroia,  Panline,  Brief. 
Vieuxtemps,  Brief. 
Viotti,  Brief. 

Wagner,  Brief,   datiert:  Trübschen, 

10.  November  1867. 
Walther,  J.  G.,  Brief  vom  1.  Oct.  1732. 
Weber,  0.  M.,  Brief,  datiert:  Dresden, 

18.  Mai  1820. 
Weber,  't,,  Brit-f. 

Wieuiawski.  Brief. 


Außer  diesen  Antographen  finden  sich  noch  eine  Reihe  anderer  Mann- 
akripte  in  der  Bibliothek,  so  vor  allem  ein 


Graduale, 

dessen  genaue  Beschreibung  ein  der  Innenseite  des  Deckels  eingeklebter  Aus- 
schnitt aus  einem  Katalog  gibt,  die  ich  am  besten  daher  reprodnaiere. 

Gratlualr       tempore  omniu«  anni 

Square  roy.  folio;  magnificont  Manuscnpt  un  wvy  sttmf  Volhnn.  written  in  enonnon« 
Uoihic  lutters  and  Square  musical  notes,  beuutiluUy  orimiueiitud  wilh  8  luilitil  letters, 
historiated  vrith  Miniatnres  of  Sacred  Subjects  and  8  «uperfo  Borden,  painted  with 
fi;r(irfs  nf  1,'roat  dijfTiitaries  and  their  coat?  nf  arms.  aiul  of  Bin]^,  Flowrr-^,  In^iocfs  etc., 
beautitully  illuminatcd  in  gcdd  and  colours,  as  well  as  decorated  with  an  immense 
number  of  paiiitcd  capitals ;  old  russia  with  claps. 

From  the  coat«  of  arms  and  tbe  portraits  of  the  noble  penonages,  lay  and  elerioal^ 
which  fiil  tlif  Viiirders  '>(  \hh  nnyomu^  vohmn'.  wo  may  conclude  that  it  was  exociiled 
by  Order  of  onc  ut  the  princes  wbo  assistcd  ai  the  coronatiun  of  Maximilian  as  Kmg 
of  the  Romans,  although  from  the  costly  and  magniticeot  scale  on  which  the  caUi- 
gntplH  I  worked  he  vn»  onablc  to  ünish  bis  labour  tili  seven  years  later. 

Tiie  nrimr>  of  Leonard  of  Aachen  deserves  special  record  as  that  of  a  «cribe  and 
artist  of  e.\trai»rdinary  power. 

Am  Schluß  der  Handschrift  steht  der  folirende  Vermerk: 

F.xemplar  Graduale  <le  toTnj>f»ro  totin«  uTiiii  ('mtiplptum  per  me  frutrem  Leonar- 
dum  de  Aquisgrano.  Anno  dni  Millesmio  t^ntidringentesimo  Nonagesimo  quarto.  In 
die  sanctc  Gecilie  Tirginis  et  mris.  Liceptum  vero  in  Anno  nonagesimo  tertio.  Lk 
Octava  scti  Auguati  ep!. 

Neben  diesem  Graduale  verdient  insbesondere  nodi  ein 


Antiphonale 
Erwähnung.    Das  Titelblatt  trügt  die  Inschrift: 

Antiphonale  ad  usum  Canoniconun  regnlorum  S.  Cmcis.  Pariiüa  Perfectum 
et  abiolatom  Anno  Domini  1695. 

Auch  dieser  Handschrift  —  wegen  ihrer  ganz  wundervollen  Iffiniaturen 


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Hugo  BoUtiber,  Muricalük  in  der  New  York  Pablic  Llbraty. 


741 


vom  kunsthistiiil.-i-luMi  f^taiidjiHiilNt  aus  von  nußorordentlicbem  Interesse  — 
ist  auf  einetii  Blatt  Papier  t  ine  L-rschitpiende  haudschriftUclie  Beschreibung 
beigegtlH  ii,  dif  ich  zum  Abdrucke  briuge. 

FoUo  maximo.  Mauuscrii  du  17«ib«  Siede  sur  parchemin  veliD  de  228  pages, 
78  oent.  de  baut  et  66  cent.  de  largeer.  Ce  süperbe  nMmuserit  employ^  au  saere  de 
Charles  X  est  extraordinaire  par  sa  grandeur  et  la  beftlit^  de  sts  iiiii)iiiturt  «;  qui  sont 
an  nombre  de  272  petitfs  et  <lo  58  grandcs  formees  presqur  toutcs  de  ^raiides  lettres 
initiales  et  <|uelque8-uues  de  paniei's  de  fleurs.  La  premiere  grande  miniature  repre- 
«entant  J&us  Christ  au  moment  de  sa  sepnltore  est  un  v^table  tableau  de  nnltre. 
Yient  cnsuite  l'cntourag^c  de  la  preiniöre  page,  formant  tableau  toot  a^tow  et  dont 
la  haute  represente  les  berjjers  ä  la  crecbe  morceati  digno  de  Lebrun  auqucl  ces  pein- 
tures  sout  attribueeti.  Epoque  de  Louis  XIV  vers  lÜ8ö  a  Ib^ö.  On  remarque  egalement 
«ux  pages  29,  40,  41,  96,  147  des  immatiiree  d'une  ddUcatesae  et  d*ane  exteatioD  par^ 
faitea«  entre  autres  im  panier  de  flenn  qoe  Redoutö  n*eat  paa  d^aToue. 

La  couverture  en  maroquin  violet  avec  omemens  aux  quatre  coins  en  cuivre  dores 
porte  d'un  cotü  le  cififre  de  Charles  X  et  de  Tautre  les  mots  «Domine  salvum  fac 
Begem».  Une  gprande  plaque  au  milieu  aveo  nne  croix  et  des  fletirs  de  Iis,  deiuc  graads 
fennoirs  avec  serrure  doree  complotent  romement  de  ce  magnifique  yolume  qui  a 
quelque  rapi'"'-^  avec  le  boau  Manuscrit  de  la  Bibliothequc  de  Rouen. 

Tritt  hei  <li<'-en  beiden  Handschrlttfii  das  r»'iii  iiiu>ik;ili8che  Tnt(M»'Sse 
gegenüber  dem  kiinstbistorischen  mehr  in  den  Hintergrund,  so  birut  die 
Bibliothek  andererseits  eiue  Beihe  anderer  Handnchrifteu ,  die  von  hohem 
muBikgeschichUidiietn  Werte  sind.  Allen  voran  lai  hier  ein  Samnelband 
ana  dem  Anfange  des  17.  Jahrbonderta  za  nennen :  er  enthftlt  in  Partitur 
Vokal-Musik  des  Iß.  Jahrhunderts  in  seltener  Reichhaltigkeit.  Die  Handschrift 
ist  in  Ijcder  gebuudoii.  (iroß-Fidro-Format,  hat  aber  leider  durch  Feuchtig- 
keit fSeewMsser  gelitten.  Zweiielhatt  ist  es,  ob  sie  wirkliih  von  ihrem 
ersten  Besitzer  geschrieben  worden  ist,  den  folgende,  auf  der  ersten  Seite 
an  findende  Überschrift  angibt: 


ffraucie  Sambrook  his  book. 

Einige  Bemerkungen  über  diesen  ersten  Besitzer  aowie  über  die  Hand- 
schrift selbst  finden  ^ich  auf  dem  Vorsatzblntte ,  augenscheinlich  von  den 
sfiätereii  Bi'HitzMni,  deren  Unterschriften  sich  auch  auf  der  Inuenaeite  des 

Jiinbundi's  timh n.  L'eschrielien.     Sie  lauten*. 

}ih.  All  Leave»  ihat  are  torn  out  oi  tliia  book  were  piain  ones  and  very  much 
damaged  by  Sea«water. 

Alt  the  foUowing  Musio  was  wrote  oat  of  the  Vaticaa  (or  Popens  Library}  at 
Borne. 

[Von  einer  anderen  Hand  geschrieben^  J  do  not  tind  any  authority  for  tbia  asser* 
tion  of  Doctor  Alcoek.  John  Parker. 

The  name  of  Francis  Sambroke  (the  same  vhom  I  snppose  to  have  been  former 

pf)sse8sor  nf  this  booki  i»  subscribed  to  a  Copy  of  Verses  printed  together  with  ICl- 

ton's  S(uui*^t  in  a  ColleetiMn  of  "('hnipe  TNnlmc**  put  intn  Mu?!i<  k  for  three  Voices 
composcd  by  Henry  &  "NVilliani  Lawes".  —  i'ubliahed  with  an  engimved  headofXmg 
Charles  L  in  1648. 

Wieder  eine  andere  Hand]  Francis  Sambrooke  died  1660  aged  70  and  wav  buried 
in  Saiesbury  Cathedral.  Edward  F.  Rimbault. 

Die  >Iiuuisi  brift  selbst  enthält  folgende  StUcke  [Kommeriemng  und  Autoren 
so,  wie  aio  doi-t  augefühil.  sind]; 


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« 


742 


Hugo  Bototiber,  Motical»  in  d«r  N«w  York  Pablic  lAhnrj, 


Orlando  di  Lasto 

»  > 

»  » 


ppi 


1.  Trlstis  e»  anima 

2.  Credidi 

3.  Vota  mea 

4.  Veni  in  hortuiu 

5.  Angelus  ad  PastorQs  * 

6.  In  me  tranaiernnt 

7.  Pater  nost^r 

8.  Ti^tt!  »'st  Johannes 

9.  Kgi)  sum  paui« 

10.  Et  punis 

11.  DiscipUnam 

12.  At«  verum 

13.  Maria  Magdalena 

14.  Via  f'ion  lugera 

15.  Surge  Petre 

16.  Gaude  Maria  Virgo 

17.  MttUwet 

18.  Alma  redemptoria 

19.  Beatus  Laurentius 

20.  Domine  Di  us  meus 

21.  Lnlla  Lnllalne 

22.  lic  still  ujy  blessed  babe 

23.  Why  do  I  ose  ny  paper 

24.  Nil  m^na  snperi  videre  [Anonym 

(in  margine:  ex  libria  Henry  8. 
circa  i  1520). 


»  » 

Pietro  Phil 


> 

» 
» 
» 


William 


rd 


25.  2'  Part,  nie  Muaamm  naufrugo« 

in  fine:  in  laudem  Henrici  T 
(Nr.  24  luul  25  sind  über  einen 
cantus   tinnus    mit   dem  Texte: 
Henriens  Dei  gratia  Augliae  rex.) 

26.  Aecendere  Obristns    Ludovicua  a 

Victoria 

27.  Ascendit  Deu8 

28.  Dum  complereretar 
21).  Gaude 

30.  Alma  redemptoria 
81.  Cum  beatna  Ignatina 

32.  Tgnifl  Crux  hostiae 

33.  Out  of  the  deeps     Thomas«  Ltipo 

34.  Hierusalem  »  » 

35.  Solva  nos  >  » 

36.  O  Toa  omnea  >  » 

37.  Miserere  mei  >  # 

38.  TToiir  jiiy  prayers        »  » 

39.  Heu  mihi  »  » 

40.  Miserere  mei  »  » 

41.  Wheu  David  heard  Thomas  Wilks 

42.  (2*  Parte)  O  my 

sonne  Absalon  *  » 

43.  Miserere  noatri    William  Daman 

44.  Preranujr  White 
(Lauter  geschwärzte  Breveu.} 


Motetti  a  5  di  Alfonso  Ferrabosco  Figliulo. 


1.  Ego  sum. 

2.  0  Qomen  Jesu. 

3.  Ego  dici. 

4.  Convertere. 

5.  Ubbi  dao. 


6.  Libera  me. 

7.  Domine. 

8.  Noli  me  procere. 

9.  Labornvi. 
10.  Lamentatio. 


11.  Tribulationem. 

12.  0  Domiue. 

13.  Fortitudo  mea. 

14.  Suatinuit. 


Qui consoiabaturme  Clemens  nonpapa  1  28.  2'  }'art)  E  dicea 
23.  £  so  oome  Marenzo  29.  Hole  e  pensoso 


Marenso 


26.  Laura 

26.  8i  ciiio  non  veggia 
27.11  vago 


30.  (2'^  parte]  Si  ch'io  mi  cred*  » 

31.  Vivo  in  gnerra  [Anonymus] 


Motetti  di 

1.  Exaudi  Deus. 

2.  2''"  Pars)  Quoniam. 

3.  In  Monte  Oliveti. 

4.  Da  Pacem. 

5.  Tibi  aoli. 

6.  (2^  Para)  Ecce  enim. 

7.  Incipit  Lamentatio. 


Alfonao  Ferrabosco  il 

8.  Inclina  Domine. 

9.  Afflictus  sum, 

10.  (2"^''  Pars)  Ne  derelin- 

ques  me. 

11.  Heu  mihi. 

12.  Salva  noa. 

13.  Timor  et  tremor. 


Padre  a  6. 

14.  (2*'*ParBjExaudiDeii8. 

15.  Domine  non  seoan- 

dum. 

16.  Dec&ntabat. 

17.  Gantabo  Domino  (Gar 

non  in  subdiapente). 


biyiiizoa  by  Google 


Hugo  Botsfciber,  Mnsiciüa  in  der  New  York  Public  Libraiy. 


743 


Hadrigali  a  6. 


1.  Dolce  guerriera. 

2.  Ma  se  cur»  Topro  unde. 

3.  Grave  peu«  in  Amor. 

4.  Cosi  nell'  aspettar. 
6.  Interdette. 

6.  J^f  lungi  del  mio  Sol. 

7.  Eii  e  cb'  un  nltra  voltn. 

8.  ['i*^-*  Tarte)  Et  hq  di  vero  Amor. 

9.  Vergine  bellu. 

10.  (2*^^  Parte]  Vergine  saggla. 

11.  (S*  Parte}  Vergine  pnra. 

12.  (4*  Parte)  Vergine  santa. 

13.  (5*  Parte)  Vergine  sol  al  mondo. 

14.  Parte)  Vergine  chiara. 

15.  7*  Parte)  Vergine  quaiiti  lagrime. 

16.  [8''  Parte)  Vergine  tele. 

17.  (9*  Parte)  Vergine  in  cnt. 

18.  (10'  Parte)  Vergine  bumaoa. 

19.  (11*  Parfo  11  di  s'appressa. 

20.  Mentii;  ch  il  cor. 

21.  '  Parte)  Quel  foco  e  morto. 

22.  8e  pur  e  ver. 

23.  Qnel  aempre  acerbo. 


24, 
25. 
26. 
27. 
28. 
29. 
30. 
31. 
32. 
83. 
34. 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 
41. 
42. 
4H. 
44. 
45. 
46. 


lo  vo  piangeudo. 
(2*  Parte    81  ch*»  s'io. 
Valle  che  di  Lamenti. 
(2*  Parte]  Ben  riconosco. 
Lasso  me. 

(2"  Parte)  Cerco  fermar. 

Hör  vodi  Amor. 

i2'  l'aitt'j  Tu  sei  prigiou. 

Non  e  i&sso. 

VoL  volere. 

Gia  disfatt*  ha. 

Esser  non  puo. 

Benedottu  sra   1  fjioruo. 

(2*  Parte«)  Benedette  le  Voce. 

Ogni  loco, 

O  remember  not. 

Questi  eh*  inditio. 

f^on  lagrime. 

2^  Varte  di  Si  lugi)  Sola  Toi. 
Fui  vicin  al  coder. 
(2'*^  Parte)  Hör  com'  angei. 

ohne  Text!  Di  sei  Bassi. 

ohne  Text]  Di  sei  Soprani. 

Guillermo  Dainau. 


Jdadrigali  a  b  di  Luua  Marenzo. 


1.  Laura  serene. 

2.  (2*  Parte)  Le  quali. 

3.  CantaL 

4.  (2''  Parte)  Che  la  mia 

donna. 
ö.Baci.  (1'  Pai-te)  Baci 
äoavi. 

6.  {2''Parte)Baciaaior08i. 

7.  (3*Parte)Bad  affamati. 

8.  (4 '  Parte)  Biici  cortoHi. 

9.  ;5^  T*iirte)  Baci  si  mo 

iiou  mirate. 

10.  Vivro. 

11.  Dansana. 


12.  Per  dno  coralli. 

13.  Arsi. 

14.  (2^  Parte)  Lasso. 

15.  0  dolorosa. 

16.  Tutte  me  squadri, 

17.  Alii  nie. 

18.  L>ice  ia  mia. 

19.  Occhi  sereni. 

20.  Ne  feto  sdegno. 

21.  (2»  Parte)  Tal  che. 

22.  Del  rlLo, 

23.  (2*  Parte]  Con  «iuella 

man. 


24.  Di  lagrime. 

25.  Vattene  anima. 
'26.Nel  pin  fio  riso. 
I  27,  La  di  partita. 

I  28,  Crudel, 
i  29.  Deh  rinforza. 
f  30,  Parto  da  Voi. 
1 31.  Non  e  qnesta. 
32.  Oome  ftiggir. 
1 33.  Ecco  ch*  il  ciel. 

34.  Ben  nii  credetti. 

35,  V^antgirio. 

:  36.  Meutre  lia  caido. 


Laboravi    J  a  c. 

l*uvana      Jacomo  Aijuilinu  Dauo. 


üiyiiizoo  by  Google 


744 


Uttgo  Botstiber.  Miuicalia  in  der  New  York  Public  Librarj*. 


1 .  La^fcian  lu  l'resche. 

2.  8i  Uli  dicesti. 

3.  U  doice  mormorio. 

4.  Alurjr. 

5.  (2*  Part»'   I^a  Ninfa. 

6.  (3^  Parte)   Oosi  con 

Ueto. 

7.  BaciaL 

8.  (2*  Parte)  Baciai. 

9.  Apra. 

10.  (2*Parte;Quelni»iitre. 

1 1 .  Pni  che  voi. 

12.  io  suQ  i'erito. 

13.  Ut  re  mi  fa  sol  la. 


Madrigali  a  6  <1  i  IMutio  l'liilippi. 

27.  ^PP.lChi  vuul  viUer. 


14.  (^ui  Hottu  uiulii'oBi. 

15.  Schei'za  Madouua. 

16.  Era  in  Aqua. 

17.  Lasao  non  e  moiir. 

18.  Nero  inanto. 

19.  (^nesta  vita, 

20.  Porta  nel  Viso. 

21.  (2*P.]  Quando  Urauia. 

22.  (3*  P.}  £  quando  fra 

1e  rose. 

23.  Correa  veszosameute. 

24.  l)eh  fenna. 

25.  Nou  e  piu  cor. 

26.  Non  e  ferro. 


28.  (2'  Parte;  Chi  vuul 

Teder. 

29.  {3'P.)ChiTOolTeder. 

30.  (4*  P.)  E  Chi  saper. 

31 .  Foce  da  voi, 

32.  Di  perle  lagriinose. 

33.  Chi  vi  mira. 

34.  Mentre  lier. 
36.r2«P.)Mentredidegr. 

36.  Caiitai. 

37.  (2'  P.)  Resto. 

38.  (2*  P.)  d"Io  80U  ferito 

S  io  t'  ho  ferito. 


Pavan  Paaaamesso  dl  Pietro  Philippi  h  6. 

6  Stucke. 


» 

s 

9 


Madrigali  a  6  di 

1.  KftMe  la  peuna  mia    Aleswoidro  - 

Strigio 

2.  Questi  ch*  inditio 

3.  Partiro  <ltiTU|ae 

4.  Dolte  Uli  bell 

5.  Alma  che  da  celesti 

6.  Amor  m*  tmpenna 

7.  All*  acqua  aagra 

8.  Hör  se  mi  niostra 

9.  (2=^  P.'  Seuto  venir  »  i 

10.  Krro  che  pur  mi  lascio  .JoHeppoBiffi  i 

11.  Siele  le  Muse    Francesco  Kovigo 

piglia  ii  lauro  per  la  taa  Laura. 

12.  Hör  che  Tanra  FeliceAnerio 

13.  L'aura  che  noi  circonda  » 

14.  Dnlcissimo  riposo  » 

15.  t^uf'ptn  clie'  1  cor 

16.  Ki.sei  le  piaggie 

17.  (2*  Parte)  Non  posso 

18.  Xon  poteau 

19.  Oorae  potro 

20.  Pensfii 

21.  C<nne  iie  caldi  estivi 

22.  8(?stina 
(l'P.)aiadi8fattoha 

23.  V.)  Ksser  non  puo 

24.  '3'  P.;  1  non  hebl.i 

25.  4'  l\  O  bella  st'nza 

26.  1^5'P.)  Corraudagrocchi  » 


» 

» 
> 

> 
> 


» 

» 

> 
» 
* 

> 
» 
> 
» 

» 


diversi  Authori. 

27.  (6*  P.)  Ma  di  Stare    Feiice  An«rio 

28.  (7*  P.)  Canon  a  8         »  » 
Io  mi  diatniggo  al  sol    ^  > 

29.  S'in  osra  vivo     Orlando  di  La^^sn 

30.  Io  no  piangeudo    Audri  a  liabrii  Ii 

31.  Tirsi  Beuedetto  l'allaviciui 

32.  (2*P.)Preno 

33.  (3'P.)Co8inioriro 

34.  (1»  P.)  .Tttdirche 
.35.  (2*  P.J  1  cnpai 

36.  Oechi  leggiadri 

37.  Chi  vi  bascia 

38.  Donna  gentile  e  bella 

39.  .\venturo!*e  spoglie 

40.  Deh  -scenn'  il  foco. 
4t.  Crudel  peroho 

42.  Parte  la  Vita 

43.  1  lieti  aiuati 

44.  In  boschi  Ntnfa 

45.  ( 1 "  P . )  \'  a  ga  Benedetto  FaUaTicini 

46.  (2^  P.)  Cosi  forse 

47.  I^arto  mi  Donua 
4  h.  (rentil  Pastor 

49.  Ohime  e  come 

50.  Rose 

51.  Vorrei  inoetrar 

52.  Bene  luio 

53.  Doh  perche  lagrimar 

54.  Nel  dolcc  »euo 


Digitized  by  Google 


Hugo  Bototiber,  MnaioaliA  in  der  New  York  Public  Libraxy. 


745 


55. 
56. 
67. 
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82. 
8ö. 
84. 

85. 
86. 
87, 

88. 

89. 
90. 
91. 
92. 


(2^  P.)  Quand  eüa    B.  PaUavicini 
0  fortuoati  » 
Sedea  fra  gigli  * 
La  bell»  ehioms    lUnaldo  del  Mel 

(2*  P.)  Le  belle  mani  * 
Soura  le  verdi  chiom«  > 
(2"  P.)  Et  altpri 
Poi  ciie  dfl  mio 
Sestina 

Maudomi  un  giurno 
(2*P.)  Indi  per  alto  mar 
(3  *  P.)  lu  mi  bosclietto  novo 
{4*  P.j  Clnara  fontan' 
(5*  P.J  Uutt  titraaia  Feuice 
(6»  P.)  AI  fin  Vid*  io 
J^l^.)  Canson  tu  poi 
Infelice  mio  caro 
(2*  P.)  Ahi  fiera 
Assisso  soura 
Arsi  del  Vostr'  Amor 


» 
» 


Giulio  He- 
remlta 

I  Vaghi  fiori  > 
Donna  felice  e  bell«  » 
Poi  che  1  mio  largo  » 
Amor,  se  de  begl'  occhi  » 
La  mia  Stellina  AgostanoAgazaiari 
(2^P.)  E  mentre  per  oacir 
Care  lagrime  mie 
Pai  to  Voi 
[  >  amoroHO 
Hör  beueveuuto 
Meaire  da  vaghi 


Gio.  FranoeBCO 

Anerio 
Thomaao  Giglio 


Calda  pioggia 
(2'  P.J  Vjini  Phc« 
(i^uaudo  fra  bulle  Niui'e  Scipione 

»Spavento 

De  se  mostrar     Antonio  U  Yerao 

8e  qual  dolor  Autonio  11  Verso 
Ahi  ciii  mi  porg'  VinoenzoPasseriiii 

Oht>  Hoave  Tomaso  (iiglio 

iiia  primavera     Gio.  B.^tfista  Lu- 

catcilo 


93. 
94. 
95. 
96. 

97. 
98. 
99. 

ICD. 


f » 1 , 
02. 
03. 

04. 
05. 

06. 
07. 
08. 
09. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15. 

in. 

17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
23. 
24. 
25. 
26. 
27. 
28. 
29. 
30. 


lü  vidi  amor  (liovanni  di  Manju« 
La  gioveutta  Lelio  Bertaui 

Ohl  vttol  vedere  AntonioOrlandini 

Ninfe  G-iacbes  de  Vuert 

Verdo  lauro  Annibal  Stabile 

(Vpsri  bolA'L'rde  LeonnrdoMeldert 
Meutre  io  luggia  Alessandro  Mü- 

levill© 

Del  aeoco  incolto     Gio.  Battista 

Moscaglia 
Amor  che  vide       Paolo  Bellasio 
Fuggendo  irai  HippolitoBaccusio 
£t  arde  ad  Amarauta   Lelio  Ber- 

tani 

LaVaga  Marc^AntonioIngegneri 
Laura  oon  Armonia  Comelio  Vor- 

doncg 

Chi  crrdo  Ginvanni  Crocc 

bou  queati   Gio.  Giacumo  (rastoldi 
Soi^ea  r  Aurora  Biualdo  del  Mel 
(2»  P.)  FiUida  mia     .       »  » 
Solo  e  ponsoso    Hippolito  Baccusi 
(2'  P.)  Si  ch'io  mi  cred  > 
(r'in  tu  mia  dolce      T  elio  Bertani 
Occhi  miei         Hippuiuu  Baccusi 
(2'P.)Carelagriuiemie  » 
Ahi  crud^  Amor  Hippolito  Sabino 
T^(>h  non  piu  Giovanni  di  ]üi3bcque 
Amor,  Io  sent'      '         ^  > 
Ungionio  aP.alo  Hi]»pülit()  liaccusi 
Hör  ch  ogüi  Vouto  iloratio  Vecchi 
Bn  le  fiorite     Tibortio  Massaini 

Giov.  Gabrieli 
Giulio  Eremita 
Giovaiiiii  Croce 
LiMiu  Leoni 
Costuuzu  Porta 
GiuntaquiDori  GiovanniOavacdo 
AI  Folgorante  Giovanni  Coprario 
Ah  quelle  labra  >  > 
Christ  rislncr  n^aine  WilliamByrd 
Clu'ist  is  riseu  »  * 


Se  cantano 

Sraerald'  ernn 
Ovetra  l'berbe 
Di  Pastorali 
Da  lo  spuutar 


Madrigali  a  8  di  Pietro  Philippi. 


1.  (^uesta  che  co  begl. 

2.  Come  potro  gia  mai. 

3.  Hör  che  dal  souuo. 


4.  Donna  mi  fuggu 

5.  Se  per  gridar. 

6.  Filii  leggiadra. 


7.  (2-'  P.j  Mesto. 

8.  (3^  P.j  Deh  torua  Filii. 


Digitizeo  by  v^oogle 


746  Hugo  BoUtiber,  Musicaiia  in  der  New  York  Public  Library. 

Die  übrigen  Blätter  sind  durcli  Eindringen  von  Fuucbtigkeit  ^Seewasüer) 
derart  beacshädigt,  daß  sia  anlasaiUdi  sind. 

Zu  dieser  Handadirift  geseUen  aich  noch  einige  andere,  nicht  so  umfang- 
reiche, von  denen  aber  jede  einaelno  bedeutendes  Interease  beanspnidit. 


[Die  Titel  sind  hier  der  Katalogisierung  entsprechend  gegeben.] 


Anthems,  Psalms,    Sampson   &  by 
Hooper,  Hart,  Duvy  & 

Ms.  19.  Jhdt. 

Ariette  Veneaiane.       Ms.  18.  Jhdt. 

Arioati,  Attillo. 

Cantate  e  Lezioni  [per  il  Clavicem- 
balo]  London  1728.    Ms.  18.  Jlidt. 

Blsnglni,  Feiice. 
Arien  und  Duette. 
2  BSnde.  Ms.  18.  Jhdt. 

A  Catalogue 

of  all  tlie  Musick-Bookcs  that  hnve 
been  priuted  in  England  either  for 
Voyce  or  InatmsientB. 

Ms.  17.  Jhdt. 

Ooperario  [Cooper],  John. 

Fancies  for  two  viols  and  basse. 

Ms.  17.  Jhdt. 

English  Songs. 

Songs  put  nnto  the  yivXi:  and  lute. 

Ms.  17.  Jhdt. 
Englische  Lieder  lur  Hingstimme  und 

Baß.     '  Sammelba  lul.] 

Als  Komponisten  werden  genannt: 
John  Wilson,  William  Lawes, 
Henry  Lawes,  Thomas  Charlis, 
John  Taylor,  Charles  Colman, 
John  Atkin.s,  Robert  .Johnson, 
J"  It  u  n  ■(  m  1)  ol !.  M«.  17,  Jhdt. 
John  öamble  his  Ixjoke 
1659  anno  douiino. 
EntiiiUt  Kompositionen  von  John 
Wilby,  Henry  Lawes,  .lohn 
Willson,  William  Lawes,  Ixo- 
bert  Johnson,  W.  Webb,  .Ii»lni 
Gamblü,  Kobert  Smith  ,  Thoma» 
Brewer,  Walter  Yourkuer  (?). 

Ms.  17.  Jhdt 

Pammelia. 

^lusick  s  Miscellanie  or  mlxed  varie- 
tit!  of  Pleasant  Rouudelays  and  De- 
ligbtful  Catciies  of  3.  4.  5.  6.  7.  8. 
9.  10  Parts  etc. 


London,  Priuted  by  William  Barley 
1609. 

Handsdiriftliehe  Kopie 
snsammen  gebunden  mit 
Deuteromelia  or  the  Second  Part  of 

Musick.    Melodie  etc. 
London  printed  for  Thomas  Adams 
1609.         Haudadiriltliche  Kopie. 
Part-songs  and  instrumental  music 

of  the  lö^**  Century. 

6  Silinmhefte.  Ms.  IG.  Jhdt. 
Enthält  Kompositionen  von  Am- 
ner,  Batson,  Bird,  Olemeng 
non  papa,  Deering,  East,  Gib- 
bons, Lupo,  Luca  Marenxo, 
Morley,  Mundy,  Nicolson, 
Smith,  Stroffprs,  Tallis,  Tomp- 
kius,  Whitr,  Wilby.  Wilkes. 

Vinotilla,  Johannes  Frauciscus. 
Traktat  ttber  Komposition. 
Handsehriftl.  a.  d.  Anf.  d.  16.  Jhdt. 

Virginal  music. 

Sammelband.  Ms.  17.  Jhdt. 

Enthält  Xomiitisitionen  von  Dr. 
Bull,  .luhu  (übb,  Benjamin 
Cooseus,  Hugh  Facy,  Chr.  Gib- 
bons, Orl.  Gibbons,  Gibbs, 
Thomas  He ardson,  Monsieur  La- 
bar,  Lock,  Morcure.  ^Ir.  Phi- 
lipps, John  Külu  rts.  Benjamin 
Rogers,  Thu.  Tomkins,  Mon- 
sieur Tresor. 
Eingeklebt  ein  Bild  vqn  Chri- 
topher  (iibbons.  MDOLXIV. 

Virginal  musio. 

Sammelband.  Ms.  17.  Jhdt. 

Knthält  Kompositionen  von  Am- 
ner,  Bartlet,  Bird,  Bull,  Est, 
Farnaby,  Gibbons,  Holmes^ 
Mels,  Morley,  Peter,  Tomp- 
kins,  TL  OS.  Wealkes. 

Virginal  muaic. 

Music  for  the  Virginal  and  harp- 


Digitizeo  by  v^ooglc 


Hugo  BoUtiber,  Musicalia  in  der  2iew  York  Public  Library. 


747 


sichord,  oolleeted  hom  Queen  Eli- 
labeth'sYiiginel  book  ead  other  Mss. 

Ms.  19.  Jhdt. 

WeeUces,  Thomas. 

Ayres  or  IMiuntastiche  Spirita  for 
3  Voiccjj  hy  Tlio'  Woclkes.  With 


divers  Madrigals  by  Ridi.  Deering 
&  other  Autkors. 

Ms.  17.  Jhdt 

Knthiilt  uoch  Konipo^itioneii  von 
W.  Child,  Dceriiig,  Richard 
Gibbs,  Jeffries,  Henry  Luwea. 


Nflch  den  Handsehriften  Terseichne  ich  folgende 

Dniekwerke. 

A.  Theoretische  Werke. 


Aaron,  Pietro. 

Toscanello  in  musica.  NuoTamente 
stampato.   Vinnegia  1589. 

Alttrd»  Lambert 

De  veterum  musica  über  .sinj^uliiris: 
In  tine  accessit  Pselli  sapientissimi 
Mufiica  e  (irraeco  in  Latinum  .  .  .  . 

Schleusingae  1636. 

Alitedins,  Job.  Henr. 

Encyclopaedia  septem  touis  distiucta. 
H«'i Ixirnae :  Nasaoviorum  1630. 

Aistediua,  J.  H. 

TeflBplttm  musicnm  or  the  musica! 
qrnopsis  ....  etc.  Faithfully  trans- 
lated  oat  of  Latin  by  J.  Bir- 
ch  en  B  h  II 
Loiiduii  1*363. 

Aristoxenus. 

Aristoaceni  harmonieomm  elemen- 
toram  libriin;CI.  Ptolem  i«  i  h.n 
monicorum,  Heu  de  inusicu  lib.  Iii 
Aristott'lis  de  oliitctu  auditus 
fragmentum  ex  Porpliyrii  conimeu- 
tarüs.  Umuia  nunc  primum  Latiue 
conscripta  et  edita  ab  Ant.  Goga- 
▼ino  (itavieusi. 
V'TM-tiis  1562. 

Aristoxenus. 

Aristoxenuß,  Nicomachus,  Alypius 
anctores  musices  antiquisaimi  hac- 
tenua  non  e^ti.  J.  Menrsins 
nunc  primua  rulgavit  et  notas  addi- 
dit 

Lii^iiiini    Hataviirtiiu  1616. 
Artuai,  Giovanni  Maria. 
L*arte  del  eontraponto. 
Yenetia  1698,  1600. 


Artusi,  Giovanni  Maria. 

L'Artusi  OTero  delle  imperfettioui 
deJla  modenia  musiea.  Novamente 
stampato. 

'     Venetia  1600. 

Berardi,  Anj?elo. 
I     Documenti  Armonici. 
'     Bologna  1687. 
|Berardi,  A. 

Bagionamenti  mutieali. 
j     Bologna  1681, 

Bermudo,  Joau. 
j     (^omi?cn  el  arte  tripharia. 

Beurhuäius,  i'ridericus. 

Erotematum  musieae  libri  duo. 

Noribeigae  1580  (?). 
Boethius,  Anilins  M.  T.  S. 

Arithni'-t!  M  Gcometria  et  Musica. 

V.'iH-fü  U92. 
BoQthi,  Auitii  Mnnilii  Soverini 

Philosophorum  et  Tlieolugorum  priu- 

cipis  opera  omnia. 

BasUeae  1570. 
Bononoini,  G.  M. 

Musico  prattico. 

Bologna  1673. 
Bontempi,  G.  A.  A. 

Historia  musica. 

Perugia  1695. 
Batl«r,  Charles. 

Principl«  s  rif  Masick. 

T-i>ji(lon  1636. 
Campion,  Thomas. 

The  art  of  descaut  or  composiug  of 

musidc  in  parte. 

London  1664. 


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748 


Hugo  BüUtibcr,  Muiticaliii  in  der  Mew  Vork  Public  Library. 


CapeUs.  M.  M.  F. 

Opus  M.  Capdle  de  nuptüs  philo- 
logiae  et  Mercurii  libri  duo  .  .  .  . 
 de  nni^ica  libri  Septem. 

Viiicenti.ip  1-499. 

CaseiodoruB,  M.  A. 

Opera  onmia. 

Botomagi  1679. 
Cmm,  Salomon. 

Institution  hamonique. 

Frarufort  1616. 
Cleouidas. 

Hoc  iii  volumino  haec  openi  conti- 

nentnr:  Cleonidae  harmonicum  in- 

troductoriam  interprete   Q.  Valla 

Placeutino. 

Venetiis  1497. 
Descartea,  llent*. 

Keiiati  Des-Cartes  musicae  compeu- 

dium. 

FraocoAirti  1695. 
DesoarteB,  B. 

Renatas  DeB-Oartes  excollcnt  com- 

pendium  of  muRirk:  witfi  nocftsnry 
nnd  Judicious  animudvn  sious  thore- 
upou.  By  u  person  ot  ijoiiour  [i.  o. 
W.  Brouncker  Viscount.; 
London  1653. 
Doni,  0  IV 

Oomiteiidio  del  trattutu  de  generi  e 
de    iiiodi  della  muäica. 

Doni. 

De  praestantia  musicae  yeteris. 
Florentiae  1647. 
Buolid. 

Euclidis  rudinirnt.'i  iiiu.sir(>.  Ejua- 
dem  Sectio  leguluo  huimouicae. 
Piu'isÜH  1557. 
Faber»  Gregor. 

Musices  pracfcicae  erotematom  li- 
bri II. 

Ba»iloao  1553. 
Fabri,  Jacohi  Stapalensis  Elemenia 

zusammen  mit 

Jorduui  ^1  «'iituiaiii  Aritiuiietiiicu 
Epitome  in  libros  arltbmeticos  divi 

B  <)  c  t  i  i . 

Bithmimachie  ludus. 


Pailiisg  1496. 

[siehe  auch  unter  LeF^vre  d*£tapleB.] 
Fludd,  Robert. 

Tractatui«  secundi  pars  II  de  templo 

innsicae. 

In  Uppenboimio  1618.  , 
FolJaniM»  LudoTicns. 
Muaioa  iheorim. 

Venetiis  1529. 
Froschius,  .Tonmie«?. 

Kerum  muBicaiuni  opuaculum. 

Argeutorati  1535. 
Pux,  J,  J. 

Gradus  ad  Parnassum. 

Vienna  1725. 
Pux,  J.  J. 

Grndti><   ad    l'aninssum.  Übersetzt 

vuu  Lureuz  Mizler. 

Leipzig  1742. 
Qaforus,  Franchinus. 

I*ractica  musirae. 

Mediolani  1496. 
Gaforus,  ¥. 

Tbeorica  mu^ico. 

Mediolani  1491 
Gaforus,  F. 

Practica  musicae. 

V.-notiis  1512. 
Galurius. 

De  harmonia  musicoram  instrumeu- 

torum  opus. 

Mediolani  1518. 
Galilei. 

Dialogo  deilu  uiusica  autica  et  della 

moderuu. 

Fiorenxa  1581. 
OalUotilat,  Johann, 

Libcllus  de  compositione  cantus. 

V!t(1»<rgae  154(). 
Giauvilla,  Bsirtboli)mnoiis  de. 

lucipiunt  tituli  librorum  et  capitu- 

lorum  venerabilis  Bartholomei  An- 

glici  de  Proprietät! Ims  rerum. 

Hurenberge  1483. 
Isidorus,  St. 

Isidorus  etbimologarium  (?J  idem  de 

summo  bouo. 

Venetiis  1493. 
Le  Fevre,  Jacques  d*£taples  [Faber 

Stapulensis]. 


Hugo  Botetiber,  Mnücalw  ia  der  Kew  York  Public  labraiy. 


749 


Musicu  libris  quatuor  demonatirata.  , 

Parisüs  1552. 
LippiuB,  Joannes. 

Synopsis  mnaicae  novae. 

Argentorati  1612. 
Listenius,  Kicolau». 

Mu«ica  ab  auibore  deuuo  re- 

cognita. 

Lipsiae  1543. 
Losiliaao,  Yincentio. 

Introdnttione  ftcilissima  et  novisni- 

ma  di  ciinto  fermO)  fignrato  etc. 

Veiu'tiu  1561. 
Meibomius. 

Autiquae  mut^icae  auctores  Septem. 

Amstelodami  1652. 
XengoU,  Pietro. 

Speculationi  de  musica. 

Bologna  lü7ü. 
Hersenne,  .M. 

Harmouicorum  libri  XII. 

Lutetiae  Farisiis  1636. 
Horley,  Th. 

A  plaine  and  eaaj  introduction  to 

praöticall  mu^icke. 

Lniia.n,   1.597,  löOÖ. 
Naaarre,  l'abln. 

Fragmentes  musicos. 

Madrid  1700. 
Ornltlioparolias,  Andreas. 

A.  Ornithoparcus  bis  niici-ologus  or 

Introduction  containing  tbe   art  of 

Hinging'.  Dijrested  intn  fonro  btxikes. 

Also  tlitj  dimeusion  and  pertect  use 

of  tbe  inonochordi  according  to  Qu- 

ido  Aretinns.  By  John  Douland, 

luteii:  '  I 

London,  i\  Adams  1609.  1 
Fapius,  AndreaH. 

And.Papius  (4uuden8is  de  cousouan- 

iiiü  sou  pro  diatessaron  libri  duo.  , 

Antverpiae  1581. 
Penna,  L. 

Li  primi  albori  musicali. 

Bologna  1684,  1696. 
Playford,  .Tohn. 

A  breele  introduction  to  tbe  skill 

of  luusick. 

London  1654. 


Playford,  .1. 

An  introduction  to  tbe  skill  of 
mnsidc. 

Ausgaben:    London  .1687,  1697, 

1748. 
Ponsio,  Pietro. 

Dialogo  del  Ii.  M.  Don  Pitjtro  l'on- 

tio  Parmigiano  ove  d  tratta  della 

theorica  e  prattiea  di  mnsica. 

Parma  1595. 
Praetoriua,  Miclmel. 

Syntagma  muHicnm. 

Wolfenbüttel  1615-1 620. 
Printz,  Wolfgang  Caspar. 

Phrygins  Mitilenaeus. 

Dresden  1696. 
FtolemaeuB,  ClaudiuR. 

Hiimioniconim  sive  de  inusica  libri 

tres.    J.  Waliis  edidit. 

Oxouii  1682. 
QnlntUiBnfM,  Marens  Fabtns. 

Quintiliani   iustitutionea  cum  com- 

nient.    Ii.  ^'llllensis:  Pomponii:  ac 

Snlpitii  [Herausgegeben  von  Omni- 

bonus  Leouicenus.J 

Yenetiis  1494* 
Baiaeb,  Qref^or. 

Margaritn  ]i1ii1osopbica. 

Fribui-Lri  1503,  Basileae  1583. 
Bhaw,  (icoiLT. 

Eucbii'idiou  utriusque  musicae  prac- 

ticae  a  0.  R.  ex  ▼ariis  mnsicorum 

libris  pro  pueris  in  sehola  Viteber- 

gen.si  congestum. 

Vit-iuT-j.-  I'i-M'),  1546. 
Simpson,  «  hn^t(^Jlln'I•. 

A  cuuipendiuni  of  practical  niusick. 

London  1667,  1678,  1722,  1733. 
Tigrini,  Oratio. 

II  conipcndio  della  musiea. 

Venetia  1.")HH. 
WilphlingBedoruä,  Ambrosius. 

Erotemata  musices. 

Noribergae  1563. 
WoUiek,  Kicolans. 

Opus  anreum,  Musico  cnstigatissi- 

in um  df«  Ln'«'Lr<>riaii;t  »«t  fiirttnttiva  fit- 

que  coniiapuiitt»)   simpiici  percom- 

niode  tractans  .... 

Colonie  1505. 


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I 


7öO 


Hugo  Botstiber,  Muiioalia  in  dur  New  York  Public  Libraiy. 


Zacconi,  Lodovico. 
Frattica  di  Mnsica. 
y«Detia  1692. 


j  Zurlino,  G. 

I    Istitntioni  liarmonicho. 

i     Vonetia  1578. 


B.  Praktische  Mu»ik. 


AffP^Oola,  Maiiinus. 

Ein  kui-z  deudsch  Muslcfi.  Mit  LXIII 
schonen  lieblichen  Exempeln  zu  vier 
Stimmen   verfasset.    Gebessert  mit 
Vm  Magnifioal 
Wittemberg  1628. 


Patrocinium  musices.    Miwae  ali- 
quot (jiiiiK|U('  vocum. 
Moniichiis  MÜLXXXIX, 


Lotti,  Antonio. 

T)iu-tti  terzetti  e  iii;itlri£:aU  a  piu  voci. 
Veuezia,  A.  Bortoli  iTitä. 

Parthenia  or  the  Maydeuhead  of  the 
fint  Mnaidc  that  ever  was  printed 
for  the  Vuifinals.  CompoMd  hj 
three  famous  Masters:  AVillijon 
Byrd,  Dr.  .Toll n  Bull,  aiul  IJrlan- 
do  Gibbons,  rrinted  for  John 
Clarke  lH5ö. 


Außerdom  liegen  noch  ungefähr  50  Bande  engUsdier  Opern  ans  dem 
18.  Jahrhundert,  sogenannte  BaUodrOperM^  yor. 


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Die  Vierteljahrshefte  der  Sammeibande 

erscheinen  am  1.  November,  1.  Februar.  1,  Mai  und  1.  August.  Schluß 
der  Redaktion  jedob  Heftes:  ein  Monat  vor  soinoni  Erscheinen.  Manu- 
skripte und  andere  Sendungen  beliebe  man  zu  richten  an  einen  der 
Herausgeber:  Prof.  Dr.  Oskar  Fleischer^  Berlin  W.  Motzstraße  17  und 
Dr.  Johannes  W  olf,  Berlin  N.  0.  Prenzlauer  Allee  30. 


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To  mä  finc,  tfais  book  ihould  be  retoned  on 
or  before  tbe  date  latt  ttampcd  bdow 


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1 


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